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Full text of "Zeitschrift für Schulgesundheitspflege : Organ des Deutschen Vereins für Schulgesundheitsplege"

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ZEITSCHRIFT 


FÜE 


SCHULGESUNDHEITSPFLEGE. 


EEDIGIEET 


VON 


Dr.  med.  et  phil.  L.  KOTELMANN 

IN  HAMBUKG. 


SECHSTEE  BAND. 
1893. 


HAMBURG  und  LEIPZIG, 
VEKLAjJ  VdN'-'LÄOP-ÖlA  lüoe-s. 

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1893. 


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Inhalt. 


Originalabhandlungeu. 

Seite 
Hygienische    Anforderungen   an   Heizanlagen  in   Schulhäusern    von 

E.  Voit 1 

Eine  Lanze  für  den  alten  Schulranzen  von   O.  Kynast 26 

Zar  Gesundheitspflege  in  den  Schulen  von  Antonino  Carini 65 

Schalhygieniaches  aus  den  Vereinigten  Staaten  von  Leo  Bürgerstein  75 
Hermann    Cohns    Lehrbuch    der    Hygiene    des    Auges    von    Ernst 

Pflüger   121 

Sollen  die  Geschwister   von   Masernkranken,   welche  die  Krankheit 

früher  schon  überstanden  haben,  vom  Schulbesuche  ausgeschlossen 

werden  ?  von  Fr.  Dornblüth 139 

Luftprüfungen  auf  Kohlensaure,  ausgeführt  in  Berliner  Gemeinde- 
schulen, von  E.  Gillert.    Mit  2  Kurventafeln 185 

Die  Regelung   des   Kinderbewahrwesens   in  Ungarn   von    Heinrich 

Schtjschny  '. 204 

Die    Gymnastik    als    Hilfsmittel    der    physischen    Erziehung     von 

N.  Hagmann 249 

Spanische  Ferienkolonien  von  Bertha  Wilhelmi  de  Davila   271 

Über  den  Einfluß  behinderter  Nasenatmung  auf  diekörperliche  und 

geistige  Entwickelung  der  Kinder  von  Victor  Lange  313 

Wie  befreien  wir  unsere  Schuljugend  vom   Nachmittagsunterrichte? 

Von  Philipp  Zimmermann 321 

Die   Myopiefrage   mit   besonderer    Bücksicht    auf  die   Schule   von 

J.  Stilling 377 

Weiteres  über  hygienische  Untersuchungen  in  einer  Anzahl  höherer 

Schulen  Norwegens  von  M.  K.  Hakonson-Hansen 396 

Zur  Myopiefrage  von  H.  Sohmidt-Rimpler 457 

Mit  welchem  Alter  soll  die  allgemeine  Schulpflicht  beginnen?    Von 

Otto  Jahke 460 

Ein  neuer   Ersatz   für  die   bisherigen  Geradehalter.    Mitteilung  von 

Friedrich  Hosoh.    Mit  3  Abbildungen  473 

Die  Lichtverhaltnisse   in  den   Schulen  der   Stadt   Halle   a.  S.   von 

K.  Liebreoht 521 

Das  Volksschulwesen  Breslaus  im  Schuljahre  1891/92  mit  besonderer 

Bücksicht  auf  die  Gesundheitspflege  von  G.  Kynast 542 


IV 

Seite 

Nochmals  zur  Myopiefrage  von  J.  Stillinq 585 

Die   Lichtverhältnisse   in   den    Schalen  der  Stadt  Halle   a.  S.   von 

E.  Liebeecht.    (Fortsetzung  und  Schlufs) 588 

Über  die  körperliche  Entwicklung  der  Knaben  in  den  Mittelschulen 

Moskaus  von  N.  Sack 649 

Ärztlicher  Bericht  über  das  Schuljahr  1892 — 93  an  der  Staatsober- 
realschule in  Temesvar  von  Eugen  Tauffeb 664 

Aus  Versammlungen  und  Vereinen. 

Die  Schulhygiene  in  der  XIV.  Versammlung  skandinavischer  Natur 

forscher  und  Ärzte  zu  Kopenhagen  von  Axel  Hertkl 28 

Beschlüsse  des  mexikanischen  pädagogischen  Kongresses  in  Betreff 
der  hygienischen  Anforderungen  an  Schulräume  . . . 30 

Bemerkungen  des  Komitees  für  Öffentliche  Gesundheitspflege  in 
Frankreich  über  den  Schlufs  der  Schulen  bei  Epidemien   33 

Die  Schularztfrage  in  der  Berliner  Stadtverordnetenversammlung  von 
Wilhelm  Siegebt 79 

Bemerkungen  im  österreichischen  Abgeordnetenhause  über  das  Turnen 
in  den  Mittelschulen  des  Landes 83 

Die  Abnahme  des  Erbgrinds  unter  den  französischen  Rekruten  und 

Schülern.    Aus  der  medizinischen  Akademie  in  Paris 84 

Der  Lehrgang  der  Jugendspiele  für  Mädchen  in  Braunschweig  von 
A.  Hermann 142 

Verhandlungen  der  medizinischen  Gesellschaft  in  Basel  über  den 
Einflufs  der  Schule  auf  die  körperliche  Entwickelung  der  Jugend  14$ 

Die  Gründungsversammlung  des  Gentralvereins  für  Schulschwimmen 
in  Berlin ■ 152 

Aus  der  Vereinigung  für  Schulgesundheitspflege  des  Berliner  Lehrer- 
vereins von  E.  Hertel ' 207 

Antrag  auf  Anstellung  von  Schulärzten,  eingebracht  in  der  Stadt- 
verordnetenversammlung von  Braunschweig 210 

Die  jüngste  Sitzung  des  Centralausschusses  zur  Förderung  der  Jugend- 

und  Volksspiele  in  Deutschland 213 

Die  wissenschaftlich-industrielle  Ausstellung  in  Kasan.  Gegenstände 
aus  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  und  der  körperlichen  Er- 
ziehung von  Alexander  von  Wirenius 276 

Die  Steilschriftfrage  vor  den  bayerischen  Ärztekammern 279 

Scharlachepidemie  in  einer  französischen  Gewerbeschule.  Mitteilung 
des  beratenden  Komitees  für  öffentliche  Gesundheitspflege  in 
Frankreich 283 

Die  wissenschaftlich-industrielle  Ausstellung  in  Kasan.  Gegenstände 
aus  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  und  der  körperlichen  Er- 
ziehung von  Alexander  von  Wirenius.    (Fortsetzung) 326 

Über  künstliche  Beleuchtung,  insbesondere  für  Zeichen-  und  Hörsäle. 
Aus  der  schlesischen  Gesellschaft  für  vaterländische  Kultur  . . .  331 

Der  Arbeitsunterricht  vor  der  Lehrerkonferenz  des  Gymnasiums  und 
Realgymnasiums  in  Görlitz    337 

Die  wissenschaftlich-industrielle  Ausstellung  in  Kasan.  Gegenstände 
aus  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  und  der  körperlichen  Er- 
ziehung von  Alexander  von  Wirenius.    (Fortsetzung) 403 

Zur  Geschlechtertrennung  in  den  Primarschulen  vom  hygienischen 
Standpunkte.  Verhandlungen  des  medizinisch-pharmaceutischen 
Bezirksvereins  Bern 406 


V 

Seite 

Die  Verbreitung  der  ägyptischen  Augenkrankheit  in  den  Dorfschulen 
Livlands.  Aus  einem  Vortrage,  gehalten  auf  dem  IV.  In- 
ländischen Ärztetage 408 

VII-  Hauptversammlung  des  deutschen  Vereins  für  Knabenhand- 
arbeit   410 

Bemerkungen  in  der  VI.  Generalversammlung  der  Badegesellschaft 
su  Stuttgart  über  die  Benutzung  des  dortigen  Schwimmbades 
durch  Schüler  412 

Die  wissenschaftlich-industrielle  Ausstellung  in  Kasan.  Gegenstände 
aus  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  und  der  körperlichen  Er- 
ziehung von  Alexander  von  Wirenius.    (Schluß) 477 

Wie  sorgt  die  höhere  Mädchenschule  für  die  körperliche  Ausbildung 
ihrer  Zöglinge?  Aus  den  Verhandlungen  der  XIII.  Hauptver- 
sammlung des  deutschen  Vereins  für  das  höhere  Mädchenschul- 
wesen in  Kiel  von  L.  Kotelmann 480 

Der  Berliner  Bealechulmänner verein  über  die  Schularztfrage  484 

Desinfektion  in  Schulen.     Urteile  von  Londoner  Schulärzten 485 

Wie  sorgt  die  höhere  Mädchenschule  für  die  körperliche  Ausbildung 
ihrer  Zöglinge?  Aus  den  Verhandlungen  der  XIII.  Hauptver- 
sammlung des  deutschen  Vereins  für  das  höhere  Mädchenschul- 
wesen in  Kiel  von  L.  Kotelmann.  (Fortsetzung) 546 

über  körperliche  Überbürdung  in  der  Wachstumsperiode.  Mit- 
teilungen in  der  französischen  Gesellschaft  zur  Förderung  der 
Wissenschaften  561 

Verhandlungen  des  Berliner  Lehrervereins,  die  hygienischen  Ver- 
hältnisse der  dortigen  Schulen  betreffend 552 

Wie  sorgt  die  höhere  Mädchenschule  für  die  körperliche  Ausbildung 
ihrer  Zöglinge?  Aus  den  Verhandlungen  der  XIII.  Hauptver- 
sammlung des  deutschen  Vereins  für  das  höhere  Mädchenschul- 
wesen in  Kiel  von  L.  Kotelmann.  (Schlufs) 610 

Die  Forderungen  der  Schulgesundheitspflege  an  die  Unterrichtspausen 

von  Fe.  Ed.  Stützer 616 

Gasheizung  für  die  Uhlandschule  in  Frankfurt  a.  M.     Gutachten  des 

städtischen  Gesundheitsrates  daselbst 618 

Die  Sitzungen  der  Kommission  für  Schulgesundheitspflege  in  Nürn- 
berg von  G.  Autenrieth 669 

Heilung  von  Kurzsichtigkeit   bei    Schülern    durch  Suggestion.     Aus 

dem  Verein  deutscher  Arzte  in  Prag 672 

Wie  lange  sollen  die  Schulkinder  bei  Infektionskrankheiten  isoliert 

werden  ?  Beschlüsse  der  Pariser  Akademie  der  Medizin  674 

Errichtung  besonderer  Schulklassen  für  Schwachsinnige.  Vom  Thü- 
ringer Städtetage 674 

Kleinere  Mitteilungen. 

Schulgesundheitspflege  im  Kanton  St.  Gallen 34 

Ein  Gutachten  über  den  Umfang  des  an  Lehrerbildungsanstalten  zu 

erteilenden  hygienischen  Unterrichtes  35 

Sollen  Kinder  mit  Pelade  vom  Schulbesuche  ausgeschlossen  werden?  36 

Die  hygienischen  Gefabren  der  Schülerverbindungen 36 

Über  häusliche  Arbeit  und  körperliche   Bewegung  bei  Schülerinnen  36 

Zur  Hygiene  des  Auges  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Schule  . .  37 

Kindergarten  und  Gesundheitspflege   38 

Erziehung  und  Unterricht  der  dänischen  Taubstummen 39 


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Seite 

Einfluß  der  Schalbäder  auf  die  Schüler 40 

Drei  Vorkämpfer  für  die  körperliche  Ausbildung  der  Gymnasiasten    84 
Aus  den  Berichten  der  sächsischen  Amtsärzte  über  die  Schulen  ihres 

Bezirkes » 88 

Arm-  und  Bruststärker,  Patent  Largiader 90 

Über  die  öffentliche  Fürsorge  für  Idioten 93 

Schulhygiene  in  Paris 93 

Untersuchungen  der  Wirbelsäule  von  2124  Schulkindern  in  München  153 

Der  Einflufis  des  Tabakrauchens  auf  Knaben 157 

Gefahren  des  übertriebenen  Badfahrens 157 

Ofenheizung  in  Schulen 158 

Zur  Entwickelung  der  Schulbankfrage  in  Prag 217 

Die  Entstehung  der  Schulkurzsichtigkeit 220 

Gesundheitsschädliche  Beschäftigungsmittel  in  Kindergärten  .......  222 

Zur  Heilung  des  Stotterns  bei  Schulkindern 222 

über  die  Verbreitung  ansteckender  Krankheiten  durch  Milchgenuls  223 
Gefahren  für  Kinder,  welche  Gegenstände  aus  Celluloid  tragen  ....  223 

Die  körperliche  und  geistige  Arbeit  im  Gleichgewichte 284 

Bundsohreiben  des  Zürcher   Stadtarztes,    betreffend   den  Ausschluß 
infektiös   erkrankter   Kinder   und    ihrer    Geschwister   von    der 

Schule 287 

Winke  über  körperliche  Erziehung  junger  Mädchen 287 

Die  zahnärztliche  Hygiene  in  der  Schule 288 

Weicher  Boden  für  Turnhallen 289 

Herings  Universalgestell  für  Schulbilder  uud  Wandkarten 290 

Alnminiumgriffel 291 

Über  das  Vorkommen  von  Spiegelschrift,   besonders   im  Kindesalter  338 

Der  Schularzt 340 

Geistige  Störungen  bei  Kindern 341 

Eine  neue  Schulkrankheit 342 

Was  uns  die  Pocken  in  England,  namentlich  bezüglich  der  Jugend, 

lehren 343 

Bakteriologische    Untersuchung    des    Dorpater    Universitätsleitungs- 
wassers   345 

Das  Schulsanatorium  in  Meran 345 

Eine  neue  Schulbank 346 

Das  Paulinum  des  Rauhen  Hauses  in  Hamburg,  eine  Musterstätte  für 

einen  gesunden  Geist  in  einem  gesunden  Körper 413 

Zur  Überbürdung  der  amerikanischen  Schüler 417 

Die  Area  Celsi  und  der  Schulbesuch 418 

Fehler  'der  Sprachorgane  bei  Schulkindern 419 

Vorbeugung  des  Trunks  durch  die  Schulen 420 

Über  die  Schreibweise  linkshändiger  Kinder 421 

Die  Einrichtung  des  Schulgartens  in  Mannheim 421 

Badeordnung  für  die  Benutzung  der  Schulbäder  in  Zürich-Unterstrafs  422 

Preisgekrönter  Entwurf  zu  einem  Realgymnasium  in  Gera   424 

Über  Schulheizung  mit  Gasöfen 425 

Gesundheitspflege  für  die  Lehrer 486 

Schulhygienisches  aus  dem  Königreich  Sachsen 487 

Häusliche  Arbeitszeit  der  Schüler   der  k.  k.  Staatsoberrealschule  in 

Teschen 489 

Über  das  Lebens-  und  Dienstalter  der  Volksschullehrer  in  Preufsen  490 

Sind  gute  Turner  schiechte  Schüler?  491 

Ist  das  Fufsballspiel  gefährlich? 491 


VII 

Seite 

Matte,  schwarze  und  weifte  Glasschultafeln 492 

Eine  Brille  für  farbenblinde  Schüler 493 

Die  mitteleuropäische  Zeit  und  die  Schale 554 

Physiologische  Untersuchungen  von  Schulkindern  in  Washington  . .  558 

Die  Anstellung  von  Schulzahnärzten  in  Deutschland 558 

Gegen  den  übermäfsigen  Biergenufs  in  akademisch  gebildeten  Kreisen  559 

Zar  Verbreitung  der  Diphtherie  durch  die  Schule 560 

Milchstationen  für  arme  Schulkinder 560 

Aufregende  Privatlektüre  der  Schülerinnen 619 

Die  physische  Grundlage  von  Frühreife  und  Zurückgebliebenheit  bei 

Schulkindern 621 

Die  Durchschnittszahl    der   Schüler    in   den  Volksschulklassen   der 

größeren  Städte  Preufsens 621 

Soll  der  Koch-   und  Haushaltungsunterricht  in  Fortbildungsschulen 

für  Mädchen  oder  in  der  Volksschule  erteilt  werden?  622 

Düsseldorfer  Sommerpflegen  für  kränkliche  Kinder 625 

Über  die  Lage  der  Turnstunden 625 

Über  den  Einflufs  des  Gesohlechtes  in  der  Erziehung 675 

Hygienische  Ratschläge  für  die  Hausarbeit  der  Schüler 677 

Schulgesundheitspflege  und  Stundenplan 677 

Diphtherie  und  Schulferien  681 

Körperliche  Erziehung  auf  den  Sandwichinseln 681 

Zur  Charakteristik  der  Schulhygiene  in  früheren  Zeiten 681 

Vorschule  für  junge  Taubstumme  in  Wien 682 

Schulferienreisen  in  Dänemark 682 

Ein  neuer  Apparat  für  Widerstandsbewegungen 682 

Tagesgesohichtliches. 

Verlegung  der  allrussischen   hygienischen  Ausstellung  auf  das  Jahr 

1894 40 

Die  ärztliche  Schulinspektion  in  Frankreich 41 

Untersuchung  Schwachbegabter  Kinder  in  Altona 42 

Tödliche  Verletzung  eines  englischen  Schülers  beim  Fußballspiel  . .  43 
Ansteckende  Augenentzündung  im  Mädchenwaisenhause  zu  Judenau  43 
Verhaltungsmaßregeln  gegen   die  Ausbreitung  der  Lungenschwind- 
sucht in  Schulen 43 

Eine  Hungerturnfahrt  von  Leipziger  Schülern 44 

Das  Seeboepiz  „Kaiserin  Friedrich"  zu  Norderney 44 

Gemeinnütziger  Verein  zu  Bekleidung  armer  Kinder  in  Wien 44 

Bau  und  Einrichtung  einer  neuen  Elementarschule  in  Born 45 

Das  Trinkwasser  des  Lyceums  in  Alengon 45 

Eine  neue  Schulbank 45 

Internationaler  Ärztekongrefs  in  Born 95 

Der  deutsche  Verein  für  öffentliche  Gesundheitspflege 95 

Die  Einführung  der  Steilschrift  in  die  Schulen 95 

Rückgratsverkrümmung  und  Kursichtigkeit  von  Schülerinnen  in  Köln  98 

Zwei  Erkrankungsfalle  infolge  von  Überbürdung 98 

Versammlung  von  Schulmännern  zur  Besprechung  der  biologischen 

Grundlagen  der  Pädagogik 99 

Untersuchung  der  Zähne  von  Londoner  Schulkindern 100 

Urteil  des  Beichsgerichts,  die  Überschreitung  des  Züchtigungarechtes 

der  Lehrer  betreffend 100 

Handfertigkeitsunterricht  in  Bufsland  101 


Till 

Seite 

Mensa  academica  in  Wien  101 

Kinderheilherberge  Bethesda  zu  Soolbad  Goczalkowitz  in  Sohlesien  102 
Programm  der  deutschen  Ausstellung  für  das  höhere  Schulwesen  in 

Chicago 160 

Vorlesungen  über  Schulgesundheitspflege  an  der  Universität  Giefren  162 
Todesfalle  an  Cholera  unter  den  Schulkindern  Hamburgs  1892  . . .  162 
öffentlicher  Aufruf  zur  Unterstützung  von  Schüleruntersuchungen  in 

England 163 

Über  die  Häufigkeit  von  Infektionskrankheiten  bei  den  Kindern  in 

Österreich 163 

Jugendspiele  in  Frankfurt  a.  M 163 

Befreiung  Budapester  Volksscbüler  vom  Turnen 164 

Programm    der    Lehrerbildungsanstalt    des    deutschen    Vereins    für 

Knabenhandarbeit  auf  das  Jahr  1893 164 

Eine  Vorrichtung,  um  die  Schüler  zu  gerader  Haltung  zu  nötigen . .  166 

Pädagogischer  Weltkongrefs  in  Chicago 224 

Eine   Epidemie    von   hysterischen   Krämpfen   in   einer  schlesischen 

Dorfschule   225 

Gegen  den  übermäßigen  Alkoholgenufs  der  akademischen  Jugend . .  229 

Schlufs  dreier  Lehrerseminare  wegen  Influenza 229 

Schulhygienische  Aufgaben  bei  der  ersten  Dienstprüfung  der  Semi- 
naristen im  Saulgau 229 

Bedürftige  und  schlecht  genährte  Schulkinder  in  der  Schweiz 229 

Der  internationale  Kongrefs   für  Hygiene  und  Demographie   in  Bu- 
dapest 1894 291 

Mitteleuropäische  Zeit  und  Beginn  des  Unterrichts   am  Morgen  . . .  292 

Typhusepidemie  in  einem  französischen  Waisenhause 292 

Zur  Frage  nach  der  Ehelosigkeit  der  Lehrer  293 

Der  Erbgrind  unter  den  Schulkindern  in  Algier  und  Tunis 293 

Der  Verein  zur  Heilung  stotternder  Volksschüler  in  Hamburg 294 

Zur  Augenentzündung  in  den  Armenschulen  Londons 295 

Der  städtische  Schulgarten  in  Köln 296 

Vorführung  des  deutschen  Schulturnens  in  Milwaukee  und  Chicago  296 
Milchverteilung  an  bedürftige   Kinder  in    einer   Leipziger  Bezirks- 
schule    297 

Der  Verein   zur  Förderung  der  Jugendspiele  in  Prag   297 

Internationale  medizinische  und  hygienische  Ausstellung  in  Born  . .  346 
Docenten  der  Schulhygiene  an   den  Lehrerinnenbildungsanstalten  in 

Österreich    346 

Einige  neuere  Urteile  über  die  Steilschrifb 347 

Über  die  Studenten  Japans  in  körperlicher  Beziehung 349 

Kriminalität  der  Jugendlichen 350 

Die  Schulgebäude   des  Kreises   Isenhagen   in  der  Lüneburger  Heide  351 
Kurse  zur  Ausbildung  von  Lehrern  und  Lehrerinnen  in  den  Jugend- 
spielen    353 

Ferienhort  für  bedürftige  Gymnasialschüler  Wiens  353 

VIII.  internationaler   Kongrefs   für   Hygiene    und    Demographie   in 

Budapest  1894 426 

Untersuchungen  über  den  Zustand   der  Augen  in  den   Schulen  von 

Lausanne   426 

Schulärzte  in  Sachsen • 428 

Adenoide  Vegetationen  im  Nasenrachenräume  von  Kindern 428 

Einführung  des  Unterrichts  in  der  Schulhygiene  an  den  bayerischen 
Lehrerbildungsanstalten 428 


IX 

Seite 

Sanitäre  Verbesserungen  in  Wellington  College 428 

Diphtherie  und  Schale  429 

Ein  Lehrer  als  Opfer  vegetarianischer  Lebensweise 431 

Untersuchungen  der  Zähne  von  Schulkindern  in  Frankfurt  a.  M.   . .  431 

Schwere  Erkrankung  eines  Knaben  infolge  eines  Viperbisses    432 

Über   Turnunterricht   und    Jugendspiele   an   den   höheren   Schulen 

Preufsens   432 

Schulerherbergen  im  Riesengebirge 435 

Zur  Forderung  der  körperlichen  Ausbildung  an  den  Mittelschulen 

Österreichs 435 

Badern  der  Realschüler  in  Lauenburg  a.  E 436 

Gründung  eines  Slöjd vereine  in  Ungarn 436 

Ferienkolonien  in  Prag 436 

Ein  Arbeitstisch,  der  zugleich  als  Barren  und  Reck  benutzt  werden 

kann 437 

Die    schulhygienisohe  Sektion    des  VIII.  internationalen  Kongresses 

für  Hygiene  und  Demographie  in  Budapest 493 

Die  65.  Versammlung  der  Gesellschaft   deutscher  Naturforscher   und 

Ärzte 493 

Zwei  Gegner  der  Steilschrift 494 

Die  erste  russische  Hygieneausstellung  in  St.  Petersburg 495 

Schalanfang  im  Regierungsbezirk  Schleswig  während  des  kommenden 

Winterhalbjahrs 496 

Das    englische    Komitee    zur    Untersuchung    des    körperlichen    und 

geistigen  Verhaltens  der  Schulkinder 496 

Preisausschreiben   für  Lehrer   zur  Förderung   der  Mäfsigkeit  seitens 

der  Schule 497 

Zur  Wiederimpfung  in  den  französischen  Schulen 497 

Eine  Pockenepideraie  in  Greenwich,  verbreitot  durch  die  Schule  . . .  497 

Schülerinnenreise  auf  den  Semmering 497 

Die    Ruderwettfahrt    zwischen    den    Vertretern    der    Universitäten 

Oxford  und  Cambridge 498 

Schulschlufs  in  Orleans  wegen  Masern 498 

Schwimmunterricht  der  Schuljugend  in  der  Schweiz 498 

Jahresversammlung  des  Vereins  für  Kinderheilstätten  an  den  deutschen 

Seeküsten 499 

Berliner  Ferienkolonien 500 

Der  XI.  internationale  medizinische  Kongreß  in  Rom 561 

Akute  psychische  Epidemie  in  einer  Mädchenschule 561 

Hygienischer  Unterricht  für  Lehramtskandidaten  in  Italien 563 

Vergiftung  in  einer  englischen  Distriktschule 563 

Über  die  Körperpflege  im  Falkrealgymnasium  zu  Berlin 564 

Todesfall  in  Rugby  College  infolge  eines  Wettlaufes 566 

Eine  Gesellschaft  für  öffentliche  Schulgärten  in  Wien 566 

Die  Lehrerbildungsanstalt  des  deutschen  Vereins  für  Knabenhandarbeit 

zu  Leipzig 566 

Schlittschuhlaufen  und  Schwimmen  der  Realschüler  in  Strafsburg  i.  E.  567 
Das  Seehospiz  für  arme  skrofulöse  Kinder  Italiens  in  Porto  d'Anzio  567 
Ein  Verein  für  die  gesandheitsgemäfse  Erziehung  unserer  Jugend . .  626 

Gehörprüfungen  von  Schulkindern  in  Luzern 627 

Der  italienische  Unterrichtsminister  gegen  die  Überbürdung 631 

Verbot  des  Wirtshausbesuches  für  Volks-  und  Fortbildungsschülerin 

Hessen 632 

Zur  Speisung  and  Bekleidung  armer  Schulkinder 632 


X 

Seite 

Hygienische  Fürsorge  für  die  Eindergärten  in  Berlin 632 

Das  Mädchengymnasium  in  Karlsruhe  vom  Standpunkte  der  Hygiene  684 
Augenärztliche   Untersuchung   der  Zöglinge   des  Waisenhauses   und 

der  Erziehungsanstalt  zu  Bummelsburg 687 

Zur  Frage  der  Anstellung  von  Schulärzten 688 

Über  den  Einflufs  der  Heftlage  und  Schriftrichtung  auf  die  Körper- 
haltung der  Schüler 689 

Die    Zähne    der   Kinder    in   der   Distriktsschule   West- Londons   zu 

Ashford 690 

Hygienische  Beform  der  Elementarlesebüoher  in  Österreich 690 

Der  zweite  Braunschweiger  Lehrgang  für  Turnspiele 690 

Kindergärten  in  Japan 693 

Amtliche  Verfügungen. 

Erlafs   des   Königlich   preufsischen   Unterrichtsministers,    betreffend 

die  Benutzung  unsicherer  Turngeräte  durch  Schüler 46 

Gutachten  der  Königlichen  wissenschaftlichen  Deputation  für  das 
Medizinalwesen  in  Preußen  über  die  Füllung  der  Schulspucknäpfe    46 

Amtlicher  Fragebogen  zur  Ermittelung  der  körperlichen  und 
geistigen  Eigenschaften  der  Schuljugend  in  Uruguay 48 

Beschlüsse  des  Bezirksschulrats  der  Stadt  Wien  bezüglich  der  Aborte 
und  der  Befriedigung  natürlicher  Bedürfnisse  der  Schulkinder . .     50 

Bescheid  des  Königlich  preufsischen  Kriegsministeriums  über  die 
Benutzung  der  Exerzierplätze  zu  Jugendspielen 102 

Grundsätze  für  die  Aufrechterhaltung  der  Sauberkeit  an  den  höheren 
Schulen  im  Aufsichtsbezirke  des  Königlichen  Provinzialschul- 
kollegiums  zu  Gassei 103 

Konkurrenz  Vorschriften  des  Wiener  Stadtrates  zur  Erlangung  Ton 
Projekten  für  eine  Schulbankkonstruktion  auf  Grund  der  Thesen, 
welche  die  vom  Wiener  Gemeinderate  veranlafste  Schulbank- 
expertise aufgestellt  hat 106 

Weisung  des  k.  k.  österreichischen  Ministeriums  des  Innern,  bei 
Bauprojekten  für  Schulen  -  und  andere  öffentliche  Anstalten  das 
Urteil  des  Landessanitätsrates  einzuholen 167 

Erlafs  des  Königlich  preußischen  Unterrichtsministers,  betreffend 
Schülerverbindungen 167 

Bescheid  des  Königlich  bayerischen  Staatsministeriums  des  Innern 
über  die  Schließung  der  Schulen  beim  Ausbruche  ansteckender 
Krankheiten 169 

Verordnung  der  Königlichen  Regierung  zu  Liegnitz  wegen  des  Ver- 
fahrens bei  der  Anmeldung  taubstummer  Kinder  für  eine  Taub- 
stummenanstalt  170 

Erlafs  des  Königlich  preufsischen  Unterrichtsministers ,  betreffend 
die  Errichtung  von  Abschlufsklassen  für  zurückgebliebene  Schüler  230 

Verfügung  des  k.  k.  Landesschulrates  in  Mähren,  Versuche  mit 
Steilschrift  in  den  Volks-  und  Bürgerschulen  anzustellen 232 

Schulgesundheitliches  aus  der  neuen  Schulordnung  der  Stadt  St. 
Gallen 233 

Amtlicher  Fragebogen,  bezüglich  der  Schulgebäude  in  Uruguay ....  235 

Erlafs  des  Königlich  preußischen  Ministers  der  geistlichen,  Unter- 
richts* und  Medizinalangelegenheiten,  betreffend  Haushaltungs- 
unterricht für  Mädchen 298 


XI 

Seite 

Verbot  zu  klein  gedruckter  Klassikertexte  durch  das  k.  k.  öster- 
reichische Unterrichtsministerium 299 

Verordnung  des  französischen  Ministers  des  Unterrichts  und  der 
schönen  Künste,  betreffend  die  Gesundheitspflege  in  den 
französischen  Primärschulen 800 

Verfugung  des  k.  k.  Bezirksschulrates  von  Wien  wegen  Aufnahme 
einer  Statistik  der  verwahrlosten  Schulkinder 800 

Lautsprache  oder  Gebärdensprache  beim  Taubstummenunterricht? 
Eine  Antwort  des  Königlich  preufsischen  Kultusministers 855 

Bundschreiben  der  englischen  Regierung,  betreffend  den  Ausschlufs 
von  Kindern  aus  der  Schule  wegen  Infektionskrankheiten 358 

Verfügung  des  k.  k.  niederösterreichischen  Landesschulrates  vom 
21.  April  1892,  Z.  3258,  betreffend  die  Einrichtung  und  Pflege 
von  Schulgärten 859 

Erlais  des  Königlich  preufsischen  Unterrichtsministers  zur  Verhütung 
von  Unglücksfallen  bei  Schülern 437 

Empfehlung  des  Auerschen  Gasglühlichtes  für  öffentliche  Gebäude, 
Auditorien,  Laboratorien  u.  s.  w.  durch  das  Königlich  preufsische 
Ministerium  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinalan gelegen- 
heiten 438 

Vorschriften  des  Königlich  preufsischen  Kultusministers  über  das 
Ausfallen  des  Unterrichtes  bei  groiser  Hitze 440 

Verfügung  des  k.  k.  niederösterreichischen  Landesschulrates  vom 
13.  Juli  1892,  Z.  5671,  betreffend  die  Beschäftigungsmittel  für 
Kindergarten,  Volkskindergärten  und  Kinderbewahranstalten . .  i  441 

Erlafs  des  Königlich  preufsischen  Unterrichtsministers,  betreffend 
Schuleinrichtungen  für  schwachsinnige  Kinder 501 

Geteilte  oder  ungeteilte  Schulzeit  in  den  Hamburger  Volksschulen? 
Bescheid  des  Senates  an  die  Bürgerschaft 502 

Belehrungen  des  Wiener  Stadtphysikates  über  das  Verhalten  der 
Schüler  beim  Baden 607 

Gesundheitsregeln  für  die  Schuljugend,  aufgestellt  von  der  Unterrichts- 
behörde  im  Haag 567 

Cirkularverragung  der  k.  k.  Statthaltern  in  Tirol  und  Vorarlberg 
vom  11.  Juli  1893,  Z.  16  849,  wegen  Maisnahmen  gegen  Ver- 
breitung ansteckender  Krankheiten  durch  Mitglieder  geistlicher 
Orden,  welche  sich  der  Krankenpflege  und  dem  Unterrichte 
widmen 571 

Aus  dem  Erlafs  des  Königlich  preußischen  Unterrichtsministers  über 
die  Einführung  neuer  Lehr-,  Lese-  und  Übungsbücher  für 
höhere  Lehranstalten 572 

Erlafs  des  Grofsherzoglich  badischen  Ministeriums  des  Innern,  die 
Ausschliefsung  epileptischer  Kinder  von  dem  Besuche  der  Volks- 
schulen betreffend 633 

Rundschreiben  der  k.  k.  schlesischen  Landesregierung  vom  6.  April 
1893,  Z.  4331,  an  alle  unterstehenden  Behörden  bezüglich  der 
Schülerimpfungen  und  Vaccinationsausweise 634 

Gutachten  des  Stadtphysikates  in  Wien  über  den  Antrag  der  Direktion 
des  dortigen  Pädagogiums  auf  Erteilung  von  Unterricht  in  der 
Hygiene  an  Lehrer 636 

Verordnung  der  französischen  Regierung,  betreffend  Mafsregeln  in 
den  Primärschulen  zur  Verhütung  und  Bekämpfung  von 
Epidemien 693 


XII 

Seite 

Aus  dem  Rundschreiben  der  k.  k.  niederösterreichischen  Statthaltern 
vom  9.  Februar  1892,  Z.  5435,  über  die  Merkmale  und  die 
Behandlung  der  Varicellen  oder  Schafblattern 696 

Erlais  der  k.  k.  Statthalterei  in  Böhmen  bezüglich  der  Giftigkeit 
vieler  Farben  in  den  Schülerfarbkästchen 697 

Personalien. 
51.  109.  172.  237.  301.  363.  444.  509.  673.  637.  698. 

Litteratur. 
1.    Besprechungen. 

£.  yon  Schenckendorff  und  F.  A.  Schmidt,  über  Jugend-  und  Volks- 
spiele.   Von  Karl  Ferd.  Kummer 53 

John  Jackson,  Upright  versus  sloping  writing.   Von  Paul  Schubert    56 

Karl  Hinträger,  Bau  und  Einrichtung  von  Pflege-  und  Erziehungs- 
anstalten für  die  Jugend  des  vorschulpflichtigen  Alters  in  den 
verschiedenen  Ländern.    Von  Behnke 58 

M.  K.  HIkonson-Hansen,  Grundtraekkene  af  sundhedslseren.  Von 
Leo  Buroer8tein 59 

Körpererziehung  und  Schulreform.    Von  F.  A.  Schmidt  . . « 112 

A.   Kühner,    Der   Lehrer    als   Wächter    der   Gesundheit.     Von    J. 

Sternfeld 114 

Chervin,  La  voix  parle«  et  chantee.     Von  H.  Söder 116 

Mangenot,    Les    bains    et    la    natation    dans    les    ecoles    primaires 

communales  de  Paris.    Von  Hyacinth  Kuborn 174 

Karl  Kummer,  Franz  Branky  und  Raimund  Hofbauer,  Lesebuch 
für  österreichische  allgemeine  Volksschulen.  Erster  Teil:  Steil- 
schriftfibel.   Von  Josef  Guoler 176 

Chr.  Ufer,  Das  Wesen  des  Schwachsinns.    Von  A.  Roemer 179 

Franz  Kreunz,    Bewegungsspiele  und  Wettkämpfe  für  Mittelschulen 

und  verwandte, .Lehranstalten.    Von  H.  Wickenhagen 180 

Friedrich   Renk,    Über   die    künstliche    Beleuchtung  von  Hörsälen. 

Von  Hermann  Cohn 238 

Stephan   Csapodi   und    Siegmund  von  Gerlöczy,    Gesundheitslehre. 

Für  die  Volksschulen  verfafst.     Von  Wilhelm  Siegert 241 

Woldemar  Götze,  Katechismus  des  Kn  abenhandar  bei  tsunt  errichte. 
Von  Georg  Völlers 242 

Karl  Richter,  Grundriß*  der  Schulgesundheitspflege  für  Lehrer, 
Sohulleiter,  Schulaufsichtsbeamte  und  angehende  Schulärzte. 
Von  Reimann 303 

E.  Haesecke,  Die  Schulheizung,  ihre  Mängel  und  deren  Beseitigung. 

Von  Chr.  Nussbaüm 305 

Christian   Schneider  und   Franz  Dietrich,   Die   deutsche   Normal' 

Schrift.     Von  Emanuel  Bayr 306 

Franz  Dietrich,  Deutsche  Symbol-Normal-Hand-  und  Kurzschrift. 
•Von  Emanuel  Batr 308 

E.  Hoffmann,  Lehrbuch  der  Schulgesundheitspflege  für  Lehrer  und 
Seminaristen.     Von  Matthias  Ritter  von  Wretsohko 365 

Hubert  Wingerath,   Kurzsichtigkeit  und   Schule.    Von  Alexander  367 

Böngerfi,  Janos  es  Karpati,  Bela,  Az  allöiräs  (Johann  Böngerfi 
und  Bela  Karpati.  Die  Steilschrift.)    Von  Heinrich  Schuschnt  371 


xm 

Seite 
H.  Bowlakd  Wakefield.  An  Elementary  Textbook  of  Hygiene.  Von 

L.    KOTELMAKN 372 

Adriano   Garbini,    Evolnzione    della     voce    nella    infanzia.     Von 

A.  Schwekdt 446 

Perlia,    Leitfaden   der   Hygiene   des   Auges.    Von    August   Bitter 

von  Reüss 451 

A-  Wunderlich,   Wegweiser  für  Eltern  und  Lehrer  bei  Einfuhrung 

der  Steilschrift.    Von  Philipp  Zimmermann 452 

Combe,    Extrait   du   rapport  presente-  par  la  municipalite  au  conseil 

communal  pour  l'annee  1891.    Von  W.  Krug 512 

Julius  Lang,  Die  Forderungen  der  Schulhygiene.  Von  Süssmann..  514 
W.  Winkler,  Deutsches  Lehrerheim  in  Schreiberhau,  Biesengebirge. 

Von  S.  Sghibssling .. 516 

C.  A.  Köhler,  Die  Schulgesundheitspflege.  —  Über  Wesen  und  Be- 
handlung des  kindlichen  Schwachsinns.    Von  B.  Blasius 574 

Georg   Müller,   Die   Widerstandsgymnastik   für  Schule   und  Haus. 

Von  G.  Tön8feldt 575 

W.  Prausnitz,  Grundzü'ge  der  Hygiene.    Von  L.  Kotelmann 578 

H.  Ziesche,   J.  Doms  deutsche  Fibel,    umgearbeitet  und   mit  Steil* 

schrift  versehen.    Von  Emanuel  Bayr 580 

Franz  Kiessling  und  Egmont  Pfalz,  Gesundheitslehre  im  Anschlufs 

an  Bau  und  Leben  des  menschlichen  Körpers.  Von  Otto  Janke  638 
Krug,   Die   hygienischen  Beziehungen  von  Heftlage,   Schriftrichtung 

und  Haltung  der  Kinder  beim  Schreiben.  Von  Wilhelm,  Mayer  640 
F.  A.  Schmidt,  Die  Leibesübungen  nach  ihrem  körperlichen  Ubungs- 

wert  dargestellt.    Von  August  Hermann 642 

Sl0jdsagen  i  Danmark.    Handfertigkeitsangelegenheiten  in  Dänemark. 

Von  Axel  Hertbl 644 

von   Kerschensteinbr,    Beform    des   bayerischen   Mittelschulwesens 

vom  ärztlichen  Standpunkte  aus.    Von  Lahmeyer 700 

Franz  Mohaupt,  Kleiner  Gesundheitsspiegel.  Von  Theodor  Altsghul  702 
Karl   Hinträger,    Das    moderne   Volksschulhaus.      Von    Berthold 

Stahl 704 

2    Bibliographie. 
€0.  117.  181.  245.  309.  372.  453.  517.  581.  645.  708. 

3.    Bei  der  Bedaktion  eingegangene  Schriften. 
62.  119.  183.  247.  311.  375.  455.  519.  583.  647.  710. 


Verzeichnis  der  Herren  Mitarbeiter, 

welche  im  Jahre  1893  Beiträge  geliefert  haben. 


Augenarzt  Dr.  Alexander  in  Aachen.  —  E.  k.  Sanitätsrat  Dr. 
Theodor  Altschul  in  Prag.  —  Rektor  des  humanistischen  Gymnasiums 
Dr.  6.  Autenrieth  in  Nürnberg.  —  Direktor  Emanuel  Batr  in  Wien.  — 
Stadtbanrat  Behnke  in  Frankfurt  a.  M.  —  Professor  der  Hygiene  an  der 
technischen  Hochschule  Dr.  B.  Blasius  in  Braunschweig.  —  Oberreal- 
•cholprofessor  Dr.  Leo  Buroerstein  in  Wien.  —  Docent  an  der  Uni- 
Tenitat  Dr.  Antonino  Carini  in  Palermo.  —  Professor  der  Augenheilkunde 
Dr.  Hermann  Cohn  in  Breslau.  —  Praktischer  Arzt  Dr.  Fr.  Dornblüth 
in  Rostock.  —  Stadtischer  Lehrer  E.  Gillert  in  Berlin.  —  Direktor  der 
k.  k.  Lehrerbildungsanstalt  Joseph  Guolbr  in  Wien.  —  Privatdocent  der 
Orthopädie  Dr.  N.  Hagmann  in  Moskau.  —  Lehrer  und  Observator 
iL  K.  HIkonson-Hansbn  in  Drontheim.  —  Turninspektor  Gymnasiallehrer 
A.  Hermann  in  Braunschweig.  —  Kommunaler  Kreisarzt  Axel  Hertbl 
in  Kopenhagen.  —  Städtischer  Lehrer  E.  Hertel  in  Berlin.  —  Augen- 
arzt Dr.  Friedrich  Hosoh  in  Basel.  —  Städtischer  Lehrer  Otto  Janke 
in  Berlin.  —  Augenarzt  Dr.  L.  Kotelmann  in  Hamburg.  —  Städtischer 
Schularzt  Hofrat  Dr.  W.  Krug  in  Dresden.  —  Professor  der  Hygiene 
Dr.  Hyacmth  Kuborn  in  Lattich.  —  K.  k.  Landessohulinspektor  Dr. 
Karl  Ferd.  Kummer  in  Wien.  —  Städtischer  Lehrer  G.  Kynast  in 
Breslau.  —  Provinzialschulrat  Geheimer  Begierungsrat  Dr.  Lahmeyer  in 
Kassel.  —  Specialarzt  für  Ohren-,  Nasen-  und  Halskrankheiten  Dr.  Victor 
Lauge  in  Kopenhagen.  —  Augenarzt  Dr.  K.  Liebrecht  in  Halle  a.  8.  — 
Praktischer  Arzt  Dr.  Wilhelm  Mayer  in  Fürth.  —  Docent  an  der  tech- 
nischen Hochschule  Chr.  Nussbaum  in  Hannover.  —  Professor  der 
Augenheilkunde  Dr.  Ernst  Pflüoer  in  Bern.  — -  Kreisphysikus  Dr.  Bei- 
mann in  Neumünster.  —  Professor  der  Augenheilkunde  Dr.  August  Bitter 
ton  Rbuss  in  Wien.  —  Praktischer  Arzt  Dr.  A.  Bobmer  in  Stuttgart.  — 
Kinderarzt  Dr.  N.  Sack  in  Moskau.  —  Professor  am  k.  k.  Staatsober- 
gymnasium S.  Schiessling  in  Mies.  —  Praktischer  Arzt  Dr.  F.  A.  Schmidt 
in  Bonn.   —   Professor  der   Augenheilkunde  Geheimer  Medizinalrat  Dr. 


XVI 


Hermann  Schmidt-Rimpler  in  Göttingen.  —  Augen-  und  Ohrenarzt  Dr. 
Paul  Schubert  in  Nürnberg.  —  Schularzt  und  Professor  der  Hygiene 
Dr.  Heinrich  Schuschnt  in  Budapest.  —  Privatdocent  der  Medizin 
Dr.  A.  Schwendt  in  Basel.  —  Städtischer  Lehrer  Wilhelm  Siegert  in 
Berlin.  —  Direktor  der  Taubstummenanstalt  H.  Söder  in  Hamburg.  — 
Stadtbaurat  Berthold  Stahl  in  Altona.  —  Praktischer  Arzt  Dr.  J.  Stern- 
feld in  Temesvar.  —  Professor  der  Augenheilkunde  Dr.  J.  Stillino  in 
Strafsburg  i.  E.  —  Oberarzt  des  Hennannstädter  Eomitates  Dr.  Süssmann 
in  Hermannstadt.  —  Schularzt  und  Professor  der  Hygiene  Dr.  Eugen 
Tauffer  in  Temesvar.  —  Rektor  der  II.  Knabenmittelschule  G.  Töns- 
feldt  in  Altona.  —  Professor  an  der  technischen  Hochschule  Dr. 
E.  Vorr  in  München.  —  Lehrer  Georg  Völlers  in  Hamburg.  —  Gym- 
nasialoberlehrer H.  Wickbnhagen  in  Rendsburg.  —  Bbrtha  Wilhelmt 
de  Dayila  in  Granada.  —  Arzt  des  Wedenskischen  klassischen  Gymna- 
siums und  Direktor  des  Einderasyls  der  Grofsfürstin  Alexandra  Nico- 
laewska  Wirklicher  Staatsrat  Dr.  Alexander  von  Wirenius  in  St.  Peters- 
burg. —  E.  k.  Ministerialrat  im  Unterrichtsministerium  Dr.  Matthias 
Ritter  ton  Wretschko  in  Wien.  —  Städtischer  Lehrer  Philipp  Zimmer- 
mann in  Frankfurt  a.  M. 


}t\\ii\M  für  Sdiulgffunbbritöpflrgr. 

VI.  Jahrgang-  1893.  No.  1 


©riginal-itb^anblungen. 


Hygienische  Anforderungen  an  Heizanlagen 

in  Schulhäusern. 

Von 

Dr.  phil.  E.   Voit, 
o.  Professor  an  der  technischen  Hochschule  in  München. 

An  die  Beheizung  eines  Schulhauses  können  selbstver- 
ständlich keine  anderen  hygienischen  Anforderungen  gestellt 
werden,  als  an  Heizungen  für  irgend  welche  sonstigen  bewohn- 
ten Bäume.  Es  ist  jedoch  nicht  zu  vergessen,  dass  die  Er- 
wärmung von  Schulräumen,  in  welchen  ja  eine  grosse  Anzahl 
von  Kindern  längere  Zeit  sich  aufhält,  mit  besonderer  Vor- 
sicht ausgeführt  werden  muis,  dafe  häufig  die  Heizanlagen  in 
Schulen  von  ungeübten  und  wenig  sorgfältigen  Heizern  bedient 
werden  und  dafs  meist  bei  der  Wahl  und  Ausführung  dieser 
Heizungen  weitgehende  Rücksichten  auf  die  Minderung  der 
Kosten  für  Anlage,  Unterhaltung  und  Betrieb  genommen 
werden  müssen.  Deshalb  ist  es  wohl  gerechtfertigt,  gerade  für 
die  Beheizung  von  Schulgebäuden  die  wichtigsten  hygienischen 
Anforderungen  zusammenzustellen.  Wenn  ich  nun  auch  bei 
einer  so  vielfach  behandelten  Sache  nichts  wesentlich  Neues 
zu  bringen  im  stände  bin,  so  hoffe  ich  doch  durch  eine  Dar- 
stellung, welche  zahlreiche  Erfahrungen  an  bestehenden  An- 
lagen heranzieht,  einen  nicht  unwillkommenen  Beitrag  zur 
Lösung  der  wichtigen  Frage  liefern  zu  können. 

Schiügetnndheltspflege  VI.  1 


Der  Plan,  den  ich  hierbei  einhalten  will,  ist  folgender. 
Zunächst  stelle  ich  die  allgemeinen  Bedingungen  zusammen, 
welchen  jede  Heizung  eines  Schulhauses  zu  entsprechen  hat, 
wobei  ich  gleichzeitig  auf  mancherlei  Mißstände  derselben  auf- 
merksam mache.  Sodann  führe  ich  die  jetzt  gebräuchlichen 
Heizsysteme  an  und  erwähne,  wie  bei  jedem  einzelnen  die 
angegebenen  Fehler  vermieden  werden  können.  Zum  Schlüsse 
bespreche  ich,  in  welcher  Weise  die  Bedienung  der  Heizungen 
geleitet  werden  mufs,  damit  die  Anlagen  gute  Resultate  geben. 

I. 

Als  allgemeine  Bedingungen,  welchen  jede  Heizung 
eines  Schulhauses  in  hygienischer  Beziehung  entsprechen  soll, 
kann  man  bezeichnen  richtige  Temperaturhöhe,  gute 
Temperaturverteilung,  zweckmäßigen  Feuchtigkeits- 
gehalt der  Luft,  Verhinderung  der  Luftverunreinigung 
durch  Staub,  Atem-,  Ausdünstungs-  und  Verbrennungsprodukte, 

Die  richtige  Temperatur  höhe  in  einem  geheizten 
Räume  scheint  sehr  einfach  festgestellt  werden  zu  können,  denn 
es  gibt  hierfür  das  Gefühl  der  Bewohner  einen  direkten  An- 
haltspunkt. Eine  Schwierigkeit  besteht  aber  darin,  dafs  ver- 
schiedene Personen  verschiedene  Wärmegrade  wünschen,  ja  dafs 
auch  ein  und  derselbe  bei  wechselnder  Beschäftigung  ganz 
ungleiche  Temperaturhöhen  verlangt.  Man  muJs  deshalb,  wenn 
man  das  Gefühl  als  mafsgebend  betrachtet,  die  Temperatur 
eines  Raumes,  z.  B.  eines  Schulzimmers,  so  wählen,  dafe  im 
Mittel  die  darin  sich  Aufhaltenden  bei  ihrer  jeweiligen  Be- 
schäftigung, im  vorliegenden  Falle  bei  ruhigem  Sitzen  unter 
geistiger  Anstrengung,  sich  behaglich  fühlen.  Die  Angaben, 
wann  dies  der  Fall  ist,  sind  nicht  vollkommen  übereinstimmend. 
Bei  unsin  Deutschland  pflegt  man  als  untere  und  obere  Grenzwerte 
17°  und  19°  C.  anzusehen.  Hierbei  ist  jedoch  zu  bemerken, 
dafs  die  meisten  Menschen  durch  den  Aufenthalt  in  Räumen, 
in  welchen  die  unteren  Lüftschichten  weniger  warm  als  die 
oberen  sind,  sich,  um  nicht  kalte  FüJse  zu  bekommen,  an  be- 
trächtliche Temperaturen  in  Kopfhöhe  gewöhnt  haben.     Diese 


Angewöhnung  wird  jedoch  durch  zweckmäfsige  Beheizung  bald 
beseitigt,  so  dafs  man  für  gute,  den  Raum  gleichmäßig  erwär- 
mende Heizungen,  ohne  Klagen  hervorzurufen,  den  unteren 
Grenzwert  von  17°  C.  wird  einhalten  können.  Bei  einigen 
Anlagen  ist  Sorge  getragen,  dem  Lehrer  eine  besondere  Er- 
wärmung zu  ermöglichen.  Wenn  dies  auch  insofern  einiger- 
maßen begründet  ist,  als  derselbe  meist  wegen  seines  höheren 
Alters  einen  bedeutenderen  Wärmegrad  wünscht,  so  ist  doch 
dadurch  eine  zuverlässige  Überwachung  der  Temperaturhöhe 
unwirksam  gemacht.  Die  Angabe  der  richtigen,  d.  h,  gesund- 
heitlich besten  Temperatur  ist,  wie  bemerkt,  allein  darauf  ge- 
gründet, ob  man  sich  behaglich  dabei  befindet;  wenn  auch  für 
die  Zuverlässigkeit  dieses  Mafsstabes  sichere  Beobachtungen 
nicht  vorliegen,  so  erscheint  dieselbe  doch  so  wahrscheinlich,  dafs, 
solange  ein  Gegenbeweis  nicht  beigebracht  ist,  daran  wird  fest- 
gehalten werden  müssen. 

Von  sehr  grober  Wichtigkeit  ist  die  möglichst  gleich- 
mäßige Temperaturverteilung  in  einem  geheizten  Räume, 
ml  swar  nmfs  hierauf  nicht  allein  in  hygienischer,  sondern 
auch  in  ökonomischer  Beziehung  geachtet  werden.  Vorerst 
sei  jedoch  nur  die  gesundheitliche  Seite  hervorgehoben.  Als 
Ideal  nach  dieser  Richtung  gilt,  daJs  in  dem  geheizten  Zimmer 
eine  vollkommen  gleiche  Temperatur  herrsche,  während  es  sehr 
unangenehm  empfunden  wird,  wenn  von  der  Decke  aus  gegen 
den  Boden  hin  eine  rasche  Temperaturabnahme  stattfindet, 
weil  dann  der  Kopf  einer  hohen,  die  Füise  einer  niederen 
Temperatur  ausgesetzt  sind.  Dafe  bedeutende  Unregelmässig- 
keiten bezüglich  der  Wärmeverteilung  in  geheizten  Bäumen 
vorkommen,  mag  an  einigen  Beispielen  erläutert  werden.  An 
der  Decke  eines  mit  Luftheizung  erwärmten  Schulzimmers  hatte 
die  Luft  rund  38°  C,  an  dem  Fußboden  aber  13°  C;  die 
mittlere  Temperaturzunahme  für  1  Meter  Erhebung  betrug  für 
dasselbe  3,6°  C.  In  einem  anderen  Falle,  bei  einem  mit 
Warmwasserheizung  versehenen  Baume,  war  die  Temperatur 
an  der  Decke  21°  C,  an  dem  Boden  19°  C.  und  die  mittlere 
Temperaturzunahme  für  1  Meter  Steigung  0,5°  C.      Auch  in 


horizontaler  Richtung  finden  nicht  unbeträchtliche  Differenzen 
statt.  Es  sei  nur  bemerkt,  dafs  in  dem  oben  erwähnten  mit 
Luftheizung  versehenen  Schulzimmer  in  halber  Höhe  Tempe- 
raturen von  14°  und  21°  C.  vorkamen.1 

Die  Ursache  der  ungleichen  Wärmeverteilung  in  einem 
Räume  ist  immer  ungenügende  Luftmiachung.  Bekanntlich 
erfolgt  ja  die  Wärmeübertragung  in  der  Luft  durch  Wärme- 
leitung allein,  ähnlich  wie  in  Flüssigkeiten,  nur  äufserst  lang- 
sam; erst  durch  mechanische  Bewegung  der  Luftteilehen 
steigert  sich  die  Raschheit  derselben  bedeutend.  Wenn  also  z.  B. 
Luft  von  120°  C.  in  ein  auf  20°  0.  zu  erwärmendes  Zimmer 
tritt,  so  wird  diese  specifisch  beträchtlich  leichtere  Luft,  ohne 
sich  mit  der  übrigen  zu  mischen,  sofort  an  die  Decke  des 
Zimmers  steigen,  dort  den  ganzen  oberen  Raum  ausfällen  und 
nun  sehr  langsam  ihre  Wärme  von  oben  nach  unten  abgeben. 
Je  £röfser  die  Temperaturdifferenz  der  Heizluft  gegenüber  der 
zu  erzielenden  Zimmerluft  ist,  und  je  näher  an  der  Decke  der 
Eintritt  derselben  erfolgt,  desto  geringer  wird  die  Mischung 
sämtlicher  Luftschichten  sein.  In  dieser  Beziehung  wirkt  dem- 
nach die  sogenannte  Fußbodenheizung,  bei  welcher  die  auf 
geringe  Temperatur  erwärmte  Luft  vom  Boden  des  Zimmers 
aufsteigt,  günstig.  Es  sei  jedoch  gleich  hier  hervorgehoben, 
daüs  die  bis  heute  bei  Fußbodenheizungen  angewendeten  Kon- 
struktionen andere  bedeutende  Nachteile  haben,  indem  sie 
einesteils  zum  Aufwirbeln  des  Staubes  am  Fufsboden  Ver- 
anlassung geben,  andernteils  grofse  Massen  des  Fufsbodens 
erwärmen,  wodurch  eine  rasche  Wärmeabgabe  verhindert  wird. 
Eine  sehr  ausgiebige  Luftmengung  kann  künstlich  hervor- 
gerufen werden  durch  Erwärmung  der  Luft  in  einem  unten  und 
oben  offenen  Kanal,  der  dann  wie  ein  Schornstein  wirkt;  bei 
Ofen   erzielt    man   dies   bekanntlich    durch  Anbringen    eines 


1  Genauere  Angaben  über  Wärmeverteilung  in  geheizten 
sind  enthalten  in  den  Abhandlungen:  Zeitschrift  des  bayerischen  Archi- 
tekten- und  Ingenieurvereins,  1874,  Bd.  VI.,  H.  2,  S.  29,  H.  3,  S.  48  und 
H.  4,  8.  64;  Zeitschrift  für  Biologie,  Bd.  XEtt,  S.  1  und  Zeitschrift  für 
Baukmde,  1882,  Bd.  V,  S.  14. 


5 

Mantels.  Mechanisches  Eintreiben  von  Lnft,  wie  dasselbe  bei 
Ventilationsvorriohtungen  erfolgt,  veranlafst,  wenn  nicht  gleich- 
zeitig eine  Wärmeströmung  stattfindet,  blofs  eine  geringe  Luft- 
mischnng,  indem  die  wenn  anch  mit  groüser  Geschwindigkeit 
eintretenden  Luftmassen  nur  in  schmalen  Streifen  das  Zimmer 
durchsetzen. 

Da  uns  hier  die  ökonomischen  Verhältnisse  der  Heizungen 
allein  insoweit  beschäftigen,  als  sie  auch  die  gesundheitlichen 
beeinflussen,  so  sei  im  Anschlüsse  an  die  schon  oben  gemachte 
Angabe  nur  kurz  erwähnt,  dafs  bei  einer  ungleichen  Wärme- 
rerteilung,  bei  welcher  die  oberen  Partien  des  Zimmers  stärker 
als  die  unteren  erwärmt  sind,  die  Wärme  unvollkommen 
ausgenutzt  wird.  Eine  innige  Mengung  der  Luft  würde  ge- 
statten, eine  beträchtlich  geringere  Wärmemenge  dem  Räume 
zuzuleiten,  ohne  dafs  die  Temperatur  in  den  unteren  Luft- 
schichten, in  denen  der  Mensch  sich  aufhält,  herabsänke. 

Im  allgemeinen  wird  die  Notwendigkeit  eines  richtigen 
Feuchtigkeitsgehaltes  der  Luft  in  einem  erwärmten 
Räume  viel  mehr  betont,  als  die  einer  zweckmässigen  Tempe- 
raturhöhe und  Temperatur  Verteilung;  es  wird  insbesondere  die 
Trockenheit  der  Luft  als  gesundheitsschädlich  bezeichnet.  Für 
diese  Behauptung  können  beweisende  Beobachtungen  nur  selten 
angeführt  werden;  meist  ist  es  nur  ein  Gefühl,  das  man  der 
Trockenheit  der  Luft  glaubt  zuschreiben  zu  dürfen,  was  zu  der 
bekannten,  sehr  viel  verbreiteten  Klage  über  solche  Trockenheit 
Veranlassung  gegeben  hat.  Vor  allem  muis  bemerkt  werden,  dafs 
das  Vorhandensein  von  bestimmten  Stoffen  in  der  Luft,  z.  B. 
brenzligen  Produkten,  für  die  Schleimhäute  des  Halses  eine  auf- 
fallige  Empfindung  von  Trockenheit  erzeugt1,  während  wirk- 
liche Feuchtigkeitsunterschiede  viel  weniger  wahrgenommen 
werden.  Es  wird  dies  sofort  jedem  klar,  der  sich  durch  syste- 
matisch angestellte  Beobachtungen  überzeugen  will,  welcher 
Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  der  angenehmste  ist.      Ich  habe 


1  Deutsche  YiertetfahrsschHft  für  öffentliche  Gesundheitspflege,  1882, 
Bd.  XIV,  S.  118. 


vor  mehreren  Jahren  im  Verein  mit  Professor  J.  Förster 
eine  dahin  gehende  Untersuchungsreihe  ausgeführt.  Der  eine 
von  uns  stellte  ohne  Wissen  des  andern  in  einem  Räume  eine 
trockene  oder  feuchte  Luft  her,  der  zweite  sollte  nun  durch 
sein  Gefühl  den  Feuchtigkeitszustand  konstatieren.  Es  war 
jedoch  keinem  von  uns  möglich,  dies  mit  Sicherheit  zu  thun; 
die  jeweilige  Temperatur  des  Raumes,  sowie  der  Zustand  unseres 
Körpers  waren  von  so  malisgebendem  Einflüsse,  dafs  uns 
eine  scharfe  Entscheidung  nicht  gelang.  Der  Abgang  Försters 
von  München  verhinderte  uns,  zu  abschliefsenden  Resultaten 
unter  Berücksichtigung  der  erwähnten  Faktoren  zu  ge- 
langen. 

Es  erscheint  nach  dem  Vorausgehenden  wohl  gerechtfertigt, 
die  Frage  aufzuwerfen,  ob  überhaupt  der  Feuchtigkeitsgehalt 
der  Luft  von  gesundheitlicher  Bedeutung  ist;  zur  Beantwortung 
dieser  Frage  müssen  wir  aber  etwas  weiter  ausgreifen. 

Vollkommen  klar  dürfte  es  sein,  dafs  der  absolute  Wasser- 
gehalt der  Luft,  d.  h.  die  in  einem  Kubikmeter  Luft  enthaltene 
Gewichtsmenge  Wasserdampf,  für  das  Wohlbefinden  eines 
Organismus  nicht  bedingend  sein  kann.  Vielmehr  ist  der  rela- 
tive Wassergehalt  in  dieser  Beziehung  ausschlaggebend,  d.  h. 
das  Verhältnis  des  Wasserdampfes,  der  in  einem  Kubikmeter 
Luft  enthalten  ist,  zu  derjenigen  Menge,  welche  in  maximo  in 
einem  Kubikmeter  enthalten  sein  kann.  Wenn  nämlich  der  relative 
Wassergehalt  der  Luft  ein  geringer  ist,  diese  also  bis  zur  Sätti- 
gung noch  eine  groüse  Menge  Wasserdampf  aufnehmen  kann, 
so  wird  von  der  Oberfläche  unseres  Körpers  mehr  Wasser 
verdunsten,  als  bei  grofser  relativer  Feuchtigkeit.  Dafe  man 
aber  nicht  sofort  einen  bestimmten  relativen  Wassergehalt  der 
Luft  als  den  zuträglichsten  bezeichnen  kann,  mag  aus  der  Be- 
merkung erhellen,  dafs  Lungenkranke,  die  wohl  am  empfind- 
lichsten in  dieser  Beziehung  sind,  zur  Erholung  nicht  nur  an 
relativ  feuchte  Orte,  an  die  Meeresküste  oder  auf  das  Meer, 
sondern  auch  an  relativ  trockene,  in  Höhenkurorte,  gesendet 
werden. 

Die  eingehendsten  hierher  gehörigen  Untersuchungen  hat 


I» 


M 


in  neuerer  Zeit  Professor  Rubnbr1  ausgeführt.  Er  konsta- 
tierte ebenfalls,  dafs  die  Grenzen  für  einen  angenehmen  Feuchtig- 
keitsgehalt der  Luft  je  nach  der  Temperatur  des  Baumes  und  dem 
Körperzustande  des  Beobachters  sich  verschieden  ergeben ;  ferner 
wird  von  ihm  mit  Recht  hervorgehoben,  dafs  ein  Unbehagen  nicht 
allein  durch  zu  groJse  Trockenheit,  sondern  auch  durch  zu 
grofee  Feuchtigkeit  entsteht.  Er  stellt  nun  für  seine  Person 
bei  dem  Körperzustand,  in  welchem  er  die  Beobachtungen  aus- 
führte, je  nach  der  Temperatur  im  Baume  folgende  kleine 
Tabelle  auf: 

für  7°  C.  die  Grenzwerte  von  4 — 45  %  Feuchtigkeit 

*10»C.    „  „  „  10—18% 

„  15»  C.    „  „  „  19-54  %       • 

»  20°  C.    „  „  „  30-60  % 

„  25»  C.    „  „  „  33-62  % 

Es  ist  wohl  erlaubt,  den  Zahlen  Bubners,  die  zwar,  genau 
genommen,  nur  für  ihn  und  seinen  bei  den  Untersuchungen  vor- 
handenen Körperzustand  Geltung  besitzen,  eine  allgemeinere 
Bedeutung  zuzuschreiben.  Gerade  in  Schulräumen  wird 
man  zweckmäßig  die  angegebenen  Grenzen  einhalten,  da  die 
Kinder  unter  ganz  ähnlichen  körperlichen  Verhältnissen,  wie 
der  Beobachter,  sich  befinden;  es  dürfte  daher  bei  der  in  Schul- 
ammern gebräuchlichen  Temperatur  eine  Schwankung  des  rela- 
tiven Feuchtigkeitsgehaltes  zwischen  30  und  60%  zu  gestatten  sein. 
Die  Verunreinigung  der  Luft  kann,  wie  bereits  oben 
angedeutet,  einesteils  durch  die  Atem-  und  Ausdünstungs- 
produkte der  im  Zimmer  sich  aufhaltenden  Personen,  andernteils 
durch  den  stets  vorhandenen  Staub  und  die  in  der  Heizanlage 
sich  bildenden  Verbrennungsprodukte  hervorgerufen  werden. 

Es  ist  allgemein  bekannt,  dafs  die  Atem-  und  Ausdüns- 
tungaprodukte,  wenn  sie  in  zu  bedeutendem  Maise  der  Zimmer- 
luft sich  beimengen,  auf  den  Menschen  unangenehm  und  schäd- 
lich wirken.  Bei  längerem  Aufenthalte  vieler  Kinder  in  einem 
Schulzimmer  müssen  deshalb,  wenn  eine  Schädigung  derselben 


1  Archiv  für  Hygiene,  1890,  Bd.  11,  Hft.  2  und  3. 


8 

nicht  eintreten  soll,  jene  Produkte  abgeführt  werden.     Dies  ist 
nur  dadurch  zu  erzielen,  dafs  die  verdorbene  Luft  entfernt  und 
durch  frische  reine  Luft  ersetzt  wird,    welche  im  Winter  vor 
dem  Eintritt  in   das  Zimmer   ausserdem   noch    auf  eine   ent- 
sprechende Temperatur  zu  bringen  ist.     Soll  eine  solche  Ven- 
tilationsheizung günstig  wirken,   so  mufs  durch  eine  möglichst 
geringe  Menge  neu  eintretender  Luft;  die  Anhäufung  von  Atem- 
und  Ausdünstungsprodukten,    soweit   als   thunlich,    vermieden 
werden,    und    aufserdem  darf  ein  unbehagliches  Gefühl  durch 
zu  rasches  Strömen  oder  ungleiche  Temperatur  der  Luft  nicht 
entstehen.     Eine  Strömungsgeschwindigkeit  unter  3  Meter  wirkt 
nicht  mehr  unangenehm,    insbesondere    wenn    gröfsere  Tempe- 
raturunterschiede, wie  schon  in  dem  Früheren  gefordert  wurde, 
vermieden  werden.     Gar  nicht  leicht  ist  es,   die  unreine  Luft 
durch  reine  zu  verdrängen.     Treibt  man  z.  B.  Luft  mit  grofser 
Geschwindigkeit  in  einen  Raum,    so   durchsetzt    sie  denselben 
in  einem  schmalen  Streifen,  während  an  den  daneben  liegenden 
Stellen    Atem-    und    Ausdünstungsprodukte    in    beträchtlicher 
Menge  sich  ansammeln  können.     Der  Luftaustausch  durch  Dif- 
fusion geht  aufserordentlich  langsam  vor  sich.  Nur  durch  Wärme- 
strömungen,   wie   sie    schon  oben  als  Mittel  zum  Temperatur- 
ausgleich geschildert  sind,  läfst  sich  eine  ausreichende  Mengung 
der  Luft  erzielen.1  Man  kann  somit  zweierlei  Wege  einschlagen : 
entweder  durch  frische,  in  den  unteren  Partien  des  Zimmers  ein- 
tretende Luft  von  relativ  niederer  Temperatur  die  unreine  Luft 
schrittweise  verdrängen,  oder  unter  fortwährender  Mischung  der 
frischen  mit  der  verdorbenen  Luft  den  Raum  mit  der  ersteren 
gleichsam  auswaschen. 

Nicht  minder  als  die  Verunreinigung  duroh  Atemprodukte 
ist  die  durch  Staub  zu  beachten.  Es  kann  schon  die  aus 
der  Atmosphäre  entnommene  Frischluft,  insbesondere  in  ver- 
kehrreichen Städten,  zahlreiche  Staubpartikelchen  anorganischen 
und  organischen  Ursprungs  enthalten;  namentlich  letztere  üben 
schädliche  Wirkungen  auf  die  Gesundheit  aus.      Einleuchtend 


1  Zeitschrift  für  Biologie,  Bd.  XIII,  S.  305 ff. 


ist,  dafs  die  Entnahme  der  Luft  an  möglichst  günstigen  Stellen 
erfolgen  muis,  und  dennoch  werden  hiergegen  bedeutende  Ver- 
stösse gemacht.  Es  seien  nur  folgende  mehrfach  beobachtete 
Anordnungen  erwähnt.  Die  Einmündungsöffnung  des  Frisch- 
lnftkanals  befindet  sich  in  gleicher  Höhe  mit  dem  Erdboden, 
so  dais  Schmutz  und  Spritzwasser  hinein  gelangen ;  diese  Ein- 
mündung ist  sogar  so  angebracht,  dafs  man  über  eine  Gitter- 
abdeckung zu  gehen  hat,  wobei  der  von  den  Füfsen  abgestreifte 
Schmutz  in  den  Schacht  fällt;  oder  es  wird  die  Einmündung 
direkt  neben  den  Abladesteilen  von  Brennmaterial  angelegt, 
wodurch  große  Mengen  von  Brennmaterialstaub  dem  Luftkanal 
zugeführt  werden.  Aber  auch  dann,  wenn  man  in  dieser  Rich- 
tung alle  Vorsichtsmafsregeln  einhält,  wird  es  nicht  immer 
gelingen,  staubfreie  Luft  zu  schöpfen.  Man  mufs  in  diesem 
Falle  eine  nachträgliche  Reinigung  derselben  vornehmen,  indem 
man  den  Staub  in  einer  größeren  Kammer  sich  absetzen  läfst 
oder  denselben  durch  ein  Filter  beziehungsweise  durch  Brausen 
abfangt.  Nicht  zu  vergessen  ist,  dafs  die  Reinigung  der  Luft 
mit  trockenen  oder  nassen  Filtern  respektive  mit  Brausen  ziem- 
lich bedeutende  Widerstände  gegen  die  Luftbewegung  veranlafst. 
Der  Staub  kann  auch  auf  dem  weiteren  Wege,  den  die  Luft 
zu  passieren  hat,  oder  erst  in  dem  zu  erwärmenden  Zimmer 
derselben  beigemengt  werden;  es  wird  dies  insbesondere  bei 
groüser  Strömungsgeschwindigkeit  eintreten. 

Außerordentlich  unangenehm  wirkt  es,  wenn  die  staub- 
erfüllte  Luft  an  stark  erhitzten  Heizflächen  vorbeistreichen 
mufs,  oder  wenn  sich  der  Staub  auf  solchen  Flächen  in  grösserer 
Menge  ansammelt.  Dann  bilden  sich  durch  Verbrennen  des* 
selben  brenzlige  Produkte,  welche,  wie  schon  hervorgehoben, 
auf  die  Schleimhäute  des  Halses  reizend  wirken  und  das  Ge- 
fühl von  Trockenheit  veranlassen.  Zur  Vermeidung  dieser 
Übelstände  ist  eine  peinliche  Reinhaltung  aller  Luftwege  und 
ein  Vermeiden  aller  hochgradig  erhitzten  Heizflächen  anzuraten, 
insbesondere  wenn  dieselben  eine  größere  horizontale  Aus- 
dehnung haben,  da  sich  dann  auf  denselben  dickere  Staubmassen 
ansammeln  können. 


10 

Eine  Verunreinigung  der  Luft  in  dem  zu  erwärmenden 
Räume  durch  Feuergase  kann  hauptsächlich  bei  Einzelheizungen 
und  Feuerluftheizungen  eintreten  und  ist  natürlich  vollkommen 
zu  vermeiden.  Es  wirkt  das  in  den  Verbrennungsprodukten 
enthaltene  Kohlenoxydgas,  selbst  in  geringem  Mafse  der  Atem- 
luft beigemengt,  gesundheitsschädlich,  und  auch  andere  Bei- 
mengungen veranlassen  zum  mindesten  Unannehmlichkeiten. 
Im  allgemeinen  ist  dann,  wenn  die  Heizungen  in  vollem  Be- 
triebe sind,  ein  Austritt  von  Verbrennungsgasen  aus  den  Feuer- 
zügen nur  wenig  wahrscheinlich,  da  die  bedeutende  Temperatur- 
differenz im  Innern  und  Äuisern  der  Feuerzüge  einen  Überdruck 
von  aufsen  nach  innen  bedingt.  Die  Verbrennungsgase  treten 
deshalb  nicht  aus  den  Feuerzügen,  sondern  es  strömt  Luft  in 
dieselben.  Dieser  Vorgang  bedingt  zwar  eine  unökonomische 
Verbrennung,  nicht  aber  eine  gesundheitliche  Schädigung.  Nur 
wenn  infolge  ungeschickter  Konstruktion  oder  nachlässiger  In- 
standhaltung der  Anlage  beträchtliche  Risse  in  der  Heizfläche 
sich  befinden,  kann  auch  bei  vollem  Betriebe  ein  Austritt  von 
Verbrennungsgasen  stattfinden.  Sehr  zu  fürchten  ist  jedoch 
ein  Entweichen  solcher  Gase  beim  Anheizen,  wenn  die  Feuer- 
züge noch  wenig  erwärmt  sind.  In  diesem  Falle  kann,  ins- 
besondere an  den  Stellen,  an  welchen  Einschnürungen,  Um- 
biegungen  oder  ein  Zusammenstofs  verschieden  gerichteter 
Ströme  von  Verbrennungsgasen  in  den  Feuerzügen  vorkommen, 
leicht  ein  Überdruck  der  Feuergase  und  dadurch  ein  Austritt 
derselben  erfolgen.  Der  Konstrukteur  hat  die  Verpflichtung, 
sich  durch  Rechnung  über  die  Druckverhältnisse  in  den  Feuer- 
zügen Aufschluß  zu  geben  und  gerade  an  den  ungünstigen 
Stellen  durch  zweckmäfsige  Konstruktion  jeden  Fehler  nach 
dieser  Richtung  zu  vermeiden. 

Man  hat  früher  ziemlich  allgemein  behauptet,  dafs  rot- 
glühende metallene  Heizflächen  eine  Entnahme  des  Sauerstoffes 
aus  der  vorbeistreichenden  Luft  bewirken  und  dals  die  Ver- 
brennungsgase, insbesondere  Kohlenoxyd,  durch  dieselben  diffun- 
dieren.    Durch  Pettenkofer1  ist  jedoch  nachgewiesen  worden, 

1  Bingler 8  Journal,  1852. 


11 

dafe  eine  Eisenheizfläche,  wenn  sie  im  Jahre  nur  so  viel  Sauer- 
stoff der  Atmosphäre  entnimmt,  wie  ein  atmender  Mensch  in 
3  Monaten,  und  diesen  Sauerstoff  zur  Bildung  von  Eisenoxyd 
rerbraucht,  dadurch  245  Kilogramm  Eisenoxyd  erzeugt,  eine 
Menge,  hinter  welcher  die  an  den  Heizflächen  wahrnehmbare 
Quantität  weit  zurücktritt.  Diese  Desoxydation  durch  eine 
glühende  Heizfläche  ist  somit,  wenn  sie  wirklich  stattfinden 
sollte,  jedenfalls  ohne  allen  praktischen  Belang.  Auf  die  Dif- 
fusion von  Kohlenoxyd  durch  glühende  Eisenflächen  hat  zuerst 
Mobin1  aufmerksam  gemacht,  indem  er  sich  auf  Unter- 
suchungen von  Saintb  Olaibe  Deville  und  Troost  stützte. 
Durch  vielfache  Versuche,  von  denen  ich  nur  die  von  Wolff- 
hügsl9  hervorheben  will,  ist  jedoch  konstatiert,  dafs  bei  guten 
Heizanlagen  ein  Austritt  von  Kohlenoxyd  in  die  Zimmerluft 
nicht  nachgewiesen  werden  kann.  Da  sicher  eine  Diffusion 
der  Verbrennungsgase  erst  bei  voller  Rotglut  der  Eisenflächen 
antritt,  so  wird  als  Regel  für  die  Heizanlagen  beizubehalten 
sein,  dafs  während  des  Betriebes  rotglühende  Heizflächen 
niemals  vorkommen  dürfen. 

II. 

Nachdem  im  Vorausgehenden  die  an  alle  Heizanlagen 
eines  Schulgebäudes  in  gleicher  Weise  zu  stellenden  An- 
forderungen aufgezählt  sind,  soll  nun  betrachtet  werden,  in- 
wieweit man  bei  den  einzelnen  Heizsystemen  diesen  An- 
forderungen zu  entsprechen  im  stände  ist. 

Wir  können  die  Heizanlagen  in  verschiedener  Weise 
einteilen.  Je  nachdem  sie  zur  Erwärmung  eines  einzelnen 
oder  mehrerer  Räume  gleichzeitig  dienen  sollen,  unterscheidet 
man  Einzelheizungen  und  Sammelheizungen.  Ist 
ein  Raum  nur  zu  erwärmen,  so  ist  eine  Heizung  ohne 
Ventilation,  ist  er  auch  gleichzeitig  zu  lüften,  eine  solche 
mit  Ventilation  auszuführen.   Ferner  kann  man  als  Wärme- 


1  J.  fi.  Wag  *  er,  Jahresbericht  der  chemischen  Technologie,    1869, 
Bd.  XV,  S.  814. 

*  Zeitschrift  für  Biologie,  1878,  Bd.  XIV,  S.  407. 


12 

träger  verschiedene  Substanzen,  Luft,  Wasser  oder  Dampf,  be- 
nutzen, man  kann  also  Luft-,  Wasser-  oder  Dampf- 
heizungen herstellen,  und  endlieh  lassen  sioh  mehrere  dieser 
Substanzen  als  Wärmeträger  verwenden,  indem  man  z.  B. 
Dampfwasser-,  Dampfluftheizungen  u.  s.  w.  kon- 
struiert. 

Während  bei  der  Einzelheizung  für  jeden  Raum  eine 
besondere  Anlage,  ein  Ofen,  vorhanden  ist,  dient  bei  den  Sammel- 
heizungen eine  einzige  Anlage  für  eine  Reihe  von  Räumen 
gleichzeitig.  Der  Entscheid,  ob  für  ein  Schulhaus  eine  Einzel- 
oder eine  Sammelheizung  zweckmäfsiger  sei,  ist  mehr  nach 
ökonomischen,  als  nach  gesundheitlichen  Rücksichten  zu  treffen. 
Es  läfst  sich  nämlich  bei  einer  Sammelheizung  für  ein  grobes 
Schulhaus  die  Feuerungsanlage  gegenüber  den  zahlreichen  für 
die  Einzelheizung  notwendigen  Feuerstätten  zweckmäfsiger  kon- 
struieren; ebenso  sind  bei  jener  eine  Reihe  von  Einrichtungen, 
z.  B.  eine  Ventilation,  leichter  durchführbar,  und  insbesondere 
ist  die  Bedienung  bei  weitem  weniger  umständlich.  Indirekt 
bewirken  die  angegebenen  Vorteile  auch  Vorzüge  in  gesund- 
heitlicher Richtung.  Die  neueren  Bestrebungen  gehen  deshalb 
fast  alle  dahin,  für  ausgedehnte  Schulhausbauten  Sammel- 
heizungen anzulegen  und  nur  dann,  wenn  einzelne  Räume 
getrennt  .von  den  anderen  erwärmt  werden  sollen,  diese  mit 
Einzelheizungen  zu  versehen.  Dennoch  entschliefet  man  sich 
noch  hin  und  wieder,  nur  um  die  grolsen  Anlagekosten  der 
Sammelheizung  zu  umgehen,  für  Errichtung  von  Einzelheizungen, 
selbst  wenn  dieselben  bedeutende  Betriebskosten  erfordern. 

Hat  mau  sich  einmal  für  Einzelheizung  entschieden,  so 
bleibt  nur  noch  die  Frage,  ob  man  zu  einem  Thon-  oder 
Eisenofen  greifen  soll. 

Ein  Thonofen,  insbesondere  eine  dem  russischen  Ofen 
nachgebildete  Konstruktion  desselben,  bietet  durch  seine  nicht 
unbedeutende  Steinmasse  ein  beträchtliches  Wärmereservoir. 
Es  werden  dadurch  die  Fehler  eines  unaufmerksamen,  un- 
regelmäfsig  schürenden  Heizers  ausgeglichen.  Dagegen  verhindert 
die    Masse   des    Ofens   eine   rasche  Regulierung    der   Wärme; 


13 

nur  sehr  schwer  wird  man  mit  einem  solchen  Thonofen  einem 
schnellen  Wechsel  in  der  Aufsentemperatar  nachfolgen  können. 
Die  niedere  Oberflächentemperatur  eines  Thonofens  hat  den 
Vorteil,  dafs  eine  anangenehme  Hitze  in  der  direkten 
Umgebung  desselben  vermieden  wird  und  dafs  eine  Staub- 
Verbrennung  nicht  eintritt.  Andererseits  zieht,  da  die  Wärme- 
leitung der  Thonmasse  nur  eine  geringe  ist,  meist  ein 
unverhältnismäfsig  grober  Bruchteil  der  Wärme  ungenutzt  in 
den  Schornstein  ab.  Bei  den  jetzt  fast  allgemein  üblichen 
Konstruktionen  können  Thonofen  aus  den  angeführten  Gründen 
für  Schulzimmerheizungen  daher  nicht  empfohlen  werden.  Es 
sind  die  besseren  der  gebräuchlichen  Metallöfen  entschieden 
vorzuziehen;  freilich  mufs  dabei  bemerkt  werden,  dais  eine 
Reihe  von  Verbesserungen,  welche  an  Metallöfen  ausgeführt 
werden,  auch  bei  Thonofen  anzubringen  wären. 

Ah  zweckmäßige  Einrichtungen  bei  Metallöfen  können 
folgende  bezeichnet  werden.  Die  Anbringung  von  Füllherden 
erleichtert  die  Bedienung,  ohne  die  Verbrennung  zu  einer 
ungünstigen  zu  machen.  Der  vollkommen  dichte  Abschluß 
der  Feuerzüge  gestattet  eine  gute  Regelung  des  Abbrandes. 
Durch  die  Anbringung  von  Mänteln  wird  eine  Überhitzung  in 
der  Umgebung  des  Ofens  vermieden,  eine  ausgiebige  Luft- 
mißchung  im  Zimmer  erreicht  und  eine  einfache  Verbindung 
von  Heizung  und  Lüftung  ermöglicht. 

Untersuchungen  über  die  Heizung  von  Schulzimmern  durch 
Thon-  oder  Metallöfen  haben  gezeigt  dafs  die  Unbequem- 
lichkeit in  der  Bedienung  der  vielen  Feuerstätten  und  in 
der  Überwachung  der  zahlreichen  Räume  sehr  häufig  zu 
bedeutenden  Überheizungen  und  infolge  davon  zum  Öffnen 
der  Fenster  durch  die  Lehrer  Veranlassung  gibt;  es  dürften 
diese  Vorkommnisse  zu  den  für  die  Gesundheit  der  Kinder 
gefährlichsten  gehören.  Auffällig  erscheint  es,  dais  im  all« 
gemeinen  über  die  bei  Sammelheizungen  vorkommenden  Mifs- 
stände  von  den  Lehrern  viel  heftiger  Klage  geführt  wird,  als 
über  ganz  ähnliche  oder  bedeutendere  an  Einzelheizungen.  Es 
erklärt   sich   dies    daraus,    dafe  jeder   an    die    Mängel    eines 


14 

Ofens  schon  lange  gewöhnt  ist  und  dieselben  leichter  übersieht, 
während  er  von  der  Sammelheizung  entschieden  bessere 
Resultate  verlangt.  Mancher  ist  schon  eher  zufriedengestellt, 
wenn  bei  der  Sammelheizung  ein  Heizkörper  in  das  Schul- 
zimmer gestellt  wird,  der  einem  Ofen  nachgebildet  ist.  Überdies 
muß  beachtet  werden,  daß  ein  Fehler  in  der  Konstruktion 
oder  in  der  Bedienung  einer  Sammelheizung  meist  alle  Schul- 
zimmer gleichzeitig  beeinflufst,  so  dafs  die  Lehrer  sich  gegenseitig 
in  ihren  Klagen  unterstützen ;  dagegen  wird  der  jeweilige,  wenn 
auch  häufig  auftretende  Mangel  einer  Einzelheizung  immer 
nur  von  einem  Lehrer  empfunden  und  auf  seine  etwaigen 
Klagen  weniger  Gewicht  gelegt. 

Ist  man  zu  dem  Entsohlufse  gekommen,  ein  Schulhaus 
mit  einer  Sammelheizung  zu  erwärmen,  so  wird  sofort  die 
weitere  Frage  aufzuwerfen  sein,  ob  mit  der  Heizung  eine 
Ventilation  verbunden  werden  soll  oder  nicht.  Da  bei  einer 
Ventilation  schließlich  immer  die  einzuführende  Frischluft  auf 
eine  höhere  Temperatur  gebracht  werden  muß,  so  hat  man 
mit  einer  Lüftung  auf  alle  Fälle  eine  Luftheizung  zu  verbinden ; 
es  kann  diese  als  Feuerluftheizung  oder  als  kombinierte 
Luftheizung  eingerichtet  werden. 

Bei  den  Feuerluftheizungen  erfolgt  die  Wärme- 
übertragung aus  den  Verbrennungsgasen  durch  eine  meist 
metallene  Heizfläche  auf  Luft,  welche  nun  als  Wärmeträger 
benutzt  und  durch  Kanäle  zu  den  zu  heizenden  Räumen 
geleitet  wird.  Unzweckmäßige  Konstruktion,  ungenügende 
Ausführung  und  wenig  sorgfältige  Bedienung  können  bei 
Feuerluftheizungen  sehr  schlechte  Resultate  bewirken,  so  dafs 
es  gerechtfertigt  ist,  die  bei  diesen  Heizungen  vorkommenden 
Mängel  in  etwas  eingehenderer  Weise  zu  betrachten  und  auf 
die  bei  denselben  einzuhaltenden  Vorsichtsmafsregeln  auf- 
merksam zu  machen. 

Da  die  an  der  Außenseite  des  Herdes  und  der  Feuerzüge 
vorbeistreichende  Luft  niemals  staubfrei  ist,  mufs  eine  zu  hohe 
Außentemperatur  dieser  Heizflächen  und  die  Möglichkeit  einer 
Staubablagerung  auf  denselben  vermieden  werden.   Man  erreicht 


15 

dies  dadurch,  dals  man  den  Herd  und  die  anschliefsenden 
Feuerzüge  ausmauert,  dafs  man  jede  ausgedehnte  horizontale 
Heizfläche  umgeht  und  durch  einfache  glatte  Formen  an  der 
Aufsenseite  eine  leichte  Reinigung  ermöglicht. 

Eine  Beimischung  der  Feuergase  zu  der  Warmluft  würde, 
wie  schon  früher  hervorgehoben,  sehr  mifslich  sein.  Verfehlt 
wäre  es  daher,  wenn,  wie  dies  insbesondere  bei  älteren  Anlagen 
vorkommt,  das  Einsetzen  eines  Fülloylinders  oder  die  Dichtungen 
der  Heizfläche  nicht  schließend  ausgeführt  sind,  wenn  ferner 
Öffimngen,  welche  durch  Verbrennen  des  Eisens  in  der  Heiz- 
fläche entstanden  sind,  unbeachtet  bleiben,  oder  wenn  die 
Entruisung  der  Feuerzüge  in  die  Heizkammer  erfolgen  mufs. 
Diese  Übelstände  sind  dann  am  meisten  zu  fürchten,  wenn  in 
der  Nähe  der  gefährlichen  Stelle  eine  Einengung  des  Quer- 
schnittes oder  Änderung  der  Strömungsrichtung  stattfindet,  und 
wenn  die  Temperaturdifferenz  zwischen  Feuergasen  und  Warmluft, 
s.  B.  beim  Anheizen,  keine  grofse  ist,  weil  in  diesen  Fällen 
der  Druck  der  Feuergase  bedeutender  als  derjenige  der  Warmluft 
werden  kann,  was  einen  Austritt  der  Verbrennungsgase  bewirkt. 
Die  in  neuerer  Zeit  ausgeführten  Anlagen  schützen  im  allge- 
meinen gegen  die  gerügten  Vorkommnisse,  doch  habe  ich 
schon  gefunden,  dals  bei  vorgenommener  Reparatur  das  Auf- 
fallen einer  Sanddichtung  übersehen  war. 

Die  Kanalführungen  für  die  Luft  sind  von  der  Ein- 
mündung der  Frischluft  bis  zur  Ausmündung  der  Warmluft 
so  auszufuhren,  dafs  sie  leicht  gereinigt  werden  können; 
dieselben  müssen  daher  bequem  zugänglich  und  die  Wände 
möglichst  glatt  hergestellt  werden. 

Ein  häufig  vorkommender  Fehler  der  Feuerluftheizungen 
ist  die  ungleiche  Wärmeverteilung  in  den  geheizten  Bäumen. 
Da  bei  diesen  Anlagen  die  ganze  dem  Zimmer  zuzuleitende 
Wärme  von  der  eintretenden  Heizluft  zu  liefern  ist,  mufs 
entweder  die  Menge  oder  die  Temperatur  der  Warmluft  eine 
bedeutende  sein.  Mit  der  Luftmenge  wächst  die  Stärke  der 
Ventilation  und  damit  auch  die  Grofse  der  Betriebskosten, 
und  aufserdem  sind  für  grofse  Kanalquerschnitte   nicht  immer 


16 

genügende  Mauern  ausfindig  zu  machen.  Man  wählt  daher 
auch  jetzt  noch  gern  hohe  Temperaturen  der  Warmluft,  wenn 
auch  solche  von  120°  C,  wie  ich  sie  schon  zu  beobachten 
Gelegenheit  hatte,  bei  den  neueren  Anlagen  nicht  mehr  vor- 
kommen. Wie  schon  oben  erwähnt,  veranlassen  die  hohen 
Temperaturen  der  Warmluft,  die  gleichzeitig  eine  nahe  unter 
der  Decke  befindliche  Ausmündung  der  Luft  bedingen,  eine 
sehr  ungleichmäßige  Wärmeverteilung.  Eine  Verbesserung 
nach  dieser  Richtung  suchte  man  durch  eine  künstliche  Luft- 
mischung zu  erzielen.  So  hat  z.  B.  Kblling  nach  den 
Angaben  von  Bezolds1  einen  Luftmischer  angegeben;  es  sind 
jedoch  die  bisher  gebräuchlichen  Konstruktionen  nicht  voll- 
kommen zufriedenstellend. 

Bei  den  Betrachtungen  über  die  allgemeinen  Bedingungen, 
welchen  alle  Heizanlagen  zu  entsprechen  haben,  sind  wir  zu 
dem  Resultate  gekommen,  dafs  es  zweckmässig  sei,  in  den 
geheizten  Bäumen  einen  mittleren  Feuchtigkeitsgehalt  von  30  bis 
60%  zu  erzielen.  Die  früher  mehrfach  aufgestellte  Behauptung, 
daJä  an  den  stark  erhitzten  Heizflächen  der  Luftheizöfen  eine 
Wasserzersetzung  stattfinde  und  so  die  Luft  in  der  Heiz- 
kammer einen  Austrocknungsprozefs  durchmache,  ist  so  oft 
widerlegt,  dals  es  unnötig  sein  wird,  darauf  einzugehen.  Ganz 
richtig  aber  ist,  daJs  man  der  Heizluft  eine  nicht  unbeträchtliche 
Wassermenge  zuleiten  mufs,  wenn  dieselbe  nach  der  Erwärmung 
nicht  relativ  trocken  erscheinen  soll.  Wird  die  Luft  bei 
0°  C.  vollkommen  mit  Wasser  gesättigt  aus  der  Atmosphäre 
entnommen,  so  enthält  jeder  Kubikmeter  nur  5,4  Gramm  Wasser- 
dampf; erwärmt  man  aber  diese  Luft  auf  10,75°  C,  so  würde  sie 
erst  gesättigt  sein,  wenn  sie  16,0  Gramm  Wasserdampf  enthielte. 
Es  mufe  also  jedem  Kubikmeter  dieser  Luft  3,6  Gramm  Wasser 
beigegeben  werden,  um  eine  relative  Feuchtigkeit  von  50%  zu 
erlangen.  Nimmt  man  für  ein  Schulzimmer  von  mittlerer 
Gröise,  in  dem  50  Kinder  Platz  finden,  eine  Menge  der 
Heizluft   von    1000  Kubikmeter   pro  Stunde  an,    so    sind    in 


1  Zeitschrift  für  Baukunde,  1882,  Bd.  V,  H.  2,  8.  201. 


17 

jeder  Stande  in  der  für  dieses  Zimmer  dienenden  Heizkammer 
16  Liter  Wasser  zu  verdampfen. 1  Das  in  der  Heizkammer 
anzubringende  Wasserschiff  mute  deshalb  eine  genügende  Ver- 
darapfangsfläche  haben;  es  mnfs  auch  so  eingerichtet  sein, 
dafi  es  immer  mit  Wasser  angefüllt  bleibt  und  die  Füllung 
jederzeit  leicht  kontrollierbar  ist.  Eine  Regelung  des  Feuchtig- 
keitsgehaltes kann  man  durch  Mengung  trockner  und  feuchter 
Luft  erreichen;  es  ist  aber  zu  beachten,  dafe  bei  den  Wasser- 
yerdampfungseinrichtungen  schon  eine  ganz  einfache  Konstruktion 
ausreichend  sein  wird,  da  eine  scharfe  Einhaltung  des  relativen 
Feuchtigkeitsgehaltes  gar  nicht  notwendig  ist.  Vergleichende 
Beobachtungen  in  Bäumen,  die  durch  neuere  Feuerluftheizungen 
oder  durch  andere  Heizanlagen  erwärmt  werden,  beweisen,  data 
über  eine  zu  grolse  Trockenheit  bei  den  ersteren  im  allgemeinen 
nicht  meiir  au  klagen  ist. 

Noch  nicht  vollkommen  gehoben  sind  auch  bei  neueren 
Feuerluftheizungen  die  Mißstände,  welche  dadurch  entstehen, 
dals  herrschende  Winde  den  Austritt  der  Warmluft,  je  nach 
der  Lage  der  Ausmündungen,  unterstützen  oder  verhindern. 
Nur  durch  eine  aufmerksame  Bedienung  läfst  sich  in  diesen  Fällen 
eiae  Überhitzung  oder  eine  zu  geringe  Erwärmung  der  ein 
seinen  Bäume  vermeiden.  Gänzlich  zu  beseitigen  ist  diese 
ungünstige  Wirkung  allein  dann,  wenn  man  die  durch  Temperatur- 
dHferenz  erzeugte  Luftbewegung  mit  Hilfe  eines  ausreichenden» 
Motors,  z.  B.  eines  Ventilators  unterstützt. 

Die  Begelung  der  Erwärmung  durch  die  gebräuchlichen 
Klappen  ist  eine  rasche.  Die  Bildung  eines  gröfeeren  Wärme- 
mervoiis  in  der  Heizkammer  durch  Verwendung  von  Thon- 
kizfläohen,  wie  dies  in  einigen  Fällen  ausgeführt  ist,  würde 
es  erschweren,  den  äuJberen  Temperaturschwankungen  nach- 
zufolgen, ohne  andere  Vorteile  mit  sich  zu  bringen. 

Die  vorausgehenden  Betrachtungen  über  Feuerluftheizungen 
zusammenfassend,    kann   man   sagen,    dafs    die    älteren  Aus- 


1  Der  Einfachheit  der  Betrachtung  wegen   ist  hier   absichtlich  die 
Waaaerabgabe  durch  den  Atem  der  Kinder  vollkommen   vernaohlasaigt. 

Seholgwandheitspflefe  VI.  2 


18 

führungen  derselben  im  allgemeinen  grofse  Mängel  mit  sieb 
brachten,  dafs  aber  die  neneren  Anlagen  sehr  zufriedenstellende 
Resultate  geben;  immerhin  sind  anoh  bei  diesen  nur  durch 
eine  aufmerksame  Bedienung  alle  Mifsstände  zu  vermeiden. 

Bei  den  Wasserheizungen  wird  das  als  Wärmeträger 
verwendete  Wasser  in  Rohrleitungen  erwärmt,  die  entweder 
gegen  die  Atmosphäre  offen  oder  vollkommen  geschlossen 
sind.  Im  ersten  Falle  steigt  die  Temperatur  des  Wassers 
nicht  über  den  Siedepunkt  (100°  C),  und  im  Rohre  herrscht 
kein  Überdruck;  diese  Heizungen  werden  als  Warmwasser- 
oder Niederdruckwasserheizungen  bezeichnet.  Im  zweiten  Falle 
kann  die  Wassertemperatur  beliebig  gesteigert  werden;  man 
erhält  dann  Heifswasserheizungen.  Bei  den  älteren  PERKiNSschen 
Hochdruckwasserheizungen  erwärmte  man  bis  gegen  200°  C. 
und  erzielte  damit  einen  Überdruck  bis  zu  14  Atmosphären ; 
neuerdings  treibt  man  die  Erwärmung  bei  den  Mitteldruck- 
heizungen nur  bis  130°  C,  was  einem  Überdruck  von  l1/*  Atmo- 
sphären entspricht. 

Die  Warmwasserheizungen  haben  den  bedeutenden  Vorteil  r 
dafs  die  Temperatur  der  Heizflächen  niemals  sehr  hoch  steigen 
kann,  dafs  an  denselben  keine  Staubverbrennung  stattfindet, 
und  dafs  bei  der  gebräuchlichen  Anordnung  der  Heizflächen 
in  der  Nähe  des  Bodens  eine  sehr  gleichmäßige  Wärme- 
verteilung erzielt  wird.  Häufig  rühmt  man  den  Warmwasser- 
heizungen nach,  daJß  die  bedeutende  in  den  Heizkörpern 
befindliche  Wassermasse  ein  grofses  Wärmereservoir  bilde;  es 
ist  dies  aber  für  eine  rasche  Regelung  der  Wärmeabgabe  nur 
ungünstig,  denn  es  kann  selbst  nach  vollkommenem  Absperren 
der  Wassercirkulation  die  Wärmeabgabe  von  den  Heizkörpern 
nicht  vermieden  werden.  Es  mag  hier  die  Bemerkung  Platz 
finden,  dafe  die  allgemein  verbreitete  Ansicht,  bei  einem  mit 
Warmwasserheizung  erwärmten  Hause  sei  eine  Trockenheit 
der  Luft  nicht  zu  befürchten,  unrichtig  ist.  Wenn  ein  ganzes 
Haus  durch  eine  Heizanlage  erwärmt  wird,  so  tritt  eine  nicht 
unbedeutende  natürliche  Ventilation  ein.  Die  kalte  atmo- 
sphärische Luft   strömt,    insbesondere    in    den    unteren   Stock- 


19 

werken,  in  beträchtlicher  Menge  durch  die  Mauern  und  wird 
bei  der  Erwärmung  relativ  trocken.  Ich  habe  z.  B.  in  einem 
mit  einer  Warmwasseranlage  geheizten  Gebäude  im  Innern 
einen  Feuchtigkeitsgehalt  von  33%  nachgewiesen,  während 
derselbe  gleichzeitig  in  der  Atmosphäre  76%  betrug.  Es 
kann  in  einem  solchen  Gebäude  der  Feuchtigkeitsgehalt  der 
Luft  leicht  unter  die  oben  gesteckte  untere  Grenze  von  33% 
herabgehen,  so  dafs  dann  eine  künstliche  Luftbefeuchtung 
erforderlich  wird.  Kaum  ist  es  nötig  hervorzuheben,  dais  diese 
gerade  bei  der  Warmwasserheizung  gemachte  Bemerkung  ihre 
volle  Gültigkeit  für  alle  Heizanlagen  behält,  die  zur  Erwärmung 
eines  ganzen  Hauses   dienen. 

Bei  den  grofsen  Anlagekosten,  welche  Warmwasserheizungen 
erfordern,  und  da  die  angegebenen  Vorzüge  auch  durch  die 
später  zu  erwähnenden  Kombinationsheizungen  zu  erzielen 
sind,  werden  reine  Warmwasserheizungen  für  Schulhäuser  in 
der  neueren  Zeit  wohl  nicht  mehr  ausgeführt.  Von  den  Hoch- 
druckwasserheizungen, welche  auch  sonst  kaum  mehr  hergestellt 
werden,  darf  für  Schulhäuser  um  so  mehr  abgesehen  werden,  da 
sie  keineswegs  irgend  welche  nicht  anders  zu  erreichenden 
Vorteile  darbieten  und  immerhin  ihres  hohen  Überdruckes 
wegen  nicht  gefahrlos  sind. 

Von  größerer  Bedeutung  für  Schulhäuser  sind  Mittel- 
drnckwasserheizungen.  Es  ist  bei  diesen  allerdings  ein  Ver- 
brennen des  Staubes  nicht  vollkommen  ausgeschlossen;  man 
mufe  deshalb  sorgfältig  darauf  achten,  dais  die  Heizrohre  nicht 
so  gelegt  werden,  dafs  sie  sich  leicht  mit  Staub  bedecken, 
z.B.  nicht  in  Kanäle,  die  im  Fulsboden  eingebettet  und  mit 
durchbrochenen  Gittern  bedeckt  sind;  ferner  hat  man  die 
Heizflächen  so  anzuordnen,  dais  sie  bequem  gereinigt  werden 
können.  Für  die  Wärmeverteilung  im  Kaum  können  die 
Mitteldruckwasserheizungen  fast  ebenso  günstig  wie  die  Warm- 
wasserheizungen wirken.  Die  Regelung  der  Wärmeabgabe 
erfolgt  häufig  durch  Hähne,  doch  ist  deren  Funktionierung  bei 
dem  immerhin  hohen  Überdruck  keine  tadelfreie;  es  mufs  der 
Heizer  durch    die    Leitung   der   Verbrennung   im    Herde    die 


20 

Hauptsache  der  Regulierung  erreichen.  Obwohl  also  danach 
im  allgemeinen  eine  Mitteldruckwasserheizung  für  Schulhftuser 
nicht  empfehlenswert  ist,  kann  dieselbe  in  einzelnen  Fällen 
doch  augeraten  werden.  Wenn  z.  B.  in  einem  Altbau  eine 
Sammelheizung  neu  eingerichtet  werden  soll,  ist  oft  eine  andere 
Anlage  nicht  durchführbar;  für  Feuerluftheizungen  und  kom- 
binierte Luftheizungen  sind  die  Kanäle  nicht  verbanden, 
während  die  engen  Rohre  der  Mitteldruokwasserheizung  sich 
leicht  überall  legen  lassen. 

Auch  bei  den  Dampfheizungen  unterscheidet  man, 
je  nach  dem  Drucke,  der  in  den  Dampfleitungen  herrscht, 
Hoch-  und  Niederdruckdampfheizungen.  Die  Hochdruckdampf- 
heizungen werden  wohl  kaum  in  Schulhäusern  Verwendung 
finden.  Es  darf  ja  ein  Hochdruckdampfkessel  in  einem  be- 
wohnten Hause  der  Explosionsgefahr  wegen  gar  nicht  unter- 
gebracht werden;  man  müfste  ihn  in  einem  entfernten  Bau 
aufstellen  und  den  Dampf  durch  eine  Rohrleitung  dem  Hause 
zuführen.  Ebenso  dürfte  die  Verwendung  von  hochgespanntem 
Abdampf,  der  aus  irgend  einer  anderen  Anlage  entnommen 
wird,  zur  Beheizung  eines  Sohulgebäudes  schwerlich  stattfinden. 

Dagegen  versprechen  die  neuerdings  auch  sonst  vielfach 
in  Aufnahme  gekommenen  Niederdruckdampfheizungen  für 
Schulhäuser  von  grofeer  Bedeutung  zu  werden,  um  so  mehr,  als 
gerade  bei  dieser  Art  von  Dampfheizungen  eine  Reihe  von 
ganz  zweckmässigen  konstruktiven  Anordnungen  eingeführt 
wurden,  von  denen  ich  jedoch  nur  die  besseren  hervorhebe 
und  die  weniger  guten,  die  auch  rasch  wieder  aufgegeben 
sind,  vollkommen  übergehe.  Sehr  günstig  ist  bei  den 
Niederdruckdampfheizungen,  bei  weichen  der  Dampf  meist 
nur  einen  Überdruck  von  Vio — 7*  Atmosphäre  besitzt,  die 
niedere  Temperatur  der  Heizflächen,  welche  eine  Verbrennung 
des  Staubes  kaum  hervorbringen  kann.  Die  Regelung  der 
Wärmeabgabe  von  den  Heizkörpern  erfolgt  durch  Hähne  sehr 
bequem,  und  gelingt  es  auch,  diese  Wärmeabgabe  fast  voll- 
ständig zu  verhindern,  da  der  im  Heizkörper  verbleibende  Dampf 
nur  ein  geringes  Wärmereservoir  bildet. 


21 

Unter  den  Einrichtungen,  welche  erst  durch  die  Nieder- 
drackdampfheizungen  eine  allgemeinere  Verbreitung  gefanden 
haben,  die  jedoch  in  ähnlicher,  wenn  auch  nicht  gleich 
günstiger  Weise  bei  den  übrigen  Heizsystemen  nicht  minder 
verwendet  werden  könnten,  sind  besonders  folgende  hervor- 
zuheben. Der  Füllherd  der  Niederdruckdampfheizungen  ge- 
stattet den  Herd  Tag  und  Nacht  im  Brand  zu  erhalten;  bei 
dieser  fortdauernden  Heizung  findet  selbstverständlich  eine  sehr 
gleichmäßige  Durchwärmung  des  ganzen  Hauses  statt.  Um 
hierbei  einen  unnötigen,  dem  Wärmebedarf  nicht  entsprechenden 
Brennmaterialaufwand  hintanzuhalten,  wird  durch  die  Änderung 
des  Dampfdrucks  im  Kessel  eine  selbstthätige  Regelung  des 
Luftzutritts  zu  dem  Verbrennungsraum«  bewirkt.  Wenn 
der  Heizkörper  wenig  Wärme  abgibt,  so  steigt  bei  gleich- 
bleibendem Verbrennungsvorgang  im  Herde  der  Dampfdruck 
im  Kessel,  hiedurch  wird  eine  Klappe  so  verstellt,  dafs  nun 
weniger  Luft  zum  Brennmaterial  gelangt.  Wenn  dagegen  viel 
Wärme  verbraucht  wird,  so  sinkt  der  Dampfdruck,  und  die  Ver- 
keilung der  Klappe  gestattet  einer  bedeutenden  Luftmenge 
den  Zutritt  zum  Herde.  Da  diesen  in  Kürze  aufgezählten 
Vorzügen,  welche  bei  den  Niederdruckdampfheizungen  in  sehr 
ein&ober  konstruktiver  Weise  zu  erreichen  sind,  irgend  welche 
wesentliche  Nachteile  im  Vergleich  zu  anderen  Heizsystemen 
nicht  entgegengestellt  werden  können,  so  haben  die  genannten 
Anlagen  rasche  Verbreitung  gefunden  und  sind  auch  vielfach 
in  Schulhäusern  eingeführt  worden;  sie  wirken  dort  im  ganzen 
ni  vollkommener  Zufriedenheit. 

Schon  im  Früheren  habe  ich  angegeben,  dafs  man  auch 
kom  binierte  Systeme  aus  den  erwähnten  einfachen  Heizungen 
zusammenstellen  kann.  Unter  den  vielfachen  Kombinationen  sind 
wir  einzelne  von  gröberer  Wichtigkeit.  Mehrfach  ausgeführt 
sind  Hoch-  und  Niederdruck- Wasser-  und  Dampfluftheizungen, 
Damgkfwasserheizungen  und  Dampfwasserluftheizungen.  Von 
diesen  hebe  ich  nur  die  Dampfniederdruckwasserheizung,  sowie 
die  Hei&wasser-  und  Dampfoiederdruckluftheizung  hervor. 

Bei  den  Niederdruckdampf  Warmwasserheizungen  will  maxi 


22 

alle  konstruktiven  Annehmlichkeiten  einer  Niederdruckdampf- 
heizung mit  dem  Vorteile  der  Warmwasserheizung,  daJs  die 
Temperatur  der  Heizkörper  niemals  über  100°  C.  steigen  kann, 
verbinden.  Es  werden  durch  diese  Kombination  die  Kosten 
der  Anlage  selbstverständlich  gesteigert,  aber  dafür  auch  im 
allgemeinen  bessere  Resultate  erzielt.  Insbesondere  bei 
grö&eren  Anlagen  kann  die  in  horizontaler  Richtung  not- 
wendige Wärmeübertragung  durch  Dampf  erfolgen  und  nun 
dieser  Dampf  an  verschiedenen  Stellen  zur  Erwärmung  von 
Wasser  dienen,  das  hauptsächlich  die  Wärmeübertragung  in 
vertikaler  Richtung  ausführen  mufs.  Die  Regelung  der  Wärme- 
abgabe geschieht  bei  diesen  Dampfwasserheizungen  richtiger, 
als  bei  den  reinen  Warmwasserheizungen,  weil  in  dem  Heiz- 
körper nach  Absperren  derselben  die  verbleibende  Wassermenge 
geringer,  als  bei  den  älteren  Warmwasserheizungen  ist,  und 
weil  ferner  sowohl  die  Girkulation  des  Dampfes  wie  die  des 
Wassers  aufgehoben  werden  kann. 

An  die  Ausführung  der  erwähnten  kombinierten  Luft- 
heizungen wird  man  immer  dann  denken  müssen,  wenn  mit  der 
Heizung  eine  Ventilation  verbunden  werden  soll.  Unter  den 
bisher  betrachteten  Sammelheizungen  war  es  nur  die  Feuer- 
luftheizung, welche  gleichzeitig  zur  Lüftung  dient.  Die  Mängel, 
welche  den  gebräuchlichen  Feuerluftheizungen  noch  anhängen, 
können  durch  die  kombinierten  Luftheizungen  fast  vollständig 
vermieden  werden.  Schon  bei  einer  Heilswasser-,  noch  mehr 
aber  bei  einer  Niederdruckdampfluftheizung  ist  eine  Über- 
hitzung der  Heizflächen  und  eine  hierdurch  bedingte  Verbren- 
nung des  Staubes  kaum  mehr  möglich.  In  vollkommenster 
Weise  wird  dies  vermieden  durch  Anwendung  einer  kombi- 
nierten Niederdruckdampf warmwasserluftheizung.  Für  die  Heiz- 
kammern und  die  Kanalführungen  der  Frisch-  und  Warmluft 
sind  bei  diesen  kombinierten  Luftheizungen  natürlich  die 
gleichen  Vorsichtsmafsregeln  beizubehalten,  wie  dieselben 
schon  für  die  Feuerluftheizungen  angegeben  wurden;  ebenso 
ist  für  eine  Befeuchtung  der  Luft  in  ganz  gleicher  Weise  wie 
bei  den  Feuerluftheizungen  Sorge  zu  tragen. 


23 

Dürfte  man  bei  der  Wahl  des  Heizsystemes  für  ein  Schul- 
haus  in  keiner  Weise  die  Kosten  desselben  beachten,  so  würde 
man  sich  nach  dem  jetzigen  Stande  der  Heiztechnik  für  eine 
der  letzterwähnten  kombinierten  Luftheizungen  entscheiden 
müssen,  wobei  selbstverständlich  eine  zweckmäßige  und  gute 
Ausführung  der  Anlage  vorausgesetzt  ist.  Ganz  anders  wird 
natürlich  der  Entscheid  sein,  wenn  auch  die  Kosten  für  die 
Anlage  und  den  Betrieb  maisgebend  sind;  je  nachdem  mehr 
oder  weniger  Bücksicht  auf  dieselben  genommen  werden  mufs, 
wird  auch  in  jedem  einzelnen  Falle  die  Wahl  in  ganz  ver- 
schiedener Weise  zu  treffen  sein. 

ni. 

Es  ist  nicht  zu  vergessen,  dafs  selbst  dann,  wenn  diese 
Wahl  eine  glückliche,  wenn  ferner  die  Konstruktion  der  Heiz- 
anlage eine  zweckmäfsige  und  auch  die  Ausführung  eine  sorg- 
fältige war,  dennoch  durch  eine  ungeschickte,  unaufmerksame 
Bedienung  und  eine  wenig  sorgfältige  Erhaltung  der  An- 
lage die  mit  derselben  erzielten  Resultate  ganz  schlechte  sein 
können.  Ja,  es  ist  hervorzuheben,  dafs  ein  fleifsiger  und  ge- 
schickter Heizer  selbst  mit  einem  weniger  gelungenen  Heiz- 
system eine  sehr  zufriedenstellende  Erwärmung  der  Räume 
eizielen  kann. 

Ohne  hierbei  die  mancherlei  Dinge  aufzuzählen,  welche 
ein  Heizer  zu  beobachten  hat,  glaube  ich  doch  auf  einige 
Punkte  aufmerksam  machen  zu  müssen.  Bei  Anlagen  mit 
unterbrochener  Feuerung  ist  die  Bedienung  des  Herdes  in 
gleichen  relativ  kurzen  Zwischenräumen  auszuführen,  damit 
nicht  grofse,  gleichzeitig  in  Brand  geratene  Brennmaterial- 
quantitäten eine  Überhitzung  der  Heizflächen  hervorrufen.  Der 
Heizer  muis  darauf  Rücksicht  nehmen,  dafs  die  Dimensionen 
aller  Heizanlagen  so  berechnet  sind,  dafs  sie  nur  zur  Erhaltung 
des  Beharrungszustandes  ausreichen.  Wollte  man  die  An- 
heizung  in  kurzer  Zeit  bewerkstelligen,  so  muteten  diese  Dimen- 
sionen bedeutend  gröfser  bemessen  werden.  Nun  ist  die  Regel, 
dafe  in  einem  Schulhause  während  der  Ferientage  die  Zimmer 


24 

nicht  geheizt  werden  und  deshalb  vollständig  auskühlen.  Der 
Hetzer  versucht  es  dann  meist,  dieselben  in  wenigen  Standen 
zu  erwärmen,  anstatt  zum  mindesten  einen  Tag  hierauf  zu  ver- 
wenden ;  er  überanstrengt  und  verdirbt  dabei  die  ganze  Anlage. 
Sehr  häufig  habe  ich  diese  unrichtige  und  schädliche  Bedienung 
bei  Feuerluftheizungen  gefunden,  und  konnte  nur  eine  sehr 
eingehende  Belehrung  der  Heizer  und  eine  steepge  Kontrolle 
derselben  diesen  Ausstand  heben.  Auch  bei  Niederdruckdampf- 
heizungen, bei  welchen  wegen  der  genannten  Feuerung  und 
der  selbsttätigen  Regulierung  derselben  durch  den  Dampfdruck 
eine  Oberheizung  ziemlich  vermieden  ist,  habe  ich  dieselbe  beim 
Ingangsetzen  der  Heizungen  in  Neubauten  einigemale  ange- 
troffen; es  wurden  alle  Heizkörper  die  ganze  Zeit  über  in 
volle  Thätigkeit  gesetzt,  um  die  Erwärmung  und  Austrocknung 
so  rasch  als  möglich  zu  vollenden.  Dieser  bedeutenden  Wärme- 
abgabe entsprach  denn  auch  die  Menge  des  verbrauchten  Heiz- 
materiales,  so  dals  eine  Überhitzung  des  Füllherdes  und  ein 
Verbfennen  des  Rostes  eintrat. 

Für  die  Erhaltung  einer  richtigen  Temperatur  und  Feuchtig- 
keit in  den  Räumen  sucht  man  den  Heizer  neuerdings  durch 
Instrumente  zu  unterstützen,  welche  ihre  Angaben  in  der  Nähe 
der  Einsohüren  erkennen  lassen.  Wenn  man  die  Kosten  für 
diese  Einrichtungen  nicht  zu  scheuen  braucht,  ist  die  An- 
bringung derselben  wohl  anzuraten,  dabei  aber  nicht  zu  ver- 
gessen, dals  von  Zeit  zu  Zeit  eine  fachmännische  Prüfung  vor- 
genommen werden  muis,  ob  die  Instrumente  in  richtigem 
Zustande  sieh  befinden. 

Von  der  grö&ten  Wichtigkeit  bei  allen  Heizanlagen  ist 
das  Reinhalten  derselben;  Versäumnisse  nach  dieser  Richtung 
können  die  schlimmsten  Zustände  hervorrufen.  Hauptsächlich 
in  dien  Heizkammern,  Kanalführungen  und  auf  den  Heizkörpern 
sammeln  sich  bedeutende  Staubmassen  an.  Ich  fand  in  Heiz- 
kammern den  Boden  in  dicker  Lage  mit  Schmutz  bedeckt  und 
ebenso  in  horizontalen  oder  geschleiften  Kanälen  beträchtliche 
Mengen  abgesetzten  Staubes.  Es  rührt  das  nicht  selten  davon 
her,  dafs  diese  Räume  kaum  zugänglich  und  schwer  zu  reinigen 


25 

sind,  aber  meist  ist  es  allein  dadurch  veranlafst,  dafs  der  Heizer 
sich  nicht  oder  nur  wenig  um  die  ReiniguDg  bekümmert.  Es 
sollte  nach  Herstellung  der  Heizung,  vor  Inbetriebsetzung  der- 
selben jeder  Teil  der  ganzen  Heizanlage  in  gründlichster  Weise 
geprüft  und  dies  vor  Beginn  der  einzelnen  Heizcampagnen 
stets  wiederholt  werden.  Aber  auch  während  der  Heizperiode 
ist  in  gleichen,  nicht  zu  weit  voneinander  abstehenden  Zeit- 
räumen, etwa  alle  Monate,  eine  Reinigung  der  Heizkammern, 
Eanalfuhrungen  und  Heizkörper  vorzunehmen.  Der  Heizer 
rnuüs  sich  daran  gewöhnen,  dafs  die  Anlage  ebenso  blank  ge- 
halten wird,  wie  ein  Wohnzimmer;  er  wird  dann  bald  die 
Bedienung  mit  grö&erem  Eifer  ausführen  und  rasch  auf  etwaige 
Mängel  derselben  aufmerksam  werden.  Bei  einer  groJsen  An- 
zahl von  Schulhäusern,  wie  sie  gewöhnlich  einer  umfangreichen 
Stadtverwaltung  unterstellt  sind,  kann  nur  angeraten  werden, 
einen  erfahrenen  Techniker  mit  der  sorgfältigen  Unterhaltung 
aller  Heiaanlagen  und  der  Überwachung  der  Heizer  zu  betrauen. 
Ihm  mufe  es  obliegen,  im  Sommer  bei  den  Neueinrichtungen 
von  Heizanlagen  thätigen  Anteil  zu  nehmen  und  für  die  jähr- 
liche gründliche  Instandsetzung  aller  älteren  Anlagen  zu  sorgen» 
im  Winter  aber  die  Begutachtung  der  neuen  Projekte  und  die 
Überwachung  der  Heizer  auszuführen.  Durch  eine  solche 
pflichtmäfeige  Beschäftigung  mit  den  Heizanlagen  wird  es 
einem  tüchtigen  Techniker  bald  gelingen,  alle  oder  wenigstens  die 
meisten  Klagen,  welche  noch  über  eine  unrichtige  Erwärmung 
der  Schulzimmer  geführt  werden,  zum  Schweigen  zu  briijgen. 


26 


Eine  Lanze  für  den  alten  Schulranzen. 

Von 

G.  Kynast, 

stadtischem  Lehrer  in  Breslau. 

Mit  Rücksicht  auf  die  traurige  Wahrnehmung,  dafs  viele 
städtische  Schulkinder,  besonders  Mädchen,  einen  schiefen 
Wuchs  oder  wenigstens  Anlage  zu  einem  solchen  besitzen, 
hatte  schon  vor  längerer  Zeit  die  Breslauer  Schulbehörde 
in  Erwägung  gezogen,  ob  nicht  für  skoliotische  Kinder 
ein  heilgymnastischer  Unterricht  eröffnet  werden  könne.  Die 
einleitenden  Schritte  haben  jedoch  zu  dem  Ergebnis  geführt, 
dalß  dieses  Unternehmen  auf  grolse  Schwierigkeiten  stofeen 
würde,  da  es  nicht  möglich  ist,  schematisch  orthopädischen 
Unterricht  zu  erteilen,  vielmehr  die  Behandlung  derartiger 
Kinder  stets  unter  der  Aufsicht  eines  Arztes,  vielleicht  sogar 
eines  Specialarztes,  stehen  mufs,  der  jeden  Fall  vorhandener 
oder  drohender  Deformität  individuell  zu  behandeln  hat.  Zur 
Teilnahme  an  einem  Lehrgange  der  orthopädischen  Gymnastik 
hatten  sich  auf  besondere  Anfrage  fast  alle  Breslauer  Turn- 
lehrerinnen bereit  erklärt.  In  Erwägung  jedoch,  dafs  es  nach 
ärztlichem  Urteil  nicht  angängig  ist,  den  in  der  Handhabung 
der  Orthopädie  vorgebildeten  Lehrerinnen  die  selbständige 
Leitung  und  Ausübung  eines  solchen  Unterrichtes  zu  über- 
lassen, ist  die  städtische  Behörde  von  einem  weiteren  Vorgehen 
in  der  Sache  vorläufig  zurückgetreten. 

Um  aber  wenigstens  einem  offenbaren  Übelstande  in  der 
Art,  wie  die  Kinder  häufig  ihre  Schulbücher  tragen,  entgegen- 
zutreten, hat  die  städtische  Schulbehörde  ein  „Mahn wort 
an  die  Eltern  in  betreff  der  Bücherträger"  gerichtet, 
welches  bekannt  und  beachtet  zu  werden  verdient.  Dasselbe 
hat  folgenden  Wortlaut:    „Es    ist  als  feststehend  zu  erachten, 


27 

dafe  die  Erziehung,  welcher  die  Mädchen  gerade  in  ihren  Ent- 
wicklungsjahren unterworfen  eind,  körperliche  Schädigungen 
seitigt,  welche  als  Blutarmut,  Nervenschwäche  und  nicht  zum 
wenigsten  als  „habituelle  Rückgratsverkrümmung" 
in  die  Erscheinung  treten.  Zum  grofsen  Teile  sind  diese  Ge- 
sundheitsschädigungen  vermeidbare.  Ganz  besonders  gilt  dies 
von  der  Wirbelsäulenverkrümmung.  Die  Abwehr  der  sie 
begünstigenden  Einflüsse  sollte  daher  mehr  als  bisher  im  Auge 
behalten  und  angestrebt  werden.  Sie  entsteht,  wie  wir  heute 
wissen,  meist  durch  rein  mechanische,  eine  ungleichmäfsige 
Belastung  in  sich  schliefsende  bezw.  bedingende  Verhältnisse; 
jede  anhaltende,  einseitige  direkte  oder  indirekte  Belastung  ist 
daher  zu  vermeiden  und  auf  ihre  Beseitigung  hinzuwirken. 

Eine  solche  einseitige,  meist  recht  erhebliche  Belastung 
entsteht  durch  das  Tragen  der  Schulbücher  immer  mit 
derselben  Hand.  Auf  den  mehrmals  täglich  zurückzulegenden 
Schulwegen  von  oft  recht  beträchtlicher  Länge  bedienen  sich  die 
Mädchen  seitwärts  zu  tragender  Handmappen  (Bücherträger), 
wohl  auch,  um  die  Schulpflichtigkeit  zu  verbergen,  vollgepfropfter 
Musikmappen,  von  deren  Gewicht  sich  die  Eltern  schwerlich 
Rechenschaft  geben.  Bei  Ermittelungen  in  hiesigen  höheren 
Mädchenschulen  ergaben  sich  folgende  Gewichte: 

Durchschnitts-  höchstes 

Kbw8e  Gewicht. 

I  5  V*    Pfund        6  Vi  Pfund 

H  6  7*        „  8  „ 

ni  7        „         8»/4     „ 

IV  6  8A       „  7  V*. 

V  4  „  4  Vt        n 

VI  2  Vi        „  8  Vi       - 

Die  einseitige  längere  Belastung  mit  solchen  Gewichten 
muJB  'von  verderblichem  Einflufs  sein;  denn  durch  das 
täglich  zwei-  bis  viermal  geübte  anhaltende  Tragen  derselben, 
das  ohne  entsprechende  Abweichung  der  Wirbelsäule  undenkbar 
ist,  wird  solch  eine  unnatürliche  Haltung  um  so  leichter  zur 
bleibenden  Skoliose  führen,  als  es  sich  doch  um  Kinder  handelt, 


1 


28 

die  in  der  Entwickelang  begriffen  sind.  Nur  die  Besei- 
tigung dieser  gesundheitswidrigen  Bücherträger  und 
Handmappen  und  die  Rückkehr  zu  dem  guten  alten 
Schulranzen,  der  Bückentasche,  die  mittelst  Riemen 
über  beide  Schultern  geschnallt  wird,  können  ab- 
helfen. Möchten  die  Eltern,  die  über  die  Gesundheit  ihrer 
Kinder  zu  wachen  haben,  diesen  Mahnruf  nicht  unbeachtet 
lassen  und  über  etwaige  Moderücksichten  und  unberechtigtes 
Vorurteil  sich  hinwegsetzen!" 


Aus  Derfammlungen  ttnb  Dereinen. 


Die  Schulhygiene  in  der  XIV.  Versammlung 
skandinavischer  Naturforscher  und  Ärzte  zu  Kopenhagen. 

Von 

Axel  Hertel, 

kommunalem  Kreisarzt  m  Kopenhagen. 


Vom  4.  bis  9.  Juli  v.  J.  wurde  die  XIV.  Versammlung 
skandinavischer  Naturforscher  und  Ärzte  in  Kopenhagen  ab- 
gehalten. 

In  der  medizinischen  Sektion  trug  Dr.  Palmbbrg,  Gesund- 
heitsinspektor zu  Helsingsfors  in  Finnland,  über  die  geeig- 
netste Handhabung  der  Schulhygiene  vor.  Die  letztere 
zerfallt  in  einen  allgemeinen  und  einen  speciellen  Teil.  Die  all- 
gemeine Schulgesundheitspflege  bezieht  sich  auf  a.  die  Lokalitäten, 
ihre  Lage,  Ventilation,  Beleuchtung  u.  s.w.,  auf  die  Subsellien  und 
die  Lehrmittel;  b.  die  Schulzeit,  die  Pausen,  die  Hausarbeiten 
und  Körperübungen ;  c.  die  Vorbeugung  ansteckender  Krankheiten. 
Die  specielle  Schulhygiene  fafet  den  Gesundheitszustand  der  ein- 
zelnen Schüler  und,  was  damit  in  Verbindung  steht,  ins  Auge. 

Die  allgemeine  Hygiene  ist  die  weitaus  wichtigste.  Hier 
ist  eine  sachverständige  Inspektion  der  Schulen  ganz  notwendig, 


29 

und  darüber  sind  die  Ansichten  auch  kaum  geteilt.  Anders 
aber  verhält  es  sich,  wenn  man  fragt :  wer  soll  diese  Inspektion 
ausfahren?  Die  Ärzte,  welche  die  gewöhnlichen  hygienischen 
Untersuchungen  anstellen,  sind  auch  hier  die  natürlichen 
Inspektoren;  sie  bilden  die  sachverständigen  Persönlichkeiten, 
welche  die  Baupläne  und  sanitären  Einrichtungen  der  Schulen 
begutachten  sollen,  da  nur  sie  mit  Autorität  in  hygienischen 
Fragen  auftreten  können.  Speoielle  Schulärzte  sind  dagegen 
nicht  erforderlich;  will  man  solche  anstellen,  so  wird  eine 
praktische  Lösung  und  Ordnung  der  Frage  viel  kostspieliger 
und  schwieriger.  Die  gewöhnlichen  Ärzte  müssen  daher  auoh 
die  Verrichtungen  als  Schulärzte  übernehmen. 

Die  specielle  Schulhygiene  dagegen  wird  nicht  Sache  der 
Öffentlichen  Kontrolle  sein  dürfen,  sondern  muls  der  privaten 
Fürsorge  der  Eltern  überlassen  werden. 

Die  täglicheBeaufsichtigung  der  Beleuchtung  und  Rein- 
haltung der  Lokale,  sowie  der  riobtigen  Benutzung  der  Subsellien 
ist  Pflicht  der  Schulvorsteher  und  Lehrer,  ebenso  wie  diese 
auch  die  einfachen  Untersuchungen  des  Auges  und  des  Gehörs 
der  Schüler  vornehmen  sollen;  vorgefundene  Abnormitäten 
müssen  dem  Arzte  überwiesen  werden.  Die  Stundenpläne  sind 
von  den  pädagogischen  in  Verbindung  mit  den  medizinischen 
Autoritäten  auszuarbeiten. 

Um  seine  Ansichten  zu  präcisieren,  stellte  Redner  folgende 
Thesen  auf: 

1.  Die  Schulgesundheitspflege  ist  teils  eine  allgemeine, 
teils  eine  specielle. 

2.  Die  allgemeine  Schulhygiene,  welche  die  Bewahrung 
eines  guten  Gesundheitszustandes  der  Schüler  verfolgt,  muls  in 
allen  Unterrichtsanstalten  durchgeführt  werden. 

3.  Dies  geschieht  am  besten  durch  Zusammenwirken  der 
Arzte  und  Pädagogen;  die  letzteren  müssen  daher  Kenntnis 
der  Schulhygiene  besitzen. 

4.  Die  specielle  Schulhygiene  berücksichtigt  den  Gesund- 
heiteustand  jedes  einzelnen  Schülers  und  hat  gewiß*  auch 
ihre  grobe  Bedeutung,  kann  aber  im  allgemeinen  nicht  Sache 


30 

der  Schule  sein;  sie  muüs  von  der  Familie,  den  Wohlthätig- 
keitsvereinen  oder  von  der  Armenpflege  übernommen  werden. 

Der  Kommnnalarzt  Axel  Hertel  dankte  dem  Vortragenden, 
dafs  er  diese  wichtige  Frage  zur  Verhandlung  in  der  Versamm- 
lung gestellt  habe.  In  Dänemark  existieren  keine  sanitären 
Inspektionen  der  Schulen  durch  Sachverständige.  Wenn  die  Ärzte 
bis  jetzt  dieser  Frage  ein  ziemlich  platonisches  Interesse  ent- 
gegengebracht haben,  so  rührt  dies  zum  grofsen  Teile  daher, 
daJs  sie  gar  nicht  Gelegenheit  haben,  die  Schulen  zu  besuchen 
und  zu  sehen,  unter  welchen  Verhältnissen  die  Schüler  arbeiten 
müssen.  Dafs  hier  grofse  Mängel  sich  finden,  beweisen  die 
Untersuchungen  der  schulhygienischen  Kommission  vom  Jahre 
1884.1  Obgleich  zahlreiche  und  gute  Lehranstalten  seit  dieser  Zeit 
gebaut  worden  sind,  so  existieren  doch  noch  immer  viele  alte 
und  schlecht  angelegte.  Eine  ärztliche  Inspektion,  wie  die  von 
Dr.  Palmberg  vorgeschlagene,  mufs  daher  als  grofser  Fortschritt 
bezeichnet  werden;  sie  ist  auch  von  der  dänischen  schul- 
hygienischen Kommission  warm  empfohlen,  aber  bis  jetzt  nicht 
verwirklicht  worden.  Was  die  speciellen  Schulärzte  betrifft, 
so  vertritt  Kommunalarzt  Hertel  im  Gegensatz  zu  Dr. 
Palmberg  die  Ansicht,  dafe  solche  doch  von  grossem  Nutzen 
sein  könnten,  namentlich  dann,  wenn  sie  eigens  für  diesen 
Zweck  ausgebildet  würden.  Für  die  große  Mehrzahl  der 
Schulen  aber  mögen  die  gewöhnlichen  Medizinalbeamten  die 
Inspektion  übernehmen. 

Eine  weitere  Diskussion  fand  nicht  statt,  auch  keine  Ab- 
stimmung über  die  aufgestellten  Thesen. 


Beschlüsse  des  mexikanischen  pädagogischen  Kongresses 
in   betreff  der  hygienischen  Anforderungen  an  Schnlränme. 

1.     Das  Schulgebäude  soll  speciell  dem  Charakter  der  Anstalt, 
welche  man  errichten  will,  angepafst  werden. 


1    8.   diese   Zeitschrift,   1888,   No.    6,    S.  167—183  und   No.  7 
S.  201—215.    D.  Red. 


31 

2.  Der  Bauplatz  mufe  von  jedem  ungesunden  und  gefährlichen 
Orte,  insbesondere  von  Kirchhöfen,  Abfuhrplätzen  oder  übelriechenden. 
Gewässern,  weit  entfernt  liegen. 

3.  Das  Terrain  sei  von  Natur  oder  künstlich  trocken.  Die 
Baumaterialien  sollen  dauerhaft,  gegen  Fenchtigkeit  und  atmosphärische 
Einflüsse  widerstandsfähig  sein. 

4.  Für  die  Schule  sind  wenigstens  10  qm  Oberfläche  per 
Schfller  zu  rechnen. 

5.  Das  Dach  ist  am  besten  flach;  im  Falle  man  dasselbe 
dennoch  geneigt  erbaut,  sind  Ziegel  oder  Schiefer  dem  Metall  vor- 
zuziehen. 

6.  Die  Fulsböden  der  Klassen  müssen  stets  aus  Holz  her- 
gestellt werden. 

7.  Alle  Ecken,  welche  durch  die  Wände,  den  Fulsböden  oder 
die  Decke  gebildet  werden,  sollen  eine  konkave  Rundung  mit  einem 
Radius  von  10  cm  besitzen. 

8.  Die  Thüren  der  verschiedenen  Räume  sind  so  einzurichten, 
dafs  dieselben  nach  zwei  Seiten  geöffnet  werden  können;  sie  sollen, 
mindestens  2,20  m  hoch  und  1  m  breit  sein. 

9.  Die  Räume  im  unteren  Teile  des  Gebäudes  müssen  in 
genügender  Höhe  über  dem  Erdboden  liegen. 

10.  Man  trachte  danach,  dafs  sich  vor  den  Fenstern  der  Klasse 
hinreichend  unbebauter  Raum  befindet,  um  dem  Lichte  freien  Zutritt 
zu  gewähren;  die  Entfernung,  in  welcher  Mauern  der  Schule 
gegenüber  liegen  dürfen,  mufs  mindestens  8  m  betragen. 

11.  Jede  Schule  soll  eine  Wasserleitung  besitzen  in  der  Weise, 
dafs  in  sämtlichen  Räumen  ein  Hahn  vorhanden  ist.  Wenn  sich 
dies  nicht  ausführen  läfst,  so  soll  man  Behälter  aufstellen,  damit 
die  Kinder  Wasser  von  hygienisch  bester  Beschaffenheit  erhalten. 

12.  Die  Treppen  sind  gradlinig  und  nicht  gewunden  anzulegen. 
Die  einzelnen  Abschnitte  derselben  müssen  13—15  Stufen  haben  und 
durch  einen  Absatz  getrennt  sein;  die  Stufen  sollen  28—30  cm 
Breite  und  15  cm  Höhe  besitzen  und  abgerundet  werden.  Das 
Geländer  ist  mit  je  40  cm  voneinander  entfernten  Knöpfen  zu 
versehen,  um  die  Kinder  am  Herabrutschen  zu  hindern ; 
die  Entfernung  der  Geländerstäbe  darf  nicht  mehr  als  13  cm  be- 
tragen. Wenn  die  Zahl  der  Schüler  200  übersteigt,  so  sind  zwei 
Treppen  anzulegen. 

13.  Bei  der  Lage  der  Schulen  werde  darauf  geachtet,  dafs 
dieselben  nicht  heftigen  Winden  ausgesetzt  sind,  trotzdem  aber  ge- 
nügend Luft,  Licht  und  Wärme  erhalten.  Auch  hat  man  zu  vermeiden, 
dafs  die  Sonne,  besonders  während  der  ersten  Abendstunden,  längere 
Zeit  in  die  Klassen  scheinen  kann. 


32 

14.  Für  die  Ventilation  sind  20  kbm  Luft  per  Schüler  und  Stunde 
zu  rechnen.  Um  eine  so  kräftige  Lüftung  zu  erzielen,  müssen, 
abgesehen  von  den  Fenstern,  obere  and  untere  Ventilatoren  ein- 
gerichtet werden;  für  je  4  Schüler  ist  ein  Ventilator  anzulegen. 
Die  Klappen  der  letzteren  sollen  einen  Durchmesser  ton  12  cm 
haben. 

15.  Damit  auch  durch  die  Fenster  frische  Luft  eintreten  könne, 
sei  jeder  Fensterflügel  in  zwei  Teile  geteilt,  einen  unteren,  der  sich 
in  gewöhnlicher  Weise  öffnet,  und  einen  oberen,  der  sich  um  eine 
horizontale  Achse  dreht  und  geneigt  werden  kann. 

16.  Das  Licht  Ton  zwei  Seiten  ist  vorzuziehen;  dasselbe  soll 
jedoch  auf  der  linken  Seite  stärker  sein,  als  auf  der  rechten  und 
auf  letzterer  daher  durch  mattes  Glas  abgedämpft  werden. 

17.  Einseitiges  Licht  darf  man  anwenden,  wenn  man  es  unter 
nachstehenden  Bedingungen  erhalten  kann: 

1.  dafs  das  Licht  genügend  stark  ist; 

2.  dafs  die  Fenster  mindestens  V»  so  hoch  sind,  als  die 
Klasse  breit  ist; 

3.  dafs  man  an  der  den  Fenstern  gegenüberliegenden  Seite 
Ventilationsöffnungen  anbringt;  diese  Öffnungen  müssen 
1 — 2  m  weit  sein.  Sie  sollen  nicht  nur  zur  Lüftrag, 
sondern  auch  dazu  dienen,  die  Sonne  für  einige  Stunden 
des  Tages  ins  Zimmer  zu  lassen. 

18.  Das  Licht  darf  nicht  von  vorne  auf  die  Schüler  oder  den 
Lehrer  fallen. 

19.  Die  Fenster  müssen  rechtwinklig  sein  und,  im  Falle  man 
einseitiges  Licht  anwendet,    eine  Höhe  von  fi/s  der  Breite  besitzen. 

20.  Das  Fensterbrett  sei  nach  zwei  Seiten  oder  nach  dem 
Zimmer  zu  geneigt  und  liege  in  einer  Höhe  von  1,20  m  über  dem 
Boden. 

21.  Da  die  Menge  des  Lichtes  nicht  immer  von  der  Oröfse 
der  Fenster  abhängt,  sondern  davon,  dafs  man  es  direkt  empfängt, 
so  soll  vor  denselben  ein  freier  Raum  bleiben. 

22.  Fenstervorhänge  müssen  sich  von  unten  nach  oben  auf  riehen 
lassen. 

23.  Das  Licht  von  einer  Seite  soll  keine  Anwendung  finden, 
wenn  die  Klasse  mehr  als  6,20  m  breit  ist. 

24.  Als  künstliche  Beleuchtung  dürfen  Stearinkerzen  (?D.  Red.), 
Öllampen  oder  elektrisches  Licht  mit  matten  Glaskugeln  benutzt  werden. 

25.  Die  Schulzimmer  der  Knaben,  Mädchen  und  kleineren  Kinder 
seien  vollständig  getrennt. 

26.  Bei  der  Verteilung  der  Schulzimmer  ist  auch  die  Wohnung 
des  Direktors  in  Betracht  zu  ziehen. 


33 

27.  Die  Maximalzahl  der  Plätze  in  einer  Klasse  beträgt  50, 
veno  keine  Parallelklassen  bestehen ;  sind  'solche  vorhanden,  so  ist 
40  das  Maximnm. 

28.  Bei  der  Aufstellung  der  Schultische  ist  dafür  Sorge  zu 
tragen,  dafs  die  nötigen  Gänge  frei  bleiben;  dieselben  dürfen 
zwischen  der  Wand  und  den  Tischen  nicht  schmäler  als  60  cm  sein 
und  zwischen  den  Subsellien  nicht  enger  als  50  cm. 

29.  Der  Saal  für  den  Handfertigkeitsunterricht,  d.  h.  für  Tischler-, 
Karton-  und  Flechtarbeiten,  soll  jedem  Schiller  2,50  qm  Raum 
gewähren  und  für  40  Schüler  10 — 11  m  lang,  5 — 6  m  breit  und 
4— 5  m  hoch  sein;  derselbe  mufs  vorzüglich  ventiliert  und  erleuchtet 
werden. 

30.  Für  die  Turnhalle  ist  eine  Grundfläche  von  6  qm  pro 
Schüler  und  eine  genügende  Höhe  erforderlich;  auch  sie  mufs  gute 
Beleuchtung  und  Lüftung  haben.  Neben  derselben  darf  ein  Aus-  und 
Ankleidezimmer  nicht  fehlen. 

31.  Die  Aborte  sollen  aus  kleinen,  durch  Wände  getrennten 
Räumen  bestehen  und  in  jedem  der  letzteren  soll  nur  ein  Sitz 
«ich  befinden;  sie  müssen  automatische  Wasserspülung  besitzen  und 
so  beschaffen  sein,  dafs  die  Schüler  nicht  darauf  stehen  können. 
Außerdem  ist  ein  Pissoir  erforderlich.  Die  Thür  des  Abortes  sei 
oben  und  unten  offen,  so  dafs  man  die  Eniee  und  die  Brust  des 
Schülers  sehen  kann;  die  Farbe  der  Thüren  mufs  so  gewählt  werden, 
dafe  sich  nicht  darauf  schreiben  oder  zeichnen  läfst. 

32.  Im  Falle  Heizungsvorrichtungen  zur  Anwendung  kommen,1 
and  folgende  Yorsichtsmafsregeln  zu  beobachten: 

1.  Ihre  Einrichtung  sei  derartig,  dafs  sie  zu  allen  Jahres- 
zeiten eine  konstante  Temperatur  erzeugen; 

2.  sie  müssen  auch  während  der  Nacht  arbeiten  und  wenn 
die  Angestellten  abwesend  sind; 

3.  sie    dürfen    keine     Verbrennungsprodukte    ins    Zimmer 
lassen; 

4.  sie  dürfen  den  Feuchtigkeitsgehalt  der  Luft  in  keiner 
Weise  verändern; 

5.  sie  sollen  nicht  zu  viel  Feuerungsmaterial  verbrauchen 
und  jede  Gefahr  eines  Brandes  ausschliefen. 

Bemerkungen  des  Komitees  fftr  öffentliche  Gesundheitspflege 
ii  Prankmeh  Aber  den  Seklufs  der  Schulen  bei  Epidemien. 

In  einer  der  letzten  Sitzungen  des  Komitees  für  öffentliche  Ge- 
sundheitspflege in  Frankreich,  welche  unter  dem  Vorsitze  des  Pro* 
fasor  Brouardhl  stattfand,  erwähnte  Direktor  H.  Monod,  dafs  in 
Ventavon,  einer  Gemeinde  des  Departements  der  Oberalpen  mit  800 

BdtalfenmiUMltfpfleg«  VI.  8 


34 

bis  900  Einwohnern  eine  kleine  Blatternepidemie  unter  den  Schul- 
kindern ausgebrochen  sei;  5  Fälle  wurden  konstatiert,  von  denen 
jedoch  keiner  tödlich  verlief.  Die  Entstehung  dieser  Epidemie  führt 
man  auf  eine  Einschleppung  aus  Marseille  zurück.  Die  nötigen 
Mafsregeln  der  Impfung  und  Wiederimpfung  sind  getroffen  und  die 
Schulen  geschlossen  worden. 

In  Orgeix  zeigten  sich  Fälle  von  Typhus.  Da  die  Krankheit 
in  der  Familie  des  Lehrers  auftrat,  so  mufsten  auch  hier  die  Kinder 
aus  der  Schule  entlassen  werden. 

Nach  Direktor  Monod  würde  es  von  Interesse  sein,  die  Be- 
dingungen zu  erfahren  und  zu  veröffentlichen,  unter  denen  beim 
Ausbruch  von  Epidemien  die  öffentlichen  Schulen  zu  schliefen  sind;, 
man  mü&te  sich  zu  diesem  Zwecke  mit  dem  Unterrichtsministerium 
in  Verbindung  setzen.  Das  Komitee  spricht  den  Wunsch  aus,  dafa 
diese  Frage  weiter  im  Auge  behalten  werde. 


ÄUinere  M\Ht\lun%tn. 


Schulgesundheitspflege   im  Kanton  St.  Gallen.    Aus   den 

jüngsten  Berichten  der  Physikate  und  Gesundheitskommissionen,  so 
heilst  es  in  dem  „Schwelgerischen  Gesundheitswesen,"  verdienen 
folgende,  die  Schulgesundheitspflege  im  Kanton  St.  Gallen  betreffende 
Angaben  erwähnt  zu  werden:  Bezirk  Tablat.  Die  Schulhäuser 
sind  in  baulicher  Beziehung  befriedigend,  aber  teilweise  sehr  über- 
füllt. Der  Kubikraum  per  Kind  beträgt  z.  B.  in  Nuoleu  nur  2,64, 
in  Rotmonten  2,60,  in  Neudorf  2,83  und  in  St.  Fiden  2,45  kbm. 
Die  meisten  Schulzimmer  gewähren  3 — 6  kbm.  Auch  die  Abtrittsein- 
richtungen lassen  an  vielen  Orten  zu  wünschen  übrig,  sogar  im 
neuen  Schulhause  zu  Häggenschwyl.  —  Bezirk  Rorschach.  Ror- 
schacherberg  hat  seine  Schullokale  untersucht  und  darüber  Bericht 
eingesandt.  Der  Luftkubus  beträgt  hier  pro  Kind  3,4,  4,4  und 
4,5  kbm.  Eggersriet  verabfolgte  Mittagssuppe  und  warme  Schuhe  an 
arme  Schulkinder  und  inspizierte  die  Schule  in  hygienischer  Be- 
ziehung.—  Bezirk  Unterrheinthal.  Die  Räume  des  katholischen 
Schulhauses  in  Widnau  sind  niedrig  und  überfüllt,  und  die  Umgebung 
des  Hauses  läfst  in  Bezug  auf  Reinlichkeit  viel  zu  wünschen  übrig. 
Auch  das  katholische  Schulhaus  in  Au  ist  mustergültig  schlecht,  das 
evangelische  dagegen  sehr  gut.  Die  Lüftung  der  Schulzimmer  erweist 
sich  im  ganzen  Bezirk  mangelhaft,  ja  verwerflich,  „wesentlich  durch 
Schuld  der  Lehrer u,    sagt   der  Bericht.     An    der   Reinlichkeit   der 


35 

linder  ist  nichts  auszusetzen.  Die  Zahl  der  Kurzsichtigen  beträgt 
2%.  In  Thal  hat  die  evangelische  Schule  Hausschuhe  für  die  kalten 
md  nassen  FüXse  der  bedürftigen  Schulkinder  angeschafft.  —  Bezirk 
Oberrheinthal.  Über  die  Schulhäuser  dieses  Bezirks  ist  eine 
eingehende  Untersuchung  im  Gange.  Altstätten  hat  sehr  gute  sanitäre 
Schulverbältnisse  mit  Ausnahme  der  katholischen  Mädchenschule.  — 
Bezirk  Sargans.  In  Vättis  ist  ein  neues  Schulhaus  bezogen,  und 
ünms  hat  seine  drei  überfüllten  Schulen  durch  Errichtung  einer 
vierten  entlastet.  Pfeffers,  Flums,  Wallenstadt  und  Bagaz  haben 
ihre  Schulen  in  sanitärer  Beziehung  inspiziert  und  größtenteils  in 
befriedigendem  Zustande  gefunden.  In  Ragaz  sind  einige  Ver- 
besserungen projektiert.  —  Bezirk  Gaster.  Weesen  hat  reinliche 
und  gut  gelüftete  Schulzimmer.  In  Kaltbrunn  wurden  aus  gesundheit- 
fiehen  Gründen  die  Schulhausaborte  umgebaut.  —  Seebezirk. 
Eschenbach  hat  neue  „St.  Galler  Schulbänke "  und  einen  guten 
Ventilationsofen  angeschafft.  Die  Schulhäuser  in  Schmerikon  und 
St  Gallenkappel  sind  in  Ordnung  und  gehörig  ventiliert.  —  Bezirk 
Obertoggenburg.  Die  Luftheizung  im  evangelischen  Schulhause 
von  Kappel  soll  durch  ein  besseres  System  ersetzt  werden.  Die 
neue  Realschule  Ebnat-Kappel  wird  die  Primärschulen  entlasten.  In 
AhVSt.  Johann  erhielten  die  armen  Kinder  freien  Mittagstisch  in 
besseren  Familien  und  in  Kappel  und  Nefslau  eine  Mittagssuppe  oder 
Milch  und  Brot,  aufserdem  Hausschuhe.  —  BezirkNeutoggenburg. 
£s  fand  eine  Inspektion  der  Aborte  sämtlicher  Schulhäuser  statt.  — 
Bezirk  Alttoggenburg.  Mosnang  hat  seine  sechs  Schulen  in 
Beziehung  auf  Baugrund,  Reinlichkeit,  Ventilation  und  Aussehen  der 
Schüler  untersucht  und  darüber  ausführlich  berichtet.  Trotz  gleich- 
artigen Baues  waren  die  einen  dieser  Schulen  gut,  die  anderen 
schlecht  gelüftet.  Es  fehlt  also  nicht  an  der  Einrichtung,  sondern 
an  den  Lehrern.  —  Bezirk  Wil.  Niederhelfenschwil  bemühte  sich 
namentlich  um  gute  Lüftung  der  Schulzimmer,  — Bezirk  Gossau. 
Die  Gemeinde  Gossau  hat  Verabreichung  von  Mittagssuppe  an  über 
100  entfernt  wohnende  Schüler  eingerichtet.  Die  Kosten  beliefen 
sich  auf  11  Cts.  per  Kind  und  Tag.  In  einigen  Gemeinden  des 
Kantons  wurden  schlechte  oder  verdächtige  Schulbrunnen  gründlich 
verbessert. 

Ein  Gutachten  über  den  Umfang  des  an  Lehrerbildungs- 
anstalten zu  erteilenden  hygienischen  Unterrichtes  hat  einer 
Mitteilung  des  »Österr.  Sanitätswes.u  zufolge  Professor  Dr.  M.  Gruber 
in  einer  Sitzung  des  k.  k.  obersten  Sanitätsrates  erstattet.  Es 
wurde  ein  ausführliches  Programm  über  den  Inhalt  des  zu  be-* 
bändelnden  Lehrstoffes  vorgelegt  und  hinsichtlich  der  Ziele  des 
hygienischen  Unterrichts  an  diesen  Lehranstalten,  sowie  der  Methoden 

8* 


36 

and  Hilfsmittel  desselben  eine  Reihe  grundsätzlicher  Bestimmungen 
in  Anregung  gebracht. 

Sollen  Kinder  mit  Pelade  von  Schulbesuche  ausgeschlossen 

werden?  Auf  diese  Frage  erteilt  Dr.  Dübois-Havbnith  in  der 
„Clinique"  vom  15.  August  1892  die  folgende  Antwort:  Die  Pelade 
ist  nicht  in  demselben  Mafee  wie  der  Favus  und  Herpes  tonsurans 
ansteckend.  Ihre  Prophylaxis  in  den  Schulen  erfordert  daher  nicht 
dieselbe  strenge  Malsregel  der  Ausschließung,  wie  die  beiden 
letzteren  Krankheiten.  Ich  habe  mehr  als  einmal  die  Zulassung 
peladischer  Kinder  in  der  Schule  gestattet,  ja  geradezu  gefordert, 
obgleich  man  ihr  Erscheinen  als  eine  Gefahr  für  die  übrigen  Schüler 
ansah.  Doch  darf  dies  nur  unter  der  Bedingung  geschehen,  dais 
der  an  Pelade  Erkrankte  während  der  ganzen  Dauer  seines  Leidens, 
ja  selbst  noch  längere  Zeit  nach  der  Genesung  zu  jeder  Zeit  eine 
Kopfbedeckung  trägt. 

Die    hygienischen    Gefahren    der    Schfilerverbindungen 

werden  in  einem  Aufsätze  des  „Päd.  WochbL"  berührt.  Wer  sechs 
Stunden  im  Klassenzimmer  gesessen  hat,  so  heilst  es  dort,  soll  sich 
einige  Zeit  in  frischer  Luft  bewegen.  Statt  dessen  begeben  sich 
die  Schüler  in  eine  enge  und  dumpfe  Kneipe,  und  selbst  in  der 
Grnfsstadt  besuchen  sie  seltener  die  monumentalen  Bierpaläste,  weil 
hier  auch  Lehrer  verkehren.  Das  Kneipen  dauert  oft  bis  abends, 
so  dafs  die  kostbare  Arbeitszeit  völlig  verloren  geht.  Zum  Abend- 
essen mufs  der  Knabe  natürlich  pünktlich  erscheinen,  damit  der 
Vater  nichts  merkt.  Nach  dem  Essen  hat  er  noch  einen  Mitschüler 
zu  besuchen,  denn  die  mathematische  Aufgabe  war  so  schwer,  dais 
niemand  sie  lösen  konnte.  Nun  gehts  wieder  lustig  in  die  Kneipe. 
Manche  lassen  sich  auch  einfach  einen  Hausschlüssel  machen,  stellen 
sich,  als  ob  sie  ins  Bett  gingen,  und  begeben  sich  dann  schnurstracks 
ins  Wirtshaus.  Der  Vater,  müde  von  des  Tages  Last  und  Arbeit, 
wähnt  seinen  Sohn  im  Bett  und  begibt  sich  selbst  zur  Ruhe,  während 
der  Sohn  in  der  Kneipe  weltverbessernde  Pläne  schmiedet.  Vor- 
sichtige Jungen  warten  indes,  bis  die  Eltern  sich  zur  Ruhe  begeben 
haben,  und  gehen  dann  aus,  um  tief  in  der  Nacht  zurückzukehren. 
Wir  brauchen  nicht  erst  hinzuzufügen,  wie  nachteilig  ein  solches 
Wirtshausleben  mit  seiner  verdorbenen  Luft,  seinem  übermäfcigen 
Biergenufs  und  seiner  gestörten  Nachtruhe  gerade  für  die  Gesundheit 
der  noch  wenig  widerstandsfähigen  Jugend  ist. 

Über  häusliche  Arbeit  nnd  körperliche  Bewegung  bei 
Schülerinnen  schreibt  der  Direktor  der  Kgl.  Elisabethschule  zu 
Berlin,  Professor  Dr.  Stephan  Wabtzoldt,  in  dem  jüngsten 
Jahresberichte  der  Anstalt:  Die  häuslichen  Arbeiten  sind  so  be- 
messen, daß  einer  fleifsigen  Schülerin  überall  reichlich  Zeit  bleiben 


37 

jmifs,  der  Mütter  zur  Hand  zu  gehen  und  sich,  wie  ihr  Alter  es 
verlangt,  körperlich  zu  bewegen.  Es  empfiehlt  sich,  darauf  zu  halten, 
dafe  die  Schülerin  zu  fest  bestimmter  Stunde,  an  bestimmtem  Orte, 
möglichst  ohne  Unterbrechung  ihre  Schularbeiten  erledige.  Dann 
aber  soll  ihr  auch,  soweit  als  thunlich,  die  Möglichkeit,  sich  frei 
m  bewegen,  zu  spielen  und  sich  zu  tummeln,  gegeben  werden.  Nie 
sollte  einem  Mädchen  erlaubt  sein,  unmittelbar  nach  dem  Essen  zu 
arbeiten,  jedenfalls  nicht  noch  nach  der  Abendmahlzeit.  Der  körper- 
lichen Kräftigung  kann  die  Schule,  welche  nur  über  zwei  wöchentliche 
Turnstunden  für  jede  Klasse  verfügt  und  eines  geeigneten  Baumes 
nun  Spielen  und  Tummeln  leider  entbehrt,  nicht  in  genügendem 
Mafse  sich  widmen.  Die  nervöse  Unstetigkeit,  die  Unfähigkeit  zu 
ernsthafter  Arbeit  erklärt  sich  bei  manchen  Mädchen  aus  dem 
übertriebenen  Zwange  des  Stülsitzens  und  dem  Mangel  an  körper- 
licher Thätigkeit  im  Hause  oder  in  freier  Luft.  Durch  spätes 
Wachen,  durch  verfrühte  Teilnahme  an  den  Vergnügungen  Er- 
wachsener, durch  unbeaufsichtigte  zerfahrene  Lektüre  wird  der 
Zerstreutheit  und  Mattigkeit  Vorschub  geleistet.  Zur  Besserung 
dieser  Übelstände  ist  die  Schule  in  einer  Gröfsstadt  nur  im  stände, 
wenn  sie  sicher  auf  die  kräftige  Mithilfe  der  Eltern,  namentlich  der 
Mütter,  rechnen  darf. 

Zur  Hygiene  des  Auges  mit  besonderer  Rücksicht  auf 
die  Schule.  Der  Optiker  Franz  Poeller  in  München  hat  eine 
Reihe  von  Versuchen  angestellt,  um  zwei  der  wichtigsten  Punkte 
der  Myopielehre,  nämlich  1.  den  Übergang  der  Normalsichtigkeit 
in  die  Kurzsichtigkeit  und  2.  die  graduelle  Steigerung  der  letzteren 
beim  Brillengebranche  näher  zu  erforschen.  Dabei  gelangt  er  zu 
folgenden  „Nutzanwendungen  für  die  Schulhygiene":  1.  Anstrengendes 
Nahesehen,  wie  es  durch  mancherlei  Beschäftigung,  vornehmlich  aber 
durch  Lesen  und  Schreiben,  bedingt  wird,  ist  vom  Standpunkt  der 
Augenhygiene  in  der  Regel  nur  dann  als  zulässig  anzusehen, 
wenn  es  nicht  länger  als  SA  bis  1  Stunde  ununterbrochen  geübt 
wird.  2.  Bei  mehrstündiger  Dauer  solcher  Thätigkeiten  sind  längstens 
nach  je  V*  Stunden  Erholungspausen  von  etwa  7*  Stunde  geboten. 
3.  Der  Brillengebrauch  ist  beim  Nahesehen  auf  das  Notwendigste  zu 
beschränken.  4.  Im  Falle  der  Benutzung  einer  Glasbrille  ist  es 
nötig,  dieselbe  in  Zwischenräumen  von  11/*  bis  2  Stunden  auch 
dann  einer  eingehenden  Reinigung  zu  unterziehen,  wenn  dem  äufseren 
Anscheine  nach  die  Verunreinigung  oder  Verfeuchtung  derselben 
noch  unmerklich  ist.  Da  jedoch  diese  Reinigung  in  Anbetracht  des 
Üm8tandes,  dafs  infolge  der  starken  hygroskopischen  Kraft  der 
Glasoberfläche  die  Feuchtigkeitströpfchen  und  mit  diesen  auch  zahl- 
reiche Salz-  und  Schmutzstäubchen   sich  tief  in  die  Oberfläche  ein- 


38 

nisten,  sich  nur  sehr  schwierig  und  unvollkommen  vollziehen  lä&t, 
so  sind  5.  Brillen  aus  Bergkrystall  den  aus  Glas  erzeugten  deshalb 
bei  weitem  vorzuziehen,  weil  eine  Reinigung  derselben  wegen  4er 
geringen  Hygroskopie  des  Bergkrystalls  seltener  nötig  und  leichter 
ausführbar  ist. 

Kindergarten  und  Gesundheitspflege.1  In  der  »Wochschr. 
f.  einheiü.  Jgderzhg*  erklärt  die  Vorsteherin  des  Kindergartens  in 
3t.  Gallen,  Fräulein  Hkdwiq  Zollikofbr,  dafs  die  in  das  FRöBRLsefee 
System  eingereihte  Beschäftigung  des  Ausstechens  dem  kindlichen 
Auge  schade  und  deshalb  trotz  ihrer  im  übrigen  vorteilhaften  An- 
regungen besser  vom  Kindergarten  fern  gehalten  werde.  Dann 
aber  fährt  dieselbe  fort:  Bei  diesem  Anlasse,  erlauben  wir  uns 
auch  daran  zu  erinnern,  dafs  aufser  dem  so  augenfällig  nachteiligen 
Ausstechen  noch  mehrere  der  üblichen  Kinderbeschäftigungen  eine 
ungünstige  Kritik  hervorrufen  und  damit  dem  ganzen  FRÖBRLschea 
System  schädigende  Vorurteile  schaffen.  Wir  meinen  das  Flechten 
mit  ganz  feinen,  etwa  3  mm  breiten  Streifchen  in  Glanzpapier,  das 
Ausnähen  von  zu  eng  gestochenen  oder  in  unklarer  Zeichnung  ge- 
haltenen Nähblättchen,  das  Legen  mit  zu  feinem  Material,  das 
Zeichnen  auf  enges  (5  mm)  Netzpapier.  Einmal  darauf  aufmerksam 
gemacht  und  nach  eigener  Prüfung  und  Erfahrung,  haben  wir  schon 
seit  Jahren  alle  diese  gerügten  Übelstände  bei  uns  beseitigt  und 
das  diesbezügliche  Material  bedeutend  gröber  angeschafft.  Überhaupt 
sollten  die  Fabriken  FRöBELscher  Beschäftigungsmittel  dazu  ver- 
anlafst  werden,  für  Kindergärten  und  zur  Beschäftigung  vorschnl- 
pflichtiger  Kinder  durchaus  kein  so  feines  Material  anzufertigen  und 
abzugeben.  Die  Flechtblätter,  die  wir  in  unserem  Kindergarten  be- 
nutzen, sind  aus  Naturpapier  und  die  Streifen  je  nach  der  Stufe 
der  Kinder  10  bis  mindestens  5  mm  breit.  Die  Stiche  der  Aus- 
nähblätter stehen  wenigstens  5  mm  auseinander,  der  Karton  ist 
nicht  glänzend,  sondern  matt.  Wenn  überhaupt  auf  Papier  gezeichnet 
wird,  so  geschieht  es  in  methodischem  Stufengang  auf  Netzpapier 
mit  1  cm  grofsen  Quadraten.  Zum  Legen  verwenden  wir  Steinchen, 
Kürbiskerne  oder  dergleichen  gröfsere  Samen,  halbierte  Bohnen, 
Knopfformen  aus  Karton,  dann  die  eigentlichen  Legetäfelchen  und 
statt  der  zündholzartigen  dünnen  Stäbchen  starke  vierkantige  ans 
Hartholz  gefertigte,  so  dafs  auch  da  die  zarten  Nerven  der  Kinder 
nicht  überreizt  werden.  Wir  haben  unser  sämtliches  Material  und 
dessen  Anwendung  ärztlichen  Autoritäten  vorgelegt,  und  hatten  die- 
selben nichts  mehr  daran  auszusetzen.  Lassen  wir  überhaupt  die 
Beschäftigung    des    Bauens,    des   Sand-  und   Tonspielens,    des  Aus- 


1  Vgl.  diese  Zeitschrift,  1892,  No.  6,  S.  262—268.    D.  Red. 


39 

Schneidens  und  Klebens  mehr  in  den  Vordergrand  treten,  die  das 
Kind  ja  so  sehr  erfreuen  und  nach  keiner  Richtung  schädigend 
wirken,  vorausgesetzt,  dafc  die  Eindergärtnerin  auch  darin  maishalte 
and  die  Beschäftigungen  nicht  auf  Kosten  der  Bewegung  im  Freien, 
des  Spieles,  des  Turnens,  der  Anschauung  und  des  Erzählens  be- 
treibe. Alles  geschehe  zu  seiner  Zeit,  an  seinem  Ort,  in  harmoni- 
scher Übereinstimmung  und '  gehöriger  Abwechslung  mit  der  Devise: 
„Nur  in  einem  gesunden  Körper  kann  eine  gesunde  Seele  wohnen". 
Dann  bleiben  wir  nicht  stehen,  sondern  schreiten  mit  der  Zeit 
Torwarts,  wie  Fröbel  selbst  es  gewollt  hat,  und  schaffen  seinen  Un- 
vergänglichen, tief  begründeten  Gedanken  neuerund  zeitgemäfse  Formen. 

Erziehung  und  Unterricht  der  dänischen  Taubstummen. 

Unter  dem  Titel:  „Die  Taubstummen  in  Dänemark"  hat  Dr. 
MYGUTDin  der  „Ztschr+f.  Ohrhlkd"  eine  demographische  Skizze  ver- 
öffentlicht. Dieselbe  stützt  sich  im  wesentlichen  auf  die  durch  das 
Unterrichtsministerium  im  Jahre  1886  veranlafsten  Erhebungen  über  die 
Verbreitung  der  Taubstummen  in  Dänemark.  Unter  einer  Bevölkerung 
von  1969039  Köpfen  fanden  sich  1225  Taubstumme,  d.  i.  0,637  %o, 
und  zwar  zeigte  sich  das  männliche  Geschlecht  häufiger  als  das  weibliche 
befallen,  nämlich  im  Verhältnis  100  :  94,9.  In  betreff  des  Alters 
ergab  sich,  dafs  relativ  ebensoviele  Individuen  in  der  taubstummen 
Bevölkerung  unter  15  und  zwischen  20 — 24  Jahren,  wie  in  der 
übrigen  Bevölkerung,  waren,  dagegen  eine  verhältnismässig  gröüsere 
Zahl  im  Alter  von  15 — 20  Jahren,  eine  geringere  in  der  höheren 
Altersklasse.  Die  relativ  ,.  grofse  Zahl  der  Taubstummen  im  Alter 
von  15 — 20  Jahren  ist  wahrscheinlich  auf  eine  in  den  Jahren 
1870 — 1875  herrschende  Epidemie  von  Genickstarre  (Meningitis 
cerebrospinalis)  zurückzuführen,  die  bekanntlich  häufig  zu  Taubheit 
und  dementsprechend  bei  Kindern  der  ersten  Lebensjahre  zu 
Taubstummheit  fährt.  Bezüglich  der  Verteilung  der  Taubstummen 
in  Städten  und  ländlichen  Bezirken  geht  aus  des  Verfassers  Er- 
hebungen hervor,  dafc  die  Taubstummenziffer  in  der  Hauptstadt  am  ge- 
ringsten, bei  weitem  am  gröfsten  in  den  ländlichen  Bezirken  ist. 
Weiterhin  scheint  eine  enge  Verbindung  zwischen  der  Taubstummheit 
nnd  der  Armut  der  Bezirke  zu  bestehen,  insofern  die  am  schwersten  mit 
Taubstummheit  belasteten  Gegenden  die  am  wenigsten  fruchtbaren 
nnd  am  dünnsten  bevölkerten  sind,  während  andererseits  die  meisten 
Bezirke  mit  einer  niedrigen  Taubstummenziffer  zu  den  reichsten 
nnd  dichtest  bevölkerten  gehören.  Die  grofse  Mehrzahl  der  dänischen 
Taubstummen  zählt  zu  der  ackerbautreibenden  Bevölkerung,  im 
übrigen  aber  zu  denjenigen  Gesellschaftsklassen,  welche  ökonomisch 
am  ungünstigsten  gestellt  sind.  Was  Erziehung  und  Unterricht  dieser 
nicht   Vollsinnigen    anbelangt,    so     ergab    sich,    dafs    von   den   im 


40 

unterrichtsfähigen  Alter  stehenden  Taubstummen  84,9%  unterrichtet 
wurden.  Es  machten  jedoch  nur  7,1%  derjenigen,  welche  die 
Taubstummenanstalten  verlassen  hatten,  ausschliesslich  von  der  münd- 
lichen Sprache  als  Verständigungsmittel  Gebrauch;  die  Mehrzahl 
bediente  sich  neben  der  Lautsprache  der  Geberden-  und  Finger- 
sprache, beziehungsweise  der  Geberdensprache  allein.  Heiraten  von 
Taubstummen  untereinander  sind  sehr  häufig  in  Dänemark. 
Bemerkenswert  dabei  ist,  dafs  nicht  ein  einziges  aus  einer  Ehe  Taub- 
stummer stammendes  Kind  selbst  taubstumm  war. 

Einflufs  der  Schulbäder  auf  die  Schüler.  Dem  seit  Ostern 
1889  in  Magdeburg  im  Betriebe  befindlichen  Schulbade  an  der 
Knabendoppelschule  ist  im  vorigen  Jahre  die  Errichtung  eines  zweiten 
Schulbades  gefolgt.  Der  Rektor  äußert  sich  über  dasselbe  in  einem 
Schulbericht  unter  anderem  wie  folgt:  „Trotz  der  unter  der  hiesigen 
Bevölkerung  herrschenden  Armut  ist  es  doch  durch  fortwährende 
Einwirkung  dahin  gebracht,  dafs  die  Schüler  möglichst  sauber  zur 
Schule  kommen.  Hierin  ist  durch  die  seit  Oktober  1890  mit  der 
Schule  verbundene  Badeeinrichtung  eine  wesentliche  Unterstützung 
eingetreten.  Die  zwölf  oberen  Klassen  baden  abwechselnd  mit  der 
Nachbarschule,  und  zwar  in  den  zweiten  und  dritten  Stunden  des 
Vormittagsunterrichts.  Für  jede  Klasse  ist  eine  Stunde  bestimmt 
und  jede  Klasse  in  vier  Abteilungen  geteilt.  Der  Unterricht  fällt 
nicht  aus,  wird  auch  nicht  wesentlich  dadurch  gestört.  Es  wird 
eine  Stunde  Kopfrechnen  dazu  verwandt.  Die  Kinder  nehmen  mit 
sichtlicher  Freude  am  Bade  teil,  kehren  stets  recht  frisch  in  ihre 
Klasse  zurück  und  beteiligen  sich  sofort  wieder  am  Unterricht. 
Die  Viertelstunde,  die  dem  einzelnen  Schüler  hierdurch  jede  zweite 
Woche  verloren  geht,  wird  vollständig  ersetzt  durch  den  günstigen 
Einflufs,  den  das  Baden  auf  die  Reinlichkeit  der  Schüler  ausübt. 
Nicht  nur  am  Körper  selbst,  sondern  auch  in  der  Leibwäsche  er- 
scheinen dieselben  jetzt  sauberer. tt 


äagesgefdji^tlt^cs. 


Verlegung  der  allrussischen  hygienischen  Ausstellung 

auf  das  Jahr  1894.  Wie  die  „St.  Petersb.  med.  Wochschr." 
erfährt,  hat  das  Bureau  der  allrussischen  hygienischen  Ausstellung  in 
seiner  letzten  unter  dem  Vorsitze  Dr.  A.  Ebermanns  abgehaltenen 
Sitzung  den  Beschlufs  gefafst,  die  Ausstellung  auf  das  Frühjahr  1894 
zu  verschieben.     Es    ist  dies  geschehen  wegen  der  Befürchtung  des 


41 

Wiederauftauchens   der  Cholera   im    Frühling    1893,    wodurch   die 
Ante  verhindert  sein  würden,  an  der  Ausstellung  teilzunehmen. 

Die  ärztliche  Schulinspektion  in  Frankreich,  welche  durch 
das  Gesetz  vom  30.  Oktober  1886  und  den  Erlafs  vom  18.  Januar 
1887  angeordnet  ist,  besteht  nach  „£i  Progr.  med."  mehr  auf  dem 
Papier,  als  in  Wirklichkeit.  Sie  wird  nur  in  einer  beschränkten 
Zahl  von  Departements  ausgeführt  und  ausschliefslich  durch  die 
initiative  der  Ortsbehörden.  Dem  Staat  ist  es  nicht  möglich,  der- 
artige Bestrebungen  zu  unterstützen,  da  es  ihm  an  Mitteln  für  den 
genannten  Zweck  fehlt.  Der  Minister  des  öffentlichen  Unterrichts 
L.  Bourgeois  hat  daher  im  letzten  Jahre  einen  Antrag  bei  der 
Budgetkommission  eingebracht,  dafs  die  nötigen  Gelder  für  die 
Inspektion  bereit  gestellt  werden,  und  dieser  Antrag  ist  im  Principe 
angenommen  worden.  Zugleich  hat  er  an  den  Minister  des  Innern 
die  Bitte  gerichtet,  den  Gesundheitsrat  zu  einem  Gutachten  in  der 
Sache  aufzufordern.  Von  dem  Berichterstatter  Dr.  H.  Napias1  ist 
infolge  dessen  darauf  hingewiesen  worden,  dafs  sich  der  Gesundheitsrat 
zu  verschiedenen  Malen  mit  schulhygienischen  Fragen  zu  beschäftigen 
hatte.  Insbesondere  haben  die  Herren  Broüardel  und  du  Mesnil  die 
Schliessung  der  Primärschulen  bei  Epidemien  für  eine  unzureichende 
Malsregel  erklärt,  solange  dieselbe  nicht  auch  auf  die  Privatschulen 
ausgedehnt  werde.  Denn  letztere  nehmen  ohne  Bedenken  die  aus 
den  öffentlichen  Schulen  entlassenen  Kinder  auf  und  begünstigen 
dadurch  die  Ansteckung  ihrer  eigenen  Schüler;  der  Ansteckungsherd 
wird  somit  nur  von  einer  Schule  in  die  andere  verlegt.  Der  Bericht 
des  Dr.  Napias  gibt  ferner  eine  Geschichte  der  ärztlichen  Schul- 
inspektion in  Frankreich  und  zeigt,  dafe  nicht  nur  die  Stadt  Paris 
im  Jahre  1834,  als  noch  von  einer  gesetzlichen  Verpflichtung  dazu 
keine  Rede  war,  in  einem  Teil  ihrer  Schulen  einen  ärztlichen 
Dienst  eingerichtet,  sondern  auch  der  Generalrat  der  Seine  diese 
Institution  auf  das  ganze  Departement  ausgedehnt  und  die  nötigen 
Mittel  dafür  bewilligt  hat.  Zugleich  wird  von  dem  Genannten 
erwähnt,  dafs  mehr  als  die  Hälfte  der  französischen  Departements 
noch  keine  Inspektion  der  Schulen  besitzen,  dafs  dieselbe  da,  wo  sie 
vorhanden,  nicht  immer  gehörig  funktioniert  und  dafe  die  Privat- 
schulen keine  derartige  Einrichtung  kennen.  Wenn,  so  resümiert 
Dr.  Napias,  die  Gesetze  vom  28.  März  1882  und  vom  20.  März 
1883  für  den  Primärunterricht  den  Schulzwang  vorschreiben,  so 
schliefet  dies  für  den  Staat  die  Verpflichtung  ein,  für  gesunde 
Schulgebäude,  unschädliches  Wasser  und  Verhütung  von  Ansteckung  der 
Schüler  zu  sorgen,  letzteres  um  so  mehr,  als  das  kindliche  Alter  dafür 


1  Unser  Mitarbeiter.    D.  Red. 


42 

besonders  empfänglich  ist.  Die  Ärzte  müssen  daher  das  Recht  und 
die  Verpflichtung  erhalten,  die  Unterrichtslokale  in  hygienischer 
Beziehung  zu  untersuchen.  Insofern  es  sich  um  den  Bau,  die 
Kanalisation,  die  Lüftung  und  Beleuchtung  handelt,  sind  zahlreiche 
Visitationen  nicht  nötig.  Im  Durchschnitt  würden  zwei  im  Jahre 
genügen,  und  wenn  man  beim  Ausbruch  einer  Epidemie  zwei  weitere 
Besuche  als  ausreichend  ansieht,  so  dürfte  daraus  ein  Kostenaufwand 
von  1200000  Franken  jährlich  erwachsen.  Der  Gesundheitsrat  hat 
zu  gleicher  Zeit  den  Wunsch  ausgesprochen,  dafs  ein  Kredit  von 
500000  Franken  eröffnet  werde,  um  die  ärztliche  Schulinspektion 
da,  wo  sie  noch  nicht  existiert,  einzuführen;  dieser  Kredit  sei  der 
Sanitätsverwaltung  im  Ministerium  des  Innern  zur  Disposition  zu 
stellen.  Das  Unterrichtsministerium  verfugt  nicht  über  das  nötige 
Personal  für  die  Untersuchung  der  Schulen,  während  dem  Minister 
des  Innern  Armenärzte,  Impfärzte,  Gesundheitsbeamte  u.  drgl.  unter- 
stellt, sind.  Die  Forderung  des  Berichterstatters  ging  daher  dahin, 
dafs  den  Schulärzten  die  Pläne  für  Neubauten,  Umbauten  und  die 
innere  Einrichtung  von  Schulen  vorgelegt  werden,  mit  dem  gröfsten 
Nachdruck  aber  trat  derselbe  gegen  die  Unterbringung  von  Primar- 
schulen in  Hospitälern  auf,  welche  noch  öfter  in  den  Provinzen 
vorkomme;  das  heifse  nichts  anderes,  als  die  Kinder  direkt  der 
Ansteckung  aussetzen.  Was  endlich  die  Entlassung  der  Schüler  und 
den  Schulschlufs  bei  Epidemien  betrifft,  so  ist  Dr.  Napias  mit  den 
Herren  Du  Mbsnil  und  Brouardel  der  Ansicht,  dafs  bei  den 
heutigen  Hilfsmitteln  der  Desinfektion  die  Entlassung  zu  unterbleiben 
habe,  da  sie,  statt  die  Ansteckung  zu  verhindern,  dieselbe  vielmehr 
verbreiten  würde.  Das  Verbot  des  Schulbesuchs  kann  auf  die 
kranken  Kinder,  ihre  Brüder  und  Schwestern  und  in  gewissen 
Fällen  auf  die  Schüler,  welche  dasselbe  Haus  bewohnen,  beschränkt 
werden.  Der  Schulschlufs  dagegen  sollte  nur  ausnahmsweise  und  auf 
Grund  eines  motivierten  Gutachtens  des  ärztlichen  Schulinspektors 
stattfinden. 

Untersuchung  Schwachbegabter  Kinder  in  Altona.  Unser 
geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Dr.  Franz  Pludbr,  Specialarzt 
für  Ohren-,  Nasen-  und  Halskrankheiten  in  Hamburg,  wird  diejenigen 
Schüler  und  Schülerinnen  Altonas,  welche  zur  Aufnahme  in  die 
dortige  Hilfsklasse  für  Schwachbegabte  bestimmt  sind,  einer  genauen 
ärztlichen  Prüfung  unterziehen.  Bei  derselben  handelt  es  sich  vor 
allem  um  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  etwa  bei  einzelnen  dieser 
Kinder  eine  mehr  oder  minder  starke  Verlegung  der  oberen  Luft- 
wege, insbesondere  durch  adenoide  Wucherungen  im  Nasenrachen- 
räume, besteht.  Die  Folge  davon  sind  bekanntlich  anhaltender 
Kopfdruck,    Gedächtnis-    und   Geistesschwäche,    weiche    durch  Ent- 


43 

fernnng  jener  Wacherangen  beseitigt  werden  können.  Über  die 
Resultate  seiner  Untersuchungen  wird  Dr.  Pluder  in  einer  wissen- 
schaftlichen Zeitschrift  demnächst  berichten. 

Tödliche  Verletzung   eines    englischen    Schülers   beim 

Fofsballspiel.  Ein  außerordentlich  gesunder,  16  Jahre  alter  Zögling 
spielte  vor  einiger  Zeit  in  Haileybury  College  mit  seinen  Genossen 
Fmsball.  Dabei  wurde  er  von  einem  derselben  angerannt  und  fiel 
zu  Boden.  Einige  Minuten  lang  klagte  er  über  heftigen  Schmerz 
in  der  Magengegend,  bevor  jedoch  der  als  Zuschauer  anwesende 
Schularzt  ihm  zu  Hilfe  kommen  konnte,  nahm  er  bereits  wieder  am 
Spiele  teil.  Zwei  Tage  darauf  aber  erwachte  er  mit  starkem  Er- 
brechen in  der  Nacht,  und  auch  die  früheren  Schmerzen  stellten  sich 
wieder  ein.  Eine  subkutane  Morphiuminjektion  bewirkte  nur 
vorübergehende  Besserung,  und  48  Stunden  später  trat  der  Tod 
«in,  nachdem  die  Ärzte  noch  durch  eine  Operation  den  Kranken  zu 
retten  versucht  hatten.  Bei  der  Leichenöffnung  fand  sich  an  der 
rechten  Seite  der  Wirbelsäule  ein  starker  Blutergufs  hinter  dem 
Bauchfell.  Wir  fügen  dem  hinzu,  dafs  nach  „Med.  Ree."  im 
Jahre  1891—1892  in  England  überhaupt  11  Todesfalle  und  70 
Terletzungen  beim  Fofsballspiel  vorgekommen  sind. 

Ansteckende  Augenentzündung  im  Mädchenwaisenhanse 

n  Jndenan.  In  dem  k.  k.  Mädchenwaisenhause  zu  Judenau  wurde 
nach  der  „Wien.  JcUn.  Wochschr"  vor  einiger  Zeit  eine  nicht 
trachomatöse,  jedoch  infektiöse  Bindehautentzündung  beobachtet, 
welche  rasch  nahezu  sämtliche  Zöglinge  befiel.  Mit  Rücksicht  hierauf 
unterliegt  nun  jeder  dort  vorkommende  Fall  von  follikulärer  Binde- 
hautentzündung, wie  die  sonstigen  ansteckenden  Erkrankungen,  der 
Anzeigepflicht. 

Verhaltungsmafsregeln  gegen  die  Ausbreitung  der  Lungen- 
schwindsucht in  Schulen.  Die  Gesundheitskommission  von 
Christiania  hat  „Yerhaltungsmafsregeln,  welche  zur  Ver- 
hinderung der  Ausbreitung  der  Lungenschwindsucht  be- 
achtet werden  sollen",  aufgestellt  und  den  Schulverwaltungen 
zur  Kenntnisnahme  und  Nachachtung  mitgeteilt.  „Man  nimmt  an,a 
so  heilst  es  dort,  „dafs  diese  Krankheit  durch  den  Auswurf  der 
Patienten  fortgepflanzt  werden  kann.  Es  ist  daher  dafür  Sorge  zu 
tragen,  dafe  derselbe  nicht  Fußböden  oder  Wände  verunreinige  oder 
in  den  Wohnräumen  Verbreitung  finde,  sondern  in  Gefäfsen  von 
Steingut  oder  Glas,  oder  in  Spucknäpfen  von  Porzellan  gesammelt  werde, 
in  welchen  am  besten  etwas  fünfprozentige  Karbolsäurelösung  sich  be- 
findet, und  welche  mindestens  einmal  täglich  ausgeleert  und  gereinigt 
Verden  müssen.  Sind  Wände,  Fufsböden  oder  andere  Gegenstände 
beschmutzt  worden,  so  ist  eine  sorgfaltige  Abwaschung  derselben  vor- 


44 

zunehmen.  Ebenso  soll  überall,  wo  sich  viele  Menschen  versammeln, 
wie  in  Schulen,  Theatern  n.  s.  w.,  die  strengste  Reinlichkeit  herrschen. 
Wenn  diese  Vorsichtsmafsregeln  beobachtet  werden,  wird  keine 
wesentliche  Gefahr  ans  dem  Umgang  und  Zusammenarbeiten  mit 
Schwindsüchtigen  erwachsen. u 

M.  K.  HAkonbon-Hansen. 

Eine  Hnngertnrnfahrt  tob  Leipziger  Schülern.  Sekundaner 
der  Thomasschule,  so  berichtet  die  „Zeitschr.  f.  Tum-  u.  Jgdspl*, 
unternahmen  im  vorigen  Jahre  unter  Leitung  ihres  Klassen- 
lehrers eine  Art  Hungerturnfahrt.  Sie  enthielten  sich  nämlich 
während  eines  strammen  Marsches  von  früh  6  Uhr  bis  nachmittags 
5  Uhr,  wobei  nur  l8/«  Stunde  gerastet  wurde,  jeglicher  Aufnahme 
von  Speise  und  Trank,  mit  Ausnahme  von  zwei  jüngeren  Schülern, 
welche  einmal  etwas  Wasser  genossen.  —  Wenn  wir  auch  nicht  be- 
zweifeln, dafs  der  betreffende  Klassenlehrer  bei  der  von  ihm  ge- 
leiteten Turnfahrt  die  beste  Absicht  gehabt  hat,  so  müssen  wir  doch 
gegen  einen  9  V*  stündigen  Marsch  15 — 17  jähriger  Schüler,  und 
noch  dazu  ohne  Speise  und  Trank,  entschieden  protestieren.  Fuß- 
wanderungen nach  Art  der  „Distanzritte"  gehören  nicht  in  die 
Schule,  auch  dann  nicht,  wenn  sie,  wie  es  am  Schlüsse  heilst,  allen 
gut  bekommen  sind. 

Das  Seehospiz  „Kaiserin  Friedrich"  zu  Norderney,  über 
welches  wir  schon  öfter  berichtet  haben,1  bleibt  den  ganzen  Winter 
hindurch  geöffnet;  es  bietet  6ich  daher  den  Eltern,  deren  Kinder 
infolge  der  durch  die  Cholera  veranlafsten  Betriebsstörung  nicht  auf- 
genommen werden  konnten,  Gelegenheit,  sie  nachträglich  wieder  an- 
zumelden. Die  Anmeldung  kann  bei  der  Direktion  in  Norderney 
erfolgen. 

Gemeinnütziger  Verein  zur  Bekleidung  armer  Kinder 

in  Wien,  Der  Zweck  dieses  im  Jahre  1882  gegründeten  Vereins 
besteht  darin,  alljährlich  eine  bestimmte  Anzahl  armer  Kinder  ohne 
Unterschied  der  Konfession  mit  Kleidern,  Schuhen  und  Wäsche  zu 
versehen,  sowie  einzelne  Kinder  vollständig  zu  erhalten.  Die  Mittel 
desselben  setzen  sich  aus  freiwilligen  Jahresbeiträgen  und  aus  Schen- 
kungen zusammen.  Der  Verein  besteht  aus  ordentlichen  Mitgliedern 
mit  regelmäfsigen  Jahresbeiträgen,  deren  geringster  einen  Gulden  beträgt, 
und  aus  Ehrenmitgliedern.  Er  erneuert  sich  durch  freiwilligen 
Beitritt.  Im  neunten  Vereinsjahre  wurden  1517  Jü  eingenommen 
und  1197  M.  verausgabt. 


1  Vgl.  diese  Zeitschrift,    1888,   Nr.  12,    S.  493;   1889,   Nr.  12,    S. 
669—670;  1892,  Nr.  8  und  9,  S.  394—395. 


45 
Bau  und  Einrichtung  einer  neuen  Elementarschule  in 

Ben  werden  Ton  unserem  geschätzten  Mitarbeiter,  Herrn  Professor 
Dr.  B.  Blasius,  in  dem  „Montsbl  f.  öfftl  Gsähtspflg."  folgender- 
maßen beschrieben:  In  der  Nähe  des  Kolosseums  ist  eine  neue 
Elementarschule  erbaut,  welche  für  1200  Knaben  und  Mädchen 
Baum  bietet.  Die  Schule  ist  zweistöckig,  und  zwar  sind  die  unteren 
Räume  für  die  kleineren,  die  oberen  für  die  gröfseren  Kinder 
bestimmt.  Man  hat  auch  hier  Luftheizung.  Die  Fenster  sind  recht 
grofs,  doch  besitzen  die  Wände  der  Schulzimmer  nach  unseren 
Begriffen  eine  zu  dunkele  Farbe.  Jede  Klasse  ist  nur  für  40 
Kinder  bestimmt.  Die  Schulbänke  sind  in  vier  Abstufungen  vorhanden, 
zweisitzig,  mit  geneigtem  Tisch,  bequemen  Sitzen,  guten  Rücken- 
lehnen und  haben  Nulldistanz.  Mützen  u.  s.  w.  werden  im  Vorraum 
abgelegt.  Es  sind  zwei  Treppen  vorhanden,  die  eine  zum  Hinauf-,  die 
andere  zum  Hinabgehen/,  dieselben  haben  so  breite  Stufen,  dafs 
man  zwei  Schritte  für  jede  Stufe  nehmen  mufe.  In  dem  Schul- 
gebände  befinden  sich,  wie  bei  uns,  Bäder  und  Duschen.  Schulgeld 
wird  nicht  gezahlt.  Nahe  bei  der  Schule  habe  ich  —  eine  Seltenheit 
io  Italien  —  auch  eine  Turnhalle  gefunden.  Um  einen  solchen 
Tarnraum  sind  die  Turner  zu  beneiden;  er  ist  nämlich  ähnlich 
konstruiert,  wie  im  Braunschweigischen  die  Scheunen  auf  dem 
Lande,  d.  h.  an  den  Seiten  offen;  die  Übungen  finden  also 
eigentlich  im  Freien  statt. 

Das  Trinkwasser  des  Lyceums  in  Alen^on.    Die  Stadt 

Afescon  hat  sich  kürzlich  mit  einer  Quellwasserleitung  versehen. 
Während  sämtliche  Häuser  an  dieselbe  angeschlossen  sind,  bildet 
mr  das  Lyceum  eine  Ausnahme  hiervon.  Der  Generalrat  hat  daher 
auf  Anlafe  des  Dr.  G.  Boutkillieb  bei  dem  Minister  des  öffent- 
lichen Unterrichts  beantragt,  dafe  auch  die  Zöglinge  des  Lyceums 
der  genannten  Wohlthat  teilhaftig  werden.  Die  Sache  ist  dringend. 
,Im  Jahre  1859,"  so  schreibt  ein  Mitarbeiter  des  „Progr.  m£d.a, 
«als  ich  Schüler  jener  Anstalt  war,  brach  eine  heftige  Typhus- 
epidemie aus,  da  man  uns  trotz  wiederholter  Proteste  infiziertes 
Wasser  zu  trinken  gab;  einige  20  Todesfälle  waren  die  Folge 
davon.  Hoffentlich  bedarf  es  nur  des  Hinweises  auf  diese  That- 
sache,  um  den  Herrn  Minister  zu  den  nötigen  Mafsnahmen  zu 
bewegen." 

Eine  neue  Schulbank.  Die  bisherigen  Schulbankkonstruktionen, 
»  schreibt  Dr.  Ammann  in  den  „Südweatdtsch.  Schtdbl",  bei  denen 
die  Tische  aufgeklappt  oder  die  Sitze  zurückgeschlagen  werden, 
haben  drei  grofee  Nachteile:  sie  sind  kompliziert,  machen  viel  Ge- 
ttosch  und  sind  teuer.  Die  Möbelfabrik  Ramminoeu  &  Sthtter 
in  Taaberbischofsheim  bringt  jetzt  eine  neue  patentierte  Schulbank 


46 

in  den  Handel,  welche  die  froheren  Mängel  mit  Glück  vermeidet.  Der 
Sitz  besteht  ans  zwei  Teilen,  welche  anf  einer  Feder  ruhen.  Steht  der 
Schüler,  so  klappt  der  Sitz  selbstthfttig  in  die  Höhe  und  ermöglicht 
ein  bequemes  Stehen.  Beim  Niedersetzen  nimmt  der  Sitz  durch  das 
Gewicht  des  Sitzenden  wieder  die  horizontale  Lage  an.  Die  Kon- 
struktion erscheint  überraschend  einfach,  die  Bank  macht  kein 
Geräusch,  ist  dauerhaft  und  billig,  kurz  sie  bietet  alles,  was  man« 
von  einer  verständig  hergestellten  Schulbank  verlangen  kann. 


^Inttli^e  tterfftgttngett. 


Erlafs  des  Königlich  preußischen  Unterrichtsministers, 
betreffend  die  Benutzung  unsicherer  Turngeräte  durch  Schaler» 

Berlin,  den  9.  September  1892. 

Bei  Gelegenheit  eines  Schülerausfluges  ist  ein  beklagenswertei 
Unglücksfall,  der  den  Tod  eines  Schülers  zur  Folge  hatte,  dadurch 
herbeigeführt  worden,  dafe  dieser  an  dem  in  einem  öffentlichen 
Garten  aufgestellten  Reck  auf  eigene  Hand  eine  Übung  vornahm, 
wie  sie  nur  an  ganz  sicheren  und  ordnungsmäfsig  angelegten  Geräten 
ohne  Gefahr  ausführbar  sind. 

Um  ähnlichen  Vorkommnissen  thunlichst  vorzubeugen,  veranlasse 
ich  die  Schulaufsichtsbehörden,  in  geeigneter  Weise  dahin  zu  wirken, 
dafis  den  Schülern,  besonders  bei  Ausflügen,  bei  der  Benutzung  von 
Turngeräten,  auf  deren  Sicherheit  nicht  unbedingter  Yerlafs  ist,  die 
gebotene  Vorsicht  dringend  empfohlen,  die  Vornahme  von  Übungen 
aber,  die  nach  der  Beschaffenheit  solcher  Geräte  gefährlich  werden 
könnten,  überhaupt  verboten  werde. 

Der  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten. 

(Gez.)  Bosse. 

Gutachten  der  Königlichen  wissenschaftlichen  Deputation  für 
das  Medizinalwesen  in  Prenfsen  über  die  Füllung 

der  Schulspucknäpfe. 

Berlin,  den  4.  März  1892. 
Das  Aktenstück  enthält  die  Begründung  der  Annahme,  dafe  die 
von  der  wissenschaftlichen  Deputation  empfohlene  Füllung  der  Spuck- 
näpfe mit  Wasser,  welche  einen  Teil  der  Schutzmafsregeln  gegen 
die  Verbreitung  der  Tuberkulose  bilden  soll,  zahlreiche  Unzuträglich- 
keiten mit  sich  bringe.     Solche  Übelstände  sind: 


1.  Im  Sommer  Verdunsten  des  Wassers  und  Austrocknen  des- 
Auswurfes. 

2.  Im  Winter  Gefrieren  des  Wassers  und  Zugrundegehen  der 
Spucknäpfe. 

3.  Verschütten  des  Inhaltes  heim  Anstofsen  und  namentlich 
heim  Umstolsen  der  Spucknäpfe. 

4.  Genufs  des  Inhalts  der  Spucknäpfe  durch  Katzen,  Hunde 
und  Hühner. 

Füllung  der  Spucknäpfe  mit  angefeuchteten  Sägespänen  hat  diese 
Nachteile  nicht  und  letztere  können  leicht  durch  Verbrennen  zerstört 
werden. 

Gutachten:  Die  thatsächliche  Berechtigung  dieser  sämtlichen 
Einwände  gegen  die  Füllung  der  Spucknäpfe  mit  Wasser  mufs  voll- 
kommen zugestanden  werden.  Die  einzelnen  gerügten  Unzuträglich- 
keiten könnten  wohl  in  verschiedener  Weise  abgestellt  werden.  Es 
ist  von  vornherein  kaum  anzunehmen,  daCs  durch  ein  und  dasselbe 
Mittel  das  Gefrieren  und  das  Umgesto£senwerden  der  Spucknäpfe 
verhütet  werden  könnte.  Somit  wird  eine  Betrachtung  der  einzelnen 
Unzuträglichkeiten  und  das  Mittel  zu  ihrer  Verhütung  am  Platze  sein : 

1.  Das  Austrocknen  im  Sommer  würde  verhütet  werden  können 
durch  häufiges  Ausleeren  und  Wiederanfüllen  der  Gefäfse 
oder  durch  Verwendung  tieferer,  suppenschüsselähnlicher 
Gefäfee 1  (wie  solche  z.  B,  in  Obersalzbrunn  in  den  Anlagen 
aufgestellt  sind)  oder  durch  Zusatz  von  etwa  5%  Chlor- 
calcium  zum  Wasser. 

2.  Das  Gefrieren  im  Winter  läfst  sich  zum  Teil  durch  die  Wahl 
passender  Orte  für  die  Aufstellung,  femer  gleichfalls  durch 
Zusatz  von  Ghlorcalcium  oder  von  Kochsalz  zu  dem  Wasser 
verhüten. 

3.  Das  Anstofeen  und  Umstofsen  der  Gefäfse,  namentlich  in 
Schulen,  wird  zu  verhindern  sein  dadurch,  dafs  man  sie  an 
geschützten  Stellen,  in  Fensternischen,  in  Ecken  anbringt 
oder  mit  zwei  drehbaren  Klammern  oder  einer  ähnlichen 
Vorrichtung  am  Boden  befestigt. 

4.  Um  Haustiere  von  den  Spucknäpfen  abzuhalten,  würde  ein 
übelschmeckender  Zusatz  geeignet  sein,  so  wiederum  Chlor - 
calcium  oder  (wie  in  Obersalzbrunn)  Kreolin,  dies  natürlich 
nur  dort,  wo  dieser  Funkt  wirklich  in  Frage  kommt. 

Ersatz    des  Wassers    durch   befeuchtete  Sägespäne,    wie   er  in 
dem  vorliegenden  Schriftstücke  vorgeschlagen  wird,  würde  sich  wahr- 


1  Vgl.  diese  Zeitschrift,  1892,  No.  8  und  9,  S.  386-387  und  No.  3, 
S.  130.    D.  Eed. 


48 

scheinlich  des  Beifalls  vieler  Beteiligter  erfreuen,  da  er  weit  bequemer 
zu  handhaben  wäre. 

Er  würde  jedoch  nur  teilweise  die  gerügten  Übelstände  beseitigen 
und  voraussichtlich  andere  zur  Folge  haben. 

Das  Austrocknen  der  Fallung  der  Spucknäpfe  im  S#mmer 
würde  noch  viel  leichter  erfolgen,  da  die  Verdunstungsfläche  um  ein 
Vielfaches  gröfser  wäre.  Man  würde  im  Hochsommer  und  in  heißen 
Zimmern  meistens  Spucknäpfen  mit  einer  Trockenfüllung  begegnen, 
welche  die  Zerstäubung  des  Auswurfes  besonders  begünstigte. 

Das  Gefrieren  im  Winter  würde  sich  natürlich  an  feuchten 
Sägespänen  gleichfalls  vollziehen  und  würde,  wenn  die  Anfeuchtung 
genügend  reichlich  wäre,  ebenfalls  die  GefiUse  schädigen,  ganz 
besonders  aber  die  Erneuerung  der  Füllung  mehr  erschweren,  als 
gefrorenes  Wasser. 

Die  Nachteile  des  Anstofsens  würden  zwar  vermieden,  die  des 
Umstofsens  jedoch  fortbestehen. 

Katzen,  Hunde  und  Hühner  würden  allerdings  dabei  nicht  in 
Versuchung  kommen,  sich  an  den  Spucknäpfen  zu  schaffen  zu  machen. 

Dagegen  wäre  zu  fürchten,  dafs  viele  Leute  die  Sägespäne 
weit  lieber  in  trockenem  als  in  wirklich  nassem  Zustande  verbrennen 
würden,  und  dadurch  würde  der  Nutzen  der  ganzen  Itfafsregel  wieder 
in  Frage  gestellt  werden. 

Wir  würden  demnach  in  Verwertung  der  gegebenen  Anregung 
nur  empfehlen  können,  dafs  späteren  Vervielfältigungen  des  Gut- 
achtens der  wissenschaftlichen  Deputation  vom  5.  November  1890 l 
am  Schlüsse  des  Absatzes  II,  1  beigefügt  werde: 

Wo  nötig,  kann  dem  Austrocknen,    Gefrieren,   Verschütten  des 
Inhaltes  der  Gefäise,  dem  Trinken  von  Haustieren  daraus  vorgebeugt 
werden  durch  Zusatz  von  Chlorcalcium  oder  Kochsalz   zum  Wasser, 
durch  besondere  Befestigung  oder  Form  der  Geftfee. 
Königliche  wissenschaftliche  Deputation  für  das  Medizinalwesen. 

Amtlicher  Fragebogen  zur  Ermittelung  der  körperlichen 
und  geistigen  Eigenschaften  der  Schuljugend  in  Uruguay. 

1.  Fortlaufende  Nummer. 

2.  Vor-  und  Zuname  des  Schulkindes. 

3.  Alter. 

4.  Geschlecht. 

5.  Nationalität. 

6.  Ist  es  geimpft? 

7.  In  welcher  Klasse  sitzt  es? 


1  Vgl.  diese  Zeitschrift,  1891,  No.  2,  S.  134—135.    D.  Bed. 


49 


8.  Stand  des  Vaters. 

9.  Nationalität  desselben. 

10.  Körperlange  des  Kindes  in  Millimetern. 

11.  Länge  des  Unterschenkels  von  der  Fu&sohle  bis  zum  Knie- 
gelenk, hinten  gemessen. 

12.  Länge  des  Oberschenkels. 

13.  Länge  des  Oberarms. 

14.  Länge  des  Vorderarms. 

15.  Entfernung  des  Sitzknorrens  vom  Ellenbogen  bei  senkrechter 
Haltung  des  Arms. 

16.  Farbe  der  Gesichtshaut. 

a.  weiis. 

b.  schwarzbraun  oder  gelb. 

c.  bronzefarbig. 

d.  schwarz. 

17.  Farbe  der  Augen. 

a.  kastanienbraun. 
a.  hell. 

ß.  dunkel. 

b.  grau. 

a.  hell. 
ß.  dunkel. 

c.  grün 

er.  hell. 
ß.  dunkel. 

d.  blau. 

a.  hell. 
ß.  dunkel. 

18.  Haare. 

a.  Farbe. 

a.  tiefschwarz. 
ß.  kastanienbraun. 
y.   blond. 
8,  rot. 

b.  sonstige  Beschaffenheit. 

a.  aufrecht  stehend  oder  glatt? 
ß.  wellig  oder  lockig? 
y.   kraus. 
d.  wollartig. 

19.  Ist  das  Kind  kurzsichtig? 

20.  Hört  es  schwer? 

21.  Macht  ihm  das  Sprechen  Schwierigkeit? 

22.  Ist  es  yon  schwacher  Körperbeschaffenheit 

8«holf*siuidhelUpfl6g«  VI.  4 


50 

23.  Geistige  Fähigkeiten. 

a.  spät  entwickelt. 

b.  frühreif. 

c.  gewöhnlich. 

24.  Ist  es  idiotisch? 

25.  Gefühl  nnd  Erregbarkeit  (Liebe,  Pietät,  Freigebigkeit,  Hafs, 
Egoismus,  Rachsucht). 

26.  Temperament  (sanguinisch,  melancholisch,  nervös). 

27.  Betragen  in  der  Schule. 

a.  in  der  Klasse  (ernst  oder  kindisch,  lebhaft  oder  furchtsam?) 

b.  gegen  die  Kameraden  in  den  Erholungspausen  (beschränkt 
oder  listig,  aufrichtig  oder  falsch,  beständig  oder 
wankelmütig,  versöhnlich  oder  unverträglich?) 

28.  Besondere  Neigungen. 

29.  Kunstfertigkeiten. 

a.  Zeichnen. 

b.  Singen. 

30.  Excentrici täten. 

31.  Sonstige  Eigentümlichkeiten. 

Beschlüsse  des  Bezirksschulrats  der  Stadt  Wien   bezüglich 
der  Aborte    und   der   Befriedigung  natürlicher  Bedürfnisse 

der  Schulkinder. 

Wien,  den  15.  Jänner  1892. 
Der  Bezirksschulrat  hat  in  seiner  Vollversammlung  vom  13.  d.  M. 
anläfslich  einer  Anfrage  des  Wiener  Magistrates  folgende  Beschlüsse 
gefafst: 

1.  Klagen  und  Wahrnehmungen  über  die  Unzulänglichkeit  der 
Aborte  und  Pissoirs  in  den  bestehenden  Schulen  sind  von  Fall 
zu  Fall  zu  prüfen  und  zu  erledigen. 

2.  Bei  der  Prüfung  der  Projekte  für  neue  Schulen  durch  die 
IL  Fachsektion  des  Bezirksschulrates  (Geschäftsordnung  §  16  q)  ist 
auf  eine  hinreichende  Zahl  undGröfse,  sowie  auf  eine  entsprechende  Ein- 
richtung der  Aborte,  insbesondere  an  Mädchenschulen,  und  der  Pissoirs 
an  Knabenschulen,  sowie  auf  den  Umstand,  dafis  die  Aborte  für  die 
Lehrer  besonders  zugänglich  und  vollkommen  getrennt  von  den 
Schüleraborten  hergestellt  werden,  ein  besonderes  Augenmerk  zu 
richten,  und  sind  zweckdienliche  Anträge  an  den  Magistrat  zu 
stellen. 

3.  Sämtliche  Schulleitungen  werden  beauftragt,  den  Lehrpersonen 
entsprechende  Weisungen  dahingehend  zu  erteilen,  dafs  den  Kindern 
die  Gelegenheit  geboten  wird,  rechtzeitig,  daher  erforderlichen 
Falles    auch    nach    Schlufs    des   Unterrichtes    ihre    natürlichen 


51 

Bedürfhisse  im  Schalhanse  seihst  zu  befriedigen,  überhaupt  sich 
genau  nach  den  Bestimmungen  des  §  30  des  Ministerialerlasses 
Tom  9.  Juni  1873,  Z.  4816,  über  die  Einrichtung  der  Schulhäuser 
and  die  Gesundheitspflege  in  den  Schulen  zu  benehmen,  welcher 
tontet:  „In  der  Regel  soll  den  Schülern  nicht  versagt  werden, 
während  des  Unterrichtes  zur  Befriedigung  natürlicher  Bedürfnisse 
abzutreten,  der  Lehrer  hat  aber  die  Schüler  mit  Vorsicht  daran  zu 
gewöhnen,  dafe  sie  für  diesen  Zweck  die  Unterrichtspausen  benutzen. 
Es  ist  nicht  zu  dulden,  dafs  die  Schüler  zu  lange  in  den  Aborten 
verweilen,  auch  sollen  in  der  Regel  nie  mehrere  Schüler  zugleich 
während  des  Unterrichtes  abtreten  dürfen. u 

Hiervon    wird    die   Schulleitung   zur  Wissenschaft   und  Durch- 
führung des  Punktes  3  verständigt. 


Personalien. 


Geheimrat  Professor  Rudolf  Virchow  wurde  von  der  Kaiserlich 
rassischen  Naturforschergesellschaft  in  St.  Petersburg  und  von  dem 
ärztlichen  Verein  in  München  zum  Ehrenmitgliede  gewählt;  die 
„Royal  Societya  in  London  verlieh  ihm  die  diesjährige  „Copley- 
medaffle". 

Das  Professorenkollegium  der  medizinischen  Fakultät  in  Budapest 
hat  dem  vor  kurzem  in  den  Ruhestand  getretenen  Ministerialrat 
Dr.  Ludwig  Marxüsovsky,  der  mehr  als  zwei  Decennien  hindurch 
als  Referent  für  medizinische  Angelegenheiten  fungierte  und 
auch  für  Schulhygiene  ein  reges  Interesse  besafs,  in  Anerkennung 
seiner  in  dieser  Eigenschaft  erworbenen  Verdienste  das  Diplom  eines 
Ehrenmitgliedes  überreicht. 

Der  Professor  der  Hygiene  Dr.  Max  Gruber  in  Wien  ist  von 
dem  ärztlichen  Verein  München  in  dessen  diesjähriger  General* 
fersammlung  zum  korrespondierenden  Mitgliede  ernannt  worden. 

Die  Königlich  belgische  Akademie  der  Medizin  hat  den  bekannten 
Hygieniker  Dr.  Janssens  in  Brüssel  zum  ersten  Vicepräsidenten  für 
das  Jahr  1893  gewählt. 

Es  wurden  befördert:  der  Inspektor  des  Realgymnasiums  der 
FaiNKBschen  Stiftungen  zu  Halle  a.  S.,  Professor  Dr.  Kramer, 
zum  Provinzialschulrat  bei  dem  Provinzialschulkollegium  in  Magde- 
burg, der  Gymnasialdirektor,  Professor  Dr.  Konstantin  Bulle  in 
Bremen,  zum  Schulrat  und  Leiter  des  höheren  Schulwesens  daselbst, 


52 

der  Kreisschulinspektor,  Schalrat  Dr.  Butzky  in  Breslau,  zum 
Regierungs-  und  Schulrat  in  Schleswig. 

Dem  Wirklichen  Staatsrat  Dr.  Rohbusch,  Ehrenmitgliede  des 
St.  Petersburger  Konseils  der  Kinderasyle,  ist  das  Direktorat  des 
Alexander-Newski-Kinderasyls  in  St.  Petersburg  übertragen  worden. 

Zum  Yicepr&sidenten  der  russischen  Gesellschaft  zur  Wahrung 
der  Volksgesundheit  wurde  an  Stelle  des  verstorbenen  W.  M. 
Karlowitsch  der  Architekt  Graf  P.  Suzor  in  St.  Petersburg 
gewählt. 

Dr.  de  Rechter,  Hilfsarbeiter  beim  Gesundheitsamte  in 
Brüssel,  ist  mit  den  bakteriologischen  Untersuchungen  des  dortigen 
städtischen  Laboratoriums  betraut  worden. 

Unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Professor  Dr.  L.  ton 
Schrötter  in  Wien,  hat  den  Neubau  seiner  Klinik  feierlich 
eröffnet. 

Detn  Gründer  des  Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege  in 
Nürnberg,  Medizinalrat  Dr.  G.  Merkel,  wurde  die  Freude  zu  teil, 
am  10.  November  das  Fest  des  fünfundzwanzigjährigen  Bestehens 
des  Vereins  zu  begehen. 

Unser  verehrter  Mitarbeiter,  Herr  Professor  der  Pädagogik 
Staatsrat  Dr.  Ludwig  Strümpell  in  Leipzig,  feierte  am  23.  Juli  v.  J. 
in  voller  körperlicher  und  geistiger  Frische  seinen  achtzigsten 
Geburtstag.  Wir  bringen  ihm  noch  nachträglich  unsere  aufrichtigen 
Glückwünsche  dar. 

Der  Geheime  Obermedizinalrat  und  vortragende  Rat  im 
preußischen  Kultusministerium  Dr.  Louis  Kersandt,  welcher  vor 
einem  halben  Jahre  seinen  Abschied  genommen  hatte,  ist  am 
2.  November  v.  J.  in  Frankfurt  a.  0.  gestorben.  Zahlreiche  von 
dem  genannten  Ministerium  erlassene  hygienische  Verfügungen  sind 
auf  ihn  als  gründlichen  Kenner  der  Gesundheitspflege  zurückzuführen. 
Der  Verstorbene  war  auch  Mitglied  der  wissenschaftlichen  Deputation 
für  das  Medizinalwesen. 

Aus  Brüssel  kommt  die  Nachricht  von  dem  Ableben  des 
Professors  der  Kinderheilkunde  an  der  dortigen  Universität  Dr. 
Isidor  Henriette. 

Am  9.  Oktober  verschied  in  Sinferopol  der  Arzt  des  weiblichen 
Gymnasiums  Dr.  Adolf  Trachtenberg. 


53 


liiteratitr. 


Besprechungen. 

E.  von  SchbnckBNDORFF,  Mitglied  des  Hauses  der  Abgeordneten, 
und  Dr.  med.  F.  A.  Schmidt,  Mitglied  des  Ausschusses  der  deut- 
schen Turnerschaft.  Über  Jugend-  und  Volksspiele.  Allgemein 
unterrichtende  Mitteilungen  des  Gentralausschusses  zur  Förderung 
der  Jugend-  und  Volksspiele  in  Deutschland,  herausgegeben  in 
dessen  Auftrage.  Jahrgang  1892.  Hannover-Linden,  1892. 
Manz  &  Lange.     (111  S.  8°.) 

Der  am  21.  Mai  1891  in  Berlin  gebildete  Centralausschufs  zur 
Förderung  der  Jugend-  und  Volksspiele  in  Deutschland  eröffnet  mit 
dem  vorliegenden  Bande  seine  jährlich  erscheinenden  Mitteilungen. 
Dieselben  sind  dazu  bestimmt,  das  Verständnis  und  die  Teilnahme 
rar  die  auf  Erhaltung  der  Gesundheit  abzielenden  Bestrebungen  des 
Ausschusses  in  die  weitesten  Kreise  zu  tragen,  die  neu  in  die  Be- 
wegung Eintretenden  über  Bedeutung  und  Ziele  dieser  Bestrebungen 
zu  unterrichten  und  ihnen  das  zur  Förderung  erforderliche  Material 
an  die  Hand  zu  geben.  Gleichzeitig  aber  wollen  sie  auch  darüber 
Rechenschaft  ablegen,  was  bis  jetzt  auf  dem  Gebiete  des  Jugend- 
rad Volksspiels  geleistet  worden  ist,  und  andeuten,  was  weiter  anzu- 
streben wäre,  um  das  Bewegungsspiel  zur  allgemeinen  Volkssitte  zu 
machen. 

Die  ungemein  anregende  Schrift  zerfällt  in  vier  Teile,  einen 
theoretischen,  einen  geschichtlichen  und  einen  praktischen;  der  vierte 
enthält  den  Arbeitsplan  und  die  Organisation  des  Centralausschufses. 
Die  einzelnen  Teile  umfassen  wieder  eine  Anzahl  Aufsätze  (ö — 11), 
von  denen  jeder  von  einem  anderen  Verfasser  herrührt  und  für  sich 
selbständig  ist.  Unter  den  Mitarbeitern  sind  alle  jene  Männer  ver- 
treten, welche  sich  um  die  Begründung  und  Förderung  zunächst  des 
Jugendspiels  an  den  Mittel-  und  Volksschulen,  weiter  des  Mädchen- 
tnrnens  und  in  letzter  Linie  des  allgemeinen  Volksspiels  seit  dem 
Beginn  dieser  Bewegung,  d.  i.  seit  dem  epochemachenden  Erlasse 
des  preußischen  Kultusministers  VON  Gossler  vom  27.  Oktober  1882, 
verdient  gemacht  haben,  also  vor  allen  Herr  von  Schenckbndorfp 
und  Direktor  Dr.  Eitner  in  Görlitz,  Direktor  Raydt  in  Lauenburg, 
Professor  Dr.  Koch  und  Turninspektor  Hermann  in  Braunschweig, 
Oberturnlehrer  Böttcher  in  Hannover,  Professor  Angerstein  in 
Berlin,  Realschuldirektor  Dr.  Reinmüller  in  Hamburg  u.  s,  w. 

Im  theoretischen  Teile  wird  über  den  erziehlichen  Wert  der 
Jugendspiele,    die    sittliche  und  physiologische  Bedeutung  derselben, 


54 

über  Turnen  und  Spiel,  Bewegongsspiel  und  Lungenentwickelung,  sowie 
über  den  Spielkanon  gehandelt ;  den  Beschlnfs  macht  eine  Zusammen- 
stellang  der  bereits  ziemlich  stattlichen  Litteratur  über  Jugend-  und 
Volksspiel,  welche  92  Nummern  mit  Ausschlufs  der  auf  Bewegungs- 
spiele und  Kindergärten  bezüglichen  Schriften,  der  Turnlehrbücher 
und  Leitfäden  umfafst. 

Der  historische  Teil  beginnt  mit  einem  Aufsatz  zur  Ge- 
schichte der  Jugend-  und  Volksspiele  und  schildert  die  Anfänge  der 
gegenwärtigen  Bewegung;  dann  werden  die  olympischen  Spiele  der 
Griechen  und  die  Spiele  in  England  vorgeführt;  hieran  reiht  sich 
der  Aufsatz  „Die  deutschen  Städte  und  das  Jugendspiel", 
welcher  in  Kürze  das  Ergebnis  der  in  Ratdts  gleichnamiger  Schrift 
besprochenen  Enquete  über  die  Ausdehnung  der  Spielbewegung  bis 
Ende  1890  zusammenfällst;  endlich  folgt  ein  Bericht  über  die  Frage 
der  Körperbildung,  besonders  durch  Jugendspiele,  auf  der  Berliner 
Schulkonferenz  vom  Jahre  1890,  welche  auf  Grund  der  Referate 
Eitners,  Güssfelds  und  von  Schenckendorffs  die  These  ange- 
nommen hat:  „Pflege  der  Spiele  und  körperlichen  Übungen,  welche 
letztere  als  tägliche  Aufgabe  zu  bezeichnen  sind,  insbesondere  also 
Verstärkung  und  Hebung  des  Turnunterrichts,  Erteilung  desselben 
wo  möglich  durch  die  Lehrer  der  Anstalt. u 

Im  praktischen  Teile  entwickelt  zunächst  Dr.  Eitner  die 
für  die  Einführung  der  Jugendspiele  in  den  Schulen  mafsgebenden 
Grundsätze  und  reiht  daran  einen  sehr  beachtenswerten  Spielplan 
für  Knaben  und  für  Mädchen,  nach  den  Arten  der  Schulen  und  den 
Altersstufen  geordnet;  darauf  folgen  Aufsätze  über  das  ordnungs- 
mäfsige  Verfahren  bei  Einführung  der  Bewegungsspiele,  die  Ent- 
wickelung  der  Jugendspiele  in  Görlitz  seit  1883,  die  Ausbildung  der- 
selben in  Hannover,  den  öffentlichen  Volksspielplatz  zu  Freiburg  i.  B., 
die  Turnspiele  der  Mädchen,  endlich  über  Wanderfahrten,  ein  höchst 
lesenswerter,  für  die  sachgemäfse  Ausgestaltung  derartiger  Ausflüge 
mafsgebender  Artikel. 

Es  dürfte  von  Interesse  sein,  zu  erfahren,  dafis  die  hier  aus- 
gesprochene Forderung,  die  Schulnachrichten  des  Programms  mögen 
etwas  mehr  Rücksicht  auf  alle  Einrichtungen  nehmen,  welche  die 
Schule  zu  Gunsten  der  körperlichen  Übung  und  Bildung  ihrer  Schüler 
getroffen  habe,  in  Österreich  seit  dem  Erlasse  des  Unterrichtsministers 
Freiherrn  VON  Gadtsch  vom  14.  September  1890  thatsächlich 
durchgeführt  wird,  indem  sämtliche  Mittelschulprogramme  seit  zwei 
Jahren  in  einem  eigenen  Abschnitt  „Körperliche  Ausbildung 
der  Jugend"  ausführliche  Berichte  nicht  nur  über  die  Pflege  und 
Förderung  des  Badens,  Schwimmens,  Eislaufens,  Turnens,  sondern 
auch    über  Spielplätze,    Spiele   und   Schulfahrten,    sowie    eine   nach 


55 

Klassen   geordnete  Statistik   der  Schwimmer,  Eisläufer,  Turner  and 
der  die  Ferien  auf  dem  Lande  zubringenden  Schüler  enthalten. 

Die  weiteren  Arbeiten  besprechen  die  Gymnasiastenvereinigungen 
für  die  Pflege  der  Leibesübungen  und  die  Görlitzer  Kurse  zur  Aus- 
bildung von  Lehrern  in  den  Jugend-  und  Volksspielen.  Bis  .jetzt 
sind  vier  solche  Kurse  abgehalten  worden,  an  denen  120  Lehrer 
teilgenommen  haben,  unter  diesen  aus  Österreich  allein  30  und 
speciell  aus  Wien  13.  Eine  ähnliche  Unternehmung  wie  die  Gör- 
litzer Kurse  hat  ein  Komitee  in  Berlin  ins  Leben  gerufen  und  im 
September  1891  den  ersten  Berliner  Kursus  für  Ausbildung  von 
Lehrern  in  den  Jugend-  und  Volksspielen  veranstaltet,  zu  dem  sich 
etwa  70  derselben  eingefunden  haben. 

Schließlich  ergreift  nochmals  Direktor  Eitner  das  Wort,  um 
über  Bezugsquellen  und  Preise  von  Spielgeräten  praktisch  wertvolle 
Mitteilungen  zu  machen. 

Im  vierten  Teile  wird  zunächst  das  Programm  der  für  1892 
geplanten  Lehrspielkurse  entworfen;  ins  Auge  gefafst  waren  für  dieselben 
außer  den  bisherigen  Ausbildungsstellen  noch  Bonn,  Braunschweig  und 
Hannover,  also  Städte,  in  welchen  das  Jugendspiel  sich  hervorragender 
Pflege  und  hoher  Blüte  erfreut.  Von  höchster  Wichtigkeit  sind  in  diesem 
Teile  die  folgenden  Aufsätze:  „Was  kann  in  Deutschland  unter 
den  heutigen  Verhältnissen  zur  Förderung  der  Jugend- 
spiele geschehen?"  und  „Die Frage  der  Jugendspiele  in  den 
Grofsstädten",  ferner  „Über  Volksspiele  im  Freien  und  ihre 
weitere  Ausbildung  in  Deutschland"  und  „Wie  kann  die 
ans  der  Schule  entlassene  Jugend  zu  den  Volksspielen 
herangezogen  werden?"  Den  Beschluß  macht  eine  Darstellung 
der  Bildung  und  Organisation  des  Centralausschusses  und  dessen 
Aufruf  zur  Förderung  der  Jugend-  und  Volksspiele  in  Deutschland. 

Die  gegebene  Übersicht  des  Inhalts  rechtfertigt  wohl  am  besten 
das  eingangs  ausgesprochene  Urteil,  dafc  wir  es  hier  mit  einer 
ungemein  anregenden  und  für  die  Volkserziehung  wichtigen  Schrift 
zu  thnn  haben.  Nicht  unerwähnt  darf  bleiben,  dafs  sämtliche  Bei- 
träge in  einem  höchst  fesselnden,  leicht  lesbaren,  mustergültigen 
Stil  geschrieben  sind  und  dafs  auch  die  typographische  Ausstattung 
des  Baches  und  die  Korrektheit  des  Druckes  nichts  zu  wünschen 
übrig  lassen. 

Mögen  die  „Mitteilungen"  sich  recht  weit  verbreiten,  die  Sache, 
in  deren  Dienste  sie  stehen,  wirksam  fördern  und  recht  bald  von 
einem  zweiten,  ebenso  gehaltvollen  und  inhaltsreichen  Jahrgange  ab- 
gelöst werden! 

K.  k.  Landesschulinspektor  Dr.  phil.  Karl  Fbrd.  Kümmer 

in  Wien. 


56 

John  Jackson,  F.  £.  J.  S.,  M.  C.  P.   Upright  versus  sloping 

writing  being  an  enquiry  into   the  respective   merits  of  sloping 

and   upright    or    vertical    writing.     4  th.    edit.    London,    1891. 

Sampson  Low,   Marston,  Searle  &  Rivington.     (8  S.    Gr.  8°.  mit 

Schriftproben.     2  Pence.) 

Es  wird  mit  Recht  als  eine  wesentliche  Aufgabe  internationaler 
Kongresse  betrachtet,  die  Bekanntschaft  mit  der  Litteratur  anderer 
Sprachstämme  zu  fördern  und  durch  persönlichen  Verkehr  zur  Wür- 
digung der  Werke  engerer  Arbeitsgenossen  anzuregen.  So  hat  auch 
Dr.  Eotelmanns  Vortrag  über  Steilschrift,  sowie  Mr.  Jacksons 
Besprechung  desselben  Themas  auf  dem  letzten  hygienischen  Kongresse 
in  London  dazu  beigetragen,  die  Kenntnis  der  Litteratur  dieses 
Gegenstandes  auf  beiden  Seiten  des  Kanals  zu  bereichern.  Es  wird 
wenige  in  Deutschland  gegeben  haben,  welche  von  der  rührigen,  ja 
begeisterten  Agitation  für  Einführung  senkrechter  Schrift  in  England 
etwas  gewufst  haben,  und  andererseits  zeigt  die  vorliegende  Broschüre 
Jacksons,  welcher  auch  ein  „System  of  upright  penmanship" 
verfafst  hat  und  seit  Jahren  in  diesem  Sinne  eifrig  thätig  ist,  dafs 
die  deutschen  Arbeiten  hierüber  in  England  noch  wenig  zur  Kenntnis 
der  Nächstbeteiligten  gelangt  sind.  Wie  wäre  es  sonst  möglich,  dafs 
die  Herren  Berlin  und  Rembold  als  die  Hauptbekämpfer  der 
Schiefschrift  in  Deutschland  auf  Seite  5  der  Broschüre  angeführt 
werden? 

Die  vorliegende,  sehr  gewandt  und  feurig  geschriebene  Arbeit 
rührt  von  einem  Schulvorsteher  her  und  wendet  sich  vorwiegend  an 
die  Lehrer.  Die  Rücksicht  auf  die  Gesundheitspflege,  welche  unsere 
deutsche  Steilschriftlitteratur  nahezu  ausschliefslich  beherrscht,  wird 
dabei  voll  gewürdigt  und  stark  betont,  aber  es  wird  auch  dem  pä- 
dagogischen Standpunkte  zu  seinem  Rechte  verholfen.  Dadurch 
gewinnt  die  ganze  Darstellung  an  Vielseitigkeit  und  insbesondere  an 
Interesse  für  die  nächstbeteiligten  Kreise,  für  die  Lehrerwelt.  Wir 
müssen  somit  die  Arbeit  Jacksons  als  eine  sehr  willkommene  und 
ersprießliche  Ergänzung  unserer  Steilschriftlitteratur  bezeichnen. 

Der  Verfasser  teilt  seinen  Stoff  in  fünf  Abschnitte  und  betrachtet 
der  Reihe  nach  die  Leichtlesbarkeit,  die  Schreibhaltung,  die  Schreib- 
flüchtigkeit, die  Raumersparnis  und  die  pädagogischen  Vorzüge  der 
senkrechten  Schreibweise.  Der  beträchtliche  Vorzug  gröfserer  Deut- 
lichkeit und  leichterer  Lesbarkeit  drängt  sich  in  der  That  einem 
jeden  auf,  der  vielfach  Steilschriften  zu  Gesicht  bekommt.  Die  Er- 
klärung dafür  ist  nicht  schwer  und  wird  von  Jackson  an  der  Hand 
einiger  Liniensysteme  von  wechselnder  Neigung  gegen  die  Zeile 
erläutert;  je  schiefer  die  Striche  bei  gleicher  Gröfse  und  gleichem 
Abstände  sind,  desto  mehr  verlieren  sie  an  Deutlichkeit. 


57 

Was  Jackson  über  den  Einfluß  der  Schreibweise  auf  die 
Körperhaltung  sagt,  deckt  sich  in  allem  Wesentlichen  mit  dem,  was 
in  dieser  Zeitschrift  mehrfach  besprochen  wurde.  Es  ist  erfreulich, 
dafs  sich  der  Verfasser  dabei  auf  die  Autorität  eines  berühmten 
englischen  Chirurgen,  Mr.  Smith,  zu  berufen  in  der  Lage  ist. 

Neu  für  deutsche  Leser  erscheint  die  Beweisführung  Jacksons, 
wonach  Steilschrift  sich  schneller  schreiben  läfst  und  daher  für 
Eilschrift  sich  besser  eignet,  als  die  Schiefschrift.  Bekanntlich  ist 
die  entgegengesetzte  Behauptung  eine  der  beliebtesten  Waffen  unserer 
Gegner.  Der  Autor  stützt  sich  darauf,  dafs  die  Buchstaben  der 
Schiefschrift  bei  gleichem  Zeilenraum  länger  sind  und  dafs  der 
längere  Weg  für  die  Feder  auch  eine  längere  Zeit  beanspruchen 
müsse.  Hiergegen  liefee  sich  wohl  einwenden,  dafs  es  bei  der 
Schnelligkeit  des  Schreibens  weniger  auf  die  Länge  der  Striche,  als 
auf  die  Winkel  und  Bogen,  auf  die  Wendungen  der  Feder,  auf  die 
Unterbrechung  des  Striches  ankomme.  Immerhin  haben  die  Versuche 
von  Scharff  in  Flensburg  und  Bayr  in  Wien  gelehrt,  dafs  steil- 
schreibende Kinder  zum  mindesten  ebenso  schnell  mit  einem  gegebenen 
Diktat  fertig  werden,  als  schiefschreibende  desselben  Kursus. 

Darin,  dafs  die  Steüschrift  Raum  spart,  wird  eine  geteilte 
Meinung  nicht  bestehen.  Jackson  berechnet  144  Buchstaben 
Steüschrift  auf  eine  Zeile,  welche  nur  100  Schiefschriftbuchstaben 
gleicher  Gröfse  zu  fassen  vermag. 

Ganz  besonderes  Gewicht  möchte  ich  dem  fachmännischen  Urteil 
Jacksons  über  die  Vorzüge  der  Steilschrift  beim  Unterrichte  bei- 
messen. Er  sagt,  es  sei  weit  leichter,  den  Kindern  den  Begriff  eines 
senkrechten  Striches,  eines  gerade  liegenden  Heftes  einzuprägen,  als 
den  eines  bestimmten  Neigungswinkels,  welcher  in  der  Praxis  stets 
verschieden  ausfälle  und  die  Quelle  steten  Tadels  und  grofser  Er- 
schwernis beim  Unterrichte  bilde. 

Das  Gesamturteil  über  die  Schiefschrift  und  Steilschrift  sei  mit 
Jacksons  eigenen  Worten  gegeben:  „Wir  glauben  und  wissen,  dafs 
die  Schiefschrift  falsch  ist,  gründlich  falsch,  ganz  und  gar  falsch,  dafs 
sie  schädlich  ist  für  den  Schreiber  und  für  den  Leser,  dafs  wenig 
oder  nichts  zu  ihrer  Empfehlung  und  vieles,  wenn  nicht  alles  zu 
ihrer  Verurteilung  angeführt  werden  kann,  dafs  dagegen  die  aufrechte 
oder  senkrechte  Schreibweise  die  denkbar  beste  ist  und  in  aller  und 
jeder  Hinsicht  der  schiefen  überlegen  erscheint. u 

Augenarzt  Dr.  med.  Paul  Schubert 
in  Nürnberg. 


58 

Karl  Hinträger,  diplomierter  Architekt,  Bau  und  Einrichtung 
von  Pflege-  und  Erziehungsanstalten  für  die  Jugend  des 
vorschulpflichtigen  Alters  in  den  verschiedenen  Lindern. 

Vortrag,  gehalten  in  der  Wochenversammlung  des  österreichischen 
Ingenieur-  und  Architektenvereins  zu  Wien  am  16.  Jänner  1892. 
Mit  1  Taf.  Wien,  1892.   Karl  Grabsbr.    (24  S.   Gr.  8°.  Kr.  50.) 
Der  Verfasser,    der   schon   seit  längerer  Zeit  auf  dem  Gebiete 
des  Schulbauwesens   praktisch  und  litterarisch  mit  Erfolg   thätig  ist, 
hat    durch    den    obengenannten  Vortrag    die  verdienstliche   Aufgabe 
gelöst,    einem    größeren   Kreise    seiner   Berufsgenossen    den   Zweck 
und  die  Bedeutung    derjenigen  Pflege-  und  Erziehungsanstalten  vor- 
zuführen, welche  dazu  bestimmt  sind,  den  Kindern  in  ihren  ersten 
Lebensjahren    und    bevor    sie,  wie   dies  jetzt  in  allen  Kulturstaaten 
Gesetz  ist,  in  die  Volksschulen  eingewiesen  werden,   das  Elternhaus 
zu  ersetzen. 

Wenn  man  auch  mit  dem  Autor  darüber  streiten  kann,  ob  es 
sittlich  und  erzieherisch  das  erstrebenswerte  Ziel  wäre,  die  Pflege 
aller  Kinder  der  ärmeren  Volksklasse  von  ihrer  Geburt  bis  zu 
ihrem  Eintritt  in  das  schulpflichtige  Alter  für  eine  Aufgabe  des 
Staates  und  der  Gemeinden  zu  erklären,  so  unterliegt  es  doch 
keinem  Zweifel,  dafs  die  Übernahme  dieser  Pflicht  nur  zu  häufig 
im  Interesse  des  körperlichen  und  geistigen  Wohls  der  Kinder 
dringend  geboten  ist,  dafs  die  vorhandenen  Anstalten,  namentlich  in 
deutschen  Ländern,  nach  Zahl  und  Umfang  zur  Zeit  noch  sehr  weit 
hinter  dem  unbedingt  notwendigen  Erfordernis  zurückbleiben  und 
dafs  es  deshalb  höchst  nützlich  und  dankenswert  ist,  hierauf  in 
weiteren  Kreisen  aufmerksam  zu  machen  und  namentlich  den 
Architekten  die  Mittel  und  Wege  zu  zeigen,  die  zur  Erfüllung  der 
umfassenden  Aufgabe  dienlich  sind. 

Der  Verfasser  hat  zu  diesem  Zwecke  besonders  die  Krippen, 
Kinderbewahranstalten  und  Kindergärten  im  einzelnen 
besprochen,  er  hat  die  in  Bezug  auf  bauliche  Anordnung, 
Bemessung  und  Einrichtung  der  Räume  zu  stellenden  Anforderungen 
sorgfältig  und  übersichtlich  namhaft  gemacht  und  an  einer  Reihe 
von  Beispielen  gezeigt,  wie  die  Entwürfe  derartiger  Anstalten  auf 
verschiedenartigen  Bauplätzen  in  mehreren  Ländern,  namentlich 
in  Deutschland,  Österreich,  Italien,  England,  Frankreich,  Belgien 
uud  Holland,  behandelt  worden  sind.  Er  hat  ferner  einen  Teil  der 
einschlägigen  Litteratur  aufgezeichnet  und  auf  diese  Weise  eine 
Arbeit  geliefert,  die  nicht  nur  den  Architekten,  sondern  auch  allen 
zur  Sache  interessierten  Verwaltungen,  Korporationen  und  Privat- 
personen zu  großem  Nutzen  gereichen  wird.      Stadtbaurat  Behnkk 

in  Frankfurt  a.  M. 


59 

M.  K.  Hakonson-Hansen,  Laerer  ved  volkeskolerne  i  Trondhiem. 

Grundtraekkene  af  sundhedslaeren.     Sundhedsregler  for  skoleb0rn 

og  skoleungdom.      Med   timetabel  og    noteringsblade.     En   liden 

bog  for  aeldre,   laerere   og   b0rnevenner    til  st0tte  i  deres   virke 

for  den  opvoksende  slaegts  sunde  og  naturlige  udvikling.     [M.  K. 

HAkONSON-Hansbn,    Volksschullehrer    in    Drontheim.      Grund- 

ftüge  der  Gesundhtitslehre.     Gesundheitsregeln  für  Schulkinder  und 

die    Schuljugend.     Nebst    Stundenplan    und    Notizblattern.     Ein 

Büchlein  für  Eltern,  Lehrer  und  Kinderfreunde  zur  Unterstützung 

ihres  Wirkens    für    die  gesunde    und    naturgemäfse  Entwicklung 

des  heranwachsenden  Geschlechts.]     Drontheim,   1892.     A.  Brun. 

(32  S.  Kl.  8°.) 

Das  trefflich  ausgestattete  Büchlein  enthält  ein  empfehlenswertes 

Begleitwort    des  bestbekannten   dänischen  Schulhygienikers  Hertel, 

ein    kurzes    Gedicht    aus    Bjornstebne    Björnsons    Werken    als 

^Motto  für  die  Jugend",  eine  Vorrede  des  Verfassers  an  die  Kinder, 

die  Gesundheitsregeln,   welche    14  Seiten   einnehmen,   ein  Nachwort 

ftr  die  Erwachsenen,   das  Formular  eines  Stundenplans  und  endlich 

Xotizbl&tter  für  persönliche  hygienische  Vorschriften. 

Die  Gesundheitsregeln  umfassen:  1.  Thätigkeit  und  Ruhe 
2.  Reinlichkeit  und  Hautpflege  3.  Bekleidung  4.  Speise  und  Trank, 
Verdauung  5.  Atmung  und  Atmungsorgane  6.  Sehen,  Auge  7.  Hören, 
Ohr  8.  Körperhaltung  beim  Sitzen  9.  Körperhaltung  beim  Stehen 
10.  sonstige  Körperhaltungen. 

Es  ist  ja  von  vornherein  naheliegend,  bei  einer  Besprechung 
dieses  Büchleins  an  das  erste  und,  soviel  Referent  weifs,  bis  jetzt 
einzige  Muster  dieser  Art,  die  wohl  den  meisten  Lesern  bekannten 
„Gtsundheitsregeln  für  die  Schuljugend" ,  herausgegeben  von  der 
Hygienesektion  des  Berliner  Lehrervereins,  zu  denken.  Verfasser 
hat  in  der  That  die  dankenswerte  Aufgabe  übernommen,  diese 
Gesundheitsregeln  für  die  Kinder  seines  Landes  zu  bearbeiten,  wobei 
freilich  manche  Punkte  anders  angeordnet  und  einige  weitere  Regeln 
beigefugt  wurden.  So  sind  von  dem  Autor  statt  des  ersten  Kapitels 
(„Pflege  des  Körpers")  des  Berliner  Lehrervereins  die  oben  auf- 
gezählten vier  Kapitel  aufgestellt  worden,  was  uns  besser  scheinen 
will.  Hier  und  da  ist  auch  eine  neue  Regel  angegeben,  wie  z.  B. 
die  Warnung  vor  Übertreibungen  bei  der  Übung  des  Körpers; 
manche  dieser  Zusätze  gehen  allerdings  vor  allem  die  Eltern  an,  wie  die 
Besprechung  der  richtigen  Temperierung  des  Schlafzimmers;  ebenso 
and  die  Kapitel  9  (Stehen,  speciell  beim  Singen)  und  10  (Tragen 
der  Schulrequisiten)  neu. 

Die  Ausstattung  des  norwegischen  Büchleins  erscheint  weit 
luxuriöser,  als  die  des  Berliner.     Wahrscheinlich    ist    ersteres    auch 


60 

bedeutend  teurer  als  10  Pfennige,  trotzdem  Abbildungen  fehlen. 
Dem  Referenten  will  es  dünken,  dafs  es  sich  empfehlen  möchte, 
noch  eine  wohlfeile  Ausgabe  zu  veranstalten.  Bis  zu  einem  Druck- 
bogen könnte  durch  Weglassung  alles  dessen,  was  nicht  Text  der 
Gesundheitsregeln  ist,  erspart  werden.  Eine  solche  wohlfeile 
Ausgabe  wäre  dann  den  Ärmeren  mehr  zugänglich.  Zugleich  liefse 
es  sich  ermöglichen,  dafs  Behörden  oder  Kinderfreunde  eine  gröbere 
Anzahl  von  Exemplaren  für  bedürftige  Kinder  bezahlten. 

Die  ganze  Arbeit  ist  recht  fleifsig  und  sorgsam.  Der  Verfasser 
hat  sich  damit  um  die  Gesundheitspflege  und  den  hygienischen 
Unterricht  in  Norwegen  ein  Verdienst  erworben. 

Oberrealschulprofessor  Dr.  phil.  Leo  Burgerstein 

in  Wien. 


Bibliographie. 

Alder,  Konstantin,  über  die  Entwicklung  des  Schulturnens.  Progr. 
Basel,  1892,  Schwabe.     4°.     M,  1,60. 

Bail.  Neuer  methodischer  Leitfaden  für  den  Unterricht  in  der 
Zoologie,  einschliefslich  der  Tiergeographie  und  Unterweisungen 
über  die  Gesundheitspflege  im  engeren  Anschlüsse  an  die  Lehr- 
plane  der  höheren  Schulen  Preufsens  von  1891.  Leipzig,  1892, 
Reisland.     Gr.  8°.     12. 

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werksbuch. 8.  Aufl.  Bielefeld  und  Leipzig,  1891,  Velhagen  & 
Klasing. 

Bericht  des  Komitees  für  Ferienkolonien  armer  kränklicher  Schul- 
kinder der  Stadt  Karlsruhe,  erstattet  für  das  Jahr  1891.  Karls- 
ruhe, 1892,  Müller.     8°. 

Bock,  Adolf.  Untersuchungen  über  die  Erblichkeit  der  Myopie. 
Inaugdiss.     Kiel,  1892.     8°. 

Bode,  A.  Die  Wissenschaftlichkeit  der  stenographischen  Zeichen 
vom  physiologischen  Standpunkte.  Nach  2  Vorträgen.  Wien,  1892, 
Bermann  &  Altmann.     Gr.  8°.     M.  0,90. 

Borohardt.  Die  Berliner  Ferienkolonien.  (Referat.)  Hyg.  Rundsch., 
Berlin,  1891,  I,  20  ff. 

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Leipzig,  1892,  E.  Strauch.     8°.     M.  0,30. 

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62 

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Springer,  W.  Der  Knabenhandarbeitsunterricht  im  Anschlüsse  an 
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Storch,  0.  Einige  Bemerkungen  über  das  Scharlachfieber  und 
die  Schule.  (Referat.)  Jahrb.  für  Kindhlkd.,  Leipzig,  1891, 
XXXII,  95  ff. 

Thüme,  Herm.  Der  mit  einem  ersten  Preis  gekrönte  Entwurf  tu 
einem  Realgymnasium  für  Gera.  D.  Bauztg.,  Berlin,  1891, 
XXV,  600  ff. 

Thümbn,  F.  Über  Jugenspiele.  Vortrag.  Stralsund,  1892,  B.  Mayer  & 
Muller.     Gr.  8°.     iL  0,60. 

Urban,  Jos.,  Richter,  Heinr.  und  Blakowskt,  Joh.  Erzieh- 
liche Knabenhandarbeit.  Methodisch  geordnete  Vorlagensammlung 
zur  Anfertigung  einfacher  Arbeiten  in  Papier,  Pappe  und  Holz  im 
Anschlüsse  an  den  Eindergarten.  38  Taf.  Graz,  1892,  Leykam. 
Gr.  8°.     M,  10. 

Verordnung  der  KgL  Regierung  zu  Düsseldorf  vom  22.  Februar 1891, 
betreffend  Benutzung  neuer  Schulgebäude.  VerOff.  d.  Kais.Gsdhtsamt., 
Berlin,  1891,  XV,  733  ff. 

Wolfpson  .  Central'  oder  Einzelheizungen  in  den  Hamburger  Schulen  ? 
(Referat.)     Gsdhtsing.,    München,  1891,  XIV,  812  ff. 

Zettler,  M.  0.  SchetÜers  Turnschule  für  Mädchen.  Mit  78  Holzschn. 
7.  Aufl.     Plauen,  1893,  F.  E.  Neupert. 


Bei  der  Redaktion  eingegangene  Schriften. 

Blätter  für  Knabenhandarbeit  Organ  des  deutschen  Vereins  für 
Knabenhandarbeit  und  des  sächsischen  Landesverbandes  zur  För- 
derung des  Handfertigkeitsunterrichtes.  Herausgegeben  von  Dr. 
W.  Götze.  Monat  1.  1  Heft.  Leipzig,  1892,  Frankenstein  & 
Wagner.     J&hrl.  M.  2,40. 

Elfter  Jahresbericht  der  Knabenarbeitsschule  I  im  StöckachschuJr 
gebäude  zu  Stuttgart.     Stuttgart,  1891. 

Oiornale  di  mediana  pubblicaf  redatto  dal  Dott.  A.  MoNTEFUSCO. 


63 

Monat  1.   1  Heft.      Napoli,    1892,    Stabilimento    tipografico    delF 

unione.     Jähr].  L.  8. 
Goktz,  Ferd.       Vom  rechten  Turnerleben.      Ein    Not-  und  Hilfs- 

bflchlein  für  Turner  und  solche,  die  es  werden  wollen.      Leipzig, 

1891,  Ed.  Strauch.     Kl.  8°. 
Hasse,  Ernst.     Beiträge  zur  Geschichte  und  Statistik  des  Volksschul- 

wesens  von  GoMis.     Erweiterter  Sonderabdruck  aus  dem  Verwal- 

tungsbericht   der  Stadt  Leipzig    auf   das  Jahr    1889.      Leipzig, 

1891,  Duncker  &  Humblot.     Gr.  8°. 

Hebger,  Rob.  „Spielen  und  Turnen"  oder  „Turnen  und  Spielen"  ? 
Vortrag,  gehalten  auf  der  17.  sächsischen  Turnlehrerversammlung 
zu  Schneeberg.  Dtsch.  Turn-Ztg.,  1892,  XLIII,  819—821; 
XLIV,  840—842  ff. 

Hbnzb,  E.     Steil-    oder    Schrägschrift?     Dtsch.    Schulztg.,    Berlin, 

1892,  XXXH. 

Jugend-  und  Volksspiele,  Schwz.  Bl.  f.  Gsdhtspfl. ,11892,  XU,  141—143. 
Klemm,   C.     Die  Schönheitspflege   im    Wüchse   des   Kindes.     Der 

Richtgürtel   als   Erziehungsrequisit   für    Schule   und    Haus    zur 

Verhütung    von    Mifswuchs    und   Kurzsichtigkeit.      Mit    Abbild. 

2.  Aufl.     Riga,  1892,  N.  Kymmel.     Gr.  8°.     M.  0,50. 
Knabenhort.     Herausgegeben     von     L.    Jung.      München,     1892, 

G.  Franz.     Monatl.  1  Heft.     Halbjährl.  M.  1,80. 
Koch,  Fr.     Die  Steüschrift.    Kaiserslautern,  1892,  Gotthold.     M.  1. 
Koch,  J.  L.  A.  Die  psychopathischen  Minderwertigkeiten.  Ravensburg, 

1892,  0.  Mayer.     8°. 
KOhler,    G.    und   Kruse,   0.      Lehrbuch   für   die  Mittelstufe   in 

Taubstummenanstalten.     2  Bde.  mit  12  Bild.     Schleswig,  1892, 

J.  Bergas.     Gr.  8°.     M.  1,40. 
Kttnn,  G.  G.     Die  Tontaubheit   und   der  Musikunterricht.     Wien. 

1892,  Perles.     Gr.  8°.     JH.  0,60. 
La  curva  del  trabajo  escolar  en  el  Congreso  de  Londres.  [Die  Schtd- 

arbeitskwve  auf  dem  Londoner  Kongresse.]     Bol.  de  la  Inst.  lib. 

de  ensfiz.,  Madrid,  1892,    15.  de  Mio,   CCCLXXI,    215—217. 
Laürbntius.    Beschreibung  des  neuen  Gymnasialgebäudes  (in  Bonn). 

Frogr.  d.  Gymnas.  in  Bonn,  1891,  1—4. 
Handel,  Gurt.     Wie  kann  man  Niederdruckdampfheizungen  mit 

Niederdruckwasserheizungen  zweckmässig  kombinieren?  Gsdhtsing., 

1892,  I,  2—14. 
Romano,    A.      Miopia   e   conformazione   del   cranio;    osservazioni 

antropologiche.     Atti  d.  r.  Accad.  d.  sc.  med.  in  Palermo  (1890), 

1891,  127—135;  Sicilia  med.,  Palermo,    1890,  II,  864—867. 
Rosebrugh,  A.  M.     A  new  ventüaüng  appliance.     Canad.  Pract, 

Toronto,  1892,  XVII,  103. 


64 

Rotter,  £.     Die   Behandlung    Verunglückter  bis  eur  Ankunft  des 

Arztes.     Mit  7   Holzschn.      8.   Aufl.     Nürnberg,   1892,   Sebald. 

12°.     M.  0,45. 
Rüata,  Carlo.    Trattato  cfigiene  pubbüca.   Castello,  1892,  S.  Lapi. 
Schenckendorff,  E.  VON.     Die  sociale  Frage  und  die  Erziehung 

eur  Arbeit  in  Jugend  und  Volk.     Vortrag,  gehalten  auf  dem  XI. 

deutschen  Kongreis  für  erziehliche  Knabenhandarbeit  zu  Frankfurt 

a.  M.     Leipzig,  1892,  Frankenstein  &  Wagner.     4°. 
Schröer,    H.      Bemerkungen   über    den   gegenwärtigen    Stand   des 

Schulturnens   in    Preußen.      Dtsch.    Turn-Ztg.,    1892,    XXXVI, 

689—690. 
Sollier,    P.      Les   traübles   de   la  memoire.     Av.  36  fig.     Paris, 

1892,  Rueff  &  Co.     16°.     Fr.  3,50. 
Stevenson  and  Morpht.     TreaÜse  on  hygiene.     Vol.  1.     Ulustr. 

London,  1892,  Churchill.     8°.     Sh.  28. 
Teale,  T.  P.     Dust  and  fresh  air;   how  to  keep  out  (he  one  and 

let  in  (he  other.   J.  soc.  arts.,  London,  1891—92,  XL,  235—241. 
Tisseb,  P.     Influence   du   velocipede  mr   quelques   fonctions  orga- 

mques.     Compt.   rend.    Soc.    de   biol.,   Paris,    1892,    9.    s.,   IV, 

449-455. 
Über   die  Entwicklung   der   Seele  des  Kindes.     Blatt,  f.  d.  Schul- 

prax.,  1892,  V. 
Vollert,  Joh.     Einiges  Über  die  Übungen   an   den  Springgeräten 

im    Schulturnen.      Ztschr.    f.    Turn-   u.   Jgdspl.,     1892,     XIV, 

209—213. 
Weil,  R.      Die    Atmungskunde    und    die    Atmungskunst.      Eine 

hygienische    Studie.      Mit    Abbild.      Berlin,    1892,    Siegismund. 

12°.     M.  0,60 
Wilson,  G.     A  handbook  of  hygiene  and  sanitary  science.     J.  edit. 

London,  1892,  Churchill.     8°.     Sh.  12,5. 
Wyllie,  John.     On  stammering  and  on  ihe  study  of  the  aiphabet. 

Edinb.  Med.  Journ.,  1891,  Oktob. 
Z4.H0R,  Hbinr.     Siebenter  und  achter  Jahresbericht  des  Stadtphysi- 

kates  über   die  GesundheitsverJwUtnisse  der  Kgl.  Hauptstadt  Prag 

für  die  Jahre  1888  und  1889.     Prag,  1891,  Verlag  der  Gemeinde- 
renten Prags.     Gr.  8°. 
Zehnter  Jahresbericht  über  die  Thätigkeit  der  Handferligkeitsvereins- 

schule  zu  Zwickau  im  Jahre  1891 — 92.     Zwickau,  1892. 


3fitfd)rift  fit  Siftnijffunliljfitepfifjf. 


VI.  Jahrgang.  1893.  No.  2. 


(»riginal-^tbljanblungen. 


Zur  Gesundheitspflege  in  den  Schalen. 

Länge  und  Breite  einer  Klasse.  —  Wieviel 
Schüler  dürfen  in  derselben  sitzen?  —  Einfall  des 
Lichts.  —  Die  Sehnlen  in  Palermo.  —  Verminderung 
der  Zahl  der  Analphabeten  in  Sicilien.  —  Sittliche 
und  physische  Erziehung  unseres  Volkes.  —  Unsere 
Turnhalle.  —  Gegenstände  des  Unterrichts  und 
Dauer   der  Lektionen    unter  Berücksichtigung   des 

Klimas.  —  Prüfungen.1 

Von 

Dr.  med.  Antonino  Carini, 

Docent  an  der  Universität  in  Palermo. 

Die  Bestimmung  der  Länge,  Breite  und  Höhe  einer 
Klasse  scheint  auf  den  ersten  Blick  willkürlich  und  unabhängig 
von  jeder  hygienischen  Norm  zu  sein.  Allein  die  gröfste  Länge 
derselben  mufs  sich  nach  dem  Gesichtspunkte  richten,  dafs  die 
Schüler,  welche  auf  der  hintersten  Bankreihe  sitzen,  deutlich 
alles  sehen  können,  was  der  Lehrer  an  die  Wandtafel  schreibt. 
Dabei  sind  gute  Augen  der  Zöglinge  und  genügendes  Licht 
der  Schulzimmer  vorausgesetzt.  Ferner  müssen  die  Buchstaben, 
welche  der  Lehrer  schreibt,  lesbar  sein,  d.  h.  die  Gröfse  der- 
selben muis  in  Verhältnis  stehen  zu  der  Entfernung,  in  welcher 

1  Ans  dem  Italienischen  von  Professor  der  Gelehrtenschule 
Dr.  LkithIuseb  in  Hamburg. 

8ehu]ge*undhelt*pflege  VI.  5 


66 

sie  erkannt  werden  sollen.  Unter  den  günstigsten  Bedingungen, 
wo  es  sich  um  helle  Gegenstände  auf  schwarzem  Grunde  oder 
um  das  umgekehrte  Verhältnis  handelt,  unterscheidet  ein 
normales  Auge  deutlich,  wenn  die  äulsersten  Linien,  welche 
von  dem  zu  betrachtenden  Gegenstande  ausgehen,  mit  dem 
Knotenpunkt  des  Auges  einen  Winkel  von  5  Minuten  bilden. 
Unter  Zugrundelegung  dieser  Erfahrung  wurde  die  Grölse  der 
typographischen  Zeichen  von  Snellen1  berechnet.  Erismann 
glaubt  daher  nicht  zu  irren,  wenn  er  empfiehlt,  dafs  der  Seh- 
winkel für  die  auf  der  hintersten  Bank  sitzenden  Schüler 
10  Minuten  betragen  soll.  Berechnen  wir  die  mittlere  Gröfee 
der  Buchstaben,  welche  an  die  Wandtafel  geschrieben  werden, 
auf  3  cm,  so  erhalten  wir  auf  diese  Weise  9  m  als  Maximum 
der  Länge  der  Klasse.  Auch  Varreotrapp  und  Trölz,  die 
auf  die  Unzuträglichkeiten  geachtet  haben,  welche  die  über- 
mässige Entfernung  des  Katheders  von  der  äulsersten  Bank 
mit  sich  bringt,  wollen  nicht,  dafs  9,5 — 10  m  überschritten 
werden.  Ebenso  ist  die  preußische  Regierung  dagegen,  dafe 
die  Klassenlänge  über  11 — 12  m  hinausgehe. 

Ein  anderes  Problem,  welches  sich  dem  Hygieniker  dar- 
bietet, besteht  darin,  zu  bestimmen,  welche  normale  Breite  eine 
Klasse  haben  soll.  Dieselbe  muls  in  der  Weise  berechnet 
werden,  dafs,  wenn  das  Licht  von  links  her  einfällt,  es  für  die 
am  weitesten  vom  Fenster  entfernt  sitzenden  Schüler  nicht 
unmöglich  ist,  zu  sehen.  Dies  laust  sich  allein  dadurch  erreichen, 
daüs  die  Tiefe  der  Klasse  7  m  nicht  übersteigt  und  dafe 
die  Fenster  die  geeignete  Form  und  Gröfee  haben,  um  den 
Eintritt  einer  genügenden  Lichtmenge  zu  garantieren.  Wenn 
auch  die  angegebene  Ziffer  nicht  streng  wissenschaftlich  ist,  so 
hat  doch  die  Erfahrung  gelehrt,  dafs  sie  sich  für  ein  Schul- 
zimmer am  meisten  empfiehlt. 

Ziehen  wir  nun  die  beiden  oben  erwähnten  Maxima  in 
Erwägung,    d.    h.    9    m    für    die    Länge    und    7  m   für    die 


1  Hermann  Snellen,  Pröbebuchstaben  zur  Bestimmung  der  Sehschärfe. 
Berlin,  1873,  Herrn.  Peters. 


67 

Tiefe  der  Klasse,  so  ergibt  dies  ein  Verhältnis  der  Länge  zur 
Tiefe  von  ungefähr  3  : 2,  welches  ja  fast  allgemein  von  den 
Schulhygienikern  empfohlen  wird. 

Ist  es  auch  wichtig,  ein  Maximum  und  ein  Minimum  der 
flöhe  zu  bestimmen?  Im  allgemeinen  hält  man  dafür,  dafs 
in  Sälen  von  bedeutender  Höhe  die  Respirations-  und  Perspi- 
rationsstofFe  der  dort  versammelten  Personen  sich  in  den 
niedrigsten  Schichten  befinden.  Dies  ist  jedoch  irrtümlich, 
denn  die  Untersuchungen  von  Pbttbnkofer  und  Erismann 
haben  bewiesen,  dafs  mit  der  grösseren  Höhe  der  Räume  sich 
eine  wirksamere  Rückströmung  nach  den  oberen  Schichten  ver- 
bindet und  deshalb  eine  stärkere  Verdünnung  der  fremden 
Stoffe  eintritt,  die  auf  diese  Weise  weniger  schädlich  werden. 
Indessen  darf  die  Höhe  nicht  übermälsig  sein,  weil  alsdann 
eine  Resonanz  der  Stimme  des  Lehrers  stattfinden  würde.  Das 
Minimum  derselben  soll  4 — 5  m  betragen. 

Indem  wir  diese  Höhe  nicht  auiser  acht  lassen,  ebenso- 
wenig wie  die  Grundfläche  von  rund  70  qm,  erhalten  wir  das 
annähernde  Maximum  des  Klassenraumes,  welches  315  kbm 
beträgt. 

Wieviel  Schüler  darf  hiernach  eine  Ellasse  enthalten? 
Um  diese  Frage  zu  beantworten,  müssen  wir  die  Gröfse  der 
Fläche  und  des  Luftvolumens  bestimmen,  das  jedem  Zögling 
zukommt.  In  Rücksicht  auf  den  verhältnismäßig  kurzen  Aufent- 
halt der  Kinder  in  den  Schulen,  und  da  kein  anderer  Grund 
för  die  Verderbnis  der  Schulluft,  als  die  Respiration  und 
Perspiration  der  Schüler  vorliegt,  können  wir  in  gesundheit- 
licher Beziehung  annehmen,  dafe  ein  Luftvolumen  von  6  bis 
7  kbm  für  den  Einzelnen  den  Klassen  die  unerläßliche  Reinheit 
der  Luft  sichert.  Mit  anderen  Worten:  ein  Schulzimmer, 
welches  die  oben  genannten  Dimensionen  besitzt,  genügt  für 
die  Aufnahme  von  40 — 48  Schülern.  Man  möge  indessen 
hierbei  nicht  vergessen,  dafs  jede  Stunde  eine  Luftmenge  ein- 
geführt werden  muüs,  welche  dreimal  so  grofs  als  das  Klassen- 
volumen ist. 

In  einer  Klasse  von  dieser  GröJse  können  wir  zweisitzige 

5* 


68 

Bänke  aufstellen  von  einer  Länge  von  1,20  m  und  einer  Tiefe 
von  0,80  m.  Dieselben  müssen  parallel  stehen,  und  zwischen 
denselben  mufs  ein  hinreichender  Raum  für  den  Durchgang 
frei  bleiben.  Die  letzte  Bank  darf  sich  nicht  zu  nahe  an  der 
Mauer  befinden,  denn  das  würde  den  Schüler,  besonders  zur 
Winterzeit,  zu  Erkältung  und  Rheumatismus  verurteilen  wegen 
des  übermässigen  Wärmeverlustes,  den  die  kalte  Mauer  bewirkt 
Auf  Grund  des  bisher  Erwähnten  ergeben  sich  demnach 
folgende  Mause: 

Länge  des  Klassenzimmers. 

Platz  för  das  Katheder  des  Lehrers  und  die  Tafel  3,00  m 

Sieben  Bänke,  parallel  gestellt  5,60  „ 

Raum  zwischen  der  letzten  Bank  und  der  Mauer  0,80  „ 

Summa  9,40  „ 

Tiefe  des  Klassenzimmers. 
Raum  zwischen  den  Bänken  und  der  Aufsenmauer       1,00  m 
Drei  zweisitzige  Bänke,  jede  1,20  m  lang  3,60    „ 

Zwei  Durchgänge  zwischen  den  Bänken,  jeder  von  0,60  m  1,20    „ 
Raum  zwischen  den  Bänken  und  der  Innenmauer         0,80   „ 

Summa  6,60  m. 

Auf  diese  Weise  erhält  man  62,04  qm  Grundfläche,  d.  h. 
1,48  qm  für  jeden  Schüler.  Wenn  wir  aufserdem  4,5  m  als 
beste  Höhe  festsetzen,  so  wird  der  Klassenraum  279  kbm 
betragen,  so  daJs  bei  42  Schülern  6,64  kbm  auf  jeden 
entfallen. 

Nun  würden  alle  diese  Bedingungen  nicht  genügen,  um  voll- 
ständig den  Erfordernissen  einer  guten  Klasse  zu  entsprechen, 
wenn  nicht  zugleich  die  Fenster  richtig  angebracht  sind.  Bei 
der  Ausmessung  derselben  hat  man  auf  die  besonderen  Bedürf- 
nisse der  Klasse  und  auf  die  Bedingungen,  unter  denen  in 
derselben  gearbeitet  werden  soll,  zu  achten.  In  vielen  Schulen 
und  Konvikten  von  Palermo  fällt  das  licht  von  rechts  ein, 
was  schwere  Unzuträglichkeiten  veranlagt.  Denn  hierbei  sieht 
der  Schüler,  sobald  er  schreibt,  den  Schatten  seiner  eigenen 
Hand  oder  der  Feder  auf  dem  Papier;    dieser  Schatten  wird 


69 

den  Bewegungen   der   Hand   folgen   und   dem   Zögling   eine 
unangenehme  Empfindung   in  den  Augen   bereiten,    die    das 
Sehen  erschwert  und  ihn  bald  zur  Einstellung  der  Arbeit  zwingt. 
Das  von  hinten  kommende  Lieht  bringt  noch  grossere  Übel- 
stftnde  mit  sich,  da  auf  dem  Blatte  oder  Buche  der  Kopf  des 
Schreibenden    als  Schatten    erscheint.      Wenn   das  Licht  von 
rechts  und   links   zugleich  einfallt,   so  wird  der  Schüler  über 
Schwere  im  Kopfe,   sowie  Blendung  der  Augen  klagen  und 
sehlieJslich  gleichfalls  die  ihm  lästige  Arbeit  aufgeben.      Nur 
das  ausschlieüslich  von  der  linken  Seite  kommende  Licht  bietet 
keine  dieser  Unbequemlichkeiten  dar.    Es  darf  nicht  zu  intensiv 
sein   und   mufs   doch   für   die  entferntesten  Schüler  genügen. 
Die  Gröfse  der  Fenster  hat  natürlich  im  Verhältnis  zur  Klassen- 
grübe  zu  stehen;   denn  wenn  sie  zu  grofe  sind  gegenüber  der 
Klasse,  so  wird  das  licht  zu  grell  sein,  im  anderen  Falle  nicht 
für  alle  Schüler  ausreichen.    Man  muHs  ferner  verhindern,  daJi 
direkte  Sonnenstrahlen  während  der  Unterrichtszeit  in  das  Schul- 
zimmer fallen,  und  dies  wird  man  erreichen,   indem  man  alle 
Fenster  mit  Ausnahme  derjenigen  nach  Norden,  Nordosten  und 
Nordwesten  mit  Vorhängen  oder  Läden  versieht.     Diese  Läden 
sind  auch  zu  schliefsen,   sobald  heilse  Winde  wehen,  die  bei 
uns  nicht  selten  vorkommen;  zugleich  muis  man  dann  in  den 
Pausen  den  Fuüsboden  der  Klassen  mit  Wasser  besprengen. 

Zur  Vervollständigung  meiner  Betrachtung  will  ich  jetzt 
auf  die  Beschaffenheit  der  Schulgebäude  von  Palermo  hinweisen. 
Im  allgemeinen  entsprechen  dieselben  nicht  den  gesundheitlichen 
Anforderungen  und  den  Erziehungszwecken,  welchen  sie  dienen 
sollen«  Besonders  die  Elementarschulen  sind  sehr  ungesund 
und  befinden  sich  in  den  sohlechtesten  Räumlichkeiten,  als  ob 
die  Kinder  des  Volkes  nicht  auch  das  Recht  hätten,  wie  die 
anderen,  gesunde  Luft  zu  atmen,  anstatt  in  einer  Atmosphäre 
erstickt  zu  werden,  welche  nicht  Leben,  sondern  Gift  ist. 
Viele  Schulen  liegen  inmitten  geräuschvoller  Straten  im  Erd- 
geechoJs,  so  daJb  sie  feucht  sind.  Vergleicht  man  indessen  den 
gegenwärtigen  Zustand  der  Lehranstalten  mit  dem  vor  unserer 
politischen  Wiedergeburt,   so   laust   sich   nicht   leugnen,    dafs 


70 

unsere  Behörde  viele  Schwierigkeiten  hat  überwinden  müssen, 
um  würdig  für  den  öffentlichen  Unterricht  zu  sorgen.  Und  wenn 
auch  die  alten  Schulgebäude  den  hygienischen  Ansprüchen 
nicht  genügen,  so  steht  doch  zu  hoffen,  dafe  sich  neue,  bessere 
erheben  werden,  wozu  man  jetzt  schon  einen  erfreulichen  Anfang 
gemacht  hat. 

Dafe  die  Regierung  zur  geistigen  Entwiokelung  unseres 
Volkes  nicht  wenig  beigetragen  hat,  beweist  die  Thatsache  der 
Verminderung  der  Analphabeten,  welche  vor  1860  in  Palermo 
sehr  zahlreich  waren.  Zum  Beweise  für  diese  Thatsaohe  wollen 
wir  die  letzte  statistische  Zusammenstellung  aus  den  Ehestands- 
registern anführen,  die  auf  eine  langsame,  aber  sichere  Abnahme 
der  Analphabeten  hindeutet.  Im  Durchschnitt  kamen  hiernach 
in  Italien  im  Jahre  1872  auf  100  Erwachsene  66  Analphabeten, 
1873  64,  1875  65,  1876  63,  1877  62,  1878  und  1879  je  59, 
1880  56,  1881  59,  1882  und  1883  je  57,  1884  56,  1885  55. 
Die  erfreulichsten  Berichte  kommen  uns  aus  Piemont,  dem 
gebildetsten  Teile  Italiens,  zu.  Die  unerfreulichsten  bietet 
Sicilien,  wo  sich  die  Zahl  der  Analphabeten  von  85%  nur  auf 
76%  verminderte,  wo  jedoch  Palermo  die  bemerkenswerteste 
Abnahme  zeigt.  Wir  sprechen  nicht  von  der  Statistik  vor 
1860,  denn  es  würde  schmerzlich  sein,  in  jene  Zeiten  zurück- 
zugreifen, wo  die  Unwissenheit,  die  Vorurteile  und  der  Aber- 
glaube den  Schutz  einer  barbarischen  und  despotischen  Regierung 
genossen. 

Um  diese  Vorurteile  zu  beseitigen,  muis  die  Regierung 
daran  denken,  unsere  Schulen  zu  verbessern,  indem  sie  für  die 
physische  und  moralische  Erziehung  des  Volkes  sorgt  und  nicht 
nur  für  die  gesunde  Einrichtung  der  Schulräume.  Dabei  darf 
man  den  Zweck  der  heutigen  Schule  nicht  vergessen.  Die 
Primärschule  geht  darauf  aus,  eine  möglichst  kenntnisreiche, 
aber  vornehmlich  gesittete,  thätige,  der  Familie  nützliche  und 
dem  Vaterlande  ergebene  Bevölkerung  heranzubilden.  Daher 
müssen  die  Lehrer  sich  nicht  nur  bemühen,  die  besten  Unter- 
i  chtsmethoden  anzuwenden,  sondern  auch  geschickt  sein,  die 
Schule  zur  Trägerin  sittlicher  Güter  zu  machen.      Mögen  sie 


71 

daran   denken,    daJs    die    Kinder   nicht   nur   die   Mühe    und 
Anstrengung  des  Lernens  ertragen  sollen,    sondern    dafe    der 
Schulunterricht  sie  auch  dahin  führen  soll,  später  und  aus  sich 
seibist  das  Werk  der  eigenen  Erziehung  zu  vollenden.     Mögen 
sie  sich  außerdem  erinnern,    dafs   die  beste  Übung  nicht  das 
mechanische  Lernen  ohne  Verständnis  ist,  sondern  die  geistige 
Mitwirkung  des  Schülers,  die  durch  geschicktes  Fragen  angeregt 
wird.     Das  Suchen  nach  Wahrheit  bildet  eine  der  wichtigsten 
Quellen  der  Teilnahme  und  Freude  am  Lernen.     Eine  solche 
Lehrmethode  mufs  aber  zugleich  mit  einer  gesunden  physischen 
Erziehung  verbunden  sein.     Für  letztere  genügt  nicht  die  ge- 
wöhnliche Gymnastik,  Bewegungen  der  Arme  aufwärts,  abwärts, 
vorwärts    und   rückwärts,  sondern  die    Glieder    müssen    auch 
kräftig  und  geschmeidig  gemacht  werden  durch  verschiedenartige 
Übungen.     Dies  hat  jedoch  immer  mä&ig  und  stufenweise  zu 
geschehen,   ohne  dals  man  die  jungen  Körper  zu  einer  schäd- 
lichen Überanstrengung  verurteilt. 

Unsere  Turnhalle  in  Palermo,  deren  Fenster  aller  Hygiene 
zum  Trotze  fortwährend  geschlossen  sind,  müfste  den  jungen 
Leuten  bessere  Gelegenheit  bieten,  sich  in  den  körperlichen 
Übungen  zu  vervollkommnen,  und  zu  allen  Tagesstunden  zu- 
gänglich sein.  Nur  so  können  dereinst  aus  unseren  Schulen 
Männer  hervorgehen,  die  im  stände  sind,  allen  Anforderungen 
des  Lebens  zu  entsprechen,  nur  so  wird  die  Entwickelung  des 
Knaben  eine  kräftige  und  vollkommene  sein. 

Diese  Entwickelung  darf  aber  auch  durch  geistige  Überbür- 
dung nicht  gehemmt  werden.  Die  Unterrichtsgegenstände  gehen 
in  unseren  Schulen  über  das  zulässige  Mais  hinaus.  Die  Knaben 
sind  zu  sehr  mit  häuslichen  Arbeiten  belastet,  wie  dies  die 
Eltern  oft  und  nicht  mit  Unrecht  betonen.  Durch  diese  über- 
triebene geistige  Anspannung  wird  krankhaften  Zuständen  des 
Gehirns  von  ernsthafter  Bedeutung  Thürund  Thor  geöffnet;  gar 
oft  ruft  die  Überanstrengung  einen  kongestiven  Zustand  des- 
selben hervor,  und  man  sieht  Knaben,  welche  eine  arithmetische 
Aufgabe  zu  lösen  oder  einen  Aufsatz  zu  schreiben  haben,  mit 
gerötetem  Kopfe  dasitzen,    indem  sie  sich   schläfrig   über  die 


72 

Rechentafel  beugen  oder  die  Feder  auf  das  Papier  fallen  lassen. 
Wenn  die  Lehrer  Wülsten,  wie  sehr  die  übertriebene  Arbeit  die 
Einbildungskraft  erregt,  den  Willen  schwächt  und  ein  Mife- 
verhältnis  in  den  geistigen  Fähigkeiten  erzeugt,  sie  würden  sich 
hüten,  die  Knaben  mit  Aufgaben  zu  überbürden,  und  sie  würden 
es  vermeiden,  daJs  dieselben  sich,  kaum  nach  Hause  zurück- 
gekehrt, in  den  Naohmittagsstunden  an  die  Arbeit  begeben, 
wo  gerade  die  Ruhe  Erquiokung  nach  den  geistigen  Anstren- 
gungen des  Tages  bieten  sollte. 

Indessen  trotzdem  die  Eltern  die  Lehrer  darauf  aufmerksam 
machen,  dafs  das  übertriebene  Arbeiten  für  das  Wohl  der 
Kinder  schädlich  ist,  so  gehen  sie  doch  nicht  in  sich,  sondern 
verlangen  selber  Wunderdinge  von  ihren  Söhnen.  In  gewissen 
Schulen  und  besonders  in  vielen  Privatinstituten,  welohe  die 
Mode  und  der  Fanatismus  unserer  aristokratischen  Familien 
bis  zum  siebenten  Himmel  erhebt,  wirft  man  die  verschieden- 
artigsten Disciplinen  bunt  durcheinander;  man  treibt  dort  Kalli- 
graphie, Zeichnen,  Arithmetik,  Geometrie,  Italienisch,  Französisch, 
Deutsch,  die  Anfangsgründe  des  Lateinischen,  des  Griechischen 
und  der  Naturwissenschaften.  Alles  dieses  wird  von  den 
Schülern  oft  mit  groJsem  Widerwillen  gelernt,  oder  sie  memo- 
rieren eine  lange  Reihe  von  Versen,  bezw.  ein  Kapitel  aus  der 
biblischen  oder  vaterländischen  Geschichte,  indem  sie  mit  solchen 
Gedächtnisspielereien,  welche  kaum  einen  anderen  Namen  ver- 
dienen, das  jammervolle  Bild  eines  schwächlichen,  bald  ver- 
gessenen Wissens  darbieten.  Wie  wahr  dies  ist,  beweist  die 
Thatsache,  daJs  diejenigen,  welche  sich  in  den  Instituten  am 
meisten  hervorthaten,  in  der  Gesellschaft  später  die  unwissend- 
sten und  ungebildetsten  sind,  ein  seltsamer  Gegensatz  zu  den 
Zeiten,  in  denen  sie  als  Schüler  die  Siegespalme  davontrugen, 
weil  sie  am  besten  zu  memorieren  verstanden. 

Abgesehen  von  der  Überbürdung  des  Geistes  erwächst 
noch  eine  andere  traurige  Folge  für  die  Jugend  durch  die 
religiöse  Erziehung  bei  uns.  In  vielen  Schulen  macht  man  zu 
starken  Gebrauch  von  den  religiösen  Vorstellungen;  ioh  habe 
dabei  besonders  gewisse  Privatschulen  im  Sinne.     Die  Erzieher 


73 

erregen  durch  ihre  Erzählungen  von  dem  zukünftigen  Leben, 
von  den  Wundern,  von  den  Leiden  der  Märtyrer  zu  sehr  die 
jugendliche  Phantasie.  Infolgedessen  werden  die  Kinder  eine 
Beute  dee  nächtlichen  Aufechreckene  (pavor  nocturnus),  ihr 
Schlaf  ist  gestört,  und  ihre  körperlichen  Funktionen  erfahren 
eine  Hemmung. 

Nicht  nur  die  Zahl  der  Unterriohtsgegenstände  bedarf 
der  Beform,  sehr  viel  kommt  auch  auf  die  Dauer  der  Schul- 
stunden an.  Man  mufs  auf  die  letzteren  ebenso  grofse  Bäcksicht 
nehmen,  wie  auf  die  Tage  und  Monate  des  Jahres,  welche  zum 
Lernen  dienen  sollen.  Für  diejenigen  Knaben,  welche  nicht 
wenigstens  das  Alter  von  9  Jahren  erreicht  haben,  sehe  ich  es 
als  schädlich  an,  sie  länger  als  20  Minuten  zur  Aufmerksamkeit 
zu  zwingen,  und  auch  für  die  Schüler  vom  9.  bis  14.  Jahre 
würde  ich  empfehlen,  nioht  über  V*  Stunde  mit  den  einzelnen 
Lektionen  bei  ihnen  hinauszugehen.  Vom  14.  bis  zum  18.  Jahre 
dagegen  könnte  sich  die  Unterrichtsdauer  für  die  verschiedenen 
Disciplinen  bis  zu  einer  vollen  Stunde  ausdehnen,  doch  thut 
man  gut  daran,  zwischen  jede  Stunde  eine  Pause  zu  legen. 
Denn  um  die  Lektionen  fruchtbar  zu  machen,  dürfen  sie  nioht 
unmittelbar  aufeinander  folgen,  sondern  der  Schüler  muJs  Zeit 
zur  Assimilierung  und  Verarbeitung  des  vorgetragenen  Stoffes 
erhalten.  Ich  erinnere  mich  aus  meiner  Schülerzeit,  dafe  die 
Schulstunden  ohne  Unterbrechung  aufeinander  folgten  von 
8  Uhr  morgens  bis  2  Uhr  nachmittags,  und  man  kann  sich 
denken,  ob  ich  Zeit  hatte,  die  schwierigen  Schriften  des 
Aristoteles  und  die  Werke  eines  Eoraz  zu  verdauen. 

In  den  Gemeindeelementarschulen  geht  man  in  einer  Be- 
ziehung auch  viel  zu  weit,  indem  man  die  von  der  heifsen 
Jahreszeit  gezogenen  Schranken  überschreitet.  Die  Schulen 
setzen  ihre  Thätigkeit  bis  zur  größten  Hitze  fort,  und  die 
Ferien  beschränken  sich  zum  offenbaren  Schaden  der  Schüler 
and  Lehrer  auf  nur  2  Monate.  Auch  bei  uns  sind  im  Hoch- 
sommer die  ernsten  Studien  unmöglich,  und  hier  in  Sicilien 
müßten  die  Schulen  eher,  als  in  den  anderen  Teilen  des  König- 
reiches der  Hitze  wegen  geschlossen  werden. 


74 

Zum  Schlüsse  weise  ich  noch  auf  die  Examina  hin.  Die- 
selben sollten  in  den  Elementarschulen  aufgehoben  werden,  weil 
sie  nur  dazu  dienen,  einerseits  Eitelkeit  und  Prahlsucht,  anderer- 
seits Mutlosigkeit  in  den  Herzen  der  Schüler  zu  erzeugen.  Sogar 
Selbstmorde  sind  dadurch  veranlafst  worden.  Ich  erinnere  mich 
eines  jungen  Knaben  in  Palermo,  der,  weil  er  nach  dem  Examen 
nicht  versetzt  worden  war,  sich  vergiftete;  der  Unglückliche 
war  der  Sohn  des  Apothekers  Gampisi.  Derartige  Gemütsver- 
irrungen infolge  von  Prüfungen  sind  im  frühesten  Alter  nicht 
selten.  Treffend  sagt  Andral  in  Bezug  auf  die  Entmutigung 
und  die  Eifersucht  der  Schüler  bei  Gelegenheit  der  Examina: 
„Die  Knaben  sind  mehr,  als  man  glauben  sollte,  Werkzeuge 
der  Erwachsenen,  und  aus  den  nichtigsten  Gründen  wird  sogar 
ihre  körperliche  Wohlfahrt  aufs  Spiel  gesetzt.  Die  Methode 
der  Prüfungen  ist  unvollkommen,  und  man  würde  besser  thun, 
sie  aufzuheben  und  sich  mit  einem  Zeugnis  des  Lehrers  zu 
begnügen,  dafs  der  Schüler  anstatt  auswendig  gelernter  Stoffe 
ein  gesundes  Urteil  und  gehörige  Denkfähigkeit  besitzt. tf 

Nur  mit  solchen  Beformen,  durch  die  man  die  Gegen- 
stände des  Lernens  vermindert,  die  Dauer  der  Unterrichts- 
stunden regelt  und  die  Examina  beseitigt,  wird  man  dazu 
gelangen,  die  intellektuellen  Fähigkeiten  unseres  jungen 
Geschlechts  zu  heben,  indem  man  an  Stelle  der  Vorurteile 
und  der  Unwissenheit  eine  wahrhaft  fruchtbringende  Erziehung 
setzt. 


75 


Schulhygienisches  ans  den  Vereinigten  Staaten. 

Von 

Dr.  phil.  Leo  Burgerstein, 

Oberrealschulprofessor  in  Wien. 

Der  nachahmenswerte  reichhaltige  „Report  of  the  com- 
missioner  of  education" ,  welcher  zweifellos  für  die  Entwickelung 
der  öffentlichen  Erziehung  in  den  Vereinigten  Staaten  von 
unschätzbarer  Bedeutung  ist,  wurde  in  dieser  Zeitschrift 
wiederholt  citiert.1  Er  zeigt  unter  der  Leitung  des  Bureaus 
durch  den  Commissioner  N.  H.  R.  Dawson  wieder  weitere 
Fortschritte  darin,  dais  die  neueren  Jahrgänge  der  Schulhygiene 
mehr  Aufmerksamkeit  schenken,  als  die  vorhergehenden.  Es 
sei  daher  erlaubt,  etwas  ausführlicher  darauf  einzugehen. 

Was  zunächst  den  Unterricht  in  der  Physiologie 
und  Hygiene  mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Ein- 
Wirkungen  der  Alkoholika,  Stimulantia  und  Narkotika  auf 
den  Menschen  betrifft,  so  legen  die  Berichte  der  einzelnen 
Staaten  dar,  mit  welcher  Energie  derselbe  meist  in  sämtlichen 
Klassen  aller  der  staatlichen  Kontrolle  unterworfenen  Schulen 
eingeführt  und  betrieben  wird.  Summarisch  sei  hier  nur 
bemerkt,  dais  ihn  die  Schulkinder  in  irgend  einem  Abschnitte 
ihres  Schullebens  in  24  von  den  38  Staaten  bereits  erhalten. 
Mehrfach  wird  erwähnt,  dafs  dieser  Unterricht  einigem  Wider- 
spruch seitens  der  Eltern  begegnet,  aber  trotzdem  zusehends 
festen  Fufe  fafst  und  bezüglich  seiner  Nützlichkeit  immer 
grössere  Würdigung  findet.  An  der  Opposition  scheint  meist 
der  Umstand  schuld  zu  sein,  dais  die  Eltern  zum  Ankaufe 
des  betreffenden  Schulbuches  für  ihre  Kinder  yeranlafst  werden. 
Der  Frage  der  Beschaffung  bestmöglicher  Schulbücher  für  den 


1  I.  Jahrg.,  1888,  No.  3,  8.  95;  II.  Jahrg.,  1889,  No.  7,  8. 369—871 
HL  Jahrg.,  1890,  No.  10,  S.  613—619. 


76 

neuen  Gegenstand  wenden,  wie  ans  den  Einzelberichten  hervor- 
geht, die  kompetenten  Faktoren  vielfach  grobe  Aufmerksamkeit 
zu.  Eben  diese  Berichte  lassen  auch  erkennen,  dafe  die 
Statuten  mancher  Staaten  auf  die  mangelhafte  Befolgung  der 
Vorschriften  hinsichtlich  des  Hygieneunterriohtes  die  Strafe 
der  Entlassung  für  die  Lehrpersonen  gesetzt,  sowie  angeordnet 
haben,  dafs  von  einem  bestimmten,  seit  mehreren  Jahren  bereits 
überschrittenen  Termine  an  nur  solche  Lehrer  angestellt  werden 
dürfen,  welche  ein  Lehrbefähigungszeugnis  für  den  Hygiene- 
unterricht beigebracht  haben. 

Der  State  board  of  health  von  New  Hampshire  hat  eine 
sanitäre  Statistik  der  Sohulhäuser  begonnen;  ein  Bogen 
mit  50  Fragen  nebst  praktisch  eingerichteter  Beilage  zur 
bequemen  Einzeichnung  der  Grundrisse  von  Schulbauten  wurde 
ausgeschickt,  und  Mitteilungen  über  1288  Schulhäuser  liefen  als 
Antworten  ein.  Eine  Reihe  von  Übelständen,  welche  bei 
dieser  Gelegenheit  zu  Tage  traten,  sind  mit  Zifferbelegen  ver- 
öffentlicht worden ;    es   dürfte  dies  wohlthätige  Folgen  haben. 

Aus  dem  Schulgesetz  für  Oregon  vom  Jahre  1887  findet 
sich  eine  Reihe  von  Artikeln  angeführt,  betreffend  örtlichkeit, 
Bauplatz,  Orientierung,  Plan,  Gröfse,  Wandverkleidung,  Aborte, 
Lehrmittel,  Einrichtung  der  Schulhäuser. 

Von  mehreren  Stellen  wird  über  Versuche,  die  Ven- 
tilation zu  verbessern,  berichtet. 

Die  für  die  Schuljugend  unabweisbare  Forderung  einer 
intensiveren  physischen  Ausbildung  und  eines  syste- 
matischen Betriebes  derselben  durch  entsprechend  vorgebildete 
Lehrer,  besonders  in  den  niederen  Schulen,  tritt  uns  gleichfalls 
entgegen.  Von  verschiedenen  Stellen  wird  über  Fortschritte 
in  dieser  Hinsicht  berichtet.  Williams  College,  Massachusetts, 
hat  55000  Dollars  für  ein  „gymnasium"  ausgegeben,  Trinity 
College,  Connecticut,  baut  ein  solches,  wofür  35000  Dollars 
veranschlagt  sind.  Andererseits  ist  in  den  statistischen  Tabellen 
die  Frage,  ob  die  Schule  Fürsorge  für  die  körperliche 
Ausbildung  ihrer  Zöglinge  getroffen  habe,  nicht  immer 
bejaht. 


77 

Körperliche  Züchtigung  der  Schulkinder  wurde  in 
mehreren  Staaten,  wo  sie  bis  dahin  bestand,  abgeschafft 

Aus  Professor  N.  J.  Bystroffs  (St.  Petersburg)  Beobach- 
tungen, Schulkopfschmerz  betreffend,  erfahren  wir,  dafs 
derselbe  bei  11,6%  von  7478  Kindern  beiderlei  Geschlechts 
vorkam. 

Die  Augenfrage  erörtern  mehrere  Berichterstatter.  Einer 
bemängelt,  dafe  von  den  Augenhygienikern  gerade  16  Zoll1 
als  Entfernung  der  Schrift  vom  Auge  gefordert  werden;  für 
diese  bestimmte  Zahl  seien  keine  sicheren  Anhaltspunkte  vor- 
handen. 

Aus  Memphis,  Tenessee  wird  eine  Untersuchung  der 
Augen  von  681  Schulkindern  gemeldet.  Unter  diesen 
hatten  588  volle  Sehschärfe,  90  anomale,  davon  60  aus  allge- 
meinen Ursachen,  30  infolge  von  Überanstrengung.  Die  Zahl 
der  Kurzsichtigen  steigt  von  einem  kaum  nennenswerten 
Prozentsatz  bis  15%  in  der  obersten  Klasse.  Die  Bander 
gehörten  zweierlei  Schulen  an,  einer  schlecht  gebauten  alten 
und  einer  gut  gebauten  neuen;  die  Augen  Untersuchung  ergab 
Ar  die  korrespondierenden  Klassen  gewaltige  Unterschiede  in 
4er  Häufigkeit  der  Kurzsichtigen  zu  Gunsten  der  neuen  Schule. 

Dr.  EL  P.  Allen,  Columbus,  Ohio,  untersuchte  1886 — 1887 
4700  Kinder  in  120  Schulen  der  Stadt  an  den  Augen.  Die 
Untersuchung  geschah  während  der  Schulstunden.  Es  wurde 
der  Brechzustand  und  die  Sehschärfe  notiert  und,  wo  nötig,  die 
passende  Brille  bestimmt.  Die  Resultate  waren  folgende: 
Unter  den  4700  Schulkindern  hatten  1175  oder  25%  ein 
oder  zwei  fehlerhafte  Augen.  Beide  Augen  waren  fehlerhaft 
bei  936  oder  20%.  Die  Zahl  der  Kurzsichtigen  stieg  von 
0%  bei  den  Sechsjährigen  bis  auf  11,3%  bei  den  Siebzehn- 
jährigen. Der  ungefähr  gleichbleibende  Prozentsatz  der  übrigen 
Augenleiden  zeigt  deren  Unabhängigkeit  vom  Alter  und  der 
Arbeitsleistung  der  Kinder.    Die   guten   Augen   verminderten 


1  Wann  werden  die  gebildeten  Amerikaner  sich  endlich  bezüglich 
HetemaXaes  dem  Weltverkehre  ansohliefsen?    D.  Ref. 


78 

sich  von  80%  bis  auf  66,6%  in  der  „senior  elass"  der  „high 
school." 

Ähnliche  Augenprüfungen  wurden  in  den  öffentlichen 
Schulen  von  Kansas  city  und  Nevada,  Missouri,  sowie  in  den 
Staatslehrerbildungsanstalten  zu  Warrensburg  und  Kirksville, 
Missouri,  und  in  den  Staatsuniversitäten  von  Missouri  und 
Kansas  durch  Dr.  Flavbl  B.  Tiffany  von  Kansas  city  an- 
gestellt. Von  dem  Genannten  wird  besonders  auf  den  Wert 
rechtzeitiger  Beachtung  und  wenn  möglich  Korrektion  der 
Brechungsfehler  hingewiesen.  Unter  den  2040  Untersuchten 
waren  mit  irgend  einer  Refraktionsanomalie  behaftet: 
von  den  1422  Amerikanern  300  oder  21,1% 

„       „      129  Deutschen 

„       „        26  Franzosen 

„       „        15  Schotten 

„       „        67  Irländern 

„       „        47  Engländern 

„       „        11  Schweden 

„  „  93  Mischlingen 
Von  den  1162  Mädchen  hatten  290  oder  24,9%  einen 
Brechungsfehler,  von  den  878  Knaben  168  oder  19,1%.  Im 
ganzen  litten  13  oder  0,6%  an  Schielen.  94  oder  4,6% 
waren  myopisch,  202  oder  9,9  %  hypermetropisch,  42  oder 
2,06%  astigmatisch;  99  oder  4,8%  hatten  Aooommodations- 
krampf  und  63  oder  3,1  %  latente  Hypermetropie.  Es 
fand  sich  also,  daJs  die  Hypermetropie  überwog.  Wenn  wir 
die  latenten  Hypermetropen  und  die  mit  Acoommodations- 
krampf  —  um  von  den  Astigmatikern  nicht  zu  reden,  deren 
Majorität  hypermetropisch  war  —  hinzuzählen,  so  haben  wir 
364  Hypermetropen  gegen  94  Myopen,  d.  h.  fast  viermal  mehr 
Hypermetropen  als  Myopen,  oder  über  zweimal  soviel,  als  alle 
übrigen  an  Brechungsfehlern  Leidenden  zusammengenommen. 
Es  waren  Schulen  aller  Grade  vertreten,  aber,  ausgenommen 
die  Kansas  state  university,  ist  nirgends  ein  allmähliches  An- 
wachsen der  Myopie  oder  anderer  Augenleiden  zu  bemerken. 
In  sämtlichen  Lehranstalten  tritt  uns  ein  grösserer  Prozentsatz 


32 

n 

24,8. 

5 

7) 

19,2  . 

3 

n 

20,0  „ 

20 

n 

27.8  „ 

8 

, 

17,0  „ 

3 

n 

27,2  „ 

22 

» 

23,6  „. 

79 

der  Leiden  in  den  ersten  Jahren,  dann  eine  ausgesprochene 
Verminderung,  darauf  wieder  ein  deutliches  Ansteigen  entgegen. 
Wahrscheinlich  treten  viele  von  denen,  die  nach  kurzem  Schul- 
besuche eine  Augenstörung  erfahren,  aus.  Daraus  würde  sich 
die  angegebene  Bewegung  des  Prozents  erklären.  Eine  ärztliche 
Untersuchung  der  Schüler  zu  Beginn  jedes  Schuljahres  dürfte 
die  Anomalien  allmählich  vermindern. 

Die  Amerikaner  sind  ein  „reading  people".  Welcher 
Segen  damit  verbreitet  wird,  dafs  die  Lehrerwelt  alljährlich 
eine  so  ausgiebige  Übersicht  über  das  Schulwesen  in  dem  ge- 
waltigsten Staatenbund  der  Erde  samt  dem  Besten,  was  über- 
haupt auf  diesem  Gebiete  geleistet  wird,  erhält,  ist  klar. 


2Us  ^erfammUngen  ttttb  Vereinen. 


Die  Schularxtfrage  in  der  Berliner  Stadtverordneten- 
versammlung. 

Von 

Wilhelm  Sibgert, 

städtischem  Lehrer  in  Berlin. 

Im  November  v.  J.  hatte  der  sozialdemokratische  Stadt- 
verordnete Stadthagbn  in  der  Berliner  Stadtverordnetenver- 
sammlung den  Antrag  gestellt,  Einrichtungen  zur  Unter- 
suchung und  Überwachung  des  Gesundheits- 
zustandes der  Gemeindeschüler  zu  treffen. 

Die  Angelegenheit  wurde  einer  Kommission  zur  Vor- 
beratung überwiesen.  In  dieser  hatte  der  Antragsteller  erklärt, 
dafe  er  die  Einsetzung  einer  Kommission  wünsche,  aus  Ärzten, 
Lehrern  und  Laien  bestehend,  die,  unabhängig  von  der 
äehuldeputation,  eine  dauernde  Überwachung  des  Gesundheits- 
zustandes der  Gemeindeschüler  auszuführen  hätte;  dafe  er 
zweitens    eine    einmalige    ärztliche    Untersuchung  sämtlicher 


80 

Schulkinder  für  notwendig  halte,  um  statistische  Grundlagen 
für  weitere  Schritte  zu  *  gewinnen ;  eventuell  seien  Schulärzte 
anzustellen,  die  sieh  tob  Zeit  zu  Zeit  über  die  hygienischen 
Verhältnisse  der  Schulen  und  der  Schüler  zu  informieren  und 
die  Abstellung  gewisser  Übelstände  zu  bewirken  hätten. 

Am  10.  Dezember  stand  der  Kommissionsbericht  auf  der 
Tagesordnung  der  Stadtverordnetenversammlung.  Die  Kom- 
mission schlug  vor,  sowohl  den  Antrag  Stadthaqhn,  ab  auch 
einen  anderen,  der  dahin  ging,  den  Magistrat  zu  ersuchen,  die 
Sache  der  Deputation  für  öffentliche  Gesundheitspflege  zur 
Vorprüfung  zu  überweisen,  abzulehnen. 

Der  Referent,  Stadtverordneter  Direktor  Dr.  Schwalbe 
führte  folgendes  aus:  Die  Kommission  sei  mit  dem  Stadt- 
schulrat Dr.  Bertram  der  Meinung,  dafs  keine  Veranlassung 
vorliege,  so  weitgehende  und  einschneidende  Malsregeln,  wie 
der  Antrag  Stadthagen  sie  verlange,  zu  beschliefsen.  Der 
Gesundheitszustand  der  Schüler  befriedige  vollauf;  die  Lehrer 
seien  im  stände,  die  Kontrolle  darüber  wirksam  zu  üben;  jeder 
Eingriff  des  Arztes  in  die  inneren  Verhältnisse  der  Schule  sei 
zurückzuweisen.  In  verschiedenen  Städten  Schlesiens  hätten 
sich  die  Eltern  den  Untersuchungen  ihrer  Kinder  durch  Arzte 
widersetzt.  Es  würden  dadurch  zahlreiche  Konflikte  mit  den 
Familien  der  Schüler  hervorgerufen.  Sorgfältige  ärztliche 
Untersuchungen  seien  zeitraubend  und  kostspielig  und  für  die 
Schule  störend.  Man  würde  durch  derartige  Einrichtungen 
schlieisüch  auf  den  sooialdemokratischen  Standpunkt  gelangen. 

Stadtschulrat  Bertram  erklärte  den  Antrag  für  ein  Miß- 
trauensvotum gegen  die  Schuldeputation.  Gerade  diese  hätte 
die  meiste  Erfahrung  über  die  hygienischen  Verhältnisse  der 
Kinder  und  ihrer  Eltern.  Man  möge  doch  daran  zurückdenken» 
was  in  den  letzten  20  Jahren  für  die  Schule  geschehen  sei. 
Es  gehe  nicht  alles  auf  einmal.  Neue  Gedanken  erforderten 
Erfahrung  und  Beobachtung.  Epidemien  hätten  sich  unter 
den  Kindern  bisher  nicht  gezeigt.  Was  würde  die  Annahme 
des  Antrages  nach  au&en  hin  für  einen  Eindruck  machen! 

Die  Versammlung  ersuchte  sohlieMioh  den  Magistrat,  den 


81 

Antrag  der  Deputation  für  öffentliche  Gesundheitspflege  zur 
Vorberatung  zu  überweisen. 

Neuerdings  teilte  der  Magistrat  der  Versammlung  mit, 
dafs  er  sich  einen  Erfolg  davon  nicht  versprechen  könne,  da 
eine  ausreichende  Veranlassung  zu  besonderen  Untersuchungen 
nicht  vorliege. 

Eine  Versammlung  der  Hygienesektion  des  Berliner  Lehrer- 
vereins, die  behufs  Besprechung  des  Antrags  Stadthagen  ein- 
berufen war,  nahm  nach  eingehender  Debatte  den  Antrag  ihres 
Referenten,  Lehrers  Siegert,  an,  wonach  sie  es  für  dringend 
notwendig  erachtet,  dala  eine  aus  Ärzten,  Verwaltungsbeamten, 
Architekten,  Ingenieuren,  Schulleitern  und  Lehrern  zusammen- 
gesetzte Kommission  die  Verhältnisse  sämtlicher  Berliner 
Schulen  nach  ihrer  hygienischen  Seite  untersuche,  für  die 
praktische  Durchführung  anerkannter  Forderungen  der  Schul- 
gesundheitspflege, sowie  für  die  Lösung  streitiger  Fragen  Vor* 
schlage  mache  und  die  Grundsätze  feststelle,  nach  denen  eine 
zweckentsprechende  Mitwirkung  der  Ärzte  bei  der  Beaufsich- 
tigung der  Schulen  zu  erfolgen  habe. 

Leider  hatte  der  Stadtverordnete  Stadthagen  seinem  An- 
trage eine  Spitze  gegeben,  die  im  Interesse  der  Sache  hätte 
vermieden  werden  sollen,  und  die  in  diesem  Falle  um  so 
weniger  Berechtigung  besals,  als  die  Zustände  an  unseren, 
höheren  Schulen  keineswegs  besser  sind,  als  an  den  Gemeinde- 
schulen. 

Welche  Anschauungen  in  den  Kreisen  der  Berliner  Lehrer 
über  die  Angelegenheit  herrschen,  darüber  gibt  ein  Artikel 
des  „Lokalanzeigers"  Kunde.  Es  heifst  hier  unter 
anderem:  „Noch  erfolgt  die  Lüftung  der  Sohulzimmer  vielfach 
nur  zufällig.  An  zahlreichen  Schulen  werden  die  Fenster  nach 
Schluß  des  Unterrichts  nur  selten  geöffnet.  Am  schlimmsten 
sind  die  Luftverhältnisse  dort,  wo  abends  Fortbildungsunter- 
richt erteilt  wird.  Die  Reinigung  der  Sohulräume  wurde 
während  der  Cholerazeit  in  den  Gemeindeschulen  recht  zweck- 
mässig besorgt.  Jetzt  ist  wieder  alles  beim  alten :  wöchentlich 
zweimal  wird  trocken  gefegt;  Fenster,  Paneele,  Korridore  u.  s.  w. 

Schvrigcsundheitspflege  VI.  6 


82 

werden  alle  Jahre  einmal  beim  „grofsen  Reinmachen"  feucht 
aufgenommen.  Über  den  Staub  in  unseren  Turnhallen  ist  sehr 
zu  klagen.  In  den  Lehrerzimmern  der  Gemeindeschulen  fehlen 
trotz  aller  Bitten  immer  noch  Waschbecken  und  Handtücher, 
so  dafe  sich  Lehrer  und  Lehrerinnen  nicht  einmal  zur  Früh- 
stückspause die  Hände  waschen  können.  Die  Bänke  sind  nach 
ganz  altem  Muster,  fast  durchweg  fünf  sitzig,  mit  beträchtlicher 
Plusdistanz.  In  keiner  Schulklasse  finden  sich  Subsellien  von 
verschiedener  Gröfse.  Es  fehlt  an  längeren  Pausen  nach  jeder 
Unterrichtsstunde.  Während  der  Frühstückspause  müssen  die 
Kinder  in  geschlossenem  Zuge  marschieren.  An  nicht  wenigen 
Schulen  ist  das  Wassertrinken  selbst  an  den  heifcesten  Tagen 
verboten.  Im  Sommer  nötigt  man  sechsjährige  Kinder,  um 
7  Uhr  zur  Schule  zu  kommen.  Die  Unter-  und  Mittelklassen 
sind  überfüllt,  die  Ziele  zu  hoch.  Infolgedessen  ist  der  Drill 
UDvermeidlich.  Die  mittelmäßig  und  schwach  Begabten  bleiben 
zurück.  Nicht  selten  werden  völlig  unentwickelte  Sünder  in 
die  Schule  aufgenommen.14 

Das  „Berliner  Tageblatt"  bringt  anscheinend  aus 
Stadtverordnetenkreisen  eine  Mitteilung  über  die  Behandlung 
des  Antrags  Stadthagen,  der  wir  folgende  Sätze  entnehmen. 
„Die  Herren  Dr.  Schwalbe  und  Dr.  Bertram  beschränkten 
sich  darauf,  den  gegenwärtigen  Zustand  als  einen  vollendeten 
zu  preisen,  so  dafs  jedwede  Änderung  in  den  bestehenden 
Einrichtungen  unnütz,  ja  sogar  schädlich  sei.  Und  womit 
begründete  Herr  Dr.  Schwalbe  seine  Ansicht?  Damit,  data 
man  dann  schliefslich  auf  dem  sooialdemokratischen 
Standpunkt  ankommen  würde.  Liegt  darin  eine  Wider- 
legung der  Behauptung,  dafs  es  wünschenswert  sei,  Einrichtungen 
zur  Überwachung  des  Gesundheitszustandes  unserer  Schuljugend 
zu  schaffen?  Wer  sich  solchen  Forderungen  grundsätzlich 
entgegenstellt,  der  verstärkt  mittelbar  jene  Partei,  indem  er 
ihr  immer  neue  Scharen  Mifsvergnügter  in  die  Arme  treibt. 
Der  Standpunkt  des  Berichterstatters  und  des  Magistratsvertreters 
ist  ein  so  engherzig  bureaukratischer ,  dafs  man  ein  gewisse 
Befremden  darüber  nicht  unterdrücken  kann.tt 


83 

Wie  wir  hören,  wird  der  Gegenstand  nach  Neujahr  eine 
Reihe  von  Bezirksvereinen  beschäftigen,  die  kaum  den  An- 
schauungen des  Magistrats  beipflichten  dürfteq. 


Bemerkungen  im  österreichischen  Abgeordnetenhanse 
Aber  das  Turnen  in  den  Mittelschulen  des  Landes. 

In  der  35.  Sitzung  der  XI.  Session  des  österreichischen  Hauses 
der  Abgeordneten  fahrte  Dr.  von  Hofmann  folgendes  aus: 

Ich  glaube,  dafs  von  einer  harmonischen  Ausbildung  der  mensch- 
lichen Anlagen  und  Fähigkeiten  in  unseren  Mittelschulen  absolut 
sieht  die  Rede  ist.  Die  Leibesübungen,  welche  das  Gegengewicht 
gegen  die  geistige  Anstrengung  bilden  sollten,  sind  auf  das  geradezu 
alkrspärlichste  Mals  beschränkt  oder  gar  nicht  vorhanden.  Wir 
haben  im  besten  Falle  zwei  Stunden  Turnen,  aber  das  Merkwürdige 
dabei  ist,  daß  man  auch  da  einen  Unterschied  gemacht  und  die 
zwei  Stunden  Turnen  an  den  Realschulen  als  obligat  eingeführt  hat, 
an  den  Gymnasien  aber  nicht.  Wenn  ich  recht  unterrichtet  bin,  so 
bestehen  bis  jetzt  nur  vier  Gymnasien,  in  welchen  der  Turnunter- 
richt obligatorisch  ist.  Es  berührt  dies  um  so  seltsamer,  meine 
Herren,  wenn  Sie  bedenken,  dafs  es  in  dem  Programme  für  den 
Unterriebt  im  Turnen  an  den  Realschulen  Österreichs  unter  anderem 
heilst:  „Der  Turnunterricht  ist  ein  unentbehrlicher  Bestandteil  der 
Erziehung  und  des  Unterrichtes tt ,  dafs  dort  weiter  gesagt  wird: 
„Das  Turnen  hat  eine  ganz  unersetzliche  Bedeutung  für  die  Gesund- 
heit", ferner:  „Der  Einfluß  des  Turnens  auf  die  geistige  Ent- 
«ickelung  ist  unschätzbar ".  Nun  frage  ich:  Wenn  dies  so  ist  — 
nd  ich  unterschreibe  jeden  dieser  Sätze  — ,  warum  ist  denn  für 
die  Gymnasien,  die  doch  von  einer  viel  gröfseren  Anzahl  von 
Schülern  besucht  werden,  als  die  Realschulen,  das  Turnen  nicht  ebenso 
wichtig,  wie  für  die  Realschulen?  Die  Antwort  darauf  ist  allerdings 
schwer  zu  erteilen. 

Ich  möchte  mir  bei  dieser  Gelegenheit  anch  gestatten,  mit 
einigen  Worten  auf  die  wichtigsten  Wünsche  unserer  Turnlehrer  ein- 
zugehen. Dieselben  gehen  zunächst  dahin,  dafs,  sobald  es  irgend 
angeht,  wenn  möglich  schon  für  das  nächste  Schuljahr,  der  Turn- 
mterricht  wenigstens  an  demjenigen  Gymnasien,  an  welchen  heute 
bereits  entsprechende  Turnräume  vorhanden  sind,  für  obligatorisch 
erklärt  werde.  Ich  bemerke  nebenbei,  dafs  in  Ungarn  schon  durch  das 
Mittelschulgesetze  vom  Jahre  188S  das  Turnen  als  obligatorischer 
Unterrichtsgegenstand  in  die  Gymnasien  eingeführt  wurde. 


84 

Die  Abnahme  des  Erbgrinds  unter  den  französischen 

Rekrnten  nnd  Schulern. 
Ans  der  medizinischen  Akademie  in  Paris. 

In  der  Sitzung  der  französischen  Akademie  der  Medizin,  welche 
am  22.  November  v.  J.  anter  dem  Vorsitze  des  Herrn  M.  A.  Reönauld 
stattfand,  machte  Herr  Fkulard  Mitteilung  über  die  Abnahme  des 
Erbgrinds  oder  Favus  unter  den  Rekruten  und  Schülern  Frankreichs.  Er 
stützte  sich  dabei  nach  „Le  Progr.  mSd.a  auf  dieselben  Dokumente, 
wie  Herr  Bergeron  im  Jahre  1860  und  er  selbst  im  Jahre  1886. 

Von  1841  bis  1849  hatte  Herr  Bergsron  1000  bis  1100 
Rekruten  gefunden,  welche  wegen  Favus  zurückgestellt  wurden.  Von 
1850  bis  1860  gab  es  deren  nur  noch  800.  In  den  Jahren  1873 
bis  1885  aber  sah  Herr  Feulard  die  Zahl  auf  300  fallen,  nnd  von 
1887  bis  1891  ist  dieselbe  sogar  auf  192  gesunken.  Nichts  würde 
leichter  sein,  als  diese  Krankheit  des  behaarten  Kopfes  vollständig 
in  Frankreich  auszurotten.  Man  brauchte  nar  die  Militärpflichtigen 
wegen  derselben  nicht  mehr  vom  Dienste  zu  befreien,  sondern  sie 
auszuheben  und,  nachdem  sie  in  den  Lazaretten  geheilt,  zu  den  Regi- 
mentern zu  schicken. 

Auch  in  den  Schulen  hat  die  genannte  Erkrankung  der  Haare 
abgenommen.  Um  noch  weitere  Fortschritte  nach  dieser  Richtung 
zu  erzielen,  würde  es  sich  empfehlen,  ebenso  wie  die  Stadtschulen, 
auch  die  Landschulen  einer  regelmäßigen  ärztlichen  Inspektion  zu 
unterwerfen.  Dann  könnten  sämtliche  FavusftUe  sofort  bei  ihrem 
Auftreten  in  Behandlung  genommen  und  eine  weitere  Verbreitung 
derselben  durch  Ansteckung  verhindert  werden. 


kleinere  ittttteüuugeu. 


Drei  Vorkämpfer  für  die  körperliche  Ausbildung  der 
Gymnasiasten.  Die  „Dtsche.  Turnztg."  bringt  einen  Aufsatz  von 
W.  Krampe:  „Der  LoRiNSERsche  Schulstreit",  welcher 
interessante  historische  Mitteilungen  enthält.  Der  Verfasser  gibt 
zunächst  den  Inhalt  der  bekannten  Arbeit  von  Medizinalrat  Lorinser 
„Zum  Schutze  der  Gesundheit  in  den  Schulen"  an,  welche 
1836  in  der  „Medizinischen  Zeitung  des  Vereins  für  Heilkunde 
in  Preufsen"  erschien.  Es  heifst  hier  unter  anderem:  „Der 
Leib  ist  bei  der  vielfach  veränderten  Lebensweise  zarter, 
gebrechlicher  und  von  Reizmitteln  abhängig  geworden,  die  den  Vor- 
fahren fremd  gewesen  sind.      Die   wesentliche  Energie  des  Lebens 


85 

ist  gesunken,  und  in  dem  Mafse,  wie  die  Sinne  beweglicher  und 
die  Triebe  begierlicher  geworden,  haben  Geist  und  Körper  an  Festig- 
keit  und  Widerstand  verloren."  "Weiter  schreibt  Lorinser:  „Um 
diese  krankhaften  Anlagen  des  Körpers  wie  des  Geistes  zu  steigern 
und,  wo  sie  noch  nicht  vorhanden  sind,  hervorzurufen,  dazu  gibt  es 
in  der  That  keine  wirksameren  Mittel,  als  diejenigen,  welche  man 
heutzutage  auf  den  meisten  deutschen  Gymnasien  in  Anwendung 
bringt  Diese  Mittel  bestehen  in  der  Vielheit  der  Unterrichts- 
gegenstände, in  der  Vielheit  der  Unterrichtsstunden  und  in  der  Viel- 
heit der  häuslichen  Aufgaben.  Das  erste  ist  vorzüglich  zur  Ver- 
irrung  und  Abstumpfung  des  Geistes  geeignet,  das  zweite  hält  die 
utnrgemäfse  Ausbildung  des  Körpers  zurück,  und  durch  das  dritte 
wird  vorgebeugt,  dafs  diese  beiden  Wirkungen  nicht  aufser  der 
Sdrale  wieder  aufgehoben  werden."  Beweise  für  diese  Vorwürfe 
werden  freilich  von  Lorinser  nicht  erbracht.  Derselbe  führt  seine 
Behauptungen  nur  noch  etwas  weiter  aus,  wenn  er  sagt:  „Die  Er- 
scheinung, dafs  in  den  Hervorbringungen  des  Genies  in  neuester 
Zeit  mit  sehr  wenigen  Ausnahmen  ein  gewisser  kränklicher  Charakter 
von  Überspannung  und  Übersättigung  kaum  zn  verkennen  ist  und 
auch  die  gründliche  Gelehrsamkeit,  wie  man  behauptet,  von  Tag  zu 
Tag  seltener  wird,  gehört  zu  den  allgemeinen  Lebensäufserungen 
unseres  Zeitalters ;  sie  Mit  aber  zum  Teil  und  besonders  auch  der 
Schule  zur  Last,  die  den  Menschen,  der  eine  Einheit  von  Körper 
md  Geist  ist,  fast  als  einen  puren  Geist  von  unermeßlicher  Kapaci- 
Ukt  zn  betrachten  sich  angewöhnt  hat."  Dieser  Treibhauskultur, 
welche  anhaltendes  Sitzen  fordert,  schreibt  er  das  verkümmerte 
Aussehen  der  Jugend  und  ihren  Mangel  an  Frische  und  Unbefangen- 
heit zu.  „Das  peinliche  Gefühl,  welches  zu  Anfang  der  sitzenden 
Lebensweise  sich  einstellt,  wird  freilich  in  der  Folge  durch  Gewöh- 
nung allmählich  abgestumpft,  in  der  Jugend  aber  um  so  nachteiliger 
empfanden,  weil  hier  der  Trieb  nach  Bewegung  ungleich  stärker  und 
lebhafter  und  im  Knabenalter  jede  Faser  noch  voll  Regsamkeit  ist. 
Indem  die  nach  aufsen  strebende  organische  Thätigkeit  zurück- 
gehalten und  gehemmt  wird,  kann  es  nicht  fehlen,  dafs  sie,  um- 
schlagend, ihre  Befriedigung  auf  einem  anderen,  aber  unrechten 
Wege  sucht  und  innerhalb  des  Organismus  sich  in  krankhaften 
Richtungen  verirrt. u  Zu  diesen  krankhaften  Richtungen  rechnet  er 
den  vermehrten  Trieb  des  Blutes  in  die  Organe  des  Unterleibes, 
femer  die  Störung  der  Verdauung  und  Blutbereitung,  sodann  die 
Brustleiden,  vorzugsweise  bei  Jünglingen,  deren  Lungen  von  Hause 
ns  nicht  die  vollkommensten  sind.  Dazu  gesellt  sich  die  Schwächung 
der  Sehkraft  als  ein  weit  verbreitetes  Übel,  das  zumeist  durch  zu 
anhaltendes,  bei  Sonnen-   und  Lampenlicht   fortgesetztes  Lesen  und 


86 

Schreiben  and  durch  die  konsensuellen  Wirkungen  des  Sitzens 
hervorgerufen  wird.  Lorinskr  kommt  zu  dem  Ergebnis,  dafs  es 
im  allgemeinen  mit  der  Gesundheit  der  Schüler  mifslicher  als  jemals 
bestellt  ist,  dafs  die  jetzige  Unterrichtsweise  zur  Entwicklung  oder 
Hervorbringung  von  Krankheitsanlagen  sehr  geeignet  und  dafs  es 
meistens  schwer,  ja  oft  unmöglich  ist,  bei  diesem  Systeme  eine 
normale  und  kräftige  Ausbildung  des  Körpers  zu  erzielen.  Er 
schliefet  seinen  Aufsatz  mit  einem  Citat  des  Philologen  und  Schul- 
manns JAHN,  der  sich  gleichfalls  gegen  die  moderne  Schulbildung 
und  ihre  Methode  ausgesprochen  hatte,  und  fügt  dann  noch  hinzu: 
„Darum  ist  es  gewifis  auch  der  Beachtung  der  Schulmänner  und 
Pädagogen  wert,  ob  es  nicht  bald  Zeit  sein  werde,  die  Lehrpläne 
der  deutschen  Gymnasien  zu  vereinfachen  und  die  grobe  Lehr- 
stundenzahl zu  reducieren.  Möge  die  Erfüllung  dieses  Wunsches, 
mit  welchem  sich  der  so  vieler  Eltern  und  Jugendfreunde  vereinigt, 
nicht  zu  lange  auf  sich  warten  lassen;  dann  wird  mit  dem  Geiste 
auch  der  Körper  gewinnen,  und  mit  der  Gesundheit  der  Schüler 
wird  es  besser  werden. u  Der  LoRiNBBRsche  Aufsatz  ist  aber  keines- 
wegs in  jener  Zeit  der  einzige  Notschrei  gewesen,  welcher  über 
die  Schulerziehung  laut  wurde.  Schon  vor  dem  Jahre  1836  hatte 
es  nicht  an  Stimmen  gefehlt,  welche  eine  Beform  des  Schulwesens 
und  insonderheit  eine  Ergänzung  der  geistigen  Erziehung  durch 
Hinzufügung  der  körperlichen  Übungen  laut  und  vernehmlich  forderten. 
Es  seien  hierfür  nur  zwei  Beispiele  angeführt.  Der  Direktor  des 
Gymnasiums  zu  Erfurt,  Dr.  Friedrich  Strass,  hielt  am  Geburtstage 
des  Königs  Friedrich  Wilhelm  III,  am  3.  August  1828,  in  der 
öffentlichen  Sitzung  der  Königlichen  Akademie  gemeinnütziger 
Wissenschaften  daselbst  einen  Vortrag  „über  die  Notwendig- 
keit geordneter  Leibesübungen  für  die  Qelehrtenschuienu ,  aus  dem 
uns  bereits  ganz  ähnliche  Klagen  entgegenklingen,  wie  aus  der 
LORiNSERschen  Schrift.  „Es  verdient  die  Frage  erwogen  zu 
werden",  heilst  es  in  diesem  Vortrag,  „ob  der  jetzt  herrschende 
Typus  in  gelehrten  und  anderen  Schulen  unbedingt,  oder  doch 
wenigstens  für  unsere  Zeiten  zuverlässig  der  beste  sei."  Diese 
Frage  wird  entschieden  verneint,  und  zwar  deshalb,  weil  „eine 
der  beiden  Seiten  der  Jugendbildung,  die  körperliche  Erziehung, 
fast  ganz  übersehen  und  dem  Zufall  überlassen  bleibt."  Was  an 
körperlicher  Übung  für  die  Jugend  vorhanden  ist,  (weite  Schulwege, 
mechanische  Übungen,  Tanzstunden,  Reiten,  Fechten),  das  sind 
„klägliche  Trümmer  jener  herrlichen  Gymnastik,  welche  die  Griechen 
und  Römer  der  besseren  Zeit  an  Leib  und  Seele  zu  tüchtigen  und 
kräftigen  Menschen  machte."  Der  Grund,  weshalb  dies  so  ist,  liegt 
darin,  dafs  es  der  Jugend  fast  überall  an    Gelegenheit  fehlt,    sich 


87 

ohne  zu  groben  Zeitaufwand  hinreichende  und  stärkende  Bewegung 
zu  verschaffen.  „Wie  höchst  wohlthätig  würde  daher  eine  Ver- 
anstaltung sein,  wo  die  Jugend  zu  gewissen  Stunden  mancherlei 
zweckmässige  Leibesübungen  unter  Anleitung  eines  Geübten  anstellen 
könnte."  Solche  Veranstaltungen  müssen  getroffen  werden,  und  der 
Redner  will  die  Hoffnung  nicht  aufgeben,  einen  wesentlichen  Teil 
der  Jugendbildung  in  seine  Rechte  eingesetzt  zu  sehen,  der  jetzt  — 
es  ist  schmerzlich  zu  sagen  —  bei  keiner  Nation  mehr  vernach- 
lässigt wird,  als  bei  derjenigen,  deren  ritterliche  Kraft  in  allen  Jahr- 
hunderten glänzte.  Ähnlich,  wie  mit  dem  STBASSschen  Vortrag, 
verhält  es  sich  mit  einer  kleinen  Programmarbeit  vom  Jahre  1832, 
in  welcher  der  Rektor  des  Gymnasiums  zu  Salzwedel,  Johann 
Friedrich  Danneil,  einige  Bemerkungen  über  Körperbildung  durch 
die  Gymnastik  veröffentlicht.  Nachdem  derselbe  eine  kurze  Nach- 
richt über  die  im  Mai  1831  an  seiner  Schule  eingeführten  Leibes- 
übungen gegeben  hat,  stellt  er  folgende  Behauptungen  zur  Prüfung 
auf:  1.  Gymnasien  sind  nicht  blols  Unterrichts-,  sondern  auch 
Erziehungsanstalten;  nicht  specifisch,  sondern  nur  der  Art  der 
Beaufsichtigung  nach  unterscheiden  sich  beide,  die  Pflicht  der  Er- 
ziehung liegt  beiden  ob.  2.  Der  Grundsatz:  das  Gymnasium  soll 
die  Geisteskräfte  des  Schülers  harmonisch  ausbilden,  ist  demnach 
nicht  der  höchste,  sondern  erst  eine  Folge  aus  dem  Princip:  das 
Gymnasium  hat  die  Pflicht,  den  ganzen,  nicht  den  halben  Menschen 
zu  erziehen  und  alle  seine  Kräfte  harmonisch  auszubilden.  3.  Aus- 
bildung des  Körpers  ist  demnach  ein  notwendiger  Gegenstand  des 
Unterrichts,  und  der  Staat,  der  die  Gymnasien  unter  seine  Aufsicht 
genommen,  hat  nicht  blols  das  Recht,  sondern  ist  verpflichtet,  auch 
über  die  körperliche  Erziehung  allgemeine  Grundsätze  aufzustellen. 
Die  Empfehlung  der  Gymnastik  von  seiten  der  vorgesetzten  hohen 
Behörden  erscheint  demnach  nicht  blofs  als  notwendig,  sondern  auch 
als  zeitgemäfs.  4.  Bei  den  Griechen  ward  die  körperliche  Aus- 
bildung ebenso  hoch  geachtet,  als  die  geistige.  Durch  diese  har- 
monische Ausbildung  des  ganzen  Menschen  sind  sie  körperlich  und 
geistig  unsere  ewigen  Muster  geworden.  5.  Der  Knabe  und  Jüng- 
ling fühlt  von  Natur  einen  starken  und  fast  unüberwindlichen  Trieb 
zu  Leibesübungen,  und  nur  gewaltsam  kann  dieser  Trieb  durch  ver- 
kehrte Erziehung  zum  Teil,  Gottlob  nie  ganz,  unterdrückt  werden. 
Es  ist  also  der  Vernunft  angemessen,  diesen  Trieb  zu  regeln  und 
ihm  zweckmäßige  Befriedigung  zu  geben.  Sind  diev  aufgestellten 
Sätze  richtig,  so  ist  auch  die  Notwendigkeit  der  Aufnahme  der 
Gymnastik  in  den  Kreis  des  Unterrichts  zugleich  damit  ausgesprochen. 
Übrigens  erregten  derartige  Äusserungen  an  höchster  Stelle  Aufmerk- 
samkeit. Lorinsers  Schrift  wurde  dem  König  Friedrich  Wilhelm  III 


88 

vorgelegt;  der  Monarch  fand  Gefallen  an  derselben  und  richtete 
sogleich  an  den  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinal- 
angelegenheiten von  Altenstein  folgende  Eabinetsordre :  „Ich 
habe  von  einem  Aufsatz:  „Zum  Schutze  der  Gesundheit  in 
den  Schulen"  Kenntnis  genommen,  welcher  sich  in  dem  ersten 
Stück  der  diesjährigen  „Medizinischen  Zeitschrift1'  befindet,  und  mit 
dessen  Inhalt  Ich  Mich  in  der  Hauptsache  einverstanden  erkläre. 
Ich  empfehle  diesen  Gegenstand  Ihrer  besonderen  Aufmerksamkeit 
und  fordere  Sie  auf,  Mir  in  einem  Bericht  Ihre  Ansicht  vorzulegen 
und  Vorschläge  zu  machen,  wie  dem  Übelstande  zu  begegnen  sei. 
Berlin,  2.  Februar  1836." 

Ans  den  Berichten  der  sächsischen  Amtsärzte  Aber  die 
Schulen  ihres  Bezirkes.  Dem  »22.  Jahresbericht  des  Landes- 
medizinaücollegiums  über  das  Medisinaiwesen  im  Königreich  Sachsen* 
entnehmen  wir  folgende  Angaben:  Unter  den  64  Schulen  des 
Medizinalbezirks  Kamenz  weisen  10  noch  recht  ungünstige  Licht- 
verhältnisse auf.  Von  diesen  hat  die  eine  Hälfte  von  drei  Seiten, 
die  andere  Hälfte  von  rechts  und  links  zugleich  Licht.  An  den 
Fenstern,  welche,  wie  in  der  Schule  zu  Bischheim,  hinter  den  Sitz- 
bänken der  Kinder  liegen,  sind  zum  Schutze  gegen  Sonne  und  zu 
grelles  Licht  Rouleaux  angebracht,  deren  Benutzung  den  Lehrern  be- 
schrieben, aber  nicht  immer  entsprechend  ausgeführt  wurde.  In 
22  Schulen  desselben  Bezirkes  waren  Ausstellungen  in  Bezug  auf 
Desinfektion  und  Instandhaltung  der  Aborte,  Lüftung  und  Reinlich- 
keit der  Schulzimmer,  sowie  Art  und  Regelmäßigkeit  des  Scheuerns 
und  Kehrens  derselben  zu  machen  gewesen.  Weitere  Monita  be- 
zogen sich  bei  einem  Teile  der  Schulen  auf  erneute  Auscementierung 
der  Pissoirs,  in  denen  der  Cementputz  im  Urinabführungskanal  sich 
losgelöst,  den  raschen  Abzug  des  Harns  mechanisch  und  durch 
Lachenbildung  verhindert  und  so  bewirkt  hatte,  dafs  der  Bau- 
untergrund durchtränkt  war.  Bei  anderen  Schulen  dieses  Bezirkes 
fehlten  in  den  Schulzimmern  die  Ventilationsklappen  an  den  oberen 
Fensterflügeln  oder  wurden,  wenn  sie  bestanden,  nicht  gehörig  in 
Gebrauch  gezogen.  Vielfach  wurden  noch  alte  Schulbänke  benutzt, 
deren  baldige  Beseitigung  ein  dringender  Wunsch  des  Bezirksarztes 
war.  Trotzdem  dieser  Wunsch  von  der  Bezirksschulinspektion  bereit- 
willigst unterstützt  wurde,  konnte  er  doch  wegen  Armut  der  be- 
treffenden Schulgemeinden  nicht  zur  Ausführung  gelangen.  Die  neu- 
erbauten Schulen  des  Bezirkes  haben  sämtlich  die  gesetzlich  vor- 
geschriebenen Subsellien,  und  zwar  meist  mit  verschiebbarer  Tisch- 
platte. Die  Öfen  der  kleinen  Schulen  wurden  noch  recht  primitiv 
vorgefunden.  Es  waren  dies  in  der  Mehrzahl  einfache  eiserne 
Etagenöfen  ohne  Regulierungsvorrichtungen  mit  rascher  Abgabe  hoher 


89 

Wärmegrade  und  nachfolgender  schneller  Erkaltung  bei  gleichzeitiger 
Austrocknung  der  Zimmerluft.    Regulieröfen  oder  Mantelöfen  sind  in 
den    Schulzimmern  der  kleinen    Gemeinden    gar   nicht,  Kachelöfen 
mit  Verschlafe  nur  wenige  vorhanden.     Deshalb   ist   auch   die  Er- 
zielung und  Erhaltung  einer  gleichmäßigen  Temperatur  in  denselben 
ein    Ding   der  Unmöglichkeit.     Der  Bezirksarzt   hat  sich   vergeblich 
bemüht,    Remedur  in  diese  Mißstände  zu  bringen.     Die  Gemeinden 
sind  eben  zu  arm,  um  ihren  Schulen  mehr  als  das  Allemotwendigste 
zuwenden  zu  können.  —  Im  Medizinalbezirke  Glauchau   wurden  im 
Berichtsjahre  11  Schulrevisionen  vorgenommen.    Von  den  revidierten 
Schalen    waren  2   in    den    letzten    12  Jahren  gebaut,    bezw.  ein- 
gerichtet,   die  übrigen    älter.     Die   ersteren  beiden   Schulen   boten 
nichts  zu  erinnern,  als  dafs  beide  Male  der  Ventilationsofen  in  der 
Weise  verändert  war,  dafs  er  nicht  mehr  erwärmte  Luft  zuführte. 
Bei  den  übrigen  Schulen  war  folgendes  zu  monieren:  Zweimal  waren 
die    Schulzimmer    feucht.     Licht   von  der  linken  Hand  hatten   alle 
9  Schulen,   Licht  auch  von  vorn  6  Schulen,    bezw.  einzelne  Zimmer 
derselben,  Licht  auch  von  rechts  2  Schulen,  Licht  auch  von  hinten  sämt- 
liche alte  Schulen.    Unter  2,5  kbm  Luftraum  kam  auf  das  Kind  in 
4-Schulen.    Rouleaux  fehlten  in  3  Schulen.    In  einer  Schule  konnten  die 
Doppelfenster  nicht  geöffnet  werden.    Aufser  ganz  kleinen  und  für  ihren 
Zweck  nicht  geeigneten  Ventilationsöffnungen  an  den  Fenstern  waren 
Lttftangsvorrichtungen  in  den  letztgedachten  9  Schulen  nicht  vorhanden. 
Sämtliche  Bänke  hatten  positive  Distanz.  Die  Aborte  waren  zum  gröfeten 
Teil  unsauber  und  stellenweise  nicht  zweckentsprechend.   Soweit  es  ohne 
grofsere  Bauten  möglich  war,  sind  die  erwähnten  Übelstände  beseitigt 
worden.  —  In  den  Schulen   des  Medizinalbezirkes  Rochlitz  ist  in 
Bezog  auf  Reinlichkeit  unverkennbar   mehr  Ordnung  und  Eifer  ein- 
getreten. Die  Zimmer  werden  öfter  gekehrt  und  gescheuert,  die  Ab- 
orte,  welche  fast  durchgängig  gut  und  zweckmässig  angelegt   sind, 
saaber  gehalten,    die  Gruben  sind  geräumig,  undurchlässig   und  gut 
verschliefebar.    Auf  entsprechende  Lehrerwohnungen  ist  in  gedachtem 
Bezirke   überall  Rücksicht  genommen;    dieselben    befinden    sich    auf 
dem  Lande  meist  in  den  oberen  Stockwerken  der  Gebäude  und  sind 
so  grofs,   dafs    sie  für  eine   nicht  zu  zahlreiche   Familie   stets   aus- 
reichen. —  Im  Medizinalbezirke  Flöha  ergab  eine  Anfrage  bei  den 
Lehrern,   dafs   in  8  Schulen    des  Bezirkes    von    angestellten  Haus- 
männern  die  Heizung,   das  Kehren   und  Scheuern  ausgeführt  wird. 
In  drei  weiteren  Schulen  besorgt  dies  eine  Frau.     In  allen  anderen 
Schulen  wird  die  Heizung  von  den  Lehrern  für  ein  Entgelt,  welches 
zwischen   75    und   156  Mark   schwankt,    ausgeführt.     Wo   dieselbe 
von  einem  Kaiefaktor  besorgt  wird,  wird    auch  fleißiger   und    aus- 
giebiger gelüftet.     Das  Kehren   der  Schulzimmer  geschieht  zumeist 


90 

mittelst  feuchteter  Sägespäne  zweimal  die  Woche ;  hiermit  wird  das 
Abwaschen  der  Subsellien  und  Geräte  verbanden.  In  der  Regel  sind 
zu  diesem  Geschäfte  Frauen  bestellt,  nur  in  vier  Orten  ist  es  dem 
Lehrer  oder  seiner  Familie  übertragen.  Dafs  die  älteren  Schal- 
mädchen hierzu  angehalten  werden,  findet  nur  in  Gablenz  und  auch 
hier  allein  beim  Kehren  der  Gänge  statt.  Das  Scheuern  der  Bäume 
wird  zweimal  jährlich  in  5  Schalen,  dreimal  in  7  Schalen,  in 
den  übrigen  viermal  vorgenommen.  Die  Entleerung  der  Abort- 
gruben findet  in  den  ländlichen  Schulen  alle  Sommermonate  wenigstens 
einmal  statt,  meistens  noch  öfter,  im  Winter  hingegen  seltener. 
Eine  Desinfektion  der  Aborte  wird ,  abgesehen  von  den  Schulen  der 
Städte,  nur  in  einigen  Dörfern  vorgenommen.  Drei  derselben  des- 
infizieren regelmäßig  alle  6 — 8  Wochen,  und  zwar  mit  Chlorkalk 
und  Karbolsäure.  —  Nicht  nur  in  den  alten  Schalen  des  Medizinal- 
bezirkes Marienberg  sind  feuchte  Wände  and  Schimmelbildungen 
an  denselben  bemerkt  worden,  sondern  auch  in  den  neuerbauten, 
wie  z.  B.  in  Hopfgarten  und  Lippersdorf.  Die  Ursache  hiervon  ist 
nicht  allein  in  dem  Aufsteigen  der  Erdfeuchtigkeit  zu  suchen,  sondern 
auch  in  der  Härte  des  Baumaterials,  auf  welchem  sich  die  Luft- 
feuchtigkeit niederschlägt.  Da  nun  die  Klassen  meistens  überfallt 
sind  und  bei  der  grofsen  Zahl  der  Kinder  durch  die  Hautausdünstung 
und  die  Atmung  viel  Feuchtigkeit  erzeugt  wird,  so  kondensiert  sich 
dieselbe  an  den  kalten  Wänden.  Es  ist  selbst  in  Schalzimmern, 
welche  unterkellert  waren,  solche  Wandfeuchtigkeit  bemerkt  worden. 
In  den  überfüllten  Klassen  müssen  die  Bänke  oft  dicht  an  die  Wand 
gerückt  werden,  und  so  sind  immer  eine  Anzahl  Kinder  der 
feuchten  Kälte  ausgesetzt.  Zur  Abwehr  dieser  Gesundheitsschädlich" 
keit  ist  der  Königlichen  Schalinspektion  der  Vorschlag  gemacht 
worden,  auffallend  feuchte  Wände,  namentlich  der  Nord-,  West- 
oder Wetterseite,  in  ortsüblicher  Weise  mit  Holzverschalung  ver- 
sehen zu  lassen,  oder  auch  im  Innern  der  Klasse  eine  dichtgefugte 
Bretterschranke  in  etwa  20  cm  Entfernung  von  der  Wand  auf- 
zustellen, oder  wenigstens  durch  Vorhängen  einer  einfachen  Fries- 
decke den  kühlen  Zug  von  den  Wänden  her  abzuwehren.  Die 
Kälte  der  Wand  wird  oft  auch  noch  dadurch  unterhalten  dafs  sich 
in  den  Klassenzimmern  nicht  überall  Doppelfenster  befinden  und  daß 
man  unterläfst,  die  untere  Fensterkante,  wie  es  in  dortiger  Gegend 
üblich  ist,  mit  Moos  zu  verbauen. 

Arm-  und  Bruststärker,  Patent  Largiadfa».  Von  der  Firma 
Georg  Engler  in  Stuttgart  ist  ein  neuer  Turnapparat  in  den 
Handel  gebracht,  welchen  der  Direktor  des  Lehrerinnenseminars  zu 
Strafsburg  i.  E.  Largiadär  ebenso  einfach  wie  sinnreich  konstruiert 
hat.    Der  Apparat  besteht  aus  zwei  gufseisernen,  bienenkorbförmigen 


91 

Gewichten.  Jedes  dieser  Gewichte  ist  aas  7  Scheiben  zusammen- 
gesetzt, welche  durch  eine  bequeme  Vorrichtung  einzeln  abgenommen 
werden  können,  so  dafs  sich  die  Last  von  4  kg  stufenweise  auf 
0,5  kg  redocieren  läfst.  Oben  von  den  Gewichten  läuft  ein  Strick 
zunächst  durch  einen  der  Länge  nach  durchbohrten  Handgriff  und 
dann  zu  einem  zweiten  Handgriff,  an  welchem  derselbe  befestigt  ist. 
Wie  der  „Arm-  und  Brnststärker"  benutzt  wird,  ist  aus  den  nach- 
stehenden Abbildungen  zn  ersehen. 


Der  Widerstand  der  Gewichte  ist  sowohl  in  horizontaler,  wie 
in  vertikaler  Richtung  zu  überwinden.  Auf  diese  Weise  dient  der 
Apparat  zur  Kräftigung  der  Arm-,  Brust-,  Schulter-  und  Rücken- 
mnskeln,  zur  Erweiterung  des  Brustkorbes  und  Vermehrung  der 
LungenkapaciUt,  zu  kompensierenden  Übungen  durch  den  Gebranch 
angleich  schwerer  Gewichte   bei    ungleich    entwickelten  Oberkörper- 


92 

hälften  and  leichten  seitlichen  Verkrümmangen  der  Wirbelsäule. 
Die  Chirurgen  rühmen  dem  „Arm-  und  Bruststärker"  aufserdem 
nach,  dafs  derselbe  zu  Übungen  nach  Knochenbrüchen  der  oberen 
Extremität  und  zur  Erweiterung  des  Brustkorbes  nach  der  Operation 
von  Brustfellexsudaten  verwendet  werden  kann.  Ferner  leistet  er 
gute  Dienste  in  der  inneren  Medizin  bei  der  Behandlung  nervöser 
Atembeschwerden,  indem  die  kräftigenden  Übungen  die  Brust- 
beklemmungen mildern  und  eine  ähnliche  Erleichterung,  wie  das 
Bergsteigen,  schaffen.  Vor  allem  aber  dürfte  sich  der  Apparat  beim 
Turnen  für  gewisse  Kinder  bewähren.  Manche  Turnlehrer  lassen 
ihn  mit  gutem  Erfolge  von  solchen  Schülern  gebrauchen,  die  aus 
irgend  einem  Grunde  zu  den  Übungen  am  Reck  und  Barren  nicht 
herangezogen  werden  können.  Auch  erteilen  Militärärzte  jungen 
Leuten,  welche  sich  zum  einjährigfreiwilligen  Dienst  gemeldet  haben, 
aber  wegen  ungenügenden  Brustumfangs  zurückgestellt  werden  mufsten, 
öfter  den  Rat,  sich  mit  dem  „Largiadör"  fleifsig  zu  üben,  damit 
ihre  Brust  sich  durch  diese  Gymnastik  erweitere.  Wieviel  der 
Apparat  in  dieser  Beziehung  zu  leisten  vermag,  zeigen  die  Angaben 
von  K.  Sbll  in  Bremen,  welcher  denselben  zur  Vermehrung  der 
Lungenkapacität  und  Vertiefung  der  Atmung  bei  stotternden  Schul- 
kindern verwendete.    Einige  Fälle  seien  hier  zahlenmäfsig  angeführt  : 

Brustumfang 
Körpergröße  in  der  Brustspielraum 

Atempause 

A.  15 jähriger  Knabe 

bei  Beginn  der  Übungen    1,56  m  68  cm  68 — 72  cm 

nach  3  Monaten 1,60  „  70  „  68—79  „ 

B.  14jähriger  Knabe 

bei  Beginn  der  Übungen    1,46  „  66  „  65 — 69  „ 

nadi  2  Monaten 1,48  „  66  „  64—71   „ 

C.  15 jähriges  Mädchen 

bei  Beginn  der  Übungen  1,64  „  75  „  75—78  „ 

nach  4  Monaten 1,68  „  76  „  75—81  „ 

nach  7  Monaten 1,71  „  77  „  75—82  „ 

D.  16 jähriges  Mädchen 

bei  Beginn  der  Übungen    1,36,,  67   „  67—70  „ 

nach  6  Monaten.  .  ...    1,42  „  70  „  68—76  „. 


So  haben  denn  auch  verschiedene  Autoritäten  auf  dem  Gebiete 
des  Turnwesens,  wie  Schulrat  Dr.  Euler  und  Professor  G.  Ecklrr 
in  Berlin,  Wirklicher  Rat  G.  H.  Weber  in  München,  Direktor 
Alfred  Maul  in  Karlsruhe,  den  LARQiADÄRschen  „Arm-  und 
Bruststärker"  empfohlen.    Sie  sehen  in  ihm  nicht  nur  eine  dankens- 


93 

werte  Bereicherang  der  Hilfsmittel  mechanischer  Heilgymnastik, 
sondern  glauben  auch,  dafs  er  bei  streng  geregeltem  Turnbetriebe 
in  der  Schule,  zumal  in  der  Mädchenschule,  mit  Erfolg  Ver- 
wendung finden  kann.  In  Übereinstimmung  hiermit  hat  der 
Kaiserliche  Oberschulrat  von  Elsafs  -  Lothringen  die  Einführung 
des  Apparates  beim  Schulturnen  für  Mädchen  durch  Erlafs  vom 
9.  November  1885  ausdrücklich  genehmigt. 

Über  die  öffentliche  Fürsorge  für  Idioten,  so  betitelt  sich 
ein  Aufsatz,  den  Dr.  Rubella  im  „Centrbl.  f.  Nervhlkde.  u.  Pisychiafr." 
publiziert  hat.  Eine  Idiotenstatistik  existiert  für  Preußen  nicht, 
jedoch  hat  eine  Zählung  der  Irren  und  Idioten- in  Württemberg,  im 
Kanton  Zürich,  in  den  russischen  Ostseeprovinzen  und  in  Dänemark 
mit  grofeer  Übereinstimmung  ergeben,  dafs  ein  Schwachsinniger  auf 
500  bis  600  Einwohner  kommt.  Für  Schlesien  würde  das,  um  ein 
Beispiel  anzuführen,  mehr  als  8000  Idioten  und  Imbecille  ausmachen. 
Nur  ein  Bruchteil  dieser  Gesamtzahl  ist  der  Anstaltspflege  bedürftig, 
indem  nach  den  Erfahrungen  in  Württemberg,  Hannover  u.  s.  w. 
auf  3000  bis  4000  Einwohner  ein  zu  hospitalisierender  Idiot  kommt. 
Eine  Verbindung  der  Fürsorge  für  Idioten  und  Epileptiker  hat  nur 
innerhalb  eines  kleinen  Bezirkes  ihre  Vorzüge,  wo  dann  nur  eine 
Anstalt  notwendig  ist;  in  groben  Bezirken  scheint  es  geratener,  für 
beide  Kategorien  gesondert  zu  sorgen.  Epileptische  Kinder  sind  am 
besten  in  die  Idiotenbildungsanstalt  zu  schicken.  Zur  weiteren  Ent- 
wickelung  der  Idiotenfürsorge  würde  eine  öffentliche  Erziehungsanstalt 
rar  schwachsinnige  Kinder  erforderlich  sein.  Die  Idiotenbildungs- 
und  Erziehungsanstalt  kann  nur  unter  ärztlicher  Leitung  eine  natur- 
gemäße Organisation  ermöglichen.  Nur  der  Kenner  der  Hirn- 
pathologie vermag  den  Idioten,  d.  h.  den  chronisch  Hirnkranken, 
mit  den  Folgezuständen  seines  Leidens  zu  verstehen,  zu  leiten  und 
zu  behandeln.  Eine  Gründung  besonderer,  für  sich  bestehender 
Idiotenanstalten  ist  nicht  unbedingt  erforderlich.  Eine  Idioten- 
anstalt  von  bescheidenem  Umfange  läfet  sich  sehr  wohl  an  die 
eine  oder  andere  öffentliche  Irrenanstalt  anschliefsen,  wie  dies 
z.  B.  in  Dalidorf  bei  Berlin  oder  in  Bicetre  zu  Paris  der  Fall  ist. 
Absolut  bildungsunfähige  jugendliche  Idioten  aber  könnten  zusammen 
mit  den  Erwachsenen,  wie  bisher,  so  auch  in  Zukunft  in  den 
Pflegeabteilungen  der  Irrenanstalten  versorgt  werden. 

Schulhygiene  in  Paris.  In  Paris,  so  schreibt  die  „Wim. 
med.  Wochenschr." ,  ist  das  Problem  eines  allen  Anforderungen  ent- 
sprechenden Volksschulgebäudes  sehr  schwer  zu  lösen.  Der  Preis 
eines  Bauplatzes  in  gewissen  Stadtteilen  beträgt  mehr  als  1000 
Franken  per  Q  Meter  und  bildet  so  oft  ein  ökonomisches  Hindernis, 
mit  dem   die  Gemeinde  rechnen  mufe.     Dieselbe   hat  trotzdem  das 


94 

Möglichste  gethan    und   in    allen  Vierteln    eine    grofse  Anzahl    von 
nenen  Schulgebäuden  errichtet.     Da   man  aber  gezwungen  war ,  bei 
Neubauten,   so  gut  es  eben  ging,   das  Vorhandene  zu  benutzen,    so 
konnte   man  nicht  allen  hygienischen  Anforderungen  gerecht  werden. 
So  kam  es  z.  B.,  dafs  sich  in  der  Rue  de  Claude  Bernard  Schulen 
befinden,  die  unter  dem  Niveau  der  Strafse  liegen  und  derart  höchst 
prekäre  gesundheitliche  Verhältnisse  darbieten.    Aber  diese  Verhält- 
nisse  sind   natürlich   nur  vorübergehend.     Neue  Schulgebäude ,    gut 
verwaltet  und  hygienisch  zweckmäfsig  konstruiert,  werden  allmählich 
die  alten  ersetzen.     In   den  Lyceen  und  Colleges,    wo    die  Schiller 
in  Pension  leben,  haben  seit  dem  Jahre  1878  nur  wenige  Änderungen 
stattgefunden.     Das  System   der  grofsen  Schlafsäle,   in   denen   nach 
Art  der  Spitäler  Bett  an  Bett  stöfst,    wird  noch  immer  beibehalten, 
da  die  Absicht,  durch  Verschlage  abgeteilte  Schlafräume,  wie  in  der 
6cole  Monge,   herzustellen,    noch    nicht  allgemein  durchgeführt   ist. 
Das    für    den  Bau    und    die  Einrichtung    von  Seminaren    von    der 
Kommission  für  Schulbauten  ausgearbeitete  Reglement  stellt  folgende 
Vorschriften   auf :    Die  Schlafräume  sollen  nie  mehr   als  30  Betten 
enthalten   und  durch  an  den  Längswänden  angebrachte  Fenster  be- 
leuchtet und  ventiliert  sein.    Die  Höhe  dieser  Fenster  mufs  mindestens 
4  Meter,  ihre  Breite  ungefähr  1,5  Meter  betragen.    Die  Betten  der 
Zöglinge  sind  mit  einem  Zwischenraum  von  mindestens  1  Meter  auf- 
zustellen  und  durch  Verschlage   oder   bewegliche  Vorhänge    vonein- 
ander zu  trennen.     Die  Vorschrift  lenkt  ferner  die  Aufmerksamkeit 
der   ärztlichen  Schulinspektoren   auf  das  etwaige  Vorhandensein  be- 
stimmter, besonders  infektiöser  Krankheiten  in  der  untersuchten  Anstalt. 
Der  inspizierende   Arzt   hat  das  Recht,  einem  von  einer  ansteckenden 
Krankheit  befallenen  Kinde  den  Besuch  der  Schule  zu  verbieten.    Er 
ordiniert   nötigenfalls  gelegentlich    der  Schulvisitation,   braucht  aber 
kranke  Kinder  in  ihrer  Wohnung  nicht  zu  besuchen.    Ferner  verfügt 
er  im  Falle  einer  Epidemie  die  nötigen  prophylaktischen  Malsregeln, 
die  Art  der  Desinfektion   und  die  eventuelle  Schliefsung  der  Schule 
für  eine  bestimmte  Zeit.     Die  auf  diesem  Wege  erzielten  Resultate 
sind  sehr  zufriedenstellende.    Die  Reinlichkeit  der  städtischen  Schulen 
ist    eine    bessere    geworden,    und    die    parasitären  Krankheiten    der 
Kopfhaut1  sind  bei  den  Schülern  fast  ganz  verschwunden. 


1  Vgl.  diese  No.,  S.  84. 


95 


Sagesgefdii^Uidies» 


Internationaler  Ärztekongrefs  in  Rom.  Wie  die  „Biforma 
med."  berichtet,  hielt  das  Komitee  des  diesjährigen  internationalen 
Arztekongresses  in  Rom  am  27.  Oktober  v.  J.  eine  Versammlung  ab,  am 
aber  den  Termin  für  den  Beginn  desselben  zu  beraten.  Der  Vor- 
sitzende, Professor  Bacoelli,  teilte  mit,  dafs  der  König  versprochen 
habe,  den  Kongrefe  zu  eröffnen.  Auf  Antrag  des  Professor  Foa  wurde 
einstimmig  beschlossen,  Seine  Majestät  um  Annahme  des  Ehren- 
präsidiums anzugehen.  Der  Sekretär  des  Komitees,  Professor 
Maragliano,  bemerkte,  dafs  auf  Wunsch  amerikanischer  Ärzte 
wegen  des  Kongresses  in  Chicago  der  Eröffnungstag  auf  den 
24.  September  und  der  Schlafs  auf  den  1.  Oktober  anberaumt  sei. 
Um  den  Besuch  des  internationalen  Ärztekongresses  zu  fördern,  sind 
in  den  verschiedenen  Ländern  Nationalkomitees  eingesetzt  worden. 
Aach  haben  die  meisten  Eisenbahn-  und  Dampfschifffahrtgesellschaften 
den  Mitgliedern  desselben  ermäßigte  Preise  für  die  Hin-  und  Rück- 
fahrt nach  Rom  bewilligt. 

Der  deutsche  Verein  für  öffentliche  Gesundheitspflege 
wird  seine  nächste  Jahresversammlung  in  der  zweiten  Hälfte  der 
Pfingstwoche,   vom  25.   bis  27.  Mai   1893    in  Würzburg  abhalten. 

Die  Einführung  der  Steilschrift  in  die  Schulen  macht 
sowohl  in  Deutschland  wie  in  Österreich  immer  weitere  Fortschritte. 
Einem  von  Dr.  P.  Schreiber  im  Verein  für  öffentliche  Gesundheits- 
pflege zu  Magdeburg  gehaltenen  Vortrage  „Über  die  Steil- 
schrift"  entnehmen  wir,  dafs  die  städtische  Schuldeputation  daselbst 
anf  Grund  einer  Eingabe  des  Lehrervereins  „Diesterweg"  an- 
geordnet hat,  in  einigen  Klassen  dreier  verschiedener  Schulen  mit 
dem  Steüschriftunterricht  zu  beginnen.  —  In  Flensburg  schreiben, 
wie  uns  Herr  Hauptlehrer  A.  Scharpf  mitteilt,  dreiviertel  der 
Schulen  senkrecht,  von  104  Klassen  73,  ungefähr  4000  Kinder. 
Eine  gleiche  Anzahl  Steilschreiber  dürfte  in  den  übrigen  Schulen 
Schleswig-Holsteins  sich  finden.  Namentlich  in  Altona  wird  von 
zwei  Klassen  der  unter  Leitung  des  Rektor  Tönsfbldt  stehenden 
Knabenmittelschule  steil  geschrieben-,  von  der  trefflichen  Körper- 
haltung dieser  Schüler  konnten  wir  uns  selbst  überzeugen.  —  In  den 
München  er  Volksschulen  sind  schon  vor  einiger  Zeit  Erhebungen 
betreffs  eventueller  Einführung  der  Steilschrift  oder  einer  anderen  ent- 
sprechenden Schriftart  gepflogen  worden.  Der  ärztliche  Verein  daselbst 


96 


hatte  ein  Schema  hergestellt,  das  bei  diesen  Erhebungen  zur  Ver- 
wendung gelangte.  Gleichzeitig  hat  ein  hervorragender  Augenarzt 
die  Eintragungen  in  die  Listen  an  Ort  und  Stelle  überwacht  und  sich 
bezüglich  der  fraglichen  Angelegenheit  mit  dem  Lehrpersonal  in 
Einvernehmen  gesetzt.     Das  erwähnte  Schema  war  folgendes: 

I. 


Heftlage 

Linke  Schulter 
vorstehend 

Rechte  Schulter 
vorstehend 

Gerader  Sitz 

parallel   zum 

Pultrand 

Summa 

m    m 

1.    Gerade   Mitten- 
lage 

2.  Schräge  Mitten-i 
läge             | 

3.   Gerade  Rechts- 
lage 

4.  Schräge  Rechts- 
lage 

Summa 

■ 

. 

IL 


Heftlage 

Linkes  Auge 

oder  Ohr  tiefer 

stehend 

Rechtes  Auge 

oder  Ohr  tiefer 

stehend 

Beide  Augen 
oder  Ohren  in 
gleicher  Höhe 

Summa 

1.    Gerade   Mitten- 
lage 

• 

2.  Schräge  Mitten- 
lage 

3.   Gerade   Rechts- 
lage 

• 

4.  Schräge  Rechts- 
lage 

Summa 

97 

—  Der  Ortsschalrat  des  IV.  Wiener  Gemeindebezirkes  hat  im  gesund- 
heitlichen Interesse  der  Schuljugend  einstimmig  beschlossen,  die  obliga- 
torische Einführung  der  Steilschrift  in  sämtliche  Schulen  der  19 
Wiener  Gemeindebezirke  schon  vom  nächsten  Schuljahre  1892/93 
an  bei  dem  Bezirksschulrate  der  Stadt  Wien  zu  beantragen.  Durch 
den  Ministerialsekretär  im  k.  k.  Handelsministerium  Dr.  ED. 
ÜRBANT8CHITSCH  war  diese  Angelegenheit  in  Anregung  gebracht 
worden.  Zugleich  erfahren  wir,  dafs  die  Steilschriftfrage  auf  die 
Tagesordnung  der  Landeslehrerkonferenz  gesetzt  worden  ist.  Zum 
praktischen  Studium  dieser  Frage  waren  zwei  namhafte  Ärzte,  unser 
geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Professor  Dr.  H.  COHN,  und  der  Orthopäde, 
Geheimer  Medizinalrat  Dr.  Mikulicz,  in  diesem  Jahre  von  Breslau 
nach  Wien  gereist.  Dieselben  besichtigten  mit  Erlaubnis  der  Schul- 
behörde die  steilschreibenden  Klassen  der  unter  Leitung  des 
Direktor  Emanüel  Batr  stehenden  Mädchenschule  und  zollten  dem 
durch  diese  Schreibweise  erzielten  Erfolge  hinsichtlich  der  Körper- 
haltung sowohl  vom  augenärztlichen,  als  vom  orthopädischen  Stand- 
punkte vollsten  Beifall.  —  Aus  Budapest  wird  dem  „Fest.  Lloyd*1 
berichtet:  Der  ungarische  Minister  des  Innern  hat  in  einem  Re- 
skripte an  die  Hauptstadt  Budapest  die  Mitteilung  von  der  probe- 
weisen Einführung  der  Steilschrift  in  den  städtischen  Schulen  zur 
Kenntnis  genommen  und  gleichzeitig  bekannt  gegeben,  dafs  er  zur 
Prüfung  der  Resultate  dieses  Versuches  eine  aus  den  Mitgliedern 
Dr.  Verkdy  (Vorsitzender),  Dr.  Gebhard,  Dr.  Sc  heermann, 
Dr.  Dollinger,  Dr.  Czapodi,  Dr.  Hoor,  Dr.  Jüba,  Dr.  Karmann, 
Dr.  A.  Ki88,  Direktor  Pöra,  Direktor  Jenet  und  Karl  Vayda 
bestehende  Kommission  entsendet  habe.  —  Von  dem  k.  k.  Landes- 
scbnlrat  von  Mähren  wurde  nach  der  „Dtsch.  Medztg."  beschlossen, 
die  Steilschrift  an  den  Volks-  und  Bürgerschulen  noch  nicht  überall 
obligatorisch  einzuführen.  Wohl  aber  ist  dort,  wo  die  Bedingungen 
n  einer  zweckmäfsigen  Durchführung  vorhanden  sind,  mit  derselben 
in  der  untersten  Klasse  zu  beginnen  und,  wo  sie  bereits  eingeführt 
ist,  soll  sie  beibehalten  werden.  —  Wir  benutzen  diese  Gelegenheit 
noch  zu  einer  Berichtigung  über  die  Schrift  der  Kaiser- 
liehen Prinzen  in  Berlin.  Dieselbe  ist  nicht,  wie  wir  in 
So.  7,  1892,  berichteten,  vollständig  senkrechte  Schrift.  Sie  nähert 
sieb  aber  derselben  stark  an,  indem  sie  einen  nur  geringen  Neigungs- 
winkel besitzt.  Auch  werden  beim  Unterrichte,  den  der  Seminar- 
oberlehrer Fbchner  erteilt,  die  dem  Princip  der  Steilschrift  au- 
gepafsten  Normalschreibhefte  von  E.  Hertbl  und  A.  Lampe1,  und 
zwar  Heft  2,  3  und  4,  benutzt. 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1892,  No.  6,  S.  292. 

Sefe«lfOTmdh«itspfl«g«  VI. 


98 

Rfickgratsverkrümmüiig  nnd  Knrzsichtigkeit  von  Schüle- 
rinnen in  Köln.  Vor  einiger  Zeit  wurde  in  Köln,  wie  wir  der 
„Päd.  Warte"  entnehmen,  eine  ärztliche  Untersuchung  von  Schülerinnen 
auf  Rückgratsverkrüramnng  und  Kurzsichtigkeit  vorgenommen,  die 
2U  folgenden  Ergebnissen  führte:  Von  439  Mädchen  waren  337 
ohne  Rückgrats  Verkrümmung ;  92  hatten  einen  leichten  Anfang,  der 
ohne  Schwierigkeit  beseitigt  werden  kann;  3  litten  an  stärker 
entwickelter  Verkrümmung,  deren  Heilung  schon  Mühe  und  Aus- 
dauer verlangt;  bei  7  war  das  Leiden  bereits  soweit  vorgeschritten, 
dafe  kaum  eine  Heilung  noch  möglich  ist.  Die  Schülerinnen,  welche 
Verkrümmungen  zeigten,  wurden  auch  auf  Kurzsichtigkeit  untersucht*, 
Von  den  102  Skoliotischen  waren  nur  12  myopisch.  Diesem  Übel 
kann  also  die  Ursache  der  Verkrümmung  nicht  wohl  zugeschrieben 
werden.  Dagegen  gibt  die  Steigerung  der  Fälle  mit  den  Schul* 
jahren  zu  denken.  Das  Ergebnis  in  den  einzelnen  Klassen,  beziehungs- 
weise nach  den  verschiedenen  Schuljahren,  war  nämlich  folgendes: 
erstes  Schuljahr,  VI.  Klasse:  72  Schülerinnen,  sämtlich  ohne 
Verkrümmung;  zweites  Schuljahr,  V.  Klasse:  63  Schülerinnen,  von 
denen  59  keine,  4  den  Anfang  einer  Verkrümmung  aufwiesen; 
drittes  Schuljahr,  IV.  Klasse:  69  Schülerinnen,  darunter  13  mit 
Verkrümmung  und  1  von  diesen  kurzsichtig;  viertes  Schuljahr, 
III.  Klasse:  73  Schülerinnen;  von  diesen  waren  20  mit  Rückgrats- 
Verkrümmungen,  2  der  letzteren  mit  Kurzsichtigkeit  behaftet;  fünftes 
und  sechstes  Schuljahr,  IIB.  Klasse:  53  Schülerinnen,  unter  denen 
13  an  Rückgratsverkrümmungen,  und  zwar  4  an  fast  unheilbaren 
litten,  1  kurzsichtig  war;  fünftes  und  sechstes  Schuljahr,  IIA.  Klasse-. 
56  Schülerinnen,  22  mit  Verkrümmungen  der  Wirbelsäule,  darunter 
3  fast  unheilbar,  6  kurzsichtig;  siebentes  und  achtes  Schuljahr, 
I.  Klasse:  53  Schülerinnen,  20  mit  Rückgratsverkrümmungen,  die 
3  mal  schon  stärker  entwickelt  waren,  2  davon  kurzsichtig. 

Zwei  Erkrankungsfälle  infolge  von  Überbfirdng  werden 
von  J,  A.  Diggle  zu  London  in  „The  Hospit.  Gas.*  mitgeteilt. 
Alfred  C,  ein  ungewöhnlich  intelligenter  Knabe  von  4  Jahren 
8  Monaten  klagte  eines  Tages  beim  Frühstück  über  heftiges  Kopf* 
weh.  Trotz  seiner  Jugend  hatte  er  die  Vorschule  bereits  6  Monati 
besucht  und,  da  er  sehr  fleifsig  war,  die  oberste  Klasse  erreicht  In 
die  höhere  Schule  konnte  er  jedoch  seines  Alters  wegen  noch  nicht 
aufgenommen  werden.  Der  Arzt  traf  ihn  im  Bett,  leicht  gerötet, 
mit  sehr  heifsem  Kopf  und  einer  Temperatur  von  99,2°.  Die  Zunge 
war  etwas  belegt.  Beim  Frühstück  hatte  er  Erbrechen  gehabt, 
seitdem  nicht  wieder.  Die  Nacht  war  unruhig;  der  Knabe  phanta- 
sierte und  sprach  viel  von  der  Schule.  Die  Temperatur  stieg  auf 
99,4°.     Auch   die  folgende  Nacht    brachte  noch  keine  Besserung. 


99 

Am  nächsten  Morgen  jedoch  war  der  Kranke  ruhig  nnd  still,  wenn 
auch  noch  leicht  erregbar,  und  hatte  volles  Bewnfstsein.  Am  Nach- 
mittage aber  betrog  die  Temperatur  100,2°,  nnd  die  Delirien  kehrten 
wieder,  so  dafs  eine  Eisblase  auf  den  Kopf  verordnet  wurde.  Erst 
Tom  vierten  Tage  an  blieb  die  Besserung  konstant,  obwohl  der 
Kopf  noch  sehr  heifs  war,  da  die  Mutter  die  Eisblase  eigenmächtig 
Ton  demselben  entfernt  hatte.  Der  Kleine  schlief  in  der  Nacht  und 
spielte  Tags  Ober  im  Bette.  Die  Temperatur  war  normal.  Am 
elften  Tage  konnte  er  wieder  aufstehen  und  aus  der  ärztlichen 
Behandlung  entlassen  werden.  Der  zweite  Fall  betraf  einen  kräftigen, 
wilden  Jungen,  der  vor  kurzem  das  7.  Jahr  erreicht  hatte.  Er 
bildete  zu  dem  vorigen  insofern  einen  Gegensatz,  als  er  faul  und 
kein  Freund  des  Unterrichts  war,  auch  in  sämtlichen  Lehrgegen- 
stftuden,  mit  Ausnahme  des  Zeichnens,  nichts  leistete.  Bei  der 
letzten  Versetzung  war  er  sitzen  geblieben,  und  der  Lehrer  hatte 
ihn  deshalb  ziemlich  streng,  vielleicht  etwas  zu  streng  behandelt. 
Gerade  Tags  vor  der  neuen  Prüfung  war  er  von  Erbrechen  und 
heftigem  Kopfschmerz  befallen  worden.  Als  der  Arzt  ihn  sah, 
zeigte  er  sich  schläfrig,  aber  auch  zeitweise  aufgeregt.  Seit  dem 
Frühstück,  bei  welchem  er  nur  sehr  wenig  genossen  hatte,  brach 
er  alle  ö  Minuten.  Sein  Kopf  war  sehr  erhitzt,  seine  Pupillen 
verengt,  die  Temperatur  100°*  Am  liebsten  verbarg  er  sein  Gesicht 
in  den  Kissen.  Delirien  bestanden  nicht,  doch  klagte  der  Knabe 
«ber  8chmerzen  und  grofse  Abgespanntheit.  Kalte  Umschläge  auf 
den  Kopf  brachten  Erleichterung.  Am  dritten  Tage  sank  die 
Temperatur  auf  99°,  der  Kranke  blieb  stundenlang  ruhig,  und  am 
vierten  Tage  verlangte  er  im  Bette  bereits  nach  seinem  Zeichen- 
höhe. Von  nun  an  nahm  die  Genesung  ihren  ruhigen  Fortgang 
rad  war  am  sechsten  Tage  beendigt.  Da  der  eine  sehr  fleifeige 
Knabe  zu  früh  zur  Schule  geschickt,  der  andere  träge  ziemlich 
stark  beim  Unterrichte  angestrengt  worden  war,  so  fahrt  J.  A.  Digcilb 
die  Erkrankungen  auf  ÜberBürdung  zurück,  zumal  die  Symptome  auf 
eine  Beteiligung  des  Gehirns  schliefsen  liefsen.  Er  empfiehlt  gegen 
solche  Zustände  Bromide  und  Eisumschläge  auf  den  Kopf. 

Versammlung  von  Schulmännern  zur  Besprechung  der 
bklegischen  Grundlagen  der  Pädagogik.  Das  pädagogische 
Sfänzchen  des  Bezirkslehrervereins  Bamberg-Stadt,  so  schreibt  die 
„IfctyerY  Lehret etg. tf ,  begann  mit  dem  letzten  Schuljahre  unter 
Leitung  des  Herrn  Seminarlehrers  Dr.  Stimpfl  seinen  zweiten 
Jshreskurs.  Dasselbe  hat  sich  das  Studium  der  Pädagogik  und 
ihrer  Grundwissenschaften  zur  Aufgabe  gestellt.  Zur  Lösung  derselben 
finden,  wie  im  Vorjahre,  wöchentlich  zweimal  Versammlungen  statt. 
Ab   dem    einen  Abende    werden    die   biologischen    Grundlagen    der 


100 

Pädagogik,  normale  Anatomie,  Physiologie  und  Hygiene  des  Kindes, 
an  dem  anderen  die  philosophischen  Grundlagen,  Psychologie  des 
Kindes   und  Ethik,  sowie  ihre  pädagogische  Anwendung  behandelt. 

Untersuchung   der  Zähne  von  Londoner   Schulkindern. 

Wie  in  den  Han  well  schulen,1  so  sind  jetzt  auch  in  den  Sutton- 
schulen  von  London  die  Zähne  der  Kinder  untersucht  und  Mit- 
teilungen darüber  an  die  Schulbehörde  Süd-Londons  abgesandt 
worden.  Danach  hatten  von  1985  untersuchten  Schulkindern  nur 
527  gesunde  Zähne,  während  4677  Zähne,  nämlich  1686  bleibende 
und  2991  Wechselzähne,  ärztliche  Behandlung  nötig  hatten.  Von 
den  1686  bleibenden  Zähnen  mufsten  1173,  von  den  2991  Wechsel- 
zähnen 2025  gefüllt,  die  übrigen  sämtlich  ausgezogen  werden.  Die 
Leitung  der  Schule  würde  gut  thun,  so  bemerkt  „The  BrU. 
Med.  Journ.",  den  Rat  der  zahnärztlichen  Gesellschaft  von  England 
zu  befolgen  und,  wie  die  Hanwellschulen,  einen  Zahnarzt  für  die 
Kinder  anzustellen.  Derselbe  müfste  £  150  bis  £  160  jährlich 
erhalten  und  dafür  die  Schule  in  bestimmten  Zwischenräumen 
besuchen;  aufserdem  wären  für  die  erste  Einrichtung  £  40  und  für 
Material  £  10  erforderlich.  Auf  diese  Weise  würde  manches 
örtliche  Leiden  verhütet  und  das  Allgemeinbefinden  gefördert  werden, 
da  die  Ernährung  nur  dann  genügend  ist,  wenn  der  Kauakt  nicht 
durch  kranke  Zähne  gestört  wird.  Es  kann  für  diejenigen,  denen 
die  Fürsorge  für  Kinder  anvertraut  ist,  nicht  oft  genug  betont 
werden,  dafe  die  Wohlthaten  einer  zahnärztlichen  Überwachung  die 
durch  dieselbe  entstehenden  Kosten  bei  weitem  überwiegen. 

Urteil  des  Reichsgerichts,  die  Überschreitung  des  Züch- 
tigungsrechtes der  Lehrer  betreffend.  Der  als  Lehrgehilfe  an 
der  Volksschule  zu  G.  in  Württemberg  angestellte  Angeklagte  hat, 
wie  die  „Kath.  Schulztg."  berichtet,  am  19.  Februar  1891  dem 
noch  nicht  zehn  Jahre  alten  Schüler  Albert  F.,  um  ihn  wegen  fort- 
gesetzter Unaufmerksamkeit  zu  bestrafen,  mit  einem  Stecken  zwei 
Schläge  auf  das  Gesäfs  gegeben,  welche  dem  Knaben  einige  Tage 
dauerndes  Schmerzgefühl  und  Blutunterlaurangen  an  dem  getroffenen 
Körperteile  verursacht  haben.  Die  hiernach  von  dem  Angeklagten 
als  Beamten  in  Ausübung  seines  Amtes  vorgenommene  körperliche 
Züchtigung  hat  das  Gericht  —  abgesehen  von  der  Verfügung  des 
Ministeriums  vom  22.  Mai  1880  —  nicht  als  die  Grenzen  eines 
maCsvoll  und  vernünftig  geübten  Züchtigungsrechtes  überschreitend 
erachtet.  Nach  der  genannten  Verfugung  war  allerdings  der  An- 
geklagte als  unständiger  Lehrer  nicht  befugt,  einem  Schüler,  zumal 
einem  solchen  unter  10  Jahren,   Schläge  auf  das  Gesäfs   zu  geben. 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1892,  No.  5,  S.  233—234. 


101 

Das  Gericht  hat  aber  auch  diese  Schuldfrage  verneint,  da  nach  einer 
am  9.  Dezember  1884  vom  Knitosministerium  gegebenen  authentischen 
Auslegung  die  Verfügung  vom  22.  Mai  1880  nur  als  ein  „Wunsch", 
ein  „Ratschlag44  und  nicht  als  bindend  anzusehen  sei.  Da  hiernach 
festgestellt  worden,  der  Angeklagte  habe  die  fragliche  Züchtigung 
nicht  rechtswidrig  vorgenommen,  so  sei  er  freizusprechen  gewesen. 
Auf  Revision  der  Staatsbehörde  gegen  diese  Freisprechung  hat  jedoch 
das  Reichsgericht  die  Auffassung,  als  ob  die  Verfügung  vom  22.  Mai 
1880  nur  Ratschläge  und  Wünsche  enthalte,  zurückgewiesen  und 
aasgesprochen,  dafs  durch  jene  Verfügung  die  Grenzen  der  körper- 
lichen Züchtigung  festgestellt  worden  seien.  Hiernach  war  die  Frei-» 
sprechung  des  Angeklagten  nicht  aufrecht  zu  halten,  sondern  es 
mußte,  wie  durch  Urteil  des  Reichsgerichts  vom  10.  Dezember  1891 
geschehen  ist,  wegen  rechtswidrig  vorgenommener  Züchtigung  auf 
schuldig  erkannt  werden. 

flandfertigkeitsunterricht  in  Rufsland.  Auch  in  Rufsland 
macht  der  Handfertigkeitsunterricht  immer  weitere  Fortschritte.  Mittel- 
punkt der  betreffenden  Bestrebungen  ist  nach  der  „Dtsch.  Schulelg* 
das  Petersburger  Institut  für  Lehrer  dieses  Faches.  Von  der  Regierung 
sind  demselben  3000  Rubel  zur  Verfügung  gestellt  worden.  Aufser- 
dem  wurden  an  verschiedenen  Orten  während  der  Ferienzeit  elf 
periodische  Lehrerkurse  abgehalten.  Das  russische  Kriegsministerium 
hat  beschlossen,  den  Arbeitsunterricht  in  alle  Kadettenanstalten  ein- 
zuführen. Zu  diesem  Zwecke  wurde  bereits  im  Sommer  1891  ein 
Unterrichtskursus  für  Offiziere,  welche  an  Kadettencorps  kommandiert 
sind,  veranstaltet.  Im  ganzen  erteilen  bis  jetzt  116  Anstalten  Hand- 
arbeitsunterricht, nämlich  4  Lehrerinstitute  für  Handfertigkeit,  14 
Lehrerseminare,  4  Mittelschulen,  16  Kadettencorps,  44  höhere 
Bürgerschulen  und  34  Elementarschulen. 

Mensa  academica  in  Wien.  Gegen  Ende  des  vorigen  Jahres 
wurde  einem  Berichte  der  nN.  fr.  iV.tt  zufolge  die  akademische 
Speisehalle  in  Wien  ihrer  Bestimmung  übergeben,  und  der  alle  Er- 
wartungen übertreffende  Andrang  seitens  der  Studenten  bewies,  wie 
sehr  diese  Institution  dem  Bedürfhisse  entspricht.  Der  Frühstücks- 
tisch war  naturgemäfs  weniger  stark  besucht;  hier  mag  wohl  die 
eingebürgerte  Gewohnheit,  in  den  Kaffeehäusern  zu  frühstücken,  wo 
man  für  verhältnismäßig  billige  Preise  Kaffee  und  die  unentbehrliche 
Zeitungslektüre  geniefsen  kann,  die  Hauptursache  sein.  Um  so  leb- 
hafter ging  es  aber  zur  Mittagsstunde  an  der  mensa  academica  zu. 
um  12  Uhr  war  die  für  150  Personen  berechnete  Speisehalle  von 
einer  doppelten  Anzahl  von  Studierenden  gefüllt.  Dicht  gedrängt 
«afaen  die  Mittagsgäste  an  den  Tischen  und  afsen  buchstäblich  im 
Schweifte  ihres  Angesichtes  ihr  Brot.    Derjenige,  der  sich  schon  im 


102 

glücklichen  Besitze  eines  Platzes  befand,  wurde  von  *  mehreren 
Dutzend  Nachzüglern  umlagert,  welche  mutig  ausharrten,  um  sich 
einen  freigewordenen  Sitz  zu  erobern,  und  so  ging  es  mit  und  ohne 
Grazie  weiter.  Dafs  die  Bedienung  durch  die  vorläufig  wenigstens 
ungenügende  Zahl  der  fünf  Universitätsdiener  eine  wenig  befriedigende 
war,  darf  nicht  wunder  nehmen.  Auch  viele  Neugierige,  denen  man 
es  auf  den  ersten  Blick  ansah,  dafs  sie  ein  Diner  im  Restaurant 
vorziehen,  wohnten  der  heutigen  „Premiere"  bei.  Von  12  bis 
2  Uhr  herrschte  im  Saale  und  in  der  Rathausstrafse  vor  dem  Hanse 
No.  6  ein  ewiges  Ab-  und  Zufluten  der  appetitgesegneten  Musen- 
söhne.  Mehrere  der  Abonnenten,  die  infolge  des  Andranges  ungeduldig 
wurden,  suchten  die  Coupons  ihrer  Abonnementskarten  an  den  Mann 
zu  bringen,  um  sich  in  der  nächsten  Bierhalle  zu  restaurieren. 
Trotz  aller  dieser  kleinen  Zwischenfälle,  ohne  welche  keine  Novität 
in  Scene  geht,  bewährte  sich  die  mensa  zu  vollster  Zufriedenheit 
aller  Besucher.  Die  Erfahrung  wird  lehren,  ob  nicht  schon  in  diesem 
Semester  an  eine  Vergröfserung  des  Lokales  gedacht  werden  mufs. 
Kinderheilherberge  Bethesda  zu  Soolbad  ßoczalkowitz  in 
Schlesien.  Bei  dem  häufigen  Vorkommen  der  Skrofulöse  unter  der 
Schuljugend  dürfte  es  von  Interesse  sein,  zu  hören,  dafs  die  Kinder- 
heilherberge  Bethesda  zu  Soolbad  Goczalkowitz  im  schlesischen  Kreise 
Plefs  erweitert  werden  soll.  Bisher  konnten  bei  den  unzureichenden 
Mietsräumen  nur  wenig  über  100  Patienten  jährlich  in  4  Ab« 
teilungen  aufgenommen  werden,  so  dafs  seit  der  Gründung  der  Anstalt 
im  Jahre  1880  760  arme  skrofulöse  Kinder  geheilt  oder  gebessert 
worden  sind.  Nunmehr  aber  gedenkt  der  Vorstand  und  Stiftungsrat 
den  Bau  eines  eigenen  Krankenhauses  in  Angriff  zu  nehmen,  welches 
die  Aufnahme  von  mindestens  180  Kindern  jährlich  ermöglicht. 
Die  gröfsere  Hälfte  des  Baukapitals  ist  bereits  beschafft,  die  kleinere 
hofft  man  durch  Sammlungen  aufzubringen. 


ämtltd)e  Verfügungen. 


Bescheid  des  Königlich  prenfsischen  Kriegsministeriums  über 
die  Benutzung  der  Exerzierplätze  zu  Jugendspielen. 

Berlin,  den  9.  Mai  1892. 

Indem  Euer  Hochwohlgeboren    das    Kriegsministerium    für   die 

gefällige  Übersendung  des  Protokolls  der  ersten  Generalversammlung 

des  Centralausschusses  zur  Förderung    der   Jugend-  und  Volksspiele 

in  Deutschland  seinen  ergebensten  Dank  ausspricht,    erwidert  es  mit 


103 

Bezug  auf  die  dabei  vorgetragene  Bitte  wegen  eventueller  Benutzung 
der  Exerzierplätze,  beziehungsweise  Exerzierhallen  und  Reithäuser  durch 
Spielgesellschaften,  dafe  eine  Benutzung  von  Exerzierhäusern  und  Reit- 
bahnen aus  dienstlichen  Rücksichten  nicht  gestattet  werden  kann. 
Dagegen  ist  gegen  die  Benutzung  von  Exerzierplätzen  an  Sonn-  und 
Feiertagen  zu  dem  in  Rede  stehenden  Zweck  unter  der  Voraussetzung 
nichts  einzuwenden,  dafs  das  betreffende  Generalkommando  seine 
Zustimmung  erteilt  und  •  dafs  die  betreffende  Spielgesellschaft  sich 
verpflichtet,  keinerlei  Veränderung,  wie  Löcher  u.  s.w.,  an  der  Oberfläche 
des  Exerzierplatzes  vorzunehmen  und  für  jeden  etwa  dennoch  ent- 
stehenden Schaden  aufzukommen. 

Die  Generalkommandos  haben  die  entsprechende  Mitteilung  er- 
halten. 

(Gez.)  von  Kaltbnborn. 
An 
den  Vorsitzenden  des  Centralausschusses  zur  Förderung 

der  Jugend-  und  Volksspiele  in  Deutschland. 

Grundsätze  für  die  Aufrechterhaltung  der  Sauberkeit  an  den 
höheren  Schulen  im  Anfsichtsbezirke  des  Königlichen  Provin- 

zialschulkollegiums  zn  Cassel. 

§.  1- 

Die  Reinigung  der  Klassenzimmer  und  des  Zeichen- 
saales erfolgt: 

a.  wöchentlich  mindestens  zweimal  (am  Mittwoch-  und  Sonn- 
abendnachmittag)  gründlich  durch  Auskehren,  und  zwar,  um  das 
Aufwirbeln  des  Stanbes  zu  vermeiden,  nachdem  der  Fufsboden 
reichlich  mit  ausgestreuten  nassen  Sägespänen  oder  mit  nassem 
Torfmull  oder  nasser  Lohe  bedeckt  worden  ist.  Zum  Anfeuchten  ist 
warmes  Wasser  zu  verwenden. 

Aufserdem  sind 

b.  alljährlich  mindestens  viermal  gründliche  Hauptreinigungen 
Torzunehmen,  und  zwar,  was  auch  bei  allen  übrigen  Räumen  gilt, 
hei  geöltem  Fufsboden  und  Parkettfußboden  mit  warmem  Wasser, 
Seife  und  Scheuertuch,  bei  nicht  geöltem  Fußboden  mit  warmem 
Wasser,  Sand,  Seife  und  Schrubber,  bezw.  Bürste.  Zuvor  ist  von 
den  Decken  und  Wänden,  wenn  dieselben  nicht  frisch  geweilst, 
beziehungsweise  gefärbt  sind,  der  Staub  abzukehren.  Getäfel  und 
Mobiliar  sind  mit  warmem  Wasser  und  Seife  abzuwaschen;  ebenso 
die  Fenster  auf  der  Innen-  und  Aufsenseite.  Auch  sind  Thürgriffe, 
Beschläge  u.  s.  w.  sacbgemäfs  zu  reinigen  und  zu  putzen. 

e.  Ein  Abwischen  des  Staubes  von  den  Tischen  und  Bänken, 
den  Bücherplätzen  der  Schüler  unter  den  Pulten,  von  den  Schränken 


104 

u.  s.  w.,  sowie  die  Entfernung  des  Staubes  aus  den  Ofenkacheln  hat 
mit  feuchten  Tüchern,  von  Aufsenteilen  eiserner  Öfen  mit  trockenem 
Tuche  an  jedem  Mittwoch  und  an  jedem  Sonnabend  mit  aller  Gründ- 
lichkeit und  Sorgfalt  zu  erfolgen. 

§•  2. 
Die  Reinigung  der  Bibliothekräume  und  des  physika- 
lischen Kabinetts  hat  nach  den  im  §.  1  angegebenen  Grundsätzen 
stattzufinden,  und  zwar  unter  Aufsicht  des  Bibliothekars,  beziehungs- 
weise der  betreffenden  Fachlehrer 

a.  viermal  jährlich  gründlich  (Scheuern), 

b.  monatlich  einmal  durch  feuchtes  Aufziehen. 

Bei  den  Hauptreinigungen  sind  nicht  nur  die  unter  §.  1,  b> 
2.  Absatz  erwähnten  Verrichtungen  vorzunehmen,  sondern  es  bleiben 
unter  der  vorgedachten  Aufsicht  auch  die  Apparate  zu  reinigen; 
ferner  ist  der  Staub  aus  den  Fächern  der  Repositorien  mit  feuchten 
Tüchern  auszuwischen,  worauf  mit  einem  trockenen  Tuche  nach- 
zuwischen  ist. 

§.  3. 

Flure,  Gänge  und  Treppen  sind 

a.  wöchentlich  mindestens  einmal  gründlich  zu  waschen,  be- 
ziehungsweise zu  scheuern  und 

b.  an  den  übrigen  Wochentagen  mit  nassen  Sägespänen  oder 
dergleichen  ordentlich  zu  kehren. 

c.  Das  Abkehren  der  Decken  und  Wände,  das  Abwaschen  des 
Holzwerks,  das  Putzen  der  Fenster,  Griffe  und  Beschläge  erfolgt 
nach  Bedürfnis,  namentlich  in  gründlicher  Weise  bei  den  grofsen 
Reinigungen  des  ganzen  Anstaltsgebäudes  (§.  1,  b.). 

Die  Aula  ist  wöchentlich  mindestens  einmal  mit  nassen  Säge- 
spänen u.  s.w.  zu  kehren,  aufserdem  aber  mehrere  Tage  vor  jeder  Schul- 
feier gründlich  abzuwaschen.  Stühle,  Bänke,  Büsten,  Kronleuchter, 
Lampen,  nicht  minder  Heizanlagen,  Öfen,  Beschläge  u.s.  w.sind  Staubfrei, 
beziehungsweise  sauber  zu  erhalten.  Nach  Bedürfnis,  mindestens 
vierteljährlich  einmal,  sind  auch  die  Fenster  zu  putzen  und  die  Wände 
sorgfältig  abzukehren. 

§.  5. 

Die  Dielenböden  der  Turnhallen  sind  wöchentlich  mindestens 
einmal  gründlich  zu  scheuern  und  täglich,  d.  h.  nach  jedem  Ge- 
brauche, mit  nassen  Sägespänen  u.  s.  w.  gründlich  auszukehren,  wofür 
auch  nasses  Aufziehen  angeordnet  werden  kann. 

Bei  allen  diesen  Reinigungen  ist  der  Staub  von  den  Wänden 
abzukehren  und  von  den  Geräten  u.  s.  w.  mit  nassen  Tüchern,  von 


105 

den  Außenseiten    eiserner    Öfen   mit  trockenem  Tuche  abzunehmen. 
Alle  Tierzehn  Tage  werden  die  Fenster  geputzt. 

§.  6. 
Hofraum  und  Turnplato  sind  täglich  zu  reinigen,  auch  bei 
heüsem  Wetter   während  der   Schulzeit   mit  kaltem  Wasser  zu   be- 
sprengen. 

§•  7. 

Vorhänge,  beziehungsweise  Rouleaux  sind  in  sach- 
gemäßer Weise  zu  reinigen  und  staubfrei  zu  erhalten;  mindestens 
einmal  jahrlich  sind  sie  abzunehmen  und  gründlich  zu  reinigen, 
eventuell  zu  waschen. 

Bemerkung:  Nach  ärztlichem  Gutachten  empfehlen  sich  als 
Schutzvorrichtungen  gegen  Sonnenlicht  am  meisten  Zugvorhänge 
von  grauer,  durchscheinender  Leinwand,  die  an  eisernen  Stangen 
Aber  den  Fenstern  anzubringen  sind  und  zur  Seite  gezogen  werden 
können. 

§.  8. 

Das  Reinigen  der  Schornsteine,  der  Heizanlagen,  be- 
ziehungsweise der  Öfen  hat  so  oft  zu  geschehen,  dafs  eine  Be- 
lästigung durch  Rauch  und  Rufsteile  u.  s.  w.  nicht  stattfindet. 

§.  9. 

Aborte  und  Pissoirs  müssen  stets  sehr  sauber  und,  soweit 
thnnlich,  geruchfrei  gehalten  werden. 

Wo  Wasserspülungen  nicht  vorhanden  sind,  hat  in  nicht  zu 
langen  Zwischenräumen  —  mindestens  alle  Vierteljahr  —  Abfuhr 
der  Latrinenstoffe  stattzufinden.  Auch  sind  von  Zeit  zu  Zeit  Des- 
infektionen der  Aborte  vorzunehmen. 

§.  10. 

Es  ist  darauf  Bedacht  zu  nehmen,  dafs  die  Wände  und 
Decken  in  den  Schulräumen,  namentlich  in  den  Klassenzimmern, 
wenn  nicht  alljährlich,  so  doch  ein  um  das  andere  Jahr  frisch 
getüncht  werden. 

§.  11. 

Die  Fufsböden  sind  womöglich  jährlich,  jedenfalls  aber 
an  nm  das  andere  Jahr  mit  einem  guten  Firnisölanstrich  zu 
versehen. 

Bemerkung:  Schlechte  Fufsböden  müssen  baldmöglichst 
erneuert  werden.  Dabei  ist  darauf  zu  achten,  dafs  nicht  weiches 
Holz  und  zu  schmale  Bretter  zur  Verwendung  kommen.  Weiches 
Holz  splittert  leicht  ab  und  macht  einen  haltbaren  und  dauerhaften 
Firmsanstrich  zur  Unmöglichkeit.  Dasselbe  saugt  aufserdem  die 
Nässe  begierig  ein  und  trocknet  sehr  schwer.  Zu  schmale,  latten- 
artige Dielen  vermehren    unnötigerweise    die   Ritzen.     Am  geeignet- 


106 

sten  scheinen  eichene  Riemenböden  zu  sein,  auf  welche  sich  auch 
Schulbänke  der  neueren  erprobten  Systeme,  wie  z.  B.  die  Franken- 
thaler  Normalschulbank  (Lickroth),  dauerhaft  anschrauben  lassen. 

§.  12. 

Nach  dem  Gutachten,  welches  dem  Cirkularerlasse  des  Herrn 
Unterrichtsministers  vom  11.  April  1888,  U.  IL,  No.  8891,  bei- 
gefügt ist  —  mitgeteilt  durch  unsere  Cirkularverfügung  vom  3.  Mai 
v.  J.,  S.  1965  —  betreffend  die  Beschaffung  zweckent- 
sprechender Schulbänke,  dürfen  behufs  der  leichteren  Reinigung 
der  Klassen  an  Schulbänken  Tischplatten  zum  Auf-  oder  Überklappen 
eingerichtet  werden. 

Im  Interesse  der  Erhaltung  der  Sauberkeit  in  den  Klassen- 
zimmern wird  bei  Beschaffung  neuer  Subsellien  mit  eisernen  Gestellen 
jene  Einrichtung  neben  den  beweglichen  Sitzen  zur  Regel  zu 
machen  sein. 

Schulbänke,  welche  am  Boden  oder  etwas  über  demselben 
Querleisten  oder  Bretter  haben,  erschweren  das  Ausfegen  und  Feucht- 
aufziehen der  Klassen. 

§.  13. 
Die  Schüler  werden  mit  Strenge  und  Konsequenz  anzuhalten 
sein,  vor  dem  Betreten  des  Schulgebäudes  und  der  Klassenzimmer 
ihre  Fufsbekleidung  zu  reinigen  und  die  Vorschriften  zu  befolgen, 
welche  ihnen  zur  Erhaltung  der  Reinlichkeit  und  Ordnung  zu 
geben  sind. 

Cassel,  den  25.  November  1890. 

Königliches  Provinzialschulkollegium. 
(Gez.)  Graf  zu  Eulenburg. 

KonkurrenzTorschriften  des  Wiener  Stadtrates  zur  Erlangung 
von  Projekten  für  eine  Schulbankkonstruktion  auf  Grund  der 
Thesen,  welche   die  vom   Wiener  Gemeinderate  veranlasste 

Schulbankexpertise  aufgestellt  hat. 

§.  1- 
Zur  Erlangung  von  Projekten  für  eine  Schulbankkon- 
struktion nach  den  von  der  Schulbankexpertise  aufgestellten 
Thesen  wird  von  seiten  des  Wiener  Stadtrates  eine  öffentliche  Kon- 
kurrenz ausgeschrieben,  und  ist  jedermann  im  In-  und  Auslande 
berechtigt,  ein  Projekt  hierfür  zu  überreichen. 

§•  2. 
Das    diesfalls    bei    dem    Wiener    Magistrate    zu    überreichende 
Projekt    ist  sowohl  durch  Zeichnungen   im  Maßstäbe    von  7&   der 
natürlichen  Gröfse,  als  auch  durch  Beschreibung  darzustellen.     Auch 
ist  ein  Modell  in  Naturgröfse  beizugeben. 


107 

§.  3. 
Nach  den  von  der  Schulbankexpertise  aufgestellten  Thesen  soll 
die  zu  konstruierende  Schulhank  nachstehende  Eigenschaften  besitzen : 

1.  Sie  mufs  so  beschaffen  sein,  dafs  die  Kinder  während  des 
Unterrichtes  in  der  Bank  aufstehen  können. 

2.  Sie  soll  eine  durchlaufende,  den  normalen  Krümmungen  der 
Wirbelsäule  konform  gestaltete  Rückenlehne  haben.  Letztere  soll  die 
Eigenschaften  der  gegenwärtig  üblichen  senkrecht  stehenden  Kreuz- 
lendenlehne und  jene  der  ehemals  verwendeten  geneigten  hohen 
Schulterlehne  in  sich  vereinigen. 

Demnach  mufs  der  untere  Teil  der  Lehne  bis  zur  Mitte  der 
Lendenhöhlung  der  Wirbelsäule  senkrecht  stehen  und  mit  einem 
Lendenbauschen  versehen  sein;  der  obere,  mindestens  bis  zu  den 
Schulterblättern  reichende  Schulterteil  der  Lehne  mufs,  von  dem 
prominentesten  Punkte  des  Lendenbauschens  angefangen,  wenigstens 
10 — 15  Grade  nach  rückwärts  geneigt  sein. 

Diese  Lehne  ist  eine  kombinierte  Lehne,  eine  Kreuzlenden- 
schulterlehne.  Die  Sitzfläche  soll  von  vorne  nach  rückwärts  mäfsig 
abfallen.  In  der  Regel  soll  an  jeder  Bank  die  zu  ihr  gehörige 
Rückenlehne  angebracht  sein ;  da  es  aber  wegen  Raumersparung  erfor- 
derlich sein  kann,  dafs  die  Rückenlehne  in  Verbindung  mit  der 
Vorderwand  der  dahinterstehenden  Bank  gebracht  wird,  so  ist 
aofrerdem  eine  Alternativkonstruktion  für  die  Gestaltung  der  Vorder- 
rad zugleich  als  Rückenlehne  zu  projektieren. 

3.  Die  Schulbank  soll,  wenn  die  Kinder  schreiben,  eine 
Minnsdistanz  haben. 

4.  Das  Schreiben  und  Freihandzeichnen  mufs  in  der  Reklinations- 
lage  ermöglicht  sein. 

5.  Die  Neigung  des  Pultes  soll  eine  möglichst  grofse,  mindestens 
15  Grade  betragende,  aber  eine  solche  sein,  dais  die  Hefte  und 
Bttcher  nicht  herabrutschen. 

6.  Beim  Sitzen  der  Kinder  sollen  deren  Füfse  auf  dem  Boden 
ruhend  sich  stützen  können. 

7.  Die  Distanz  Verschiebung  soll  womöglich  durch  Pultbewegung 
«rnelt  werden. 

8.  Die  Dimensionierung  der  Bänke  ist  nach  den  in  beiliegender 
Tabelle  enthaltenen  Mafsen  auszuführen. 

9.  Im  übrigen  sind  die  Schulbänke  folgendermafsen  einzurichten: 
Das  Sitzbrett  ist  nach  vorne  abzurunden  und  nach  rückwärts 

leicht  auszuschweifen. 

Die  Tischplatte  ist  an  der  höheren  Kante  mit  einer  schmalen 
Vertiefung  zum  Hineinlegen  der  Griffel,  Federn  etc.  zu  versehen. 
Alle  Kanten  an  jeder  Schulbank  sind  abzurunden.     Die  Tintengläser 


108 

sind    in    die    Bank    einzulassen     und    mit    einem    Verschlufs     zn 
versehen. 

§•4. 

Der  Preisbewerber  mufs  ein  Patentrecht  auf  sein  Projekt, 
respektive  die  einzelnen  Bestandteile  desselben  für  das  gesamte 
österreichische  Reichsgebiet  auf  mindestens  ein  Jahr  erworben  haben, 
und  hat  dies  durch  Beilage  des  betreffenden  Certifikates  und  einer 
Abschrift  der  Patentbeschreibung  nachzuweisen. 

§.  5. 

Die  Projekte  sind  spätestens  8  Monate,  vom  Tage  der  Eonkurs- 
ausschreibung gerechnet,  d.  i.  bis  Ende  Juni  1893,  im  Einreichungs- 
protokolle  des  Wiener  Magistrates  versiegelt  und  frankiert  zu  über- 
reichen und  die  einzelnen  Zeichnungen  und  das  beizugebende 
Modell  mit  einem  und  demselben  Zeichen  oder  Motto  —  ohne 
Namensuntersehrift  —  zu  versehen. 

Jeder  Projektant  hat  seinem  Projekte  noch  ein  versiegeltes  Couvert 
beizuschliefsen,  welches  außen  mit  gleichem  Motto  oder  Zeichen, 
wie  das  Projekt,  zu  versehen  ist  und  den  Namen  und  die  genaue 
Adresse  des  Projektanten,  sowie  die  im  §.  4  geforderten  Nachweise 
zu  enthalten  hat. 

§.  6. 

Die  Prüfung  der  einzelnen  Projekte  wird  durch  eine  von 
seiten  des  Stadtrates  einberufene  Beurteilungskommission,  bestehend 
aus  Mitgliedern  des  Gemeinderates,  Magistrates,  Bezirksschulrates, 
Stadtbauamtes,  Stadtphysikates  und  Mitgliedern  der  Schulbankexpertise 
unter  dem  Vorsitze  eines  Mitgliedes  des  Stadtrates  vorgenommen 
werden. 

§•7. 

Projekte,  welche  nicht  rechtzeitig  eingereicht,  oder  nicht  nach 
den  Bestimmungen  dieser  Konkurrenzausschreibung  zur  Darstellung 
gebracht,  oder  nicht  mit  den  geforderten  Nachweisen  belegt  sind, 
werden  von  der  Beurteilung  ausgeschlossen. 

§.8. 

Von  denjenigen  der  eingelaufenen  Konkurrenzprojekte,  welche 
von  seiten  der  Beurteilungskommission  zur  Ausführung  als  geeignet 
und  auch  als  preiswürdig  anerkannt  sind,  werden  die  drei  besten 
durch  die  Beurteilungskommission  mit  Preisen  prämiiert,  und  zwar: 

das  beste  Projekt,  wenn  es  den  aufgestellten  Normen  voll- 
ständig entspricht,  mit  1000  fl.  ö.  W.,  das  zweitbeste  mit  500  fl. 
ö.  W.  und  das  drittbeste  mit  300  fl.  ö.  W. 

Erfüllt  jedoch  die  als  beste  erkannte  Bank  die  aufgestellten 
Normen  nicht  vollständig,  so  wird  dieselbe  mit  500  fl.  und  die 
nächstbeste  Bank  mit  300  fl.  prämiiert. 


109 

Die  zuerkannten  Preise  werden  sofort  nach  Schlafe  der  Aus* 
Stellung  (§.  10)  bei  der  städtischen  Hauptkasse  in  der  üblichen 
Weise  gegen  skalamäfsig  gestempelte  Quittung  ausbezahlt. 

§.9. 

Mit  dem  Tage  der  Preiszuerkennung  gehen  die  honorierten 
Projekte  in  das  Eigentum  der  Gemeinde  Wien  insoweit  und  insofern 
über,  dafe  die  Gemeinde  berechtigt  ist,  für  den  eigenen  Schulbedarf 
die  Bftnke  der  prämiierten  Konstruktionen  —  entweder  genau  nach 
den  Projekten,  oder  mit  Änderungen  —  durch  sefbstgewählte 
Geschäftsleute  ausführen  zu  lassen,  ohne  hierbei  an  irgend  eine 
Verpflichtung  gegenüber  dem  preisgekrönten  Projektanten  gebunden 
xi  sein. 

Dieses  Recht  erstreckt  sich  auf  den  ganzen,  zufolge  des  Gesetzes 
vom  19.  Dezember  1890,  L.-G.-BJ.  vom  20.  Dezember  1890,  No.  45, 
festgestellten  Gebietsumfang  der  Reichshaupt-  und  Residenzstadt  Wien. 

Der  Gemeinderat  behält  sich  vor,  noch  weitere  ihm  zusagende 
Projekte  um  den  Preis  von  100  bis  200  fl.  anzukaufen. 

§.  10. 

Die  eingesendeten  Projekte  werden  nach  der  Preiszuerkennung 
8  Tage  zur  allgemeinen  Besichtigung  ausgestellt. 

Die  nicht  prämiierten  und  die  nicht  angekauften  Projekte  und 
Bankmuster  sind  mindestens  4  Wochen  nach  geschlossener  Aus- 
stellung von  den  sich  legitimierenden  Eigentümern  oder  deren  Bevoll- 
mächtigten in  Empfang  zu  nehmen.  Über  diese  Frist  hinaus  über- 
nimmt die  Gemeinde  keine  Verpflichtung,  für  die  weitere  Aufbewahrung 
der  Projekte  und  Bankmuster  zu  sorgen,  und  kann  der  betreffende 
Projektant  die  nachträgliche  Ausfolgung  des  Projektes  nicht  verlangen. 

§.11. 
Exemplare  dieser  Preisausschreibung  werden  in   der  Hochbau- 
abteOung  des  Stadtbauamtes  im  neuen  Rathause  unentgeltlich  verab- 
folgt und  daselbst  auch  etwa  gewünschte  Auskünfte  erteilt. 
Vom  Stadtrate  der  k.  k.  Reichshaupt-  und  Residenzstadt  Wien. 


Personalien 


Herr  Dr.  med.  Fr.  Dornblüth,  praktischer  Arzt  in  Rostock, 
hat  sich  zur  Mitarbeit  an  unserer  Zeitschrift  bereit  erklärt. 

Dem  Unterstaatssekretär  im  Königlich  preußischen  Ministerium 
der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten,   Dr.  von 


110 

Weyrauch  in  Berlin,  ist  der  rote  Adlerorden  II.  Klasse  mit  Eichen- 
laub verliehen  worden. 

Der  Professor  der  Hygiene,  Dr.  Loefpler  in  Greifewald,  hat 
das  Kommandeurkreuz  des  Königlich  griechischen  Erlöserordens,  der 
Assistent  am  hygienischen  Institute  daselbst,  Dr.  Abel,  das  silberne 
Ritterkreuz  desselben  Ordens  erhalten. 

Der  ausserordentliche  Professor  Dr.  Finklfr  zu  Bonn,  früher 
im  Reichsgesundheitsamte,  wurde  mit  dem  Offizierkreuz  des  Sterns 
von  Rumänien  dekoriert. 

Dem  Mitgliede  des  Medizinalkollegiums  in  Koblenz,  Medizinal- 
rat  Dr.  Kibcrgaksser,  ist  der  Charakter  als  Geheimer  Medizinal- 
rat, dem  Kreisphysikus  Dr.  Schmitz  in  Malmedy,  der  verschiedene 
hygienische  Schriften  verfällst  hat,  der  Charakter  als  Sanitäterat 
verliehen  worden. 

Der  Leiter  der  städtischen  Taubstummenschule  zu  Berlin, 
Rektor  Bbrndt,  erhielt  den  Titel  Direktor. 

An  Stelle  des  Herrn  Läon  Bourgeois  ist  dem  Abgeordneten 
Charles  Düput  das  französische  Ministerium  des  öffentlichen 
Unterrichts  und  der  schönen  Künste  übertragen  worden« 

Unser  verehrter  Mitarbeiter,  der  ordentliche  Professor  der 
Augenheilkunde  an  der  Universität  Königsberg,  Herr  Geheimer 
Medizinalrat  Dr.  von  Hippel,  wurde  in  gleicher  Eigenschaft  an 
die  medizinische  Fakultät  zu  Halle  a»  S.  versetzt. 

Der  aufserordentliche  Professor  der  Hygiene  an  der  milh&r- 
medizinischen  Akademie  in  St.  Petersburg,  Dr.  S.  W.  SOHlDLOirSKi, 
hat  die  Beförderung  zum  ordentlichen  Professor  erhalten. 

Unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Privatdocent  Dr.  Adolf 
Baginskt,  Direktor  der  inneren  Abteilung  des  Kaiser  und  Kaiserin 
Friedrich-Krankenhauses  in  Berlin,  wurde  zum  außerordentlichen 
Professor  ernannt.  Aufser  durch  zahlreiche  wissenschaftliche 
Veröffentlichungen  hat  sich  Herr  Professor  Baginskt  besonders 
durch  sein  Handbuch  der  Schulhygiene  und  sein  Lehrbuch  der 
Kinderkrankheiten  bekannt  gemacht. 

Der  um  die  Sprachheilkunde  und  den  Unterricht  stotternder 
Schüler  verdiente  Dr.  E.  Bloch  habilitierte  sich  an  der  Universität 
Freiburg  i.  B.  für  Ohrenheilkunde. 

Dr.  Chartier,  Hilfsarzt  des  Lyceums  in  Nantes,  ist  an  Stelle 
des  um  seinen  Abschied  eingekommenen  Dr.  Cochard  zum  Arzte 
dieser  Anstalt  ernannt  worden;  zum  Nachfolger  Dr.  Chartiers 
wurde  Dr.  Lerat  gewählt. 

Dr.  Angelo  Bolognesi  erhielt  die  Stelle  als  Hilfsarzt  am 
Lyceum  von  Mans,  Dr.  Jaubert  die  gleiche  Stellung  am  Lyceum 
von  Pe>igueux  als  Nachfolger  des  verstorbenen  Dr.  Laoombe. 


111 

Am  27.  Dezember  v.  J.  fand  in  der  Sorbonne  vor  einer 
glänzenden  Versammlung,  an  deren  Spitze  der  Präsident  der  Republik 
and  eine  groJse  Anzahl  von  Ministern  und  höheren  Würdenträgern 
Frankreichs,  erschienen  waren,  die  von  uns  bereits  erwähnte  Feier 
des  70.  Geburtstages  von  Professor  Pasteur  statt.  Nach  den 
Ansprachen  des  Unterrichtsministers  Dupüy,  Joseph  Libters,  des 
ständigen  Sekretärs  der  Akademie  Bergeron  und  anderer  liefs 
Pasteur  durch  seinen  Sohn  eine  Ansprache  verlesen,  in  welcher 
fer  unter  anderem  der  unerschütterlichen  Zuversicht  Ausdruck  gab, 
dafs  die  Wissenschaft  und  der  Friede  über  die  Unwissenheit  und 
den  Krieg  triumphieren  und  die  Völker  sich  untereinander  verständigen 
würden,  nicht  um  zu  zerstören,  sondern  um  aufzurichten.  König 
Oskar  II  von  Sehweden  hatte  dem  Jubilar  das  Grofskreuz  vom 
Orden  des  heiligen  Olaf  verliehen,  die  medizinische  Fakultät  der 
Universität  Berlin  ihm  ein  lateinisches  Glückwunschschreiben,  die 
Berliner  medizinische  Gesellschaft  und  der  Verein  für  innere  Medizin 
daselbst  das  Diplom  als  Ehrenmitglied  übersandt.  Von  der  Universität 
Genf  war  er  zum  Ehrendoktor  der  Medizin  ernannt  worden.  Aus- 
Wien  liefen  telegraphische  Glückwünsche  ein,  eine  Deputation  der 
rassischen  Ärzte  erschien  mit  einem  Gratulationsschreiben  und  einem 
Ehrengeschenke,  und  seitens  eines  dänischen  Komitees  wurde  eine 
goldene  Medaille  überreicht. 

Dr.  P.  de  Pirtrasanta,  Generalsekretär  der  französischen 
hygienischen  Gesellschaft;  hat  am  20.  Oktober  v.  J.  in  Paris  sein 
ftnföjQähriges  Doktorjubiläum  gefeiert. 

Am  22.  November  v.  J.  wurde  zu  Jalta  in  Rufsland  die  fünf« 
n&dzwanzigjährige  Jubelfeier  der  Thätigkeit  des  Dr.  W.  N.  Dmitrijbw, 
Präsidenten  der  Sanitätskommission  der  Jaltaschen  Abteilung  der 
Gesellschaft  zur  Wahrung  der  Volksgesundheit,  festlich  begangen. 

Es  sind  gestorben:  der  Geheime  Regierungs-  und  Provinzial- 
sdmlrat  Dr.  Wbhrmann  in  Stettin,  74  Jahre  alt,  am  28.  November 
v.  J.,  der  Professor  für  Militärhygiene  an  der  Universität  Florenz 
G.  Bon alü mi,  der  Redakteur  August  Lammers  in  Bremen, 
Vorsitzender  des  deutschen  Vereins  für  Knabenhandarbeit,  im 
62.  Lebensjahre  und  der  vielbeschäftigte  Kinderarzt  Dr.  Flbsch  zu 
Frankfurt  a.  M. 


112 


£itteratar. 


Besprechungen. 

Körpererziehung  nnd  Schulreform«  Von  einem  rheinische* 
Juristen.  Hannover-Linden,  1891.  Verlagsanstalt  von  Mauz 
&  Lange.     (30  S.  Gr.  8°.  JH.  0,50.) 

Über  10  Jahre  ist  es  her,  seitdem  der  Amtsrichter  £.  Hart- 
wich durch  seine  zündende  Schrift  „  Waran  wir  leiden"  die  Bedeutung 
der  Körpererziehung  weiten  Kreisen  der  Nation  aufs  neue  eindring- 
lich zu  Gemüte  führte.  Erziehungsfragen  von  so  einschneidender  Wichtig- 
keit, wie  die  einer  ausreichenden  Körpererziehung  als  Gegengewicht, 
sowie  als  Unterstatzungmittel  der  geistigen  Schulung,  entscheiden  sich 
nicht  von  heute  auf  morgen  und  werden  nicht  im  Handumdrehen 
zur  vollen  Wirksamkeit  gebracht.  Pflegen  wir  Deutschen  doch  über- 
haupt solchen  Regungen,  die  mit  überlieferten  Einrichtungen  und 
Anschauungen  brechen,  nur  langsam  und  mit  einer  gewissen  Schwer- 
fälligkeit Raum  in  unserem  Denken  und  Thun  zu  gönnen.  Um  so  mehr 
wird  dies  der  Fall  sein  in  einer  Zeit,  wo  unsere  nationale  Einigung 
uns  eine  Reihe  schwerwiegendster  Umwälzungen  auf  allen  Gebieten, 
insbesondere  des  socialen  Lebens,  gebracht  hat,  und  zudem  die 
Verteidigung  des  vaterländischen  Besitzstandes  die  gröfsten  Opfer  für 
eine  ausreichend  machtvolle  Wehrkraft  von  uns  fordert.  Zwar  ist 
die  Frage  einer  rechten  Körpererziehung  der  Jugend  auf  die  Wehr- 
tüchtigkeit des  Volkes  unmittelbar  von  gröfstem  Einflufe,  aber  die 
augenblicklichen  Erfordernisse,  wie  die  Zeitlage  sie  an  unsere 
Verteidigung  stellt,  verschlingen  die  Mittel  gänzlich.  Für  die  körper- 
liche Ertüchtigung  der  erst  nach  Jahren  zum  Heeresdienst  berufenen 
Schuljugend  bleibt  von  den  grofsen  Wehrgeldern  nichts  übrig.  Diese 
Angelegenheit  wird  als  eine  rein  erziehliche  der  Schule  überlassen. 
Aber  auch,  wenn  die  berufenen  Vertreter  und  Leiter  des 
Schulwesens  grundsätzlich  schon  damit  übereinstimmten,  dafs  die 
Erziehung  in  der  Schule  ebensogut  wie  der  Geistes-  der  Leibes- 
bildung sich  annehmen  müsse  und  dafs  das,  was  bis  heute  in 
dieser  Beziehung  geschieht,  ganz  unzureichend  ist,  so  würde  die 
Sache  damit  erst  an  der  Schwelle  ihrer  thatsächlichen  Einführung 
stehen.  Nur  zähe,  langjährige  Arbeit,  sei  es  in  Form  praktischer 
Versuche  und  vorbildlicher  Einrichtungen,  sei  es  in  Gestalt  wirk- 
samer Anregungen,  kann  allmählich  der  Körperpflege  ihren  vollen 
Platz  in  unserem  Erziehungswesen  erringen. 


113 

Und  hier  ist  es  doppelt  willkommen,  wenn  nicht  nur  der 
Lehrer  vom  erzieherischen  Boden  ans,  nicht  nur  der  Arzt  auf  Grund! 
for  Gesundheitswissenschaft  ihre  Stimmen  erheben,  sondern  wenn  aueh, 
wie  in  (fieser  Schrift,  ein  einem  fernerliegenden  Berufskreise  angehöriger 
Gebildeter  das  Wort  ergreift.  Dafs  es  wieder  ein  rheinischer 
Jurist  ist,  wollen  wir  in  dankbarer  Erinnerung  an  die  erfolgreichen 
Anregungen,  <fie  seiner  Zeit  E.  Hartwich  gegeben,  als  besonders 
günstiges  Vorzeichen  betrachten.  Denn  unbedingt  ist  dem  Verfasser 
zuzugeben,  daft  in  einer  für  unser  ganzes  Volksdasein  so  grmrf» 
legenden  Frage  eine  klare  Stellungnahme  allseitig  Recht  und  Pflicht 
ist  und  „dafs  die  Frage,  wieweit  eine  körperliche  Schulung  mit 
zw  höheren  Erziehung  gehört,  jeder  Gebildete  ebensogut  entscheiden 
kann,  wie  der  Fachmann. u 

Eicht  für  die  Schule,  sondern  für  das  Leben  lernen  wir.  Und! 
dafe  für  alle  Lagen  desselben  und  für  jede  Art  von  Berufsarbeit 
ein  gewisses  Mafe  von  körperlicher  Rüstigkeit  und  Zähigkeit  ebenso 
notwendig  ist,  um  allen  Anforderungen  stets  und  voll  zu  genügen, 
wie  eine  bestimmte  Summe  von  Kenntnissen  und  Fertigkeiten,  das 
ist  eine  Wahrheit,  welche  eigentlich  jeder  an  sich  selbst  spurt 
Und  doch  wie  wenige  ziehen  daraus  die  unabweislichen  Folgerungen 
in  Bezug  auf  die  Gestaltung  der  Jugenderziehung! 

Darum  ist  es  eine  höchst  wertvolle  Sache,  wenn  immer  wieder 
den  deutschen  Männern  und  Frauen  solche  Wahrheiten  vor  Augen 
gef&hrt  werden,  doppelt  wertvoll,  wenn  dieB  in  so  überzeugender 
Sprache,  wie  in  dem  vorliegenden  Schriftchen,  geschieht. 

Bei  dem  Blicke,  den  der  Verfasser  darauf  wirft,  was  in  anderen 
Lindern  für  die  Körpererziehung  der  Jugend  geschieht,  sind  wir 
Deutschen  doch  etwas  sehr  zu  kurz  gekommen.  Beispielsweise  steht 
Frankreich  in  Bezug  auf  Leibesübungen  der  Jugend,  abgesehen  von 
einigen  reich  ausgestatteten  Alumnaten,  trotz  des  anerkennenswerten 
Eifers  der  nach  1871  entstandenen  nationalen  Gesellschaften  und 
Verbände  doch  noch  weit  hinter  den  deutschen  Einrichtungen  zurück. 
Bis  Turnen  ist  bei  uns  biB  in  die  entlegensten  Dorfschulen,  wenn 
auch  stellenweise  in  homöopathischer  Verdünnung,  eingedrungen.  Die 
Einrichtungen  für  das  Turnwesen,  vor  allem  aber  die  Einsicht  der 
den  Turnunterricht  erteilenden  Lehrer,  das  ist  die  Grundlage,  auf 
welcher  sich  eine  erweiterte  und  genügende  Form  der  Körpererziehung 
in  unseren  Schulen  aufbauen  mufs.  Mit  dieser  Grundlage  mufs  man 
rechnen  —  und  kann  man  auch  rechnen. 

öffentliche  Meinung,  Gesetzgebung  und  Leitung  des  Erziehungs- 
wesens  müssen  Hand  in  Hand  gehen,  soll  nachhaltiges  erreicht 
werden.  Über  die  Schwierigkeit  der  Aufgabe  täusche  man  sidi 
nicht.     Wenn,    wie    der   Verfasser    will,    4  Stunden   Turnen    und 

Sehalgwnndbeiiipflege  VI.  8 


114 

4  Stunden  Spiele  das  wöchentliche  Durchschnittsmafs  der  der  Körper- 
erziehung zu  widmenden  Zeit  bilden  sollen,  dann  bedeutet  dies  einen 
beträchtlichen  Mehraufwand  für  Lehrkräfte,  Übungs-  und  Spielplätze, 
sowie  für  Turnhallen,  einen  Mehraufwand,  auf  dessen  ErSchwingung 
durch  staatliche  und  namentlich  Gemeindebehörden  auch  bei  dem 
besten  Willen  nur  stückweise,  von  Jahr  zu  Jahr  wird  gerechnet 
werden  können.  Ehe  solches  Ziel  erreicht  wird,  mufs  unablässige 
freiwillige  Arbeit  begeisterter  Freunde  der  rechten  Jugenderziehung, 
Arbeit  auf  allen  einschlägigen  Gebieten  vorangehen.  Hier  wird 
versucht  werden  müssen,  auf  städtische  Gemeindevertretungen  ein- 
zuwirken, dort  sind  die  gesetzgebenden  Körperschaften  des  Reiches 
oder  des  Landes  anzurufen.  Es  handelt  sich  ferner  darum,  die 
gebildeten  Männer  und  Frauen  zur  Anteilnahme  an  dieser  wichtigen 
Sache  zu  bewegen,  ja  aufzurütteln.  Endlich  ist  es  ganz  besonders 
erforderlich,  die  Lehrer  der  Jugend  für  diese  Seite  der  Erziehung 
zu  gewinnen,  ihnen  Kenntnis  derselben  zu  übermitteln,  ihnen  Gelegen- 
heit zur  eigenen  Betätigung  zu  bieten. 

Der  Centralausschufs  zur  Förderung  der  Volks-  und  Jugend- 
spiele, für  welchen  der  Ertrag  dieser  anregenden  Schrift  bestimmt 
ißt,  hat  jene  Ziele  und  Aufgaben  zu  den  seinen  gemacht.  Und  wenn 
er  vor  allen  Dingen  seine  praktische  Thätigkeit  damit  begonnen  hat, 
durch  Spielkurse  für  Lehrer  und  Lehrerinnen,  die  in  verschiedenen 
SJtädten  Deutschlands  veranstaltet  wurden,  zahlreiche  Erzieher  für 
eine  erweiterte  Körperpflege  der  Jugend  zu  erwärmen  und  anzu- 
leiten, so  hat  er  sicherlich  seine  Aufgabe  aufs  wirksamste  in  Angriff 
genommen. 

Möge  die  besprochene  Schrift  recht  weite  Verbreitung  finden. 
Sie  wird  dann  sicherlich  nicht  verfehlen,  zahlreiche  Anhänger  der 
guten  Sache  zuzuführen. 

Praktischer  Arzt  Dr.  med.  F.  A.  Schmidt 

in  Bonn. 

Dr.  med.  A.  Kühner,  Kreisphysikus  in  Frankfurt  a.  M.  Der  Lehrer 
als  Wächter  der  Gesundheit  Berlin  und  Neuwied,  1892. 
Louis  Heuser.     (49  S.  Kl.  8°.) 

Der  Verfasser  legt  in  dem  vorliegenden  Buche  einen  sehr  ver- 
dienstvollen Versuch  vor,  die  Lehre  von  den  modernen  Principien 
der  Schulhygiene  in  groüsen  Zügen  darzustellen. 

In  dem  einleitenden  Kapitel  wird  vor  allem  die  Bedeutung 
hervorgehoben,  welche  die  hilfsbereite  Mitwirkung  der  Lehrer  für 
die  Ausfuhrung  der  schulhygienischen  Anforderungen  hat.  Nachdem 
Verfasser  noch  die  Frage  nach  dem  Zeitpunkte,  wann  die  Aufnahme 
in  die  Schule  erfolgen  soll,  in  objektiver  Weise  klargelegt  hat,  er- 


115 

örtert  er  die  Gefahren,  welche  das  Schulleben  für  die  Gesundheit 
der  Schulinsassen  bedingt,  und  zieht  dabei  besonders  drei  Gruppen 
von  Einflüssen  naher  in  Betracht: 

1.  die  äußeren,  baulichen  und  technischen  Einrichtungen  der 
Schule, 

2.  die  innere  Gestaltung  des  Unterrichtes  und  die  damit  in 
direkter  Beziehung   stehende  häusliche  Beschäftigung  der  Kinder, 

3.  das  Zusammenströmen  und  Zusammenleben  einer  gröfseren 
Anzahl  Menschen  überhaupt  in  einem  abgeschlossenen  Räume.  Hier 
finden  sich  die  Resultate  der  bisherigen  Forschungen,  die  einzelnen 
kontroversen  Fragen  und  Grundbegriffe  in  übersichtlicher  Weise  ge- 
ordnet und  verarbeitet. 

Von  specieller  Wichtigkeit  erscheinen  uns  besonders  zwei  Ab- 
schnitte, die  der  Autor  ausführlich  erörtert,  und  die  gerade  den 
Lehrer,  dessen  Zwecken  ja  diese  Arbeit  vorzüglich  dienen  will, 
interessieren  dürften.  Wir  meinen  einerseits  die  nachdrückliche 
Betonung  der  Lichtseiten,  welche  die  Schule  für  Gesundheit 
und  Leben  des  heranwachsenden  Geschlechtes  besitzt,  derVorteile, 
welche  die  geordnete  Fürsorge  für  die  geistige,  moralische  und 
körperliche  Erziehung  der  Jugend  bietet.  Andererseits  weisen  wir 
noch  auf  das  Kapitel  über  die  Hygiene  der  geistigen  Be- 
schäftigung hin.  Dieser  Abschnitt,  in  welchem  sich  der  Verfasser 
an  den  Lehrer,  als  den  Wächter  nicht  nur  der  körperlichen,  sondern 
auch  der  geistigen  Gesundheit  des  ihm  anvertrauten  Kindes,  wendet, 
enthält  eine  Fülle  von  Anregungen,  die  besonders  in  dem  Wirkungs- 
kreise der  Volksschullehrer  die  segensreichsten  Folgen  nach  sich  zu 
ziehen  berufen  sind. 

Weiterhin  werden  die  Ursachen  der  Entstehung,  sowie  die  Belege 
für  die  Häufigkeit  der  Geistesstörungen  bei  Schulkindern  angeführt, 
und  auch  auf  die  in  neuerer  Zeit  bei  Schülern  konstatierte  Zunahme 
der  Selbstmorde  findet  sich  ein  Hinweis.  Mit  Recht  behauptet  jedoch 
der  Verfasser,  dafs,  was  das  Elternhaus  und  die  ganze  Zeit- 
richtung verschuldet,  oft  dem  Einflüsse  der  Schule  zu- 
geschrieben wird.  Eine  Begünstigung  der  Geistesstörungen  durch 
den  modernen  Unterricht  hält  er  um  so  weniger  für  festgestellt,  als 
uns  beweisende  statistische  Angaben  aus  früheren  Jahrhunderten  oder 
ans  uncivilisierten  Ländern,  die  einen  Vergleich  mit  den  heutigen 
Zuständen  ermöglichten,  vollständig  fehlen.  Dagegen  finden  wir  die 
mannigfachsten  Erziehungsfehler,  die  gröfstenteils  durch  die  socialen 
Verhältnisse  bedingt  sind,  sichtlich  auf  Grund  langjähriger  Erfahrung, 
angeführt  und  ihren  störenden  Einflufs  auf  die  harmonische  Ent- 
wicklung des  kindlichen  Charakters  dargelegt.  Ursache  bleibender 
Geistesstörungen  bilden  sie  jedoch  nur  bei  erblich  belasteten  Indi- 
en 


116 

viduen,  wie  Verfasser  auf  Qrund  der  Beobachtungen  Ldelkrs  nid 
GJUBSXXQB&s  hervorhebt.  Es  werden  noch  die  wichtigsten  Sym- 
ptome beginnender  Geistesstörungen,  die  Notwendigkeit  der  frühzeitigen 
Untersuchung  und  Behandlung  durch  einen  Irrenarzt  und  das  bei 
schwachsinnigen  Schalern  zu  beobachtende  Verfahren  besprochen 
und  zur  Beherzigung  die  Worte  Kbafft-Ebutos  citiert:  „Wenn 
die  Pädagogik  ein  tieferes  Stadium  aus  dem  Menschen 
auch  unter  pathologischen  Verhältnissen  machte,  so 
würden  manche  Fehler  und  Härten  der  Erziehung  weg- 
fallen, manche  unpassende  Wahl  des  Lebenslaufes 
unterbleiben  und  damit  manche  psychische  Existenz  ge- 
rettet werden." 

Die  von  echt  wissenschaftlichem  Geiste  getragene  Arbeit  sei 
allen  Lehrern  dringend  empfohlen. 

Praktischer  Arzt  Dr.  med.  J.  Stbrnfbld 

in  Temesv&r. 

Ln  TOix  parlie  6t  chantfo.  Anatomie,  Physiologie,  pathologie, 
hygi&ne  et  äducation.  Revue  mensuelle  publice  par  le  Docteor 
Gheryin,  Directeur  de  Institution  des  b&gues  de  Paris.  Paris, 
1890 — 98.  Redaction  et  administration  Avenue  Victor-Hugo  82. 
(8°.  Fr.  10  par  an.) 

Der  Inhalt  vorstehender  Monatsschrift  gehört,  streng  genommen, 
nicht  zur  Schulgesundheitspflege.  Derselbe  ist,  wie  die  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  jenseits  des  Ozeans  erscheinende  Monatsschrift 
The  Voice,  edited  by  E.  S.  Werner,  New  York,  28  West  23d 
Street,  der  Besprechung  alles  dessen  gewidmet,  was  auf  Stimm- 
bildung, Gesang,  Redekunst  u.  s.  w.  Bezug  hat.  Bei  uns  in  Deutsch- 
land bestehen  langst  ähnliche  Zeitschriften,  z.  B.  Phonetische  Studien 
von  Professor  Dr.  Viktor,  Techmars  Internationale  Zeitschrift  fir 
allgemeine  Sprachwissenschaft  und  andere. 

Dennoch  möchten  wir  nicht  versäumen,  auch  in  diesen  Blättern 
auf  obige  Zeitschrift  aufmerksam  zu  machen,  und  zwar  einmal  weil 
ihr  Herausgeber,  Dr.  Chbrvtn,  der  verdienstvolle  Direktor  der  weit- 
bekannten Stotterheilanstalt  in  Paris  ist,  und  weil  aufserdem  die  uns 
vorliegenden  Nummern  thatsächlich  auch  die  Hygiene  der  Stimme 
während  der  Schulzeit  in  Betracht  ziehen.  So  findet  sich  z.  B.  in 
Nummer  2,  Seite  60,  die  in  Karlsruhe  erschienene  Schrift  von 
Ed.  Engbl:  Über  die  Stimme  der  Kinder  von  6  Jahren  besprochen. 
Wir  dürfen  daher  erwarten,  dafs  das  Blatt  für  die  Stimm- 
hygiene der  Schuljugend  wertvolle  Beiträge  liefern  wird. 

Direktor  der  Taubstummenanstalt  H.  SöDBR 

in  Hamburg. 


117 

Bibliographie. 
Abhold,  E.  H.    Jugendspiele  und  Jugendwanderungen.    1892. 
Bkllubd.    Myopie  scolaire.    Aanal,  d'oculist.,   Paris   1892,    108. 

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L  achles.  Gesellsch.  f.  vaterl.  Kult.,  Breslau,  1892. 
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£pkron.   Enquete  sur  Vttat  des  yeux  dans  les  tcoles  de  Lausanne 

aeec  une   itude   comparaüve   des   ammdlies   visuelles    dans    les 

fcoles  des   autres  pays  et  quelques  cansiderations  sur  les  causes 

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öffentlicher  Schulen  oder  das  AusscMiefsen  gewisser  Kinder  zur 


120 

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Bemerkungen  zu  den  jüngsten  Wiener  Beschlüssen  des  internatio- 
nalen statistischen  Institutes  betreffs  der  Sterblichkeitsziffern.  Pragr 
1892,  H.  Dominicus.    8°. 


VI.  Jahrgang.  1893.  No.  3. 


(Drijittal-]%^anM»n$tn. 


HEBUAHN  OOHttfl 

Lehrbuch  der  Hygiene  des  Auges.1 

Von 

Dr.  med.  Ernst  Pflügbr, 

o.  Professor  der  Augenheilkunde  an  der  Universität  Bern. 

Wenn  durch  meine  kritische  Besprechung  des  Artikels 
„Schulkinderaugen"  von  Professor  Dr.  H.  Cohn  in  der 
2.  Auflage  der  EuLENBURGechen  Realencyklopädie,  erschienen 
in  dieser  Zeitschrift  1890,  No.  12,  S.  759—761,  mir  ein  Stück 
intellektueller  Urheberschaft  an  dem  „Lehrbuch  der  Hygiene 
des  Auges"  zugesprochen  wird,  so  sehe  ich  dies  als  eine 
Ehre  für  mich  an. 

Von  diesem  Werke  gilt  noch  mehr  der  Satz:  „Es  sollte 
jedem  Arzte  und  jedem  Schulmanne  bekannt  werden." 

Jeder  Arzt  kann  heutzutage  in  den  Fall  kommen,  in 
schulhygienischen  Fragen  zu  Bäte  gezogen  zu  werden  und  öffent- 
lich darüber  mitreden  zu  müssen.  In  dem  vorliegenden  Werke 
trifft  er  das  weitschichtige  einschlägige  Material,  über  welches 
er  an  der  Hochschule  nicht  eingehend  genug  unterrichtet  werden 
konnte,  und  das  er  nur  zum  geringsten  Teile  in  seiner  Bibliothek 
zerstreut  findet,  vollständig  gesammelt,  klar  und  übersichtlich 
geordnet     Ein  Blick  auf  das  sorgfältig  ausgearbeitete  Sach- 


1  Wien  und  Leipzig,  1892,  Urban  und  Schwarze nb erg.  (XXXII 
n.  855  S.  Gr.  8°.) 

Sehalgenmdheittpflege  VI.  9 


122 

register  und  Inhaltsverzeichnis  zeigt,  wie  umfangreich  der  Stoff 
geworden,  und  wie  leicht  die  Orientierung  in  demselben  durch 
Cohn  gemacht  worden  ist.  Daus  eine  Unvollkommenheit  in 
dieser  Beziehung  zuweilen  schwer  empfunden  wird,  lehren 
die  täglichen  Erfahrungen  mit  dem  sonst  so  vortrefflichen 
Lehrbuch  der  Augenheilkunde  von  Professor  Michel  in 
"Würzburg. 

Das  Buch  von  Cohn  sollte  in  keiner  Schulbibliothek  fehlen; 
es  sollte  jederzeit  von  Lehrern,  Schulbehörden,  Technikern 
befragt  werden  können;  durch  die  klare,  einfache  Darstellung 
und  möglichste  Vermeidung  von  Fremdwörtern  ist  es  jedem 
Gebildeten  zugänglich. 

Nicht  minder  wird  dem  Ophthalmologen  seine  Arbeit 
durch  das  Werk  erleichtert;  er  findet  alles  Nötige  darin  und 
dazu  die  vollständigsten  Litteraturangaben. 

Cohn  war  vor  allen  Fachgenossen  berufen,  eine  Hygiene 
des  Auges  zu  schreiben,  denn  mit  seinen  10  060  untersuchten 
Schulkindern,  die  ihm  vielfach  schon  sind  vorgehalten  worden, 
in  dankendem  Sinne,  wie  auch  einmal  mehr  in  spöttelnder 
Weise,  hat  er  doch  den  Stein  ins  Rollen  gebracht.  Derselbe 
ist  seither  weitergerollt  und  hat  in  relativ  kurzer  Zeit  grofee 
Strecken  durchlaufen.  Viele  Kollegen  haben  mitgestofsen  und 
mitgewälzt,  edlen  Schweifs  vergossen.  Es  wurde  auch  viel 
Wärme  dabei  entwickelt.  Am  eifrigsten  aber  blieb  stets  Cohn 
selbst,  der  alle  Erscheinungen  auf  dem  angebahnten  Gebiete 
sorgfältig  registrierte  und  dasselbe  unermüdlich  durch  neue 
Originalarbeiten  bereicherte. 

Nachdem  ich  somit  den  Verdiensten  des  Autors  rückhalt- 
lose Anerkennung  gezollt  habe,  erwächst  mir  um  so  mehr  die 
Pflicht,  in  der  Beurteilung  der  einzelnen  Fragen  vollste 
Objektivität  walten  zu  lassen.  Namentlich  möchte  ich  in  der 
Myopiefrage,  welche  den  Löwenanteil  des  Buches  für  sich  in 
Anspruch  nimmt,  durch  den  Vermittlungsstandpunkt,  auf  den 
ich  je  länger  je  mehr  gedrängt  werde,  weder  hüben  noch  drüben 
verletzen,  sondern  die  streitenden  Ansichten  einander  näher  zu 
bringen  suchen. 


123 

Es  kann  nicht  die  Absicht  der  Besprechung  eines  Werkes 
Ton  dem  Umfange  des  vorliegenden  sein,  auf  den  Inhalt  aller 
einzelnen  Kapitel  näher  einzugehen.  Ich  werde  mich  begnügen, 
denselben  nur  anzudeuten,  und  allein  bei  denjenigen  Punkten 
stehen  bleiben,  welche  Gelegenheit  zur  Kritik  bieten. 

Die  ersten  fünf  Kapitel  enthalten  Populäres  über  Anatomie 
und  Physiologie  des  Auges. 

Kapitel  VI  handelt  von  der  Augenentzündung  der 
Neugeborenen.  Der  Umstand,  dafs  diese  fürchterliche  Augen- 
krankheit, die  gegenwärtig  durchschnittlich  ein  Drittel  der 
Insassen  der  Blindenanstalten  liefert,  dem  gebildeten  Laien 
vorgeführt  wird,  ist  schon  an  und  für  sich  eine  gewisse  Vor- 
beugungsmafsregel  gegen  dieselbe. 

Der  Wunsch  Cohns,  dafs  das  CttEDlSsche  Verfahren,  bei 
dem  bekanntlich  eine  zweiprozentige  Lösung  von  salpetersaurem 
Silber  in  die  Augen  eingeträufelt  wird,  für  alle  Neugeborenen 
obligatorisch  erklärt  werden  möge,  wird  wohl  ein  frommer 
bleiben,  obschon  ich  zugestehe,  dafs  damit  die  Krankheit  am 
sichersten  verhütet  würde.  Namentlich  in  Ländern  mit  demo- 
kratischen Institutionen,  wie  die  Schweiz,  hätte  der  Versuch  der 
Einführung  einer  solchen  Malsregel  wenig  Aussicht  auf  Erfolg. 

Den  Hebammen  soll  freilich  das  Verfahren  beigebracht 
werden,  damit  sie  überall  da,  wo  verdächtiger  Scheidenflufs  der 
Mutter  existiert,  dasselbe  in  Vorschlag  und  eventuell  in  Aus- 
fährung bringen  können.  Mütter,  welche  die  Krankheit  bei 
einem  früheren  Kinde  bereits  durchgemacht  haben,  gehen  gerne 
auf  den  Vorschlag  ein.  Bei  Strafe  im  Unterlassungsfalle  sollten 
die  Hebammen  ferner  gehalten  sein,  sobald  die  Krankheit  aus- 
bricht, für  das  Kind  ärztliche  Behandlung  zu  verlangen  und, 
wenn  diese  von  den  Eltern  verweigert  wird,  Anzeige  bei  der 
Ortebehörde  zu  machen,  damit  zwangsweise  das  Neugeborene 
ärztlich  behandelt  wird,  für  arme  Familien  natürlich  kostenfrei. 
In  solchen  Fällen  sollte  das  Kind  auoh  an  eine  Augenklinik 
abgegeben  werden  können.  Jede  derselben  mufs  Blennorrhoe- 
ommer  disponibel  haben.  Besondere  Anstalten,  wie  Hikschberg 
sie  fordert,    sind    dazu   nicht  notwendig.      Bei    zuverlässiger 

9* 


124 

Antisepsis  lassen  sich  Starpatienten  und  blennorrhoische  Neu- 
geborene sehr  wohl  unter  einem  Dache  behandeln. 

Bei  frühzeitiger  Herbeiziehung  des  Arztes  ist  allerdings 
die  Prognose  eine  äufserst  günstige,  ja  sichere,  wie  Cohn  und 
Horner  betonen.  Dieser  Satz  mufs  sich  aber  die  Einschränkung 
gefallen  lassen,  dafs  er  nur  für  reine  Fälle  volle  Gültigkeit 
hat,  dafs  aber,  je  mehr  die  Bindehaut  weiüse,  derbe,  fibrinöse 
Einlagerungen  zeigt,  um  so  gröüser  die  Gefahr  für  die  Horn- 
haut wird  trotz  frühester  ärztlicher  Behandlung.  Ferner  darf 
hier  nicht  unerwähnt  bleiben  die  Gefahr  zu  starker  antiseptischer 
Lösungen,  welche  zur  Reinigung  der  Bindehäute  von  ihrem 
eitrigen  Sekret  zur  Anwendung  kommen ;  ich  habe  schon  mehr- 
fach einseitige  Erblindung  und  einmal  doppelseitigen  Hornhaut- 
Verlust  beobachtet  lediglich  als  Folge  zu  starker  Sublimatlösungen. 

Kapitel  VII  betrifft  die  skrofulösen  Augenentzfln- 
dungen.  Dieses  Kapitel  wäre  besser  überschrieben  mit  dem. 
Namen  „Ekzematöse  Augenentzündungen",  der,  wenn 
auoh  fremdlautend,  die  Sache  richtiger  treffen  würde,  indem 
nicht  jedes  Ekzem  als  skrofulös  bezeichnet  werden  darf.  Das 
Ekzem  verursacht  in  Deutschland  und  in  der  Schweiz  cirka 
60  %  der  Augenerkrankungen,  führt  relativ  wenig  totale  Er- 
blindungen, ungefähr  5 — 6%,  herbei,  setzt  aber  in  zahllosen 
Fällen  durch  Bildung  von  Hornhautflecken  die  Sehschärfe 
herab,  wird  disponierendes  Moment  zur  Kurzsichtigkeit  und 
bedingt  relative  Arbeitsunfähigkeit. 

Dieser  Krankheit  sollte  die  Hygiene  in  systematischerer 
Weise  zu  begegnen  suchen  als  bisher.  Die  Frage  der  Vor- 
beugungsmafsregeln  ist  hier  etwas  spärlich  durch  Cohn  behandelt 
worden.  Freilich  ist  es  begreiflich,  dafs  die  Fachgenossen  nur 
mit  einem  gewissen  Zaudern  an  diese  Aufgabe  herantreten, 
indem  die  Ekzemfrage  vielfach  mit  der  socialen  Frage  zusammen- 
hängt. Das  Ekzem  ist  eben  nicht  nur  ein  Produkt  abgeschwächter 
Tuberkulose,  sondern  wesentlich  auch  ein  solches  des  Pauperis- 
mus mit  und  ohne  Tuberkulose  als  Mittelglied.  Ungenügende 
Nahrung,  ungenügende  Wohnungsverhältnisse,  ungenügende 
Hautkultur  und  ungenügende  Kleidung  erzeugen  Ekzem  der 


126 

Augen.  In  Amerika,  wo  der  Arbeiter  besser  lebt  und  nament- 
lich besser  ifet,  gibt  es  weniger  Ekzem.  Die  arbeitende  Klasse 
und  die  Regierungen  sündigen  an  den  Kinderaugen.  Jedenfalls 
zäunen  die  Arbeiter  das  Pferd  beim  Schwänze  auf,  wenn  sie 
duck  den  achtstündigen  Normalarbeitstag  die  hygienischen 
Verhältnisse  ihrer  Familien  zu  verbessern  suchen.  Die  Regie- 
roiigen  drücken  das  Niveau  der  Lebensbedingungen  des  Arbeiters 
durch  die  nur  dem  Militarismus  huldigende  Schutzzollpolitik 
herunter  und  begünstigen  dadurch  die  ekzematösen  Augenleiden. 
Die  Hygiene  des  Auges  hängt  hier  wesentlich  ab  von  der 
Weisheit  der  Staatsgesetze,  den  socialen  Zuständen,  der  öffent- 
lichen und  privaten  Wohlthätigkeit  im  weitesten  Sinne.  Ferien- 
kolonien und  Seehospize  sind  ganz  schöne  Institutionen,  bilden 
aber  nur  vereinzelte  Glieder  in  der  grofsen  hygienischen  Kette. 
Verbesserung  der  Arbeiterwohnungen,  Errichtung  von  Volks- 
bädern und  Volksküchen,  Speisung  armer  Schulkinder,  Ver- 
teilung von  Schülertuch,  hygienische  Bildung  der  Volkssohul- 
lehrer,  das  sind  weitere  Aufgaben,  die  noch  mehr  oder  weniger 
ihrer  Lösung  harren. 

Zur  Therapie  des  Ekzems  sei  nur  zweierlei  bemerkt.  Erstens 
möchte  ich  die  alkoholischen  Abwaschungen  der  ekzematösen 
Kinder,  wie  sie  in  der  Klinik  von  Ed.  Meyer  zu  Paris  geübt 
werden,  als  einfaches  und  wirksames  Mittel  weiter  empfehlen. 
Zweitens  mufs  vor  den  Tuberkulininjektionen  kategorisch 
gewarnt  werden;  sie  haben  mir  bei  Behandlung  von  Augen- 
tuberkulöse  auiser  den  typischen  Reaktionen  mit  Fieber  gar 
nichts  ergeben,  jedenfalls  keine  Besserung. 

Kapitel  VIII  bezieht  sich  auf  Trachom  und  verwandte 
Bindehautkrankheiten.  In  einer  trachomfreien  Gegend 
wohnend,  muüs  ich  mich  der  von  Cohn  und  andern  vertretenen 
Ansicht,  dafs  Trachom  und  Follikulärkatarrh  zwei  ganz  ver- 
schiedene Krankheiten  sind,  rückhaltlos  anschließen.  Das 
Kapitel  ist  aufserordentlich  vollständig  in  dem  hier  wesentlich 
interessierenden  Abschnitt  über  die  Prophylaxe  der  Krankheit, 
weniger  in  dem  der  Therapie.  Der  alt  bewährte  Kupferstift 
arbeitet  etwas  langsam  und  mühsam.    Für  die  stark  eiternden 


126 

Formen  dürfte  Höllensteinlösung  doch  vorzuziehen  sein,  und 
für  die  mehr  trockenen  Formen  ist  durch  Sublimatabreibungen 
(1 :  2000  bis  1  :  500)  mit  Watte  ein  guter  Schritt  vorwärts 
gethan  worden.  Letztere  Behandlung  soll  nicht  so  schmerzhaft 
sein,  wie  die  mit  dem  Kupferstift,  und  von  viel  kürzerer  Dauer- 
In  der  Sitzung  der  französischen  ophthalmologischen  Gesell- 
schaft vom  vorigen  Jahre  hatte  ich  die  Fachgenossen  eingeladen, 
die  Abreibungen  der  Bindehaut  mit  in  Jodtrichlorid  (1  :  1000 
bis  1 :  400)  getauchter  Watte  zu  versuchen,  weil  diese  Substanz 
weniger  reizt  und  im  lebenden  Gewebe  eine  viel  energischere 
bakterientötende  Wirkung  ausübt  als  Sublimat,  dazu  ungemein 
viel  weniger  giftig  ist  als  dieses.  Herr  Dr.  L.  Coüetoux  aus 
Nantes,  wo  Trachom  sehr  häufig  ist,  schreibt  mir  unter  dem 
5.  Oktober  1892,  dafe  er  bei  den  wenig  secernierenden  Formen 
mit  dem  Jodtrichlorid  sehr  gute  Erfolge  erzielt  habe,  bessere 
als  mit  Sublimat,  und  daüs  allein  bei  den  stark  eiternden 
Formen  der  Höllenstein  mehr  leiste.  Er  ist  dazu  gekommen, 
sich  auf  diese  beiden  Mittel  zu  beschränken.  Die  Abreibungen 
mit  Charpiewatte,  in  Sublimat  oder  Jodtrichlorid  getaucht, 
können  dem  Laien  besser  in  die  Hand  gegeben  werden  als  der 
Kupferstift,  da  man  mit  denselben  eventuell  ohne  Umwälzung 
des  oberen  Lides  seinen  Zweck  teilweise   wenigstens   erreicht. 

Den  Inhalt  von  Kapitel  IX  bilden  die  Augen- 
entzündungen bei  Pocken.  Dieses  Kapitel  ist  gut  an- 
gebracht. Es  fehlt  dasselbe  in  den  deutschen  Lehrbüchern  für 
Augenheilkunde  fast  ganz,  weil  da,  wo  die  Impfung  und 
Wiederimpfung  gesetzlich  geordnet  ist,  diese  Krankheiten  nicht 
mehr  zur  Beobachtung  kommen,  während  vor  Einführung  der 
Impfung  ein  Drittel  sämtlicher  Blinden  Pookenblinde   waren. 

Es  klingt  sonderbar,  dafs  in  unseren  Tagen,  wo  die 
Immunisation  von  Mensch  und  Tier  gegen  verschiedene  Krank- 
heiten immer  neue  theoretische  und  praktische  Erfolge  zu  ver- 
zeichnen hat,  es  noch  Vertreter  der  Hygiene  gibt,  die  sich  als 
Impfgegner  ausspielen  und  das  Volk  aufwiegeln.  Dank  diesen 
Bestrebungen  sehen  wir  in  der  Schweiz  ab  und  zu  wieder  ein 
häusliches  Blatternnarbengesicht    und    strahlige     adhärierende 


127 

Hornhautnarben.  Die  Bäume  wachsen  aber  nirgends  in  den 
Himmel,  und  die  Erfahrung  lehrt,  daJs  da,  wo  eine  kleine 
Blatternepidemie  ausbricht,  Impfgegner  oft  zu  den  ersten  gehören, 
die  sich  und  ihre  Angehörigen  impfen  lassen. 

Die  nächsten  zwei  Kapitel  befassen  sich  mit  den  abnormen 
Eefraktionszuständen  des  Auges,  der  Übersichtigkeit  und 
der  Kurzsiohtigkeit.  Merkwürdigerweise  fehlt  die  dritte 
und  häufigste  Refraktionsanomalie,  der  Astigmatismus, 
die  ungleiche  Krümmung  der  Hornhaut  in  den  verschiedenen 
Meridianen,  vollständig.  Hier  stehen  wir  vor  der  größten 
Lücke  in  dem  GoHNsohen  Buche,  die  in  Zukunft  ausgefüllt 
werden  muis. 

Da  ich  seit  bald  10  Jahren  die  Hornhautkrümmungen 
meiner  Patienten  messe,  mag  es  mir  wohl  zustehen,  ein  Wort 
über  die  ungenügende  Berücksichtigung  des  Astigmatismus  zu 
äuCsern,  die  sich  nicht  nur  bei  Cohn,  sondern  bis  jetzt  in  der 
Mehrzahl  der  deutschen  Augenkliniken  findet.  Es  ist  auffallig, 
wie  kühl  sich  im  grofsen  und  ganzen  die  deutschen  Ophthalmo- 
logen gegenüber  der  Wohlthat  der  praktischen  Messung  der 
Hornhautkrümmung  nach  Javal  verhalten  haben.  In  der 
Wissenschaft  darf  es  keine  nationalen  Sympathien  oder  Anti- 
pathien geben.  Das  Gute  ist'  gut,  woher  es  auoh  komme. 
Das  jAVAiAohe  Verfahren  wird  zum  Durchbruch  gelangen. 
Wenn  es  irgendwo  heilst:  „Wiederholen",  „Bessermachen",  so 
gilt  dies  ganz  besonders  von  den  systematischen  Schulkinder- 
augenuntersuchungen,  die  ohne  Javal1  als  vollständig  ungenügend 
bezeichnet  werden  müssen.  Es  sind  hierzu  nicht  200000  unter- 
suchte Schüler  nötig;  10 000  Schüleraugen,  genau  untersucht, 
mit  den  exakten  MaJsen  der  Hornhautkrümmung  und  der  Orbita 
werden  uns  in  der  Refraktionslehre  gewaltig  fördern.  An- 
finge hierzu  sind  von  meinen  Schülern  in  der  Schweiz  bereits 
gemacht  und  sehen  der  Veröffentlichung  entgegen. 

Kapitel  X  bezieht  sich  auf  Übersichtigkeit  und  Ein- 
wärtsschielen.    Übersichtigkeit  geringen   Grades  mit  Seh- 


1  Der  Name  des  Autors  wird  hier  auf  das  Instrument  übertragen. 


128 

schärfe  von  1,5  ist  der  normale  Brechzustand  des  jugendlichen 
Auges ;  sie  ist  latent  und  läfet  sieh  mit  Konvexgläsern  subjektiv 
nicht  nachweisen  ohne  künstliche  Ausschaltung  der  Accommo- 
dation.  Wird  sie  manifest,  dann  liefert  sie  einen  Beitrag  zum 
Kapitel  der  asthenopischen  Beschwerden,  die  in  Sehschwäche, 
Kopfschmerzen  u.  s.  w.  bestehen.  Unnötige  Schulküiderleiden 
und  ungerechte  Schulkinderstrafen  werden  duroh  alle  Momente» 
welche  Asthenopie  verursachen,  täglich  zahllos  ausgelöst.  Die 
einzige  sichere  Remedur  dagegen  sind  systematische  Augenunter- 
suchungen. 

In  der  Frage  des  Einwärtsschielens  hat  Cohn  den  neuesten 
Standpunkt  derselben  zu  beleuchten  vergessen.  Es  hat  dieselbe 
im  letzten  Jahre  eine  modern  wissenschaftliche  Vertiefung 
wesentlich  durch  Hansen  Gbut  und  durch  Parinaud  erfahren. 
Die  neue  Lehre  gewinnt  täglich  an  Boden. 

Die  Übersichtigkeit  ist  wohl  in  oirka  70  %  der  Fälle  die 
entferntere  Ursache  des  Einwärtsschielens,  die  Prädisposition 
dazu.  Die  Zwischenglieder  der  ursächlichen  Kette  liegen  aber 
nicht  in  den  Augenmuskeln  selbst,  sondern  in  centralen  Vor- 
gängen, in  der  Entwiokelung  des  Konvergenzcentrums. 

Jedes  schielende  Kind  sollte  ohne  weiteres  ärztlich  unter- 
sucht und  behandelt  werden.  Es  bietet  häufig  nicht  nur  Interesse 
für  den  Augenarzt,  sondern  auch  für  den  Neurologen  und  dein 
Hausarzt.  Neuropathische  Anlage  und  neuropathisohe  Be- 
lastung äufcern  sich  nicht  selten  früh  in  der  Neigung  zum 
Schielen.  Letzteres  fordert  daher  den  Arzt  auf,  nach  einer 
solchen  Anlage  und  Belastung  zu  forschen  und  im  Bejahungs- 
falle seine  Direktive  für  die  Erziehung  der  Kinder  in  Haus 
und  Schule  zu  geben. 

Die  besser  situierten  Schüler  sind  an  die  Spezialisten  zu 
verweisen,  die  bedürftigen  an  die  Polikliniken,  wo  die  nötigen 
Brillen  verordnet,  bezw.  unentgeltlich  geliefert  werden,  und  wo 
die  Frage  einer  eventuellen  Operation  zu  entscheiden  ist,  selbst- 
verständlich nur  unter  der  Form  eines  Rates  an  die  Eltern. 

Das  seit  1889  erheblich  angewachsene  Kapitel  Kurz- 
sichtigkeit  (Xl)fafst  die  Resultate  der  systematischen,  meist 


129 

an  Schulkindern  vorgenommenen  Augenuntersuchungen 
und  die  darauf  basierenden  Bemühungen  zur  Verhütung  der 
Myopie  zusammen,  sicher  für  alle  diejenigen,  welche  die  Ent- 
wickelung  dieser  Frage  nicht  selbst  mitgemacht  haben,  ein  ver- 
dienstliches Werk.  Der  Eifer  war  groß,  und  die  Resultate 
sind  nicht  gering  zu  schätzen  trotz  abweichender  Ansichten. 
So  zahlreich  aber  auch  die  gewonnenen  Thesen  sind,  an  denen 
vir  festhalten  dürfen,  so  sto&en  wir  beim  genaueren  Durch- 
mustern des  reichen  Stoffes,  dessen  Überblick  Cohn  so  sehr 
erleichtert  hat,  doch  auf  viel  Unfertiges  und  Unsicheres.  Wie 
oben  angedeutet,  sind  die  Untersuchungen  der  Sohulkinder- 
aogen  auf  beschränkterer,  aber  auf  um  so  genauerer  Basis  zu 
wiederholen,  wenn  wir  auf  viele  noch  offene  Fragen  Antwort 
erhalten  wollen. 

Der  Abschnitt  über  die  Verhütungsmafsregeln  bietet 
des  Stoffes  die  Fülle,  jedoch  auch  noch  mancherlei  Lücken. 

Die  zahllos  modifizierten  Subsellien  werden  noch  ver- 
besserten Modelleu  Platz  machen  müssen.  Erinnern  wir  an 
die  allerneueste,  im  Buche  noch  nicht  erwähnte  Schulbank  von 
Dr.  Schenk  in  Bern. 

Die  Beleuchtungsfrage,  um  die  sich  Weber  und 
Cohn  sehr  verdient  gemacht  haben,  bringt  viel  Positives.  Hier 
namentlich  ist  der  Schritt  von  der  Theorie  zur  Praxis  besonders 
grois  und  schwierig. 

Betreffs  künstlicher  Beleuchtung  wäre  nachzutragen, 
daß  von  Paris  aus  die  zerstreute  Abendbeleuchtung  nach  dem 
Principe  von  Eeibmann,  und  zwar  mit  Hilfe  von  elektrischem 
Bogenlicht,1  recht  gerühmt  wird. 

In  der  Frage  der  Schrift  ist  in  den  letzten  Jahren  viel 
und  gut  gearbeitet  worden.  Der  Nachweis  Cohns,  dafs  die 
gotische  Schrift  nicht  die  deutsche  Schrift,  sondern  die  Mönohs- 
schrift  darstellt,  von  der  andere  Völker  früher  als  die  Deutschen 

1  Sie  ist  auch  in  Österreich,  Deutschland  und  Bufsland  vertreten, 
x.  B.  in  Wien,  Hamburg  und  Nishny-Nowgorod,  s.  diese  Zeitschrift  1889, 
No.l,  S.  17— 19  p  1890,  No.  5,  S.  296—297;  1891,  No.  7,  S,  401—404; 
▼gl.  1888,  No.  10,  S.  367-868.    D.  Red. 


130 

zu  der  alten  gemeinsamen  Lateinschrift  zurückgekehrt  sind, 
wird  ersprießlich  werden,  indem  damit  der  unglückliche  nationale 
Beigeschmack  der  Sache  entfällt. 

In  der  Stenographieangelegenheit  hat  sich  der 
Referent  zu  den  Ansichten  Gohns  bekehrt. 

Mit  der  Herstellung  von  hygienischen  Schreibtafeln 
konkurrieren  Fabrikanten  verschiedener  Länder.  Die  Licht- 
kontrastverhältnisse  gleich  gesetzt,  verdient  die  Tafel  für  die 
Schulanfänger  entschieden  den  Vorzug,  besonders  vom  Stand- 
punkt  des  Nervenarztes  aus. 

Die  Frage  des  Bücherdruckes,  in  der  Cohn  so  frucht- 
bar gearbeitet  hat,  ist  theoretisch  nicht  abgeschlossen.  Die 
Beiträge  zur  Psysiologie  des  Lesens  (Sociötä  frangaise  d' Ophthal- 
mologie, Paris,  1892)  von  Javal  und  Lamare  stellen  neue 
Punkte  in  Perspektive. 

In  Bezug  auf  die  ärztliche  Beaufsichtigung  der 
Schulen  bin  ich  mit  Cohn  principiell  einig.  Nur  mufe  ihr 
Programm  noch  wesentlich  vereinfacht  werden;  es  kann  dasselbe 
auch  geschehen  unbeschadet  der  Sache,  sobald  das  Lehrpersonal 
etwas  mehr  hygienisch  vorgebildet  und  interessiert  ist.  Die 
Bestimmung  der  Körperlänge,  eventuell  des  Körpergewichtes, 
läfst  sich  von  den  Lehrern  besorgen,  ebenso  die  vorläufige 
Untersuchung  der  Seh-  und  Hörschärfe,  sobald  dieselben  die 
nötigen  Instruktionen  und  Messungsapparate  erhalten  haben. 
So  können  füglich  die  Normalen  ausgeschieden  werden,  und 
der  Schularzt  hat  sioh  nur  mit  den  Anormalen  zu  beschäftigen. 

Die  Ursache  der  Myopie,  die  Theorie  der  Kausal- 
verhältnisse in  der  Entwickelung  des  Langbaues  des  Auges,  ist 
noch  ein  unabgeklärtes,  viel  umstrittenes  Gebiet,  das  weitere 
ernste  Arbeit  verlangt.  Von  den  theoretischen  Anschauungen 
hierin  hängen  vielfach  die  hygienischen  Malaregeln  ab.  Wird 
eine  ungenügende,  einseitige  Theorie  vertreten,  besonders  von 
Ophthalmologen,  so  kann  der  Hygiene  wohl  Schaden  erwachsen. 
Daher  der  Eifer  und  der  Nachdruck,  mit  dem  Cohn  v.  Hippels 
Einwürfe  gegen  die  Einführung  von  Schulärzten  widerlegt. 

Cohn  zählt  sechs  Theorien  für  die  Entstehung  der  Kurz- 


181 

sichtigkeit  auf:  die  der  Erblichkeit,  der  Accommodation,  der 
Konvergenz,  der  Nervenzerrung,  des  Augenhöhlenbaues  und 
der  Nahearbeit. 

Diese  Nebeneinanderstellung  halte  ich  nicht  für  richtig. 
Dafe  die  Nahearbeit  unter  bestimmten  Umständen  Kurzsichtig- 
keit erzeugt,  ist  eine  Thatsache,  die  allgemein  anerkannt 
ist  Ebenso  wird  zugestanden,  dafe  alle  Momente,  welche  die 
Nahearbeit  zu  einer  besonders  schwierigen  machen,  als  weitere, 
entferntere  Ursachen  der  Myopie  anzusehen  sind.  Unter  diesen 
mochte  ich  nochmals,  weil  von  Cohn  nicht  angeführt,  das 
Hornhautekzem  mit  seinen  restierenden  Trübungen  und  den 
Astigmatismus  hervorheben. 

Die  Theorie  hat  uns  zu  sagen,  welches  die  schädigenden 
Momente  bei  der  Nahearbeit  sind.  Ich  kann  mioh  persönlich 
keiner  der  geläufigen  Anschauungen  voll  und  ganz  anschliefeen; 
keine  ist  die  allein  seligmachende;  in  den  meisten  steckt  aber 
ein  Korn  Wahrheit.  Die  Funktion  der  Augen  ist  bei  an- 
gestrengter Nahearbeit,  besonders  beim  Lesen  und  Schreiben, 
eine  äulserst  komplexe;  sie  kann  und  mufe  daher  bei  abnormen 
Forderungen  an  die  Leistung  mancherlei  Schädigungen  erfahren. 

Aus  dem  ganzen  Material  über  die  Erblichkeit  ist  wesent- 
lich festzuhalten,  dafe  nach  den  Untersuchungen  von  Kirchner 
und  meinen  eigenen  die  Familien  mit  Myopie  der  Eltern  oder 
früherer  Generationen  durchschnittlich  cirka  15  %  mehr 
myopische  Kinder  aufweisen  als  diejenigen,  bei  denen  Myopie 
bisher  nicht  vorgekommen  ist,  vorausgesetzt  dafs  die  Er- 
ziehungsverhältnisse der  beiden  Kategorien  von  Kindern  an- 
nähernd die  gleichen  sind. 

Die  erbliche  Anlage  wirkt  in  der  Mehrzahl  der  Fälle 
als  disponierendes  Moment,  das  bei  der  Nahearbeit  sich 
geltend  macht.  Fälle  von  angeborener  Kurzsichtigkeit,  bei  denen 
die  Nahearbeit  gar  keine  Rolle  spielt,  gehören  zu  den  relativ 
seltenen. 

Wie  häufig  sind  nicht  die  funktionellen,  spas- 
modischen  Myopien  mit  gerötetem,  serös  infiltriertem  Seh- 
nerven und  herabgesetzter  Sehschärfe,  die  auf  Buhe  und  Atropin 


132 

verschwinden  und  wieder  normales  Sehvermögen  ermöglichen. 
Hier  ist  der  Einflufs  der  Accommodation  nicht  zu  leugnen. 

Da&  die  Konvergenzüheranstrengung  für  das  Auge, 
besonders  wenn  ihm  eine  gewisse  Disposition  zur  Myopie  inne- 
wohnt, gleichgültig  sei,  kann  nicht  zugestanden  werden ;  hier- 
gegen sprechen  vielfache  klinische,  zum  Teil  auch  anatomische 
Thatsachen.  Wie  grofs  der  Einflufs  der  Konvergenz  im 
einzelnen  Falle  sein  mag,  wird  schwierig  und  oft  gar  nicht  zu 
entscheiden  sein.  Die  Resultate  der  operativen  Behandlung 
des  latenten  Auswärtsschielens  bei  progressiver  Myopie  werden 
hier  mitzusprechen  haben.  Das  gemeinsame  Innervationsoentrum 
für  Konvergenz  und  Accommodation  bedingt  häufig  genug  einen 
circulus  vitiosus  dieser  innig  verknüpften  Funktionen. 

Die  Sehnervenzerrungstheorie  hat  bis  jetzt  am 
wenigsten  für  sich;  die  anatomischen  Angaben  widersprechen 
sioh  zu  sehr. 

Die  Augenhöhlentheorie  von  Stilling  trat  als  jüngste 
etwas  geräuschvoll  auf.  Stilling  hat  seiner  Theorie  dankens- 
werte, umfassende  und  originelle  anatomische  Untersuchungen, 
sowie  zahlreiche  Messungen  an  Lebenden  zu  Grunde  gelegt; 
er  hat  sioh  hier  wieder  einmal  als  echter  Gelehrter  gezeigt. 
Beim  Aufbau  seiner  Theorie  ist  nun  aber  alles  Menschen- 
mögliche von  ihm  geleistet  worden,  um  dieselbe  a  priori  zu 
diskreditieren;  sie  sollte  die  allein  richtige,  die  Myopie  eine 
einfache  Bassenfrage  sein.  Die  übrigen  Theorien  und  ihre 
hygienischen  Schlufsfolgerungen  erhielten  Hiebe,  welche  etwas 
zu  wuchtig  ausgefallen  sind.  Die  schöne  Entdeckung  vom 
perspektivischen  Phänomen  des  Conus  hat  Stilling  auf 
zu  viele  Fälle  angewendet  wissen  wollen. 

Die  Krise  in  der  Schulhygiene,  welche  ich  bei  der  Be- 
sprechung einer  der  SmLiNGschen  Arbeiten  vorausgesagt  hatte, 
hat  sioh  bewahrheitet.  Es  kam  naturgemäß  der  Widerspruch. 
Die  Augenhöhlenmessungen  von  Schmedt-Rimpler  schienen 
die  Theorie  Stillings  ganz  zu  Boden  zu  werfen,  doch  nur 
für  denjenigen,  welcher  diese  Messungen  nicht  wiederholt  hat. 
Schmidt-Rimpler   hat,   wie  Stilling  auch  richtig  erwiderte, 


133 

nicht  anthropologische  Indices  gefunden.  Auch  die  von  Kirchner 
ermittelten  Indices  sind  durchschnittlich  zu  hoch.  Die  Theorie 
von  Stelling  ist  in  Wahrheit  viel  besser  als  ihr  Ruf. 

Auf  die  Aufforderung  von  Stillem}  beim  internationalen 
OphthalmologenkongreJs  in  Heidelberg  1888  an  die  Schweiz, 
sie  möchte  bei  ihrer  gemischten  Bevölkerung  wertvolles  Material 
zur  Entscheidung  der  Frage  liefern,  habe  ich  in  Bern  durch 
Herrn  Dr.  W.  Eissbn  eine  Anzahl  Gelehrter,  Studenten, 
Gymnasiasten,  Seminaristen  und  Seminaristinnen  untersuchen 
lassen.  Herr  Eissen  hatte  sich  tüchtig  an  die  Arbeit  gemacht, 
umfassende  Untersuchungen  und  genaue  Messungen  ausgeführt; 
seine  Abreise  von  Bern  verhinderte  ihn  aber  an  der  Verarbeitung 
der  Resultate.  Herr  Jankowski  ist  gegenwärtig  mit  der  teil- 
weisen Analyse  des  Materiales  beschäftigt.  Dieselbe  liefert, 
soweit  ich  sie  gegenwärtig  übersehe,  eine  feste  Stütze  der 
SxiLLiNGschen  Anschauungen.  Die  Ghamaeconchie  ist  das 
gewaltigste,  aber  nicht  das  einzige  und  unfehlbare 
disponierende  Moment  für  die  Myopie.  In  diesem  Sinne 
wird  die  STiLLiNasche  Theorie  wieder  aufleben  und  zum  Durch- 
bruche kommen.  Neue  Messungen  sind  noch  erforderlich. 
Nicht  beipflichten  kann  ich,  wie  ich  früher  schon  ausgesprochen 
habe,  der  Ansicht  Stillinob,  wonach  zwei  streng  gesonderte 
Myopieformen,  eine  bösartige,  die  Wassersucht  des  Auges,  und 
eine  ganz  gutartige,  die  Waohstumsmyopie,  voneinander  zu 
unterscheiden  sind.  Wir  werden  voraussichtlich  zu  mehr  als 
zwei  Arten  von  Kurzsichtigkeit,  sowie  zu  Misch-  und  Übergangs- 
formen kommen.  Ich  hoffe,  mit  diesem  Exkurse  über  die 
Theorie  der  Myopie  zu  neuen  Untersuchungen  auf  ruhiger  ob- 
jektiver Basis  anzuregen. 

Dafs  beider  Nahearbeit  gewisse  Bedingungen  als  erschwerende, 
bezw.  erleichternde  Faktoren  mitwirken,  beweisen  die  Uhr- 
macher mit  ihrer  relativ  geringen  Myopenzahl.  Dieselben 
arbeiten  bei  sehr  gutem  Licht,  vielfach  mit  der  Lupe,  monokular, 
ohne  Accommodation  und  ohne  Konvergenz,  an  allerdings 
kleinen,  aber  meist  fixierten  Objekten,  auf  welche  das  Auge 
ruhig  eingestellt  bleibt,    eine  ganz  andere   Thätigkeit   als  die 


134 

des  Lesens,  bei  der  das  Sehorgan  in  steter  Bewegung  sich 
befindet. 

Javal  und  Lamare  haben  schon  1877  darauf  hingewiesen, 
dafs  das  Auge  beim  Lesen  nicht  gleichmäßig  längs  der  Linie 
sich  fortbewegt,  sondern  in  Sprüngen,  dafs  es  die  Linie  in  eine 
Anzahl  kleiner  Abschnitte  teilt,  von  denen  jeder  ungefähr 
10  Buchstaben  enthält.  Ferner  haben  sie  gefunden,  dafs  diese 
Sprünge  ungefähr  dieselbe  Anzahl  Buchstaben  umfassen,  ganz 
gleich,  ob  man  in  30,  60  oder  100  cm  Entfernung  liest,  dals 
also  auf  verschiedene  Distanzen  die  Exkursionen  der  Augen 
für  die  einzelnen  Sprünge  verschieden  sind,  bei  weiterer  Ent- 
fernung kleiner,  bei  Annäherung  gröfser.  Stilling  sieht  in 
diesen  kleinen  ruokförmigen  Bewegungen  ein  besonders  schädigen- 
des Moment;  daher  seine  Papierrolle  ohne  Ende. 

Lakdolt  —  Archive  ^Ophthalmologie,  1892  —  hat  sich 
jüngst  ebenfalls  dem  Studium  dieser  Frage  gewidmet  und  wie 
seine  französischen  Kollegen  konstatiert,  dals  sich  die  Zahl 
der  Sprünge  beim  Lesen  der  Zeile  mit  der  Lesedistanz  sehr 
wenig  ändert,  um  so  mehr  notwendigerweise  der  Exkursions- 
winkel. 

Wie  wenig  spruchreif  diese  Frage  der  sprungweisen  Augen- 
bewegungen beim  Lesen  ist,  geht  aus  dem  Umstände  hervor, 
dafs  aus  demselben  Hauptresultate  mühsamer  Beobachtungen 
entgegengesetzte  SchluMolgerungen  gezogen  werden.  Während 
Landolt  annimmt,  daüs  die  kleinen  Ausschläge  bei  bedeuten- 
derer Distanz  das  Auge  mehr  ermüden,  als  die  größeren  Winkel 
bei  Annäherung,  dabei  aber  in  unglückliche  Kollision  mit  der 
Aocommodation  und  Konvergenz  kommt,  sieht  Javal  mit 
Lamare  das  Heil  der  Myopen  in  möglichster  Entfernung 
derselben  von  der  Schrift,  welche  zugleich  auch  die  gröfete 
Accommodation8abspannung  erlaubt.  Persönlich  sohliefse  ich 
mich  der  letzteren  Ansicht  an. 

Hiermit  ist  ein  neues  Feld  der  Augenphysiologie  der 
Bebauung  eröffnet  worden,  das  der  Augenhygiene  Dienste  zu 
leisten  verspricht.  Einzig  steht  zu  fürchten,  dals  eine  neue 
Theorie,  die  Sprungtheorie,  aufgestellt  werden  möchte. 


135 

In  Kapitel  XU  werden  die  Augenleiden  bei  Onanisten 
besprochen.  Der  Gegenstand  ist  augenärztlich  noch  wenig 
durchgearbeitet.  Ganz  vermißt  werden  bis  jetzt  noch  die 
Studien  mit  dem  Ermüdungsperimeter. 

Taktvolle  Berührung  der  Onanie  und  ihrer  schädlichen 
Folgen  bei  Gelegenheit  von  hygienischen  Vorträgen  in  den 
Mittelschulen  dürfte  heilsam  wirken.  Derartige  Erörterungen 
können  richtig  nur  von  einem  Arzte  ausgeführt  werden. 

Kapitel  XTTT  ist  den  syphilitischen  Augenkrank- 
heiten gewidmet.  Auch  dieser  Abschnitt  der  Ophthalmologie 
hat  trotz  der  höchst  dankenswerten  Arbeit  von  Alexander 
noch  manche  Lücken.  Zum  Klinischen  nur  einige  kurze 
Bemerkungen. 

1.  Primäraffektion  der  Lider  und  reoidi vierende  centrale 
Netzhautentzündung  (v.  Graefe)  habe  ich  mehrfach  beobachtet. 

2.  Die  Regenbogenhautentzündung  tritt  nicht  nur  als 
sekundäre  Erscheinung  auf,  sondern  nicht  selten  als  tertiäre 
in  Verbindung  mit  Aderhaut-,  Netzhaut-  und  Sehnerven- 
affektion. 

3.  Grünen  Star,  von  dem  Cohn  auf  Seite  579  einen 
Fall  erzählt,  habe  ich  schon  bei  mehr  als  10  Syphilitischen 
gesehen. 

4.  Die  interstitielle  Hornhautentzündung  bei  Kindern  ist 
häufiger  hereditär  syphilitisch,  als  aus  den  von  Cohn  an- 
gefahrten Zahlen  hervorzugehen  scheint;  von  Graefe  schätzte 
die  Lues  in  diesen  Fällen  auf  5%,  Hutchinson  auf  100%« 
Die  Wahrheit  liegt  hier  nicht  in  der  Mitte,  sondern  viel  mehr 
auf  Seite  des  englischen  Forschers.  Ich  finde  unter  meinen 
Patienten  mit  interstitieller  Hornhautentzündung  bei  ungefähr 
70—75%  hereditär  syphilitische  Momente. 

5.  Die  syphilitische  Pupillen-  und  Acoommodationslähmung 
ist  nicht  ganz  so  trostlos,  wie  Cohn  angibt,  wenn  sie  lange 
geniig  behandelt  werden  kann. 

Bezüglich  der  Verhütung  der  Syphilis  möchte  ich  nur  auf 
zwei  Punkte  aufmerksam  machen, 

1.  Auch  hier  könnten  von  einem  Arzte  gehaltene  Vorträge 


136 

an  Mittelschulen  von  guter  Wirkung  sein.1  Daus  dabei  be- 
sonders taktvolles  Vorgehen  von  nöten  ist,  erscheint  wohl 
selbstredend. 

2.  Der  Schularzt  hat  bei  seinen  sanitären  Untersuchungen 
auf  Nackendrüsen,  Knochenaffektionen  in  der  Umgebung  der 
Augenhöhle,  auf  Stinknasen  und  auf  die  Zähne  zu  achten. 
Jedes  Sand  mit  ausgesprochenen  HüTCHINSONsohen  Zähnen 
verdiente  eine  prophylaktische  Kur.  Ob  es  nicht  möglich 
wäre,  fiir  arme  Schulkinder  in  der  Mitte  des  Sohulhalbtages 
unentgeltlich  Milch  zu  verabfolgen,  der  bei  den  hereditär  belasteten 
•in  Zusatz  von  Jodkali  zeitweise  beigegeben  werden  könnte? 

Was  die  Sehschwache  bei  Rauchern  und  Trinkern 
(Kapitel  XIV)  betrifft,  so  dürften  auch  hier  hygienische  Be- 
lehrungen über  die  Folgen  des  Mifebrauchee  von  Tabak  und 
Alkohol  in  den  Mittelschulen,  ja  auch  in  den  Volksschulen 
am  Platze  sein  und  könnten  an  der  Hand  eines  Leitfadens 
von  den  Lehrern  erteilt  werden.* 

Der  Staat  soll  auf  Tabak  und  Alkohol  Steuern  legen, 
dagegen  für  gute,  nikotin-  und  fuselfreie  Präparate  sorgen. 
Um  so  weniger  sind  die  staatlichen  Verteuerungen  der  not- 
wendigsten Lebensmittel  zu  rechtfertigen.  Die  Pfeife  und  das 
Gläschen  des  armen  Mannes  dienen  häufig  genug  zum  Selbst- 
betrug eines  ungenügend  genährten  Körpers.  Etwas  mehr 
Temperenz  wird  gut  sein  beim  Volke  sowohl  als  bei  den 
Gebildeten  und  speciell  bei  der  akademischen  Jugend.  Wenn 
auch  nicht  jeder  Tropfen  Alkohol  Gift  ist,  so  bin  ich  doch 
überzeugt,  dals  bei  Reduktion  des  bisherigen  Alkoholgenusses 
auf  25%  die  Kraft  des  Volkes  bedeutend  zunehmen  würde. 
Rationelle  Bestimmungen  gegen  die  Trunksucht  sind  schwierig, 
aber  erforderlich.  Die  extravaganten  Temperenzbestrebungen 
gewisser  Staaten  Nordamerikas  bilden  die  ungesunden  Aus- 
wüchse fanatischer  Hypokrisie. 


1  Dafür  dürften  eher  die  Universitäten  der  geeignete  Ort  sein.  D.  Red. 
*  Solcher  Unterricht  besteht  in   den  Vereinigten  Staaten,  s.  diese 
Zeitschrift,  1888,  No.3,  S.  96;  1893,  No.2,  S.  75-76.    D.  Red. 


137 

Das  XV.  Kapitel,  Augenleiden  infolge  von 
Blendung,  enthält  interessanten  Stoff  für  den  hygienischen 
Unterricht  seitens  des  Lehrers  und  noch  mehr  zur  direkten 
praktischen  Verwendung  in  der  Schulhygiene. 

Ungern  vermisse  ich  hier  die  Erwähnung  der  Untersuchungen 
Widmakks  über  die  schädigende  Einwirkung  des 
ultravioletten  Lichtes  auf  die  Bindehaut,  Hornhaut 
und  Regenbogenhaut,  über  die  Absorption  dieses 
Lichtes  durch  die  Linse  und  den  dadurch  bedingten 
Schutz    der   Netzhaut. 

Die  Ordnung  des  reichen  in  der  Litteratur  zerstreuten 
Materials  in  den  beiden  Kapiteln  Berufsaugenkrankheiten 
(XVI)  und  Verletzungen  des  Auges  (XV 11)  ist  eine 
dankenswerte  Arbeit;  sie  sollte  zu  Rat  gezogen  werden  bei 
Erlais  von  Fabrikordnungen  und  Unfallversicherungsstatuten 
und  -gesetzen. 

Die  Schriftsetzer,  welche,  in  Bern  wenigstens,  vielfach  in 
schlecht  beleuchteten  Lokalen  arbeiten,  ganz  im  Gegensatz  zu 
den  Uhrmachern  im  Jura,  haben  auch  Anrecht  auf  Schutz  ihrer 
Augen  durch  ein  Fabrikgesetz. 

Eine  Klarstellung  der  Frage  über  die  Entschädigungs- 
quote bei  Verletzungen  des  Sehorganes  wäre  hier 
zweckmäßig  angebracht  gewesen;  wir  denken  hierbei  an  die 
verdienstvolle  v.  ZBHBNDEBsche  F  orm  el  und  ihre  Diskussion. 

Oohn  hat  nur  einen  Fall  von  Augenleiden  bei  Blei- 
arbeitern gesehen.  Ich  erlaube  mir  hier  an  den  Fall  eines 
doppelseitigen  Sehnervenleidens  zu  erinnern,  den  ich  bei  einem 
Schriftgielser  beobachtet  habe,  —  Bericht  über  die  Berner 
Augenklinik,  1885  —  und  der  mit  Glaukom  kompliziert  war« 

Das  Kapitel  XVHI,  Netzhautleiden  bei  Kindern 
blutsverwandter  Eltern,  bietet  Stoff  zu  öffentlicher  Be- 
lehrung und  für  die  Gesetzgebung. 

Die  Frage  der  Farbenblindheit  (Kapitel  XIX),  welche 
eine  Reihe  von  Jahren  die  Augenärzte  in  Spannung  gehalten 
hat,  ist  glücklicherweise  zu  einer  gewissen  Abklärung  und 
Buhestellung  gelangt.    Es  mufs  mir  zur  Ehre  und  Befriedigung 

SchvlgerandlMitipfleg*  VI.  10 


138 

gereichen,  wenn  Cohn  meine  roten  Tafeln  als  die  zuverlässigste 
Dntersnchnngsmethode  bezeichnet.  Ich  kann  nur  wiederholen, 
was  von  mir  schon  früher  geäussert  worden  ist,  daJs  ich  mit 
denselben  Farbenblindheit  bei  Ärzten  und  Gelehrten  nach- 
gewiesen habe,  die  mit  keiner  einzigen  der  übrigen  Methoden 
überführt  werden  konnten.  Es  ist  für  den  zu  Untersuchenden, 
sowie  für  den  Untersucher  ein  höchst  angenehmer  Umstand, 
dafs  bei  der  Prüfung  mit  meinen  Tafeln  gar  nicht  von  Farben 
gesprochen  wird.  Nach  der  Untersuchung  der  Sehschärfe 
wird  schnell  noch  die  rote  Tafel  zum  Lesen  vorgehalten,  und 
der  Untersuchte  weiis  häufig  absolut  nicht,  worum  es  sich 
handelt. 

Als  Kontrolle  habe  ich  mir  die  Tafeln  von  Stillino 
gewählt,  welche  Cohn  sehr  richtig  als  den  Wahlproben  weit 
überlegen  erklärt. 

Der  Schlufs  des  verdienstvollen  CoHNschen  Buches  liefert 
reichen  Stoff  zum  Nachdenken  für  Menschenfreunde,  Staats- 
ökonomen und  solche,  die  über  den  Unterricht  der  Arzte  in 
der  Augenheilkunde  zu  bestimmen  haben. 

Noch  ein  letztes  Wort  über  die  Ausstattung  des  be- 
sprochenen Werkes.  Diese  ist  brillant,  vielleicht  zu  brillant. 
Es  ist  bei  derselben  nicht  so  sehr  auf  die  Myopen  Rücksicht 
genommen,  welche  voraussichtlich  sehr  zahlreich  unter  den 
Lehrern  vertreten  sein  werden,  als  auf  das  Durchschnittsauge 
und  auf  die  Übersichtigen.  Aus  den  oben  angeführten  Mit- 
teilungen von  Javal  und  Lamabb  scheint  hervorzugehen, 
dafs  Myopen  durch  etwas  kleineren  Druck  weniger  ermüdet 
werden;  sie  ziehen  denselben  auch  instinktiv  vor.  Die  Breite 
der  Buchstaben  hätte  daher  vielleicht  etwas  kleiner  genommen 
werden  können.  Diese  Frage  ist  jedoch  noch  nicht  ganz 
spruchreif.  Wir  müssen  es  deshalb  Cohn  danken,  dafs  er 
nach  dem  Stande  der  bisherigen  Kenntnisse  ein  möglichst 
hygienisches  Buch  über  Augenhygiene  uns  als  Muster  zu  bieten 
bestrebt  war. 


139 


Sollen  die  Geschwister  von  Blasernkranken,  welche  die 
Krankheit  früher  schon  Überstanden  haben,  vom  Schul- 
besuche ausgeschlossen  werden? 

Von 

Dr.  med.  Fr.  Dornblüth, 

praktischem  Arzt  in  Rostock. 

Die  Masern  begegnen  einer  so  allgemeinen  Empfänglich- 
keit, dafß  bei  unseren  Schul-  und  Yerkehrsyerhältnissen  kaum 
einmal  jemand  davon  verschont  bleibt.  Der  Ansteckungsstoff 
wird  bereits  zur  Zeit  der  Vorboten,  wo  die  Masern  erst  aus 
dem  Vorkommen  anderer  Fälle  vermutet  werden  können,  von 
den  Kranken  ausgeschieden;  er  ist  sehr  flüchtig  und  durch  die 
Luft  verbreitbar,  kann  auch  durch  Gesunde  verschleppt  werden, 
ond  einige  Atemzüge  scheinen  zur  Ansteckung  zu  genügen. 
Wer  also  die  Krankheit  nicht  in  der  Kindheit  überstanden 
hat,  wird  sie  fast  sicher  später  bekommen.  Ein  vollständiger 
Schutz  durch  Absperrung  ist  nicht  zu  erwarten. 

Bei  richtigem  Verhalten  und  angemessener  Behandlung, 
wozu  besonders  gute,  reine  und  oft  erneuerte  Luft,  Vermeidung 
jeder  Erhitzung  des  Kranken  durch  dichte  Betten,  durch  starkes 
Einheizen  und  Luftabsperrung, dagegen  Abkühlung  desselben  durch 
Waschungen  und  Bäder,  sorgsame  Schonung  und  vorsichtige 
Abhärtung  während  und  nach  der  Genesung  gehören,  sind  die 
Masern  im  allgemeinen  keine  schwere  Krankheit.  Ernste  Fälle 
und  bösartige  Epidemien  werden  vielleicht  eher  durch  ver- 
kehrtes Verhalten  oder  durch  persönliche  Anlagen  zu  Brust- 
krankheiten oder  anderen  Leiden  bedingt,  als  durch  grössere 
Giftigkeit  des  Ansteckungsstoffes. 

Während  Kinder  im  ersten  Lebensjahre  für  Masern  wenig 
empfänglich  zu  sein  und  sie  leicht  zu  überstehen  pflegen,  sind 

10* 


140 

solche  vom  zweiten  bis  zum  fünften  Jähre  mehr  gefohrdet. 
Auch  von  den  Entwicklungsjahren  an  scheint  die  Krankheit 
in  der  Regel  schwerer  zn  sein  und  ernstere  Folgen,  besonders 
für  die  Atmungsorgane,  nach  sich  zn  ziehen.  Jedenfalls  ist 
dieselbe  in  den  späteren  Schuljahren  und  darüber  hinaus  viel 
störender  als  im  früheren  Schulalter.  Demnach  dürfte  es 
geraten  sein,  Kinder  vom  zweiten  bis  fünften  Jahre  nach  Mög- 
lichkeit zu  schützen,  sodann  aber  der  immerhin  meistens  ver- 
geblichen, wenn  nicht  gar  durch  Hinausschieben  der  Krankheit 
auf  ein  späteres  Alter  unzweckmäßigen  Sperre  sich  zu  ent- 
halten, wofern  nicht  persönliche  Anlage  solche  Sperre 
wünschenswert  macht. 

Masernkranke  dürfen  schon  um  ihrer  selbst  willen  die 
Schule  nicht  besuchen,  bevor  nicht  ihre  Gesundheit  vollständig 
wiederhergestellt  ist,  und  sollten  auch  von  anderen  nicht  durch- 
maserten  Kindern  ferngehalten  werden,  also  keine  Besuche  von 
solchen  empfangen.  Denn  man  darf  die  Ansteckung  doch 
nicht  gerade  absichtlich  herbeiführen,  weil  ein  von  einem 
leichten  Fall  angestecktes  Kind  seihst  sehr  schwer  erkranken 
kann.  Aus  diesem  Grunde  sollten  jüngere  Kinder  in  Klein- 
kinderschulen, Kindergärten  u.  deigl.,  sowie  in  Familien  nach 
Möglichkeit  geschützt  werden.  Man  mufe  also  von  den  Kindern 
im  Alter  von  zwei  bis  fünf  Jahren  alle  Personen  fernhalten, 
die  ihnen  die  Masern  bringen  könnten,  d.  h.  nicht  nur  Masern- 
kranke und  Masernverdächtige,  sondern  auch  alle,  die  mit 
Masernkranken  in  enger  Berührung  gewesen  sind,  besondere 
die  Geschwister  solcher,  einerlei  ob  sie  Masern  gehabt  haben 
oder  nicht.  Lehrer  und  Lehrerinnen,  in  deren  Familien 
Masern  herrschen,  sind  in  Bezug  auf  jüngere  Kinder  wenig- 
stens zu  der  Vorsicht  verpflichtet,  durch  Waschen,  Kleider- 
wechsel u.  dergl.  die  Übertragung  des  Ansteckungsstofles  so 
viel  wie  möglich  zu  vermeiden.  Nur  in  dieser  Ausdehnung 
will  ich  die  Sperrung  der  Geschwister  durchgeführt  haben, 
und  nur  so  ist  das  in  meiner  „Gesundheitspflege  der  Schul- 
jugend", S.  30  Gesagte  zu  verstehen,  womit  auch  Dr.  Krug 
einverstanden  sein  dürfte,    dem  ich  für  seine  verständnisvolle 


141 

und    freundliche   Besprechung   meines  Baches   in  dieser  Zeit- 
schrift1 verbunden  bin. 

Durchmaserte  Geschwister  und  andere  Wohnungsgenossen 
Ton  Masernkranken  aus  der  eigentlichen  Schule  auszuschließen, 
halte  ich  nicht  für  nötig,  weil  die  Schüler,  die  noch  keine 
Masern  gehabt  haben,  sie  früher  oder  später  doch  bekommen, 
und  weil  mit  jeder  höheren  Klasse  immer  weniger  noch  nicht 
Durchmaserte  vorhanden  sind.  Außerdem  ist  Verschleppung 
der  Masern  durch  Gesunde  zwar  möglich,  kommt  aber  doch, 
wie  es  acheint,  ziemlich  selten  vor.  Zu  erwägen  bleibt  auch, 
dafe  seltene,  in  langen  Abständen  auftretende  Epidemien  nach 
manchen  Erfahrungen  schlimmer  zu  sein  pflegen,  als  schneller 
aufeinanderfolgende.  Der  Schutz  derjenigen  Schüler,  welche 
wegen  ihrer  Körperbeschaffenheit,  namentlich  wegen  Anlage 
zur  Schwindsucht,  in  höherem  Grade  durch  die  Masern 
gefehrdet  sind,  mufe  der  Familie  überlassen  werden,  die  dann 
mit  ihrem  Arzte  zu  überlegen  hätte,  ob  der  Betreffende  lieber 
für  die  Dauer  der  Epidemie  aus  der  Schule  wegzunehmen 
wäre.  Für  Kleinkinderschulen  scheint  mir  sogar  das  Fern- 
halten der  Kinder  von  denselben  berechtigt,  sobald  ein  Masern- 
Mi  daselbst  vorgekommen  ist,  und  ich  würde  auch  eine  Mit- 
teilung des  Schulvorstandes  an  die  Eltern  über  das  Vorkommen 
ansteckender  Krankheiten  unter  den  Schulgenossen  für  zweck - 
mäfeig  halten.  Hier  kann  sogar  völliger  Schulschlufs  ange- 
messen sein,  wenn  die  Epidemie  eine  sehr  starke  Ausbreitung 
und  Heftigkeit  zeigen  sollte. 

1  V.  Jahrgang,  1892,  No.  12,  S.  669-571. 


142 


Aus  tterfamntlttttgeit  mtt  Vereinen. 


Der  Lehrgang  der  Jugendspiele  für  Mädchen 

in  Braunschweig.1 

Von 

Gymnasiallehrer  A.  Hermann, 

Tarninspektor  in  Braunsohweig. 

Es  wird  für  die  Leser  von  Interesse  sein  und  den  Teil- 
nehmerinnen wie  Teilnehmern  in  Erinnerung  bleiben,  dab 
obiger  Lehrgang,  welcher  vom  7.  bis  11.  Juni  v.  J.  abgehalten 
wurde,  nicht  allein  in  Deutschland,  sondern  überhaupt  der 
allererste  gewesen  ist. 

Ich  hatte  dafür  die  Zeit  der  Pfingstferien  gewählt,  um 
einmal  allen  dabei  Beteiligten  die  dazu  nötige  Urlaubsgewinnung 
zu  erleichtern,  und  um  sodann  für  diesen  Sommer  noch  einen 
praktischen  Gewinn  durch  Einführung  der  Spiele  bei  den 
Schülerinnen  der  Lernenden  zu  erzielen. 

Eröffnet  wurde  der  Lehrgang  am  7.  Juni  in  der  Aula 
des  Neuen  Gymnasiums  durch  einen  Vortrag  über  die  Geschichte 
des  Spiels,  den  Turnplatz  und  seine  Verwendung  beim  Turnen 
und  Spielen,  über  die  Spiellitteratur  und  dergl. 

Den  praktischen  Übungen  gingen  vormittags  wie  nach- 
mittags einleitende  Bemerkungen  über  die  Vorzüge  und  den 
Wert,  sowie  über  die  Kegeln  der  zu  übenden  Spiele  an  der 
Hand  von  Zeichnungen  voraus.  Die  Arbeit  selbst  dabei 
war  besonders  in  den  ersten  Tagen  eine  ungewöhnlich  an- 
strengende, weil  den  meisten  der  Teilnehmerinnen  die  Spiel- 
sache überhaupt  noch  gänzlich  unbekannt  und  neu  und  die 
lebhafte   Bewegung   bei   den   Spielen    ungewohnt   war.     Die 

1  Ein  zweiter  solcher  Lehrgang  findet  anoh  in  diesem  Jahre 
wiederum  in  der  Pfingstwoche,  vom  23.  bis  27,  Mai,  in  Brannschweig  statt. 


143 

letzteren  mufsten  mit  allen  ihren  Kegeln  und  vielfachen 
Formen  theoretisch  verstanden  nnd  darauf  auch  praktisch  geübt 
werden,  um,  soweit  es  in  der  verhältnismäßig  kurzen  Lern- 
zeit anging,  eine  gewisse  Sicherheit  in  dabei  vorkommenden 
Leibesbewegungen  und  technischen  Fertigkeiten  zu  gewinnen. 
Erfordern  die  einfachen  Laufspiele,  welche,  wie  Schlaglaufen, 
Drittenabschlagen,  Diebschlagen,  Barlauf  u.  s.  w.,  ohne  irgend 
welches  Spielgerät  vorgenommen  werden,  Ausdauer  im  Laufen, 
so  stellen  die  Ballspiele  keine  geringeren  Anforderungen  an 
den  Schnelllauf  und  verlangen  dazu  noch  Gewandtheit  und 
Sicherheit  im  Schlagen,  Werfen  und  Fangen  des  Balles.  Und 
hierbei  kommt  als  Spielmittel  der  Ball  in  seinen  verschie- 
denen Formen  als  kleiner  Wurf-  und  Fangball,  wie  auch  als 
grolser  StoJs-,  Schleuder-  oder  Rollball  und  daneben  dann 
noch  das  Schlagholz  oder  beim  Lawn  Tennis  und  Federball 
die  Rakete  hinzu.  Auch  das  Reifwerfen  und  -fangen,  und 
zwar  in  der  eigenartigen  neueren  Weise,  dafs  der  Reif  mit 
zwei  Stäben  geworfen  und  gefangen  wird,  wurde  als  eine  vor- 
zügliche Schule  der  Gewandtheit  in  den  Spielbetrieb  mit  auf- 
genommen. 

Das  alles  ist  nicht  so  leicht,  es  will  geübt  und  fertig 
gelernt  sein,  und  letzteres  ist  zumal  nötig,  wenn  man  selber 
darin  Anleitung  geben  und  mit  den  Spielen  überhaupt  die 
Mädchen  für  die  Schnelligkeitsübungen,  die  gesundesten  und 
forderndsten  aller  Körperübungen,  gewinnen  will.  Bald  merkten 
denn  auch  die  Teilnehmerinnen  die  Wirkung  dieser  Übungen, 
welche  in  frischer  Luft  und  Sonnenschein,  in  Gottes  freier 
Natur  allein  heilsam  und  nutzbringend  vorgenommen  werden 
können.  Es  war  keine  leichte  Aufgabe,  am  Vormittag  von 
9  bis  11  Uhr  und  am  Nachmittag  von  5  bis  7  Uhr  nach  der 
Anhörung  von  erklärenden  Vorträgen  über  die  Bewegungs- 
spiele diese  selbst  durch  Laufen,  Werfen,  Fangen,  Schlagen 
mit  dem  Ballholz  oder  der  Rakete  zu  üben.  Aber  es  kann 
gesagt  werden,  dais  die  Teilnehmerinnen  —  und  unter  ihnen 
waren  Turnlehrerinnen,  wissenschaftliche  Lehrerinnen,  Schul- 
vorsteherinnen,   wie  auch  Seminaristinnen,    also    die   verschie- 


144 

densten  Altersklassen,  vertreten  —  mit  anzuerkennender  Aas- 
daner  und  voller  Hingabe,  ja  mit  Begeisterung  sich  ihrer  Auf- 
gabe gewidmet  haben.  Der  Müdigkeit  und  dem  Muskelschmerz 
gegenüber  stellte  sich  ein  gesunder  Appetit,  ein  belebender 
Schlaf  und  eine  frische  Gesichtsfarbe  als  Lohn  ein.  So  war 
denn  auch  ein  frischer  Humor  bei  den  geselligen  Abend- 
zusammenkünften immer  wieder  aufs  neue  der  Ausdruck  des 
Erfolges  dieses  Jugendspiellehrganges.  Nicht  zum  wenigsten 
trug  auch  zu  dem  schönen  Gelingen  das  herrliche  Juni- 
wetter bei. 

Dafe  den  Teilnehmerinnen  auch  die  Spiele  in  ihrer  Ans- 
übung  und  Anwendung  durch  Mädchen  selbst  vorgeführt 
wurden,  war  notwendig.  Am  Donnerstag  Nachmittag  begaben 
sie  sich  zu  dem  Zwecke  nach  Wolfenbüttel,  um  hier  in  den 
Lehranstalten  von  Fräulein  Anna  Vorwerk  die  Schülerinnen 
und  Seminaristinnen  sich  bei  den  Spielen,  wie  Kreisball, 
Wanderball,  Schlaglaufen,  Drittenabschlagen,  Henne  und 
Habicht,  Kreiswurfball,  Ball  mit  Freistätten,  Eckball,  Grenz- 
ball und  Barlauf,  mit  Lust  tummeln  zu  sehen.  Am  Freitag 
Vormittag  boten  ihnen  die  Mädchen  aus  Fräulein  Marie  Tolles 
höherer  Privatmädchenschule  Gelegenheit,  auf  dem  kleinen 
Exerzierplatze  die  Spiele,  nicht  durch  den  immerhin  engen 
Baum  eines  Schulhofes  begrenzt,  unter  sehr  günstigen  Ver- 
hältnissen vortrefflioh  ausführen  zu  sehen.  Die  Schülerinnen 
dieser  Anstalt  zogen  in  geordnetem  Zuge  mit  ihren  Spiel- 
geräten zu  diesem  öffentlichen  Platze  hinaus,  um,  unbekümmert 
um  die  Vorübergehenden  und  Zuschauenden,  dort  sich  beim 
frohen  Spiel  auszuleben.  An  beiden  Schulanstalten  war  außer- 
dem Gelegenheit  gegeben,  von  dem  Mädchenturnbetriebe,  wie 
er  sich  hier  entwickelt  hat,  Kenntnis  zu  nehmen. 

Der  Lehrgang  fand  am  Sonnabend  Mittag  nach  zwei- 
stündiger Übung  im  Lawn  Tennis  auf  dem  Schulhofe  der 
letztgenannten  Anstalt  seinen  Abschluß. 

Es  nahmen  31  Lehrerinnen  und  5  Lehrer  an  demselben 
teil.  Von  diesen  waren  15  Lehrerinnen  aus  Preufsen,  zumeist 
aus  den  angrenzenden  preufsisohen  Provinzen,  aber  auch  aus  der 


145 

Mark,  Ostpreufsen  und  Rheinland.  Je  1  Lehrerin  war  aus  Dessau 
und  Sondershausen,  14  aus  Braunschweig.  Von  den  Herren  kamen 
3  aus  Basel  im  Auftrage  ihrer  Regierung,  je  1  Herr  aus  Ellrich  und 
Schoningen.  Sie  alle  trennten  sich  von  hier  mit  der  gewonnenen 
Erkenntnis,  dais  die  Bewegungsspiele  auch  im  Leben  unserer 
weiblichen  Jugend  unersetzlich  sind,  und  sie  sprachen  offen 
aus:  »Was  wir  hier  gesehen  und  gelernt  haben,  wollen  wir  in 
den  Mädchenschulen,  an  welchen  wir  zu  arbeiten  haben,  mit 
den  uns  zu  Gebote  stehenden  Kräften  und  Mitteln  einzurichten 
versuchen". 

Wir  haben  bei  dem  allen  mit  Befriedigung  wahrgenommen, 
dais  neuerdings  immer  mehr  die  Ängstlichkeit,  Weichlichkeit 
nnd  Schulsteifheit,    auf  welcher   alle  Spielfeindschaft  beruht, 
das  Erbe  einer  philiströsen  Vergangenheit,    auch   bei   unseren 
Mädchenschulen   im  Schwinden   begriffen   ist   und   die   volks- 
tümliche   Spielfreudigkeit    früherer    Geschlechter    und    Jahr- 
hunderte wieder  neue  Blüten  zu  treiben  beginnt.    Die  Erkennt- 
nis tritt   immer  deutlicher  zu  Tage,    dafs  die  Mütter,    welche 
aus  Ängstlichkeit  ihre  Töchter   vom  Spiel   zurückhalten,    uod 
die  Lehrer  und  Lehrerinnen,  die  ihre  Schülerinnen  aus  Leistungs- 
wetteifer an  den  Schul-  und  Hausarbeitstisch  fesseln,  sich  an  der 
Jugend,  an  dem,  was  ihnen  das  Liebste  ist  oder  sein  sollte,  arg 
versündigen.    Der  grillenhafte  Bürger,  der  im  fröhlichen  Treiben 
der  Jugend  auf  öffentlichen  Plätzen  ein  polizeiwidriges  Benehmen 
erblickt  und  jeden  Wiesenplan,  jedes  Gartengehege  mit  einem 
Stacheldrahtzaun   abgesperrt   haben  •  will,    und   die   in   ihrem 
engen  Modekleide  versteifte  Dame,  di»  es  den  Mädchen,  zumal 
ans  den  sogenannten  besseren  Ständen,  aus  Anstandsrücksichten 
nicht  erlauben  will,  im  fröhlichen  Spiel  zu  jauchzen,  zu  laufen, 
zu  springen,  lebensfrisch  sich  zu  drehen   und   zu   schwenken, 
sie  alle  vergehen  sich  an  der  Gemeinde  und  an  dem  Staate,  die 
eines  gesunden,  kräftigen  Geschlechts  zur  Erfüllung  ihrer  Auf- 
gaben bedürfen. 


146 

Verhandlungen  der  medizinischen  Gesellschaft  in  Basel 
über  den  Einflufs  der  Schule  anf  die  körperliche  Entwickelnng 

der  Jugend. 

In  der  medizinischen  Gesellschaft  zu  Basel  hielt  unser  geschätzter 
Mitarbeiter,  Herr  Professor  der  Anatomie  und  Entwickelungsgeschichte 
Dr.  J.  Kollmann,  einen  Vortrag  über  das  obige  Thema,  den  wir 
trotz  einzelner  abweichender  Ansichten  nach  dem  vKorrbl.  f.  Schwe. 
Ärzte"  wiedergeben. 

Die  Anforderungen  der  Schule  bringen  in  den  Städten  die 
Gesundheit  des  heranwachsenden  Geschlechtes  in  schwere  Gefahren. 
Es  hat  der  Irrwahn  nach  und  nach  ganz  Europa  erfafst,  dafe  langes 
Sitzen  in  der  Schule  dem  einzelnen  und  dadurch  den  Nationen  un- 
endliche Reichtümer  in  den  Schote  werfe.  Dieser  Wahn  hat  sich  wie 
alles  langsam  entwickelt,  ist  aber  jetzt  grofe  und  m&chtig  geworden. 
Millionen  sind  von  ihm  durchdrungen.  Sie  rufen  beständig  nach 
mehr  Schulen,  nach  Schulen  am  Tage  und  Schulen  bei  Nacht.  Der 
neueste  Ruf  ist:  keine  Gassenbuben  mehr!  Die  armen  Jungen,  die 
sich  nach  der  Schulzeit  auf  den  Gassen  herumtreiben  möchten, 
müssen  eingefangen  und  dann  noch  auf  ein  paar  Stunden  an  den 
Kleistertisch,  den  Schraubstock,  die  Drehbank  gefesselt  werden,  „um 
in  ihnen  den  Sinn  für  erwerbende  Arbeit  bei  Zeiten  zu  wecken". 

Die  Regierungen  folgen  dem  unaufhörlichen  Drängen,  und  wir 
sind  noch  nicht  am  Ende.  Mafshalten  thut  endlich  not.  Unbefangene 
sehen  die  Gefahr;  da  und  dort  tönt  ein  Ruf  nach  Reformen.  Noch 
kennt  aber  niemand  den  Weg  zur  Umkehr. 

Man  übersieht  heutzutage  so  häufig,  dafe  Jugend  etwas  Wer- 
dendes, etwas  sich  Fortentwickelndes  ist.  Alle  Organe,  welche  den 
reifen  Organismus  des  Menschen  zusammensetzen,  sind  bei  den  schul- 
pflichtigen Kindern  zwar  vorhanden,  aber  noch  im  Wachsen  begriffen, 
deshalb  zart  und  weich  in  ihrer  Zusammensetzung.  Das  gilt  vom 
Auge,  vom  Gehirn,  von  dem  -Skelett  und  den  Muskeln,  wie  von  dem 
Herzen  und  seinen  Gefftfsen  und  von  den  Organen  für  die  Ernäh- 
rung. Damit  das  Ganze  gedeihe,  braucht  das  junge  Wesen  Nah- 
rung, Licht,  Luft,  Bewegung  im  Freien,  Schlaf  und  geistige  Ruhe. 
Wie  steht  es  nun  in  den  Städten  mit  diesen  für  das  Gedeihen  un- 
erläfslichen  Bedürfnissen? 

Nahrung  wird  meist  in  ausreichender  Menge  geboten.  Die 
Wohlthätigkeit  sucht  die  hungernden  Kinder  selbst  in  den  Schul- 
häusern auf.  In  manchen  Fällen  wird  sogar  zu  viel  geboten, 
namentlich  in  nervenerregenden  Getränken.  Nothnagel  konnte  es  auf 
dem  Kongresse  für  innere  Medizin  im  Jahre  1888  unter  dem  Bei- 
fall der  zahlreich  versammelten  Ärzte  als  einen  Krebsschaden  unserer 
Zeit  bezeichnen,  dafs  man  Kindern  Wein  und  Bier  bei  Tische  regel- 


147 

mftfsig  verabreiche.1  Nicht  minder  wird  in  ganz  Europa  gesündigt 
durch  starken  Thee  und  Kaffee.  Reizmittel  passen  nicht  für  Kinder.9 
Doch  abgesehen  davon  herrscht  an  ausreichender  Nahrang  in  den 
Städten  für  die  Schuljugend  im  ganzen  kein  Mangel.  Dasselbe  gilt 
von  dem  Licht;  vielleicht  leisten  darin  die  Schulhäuser  schon  etwas 
zu  viel;  wenigstens  wurde  jüngst  von  kompetenter  Seite  behauptet, 
in  den  Schulzimmern  seien  die  zu  grofsen  Fenster  nicht  ganz  un- 
schädlich für  das  Auge.  Doch  sei  dem  wie  immer,  jedenfalls 
herrscht  kein  Lichtmangel. 

Dagegen  herrscht  Mangel  an  frischer  Luft,  es  fehlt  genügende 
Bewegung  im  Freien,  es  fehlen  Schlaf  und  geistige  Ruhe. 

Ein  erwachsener  Mensch  braucht  in  24  Stunden  im  Durch- 
schnitt 9000  Liter  Luft,  das  macht  150  Eimer.  Was  ein  Mensch 
sonst  bei  guter  Ernährung  an  fester  und  flüssiger  Nahrung  braucht, 
nimmt  durchschnittlich  den  Raum  von  drei  Litern  ein,  beträgt  also 
dem  Umfang  nach  nur  den  dreitausendsten  Teil  des  Volumens  der 
Atemluft.  Auf  dieses  erstaunliche  Luftbedürfnis  gründet  sich  die 
Berechnung  der  Ventilationseinrichtungen  für  die  Schulzimmer,  Ver- 
sammlungssäle  u.  s.  w.,  wie  sie  namentlich  von  Pettenkofer  an- 
gestellt ist. 

Wenn  nun  auch  die  Ventilation  die  nötige  Luftmenge  in  die 
Schulzimmer  liefern  sollte,  so  kommt  sie  den  Kindern  doch  nicht  in 
vollem  Mafse  zu  gute,  denn  die  Lunge  kann  in  der  gebückten  Hal- 
tung nicht  vollständig  gefüllt  werden,  weil  beim  Sitzen  sich  der 
Raum  für  den  Brustkorb  verkleinert.  Es  gelangt  also  nie  die  er- 
forderliche Luftmenge  in  die  Lungen.  So  bleiben  denn  diese  wich- 
tigen Organe  schwach  und  unvollkommen.  Das  ist  ein  schon  lange 
erkannter  Nachteil  der  sitzenden  Lebensweise,  vor  allem  des  zu 
langen  Sitzens  in  der  Schule. 

Die  Bewegung  im  Freien  ist  für  alle  Vorgänge  des  Stoffwechsels 
unentbehrlich.  Ich  betone  Bekanntes,  wenn  ich  zunächst  hervorhebe, 
dafe  die  Cirkulation  der  Säfte  durch  die  Bewegung  des  Körpers, 
durch  die  der  Arme,  der  Beine  und  des  Rumpfes,  unterstützt  werden 
mute.  Dieses  Bedürfnis  ist  namentlich  bei  der  Jugend  mächtig,  ja 
geradezu  unwiderstehlich.  Daher  die  flatterhafte  Betriebsamkeit,  die 
Freude  an  der  Bewegung,  am  Laufen,  Springen,  Klettern,  Werfen, 
Schlagen,  Stoßen,  am  Schreien,  wodurch  ebenfalls  der  Brustkorb 
bewegt  wird.  Ohne  diese  Bewegungen  werden  alle  Organe  schwäch- 
lich entwickelt,  die  Knochen,  die  Muskeln  und  das  Herz. 


1  Vgl.  diese  Zeitschrift,  1888,  Nr.  8,  S.  258—259.    D.  Red. 

1  Siehe  auch  Pblmann,  C.  Nervosität  und  Ersiehung,  3.  Auflage. 
Bonn,  1888.  Bunge,  G.  Die  Alkohol  frage,  2.  Auflage.  Leipzig,  1887 ; 
Lehrbuch  der  physiologischen  und  pathologischen  Chemie.     Leipzig,  1887. 


148 

Trotz  dieser  alten,  schon  lange  erkannten  Wahrheit  wird  die 
Jngend  der  Städte  den  ganzen  Tag  an  die  Schale  nnd  abends  an 
den  Schreibtisch  gefesselt,  denn  was  an  Turnen  geboten  wird,  ist 
noch  immer  einem  Medikament  in  homöopathischer  Verdünnung 
vergleichbar. 

Schlaf  nnd  geistige  Ruhe  sind  unserer  Jngend  arg  verkümmert 
ans  verschiedenen  Gründen.  Die  mangelhafte  Cirknlation  des  Blutes 
infolge  des  Stillsitzens  und  die  damit  gehinderte  Atmung  schädigen 
das  Nervensystem.  Die  Produkte  des  Stoffwechsels  werden  nicht 
genügend  durch  Haut  und  Lungen  ausgeschieden  und  beeinflussen 
das  Nervenleben  in  ungünstiger  Weise.  Dazu  kommen  die  Schul- 
sorgen, die  Angst  vor  Strafe,  vor  Schande,  die  beliebten  Straf- 
aufgaben, Strafklassen  u.  s.  w. 

Nüssbaum,  der  das  Leben  in  München  z.  B.  sehr  genau  kennt, 
erzählt,  wie  er  die  Knaben,  die  schon  längst  in  das  Bett  gehörten, 
noch  am  Schreibtisch  abends  um  9  Uhr  antrifft;  sie  halten  mit  den 
kalten  Händen  den  heifsen  Kopf,  in  den  nichts  mehr  hineingebt. 
Ähnliches  kommt  auch  anderwärts  vor. 

Doch  um  all  das  kümmern  sich  die  Schulfanatiker  Europas 
nicht  im  geringsten.  Die  Jugend  mufs  Bildung  erringen.  „Wir 
ventilieren  ja  Luft  in  Fülle,  und  wir  bauen  Turnhallen  aller  Orten, tt 
so  rufen  sie  befriedigt  aus. 

Trotzdem  werden  die  sonst  frohen  Kinder  traurig,  blafs,  hohl- 
äugig, sehen  schlecht  genährt  aus,  leiden  oft  an  Kopfschmerzen,  der 
Schlaf  wird  unruhig,  es  kommt  selbst  zu  Schlaflosigkeit,  zu  rasch 
auftretender  körperlicher  und  geistiger  Ermüdung,  der  Appetit  wird 
geringer,  Palpitationen  des  Herzens  treten  auf,  neuralgische  Schmerzen 
verschiedener  Art  u.  s.  w.  Neurasthenie  nennen  die  Ärzte  diese 
Erscheinungen. 

Knaben  und  Mädchen  leiden  in  gleicher  Weise,  die  letzteren 
vielleicht  sogar  mehr.  Unter  600  Schülern  eines  Gymnasiums  war 
bei  32%  das  Nervensystem  nicht  normal,  und  die  Störungen  nahmen 
von  Klasse  zu  Klasse  rasch  und  beständig  zu.1  Unter  310  Mädchen 
aus  Volksschulen  im  Alter  von  12  bis  13  Jahren  krankten  36% 
an  Blutarmut.  Erfolgreich  bekämpft  wurden  die  Krankheitserschei- 
nungen durch  Unterbringung  der  Mädchen  in  Privatschulen,  wo  sie 
täglich  nur  drei  Stunden  Unterricht  erhielten  unter  Einfügung  ent- 
sprechender, zum  Herumtummeln  im  Freien  benutzter  Zwischenpausen.8 

Durch  die  übertriebenen  Anforderungen  raubt  man  also  dem 
heranwachsenden  Geschlecht   nicht   allein    die  Luft  und   den  Schlaf 


1  Erismann,  Zeitschrift  für  Schulgesundheitspflege.   Hamburg,  1888, 
No.  11,  S.  410  f. 

*  Kunze,  Halle  a.  d.  Saale. 


149 


und  die  geistige  Ruhe,  sondern  man  macht  ihm  selbst  das  Blut  aus 
den  Adern  schwinden.  Jedes  dritte  Kind,  das  die  Volksschulen  der 
Städte  besucht,  ist  in  der  Regel  blutarm. 

Selbst  die  Knochen  verfallen  der  Zerstörung.  Ärzte,  welche 
mit  den  RöckgratsTerkrümmungen  sich  beschäftigen  müssen,  erklären 
kategorisch:  Sollen  die  Kinder  sich  körperlich  entwickeln,  so  kann 
dies  nur  geschehen  durch  das  radikale  Mittel  der  Beschränkung  der 
Sitzzeit  in  der  Schule.1 

Asyle  werden  gebaut,  um  jene  armen  Wesen  vor  gänzlichem 
Untergang  zu  retten,  welchen  die  Schule  die  Knochen  erweicht 
und  zermalmt. 

Von  der  Beschädigung  des  Auges  soll  hier  nichts  gesagt  werden. 
Die  Zunahme  der  Kurzsichtigkeit  ist  ein  altes  trauriges  Lied,  das 
jeder  kennt.  Man  beruhigt  sich  bei  dem  Gedanken,  dafs  ja  die 
Kinder  in  hygienisch  konstruierten  Schulbänken  eingeschraubt  sind. 
Hat  sich  eine  Familie  diese  hygienische  Bank  erstanden,  dann  können 
die  Kinder  ruhig  weiter  sitzen  bis  tief  in  die  Nacht  hinein,  nun 
schadet's  ja  nichts  mehr! 

So  steckt  das  Übel  jetzt  schon  in  der  Familie.  Handelte  es  sich 
bei  Reformen  der  Schule  nur  um  die  Pädagogen  und  um  die  Be- 
hörden, da  könnte  wohl  noch  die  Presse  helfen,  unterstützt  von 
Versammlungen,  Resolutionen  u.  dgl.  mehr,  allein  das  Übel  sitzt 
tiefer.  Die  Eltern  sind  froh,  wenn  sie  die  Kinder  so  lange  als 
möglich  vom  Halse  haben;  die  Opferfreudigkeit  selbst  der  Mütter  ist 
schon  abgeschwächt,  sie  wollen  die  Kinder,  so  lange  es  geht,  los  sein, 
und  die  Staaten  haben  alle  der  Reihe  nach  dem  vielseitigen  Drängen 
nachgegeben  und  die  Schule  nicht  blofs  zur  Lehranstalt,  sondern  auch 
zu  einer  Kinderbewahranstalt  gemacht.  Und  schon  fängt  sie  an 
such  Badeanstalt  zu  werden.  Das  alles  geschieht  in  der  besten  Ab- 
sicht, aber  gereicht  der  körperlichen  Entwickelung  zum  Verderben, 
weil  die  Bewegung  im  Freien  aufhört.  Man  erzieht  also  auf  diese 
Weise  nur  körperliche  Krüppel. 

Dorfkinder,  auch  wenn  sie  in  Fabriken  arbeiten,  entwickeln 
sich  im  allgemeinen  günstiger  als  die  Stadtjugend.9  In  Bezug  auf 
harmonische  Entwickelung  des  Körpers,  d.  h.  in  Bezug  auf  das  richtige 
Verhältnis  von  Körperlänge,  Brustumfang  und  Gewicht  stehen  die 
Stadtschüler  sowohl  hinter  den  Dorfschülern,  als  auch  hinter  den 
Fabrikkindern  zurück. 

Das  ist  ein  trauriger  Unterschied  der  Erziehung  zwischen  Stadt 
und  Dorf  und  die  schärfste  Verurteilung  des  jetzigen  Unterrichts- 
Systems  in  Bezug  auf  Gesundheit.     Trotz  guter  Nahrung,  Wohnung, 

1  Bagiksky,  Wiener  medizinische  Wochenschrift,  1888,  No.  28. 
1  Überzeugende  Zahlen  bei  Ebismanv  a.  a.  0.,   S.  408,   gesammelt 
aus  Beobachtungen  an  40  000  Kindern  beiderlei  Geschlechts. 


150 

Ventilation,  prächtiger  Schulhausbauten  und  Turnanstalten  entwickelt 
sich  die  Brust  bei  den  Stadtschfllern  wesentlich  schlechter  als  bei 
den  Kindern  der  Landbevölkerung.  Warum?  Weil  sich  die  Dorf- 
jugend im  Freien  noch  bewegen  darf.  Der  anthropologische  Verein 
des  Grofsherzogtums  Baden  hat  eine  umfassende  Untersuchung  der 
"Rekruten  seines  Landes  eingeleitet.  Die  bisher  durch  Ammon  ge- 
fundenen Zahlen  lehren,  dafs  Leute  mit  sitzender  Lebensweise  die 
schwächste  Brustentwickelung  haben  und  gegen  die  Landwirte  und  die 
im  Freien  lebenden  Handwerker  weit  zurückstehen.  Bei  Zöglingen 
von  Seminarien  ist  aber  die  Brustentwickelung  noch  geringer  als  bei 
Leuten  mit  sitzender  Lebensweise. 

Man  sieht  hieraus,  das  Gedeihen  des  Körpers  ist  mehr  von 
ausgiebiger  Bewegung  in  frischer  Luft  abhängig,  als  von  guter  Nah- 
rung und  Wohnung.  Ohne  Freiheit  der  Bewegung  keine  gedeihliche 
Entwickelung  des  menschlichen  Körpers.  Sonderegger  bemerkt  in 
seinem  Gutachten  über  die  Errichtung  eines  hygienischen  Institutes 
sehr  treffend,  die  Gesundheit  des  Volkes  sei  das  Kapital  der  Ka- 
pitale. Die  dureh  übertriebenes  Schulsitzen  entstandene  Vergeudung 
dieses  Kapitals  wird  selbst  von  den  Besten  noch  kaum  beachtet. 

Man  mute  also  noch  mehr  Zahlen  aufeinandertürmen.  Allmählich 
werden  es  dann  endlich  alle  anerkennen  müssen,  was  von  den  Lehrern 
vielfach  bestritten  und  verneint,  von  den  Ärzten  aber  immer  wieder 
betont  wird: 

1.  Das  Vorhandensein  abnormer  Nervenzustände  bei  30%  der 
Stadtschüler  in  ganz  Europa,  soweit  Untersuchungen  vorliegen. 

2.  Die  Zunahme  der  Neurasthenie  mit  den  Altersjahren  der 
Stadtschüler.  In  der  untersten  Klasse  fehlt  sie,  in  den  höheren 
Klassen  sind  bei  neunzehnjährigen  Leuten  in  Gymnasien  schon  66% 
nachgewiesen  worden.  Die  Schulbänke  haben  es  erstaunlich  weit 
gebracht. 

Begreift  man  wohl  die  medizinische  Akademie  von  Paris,  welche 
die  öffentlichen  Gewalten  auf  die  Notwendigkeit  lenkt,  das  Regime 
der  Schulanstalten  den  Gesetzen  der  Gesundheitslehre  und  den  Er- 
fordernissen der  körperlichen  Entwickelung  des  heranwachsenden  Ge- 
schlechtes besser  anzupassen.     Sie  dringt 

1.  auf  Vermehrung  der  dem  Schlaf  gewidmeten  Stunden; 

2.  auf  Verminderung  der  für  die  Unterrichts-  und  Arbeitsstunden 
bestimmten  Zeit; 

3.  auf  Verwendung  eines  Teiles  derselben  für  Erholung  und  Körper- 
übungen. 

Die  oben  erwähnten  Schulkrankheiten  kommen,  wie  schon  er- 
wähnt, in  ganz  Europa  vor,  die  Schweiz  nicht  ausgenommen.   Fank- 


151 

Häuser1  erw&hnt  im  Jahre  1880  unter  den  Schulkrankheiten  nicht 
nur  die  Kurzsichtigkeit  nach  den  Zahlen  Pflügers  in  Bern  u.  a., 
sondern  auch  Kongestionen  nach  dem  Kopf  (Kopfschmerz),  nach 
Gutllaume  im  College  municipal  zu  Neuenburg  bei  40%,  und  zwar 
bei  51%  der  Mädchen  und  28%  der  Knaben,  ferner  den  Schul- 
kropf, allgemeine  Ernährungs-  und  Verdauungsstörungen,  Verkrüm- 
mungen der  Wirbelsäule  u.  s.  w. 

Abhilfe  thut  überall  dringend  not.  Möchten  doch  die  Behörden 
sofort  mit  einer  Kürzung  der  Schulstunden  eingreifen.  Vier  Stunden 
Tormittags  sind  unter  allen  Umständen  zu  viel.  Man  streiche  zunächst 
wenigstens  die  vierte  Vormittagsstunde,  einige  andere  Stunden  werden 
hoffentlich  nachfolgen  zum  Heil  der  Jugend,  die  unser  Trost  und 
unser  Hoffen  ist. 

In  der  Diskussion  wird  für  diesen  Vortrag  dem  Redner  der 
beste  Dank  und  die  Übereinstimmung  in  vielen  wesentlichen  Punkten 
ausgesprochen. 

Professor  Hagbnbach  rügt  namentlich,  dafs  die  Lehrer  den 
bestehenden  hygienischen  Vorschriften  über  Schulaufgaben  nicht  nach- 
kommen, wodurch  eine  Überbürdung  der  Schüler  an  einzelnen  Tagen 
entsteht.  In  diesem  Punkte  könnte  die  Gesellschaft  vielleicht  ein- 
greifen. 

Professor  Roth:  Der  Vortragende  hat  der  Schulbank  zu  viel 
Übles  nachgesagt.  Auch  den  Lehrern  kann  man  der  Aufgaben  wegen 
keinen  Vorwurf  machen,  weil  sie  ein  gegebenes  Pensum  erfüllen 
müssen;  die  begabten  Schüler  lösen  es  leicht,  die  schwachen  kaum. 
Er  findet  das  Übel  in  der  heutigen  ganz  verkehrten  Mode  der  Viel- 
wisserei.  Auch  bemerkt  er,  dafs  nach  Thoma  und  Quetelet  die 
Dorfjugend  im  zwölften  Jahre  einige  Centimeter  kleiner  sei  als  die 
Stadtjugend. 

Professor  Fbhlinq  beklagt  den  körperlichen  Rückgang  der  weib- 
lichen Jugend  und  tadelt  die  ganz  unzweckmäfsige  Haltung,  zu  welcher 
die  Schülerinnen  der  hiesigen  Töchterschule  während  der  Schulstunden 
gezwungen  werden. 

Dr.  Oeri  weist  nach,  dafs  das  Verhältnis  der  Dorfjugend  zur 
Stadtjugend  regionär  ein  wechselndes  sei,  und  betont  dann  nament- 
lich, dafs  die  moderne  Turntyrannei  niemals  das  freie  Spiel  der 
Jugend  ersetzen  könne. 

Dr.  Theophil  Lotz  macht  auch  auf  den  Einflufs  der  Heredität 
aufmerksam.   Er  bringt   die    moderne  Vielwisserei  in  Beziehung  zur 


1  Funkhäuser.  Über  Schulgesundheitspflege,  Bern,  1880  und  Schwei- 
zerische Zeitschrift  für  Gemeinnützigkeit,  1879. 


152 

heutigen  Demokratie,  welche  auch  auf  geistigem  Gebiete  alle  gleich 
machen  will. 

Professor  Kollmann  gibt  die  zu  einer  bestimmten  Zeit  be- 
stehende größere  Lange  der  Stadtjugend  zu,  erklärt  aber,  dafs  dieser 
Gräfte  nicht  auch  der  Thoraxumfang  und  die  Entwicklung  der 
Muskulatur  entspreche. 

Die  übrigen  Voten  der  Herren  Hagbnbach,  Rütimbyeb,  Beck, 
Lotz,  Obri,  Fbhling,  Roth,  Kollmann  drehen  sich  hauptsächlich 
um  die  Frage,  ob  und  in  welcher  Weise  man  gegen  die  Schäden 
der  Schule  vorgehen  könne.  Es  wird  beschlossen,  die  Angelegenheit 
im  Auge  zu  behalten,  und  Professor  Kollmann  wird  später  be- 
stimmtere Anträge  vorlegen. 

Die  GründungsversammluBg  des  Centralvereins  für  Schul- 

schwimme!  ii  Berlin. 

Am  Freitag,  den  11.  November  1892,  fand  in  Berlin  die 
Gründungsversammlung  des  Centralvereins  für  Schulschwimmen 
statt,  d.  h.  eines  Vereins  zur  Einführung  des  Schwimmens  in  die 
Schule.  Erschienen  waren  etwa  50  Herren  und  Damen,  darunter 
verschiedene  Autoritäten  auf  den  Gebieten  des  Turnens,  Schwimmens, 
der  Hygiene  und  Medizin,  sowie  die  Vertreter  der  Berliner  Schwimm- 
vereine. 

Dr.  Keksbbiter  wies  in  einem  einleitenden  Vortrage  „Über 
die  Lage  unserer  Jugend  vom  Standpunkte  der  Hy- 
giene" zunächst  nach,  dafs  die  3  Turnstunden  wöchentlich  und 
die  nur  während  15  Sommerwochen  stattfindenden  Turnspiele  für 
das  körperliche  Wohl  der  Schüler  nicht  genügen,  dafs  ferner  die 
Familie  aus  Mangel  an  öffentlichen  Spiel-  und  Erholungsplätzen, 
sowie  an  heizbaren  Schwimmanstalten,  die  im  Herbst,  Winter  und 
Frühjahr  benutzt  werden  könnten,  nicht  im  stände  ist,  die  geistige 
Anstrengung  unserer  heranwachsenden  Jugend  durch  die  nötige  kör- 
perlicheErholung  unschädlich  zu  machen.  Als  die  geeignetste  Leibesübung 
neben  dem  Turnen,  nach  der  schon  die  Berliner  Konferenz  Ar  das 
höhere  Schulwesen  fragte,  erscheine  das  Schwimmen  einmal  wegen 
seiner  groben  Vorteile,  welche  der  Vortragende  mit  denen  anderer 
Sports  verglich,  andererseits  weil  es  sich  an  den  Schulen,  wo 
es  schon  eingeführt  i3t,  gut  bewährt  hat  und  die  Schüler  sich  danach 
drängen. 

Aufgaben  des  Centralvereins  für  Schulschwimmen 
seien  zunächst: 

1.  Staat  und  Städte  zu  bitten,  das  Schwimmen,  wenn  auch 
vorläufig  nur  versuchsweise  und  fakultativ,  in  die  Schulen  einzuführen. 

2.  Durch  Vorträge  Belehrung  zu  verbreiten   über  die  Vorzüge 


153 

and  den  Nutzen  des  Schwimmens,  wie  der  Hantpflege  überhaupt, 
för  die  Gesunderhaltung  des  Körpers. 

3.  Eine  Centralstelle  für  Geschenke  und  Vermächtnisse  zur 
Erbauung  von  Schwimmanstalten,  sowie  für  alle  Bestrebungen  zur 
Förderung  des  Schwimmens  zu  bilden.  Der  Centralvferein  för 
Schwimmen  übernimmt  die  Verwendung  und  Verwaltung  von  Zu- 
wendungen för  Schwimnizwecke. 

Dem  Vortrage  schlofe  sich  eine  lebhafte,  den  Ausführungen 
des  Vortrags  zustimmende  Diskussion,  namentlich  zwischen  den 
Herren  Schulrat  Professor  Dt.  Eulbä,1  Dr.  med.  Marcus»  und 
Schwimmschulbesitzer  Auerbach,  an.  Dann  konstituierte  sich  der 
Centrafrerein  mit  etwa  40  Mitgliedern.  Der  Vorstand  besteht  aus 
dem  Vorsitzenden  Dr.  Kebsäbiter,  dem  Schriftführer  Lehrer  Jaäke1 
ofd  dem  Kassenwart  BeichsbankkaJkulator  Hibkmann.  Diejenigen, 
welche  sich  für  Schulschwimmen  interessieren,  werden  gebeten,  ihre 
Adresse  an  den  Schriftführer  Lehrer  Janke,  Berlin  0.,  Andreas- 
ttntfse  17,  zu  senden.  Der*  jährliche  Mindestbeitrag  fitt  Mitglieder 
feträgt  1  Mark.. 


Ä! rinere  MUttxinn^tn. 


Untersuchungen  der  Wirbelsäule  von  2124  Schulkindern 
in  München  wurden  durch  Hofrat  Dr.  Brunner,  Universit&ts- 
professor  Dr.  Klaussner,  Stabsarzt  und  Privatdocent  Dr.  Setdel 
in  6  Schulen  mit  44  Klassen  vorgenommen,  und  zwar  in  10  ersten 
Knabenklassen  mit  500  Schülern,  in  12  zweiten  Knabenklassen  mit 
581  Schülern,  in  11  ersten  Madchenklassen  mit  652  Schülerinnen 
und  in  11  zweiten  Mädchenklassen  mit  491  Schülerinnen.  In  der 
„Münch.  med.  Wochschr."  berichtet  Dr.  Brunner  darüber  nach- 
stehendes: In  den  10  ersten  Knabenklassen  fanden  sich  bei  36,6o/e 
englische  Krankheit  (Bhachitis),  bei  10  %  flache  Bücken,  bei  1  % 
seitliche  Rückgratverkrümmung  (Skoliose),  bei  0,4  %  hintere  Bück- 
gratsverkrümmnng  (Kyphose),  bei  5,8  %  Biegung  der  Lendenwirbel* 
säüle  nach  links  oder  rechts;  in  den  11  ersten  Mädchenklassen 
bei  30,6%  Bhachitis,  bei  11,8%  flache  Bücken,  bei  1,6% 
Skoliose,  bei  1  %  Kyphose,  bei  4,5  %  Biegungen  der  Lenden- 
wirbels&ule  nach  links  oder  rechts;  in  den  12  zweiten  Knaben- 
klassen 30,4%  Bhachitis,  10%  flache  Bücken,  0,8%  Skoliose, 


1  Unser  Mitarbeiter.    D.  Bed. 

Bchvlgerandhcttspfleg*  VI  H 


154 

0,2%  Kyphose,  6%  Biegungen  der  Lendenwirbelsäule  nach  links, 
oder  rechts;  in  den  11  zweiten  Mädchenklassen  25,4% 
Rhachitis,  10  %  flache  Rücken,  2,4  %  Skoliose,  0,2  %  Kyphose, 
3%  Biegungen  der  Lendenwirbels&ule  nach  links  oder  rechts.  Als 
Gesamtergebnis  der  Untersuchung  der  Wirbelsäule  der  2124 
Kinder,  Knaben  und  Mädchen,  wurde  gefunden:  30,7%  Rhachitis, 
10  %  flache  Rücken,  1,4  %  Skoliose,  0,4  %  Kyphose,  5  % 
Biegungen  der  Lendenwirbels&ule  nach  links  oder  rechts.  Bei  der 
Gruppierung  der  Knaben  und  Mädchen  für  sich  ergaben  sich  folgende 
Zahlen:  1081  Knaben:  33,5%  Rhachitis,  10%  flache  Rücken, 
0,9  %  Skoliose,  0,3  %  Kyphose,  5,  9  %  Biegungen  der  Lendenwirbel- 
säule nach  links  oder  rechts;  1043  Mädchen:  28%  Rhachitis, 
10,9  %  flache  Rücken,  2,0  %  Skoliose,  0,6  %  Kyphose,  3,8  % 
Biegungen  der  Lendenwirbelsäule  nach  links  oder  rechts.  Im  ganzen 
und  gropsen  ergab  sich  durch  die  Untersuchung  in  den  zwei  ersten 
Schulklassen  eine  sehr  grobe  Zahl  von  Kindern,  welche  noch  Zeichen 
von  früherer  rhachitischer  Erkrankung  ihres  Knochenbaues, 
namentlich  Verschiebungen  und  Eindrücke  des  Brustkorbes,  an  sich 
haben,  bei  den  Knaben  ein  Dritteil  (33,5  %)  der  Gesamtzahl,  ja  bei  den 
Knaben  der  ersten  Klasse  noch  darüber  (36,6  %);  auffallend  weniger 
Rhachitis  boten  die  Mädchen  der  ersten  Klassen  (30,6  %)  und  noch 
viel  weniger  die  der  zweiten  Klassen  (25,4  %).  Der  flache 
Rücken  kam  in  ziemlich  konstanten  Zahlen  bei  Knaben  und  Mädchen 
der  ersten  und  zweiten  Klassen  bei  Yio  der  Gesamtheit  zur  Be- 
obachtung. Was  die  Skoliose  betrifft,  so  zeigte  sich,  dafs  sie 
schon  in  den  ersten  Schulklassen  gefunden,  also  in  die  Schule  mit- 
gebracht wird,  dass  sie  bei  den  Mädchen  in  erheblich  größerer 
Anzahl  (2  %)  zur  Beobachtung  kommt,  als  bei  den  Knaben  (0,9  %). 
Alle  die  wahrgenommenen  Fälle  von  Skoliose  liefsen  aber  erkennen, 
dafs  sie  auf  rhachitischer  Basis  beruhen,  da  immer  auch  noch 
Zeichen  von  Rhachitis  an  Brust  und  langen  Röhrenknochen  vorhanden 
waren.  Die  Schule  selbst  hat  also  an  dem  Zustandekommen  dieser 
Verkrümmungen  der  Wirbelsäule  keinen  Anteil.  Was  nun  die 
Haltung  und  Stellung  der  untersuchten  Schulkinder  anlangt,  so 
ist  zu  bemerken,  dafs  es  überhaupt  sehr  schwer  ist,  die  Mehrzahl 
derselben  zu  einer  geraden  Haltung  zu  bringen.  Abgesehen  von  den 
in  der  Minderheit  befindlichen  völlig  gesunden,  kräftig  gebauten 
Kindern  mit  ungezwungener,  schön  gerader  Körperhaltung,  wissen  die 
meisten  nicht  eine  gute  gerade  Haltung  einzunehmen.  Die  Mehrheit 
der  kleinen  Knaben  und  Mädchen  stehen  mit  gespreizten  Beinen, 
den  einen  Fu£s  vor  den  anderen  gesetzt,  mit  nach  vorne  abwärts 
geneigtem  Becken,  vorgestrecktem  Bauch,  lordotisch  eingezogener 
Lendengegend,  rückwärts  gelagertem  Brustkorb,  nach  vorne  hängen- 


155 

dem  Kopf,   vorgezogenen  Schultern  und  haben  kein  Verständnis  für 
eine  gerade  Haltung.      Es    sind    das    meist    knochen-  und   muskel- 
sehwache  Kinder  mit  bleicher  Hantfarbe,    ohne    genügendes  Unter- 
hantfettgewebe,  mit  Zeichen  froherer  Rhachitis.     Aber  selbst  kräftig 
angelegte,   gutgenährte  Kinder   haben  gewöhnlich   eine  Haltung  mit 
Neigung  und  einseitiger  Senkung  des  Beckens,  mit  Verschiebung  der 
Schultern,  so  dafs  es  beim  ersten  Blick  den  Anschein  erregt,  als  ob 
sie  nicht  gerade  wären,  und  erst  wenn  man  sie  richtet  und  aufmerk- 
sam   macht,    nehmen   sie   eine   gute  Haltung  an.      Eine  Deformität 
der  Wirbelsäule  ist  dann  nicht  zu  konstatieren.      Dabei   handelt  es 
sich  um  eine  leichte,  oft  kaum  bemerkbare  Einbiegung  der  Wirbel- 
säule im  Lendenteile  nach  links  oder  rechts,  und  zwar  in  doppelt  so 
großer  Anzahl  nach  links  als  nach  rechts  mit  entsprechender  Schief- 
stellung des  Rückens  und  des  Schultergürtels.     Wenn  keine  einseitige 
Beckensenkung  vorliegt,   verschwinden   diese  Deviationen  beim  Vor- 
wärtsbeugen des  Rumpfes  vollständig.      Unter  1081  Knaben  wurde 
diese  Haltungsanomalie  konstatiert  bei  5,9  %,  unter  1043  Mädchen 
bei  3,8%,  und  zwar  bei  den  Knaben  der  ersten  Klasse  in  5,8%, 
hei  den  Mädchen  der  ersten  Klasse  in  4,5  %,  bei  den  Knaben  der 
zweiten  Klasse  in  6,0%,   bei  den  Mädchen  der  zweiten  Klasse  in 
3,0%.      Es  ist  dieser  Nachweis,   dafs  mehr  Knaben  eine  schlechte 
Haltung   zeigen  als  Mädchen,    nicht  uninteressant;   man   hat   auch 
häufig   die  Gelegenheit   zu   bemerken,    dafs   die    größeren  Knaben, 
wenn  sie  aus  ihren  Schulen,  wie  Realschulen  oder  Gymnasien,  kommen, 
eine  möglichst  schlechte,  krumme  Haltung  zeigen,  während  dagegen 
die  gleichaltrigen  Mädchen  meist  eine  gerade,  aufrechte  Haltung  ein- 
nehmen, eine  Erscheinung,    welche  um   so   auffallender  ist,   als  die 
Knaben  mehr  körperliche  Übung  pflegen  und  muskelkraftiger  sind. 
Diese  gute  Hältung  der  Mädchen  hängt   sicher   mit   der  frühzeitig 
verwendeten  festeren  Rumpfbekleidung  zusammen.      Zwar   geht    die 
allgemeine  Erfahrung  dahin,  dafe  bei  den  alteren  Mädchen  viel  mehr 
seitliche  Verkrümmungen  der  Wirbelsäule  vorkommen,   als  bei   den 
gleich   alten  Knaben.      Dies  hat  jedoch  unter  anderem  auch  darin 
seine  Begründung,    dafe  die  Mädchen   viel    mehr   und   viel  besser 
beobachtet  werden  als   die  Knaben,    schon   weil   ihre  Kleidung  die 
Formen  des  Oberkörpers  mehr  hervortreten  läfst,  während  die  Be- 
kleidung der  Knaben  eine  losere  ist  und  die  Körperform  mehr  ver- 
deckt, und  weil  Oberhaupt  auf  gute  Haltung  bei  den  Mädchen  mehr 
gesehen  wird.      Von   den  übrigen  Befunden  ist  der  Zahl  nach  das 
Vorkommen  der  Kyphose  am  häufigsten  beobachtet,  unter  1081  Knaben 
bei  0,3  %,  unter  1043  Mädchen  bei  0,6  %.     Es  erscheinen  dem- 
nach die  Mädchen  stärker  betroffen  von  entzündlichen  Processen  der 
Wirbelsäule,  der  tuberkulösen  Wirbelkaries,  als  die  Knaben.     Dieses 


166 

Zahlenverhältnis  kann  jedoch  nur  als  ein  zufälliges  betrachtet  werden, 
und  können  daraus  keine  weiteren  Folgerungen '  gezogen  werden. 
Zwischen  den  Knaben  und  Mädchen  der  ersten  Klassen  ist  eine 
gröbere  Differenz  vorhanden :  0,4  %  und  1  %>,  während  unter  den 
Knaben  und  Mädchen  der  zweiten  Klassen  0,2  %  Kyphotiker 
getroffen  wurden.  Weiterhin  wurden  unter  den  2124  Schulkindern 
7  gefunden,  welche  Veränderungen  im  Hüftgelenk  infolge  von  ent- 
zündlichen Vorgängen  zeigten.  Es  sind  das  gleichfalls  Processe, 
welche  auf  einer  tuberkulösen  Erkrankung  der  Knochen  beruhen,  wie 
das  auch  bei  der  eben  angeführten  Kyphosenbildung  der  Fall  ist. 
Selbstverständlich  kann  daraus  nicht  die  allgemeine  Schlußfolgerung 
gezogen  werden,  dab  unter  2124  Kindern  immer  nur  9  Kyphotiker 
und  7  mit  Hüftgelenkentzündung  zu  finden  sind.  Die  Kinder, 
welche  mit  krankhaften  Veränderungen  der  Wirbelsäule  oder  der 
Gelenke  in  die  Schule  eintreten,  zeigen  eben  ausgeheilte  Processe, 
denn  dadurch  ist  ihnen  ja  der  Schulbesuch  ermöglicht;  die  übrigen 
an  tuberkulösen  Knochenkrankheiten  Leidenden,  und  das  werden 
wohl  ungleich  viel  mehr  sein,  müssen  zu  Hasse  im  Bette  liegen. 
Dabei  ist  noch  zu  bemerken,  dafs  die  Kinder,  welche  an  langwieriges 
Knochenkrankheiten  zu  leiden  hatten,  erat  später  in  die  Schule  gehen 
konnten  und  unter  die  viel  jüngeren  Genossen  in  die  1.  oder  2.  Klasse 
eingereiht  wurden.  Ferner  fanden  sich  noch  2  Knaben  mit  Klump- 
fäfeen,  2  Knaben  und  3  Mädchen  mit  auffallender  Veigröfserung  der 
Schilddrüse  (Kropf),  1  Knabe  und  1  Mädchen  mit  Schiefhals  und 
1  Knabe  mit  Kinderlähmung.  Es  wäre  ja  sehr  interessant  und 
wichtig,  eine  allgemeine  Statistik  der  verschiedenen  Veränderungen 
der  Knochen  und  Gelenke  bei  den  Schulkindern  zu  besitzen.  Die 
Herstellung  einer  solchen  würde  jedoch  mit  den  äufisersten  Schwierig- 
keiten verknüpft  sein,  weil  bei  den  nach  Tausenden  zählenden  Schul- 
kindern viele  und  umfassende  Untersuchungen  notwendig  wären,  weil 
dieselben  oftmals  unterbrochen  und  unmöglich  gemacht  würden  durch 
Erkrankungen  der  Kinder,  vielleicht  auch  infolge  Widerstrebens  der 
Eltern.  Es  wäre  aber  auch  notwendig,  dafe  solche  Untersuchung«! 
möglichst  centralisiert  von  wenigen,  in  genau  übereinstimmender 
Weise  arbeitenden  Untersuchern  vorgenommen  würden,  weil  sich  sonst 
Differenzen  und  Ungenauigkeiten  ergeben,  welche  eine  gute  Übersicht 
nicht  zu  stände  kommen  lassen.  Für  unsere  Zwecke  war  es  vorerst 
nur  darum  zu  thun,  über  das  Verhalten  der  Wirbelsäule  der  Kinder, 
welche  in  die  Schule  eingetreten  waren  und  zum  Teil  Schrägschrift, 
zum  Teil  Steilschrift  erlernen  muteten,  Aufechlufs  zu  erhalten,  um 
dann  weiterhin  etwaige  Veränderungen,  welche  durch  den  Aufenthalt 
in  der  Schule  und  das  viele  Sitzen  mit  verschiedener  Körperhaltung 
veranlagt  wären,  feststellen  zu  können. 


15  <• 
Der  Einflnft  des  Tabakrauehens  auf  Knaben  ist   nach 

vIgim.  äetf  mfane."  von  einem  französischen  Forscher,  Dboaisnx, 
untersucht  worden.  Unter  27  8chttlern  im  Alter  von  9 — 15  Jahren, 
Kelche  rauchten,  fand  er  bei  22  Cirkulationsstörungen,  Verdauungs- 
besehwerden,  geistige  Erschlaffung  und  ausgesprochene  Vorliehe  für 
spiritnöse  Getränke,  hei  8  von  diesen  aufserdem  noch  Blutarmut  und 
bei  3  aussetzenden  Puls. 

Gefahren    des   übertriebenen    Radfahren«.     Neben   einer 
Aäektioo    des  Fußgelenkes    hei   leidenschaftlichen  Radfahrern  will 
ein  französischer  Arzt,  Ragoneau,  nach  „La  France  miUt.u  leichte 
katarrhalische  Kehlkopfentzündungen  bei  Personen  beobachtet  haben, 
die   von  dieser  Fortbewegungsart   ubermäfsigen  Gebrauch  machten. 
Der  Radfahrer   empfindet  zuerst  ein  Gefühl  von  Trockenheit,   von 
Prickeln  und  selbst  von  Brennen  in  der  Kehle,  dann  fängt  er  an 
zu  husten  und  einen   schleimigen,  manchmal   mit   Blut    gestreiften 
Auswurf  von  sich  zu  geben.    Diese  krankhaften  Erscheinungen  treten 
nach  einer  etwas  längeren  Fahrt,  vornehmlich  bei  lebhafter  Gangart, 
stärker  hervor.     Ragonjrau  erklärt  dies  auf  folgende  Weise:   Alle 
Baifahrer   wissen,    wieviel   Kraft    man  anwenden    mufs,    um    eine 
Böschung   zu    überwinden  oder  um  eine  gewisse  Schnelligkeit  auf 
einer  guten  Strafse  einzuhalten.     Diese  Anstrengung  ist  die  Ursache 
des  ganzen  Übels.    In  der  That  beugt  der  Radfahrer  den  Körper  nach 
vorn  und  schadet  dadurch  der  Atmung.     Aufserdem  erheischt  die  zum 
Gang   des  Apparates    entwickelte  Kraft   einen   beträchtlichen  Luft* 
verbrauch,  daher  das  Atmen  dureh  den  Mund,  da  das  Atmen  durch 
die   Nase    unzureichend  wird.    Schließlich    läfst,   um  das  Bild  zu 
vollenden,  die  Schnelligkeit  der  Bewegung   in  den  Kehlkopf  und  in 
die  Lunge    eine   beträchtliche  Menge  Luft   mit   einer   ungemeinen 
Heftigkeit  und  einem  zu  dieser  Heftigkeit  im  Verhältnis  stehenden 
Druck  eindringen.     Alle   diese   Umstände   zusammen    ergeben   das 
Resultat,  dafs  sie  den  Fahrer  der  durch  den  ubermäfsigen  Druck 
der  eingeatmeten  Luft  vermehrten  Gefahr  der  Mundatmung  aussetzen. 
Kotgedrungenerweise  ist  auch  die   Ausatmung   eine   vermehrte,   so 
daft  sriiliefalich  eine  den  pathologischen  Zustand  herbeiführende  Über- 
treibung   der    physiologischen  Arbeit   stattfindet.     Ragoneau    fugt 
hinzu,  dafe  er  neun  Fälle  dieser  Art  zu  behandeln  gehabt  und  eine 
ferhäjfnismäfsig  rasche  Heilung  durch  Unterdrückung  der  Ursache  des 
Übels  und  dureh  eine  dem  Wesen  desselben  angemessene  Behandlung 
herbeigeführt  habe.  —  Bei    dieser    Gelegenheit    sei  bemerkt,    dafs 
Cbjjmlbt  und  Hüoxtet  eine   physiologische  Untersuchung  von  vier 
Veloeipedisten  nach  einer  Fahrt  von  397  Kilometern  vorgenommen 
und  nach    „Le  Progr.  mSd.u    dabei    folgendes    festgestellt  haben: 
1.  Die  in  der  Achselhöhle  gemessene  Temperatur  lag  eher  unter  als 


158 

über  der  normalen  Grenze.  2.  Die  Harnstoffausscheidung  stand  in 
umgekehrtem  Verhältnis  zu  dem  Grade  der  Ermüdung.  3.  Für  ein 
durch  die  Fahrt  nicht  angegriffenes  Individuum  war  diese  Aus- 
scheidung ein  wenig  geringer,  als  die  normale.  4.  Von  den  vier 
untersuchten  Radfahrern  hatten  die  beiden  zuerst  angekommenen 
Kola  (Kokain)  genossen,  die  beiden  letzten  keinen  Gebrauch  davon 
gemacht.  5.  Der  zuerst  Eingetroffene  verdankte  seinen  Erfolg 
wahrscheinlich  der  angelsächsischen  Energie,  die  durch  Alkohol  und 
Kola  unterstützt  ward;  denn  sein  junges  Alter  und  seine  aufser- 
ordenüiche  Ermüdung  liefsen  in  ihm  nicht  den  Sieger  bei  einer 
siebzehnstündigen  Fahrt  mit  einer  Geschwindigkeit  von  mehr  als 
22  Kilometern  in  der  Stunde  vermuten. 

Ofenheizung  in  Schulen.  Die  „Hyg.  Bundsch."  teilt  Ver- 
suche über  Ofenheizung  mit,  welche  Professor  E.  von  Esmarch 
angestellt  und  in  der  „Ztsdtr.  f.  Hyg.u  veröffentlicht  hat.  Bei 
diesen  Versuchen  handelte  es  sich  um  Vergleiche  des  Wertes  von 
Kachel-  und  eisernen  Öfen.  Die  erste  Reihe  der  Experimente 
wurde  in  zwei  Zimmern  des  Berliner  hygienischen  Institutes  aus- 
geführt, welche  in  Bezug  auf  Lage,  Raumma&e,  Fenster,  Thüren 
und  Nachbarschaft  vollkommen  gleiche  Verhältnisse  darboten.  In 
dem  einen  stand  ein  gewöhnlich  grofser  Kachelofen  mit  drei 
steigenden  Zügen  und  einem  Grundzug;  die  Feuerung  hatte  einen 
Rost,  auf  dem  Steinkohlen  sehr  gut  brannten.  An  homologer  Stelle 
des  anderen  Zimmers  befand  sich  ein  eiserner  Regulierschachtofen 
mit  Mantel  aus  dem  Eisenwerk  Kaiserslautern.  Beide  Zimmer  waren 
den  ganzen  Winter  über  bis  zum  Beginn  der  Versuche  noch  nicht 
geheizt  worden  und  wiesen  demnach  auch  fast  die  gleichen  Tempe- 
raturen auf.  Diese  wurden  am  Fufsboden,  in  Kopfhöhe  und  an 
der  Decke  mit  freihängenden  Thermometern  gemessen.  Die  Versuche 
fanden  an  drei  aufeinanderfolgenden  Tagen  mit  annähernd  gleichen 
Resultaten  statt.  Am  ersten  Tage  wurde  der  Kachelofen  mit  27,5 
Kilogramm,  der  eiserne  mit  13,5  Kilogramm  Kohlen,  am  zweiten 
und  dritten  Tage  beide  Öfen  mit  der  gleichen  Menge  Kohlen 
beschickt.  In  dem  durch  den  eisernen  Ofen  geheizten  Zimmer  stieg 
am  ersten  Tage  die  Temperatur  in  Kopfhöhe  schon  nach  einer 
Stunde  über  10°,  zu  welcher  Zeit  der  Kachelofen  eben  erst  warm 
wurde,  weshalb  auch  die  Zimmertemperatur  nur  um  1°  gestiegen 
war ;  erst  nach  zweistündiger  Heizung  machte  sich  hier  eine  langsam 
fortschreitende  Erwärmung  des  Zimmers  bemerkbar,  trotzdem  bereits 
das  doppelte  Kohlenquantum  gegenüber  dem  eisernen  Ofen  verfeuert 
worden  war.  Nach  fünfstündiger  Heizung  begann  die  Temperatur 
des  Zimmers  mit  eisernem  Ofen  wieder  abzunehmen,  da  das  Feuer 
ausgebrannt  war.  Auch  das  Feuer  des  Kachelofens  war  herunter- 
gebrannt;   derselbe  erwies  sich  aber  jetzt  sehr  heifs,    seine  Wände 


159 

waren    kaum    anzufassen.     Infolgedessen    stieg    auch    die    Zimmer- 
temperatur  noch  kurze  Zeit  langsam  weiter.      Es    war   aber   nicht 
gelungen,     mit    dem    Kachelofen    eine    zum    Bewohnen    genügende 
Zimmertemperatur  zu  erzielen,    während    dies  der  eiserne  Ofen  mit 
dem  halben  Kohlenquantum  für  mehrere  Stunden  zu  stände  gebracht 
hatte.     In  diesem   Zimmer   war  die   Temperatur  in  Kopfhöhe   von 
2,2°  auf  16,2°  gestiegen,  im  Zimmer  mit  dem  Kachelofen  aber  nur 
von  4,6°  auf   10°.     Weitere   Versuche   wurden  in    einem   grofsen 
Saale  ausgeführt,  in  welchem  sich  ein  gewöhnlicher  Berliner  Kachel- 
ofen mit  fünf  steigenden  Zügen  und  ein  Mantelfallofen  befand.    Diese 
Versuche  fanden  an  zwei  verschiedenen  Tagen  statt,  und  zwar  wurde 
zunächst  die  Wirkung  des  eisernen  Ofens  untersucht,  nachdem  das 
Zimmer  am  Tage  vorher  nicht  geheizt  war;  es  wurde  darauf  wiederum 
ein   Tag  pausiert  und   am   nächsten   Tage   der  Kachelofen  geheizt. 
An  beiden  Versuchstagen  kamen  je  15  Kilogramm  Steinkohlen  zum 
Verbrauch.     Der  Heizeffekt   beider   Öfen   war  wiederum   ein   sehr 
verschiedener,  der  des  eisernen  Ofens   bedeutend  günstiger  als  der 
des  Kachelofens.     Sodann   berichtet   E.  von  Esmargh  über  Heiz- 
versuche, welche  mit  einem  sogenannten  Tite Ischen  Ofen  ausgeführt 
wurden.     Dieser  besitzt  vollkommen  das  Aussehen  eines  gewöhnlichen 
Kachelofens,  im  Innern  ist  er  jedoch  ganz  anders  konstruiert.     Zu- 
nächst hat  er  einen  ziemlich  groben  und  hohen  Verbrennungsraum 
mit  Rost  und  eiserner   Regulierthür.     Das   Centrum  des  Ofens  ist 
von   unten   bis   oben  durch   einen  weiten   rechteckigen   Kanal  ein- 
genommen,  der   mit   der   Zimmerluft  in   Verbindung   steht  und  in 
welchem  dieselbe  genau  wie   in   dem  Mantel   eines   eisernen  Ofens 
cirkulieren  kann.     Sie  wird  auf  diesem  Wege   erwärmt  durch  die 
Verbrennungsgase   der  Feuerung,  welche  den  Gentralkanal  in  mehr- 
fachen Röhren  umziehen  und  dabei  sowohl  nach  innen  an  die  eiserne 
Wand   des  Gentralkanals  wie  nach  außen   an  die  Kachelwand  des 
Ofens  ihre  Wärme  abgeben.     Es  ist  wohl  ohne  weiteres  klar,  dafe 
auf  diese  Weise   ein  Hauptvorteil  des  eisernen   Ofens,   die   rasche 
Erwärmung,    mit   den  Vorteilen    des    Kachelofens,    der   langsamen 
Wärmeabgabe   und  der  Wärmeaufispeicherung,  verbunden  ist.     Bei 
einem   derartigen  Ofen   stellte  der  Verfasser  nun  fest,  ob  die  ihm 
eigenartige  Konstruktion  Vorzüge  vor  einem  gewöhnlichen  Kachelofen 
bietet,  indem  er  einmal  seine  reine,  nicht  künstlich  veränderte  Wir- 
kung ausprobierte  und  sodann   diese  mit  der  Heizwirkung  verglich, 
welche  er  erhielt,  wenn  er  den  eisernen  Luftcirkulationskanal  durch 
zwei  oben  und  unten  angebrachte  Klappen  verschlofs,  somit  also  den 
Ofen  in  einen  gewöhnlichen  Kachelofen  verwandelte.   Wie  zu  erwarten 
war  und  aus  den  mitgeteilten  Zahlen  und  Kurven  hervorgeht,  heizte 
der  Ofen  bei  Benutzung  des  eisernen  Centralkanals  bedeutend  schneller 


160 


und  stärker  als  bei  Verschlufs  desselben.  Die  Erfahrungen,  welche 
aus  den  vorliegenden  Versuchen  gewonnen  wurden,  dürften  auch  für 
den  Schulhygieniker  von  Interesse  sein,  da  die  meisten  Unterrichts- 
anstalten  wohl  noch  Ofenheizung  besitzen. 


$agesgcf4$td>Ut$ts. 


Programm  der  deutsche!  Ausstellung  fqjr  im  höhere 
Schulwesen  in  Chicago.  §.1.  Die  Ausstellung  für  das  höhere 
Schulwesen  in  Chicago  bezweckt,  den  Besuchern  ein  zusanmenfasaen- 
des  und  möglichst  anschauliches  Bild  von  dem  gegenwärtigen  Stande, 
von  den  Lehrmitteln  und  dem  Lehrverfahren,  sowie  von  der  äufsera 
und  innern  Ausstattung  der  verschiedenen  Gattungen  höherer  Knaben- 
schulen Deutschlands  zu  geben  (Gymnasien,  Realgymnasien,  Ober- 
realschulen, Realschulen,  bezw.  höhere  Bürgerschulen).  —  §.  %.  Für 
die  Ausstellung  sind  folgende  Abteilungen  in  Aussicht  genommen : 

1.  Schulgeschichte,  Schulverfassung  und  Verwaltung, 
a.  Eine  yon  Professor  Dr.  Rethwisch  verfafete  Druckschrift  über 
Deutschlands  höheres  Schulwesen  im  neunzehnten  Jahrhundert  nebst 
statistischen  Überblicken,  b.  Samnlung  von  Sehriften  zur  Landes- 
schalgeschichte,  Ortsschulgeschichte,  Ansta)tages<£richte.  c.  Lebens- 
bilder berühmter  Schulmänner,  d.  Schriften  zur  Geschichte  4er 
Erziehung  und  des  Unterrichts  in  neuerer  Zeit.  e.  San*mlung  der 
für  die  Schulverfassung  und  Schulverwaltung  gegenwärtig  geltenden 
Bestimmungen,  f.  Lehrpläne  und  Lehraufgaben  (tot  die  höheren 
Schulen  nebst  ErUMerangs-  und  Ausfuhrujttgsbeatinunangen ;  Prüfungs- 
ordnungen, g.  Die  Sammlung  der  monumenta  GermgQjae  paedagogica 
und  die  Veröffentlichungen  der  Gesellschaft  für  deutsch*  Erziehnngs- 
und  Schulgeschichte.  H.  Gymnasialpädagogik,  a.  Sammlung 
der  bedeutenderen  auf  die  Pädagogik  der  höheren  Lehranstalten 
bezüglichen  neueren  Werke,  b.  Die  Verhandlungen  der  Pirektoren- 
konferenzen  und  der  Dezemberkonferenz.  c.  Sammlung  der  für 
höhere  Lehranstalten  bestimmten  pädagogischeu  Jahresberichte  und 
Zeitschriften.  HI.  Unterricht  und  Unterrichtsmittel,  a. 
Sammlung  von  Schriften  zur  Methodik  der  einzelnen  Unterrichts- 
gebiete, b.  Sammlung  und  vergleichende  Znsammenstellung  der 
besten  und  verbreitetsten  Lehr-  und  Anschauungsmittel  für  die  ver- 
schiedenen Unterrichtsgebiete  (Bücher,  Karten,  Atlanten,  Bilder, 
plastische    Nachbildungen,    Sammlungen,    Apparate):     1.    Religion, 

2.  Deutsch,    3.  Lateinisch  und  Griechisch,    4.  Mathematik,    5.  Ge- 


161 

6.  Geographie,    7.   Französisch   und  Englisch,    8.  Natur- 
beschreibung und  Naturlehre,  9.  Zeichnen  und  Schreiben,  c.  Sammlung 
von  Fachzeitschriften  der  einzelnen  unter  b  genannten  Unterrichts- 
zwejge,   soweit    sie   Schulzwecke   verfolgen,     d.    Lehrerbibliotheken 
und    Schülerbibliothekeo.      IV.    Einzelne    Anstalten    und    ihr 
Betrieb;     Schüler  arbeiten,     a.    Saimlnng   der  Jahresberichte 
höherer  Schulen  Deutschlands   von  Ostern,    bezw.    Michaelis    1$92. 
b.    Sammlung   der   Jahresberichte  (Programme)  der  letzten  5  Jahre 
tqh     einer    Anzahl    typischer     höherer    Lehranstalten    Preufseas. 
c  Sammlung   von   Originalschülerarbeiten  aller  Schularten,    Klassen- 
Stufen,    Unterrichtszweige   ans   den  unter  b  bezeichneten  Anstalten; 
Schulerzeichnnngen   ans   denselben   Anstalten;     Abiturientenarbeiteu 
von  Ostern  1892.    V.  Graphische  Darstellungen;  Übersichts- 
karten,    a.  Prozentuale  Teilnahme  der  Bevölkerung  am  Unterricht 
der  höheren  Schulen,     b.   Verteilung  der  Lehrgegenstände   auf  die 
einzelnen  Schularten  und  Klassen,     c.   Karte  zur  Veranschaulichung 
der  Verbreitung   gymnasialer  und  realer  höherer  Lehranstalten  im 
deutschen  Reich.    VI.  Sammlung  von  Modellen,  Grundrissen, 
Bauplänen,    Ansichten,     Photographien  u.  s.  w.   höherer 
Lehranstalten  und  ihrer  Einrichtungen.   —   §.  3.  Druck- 
werke werden  in  Einbänden,   Bilder,   Wandtafeln,   Pläne,   Ansichten 
in  Rahmen  oder  Mappen,    sämtliche  Gegenstände  in  gediegener  und 
geschmackvoller  Herrichtung  auszustellen  sein.     Die  Herausgabe  eines 
kurzen  Fuhrers  ist  ins  Auge  gefaßt.  —  §.  4.     Für  die  Verpackung 
der  Ausstellungsgegenstände,   rechtzeitige  Versendung,    Transportver- 
sicherung  und,    soweit  es  erforderlich  erscheint,    Feuerversicherung, 
Aufstellung  und  Überwachung   an  Ort   und  Stelle,    sowie    für   den 
Röcktransport  und  die  Rücklieferung  der  dargeliehenen  Gegenstände 
wird  Sorge  getragen  werden.     Auch  ist  die  Entsendung   eines    ge- 
meinsamen Kommissars  für  das  höhere  und  das  Volksschulwesen  in 
Aassicht  genommen.  —  §.  5.     Sämtliche  Schreiben  und  Sendungen 
and  zu  richten  an  das  Ministerium  der  geistlichen,  Unterrichts-  und 
Medizinalangelegenheiten,   Ausstellung  för  das  höhere  Schulwesen  in 
Chicago,    Berlin  W,   Behrenstrafse  72.     Die  Versendung   der  Aus- 
stellungsgegenstände   nach   Chicago    wird   seitens    der   Sammelstelle 
Ünmlichst   bis   Mitte  Februar   erfolgen.      Gegenstände,    welche    am 
1.  März   vom  Ausgangshafen   noch   nicht   abgegangen   sind,    finden 
nach   den   für   die    Weltausstellung  geltenden  Vorschriften    nur    in 
begründeten  Ausnahmefällen  in  dem  Ausstellungsraum  noch  Aufnahme. 
—  Wir  bemerken  hierzu,   dafe  mit  der  Vorbereitung  dieser  Schul- 
anssteüung  die  Herren  Realgymnasialdirektor  Professor  Dr.  Schwalbe1, 


1  Unier  Mitarbeiter.    D.  Red. 


162 

Gymnasialdirektor  Noetel,  Direktor  Professor  Dr.  Waetzoldt  and 
Professor  Dr.  Rethwisch,  sämtlich  in  Berlin,  beauftragt  worden 
sind.  Auch  die  „Zeitschrift  für  Schulgesundheitspflege"  ist  von  dem 
preußischen  Ministerium  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinal- 
angelegenheiten für  die  Ausstellung  eingefordert  worden. 

Vorlesungen  Aber  Schulgesundheitspflege  an  der  Universität 
Giefsen.  Im  Sommerhalbjahr  1893  wird  unser  geschätzter  Mit- 
arbeiter, Herr  Geheimer  Oberschulrat  Professor  Dr.  Hermann 
Schiller  in  Giefsen,  zweimal  in  der  Woche  öffentlich  und  unent- 
geltlich über  Schulgesundheitspflege  lesen. 

Todesfälle  an  Cholera  unter  den  Schulkindern  Hamburgs 
1892.     Nach  den  Ermittelungen  des  Medizinalinspektorates  sind  in 
Hamburg    während    der   Epidemie    im    vorigen  Jahre    von   je  100 
Volksschülern  an  Cholera  gestorben: 
in  den  Internaten  (Strafschule,  Blindenanstalt,  Taubstummen- 
anstalt, Waisenhaus) 0,  0  °/e 

in  den  Schulen  von   St.  Pauli  Süderteil 0,38  „ 

„     „          „         „     Roterbaum,  Eimsbüttel,  Winterhnde.     0,48  » 
„     „          „         *     Uhlenhorst,  Barmbeck,  Eilbeck,  Borg- 
felde, Hohenfelde 0,53  „ 

„     „  „         „     Altstadt  Süderteil 0,56  „ 

„     „  *         »St.  Pauli  Norderteil 0,60  „ 

„     „  „         „     Altstadt  Norderteil 0,64  „ 

ii     n  »         n     St.  Georg 0,65  „ 

„     „  »         »     Neustadt  Norderteil 0,67  n 

„     „  »         r>     Hamm  und  Hörn 0,68  „ 

„     „  „         „,    Neustadt  Süderteil 0,89  „ 

„     „          „         „     Billwärder  Ausschlag,  Kotenburgsort.     1,39  „ 
„     „  „  Steinwärder,  Veddel 1,43  w 

Dem  entsprechend  ist  die  Zahl  der  Volksschüler  während  der 
Zeit  von  Mai  bis  November  1 892  von  68  207  auf  67  615  gefallen, 
und  zwar  befinden  sich  unter  den  592  aus  den  Schnllisten 
verschwundenen  Kindern  432,  die  an  Cholera  verstorben  sind. 
Die  Erhebung  über  die  höheren  Schulen  hat  ergeben,  dafc  sie, 
soweit  sie  nicht  Stiftungsschulen  oder  Schulen  ähnlichen  Charakters 
sind,  die  mehr  zu  den  Volksschulen  gehören,  verhältnismäßig  sehr 
von  der  Seuche  verschont  wurden.  Eine  grobe  Zahl  derselben 
blieb  vollständig  frei.  Es  bestätigt  dies  die  auch  sonst  vielfach  ge- 
wonnene Erfahrung,  dafs  die  besseren  Stände  ganz  außerordentlich 
selten  von  der  Cholera  befallen  werden,  und  zwar  nicht  nur  die 
reichen  Leute  und  ihre  Familien,  sondern  auch  ein  grober  Teil 
der  sogenannten  kleinen  Leute,  sofern  bei  ihnen  nur  Ordnung, 
Reinlichkeit  und  Verständnis  für  die  gebotenen  Vorsichtsmaßregeln 


• 


163 


herrscht.  Also  ein  ganz  anderes  Verhalten  als  beim  Typhus,  der 
trotz  allen  Wasserkochens  noch  nie  in  Hamburg  vor  den  Wohnungen 
der  Reichen  Halt  gemacht  hat. 

öffentlicher  Aufruf  zur  Unterstützung  von  Schüler- 
Untersuchungen  in  England.  In  dieser  Zeitschrift 1  ist  wiederholt 
davon  die  Rede  gewesen,  dafs  Dr.  Francis  Warner  zahlreiche 
Schulkinder  Londons  in  körperlicher  und  geistiger  Beziehung  unter- 
sucht und  sich  dabei  der  Unterstützung  der  britischen  medizinischen 
Gesellschaft  und  des  Vereins  för  Wohlthätigkeitsorganisation  zu  er- 
freuen gehabt  hat.  Zur  weiteren  Förderung  der  Sache  hat  sich 
nun  ein  Komitee  unter  dem  Vorsitze  von  Sir  Douglas  Galton 
gebildet  und  einen  diesbezüglichen,  von  dem  früheren  Präsidenten 
der  Königlichen  Kommission  für  die  Ausbildung  der  Blinden  und 
Taubstummen,  Lord  Egerton,  unterzeichneten  Aufruf  in  der  „Times" 
veröffentlicht.  „The  Brit.  Med.  Journ."  hofft,  dafs  dieser  Aufruf 
um  so  mehr  Erfolg  haben  wird,  als  die  bisherigen  Untersuchungen 
nicht  nur  in  England,  sondern  auch  in  Amerika  und  auf  dem  Fest- 
lande Aufsehen  erregt  haben  und  die  geplante  Erweiterung  derselben 
sowohl  der  Pädagogik,  wie  der  öffentlichen  Medizin  und  Philanthropie 
zu  gute  kommen  dürfte* 

Über  die  Häufigkeit  von  Infektionskrankheiten  "bei  den 
Kindern  in  Österreich.  Infektionskrankheiten,  welche  vorzugsweise 
Kinder  befallen,  kamen  in  Österreich  nach  dem  „Österr.  Samläts- 
wes."  1891  in  folgendem  Verhältnis  vor: 


lErkrankungsfälle 

Todesfälle 

Prozentsatz 
der  Todesfälle 

Krupp  u.  Diphtherie 
Masern 

40985 

26478 

123786 

28873 

8577 

10263 

7224 

4879 

20,9 

40,2 

5,0 

16,8 

Die  häufigste  infektiöse  Erkrankung  waren  hiernach  die  Masern, 
nächstdem  der  Scharlach,  die  Blattern,  der  Krupp  und  die  Diphtherie. 
Die  beiden  letzteren  dagegen  erzeugten  die  gröfste  relative  Sterblichkeit; 
bei  Scharlach  und  Blattern  war  dieselbe  nur  etwa  V*>  bei  Masern 
nur  Ys  so  grofs,  wie  bei  Krupp  und  Diphtherie. 

Jugendspiele  zu  Frankflirt  a.  M.  Man  schreibt  uns  aus 
Frankfurt:  Seit  Jahren  spielt  die  gesamte  männliche  Jugend  hierselbst, 


1  1890,  No.  12,  S.  697—715;  1891,  No.  10,   8.  631—635;    1892, 
No.  12,  8.  645—547. 


n 


164 

sowohl  die  höherer  wie  niederer  Schulen,  auf  einer  etwa  40  Morgen 
grolsen  Wiese,  der  Hundswiese,  nördlich  der  Stadt.  Am  20.  Juni 
v.  J.  wurde  ein  zweiter  Spielplatz  für  Mädchen  and  Knaben, 
südlich  der  Stadt,  mitten  im  prächtigen  Stadtwald,  mit  Turngeräten 
aller  Art  vom  hiesigen  Verschönerungsverein  der  städtischen  Schnl- 
behörde  durch  eine  ansprechende  Feier,  bei  welcher  ungefähr 
120  Mädchen  und  Knaben  Reigen,  Gesänge  und  Turnspiele  auf- 
führten und  zum  Schlosse  ein  festliches  Mahl  einnahmen,  übergeben. 
Die  Leitung  der  hiesigen  Turnspiele  ist  den  Lehrern  gegen  eine 
entsprechende  Vergütung  übertragen,  und  zwar  kommen  etwa  100 
Kinder  auf  einen  Lehrer  resp.  eine  Lehrerin.  An  Spieltagen  fallen 
die  Hausaufgaben  für  die  Mitspielenden  fort.  Frankfurt  bietet 
somit  seiner  Jugend  reichliche  Gelegenheit  zur  Pflege  des  Körpers 
in  freier  Natur. 

Befreiung  Budapester  Velkssehller  vem  Turnen.  In  sämt- 
lichen Volksschulen  der  Hauptstadt  Budapest,  so  erfahren  wir  von 
dort,  waren  zu  Beginn  des  letzten  Schuljahres  9719  turnpfiichtige 
Kinder  eingeschrieben.  Von  diesen  wurden  584  vom  Turnen  befreit, 
und  zwar  wegen  der  folgenden  Gebrechen  und  Krankheiten:  Knochen- 
krankheiten  63,  Rhachitis  49,  Verkrümmungen  der  Wirbelsäule  29, 
Gelenkleiden  39,  Blutarmut  59,  Herzfehler  38,  allgemeine  Körper- 
schwäche 81,  Lungenkrankheiten  16,  Brüche  54,  Ohrenleiden  17, 
Augenkrankheiten  54,  Erkrankungen  der  Nerven  15,  andere  Krank* 
heiten  73. 

Programm  der  Lehrerbildungsanstalt  des  deutschen  Vereins 
für  Knabenhandarbeit  auf  das  Jahr  1893.     Die  vom  deutschen 

Verein  für  Knabenhandarbeit  in  Leipzig  begründete  Anstalt  zur 
Bildung  von  Lehrern  des  Arbeitsunterrichts  wird  ihre  bisher  be- 
triebene Thätigkeit  auch  in  diesem  Jahre  mit  einer  Anzahl  von 
Unterrichtskursen  fortsetzen.  Den  Teilnehmern  an  denselben  stehen 
je  nach  ihren  Wünschen  und  Bedürfnissen  folgende  Fächer  zur  Wahl: 
Papparbeit,  Hobelbankarbeit,  ländliche  Holzarbeit,  Holzschnitzerei, 
Metallarbeit,  ländliche  Metallarbeit,  Gartenarbeit  und  Obstbaumpflege, 
Unterweisung  in  den  Arbeiten  der  jüngeren  Knaben  (Vorstufe  des 
Hand&rtigkeitsunterrichts),  Unterweisung  in  der  beim  Herstellen  von 
physikalischen  Apparaten  notwendigen  Glasbearbeitung.  Ausserdem 
ist  Vorsorge  getroffen,  dafs  Teilnehmer,  welche  es  wünschen,  Unter- 
richt im  Formen  von  Thon  und  Plastilina  erhalten  können.  Die 
Gesamtleitung  fährt  im  Auftrage  des  deutschen  Vereins  für  Knaben- 
handarbeit der  Direktor  der  Anstalt  Dr.  W.  Götze.  Genügende 
Beteiligung  vorausgesetzt,  werden  nacheinander  folgende  Kurse  ab- 
gehalten werden:  A.  Früh jahrskursus.  Eröffnung  am  6.  April, 
Schlafs  am  10.  Mai.     Bei  ausreichender  Teilnehmerzahl  werden  hier 


165 

Unterriehtsabteüungen    gebildet    fttr    Papparbeit,     Hobelbankarbeit, 
ländliche  Hobrarbeit,   Holzschnitzerei,  Metallarbeit  und   für  ländliche 
Metallarbeit     Es  steht  den  Teilnehmern   frei,    ein   einziges  Unter- 
richtsfach oder  deren  zwei  zu  wählen.     Geschieht,    wie  dies  bisher 
meist  der  Fall  war, .  das   letztere,    so  wird    auf  beide  Fächer   die 
gleiche  Zeit  verwendet.     B.   Erster  Sommerkursus.     Eröffnung 
am  26.  Juni,  Schlafe  am  29.  Juli.     Unterrichtsfächer  wie  im  Früh- 
jahrskurse,   ausserdem   vom  3.   bis  29.  Juli  Unterweisung   in   den 
Arbeiten  für  jüngere  Knaben  (FRöBBLeche  Beschäftigungsmittel,  Papter- 
und  Kartonarbeiten,  Holzarbeiten,  Formen).     C.  Zweiter  Sommer- 
kursus.     Eröffnung    am    31.    Juli,    Schlafs    am    2.    September. 
Unterrichtsfächer  wi»  im  Frühjahrskurse,  ausserdem  Gartenarbeit  und 
Obstbaumpflege.     D.  Herbstkursus.     Eröffnung  am  4.  September, 
Sefchüs  am  7.  Oktober.     Unterrichtsfächer  wie  in  Kursus  C.     Auch 
für  die  Kurse  B,   C  und  D  gilt  die  Bestimmung,     dafs  nicht  mehr 
als  zwei  Fächer  nebeneinander  getrieben  werden  können.    Während 
der  beiden  Sommermonate  soll  außerdem  ein  Kursus  vorwiegend  für 
Lehrer  an  höheren  Unterrichtsanstalten,  Seminarien  u.  s.  w.  stattfinden, 
in   welchen    dieselben   Gelegenheit    erhalten,    die    Handarbeit    mit 
Rflcksicht  auf  die  Herstellung  von  Anschauungsmitteln  und  Apparaten 
flr    den    naturkundlichen,     geographischen,     mathematischen    und 
physikalischen  Unterricht  praktisch  ausüben    zu    lernen.     Die  Dauer 
dieses  Korsos  ist  auf  8  Wochen,    vom  3.  Juli  bis  26.  August  be- 
messen, doch  ist  es  auch  gestattet,  die  Ausbildung  in  diesem  Hand- 
fertgkeHsunterrichte  auf  zwei  Jahre    so    zu    verteilen,    dafs    sie    in 
einem  Monatskursus  des  einen  Jahres  begonnen  und  in  dem  eines 
anderen   fortgesetzt   wird.     Dieser  Kursus  für  Lehrer    an   höheren 
Schulen  soll   von   den   während  des  Juli  und  August  stattfindenden 
anderen  Unterrichtskursen  nicht  so  getrennt  werden,  dafs  Übergänge 
zwischen  ihnen  unthunlich  wären,  vielmehr  bezwecken  sie  nur,  ver- 
schiedenen Bedürfnissen   durch  verschiedenartig  gestaltete  Lehrgänge 
entgegenzukommen.     Doch   wird   als    Bestimmung   auch   hier   fest- 
gehalten,   dafe   von  einein  Teilnehmer  nicht   mehr  als   zwei  Unter- 
richtsfächer nebeneinander  getrieben  werden  können.     Nach  Schlufs 
der  Kurse    werden   den    Teilnehmern   auf  Wunsch  Bescheinigungen 
ausgestellt,    aus   denen   die   Einzelheiten  des  Besuches  der  Lehrer- 
bildungsanstalt,   wie  Zeit   und  Dauer  des  betreffenden  Kursus,    Art 
der  Arbeitsfächer  u.  s.  w.,  hervorgehen.     Zeugnisse  über  die  Fähig- 
keit zur  Erteilung  von  Arbeitsunterricht  können  für  jedes    einzelne 
Fach    erworben  werden.     Sie   werden    den    Teilnehmern   aber   nur 
dann  eingehändigt,  wenn  sie  ihren  Kursus  von  Anfang  bis  zu  Ende 
regelmäßig  besucht,    und  wenn  sie  die  für  das  betreffende  Arbeits- 
fach   vorgeschriebene   Reihe    von   Modellen    selbständig    hergestellt 


166 

haben.     Die  Erteilung  dieser  Zeugnisse  ist  also  nicht  davon  abhängig, 
dafs  alle  in  der  Lehrerbildungsanstalt  vertretenen  Arbeitsfächer  von 
dem  Teilnehmer  betrieben  worden  sind,    auch   kann   die    in   einem 
Jahre  durch  Betrieb  eines  Nebenfaches  gewonnene  Anwartschaft  auf 
ein  Zeugnis  in  einem  späteren  Kursus  zur  Erfüllung  gebracht  werden. 
Neben   der   eigenen  praktischen  Arbeit    sollen  die  Teilnehmer  auch 
die  Praxis    der  Unterrichtserteilung   durch   geübte   Lehrer   in   den 
Knabenkursen  der  Leipziger  Schülerwerkstatt  kennen  lernen.    Außer- 
dem wird  den  Kursteilnehmern  durch  Vorträge  über  die  Geschichte 
und  Methodik  des  Handfertigkeitsunterrichts,  sowie  über  Werkzeug- 
und  Materialienkunde  Einsicht  in  das  Wesen  des  von  ihnen  praktisch 
betriebenen  Arbeitsunterrichts  verschafft.     Zu  gleichem  Zwecke  steht 
ihnen   die    Benutzung   der    durch   die  Freigebigkeit   des   Königlich 
sächsischen  Kultusministeriums   begründeten  Bibliothek  der  Lehrer- 
bildungsanstalt,  sowie  der  Bibliothek,   der  Sammlung  von  Vorlagen- 
werken  und    Arbeitsmodellen   der   Leipziger   Schülerwerkstatt   frei. 
Zur  Mitteilung  und  zum  Austausch  ihrer  Ansichten  über  schwebende 
Fragen  des  Arbeitsunterrichte  wird  den  Kursteilnehmern  an  einigen 
Diskussionsabenden  Gelegenheit  gegeben.     Das  Honorar,  welches  im 
voraus   zu   erlegen   ist,    beträgt  60  Mark   für  jeden   fünfwöchigen 
Unterrichtskurs  und  15  Mark  für  das  Material,   wogegen  den  Teil- 
nehmern  die   von  ihnen  gefertigten  Arbeiten  als  Modelle  für  ihren 
künftigen    Unterricht    verbleiben.      Die  Vermittelung   preiswürdiger 
Wohnungen  hat,    wie  in  früheren  Jahren,    so   auch  diesmal  Kantor 
Zehrfeld,  Mühlgasse  4,  Tu,  freundlichst  übernommen.    Anmeldungen 
zur  Teilnahme  an  den  Kursen,  ebenso  wie  alle  auf  dieselben  bezüg- 
lichen Anfragen  sind  zu  richten  an  den  Direktor  der  Lehrerbildungs- 
anstalt Dr.  W.  Götze,   Leipzig,  Schenkendorfstrasse  61,  III.     In 
den  Anmeldungen  ist  mitzuteilen,   für   welchen   der   obengenannten 
Kurse  sie  gelten.     Auch  ist  bei  den  Anmeldungen  Bestimmung  über 
die  Fächerwahl  (Haupt-  und  Nebenfach  u.s.w.)  zu  treffen.   Im  übrigen 
bemerken  wir,  dafs  die  Beteiligung   nicht   blofs  deutschen  Lehrern 
freisteht,  sondern  dafs  auch  auswärtige  Teilnehmer  willkommen  sind. 
Eine  Vorrichtung,  um  die  Schlier  zu  gerader  Haltung 
CT  ntttigen,  ist  der  Firma  A.  Herzberg,  Berlin,  Blumenstrasse 
80/81,  patentiert  worden.     Dieselbe  besteht  aus  einem  keilförmigen 
Ansatz  an   der  Rückwand    des  Schultornisters,   in   welchem  Federn 
angebracht  sind,  die  durch  das  Anziehen  der  Tragriemen  zusammen- 
gepreßt werden.     Die   zusammengepreßten  Federn   haben    das  Be- 
streben, sich  wieder  aufzurichten;    sie  drücken  die  Mittel-   und  die 
Rückwand  an  den  oberen  Kanten  auseinander  und  verursachen  da- 
durch die  Anspannung  der  an  der  Mittelwand  befestigten  Tragriemen. 
Der   auf  diese  Weise   verursachte  Druck   auf  die  Vorderseite    der 


167 


Schaltern  zieht  diese  nach  rückwärts  und  läfet   den  Brustkasten  voll 
heraustreten.     Das  Kind  soll  sich  so    an  gerade  Haltung  gewöhnen. 


ämtli^e  Derfftgitngeit. 


Weisung  des  k.  k.  österreichischen  Ministerinms  des  Innern, 

bei  Bauprojekten  Ar  Schulen  und  andere  öffentliche  Anstalten 

das  Urteil  des  Landessanititsrates  einzuholen. 

In  wiederholten  Fällen  wurden  Projekte  für  öffentliche  Anstalten, 
insbesondere  auch  für  Schulgebäude  und  selbst  für  Humanitätsanstalten, 
Ton  den  Behörden  genehmigt  und  ausgeführt,  ohne  dafe  über  die- 
selben Torher  ein  Gutachten  der  den  politischen  Behörden  zu- 
gewiesenen sanitären  Fachorgane,  bezw.  der  Landessanitätsräte  in 
hygienischer  Beziehung  eingeholt  worden  wäre. 

Aus  Anlafe  eines  speciellen  solchen  Falles,  in  welchem  das 
Projekt  für  ein  öffentliches  Gebäude  in  einem  außerordentlich 
frequenten  Verkehrscentrum  ohne  vorausgegangene  Begutachtung  vom 
sanitären  Standpunkte  von  einer  politischen  Landesbehörde  genehmigt 
worden  war,  und  wegen  des  bereits  rechtskräftig  gewordenen  Kon- 
senses zur  Ausfuhrung  des  Projektes  die  nachträgliche  Einholung 
des  Gutachtens  des  Landessanitätsrates  gegenstandslos  gewesen  wäre, 
fand  sich  das  Ministerium  des  Innern  veranlaßt,  die  Unterlassung 
der  rechtzeitigen  sanitären  Begutachtung  des  Projektes  auszustellen 
und  mit  dem  an  diese  Landesbehörde  ergangenen  Erlasse  vom 
15.  April  d.  J.,  Z.  7788,  die  Weisung  zu  erteilen,  dafe  in  allen 
künftigen  Fällen,  in  welchen  es  sich  um  Bauanlagen  handelt,  welche 
wegen  ihrer  Bestimmung  zum  öffentlichen  Verkehre  oder  als  öffent- 
liche Anstalten  von  besonderer  Wichtigkeit  sind,  in  Gemäfisheit  der 
Bestimmungen  des  §  10  des  Gesetzes  vom  30.  April  1870,  R.-G.-B1. 
68,  auch  das  Gutachten  des  Landessanitätsrates  im  Gegenstande 
eingeholt  werde. 

Erlab  des  Königlich  prenfsisehen  Untemehtsministers, 

betreffend  Sehfilerverbindnngen. 

Berlin,  den  9.  Mai  1892. 
Aus  mehreren  in  neuester  Zeit  zu  meiner  Kenntnis  gebrachten 
Fällen  der  Teilnahme  von  Schulern  höherer  Lehranstalten  an  ver- 
botenen Verbindungen  hat  sich  mit  Gewißheit  ergeben,  dafs  die 
Rädelsführer  bei  diesem  Unwesen  bemüht  sind,  nicht  allein  in  ein- 
zelnen Provinzen  möglichst  viele  Schulerverbindungen  ins  Leben  zu 


168 

rufen,  sondern  diese  auch  untereinander  in  engste  Beziehung  zu 
setzen  und  von  Zeit  zu  Zeit  zu  gemeinsamen  Festen,  sogenannten 
Couleursverbandstagen,  zu  vereinigen. 

Indem  ich  aus  den  erwähnten  Vorkommnissen  Anlafs  nehme, 
dem  Königlichen  Provinzialschulkollegium  die  fortgesetzte  Überwachung 
der  seiner  Aufsicht  unterstellten  Anstalten  nach  dieser  Richtung  hin 
aufs  neue  dringend  zu  empfehlen,  beauftrage  ich  dasselbe  zugleich, 
den  Direktoren  und  Lehrerkollegien  die  genaueste  Beachtung  des 
Cirkularerlasses  vorn  39.  Mai  1880  wiederholt  einzuschärfen.  Um 
aber  auch  die  Ekern  der  Schüler  oder  deren  Stellvertreter,  sowie 
die  städtische*  Behörden  an  die  ihnen  obliegenden  Pflichten  zu 
erinnern,  bestimme  ieh  hiermit,  dafs  in  den!  nächsten  Programmen 
der  höheren  Schulen  unter  der  letzten  Rubrik  „Mitteilungen  an  die 
Eltern"  nachstehender  Auszug  aas  dem  bezeichneten  Erlasse  zum 
Abdruck  gebracht  und  dafs  überdies  bei  Aufnahme  von  Schülern  von 
Tertia  an  aufwärt*  die  Eltern  oder  deren  Stellvertreter  ausdrücklich 
auf  die  für  sie  selbst  wie  für  ihre  Söhne  oder  Pflegebefohlenen 
verhängnisvollen  Folgen  der  Teilnahme  der  letzteren  an  verbotenen 
Schulerverbindungen  hingewiesen  werden. 

Auszug  aus  dem  Cirkularerlaase  vom  29.  Mai  1860. 
....  Die  Strafen,  welche  die  Schulen  verpftehtet  sind,  ober 
Teilnehmer  an  Verbindungen  zu  verhängen,  treffen  in*  gleicher  oder 
gröberer  Schwere  die  Eltern  als  die  Schüler  selbst.  Es  ist  zu  er- 
warten, dafe  dieser  Gesichtspunkt  künftig  ebenso,  wie  etf  bisher 
öfters  geschehen  ist,  in  Gesuchen  um  Milderung  der  Strafe  wird  zur 
Geltung  gebracht  werden,  aber  es  kann  demselben  eine  Berücksich- 
tigung nicht  in  Aussicht  gestellt  werden.  Den  Ausschreitungen  vor- 
zubeugen, welche  die  Schule,  wenn  sie  eingetreten  sind,  mit  ihren 
schwersten  Strafen  verfolgen  mufs,  ist  Aufgabe  der  häuslichen  Zucht 
der  Eltern  oder  ihrer  Stellvertreter.  In  die  Zucht  des  Elternhauses 
selbst  weiter  als  durch  Rat,  Mahnung  und  Warnung  einzugreifen, 
liegt  ausserhalb  des  Rechtes  und  der  Pflicht  der  Schule;  und  selbst 
bei  auswärtigen  Schülern  ist  die  Schule  nicht  in  der  Lage,  die  un- 
mittelbare Aufeicht  über  ihr  häusliches  Leben  zu  führen,  sondern 
sie  hat  nur  deren  Wirksamkeit  durch  ihre  Anordnungen  und  ihre 
Kontrolle  zu  ergänzen.  Seiist  die  gewissenhaftesten;  und  auf- 
opferndsten Bemühungen  der  Lehrerkollegien,  das  Unwesen  der 
Schülerverbindungen  zu  unterdrücken,  werden  nur  teilweisen  und 
unsicheren  Erfolg  haben,  wenn  nicht  die  Erwachsenen  in  ihrer  Ge- 
samtheit, insbesondere  die  Eltern  der  Schüler,  die  Personen,  welchen 
die  Aufsicht  über  auswärtige  Schüler  anvertraut  ist,  und  die  Organe 
der  Gemeindeverwaltung,  durchdrungen  von  der  Überzeugung,  dafs 
es  sich  um  die  sittliche  Gesundheit  der  heranwachsenden  Generation 


169 

handelt,   die  Schule  in  ihren  Bemühungen   rückhaltlos    unterstützen. 

Noch   ungleich    gröüser   ist    der   moralische  Einfluüs,    welchen 

Yornehmlich  in  kleinen  und  mittleren  Städten  die  Organe  der  Ge- 
meinde auf  die  Zucht  und  gute  Sitte  der  Schüler  an  den  höheren 
Schulen  zu  üben  vermögen.  Wenn  die  stadtischen  Behörden  ihre  In- 
dignation über  zuchtloses  Treiben  der  Jugend  mit  Entschiedenheit 
zum  Ausdruck  und  zur  Geltung  bringen,  nnd  wenn  dieselben  und 
andere  um  das  Wohl  der  Jugend  besorgte  Bürger  sich  entschließen, 
ohne  durch  Denunciation  Bestrafung  herbeizuführen,  durch  warnende 
Mitteilung  das  Lehrerkollegium  zu  unterstützen,  so  ist  jedenfalls  in 
Schulorten  von  mäßigem  Umfange  mit  Sicherheit  zu  erwarten,  dafs 
das  Leben  der  Schüler  außerhalb  der  Schule  nicht  dauernd  in  Zucht- 
losigkeit  vorfallen  kann. 

Der  Minister  der  geistlichen  etc.  Angelegenheiten. 

(Gez.)  Bosse. 
An 
sämtliche  Königliche  Provinzialschulkollegien. 

Begeheid  des  Königlich  bayerischen  Staatsministeriums 
des  Innern  über  die  Schliefsung  der  Schulen  beim  Ausbruche 

ansteckender  Krankheiten. 

München,  den  15.  Juli  1892. 

Die  Ärztekammer  von  Schwaben  und  Neuburg  hat  sich  in  ein- 
gehender Weise  mit  der  Frage  der  Schliefsung  der  Schulen  beim 
Ausbruche  ansteckender  Krankheiten  auf  Grund  zweier  Referate  be- 
schäftigt und  einige  Schlufssätze  aufgestellt,  welche  als  wissenschaft- 
liche und  erfahrungsmäfsige  Grundlage  für  die  amtsärztliche  Begut- 
achtung und  Beantragung  dieser  in  Hinsicht  des  geordneten  Schul- 
betriebes so  wichtigen  Mafsnahme  auf  Grund  einer  einheitlichen  im 
ganzen  Königreiche  gültigen  oberpolizeilichen  Vorschrift  zu  dienen 
hätten. 

Bei  der  Unsicherheit  der  wissenschaftlichen  und  empirischen 
Voraussetzungen  jedoch,  sowie  bei  der  individuellen  Auffassung  des 
jeweils  mit  diesem  Gegenstande  zu  beschäftigenden  Amtsarztes  in  den 
verschiedenartig  gelagerten  Einzelvorkommnissen  liegt  es  weder  im 
Interesse  der  Schulgesundheitspflege  noch  auch  des  Schulbetriebes, 
eine  allgemein  oberpolizeiliche  Vorschrift  zu  erlassen,  es  ist  vielmehr 
sachdienlicher,  dafs  die  Amtsärzte  nach  ihrer  jedesmaligen,  dem  be- 
sonderen Falle  entsprechenden  Auffassung  das  Gutachten  abgeben 
nnd  die  Schliefsung  der  Schule  in  dem  Augenblicke  beantragen,  in 
welchem  ihnen  dieselbe  behufs  Verhütung  der  Weiterverbreitung  der 
eben  in  einzelnen  Fällen  auftretenden  Krankheit  veranlafst  erscheint. 

Schulgemradhettepflege  VI.  12 


170 

Das  Königliche  Staatsministerium  des  Innern  vertraut  in  dieser  Be- 
ziehung wie  bisher  der  Einsicht  und  Pflichttreue  der  Amtsärzte. 

(Gez.)   FRHR.   VON  FBILITZ8CH. 

Verordnung  der  Königlichen  Regierung  zu  Liegnitz 
wegen  des  Verfahrens  bei  der  Anmeldung  taubstummer  Kinder 

ffir  eine  Taubstummenanstalt. 

Liegnitz,  den  19.  April  1892. 
Auf  Anordnung  des  Herrn  Oberpräsidenten  der  Provinz  Schlesien 
vom  2.  April  d.  Js.  ist  künftig  das  Verfahren    bei  der  Anmeldung 
taubstummer  Kinder  zur  Aufnahme  in  eine  Taubstummenanstalt  nach 
folgenden  Grundsätzen  zu  regeln: 

1.  Die  Ortsvorstände  sind  anzuhalten,  in  die  von  ihnen  aufzu- 
stellenden Kachweisungen  der  in  das  schulpflichtige  Alter  eintreten- 
den und  der  zuziehenden  schulpflichtigen  Kinder  auch  die  taub- 
stummen Kinder  aufzunehmen. 

2.  Die  Lehrer  haben  die  Richtigkeit  dieser  Nachweisungen  be- 
züglich der  taubstummen  Kinder  thunlichst  zu  prüfen  und  sodann 
ein  Verzeichnis  sowohl  der  in  das  schulpflichtige  Alter  neu  ein- 
getretenen und  zugezogenen,  als  auch  der  sonst  noch  in  ihrem  Schul- 
bezirke vorhandenen,  im  schulpflichtigen  Alter  befindlichen,  aber  in 
eine  Taubstummenanstalt  noch  nicht  aufgenommenen  taubstummen 
Kinder  alljährlich  bis  zu  einem  bestimmten  Termine  durch  Ver- 
mittelung  des  Lokalschulinspektors  dem  Kreisschulinspektor  einzu- 
reichen. 

Bei  den  über  8  Jahre  alten  taubstummen  Kindern  ist  hierbei 
näher  anzugeben,  aus  welchem  Grunde  dieselben  in  eine  Taubstummen- 
anstalt noch  nicht  aufgenommen  sind. 

3.  Die  Kreisschulinspektoren  reichen  die  gesammelten  Ver- 
zeichnisse bis  zu  einem  bestimmten  Termine  dem  Landrate  und  in 
den  Stadtkreisen  dem  Magistrate,  die  Landräte  und  beziehungsweise 
die  Magistrate  reichen  dieselben  der  Königlichen  Regierung  zur 
weiteren  Mitteilung  an  den  betreffenden  Verein  für  den  Unterricht 
und  die  Erziehung  Taubstummer  ein,  welche  Vereine  sich  sodann 
durch  Vermittelung  der  Landräte  und  beziehungsweise  der  Magistrate 
mit  den  Eltern  oder  Vormündern  taubstummer  Kinder  wegen  Auf- 
nahme der  letzteren  in  eine  Taubstummenanstalt  in  Verbindung 
setzen  werden. 

4.  Wenn  taubstumme,  im  schulpflichtigen  Alter  befindliche 
Kinder  aus  einem  Schulbezirke  in  einen  anderen  verziehen,  so  sind 
dieselben  von  dem  Lehrer  des  Abzugsortes  dem  Lehrer  des  Anzugs  - 
ortes  zur  weiteren  Kontrolle  zu  überweisen. 

Liegt  der  Anzugsort  in    einem   anderen  Kreise,    so    sind    dem 


171 

Landrate  dieses  Kreises  auch  die  über  das  betreffende  Kind  etwa 
bereits  vorhandenen  Akten  von  dem  Landrate  des  Abzugskreises  zu 
übersenden. 

5.  Sämtliche  beteiligte  Behörden,  insbesondere  die  Landräte 
imd  in  den  Stadtkreisen  die  Magistrate,  sind  verpflichtet,  thunlichst 
darauf  hinzuwirken,  dafs  die  bildungsfähigen  taubstummen  Kinder 
rechtzeitig,  d.  h.  alsbald  nach  vollendetem  8.  Lebensjahre,  einer 
Taubstummenanstalt  überwiesen  werden. 

Indem  wir  vorstehendes  zur  Kenntnis  und  Nachachtung  bringen, 
ersuchen  wir  unter  gleichzeitiger  Aufhebung  der  Cirkularverfuguag 
Tom  29.  Oktober  1887  ergebenst 

a.  die  Herren  Landräte,  sowie  die  Magistrate  zu  Görlitz  und 
Liegmtz  um  gefällige  Veranlassung  des  Erforderlichen,  damit 
die  Aufnahme  der  taubstummen  Kinder  in  die  betreffenden 
Nachweisungen  seitens  der  Ortsvorstände  ordnungsmäfsig 
erfolgt, 

b.  die  Herren  Ortsschulinspektoren,  dafs  sie  das  von  den  Lehrern 
angefertigte  and  nach  seiner  Richtigkeit  vorher  geprüfte  Ver- 
zeichnis der  taubstummen  Kinder  alsbald  den  Herren  Kreis- 
schulinspektoren vorlegen,  die  letzteren  aber  ihrerseits  den 
Herren  Landräten,  sowie  den  Magistraten  zu  Görlitz  und 
Liegnitz  zur  Weiterbeförderung  an  uns  zustellen. 

Die  Erledigung  dieser  Angelegenheit  ist  derartig  zu  fördern, 
dafe  die  fraglichen  Nachweisungen  den  Herren  Kreisschulinspektoren 
«am  1.  Juni,  den  Herren  Landräten,  beziehungsweise  den  Magistraten 
zum  1.  Juli  und  uns  zum  1.  August  jedes  Jahres  spätestens  zugehen. 
Wir  dürfen  vertrauensvoll  erwarten,  dafs  die  behördlichen  In- 
stanzen sich  angelegen  sein  lassen  werden,  dafür  zu  sorgen,  da(s 
taubstumme  Kinder,  welche  das  8.  Lebensjahr  zurückgelegt  haben 
und  genügend  entwickelt  und  bildungsfähig  sind,  während  des  schul- 
pflichtigen Alters  an  einem  innerhalb  der  Provinz  gelegenen  Orte, 
ai  welchem  sich  eine  Taubstummenanstalt  befindet,  untergebracht 
werden. 

Königliche  Regierung, 

Abteilung    für    Kirchen-    und    Schulwesen, 

(Gez.)  von  Dallwitz. 


12* 


172 


9  er  fo  Halten. 


Dem  Sektionschef  und  Vorsitzenden  der  Sanitätsabteilung  im 
k.  k.  österreichischen  Ministerium  des  Innern  Ferdinand  Freiherrn 
Erb  von  Rüdtorpfer  wurde  die  Würde  eines  Geheimen  Rates 
verliehen. 

Geheimrat  Rudolf  Virchow  ist  von  der  schwedischen  medi- 
zinischen Gesellschaft  und  von  der  Gesellschaft  der  Wissenschaften 
in  Stockholm  zum  Ehrenmitgliede  ernannt  worden. 

Das  Yicepräsidinm  des  ungarischen  Nationalkomitees  zur  Förderung 
des  internationalen  Ärztekongresses  in  Rom  wurde  unserem  verehrten 
Mitarbeiter,  Herrn  Professor  der  Hygiene  Dr.  vonFodor  in  Budapest, 
fibertragen. 

Es  erhielten  der  Provinzialschulrat  Voelker  in  Danzig  den 
Charakter  als  Geheimer  Regierungsrat,  die  Mitglieder  des  Medizinal- 
kollegiums, Medizinalräte  Dr.  Sendler  in  Magdeburg  und  Dr. 
Wiebe  in  Danzig,  den  Charakter  als  Geheimer  Medizinalrat. 

Dem  Oberbürgermeister  Winterer  zu  Freiburg  i.  B.  ist 
wegen  seiner  Verdienste  um  die  öffentliche  Gesundheitspflege  von 
der  medizinischen  Fakultät  daselbst  das  Diplom  eines  Ehrendoktors 
durch  Professor  Schottelids  feierlich  fiberreicht  worden. 

Dr.  Johann  H.  Rauch  wird  den  Vorsitz  des  für  Chicago  ge- 
planten Kongresses  für  öffentliche  Gesundheitspflege  fibernehmen. 

Der  Herausgeber  dieser  Zeitschrift  ist  von  dem 
Nationalerziehungsrate  der  Vereinigten  Staaten  eingeladen  worden, 
bei  dem  im  Juli  d.  J.  in  Chicago  stattfindenden  pädagogischen 
Weltkongresse  das  Amt    eines  Ehrenvicepräsidenten  zu  fibernehmen. 

Bei  Gelegenheit  des  diesjährigen  Ordensfestes  in  Berlin  wurden 
verliehen :  der  rote  Adlerorden  IL  Klasse  mit  Eichenlaub  und  Krone 
dem  Direktor  des  Kaiserlichen  Gesundheitsamtes  Dr.  Köhler,  der 
rote  Adlerorden  II.  Klasse  mit  Eichenlaub  den  Geheimen  Ober- 
regierungsräten und  vortragenden  Räten  im  Königlich  preußischen 
Ministerium  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten 
Dr.  Althoff  und  Persius,  der  rote  Adlerorden  HI.  Klasse  mit 
der  Schleife  den  Geheimen  Oberregierungsräten  und  vortragenden 
Räten  in  demselben  Ministerium  Dr.  HÖpfnbr  und  Naumann,  die 
Schleife  zum  roten  Adlerorden  III.  Klasse  dem  als  Mitglied  der 
Berliner  Schulreformkonferenz    bekannten   Geheimen    Sanitätsrat  Dr. 


173 

Graf  in  Elberfeld,  der  Adler  der  Ritter  des  Königlichen  Haas- 
ordens Ton  Hohenzollern  dem  Geheimen  Regierungs-  and  Provinzial- 
schnlrat  Dr.  Kruse  in  Danzig  and  dem  Geheimen  Regierangs-  and 
Schalrat  Pabst  in  Hannover. 

Za  Offizieren  der  Ehrenlegion  sind  ernannt  worden:  Professor 
Elias  Mbtschnikoff,  Direktor  des  bakteriologischen  Laboratoriums  in 
Odessa,  Dr.  Emile  Roux,  Abteilungsvorstand  im  Institut  Pasteur, 
and  Dr.  LäoN  V&drinr,  Arzt  des  Lyceums  in  Versailles,  Mitglied 
des  dortigen  Gesundheitsrates. 

Der  Arzt  der  Schale  des  Ordens  der  heiligen  Katharina, 
Staatsrath  Russow  in  St.  Petersburg,  erhielt  den  St.  Wladimirorden 
m.  Klasse. 

Unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Dr.  Heinrich  Napias 
in  Paris,  Generalsekretär  der  Gesellschaft  für  öffentliche  Medizin 
und  Gewerbehygiene,  ist  zum  Mitglied  der  Oberkommission  für 
industrielle  Arbeit  gewählt  worden. 

Der  bekannte  englische  Hygieniker  und  Nachfolger  John 
Simons,  Dr.  George  Buchanan  in  London,  hat  seit  dem  1.  Juli 
v.  J.  seine  Stellung  als  Mitglied  des  Local  Government  Board  of 
Health  im  Ministerium  des  Innern  aufgegeben,  bei  welcher  Gelegen- 
heit er  zum  Baronet  erhoben  wurde;  in  sein  Amt  ist  Dr.  Thorne- 
Thornb  eingetreten. 

Die  Leitung  des  Hamburger  Medizinalwesens  ist  dem  bisherigen 
Physikus  Dr.  Reinoke  übertragen  worden.  Zugleich  wurde  die 
Errichtung  einer  hygienisch-bakteriologischen  Staatsanstalt  zur  Unter- 
stützung der  Medizinalverwaltung  beschlossen;  das  Direktorat  dieser 
Anstalt  übernimmt  Dr.  med.  Dünbar,  ein  Schüler  Robert  Kochs. 
Für  die  neu  zu  begründende  Lehrkanzel  der  Bakteriologie  an 
der  Universität  Kopenhagen  soll  Dr.  med.  K.  J.  Salomonsen  aus- 
eraehen  sein. 

Stabsarzt  Dr.  E.  Behring,  Assistent  am  Berliner  Institut  für 
Infektionskrankheiten,  hat  den  Titel  Professor  erhalten. 

Der  Privatdocent  der  Ohrenheilkunde,  Dr.  Chr.  Lemokb  in 
Rostock,  der  sich  durch  seine  Arbeit  über  die  Taubstummheit  in 
Mecklenburg  bekannt  gemacht  hat,  wurde  zum  aufserordentlichen 
Professor  ernannt. 

Dr.  Antoine  Naüdet  ist  zum  ärztlichen  Schulinspektor  des 
11.  Arrondissements  von  Paris  an  Stelle  des  verstorbenen  Dr.  Delage 
gewählt  worden. 

Der  auch  um  die  Schulhygiene  verdiente  Geheimrat  Professor 
von  Esmaroh  in  Kiel  beging  am  9.  Januar  d.  J.  unter  zahlreichen 
Ehrenbezeugungen  seinen  siebzigsten  Geburtstag. 

Der  Oberturnlehrer  an  der  höheren  Mädchenschule    in  Leipzig 


174 

F.  H.  SINGER  hat  unlängst  sein  funfuiidzwanzigjfthriges  Turnlehrer- 
jubiläum gefeiert. 

Im  Januar  d.  J.  verstarb  zu  Paris  im  71.  Lebensjahre  der 
Senator  Dr.  med.  A.  D.  Cbevandier,  Vicepräsident  der  französischen 
hygienischen  Gesellschaft.  Als  Abgeordneter  hat  der  Genannte  unter 
anderem  für  die  Vereinfachung  des  Baecalaureats  und  gegen  die 
Überbürdung  in  Frankreich  gekämpft. 

Ans  Graz  wird  das  im  79.  Lebensjahre  erfolgte  Ableben  des 
Landessanitätsreferenten,  Hofrat  Dr.  Ferdinand  Ritter  von  Scherbr, 
gemeldet. 

In  Altena  verschied  der  ehemalige  Medizinalinspektor  des 
Hamburgischen  Staates,  Medizinalrat  Dr.  C.  T.  Kraus,  nachdem  er 
einige  Zeit  vorher  seinen  Abschied  genommen  hatte;  derselbe  war 
auch  ausserordentliches  Mitglied  des  Kaiserlichen  Gesundheitsamtes. 

Dr.  Ozanne,  Arzt  des  Lyceums  in  Versailles,  Offizier  des 
öffentlichen  Unterrichts  und  Ritter  der  Ehrenlegion,  ist  gestorben. 


fitteratttr. 


Besprechungen. 

Dr.  Mangänot,  mädecin-inspecteur  des  Etablissements  scolaires  de 
la  vüle  de  Paris.  Leg  bains  et  la  natation  dang  les  faolea 
primaires  eommuialeg  de  Paria.     Paris,  1892.     G.  Masson. 

(24  8.  8°.) 

Die  Arbeit  von  Dr.  Mangenot  über  die  Bäder  und  das 
Schwimmen  der  Pariser  Elementarschüler  ist  aufserordentlich  lehrreich. 

Zur  Zeit  bestehen  in  Paris  drei  Badebassins,  in  welchen  an  die 
Volksschüler  im  Jahre  1890  18000  und  im  Jahre  1891  20000 
Bäder  verabfolgt  wurden. 

Das  mit  Oberlicht  versehene  Gebäude  hat  in  drei  Stockwerken 
Kabinen,  wohin  man  auf  6  zu  herumlaufenden  Galerien  führenden 
Treppen  gelangt.  Die  Bassins  sind  aus  Gement  hergestellt  und  an 
Boden  gerifft,  um  das  Ausgleiten  zu  verhindern;  ihre  Länge  beträgt 
60  m,  ihre  Breite  14,5  m. 

Bei  dem  Eintritt  in  die  Anstalt  erhalten  die  Knaben  eine 
Badehose  und  ein  Handtuch,  die  Mädchen  einen  Badeanzug.  Sie 
begeben  sich  darauf  in  die  Kabinen,  wo  sie  sich  nicht  einschließen 
dürfen,  um  die  Überwachung  durch  den  Lehrer  nicht  unmöglich  zu 
machen.  Yon  da  gehen  sie  in  den  flachsten  Teil  des  Bassins.  Es 
ist  ihnen  nicht  erlaubt,   die  durch  Stricke  bezeichneten  Grenzen  zu 


175 

überschreiten.  Durch  solche  Stricke  wird  das  Bassin  in  3  Teile 
geteilt,  von  denen  der  erste  eine  Tiefe  von  0,5 — 1  m,  der  zweite 
von  1 — 1,2  m  hat,  während  der  dritte  für  Schwimmer  bestimmt  ist. 
Sobald  die  Kinder  ins  Wasser  gelangt  sind,  müssen  sie  sich  sofort 
den  ganzen  Körper  benetzen  und  sich  überhaupt  viel  Bewegung 
machen.  Einer  jeden  Abteilung  steht  ein  Schwimmlehrer  vor,  um 
Schwimmunterricht  zu  erteilen  und  nötigenfalls  Erkrankten  Hilfe 
zu  leisten. 

Nach  20  Minuten  verlassen  die  Kinder  auf  ein  vom  Lehrer 
gegebenes  Zeichen  das  Bad,  um  in  ihre  Kabinen  zurückzukehren. 
Hier  kleiden  sie  sich  schnell  wieder  an  und  treten  dann  in  geordnetem 
Zuge  den  Rückmarsch  zu  ihrer  Schule  an.  Auf  diese  Weise  können 
täglich  300  Kinder  in  der  Zeit  von  9 — 11  Uhr  vormittags  ein  Bad 
erhalten:  während  die  erste  Abteilung  badet,  kleidet  sich  die  andere 
in  den  Kabinen  des  zweiten  Stockwerkes  aus ;  dann  nimmt  diese  ihr 
Bad,  und  die  erste  zieht  sich  an;  unterdessen  nimmt  die  dritte 
Abteilung  von  den  Kabinen  des  obersten  Stockes  Besitz  und  legt 
ihre  Kleider  ab. 

Es  befinden  sich  in  Paris  mehr  als  100000  Schulkinder  im 
Alter  von  6 — 12  Jahren.  Aber  die  kleine  Zahl  der  Badebassins 
and  die  weiten,  oft  mehrere  Kilometer  betragenden  Entfernungen  von 
der  Schule  bilden  ein  großes  Hindernis  für  eine  fleißige  Benutzung 
der  Bäder.  Eine  Besserung  in  diesem  Zustande  könnte  eintreten,  wenn 
man  die  enorme  Menge  warmen  Wassers  ausnutzte,  welches,  von 
städtischen  und  sonstigen  Maschinen  geliefert,  Tag  für  Tag  unbenutzt 
in  die  Seine  abfließt. 

Leisten  diese  Bäder,  so  fragt  Dr.  MjlNQENOT,  den  Dienst,  den 
man  von  ihnen  zu  erwarten  berechtigt  ist?  Sie  sollen  die  Haut  von 
den  abgestorbenen  Epidermiszellen,  den  Sekreten  der  Schweiß-  und 
Talgdrüsen,  den  Staubteilen  und  allen  Unreinlichkeiten,  welche  die- 
selbe bedecken,  befreien;  sie  sollen  ferner  durch  ihre  Temperatur 
eine  tonische  Wirkung  ausüben  und  endlich  ein  Wohlgefallen  erzeugen, 
welches  den  Wunsch,  schwimmen  zu  können,  wachruft.  Die  Er- 
fahrung hat  gezeigt,  daß  nur  dieses  letztere  durch  die  Bassinbäder, 
wie  sie  augenblicklich  in  Paris  bestehen,  erreicht  wird.  „Ich  konnte 
feststellen u,  so  schreibt  Dr.  Mangenot,  „dafs  die  Kinder  aus  dem 
Bade  fast  ebenso  schmutzig  wieder  herauskamen,  wie  sie  herein- 
gegangen waren".  Was  die  tonische  Wirkung  anbetrifft,  so  ist 
dieselbe  gleich  Null,  ja  manchmal  schlägt  sie  in  das  Gegenteil,  in 
entschiedene  Abspannung,  um,  wenn  die  Temperatur  des  Wassers 
höher  als  20°  ist  und  die  Dauer  der  Bäder  10  Minuten  überschreitet, 
was  namentlich  im  Sommer  öfter  der  Fall  ist.  Der  Verfasser  macht 
daher  den  Vorschlag,  dafs  die  Kinder,  bevor  sie  in  das  Bad  gehen, 


176 

sich  waschen  sollen.  „Nachdem  sie  sich  ausgekleidet,  müfsten  sie  in 
eine  feuchte  Badestube  mit  einer  Temperatur  von  35 — 37°  C.  ein- 
treten, sich  hier  mit  halbflüssiger  Seife  —  1  Pfund  auf  30  Zöglinge 
—  abreiben  und  endlich  eine  warme  Dusche  nehmen,  um  Seife  und 
Schmutz  vollständig  zu  entfernen." 

Von  anderer  Seite  wurde,  um  das  gleiche  Resultat  der  Rein- 
lichkeit zu  erzielen,  bei  dem  Stadtrate  von  Paris  in  Vorschlag  gebracht, 
in  den  400  Waschanstalten  der  Stadt  und  in  sämtlichen  372  Schulen 
derselben  Duschebäder  einzurichten.  Auf  diese  Weise  würde  dem 
Bassin  verbleiben,  was  ihm  eigentümlich  ist,  die  tonische  Wirkung, 
die  Erfrischung  im  Sommer,  die  gesundheitlich  so  aufserordentlich 
förderliche  Übung  des  Schwimmens. 

Es  sei   uns  hier  eine  kleine  Bemerkung  gestattet.      Wenn    es 

Sache  des  Lehrers  ist,  den  Eltern  und  Schülern  die  Grundsätze  der 

Reinlichkeit  des  Körpers  einzuimpfen,  so  liegt  es  weniger  ihm  oder 

der  Verwaltung,  als  der  Familie  ob,   diese  Grundsätze  in  die  That 

»umzusetzen. 

Die  Erfahrung  hat  gelehrt,  dafe  90%  zufällig  herausgegriffener 
Schüler  in  6  halbstündigen  Lektionen  das  Schwimmen  erlernen. 
Das  macht  3  Stunden  im  ganzen  in  einer  Woche  für  die  Einübung 
einer  Kunst,  die  sich  niemals  vergißt!  Zur  Aufmunterung  sollten 
Befähigungszeugnisse  an  alle  Schüler,  welche  schwimmen  können, 
erteilt  werden.  Ausserdem  mutete  jedes  Jahr  im  Monat  August  ein 
Wettschwimmen  zwischen  den  Schülern  desselben  Arrondissements 
und  später  zwischen  den  Siegern  sämtlicher  Arrondissements  stattfinden. 

Alle  diejenigen,  die  sich  für  das  körperliche  Wohlergehen  der 
Jugend  interessieren,  können  den  Absichten  des  erfahrenen  Pariser 
Schularztes  nur  beistimmen  und  ihre  Verwirklichung  in  nächster  Zeit 
fördern  helfen.1 

Professor  der  Hygiene  Dr.  med.  Hyacinth  Kuborn 

in  Lüttich. 

Dr.  Karl  Kümmer,   Franz  Branky  und  Raimund  Hofbauer. 
Lesebuch    Ar    Österreichische    allgemeine   Volksschulen. 

Erster  Teil :  Steilschriftfibel  mit  Steilschrift  von  Emanurl  Batr. 

Wien,  1892.  K.  k.  Schulbücherverlag.  (100  S.  8°.  Kr.  26.) 
Das  Erscheinen  dieses  Büchleins  bezeichnet  eine  neue  Etappe 
auf  dem  Wege,  welchen  die  Schulgesundheitspflege  zurückzulegen 
hat.  Immer  mehr  Rücksichtnahme  findet  die  Sorge  für  das  leibliche 
Wohl  der  Schulkinder,  und  nicht  nur  die  äufsere  Form  der  in  Ver- 
wendung stehenden  Schulbücher,    sondern   auch   deren  Inhalt  pafst 


1  Aus  dem  Französischen.    D.  Bed. 


177 

sieh  den  Vorschriften  rationeller  Pflege  des  Körpers  überhaupt  und 
der  Sinnesorgane  insbesondere  an.  Aber  auch  des  Umstandes  mufs 
im  Hinblicke  auf  die  vorliegende  Fibel  anerkennend  gedacht  werden, 
dafe  der  staatliche  Schulbücherverlag  in  Österreich  hinter  den  For- 
derungen der  Zeit  nicht  zurückbleibt,  sondern  der  stets  mehr  Boden 
gewinnenden  Steilschrift  auch  in  der  Fibel  freie  Bahn  schafft.  Die 
Steilschrift  ist  nicht  blofs  eine  Sache  der  Mode,  der  heute  gehuldigt 
und  die  morgen  zum  alten  Gerumpel  geworfen  wird,  sondern  die 
berufensten  ärztlichen  Kapacitäten  haben  anerkannt  und  bewiesen, 
dafe  die  senkrechte  Schrift  nicht  nur  den  Bedingungen,  unter  denen 
das  Auge  funktioniert,  am  besten  entspricht,  sondern  auch  der 
richtigen  Sitzhaltung  der  Kinder  ftufserst  förderlich  ist.  Der  jetzt 
allgemein  verbreiteten  Schrägschrift  dürfte  vielfach  der  Verfall  der 
Körperhaltung  beim  Schreiben  und  damit  die  Entstehung  von  Rückgrats- 
verkrümmung  und  Kurzsichtigkeit  zuzuschreiben  sein.  Bekanntlich 
waren  unter  unseren  Vorfahren  nur  wenige  kurzsichtig,  die  gröfsere 
Zahl  vielmehr  weitsichtig,  trotzdem  gewifs  von  vielen  derselben  nicht 
behauptet  werden  kann,  dafe  sie  weniger  gelesen  oder  geschrieben 
hätten,  als  wir  heute  thun.  Die  unterlassenen  Werke  zahlreicher 
Gelehrten,  die  keine  Brille  brauchten,  und  deren  oft  enorme  Belesen- 
heit liefern  uns  für  diese  Ansicht  hinreichende  Belege.  Wer  weifs, 
ob  nicht  einer  der  Hauptgründe  dieser  Erscheinung  in  ihrer  Schrift 
liegen  mag,  die  bis  in  den  Anfang  unseres  Jahrhunderts  hinein 
richtige  Steilschrift  war,  ob  nicht  auch  der  Schrägschrift  mit  Schuld 
zu  geben  ist  an  dem  heutzutage  so  häufigen  Vorkommen  eines  un- 
gleichen Grades  der  Kurzsichtigkeit  an  den  beiden  Augen  einer  und 
derselben  Person?  Die  Steilschrift  nützt  dem  Auge  auch  durch  ihre 
gröfeere  Deutlichkeit  bei  gleicher  Buchstabengröfse  und  durch  ihre 
Übersichtlichkeit.  Man  versuche  nur  eine  sehr  schiefliegende  Schrift 
rasch  zu  lesen,  und  man  wird  bemerken,  wie  wenig  Wörter  man 
auf  einmal  mit  dem  Auge  aufzufassen  im  stände  ist,  während  dies 
bei  der  Steflschrift  beinahe  ebensoleicht  geht,  wie  bei  der  Druck- 
schrift. Auch  sind  Beweise  dafür  vorhanden,  dafs  die  Steilschrift 
bei  ihrer  Aneignung  einen  günstigen  Einfluß  auf  die  äufsere  Form 
der  schriftlichen  Arbeiten  bei  Kindern  hervorbringt,  die  bei  schräger 
Schrift  trotz  Anwendung  aller  Sorgfalt  und  Mühe  nicht  zu  ent- 
sprechender Exaktheit  heranzuziehen  waren. 

Der  rechte  Nutzen  der  Steilschrift  ist  aber  nur  dann  zu  er- 
warten, wenn  das  Kind  schon  vom  ersten  Augenblicke  an,  in  welchem 
es  in  die  Schule  eintritt,  ausschließlich  die  Formen  dieser  Schrift 
kennen  lernt,  d.  h.  nicht  allein  selbst  steil  schreibt,  sondern  auch  in 
seiner  Fibel  die  gleichen  Schriftformen  vorfindet.  Nur  dann  wird 
ach  sein  Auge  an  die  entsprechende  Entfernung  vom  Hefte  und  sein 


178 

Körper  an  richtige  Haltung  gewöhnen,  besonders  wenn  noch  eine 
gut  konstruierte  Schulbank  mithilft.  Man  würde  jedoch  sehr  irren, 
wenn  man  mit  der  Einführung  der  Steilschrift  und  guter  Schulbänke 
alles  gethan  zu  haben  glaubte,  was  nötig  ist.  Die  Steilschrift  bewirkt, 
sowie  die  gute  Schulbank,  nur,  dafo  die  Kinder  richtig  sitzen  and 
sich  gut  halten  können,  aber  ohne  fortwährendes  sorgfältiges  Achten 
des  Lehrers  auf  diese  Verhältnisse  wird  es  nie  abgehen,  denn  man 
kann  auch  steil  schreibend  in  einer  guten  Schulbank  miserabel  sitzen. 
Der  einzige  und  mafsgebende  Unterschied  ist  der,  da£s  man  bei  der 
Schrägschrift  schon  nach  kurzer  Zeit  des  Schreibens  unbedingt  eine 
schlechte  Haltung  einnehmen  mufs  und  nur  bei  kräftigster  Anwendung 
aller  Willenskraft  diesem  Drange  zu  widerstehen  vermag,  während 
der  Steilschreiber  sich  blofs  an  die  richtige  Haltung  einigermaßen 
zu  gewöhnen  braucht,  um  ganz  von  selbst  ohne  jedweden  Zwang  in 
derselben  während  des .  Schreibens  zu  verharren. 

Da  die  Steilschrift  also  nicht  nur  die  Schädigung  der  Gesund* 
heit  hindert,  sondern  auch  günstig  auf  dieselbe  einwirkt,  so  ist  ein 
nicht  unbedeutendes  Verdienst  um  unsere  Jugend  in  der  Herausgabe 
einer  Fibel  gelegen,  welche  die  Kinder  schon  mit  den  ersten  Schul- 
wochen in  diese  wertvolle  Schriftart  einführt. 

Die  in  der  vorliegenden  Fibel  gebrauchte  Steilschrift  stammt 
von  einem  der  besten  Schreiblehrer  Wiens,  dem  eifrigsten  und  er- 
folgreichsten Vertreter  der  senkrechten  Schrift,  Direktor  Emanukl 
Batk.  Sie  zeichnet  sich  durch  Gröfse  und  Kraft  der  Buchstaben, 
durch  Deutlichkeit  ihrer  charakteristischen  Merkmale,  sowie  durch 
Einfachheit  und  leichte  Ausführbarkeit  aus.  Es  ist  eine  Schrift,  die 
vermöge  der  erwähnten  Eigenschaften  bestens  dazu  geeignet  ist,  ins 
Volk  zu  dringen,  und  die  in  hygienischer,  wie  in  ästhetischer  Be- 
ziehung allen  diesfalls  zu  stellenden  Anforderungen  entspricht.  Die 
Fibel  selbst  zeigt  aber  auch  in  methodischer  Hinsicht  wertvolle 
Neuerungen.  Die  Herausgeber  begnügten  sich  nicht  damit,  blofs 
eine  der  weitverbreiteten  Fibeln  des  Schulbücherverlages  mit  Steil- 
schrift auszustatten,  sondern  sie  brachen  auch  mit  der  herkömmlichen 
Art  und  Weise  der  Lautgewinnung.  Sie  fuhren  nicht,  wie  es  sonst 
beim  Schreibleseunterrichte  meist  der  Fall  ist,  sämtliche  Kleinbuch- 
staben zuerst  vor.  Nach  Gewinnung  der  wichtigsten  Laute  ziehen 
sie  gleich  die  Grofsbuchstaben  heran,  wodurch  der  ganze  Lesestoff 
an  Sprachinhalt  gewinnt.  Nirgends  thun  sie  der  Sprache  etwa  aus 
methodischen  Rücksichten  Gewalt  an.  Inhaltslose  oder  komische 
Sätze,  die  in  ähnlichen  Erzeugnissen  nicht  selten  sind,  kommen  in 
dieser  Steilschriftfibel  kaum  vor.  Mit  dem  beschränktesten  Lesestoff 
wissen  die  Herausgeber  bei  den  Schulkindern  Lust  und  Liebe  für 
die  Sprache  zu  erwecken.     Man  lese  z.  B.  die  Stelle  auf  S.  37: 


179 

9Es  ist  Winter.  Der  Jäger  und  sein  Junge,  die  jagen  im  Felde 
und  im  Walde.  Da  eüen  die  Hasen,  da  laufen  die  Rehe,  da  lauschen 
die  Hirsche."  Zur  Belebung  der  abstrakten  Laute  und  Buchstaben 
dienen  eine  Anzahl  Ton  Bildern,  deren  Wert  auch  darin  liegt,  dafs 
die  meisten  von  den  Kindern  nachgezeichnet  werden  können,  und  dafs 
einzelne,  z.  B.  die  Vögel  auf  Seite  18,  sogar  eine  weitergehende 
Besprechung  zulassen.  Hundert  Lesestücke  helfen  die  Lesefertigkeit 
erhöhen  und  den  kindlichen  Anschauungskreis  in  zweckmäfsiger 
Weise  erweitern.  Für  die  Freude  des  Schulkindes  ist  auch  in  dieser 
Abteilung  gesorgt;  viele  Lieblingsstückchen  der  deutschen  Kinder- 
welt finden  sich  daselbst. 

Die  vorliegende  Fibel  ist  daher  als  ein  weiterer  Fortschritt 
nicht  nur  auf  dem  Gebiete  der  Hygiene,  sondern  auch  auf  dem  der 
Didaktik  freudigst  zu  begrüfsen. 

Direktor  der  k.  k.  Lehrerbildungsanstalt 
Josef  Guglbr  in  Wien. 

Chr.  Ufer,  Rektor  in  Altenburg.    Das  Wesen  des  Schwachsinns* 
Vortrag,  gehalten  auf  der  Versammlung  des  Thüringischen  Vereins 
für  wissenschaftliche  Pädagogik  am  8.  November  1891  zu  Weifeen- 
fels.     Beitrüge  zur  pädagogischen  Psychopathologie.    Langensalza, 
1892.     Herrn.  Beyer  &  Söhne.     (22  S.  Kl.  8°.    A  0,25). 
Der    verdiente  Pädagog   CHR.  Ufbr   in   Altenburg,    dem   wir 
nehrere    vortreffliche  Schriften   über  psychische  Störungen  und  ihre 
Bedeutung  für  die  Schule  verdanken,    hat   sich  in  der  vorliegenden 
Schrift    die    Aufgabe    gestellt,    das   Wesen    des    Schwachsinns   für 
Schulmänner   darzustellen,    „weil  derselbe  trotz  seiner  grofsen  Ver- 
breitung und  trotz  seiner  hohen  Bedeutung  in  socialer  Hinsicht  bisher 
das  Stiefkind  der  psychologischen  Forschung  gewesen  sei".     Es  ist 
hier  nicht  möglich,    über   seine  Anschauungen  im  einzelnen  zu  be- 
richten, nur  soviel  sei  davon  mitgeteilt,   dafs  er  alle  Erscheinungen 
des  Schwachsinns  auf  die  „mangelhafte  Beschaffenheit  der  Ganglien- 
«flea   und   Associationsfasern   des  Gehirns"    zurückzuführen   sucht. 
Wir  können  nicht  umhin,    diesen  Versuch    als   einen   unglücklichen 
ra  bezeichnen,    da   gerade   beim   Schwachsinn,    im  Gegensatz   zum 
Blödsinn,    also    zu   der    eigentlichen   Idiotie,    eine   sichere    anato- 
mische Grundlage  zur  Erklärung   noch   nicht  herbeigezogen   werden 
kann.    Auf  der  anderen  Seite  mufs  von  der  Medizin  jeder  Versuch 
dankbarst   anerkannt   werden,   der   in    die  schwierigen  Fragen  der 
Psychopathologie  neues  Licht  zu  bringen  vermag,  und  der  auch  die 
Laien  auf  die   Bedeutung   solcher  Fragen   für  die  Pädagogik  und 
das  ganze  öffentliche  und  private  Leben  immer  wieder  aufmerksam 
macht.    Gerade   beim  Schwachsinn    ist    es    ein  sehr   gewöhnlicher 


180 

Irrtum,  dafs  man  glaubt,  das  Wesen  desselben  bestehe  in  seinem 
Verharren  auf  einer  niedrigen  Stufe  normaler  geistiger  Ent- 
wickelnng,  d.  h.  in  einem  einfachen  Zurückbleiben,  während  es  sich 
in  der  That  um  eine  krankhafte  Beschaffenheit  des  Gehirns  und 
ebendeshalb  auch  des  geistigen  Lebens,  zumal  seiner  höheren 
Funktionen,  handelt.  Wenn  die  vorliegende  Schrift  zur  Verbreitung 
dieser  Betrachtungsweise  beiträgt,  erfüllt  sie  schon  einen  grofeen 
Zweck.  Praktischer  Arzt  Dr.  med.  A.  Robmer 

in  Stuttgart. 

Franz  Krbunz,  Vorstand  derLandesturnanstalt  in  Graz.  Bewegungs- 
spiele und  Wertkämpfe  Ar  Mittelschulen  und  verwandte 
Lehranstalten.     Zum  Gebrauche  für  Lehrer  und  Schüler.    Graz, 
1892.     Franz  Pechel.     (240  S.    36  Abbild.    16°.) 
Welche  Anforderungen   hat   man    an    ein    gutes  Spielbuch   zu 
stellen?     1.  Es  soll  womöglich  nur  diejenigen  Spielarten  enthalten, 
welche  der  Verfasser  aus  Erfahrung  kennt,    und   die  seiner  Ansicht 
nach    aus   gesundheitlichen,    erziehlichen   und   praktischen  Gründen 
weiteren  Kreisen  empfohlen  werden  können.     2.  Es  soll  eine  wohl- 
durchdachte Anordnung  zeigen.     3.  Es  mufs  eine  knappe,  bestimmte 
Sprache   führen,    wie  ein  Exerzierreglement;    vornehmlich  gilt    das 
in  Bezug  auf  die  Vorbedingungen   für   das  Spiel   und   die   Regeln. 
4.    Es  hat  sich  in  einer  zweckmäßigen  äufseren  Form  darzustellen. 
Das  Spielbuch  ist  kein  Schulbuch;    es  dient  der  Praxis  und  gehört 
in  die  Tasche  des  Spielordners,  wie  das  Notizbuch;  bei  Meinungs- 
verschiedenheiten mufs  es  als  corpus  iuris  zur  Hand  sein. 

Sind  diese  Forderungen  zutreffend,  dann  wird  man  dem 
KRHUNZschen  Büchlein  unumwundenes  Lob  spenden  müssen.  Der 
Verfasser  ist  den  vorgezeichneten  Anforderungen  im  groben  und 
ganzen  völlig  gerecht  geworden.  Es  war  gewifs  keine  leichte  Auf- 
gabe, bei  der  Fülle  des  Vorhandenen  etwas  wirklich  Neues  zu 
schaffen.  Das  Neue  besteht  bei  der  vorliegenden  Arbeit  weniger  in 
der  gröfseren  Fülle  des  Stoffs  —  im  Gegenteil,  der  Verfasser  hat 
sich  weise  Beschränkung  auferlegt  —  oder  in  bisher  noch  nicht 
veröffentlichtem  Material,  sondern  zumeist  in  der  praktischen 
Behandlung  des  Gegenstandes.  Der  tüchtige  Praktiker  tritt  uns 
Seite  für  Seite  entgegen.  Was  gebracht  wird,  ist  brauchbar;  auch 
das  Selbstersonnene  hat  Hand  und  Fufs.  Geradezu  wohlthuend 
wirkt  die  Kürze  und  Klarheit  in  allen  Teilen  des  Buchs.  Zweck- 
m&fsig  ist  auch  die  Stoffverteilung.  Daft  der  Verfasser  alle  Bedürf- 
nisse der  Schule  kennt,  verrät  z.  B.  die  Beigabe  von  Scherzspielen, 
welche  dem  mit  Festanordnungen  betrauten  Lehrer  gewifs  willkommen 
sein  werden. 


181 

Der  Unterzeichnete   nimmt   das  KREUNZsche  Bach   sehr   gern 
zur  Hand  und  empfiehlt  es  allen  Fachgenossen  aufs  wärmste. 

Oberlehrer  am  Gymnasium  H.  Wickenhagen 

in  Rendsburg. 


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—  Noch   einmal   das   dreifache   Attest   zur  Befreiung   vom  Turn- 
unterricht.    Dtsch.  Turnztg.,  1892,  XXXVHI,  Beil.,  739—740. 
Schmuck,  E.      Bas  Spiel  im  Stundenplan.     Progr.  d.  ReakchuL 

zu  Bingen.     Bingen,  1891. 
Schnell,  H.     Bas  Spiel  m  der  Turnstunde.     Ztschr.  f.  Turn.  u. 

Jgdspl.,  1892,  XI,  166—169. 
Schnbll,  H.     Die  BiegenemteOung  im  KlassmUurnm.      Ztschr.  f. 

Turn.  u.  Jgdspl.,  1893,  XX,  317—320. 


183 

Schubert,  Paul.  Über  die  hygienische  Bedeutung  der  senkrechten 
Scbdsckrift.  Sonderabdr.  aus  Päd.  Bl.  f.  Lehrerbildg.,  1893,  I. 
Gotha,  1893,  E.  F.  Thienemann.     8°.     JH.  0,30. 


Bei  der  Redaktion  eingegangene  Schriften. 

Bebmond,  F.     Les  passions  et  la  smU.     Paris,    1892,    Baflli&re 

et  fils.     16°.     Fr.  5. 
Chevalier,  L.     Über  die  Pflege  der  Jugendspiele  an  den  Mittel- 

schulen,     österr.  Mittelschal.,  L,  Wien,  1890. 
Ebstein,  W.     Die  Kunst,  das  menschliche  Leben  zu  verlängern. 

Wiesbaden,  1891. 
Eydam,  W.     Samariterbuch  für  jedermann.    Mit  73  Abb.    5.  Aufl. 

Braunschweig,  1892,  Salle.     12°.     Ä   1. 
Fetter,  J.  und  Huembr,  J.    Lehrpläne  und  Jugendspiele.    Österr. 

Mittelschul.,  I,  Wien,  1891. 
Fischer,  A.     Die  Waisenpflege  der  Stadt  Berlin.     Berlin,  1892, 

Oehmigke.     8°.     JL  6. 
Fürst,  Livitjs.     Die  häusliche  Krankenpflege  mit   besonderer  Be- 

rüeksichtigung   des   Kindes.     Mit    40   Abbild.     Leipzig,    1892, 

C.  L.  Hirschfeld.     8°.     JH.  6. 
Gbopplbr,  F.     Die  Ergebnisse  der  im  Jähre  1891  vom  deutschen 

Verein  für  Knabenhandarbeit  aufgenommenen  Statistik  Über  den 

Einfluß    des    Arbeitsunterrichts    auf  die   gewerbliche    ThäUgkeit 

früherer    Hemdfertigkeitsschüler.      Blatt,    f.  Knabhdarbt.,    1892, 

VI,  85—88. 
Hhdbnhain.     Erste  Hufe  vor  Ankunft  des  Arztes  und  Desinfektion. 

Rat  für  Schule  und  Haus.     Tab.  mit  16  Abbild.     Göslin,  1892, 

Hendels.     M.  1. 
Hinträger,  E.    Das  moderne  Volksschulhaus.     Der  Bau  und  die 

innere  Einrichtung  desselben  in  technischer  und  hygienischer  Be- 
ziehung.    Vortrag.     Mit  1  Taf.    Wien,  1892,  Graeser.    Gr.  8°. 

JL  0,80. 
Hüghbb.      Lehrbuch    der    Atmungsgymnastik.      Wiesbaden,  1893, 

Bergmann. 
Januschkb,  H.      Über    die    Notwendigkeit    der    Gesundheitspflege. 

18.  Jahresber.   d.  k.  k.  Staatsoberrealschul.  in  Teschen.    Teschen, 

1891. 
Kalb,  G.    Die  Knabenhandarbeit  der  Vorstufe.    Blatt,  f.  Knabhdarbt., 

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184 

Klauke,  P.  Gesundheitslehre  für  Schulen.  Leitfaden  für  den 
Unterricht  Über  Bau,  Leben  und  Gesundheit  des  menschlichen 
Körpers.  Nebst  einem  Anhang:  über  die  erste  Hilfe  bei  plöte- 
lichen  Unglücksfällen.  Mit  44  Abbild.  Dflsseidorf,  1892,  L.  Schwann. 
JH.  1,80. 

Koch.  Leibesübung  und  Erziehung.  Ztschr.  f.  Turn.  u.  JgdspL, 
1892,  XVI,  244—247. 

Nabaillao,  de  et  Rousseau,  J.  Les  jeux  de  coU&ge.  Paris, 
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Pecsi,  D.  Die  Dauer  der  durch  die  Vaecmaüon  gebotenen  Immu- 
nität    Orvosi  Heti-Szemle,  1892,  XXXVm. 

PlLCHEB,  J.  E.  First  aid  in  ülnes  and  injury.  With  174  ill. 
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PlSTOR.  Die  Behandlung  Verunglückter  bis  zur  Ankunft  des  Arztes. 
Plakat  mit  Abbüd.    Berlin,  1892,  Th.  Ch.  F.  Enslin.     JL  0,50. 

Preter.     Die  Seele  des  Kindes.    3.  Aufl.    Leipzig,  1890,  Grieben. 

RlEGBR.  Psychische  Epidemie,  Hysterie  und  Hypnotismus.  Eine 
psychische  Seuche  in  der  obersten  Klasse  einer  Mädchenschule. 
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Sonderegger,  L.  Vorposten  der  Gesundheitspflege.  4.  Aufl.  Berlin, 
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Verwaltungsbericht  des  Erziehungsdepartements  über  das  Jahr  1891. 
Separatabdr.  a.  d.  Yerwaltongsber.  d.  Regiergsrats.  d.  Kant. 
Basel-Stadt.     Basel,  1892.     8°. 

Wachsmuth,  G.  F.  Cholera,  Brechdurchfall  und  ihre  verwandten 
Krankheiten.  Schutzmafsregeln  und  hygienisch-rationelle  Behandlang, 
illustriert  durch  die  Statistik  von  Berlin  nach  amtlichen  Quellen. 
Leipzig,  1892,  H.  Härtung  &  Sohn.     8°. 

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Welche  Stellung  gebührt  dem  Turnunterricht  an  höheren  Schulen? 
Jahresber.  d.  Realsch.  zu  Bingen  a.  Rh.  für  1889 — 90. 

Weetfeidt,  Arnold.  Populäre  Mitteilungen  über  die  Beschaffen- 
heit, Pflege  und  Behandlung  der  Zahne.  Mit  23  Abbild.  Wien, 
1892.     Fl.  0,60. 


VI.  Jahrgang.  1893.  No.  4. 


•rtgtnal-äb^attMititgett. 


Luftprüfungen  auf  Kohlensäure, 
ausgeführt  in  Berliner  Gemeindeschulen. 

Von 

E.   GlLLERT, 

städtischem  Lehrer  in  Berlin. 

(Mit  2  Kurventafeln.) 

Die  normalen  Bestandteile  der  atmosphärischen  Luft  sind 
bekanntlich  Sauerstoff,  Stickstoff,  Wasser  und  Kohlensäure, 
deren  relatives  Mischungsverhältnis  mit  Ausnahme  des  Wassers 
sehr  geringen  Schwankungen  unterliegt.  Stets  enthält  die  Luft 
noeh  einige  andere  Stoffe,  jedoch  in  so  geringer  Menge,  dafs  die- 
selben auf  unsere  Sinne  keine  Wirkung  hervorzubringen  vermögen. 

Die  Luft  in  Wohn-  und  Versammlungsräumen,  wie 
Kirchen,  Schulen,  Theater,  Eisenbahn  waggons  u.  s.  w.,  sollte 
»ach  immer  diese  Zusammensetzung  haben.  Es  ist  aber  all- 
gemein bekannt,  daüs  sie  in  den  meisten  Fällen  in  zweifacher 
Beziehung  davon  abweicht,  nämlich  indem  sie  entweder  fremde 
Stoffe  oder  die  normalen  in  einem  abnormen  Mischungs- 
verhältnis enthält. 

Als  das  wesentlichste  Wahrnehmungsorgan  für  fremde  Be- 
etandteile in  der  Luft  dient  uns  der  Geruchssinn.  Er  zeigt  uns 
das  Vorhandensein  von  Stoffen  an,  die  durch  physikalische 
and  chemische  Mittel  sich  nicht  mehr  nachweisen  lassen. 
Doch  sind  gewisse  Stoffe  fast  ohne  Reiz  für  den  Geruchssinn, 
und  diese  machen  sich  durch  nachteilige  Wirkungen  auf  unsere 

Bdmlgerandlieitepflcge  VI.  13 


186 

Respirationswege  oder  die  Schleimhaut  der  Augen  schon  in 
den  geringsten  Mengen  bemerkbar. 

Jede  Luft,  welche  in  der  erwähnten  Weise  auf 
unseren  Geruch,  unser  Gefühl  oder  Auge  wirkt,  be- 
zeichnen wir   als  mit  fremden  Stoffen   verunreinigt.1 

Diese  zufälligen  Beimischungen  sind  gröfstenteils  Bestand- 
teile yon  Verbrennungsprodukten  oder  von  Ausdünstungen  ver- 
wesender Körper,  und  ihre  Quelle  liegt  oft  genug  im  Wohn- 
räume selbst  oder  in  dessen  Nähe.  Nach  Pettenkofer  kann 
hiergegen  nur  die  Reinlichkeit  des  Hauses  mit  Erfolg  wirken. 
Aufgabe  der  Bewohner  ist  es,  alle  diese  Stoffe  mit  einem 
nimmermüden  Fleife  und  der  peinlichsten  Sorgfalt  zu  entfernen 
oder  zu  verhindern,  dafis  sie  ihren  Weg  in  die  Luft  der 
benutzten  Räume  nehmen. 

Unter  der  Voraussetzung  gröfster  Reinlichkeit  sind  es 
vorzugsweise  die  Ausscheidungen  der  Lunge  und  der  Haut, 
welche  die  Zusammensetzung  der  Luft  unserer  Wohn-  und 
Versammlungsräume  verändern.  Hat  reine  atmosphärische  Luft 
ihren  Weg  durch  die  Lunge  gemacht,  so  besteht  sie  dem 
Volumen  naoh  aus  79,587%  Stickstoff,  16,033%  Sauerstoff, 
4,380%  Kohlensäure,  während  normale  Luft  79,02%  Stick- 
stoff, 20,94%  Sauerstoff,  0,04%  Kohlensäure  enthält.1  Der 
Sauerstoff  hat  also  um  ein  Fünftel  abgenommen,  die  Kohlen- 
säure sich  um  mehr  als  das  Hundertfache  vermehrt.  Die  aus- 
geatmete Luft  vermischt  sich  mit  derjenigen  des  Raumes,  in 
welchem  wir  uns  befinden,  und  es  ist  Aufgabe  der  Ventilation, 
diese  Verunreinigungen  zu  entfernen.  Bekanntlich  besitzen 
unsere  Ventilationseinrichtungen  nicht  die  Vollkommenheit,  dafs 
sie  immer  ihrem  Zwecke  ganz  entsprechen,  und  die  Luft 
der  von  uns  benutzten  Räume  wird  darum  selten  der  freien 
atmosphärischen  gleichen. 

Infolge  dessen  drängt  sich  uns  die  Frage  auf:  Wie  ist 
man  im  stände,  den  Grad  ihrer  Verderbnis  durch  Vergleich 
mit    der     freien    Atmosphäre    ohne    Mitwirkung    subjektiver 

1  Pettevkofer,  Über  den  Luftwechsel  in  Wokngebäuden,  S.  72. 
'  Baginsk*,  Schulhygiene,  S.  89,  88. 


187 

Empfindungen  zn  bestimmen?  Man  kann  messen,  um  wieviel 
die  Luft  infolge  der  Respiration  nnd  Perspiration  entweder  an 
Wasser  oder  an  Kohlensäure  oder  an  organischen  Substanzen 
unter  verschiedenen  Umständen  reicher  geworden  ist.  Da  alle 
drei  Gröfsen  stets  proportional  mit  der  Anzahl  von  Menschen 
zunehmen,  so  genügt  es,  wenn  eine  derselben  zur  Vergleichung 
ausgewählt  wird.  Schon  vor  34  Jahren  hat  sich  Pettenkofer 
für  den  Kohlensäuregehalt  der  Luft  als  Mafsstab  entschieden, 
und  derselbe  ist  bis  jetzt  beibehalten,  da  für  einen  richtigeren, 
den  Gehalt  der  Luft  an  organischen  Stoffen,  die  Methode 
der  Messung  wohl  noch  verbesserungsbedürftig  ist.  Nach  den 
grundlegenden  Untersuchungen  des  genannten  Forschers  ist 
keine  Luft  uns  behaglich,  „welche  infolge  der  Re- 
spiration und  Perspiration  der  Menschen  mehr  als 
l°/«o  Kohlensäure  enthält."1 

An  die  Luft  in  Wohn-  und  Versammlungsräumen  stellen 
wir  deshalb  folgende  Anforderungen: 

1.  sie  mufs  frei  sein  von  fremden  Stoffen; 

2.  ihr  durch  Respiration  und  Perspiration  der  Menschen 
entstandener  Kohlensäuregehalt  darf  nie  mehr  als  1  %o  betragen. 

Auf  Anregung  des  Herrn  Stadtschulinspektors  Dr.  Zwick 
habe  ich  gelegentlich  meiner  Tageslichtmessungen2  den  Kohlen - 
Säuregehalt  in  Berliner  Gemeindeschulen  während  des  Unter- 
richts, im  Sommersemester  von  7 — 12  Uhr,  im  Wintersemester 
yon  8 — 1  Uhr,  in  der  Regel  in  der  ersten  und  letzten  Schul- 
stande unter  wechselnden  Verhältnissen  bestimmt.  Ich  unter- 
sachte  nach  der  Methode  von  Dr.  Heinrich  Wolpert  in 
Nürnberg8  mit  seinem  Luftprüfer  auf  Kohlensäure  (Deutsches 
Reichspatent  No.  44822). 

Der  Apparat  besteht  ans  einem  Glascylinder,  in  welchem 
sich  ein   luftdicht    anschliefsender   Kolben   verschieben   läfst. 


1  Pettenkofer  a.  a.  0.,  S.  78. 

1  S.  diese  Zeitschrift,  1891,  No.  3,  S.  149-156.    D.  Red. 

3  Dr.  H.  Wolpert,  Luftprüfungsmethode  auf  Kohlensäure,  Leipzig 
and  Wissenschaftliche  Erläuterungen  einer  Luftprüfungsmethode  auf 
Kohlensaure,  als  Manuskript  gedruckt,  Nürnberg. 

13* 


188 

Der  Kolben  hat  eine  Kohle  Führungsstange.  An  der  Aufsen- 
seite  des  Cylinders  sind  zwei  Skalen  aufgezeichnet,  die  eine  in 
weifser,  die  andere  in  roter  Schrift;  erstere  zeigt  Kubik- 
centimeter,  letztere  Luftreinheitsgrade  an,  je  nach  Malsgabe  des 
Kohlensäuregehaltes  eines  abgesperrten  Luftvolumens.  Auf 
500  com  abgekochtes  destilliertes  Wasser  plus  Weingeist 
als  Lösungsmittel  nimmt  man  den  Inhalt  einer  Gelatine- 
kapsel, welche  Phenolphtalein  C,0O4Hu  und,  durch  Watte 
hiervon  getrennt,  100  mg  Na9COs  +  lOH^O  oder  die  äqui- 
valente Menge  trockenes  NatC05  enthält.  O20O4H14  löst 
sich  in  Alkohol,  Na,COs  -f 10  H,0  in  Wasser.  Die  Lösung 
mufs  vor  dem  Zutritt  von  Luft  und  Licht  möglichst  geschützt 
werden.  Dm  das  Eindringen  der  Luft  durch  den  Hals  einer 
Flasche  zu  verhindern,  verschliefet  Professor  Uffblmank 
dieselbe  mit  einem  durch  Tränken  mit  Paraffin  für  Luft 
undurchgängig  gemachten  Korken  und  zieht  über  diesen  eine 
Doppelkappe  von  schwarzem  Gummi,  welche  unterhalb  des 
Halses  der  Flasche  mit  einer  Gummischnur  festgeschnürt  wird. 
Kautschukstöpsel  anzuwenden  ist  nicht  ratsam,  da  Kautschuk 
Kohlensäure  absorbiert  und  bei  Berührung  mit  alkalischen  Flüssig  - 
keiten  selbst  Anlafe  zum  Freiwerden  von  Kohlensäure  geben  kann , l 
Bei  Vornahme  einer  Luftprüfung  habe  ich  im  Freien 
oder  am  offenen  Fenster  den  Glascylinder  vorher  mit  1  com 
der  erwähnten  Reagenslösung  ausgespült,  dann  2  com  derselben 
hineingefüllt,  den  Kolben  bis  zum  Flüssigkeitsspiegel  hinab- 
gestofsen  und  während  der  Untersuchung  verhindert,  dafe  das 
abgesperrte  Luftvolumen  durch  die  Hand  eine  Erwärmung 
erlitt  und  die  eigene  Ausatmungsluft  direkt  dem  Instrument 
zuströmte.  Die  zu  untersuchende  Luft  habe  ich  immer  dem 
Lehrzimmer  in  Kopf  höhe  der  dasselbe  besuchenden  Kinder 
entnommen.  Um  zu  beurteilen,  ob  die  letzten  Spuren  von  Bot 
in  der  Beagenslösung  verschwunden  waren,  wurde  hinter  dieselbe 
eine  Milchglasscheibe,  das  Zifferblatt  einer  Taschenuhr,  gehalten. 

1  Pflüger,  Zeitschrift  für  analytische  Chemie,  Bd.  18,  S.  302 ; 
ferner  Müktz  und  Aübin,  Spring  und  Roland,  angeführt  bei  Fresenius, 
Chemische  Analyse,  Bd.  2,  S.  756. 


189 


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196 


Der  yon  Pkttenkofer  aufgestellte  Grenzwert  l°/oo  0O2 
ist  in  allen  Schulen  überschritten.  Eine  Znsammenstellung 
der  Ergebnisse  enthält  folgende  Tabelle: 


Schale 


Künstliche 
Ventilation 


Zahl  der  Untersuchungen,  bei  welohen 
der  CCHgehali  betrag  pro  milie 


bis  1,0 


U-2,0 


2,1-3,0 


3,1—4,0 


u.  mehr 


Somisa 


1.  Oemeindeschole 
166«  «, 

21.  u.  24.  , 


ohne  LaAab- 
leitangskanUe 


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mit  Lnft- 

ableitangs- 

kanilen 


26 
18 


7 

8 


1 
1 


Summa 


Bezeichnung  der  Beiriheit  der  Luft 
nach  Wolpebt. 


45 

gnte 
Luft  u. 
noeh  xu- 
lässig. 

18 

6             4 

11 

schlecht 

sehr  schlecht 

änJserst 
schlecht 

19 
34 
31 


85 


Erklärlich  ist  der  hohe  Kohlensäuregehalt  in  den  Lehr- 
räumen der  1.  Gemeindeschule.  Das  Schulhaus  ist  ein  altes 
Gebäude,  liegt  mitten  im  Häusermeer  und  hat  keine  Luft- 
ableitungskanäle.  Immer  2  Lehrräume  grenzen  mit  einer 
Längswand  aneinander  und  kommunizieren  durch  eine  doppelte 
Verbindungsthür.  Mit  der  anderen  Längsseite  stoßen  sie  ent- 
weder an  die  Linienstrafse  oder  an  den  Schulhof.  Alle  Zimmer 
werden  mittelst  Kachelöfen  geheizt.  Die  durch  die  Wände 
erfolgende  natürliche  Ventilation  kann  bei  einer  solchen  Haus- 
und Zimmeranlage  nur  einen  geringen  Erfolg  haben.  In  der 
schulfreien  Zeit  wird  für  Lufterneuerung  gesorgt,  weniger 
während  der  Schulstunden.  Da  von  19  Untersuchungen  nur 
eine  unter  1  %o  CO,  ergeben  hat,  mufs  der  Kohlensäuregehalt 
in  den  Lehrräumen  dieses  Schulhauses  während  des  Unter- 
richtes als  ein  viel  zu  hoher  bezeichnet  werden.  Die  Anlage 
von  Luftableitungskanälen  in  den  Klassenzimmern  ist  unbedingt 
notwendig. 

In  der  166.  Gemeindeschule  war  die  Luft  viel  reiner. 
Das  Gebäude  dieser  Schule  ist  nach  neuerem  System  als  lang 
gestreckter    Bau    vor  3  Jahren    aufgeführt.      Die    freie    Lage 


197 

garantiert  für  gute  Luft  in  seiner  nächsten  Umgebung  und 
dafor,  dafe  der  leiseste  Luftstrom  draufsen  der  Lufterneuerung 
in  den  Lehrräumen  auf  dem  Wege  der  natürlichen  Ventilation 
zu  gute  kommt.  Alle  Klassen  liegen  zur  Seite  von  3  m 
breiten  Korridoren.  Das  Mauerwerk  hat  Luftkanäle.  Die  mit 
den  Heizkörpern  verbundenen  Ventilationskanäle  besitzen  zwei 
Mündungen,  die  eine  unter  der  Decke  zur  Abführung  der 
stark  erwärmten  Luft,  die  andere  0,37  m  über  dem  Fufsboden 
zur  Absaugung  der  kalten  Luft.  Nach  Schluüs  der  Stunden 
werden  sämtliche  Fenster  aller  Lehrräume  geöffnet. 

Das  Gebäude  der  21.  und  24.  Gemeindesohule  besteht 
aus  einem  Hauptgebäude  mit  2  Seitenflügeln  im  Abstände  von 
32  m.  Die  künstlichen  Ventilationseinrichtungen  sind  hier 
wie  in  der  166.  Gemeindeschule.  Nach  Schlafs  des  Unter- 
richts hat  immer  eine  genügende  Lüftung  für  jedes  Zimmer 
stattgefunden. 

Wie  der  Aufenthalt  in  kohlensäurereioher  Luft  auf  die 
Lebensthätigkeit  des  menschlichen  und  tierischen  Organismus 
einwirkt,  führt  Nowack  an1:  „Je  mehr  sich  die  Kohlensäure 
in  einer  Atmosphäre,  in  der  wir  leben,  anhäuft,  desto  schwerer 
tritt  dieselbe  aus  dem  Blute  aus.  Das  Atmen  wird  demnach 
mit  zunehmender  Kohlensäure  der  Luft,  in  der  wir  uns  be- 
finden, zuerst  erschwert  und  schliefelioh  aufgehoben,  nämlich 
dann,  wenn  der  C02gehalt  der  Atmungsluft  so  weit  erhöht  ist, 
dafe  die  Diffusion  zwischen  äulserer  Luft  und  Lungenluft 
aufhört."  Die  dabei  auftretenden  subjektiven  Symptome 
schildert  Flügge  mit  folgenden  Worten:  „Wohnungsluft  von 
1,0 — 6,0  %o  C02  erzeugt  bei  vielen  Menschen  Kopfschmerz, 
8chwindel,  Übelkeit,  und  bei  dauerndem  Aufenthalte  in  solcher 
Luft  beobachtet  man  anämische  Symptome  oder  Disposition 
zu  Lungenerkrankungen. u  s  Begünstigt  der  Aufenthalt  in 
kohlensäurereioher   Luft    aber  die  Entwickelung  von  Lungen- 


1  Nowack,  Lehrbuch  der  Hygiene,  S.  113. 
*  Flügge,  Grundriß  der  Hygiene,  8.  153. 


198 

leiden,  namentlich  der  weit  verbreiteten  Tuberkulose1,  so  ist 
diese  Thatsache  allein  schon  Grund  genug,  mit  allem  Ernst 
jenem  Übel  zu  steuern. 

Um  ein  Bild  von  der  COsproduktion  für  eine  Unterrichts- 
stunde zu  erhalten,  erwäge  man  nur  folgendes;  es  erzeugt: 
ein  16jähriger  Jüngling  17,4  1  C08  pro  Stunde, 
„    17jähriges  Mädchen  12,9  „     „       „         „ 
„     lOjähriger  Knabe      10,3  „     „       „         „ 
„    lOj  ähriges  Mädchen     9,7  „     „       „         „ 
„      9jähriges  Mädchen    während    des    Gesangunterrichts 

16,7  1  C02  pro  Stunde, 
„    läjähriger    Knabe    während    des    Gesangunterrichts 

17,0  1  C08  pro  Stunde.8 
Zu  der  Kohlensäure  als  Atmungsprodukt  gesellen  sich, 
wie  erwähnt,  noch  eine  Menge  übelriechender  Stoffe  und 
Wasserdampf.  Da  Lehrpersonen  täglich  stundenlang  den  Ein- 
flüssen einer  solchen  Atmosphäre  ausgesetzt  sind,  läfst  sich 
hieraus  eine  Erklärung  für  ihr  frühes  Altern  und  Sterben  ab- 
leiten. Nicht  das  Unterrichten  ist  es,  welches  an  ihrer  Gesund- 
heit intensiv  zehrt,  sondern  die  mit  Ausscheidungen  der  Lunge 
und  der  Haut,  mit  Staub  und  Kleiderausdünstungen  aller  Art 
verunreinigte  Schulstubenluft. 

Nachdem  ich  mich  von  dem  Vorhandensein  sehr  wechseln- 
der Kohlensäuremengen  in  verschiedenen  Lehrräumen  überzeugt 
hatte,  erschien  es  mir  von  Bedeutung,  die  Grenzen  zu  er- 
mitteln, zwischen  denen  die  Kohlensäurezunahme  während 
einer  Unterrichtsstunde  schwankt.  Am  28.  Oktober  1891  fand 
ioh  in  einem  im  Erdgesohols  gelegenen  Lehrzimmer,  welches 
von  46  neun-  bis  elfjährigen  Knaben  besucht  war,  zu  Anfang  des 
Untei  richte  um  81A  Uhr  0,7%o,  nach  einstündigem  Unterricht 
bei  geschlossenen  Fenstern  2,4%o  Kohlensäure.  An  demselben 
Tage  war  der  Kohlensäuregehalt  in  einem  im  ersten  Stockwerk 


1  Gegenwärtig  erliegt  noch  jeder  siebente  Mensch  dieser  Krankheit ; 
in  Berlin  starben  z.  B.  in  der  Woche  vom  1.  bis  7.  Mai  1892  596  Personen, 
darunter  82  an  Lungenschwindsucht  und  68  an  Lungenentzündung. 

1  Flügge,  Hygienische  üntersuchungsmethodm,  S.  497. 


199 

gelegenen  mit  30  zwölf-  bis  vierzehnjährigen  Knaben  besetzten 
Lehiraum  derselben  Schale  nach  1  Vi  stündigem  Unterricht  von 
0,70%o  auf  2,25  %o  gestiegen.  Am  9.  September  1891  nahm  der 
Kohlensäuregehalt  in  einem  Schalzimmer,  in  welchem  sich 
28  Knaben  befanden,  innerhalb  7*  Standen  am  2,22  %o  zu. 
Am  17.  Mai  1892,  einem  für  Berlin  stürmischen  Tage,  hatte 
mein  mit  40  durchschnittlich  12  Jahre  alten  Knaben  besetztes 
Lehrzimmer  zu  Beginn  des  Unterrichts  um  7  Uhr  <0,70%o 
Kohlensäure.  Ich  unterrichtete  bei  geschlossenen  Fenstern, 
die  Luftentziehungskanäle  funktionierten,  und  so  fand  ioh  um 
78A  Uhr  <  0,70°/oo,  um  81/«  Uhr  0,94°/oo  und  um  9  Uhr 
0,97  °/oo  Kohlensäure.  Der  Kohlensäuregehalt  hatte  trotz 
zweistündigen  Unterrichts  nicht  l%o  erreicht.  Ahnliche 
Beobachtungen  machte  ich  an  demselben  Tage  in  drei  anderen, 
verschieden  gelegenen  Zimmern  derselben  Schule.  Gleichzeitig 
konstatierte  ich  in  der  21.  Gemeindeschule,  dals  die  Kohlen- 
säure in  einem  von  46  Schülern  frequentierten  Lehrzimmer 
wahrend  der  Stunde  von  11 — 12  Uhr  von  <  0,70%o  nur  auf 
0,82  Voo  gestiegen  war  und  konnte  hier  in  drei  anderen  Klassen- 
zimmern keinen  Kohlensäuregehalt  von  über  0,90  Voo  finden, 
obgleich  überall  des  kalten  stürmischen  Wetters  wegen  bei 
geschlossenen  Fenstern  unterrichtet  wurde. 

Hieraus  ergibt  sich:  Der  Kohlensäuregehalt  kann 
in  einem  normal  besetzten  Lehrraume  während 
einer  Unterrichtsstunde  bei  geschlossenen  Fenstern 
um  rund  2%o  steigen,  aber  auch  unter  l%o  zurück- 
bleiben. 

Bemerkt  sei  hierzu  noch,  dafs  die  Kohlensäure  in  einem 
Lehrzimmer  bei  unterlassener  Ventilation  wahrscheinlich  in 
der  ersten  Unterrichtsstunde  am  stärksten,  in  jeder  nach- 
folgenden Stunde  aber  infolge  der  erschwerten  Atmung  der  in 
dem  Zimmer  vorhandenen  Personen  immer  weniger  zunimmt. 

Man  kann  rechnen,  dafs  ein  Schüler  im  Durchschnitt 
12  1  Kohlensäure  pro  Stunde  ausatmet;  Eulenberg  und 
Bach1   nehmen   15  1    pro   Stunde    an.      Ist    ein    Lehrraum 

1  Eulenberg  und  Bach,  SchtUgesundheitslehre,  S.  269. 


200 

200  obm  grofs  und  mit  50  Schülern  besetzt,  so  nimmt  derselbe 
in  der  genannten  Zeit  620  1  Kohlensäure  auf,  wenn  die  Lehr- 
person selbst  20 1  produoiert.  Waren  während  der  Stunde  die 
Fenster  und  Thüren  geschlossen,  so  müfste  die  Untersuchung 
über  3%o  Kohlensäure  ergeben;  sie  ergibt  aber  in  den 
meisten  Fällen  viel  weniger,  da  auf  dem  Wege  der  natürlichen 
Ventilation  stetig  Zimmerluft  entweicht  und  Aufsenluft  dafür 
eintritt.1 

Die  GröJse  des  natürlichen  Luftwechsels  in  geschlossenen 
Wohn-  und  Versammlungsräumen  ist  von  einer  Reihe  von 
Faktoren  abhängig,  von  denen  die  Geschwindigkeit  der 
Luftbewegung  im  Freien,  die  Temperaturdifferenz  zwischen 
atmosphärischer  und  Zimmerluft  und  die  Permeabilität  des 
Baumaterials  die  hauptsächlichsten  sind.  Bei  stürmischem 
Wetter  ist  die  Luft  in  rascher  Bewegung.  Die  Untersuchungen 
No.  37—47  und  No.  65 — 76  zeigen,  dafe  der  Kohlensäure- 
gehalt an  solchen  Tagen  in  zwei  aufeinanderfolgenden  Unter- 
richtsstunden nicht  l°/oo  erreichte.  An  einem  windstillen  Tage 
dagegen,  am  10.  Mai  1892,  ermittelte  ich  nach  vierstündigem 
Unterricht  in  drei  Lehrräumen  über  4%o  Kohlensäure,  in  einem 
vierten,  im  dritten  Stockwerk  gelegenen  nach  viereinhalbstün- 
digem  Unterricht  5,63  °/©o  Kohlensäure  und  nach  fünfstündigem 
Unterricht  in  einem  gleichfalls  im  dritten  Stockwerk  gelegenen 
Klassenzimmer  1,21  %o  Kohlensäure,  obgleich  hier  in  den 
letzten  3  Stunden  vorher  6  untere  Fensterflügel  immer  geöffnet 
gewesen  waren.8  Demnach  folgt:  Die  Kohlensäure- 
zunähme  eines  geschlossenen  besetzten  Lehrzim- 
mers steht  zur  Geschwindigkeit  der  Luftbewegung 
im  Freien    in    umgekehrter  Proportion. 

Das  Gleiche  gilt  für  das  Verhältnis  zwischen  Kohlensäure- 
zunahme und  Temperaturdifferenz  zwischen  Zimmerluft  und 
freier  Luft.  Ich  habe  darüber  keine  Versuche  angestellt,  wohl 
aber    Pettbnkofkr.8      Nach    den    Untersuchungen    und    Be- 

1  Vgl.  Pettphkofer  a.  a.  0.,  S.  79. 

1  S.  die  Untersuchungen  No.  69—64,  77—78,  81—82,  84. 

8  A.  a.  0.,  S.  91. 


201 

rechnungen  desselben  betrug  die  einem  Zimmer  von  ungeAhr 
73  ebm  Luftkubus  dureh  die  natürliche  Ventilation  gelieferte 
Loftmenge  bei  20°  95  obm  bei  19°  75  ebm  und  bei  4°  22 
ehm.  leb  glaube  nicht  zu  irren,  wenn  ich  die  Grölse  dieses 
Luftwechsels  nicht  allein  der  Wirkung  der  Temperatuzdifferenz, 
sondern  zugleich  dem  Einflute  der  Luffcbewegung  im  Freien 
zuschreibe.  Diesen  Faktor  hat  Pettsnkofbb  nicht  in  Rechnung 
gesogen,  obgleich  er  von  der  Bedeutung  desselben  spricht.1 

Die  natürliche  Ventilation  wird  durch  die  Poren  des 
Baumaterials  und  die  zufälligen  Spalten  der  Fenster  und 
Thfiren  ermöglicht.  Die  Porosität  des  Baumaterials  hat  durum 
eine  hohe  sanitäre  Bedeutung.  Mörtel,  Ziegel  und  Sandstein 
verlieren  nach  den  Versuchen  von  PaTTBUKOTER'  ihre  Per- 
meabilität, sobald  eine  der  freien  Flächen  hinlänglich  mit 
Wasser  benetzt  wird,  da  letzteres  bei  der  feinen  Verteilung  so 
fest  adhiriert,  daJs  es  durch  mechanische  Kraft  von  der  Luft 
nicht  verdrängt  werden  kann.  Mit  der  Verdunstung  des  Wassers 
werden  die  genannten  Materialien  wieder,  durchgängig  f&r  die 
Luft.  Hieraus  geht  hervor,  welchen  Einfluis  trockene  bezw.  nasse 
Wände  auf  den  natürlichen  Luftwechsel  in  unseren  Schulen 
haben  müssen. 

Aus  diesen  Bettachtungen  folgt  ferner,  dais  der  natür- 
liche Luftwechsel  eines  geschlossenen,  besetzten  Lehrammaro 
am  bedeutendsten  ist,  wenn  die  besprochenen  Faktoren  den 
höchsten  Grad  ihrer  hier  in  Betracht  kommenden  Eigen- 
schaften besitzen.  Der  natürliche  Luftwechsel  iat  darum  in 
der  kalten  Jahreszeit  am  größten  und  in  der  warmen  am  ge- 
ringsten. 

Erweist  sich  die  natürliche  Ventilation  zu  gering,  so  lassen 
wir  die  künstliche  in  Wirksamkeit  treten.  Soll  diese  ihren 
Zweck  ganz  erfüllen,  so  nrufs  sie  eine  gewisse  Leistungsfähigkeit 
besitzen.  „Die  Quantität  der  durch  die  Ventilation  zu- 
zufahrenden   Luft   mute  die   Quantität   der    Luft,    welche   in 


1  A.  a.  0.,  S.  95. 
1  k,  a.  0.,  S.  97. 

BeholgMvndheitspflege  VI.  14 


202 

der  gleichen  Zeit  ausgeatmet  wird,  wenigstens  in  dem  Ver- 
hältnisse übertreffen,  in  welchem  der  Kohlensäuregehalt  der 
ausgeatmeten  Luft  grülser  ist,  als  die  Differenz  zwischen  dem 
Eohlensfturegehalte  der  freien  Luft  und  einer  Luft,  in  welcher 
der  Mensch  erfahrungsgemäß  auf  längere  Zeit  sich  behaglich 
und  wohl  befindet.  Nun  ist  aber  der  Kohlensäuregehalt  der 
ausgeatmeten  Luft  4%  oder  40°/©o  und  der  Kohlensäuregehalt 
einer  guten  Zimmerluft  nicht  über  0,7  %©.    Hieraus  ergibt  sich 

40  40 

7r-= — ^-=-=x-t;  =  200.  Mit  Worten  ausgedrückt,  lautet  der 
0,7 — 0,0      \)tl 

Satz :  Wenn  ein  Mensch  oder  eine  Anzahl  von  Menschen  in  einem 
geschlossenen  Baume  atmen,  so  müssen  wir  diesem  Baume 
das  200&ohe  Volumen  der  ausgeatmeten  Luft  an  frischer  Luft 
in  jedem  Zeitmomente  zufahren,  wenn  die  Luft  im  Baume 
stets  gut  bleiben  soll."1  Atmet  ein  Mensch  stündlich  300 1  Luft 
in  einem  geschlossenen  Zimmer  aus,  so  sind  demselben  hier- 
nach 200X300  1  =  60  cbm  frischer  Luft  jede  Stunde  zu- 
zuführen.   Legt  man  diesen  Berechnungen  den  Grenzwert  von 

40 
l%o  Kohlensäure  zu  Grunde,  so  erhält  man  «    -  g    =   80  X 

1—0,5 

300  1  =  24  cbm,  und  diese  Zahl  würde  hiernach  das  Minimum 
der  Leistungsfähigkeit  unserer  Ventilationsapparate  für  die  Stunde 
und  Person  angeben. 

Obgleich  in  der  neueren  Zeit  beim  Bau  der  Schulhäuser 
die  Versorgung  der  Lehrräume  mit  Luft  und  Licht  sehr  in 
den  Vordergrund  getreten  ist,  kann  dieses  Ziel  durch  die  im 
Gebrauch  befindlichen  Ventilationseinrichtungen  dennoch  nicht 
erreicht  werden.  Steigt  doch  der  Kohlensäuregehalt  an  wind- 
stillen Tagen  in  der  warmen  Jahreszeit  bis  über  l%o,  selbst 
wenn  bei  geöffneten  Fenstern  unterrichtet  wird.  Mit  Recht 
empfiehlt  daher  Pbttenkofer*  das  Eintreiben  von  Luft  durch 
Maschinen  in  alle  diejenigen  Gebäude,  welche  überhaupt  einer 
regelmäßigen  künstlichen  Ventilation  bedürfen,  wie  Kranken- 
häuser, Kasernen,  Gefängnisse  und   Schulen.     Solange  unsere 


1  Pkttebkofer  a.  a.  0.,  S.  85. 
•  A.  a.  0.,  S.  128. 


203 

Lehranstalten  nicht  in  dieser  Weise  mit  frischer  Luft  gespeist 
weiden,  wird  die  Schnlluft,  besonders  in  der  warmen  Jahres- 
zeit, nicht  blofe  heils,  sondern  durch  Verdunstung  des  SchweiGses 
und  Aufnahme  der  gasförmigen  Ausschei4ungen  der  Lunge 
und  der  Haut,  sowie  verschiedener  Produkte,  welche  die  Hitze 
ans  den  häufig  nicht  ganz  sauberen  Kleidern  der  Schüler  treibt, 
abelriechend  und  schädigt  dann  den  ganzen  Organismus  eben 
so  sehr,  wie  gute  Luft  in  derselben  Zeit  ihm  nützen  würde. 
Die  Bander  der  Armen  in  dichtbevölkerten  Städten  mit  über- 
füllten Wohnungen  leiden  dabei  am  meisten. 

Da  die  Luftverschlechterung  in  einem  Lehrraume  während 
der  Schularbeit  weder  von  dem  Lehrer  noch  den  Schülern 
direkt  wahrgenommen,  sondern  erst  durch  ihre  Wirkungen 
empfunden  wird,  erscheint  ee  mir  ratsam,  dafs  naoh  jeder 
Unterrichtsstunde  im  Sommer  und  Winter  alle  Klassenzimmer 
durch  Öffnung  sämtlicher  Fenster  und  der  Thür  etwa  10  Hinuten 
lang  gelüftet  werden.  Die  Kinder  gehen  während  dieser  Zeit 
auf  den  Hof  oder  Korridor,  kommen  dadurch  in  Bewegung 
und  bringen  in  ihren  Kleidern  bessere  Luft  mit  herein.  Während 
der  Unterrichtsstunden  sollten  die  Korridorfenster  offen  stehen, 
in  den  Pausen  während  der  Lüftung  der  Lehrzimmer  aber  ge- 
schlossen werden.  Dringend  notwendig  ist  es,  dafe  eine  längere 
derartige  Lüftung  zwischen  Vor-  und  Nachmittagsunterricht 
erfolgt;  gewöhnlich  unterbleibt  dieselbe  in  der  kalten  Jahres- 
zeit ganz.  Von  der  Wirkung  einer  solchen  Lüftung  geben 
die  Untersuchungen  No.  35,  36,  61  und  62  Zeugnis. 


14* 


204 


Regelung  des  Kinderbewahrwesens  in  Ungarn. 

Von 

Dr.  med.  Heinrich  Schuschny, 

Schularzt  und  Professor  der  Hygiene  in  Budapest. 

Das  ungarische  Parlament  hat  einen  von  dem  Unterriohts- 
minister  eingebrachten  Gesetzentwurf  über  das  Kinderbewahr- 
wesen  angenommen,  welcher  wegen  der  Eigenartigkeit  seiner 
Beetimmungen  sowohl  das  Interesse  der  Kinderfreunde,  als 
das  der  Sohulhygieniker  in  vollem  Mafee  verdient.  Da  im 
Oktober  v.  J.  auch  die  nötigen  Instruktionen  vom  Unterriehte- 
minister  herausgegeben  wurden,  so  steht  nunmehr  dem  Vollzüge 
des  erwähnten  Gesetzes  nichts  im  Wege. 

Das  Kinderbewahrwesen  wurde  bisher  nur  in  Frankreich, 
und  zwar  im  Jahre  1886  gesetzlich  geregelt.  In  unserem 
Nachbarstaate  Österreich  hat  man  auf  dem  Wege  ministerieller 
Verordnungen  (1872)  manches  verfügt.  In  Deutschland, 
Belgien,  Holland  und  der  Schweiz  nahm  die  Gesellschaft  das 
Kinderbewahrwesen  in  die  Hand.  Dnd  so  war  es  auch  bisher 
in  Ungarn,  wo  im  Jahre  1828  unter  der  Ägide  und  Werk- 
tätigen Unterstützung  der  Gräfin  Brunswik  der  erste  „  Engel- 
gartenu  eröffnet  wurde.  Seitdem  haben  sich  die  Kindergärten 
bei  uns  vermehrt,  und  heute,  vor  dem  Inslebentreten  des 
Kinderbewahrgeeetzes,  bestehen  in  Ungarn  880  solche  Gärten, 
die  von  ungefähr  73000  Kindern  besucht  werden. 

Unter  den  Motiven,  welche  den  Gesetzentwurf  einleiten, 
finden  wir  eine  kleine,  auf  amtlichen  Daten  beruhende  Brand- 
statistik. Im  Jahre  1887  entstand  erwiesenermaßen  durch 
Kinder,  welche  ohne  Aufsicht  gelassen  waren,  in  210  Fällen 
Feuer;  der  dadurch  verursachte  Schaden  betrug  460000  Gulden. 
Da  in  der  Mehrzahl  der  BrandfUle  (65%)  der  Urheber  des 
Feuers  nicht  ermittelt  werden  konnte,  so  dürfte  die  Schaden- 
summe eher  zu  niedrig  gegriffen  sein. 


205 

Es  wird  unter  den  Motiven  auch  der  hygienischen  Vor- 
teile einer  Regelung  des  Kinderbewahrwesens  gedacht. 

Das  Gesetz  bezweckt,  dafe  in  den  Bewahranßtalten 
3—6  Jahre  alte  gesunde  Kinder,  die  der  fortwährenden  Auf- 
sieht und  Fürsorge  ihrer  Eltern  entbehren,  unter  Obhut  oder 
auch  in  Pflege  genommen  werden.  Zugleich  sollen  dieselben 
sieh  au  Ordnung  und  Reinlichkeit  gewöhnen  und  in  Bezug 
auf  Geschicklichkeit,  Intelligenz  und  Gemütsentwicklung  unter 
Auasehlufs  eines  eigentlichen  Volksschulunterrichts  gefördert 
werden. 

Da  ein  groiser  Teil  der  Bevölkerung  Ungarns  Ackerbau 
betreibt  und  die  erwachsenen  Familienmitglieder  zur  Zeit  der 
Arbeit  Wochen  hindurch  auf  dem  Felde  beschäftigt  sind,  so 
nrals  auch  für  die  Kinder  solcher  Arbeiter  während  der 
Arbeitszeit  Sorge  getragen  werden.  Das  Gesetz  verfügt,  dals  für 
dieselben  entweder  „Bewahranstalten"  oder  „Sommerasyle"  er- 
richtet werden.  Es  bestimmt  die  Raum  Verhältnisse  dieser  Anstalten, 
verlangt  einen  schattigen  Spielplatz  und  verordnet,  dafe  als 
Sommerasyle  die  in  den  Sommerferien  (1.  Juli  bis  31.  August) 
geschlossenen  Volksschulen  benutzt  werden.  Es  können  dort 
auch  jüngere  Kinder  als  dreijährige  —  mit  Ausschlufs  von 
Säuglingen  —  Aufnahme  finden.  Die  -Anstalten  sind  an 
Werktagen  von  morgens  bis  abends  geöffnet  zu  halten.  Das 
Gesetz  setzt  ferner  die  Qualifikation  und  das  Gehaltsminimum 
der  Kindergärtnerinnen  und  Wärterinnen,  welche  in  den 
Sommerasylen  anzustellen  sind,  fest. 

Gemeinden,  welohe  15000  fl.  Staatssteuer  bezahlen,  sind 
zur  Erhaltung  einer  „Bewahranstalt"  verpflichtet,  Gemeinden 
mit  einer  Steuer  von  10 — 15  000  fl.  haben  ein  „ständiges  Asyl", 
Gemeinden  mit  einer  noch  kleineren  Steuer  ein  „Sommerasyl" 
in  erhalten.  Sollten  jedoch  dazu  die  Einkünfte  der  Gemeinde 
nicht  genügen,  so  hat  dieselbe  einen  Steuerzuschlag  von  3% 
zu  erheben.  Es  ist  nicht  nur  dem  Staate,  sondern  auch  den 
Konfessionen,  Vereinen  oder  Privaten  gestattet,  Bewahranstalten 
zu  errichten. 

In  denselben  wird   für   die  Kinder   nicht   armer  Eltern 


206 

eine  geringe  Gebühr  errichtet,   in  den  Asylen  dagegen  ist  die 
Aufnahme  unentgeltlich. 

Die  Aufeicht  über  diese  Anstalten  führt  ein  Aufeichts- 
ausschuls,  den  der  Erhalter  derselben  bestellt.  Mitglied  dieses 
Ausschusses  ist  der  beamtete  Arzt,  der  alle  14  Tage  mindestens 
einmal,  im  Notfidle  öfter  die  Anstalt  zu  besuchen  hat.  Er 
untersucht  die  Kinder  und  macht  in  betreff  der  Hygiene  Vor- 
schlage, welche  vom  Ausschüsse  durchzuführen  sind.  Im 
Weigerungsfalle  erstattet  der  Arzt  dem  Königlichen  Schul- 
inspektor  Bericht. 

Der  übrige  Teil  des  Gesetzes  handelt  von  den  Bildungs- 
anstalten für  Kindergärtnerinnen  und  bestimmt  den  Lehrplan 
des  Kurses,  welcher  zweijährig  ist.  Es  findet  sich  hier  auch 
die  gewife  nicht  unberechtigte  Bestimmung,  dafe  die  Kinder- 
gärtnerin der  Landessprache  mächtig  sein  müsse  oder  aber  sich 
die  nötige  Kenntnis  derselben  binnen  3  Jahren  anzueignen 
habe. 

Aus  den  Instruktionen  entnehmen  wir,  dafe  jährlich  alle 
S  —  6jährigen  Kinder  verzeichnet  werden  sollen  und  dafe 
Eltern  oder  Vormünder,  die  ihre  Kleinen  ohne  die  erforderliche 
Aufeicht  und  Pflege  lassen,  zu  bestrafen  sind. 

Für  die  Placierung  und  Einrichtung  der  Anstalten 
werden  Pläne  und  ein  Normativ  mitgeteilt. 

Mit  besonderer  Sorgfalt  sind  die  Abschnitte  behandelt, 
welche  die  Verwaltung  der  Anstalt,  die  Aufnahme  der 
Kinder,  die  Disoiplin,  die  Pflege  und  die  geistige  Ausbildung 
derselben  zum  Gegenstande  haben.  Auch  wird  der  Wirkungs- 
kreis des  Aufeichtsausschusses  festgesetzt. 

Wenn  eine  Bewahranstalt  oder  ein  Asyl  den  gesetzlichen 
Anforderungen  nicht  entspricht,  hat  der  Verwaltungsausschufe 
an  den  Erhalter  des  betreffenden  Instituts  drei  Mahnungen  zu 
richten.  Falls  diese  erfolglos  bleiben,  ordnet  der  Unterrichts- 
minister die  Schlie&ung  der  Anstalt  an. 

Die  Lehrkurse  zur  Ausbildung  von  Wärterinnen  für 
ständige  oder  Sommerasyle  stehen  unter  der  Kontrolle  des 
Königliohen   Sohulinspektors.    Nur  solche  Frauen  dürfen  die 


207 

Leitung  eines  Asyls  übernehmen,  die  einen  6wöchentiiohen 
Lehrkursus  durchgemacht  haben.  Bei  der  Aufnahme  in  den 
Kursus  genielsen  die  Witwen,  Gattinnen  oder  Töchter  von 
Lehrern  den  Vorzug. 

Es  war  mir  bei  dem  eng  bemessenen  Baume  unmöglich, 
einen  vollständigen  Auszug  der  in  5  starken  Heften  erschienenen 
Instruktionen  zu  bringen.  Ich  habe  nur  einige  prägnantere 
Stellen  hervorgehoben,  aus  welchen  zu  ersehen  ist,  dals  diese 
Instruktionen  das  Einderbewahrgesetz  vollkommen  erganzen 
und  sich  dem  modernen  Geiste  desselben  anpassen. 

So  kurz  aber  auch  der  Bericht  ist,  so  zeigt  derselbe  doch, 
dafe  es  dem  Königlich  ungarischen  Unterrichtsminister  Grafen 
Albin  von  CsAky  vollständig  gelungen  ist,  das  Kinderbewahr- 
wesen  in  Ungarn  zu  regeln  und  die  Hygiene  der  jüngeren 
Kinder  um  einen  bedeutenden  Schritt  vorwärts  zu  bringen. 
Zugleich  ist  unsere  Regierung  mit  diesem  Gesetze  allen  anderen 
Staaten  zuvorgekommen. 


2Us  Dtrfatnwl««$tii  ttnb  Dertinttt* 


Au  der  Vereinigung  für  Schulgesnndheitspflege 
des  Berliner  Lehrervereins. 

Von 

E.  Hertkl, 

stadtischem  Lehrer  in  Berlin. 

Im  verflossenen  Jahre  beschäftigte  sich  die  Vereinigung 
in  den  drei  Sitzungen  des  Juni,  August  und  Oktober  mit  der 
Frage,  welchen  Einflufs  unsere  heutigen  Schulverhältnisse  auf 
die  Entwickelung  der  Sehkraft  der  Schulkinder  ausüben.  Die 
bezüglichen  Referate  hielt  der  Schriftführer  E.  Hertkl  über 
folgende   Themen:   1.   „Anatomie  des  Auges  und  seine 


208 

wichtigsten  Krankheiten",  2.  „Die  Refraktions- 
zustände  des  Auges",  3.  „Augenuntersuehungen, 
insbesondere  in  Schulenu.  Der  Referent  unterstützte 
seine  Ausführungen  durch  Vorzeigung  von  Abbildungen  und 
geeigneten  Apparaten.  Die  Vereinigung  nahm  folgende  Sitze  an  : 

1.  Die  Schule  übt  gegenwärtig  vielfach  einen  schädlichen 
Einflufs  auf  die  Sehkraft  der  Jugend  aus. 

2.  Seitens  der  Sehulhygieniker  sind  immer  von  neuem 
die  Forderungen  geltend  zu  machen,  deren  Erfüllung  jenen 
Einflute  zu  mindern  geeignet  scheint. 

S.  Behufs  Feststellung  der  Sehschärfe  der  Schulkinder 
sind  dieselben  sowohl  beim  Eintritte  in  die  Schule,  als  auch 
m  bestimmten  Zwischenräumen  während  der  Schulzeit  zu 
untersuchen.  Für  den  Lehrer  ist  2u  dieser  Untersuchung  die 
CoHNsohe  Hakentafel1  zu  empfehlen. 

Der  Referent  wurde  ersucht,  einen  ausführlichen  Aufsatz 
über  die  behandelten  Themata  in  der  „Pädagogischen  Zeitung" 
zu  veröffentlichen. 

Im  Oktober  sprach  Herr  O.  Janke  über:  „Hygienische 
Spucknäpfe  für  Schule  und  Haus".  Diesem  Vortrage 
lagen  folgende  Sätze  zu  Grunde: 

1.  In  den  Klassenzimmern,  auf  den  Korridoren  und 
Treppenabeätzen  sind  Spucknäpfe  in  ausreichender  Anzahl  an 
bequem  zugänglichen  und  leicht  sichtbaren  Orten  aufzustellen. 

2.  Die  Spuoknäpfe  sollen  zweckentsprechend  konstruiert  sein. 

3.  Dieselben  sind  etwa  1  cm  hoch  mit  Wasser  zu  füllen. 

4.  Sie  müssen  täglich  entleert  und  gereinigt  werden. 

Im  November  beschäftigte  sich  die  Vereinigung  mit  dem 
Thema:  „Das  Schlafen  der  Erzieher  und  Zöglinge  im 
gemeinsamen  Schlafraume  der  Erziehungsanstal- 
ten". Diese  Angelegenheit  wird  später  zur  nochmaligen  Ver- 
handlung kommen. 

In  derselben  Sitzung  beleuchtete  Herr  0.  Janke  „Das 
Urteil     eines     Sohulhygienikers    über    Schule    und 

1  Breslau,  Priebatsoh.  X  0,(0. 


209 

Lehrerstand".  Es  bandelte  sieh  um  die  „Vorträge  über 
Schulgesundheitspflege"  von  Professor  W.  v.  Zbhbnder 
in  München.1  Der  Redner  wird  in  der  „Pädagogischen 
Zeitung"  öffentlich  zn  den  genannten  Vorträgen  Stellung 
nehmen. 

Im  Dezember  stand  die  „Schularzt frage"  zur  Ver- 
handlung. Der  Referent,  Herr  W.  Siegert,  hatte  besonders 
die  Berliner  Verhältnisse  im  Auge.  Er  stellte  sich  weder  auf 
den  Standpunkt,  den  Professor  H.  Cohn  in  seinen  vom 
hygienischen  Kongreß  zu  Genf  1882  angenommenen  Thesen 
vertritt,  noch  unterschrieb  er  die  Forderungen  des  Wiener 
Kongresses  vom  Jahre  1887.  Der  Lehrer  müsse  vielmehr 
alleiniger  Herr  in  der  Schule  sein  und  bleiben.  Eine  fort- 
gesetzte ärztliche  Inspektion  sei  nicht  empfehlenswert.  Die 
Vereinigung  nahm  folgende  Erklärung  einstimmig  an:  „Die 
flygienesektion  des  Berliner  Lehrervereins  hält  es  für  dringend 
notwendig,  dais  eine  aus  Ärzten,  Verwaltungsbeamten,  Archi- 
tekten, Ingenieuren,  Schulleitern  und  Lehrern  zusammengesetzte 
Kommission  die  Verhältnisse  sämtlicher  Berliner  Schulen 
nach  der  hygienischen  Seite  hin  untersucht,  für  die  praktische 
Durchführung  anerkannter  Forderungen  der  Schulhygiene,  sowie 
ftr  die  Lösung  streitiger  Fragen  Vorschläge  macht  und  die 
Grundsätze  feststellt,  nach  denen  eine  zweckentsprechende 
Mitwirkung  der  Ärzte  bei  Beaufsichtigung  der  Schula  zu  er- 
folgen hat" 

Diese  Resolution  wurde  auch  in  der  Versammlung  des 
Berliner  Lehrervereins  am  20.  Januar  d.  J.  einstimmig  an- 
genommen. 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1892,  No.  2,  S.  87—90.    D.  Bed. 


210 

Antrag  auf  Anstellung  von  Schulärzten,  eingebracht  in  der 
Stadtverordnetenversammlung  von  Braunschweig. 

Wie  Herr  Blasiüs  *  berichtet,  empfiehlt  die  Statatenkommission 
den  in  der  letzten  Sitzung  gestellten  Antrag  des  Herrn  Günther 
auf  Anstellung  von  Schulärzten  zur  Annähme. 

Schon   frtther   sei   diese  Frage    in   der  Versammlung   erörtert 
worden,    indem   Herr  Nibss   vor   etwa  8  Jahren  beantragt  habe, 
Schulärzte    anzustellen,    welcher    Antrag    aber    damals    im    Sande 
verlaufen  sei.     Um  die  Versammlung  darüber  zu  orientieren,  welche 
Funktionen   einem  Schularzte   obliegen  würden,  wolle  er  in  Kürze 
das  Arbeitsfeld    desselben   näher   kennzeichnen.     Zu  den  Aufgaben 
eines    Schularztes   würde   gehören:    bei   dem   Neubau  von  Schulen 
die  Begutachtung  des  Bauplatzes,    die  Prüfung  des  Baugrundes 
in  physikalischer,    chemischer  und  bakteriologischer  Beziehung,    die 
Messung   des   Grundwasserstandes,   die  Untersuchung   der  Lage   in 
Bezug    auf   umliegende    Häuser,    Fabriken  u.  s.  w. ;    die   Begut- 
achtung des  Bauplanes,  der    Gröfse,  Höhe,   Tiefe  der  Zimmer, 
der  Beleuchtung  derselben,  der  Anlage  der  Heizung  und  Ventilation, 
der  Konstruktion  der  Subsellien,  des  Spielplatzes,  der  Turnhalle,  der 
Brunnen,    bezw.  der  Trinkwasserversorgung,    der  Abtritte  u.  s.  w. ; 
die    hygienische   Beaufsichtigung   des  Baues,    der  Drai- 
nierung   des   Fundaments,    der  Anlage  der  Heiz-  und  Ventilations- 
einrichtungen,   die   genaue  Kontrolle   der   frische  Luft  zuführenden 
Kanäle  u.  s.  w. ;    die  Bestimmung,    wann    das   Schulhaus   dem 
Gebrauche   übergeben   werden   darf,    die  Untersuchung  des 
Wassergehaltes  der  Wände,  die  Prüfung  der  Heiz-  und  Ventilations- 
einrichtungen;   ein  Gutachten  dem  Schuldirektor  gegenüber  bei 
Feststellung  des  Lehrplanes  (richtige  Abwechselung  von  Stunden, 
die    den  Geist   der  Schüler  in  höherem  oder  geringerem  Grade  an- 
strengen); die  Anpassung  der  Subsellien  für  jeden  einzelnen 
Schüler  bei  Beginn  des  Schuljahres,  bezw.  die  Verteilung  der  Schüler 
auf    die    verschiedenen   Gruppen   der   Subsellien  in   einer   Klasse; 
die     genaue     körperliche    Untersuchung    der    Schüler, 
welche   in   die    Schule   aufgenommen   werden,    namentlich 
derjenigen,    die   vorher   noch   nicht    in   die  Schule   gegangen  sind, 
(Gröfee    und    Gewicht    der   Kinder,    Körperhaltung,    Wirbelsäulen- 
verkrümmungen, Ernährungszustand,  Gesichtsfarbe,  Fettpolster,  Mus- 
kulatur, Zustand  der  Augen,  ob  normal  oder  kurzsichtig,  ob  schielend 
u.  s.  w. ;    besondere  Bemerkungen   über   konstitutionelle  Krankheits- 
anlagen der  Kinder,  wie  Scrofulose,  Tuberkulose,  Bhachitis,  Syphilis, 
Epilepsie,  Veitstanz,    Stottern);    Kinder,   die  zu  schwach  befunden 


1  Upser  Mitarbeiter.    D.  Red. 


211 

werden,  würden  eventuell  bis  zum  7.  oder  8.  Lebensjahre  zurück- 
gestellt werden  können  durch  motiviertes  Zeugnis  des  Schularztes; 
die  Anmeldung  jeder  Erkrankung  der  Schüler  an  einer 
ansteckenden  Krankheit,  namentlich  an  Stickhusten,  Scharlach, 
Diphtheritis,  Masern,  Typhus,  Pocken,  Cholera  und  ägyptischer  Augen- 
krankheit, um  die  Weiterverbreitung  dieser  Krankheiten  durch  die 
Schulen  möglichst  zu  beschränken;  die  Revision  der  einzelnen 
Klassenzimmer  in  bestimmten  Zwischenräumen,  insbesondere  während 
des  Schreib-  und  Handarbeitsunterrichtes,  um  das  Sitzen  und  die 
Haltung  der  Schüler,  die  Beleuchtung,  die  Luft  und  Temperatur  der 
Zimmer  zu  beobachten;  die  genaue  Kontrolle  der  Heizungs-, 
Yentilations-  und  Beleuchtungsanlagen,  der  Trinkwasser- 
versorgung und  der  Aborte. 

Pas  sei  eine  Reihe  von  Thätigkeiten,  bei  welchen  der  Schularzt 
ratend  eintreten  könnte,  und  endlich  hätte  er  noch  bei  dem  Ausbruche 
von  Epidemien  ein  wichtiges  Gutachten  über  den  Schlufs  der 
Schulen  abzugeben. 

Es    dürfte  nun  der  Einwand  erhoben  werden,    dafs  die  Stadt 
eine  derartige  Anstellung  von  Schulärzten  nicht  nötig  habe,  weil  ein 
vom    Staate   angestellter  Physikus   vorhanden  sei,    welcher  von  der 
Stadt  requiriert  und  zu  allen  solchen  Gutachten  herangezogen  werden 
könne.     Das   wäre   sehr  schön,    wenn  die  menschliche  Arbeitskraft 
nicht  zu  sehr  angestrengt  würde,  sobald  der  eine  Physikus  für  eine 
Stadt   von   mehr  als  100000  Einwohnern  mit  allen  diesen  Sachen 
belastet  werden  sollte.   Zu  dem  Arbeitskreise  desselben  würden  auch 
noch  andere  Gutachten,  wie  z.  B.  über  die  Kanalisation,  die  Trinkwasser- 
versorgung u.  s.w.  gehören,  so  dafs,   wenn  dieses  ein  Mensch  aus- 
fuhren sollte,  der  Tag  nicht  24,  sondern  60  und  mehr  Stunden  haben 
mutete.    Dazu   trete  ferner  der  Umstand,   dafs  der  Physikus  durch 
sein  Gehalt  vom  Staate  so  gestellt  sei,  dafs  er  seinen  Lebensunterhalt 
nicht   anders   als   durch   Zuhilfenahme   von   Privatpraxis   bestreiten 
könne.    Im   Herzogtume   Braunschweig  seien  24  Physici  angestellt; 
davon  entfalle  auf  die  Stadt  Braunschweig,  welche  über  ein  Viertel 
der  Einwohnerschaft  umfasse,  nur  einer,  während  sich  die  übrigen 
23   auf  das  Land   verteilen.     Wenn   also    der  eine  Physikus  allen 
Anforderungen  —  zu  welchen  auch  noch  das  Impfen,  die  Ausfertigung 
von  Todtenscheinen   bei  plötzlichen  Todesfällen,    von  Gutachten  bei 
Gericht  etc.  kommen  —  genügen  solle,   so  müfste  derselbe  der  Be- 
völkerungsziffer nach  so  viel  leisten,  als  6  bis  7  Physici  im  Herzog- 
tarne.    Daher  komme  es,   dafs  man  den  Physikus  mit  allen  diesen 
Sachen  gar  nicht  behelligen  dürfe.    Die  Kommission  habe  sich  deshalb 
einstimmig  der  Ansicht  angeschlossen,  dafs  es  wünschenswert  sei,  den 
vorliegenden  Antrag  dem  Magistrate  zur  Berücksichtigung  zu  empfehlen. 


212 

Herr  Reiche  will  darauf  aufmerksam  machen,  dafe  bei  der 
Erbammg  und  Einrichtung  der  neuen  stadtischen  Schulen  sehr  viele 
der  von  Herrn  Blasius  angeführten  Punkte  schon  in  Betracht  gezogen 
seien,  indem  beispielsweise  die  Lichtverhältnisse,  die  einzelnen  Sub- 
sellien  n.  s.  w.  unter  Zuziehung  eines  Arztes  geprüft  wurden.  Daher 
komme  es  denn  auch,  dafe  die  ans  anderen  Städten  hierher  kommen- 
den Sachverständigen  den  hiesigen  Einrichtungen  immer  das  höchste 
Lob  zollen.  Auch  der  Herr  Referent  habe  früher  öfter  betont,  dafs 
die  hiesigen  Schulen  den  an  sie  zu  stellenden  Anforderungen  voll 
und  ganz  entsprechen.  Wenn  man  aber  Schulärzte  einsetzen  und 
ihnen  alle  von  Harn  Blasius  hervorgehobenen  Funktionen  übertragen 
wolle,  so  wurden  für  die  Stadt  10 — 12  solcher  Ärzte  erforderlich 
sein,  und  das  könne  er  unter  den  obwaltenden  Verhältnissen  nicht 
för  nötig  halten. 

Herr  GOrthbb  halt  die  Forderung  von  10 — 12  Schulärzten  für 
zu  hoch  gegriffen,  da  man  mit  einer  weit  geringeren  Zahl  auszukommen 
vermöchte.  Er  wolle  aber  den  Magistrat  bitten,  die  Sache  nicht  auf 
die  lange  Bank  zu  schieben  oder  gar  in  den  Papierkorb  wandern  zu 
lassen,  und  behalte  sich  vor,  gelegentlich  an  die  Erledigung  derselben 
zu  erinnern. 

Herr  Niess  halt  die  Bedenken  des  Herrn  Reiche  für  über- 
flüssig, da  die  erledigten  Sachen  einer  weiteren  Begutachtung  nicht 
mehr  bedürfen.  Der  Herr  Referent  habe  nur  den  weitesten  Umfang 
deijenigen  Thätigkeit  kennzeichnen  wollen,  welche  einem  Schularzte 
zufallen  könnte.  Er  hoffe,  dafe  diese  Sache  schon  ins  Rollen 
kommen  werde,  sobald  sie  nur  erst  einmal  angegriffen  sei,  denn 
namentlich  die  Thätigkeit  der  Schulärzte  bei  ansteckenden  Krank- 
heiten sei  nicht  zu  unterschätzen.  Wenn  die  Kinder  rechtzeitig  vor 
Ansteckungen  gewarnt  oder  von  der  Schule  zurückbehalten  würden, 
könnte  vielleicht  manches  junge  Leben  gerettet  werden.  Es  seien 
ihm  selbst  drei  Kinder  an  der  Diphtheritis  zu  Grunde  gegangen, 
welche  sie  aus  der  Schule  mitgebracht  hätten. 

Herr  Blasius  möchte  bemerken,  dafe  man  in  der  Schulhygiene 
auf  etwa  2000  Kinder  einen  Schularzt  rechne  und  demnach  fftr  die 
städtischen  Schulen  vielleicht  6  Schulärzte  erforderlich  seien.  Im 
übrigen  habe  es  ihm  durchaus  fern  gelegen  den  städtischen  Schul- 
gebäuden irgend  einen  Makel  anzuhängen,  da  er  als  Braunschweiger 
stolz  auf  diese  Einrichtungen  sei  und  man  sie  auch  jedem  als  Muster 
hinstellen  könne.  Hier  handle  es  sich  um  Neubauten,  bei  welchen 
der  Magistrat  einen  Sachverständigen  zur  Seite  haben  solle,  an 
welchen  er  sich  wenden  könne.  Das  Wichtigste  bei  der  Einrichtung 
sei  aber  die  Kontrolle.  Man  höre  so  oft,  dafs  in  dem  einen  Schul- 
zimmer die  Luft  zu  trocken,  in  dem  anderen  zu  heife  sei,  dafe  hier 


213 

das  Lackt  zu  sehr  blende  und  man  dort  nicht  sehen  könne.  Für 
solche  Falle  müsse  ein  Sachverständiger  vorhanden  sein,  an  welchen 
sich  der  Schnldirektor  wenden  könne,  und  da  erscheine  am  der 
Schularzt  als  die  richtige  Person,  nicht  aber  ein  beliebiger  Privatarzt. 
Es  sei  dringend  notwendig,  dab  die  Schulen  in  dieser  Weise  hygie- 
nischen Schatz  erhielten.  Der  Staat  zwinge  durch  Gesetz  den  Bürger, 
seine  Kinder  in  die  Schule  zu  schicken,  dafür  habe  er,  bezw.  die 
Stadt  auch  die  Pflicht,  die  Gesundheit  der  Kinder  in  der  Schule  zu 
schlitzen  und  zu  erhalten. 

Herr  Reiche  bemerkt,  dafe  vom  ärztlichen  Vereine  schon  jetzt 
die  Bestimmungen  entworfen  seien,  nach  denen  bei  dem  Ausbruche 
ansteckender  Krankheiten  in  der  Schule  oder  deren  N&he  die  Kinder 
fortgeschickt  oder  von  der  Schule  ferngehalten  werden  sollen.  Diese  Vor- 
schriften wurden  auf  das  Peinlichste  gehandhabt,  so  dafs  die  Be- 
hauptung, die  Kinder  hatten  sich  eine  ansteckende  Krankheit  aus 
der  Schule  mitgebracht,  nicht  so  genau  zu  erweisen  sein  dürfte,  zumal 
da  sonst  in  den  Lehrerhäusern  die  Diphtheritis  gar  nicht  auf- 
hören könnte.  Es  gehe  sogar  so  weit,  dafs  ein  Lehrer  von  der 
Schule  fortbleiben  müsse,  sobald  in  seinem  Hause  oder  in  der  Nahe 
desselben  derartige  Krankheiten  herrschen. 

Der  Antrag   der  Statutenkommission  wird  darauf  angenommen. 

Die  jtagste  Sitenng  des  tentralaussehugses  zur  Förderung 
der  Jugend-  und  Valksspiele  in  Deutschland. 

Der  Ausschuß  zur  Förderung  der  Jugend-  und  Volksspiele  in 
Deutschland  hotte  sich  für  die  zwei  am  21.  und  22.  Januar  in  Berlin 
abgehaltenen  Sitzungstage  in  drei  Abteilungen  gruppiert. 

Zunächst  wurde  von  dem  Direktor  des  preufsischen  statistischen 
Amtes,  Geheimem  Oberregierungsrat  Blenck  in  Berlin,  über  den 
Stand  der  bezüglichen  Bestrebungen  im  Jahre  1892 
berichtet.  Es  lag  dafür  ein  reiches,  von  den  deutschen  Städten 
und  den  höheren  Lehranstalten  Deutschlands  eingegangenes  Material 
vorT  und  es  konnte  ein  sehr  erfreulicher  Aufschwung  der  ganzen  Be- 
wegung konstatiert  werden. 

Ein  interessanter  Vortrag  des  Vorsitzenden,  Abgeordneten  TON 
SchbnckbndOäff,  verbreitete  sich  Aber  das  Verhältnis  dieser 
Bewegung  zum  Turnen  und  zur  Turnerschaft.  Es  wurden 
dabei  folgende  Gesichtspunkte  hervorgehoben.  Schon  Guts-Muts, 
der  verdiente  Mitbegründer  der  deutschen  Turnkunst,  bezeichnete  als 
zur  Herbeiführung  einer  harmonischen  körperlichen  Schulung  erforderlich 
die  drei  Richtungen  Turnen,  Spiel  und  Erziehung  zu  werkthätiger, 
körperlicher  Arbeit,  die  heute  unter  dem  Namen  Knabenhandarbeit  all- 
gemeiner bekannt  ist.     In  der  Pflege  des  Spiels  ist  indessen  in  den 


214 

letzten  Decennien  ein  merklicher  Rückgang  in  Deutschland  ein- 
getreten. Deshalb  nahm  der  Centralansschufs  diese  Richtung  der 
körperlichen  Schulung  nach  einer  zehnjährigen  Vorarbeit,  und  zwar 
in  der  Grand  anffaasung  anf,  dafe  das  Spiel  eine  Ergänzung  des 
Turnens  bilde.  Die  Turner  und  die  Förderer  der  Jugend-  und 
Volksspiele  haben  die  gleichen  edlen  Ziele  im  Auge,  nämlich  die 
Pflege  von  Gesundheit,  Lebensfrische,  Arbeitskraft  und  Freude  am 
Dasein,  sowie  die  Stärkung  der  Volks-  und  Wehrkraft. 

Es  wurde  auch  Bericht  erstattet  Aber  die  für  das  Jahr 
1893  geplanten  Kurse  zur  Ausbildung  von  Lehrern  und 
Lehrerinnen  in  den  Jugend-  und  Volksspielen.  Hiernach 
sollen  solche  Kurse  in  17  deutschen  Städten  stattfinden.  Das  Nähere 
über  Zeit  der  Kurse  und  Namen  der  Kursleiter  wird  später  ver- 
öffentlicht werden.  Im  Jahre  1892  wurden  in  12  an  7  Orten  abgehal- 
tenen Unterrichtskursen  312  Lehrer  und  194  Lehrerinnen  für  das  Spiel 
ausgebildet. 

Am  zweiten  Sitzungstage,  an  dem  auch  Vertreter  des  Unterrichts- 
ministeriums und  des  Militärerziehungswesens  erschienen  waren,  hielten 
zwei  Ärzte  Referate  über  das  Thema:  Inwiefern  nützen  die 
Jugend-  und  Volks  spiele  der  Armee?  unter  Anschlufs  an 
die  Frage,  was  das  Heer  mit  Recht  von  der  Schule  verlangen 
könne. 

Es  wurde  dabei  von  Geheimrat  Dr.  Graf  in  Elberfeld  nachstehendes 
ausgeführt.  Die  wesentlichsten  Mängel,  welche  in  gesundheit- 
licher Hinsicht,  besonders  auf  den  höheren  Schulen,  zur  Erscheinung 
gekommen  sind,  bestehen  in  allgemeiner  Körperschwäche,  nervösen 
Herzfehlern  und  Kurzsichtigkeit;  gegen  sie  alle  haben  die  Jugend- 
spiele eine  vortreffliche  Wirkung.  Im  weiteren  wurde  die  Frage 
aufgeworfen,  ob  nicht  die  direkte  militärische  Erziehung  in  der 
Schule  ein  weit  besseres  Mittel  zur  Erreichung  körperlicher  Kräfti- 
gung sei.  Dieses  Ideal  sei  bereits  von  Fichtb,  Gneisenaü,  E.  M. 
Arndt  und  in  seiner  ersten  Periode  auch  von  Guts-Muts  em- 
pfohlen, von  dem  letzteren  aber  später  abgelehnt  worden,  wie  auch 
Jahn  und  andere  sich  verneinend  aussprachen.  Der  Referent  gab 
seine  Meinung  dahin  kund,  dafs  nur  die  allgemeine  Kräftigung  und 
harmonische  Entwickelung  des  ganzen  Körpers,  nicht  aber  ein  be- 
stimmter technisch-militärischer  Unterricht  die  von  der  Schule  zu 
fordernde  Vorbildung  für  den  Militärdienst  bilde. 

Der  Mitbericbterstatter,  Dr.  F.  A.  Schmidt  in  Bonn,  äusserte 
sich  folgendermaßen:  Die  Mittel  zur  Erhöhung  der  Wehrtüchtigkeit 
kommen  in  gleicher  Weise  der  Arbeitskraft  und  Arbeitstüchtigkeit 
des  Volkes  im  Frieden  zu  gute,  dies  um  so  mehr,  als  sie  keinen  be- 
sonderen militärischen  Charakter  haben  sollen,  sondern  in  den  Rahmen 


215 

allgemeiner  Leibesübungen  fallen.  Die  dem  Heeresdienst  voran- 
gehende Altersperiode  der  Reifeentwickelnng  vom  14.  bis  zum  20. 
Jahre  ist  körperlich  vor  allem  dadurch  charakterisiert,  dafs  das 
Wachstum  von  Lungen  und  Herz  gegenüber  dem  Wachstum  der 
anderen  Organe  und  dem  gesamten  Längenwachstum  weitaus  in  den 
Vordergrund  tritt.  Die  Übungen,  welche  für  diese  Lebenszeit  ganz 
besonderen  Wert  haben,  sind  daher  diejenigen,  welche  die  Entwickelung 
der  Atem-  und  der  Blutkreislauforgane  vorzugsweise  fördern.  Gesunde 
alisdauernde  Lungen  und  ungestörte  Herzthätigkeit  sind  auch  die  erste 
und  notwendigste  körperliche  Grundlage  für  die  volle  Marsch-  und  Feld- 
dienstfähigkeit Herz  und  Lungen  werden  aber  vor  allem  geübt 
durch  diejenigen  Bewegungsformen,  welche  reichliche  rhythmische 
Bewegung  grober  Muskelmassen,  ohne  einzelne  Muskeln  zu  über- 
müden, veranlassen;  das  sind  Marschlauf,  Bergsteigen,  Schwimmen 
und,  besonders  anregend  und  zuträglich  in  Form  der  Bewegungsspiele, 
der  Lauf.  Die  allgemeinste  Verbreitung  dieser  Übungen  ist  daher 
ftr  die  Dienstfahigkeit  und  Wehrtüchtigkeit  der  Jugend  von  aller- 
größter Bedeutung.  In  erster  Linie  ist  es  die  städtische  Jugend, 
die,  in  Werkstube,  Fabriksaal  und  Schreibstube  beschäftigt,  der  aus- 
reichenden Bewegung  im  Freien  entbehrend,  hierzu  herangeholt  werden 
muls.  Die  in  Deutschland  kürzlich  eingeführte  Sonntagsruhe  bietet 
die  zu  solchen  Spielen  und  Leibesübungen  nötige  Zeit  und  Gele- 
genheit. 

Direktor  Raydt    aus  Lauenburg   a.  £.    berichtete   über   die 
Bildung    von    Vereinen    für    Leibesübungen    in    freier 
Luft     Derselbe    sprach   sich    dahin   aus,    dafs    freilich    bei    der 
FftBe  von  Vereinen  der  Gründung  eines  neuen  leicht  ein  Vorurteil 
entgegengebracht  würde,  dafe  aber  der  Centralausschufs  in  manchen 
Fallen    doch   dazu   raten   müfste,    um  die  Leibesübungen  in  freier 
Luft  allmählich  in  Deutschland  zur  Volkssitte  zu  machen.     Solche 
Vereine  hätten  die  Pflege   der  Jugend-  und  Volksspiele,  außerdem 
das  Baden,  Schwimmen,  Rudern,  Wandern,  Radfahren,  Schlittschuh- 
laufen und  ähnliche  Übungen  in  die  Hand  zu  nehmen.    Die  Bildung 
und  Beschaffenheit  dieser  Vereine  wurde  im    einzelnen  besprochen 
und  die  Meinung  des  Centralausschusses  dahin  abgegeben,  dafs  die 
Gründung  derselben  je  nach  den  lokalen  Verhältnissen  wünschens- 
wert sei. 

Schulrat  Platen  aus  Magdeburg  referierte  über  „die  Sonntags- 
ruhe und  die  Volksspiele".  Er  führte  aus,  ein  wie  grofser 
Segen  aus  dem  neuen  deutschen  Gesetze,  betreffend  die  Sonntags- 
ruhe, in  religiöser,  geistiger  und  sittlicher  Beziehung  für  das  Volk 
erwachsen  werde,  wie  alle  materiellen  Schädigungen,  welche  teilweise 
mit  demselben  verbunden  seien,  reichlich  aufgewogen  würden  durch 


216 

die  Fülle  von  idealen  Gütern,  die  dasselbe  ermögliche.  Es  wurde 
anerkannt,  dafo  die  Alteren  Leute  sicher  einen  guten  Gebrauch  von 
der  Sonntagsruhe  machen  würden  durch  Pflege  des  Umgangs  in  der 
Familie,  Erholung  auf  Spaziergängen,  Lesen  von  guten  Büchern, 
Besuch  des  Gottesdienstes  u.  s.  w.  Redner  bestritt  aber  nicht,  dafo 
der  noch  unreifen  Jugend  damit  ein  Geschenk  gemacht  wurde,  dessen 
Verwendung  nicht  überall  die  richtige  sein  werde,  so  daft  nach 
dieser  Richtung  eine  noch  nicht  zu  übersehende  Gefahr  vorbanden 
sei.  Da  gelte  es,  Hilfe  zu  bringen.  Diese  könnten  weder  Polizei 
noch  Gesetzgebung  leisten,  es  müfsten  vielmehr  die  Erwachsenen 
eintreten.  Die  Kirche  mühe  sich  bereits  im  Dienste  der  heran- 
wachsenden Jugend.  Die  Volksspiele  seien  aber  weiter  zu  ver- 
breiten, denn  sie  bildeten  ein  wirksames  Gegenmittel  gegen  etwaige 
Verirrungen  der  Jugend.  Gelinge  es,  die  jungen  Leute  auf  die  Spiel- 
plätze zu  bringen,  so  werde  erzielt  werden,  was  das  Gesetz  nicht 
erreichen  könne,  Verhütung  sittlicher  Schäden,  Hebung  der  Jugend 
in  körperlicher,  geistiger  und  sittlicher  Hinsicht. 

Der  Ausschuß  erkannte  die  Richtigkeit  des  Gesagten  im  groben 
und  ganzen  an,  besprach  die  Wege,  auf  denen  die  Volksspiele  ein- 
zuführen seien,  und  beschloß,  gerade  diesem  Teile  seiner  Thitigkeit 
künftig  besondere  Pflege  zuzuwenden. 

Den  letzten  Vortrag  bildete  ein  Referat  des  Professor  Dr.  Koch 
aus  Braunschweig  über  die  Einrichtung  von  Wettspiel- 
kämpfen, welches  in  folgenden  Sätzen  gipfelte:  1.  Die  Wettspiele 
sind  besonders  geeignet,  das  Interesse  der  Spielenden  selbst  und  der 
Zuschauer  zu  steigern.  2.  Es  ist  wünschenswert,  daß  bei  den 
Turnfesten  regelmässig  Wettspiele  in  mustergültiger  Weise  vorgeführt 
werden.  3.  Auch  bei  Volksfesten  sollen  geeignete  Wettspiele  ihren 
stehenden  Platz  haben.  4.  Besonders  zweckmäßig  ist  es,  bei 
Schulfesten  Wettspiele  zu  veranstalten.  5.  Der  Centralauggchttfs  möge 
an  möglichst  vielen  Orten  Anregung  zur  Veranstaltung  von  Wett- 
spielen geben. 

In  den  Schlußworten  betonte  der  Vorsitzende:  die  zahlreichen 
Anregungen,  welche  diesmal  in  den  Versammlungen  gegeben  wären, 
würden  sicher  zur  weiteren,  gedeihlichen  Entwickelung  der  Be- 
strebungen für  die  Förderung  der  Jugend-  und  Volksspiele  dienen; 
mehr  und  mehr  gehe  der  Centralausschuss  von  der  blofs  theore- 
tischen Propaganda  zur  praktischen  Arbeit  über. 


217 


kleinere  Mitttüun$tn . 


Zur  Entwicklung  der  Schalbankfrage  in  Prag  liefert 
Bezirksarzt  Dr.  Em.  Lokat  einen  interessanten  Beitrag  in  dem  VII. 
und  YiU.  Jahresbericht  des  dortigen  Stadtphysikates.    Danach  finden 
sich  in  den  Prager  Schalen  drei  Arten  Sabsellien:  1.  alte  fünfsitzige 
vollständig  festen  Systems  mit  grofser  positiver  Distanz,  2.  fünfsitzige 
nach  Kunze-Schildbach  mit  verschiebbarem  Schreibpnlt  and  einer 
positiven  Distanz  bis    zu  2  cm    bei  aufgezogenem   Pult;    dieselben 
besitzen    eine    senkrechte  Rückenlehne,    gebildet  durch  die  hintere 
Bank,  3.  zweisitzige  Bänke  mit  überlegbarem  Schreibpult,  senkrechter 
Rackenlehne  and  einer  positiven  Distanz  von  0  bis  3  cm.    Der  Zahl 
nach  sind  die  unter  1  genannten  Bänke  die  häufigsten,  dann  folgen 
die  unter  2  und  zuletzt  die  unter  3  angeführten.     In  allen  diesen 
Sabsellien  safeen  die  Kinder  beim  Unterrichte  mit  senkrecht  gehaltenem 
Rumpfe,  durch  die  Lehne  nur  unterhalb  der  Lenden  gestützt,   and 
neigten  beim  Schreiben  wegen  der  grofsen  Entfernung  des  Schreib- 
pultes vom  Körper  den  Rumpf  vor.  Dem  Stadtphysikus  Dr.  Zähor 
lag  nun  vor  allem  daran,  in  den  Prager  Schulen  Versuche  mit  den 
zum  Sitzen  in  der  Reklinationslage  eingerichteten  oder  mit  Neigung 
nach  rückwärts  versehenen  Sabsellien  anzustellen,  d.  i.  solchen  Bänken, 
welche  hohe,  bis  zu  den  Schulterblättern  reichende  und  nach  rück- 
wärts geneigte  Lehnen  besitzen,  ausserdem   aber  eine  grofse  Minus- 
distanz zum   Schreiben  haben.     Wurde  doch  diese  Art  des  Sitzens 
nach  den  neusten  Forschungen  von  Professor  Dr.  Lorenz  in  Wien  l 
und  Dr.  Schenk  in  Bern2   als  die   einzig  richtige  anerkannt,  da 
sie  ein  natürliches  Sitzen    für   längere  Zeit   ermöglicht  und  so  die 
Entstehung  von  Skoliose  und  Myopie  am  besten  verhindert.  Ferner  sollte 
ein  für  allemal  das  beliebige  Sitzanweisen  in  den  Schulbänken,  ohne 
dafe  vorher  die  Körperlänge  der  Kinder  gemessen  worden  war,  auf- 
hören, d.  h.  es  sollten  Bänke  nach  bestimmten  Gröfsenmustern  ein- 
geführt werden  und  die  Schüler  hier  je  nach  der  Körperlänge  Platz 
finden.    Schliefslich  wurde    verlangt,    dafs   anstatt  der  fünfsitzige n 
Sabsellien  zwei-  oder  dreisitzige  zur  Einführung  kämen.    Die  schwie- 
rigste Aufgabe    bei    der    Durchführung    dieser  Verbesserungen  war, 


1  8.  diese  Zeitschrift,  1888,  No.  3,  S.  102 ;  1889,  No.  10,  S.  546   bis 
547.   D.  Red. 

1  8.  diese  Zeitschrift,  1888,  No.  9,  S.  314;  1889,  No.  5,  S.  230.  D.  Red. 

Sehulgeraiidheitipfleff«  VI.  |5 


218 

dafs  die  Subsellien,  welche  zum  Sitzen  in  der  Reklination  eingerichtet 
werden  sollten,  derart  konstruiert  werden  muteten,  dafs  ihre  Dimension, 
Form  und  ganze  Modificierung  dem  Sitzen  in  der  genannten  Lage 
genau  entsprach.  Diese  Dimensionen  mufsten  erst  durch  Messungen 
der  Kinder  und  praktische  Versuche  ermittelt  werden.  Es  wurde 
daher  die  Körperlange  von  3330  Schulkindern,  Knaben  und  Mädchen, 
zugleich  aber  auch  vermittelst  einer  besonders  konstruierten  beweg- 
lichen Bank  die  Mafce  bestimmt,  welche  den  einzelnen  Teilen  des 
kindlichen  Körpers  entsprechen.  Auf  diese  Weise  ergab  sich  neben- 
stehende Tabelle,  in  der  sämtliche  Dimensionen  sich  auf  Centimeter 
beziehen.  Zur  Begründung  dieser  Zahlen  sei  noch  bemerkt:  1.  Das 
Schreibpult  muls  eine  erhebliche  Neigung  haben,  und  zwar  mindestens 
17  °;  bei  noch  gröfserer  Neigung  desselben  erzielt  man  auch  eine 
bessere  Körperhaltung  in  der  Reklination.  Ohne  besondere  Aufforde- 
rung dazu  schrieben  alle  Kinder  in  der  Reklination  dann,  wenn 
das  Schreibpult  eine  Neigung  von  30°  erhielt.  Eine  so  starke  Nei- 
gung ist,  soweit  bekannt,  bisher  blofe  an  der  Schulbank  von  Dr. 
Schenk  und  Ingenieur  Stauffbr  durchgeführt.  2.  Die  Lehne  muls 
zwar  anch  geneigt,  allein  der  Neigungswinkel  auf  jeden  Fall  geringer 
sein,  als  der  Neigunsgswinkel  des  Pultes,  denn  erst  jener  Winkel, 
welcher  die  Differenz  zwischen  dem  Neigungswinkel  der  Lehne  and 
der  Neigung  des  Schreibpultes  bildet,  ist  der  eigentliche  Neigungs- 
winkel des  Schreibpultes  zum  Körper  des  Kindes.  3.  Der  Sitz,  der 
keiner  besonderen  Aushöhlung  bedarf,  sei  nach  rückwärts  geneigt, 
ähnlich  wie  das  Scbreibpult,  aber  nicht  in  einem  so  groben  Winkel. 
Die  Neigung  des  Sitzes  hat  den  Zweck,  zn  verhüten,  da£s  der 
Körper  des  Schülers  an  der  geneigten  Fläche  der  Lehne  beim 
gleichzeitigen  Rutschen  desselben  auf  dem  Sitze  nach  vorne  gleite. 
4.  Die  Lehne  soll  von  den  Hüften  bis  zu  den  Schultern  reichen 
und  kann  aus  einem  flachen  Brette  bestehen.  5.  Die  Differenz  muls 
derart  sein,  dafe  das  Kind  leicht  den  Ellenbogen  auf  das  Schreibpult 
legen  kann,  ohne  sich  vorbeugen  zu  müssen.  6.  Die  Distanz  muls 
dem  Schüler  die  Möglichkeit  gewähren,  beim  Stehen  in  der  Bank 
genügend  Raum  zu  finden,  andererseits  aber  beim  Sitzen  in  derselben 
das  Pult  zum  Schreiben  so  nahe  am  Körper  zu  haben,  dafe  er  auf 
dasselbe  leicht  die  Arme  legen  kann.  Überhaupt  soll  die  vertikale 
Linie,  die  vom  inneren  Rande  des  Schreibpultes  zum  Sitze  fuhrt, 
den  letzteren  in  einem  Punkte  durchschneiden,  welcher  der  Vereini- 
gung der  beiden  Sitzknorren  möglichst  nahe  liegt,  ohne  dafs  aber 
hierbei  der  Körper  des  Schülers  durch  die  vordere  Kante  des 
Schreibpultes  beengt  wäre.  Jedenfalls  darf  die  negative  Distanz 
niemals  weniger  als  10  cm  betragen.  7.  Damit  der  Körper  frei 
und   gegen   das  Schreibpult  nicht  angedrückt  sei,  mufs   hinter  dem 


219 


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220 

Sitze,  zwischen  diesem  und  der  Lehne  ein  kleiner  Raum  für  die 
Sitzmuskeln  und  die  Kleider  geschaffen  werden.  Weil  die  Lehne 
erst  bei  den  Lendenwirbeln  beginnt,  ist  anfserdem  auch  ein  senk- 
rechter freier  Raum  von  der  Lehne  bis  zum  Sitze  vorhanden. 
8.  Keine  zum  Sitzen  in  der  Reklination  konstruierte  Bank  kann  eines 
Fufsgestells  entbehren.  Weil  der  Sitz  nach  rückwärts  geneigt  ist, 
würden  die  Füfse  des  Kindes  beim  Ausruhen  auf  der  Erde  in  einem 
scharfen  Winkel  gebogen  sein,  was  ein  Hindernis  für  den  Blut- 
kreislauf nicht  blofs  in  den  Füfsen,  sondern  auch  im  Unterschenkel 
wäre,  da  das  Sitzbrett  scharf  in  die  Kniebeuge  einschneiden  würde. 
Es  ist  daher  notwendig,  den  Fufe  behufs  Bildung  eines  rechten 
Winkels  im  Fufsgelenk  beim  Sitzen  etwas  nach  vorn  und  in  die 
Höhe  zu  richten,  was  am  besten  durch  ein  gehörig  konstruiertes 
und  hinreichend  breites  Fufsbrett  geschieht.  Es  blieb  sodann  noch 
die  Lösung  der  Frage  übrig,  wie  diese  Tabellen  praktisch  zu  ver- 
werten, d.  h.  welche  Schulbanknummern  und  wieviele  von  denselben 
für  die  einzelnen  Klassen  erforderlich  seien,  wofür  natürlich  die 
Körpermessungen  der  Schüler  den  Ausschlag  gaben.  Dabei  stellte 
sich  heraus,  dafs  in  der  ersten  Klasse  der  Volksschule  die  meisten 
Kinder  für  Nummer  HI  geeignet  waren,  ferner  daß  die  Höhengrenzen 
hinab  bis  zu  Nummer  I  und  hinauf  bis  zu  Nummer  V  reichten.  Für  die 
zweite  Klasse  wurde  No.  IV  am  meisten  gebraucht,  die  äufsersten 
Nummern  waren  hier  II  und  VI,  und  entsprechend  stiegen  die 
Nummern  auch  in  den  höheren  Klassen,  indem  nötig  waren  für  die 
dritte  Klasse  IH,  V,  VII,  für  die  vierte  Klasse  IV,  VI,  VHI,  für 
die  fünfte  V,  VH,  VIH,  für  die  sechste  der  Bürgerschule  VI,  VHI, 
IX,  für  die  siebente  VH,  VHI,  X  und  für  die  achte  VHI,  IX,  XL 
Wenn  für  alle  Klassen  zwei-  und  dreisitzige  Bänke  beschafft  werden, 
die  man  der  Raumersparnis  wegen  auch  aneinander  stellen  kann, 
so  lassen  sich  so  zahlreiche  Kombinationen  herstellen,  dafs  jedes 
Kind  ein  seinem  Wüchse  angemessenes  Subsellium  erhält.  Allerdings 
ist  dann  erforderlich,  für  jede  Bank  eine  besondere  Lehne  zu  kon- 
struieren, da  die  durch  die  hintere  Bank  gebildete  Lehne  bei 
hintereinandergestellten  Nummern  verschiedener  Gröfse  oft  unzweck- 
m&fsig  wäre. 

Die  Entstehung  der  Schulkurzsichtigkeit  wird  von  Regiments- 
arzt Dr.  K.  Hoor,  Docenten  an  der  Universität  Budapest,  im 
„Militärarzt"  erörtert.  Verfasser  glaubt,  dafs  in  betreff  der  in 
Rede  stehenden  Frage  zu  wenig  Gewicht  auf  die  Vererbung 
gelegt  und  den  schädlichen  Einflüssen  der  Schule  eine  zu  grofse 
Bedeutung  beigemessen  werde.  Er  hat  in  den  vergangenen  zwei 
Jahren  123  myopische  Wehrpflichtige,  bezw.  Rekruten  untersucht, 
von  denen  er  87  für  seine  tabellarische  Zusammenstellung  verwendete. 


221 

Unter  diesen  87  Myopen  war  bei  49  ein  schädlicher  Einfluß  der 
Nahearbeit   oder  des  Stadiums    unbedingt   auszuschließen ;    dagegen 
konnte  Vererbung  in  37  Fällen  ziemlich  sicher  nachgewiesen  werden. 
Die  schwersten  Komplikationen  wurden  gerade  bei  solchen  festgestellt, 
deren  Myopie  als  Schul-  oder  Arbeitsmyopie  nicht  aufgefafst  werden 
konnte.     Aus  dem  Umstände,  dafe  mehr  als  die  Hälfte  der  Myopen 
nicht  Schul-  oder  Arbeitsmyopen   waren   und   dafe   andererseits  bei 
mehr  als  einem  Drittel  derselben  Vererbung  nachzuweisen  war,  schliefst 
Hoor,    dafe    diese  Fälle   auf  Vererbung  zu  beziehen  seien  und  dafs 
für  die  geringere  Zahl  von  Kurzsichtigen,  welche  Schulen  besuchten, 
der  Beweis  durchaus  nicht  erbracht  sei,    dais    sie  es   infolge   ihrer 
Studien  geworden  sind.     Bei  14  Kurzsichtigen  seiner  Privatambulanz 
war  er  ebenfalls  im  stände,  in  11  Fällen  Erblichkeit  nachzuweisen, 
wahrend   Nahearbeit    als    Ursache    der   Myopie    in    6    Fällen    aus* 
geschlossen  werden  konnte.     Unter  1157  Schulkindern,  die  er  unter- 
sachte, fanden  sich  29  Kurzsichtige,    zumeist  mit  Myopie  zwischen 
0,5  und  1,5  Dioptrien;  darunter   waren  aber  auch  Myopen  von  3, 
6,  8,  10  und  12  Dioptrien.     Die  höchsten  Grade  hatten  nur  halbe 
Sehschärfe  und  schwere  Komplikationen.     Diese  Kinder  standen  aber 
im  Alter  von  7 — 10  Jahren  und  besuchten  erst  2  oder  3  Jahre  die 
Schule.     Auch  in  diesen  Fällen  mufste  daher  an  Vererbung  gedacht 
werden.      Der  Verfasser   bezeichnet   derartige  Fälle   als  diejenigen, 
welche  den  Durchschnittsgrad  der  Myopie  in  den  oberen  Klassen  so 
hoch  gestalten,  da  anzunehmen  ist,  data  diese  Myopien  sich  zu  den 
höchsten  Graden    entwickeln    und   nach    fortgesetztem    Studium    im 
18. — 19.  Lebensjahre   bei    der   Assentierung    als    Fälle    hingestellt 
werden,  die  durch  das  Studium  so  hochgradig  geworden  sind.     Gewifs 
hätten  dieselben  aber  auch,   wenn  ihre  Augen  durch  Nahearbeit  gar 
nicht  in  Anspruch  genommen  worden  wären,  einen  derartigen  Grad 
von  Kurzsichtigkeit  erreicht.     Auch  bei  mehreren  Individuen,  deren 
eines  Auge  durch  Schielstellung  vom  Sehakte  vollkommen  ausgeschlossen 
war,  konnte  Hoor  einen  raschen  Fortschritt  der  vorhandenen  Myopie 
dieses  Auges  feststellen.     Nach  seiner  Ansicht  erreicht  ein  Auge  mit 
ererbter  Anlage  zu  hochgradiger  Kurzsichtigkeit  den  höchsten  Grad, 
selbst   wenn    es  zu  Nahearbeit  nicht  herangezogen  wird.      Ist  die 
ererbte  Disposition  nur  für  mittlere  Grade  der  Myopie  vorhanden, 
so  wird  das  Auge  in  mittlerem  Grade  kurzsichtig,   gleichgültig,  ob 
es  zur  Nahearbeit  herangezogen  wird  oder  nicht.     In  solchen  Fällen 
kam   aber   dauernde  Nahearbeit,    namentlich  unter  den  bekannten 
SfAnlsrhädlkhkeiten,  das  Auge  rascher  an  die  Grenzen  dieser  Kurz« 
suutigkeit  bringen.     In  Beziehung  auf  das  Letzterwähnte  hält  HoOE 
die  Maferegetn,    welche   auf  Verhinderung  der  Arbeits-  od  Schul- 
konsktatigkeit  hinzielea,  ftr  durchaus  gerechtfertigt. 


222 

Gesundheitsschädliche  BescUftigugsmittel    in    Kinder- 

girtei.  In  der  „Wochschr.  f.  emhäü.  Jugderehg.  u.  VolksbOdgS 
richtet  eine  Kindergärtnerin  folgende  beherzigenswerte  Mahnung  an 
ihre  Kolleginnen:  So  sehr  ich  die  edlen  Gedanken  Feöbblö  be- 
wundere und  schätze,  so  erlaube  ich  mir  doch  im  Interesse  der  uns 
anvertrauten  Kleinen,  ein  Wort  gegen  eine  in  das  FnöBELsche  System 
eingereihte  Beschäftigung  zu  richten.  Es  ist  das  Ausstechen.  Meines 
Wissens  hat  man  sich  noch  nie  öffentlich  dagegen  ausgesprochen,  und 
doch  mms  jede  aufmerksame  Kindergärtnerin  eingestehen,  dafs  das 
Ausstechen  nicht  nur  die  Augen  sehr  anstrengt,  sondern  auch  die 
Nerven  in  hohem  Mafse  erregt.  Fröbkl  weist  auf  die  Genauigkeit, 
Sorgfalt  und  Sauberkeit  hin,  an  die  sich  das  Kind  gewöhnen  soll 
beim  Ausstechen.  Weiter  sagt  er,  die  Phantasie  und  Ausdauer 
werden  dadurch  genährt  und  geübt,  die  Willenskraft  und  die  Sinne 
fürs  Praktische  gestärkt  und  die  Freude  an  Geschaffenem  gepflegt. 
Das  lälst  sich  ja  alles  nicht  bestreiten,  und  doch  ist  der  Schaden, 
der  durch  das  Ausstechen  vielfach  entsteht,  weit  bedeutender  als 
jene  Vorzüge,  die  wir  mit  andern  geeigneten  Beschäftigungen  auch 
erreichen  können.  Erstens  ist  es  das  durch  diese  Thätigkeit  ver- 
anlagte krumme  Sitzen,  das  die  Kinder  ermüdet.  Zweitens  wird 
durch  das  fortwährende  Richten  des  Auges  auf  die  feinen  Linien, 
denen  nachgestochen  werden  mufs,  dasselbe  geschwächt;  dies  kann 
ein  unheilbares  Übel  zur  Folge  haben.  Dann  sind  die  spitzen  Nadeln 
gar  gefährliche  Werkzeuge,  denn  wie  schnell  hat  eines  sich  selbst 
oder  den  Nachbarn  verletzt,  da  es  für  die*  Kindergärtnerinnen 
unmöglich  ist,  jedes  Kind  immer  im  Auge  zu  behalten.  Der  Zweck 
des  Ausstechens  wird  beim  Zeichnen  ebenso  gut  erreicht;  ist  doch 
ersteres  nichts  als  ein  Zeichnen  mit  Punkten.  Man  kann  das  Aus- 
stechen daher  fuglich  weglassen,  ohne  Besorgnis,  irgend  eine  im 
Kinde  schlummernde  Fähigkeit  vernachlässigt  zu  haben.  Schonen 
wir  unsere  Kleinen,  und  helfen  wir  ihnen,  ihr  köstlichstes  Gut,  die 
Augen,  fürs  spätere  Leben  gesund  und  kräftig  zu  erhalten! 

Zar  Heilung  des  Stotterns  bei  Schulkindern  macht  Dr. 
E.  Winokleb  Bemerkungen  in  der  „Wien.  med.  Wochschr."  Unter 
14  Stotterern,  die  durch  eine  sonst  gute  Behandlung  eines  Sprach- 
lehrers nicht  gebessert  werden  konnten,  fand  Verfasser  8  mit  voll- 
ständiger Verstopfung  der  Nase  durch  hochgradige  adenoide  Vege- 
tationen, 1  mit  Verlegung  der  Nase  durch  seitliche  Verbiegung  der 
Nasenscheidewand  und  mit  sehr  behinderter  Nasenatmung,  2  mit 
polypenartigen  Schwellungen  der  unteren  und  mittleren  Nasenmuscheln, 
3  mit  Wucherung  der  Mandeln.  Eine  genaue  Inspektion  hätte  nach 
der  Ansicht  Winoklers,  die  derselbe  durch  Mitteilung  von  6  ander- 
weitigen Krankengeschichten  erhärtet,  die  Kinder  vor  den  fruchtlosen 


223 

Übungen  bewahren  können.     Jeder  Stotternde  ist  demnach  vor  Beginn 
des  Unterrichts  einer  gründlichen  Untersuchung  der  Brost-  und  Hals- 
organe, sowie  der  Nase  zu  unterwerfen.    Finden  sich  Veränderungen, 
welche  die  nasale  Atmung  behindern,    so    müssen   diese    vor    jeder 
weiteren  Behandlung  beseitigt  werden.  Ebenso  sind  vergrößerte  Gaumen- 
mandeln, Rachen-  und  Kehlkopfkatarrhe  zunächst  zu  berücksichtigen. 
Schwächliche  Kinder  bedürfen  einer  Kräftigung  des  Organismus,  alle 
Stotternden  überhaupt  eines  geregelten  und  guten  Allgemeinbefindens. 
Die   specielle  Behandlung   ist   eine   symptomatische:    bei    Atmungs- 
st&rung  ausgiebige  Atem-  und  Stimmgymnastik,  erst  dann,  d.  h  nach 
ungefähr  4 — 6  Wochen,  dürfen  die  gegen  die  Sprachparoxysmen  ge- 
richteten Sprach-  und  Leseübungen  beginnen.     Die  Wahl  der  Methode 
richtet  sich  nach  den  jedesmal  hervortretenden  Symptomen. 

Über  die  Verbreitung  ansteckender  Krankheiten  durch 

Milchgenufs  und  die  dagegen  zu  ergreifenden  sanitätspolizeilichen 
Madsregeln    teilt     die     »Ztschr.    /*.    Nahrgsmittuntschg.    u.    Hyg.u 
einen   Bericht   des   Dr.  Petersen  in  Kiel  mit.     Derselbe    kommt 
unter  Berücksichtigung  der  einschlägigen  Litteratur  zu  dem  Ergeb- 
nisse,   dafe   die   Milch  sowohl  im  tuberkulösen  Euter,  als  auch  von 
anfeen  durch  Berührung  mit  kranken  Personen,  infektiösen  Gegen- 
ständen und  Stoffen,  ferner  durch  Luft  und  Wasser  Keime  ansteckender 
Krankheiten  in  sich  aufnehmen  kann.   Die  Keime  finden  in  derselben 
einen  geeigneten  Nährboden,  auf  dem  sie  sich  leicht  weiter  entwickeln. 
Durch  Aufkochen  der  Milch  werden  sie  zum  Teile,  durch  Sterilisieren 
aDe   getötet.      Tuberkulose,    Cholera,    Typhus,    Maul-  und   Klauen- 
seuche werden  sicher,  Milzbrand  und  Scharlach  wahrscheinlich  durch 
Milchgenufs   verbreitet     Dagegen   ist    die   Weiterverbreitung   nicht 
unzweifelhaft  erwiesen   bei   der   Diphtherie,    der   Lungenentzündung 
und  den  Masern,  sowie  bei   den  übrigen  Infektionskrankheiten  und 
Zoonosen.     Aufgabe  der  Sanitätspolizei  ist  es,  das  Publikum  gegen 
die  Gefahr   zu  schützen,    einmal   durch   öffentliche   Belehrung,    die 
Milch  nur  gekocht  zu  geniefeen,  dann  aber  besonders  durch  streng 
durchgeführte  Milchkontrolle,    die   nicht   nur   auf  dem  Markte  aus- 
geübt werden,  sondern  schon  an  der  Produktionsstelle  ihren  Anfang 
nehmen  mufs.    In  den  sogenannten  „Milchstationen"  für  Schulkinder 
sollte  demnach  nur  gekochte  Milch  verabreicht  werden. 

Gefahren  für  Kinder,   welche  Gegenstände  ans  Cellnloid 

tragen«  Plötzliche  Entzündung  eines  Haarkammes  aus  Cellnloid- 
Substanz  entstand,  wie  „Le  motwern.  hyg.u  berichtet,  bei  einem 
Mädchen,  welches  etwa  eine  Stunde  lang  nahe  bei  einem  Ofen, 
der  zum  Glühendmachen  von  Bügeleisen  brannte,  seine  Schul- 
aufgaben machte.  Das  Kind  befand  sich  etwa  50  bis  60  Genti- 
meter  von   dem  Ofen   entfernt.     Erfahrungsgemäfs  bilden   sich   um 


224 

solche  stark  geheizten  Öfen  hemm  manchmal  überhitzte  Luftschichten, 
selbst  auf  gröfeere  Entfernung.  Der  Verfasser  der  betreffenden 
Mitteilung,  L.  Faucher,  nimmt  daher  die  Gelegenheit  wahr,  bei 
der  leichten  Brennbarkeit  des  Celluloids  auf  die  dadurch  entstehenden 
Gefahren  aufmerksam  zu  machen  und  zur  Vorsicht  bei  dem  Gebrauch 
dieser  Masse  zu  mahnen.  Diese  Vorsicht  sollten  auch  Knaben  be- 
obachten, welche  Halskragen  oder  Handmanschetten  aus  Celluloid 
tragen. 


Saje<)efd)t4tliil)e0* 


Pädagogischer  Weltkongrefs  in  Chicago«  In  Verbindung 
mit  der  diesjährigen  Weltausstellung  in  Chicago  wird  eine  Reihe 
internationaler  Kongresse,  darunter  auch  ein  solcher  für  Erziehung, 
abgehalten  werden.  Derselbe  findet  in  der  Woche  vom  24.  bis 
30.  Juli  statt,  und  zwar  sind  für  die  allgemeinen  Sitzungen  die 
Abende  des  25.  und  28«  Juli,  für  die  Sektionssitzungen  die  Vor- 
und  Nachmittage  des  26.,  27.  und  28.  Juli  in  Aussicht  genommen. 
Unter  den  Sektionen  befindet  sich  auch  eine  solche  für  körperliche 
Erziehung,  für  Experimentalpsychologie,  für  Handfertigkeitsunterricht 
und  für  Kindergärten.  Die  betreffenden  Vorsitzenden  sind:  Direktor 
Edward  M.  Hartwell  in  Boston,  Rektor  der  Clark  Universität 
6.  Stanley  Hall  in  Worcester,  Professor  am  technologischen 
Institute  John  D.  Runklb  in  Boston  und  Frau  J.  L.  Hughbs  in 
Toronto.  Aus  der  grofsen  Zahl  der  zur  Besprechung  gelangenden 
Themata  heben  wir  nur  folgende  hervor:  Welche  Reformen  sind 
beim  Bau  und  der  Einrichtung  neuer  Schulgeb&ude  anzustreben, 
welche  hygienischen  Rücksichten  dabei  zu  nehmen?  Das  beste  System 
der  Gymnastik.  Die  Stellung  und  Hauptaufgabe  des  gymnastischen 
Unterrichts  in  Schulen  und  Colleges.  Welche  hygienisch-statistischen 
Untersuchungen  sollen  jahrlich  an  Schülern  angestellt  werden?  Ist 
eine  ärztliche  Inspektion  der  Schulen  wünschenswert?  Sollen  diejenigen, 
welche  die  physische  Erziehung  überwachen,  Doktoren  der  Medizin 
sein?  Die  Notwendigkeit,  bei  der  körperlichen  Ausbildung  und 
Gesundheitspflege  die  vitalen  Organe  ebenso  gut  wie  die  Muskeln 
im  Auge  zu  behalten.  Wenn  die  Muskeln  sich  durch  die  Übung 
des  Willens  entwickeln,  in  welcher  Weise  werden  die  vitalen  Organe 
mit  ihrer  unwillkürlichen  Thätigkeit  am  besten  ausgebildet?  Soll 
der  Elementarunterricht  mit  dem  Kindergarten  beginnen?  Ist  die 
FnöBELsche  Methode .  auch   nach    dem   Besuche   des  Kindergartens 


225 

noch  beizubehalten  ?  Wie  können  Kindergarten  und  Elementarschale 
organisch  miteinander  verbünden  werden?  Worin  besteht  der 
erziehliche  Wert  des  Handfertigkeitsunterrichts?  Welches  ist  der 
beste  Lehrgang  fflr  eine  Handfertigkeitsschule?  Vergleich  zwischen 
dem  französischen,  deutschen,  schwedischen  und  amerikanischen 
Handfertigkeitssystem  und  den  damit  erzielten  Erfolgen.  In  welchem 
Alter  sollen  Kinder  mit  dem  Handfertigkeitsunterricht  beginnen? 
Nähere  Auskunft  über  alle  den  „Pädagogischen  Weltkongreß 
betreffenden  Fragen  erteilt  W.  T.  Harris,  Commissioner  of 
edncadon  of  the  United  States,  Washington,  District  of  Columbia, 
L .  S.   A. 

Eine  Epidemie  von  hysterischen  Krämpfen  in  einer  sohle- 
stechen  Dorfschule.    Unter  dieser  Überschrift  macht  Professor  Dr. 
L.  Hirt  in  der  „Berl.  Klin.  Wochsehr."  Mitteilung  über  eine  eigen- 
tümliche Massenerkrankung,  welche  sich  in  der  Schule  zu  Grob-Tinz 
bei  Liegnitz  gegen  Mitte  des  vorigen  Jahres  zugetragen  hat.    Der  erste 
Fall  ereignete  sich  am  28.  Juni,  an  welchem  Tage  ein  zehnjähriges 
Madchen    ohne   jede   nachweisbare   Veranlassung   zunächst  mit  der 
rechten  Hand,  dann  allmählich  mit  der  gesamten  Körpermuskulatur 
zu  zittern  anfing,   ein  Zustand,  der  etwa  eine  halbe  Stunde  anhielt 
und   ohne    alle  Folgen   vorüberging.     Am    nächsten  Tage  trat  das 
Zittern  schon  bei  mehreren  Mädchen  auf,  ganz  in  analoger  Weise,  indem 
es  gleichfalls  7* — 1   Stunde    währte.     Dabei    waren    es   nicht   die 
Nachbarinnen,    welche    erkrankten,   sondern    Kinder,    die    mehrere 
Bänke    voneinander    getrennt   saCsen.      Die  Zitterattacken   kehrten 
nun  regelmäßig  täglich  wieder  und  dauerten  immer  länger,  so  dafe 
der  Schulunterricht,    da   die    befallenen    Mädchen    nicht   schreiben 
konnten,  zu  leiden  begann.     In  viel  höherem  Maise  aber  ward  dies 
der  Fall,    als    eines    Tages    zu    Anfang   Juli    eins    der   zitternden 
Midchen  von  Krämpfen  befallen  wurde  und  unter  die  Bank  stürzte. 
Obwohl  der  Lehrer  dieses  Kind,  welches  während  der  Krämpfe  das 
Bewußtsein  nicht  verlor,  sofort  aus  der  Klasse  entfernte,   so  traten 
doch  bald    mehrere    neue    Krampfanfälle    bei   bis    dahin    gesunden 
Mädchen  auf,  und  am  19.  Juli  betrug  die  Zahl  der  Erkrankten 
bereits  20.     In  der  Zeit  etwa  vom    14. — 20.   Juli  gestaltete  sich 
der  Unterricht  für  Lehrer  und  Schulkinder  gleichmäfsig   aufregend 
«ad  gewährte  dem  medizinischen  Beschauer  ein  sehr  merkwürdiges 
Bild.    Fast  auf  jeder  Bank  traten  Krampfanfälle  auf,   die  Konvul- 
sionen ergriffen  die  ganze  Körpermuskulatur,   die  Mädchen  stürzten 
unter  die  Bänke  und  muteten  von   den  in   der  Klasse   befindlichen 
Knaben  hinaustransportiert  werden,  wo  dann  die  Anfälle  nach  ver- 
schieden langer,    zwischen   1A  und  1  Stunde    schwankender  Dauer 
allmählich  verschwanden.     Dabei  ist  noch  besonders  hervorzuheben, 


226 

dafe  auf  dem  Höhenpunkt  der  Epidemie  von  den  20  erkrankten 
Mädchen  8  während  der  Krämpfe  das  Bewußtsein  verloren  und  nach 
dem  Erwachen  von  dem  Geschehenen  absolut  nichts  mehr  wufsten. 
Der  Eintritt  der  Sommerferien  am  27.  Juli  machte  der  Sache, 
nachdem  38  Mädchen  bereits  am  20.  vom  Unterrichte  befreit 
worden  waren,  ein  vorläufiges  Ende.  Die  32  Knaben,  welche  in 
derselben  Klasse  unterrichtet  wurden,  hatten  vom  20. — 27.  Juli 
noch  Schule.  Die  Ferien  dauerten  bis  zum  19.  August.  Der 
Wiederbeginn  der  Schulstunden  führte  alle  Kinder  von  neuem  zu- 
sammen. Man  nahm  den  Unterricht  wieder  auf,  und  von  Zittern 
war  keine  Rede  mehr.  Dagegen  klagten  mehrere  Kinder  Ober 
heftige  Kopfschmerzen,  welche  so  stark  waren,  dafs  man  die 
Mädchen  —  es  waren  wiederum  nur  weibliche  Kranke  —  nach 
Hause  schicken  mufste.  Während  der  Dauer  der  Herbstferien 
jedoch  schwanden  auch  die  Kopfschmerzen  ohne  besondere  ärztliche 
Hilfe,  und  bei  Wiederbeginn  des  Unterrichts  am  20.  Oktober  war 
„die  alte  Spannkraft  und  Frische  und  die  Fröhlichkeit  am  Lernen 
bei  sämtlichen  Kindern  in  voDem  Umfange  wiedergekehrt".  Zwei 
Mädchen  boten  insofern  eine  Komplikation,  als  sie  zwar  auch  an 
hysterischen  Krämpfen  gelitten  hatten,  sich  aber  schon  auf  dem 
Wege  der  Besserung  befanden,  als  ein  neues  krankmachendes 
Moment  auf  sie  einwirkte,  nämlich  der  Schreck.  Eine  von  ihnen 
wurde  in  der  Nacht  jäh  aus  dem  Schlafe  durch  eine  Feuersbrunst 
geweckt,  die  andere  von  einem  wütenden  Hunde  angefallen.  Als 
Professor  Hibt  das  erstere  zwölfjährige  Mädchen  Ende  September 
sah,  liefs  es  nichts  anderes  Abnormes  erkennen,  als  eine  hochgradige 
Schwäche  beider  Beine.  Es  vermochte,  wenn  man  es  aufrichtete, 
nicht  zu  stehen,  sondern  knickte  mit  den  Beinen  zusammen;  ebenso 
war  es  absolut  unmöglich,  dasselbe  zu  einem  Schritte  zu  bringen; 
weinend  erklärte  das  Kind,  es  könne  nicht  laufen,  und  man  mutete 
es  thaisächlich  ununterbrochen  tragen.  Dabei  war  die  Empfindung 
am  ganzen  Körper  völlig  normal.  Wenige  Minuten  nach  Beendigung 
der  Untersuchung  durchlief  ein  konvulsivisches  Zittern  den  ganzen 
Körper  der  Patientin,  die  Muskeln  wurden  brettartig  hart,  die 
Atmung  war  beschleunigt  und  unregelmäßig ,  und  es  entwickelten 
sich,  indem  Schaum  vor  den  Mund  trat,  klonische  und  tonische 
Krämpfe  bei  völligem  Verluste  des  Bewußtseins.  Bald  wurde  das 
Kind  auf  dem  Sofa  auf-  und  niedergeschleudert,  der  Körper 
krümmte  sich  bogenförmig,  und  deutlich  traten  nunmehr  Hailucina- 
tionen  ängstlichen  und  schmerzlichen  Inhalts  auf,  wobei  das  Mädchen 
sich  unter  der  Steppdecke  verbarg  und  Zeichen  hochgradiger  Furcht 
erkennen  liefs.  Endlich  folgten  allgemeine  Delirien ;  sie  sah  schwarze 
Männer,  gegen  welche  sie  eindringlich  um  Schutz  bat.    Alles  dieses 


227 

dauerte  zusammen  etwa  7a  Stunde,  dann  brach  allgemeiner  Schweift 
ans.     Wie  zu  Anfang  des  Anfalles,  so  trat  auch  jetzt  noch  einmal 
das  Zittern  auf,  darauf  wurde  das  Kind  ruhiger  und  schlief  endlich 
ein.    Diese  Krämpfe  kehrten  nach  Aussage  der  Mutter  täglich  drei- 
mal zu  bestimmter  Stunde  wieder.     In  der  Zwischenzeit  war  das 
Madchen  durchaus  munter  und  vergnügt.    Einen  ähnlichen  Charakter 
zeigten  auch  die  Anfälle  bei  der  zweiterwähnten,  gleichfalls  zwölf- 
jährigen Patientin.     Der  einzige  Unterschied  war,  dafs  dieselbe  sich 
in  der  Hallucinationsperiode  besonders   vor  Hunden   fürchtete  und 
während  der  Anfälle  wiederholt  2 — 3  Minuten  lang  wie  ein  Hund 
bellte  und  winselte.    Das  Bellen  erfolgte  so  heftig,  daft  man  es  bis 
auf  die    Strafte    hinab   hörte.      Aufterdem    wiederholten   sich   die 
Krämpfe  nur  einmal  täglich,  und  zwar  immer  gegen  Abend.  Professor 
HIBT  sieht  in   der  geschilderten  Schulepidemie  hysterische  Erkran- 
kungen, wenn  auch  gerade  das  Zittern  ohne  weitere  Begleiterschei- 
nungen nicht  zu  den  häufigen  Vorkommnissen  bei  Hysterie  gehört. 
Dagegen  sind  Konvulsionen  und  selbst  Bewufttlosigkeit  bei  derselben 
keine   Seltenheit.     Die   beiden  zuletzt   beschriebenen    komplizierten 
Fälle  sind  als  Schreckneurosen  aufzufassen.    Daft  von  den  38  Schul- 
mädchen nur  20   erkrankten,  während  die  übrigen  18  verschont 
blieben,    beruht  auf  individueller  Prädisposition.     Da  von  den  32 
Knaben  auch  nicht  ein  einziger  befallen  wurde,  obgleich  sonst  Hysterie 
bei  Knaben  ziemlich  häufig  ist,  so  scheint,  wenigstens  unter  gewissen 
Verhältnissen,   die  Neigung  des  weiblichen  Geschlechts  zu  Hysterie 
erheblich  gröfter   als  die   des   männlichen  zu    sein.     Was  die  Art, 
wie  die  Weiterverbreitung   der  Krankheit  unter   den  Kindern   er- 
folgte, betrifft,  so  spielte  das  Ansehen  des  Vorganges  dabei  jeden- 
falls eine  Hauptrolle.     In  den  Zuschauenden  entstand  ein  Trieb  zur 
Nachahmung  und,  diesem  Folge  gebend,   machten  sie  das  Gesehene 
nach.     Es  handelte  sich  also  um  Autosuggestion.      Ähnlich  verhält 
es  sich  mit  der  Imitation  des  Veitstanzes.     Jeder  Arzt   und  man 
kann  sagen  jeder  Lehrer  weift,  dafs,  wenn  sich  in  einer  Klasse  ein 
FaD  von  Veitstanz  befindet,  diesem  gewöhnlich  mehrere  zu  folgen 
pflegen.   Man  dringt  daher   mit  Recht  auf  die  Entfernung  des  er- 
krankten Kindes  aus  der  Schule,   um  zu  verhüten,   daft  die  Nach- 
ahmung ihre  schädlichen  Folgen  entwickele.     Daft  die  Schullokali- 
täten in  der  Ätiologie  keine  Rolle  spielten,  geht  schon  daraus  hervor, 
daft  auch  kleine  Kinder,  welche  die  Schule  noch  gar  nicht  besuchten, 
erkrankten,    lediglich,    weil  sie  dem  Ausbruche    der  Krämpfe   bei 
anderen    beigewohnt    hatten;    auch    kamen    Anfälle    während    der 
grofeen  Schulferien  vor.    Aufterdem  war  das  betreffende  Schulzimmer 
sehr  geräumig  und  gut  ventiliert,  hatte  auch  seinem  Zwecke  schon 
Jahrzehnte  gedient,  ohne  daft  jemals  eine  ähnliche  Erkrankung  vor- 


228 

gekommen  war.     Den  Grund  für  die   erste  Erkrankung  dürfte  die 
im    Juni  v.  J.    herrschende    grofee   Hitze,    die    am    24.    Juni    zu 
enormer   Höhe    stieg,    mitgelegt   haben.     Den    erkrankten   Kindern 
war    von    dem    behandelnden   Arzte  Brom,    und   zwar  in   ziemlich 
grofsen   Gaben    verabreicht   worden.      Das    Zittern    wurde   dadurch 
nicht  wesentlich  geändert,  dagegen  erwies  es  sich  gegen  die  Krampf- 
anfalle  mit  and  ohne  Bewufstsein  insofern  erfolgreich,  als  dieselben 
sowohl  bezüglich  der  Daner  als  auch  der  Häufigkeit  ihres  Auftretens 
günstig  beeinflufst  wurden.    Die  Wirkung  steigerte  sich,  als  mit  der 
Verabfolgung   des  Broms   eine  Art  psychischer  Therapie  verbanden 
wurde,   welche  darin  bestand,   dafs  man   den  Kindern  eindringlich 
versicherte,  nach  dem  Gebrauche  der  Pulver  könne  ein  Unwohlsein 
nicht  mehr  eintreten;  Professor  Hirt  sieht  diese  psychische  Therapie 
geradezu  als  die  Hauptsache  an.    Bei  den  beiden  komplizierten  Fällen 
erwies  sich  die  Suggestion  mit  einem  mäfeigen  Grade  hypnotischer 
Beeinflussung  wieder  einmal  von  ausgezeichneter  Wirkung.    Professor 
Hirt  wartete  die  Beendigung  eines  Anfalles  ab,  liefe  das  aufgeregte 
Kind  sich   völlig  beruhigen  und  beeinflulste  es  dann  durch  Verbal- 
suggestion unter  Zuhilfenahme  streichender  Bewegungen  in  der  Weise, 
dafs   es  in    den    3  Minuten    regungslos    mit   geschlossenen   Augen 
dalag  und  die  Zeichen  jenes  Schlafes  darbot,  den  man  als  „Charme" 
bezeichnet.     In  diesem   Zustande  wurde  den    zwei  Mädchen,  einer 
nach  der  anderen,  in  verschiedenen  Zimmern  wiederholt  suggeriert, 
dafs    sie    nunmehr    ohne    Schwierigkeit   laufen   könnten.     Nach  10 
Minuten   wurden    die  Kinder   geweckt   und  —  es  war  keine  Spar 
von   Bewegungsstörung   zu    erkennen.     Die  Mädchen    sprangen   vor 
Freude    ausgelassen    umher    und    machten    mit   ihren    Angehörigen 
zunächst  einen  Spaziergang  auf  den  Straften.    Als  sie  zurückgekehrt 
waren,   wurde  die  zweite  Beeinflussung,   betreffend  das  Wiederauf- 
treten  der  Krämpfe,   vorgenommen.     Gleichfalls  im    „Charme"  er- 
hielten  sie  die    eindringliche  Versicherung ,   dafe  die  Krämpfe  jetzt 
nicht  mehr  wiederkommen  könnten.    Das  Resultat  war  sehr  gunstig. 
Das  erste  Kind,    welches  die  Anfälle  dreimal  täglich  gehabt  hatte, 
blieb   nach   der  Suggestion  völlig    davon   frei,  und  in  dem  Wohl- 
befinden  ist    keine  Änderung    eingetreten.     Bei  dem  zweiten  Kinde 
sind  die  Anfalle   noch  zweimal  andeutungsweise,  d.  h.  viel  kurzer 
und    viel    weniger   intensiv    aufgetreten;    seitdem   ist   es    gleichfalls 
ganz   gesund.     Verfasser  zieht  zuletzt  noch  die  in  Biberach  beob- 
achtete Schulepidemie1  zum  Vergleiche  heran   und  schliefst  mit  den 
Worten:    „Immerhin  sind  die  hierher   gehörigen  Beobachtungen  von 
grofcer  Wichtigkeit,  weil  sie  nicht  blofe   das  Interesse  des  Nerven- 


1  8.  diese  Zeitschrift,  1892,  No.  12,  S.  566—557.     D.  Bed. 


229 

arztes,  sondern  auch  des  Hygienikers  auf  sich  za  ziehen  vermögen. 
Denn  wenn  auch  gerade  in  dem  geschilderten  Falle  den  hygienischen 
Anforderungen,  welche  man  an  das  Schullokal  stellen  mute,  voll  und 
ganz  genügt  war,  so  liefs  sich  dies  von  der  Biberacher  Schule  nicht 
behaupten.  Hier  lag  die  Schulhygiene  gar  sehr  im  Argen,  und 
Verbesserungen,  die  nach  dieser  Richtung  hin  vorgenommen  wurden, 
wirkten  auf  den  Gang  der  „psychischen  Seuche"  sehr  günstig  ein. 
Das  Auftreten  von  „Schulepidemien"  wird  gewifs  dazu  dienen,  der 
Hygiene  der  Klassenzimmer  nicht  blofs  von  medizinischer  Seite 
immer  neue  Aufmerksamkeit  zuzuwenden." 

Gegen  den  fitarmäfsigen  Alkoholgennfs  der  akademischen 

Jagend  sind  am  17.,  24.  und  31.  Januar,  sowie  am  7.  Februar 
<L  J.  eine  Reihe  von  Vorträgen  in  Bern  gehalten  worden.  Professor 
VON  Spbtb  behandelt  edas  Thema:  „Aus  den  Erfahrungen  eines 
Irrenarztes",  Professor  Gaule  dasjenige:  „Lebensgenufs  ohne 
Alkohol",  während  Professor  Obttli  über  „Das  Gewissen  und 
den  Alkohol",  Professor  Hilty  über  „Die  Aufgabe  der  aka- 
demischen Jugend  im  Kampfe  gegen  den  Alkoholismus" 
sprach.  Ähnliche  Vorträge  dürften  sich  auch  für  andere  Universi- 
täten empfehlen. 

SeUnfg  dreier  Lehrerseminare  wegen  Influenza.  Nach 
einem  Telegramm  der  „7.  Z."  vom  28.  Januar  d.  J.  wurde  auf 
Anweisung  des  belgischen  Unterrichtsministers  die  Lehrerbildungs- 
anstalt in  Gent  geschlossen,  weil  über  die  Hälfte  der  Zöglinge  an 
Influenza  schwer  erkrankt  war.  Dasselbe  geschah  zu  Schneeberg 
im  Erzgebirge,  wo  von  120  Seminaristen  71  an  Influenza  danieder- 
lagen. Ebenso  ist  das  Waldenburger  Schullehrerseminar,  in  welchem 
tot  einiger  Zeit  der  wegen  Ausbruch  der  Influenza  ausgesetzte 
Unterricht  wieder  begonnen  hatte,  infolge  neuen  Auftretens  der 
Krankheit  abermals  geschlossen  worden;  von  130  Seminaristen  waren 
im  Februar  über  100  erkrankt. 

Schulhygienische  Aufgaben  bei  der  ersten  Dienstprüfung 
der  Seminaristen  im  Saulgau.  Im  Dezember  v.  J.  fand  die  erste 
Dienstprüfung  zukünftiger  Lehrer  im  Saulgau  Württembergs  statt. 
Dabei  mufsten  folgende  Fragen  aus  der  Schulgesundheitslehre  schrift- 
lich beantwortet  werden:  1.  Welches  sind  die  hauptsächlichsten 
Einrichtungen  für  Ventilation  der  Schulzimmer,  und  in  welcher  Weise 
sollen  dieselben  Verwendung  finden?  2.  Warum  konstruiert  man 
Snbsellien  mit  beweglichen  Teilen?  3. Welches  sind  die  besten  Vorsichts- 
maßregeln, um  der  Verbreitung  ansteckender  Kinderkrankheiten  in 
der  Schule  vorzubeugen? 

Bedürftige  und  schlecht  genährte  Schulkinder  in  der 
Schweiz.     Als   ein  ungemein  erschwerender   und   tief  eingreifender 


230 

Übelstand  in  unseren  Schalen,  so  schreiben  die  „Schwe.  BL  f. 
Gsdhtspfl",  mufs  die  mangelhafte  Pflege  und  Entwickelnng  eines 
groben  Teiles  unserer  Schuljugend  bezeichnet  werden.  Die  ungenügende 
leibliche  Pflege  geht  mit  der  Bedürftigkeit  der  Eltern  meist  Hand 
in  Hand.  In  den  Sekundärschulen  des  Kantons  Zürich  wurde  eine 
Untersuchung  veranstaltet  über  die  Zahl  der  Schüler  bedürftiger  und 
von  der  Armenpflege  unterstützter  Eltern.  Dabei  stellte  sich  heraus, 
dafs  3%  der  Schüler  Kinder  Almosen  genießender  und  32%  Kinder 
bedürftiger  Eltern  waren.  Ähnlich  wurde  durch  eine  Statistik  von 
Chatelanat  konstatiert,  dafe  im  Durchschnitt  im  Kanton  Bern  11% 
ganz  schlecht  genährte  Schulkinder  die  Schule  besuchen.  In 
einzelnen  Gemeinden  steigt  der  Prozentsatz  sogar  auf  17%,  und  in 
einer  Gemeinde  in  der  Nähe  der  Bundesstadt  gibt  ein  Lehrer  die 
Zahl  der  bedürftigen  Schulkinder  seiner  Klasse  auf  60%  an.  Der 
grofsen  Armut  breiter  Schichten  unserer  Bevölkerung  sind  haupt- 
sachlich auch  die  vielen  Schulvers&umnisse  zuzuschreiben;  denn  das 
Magenbedürfnis  schlägt  alle  anderen  Bedürfnisse,  die  geistigen  vorab, 
aus  dem  Felde.  Es  gibt  im  bernischen  Jura  Gemeinden,  welche 
einen  durchschnittlichen  Schulbesuch  von  nur  55 — 60%  aufweisen. 
Sei  es  wirkliche,  sei  es  vermeintliche  Hilfe,  welche  die  Kinder  den 
Eltern  leisten  sollen,  letztere  schicken  sie  nur  zur  Schule,  wenn  es 
ihnen  behagt,  und  dann  oft  in  welchem  physischen,  geistigen  und  sitt- 
lichen Zustande ! 


änttltdie  Derfttgttngeit. 


Erlafs  des  Königlich  preufsischen  Unterrichtsministers, 
betreffend  die  Errichtung  von  Abschlußklassen  Ar  zurück- 
gebliebene Schüler. 

Berlin,  den  27.  Oktober  1892. 
Den  Ausführungen  des  Berichtes  der  Königlichen  Regierung 
vom  17.  Juni  vermag  ich,  insofern  damit  die  Einrichtung  sogenannter 
Abschlufsklassen  für  zurückgebliebene  Schulkinder  gerechtfertigt  werden 
soll,  nicht  zuzustimmen.  Es  ist  allerdings  nicht  zu  bezweifeln,  dafs 
manche  Kinder,  sei  es  infolge  von  Kränklichkeit,  mangelhafter  häus- 
licher Aufsicht,  geringer  Begabung  oder  aus  sonstigen  Gründen, 
auch  bei  der  gröisten  Sorgfalt  seitens  ihrer  Lehrer  innerhalb  des 
schulpflichtigen  Alters  nicht  bis  in  die  oberste  Klasse  mehrkiassiger 
Schulen  gebracht  werden  können  und   dafs  die  Zahl  solcher  Kinder 


231 

mn  so  größer  ist,  je  mehr  aufsteigende  Klassen  vorhanden  sind. 
Gleichwohl  fahrt  die  fortschreitende  Entwickelung  des  Schulwesens 
immer  mehr  zur  Gründung  vielklassiger  Schulen,  und  die  Schul- 
Terwaltung  läfst  auch  mehr  als  sechsklassige  Schulen  zu.  Es  ist 
daher  zwar  notwendig,  dafs  auch  auf  das  Bildungsbedürfnis  der 
hinter  den  normal  fortschreitenden  Kindern  Zurückbleibenden  Rücksicht 
genommen  wird;  daß  hierzu  aber  die  in  verschiedenen  Orten  ein« 
gerichteten  Abschlußklassen  das  geeignete  Mittel  wären,  kann  nicht 
anerkannt  werden. 

In  der  Einrichtung  solcher  Klassen  liegt  vielmehr  eine  doppelte 
Gefahr  für  die  Schule.  Zunächst  wird  die  Lehr-  und  Lernarbeit 
durch  dieselbe  gestört.  Nicht  nur  erhalten  die  Kinder,  welche  der 
Abschlußklasse  zugeführt  worden,  einen  unvollständigen  oder  lücken- 
haften Unterricht,  welcher  gar  zu  leicht  in  ein  mechanisches 
Gedächtniswerk  ausartet,  sondern  es  lassen  sich  auch  die  Lehrer  der 
Unter-  und  Mittelstufe,  wo  die  Kinder  noch  ungetrennt  unterrichtet 
werden,  leicht  verleiten,  wenn  auch  nicht  die  zurückbleibenden  Kinder 
zu  vernachlässigen,  so  doch  mit  den  begabteren  die  Ziele  zu  über- 
spannen, weil  sie  sich  durch  die  schwächeren  nicht  aufhalten  zu 
lassen  brauchen.  Schwerer  noch  fallen  erziehliche  Bedenken  ins 
Gewicht.  Die  Schüler,  welche  den  Abschlufsklassen  überwiesen 
werden,  sind  nur  zum  kleinsten  Teile  wegen  Unfleifs  zurückgeblieben. 
Die  Mehrzahl  derselben  ist  durch  Krankheit  oder  durch  ihre  häus- 
lichen Verhältnisse  ohne  ihre  Schuld  zurückgeblieben;  es  befinden 
sich  unter  ihnen  Sonder,  welche  durch  die  Treue,  mit  welcher  sie 
den  Eltern  beim  Broterwerbe  helfen,  anderen  Kindern  zum  Muster 
dienen  könnten.  Gleichwohl  werden  sie  durch  die  Überweisung  an 
die  Abschlufsklassen  aus  der  Gemeinschaft  ihrer  Mitschüler,  mit 
welchen  sie  jahrelang  vereinigt  waren,  herausgerissen  und  gelten  in 
deren  Augen  und  infolge  davon  bald  in  ihren  eigenen  als  Schüler 
zweiter  Ordnung.  Diese  Empfindung  wirkt  entmutigend,  nicht  selten 
sogar  verbitternd  auf  sie,  und  so  erklärt  es  sich,  daß  sie  auch  in 
ihrem  Betragen  nachlassen  und  daß,  wie  die  Erfahrung  lehrt,  die 
Führung  der  Kinder  in  den  Abschlußklassen  vielfach  zu  Tadel 
Anlaß  gibt.  Auch  hat  sich  gezeigt,  dafs  die  derartigen  Abschluß- 
klassen zugewiesenen  Kinder  hierdurch  in  ihrem  späteren  Fort- 
kommen gehindert  werden,  insofern  Lehrherren  u.  s.  w.  den  anderen 
Kindern  den  Vorzug  geben.  Nach  verschiedenen  Richtungen  hin 
scheinen  daher  durch  die  Abschlufsklassen  wichtige  Rücksichten  von 
socialer  Bedeutung  gefährdet  zu  werden. 

Zu  dem  vorliegenden  Zwecke  bedarf  es  aber  einer  besonderen, 
außerhalb  der  normalen  Schule  stehenden  Einrichtung  überhaupt 
nicht.    Die    für   die    Entwickelung   und    die  Lehrpläne  der  Volks- 


232 

schalen  geltenden  allgemeinen  Bestimmungen  vom  15.  Oktober  1872 
gestatten  nicht  nur,  sondern  erfordern,  dafc  bei  Schalen,  die  mit 
mehr  als  einer  Klasse  für  die  Oberstufe  versehen  sind,  der  Lehrstoff 
so  festgesetzt  werde,  daß»  jede  folgende  Klasse  die  Lehrgegenstände 
der  vorhergehenden  lediglich  zu  erweitern  und  zu  vertiefen  hat. 
Eine  notwendige  Ergänzung  des  Lehrstoffes  darf  niemals  einer  folgen- 
den Klasse  der  Oberstufe  vorbehalten  bleiben.  Ein  Blick  auf  das 
der  Mittelstufe  vorgeschriebene  Lehrziel  läfet  erkennen,  dafs  das 
Kind  schon  auf  dieser  Stufe  in  den  notwendigsten  Kenntnissen  und 
Fertigkeiten  einen  gewissen,  für  das  Leben  brauchbaren  Abschlufs 
erhalten  soll.  Diesem  Grundsätze  entspricht  es  nicht,  wenn  die 
Kinder  nicht  einen  angemessenen  Abschlufs  in  ihren  Kenntnissen 
bei  jeder  der  auf  die  Mittelschule  noch  folgenden  Klassen  erhalten 
sollen. 

Da  ich  annehme,  dafs  diese  Auffassung  den  Schuleinrichtungen 
in  den  meisten  Orten  des  dortigen  Regierungsbezirkes  bereits  jetzt 
zu  Grande  liegt,  sehe  ich  von  weiteren  Ausführungen  ab.  Wo  dies 
nicht  der  Fall  ist,  sind  neue  Lehrpläne  mit  konzentrischer  An- 
ordnung der  Lehrstoffe  für  die  aufeinanderfolgenden  Klassen  der 
Oberstufe  so  frühzeitig  aufzustellen,  dafs  dieselben  mit  dem  Beginn 
des  nächsten  Schuljahres  bei  Fortfall  der  sogenannten  Abschluß- 
klassen zur  Durchfuhrung  gebracht  werden  können.  Sollte  die 
gleichzeitige  Auflösung  dieser  Klassen  wider  Erwarten  irgendwo  auf 
besondere  Schwierigkeiten  treffen,  so  erwarte  ich  Bericht. 

Die  Königliche  Regierung  wolle  hiernach  rechtzeitig  das  Er- 
forderliche anordnen,  ihre  Randverfügung  vom  27.  März  d.  J. 
aufser  Kraft  setzen  und  von  den  getroffenen  Mafsnahmen  mir  Anzeige 
machen. 

Verfügung  des  k.  k.  Landesschnlrates  in  Mähren,  Versuche 
mit  Steilschrift  in  den  Volks-  und  Bürgerschalen  anzustellen» 

Brunn,  2.  September  1892. 

Nach  Anhörung  der  beiden  Abteilungen  der  Landeslehrer- 
konferenz findet  der  k.  k.  Landesschulrat  die  obligatorische  Ein- 
fährung der  Steilschrift  an  sämtlichen  Volks-  und  Bürgerschulen 
noch  nicht  für  angezeigt. 

Es  sind  jedoch  die  hygienischen  und  schulpraktischen  Gründe, 
welche  für  dieselbe  sprechen,  so  schwerwiegend,  dafs  weitere  Ver- 
suche auf  breitester  Basis  notwendig  erscheinen.  Es  wird  daher  ge- 
stattet, dafs  die  hinsichtlich  der  Steilschrift  von  den  einzelnen 
Bezirkslehrerkonferenzen  gefafsten  Beschlüsse  in  der  Weise  durch- 
geführt werden,  dafs  dort,  wo  die  Konferenz  die  allgemeine  Ein- 
führung der  Steilschrift  beschloß,  an  allen  Schulen,   wo  im  Lehren 


233 

und  in  den  anderen  Verhältnissen  die  Bedingungen  für  eine  zweck- 
mäßige Durchführung  des  Versuches  gegeben  sind,  mit  der  Steil- 
schrift  in  der  ersten  Klasse  begonnen  werde;  diejenigen  höheren 
Klassen,  an  welchen  dieselbe  im  Vorjahre  eingeführt  wurde,  haben 
sie  fortzusetzen.  Wo  die  allgemeine  Einführung  nicht  beschlossen 
wurde,  sind  die  mit  h.  o.  Erlasse  vom  3.  August  1891,  Z.  7815, 
angeordneten  Versuche  mit  Einsehlufs  der  ersten  Klassen  auf  breitester 
Basis  fortzusetzen.  Als  Fibel  ist  an  deutschen  Schulen,  in  denen 
die  Steilschrift  geübt  werden  soll,  die  im  k.  k.  Schulbücherverlage 
erschienene  Steilschriftfibel  *  zu  verwenden ,  deren  Schriftformen 
überhaupt  die  Grundlage  zu  bilden  haben.  Der  k.  k.  Landesschul- 
rat  wird  eine  detaillierte  Instruktion  über  den  Vorgang  beim  Steil- 
schreiben erlassen ,  deren  genaue  Beachtung  die  k.  k.  Bezirksschul- 
inspektoren zu  überwachen  haben.  Die  k.  k.  Bezirksschulräte  haben 
allsogleich  das  Erforderliche  zu  veranlassen. 

Sehnlgesundheitliches  aas  der  neuen  Schulordnung 

der  Stadt  St.  Gallen. 

Die  neue  Schulordnung  der  Stadt  St.  Gallen  enthält  unter 
anderem  folgende  Bestimmungen,  betreffend  Schulgesundheitspflege: 

Disciplin:  Nach  jeder  Schulstunde  tritt  eine  Pause  von  10 
Minuten  und  um  10  Uhr  eine  solche  von  15  Minuten  ein.  Am 
Vormittage  sind  sämtliche  Primarschüler  5  Minuten  vor  12  Uhr  zu 
entlassen. 

Ein  Zurückbleiben  der  Schüler  während  der  Mittagszeit  ist  auf 
allen  Schulstufen  untersagt.  Die  Stunde  von  1  bis  2  Uhr  darf  nicht 
Ar  Unterrichtserteilung  in  Anspruch  genommen  werden. 

Sämtliche  Schüler  sollen  reinlich  und  ordentlich  gekleidet  zur 
Schule  kommen.  Unsaubere  oder  Nachlässige  werden  verwarnt, 
den  Eltern  angezeigt  und  im  Wiederholungsfalle  nach  Hause  geschickt. 
Derartige  Absenzen  sind  als  unentschuldigt  anzusehen. 

In  Bezug  auf  die  Anwendung  körperlicher  Züchtigungen 
werden  folgende  Grundsätze  aufgestellt: 

a.  An  den  Mädchenschulen  sind  körperliche  Züchtigungen 
unstatthaft. 

b.  An  den  Knabenschulen  ist  die  Anwendung  körperlicher  Strafen 
mit  Ausnahme  der  sogenannten  Tazen  untersagt.  Diese 
dürfen  jedoch  nur  für  ernstere  sittliche  Vergehen  (Lüge, 
Diebstahl,  fortgesetzte  Widersetzlichkeit  u.  s.  w.),  niemals 
aber  wegen  Unfleifs  oder  ungenügender  Leistungen  angewendet 
werden. 


1  3.  diese  Zeitschrift,  1893,  No.  3,  S.  176-179.    D.  Bad. 

SchiUfetttndheltspflefe  VI.  1$ 


284 

c.  Die  Strafen  sollen  übrigens  mit  Hab  und  erst  nach  voran- 
gegangener fruchtloser  Ermahnung  und  Verwarnung,  nicht  im 
Afiekte  erteflt  werden. 

d.  Von  jeder  körperlichen  Züchtigung  ist  im  Tagebuch  motivierte 
Notiz  in  nehmen. 

Es  ist  untersagt,  Schaler  auf  die  Gänge  hinaus  zu  stellen  oder 
sie  nach  der  Schule  ohne  Aufeicht  sitzen  zu  lassen. 

Hausaufgaben:  Hierüber  gelten  folgende  Vorschriften: 

a.  In  den  unteren  Klassen  der  Primarschulen  (I— HI)  dürfen 
keine  Hansaufgaben  gegeben  werden.  In  den  oberen  Klassen 
haben  sich  dieselben  vorzuglich  auf  Memorierübungen  zu 
beschranken,  welche  auf  Freihalbtage  oder  Feiertage  zu  ver- 
legen sind. 

Den  Handarbeitsschulen  der  Mädchen  von  der  ersten 
bis  zur  letzten  Schulstufe  ist  verboten,  Hausaufgaben  zu 
erteilen.  Es  dürfen  also  in  der  Schule  begonnene  Arbeiten 
nicht  zur  Fertigstellung  nach  Hause  mitgegeben  werden. 

b.  Die  Losung  der  Aufgaben  soll  an  Werktagen  höchstens  eine 
Stunde,  an  Sonn-  und  Feiertagen  (?  D.  Red.)  höchstens 
zwei  Standen  Zeit  erfordern. 

c.  Strafaulgaben  dürfen  von  einem  Tag  auf  den  anderen,  nicht 
aber  über  die  Mittagszeit  gegeben  werden. 

d.  Für  die  Ferien  oder  über  die  Mittagszeit  Hausaufgaben  zu 
erteilen,  ist  untersagt. 

e.  Ebenso  ist  es  unzulässig,  gegen  das  Examen  hin  das  Mab 
der  Aufgaben  irgendwie  auszudehnen. 

f.  Diejenigen  Lehrer  an  den  Primarschulen,  welche  nicht  das 
obligatorische  Maximum  von  33  Stunden  per  Woche  zu 
geben  haben,  sind  verpflichtet,  für  die  schwächsten  Schüler 
ihrer  Klasse  wöchentlich  mindestens  eine  Nachhilfestunde  zu 
halten,  in  welcher  die  Kinder  möglichst  individuell  behandelt 
werden  sollen.  Diese  Nachhilfestunden  sind  im  Stundenplan 
vorzumerken,  dürfen  aber  unter  keinen  Umständen  den 
Charakter  von  Strafstunden  erhalten  oder  gegen  das  Examen 
hin  vermehrt  werden. 

g.  An  den  Realschulen  ist  die  Erteilung  von  Hausaufgaben 
zunächst  in  den  Sprachfilchern  gestattet.  In  Mathematik 
und  Realien  dagegen  sollen  keine  schriftlichen  Aufgaben 
gestellt  werden.  Aufgaben,  welche  die  Kalligraphie,  das 
Zeichnen  oder  den  Gesang  betreffen,  sind  unzulässig. 

h.  Diejenigen  Lehrer,  welchen  Aufgaben  zu  geben  eingeräumt 
ist,    haben   sich   miteinander   über  die  Beanspruchung  der 


285 

Schiller  zu  verständigen,  damit  für  diese  keine  Überbürdung 
entsteht. 

i.  Klagen  wegen  Überanstrengung  der  Schüler  mit  Hausaufgaben 
sind  beim  Präsidenten  des  Schulrates  anzubringen,  welcher 
Untersuchung  walten  läfet  und  das  Nötige  verfingt. 

Gesundheitspflege:  Die  Schüler  sind  nach  ihrer  Grobe  auf 
die  für  sie  passenden  ß&nke  zu  verteilen.  Für  Kurzsichtige  und 
Schwerhörige  sind  die  vordersten  Plätze  anzuweisen. 

Das  Tragen  von  Oberkleidern,  wie  Schleifen,  Überröcke,  Puls- 
wärmer u.  s.  w.,  ist  im  Schulzimmer  unbedingt  verboten. 

Die  Temperatur  in  den  Schulzimmern  soll  während  der  Heiz- 
periode nicht  unter  16°  C.  (12°  R.)  und  nicht  über  18°  C.  (14°  R.) 
betragen. 

Die  Lehrer  müssen  für  genügende  Lüftung  der  Lokale  sorgen. 
Von  Übelständen  in  Bezug  auf  Heizungs-  und  Yentilationseinrichtungen 
haben  sie  sofort  dem  Vorsteher  zu  Händen  der  Verwaltungskommission 
Anzeige  zu  machen. 

Wenn  im  Sommer  im  Laufe  des  Vormittags  die  Temperatur  in 
den  Schulzimmern  auf  27°  C.  (21—22°  R.)  steigt  und  über  Hittag 
anhält,  so  dürfen  an  der  Primarschule  Klassenspaziergänge  an  Stelle 
des  Unterrichts  treten. 

Die  Lehrer  sollen  ein  wachsames  Auge  auf  epidemische  Kinder- 
krankheiten halten  und  ihre  Wahrnehmungen,  wenn  immer  nötig, 
dem  Bezirkspbysikat  mitteilen.  Kinder,  die  an  Scharlach  gelitten 
haben,  dürfen  nur  auf  ärztliches  Zeugnis  hin  wieder  in  die  Schule 
aufgenommen  werden. 

Im  übrigen  gelten  die  sanitätspolizeilichen  Vorschriften. 

Der  Besuch  der  Eisbahnen  ist  der  Schuljugend  nur  von  10  bis 
12  Uhr  vormittags  und  von  1  Uhr  mittags  bis  zu  einbrechender 
Dunkelheit  gestattet. 

Der  Besuch  des  Eisfeldes  bei  abendlicher  Beleuchtung  ist  Schülern 
nur  dann  erlaubt,  wenn  sie  unter  elterlicher  Begleitung  erscheinen. 

Alles  Rauchen  ist  denselben  strengstens  untersagt,  ebenso  aller 
Wirtshausbesuch  ohne  elterliche  Begleitung. 


Amtlicher  Fragebogen,  bezüglich  der  Schulgebäude 

in  Uruguay. 

Unter  dem  31.  August  v.  J.  sind  von  der  technischen  Ab- 
teilung der  Generaldirektion  des  öffentlichen  Unterrichts  in  Monte- 
video folgende  Fragen  an  die  ihr  unterstellten  Schulen  gerichtet 
worden : 

Schule Grades,  gelegen  in ,  Departement 

1.  Zeit  der  Gründung  der  Schule. 

16* 


236 

2.  Besitzt  dieselbe  augenblicklich  noch  denselben  Rang  wie  damals? 

3.  Sind  das  Terrain   und  das  Gebäude    öffentliches    oder  Privat- 
eigentum? 

4.  Ist  der  Grund  und  Boden  gepachtet  oder  unentgeltlich  überlassen? 

5.  Wurde  das  Gebäude  ausdrücklich  für  Schulzwecke  errichtet? 

6.  Ist  es  zweckentsprechend,  oder  lä&t  es  zu  wünschen  übrig? 

7.  Aus  welchem  Material  bestehen  die  Mauern? 

8.  Material  der  Dächer. 

9.  Werden   die   Klassenzimmer   durch   besondere  Ventilationsvor- 
richtungen oder  nur  durch  die  Fenster  und  Thüren  gelüftet? 

10.  Reicht  die  Ventilation  aus? 

11.  Macht  sich  ein  übler  Geruch  in  den  Klassen  bemerkbar? 

12.  Ursachen  des  schlechten  Geruches. 

13.  Hat  der  Lehrer  bei  den  Kindern  Schwindel,  Kopfschmerzen 
oder  Nasenbluten  beobachtet  ?  Wie  oft  treten  diese  Beschwerden 
im  Jahre  auf?  Zu  welchen  Zeiten  besonders?  Kommen  sie 
mehr  bei  den  Kindern  unter  oder  über  10  Jahren  vor? 

14.  Bestehen  Heizvorrichtungen  in  den  Klassen? 

15.  Beeinträchtigt  die  Kälte  im  Winter  den  Unterricht  in  den 
Lehrräumen? 

16.  Wird  derselbe  im  Sommer  durch  grofse  Hitze  erschwert?  In 
welchen  Monaten  und  zu  welchen  Stunden  hauptsächlich? 

17.  Zahl  der  offenen  Höfe. 

18.  Ihr  Gesamtareal. 

19.  Material  ihres  Bodens. 

20.  Zahl  der  gedeckten  Höfe. 

21.  Ihr  Gesamtflächenraum. 

22.  Sind  dieselben  mit  Glas  oder  einem  anderen  Materiale  gedeckt? 

23.  Woraus  besteht  der  Frisboden? 

24.  Zahl  der  Aborte. 

25.  In  welchem  Zustand  befinden  sich  dieselben? 

26.  Ist  hinreichend  Wasser  vorhanden? 

27.  Liegt  irgend  einem  Diener  die  Reinigung  der  Klassen  ob,  oder 
wird  dieselbe  durch  die  Schüler  besorgt? 

28.  Wie  viel  wird  in  ersterem  Falle  jährlich  für  die  Reinigung 
gezahlt,  und  erfolgt  die  Zahlung  aus  öffentlichen  Mitteln? 

29.  Befindet  sich  die  Lehrerwohnung  in  demselben  Gebäude  wie 
die  Schule,  oder  ist  sie  davon  getrennt? 

30.  Im  ersteren  Falle,  ist  sie  hinreichend  bequem? 

31.  Im  anderen  Falle,  wie  weit  ist  sie  von  der  Schule  entfernt? 

32.  Liegt  irgend  ein  anderes  Gebäude  näher  bei  der  Schule? 

33.  Werden  die  Klassenräume  noch  zu  einem  anderen  Zweck  als 
dem  Unterricht  benutzt? 


237 

34.  Wenn  der  Lehrer  Privatunterricht  in  der  Schule  erteilt,  wie- 
viel Schüler  hat  er  dabei,  und  in  welchen  Stunden  findet  dieser 
Unterricht  statt? 


yerfottalutt 


Es  erhielten:  der  Königlich  preufsische  Staatsminister  und 
Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten 
Dr.  6088B  den  roten  Adlerorden  I.  Klasse  mit  Eichenlaub,  die 
Geheimen  Regierangs-  und  Provinzialschulräte  Haupt  zu  Merseburg 
und  Polte  zu  Posen  den  roten  Adlerorden  III.  Klasse  mit  der 
Schleife,  unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Professor  der  Augen- 
heilkunde Dr.  E.  Fuchs  in  Wien,  das  Kommandeurkreuz  des 
griechischen  Erlöserordens  und  der  Provinzialschulrat  Henning  in 
Coblenz  den  roten  Adlerorden  IV.  Klasse. 

Obersanitätsrat  Hofrat  Professor  Dr.  Anton  Dräsche  in 
Wien  wurde  anläßlich  seines  vierzigjährigen  Doktorjubiläums  zum 
Ehrenbürger  von  Yöslau  ernannt. 

Dem  gelehrten  Philologen,  Herrn  Avakümo witsch ,  ist  das 
serbische  Unterrichtsministerium  Übertragen  worden. 

Zum  Rektor  der  Universität  Tomsk  wurde  an  Stelle  Professor 
Wkukis    der   Professor   der  Hygiene  Dr.  A.  Ssudakow  gewählt. 

Professor  Dr.  Fürbringkr  in  Berlin  und  Professor  Dr.  Adam- 
kbwicz  in  Wien  sind  zu  Mitgliedern  des  Ehrenkomitees  der  in  diesem 
Jahre  in  London  stattfindenden  hygienischen  Ausstellung  ernannt 
worden. 

Der  als  wissenschaftlicher  Assistent  zum  Institut  für  Infektions- 
krankheiten nach  Berlin  kommandierte  Stabsarzt  Dr.  BriegEr  wurde 
zum  Professor  befördert. 

Dr.  Chanteme8se  und  Dr.  Charbin  sind  zu  Mitgliedern  des 
beratenden  Komitees  für  öffentliche  Gesundheitspflege  in  Frankreich 
ai  Stelle  der  ausgeschiedenen  Herren  Pasteüb  und  Peter  ernannt 
worden;  Herrn  Pastextb  wurde  das  Diplom  als  Ehrenpräsident 
überreicht. 

Der  Professor  der  Hygiene  S.  Schidlowski,  welcher  bei  der 
Wahl  des  gelehrten  Sekretärs  der  militär  -  medizinischen  Akademie 
in  St  Petersburg  die  gröfste  Stimmenzahl  erhielt,  hat  den  Posten 
ausgeschlagen. 

Dr.  Paul  Andberey  wurde  zum  ärztlichen  Schulinspektor  des 
11.  Arrondissements   von    Paris    an    Stelle    des   zu    einem  anderen 


238 

Amte  berufenen  Dr.  Tbapbhabd  ernannt,  Dr.  Dabassb,  Hilfeatzt 
am  Lyceum  von  Mont-dfr-Manan,  zum  Arzte  dieser  Anstalt  Ar  den 
▼erstorbenen  Dr.  M.  F.  Dufau,  Dr.  Dabaignbt,  früher  Assistent 
am  Krankenhanse  von  Bordeaux,  zum  Hilfsarzt  am  Lyceum  von 
Mont-de-Marsan  als  Nachfolger  des  Dr.  Dabassb. 

Dr.  Fbiedbich  Plbhh,  vormaliger  Assistent  von  Professor 
Gabbtnbb  am  hygienischen  Institute  in  Jena,  geht  im  Auftrage  der 
deutschen  Reichsregierung  nach  Kamerun,  um  dort  ein  Laboratorium 
für  das  mikroskopische  Studium  des  Wechselfiebers  zu  errichten. 

Dr.  Tbbsin,  froher  Hilfsarbeiter  am  Institut  Pfcsteur,  ist  mit 
einer  hygienischen  Studienreise  nach  Hinterindien  beauftragt  worden. 

Der  Direktor  des  Reichsgesundheitsamtes,  Geheimrat  Dr.  Köhlr, 
der  zur  Wiederherstellung  seiner  Gesundheit  in  Mentone  weilt,  wird 
wfthrend  seiner  Abwesenheit  von  Geheimrat  Professor  Dr.  Sbll 
vertreten. 

Generalsuperintendent  a.  D.  Dr.  theoL  Gobschbn  in  Harburg, 
wahrscheinlich  der  Älteste  deutsche  Turner  und  zugleich  der  einzige 
noch  lebende  Turner  aus  der  Zeit  der  Hasenhaide,  vollendete  am 
20.  Februar  d.  J.  in  voller  körperlicher  und  geistiger  Rüstigkeit 
seinen  90.  Geburtstag. 

Es  sind  verstorben:  am  25.  Dezember  v.  J.  zu  Wien  der  um 
das  Schulturnen  Österreichs  hochverdiente  Reichsrats-  und  Landtags- 
abgeordnete  Professor  Dr.  Hubbbt  Fuss  im  40.  Lebensjahre,  am 
6.  Januar  d.  J.  in  Helsingfors  der  ehemalige  Professor  und  General- 
direktor des  finnländiscben  Medizinalwesens  Staatsrat  Dr.  FBLK 
von  Wellbbrand,  am  8.  Januar  in  Wien  der  praktische  Arzt 
Dr.  Ludwig  Sbbgbb,  einer  der  Hauptvertreter  der  Gymnartik  in 
Österreich,  am  13.  Januar  in  Weimar  der  auf  dem  Gebiete  der 
Kindergartenerziehung  bekannte  Stiftslehrer  Fbibdbich  Sbidbl,  am 
15.  Januar  in  Breslau  der  Geheime  Regierungsrat  Schulrat  Eismann, 
55  Jahre  alt,  am  31.  Januar  in  Stutgart  der  Hofrat  Kabl  Rbnz, 
eine  Autorität  als  Taubstummenerzieher,  im  58.  Lebensjahre  und  am 
5.  Februar  der  Vicepräsident  des  Gesundheitsrates  Dr.  Albbbt 
Tovssaint  in  M6zfores. 


fitteratttr. 


Besprechungen. 

Dr.  Fbibdbich  Renk,  o.  6.  Professor  und  Direktor  des  hygienischen 
Institutes,  z.  Z.  Dekan  der  medizinischen  Fakultät  in  Halle  a.  S. 


289 

Über  die  Uistliehe  Belenohtung  Ten  Hftrsilen.    Beilage  zu 
dem  Preisverkündigungsprognmine  der  Universität  Halle- Witten- 
berg.   Halle,  1892.    (24  S.  10  Taf.  4°.) 
Verfasser,   rühmlichst   bekannt  durch  seine  Münchener  Unter- 
suchungen  über    den  Glanz   der  Glühlampen,  setzte    die   von  mir 
in   den    Auditorien    der    Breslauer   Universität    1885    begonnenen 
Prüfungen  über  künstliche  Beleuchtung1  in  Halle  fort. 

Der  erste  Teil  seiner  Arbeit  bringt  zunächst  die  bekannten 
Zahlen  über  die  hohe  Luftverderbnis  durch  Gas  und  über  das  Fehlen 
der  letzteren  bei  elektrischem  Licht.  Verfasser  beklagt  mit  Recht, 
daft  der  Plan,  die  Universität  Halle  mit  elektrischem  Licht  zu  ver- 
sehen, aufgegeben  wurde.  Dann  bespricht  er  die  gegenwärtige 
Beleuchtung  der  Auditorien.  Auch  er  ist  meiner  Ansicht,  dafs  es 
sich  Ar  hygienische  Zwecke  nicht  um  die  Helligkeit  der  Flammen 
selber  handeln  kann,  sondern  mehr  um  die  Helligkeit,  die  auf  dem 
Tische  und  an  der  Wandtafel  vorhanden  ist.  Er  verweist  auf  die  in 
meinem  Buche  „über  den  Beleuchtungswert  der  Lampen- 
glocken" *  mitgeteilten  Messungen,  nach  denen  ein  Platz,  der  nur 
1  Meterkerze  (MK)  Licht  zeigte,  durch  einen  Papierschirm  23, 
durch  einen  Müchglasschinn  30,  durch  einen  weife  lackierten  Metatt- 
schirm  64  und  durch  einen  halbkugeligen  Reflektor  sogar  260  ME 
Helligkeit  erhalten  könne.  Renk  erwähnt  ferner,  dafs  meine 
Messungen  zu  dem  Resultate  geführt  haben,  dafs  die  geringste 
Beleuchtung  eines  Arbeitsplatzes  10  MK  betragen  müsse  und  daß 
gegen  dieses  Resultat  von  keiner  Seite  Einsprüche  erhoben  worden 
aöea;  er  legt  also  seinen  Ansprüchen  auf  genügende  Beleuchtung 
eieaMs  10  MK  als  Minimum  zu  Grunde. 

Auch  in  Halle  fand  er,  wie  ich  in  Breslau,  in  allen  Hörsälen 
■agenfigende  Beleuchtung;  er  zeichnet  die  Lichtmengen  auf  den 
Sobsellien  in  den  Grundrissen  der  Auditorien  ein,  wie  ich  es 
»gegeben  habe.  In  sämtlichen  Sälen  gab  es,  wie  hier,  Plätze  mit 
weniger  als  10  MK  Helligkeit;  in  einigen  blieb  dieselbe  sogar  anf 
allen  Plätzen  unter  10  MK;  auch  eine  ganz  ungleiche  Verteilung 
des  Lichts  zeigte  sich  oft  auf  derselben  Bade,  so  dafe  z.  B.  die 
Nachbarpiätze  8,  12,  45,  74,  16,  11  MK  hatten.  Das  Verhältnis 
w&re  noch  viel  ungünstiger  gewesen,  wenn  die  Messungen  bei 
Anwesenheit  der  Studenten  gemacht  worden  wären,  da  afedann  der 
Schatten  der  Schreibenden  oder  der  Vordermänner,  wie  ich  geaetgt 
habe,  das  licht  auf  dem  Buche  um  50°/o  und  mehr  verringert 
haben  würde. 


1  VrgL  meinen  Aufrats  in  der  Berl  kUn.  Wochensckr.,  1886,  No.  61. 
t  vn-^A-^  1886 


240 

Im  hygienischen  Hörsaal  brannten  4  Butzkelampen —  Regenerativ- 
brenner mit  der  Flamme  nach  unten  —  welche  mattierte  Flach- 
halbkngeln  trogen.  Die  mittlere  Helligkeit  war  9,8  MK  und  die 
Differenz  zwischen  hellstem  und  dunkelstem  Platze  nur  4,6  MK. 

In  vielen  Sälen  genügte  das  Licht  selbst  den  billigsten 
Anforderungen  nicht.  Auch  die  Temperatur  nahm  in  einer  Stunde 
um  4 — 9°  C.  zu;  die  Wärmestrahlung  war  unter  den  Lampen  mit 
polierten  Schirmen  sehr  lftstig,  ebenso  unter  den  Wenhamlampen, 
selbst  wenn  sie  2  m  Ober  dem  Kopfe  hingen.  Die  Kohlens&ure- 
menge,  welche  nach  Pettbnkofer  nur  l%o  betragen  darf,  stieg 
in  den  Hörsälen  nach  einer  Stunde  auf  2 — 3%o;  nur  im  hygie- 
nischen Hörsäle,  wo  die  Regenerationsflammen  die  Verbrennungsgase 
nach  oben  führten,  blieb  der  Gehalt  der  Luft  an  Kohlensäure 
normal. 

Im  zweiten  Teile  der  Arbeit  berichtet  Renk  Aber  neue  Ver- 
suche, die  er  gemacht  hat,  um  eine  gleichmäfsigere  Beleuchtung 
selbst  mit  Gasflammen  zu  erzielen  und  die  Schatten  zu  mildern. 
Er  erwähnt  die  Messungen  von  Bübnofp  und  Ebismann  in  Moskau, 
welche  auf  dem  Schreibheft  8,2  MK,  im  Kopfschatten  4,6  (also 
44%  Verringerung),  im  Halbschatten  der  schreibenden  Hand  nur 
2,6  und  im  vollen  Schatten  derselben  nur  1,5  MK  (also  82% 
Lichtverringerung)  fanden.  Auch  wird  das  Auge  durch  das  Hinein- 
blicken in  die  Flamme  oder  das  daneben  Vorbeisehen  geblendet 
und  erhält  störende  Nachbilder.  Da  man  nun  nicht  wie  bei  Tage 
das  Licht  nur  von  links  einfallen  lassen  kann,  so  muß  man  wenigstens 
die  direkten  Lichtstrahlen  vermeiden  und  das  diffuse  Tageslicht 
nachzuahmen  suchen.  Erismann  versuchte  dies  1888,  indem  er 
Reflektoren  unter  der  Lampe  anbrachte,  die  das  Licht  nach  der 
hellen  Decke  warfen,  von  der  es  wieder  auf  die  Tische  fiel.  In 
dieser  Zeitschrift,  1888,  No.  10,  S.  356  ist  die  Arbeit  von  Eris- 
mann enthalten,  der  durch  seine  Anwendung  das  Licht  gleichmäfsiger 
verteilt  fand. 

Renk  lernte  in  Leipzig  im  Bureau  der  allgemeinen  Elek- 
tricit&tsgesellschaft  eine  ähnliche  indirekte  Beleuchtung  kennen, 
bei  der  das  Licht  durch  Metallreflektoren  auch  nach  der  Decke 
geworfen  wurde.  Schatten  fehlten  ganz,  und  selbst,  wenn  man  sich, 
mit  dem  Gesichte  nach  der  Wand  gerichtet,  so  aufstellte,  dafs  der 
eigene  Körper  die  Lampe  abdeckte,  lieb  sich  auf  einem  zwischen 
Körper  und  Wand  gehaltenen  Buche  doch  kein  Schatten  entwerfen. 

Renk  versuchte  nun  auch  bei  den  Butzkelampen  einen  nach 
oben  offenen,  trichterförmigen  Reflektor  mit  einem  Öffnungswinkel 
von  120°.  Die  untere  Hälfte  des  Zimmers  erschien,  wie  gar  nicht 
anders  zu  erwarten   stand,    sehr  dunkel,    zumal   die  Subsellien  und 


241 

der  Experimentiertisch  schwarz  gestrichen  waren.  Aach  war  auf 
den  Tischen  die  mittlere  Helligkeit  von  21  MK  auf  7  MK  herab- 
gegangen, also   unter  die  erwähnten  10  MK,  aber  Schatten  fehlten. 

Er  versuchte  nun  Verbesserungen  der  indirekten  Beleuchtung 
1.  durch  Erhöhung  der  Leuchtkraft  der  Flammen,  2.  durch  weiüsen 
Anstrich  von  Bänken,  Tischen,  Thttren,  Fenstern  und  durch  weifse 
Vorhänge.  Dadurch  stieg  die  direkte  Helligkeit  auf  27  MK  und 
die  indirekte  auf  10  ME;  aber  immer  waren  noch  60%  Lichtverlust 
zu  beklagen. 

Nun  wandte  er  3.  durchsichtige  Reflektoren  an  aus  Papier, 
die  12,8  ME,  und  später  solche  aus  überfangenem  Glase,  die 
17,4  MK  Helligkeit  gaben.  Freilich  fehlten  noch  immer  35% 
Licht,  aber  dasselbe  war  besser  verteilt;  der  Unterschied  zwischen 
den  einzelnen  Plätzen  betrug  nur  5  ME.  Indessen  bei  den  Glas- 
reflektoren kamen  auch  wieder  Schatten,  wenn  auch  schwächere. 
Doch  wurden  die  Wandtafelreflexe  verringert,  und  die  Erwärmung 
unter  den  Lampen  war  geringer.  Wenn  die  mittlere  Helligkeit  beim 
direkten  Lichte  100  betrug,  so  hatte  sie  also  beim  Metallschirm 
40,  beim  Papierschirm  47  und  beim  Glasschirm  65  ergeben. 

Trotz  dieses  Lichtverlustes  rühmt  Renk  die  Beleuchtung  wegen 
der  Verhinderung  der  Blendung,  wegen  der  gleichmäßigeren  Ver- 
teilung des  Lichtes,  wegen  der  Verhütung  der  störenden  Schatten 
und  der  lästigen  Wärmestrahlung. 

Die  Untersuchungen  des  Verfassers  sind  gewiss  sehr  dankenswert. 
Die  nach  einem  ähnlichen  Principe  von  Hrabowski  konstruierten 
neuen  Reflektoren,  über  welche  ich  in  der  hygienischen  Sektion  der 
schlesischen  Gesellschaft  am  6.  Januar  d.  J.  berichtet  habe,  lösen 
freilieh  das  Problem  noch  vollkommener. 

Professor  der  Augenheilkunde 
Dr.  med.  et  phil.  Hermann  Cohn  in  Breslau. 

Dr.  Stephan  Csapodi  und  Dr.  Sieqmund  von  Gerlöczy.  Gesund- 
heitslehre.   Für  die  Volksschulen  yerfafst.    Nach  der  zweiten, 
vom  k.  k.  ungarischen  Unterrichtsministerium   approbierten  unga- 
rischen  Ausgabe.      Budapest,  1891.      Robert    Lampeische    Hof- 
buchhandlung.    (60  S.  8°.  Er.  24.) 
Das  Schriftchen   bespricht  in   4  Kapiteln  zunächst  die  Organe 
und  Funktionen   des  menschlichen  Körpers,   speciell  die  Bewegung, 
das  Empfinden,    die  Haut,    den  Blutumlauf,    die  Atmung   und   die 
Verdauung.     Dann  folgt,  was  auf  die  Gesundheit  des  Leibes  wirkt, 
wie  Klima,  Luft,   Boden,   Wohnung,  Ernährung,  Arbeit,   Kleidung, 
was  wir    zu  thun    haben,    wenn   uns  Unglück,    Krankheiten    und 
Unfälle  treffen,    endlich  Pflege  und  Erziehung  des   Körpers,   wobei 


242 

die  Beschäftigung,  die  Bewegung,  die  Rohe  und  der  Schlaf,  die 
Zerstreuung,  die  Reinlichkeit,  die  Pflege  der  Sinne  und  die  Kranken- 
pflege in  Betracht  gezogen  werden. 

Das  Werk  ist  nach  der  vom  ungarischen  Untemdttsministerium 
approbierten  Ausgabe  bearbeitet. 

Für  deutsche  8chulen  erscheint  es  völlig  unbrauchbar.  Jede 
Seite  bietet  mehr  oder  weniger  zahlreiche  Belage  für  dieses  anschei- 
nend harte  Urteil.  Hier  nur  einige  Proben,  wie  sie  mir  gerade 
in  die  Feder  kommen:  „Den  Sonnenstich  bekommen  diejenigen,  die 
in  der  Sonnenhitze  arbeiten  oder  zu  Fufs  gehen  *  (S.  49).  „Dann 
müssen  wir  seinen  (des  Erstickten)  Hund  auspreisen,  zwischen  seine 
Zähne  ein  Stück  Holz  legen,  damit  sein  Mund  offen  bleibe.  Dann 
müssen  wir  seine  Zunge  mit  einem  Tuch  herausziehen  und  beginnen 
das  künstliche  Atmen.  Wir  müssen  nämlich  hinter  seinem  Kopf 
niederknieen,  seine  beiden  Ellbogen  anfassen  und  dieselben  über  den 
Kopf  ziehen  und  dann  wieder  an  seinen  Körper  drücken.  Dies 
müssen  wir  so  lange  thun,  bis  er  wieder  zu  Atem  kommt"  (S.  49). 
„Das  gesunde  Gebäude  hangt  aber  nicht  nur  vom  Boden,  sondern 
auch  von  den  Wunden  ab"  (S.  19).  „Auch  das  Kinn  bewegt  sich 
an  beiden  Seiten  in  je  einem  Gelenk  (S.  5).  „Die  Nase  dient 
eigentlich  zum  Atmen*  (S.  8).  „Bei  sehr  niedrigem  Wärmegrade 
erfrieren  unsere  Glieder ;  bei  der  überaus  groben  Wanne  der  Sonne 
hingegen  bekommen  wir  den  Sonnenstich"  (S.  16).  „Wir  benützen 
die  Milch  verschiedener  Tiere,  zumeist  nehmen  wir  aber  Kuhmilch 
zu  uns,  die  zur  Ernährung  kleiner  Kinder  besonders  geeignet  ist* 
(S.  29).  „Im  Fleisch  ausländischer  Schweine  kann  auch  die  Trichine 
vorkommen"  (S.  29). 

Diese  Beispiele,  von  denen  manche  wohl  auf  mangelhafte  Kenntnis 
des  Deutschen  zurückzuführen  sind,  dürften*genügen. 

Städtischer  Lehrer  Wilhelm  Siegebt  in  Berlin. 

Dr.  Woldbhar  Götze,  Direktor  der  Lehrerbildungsanstalt  des 
deutschen  Vereins!  für  Knabenhandarbeit.  Katechismus  des 
Knabennandarbeitsunterricht8.  Ein  Handbuch  des  erziehlichen 
Arbeitsunterrichts.  Mit  69  Abbild.  Leipzig,  1892.  J.  J.  Weber 
(245  S.  Kl.  8.  Gbd.  M.  3). 

Die  „Illustrierten  Katechismen"  der  Verlagsfirma  J.  J.  Weber  in 
Leipzig,  welche  in  gedrängter  Kürze  eine  möglichst  gründliche  und 
vielseitige  Belehrung  aus  dem  Gebiete  der  Wissenschaften,  Künste 
und  Gewerbe  darbieten,  haben  sich  langst  allgemeiner  Anerkennung 
zu  erfreuen.  Hat  es  doch  die  Firma  verstanden,  für  ihre  verschiedenen 
Aufgaben  in  den  meisten  Fallen  die  anerkannt  tüchtigsten  Kräfte  an 
gewinnen,    welche  dann  das  ihnen  gestellte  Thema  so  zu  behandeln 


243 

wu&ten,  dafa  der  gebotene  Stoff  nicht  nur  die  betreffenden  Fach- 
texte, sondern  «ich  die  Laien  im  hohen  Grade  interessierte,  Aach 
Ar  das  vorliegende  Werk  ist  in  dem  Verfasser  der  richtige  Mann 
gewonnen  worden.  Steht  doch  Dr.  Oötzb  der  Theorie,  der  Praxis 
oad  der  Agitation  auf  diesem  Unterrichtsgebiete  gleich  nahe  durch  seine 
fielfachen  Studien,  seine  Steltang  als  Leiter  eines  Handfertigkeits- 
tttnmaro  nnd  seine  Beziehungen  zum  deutschen  Verein  für  Knaben- 
haadarbeit.  So  hat  er  denn  ein  Buch  geschaffen,  das  sowohl  den- 
jenigen anzuregen  nnd  in  mancher  Hinsicht  zu  unterrichten  weiß, 
der  als  Lehrer  praktisch  auf  diesem  Gebiete  thätig  ist,  ah  auch 
demjenigen  Auskunft  gibt,  der  sich  in  den  Inhalt  und  den  Umfang 
dieser  wichtigen  Erziehungsangelegenheit  erst  Einsicht  verschaffen  will. 

In  gedrängter  Kürze  spricht  sich  Verfasser  Über  folgende  Themata 
au :  das  Wesen  des  Handarbeitsunterrichts ;  Grunde  für  den  Arbeits- 
Unterricht;  Einwände  gegen  den  Arbeitsunterricht;  Geschichte  des 
Arbeitsunterrichts;  die  Entwickelung  der  heutigen  Bewegung  des 
Arbeitsunterrichts  in  Deutschland;  die  praktische  Ausgestaltung  der 
Ideen  von  der  Erziehung  zur  Arbeit;  die  Praxis  des  Arbeitsunter- 
richte ;  Beziehungen  des  Arbeitsunterrichts  zu  Haus,  Handwerk  und 
Schule;  Stellung  des  Arbeitsunterrichts  in  besonderen  Unterrichts- 
ustalten;  Arbeitsunterricht  im  Auslande;  Ausblicke  in  die  Zukunft 
des  Arbeitsunterrichts;  allgemeine  Litteratur  Aber  den  Arbeitsunter- 
richt. 

Dr.  Götze  Äußert  sich  in  der  Vorrede:  „Sein  (des Verfassers) 
höchstes  Ziel  wäre  erreicht,  wenn  er  Freunde  unter  der  Lehrerschaft 
gewönne,  wenn  er  sie  überzeugte,  dafe  es  sich  um  ein  wertvolles 
Erziehungsmittel  handelt,  dafe  es  uns  keineswegs  darauf  ankommt, 
den  Knaben  vorschnell  eine  gewisse  Routine  in  den  Arbeiten  des 
Gewerbes  beizubringen,  dafe  wir  nicht  blofc  die  notwendige  Erziehung 
des  Auges  und  der  Hand  betreiben  und  die  Knaben  nicht  allein  zu 
gröberer  Geschicklichkeit  und  Anstelligkeit  führen  wollen,  sondern 
dafi  wir  die  körperliche  Arbeit  in  ihrer  organischen  Verbindung  mit 
der  geistigen  Thätigkeit  als  ein  Mittel  für  die  volle,  harmonische 
Erziehung  des  Kindes  betrachten,  indem  wir  sie  in  den  Dienst  der 
formalen  Geistesbildung  stellen".  Mit  der  gleichen  begeisterten 
Empfindung  für  sein  Unterrichtsgebiet,  wie  sie  sich  hier  in  der  Vor* 
rede  wiederspiegelt,  behandelt  der  Autor  die  verschiedenen  Abschnitte 
seines  Werkes,  doch  erscheint  er  etwas  zaghaft  in  seinen  Planen  auf 
die  Eroberung  der  Schule,  die  sich  in  dem  Abschnitte  „Ausblicke 
in  die  Zukunft"  kundgeben. 

Gewiß  sind  es  vor  allem  die  geschlossenen  Erziehungs- 
anstalten, die  zuerst  an  die  Einführung  ausgedehnter  praktischer 
Beschäftigung  ihrer  Zöglinge    denken   müssen,    gewifs   ist   es   von 


244 

Wichtigkeit,  dafs  auch  die  Jugend  auf  dem  Lande  in  modifizierter 
Weise  mit  dem  Arbeitsunterrichte  bekannt  gemacht  werde;  das 
alles  bringt  uns  bei  dem  starren  Festhalten  unserer  Schulbehörden 
an  dem  Althergebrachten  aber  immer  noch  nicht  dem  zu  er- 
strebenden Ziele  näher,  diesen  Unterricht  zu  einem  allgemeinen  zu 
machen.  Das,  scheint  mir,  dürfen  wir  uns  nicht  verhehlen,  und 
das  mufe  im  Interesse  der  Sache  immer  und  immer  wieder  hervor- 
gehoben werden,  dafs  unseren  deutschen  Schülerwerkstätten  z.  Z.  noch 
die  erforderlichen  Geldmittel  fehlen  und  dafs  sie  ferner  in  ihrer 
methodischen  Entwickelang  durch  die  Verschiedenheit  im  Alter  und 
in  der  Vorbildung  ihrer  Schüler,  sowie  durch  den  steten  Wechsel 
des  Schülerbestandes  gehemmt  werden.  Viel  ist  allerdings  schon 
geschehen,  aber  besser  würde  es  noch  um  die  Ausbildung  der 
Methode  stehen,  wenn  eine  Schülerwerkstätte  sich  einer  beliebigen 
Lehranstalt  anschließen  und  im  Zusammenhang  mit  ihr  arbeiten 
könnte,  also  bei  fakultativer  Einführung  des  Handfertigkeitsunterrichts 
in  die  Schule. 

Die  Erkenntnis,  dafs  in  unserem  Unterrichtswesen  mancher 
Ballast  über  Bord  geworfen  werden  rnuüs,  ist  wohl  eine  ziemlich 
allgemein  gewordene;  zu  bedauern  ist  nur,  dafs  sich  keine  Be- 
hörde, keine  Anstalt  findet,  die  nun  endlich  einmal  anfängt,  auf 
dasjenige  „Wissen"  Verzicht  zu  leisten,  „das  niemals  in  das  Wesen 
des  Zöglings  eingeht,  sondern  wie  Spreu  verfliegt. u 

Ob  es  nun  der  von  Schbbbr  in  Worms  angeregten  Bewegung,  die 
den  Handfertigkeitsunterricht  in  Verbindung  mit  dem  Schulunterricht 
setzen  will,  dabei  aber  nach  meiner  Meinung  in  ihrer  Methode  und  in  der 
Wahl  ihrer  Arbeitsaufgaben  einseitig  vorgeht,  oder  ob  esden  selbständigen 
Schülerwerkstätten  gelingen  wird,  sich  soviel  Ansehen  zu  verschaffen, 
dafs  sie  die  Schule  erobern,  ist  zur  Zeit  noch  nicht  zu  entscheiden. 
Jedenfalls  aber  müfsten  auch  die  Anhänger  der  Schülerwerkstatt 
energisch  versuchen,  in  gewissen  Arten  von  Schulen  ihren  Unterrichts- 
zweig zu  einem  fakultativen  zu  gestalten.  Warum  will  man  denn 
erst  abwarten,  dafs  das  Ausland  die  Früchte  des  Arbeitsunterrichts 
erntet  und  uns  gegenüber  dadurch  in  Vorteil  kommt,  ehe  wir  ans 
aufraffen,  auch  endlich  das  längst  in  der  Theorie  Erkannte  in  die 
Praxis  umzusetzen0  In  socialen  Dingen  pflegen  wir  ja  leider  ge- 
wöhnlich erst  durch  Schaden  klug  zu  werden.  Hoffen  wir,  und  das 
gewifs  mit  dem  Verfasser  des  vorliegenden  Werkes,  dafs  das  er- 
wähnte Sprichwort  in  diesem  Falle  nicht  an  uns  Deutschen  zur 
Wahrheit  wird. 

Lehrer  Georg  Völlers  in  Hamburg. 


245 

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Mfdjrift  fSr  5d)nlBffuni|dtep)Irjt 

VI.  Jahrgang.  1893.  No.  5. 


ttrtginal-äbljatiMttiigeit. 


Die  Gymnastik  als  Hilftmittel  der  physischen  Erziehung. 

Nach  einem  Vortrage, 
gehalten  in  öffentlicher  Sitzung  der  physiko-medizinischen  Gesellschaft 
an  der  Kaiserlichen  Universität  an  Moskau.1 

Von 

Dr.  med.  N.  Hagmann, 

Privatdocenten  der  Orthopädie  in  Moskau. 

Die  physische  Ausbildung  des  heranwachsenden  Geschlechts 
ist  für  Staat  und  Gesellschaft  eine  wichtige  Aufgabe,  an 
deren  Lösung  die  einzelneu  Nationen  schon  lange  ernstlich 
arbeiten,  weil  die  Wohlfahrt  und  Stärke  des  Staates  in  der 
gesunden  Entwickelung  der  kommenden  Generation  begründet 
liegt  In  letzter  Zeit  ist  die  Frage  einer  zweckmäßigen 
körperlichen  Erziehung  auch  bei  uns  in  Rußland  gewissermaßen 
Modesache  geworden.  Nicht  nur  die  still  wirkende  Wissen- 
schaft beschäftigt  sich  mit  diesem  Thema,  auoh  die  Tagespresse 
ventiliert  dasselbe  von  verschiedenen  Gesichtspunkten  aus. 
Dabei  macht  sich  hin  und  wieder  das  Bestreben  naoh  Eman- 
eipation  vom  Einflüsse  des  Westens  bemerkbar,  der  doch  auch 
in  der  vorliegenden  Frage  unser  Lehrmeister  gewesen  ist. 
Bort  existierten  schon  längst  bedeutende  Werke  hervorragender 
Denker  und   Gelehrter  über  die   physische  Entwickelung  des 


1  Ans  dem  Bussischen  von  Dr.  med.  A.  Hipfius,  Kinderarzt  in  Moskau. 

S«h«]g«*tradheitepflege  VI.  17 


250 

menschlichen  Organismus,  während  in  unserem  Vaterlande 
dieser  Gegenstand  erst  in  der  jüngsten  Vergangenheit  behandelt 
worden  ist. 

Die  Zeit  liegt  durchaus  nicht  fern,  wo  bei  uns  mit  eintritt 
der  kalten  Witterung  die  Kinder  nicht  an  die  freie  Luft 
geschickt  wurden  und  somit  zu  einer  fast  halbjährigen  Zimmer- 
haft verurteilt  waren.  Es  geschah  nichts,  um  ihre  körperliche 
Entwickelung  in  rationeller  Weise  zu  fördern.  Man  könnte 
glauben,  dafe  bei  dem  Mangel  an  Sohulen,  wie  er  in  RuMand 
besteht,  die  Jugend  sich  selbst  überlassen  blieb  und  einer 
besonderen  Pflege  ihrer  Gesundheit  daher  nicht  bedurfte.  Für 
die  Bänder  der  Land-  und  Dorfbevölkerung  mag  eine  solche 
Auffassung  auch  eine  gewisse  Berechtigung  haben.  In  mensohen- 
überfüllten  Grofsstädten  jedoch  ist  die  Rücksicht  auf  die 
physische  Entwickelung  des  jungen  Geschlechtes  schon 
längst  ein  unabweisbares  Bedürfnis  geworden.  Wenn  man  sich 
nun  auch  dieser  Erkenntnis  keineswegs  verschliefst,  so  ist 
doch  zur  Bethätigung  derselben  bei  uns  bisher  nur  wenig  und 
auch  dann  oft  nur  zum  Scheine  geschehen.  Die  laxe  Stellung- 
nahme der  Lehranstalten  gegenüber  der  körperlichen  Erziehung 
beeinflußte  die  letztere  auch  zu  Hause  in  ungünstiger  Weise. 
Hier  kein  Verständnis,  dort  keine  strikte  Forderung ;  was  Wunder, 
dafe  weder  infolge  häuslicher  Initiative,  noch  auf  Grund  autori- 
tativer Anregung  seitens  der  Schule  irgend  etwas  zur  Lösung 
der  Frage  geschah.  So  existieren  beispielsweise  in  einer  so 
grofeen  Stadt,  wie  Moskau,  bis  jetzt  weder  öffentliche  Spiel- 
plätze, noch  Turnhallen;  das  wenige,  welches  wir  Privatunter- 
nehmungen verdanken,  könnte  höchstens  den  Bedürfnissen  einer 
Provinzialstadt,  nicht  aber  denen  einer  Residenz  genügen. 

Wie  oberflächlich  und  rein  formell  das  Verhalten  unserer 
Krön-  und  Privatschulen  zur  körperlichen  Ausbildung  der 
lernenden  Jugend  bisher  gewesen  ist,  mögen  folgende  Daten 
illustrieren.  Noch  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  waren  in 
den  Unterrichtsanstalten  keinerlei  Turngeräte  vorhanden,  und 
es  war  schon  viel  wert,  dafs  die  Aufstellung  von  Kletter- 
gerüsten   gestattet    wurde,    welche    in    den    Zwischenstunden 


251 

den  Schülern  zur  Benutzung  freistanden.  In  den  dreißiger 
Jahren  wurde  zum  Zwecke  der  Einführung  der  sogenannten 
.deutschen"  Gymnastik  ein  besonderer  Turnlehrer  für  die 
Militärschulen  nach  Petersburg  berufen.  Ähnlich  verfuhren 
mehrere  Bürgerschulen,  die  bei  dem  Mangel  an  fachmännisch 
gebildeten  Turnlehrern  den  Turnunterricht  verabschiedeten 
Unteroffizieren  übertrugen.  Trotzdem  das  Unzulängliche  dieses 
Vorgehens  bald  erkannt  wurde,  geschah  doch  nichts,  um 
dem  Niedergange  des  Turnens  entgegenzuarbeiten,  und  das- 
selbe beschränkte  sich  während  unserer  Schulzeit  gegen  Ende 
der  fünfziger  Jahre  lediglich  auf  Marschübungen.  In  den 
sechziger  Jahren  wurde  der  gymnastische  Unterricht  aufs  neue 
in  den  Schulen  eingeführt,  doch  mit  der  Bestimmung,  dafe 
ihm  eine  halbe  Stunde  der  sogenannten  „langen  Rekreation" 
gewidmet  sein  sollte.  Er  fiel  somit  in  die  Frühstückspause 
und  in  die  einzige  Erholungszeit  der  Schüler  zwischen  fünf 
Lehrstunden.  Nicht  günstiger  lagen  die  Verhältnisse  in  den 
Madchenschulen.  Hier  wurde  der  Turnunterricht  auf  die 
freien  Abendstunden  verlegt,  und  in  dieser  zu  späten 
Tageszeit  (8,  sogar  9  Uhr  abends)  fehlte  es  natürlich  den  schon 
ermüdeten  und  ruhebedürftigen  Schülerinnen  an  der  erforder- 
lichen körperlichen  und  geistigen  Frische. 

Die  Steigerung  der  pädagogischen  Anforderungen  hatte 
eine  Erweiterung  des  Lehrprogrammes  zur  Folge,  und  nun  er- 
hoben sich  Klagen  über  Ermüdung  und  Schwäche  der 
lernenden  Jugend,  Erscheinungen,  welche  von  den  Ärzten  in 
ursächlichen  Zusammenhang  mit  der  Vernachlässigung  der  phy- 
sischen Erziehung  gebracht  wurden.  Dieser  Hinweis  bewirkte 
die  Gleichstellung  der  Gymnastik  mit  den  wissenschaftlichen 
Disciplinen.  Für  jede  Schulklasse  wurden  Gymnastikstunden 
in  vermehrter  Anzahl  dem  Lehrplane  eingefügt,  auch  programm- 
mäfeige  Sohulspaziergänge  angeordnet  und  in  einigen  Schulen 
sogar  besondere  Turnhallen  und  Spielplätze  eingerichtet. 
Damit  war  ein  hoflhungverheifsender  Anfang  gemacht,  und 
man  konnte  sich  gute  Erfolge  auf  der  eingeschlagenen  Bahn 
versprechen.     Da  traten  jedoch  gegen  alles  Erwarten  dieselben 

17* 


252 

Ärzte,  die  noch  wenige  Jahre  vorher  so  warm  für  die  obli- 
gatorische Einführung  der  Schulgymnastik  plaidiert  hatten,  als 
Gegner  der  bei  derselben  unentbehrlichen  Apparate  auf, 
und  neuerdings  ist  in  einer  pädagogischen  Zeitschrift  sogar  ein 
Artikel  unter  der  Überschrift:  „Über  die  Schädlichkeit  der 
Gymnastik"  erschienen. 

Die  Thatsache,  dafs  unter  den  Vertretern  gerade  der  hier 
kompetenten  Medizin  Meinungsverschiedenheiten  herrseben, 
muifl  unsere  Schulmänner  um  so  mehr  in  ein  Dilemma  bringen, 
als  die  Gymnastik  bei  uns  noch  nicht  derartige  Erfolge  hat 
zeitigen  können,  daJs  ihr  eine  allgemeine  Anerkennung  gesichert 
wäre.  Noch  schädlicher  muis  jene  Thatsache  auf  das  gröbere 
Publikum  einwirken ,  denn  bei  der  Indolenz  des  russischen 
Charakters  bedarf  es  ohnehin  eines  gründlichen  AnstoJses, 
z.  B.  der  Erkrankung  des  Kindes,  um  die  Aufmerksamkeit 
der  Eltern  auf  die  körperliche  Entwickeking  desselben  zu 
lenken.  Nun  ist  ein  willkommener  Vorwand  gegeben,  die 
kaum  beregte  Frage  wieder  ruhen  zu  lassen;  die  Gymnastik 
soll  ja  schädlich  seinl 

Unserer  Ansicht  nach  haben  zwei  Momente  jene  Meinungs- 
differenz über  den  Wert  des  Turnens  bedingt.  Erstens  ist  die 
hohe  Bedeutung  desselben  nicht  genügend  erkannt  und  ge- 
würdigt worden,  und  zweitens  haben  bei  der  außerordentlichen 
Armut  der  russischen  medizinischen  Litteratur  an  Arbeiten 
über  physische  Erziehung  zwei  Werke  eine  ominöse  Bedeutung 
gewonnen,  nämlich  Lbshaft:  „Lehrbuch  der  physischen  Er- 
ziehung des  Kindes  im  Schulatter"  und  Lagrange:  „Die  Hygiene 
der  körperlichen  Übungen  in  der  Kindheit  und  Jugend".1  ja 
beiden  Werken  wird  die  Wirkung  der  gymnastischen  Apparate 
kritisch  beleuchtet  und  für  ein  gewisses  Alter  und  gewisse 
Verbältnisse  als  irrationell,  ja  nachteilig  bezeichnet.  Lbshaft 
geht  sogar  so  weit,  die  Turnapparate  vollständig  beseitigen 
zu  wollen. 


1  Im  Rassische   übersetzt   vom    „Ernehungsbotenuf   Westmk  tfOf- 
pitanya. 


253 

Hierzu  kommt  noch  eine  ganz  falsche  Auffassung  von 
dem  Wesen  der  Gymnastik ;  wird  sie  doch  noch  vielfach,  und 
leider  nicht  nur  von  der  grofsen  Menge,  mit  jenen  Akrobaten - 
kfinsten,  etwa  am  Seil,  Trapez  oder  Barren,  identificiert,  welche 
uns  im  Cirkus  vorgeführt  werden. 

Es  bedarf  wohl  kaum  einer  längeren  Ausführung,  dafs 
eine  derartige  Auffassung  falsch  ist  und  dafs  das  Wesen  der 
Gymnastik  in  der  rationellen  Anwendung  aller  jener  Momente 
liegt,  welche,  dem  Alter,  der  Leistungsfähigkeit  und 
der  individuellen  Anlage  entsprechend,  die  unge- 
hinderte harmonische  Entwickelung  des  menschlichen 
Organismus  zu  fördern  im  stände  sind.  Schon  die  Etymologie 
des  Wortes  „  Gymnastik tf  deutet  auf  die  Richtigkeit  dieser 
Anschauung  hin. 

Lbshaft  hat  vollkommen  recht  mit  der  These,  dals  im 
alten  Griechenland  die  körperliche  Erziehung  der  Jugend  eine 
geradezu  ideale  Vollkommenheit  erlangt  hatte.  Zur  Begründung 
dieses  Urteils  sei  mir  ein  kurzer  Überblick  über  die  Geschichte 
der  Gymnastik  gestattet. 

Die  griechischen  und  römischen  Krieger  standen  dem 
Feinde  Mann  gegen  Mann  gegenüber.  Bei  dieser  Kampfesweise 
handelte  es  sich  vor  allem  um  körperliche  Kraft  und 
Gewandtheit,  der  Intellekt  kam  erst  in  zweiter  Linie  in 
Betracht.  Darum  lag  der  Schwerpunkt  der  körperlichen 
Schulung  im  L a u f  und  Wurf.  Hieran  schlössen  sich  Übungen 
im  Ringen,  Faustkampf,  Springen,  Reiten  u.  s.  w.,  ferner 
Gladiatorenkämpfe,  Kampfübungen  zu  Wasser  und  zu  Lande, 
Kämpfe  mit  wilden  Tieren  (venatio,  pugna  ferarum),  Kriegs- 
spiele, wie  „ludi  seviralestt  und  „Indus  Trojae",  und  schließlich 
die  olympischen  und  pythischen  Spiele,  welche  letzteren  ganz 
besonders  geeignet  waren,  eine  hohe  Entwickelung  körperlicher 
Kraft  und  Gewandtheit  zu  fördern. 

Anders  stand  es  im  Mittelalter.  Hier  sehen  wir  bei  dem 
Stieben  nach  geistiger  Vervollkommnung  die  Pflege  des  Körpers, 
wenn  auch  keineswegs  vollständig,  so  doch  mehr  und  mehr 
in  Vergessenheit   geraten.     Nichtsdestoweniger   tauchte   schon 


254 

damals  die  Anschauung  auf,  dafs  die  Vernachlässigung  des 
Leibes  die  Entwickelung  der  Jugend  ungünstig  beeinflusse, 
und  das  Bedürfnis  nach  Abhilfe  fand  im  15.  Jahrhundert 
seinen  Vertreter  in  Vegius.1  Auch  Luther1  trat  für  obli- 
gatorische Einfuhrung  des  Turnens  und  Fechtens  in  den 
Schulen  ein. 

In  der  darauffolgenden  Zeit  werden  schon  Mittel  und 
Wege  angegeben,  um  die  Leibesübungen  wieder  zu  Ehren 
zu  bringen,  so  bei  Babelais  (16.  Jahrhundert)  in  semer 
Dichtung  „Gargantua" ,  welche  die  physische  Erziehung  eines 
Knaben  zum  Gegenstande  hat.*  Ferner  betont  Rousseau,  indem 
er  die  Erziehung  der  Mädchen  bespricht,  dafs  diese  in  ähn- 
licher Weise  gegen  äuJsere  Einflüsse  abgehärtet  werden  müßten, 
wie  die  Knaben,  wobei  jedoch  auf  ihre  zartere  Konstitution 
Rücksicht  zu  nehmen  sei.  Die  Vorkämpfer  für  unsere  moderne 
Gymnastik,  Guts-Muts4  und  dessen  Schüler  Vieth,  arbeiteten 
eine  ganze  Reihe  methodischer  Leibesübungen  aus  und  em- 
pfahlen in  ihren  Schriften  das  Klettern,  Balancieren   u.  s.  w. 

Der  Vater  unserer  Turnkunst  aber  ist  bekanntlich  Jahn, 
weloher  im  Jahre  1810  einen  Schülerkreis  um  sich  scharte, 
um  die  Jugend  zur  Vaterlandsverteidigung  tüchtiger  zu 
machen.  Die  von  ihm  geleiteten  Übungen  wurden  im  Freien 
ausgeführt  und  trugen  anfangs  den  Charakter  eines  Sports ;  mit 
dem  beständigen  Wachstum  der  Schülerzahl  aber  gewann  das 
Turnen  als  solches  mehr  und  mehr  Boden  in  Gesellschaft  und 
Schule.  Jahn  hat  den  größten  Teil  der  noch  jetzt  üblichen 
Turnapparate  erfunden,  sein  Buch  über  das  Turnen6  ist  in 
die  meisten  europäischen  Sprachen  übersetzt,  und  seine  Gym- 
nastik, die    „deutsche"    genannt,    herrscht   bis   zum    heutigen 


1  Lfshaft,  Leitfaden  für  die  physische  Erziehimg.  Petersburg,  1888, 
S.  69  (Russisch). 

f  Leshaft,  I,  S.  70. 
s  Lebhaft,  I,  S.  78—83. 

4  Guts-Muts,  Friedrich,  Turnbuch  für  die  Sohne  des  Vaterlandes. 
Frankfurt  a.  M,  1817. 

5  Jahn,  Ludwig,  Beutsehe  Turnkunst   Berlin,  1847. 


! 


255 

Tage  ziemlich  unverändert  in  Deutschland.  Seine  Lehren 
fanden  in  Frankreich  durch  Amaurose,  in  der  Schweiz  und 
Italien  durch  Clias  und  in  Dänemark  durch  Nachtigall 
Weiterverbreitung. 

Die  deutsche  Jugend  nahm  die  neue  Lehre  begeistert  auf 
und  beteiligte  sich  so  rege  an  der  Gymnastik,  dafa  den  Turn- 
vereinen politische  Tendenzen  untergelegt  wurden.  Das  Miß- 
trauen der  Regierung  und  ihrer  Vertreter  war  damit  geweckt; 
so  dafis  es  auf  Antrag  eines  gewissen  Massmann  am  14.  Ok- 
tober 1817  zu  einer  öffentlichen  Verbrennung  der  Schriften 
über  das  Turnen  kommen  konnte.  Die  Ermordung  Kotzsbubs 
hatte  die  Aufhebung  aller  Turnvereine  und  Jahns  Festungs- 
haft zur  Folge;  erst  das  Jahr  1846  befreite  diesen  von  der 
über  ihn  verhängten  Polizeiaufsicht. 

Fast  gleichzeitig  mit  Jahn  wirkte  im  Norden  Europas 
Lingg,  der  Begründer  der  schwedischen  Heilgymnastik.  Von 
demselben  nationalen  Streben  beseelt,  wie  Jahn,  machte  er 
das  Studium  und  die  Einführung  des  Turnens  zu  seiner 
Lebensaufgabe.  Nach  Absolvierung  der  theologischen  Fakultät 
auf  der  Universität  Upsala  im  Jahre  1813  gelang  es  dem 
allgemein  geachteten  Dichter,  die  Konzession  zur  Errichtung 
eines  „Centralinstituts  für  Gymnastik"  in  Stockholm  auszu- 
wirken. Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  Linggs  Kenntnis 
der  altchinesischen  Schriften  des  Coneuoius  von  wesentlichem 
Einflüsse  auf  sein  System  der  Gymnastik  gewesen. 

Während  Jahn  das  Hauptgewicht  auf  Turnapparate  legt 
and  in  erster  Linie  die  körperliohe  Entwicklung  der  Knaben 
nach  dem  14.  Lebensjahre  sich  zum  Ziele  setzt,  kommt  Linggs 
Gymnastik  den  Kindern  aller  Altersstufen  ohne  Rücksicht  auf 
das  Geschlecht  zu  gute.  Bei  dem  System  des  letzteren  dienen 
die  wesentlich  vereinfachten  Turngeräte  nur  als  Mittel  zum 
Zweck.  Riege,  Barren,  Trapez  und  Drehseil  sind  ausgeschlossen, 
denn  nach  Lingg  mufs  der  Kraftaufwand  einer  in  Thätigkeit 
gesetzten  Muskelgruppe  weniger  durch  Apparate,  als  duroh 
richtige  Körperstellung  des  Turnenden  unterstützt  werden. 
Daher    sind   hier   die   Freiübungen  mit   ihren   verschieden- 


1 


266 

artigen  Ausfallstellungen  vorherrschend,  ebenso  die  sogenannten 
Doppelbewegongen  mit  Widerstand. 

Ans  diesem  flüchtigen  Überblicke  ist  ersichtlich,  daß  die 
schwedische  Gymnastik  systematischer  ist,  indem  sie  dem 
Alter  und  der  Konstitation  des  Individuums  methodisch  an- 
gepafst  werden  kann.  Lmaos  Princip  „Lieber  zu  wenig, 
als  zu  viela  kommt,  wie  schon  angedeutet,  auch  bei  der 
Benutzung  der  Turngeräte  voll  zur  Geltung.  Im  Kindesalter 
dienen  sie  mehr  dem  Vergnügen  und  beschränken  sich  haupt- 
sächlich auf  einfache  Klettergerüste,  während  der  reiferen 
Jugend  eine  gröfsere  Auswahl  von  Geräten  geboten  ist;  die 
dem  Turner  durch  die  Apparate  gestellten  Aufgaben  werden 
in  allmählicher  Stufenfolge  schwieriger  und  dienen  daher 
gleichzeitig  zur  Kontrolle  der  physischen  Leistungsfähigkeit. 

Nach  Linogs  Tode  im  Jahre  1839  übernahmen  dessen 
Schüler  das  Erbe  ihres  Meisters  und  haben  dem  „Central- 
institut  für  Gymnastik u  eine  solche  Bedeutung  verschafft,  dafs 
es  nicht  nur  für  ganz  Schweden,  sondern  auch  für  das  Ausland 
technisch  und  wissenschaftlich  geschulte  Turnlehrer  heranbildet. 
Die  LiNGGsohe  Methode  ist  in  allen  Staats- und  Privatlehranstalten 
Schwedens  obligatorisch  eingeführt.  Als  Turnlehrer  fungieren 
vornehmlich  aktive  Offiziere,  welche  die  erforderliche  Fach- 
bildung in  jenem  Centralinstitute  erhalten  haben.  Deutsch- 
land schickte  den  Major  Rothstein  nach  Stockholm,  um  die 
schwedische  Gymnastik  an  Ort  und  Stelle  zu  studieren.  Die 
Vorzüge  dieser  Methode  voll  anerkennend/  plaidierte  Rothstein 
für  deren  Einfuhrung  in  die  deutschen  Schulen.  Seine  Ab- 
handlungen über  pädagogische  Gymnastik1  nehmen  noch  heute 
eine  hervorragende  Stelle  in  der  Faohlitteratur  ein. 

Ein  noch  eifrigerer,  ja  begeisterter  Vorkämpfer  für  das 
schwedische  System  ist  Nbumann,*  dessen  umfangreiches  Werk 


1  BoTHSTinf,  Die  Gymnastik  nach  dem  System  des  schwedischen 
Gymnasiarchen  Lingg.  Berlin,  1859.  Derselbe,  Die  gymnastischen  Frei- 
übungen.   Berlin,  1861. 

*  A.  Nbuvann,  Lehrbuch  der  Leibesübungen  des  Menschen.    4  Bde. 


257 

hauptsächlich  der  Heilgymnastik  gewidmet  ist.  Spiess1  behält 
neben  den  Freiübungen  das  Turnen  an  Geräten  bei,  verbindet 
mithin  beide  Systeme,  wobei  er  die  Übungen  je  nach  den 
rerechiedenen  Altersklassen  modifiziert.  Letzteres  System, 
kombiniert  mit  den  KLOSSschen*  Principien,  ist  für  alle  deut- 
schen Schulen  malsgebend. 

Frankreich  ist  dem  Beispiele  Deutschlands  gefolgt.  Die 
Sehulgymnastik  wird  dort  nach  Spiess,  vielfach  auch  nach 
Jahn  gehandhabt,  denn,  wie  Lagrange  mitteilt,  legt  man  das 
Hauptgewicht  auf  das  Turnen  an  Geräten.  Die  allgemeine 
Vorliebe  der  Franzosen  für  letztere  dokumentiert  sich  auch 
darin,  dafs  fast  in  jeder  Wohnung  Turnapparate,  zum  mindesten 
Ringe  oder  Trapeze,  sich  vorfinden  und  dafs  in  Frankreich 
die  Herstellung  von  Turngeräten  fabrikmäßig  betrieben  wird. 

Die  Schul  Verhältnisse  Englands  bedingen  einen  anderen 
Modus  der  physischen  Erziehung.  In  den  Unterrichtsanstalten, 
die  meist  Internate  sind,  kommt  auf  22 — 25  wissenschaftliche 
Lehrstunden  wöchentlich  eine  gleiche  Anzahl  Freistunden,  die 
dem  Sport,  dem  Spiel  und  der  Ausübung  verschiedener  Hand- 
werke gewidmet  sind.  Jede  besser  eingerichtete  Schule  verfügt 
über  eigene  Turnhallen  und  Spielplätze,  und  wöchentlich* sind 
2—3  Stunden  ausschliefslioh  für  das  Turnen  bestimmt,  das  nach 
dem  schwedischen  Systeme  ausgeübt  wird. 

Wie  schon  erwähnt,  ist  bei  uns  in  Rufs  1  and  die  körper- 
liehe Ausbildung  seitens  der  Schule  bisher  äußerst  mangelhaft 
betrieben.  Wurde  auch  hin  und  wieder  geturnt,  so  geschah  es 
doch  blofe  nach  der  Schablone  oder  nach  dem  Gutdünken  des 
Lehrers.  Selbst  in  den  Militärschulen  fand  die  Gymnastik 
bot  geringe  Förderung.  Einige  recht  mittelmäßige  Hand- 
bücher über  das  Turnen  ist  alles,  was  unsere  Fachlitteratur 
bisher  aufzuweisen  hatte,  und  daher  ist  für  Rufsland  Professor 
Lkhafts  Abhandlung  von  epochemachender  Bedeutung  ge- 
worden.   Zum  Direktor  einer  Turnlehranstalt  ernannt,  widmete 

1  Adolf  Spiess,  Bas  Turnen  in  den  Freiübungen  für  beide  Gt- 
wWofeer.   Basel,  1867. 

*  H.  Klos8,  Die  weibliche  Turnkunst    Leipzig,  1855. 


258 

der  Genannte  sich  voll  Hingabe  seinem  Berufe,  konnte  es 
aber  nicht  verhindern,  daJGs  seine  Schule  schon  nach  kaum 
zweijährigem  Bestehen  wieder  einging. 

Leshafts  Schriften  sind  für  jeden,  der  sich  für  das 
Turnen  interessiert,  durch  ihren  wissenschaftlichen  Ernst 
empfehlenswert.  Ausführlich  ist  die  historische  Seite  behandelt. 
Alle  Methoden  sind  genau  beleuchtet  und  richtig  kritisiert. 
Als  Anatom  von  Fach  legt  er  seiner  Beurteilung  einen 
anatomischen  Satz  zu  Grunde,  n&mlioh  den,  dals  die  eine 
aktive  Kraft  ausübenden  Organe  ebenso,  wie  die  sie  be- 
herrschenden bewußten  Gehirncentren,  paarig  sind. 

Diese  Organe  haben  eine  verschiedene  Bestimmung. 
Während  die  unteren  Extremitäten  zur  Stütze  und  Fortbewe- 
gung des  Körpers  dienen,  vermitteln  die  oberen  die  Beziehungen 
zur  Außenwelt.  Die  Ausbildung  beider  mnJs  daher  gleich- 
falls eine  verschiedene  sein.  Bei  den  gymnastischen  Exercitien 
dürfen  z.  B.  die  oberen  Extremitäten  nie  als  Stütze  des 
Rumpfes  verwandt  werden,  und  es  sind  daher  alle  Apparate, 
bei  denen  Übungen  mit  den  Stützpunkten  in  den  oberen 
Extremitäten  vorwalten,  eo  ipso  zu  verwerfen.  Da  Lebhaft 
die  altgriechische  Erziehungsweise  zum  Vorbilde  für  unsere 
moderne  Gymnastik  nimmt,  betont  er  in  erster  Linie  Lauf- 
und Wurfbewegungen,  hauptsächlich  also  Ballspiele  und  ähn- 
liche Übungen,  überhaupt  alle  Spiele  im  Freien.  Bei  der 
Gegenüberstellung  der  einzelnen  Systeme  kommt  er  zu  dem 
naheliegenden  Schlüsse,  dals  unter  allen  besprochenen  das 
schwedische  das  konsequenteste  und  rationellste  sei.  Auf 
Seite  231  schildert  derselbe  eine  „Turnstunde  nach  LlNoe" 
in  der  Jakobischule  und  schliefst  mit  den  Worten:  „Nicht 
eine  einzige  dieser  Übungen  bedingte  einen  forcierten  Kraft- 
aufwand, so  dafs  am  Schlüsse  der  Stunde  keine  der  Schülerinnen 
Ermüdung  oder  gar  Erschlaffung  zeigte." 

Die  im  Jahre  1889  erschienene  „Hygiene  der  Körper- 
Übungen^1  von  Lagbange,  nach  des  Verfassers  eigenen  Worten 


1  P.  Lagranok,  Hygüne  des  exereices  du  oorpe.    Paris,  1889. 


259 

eine  Fortsetzung,  bezw.  praktische  Erläuterung  seiner  früheren 
Werke/  ist  allerdings  frisch  und  spannend  geschrieben,  steht 
aber  an  wissenschaftlicher  Tiefe  dem  Werke  Leshafts  weit 
nach.  Denn  Lagranges  Deduktionen  sind  nicht  objektiv, 
vielfach  paradox  und  entsprechen  oft  keineswegs  den  Prämissen. 
Zwar  betont  derselbe  mit  vollem  Rechte  die  Notwendigkeit, 
das  Turnen  dem  Alter  und  Geschlechte  der  Jugend  anzu- 
passen und  für  kleinere  Kinder  die  Übungen  an  Geräten, 
weil  für  das  Kindesalter  nicht  anwendbar,  ja  schädlich,  aus- 
zuschließen, doch  ist  dieser  Gedanke,  wie  wir  gesehen  haben, 
nicht  neu. 

Lagrangb  teilt  die  Turnübungen  in  natürliche  (hygie- 
nische) und  künstliche  (athletische)  ein.  Zu  den  letzteren 
zählt  er  alle  Übungen  an  Turnapparaten  und  verwirft  daher 
diese  für  das  frühere  Kindeealter,  während  er  sie  bei  Kindern 
über  14  Jahre  für  zulässig  und  sogar  für  vorzüglich  zur 
Entwickelung  eines  kräftigen  Muskelsystems  hält. 

Fafst  man  nur  die  in  der  deutschen  Gymnastik  üblichen 
Geräte,  wie  Hinge,  Barren,  Trapez,  ins  Auge,  so  könnte  man 
Lagbahge  schließlich  recht  geben,  wenn  er  diese  Art  des 
Turnens  eine  künstliche  nennt.  Dieselbe  Bezeichnung  aber 
auch  auf  das  schwedisohe  System  anwenden  zu  wollen,  bewiese, 
dals  die  LAGRANGBsche  Einteilung  selbst  eine  gekünstelte  ist. 
Bei  der  Beschreibung  der  Übungen  an  den  einzelnen  Turn- 
spparaten  werde  ich  diese  meine  Behauptung  begründen. 

Obgleich  Lagrangb  ferner  die  Freiübungen  als  solche  für 
methodisch  und  zweckentsprechend  hält  und  ihnen  volle  Anerken- 
nung zollt  (S.  49),  sucht  er  doch  gleichzeitig  zu  beweisen,  dafs  sie 
äusserst  langweilig  seien,  weil  sie  den  Kindern  nicht  die  erfor- 
derliche Anregung  zu  bieten  vermögen,  „da  die  bei  derartigem 
Turnen  zu  beobachtende  Disciplin  und  Aufmerksamkeit  die 
ohnehin  übermüdete  Gehirnthätigkeit  noch  mehr  alteriere,  statt 
sie  zur  Buhe  kommen  zu  lassen. tf  Bei  einer  solchen  Stellung- 
nahme ist  es  erklärlich,  dafs  nur  die  Spiele  in  den  Augen  des 


1  F.  Lageavqe,  Physiologie  des  txercice*  du  corps.    Paris,  1888. 


260 

Verfassers  Gnade    finden    als   einzige  methodische  Grundlage 
für  die  natürlichen  (hygienischen)  Bewegungen. 

Dabei  abstrahiert  Lagrange  gänzlich  von  irgend  einem 
bestimmten  Programm,  wie  wir  es  z.  B.  bei  Leshaft  finden, 
als  ob  es  möglich  wäre,  die  brennende  Frage  der  physischen 
Erziehung  durch  Spiele  allein  ihrer  Lösung  näher  zu  bringen. 

Gerade  die  zwei  oben  oitierten  Werke  Lagranges  haben 
meiner  Ansicht  nach  durch  ihre  blendende  Diktion  und  geist- 
reiche, wenn  auch  nicht  immer  logische  Beweisführung  einen 
Teil  unserer  Ärzte  soweit  beeinflufst,  daJs  diese  nun  auch 
ihrerseits  jene  Schlagworte,  wie:  „Das  Turnen  ist  irrationell" 
oder  „Die  Gymnastik  ist  schädlich",  nachbetend  auf  ihr  Panier 
geschrieben  haben. 

Meine  jüngeren   Kollegen    vor    ähnlicher   Übereilung  zu 
warnen,  ist  der  Zweck  dieser  Zeilen.     Eine  mehr  als  zwanzig- 
jährige   orthopädische  Praxis  hat  in  mir  die  Überzeugung  ge- 
festigt, dafs   eine  vernünftige  und  methodische  Übung 
des   Muskelsystems    dieses    letztere    und    damit    den 
Gesamtorganismus    unbedingt     auf     das    heilsamste 
fördert     Ich  kann  nur  tief  bedauern,    daJs   hierüber   nicht 
eine  Stimme   herrscht,    denn  bei  unseren  eigenartigen  klima- 
tischen und  socialen  Verhältnissen  mufs  eine  Gegenströmung  auf 
die  ohnehin  noch  nicht  recht  in  Flufe  geratene  Angelegenheit 
der  physischen  Erziehung  den  denkbar  ungünstigsten  Einfluß 
üben,    und  das  gerade  jetzt,    wo  die  Erkenntnis  des  Nutzens 
und    der    hohen    Bedeutung    körperlicher    Übung    allmählich 
wenigstens    soviel    Boden    gewonnen    hat,    dafs    das    Turnen 
an   verschiedenen   Stellen    eingeführt    wurde    und   nun    bald 
durch  seine   praktischen  Resultate   für  sich    selbst  hätte 
plaidieren  können.     Denn   der   Gymnastik   genügt    nicht  die 
Theorie   allein,   und   sei   sie  noch  so   geistreich   ausgeklügelt, 
sie   ist  eine  durchaus   praktische  Wissenschaft      Langjährige 
Erfahrung  allein  ist  im  stände,  nachzuweisen,    dafs   jene  un- 
erwünschten Erscheinungen,  die  von  den  Gegnern  des  Turnens 
dem  Princip  zur  Last  gelegt  werden,   lediglich  von  der  un- 
rationellen Anwendung  dieses  Principes  herrühren. 


261 

Kor  die  Einwürfe,  die  gegen  die  schwedische  Gym- 
nastik erhoben  worden  sind,  will  ich  zu  widerlegen  suchen. 
Halte  ich  diese  Methode  auch  nicht  für  unanfechtbar,  so  hat 
sie  sich  doch  immerhin  auf  durchaus  gesunder  Basis  ent- 
wickelt, verfolgt  ein  richtiges  Ziel  und  kann  unseren 
Lebensbedingungen  in  Schule  und  Haus  erfolgreich  angepafst 
werden. 

1.  „Die  Gymnastik",  so  sagt  man,  „sei  unrationell, 
weil  ihr  die  anatomisch- physiologische  Grundlage 
fehle". 

Weil   die  Bewegungsorgane    des   Menschen   schon   durch 

ihren  Bau  auf  ihre  verschiedene  Zweckbestimmung  hinweisen, 

sind  nach  Leshaft,  wie  wir  oben  zeigten,  alle  Übungen,   bei 

welchen   die    oberen   Extremitäten    als    Stütze   des   Rumpfes 

dienen,    verwerflich.      Denn    diese    würden    durch    derartige 

Übungen  auf  Kosten  ihrer  natürlichen  Gewandtheit  gekräftigt. 

Diesem  Hauptargumente  Leshafts  gegen  die  Gymnastik 

kann  ich  nur  bedingt  zustimmen.    Könnte  ich  doch  Fälle  in 

Menge  anführen,   wo  trotz  ungewöhnlicher  Entwickelung  der 

Muskelkraft,  etwa  der  Hände,  diese  letzteren  die  ihnen  eigene 

Gewandtheit  nicht  nur  nicht   einbüfsten,    sondern   sogar  noch 

erstaunlich   steigerten.  "  Es   sei   nur   auf  den  Akrobaten   und 

Jongleur  hingewiesen,  bei  dem  ungewöhnliche  Kraft  der  Hände 

vereint    ist    mit    überraschender     Geschicklichkeit     derselben. 

Niemand  hat  ferner  den  Beweis  zu  liefern  versucht,  dab  eine 

starke  Muskelentwickelung  des  Schultergürtels  das  Zeichnen  oder 

Schreiben  ungünstig  beeinflusse. 

Auch  sind  Beispiele,  in  denen  die  oberen  Extremitäten  zur 
Stütze  des  Rumpfes  bezw.  der  unteren  Gliedmafsen  dienen,  im 
gewöhnlichen  Leben  nicht  selten.  Fassen  wir  das  Kind  in 
seinem  ersten  Lebensjahre  ins  Auge.  Beim  Kriechen  und 
Aufstehen  desselben  haben  die  oberen  Extremitäten  die  ganze 

9 

Last  des  Rumpfes  zu  tragen  ohne  nachweisbar  sohädliche  Folgen» 
AuJserdem  gibt  es  manche  Spiele,  bei  denen  sich  dieselbe 
Erscheinung  konstatieren  läüst.  Auch  die  griechische  Gym- 
nastik, welche  Leshaft  die    „klassische"    nennt,  weist   unter 


262 

anderem  eine  Sprungübung  auf,    bei    welcher   den    stützenden 
Händen  das  gesamte  Körpergewicht  zugemutet  wird. 

Es  kommt  hier  eben  alles  auf  das  Hauptziel  der  Päda- 
gogik, die  harmonische  Entwickelung  an.  Kraft  und  Gewandt- 
heit  dürfen  nicht  einseitig  geübt,  sondern  müssen  gemeinschaft- 
lich herangebildet  werden.  Ich  führe  mit  Leshaft  als  Beispiel 
den  Affen  an,  bei  dem  die  unteren  Extremitäten  nach  dem 
Typus  der  oberen  gebaut  sind,  und  der  mit  Hilfe  der- 
selben ebenso  gewandt  läuft  und  springt,  wie  greift  und 
schleudert.  Dieselbe  Aufgabe  hat  man  bei  den  Übungen  des 
menschlichen  Körpers  im  Auge  zu  behalten.  Die  Gliedmaßen 
müssen  gleichzeitig  stark,  d.  h.  fest  in  den  Gelenken  und 
gewandt,  d.  h.  leicht  beweglich  sein.  Um  sie  zu  stärken,  sind 
gewisse  Übungen,  um  sie  gelenkig  zu  machen,  andere  erforderlich. 

In  Bezug  auf  Freiübungen  stellt  Leshaft  die  Behauptung 
auf,  dafs  sie  nicht  anatomisch-physiologisch  begründet,  sondern 
nur  empirisch  ausgearbeitet  sind.     Wenn  wir   dem  auch   zu- 
stimmen mögen,  so  sind  wir  deswegen  doch  nicht  zu  der  Behaup- 
tung  berechtigt,    dafs   sie  wertlos   seien.     Die  Methoden    der 
Freiübungen   sind   ebenso   wie   die  Kegeln  der   schwedischen 
Gymnastik  von  ernsten  Denkern  in  Vorschlag  gebracht  worden 
und  haben  sich  nun  schon  ein  Jahrhundert  hindurch  praktisch 
bewährt.     Es    dürfte   in   unserer  Zeit   richtiger   sein,    diesem 
empirischen   Verfahren   eine    wissenschaftliche    Grundlage   zu 
geben.     Sehen  wir  doch  ähnliches  auoh  in  der  Medizin:    die 
Krankheit    wird    mit   diesem    oder  jenem  Mittel    erfahrungs- 
gemäß behandelt,  und  oft  findet  sich  erst  sehr  viel  später  die 
theoretische  Erklärung  für  den  Erfolg  des  klinischen  Handelns. 
Im  Gegensatz   zu  Leshaft   erklärt    übrigens   Lagrange   die 
Freiübungen  rundweg  für  zweckentsprechend  und  rationell. 

2.  „Die  Gymnastik  unserer  Zeit",  so  heifst  es 
weiter,  „sei  unsystematisch,  man  könne  sie  für  die 
methodische  Entwickelung  des  Körpers  nicht  ver- 
werten. Die  Übungen  an  den  Geräten  erforderten 
eine  derartige  Kraftanstrengung,  wie  sie  bei  vielen 
schwachen  Kindern  nicht  zulässig  sei." 


263 

Diese  Auffabung  beweißt  nur  eine  ungenügende  Bekannt- 
schaft mit  den  Apparaten  der  schwedischen  Gymnastik.  Dort 
gibt  es  längst  nicht  mehr  Barren,  Ringe  und  Trapeze.  Die 
bei  den  Schweden  üblichen  Gerätschaften  sind  auch  für 
schwache  Kinder  sehr  wohl  zu  brauchen,  wie  ich  bei  der 
näheren  Betrachtung  derselben  nachzuweisen  hoffe.  Was 
ferner  den  Vorwurf  der  Systemlosigkeit  für  das  schwedische 
Turnen  betrifft,  so  können  die  Ordnungs-  und  Freiübungen, 
wenn  sie  konsequent  und  mit  Sachkenntnis  ausgeführt  werden, 
auch  den  strengsten  Systematiker  befriedigen.  Man  hat  stets 
mit  den  einfachsten  und  leichtesten  Übungen  zu  beginnen  und 
stufenweise  zu  den  komplieierteren  und  schwereren  über- 
zugehen. 

3.  „Die  Gymnastik  sei  langweilig",  behaupten 
Lag&angb  und  die  übrigen  Gegner  des  Turnens.  Um  das  zu 
beweisen,  greifen  sie  zu  folgendem  Kunstgriff:  sie  beschreiben 
auf  der  einen  Seite  das  begeisterte  Spiel  der  Kinder  in  freier 
Luft,  auf  der  anderen  Seite  eine  lange  Reihe  von  gymnastischen 
Bewegungen  unter  der  Leitung  eines  apathischen  Lehrers  in 
engem,  dumpfem  Räume.  Eine  derartige  Beweisführung  kann 
nicht  überzeugend  sein,  denn  man  vermag  mit  gleichem  Rechte 
auch  das  Gegenteil  darzuthun.  Ich  will  nicht  daran  zweifeln, 
dafe  diejenigen  die  Wahrheit  reden,  welche  die  Schüler  in 
einer  Turnstunde  ermüdet  und  gelangweilt  gesehen  haben, 
bitte  aber  auch  mir  zu  glauben,  dafe  dieses  durch  die  Zeit 
und  Umgebung,  hauptsächlich  aber  durch  die  ungenügende 
Sachkenntnis  und  Thatkraft  des  Lehrers  bedingt  war.  Leshaft 
beschreibt  eine  Turnstunde  in  einer  schwedischen  Volksschule 
und  sagt,  dafs  die  Kinder  durchaus  nicht  gelangweilt  oder 
ermüdet,  sondern  im  Gegenteil  belebt  erschienen  und  eine 
erhöhte  Atmungsfrequenz  aufwiesen.  Ich  selbst  kann  noch 
mehr  sagen.  Nach  einer  regelrecht  geleiteten  Turnstunde  in 
entsprechender  Umgebung  sind  die  Kinder  stets  frisch  und 
lebhaft;  ihre  Wangen  sind  hochgerötet,  und  ihre  Augen  blitzen 
gerade  so,  wie  Lagrange  es  nach  regelrecht  geleiteten  Spielen 
beschreibt.      Auch    ich    habe    Turnstunden    in    schwedischen 


264 

Schulen  beigewohnt  und  muls  bezeugen,  dafs  dieselben  nicht 
nnr  für  die  Turnenden  selbst,  sondern  auch  für  die  Zuschauer 
ein  wahres  Vergnügen  waren.  In  Moskau  haben  wir  Schulen, 
in  denen  die  Gymnastik  die  Lieblingsbeschäftigung  der  Schüler 
bildet  und  der  Ausschlafe  von  der  Turnstunde  als  Strafe  an- 
gesehen wird.  Dasselbe  gilt  für  meine  Gymnastikschule.  Es 
gibt  in  der  schwedischen  Gymnastik  eine  ganze  Reihe  von 
sogenannten  Vergnügungsübungen,  die  zum  Zweck  haben, 
Heiterkeit  und  Lachen  zu  erregen  und  dadurch,  wenn  nötig, 
die  Klasse  aufzufrischen.  Ich  wiederhole,  dafs  alles  darauf 
ankommt,  wie  man  die  Sache  anfafst.  Für  kleine  Kinder 
dürfen  die  Turnstunden  nur  Spiel  sein,  dessen  Beigabe  in 
einigen  Übungen  und  wenigen  Geräten  besteht.  In  vorgerück- 
terem Alter  sind  systematische  Leistungen  erforderlich,  und  den 
Schülern  muJs  Interesse  für  gewisse,  ihren  Kräften  entsprechende 
gymnastische  Aufgaben  eingeflöfst  werden.  Auf  diese  Weise 
gelingt  es  auch  ganz  von  selbst,  die  Aufmerksamkeit  der 
Jugend  zu  fesseln. 

4.  „Die  auf  Kommando  auszuführenden  gym- 
nastischen Übungen  böten  nach  geistiger  Arbeit 
keine  Erholung,  sondern  ermüdeten  erst  recht  und 
seien  eigentlich  nur  im  stände,  die  Muskulatur  zu 
kräftigen."  Die  Behauptung,  dafs  das  Gehirn  beim  Turnen 
ermatte,  ist  zuerst  von  Lagrange  aufgestellt  worden,  wahr- 
scheinlich nur,  weil  er  Turnstunden  unter  den  ungünstigsten 
Verhältnissen  besucht  hatte.  Die  meisten  Autoren,  sowie  alle 
diejenigen,  welche  mit  der  Sache  praktisch  vertraut  sind, 
sprechen  sich  jedoch  dahin  aus,  daJs  nach  geistiger  Arbeit 
körperliche  Bewegung  das  beste  Mittel  ist,  um  das  ermüdete 
Gehirn  wieder  aufzufrischen.  Dies  labt  sioh  ja  auch  sehr  wohl 
verstehen.  Die  Bewegungen  werden  vorherrschend  von  den 
Extremitäten  ausgeführt  und  rufen  eine  gröJsere  Blutzufohr 
nach  denselben  hervor;  zugleich  verstärken  sie  den  Atmungs- 
prooefe  und  bedingen  so  eine  Bereicherung  des  Blutes  an  Sauer- 
stoff. Sie  haben  daher  einerseits  den  Abfluüs  des  ungenügend 
oxydierten  Blutes  vom   Gehirn,  andererseits  die  Auffrischung 


265 

des  Gehirns  durch  eine  energischere  Oxydation  des  Blutes 
zur  Folge. 

Was  die  Ansicht  anbetrifft,  dafe  durch  das  Turnen  nur 
die  Muskulatur  gestärkt  werde,  so  brauchen  wir  uns  kaum 
lange  bei  derselben  aufzuhalten.  Dubois-Reymond  hat  gezeigt, 
dafe  jede  körperliche  Übung  die  nervösen  Centralorgane  an 
ein  zweckmässiges  Dirigieren,  die  Muskeln  aber  daran  gewöhnt, 
möglichst  leicht  und  schnell  den  vom  Gentrum  gegebenen 
Impulsen  zu  gehorchen.  Er  weist  klar  und  deutlioh  nach, 
dafe  bei  geläufigem  Vortrag  eines  Musikstückes,  beim  Zeichnen 
und  Malen  das  Gehirn  entsprechend  beteiligt  ist  und  mit  der 
technischen  Vervollkommnung  des  Ausfuhrenden  sich  auch 
selbst  vervollkommnet.  Daraus  folgt  unzweifelhaft,  dafs  in 
den  Centralorganen  zwei  Eunktionssphären  getrennt  sind,  die 
psychisch-intellektuelle  und  die  motorische,  und  dafe  sie  sich 
antagonistisch  zu  einander  verhalten.  Indem  wir  die  eine 
zur  Bethätigung  bringen,  geben  wir  der  anderen  Ruhe. 

Die  Behauptung,  dafe  die  Entwickelung  der  Muskulatur 
noch  nicht  eine  Kräftigung  der  Gesundheit  bedeute,  ist  noch 
von  niemandem  bewiesen  worden;  und  dafs  zur  Arbeitsleistung 
des  Muskels  nicht  auch  Kraft  notwendig  sei,  ist  die  persönliche 
Meinung  Lbshafts,  die,  soviel  ich  weife,  von  keinem  anderen 
geteilt  wird.  Die  Erfahrung  lehrt  vielmehr,  dals,  wenn  die 
Muskulatur  sich  kräftigt,  alle  vitalen  Funktionen  sich  heben, 
mithin  die  Gesundheit  des  Betreffenden  gebessert  wird. 
Schon  die  alten  Physiologen  haben  nachgewiesen,  dals  die 
Entwickelung  der  Muskeln  auch  dem  Wachstum  der  dazu 
gehörigen  Knochen  und  sogar  der  benachbarten  Organe  zu 
gute  kommt.  Umgekehrt  bedingt  eine  schwache  und  schlaffe 
Muskulatur  eine  Hemmung  im  Wüchse  der  Knochen  und 
der  Nachbarorgane  (Fiok,  Gudden).  So  kommt  es,  dafe  die 
Kinder  bei  Mangel  an  körperlicher  Übung  mager  sind  und  in 
die  Länge  wachsen,  bei  regelrechter  physischer  Ausbildung 
dagegen  zunehmen  und  breiter  werden. 

5.  „Die  gymnastischen  Übungen  erreichen  nicht 
ihr  Ziel,  da  sie  in  engen  Bäumen  stattfinden,  wo  die 

BdnlgMimdbettqrfltfe  VI.  IS 


386 

Turner  Staub  und  verdorbene  Luft  einatmen,  so  dafß 
die  wohlthuende  Wirkung  der  beschleunigten  Respi- 
ration verloren  geht  und  keine  genügende  Oxydation 
des  Blutes  erfolgt."  Dieser  Einwand  ist  ohne  Zweifel 
insofern  berechtigt,  als  unter  den  genannten  Bedingungen  dss 
Turnen  allerdings  seinen  Zweck  nicht  erreicht.  Ist  hieran  aber 
die  Gymnastik  an  sich  schuld?  Unter  gleichen  Umständen 
müssen  doch  wohl  auch  die  Spiele  ihren  Zweck  verfehlen. 
Schafft  dem  Turner  ein  zweckentsprechendes  Lokal,  beseitigt 
den  Staub  und  sorgt  für  gute  Ventilation,  .und  er  wird  gesunde 
Luft  atmen. 

6.  Lebhaft  weist  den  Gebrauch  von  Turngeräten 
ganz  zurück,  Lagrange  läfst  dieselben  bei  Er- 
wachsenen und  bei  kräftigen  Schülern  zu.  Der  entere 
hält  sie,  wie  gesagt,  vom  anatomischen  Standpunkte  für 
irrationell,  nach  der  Meinung  Lagrangbs  sind  sie  zu  anstrengend. 
Wenn  der  letztere  hierbei  jene  Gymnastik  im  Auge  hat,  die  zu 
Beginn  dieses  Jahrhunderts  durch  Amaurose  in  Frankreich 
eingeführt  wurde,  so  haben  seine  Angriffe  eine  gewisse  Berech- 
tigung. Noch  mehr  müssen  wir  ihm  beipflichten,  wenn  er 
sich  gegen  die  Apparate  wendet,  welche  so  vielfach  in  Gärten 
und  Kinderzimmern  hängen,  wie  Trapeze,  Ringe  und  Strick- 
leitern, da  ein  unvernünftiger,  nicht  ärztlich  kontrollierter 
Gebrauch  derselben  den  Kindern  in  der  That  ernstlich  schaden 
kann.  Bei  rationeller  Anwendung  leisten  jedoch  die  Turn- 
geräte der  physischen  Entwicklung  hohen  Vorschub.  Dieß 
ist  z.  B.  in  der  schwedischen  Gymnastik  der  Fall,  wo  das 
Gerätturnen  eine  Nebenrolle  spielt  und  mehr  zur  Aufmunterung 
dient.  Der  Umstand,  dafis  der  Turner  einen  Fortschritt  seiner 
Gewandtheit  mit  Hilfe  der  Geräte  konstatieren  kann  und  an 
diesen  seinen  Erfolgen  Freude  hat,  gehört,  wie  Lebhaft  selbst 
zugibt,  mit  zu  den  stärksten  Triebfedern  seiner  weiteren  Aus- 
bildung. 

Bei  den  sonstigen  Einwendungen  gegen  die  Gymnastik, 
die  den  Charakter  rein  persönlicher  Ansichten  tragen,  will 
ich  nicht  länger  verweilen.     Hierher  gehört  die  Behauptung, 


267 

das  Turnen  habe  keinen  Einfluß  auf  die  Entwiokelnng  des 
kindlichen  Brüßtkorbes.  Die  tägliche  klinische  Beobachtung 
widerlegt  dies  aufs  glänzendste.  Ganz  wunderbar  erscheint  auch 
Lag&angks  Erklärung,  dafe  gymnastische  Übungen  vermehrten 
Blutznflufe  zu  den  Epiphysen  der  Knochen  hervorrufen  und  da- 
durch zu  Erkrankungen  Anlafe  geben  können.  Wie  wäre  daß 
wohl  zu  verstehen  ?  Durch  Spiele  wird  eine  stärkere  Blutzufuhr 
zu  den  Lungen  erzeugt,  was  durchaus  erwünscht  ist,  da  hier- 
durch die  Ernährung  sich  hebt.  Eine  verstärkte  Blutzufahr 
zu  den  Epiphysen  dagegen  soll  zu  Erkrankungen  disponieren. 
Das  wäre  doch  nur  möglich,  wenn  gleichzeitig  Kontusionen 
stattgefunden  hätten,  für  die  jedoch  die  Gymnastik  an  sich 
nicht  verantwortlich  ist. 

Wenn    ich    die   Vorzüge    der   schwedischen    Gymnastik 
als  Hilfemittel  der  physischen  Erziehung  betone,    so  bin  ich 
doch  weit  entfernt  davon,  den  Nutzen  und  die  Bedeutung  der 
Spiele  für  denselben  Zweck  in  Abrede  stellen  zu  wollen.     Ich 
meine  im  Gegenteil,  dafe  das  beste  Princip  der  körperlichen  Aus- 
bildung das  altklassische  ist  und  dafe  die  Spiele  der  Kinder 
eine  vortreffliche  Stütze  dieses  Prinoipes  bilden.     Bei  unseren 
Lebensbedingungen     und    klimatischen    Verhältnissen    jedoch 
stofeen   dieselben    auf  vielfache    Schwierigkeiten.     Die    Spiele 
sollen   in   freier  Luft  oder  in  besonders    dazu  hergerichteten 
Bäumen  stattfinden.     Nun  haben  wir  fast  sieben  Monate  des 
Jahres,    in  denen  das  Spielen  im  Freien  kaum  möglich   ist. 
Das  Beschaffen  grofeer  Räumlichkeiten  zu  Spielzwecken  aber 
ist  noch  teurer,  als  die  Errichtung  von  Turnsälen,  und  daher 
bei  dem  kümmerlichen  Budget  unserer  Schulen   meist  unaus- 
führbar.   Auch  dürfen   wir   nicht  vergessen,    dafe   die  Spiele 
als  etwas  Unsystematisches  und  schwer  Disciplinierbares  wohl 
außh  von  unseren  Pädagogen    in   den  Schulen   nicht   immer 
sympathisch  aufgenommen  werden  dürften.     Dasselbe  gilt  für 
die  verschiedenen  Arten    des   Sports,    wie   Schlittschuhlaufen, 
Bootfehren,    Reiten,    Badfahren,    deren    Bedeutung    für     die 
körperliche  Entwickelung  den  Spielen  gleichgestellt  werden  mufe. 
Mit  dem  Gesagten  habe  ich  nicht  beweisen  wollen,  dafe  die 

18* 


268 

Gymnastik,  wie  sie  jetzt  in  unseren  Schulen  betrieben  wird,  den 
Ansprüchen  genügt  und  auch  wirklich  günstige  Eesultate  erzielt. 
Ich  bin  durchaus  vom  strikten  Gregenteil  überzeugt,  und  gerade 
das  Müsverhältnis,  welches  zwischen  der  physischen  Aus- 
bildung und  geistigen  Arbeit  besteht,  hat  die  Erscheinung 
hervorgerufen,  dafs  die  Kinder  unserer  Zeit  aufgehört  haben, 
Kinder  zu  sein,  dafs  sie  das  fröhliche  Spielen  vermeiden. 
Es  läJjst  sich  daraus  jedoch  nicht  der  Sohlufa  ziehen,  dafs  die 
Gymnastik  die  Wurzel  des  Übels  sei.  Niemand  wird  daran 
zweifeln,  dafs  ein  Schüler,  der  die  allernahrhaftesten  Speisen 
erhält,  aber  nur  zweimal  wöchentlich,  während  er  die  übrigen 
fünf  Tage  fasten  mufs,  durch  Hunger  geschwächt  und  einem 
zunehmenden  Siechtum  anheimfallen  wird.  Ebenso  sind  zwei 
Turnstunden  in  der  Woche  bei  dem  Mangel  an  sonstigen 
körperlichen  Übungen  für  eine  gedeihliche  physische  Ent- 
wiokelung  mehr  als  ungenügend.  Diese  beiden  Stunden  werden 
zudem  beliebig  gewählt,  meist  in  der  Art,  dafs  die  übrigen 
Unterriohtsgegen8tände  keine  Beeinträchtigung  dadurch  erfahren. 
Die  Turnübungen  finden  gewöhnlich  nach  den  wissenschaft- 
lichen Lektionen  oder  in  der  grofsen  Erholungspause  statt. 
Die  Abteilungen  der  Turnenden  sind  ohne  .Rücksicht  auf  Alter 
und  Kraft  der  Schüler  zusammengesetzt.  Der  Turnunterricht 
wird  in  Korridoren  oder  in  engen,  schlecht  ventilierten  Bäumen 
und  noch  dazu  von  Personen  erteilt,  die  sehr  oft  für  ihre 
Aufgabe  vollkommen  ungesohult  sind.  Es  gibt  bei  uns 
kein  Programm  für  das  Turnen,  und  daher  werden  herkömm- 
liche Verfahren  geübt,  die  man  mit  vollem  Rechte  schablonen- 
haft nennen  darf,  und  die  nur  Langeweile  und  Unlust  zu  er- 
zeugen im  stände  sind.  Ja  in  vielen  Schulen,  namentlich  in 
Privatanstalten,  besteht  der  Turnunterricht  eigentlich  nur  dem 
Namen  nach  auf  höheren  Befehl.  Die  Turnlehrer  beziehen 
ein  durchaus  klägliches  Gehalt  und  versäumen  denselben  daher, 
so  oft  sie  nur  können. 

Und  doch  trotz  all  dieser  ungünstigen  Bedingungen  und 
trotz  des  schlechten  Resultates,  welches  wir  zu  verzeichnen 
haben,   dürfen  wir   nicht  folgern,    dafs   die  ganze  Arbeit  von 


269 

Jahrhunderten   über    den    Hänfen    geworfen  und    nnn   etwas 
anderes    begonnen   werden    müsse.     Wir   besitzen   auch   jetzt 
Schulen,    in  denen  ungeachtet  der  angefahrten  Umstände  die 
Gymnastik  erfolgreich  betrieben  wird.     Ich  meine  daher,  dafs 
wir  vor  allem  die  bestehenden  Fehler  und  Irrtümer  verbessern 
und    selbst  unter  den  gegebenen   Verhältnissen   uns  bemühen 
müssen,  die  physische  Erziehung  der  heranwachsenden  Jugend 
richtig  zu  leiten.    Es  gilt  vorerst,  ein  Turnprogramm  zu  ent- 
werfen, das  den  Mitteln  unserer  Lehranstalten  entspricht  und 
der     ftufiseren    Ordnung,    wie    dem    inneren    Leben    derselben 
angepafet  ist.     Unsere  klimatischen  und  sonstigen  Verhältnisse 
nähern   uns   am    meisten    unseren   Nachbarn,    den  Schweden. 
Wenn  wir  ihre  Methode  der  körperlichen  Erziehung  annehmen, 
werden  wir  gewife  nicht  schlechtere  Erfolge  erzielen,    als  sie 
selbst.     Wer    schwedische    Schulknaben    und    überhaupt    die 
schwedische  Jugend  kennen  gelernt  hat,  wird  bestätigen,    dafs 
dieselbe  durchaus  frisch,  lebendig  und  munter  ist. 

In  seinen  Grundzügen  muJs  das  Programm  des  Turn- 
unterrichts ungefähr  folgende  Stufen  aufweisen: 

für  kleine  Kinder  und  für  Schüler  der  unteren  Klassen 
Spiele,  besonders  Ballspiele,  freie  Ordnungsübungen,  Gerät- 
schaften für  primitive  Übungen; 

für  die  mittleren  Klassen  bis  zu  15  Jahren  Ordnungs- 
übungen, Turnen  an  Geräten,  Ausflüge,  gemeinsame  Spiele, 
Ballschule,  Wettlauf; 

für  die  oberen  Klassen  militärische  Gymnastik,  athletische 
Übungen  an  Apparaten,  gesellschaftliche  und  gymnastische 
Spiele,  Laufen,  Fechten. 

Als  notwendige  Zugabe  sind  für  Freistunden  und  Feier- 
tage hinzuzufügen  Schlittschuhlaufen,  Rudern,  Badfahren, 
Reiten,  Spiele  im  allgemeinen,  Handarbeit. 

Auf  Grund  des  Gesagten  stelle  ich  folgende  Thesen  auf: 

1.  Regelrechtes  Turnen  nach  der  schwedischen  Methode 

mit   richtiger  Anwendung    von   Gerätschaften    ist    ein   gutes 

Hilfemittel  der  physischen  Erziehung;  in  Schulen  ist  es  allen 

anderen  Systemen  vorzuziehen. 


270 

2.  Für  körperliche  Übungen  und  Turnen  müssen  besondere 
Stunden  inmitten  der  Lehrstunden  festgesetzt  werden,  und 
zwar,  abgesehen  von  den  gewöhnliehen  Pansen,  mindestens 
6  Standen  wöchentlich. 

3.  Für  Turnzwecke  stehe  ein  groJser,  gut  ventilierbarer  Saal 
zur  Verfügung;  im  Notfalle  kann  der  sogenannte  Aktussaal 
(die  Aula)  dazu  benutzt  werden. 

4.  Zur  Ausübung  regelrechter  Gymnastik  ist  ein  dem 
Alter,  der  Kraft  und  dem  Wüchse  der  Schüler  entsprechendes 
Programm  erforderlich. 

5.  Für  die  sachkundige  Leitung  des  Turnunterrichts  sind 
Lehrer  mit  specieller  Vorbildung  anzustellen,  deren  Mühe- 
waltung angemessen  honoriert  werden  muls. 

6.  Der  Turnunterricht,  sowie  die  Auswahl  der  Schüler 
für  die  einzelnen  Übungen  muls  unter  beständiger  Kontrolle 
eines  Schularztes  oder  eines  Arztes  stehen,  der  zu  diesem 
Zwecke  für  alle  Schulen  berufen  wird. 

7.  Die  Stadt-  und  Gemeindeverwaltungen  sollten  durch 
den  Bau  von  Squares  und  besonderen  Spielplätzen,  sowie  von 
Turnhallen  der  physischen  Erziehung  der  Jugend  Vorschub 
leisten. 

Zum  Schlüsse  wende  ich  mich  an  die  Herren  Pädagogen 
mit  der  Bitte,  einiges  von  ihren  wissenschaftlichen  Lehr- 
stunden  den  Zwecken  der  körperlichen  Ausbildung  abzu- 
treten. Ich  kann  versichern,  dafs  die  geistigen  Fortschritte 
und  die  Kenntnisse  der  Schüler  dadurch  keinen  Schaden 
erleiden,  sondern  nur  gewinnen  werden.  Es  sei  hier  nur 
an  den  Ausspruch  Rousseaus  erinnert:  „Wenn  Sie  den 
Geist  Ihres  Schülers  bilden  wollen,  so  entwickeln 
Sie  vor  allem  seinen  Körper,  üben  Sie  die  Kräfte, 
die  er  verwerten  soll,  machen  Sie  ihn  stark  und 
gesund,  damit  er  klug  und  weise  werde. tt 


271 


Spanische  Ferienkolonien. 

Von 

BBRTHA   WlLHELMI   DB   DlVILA 
in  Granada. 

Die  von  dem  Direktor  des  pädagogischen  Museums  in 
Madrid,  Herrn  Oossio,  ins  Leben  gerufene  Ferienkolonie  zu 
San  Vicente  de  la  Barquera  am  Golf  von  Biscaya  und  die 
dort  erzielten  glänzenden  Erfolge  liefoen  in  mir  im  Sommer  .1890 
den  Wnnseh  rege  werden,  auch  hier  in  dem  sonnigen  Anda- 
lusien diese  grolse  Wohltbat  armen  kränkelnden  Kindern  an- 
gedeihen  zu  lassen.  Ich  reichte  daher  der  „Sociedad  Eoonö* 
miea  de  Amigos  del  Paistt  eine  Schrift  ein,  worin  die  Möglich- 
keit, Billigkeit  und  vollständige  Einrichtung  einer  Oranadiner 
Ferienkolonie  dargelegt  war,  worauf  die  Gesellschaft  deren 
Ausführung  besohlols  und  mich  mit  der  Leitung  derselben 
betraute. 

Aus  den  9  Knaben-  und  9  Mädchenvolksschulen  Granadas 
wurde  von  zwei  Ärzten  je  das  bedürftigste  Kind  ausgewählt 
und  eine  anthropologische  Tabelle  über  dasselbe  aufgenommen. 
Am  1.  August  begaben  wir  uns  in  zwei  Wagen,  Herr  Oastillo 
als  Leiter  der  Knaben  und  ich  nebst  zwei  Köchinnen,  sowie 
meinen  beiden  Kindern  als  zahlenden  Kolonisten,  mit  unseren 
18  Schutzbefohlenen  nach  der  14  Meilen  entfernten,  9000  Ein- 
wohner zahlenden  Küstenstadt  Almuftecar. 

Der  auf  zwei  ins  Meer  vorspringenden  Hügeln  malerisch 
gelegene  Ort  bot  Air  uns  durch  die  üppige,  last  tropische 
Vegetation  seiner  beiden  vom  Rio  Seoo  und  Rio  Verde 
durchquerten  Ebenen,  durch  die  Billigkeit  und  Güte  der  Lebens- 
mittel, die  Freundlichkeit  der  BewohneT,  die  Sicherheit  des 
Bades  und  das  uns  von  dem  Gemeinderate  bereitwilligst  über« 
lasNne  Gebäude  der   zwei   Knabenschulen   alle   nur   erdenk- 


272 

liehen  Vorzüge  und  Annehmlichkeiten.  Das  genannte  Gebäude 
krönte  nebst  der  Kirche  den  einen  Hügel,  und  hatten  wir 
gegenüber  auf  dem  anderen  das  alte,  von  dereinstiger  Römer- 
nnd  Araberherrsohaft  zengende  Schloß,  uns  zn  Füßen  die 
blendend  weifte  Stadt  mit  ihren  Gärten,  Terrassen,  ihrer  von 
Palmen  eingefaßten  Promenade  nnd  weiterhin,  bis  in  unabseh- 
bare Ferne  erglänzend,  die  tiefblauen  Fluten  des  Mittelmeeres. 

Die  Schulen  bestanden  aus  zwei  sehr  geräumigen,  getrennten 
Sälen,  die  als  Schlafzimmer  dienten,  einem  kleinen  Zimmer  zur 
Aufbewahrung  der  Koffer  und  einem  ausgedehnten,  von 
schattigen  Laubengängen  umfaßten  Garten,  dessen  eine  Längs- 
seite mittelst  Segeltuch  und  Bohrmatten  zu  einem  weiten,  luftigen 
Speisesaal,  dessen  eine  Sohmalseite  mit  dem  Brunnen  zum  ge- 
meinsamen, wechselweise  benutzten  Waschzimmer  eingerichtet 
war.  In  einem  Fischerhäuschen  gegenüber  waren  Küche,  Speise- 
kammer und  beide  Köchinnen  untergebracht.  Bei  der  ganzen 
Einrichtung  wurde  streng  darauf  gesehen,  daft  äufserste  Ein- 
fachheit und  Beschränkung  auf  das  notwendigste  mit  größter 
Ordnung  und  Reinlichkeit  wetteiferten.  Unsere  Kinder  sollten 
nicht  verzärtelt,  nicht  an  höhere  Ansprüche,  sondern  vor 
allem  an  edlere  Lebensführung  gewöhnt  werden,  und  mufs 
ich  voll  Genugthuung  die  Bereitwilligkeit  und  Freudigkeit 
bestätigen,  mit  denen  sie  sich  den  neuen  Verhältnissen  an- 
paßten. 

Den  Tag  teilten  wir  folgendermaßen  ein:  Um  5  Uhr 
standen  alle  auf,  und,  während  die  Mädchen  sich  den  ganzen 
Körper  mit  Seife  wuschen,  —  wir  übertrieben  etwas  die  Sorge 
für  Reinlichkeit,  um  bei  den  so  sehr  vernachlässigten  Kindern 
einigen  dauernden  Erfolg  zu  erzielen,  —  machten  die  Knaben 
ihre  Betten,  kehrten  und  begossen  den  Garten.  Darauf  kamen 
diese  selbst  mit  ihrer  Toilette  an  die  Reihe,  und  die  Mädchen 
ordneten  ihre  Haare  und  Betten.  Sofort  wurde  Chokolade 
mit  Brötchen  und  einer  Anzahl  der  äußerst  nahrhaften,  hier 
sehr  beliebten  Kaktusfeigen  genossen.  Nach  einem  kurzen 
Spaziergange  nahmen  wir  unser  Bad  und  kehrten  dann  nach 
Hause  zurück,  wo  zwei  der  Mädchen  wechselweise  die  Bein 


273 

h&ltung  der  Säle  besorgten,  während  alle  anderen  Kinder 
entweder  ihr  Tagebuch  schrieben,  oder  die,  welche  nicht 
schreiben  konnten,  Kleider  ausbesserten;  letzteren  las  ich  dabei 
etwas  vor  oder  besprach  mit  ihnen  allerlei. 

Um  1  Uhr  wurde  zu  Mittag  gegessen,  wobei  wieder  zwei 
Mädchen  die  von  mir  vorgelegten  Speisen  verteilten  und,  selbst 
mitassend,  den  Tisch  besorgten.     Herr  Castillo  reichte  Wein 
und   Brot   und  ein  Knabe  Trinkwasser.     Wir   suchten    gute, 
nahrhafte    und    reichliche    Kost    zu    geben,    gewährten    aber 
nichts,  was  Verlangen  nach  feineren  Speisen  erwecken  konnte. 
Dadurch,   dafe   wir  alles -selbst  thaten   und  keinerlei   fremde 
Bedienung  benutzten,,  stärkten  wir  das  Gefühl  der  Zusammen- 
gehörigkeit und  der  Pflicht  des  einzelnen  gegen  die  Gesamtheit. 
Nach  Tisch,  während  der  heifeesten  Stunden,  wurde  Siesta 
gehalten.     Darauf  spielten  die  Kinder,  jedes  frei  nach  seiner 
Neigung.    Die  Knaben  zogen  Bewegungsspiele,    die  Mädchen 
Spiele,  bei  denen  sie  salsen,  vor.     Auch  nähten  und  häkelten 
die  Mädchen  oder  schmückten   sich  mit  Blumen.     Sobald  es 
die  Temperatur  erlaubte,  zogen  wir  in  die  reizende  Umgegend 
hinaus.    Auf   diesen  Spaziergängen  wurde,   soweit  es  anging, 
Anschauungsunterricht  getrieben  und  der  Sinn  der  Kinder  für 
Naturschönheiten  geweckt,    dabei   zugleich  gespielt,    gelaufen, 
gesungen  und  stets  die  Initiative  angespornt.     Mehrere  schöne 
Kahnfahrten,  davon  eine  den  ganzen  Tag  unter  Feigenbäumen 
an  einsamer  Bucht,  ein  nach  Fischerart  bei  loderndem  Feuer 
an    mondbeglänztem    Strande    bereitetes    Nachtmahl   werden 
Leitern    und  Zöglingen  unvergeßliche  Erinnerungen  bleiben. 
Um  8  Uhr  kamen  wir  meist  zum  Nachtessen  nach  Hause,  um 
9  Uhr  gingen  alle  zur  Buhe. 

An  Leib  und  Seele  gestärkt,  traten  wir  am  31.  August 
die  Rückreise  an.  In  einem  Berichte  gab  ich  ausführlich 
Rechenschaft  über  diese  erste  Ferienkolonie. 

Im  Sommer  1891  wurde  die  zweite  Ferienkolonie  von 
sechs  Freunden,  die  sich  für  das  Wohl  der  armen  Kinder 
interessierten,  veranstaltet.  Leider  konnte  weder  Herr  Castillo 
noch  ich  selbst  diesmal  teilnehmen.  So  gingen  denn  18  Knaben 


274 

und  Mädchen  unter  der  Führung  von  Fräulein  CufflUUBLA 
und  Herrn  Barranoo  wieder  mich  Ahnufteoar,  wo  sowohl 
Einrichtung  als  Lebensführung  dieselben  blieben,  wie  im  Jahre 
vorher.  DreifsigTage  verweilten  sie  dort.  Frftnlein  Cünilmra 
rerfalste  den  Rechenschaftsbericht. 

Im  Juni  1892  bildeten  wir  die  „Sooiedad  de  Colonias 
Escolares",  die  es  sich  zur  Angabe  stellt,  in  jeder  Weise 
fördernd  auf  das  Wohl  bedürftiger  kränklicher  Kinder  su 
wirken,  in  erster  Linie  aber  das  Werk  der  Ferienkolonien 
hier  fortzusetzen.  Am  1.  August  wurde  von  dieser  Gesell- 
schaft die  dritte  Ferienkolonie  unter  der  Leitung  des  Herrn 
Castillö  und  des  Frttulein  Cunillhra  mit  19  Kindern  aber- 
mals nach  Almufiäcar  gesandt.  Diesmal  redigierte  Herr  Castillö 
den  eingehenden  Bericht. 

Die  Kosten  der  drei  Ferienkolonien  beliefen  sich  für 
jeden  Zögling  per  Tag  bei  der  ersten  auf  1  Franc  93  Centimes, 
bei  der  zweiten  auf  2  Francs  66  Centimes,  bei  der  dritten  auf 
2  Francs  54  Centimes,  worin  die  Ausgaben  für  die  Einrichtung 
der  Schulen  und  das  nötige  Mobiliar  nicht  einbegriffen  sind. 

Die  bei  den  Kindern  in  Bezug  auf  ihr  körperliches  Be- 
finden erzielten  Resultate  waren  durchaus  befriedigende. 

Die  Durohschnittszunahme  des  Gewichtes  betrug: 
im  Jahre  1890  1900  g  bei  den  Knaben,  2166  g  bei  den  Mftdehen, 
„       „     1891  1600  „    „     „         „         1960  „    „     „         „ 
„       ^    1892 1375  „    „     „         „        2204  „    „     „         „       . 

Die  gröfete  Gewichtszunahme  erzielte: 
im  Jahre  1890  ein  Knabe  mit  3600  g,  ein  Madchen  mit  3760  g, 
„      „     1891  „       „         »  3000  „      „        „  „  3600  „ 

„      „     1892  „       „        „  2250  „      „        „  „  4760  „ . 

Die  kleinste  Gewichtszunahme  zeigte: 
im  Jahre  1890  ein  Knabe  mit  1000  g,   ein  Mädchen  mit  1000  g, 
„       „     1891  „        „        „     600  „      „        „  „   1000  „ 

„       „     1892  „        w         „     750  „      „         „  „     600  „ . 

Ein  Knabe  der  dritten  Ferienkolonie  verlor  250  g  ea 
Gewicht,  und  ein  Mildchen  derselben  Kolonie  hatte  nicht  an 
Körperlänge  zugenommen. 


275 

Als  Durchsehnittswaohstum   ergaben  sich  1890    7  7»  mm. 
Krankheitsfelle  kamen  nicht  vor. 

Auch  die  erziehlichen  Resultate  waren  sehr  gut,  die 
intellektuellen  Fortschritte  dagegen  der  geistigen  Vernaohv 
lässigung  der  Blinder  wegen  höchst  unbedeutend. 

Nach  den  hier  gemachten  Erfahrungen   müssen  wir  aufs 

wärmste  die  gemischten,  aus  Knaben  und  Mädchen  bestehenden 

Ferienkolonien  empfehlen.     Uns  ist  aus  dem  Zusammenleben 

beider  Geschlechter  keinerlei  Unannehmlichkeit  erwachsen.  Wir 

haben  im  Gegenteil   bemerkt,    dafe  ihr   gegenseitiger  Einflufs 

ein  durchaus  günstiger  war,  obwohl  die  Frühreife  der  Kinder 

südlicher  Länder  und  auch  ihre  gröfsere  Verwahrlosung  hier 

und  da  Unzuträglichkeiten  befürchten  liefsen.     Letztere  haben 

sich  aber,  wie  ich  erwartete,    nicht  im  geringsten    eingestellt. 

Zum  Schlüsse    möchte  ich   noch  darauf  hinweisen,    dafs 

in  Bezug  auf  Wachstum  und  Gewichtszunahme  die  Mädchen 

weit   bedeutendere    Erfolge    als    die    Knaben   erzielten.     Ihr 

Nahrungsbedürfhis  in  dem  für  ihre  Entwiokelung  so  wichtigen 

Alter   von  9  bis  12  Jahren  scheint   deshalb   auoh  gröüser  zu 

sein,  und  es  sollte  daher  mehr  Sorge  hierin  für  die  Mütter  der 

künftigen  Generation  getragen  werden. 

Die  „Sociedad  de  Colonias  Eeeolaree"  hat  diesen  Winter 
auch,  durch  das  wegen  Teuerung  der  Lebensmittel  gesteigerte 
Elend  bewogen,  die  Verteilung  von  Brot  und  Suppe  in  den 
Volksschulen  an  die  bedürftigsten  Blinder  begonnen.  In  den 
Monaten  Januar  und  Februar  wurden  in  zwei  Mädchenschulen 
1850  Portionen  verabreicht.  Als  Vorbild  diente  uns  die  „Soupe 
scolaire"  des  „Cercle  Le  Progrte"  in  Brüssel  und,  was  die  Stadt 
Paris  in  dieser  Beziehung  für  ihre  Elementarschulen  thut. 


276 


2Us  Herfa«t«ltttt0en  »»*  ttereinett. 


Die  wissenschaftlich-industrielle  Ausstellung  in  Kasan. 

Gegenstände  ans  dem  Oebiete  der  Schulhygiene 

und  der  körperlichen  Erziehung. 


Bericht, 
verlesen  in  der  „Gesellschaft  zur  Wahrung  der  Volksgesundheit ". 

Von 

Wirklichem   Staatsrat   Dr.  med.  Alexander   von  Wirenius, 

Arzt  des  Wedenskisehen  klassischen  Gymnasiums 
und  Direktor  des  Kinderasyls  der  Großfürstin  Alexandra  Nicolaewska 

in  St.  Petersburg. 

Die  wissenschaftlich-industrielle  Ausstellung  in  Kasan  gab 
uns  die  Möglichkeit,  das  Wolga-Kamagebiet  sowohl  in  indu- 
strieller, wie  überhaupt  in  kulturhistorischer  Hinsicht  kennen 
zu  lernen.  Die  Sektion  für  Unterriohtswesen  zeichnete  sich 
unter  der  Leitung  des  bekannten  Professors  N.  A.  Ossokin 
besonders  durch  ihre  Reichhaltigkeit  aus  und  bot  nicht  wenig 
Bemerkenswertes  für  einen  jeden,  der  sich  für  die  Bildung 
und  Erziehung  des  russischen  Volkes  interessiert. 

Personen,  die,  entfernt  vom  Orte  der  Ausstellung,  jene 
Gegenden  nur  aus  Büchern  oder  Zeitungsberichten  kannten, 
erschien  dieselbe  als  eine  Begebenheit,  welche  ernstliche 
Berücksichtigung  verdient.  Man  konnte  sich  nicht  vorstellen, 
dafe  ein  Gebiet,  welches  weitab  von  den  beiden  Centren 
russischer  Civilisation,  zudem  ausserhalb  des  Eisenbahnnetzes 
und  daher  des  Verkehrs  mit  Europa  liegt,  Resultate  seiner 
Wirksamkeit  aufwies,  die  belehrend  ftür  jeden  genannt  werden 
dürfen.  Namentlich  in  der  Abteilung  für  das  Unterriohts- 
wesen wetteiferten  die  höheren  und  niederen  Lehranstalten  in 
der  Menge  der  ausgestellten  Plane  und  Modelle,  der  statistischen 


277 

Tabellen  and  der  verschiedenartigsten  Arbeiten  auf  dem  Gebiete 
der  Kunst  und  des  Handwerks  miteinander. 

Da  wir  unseren  Besuch  der  Ausstellung  mit  der  Absicht 
unternahmen,  die  ausgestellten  Gegenstände  auf  dem  Gebiete 
der  Schulhygiene  und  der  körperlichen  Erziehung  näher  kennen 
zu  lernen,  so  durften  wir  keinenfalls  auf  ein  reiches  Material 
ge&fet  sein,  denn  diese  Specialitäten  stehen  bis  jetzt  in  Rufeland 
auf  einer  sehr  niedrigen  Entwickelungsstufe  und  finden 
ftufeerst  wenig  Entgegenkommen.  Wir  mufsten  uns  vielmehr 
damit  begnügen,  wenn  wir  bei  den  Vertretern  des  Unterrichts- 
ressorts Interesse  an  der  Hygiene  und  das  Bewufetsein  antreffen 
würden,  wie  wichtig  und  unumgänglich  nötig  es  ist,  bei  der 
Erziehung  den  Anforderungen  dieser  Wissenschaft  zu  genügen. 
Will  dieselbe  doch  die  Gesundheit  der  Kinder  zur  Zeit  ihres 
Schulbesuches  wahren,  um  sie  aufs  beste  zum  künftigen  Dienste 
in  Staat  und  Gesellschaft  zu  befähigen.  Das  ist  auch  der 
Grand,  weshalb  wir  jeden  Versuch,  diese  oder  jene  hygienische 
Verbesserung  in  den  Schulen  einzufahren,  freudig  begrüfeen, 
in  Anbetracht  dessen,  dafe  eine  gelungene  Neuerung  das  Unter- 
pfand weiterer  Fortschritte  auf  demselben  Gebiete  zu  sein 
pflegt  Aber  auch  abgesehen  von  neuen  Erfindungen,  wäre  es 
schließlich  schon  wünschenswert,  wenn  wir  das  Gute,  das  sich 
anderswo  bereits  fertig  vorfindet,  in  unser  Schulleben  auf- 
nehmen und  zum  Nutzen  der  lernenden  Jugend  verwenden 
wollten.     Sagt  doch  Göthb  mit  Recht: 

„Selbst  erfinden  ist  schön;  doch  glücklich  yon  andren  Gefondnes 
Fröhlich  erkannt  und  geschätzt,  nennst  Du  das  weniger  Dein?" 

In  der  That  macht  die  Ausstellung  in  Kasan,  wenigstens 
in  ihrer  Abteilung  für  das  Schulwesen,  den  Eindruck,  dafe 
jene  Gegend  unausgesetzt  thätig  ist,  dafe  sie  eifrig  und  mit 
Lust  arbeitet,  um  nicht  nur  hinter  den  anderen  nicht  zurück- 
zubleiben, sondern  selbst  über  das  Niveau  der  allgemeinen 
Volksbildung  hinauszukommen.  An  den  ausgestellten  Gegen- 
standen konnte  man  hinlänglich  die  Einzelheiten  der  Schul- 
etnrichtungenund  des  Unterrichtes  in  den  verschiedenen  Fächern 


278 

kennen  lernen.    Am   reichhaltigsten   waren   die   Schulen  ans 
den  Gouvernements  von  Kasan,   Wjatka  und  Perm  vertreten. 

Wir  müssen  darauf  aufmerksam  machen,  dafe  bei  den 
bescheidenen  Mitteln  unserer  Gemeinden  die  Sohulgebäude  in 
den  meisten  Fällen  auch  minimalen  Anforderungen  der  Hygiene 
kaum  genügen.  Es  ist  daher  nicht  eu  verwundern,  dafe  man 
sich  in  den  Lehranstalten  des  Wolga-Kamagebietes  damit  begnügt, 
wenn  die  Klassenzimmer  hinlänglich  geräumig  und  hell  sind, 
wenn  sie  ein  eigenes  Vorzimmer  und  einen  Hausflur  besitzen, 
ohne  an  besondere  Rekreationsräume,  an  zeitgemäße  Heizungs- 
und Ventilationseinrichtungen  zu  denken.  Aus  Ersparnisrück- 
sichten  sucht  man  beim  Aufführen  der  Gebäude  statt  gebrannter 
Ziegel  nur  Holz,  ja  selbst  nur  Lehm  und  Samansche  Ziegel, 
welehe  aus  einem  Gemenge  von  Häckerling  und  Erde  bestehen, 
zu  verwenden.  Die  KreiaLandscbaft  von  Kasan  hat  z.  B.  das 
Modell  eines  Schulgebäudes  aus  solchen  Ziegeln  ausgestellt.  Von 
auieen  und  von  innen  ist  das  Haus  mit  Cement  bekleidet  und 
trägt  ein  Betondach.  Dieses  Material  kommt  recht  billig  zu 
stehen,  und  die  Erfahrung  lehrt,  dafe  ein  derartiges  Gebäude 
sich  drei  Jahre  leidlich  hält.  Allerdings  könnte  man  theoretisch 
eine  geringere  Dauerhaftigkeit  annehmen,  die  Praxis  bestätigt 
jedoch  diese  Befürchtung  nicht,  und  die  Samanschen  Ziegel 
bürgern  sich  daher  in  gewisser  Weise  in  ärmeren  Gegenden  ein. 

Im  Gouvernement  Kasan  wurden  bis  jetzt  die  Schul- 
gebäude, wie  fast  überall  in  Rufeland,  aus  Holz  gebaut  und 
erhielten  ein  Dach  aus  gehobelten  Brettern.  Seit  dem  Jahre 
1887  jedoch  begann  man  feuerfeste  Schulen  aus  Samanschen 
Ziegeln  zu  errichten  und  sie  mit  Teppichmatten  aus  Stroh  zu 
decken,  nach  Art  der  Meierei  der  Realschule  zu  Krassnon- 
fimsk,  „Es  wurde  ermittelt",  so  heilst  es  in  dem  Berichte 
der  Landschaftsverwaltung,  „dafe  die  aus  Samanschen  Ziegeln 
aufgeführten  Gebäude  sich  in  jeder  Beziehung  als  bequem 
erweisen,  dafe  aber  die  Dächer  aus  Strohmatten  nicht  dauer- 
haft sind,  da  sie  leicht  Regen wasser  durchlassen".  Am  vorteil- 
haftesten zeigten  sich  Eisendächer,  trotzdem  sie  verhältnis- 
mäßig   teuer    sind,    und    die   Landschaftsverwaltung  begann 


279 

daher  diese  ftlr  Bauten  aus  Samanschen  Ziegeln  zu  empfehlen. 
Man  mute  die  zahlreichen  Verpflichtungen  einer  russischen 
Kreialandschaft  kennen,  um  nicht  über  die  bescheidenen  Ein- 
richtungen unserer  Schulen  und  die  Einschränkung  derselben  in 
ihren  alltäglichen  Bedürfnissen  zu  staunen.  Und  dennoch  wird 
ein  jeder  Unbefangene  gestehen,  dais  die  Pädagogik  und  Schul- 
hygiene auch  unter  den  ungünstigsten  Bedingungen  im  Ver- 
laufe der  letzten  Deoennien  aufserordenÜioh  grofse  Fortschritte 
bei  uns  gemacht  haben. 

Nicht  nur  in  den  niederen,  sondern  auch  in  den  mittleren 
Lehranstalten  Rufslands  finden  sieh  andererseits  vielfache 
ÜWtretm^n  der  hygienischen  Geeetee,  and  di«  Verwaltung 
versucht  vergebens  gegen  finanzielle  und  andere  Schwierig- 
keiten beim  Bau  und  Instandhalten  der  Schulen  anzukämpfen. 
Wir  dürfen  es  nicht  verschweigen,  dais  der  grö&te  Teil  selbst 
der  besten  Unterrichtsanstalten  aus  den  Mitteln  von  Wohlthätern 
eibaut  ist,  dais  viele  Anstalten,  die  seit  Jahrzehnten  bestehen, 
in  Gebäuden  untergebracht  sind,  welche  von  Privatpersonen  ge- 
schenkt oder  von  den  Erben  der  Hausbesitzer  um  einen  billigen 
Preis  erstanden  wurden,  dais  ferner  zahlreiche  Schulen  sich  in 
gemieteten  Häusern,  ja  sogar  in  Mietswohnungen  befinden. 
Aber  selbst  in  reichen  Lehranstalten,  denen  sowohl  Geldmittel, 
als  auch  die  Dienstleistungen  verschiedener  Specialisten  zu 
Gebote  stehen,    werden  dennoch   nicht   geringfügige  Verstöfee 

gegen  die  Schulhygiene  angetroffen. 

(Fortsetzung  in  No.  6.) 


Die  8teilschriftfrage  vor  den  bayerischen  Ärztekammern. 

Die  „Münch.  med,  Wochenschr."  enthält  das  Protokoll  der 
XXI.  Sitzung  der  Ärztekammer  von  Unterfranken,  welche  am 
31.  Oktober  v.  J.  in  Würzburg  stattfand.  Wir  entnehmen  dem- 
selben, dafs  der  Vorsitzende  Dr.  ROdbr  beantragte: 

„Die  Königliche  Regierung  wolle  in  geneigte  Erwähnung  ziehen 
ob  es  nicht  auf  Grand  der  Untersuchungen  von  Dr.  Seggel,  Dr.  Mayer, 


280 

Dr.  Schubert  und  anderen  angezeigt  erscheine,  die  Schrägschrift  in 
den  Schalen  zu  verbieten." 

Den  nächsten  Anlafe  zu  diesem  Antrage  haben  dem  Vorsitzenden 
die  überaas  günstigen  Erfolge  gegeben,  von  welchen  die  Einführung  der 
Steilschrift  in  der  Würzbarger  Stadtschale,  and  zwar  in  der  Klasse 
des  Lehrers  Ruckrrt,  begleitet  war.  Die  Knaben  dieser  Klasse,  dem 
dritten  Schaljahre  angehörend,  werden  seit  einem  Jahre  and  zwei 
Monaten  mit  magistratlicher  Genehmigung  in  Steilschrift  geübt,  und 
schon  jetzt  nach  verhältnismäßig  kurzer  Zeit  zeigen  sich  die  Vor- 
teile derselben  augenscheinlich.  Die  Haltung  der  Kinder  beim 
Schreiben  ist  fast  durchweg  eine  tadellose,  die  beiden  Augen  sind 
in  ganz  gleichmäßiger  Weise  beschäftigt.  Bei  mehreren  Schülern, 
die  an  Kurzsichtigkeit  litten,  hat  sich  dieselbe,  wie  der  Augenarzt 
Dr.  BIuxblbik  nachgewiesen,  wesentlich  gebessert,  und  zwar  hob 
sich  der  Abstand  der  Augen  von  der  Schrift,  der  früher  10 — 12  cm 
betrug,  auf  30 — 35  cm.  Die  Steilschrift  wird  ebenso  rasch,  ja 
noch  schneller  geschrieben,  als  die  schräge,  da  die  Ober-  und  Unter- 
längen kürzer  sind,  als  bei  Schrägschrift.  Die  Schrift  selbst  gestaltet 
sich  deutlich,  ästhetisch  schön  und  dem  Auge  wohlthuend.  Sobald 
der  steilschreibende  Schüler  eine  Zeile  zur  Hälfte  oder  zu  zwei 
Dritteln  geschrieben  hat,  rückt  er  die  Tafel  oder  das  Heft  leicht 
nach  links  und  bringt  die  Schreibfläche  wieder  in  die  normale  Lage. 
Die  Steilschrift  gewährt  auch  für  richtige  Körperhaltung  beim  An- 
fertigen der  Hausaufgaben  eine  gewisse  Garantie,  welche  bei  der 
Schrägschrift  niemals  zu  erreichen  ist.  Der  Übergang  von  der 
Steilschrift  zur  Schrägschrift  bietet  zu  keiner  Zeit  wesentliche 
Schwierigkeit 

Von  Privatdocent  Dr.  Hoffa  sind  bereits  im  vorigen  Jahre  in 
genannter  Schule  an  60  Schülern  während  des  Schreibens  mit  dem 
ScHENKschen  Apparate  nach  siebenmonatlicher  Übung  der  Steilschrift 
Untersuchungen  vorgenommen  worden,  welche  das  Ergebnis  hatten, 
dab  81,6%  ganz  gut  und  nur  18,4%  minder  gut  safsen,  während 
die  Messungen  bei  schrägschreibenden  Schülern  anderer  Klassen 
ergaben,  dafc  nur  26,2%  der  Schreibenden  gute,  dagegen  73,8% 
schlechte  Haltung  zeigten. 

Herr  Rückbrt  hat  seine  Erfahrungen  in  einer  Broschüre  »Die 
Stetisehrift  des  deutschen  und  lateinischen  Alphabets  und  der  Ziffern, 
bearbeitet  nach  pädagogischen  und  hygienischen  Gbundsätoen", 
Würzburg,  1892,  Verlag  von  Julius  Staudinger,  niedergelegt; 
diese  Schrift  wird  der  Kammer  unterbreitet  und  verdienter  Beachtung 
empfohlen. 

Gleichzeitig  hat  Herr  Rückbrt  einen  Halter  für  Bücher  mit 
einer  Klammer  angegeben,  welche  vorne  an  der  Schulbank  befestigt  wird 


281 

und  es  ermöglicht,  Gedrucktes  u.  s.  w.  in  einem  geeigneten  Winkel  dem 
Schüler  gerade  gegenüber  aufzustellen,  so  dafs  auch  beim  Abschreiben 
ans  einem  Buche  ins  Heft  oder  auf  die  Tafel  eine  regelrechte 
Haltung  des  Schreibenden  gesichert  bleibt. 

Um  auch  im  Hanse  eine  solche  zu  erzielen,  hat  Herr 
Ruckxrt  ein  Schreibbrett  konstruiert,  das  auf  jeden  Tisch  gestellt 
und  in  jede  gewünschte  Höhe,  und  zwar  unter  einem  Winkel  von 
5—6°,  gebracht  werden  kann.  Er  geht  hierbei  von  dem  gewüs 
richtigen  Grundsatze  aus,  dafs  das  Schreiben  auf  horinzotalen  Flächen 
verwerflich  sei,  weil  es  zu  schlechter  Körperhaltung  veranlasse. 
Buchhalter  und  Schreibbrett  sind  durch  Fleischer  &  Co.  in 
Frankfurt  a/M.  zu  beziehen,  der  Buchhalter  zum  Preise  von  2,50 
Ms  3,50  Mk.,  das  Schreibbrett  ohne  Buchhalter  zu  Mk.  4,50,  mit 
Bachhalter  zu  6—9  Mk. 

Herr  Hohn  befürchtet  von  dieser  Einrichtung,  sie  könne  von 
den  Schülern  zur  Spielerei  verwendet  werden. 

Der  Vorsitzende  entgegnet,  dafs  dies  allerdings  vielleicht  im 
Anfange  vorkommen  könne,  jedoch  voraussichtlich  bald  aufhören 
werde,  sobald  der  Reiz  der  Neuheit  vorüber  sei. 

Derselbe  fügt  hinzu,  dafs  er  ein  großes  persönliches  Interesse 
an  dieser  Frage  habe,  da  er  lebhaft  wünsche,  dafs  die  Vorteile  der 
Steilschrift  seinen  eigenen  Kindern  recht  bald  zu  teil  werden 
mochten. 

Zugleich  ersucht  er  die  Kammermitglieder,  nach  Schlufs  der 
Sitzung  sich  persönlich  von  der  Richtigkeit  des  Dargelegten  an  Ort 
und  Stelle  zu  überzeugen.  Den  grofcen  hygienischen  Vorzügen 
gegenüber  dürften  die  gegen  die  Steilschrift  etwa  noch  geltend 
gemachten  kalligraphischen  Bedenken  nicht  mehr  länger  Stand  halten. 

Die  Kammer  machte  den  Antrag  einstimmig  zu  dem  ihrigen. 

Abweichend  hiervon  waren  die  Ansichten,  welche  die  Ärzte- 
kammer Ton  Schwaben  und  Neuburg  in  ihrer  am  31.  Oktober  v.  J. 
xu  Augsburg  gehaltenen  Sitzung  vertrat. 

Der  Vorsitzende  Dr.  Schaubbr  referierte  über  die  der  Ein- 
führung der  Steilschrift  günstigen  Resultate  der  Münchener  Kom- 
mission, bestehend  aus  den  Herren  Medizinalrat  Dr.  Aub,  Ober- 
stabsarzt Dr.  Seggel,  Privatdocent  Dr.  Oellbr,  Hofrat  Dr.  Brunner, 
Universitätsprofessor  Dr.  Klaussner,  Privatdocent  Dr.  Setdel,  und 
erinnerte  an  die  Arbeiten  der  mittelfränkischen  Ärztekammer,  bei 
denen  namentlich  Dr.  Schubert  in  Nürnberg  und  Dr.  Mater  in 
Fürth  beteiligt  gewesen  sind.  Zugleich  berichtete  er  über  die  das  vor- 
liegende Thema  betreffenden  Verhandlungen  in  der  ophthalmologischen 
Versammlung  zu  Heidelberg  1891,  bei  denen  aufser  Dr.  Schubert 
Professor  Dr.  Berlin  aus  Rostock  und  Professor  Dr*  Pflügbr  aus 

BclralfOTUidhcitfpflefe  VI.  19 


282 

Bern  daß  Wort  ergriffen,  und  wies  auf  den  Steilschriftauisats  von 
Professor  Dr.  von  ZbhBNDBR  in  München  in  seinen  Vorträgen 
über  Schulgesundheitepflege  (1891),  sowie  auf  den  von  dem  Augen- 
ärzte Dr.  Nieden  zu  Bochum  in  der  westphfllischen  Ärztekammer 
am  29.  April  1892  gehaltenen  Vortrag  Aber  senkrechte  Schrift  hin. 

Die  Photographien,  welche  steil-  und  schiefschreibende  Kinder 
in  der  Schule  darstellen  und  die  Vorteile  der  Steüsobrift  in 
das  schönste  Licht  stellen,  aber  fast  etwas  zu  viel  zu  beweisen 
scheinen  (?  D.  Red.),  wurden  von  den  Delegierten  besichtigt. 

Referent  erkannte  das  Verdienst  aller  derjenigen,  welche  die 
Schriftfrage  mit  so  hervorragender  Gründlichkeit  und  Ausdauer 
bearbeitet  und  dadurch  bewirkt  haben,  dafe  die  so  bedenkliche 
Rechtslage  des  Heftes  beim  Schreiben  grö&tenteils  verlassen  wurde, 
vollkommen  an,  neigte  sich  aber  der  Ansicht  derjenigen  zu,  welche 
in  der  graden  Körperhaltung  des  Schülers,  in  der  ungefähren  Mitten- 
lage  des  Heftes,  so  dafe  der  linke  Rand  desselben  der  lütte  des 
Körpers  entspricht,  in  der  sorgfältigeren  Beaufsichtigung  der  Körper- 
haltung und  der  Heftlage  durch  den  Lehrer  und  insbesondere  in 
der  Verminderung  der  Schreibstunden  ein  wichtigeres  Mittel  sehen, 
um  einer  Zunahme  der  Myopie  und  Skoliose  vorzubeugen,  als  in 
der  graden  oder  schrägen  Lage  des  Heftes  und  in  der  Richtung  der 
Schrift.  Nachdem  die  Fortsetzung  der  Beobachtungen  über  Stefl- 
und  Schiefschrift  in  einer  genügenden  Anzahl  von  Schulen  gesichert 
ist,  die  bisherigen  Resultate  aber,  so  günstig  dieselben  auch  sind, 
doch  noch  nicht  zu  so  weitgehenden  Schlußfolgerungen  bezüglich  der 
Entstehung  der  Kurzsichtigkeit  und  der  Skoliose  berechtigen,  um 
die  Steilschrift  nunmehr  in  allen  Schulen  an  Stelle  der  Schiefachrift 
einzufahren,  glaubte  Referent,  es  liege  für  die  schwäbische  Ärzte- 
kammer keine  Veranlassung  vor,  selbstthätig  in  die  Agitation  für 
Einführung  der  Steilschrift  einzutreten,  hielt  es  aber  für  dringend 
notwendig,  überall,  wo  sich  die  Gelegenheit  hierzu  bietet,  daftr 
einzutreten,  dafe  die  Lehrer  mit  ausdauerndem  Eifer  die 
schreibenden  Kinder  zu  grader  Körperhaltung  und  Mittenlage  des 
Heftes  anhalten  und  dafe  der  Schreibunterricht  auf  ein  mögliebst  ge- 
ringes Zeitmafe  reduciert  werde. 

Die  Kammer  stimmte  diesen  Ausführungen  einhellig  bei. 

Nachschrift  der  Redaktion. 

Wir  sind  anderer  Ansicht.  Es  scheint  uns  ein  Widerspruch 
darin  zu  liegen,  dafe  einerseits  die  günstigen  Resultate  der  Steil- 
schrift anerkannt  werden,  andererseits  die  Agitation  für  Einführung 
derselben  abgelehnt  wird.  Letzteres  ist  zwar  damit  motiviert,  daß 
der  Beweis  für  eine  durch   die  Steilschrift  bewirkte  Abnahme  von 


283 

Korzsichtigkeit  und  Rückgratsverkrümmung  bisher  nicht  erbracht  worden 
sei,  allein  dieser  Beweis  dürfte  überhaupt  nicht  zu  führen  sein.  Für  die 
Entstehung  der  Myopie  und  Skoliose  wirken  so  viele  Ursachen  mit 
—  Erblichkeit,  Beleuchtung,  Bücherdruck,  Neigung  der  Schrift, 
Schulbänke,  häusliche  Verhältnisse  — ,  dafe  der  Einflute  eines  ein- 
zelnen dieser  Faktoren  kaum  ermittelt  werden  kann.  Wir  müssen 
uns  damit  begnügen,  dafe  die  steilschreibenden  Kinder  nicht  nur 
grader,  als  die  schrägschreibenden  sitzen,  sondern  auch  eine  gröfsere 
Entfernung  der  Augen  von  der  Schreibfederspitze  innehalten,  was 
rar  Rückgrat  und  Sehorgan  nur  von  Vorteil  sein  kann.  Im  ein- 
zelnen erlauben  wir  uns  zu  den  Ausführungen  des  Herrn  Referenten 
noch  zu  bemerken,  dafe,  wenn  derselbe  auf  grade  Körperhaltung  des 
Schülers  und  sorgfältige  Beaufsichtigung  derselben  durch  den  Lehrer 
das  gröfete  Gewicht  legt,  sich  diese  seine  Forderungen  bei 
Steüscbrift  viel  eher,  als  bei  Schrägschrift  erfüllen  lassen.  Auch  ver- 
stehen wir  nicht,  wie  er  für  eine  Lage  des  Heftes  eintreten  kann, 
bei  welcher  der  linke  Rand  desselben  sich  der  Mitte  des  Körpers 
gegenüber  befindet,  während  er  doch  eine  jede  Rechtslage  im 
übrigen  entschieden  verwirft. 

Scharlachepidemie  in  einer  französischen  Gewerbeschule. 
Mitteilung  des  beratenden  Komitees  für  öffentliche  Gesundheits- 
pflege in  Frankreich. 

Das  beratende  Komitee  für  öffentliche  Gesundheitspflege  in 
Frankreich  hielt  am  27.  Februar  d.  J.  unter  dem  Vorsitze  des  Pro- 
fessor Bbouardbl  eine  Sitzung  ab. 

Herr  Heinrich  Monod  referierte  Ober  den  derzeitigen 
Gesundheitszustand.  In  der  Gewerbeschule  zu  Bar-sur-Seine  im 
Departement  Aube  ist  eine  Scharlachepidemie  ausgebrochen.  Die  Schüler 
wurden  entlassen,  und  die  Schule  blieb  2  Monate  geschlossen. 
Man  desinfizierte  die  Lehrräume  mittelst  Räucherungen  mit  schwef- 
liger Säure  und  Zerstäubungen  von  Sublimatlösung.  Als  die  Schüler 
zurückkehrten,  stellte  sich  trotzdem  die  Krankheit  von  neuem  ein. 
Der  Bürgermeister  erbat  sich  daher  einen  Dampfapparat  zur  Des- 
infektion der  Betten,  für  welche  die  getroffenen  Maßnahmen  sich 
als  unzureichend  erwiesen  hatten.  Ein  solcher  Dampfapparat  ist 
denn  auch  durch  die  Sanitätsverwaltung  von  Paris  nach  Bar-sur-Seine 
gesandt  worden  und  scheint  gute  Dienste  geleistet  zu  haben. 
Wenigstens  bat  „Le  Progr.  mdd.u,  dem  wir  diese  Mitteilung  ent- 
nehmen, über  die  Epidemie  nachher  nichts  weiter  berichtet. 


19« 


284 


kleinere  JtitteUuttgett. 


Die  körperliche  und  geistige  Arbeit  im  Gleichgewichte. 

Über  dieses  Thema  schreibt  Geheimrat  Professor  von  NUSSBAUM  in 
München:    Wenn    ich    meine  Erfahrungen,    die    ich    mir    in   einer 
29jährigen  ärztlichen  Praxis  sammelte,  überdenke,   so  habe  ich  nur 
wenige   Kranke    in    die    Hände    bekommen,    welche   durch    Über- 
anstrengung  ihrer  Knochen  und  Muskeln   krank  geworden  waren; 
viele  handelte  sehr  ernst  Leidende  hingegen  beobachtete  ich,  welche 
durch  anhaltende    geistige  Arbeit  sich    eine   Krankheit    zugezogen 
hatten,    und    es   war   oft  recht   schwer,    hier   wieder    vollständige 
Genesung  zu  bringen.     Es  wurde  mir  der  ganz  bestimmte  Eindruck, 
dafs  des  Menschen  Körperbau    nicht  für   den  Studiertisch,    sondern 
für  körperliche  Arbeit  geschaffen  ist.     Am  gesundesten  und  heitersten 
sah  ich  jene  bleiben,  welche  Felder  und  Gärten  bearbeiteten,  welche 
säeten  und  ernteten  und  sich  den  größten  Teil  des  Tages  in  frischer 
Luft  bewegten.    Immer  schmeckt  solchen  Menschen  ihre  höchst  ein- 
fache Nahrung,    fast   nie  hört  man  von  Verdauungsstörungen,   von 
Trägheit  des  Unterleibes,  Kopfkongestionen,  oder  gar  von  nervöser 
Aufregung.     Wie   ganz   anders  findet  man  das  körperliche  Befinden 
bei    Beamten,    Gelehrten   und  Künstlern;    oft   haben    diese  heifsen 
Kopf    und   kalte    Füfse,    oft   träge  Verdauung,    unthätigen   Darm. 
Wenige  gibt  es  unter  ihnen,  welche  nicht  über  fortwährende  Nerven- 
erregung klagen.     Das  Gefühl  der  Behaglichkeit,  des  Wohlbefindens 
wird   in  diesen  Ständen    immer    seltener.     Wir  wissen,    dafs  jedes 
Organ,  welches  benutzt  wird,  blutreicher  wird,  dafs  sich  seine  Adern 
erweitern;     und    wenn    bereits    erwiesen    ist,     dafs     durch     einen 
arbeitenden  Muskel  viel  mehr  Blut  läuft  als  durch  einen  ruhenden, 
so  gilt  ganz  bestimmt  das  gleiche   beim  Gehirn.    Wird  das  Gehirn 
blutreicher,  so  kann  dies  nur  auf  Kosten  anderer  Organe  geschehen. 
Deshalb  werden  Arme   und  Füfse   blutarm   und    kühl,    wenn  das 
Gehirn  von  Blut  strotzt.     Je   mehr  aber   dies  Centralorgan  belastet 
und   je   blutärmer    die   Peripherie    wird,     desto    unbehaglicher  ist 
unser    Befinden.      Je     früher     ferner     solche    Mifsverhältnisse   ün 
menschlichen  Körper  auftreten,   je  jünger  das  Individuum  ist,  desto 
verderblicher    sind    die   Folgen   dieses    mangelnden  Gleichgewichts. 
Ist   einmal   der    Körper    ganz    fertig,    sind    seine    Gewebe    bereits 
festere    geworden ,    so    sind   auch    alle    Membranen,    alle   Gefäß- 


285 

häute  nicht  mehr  so  leicht  ausdehnbar,  wie  bei  ganz  jungen,  zarten 
Naturen.  Deshalb  leistet  der  fertige  Mann  viel  mehr  Widerstand, 
als  der  Jüngling  und  das  Kind.  Kommt  es  schon  beim  Kinde  zu 
solchen  Mißverhältnissen,  so  ist  der  Schaden  ein  unverkennbarer 
und  bleibender  und  eine  Rückbildung  zum  gesunden  Gleichgewichte 
nur  durch  Opfer  an  Zeit  und  Geld  möglich,  die  selten  gebracht 
werden  können.  Soll  ich  es  mit  klaren  Worten  sagen,  so  mufs  ich 
behaupten,  dafs  die  ganze  Zukunft  eines  Menschen  eine  unbehagliche 
werden  kann,  wenn  sich  die  angedeuteten  Überreizungen  schon  im 
kindlichen  Alter  einbürgerten.  Es  ist  durch  und  durch  eine  fehler- 
hafte Beobachtung,  wenn  man  glaubt,  dafs  ein  neunjähriges  Knäbchen 
in  7  bis  8  Stunden  täglich  mehr  lernt,  als  in  4  bis  5  Stunden. 
Ich  habe  sehr  oft  das  Experiment  gemacht  und  einem  Kinde  an 
einem  Vakanzmorgen,  nachdem  es  gut  geschlafen,  eine  Stunde  im 
Garten  herumgelaufen,  etwas  ausgeruht  und  etwas  genossen  hatte, 
das  in  einer  Viertelstunde  eingelernt,  was  das  arme  Kind  am  Vor- 
abende trotz  zehnmaligem  Vorlesen  nach  einer  Stunde  noch  nicht 
merken  konnte,  nachdem  es  während  des  Tages  7  Stunden  gesessen 
hatte  und  mit  heifsem  Kopfe,  blöden  Augen,  müde  und  erschlafft 
heimgekommen  war.  Man  spricht  immer  von  Überbürdung,  der 
eine  versteht  dieses,  der  andere  jenes  darunter.  Einer  meint,  die 
Lehrgegenstände  trügen  die  Schuld,  ein  anderer  glaubt,  die  Lehr- 
methode. 0  nein!  Beides  ist  unschuldig  und  bringt  die  Über- 
bftrdung  nicht.  Man  gehe  abends  9  Uhr  in  die  Familie;  dort  findet 
man,  was  Überbürdung  ist.  Der  Vater  ist  fort  in  seine  Gesell- 
schaft und  unterhält  sich  gut,  die  Mutter  und  Töchter  haben  einen 
kleinen  Kreis  von  Freundinnen  bei  sich  und  erheitern  sich;  das 
neunjährige  Knäbchen,  das  nun  in  das  Bett  gehört,  sitzt  allein  am 
Schreibtisch  und  hält  mit  seinen  kalten  Händchen  den  heüsen  Kopf, 
in  den  es  nicht  mehr  hineinbringt,  was  es  morgen  früh  8  Uhr  wissen 
soll.  Manchmal  fällt  eine  Thräne  aufs  Buch,  und  das,  was  den 
kleinen  Mann  freuen  soll,  sein  Studium,  das  ist  ihm  eine  Marter. 
Das  ist  die  Überbürdung,  wenn  vom  Abend  bis  zum  Morgen  Auf- 
gaben gelöst  werden  müssen,  welche  vielleicht  nur  von  dem  talent- 
vollsten Zehntel  der  Schüler  ohne  Beeinträchtigung  des  absolut  not- 
wendigen Schlafes  bezwungen  werden  können ;  das  heilst  das  Gehirn 
Turnieren,  nervös  machen.  Man  frage  die  Väter  und  Mütter,  ob 
dies  nicht  Wahrheit  ist,  ob  die  armen  Kinder  nicht  bis  9  und 
10  Uhr  am  Schreibtische  sitzen,  früh  5  Uhr  schon  wieder  aufstehen, 
weil  sie  abends  absolut  nichts  mehr  auffaßten.  Leider  aber  wird  es 
dann  morgens  zu  schnell  8  Uhr,  die  Aufgabe  ist  nur  halb  fertig, 
die  Strafe  folgt  auf  dem  Fufs  und  bringt  für  heute  noch  mehr  Arbeit. 
Schon  in  den  letzten  Klassen  der  deutschen  Schule,  aber  vorzüglich 


286 

in  Latein-,  Gewerbeschalen,  Gymnasien,  höheren  Töchterschulen  und 
Instituten  kann  man  die  erzählten  Mifsstände  überall  finden.  Kinder 
gehören  nach  9  Uhr  in  das  Bett,  und  vor  5  Uhr  lasse  man  sie  ja 
nicht  aufstehen,  sonst  ruht  ihr  Gehirn  nicht  genügend  aus.  Ein 
Bauer,  ein  Tagelöhner  reicht  bekanntlich  leicht  mit  5  Standen 
Schlaf;  aber  wer  Kopfarbeit  leistet,  soll  mindestens  7  bis  8  Stunden 
schlafen;  Kinder  noch  mehr.  Ich  halte  das  gegenwärtige  Princip, 
ein  Kind  den  ganzen  Tag  zu  beschäftigen,  für  ein  recht  gutes; 
allein  ein  großer  Teil  der  Zeit  sei  der  körperlichen  Ausbildung 
gewidmet,  wenn  möglich  in  frischer  Luft.  Es  war  ein  guter  Anfang, 
das  Turnen  obligatorisch  zu  machen;  allein  ich  möchte  die  gegen- 
wärtige Dosis  dieser  herrlichen  Arznei  eine  nahezu  homöopathische 
nennen,  die  nur  wenig  nützen  durfte.  Ich  bin  fest  überzeugt,  dafs 
die  Zukunft  lehren  wird,  dafs  man  täglich  stundenlang  körperliche 
Übungen  mit  geistiger  Arbeit  wechseln  lassen  mufs,  wenn  ein  Kind  gesund 
bleiben  soll.  Ich  bin  ebenso  überzeugt,  dafe  das  Lernen  viel  leichter 
geht,  wenn  der  Körper  mehr  gekräftigt  wird,  wenn  die  geistige 
Spannung  nicht  so  viele  Stunden  beträgt,  wie  jetzt  fast  in  allen  Lehr- 
anstalten. Mit  Ausnahme  einzelner  hervorragend  talentierter  Kinder 
tritt  bei  den  meisten  jetzt  schon  nachmittags,  aber  fast  immer  abends 
eine  stumpfe,  müde  Hirnfunktion  ein,  womit  sie  nur  sehr  wenig 
mehr  fassen,  höchstens  nach  langer  Marter  mechanisch  einlernen, 
ohne  den  Sinn  zu  überdenken.  Diese  meine  Überzeugung  wurde 
ganz  besonders  auch  durch  Erfahrungen  in  mehreren  hohen  Familien 
bestätigt,  wo  man  schwächliche  Kinder  auf  meinen  Rat  bis  zum 
8.  und  9.  Jahre  ganz  frei  aufwachsen  liefs,  sich  nur  mühte,  ihren 
Körper  durch  langen  Aufenthalt  und  Arbeiten  in  gesunder  Luft  zu 
stärken,  und  höchstens  spielend  vom  Hofmeister  der  älteren  Knaben 
hie  und  da  eine  von  jenen  selbst  erbetene  kurze  Lektion  geben 
liefs.  Als  diese  Kinder  im  10.  Jahre  das  Lernen  mit  Lust  und 
Liebe  anfingen,  ging  es  so  schnell  vorwärts,  dafs  sie  im  16.  Jahre 
so  ausgebildet  waren,  wie  es  ihre  älteren  Brüder  um  diese  Zeit 
gewesen  waren,  nur,  dafs  ihnen  das  Lernen  Freude  machte  und  ihr 
Körper  nebenbei  kräftig  war,  während  bei  den  älteren  Brüdern  das 
Zanken  und  Strafen  vom  6.  Jahre  an  nicht  mehr  aufgehört  hatte 
und  ihr  Körper  ein  schwächlicher  geblieben  war.  Das  Besame* 
meiner  Erfahrung  geht  also  dahin,  dafs  die  Zukunft  den  Körper  der 
Kinder  durch  Spiele  und  Arbeiten  im  Freien  zum  Lernen  vorbereiten 
und  während  des  Lernens  die  Ausbildung  des  Körpers  energisch 
befördern  wird,  damit  die  Belastung  des  Gehirns,  welche  bei 
tausenden  zur  Ursache  ihres  unbehaglichen  Befindens  wird,  ver- 
hindert werde.  Trotz  dieser  Zeitopfer  darf  man  aber  keine  geringeren 
Lernergebnisse   befürchten.     Hingegen  wird  das  Lernen,    das  jetzt 


287 

vielen  eine  Marter  ist,  den  meisten  Freude  machen;  und  es  wird 
nicht  schon  in  der  Kindheit  der  Grundstein  zu  der  jetzt  so  sehr 
überhandnehmendem  und  unglücklich  machenden  Nervenerregung 
gelegt  werden.  Man  haut  bekanntlich  keinen  Baum  mit  einem 
Streiche  um.  Die  Einführung  des  Turnens  war  der  erste  glückliche 
Griff  zum  Besseren.  Man  wird  nun  alsbald  die  staubigen  Turn-* 
hallen  mit  der  freien  Luft  vertauschen  und  eine  eingreifende 
Änderung  der  Schulordnung  anstreben  müssen,  aber  ich  bin  der 
festen  Überzeugung,  daüs  man  es  nie  bereuen  wird. 

Rundschreiben  des  Zürcher  Stadtarztes,  betreffend  den 
AiMthlvfs  nrfektifo  erkrankter  Kinder  und  ihrer  Geschwister 
T«  der  Schule.  '  Ein  Cirkular  des  Zürcher  Stadtarztes  teilt  nach 
den  *Sckw*.  Blatt,  f.  G-sdhtepflg."  mit,  dafs  eine  in  Bälde  erscheinende 
Verordnung,   die  den  Ärzten   nach   Fertigstellung   sofort   zugesandt 
werden   soll,   den  Ausschluß*    derjenigen  Kinder   vom  Schulbesuch 
regeln  werde,  in  deren  Familie  ansteckende  Krankheiten  herrschen. 
Vor    allem   werden  in  Betracht   kommen  Scharlach  und  Diphtherie 
und,   wenn    die   Schwere   und   Ausdehnung   der   Erkrankungen    es 
erheischen,    auch   Masern   und    Keuchhusten.     Vorläufig  wird    sich 
indes   die  Gesundheitsbehörde    darauf  beschränken,   den  Ausschluß 
nur  derjenigen  schulpflichtigen  Kinder  zu  verfügen,  in  deren  Familie 
eine  der  beiden  erstgenannten  Krankheiten  ärztlich  konstatiert  worden 
ist.    Sollen  derartig  ausgeschlossene  Kinder  wieder  zum  Schulbesuche 
zugelassen  werden,  so  ist  eine   unabweisliche  Bedingung,    dafs  vom 
behandelnden   Arzte   die   Heilung   bezw.    Evakuation    des   Kranken 
bescheinigt   werde.     Zu   diesem   Zwecke   wird    nach    Eingang   der 
tatliehen  Anzeige  dem  Vorstande  der  betroffenen  Haushaltung,  falls 
ihr  schulpflichtige  Kinder   angehören,   zugleich   mit   der  Verfügung 
über   deren  Schulausschlufs   ein  Formular   zugestellt   mit   der  Auf- 
forderung,   dasselbe   nach   eingetretener    Heilung    oder   Evakuation 
durch  den   behandelnden  Arzt   unterzeichnen    zu   lassen   und   dem 
Chef  des  Sanitätscorps  ungesäumt  zuzuschicken.     Vor  Eingang  dieser 
festlich  unterzeichneten  Anzeige   wird    ein   durch   die  Gesundheits- 
behörde  vom  Schulbesuch   ausgeschlossenes   Kind   zum  Unterrichte 
rieht  wieder  zugelassen.     Um   unnötig  lange  dauernden  Ausschluß, 
nmentüch  der  gesund  gebliebenen  schulpflichtigen  Geschwister  des 
Erkrankten,  zu  vermeiden,   werden   die  Ärzte  im  Cirkular  ersucht, 
darauf  zu  halten,    dafs   denselben  vom  Haushaltungsvorstand  sofort 
nach  der  Heilung  oder  Evakuation  das  betreffende  Formular  zur  Unter- 
zeichnung vorgelegt  werde. 

Winke   Aber  körperliche   Eukrhung  junger  Midchen 

erteilt  Direktor  Dr.  WAtzoldt   in   dem  Programm   der  von  ihm 
gerieten  Königlichen  Elisabethschule  zu  Berlin.     Es   taust   dort: 


288 

Die  häuslichen  Aufgaben  sind  so  bemessen,  dafe  einer  fleifirigen 
Schülerin  überall  reichlicn  Zeit  bleiben  mute,  der  Mutter  zur  Hand 
zu  gehen  und  sich,  wie  ihr  Alter  es  verlangt,  körperlich  zu  bewegen. 
Es  empfiehlt  sich  darauf  zu  halten,  dafs  die  Schülerin  zu  fest  be- 
stimmter Stunde  an  bestimmtem  Orte  möglichst  ohne  Unterbrechung 
ihre  Schularbeiten  erledige.  Dann  aber  soll  ihr  auch,  soweit  als 
thunlich,  die  Möglichkeit,  sich  frei  zu  bewegen,  zu  spielen  und  sich 
zu  tummeln,  gegeben  werden.  Nie  sollte  einem  Mädchen  erlaubt 
sein,  unmittelbar  nach  dem  Essen  zu  arbeiten,  jedenfalls  nicht  noch 
nach  der  Abendmahlzeit.  Der  körperlichen  Kräftigung  kann  die 
Schule,  die  nur  über  zwei  wöchentliche  Turnstunden  für  jede  Klasse 
verfügt  und  eines  geeigneten  Raumes  zum  Spiel  und  Tummeln  leider 
entbehrt,  nicht  in  genügendem  Mafse  sich  widmen.  Die  .nervöse 
Unstetigkeit,  die  Unfähigkeit  zu  ernsthafter  Arbeit  erklärt  sich  bei 
manchen  Mädchen  aus  dem  übertriebenen  Zwange  des  Stillsitzens 
und  dem  Mangel  an  körperlicher  Thätigkeit  im  Hause  oder  in  freier 
Luft.  Durch  spätes  Wachen,  durch  verfrühte  Teilnahme  an  den 
Vergnügungen  Erwachsener,  durch  unbeaufsichtigte,  zerfahrene  Lek- 
türe wird  der  Zerstreutheit  und  Mattigkeit  Vorschub  geleistet.  Zur 
Besserung  dieser  Übelstände  ist  die  Schule  in  einer  Gro&stadt  nur 
im  stände,  wenn  sie  sicher  auf  die  kräftige  Mithilfe  der  Eltern, 
namentlich  der  Mütter,  rechnen  darf. 

Die  zahnärztliche  Hygiene  in  der  Schule.  Unter  diesem  Titel 
veröffentlicht  Dr.BRUNSMANN  in  der  „Dtsch.  Monatsschr.  f.Zahnhlkde." 
einen  Vortrag,  welchen  er  im  zahnärztlichen  Verein  für  Nieder- 
sachsen gehalten  hat.  Verfasser  empfiehlt,  schon  in  der  Schule 
gelegentlich  des  naturwissenschaftlichen  Unterrichts  die  Kinder  auf 
die  Wichtigkeit  der  Zahnpflege  aufmerksam  zu  machen.  Es  müfste 
zu  diesem  Ende  in  den  Lehrerbibliotheken  das  nötige  litterarische 
Material  zur  Information  für  den  Lehrer  vorhanden  sein,  so  dafe 
derselbe  die  mit  einer  Vernachlässigung  der  Zahnpflege  verknüpften 
Gefahren  den  Schülern  auf  wissenschaftlicher  Grundlage  klar  machen 
kann.  Als  Ideal  der  Hygiene  sieht  Dr.  Brunsmann  die  periodische 
Untersuchung  der  Zähne  sämtlicher  Schulkinder  durch  Zahnärzte  an. 
Da  diese  Untersuchung  aber  vorläufig  wohl  ein  frommer  Wunsch 
bleiben  wird,  so  stellt  er  folgende  Sätze  zur  Beachtung  und  even- 
tuellen Bekanntgebung  ,auf:  1.  Die  Pflege  der  Zähne,  d.  h.  vorerst 
das  Reinigen  derselben,  mufs  schon  im  dritten  Lebensjahre  beginnen. 
2.  Die  Milchzähne  müssen  ebensogut  wie  die  bleibenden,  wenn  sie 
hohl  werden,  gefüllt  werden,  wenn  auch  nicht  mit  so  dauerhaftem 
Material.  3.  Eine  regelmäßige  Revision  durch  einen  Schularzt 
ist  vom  vierten  Jahre  an  vorzunehmen,  denn  4.  jede  intensire 
Störung  im  Kauakte   durch  schmerzende  Zähne  hat  auf  den  kind- 


289 

liehen  Organismus   einen   schädlicheren    Einflute,    als   auf   den    des 
Erwachsenen.     5.  Der  sechsjährige  Mahlzahn  ist  möglichst  bis  zum 
elften    Jahre   zn    erhalten.     6.    Von    da    an    ist   es    besser,    ihn 
loszuziehen,   wenn  er  hohl  wird.     7.  Bei  schmalem  Kiefer  ist  er, 
anch  wenn  er  gesund  ist,  baldmöglichst  zu  entfernen.    8.  Das  Hohl- 
oder   Kariöswerden   der   Zähne   kann   durch   tägliches   sorgfältiges 
Beinigen,  wenn  anch  nicht  ganz  verhütet,   so    doch  erheblich  ver- 
langsamt werden.    9.  Der  Zahnfrafs  besteht  darin,  dafs  zunächst  durch 
Sänrebildung  im  Munde  der  Schmelz,  von  aufeen  anfangend,  entkalkt 
wird,    dann  Mikroorganismen  in  ihn   eindringen  und  ihn  und  das 
darunterliegende  Zahnbein  zum  Zerfall  bringen,    bis  schliefslich  die 
Pulpa  zu  Grunde  geht.     10.    Darum   bediene   man   sich   bei   der 
Zahnpflege  aulser  der  Zahnbürste  und  des  Zahnstochers  nur  solcher 
Mittel,  welche   die  Säuren   neutralisieren  und  unschädlich  machen. 
11.    Alle  Geheimmittel   sind   zu  verwerfen,  wie   auch  alle  scharfen 
Mittel.     12.    Je    eher   ein   hohl   gewordener   Zahn    in  Behandlung 
kommt,  d.  h.  gefüllt  wird,    desto  mehr  Aussicht  auf  dauernde  Er- 
haltung ist  vorhanden.     13.  Die  Erhaltung  der  Zähne  hat  nicht  nur 
ästhetischen  Wert,   sondern  ist  auch  für  die  Sprache  und  vor  allem 
für  die  Verdauung  von  gröfster  Wichtigkeit.    14.  Bei  eingetretenem 
Zahnmangel  warte  man  nicht  zu  lange  mit  dem  Ersatz.     15.  Diese 
and  ähnliche  Thesen   sind   so  viel  wie  möglich   zu  verbreiten  und 
den  Kindern  in  den  Schulen    schon  beizubringen,   damit  dem  ver- 
derblichen Zahnfrafe  nach  Kräften  entgegengearbeitet  wird  —   zum 
gröberen  Wohlbefinden  des  einzelnen,  zum  Besten  der  Familie  und 
der  Nachkommenschaft,  zur  Stärkung  des  ganzen  Menschengeschlechts. 
Weicher  Boden  für  Turnhallen.     Unter  dieser  Überschrift 
teilt  die  „Dtsch.  Tumetg."  folgendes  mit:  Der  Turnverein  München 
tarnte  von  1862 — 89   in   einer   Turnhalle,    deren   Boden   zu  zwei 
Dritteilen  aas  Dielen,  zu  einem  Dritteil  aus  Lohe  bestand.    Letztere 
zeigte  entweder  starke  Staubentwickelung,  verbunden  mit  Unreinlich- 
keit,  oder  im  Gegenteil  grofse  Feuchtigkeit  und  Schlüpfrigkeit.    Als 
sehr  günstiges   Bodenmaterial   erwies    sich  nachstehende  Mischung: 
3  Kubikmeter  Sägespäne  aus  weichem  Fichtenholz,   V*  Kubikmeter 
feiner  Fluls-,  sogenannter  Schwemmsand,  25  Kilogramm  rohes  Viehsalz. 
Die  Verbindung   mit   Sand   verleiht   den   Sägespänen   eine    gewisse 
Schwere,    während   die   hygroskopische   Eigenschaft  des  Salzes  den- 
selben Feuchtigkeit  gibt  und  Ungeziefer  fern  *hält.     Der  Turnverein 
München  ist  mit  diesem  Material,  das  in  einer  4  cm  tiefen  Schicht 
den  Boden  bedeckt,  nach  jeder  Richtung  hin  zufrieden.     Denn  die 
Herstellung  kommt  sehr  billig  zu  stehen,  und  die  Dauerhaftigkeit  ist 
eine  weit  grO&ere  als  bei  Lohe.   Ferner  ist  bei  genügender  Befeuchtung 
des  Bodens   der   Staub   zwar   nicht   völlig   beseitigt,    aber  auf  ein 


290 

Minimum  beschrankt,  und  endlich  sind  bei  der  grofsen  Weichheit 
des  Materials  Unfälle  fast  ganz  ausgeschlossen.  Bei  Herstellung  des 
Bodens  ist  darauf  zu  sehen,  dafa  langfaserige  Fichtenkleie, 
am  besten  Abfalle  von  Stammen,  die  auf  einer  Vollgattewage 
geschnitten  sind,  zur  Verwendung  kommen.  Anfserdem  müssen  die 
Stoffe  sorfUtig  vermischt,  der  Boden  vor  jedem  Gebrauche  maisig, 
am  besten  mittelst  eines  sogenannten  Zerstäubers,  mit  Wasser 
bespritzt  und  gut  mit  dem  Rechen  geebnet  werden.  In  längeren 
Zwischenräumen  ist  der  Boden  je  nach  Erfordernis  umzugraben. 
Durch  zeitweise  Ergänzung  mit  neuem  Material  bleibt  derselbe,  selbst 
wenn  er,  wie  in  der  Münchener  Turnhalle,  taglich  benutzt  wird,  lange 
Zeit  verwendbar. 

Herings  Univenalgestell  für  Sehulbilder  und  Wandkarten. 
Bekanntlich  verlangt  die  Hygiene  von  Bildern  und  Karten,  welche 
in  der  Schule  benutzt  werden,  dafs  sie  selbst  von  den  am  ent- 
ferntesten sitzenden  Kindern  bei  normaler  Sehscharfe  erkannt  werden 
können.  Zu  diesem  Zwecke  müssen  die  Details  der  Zeichnung  nicht 
nur  eine  genügende  OrOfse  besitzen,  sondern  die  Wandkarten  und 
Bilder  auch  glatt  ausgebreitet  und  sicher  befestigt  sein,  damit  durch 
Falten  und  Unebenheiten  keine  störenden  Schatten  entstehen.  Diesen 
Anforderungen  entspricht  das  durch  nachstehende  Abbildungen  veran- 
schaulichte   Universalgestell,    welches    von  dem  Lehrer   Hering  zu 


291 

Auerbach  i.  V.  konstruiert  worden  ist.  Der  Halter  eignet  sieh 
für  Karten  jeder  Form  mit  Mittel*  oder  Seitenösen  in  beliebiger 
Entfernung  und  für  Bilder  jeder  Art,  mögen  dieselben  unaufgezogen, 
gebrochen  oder  gerollt  sein.  Zugleich  können  die  Demonstrations- 
objekte eine  Breite  bis  zu  175  cm  und  eine  Höhe  bis  zu  120  cm 
haben.  Dabei  ist  die  Handhabung  des  Gestells  sehr  einfach  und 
erfordert  wenig  Zeit.  Hervorgehoben  sei  endlich  noch,  dais  der 
dauerhaft  ausgeführte  Apparat  das  teure  Aufziehen  erspart  und  die 
Aufbewahrung  erleichtert.  Das  Königlich  sächsische  Ministerium 
und  verschiedene  Direktoren  und  Lehrer  haben  denselben  denn 
auch  empfohlen. 

Ahiminramgriffe] ,  aus  Aluminiummetall  hergestellt,  fangen 
nach  der  „Dtsch.  Sckiüetg."  jetzt  an,  sich  in  den  Schulen  Stuttgarts 
einzubürgern.  Sie  werden  um  den  Preis  von  15 — 20  Pfennigen  in 
den  Papier-  und  Schreibmaterialienhandlungen  verkauft.  Voraussicht- 
lich haben  diese  Griffel  eine  Zukunft,  denn  es  schreibt  sich  nicht 
nnr  ganz  bequem  damit,  sondern  ihre  Instandhaltung  ist  auch  höchst 
einfach,  da  sie  bei  sehr  unbedeutender  Abnutzung  monatelang  spitz 
und  daher  zum  Schreiben  brauchbar  bleiben. 


Saiesgef^i^tltctyes. 


Der  internationale  Kongrefs  flir  Hygiene  und  Demographie 

il  Budapest  1894.  Die  Kommission  zur  Vorbereitung  des  im 
nftchsten  Jahre  in  Budapest  stattfindenden  internationalen  Kongresses 
för  Hygiene  und  Demographie  stellte  die  Organisation  desselben,  wie 
folgt,  fest:  Seiner  Majestät  dem  König  soll  durch  eine  vom  haupt- 
städtischen Municipalausschufee  zu  entsendende  Deputation  die  Bitte 
um  Übernahme  des  Protektorates  des  Kongresses  unterbreitet  werden. 
Seine  Majestät  sollen  ferner  gebeten  werden,  als  Protektorstellvertreter 
ein  Mitglied  des  allerhöchsten  Herrscherhauses  designieren  zu  woDen. 
Das  Präsidium  des  Kongresses  sei  dem  Grafen  Stbfan  KIrolyi 
anzubieten.  Zum  zweiten  Präsidenten  wurde  Professor  Dr.  JosHP 
vok  Fodor,  zum  Generalsekretär  Professor  Dr.  Koloman  Müllar 
gewählt.  Die  ständige  Organisationskommission  erhielt  folgende 
Zusammensetzung:  Präsident:  Bürgermeister  Kammermayrr;  Vice- 
prSsidenten :  Vicebfirgermeister  Gbrlöczt  und  Magistratsrat  Habs&~ 
haue»;  Mitglieder:  die  Vertreter  der  einzelnen  Ministerien,  des 
gemeinsamen   Kriegsministeriums,    der   wissenschaftlichen  Anstalten, 


292 

Körperschaften  und  Vereine,  der  ärztlichen  und  naturwissenschaft- 
lichen Gesellschaften,  der  Universitäten,  der  Apothekervereine,  und 
zwar  auch  ans  der  Provinz.  Die  Organisationskommission  zerfällt  in 
folgende  4,  eventuell  5  Sektionen:  a)  für  Hygiene,  b)  für  Demo- 
graphie, c)  für  Empfang  und  Feierlichkeiten,  d)  für  die  Ausstellung, 
wenn  eine  solche  veranstaltet  werden  sollte,  und  e)  für  finanzielle 
Angelegenheiten.  Die  Vorbereitungskommission  wird  beauftragt,  das 
Verzeichnis  jener  in-  und  ausländischen  Persönlichkeiten,  welche  zu 
Ehrenpräsidenten  gewählt  werden  sollen,  vorzulegen.  Die  Sekretäre 
des  Kongresses  werden  sein:  Dr.  Sigmund  Gbrlöczt,  Dr.  Otto 
Pbbtik,  Dr.  Gustav  Dirner,  Dr.  Samuel  Low,  Zoltän  RIth, 
Gustav  Thierring,  Michael  Kaellinger  und  Eduard  Tock. 
Das  Exekutivkomitee  soll  aus  den  Präsidenten,  Vicepräsidenten 
und  Schriftführern  der  einzelnen  Sektionen  bestehen.  Der  Kongreis 
findet  in  der  ersten  Hälfte  des  Monats  September  1894  statt.  Da 
bis  dahin  auch  die  neuen  grofsen  Spitalbauten  und  das  definitive 
Wasserwerk  fertiggestellt  sein  werden,  so  dürften  die  Kongreis- 
besucher manches  Interessante  in  der  ungarischen  Hauptstadt  finden. 

Mitteleuropäische  Zeit  und  Beginn  des  Unterrichts  am 

Morgen.     Die  Einführung  der  mitteleuropäischen  Zeit  im  Verkehrs- 
leben,   so    wird    der    „Köln.  Ztg"    geschrieben,    bietet    eine   gute 
Gelegenheit  zur  Einführung  angemessener  Schulzeiten.     Der  Beginn 
des  Unterrichts    um   8  Uhr    morgens    im  Sommer    wie    im  Winter 
entspricht  nicht  den  Verhältnissen  unserer  Zone  und  der  Grofsstadt. 
Er    fällt   im  Sommer   zu    spät  und  im  Winter  zu  früh.     Die  Vor- 
datierung der  Uhr  um  eine  halbe  Stunde  sollte  dazu  benutzt  werden, 
um    die  Schulen   im  Sommer   um  7  Uhr,    d.  i.  um  71/*  Uhr  der 
astronomischen  Zeit,  und  im  Winter  um  8  Uhr,  d.  i.  um  8  7»  Uhr 
nach  bisheriger  Rechnung,  beginnen  zu  lassen.     Im  Sommerhalbjahr 
wird   dadurch    ein  Teil   der  Morgenfrische   für   den  Unterricht  ge- 
wonnen, im  Winter    dagegen  die  Dunkelheit,    die    morgens,    zumal 
bei  trüber  Witterung,  in  den  Klassenzimmern  herrscht,  entsprechend 
abgekürzt. 

Typhusepidemie  in  einem  französischen  Waisenhause. 
In  dem  Landwaisenhause  zu  Grezes  bei  Laissac  ist  eine  Typhus- 
epidemie ausgebrochen,  die  nach  einem  Berichte  des  „Rrogr-  f*töu 
am  14.  Januar  d.  J.  noch  heftig  wütete.  Die  Zahl  der  Kranken 
hatte  zugenommen  und  betrug  in  der  letzten  Woche  45.  Von  dem 
Präfekten  wurde  deshalb  ein  Gesuch  um  Unterstützung  an  den 
Minister  des  Inneren  gerichtet,  der  den  Dr.  Thoinot  aus  Paris 
sandte,  um  die  Lage  zu  prüfen  und  soriel  als  möglich  der  Krankheit 
Einhalt  zu  thun.  Der  genannte  Arzt  führt  die  letztere  auf  die 
schlechten  äufseren  Verhältnisse  der  Anstalt  zurück  und  hat  dahex 


293 

sofort  zu  energischen  Desinfektionsmafsregeln  geraten.  Das  Waisen- 
haus in  Grazes  ist  ein  Ton  Nonnen  gegründetes  und  geleitetes 
Privatinstitut,  das  sich  durch  milde  Gaben  erhfilt.  Seine  Kasse 
ist  augenblicklich  leer.  Von  dem  Präfekten  sind  deshalb  5000 
Franken  für  dieselbe  bei  dem  Minister  des  Innern  erbeten  worden. 

Zar  Frage  nach  der  Ehelosigkeit  der  Lehrer,  die  be- 
kanntlich auch  hygienische  Bedentang  hat,  insofern  Unverheiratete 
durchschnittlich  eine  kürzere  Lebensdauer  als  Verheiratete  haben, 
bemerkte  vor  einiger  Zeit  der  prenfsische  Kultusminister:  Es  pflegt 
dem  Lehrerstande  nachgerühmt  zu  werden,  dafe  er  vor  anderen 
seine  Angehörigen  in  die  Lage  setze,  frühzeitig  zu  heiraten,  und 
von  der  anderen  Seite,  selbst  von  Behörden,  wird  gegen  die 
Lehrer  nicht  selten  der  Tadel  erhoben,  dafs  sie  zu  leichtfertig  und  vor 
der  Zeit  an  die  Gründung  einer  Familie  dächten.  Nun,  meine 
Herren,  die  Schulstatistik  gibt  auch  über  diese  Verhältnisse  Auf- 
schluß, und  es  ist  gewifs  sehr  nützlich,  wenn  das  Ergebnis  einmal 
bekannt  wird.  Von  den  Lehrern,  die  in  einem  Lebensalter  bis  zu 
25  Jahren  standen,  waren  9814  ledig  und  nur  591  verheiratet; 
Ton  den  Lehrern  zwischen  25  und  30  Jahren  waren  6906  ledig 
und  7132  verheiratet,  und  von  insgesamt  62272  Lehrern  waren 
20077  unverheiratet.  Diese  Zahlen  sprechen  keineswegs  dafür, 
daß  die  Lehrer  leichtsinnig  zu  früh  zur  Ehe  schreiten.  Im  Gegen- 
teil, man  könnte  daraus  schließen,  dafs  es  im  Interesse  der  Schule 
wünschenswerter  wäre,  wenn  ein  höherer  Prozentsatz  der  Lehrer 
sich  verheiratete;  denn  darüber  kann  kein  Zweifel  sein,  daß  ein 
Lehrer,  der  selbst  Vater  von  Kindern  ist,  geeigneter  ist,  die  Stelle 
des  Vaters  in  der  Schule  zu  vertreten,  als  ein  anderer. 

Der  Erbgrind  unter  den  Schulkindern  in  Algier  nnd 

Tniis1  ist  eine  sehr  häufige  Erscheinung.  Während  des  Schuljahres 
1891 — 92  wurden  von  dem  ärztlichen  Schulinspektor  Dr.  GÄMT 
67  Knaben  und  12  Mädchen  wegen  Favus  aus  den  Schulen 
entfernt.  Diese  Ziffer  bleibt  hinter  der  Wirklichkeit  jedoch  zurück, 
indem  sich  zahlreiche  Kinder  der  Untersuchung  entziehen.  Die 
Schulbevölkerung  umfafst  zwar  5956  Köpfe,  3458  Knaben  und 
2498  Mädchen,  aber  viele  derselben  fehlen  beim  Unterrichte;  die 
Madchen  werden  in  den  Familien  zurückgehalten,  die  Knaben  vaga- 
bondieren  auf  den  Strafsen.  Aufserdem  besucht  ein  grofeer  Teil 
die  sogenannten  freien  Schulen,  und  diese  sind  gar  nicht  zur  Unter- 
suchung gelangt.  Von  den  79  an  Favus  Erkrankten  waren  2  fran- 
zösischer Herkunft,  6  spanischer,  1  italienischer,  45  gehörten  ein- 
geborenen israelitischen,  25  eingeborenen  muselmännischen  Familien 


1  Vgl.  diese  Zeitschrift,  1893,  No.  2,  S.  84. 


294 

an.  Wie  man  sieht,  grassiert  der  Erbgrind  besonders  unter  den 
eingeborenen  Kindern,  was  bei  den  elenden  hygienischen  Verhältnissen, 
unter  welchen  die  Bevölkerung  lebt,  leicht  erklärlich  ist.  Und  dabei 
handelt  es  sich  hier  nur  um  die  Stadt  Algier  selbst;  im  Innern 
des  Landes  sieht  es  noch  viel  trauriger  aus. 

Der  Verein  rar  Heilung   stotternder  Volkssckiler  in 

Hamburg  sieht  jetzt  auf  das  fünfte  Jahr  seines  Bestehens  zurück. 
Der  erste  Unterrichtskursus  wurde  im  September  1888  begonnen, 
der  jüngste  im  März  1893  geschlossen.  Innerhalb  dieses  Zeitraums 
hat  der  Verein  in  6  Abteilungen  zusammen  617  Schüler  unter- 
richten lassen.  Die  dadurch  entstandenen  Ausgaben  betrugen 
1 1 634  A,  also  18,85  Jd  für  jeden  Schüler,  während  die  Ein- 
nahmen  sich  auf  12060  iL  beliefen.  Was  die  erzielten  Erfolge 
betrifft,  so  zeigten  sich  von  205  Schülern,  welche  während  der 
letzten  18  Monate  durch  7  Vereinslehrer  unterrichtet  wurden, 

nach  dem  Urteil 
der  Eltern     der  Klassenlehrer     der  Vereinslehrer 

geheilt 106  77  118  =  57% 

54  57  45  =  22% 

36  43  40  =  20% 

7  10  2=    1% 

2  18  —      — 


sehr  gebessert    .  .  . 
gebessert  ...... 

erfolglos  unterrichtet 
Ergebnis  unermittelt 


Mehr  als  550  Knaben  und  Mädchen  sind  bisher  in  ihren  zukünftigen 
Lebensberuf  eingetreten,  ohne  durch  Stottern  oder  Stammeln  am 
Fortkommen  weiter  behindert  zu  sein.  Auch  die  am  16.  März  d.  J. 
im  Saal  des  neuen  Logenhauses  abgehaltene  öffentliche  Prüfung 
legte  ein  erfreuliches  Zeugnis  von  den  gewonnenen  Resultaten  ab. 
Es  wurden  6  Knabenkurse  und  1  Mädchenkursus  durch  die  Lehrer 

BOTTERBROD,     SöHRENS,    BAHNSEN,     DREWS,     HABBBCK,    KÖBNEB 

und  Thbut  unter  der  Oberleitung  unseres  Mitarbeiters,  des  Direktors 
der  Taubstummenanstalt  Södeb,  vorgeführt.  Unter  den  70  Knaben 
und  60  Mädchen  bemerkten  wir  nur  6,  bei  denen  noch  Spuren  des 
früheren  Übels  sich  zeigten.  Alle  übrigen  waren  im  stände,  eine 
freie  Unterhaltung  fliefsend  zu  führen  und  selbst  schwierige  Sätze 
ohne  Anstofc  zu  sprechen.  Ebenso  tadellos  lasen  sie  und  trugen 
längere  Gedichte,  zum  Teil  in  dialogischer  Form,  ohne  zu  stocken, 
vor.  Bemerkenswert  ist,  dafs  die  Unterrichtenden  keinen  besonderen 
Kursus  für  Sprachlehrer  durchgemacht,  sondern  nur  von  Direktor 
Söder  einige  Anleitung  in  Konferenzen  empfangen  haben.  DaGs  dem 
Verein,  dessen  Vorstand  zur  Zeit  aus  den  Herren  W.  RüMP, 
A.  G.  Reimers,  H.  Södeb,  W.  Welzien  und  J.  J.  H.  Lüder 
besteht,  noch  ein  reiches  Feld  der  Thätigkeit  übrig  bleibt,  beweist 


295 


letzte  im  Januar  dieses  Jahres  veranstaltete  Umfrage,   nach  der 
zur  Zeit  in  den  Hamburger  Volksschulen  noch  498  Knaben  und 

156   Mädchen,   zusammen  624  Schulkinder,    mit   Sprachgebrechen 

befinden.     Von  diesen  sind  geboren 

im  Jahre  Knaben        Madchen       Znsammen 

1877 1  0  1 

1878 35  8  48 

1879 58  19  77 

1880 59  20  79 

1881 60  33  93 

1882 76  20  96 

1883 76  22  98 

1884 54  16  70 

1885 46  15  60 

1886  .  .  .  .  .  .    4 3 7_ 

Summa  .    468  156  624. 

Für  die  fortschreitende  Entwicklung,  in  welcher  der  Stotter- 
unterricht  gegenwärtig  begriffen  ist,  hat  die  vorstehende  Zusammen- 
stellung grofee  Bedeutung.  Die  mittleren  Jahrgänge  zeigen  gegen 
die  ersten  eine  verhältnismäfsig  hohe  Ziffer,  weil  von  dem  Verein 
ans  verschiedenen  Gründen  immer  die  ältesten  Schüler  zum  Unter- 
richt zuerst  herangezogen  wurden,  derselbe  also  hier  schon  hilfe- 
bringend eingreifen  konnte.  In  den  jüngsten  Jahrgängen  haben  sich 
aber  die  Sprachgebrechen  noch  nicht  so  weit  entwickelt,  dafs  sie 
allezeit  deutlich  wahrnehmbar  sind ;  anch  fehlt  hier  noch  der  verderb- 
liche Einflufe  der  Nachahmung,  dem  so  viele  erliegen.  Überzeugend 
jedoch  ergibt  sich  die  ja  auch  von  allen  Fachmännern  anerkannte 
8eUufefolgerung,  dafs  die  Schule  allein  nie  in  der  Lage  sein  wird, 
flpraehgebrechen  zu  verhindern,  wirksam  zu  bekämpfen,  oder  gar 
nr  Heilung  zu  bringen,  sondern  dafs  sie  hierzu  der  energischen 
Unterstützung  seitens  des  Elternhauses  bedarf. 

Zur  Aagenentatndiuig  in  den  Armenschnlen  Londons.1 
Dr.  Stbphekson  hat  den  dritten  Jahresbericht  über  die  infektiösen 
Aageakrankheiten  in  den  Armenschulen  Central-Londons  veröffentlicht, 
den  „The  Brit  Med.  J<mm.u  folgendes  entnimmt:  In  den  Jahren 
1889  und  1890  waren  besondere  Schulgebäude  für  die  Aufnahme 
«ad  Isolierung  solcher  Kinder  errichtet  worden,  welche  mit  anstecken- 
de Augenleiden  behaftet  waren.  Die  Zahl  dieser  Schulen  ist  jetzt 
zi  grob,  so  dafs  sich  von  15  nur  noch  8  in  Benutzung  befinden. 
Es  mnb  dies  als  ein  erfreuliches  Resultat  der  sorgfältigen  Isolierung 

1  Vgl  diese  Zeitschrift,  1892,  No.  12,  S.  558-669. 


296 

und  Behandlung  der  Kranken  angesehen  werden.  Während  der 
12  Monate  von  Juni  1891  bis  dahin  1892  wurden  ans  den  öffent- 
lichen Schulen  nur  34  Kinder  in  die  Schulen  für  Augenkranke  auf- 
genommen, wogegen  in  den  beiden  vorhergehenden  Jahren  die  ent- 
sprechende Ziffer  65,  beziehungsweise  186  war.  Von  den  erwähnten 
34  Schülern  litten  blofe  15  an  granulöser  Bindehautentzündung, 
diesen  Begriff  im  weitesten  Sinne  des  Wortes  genommen.  Hervor- 
gehoben zu  werden  verdient  auch,  dafs  von  den  163  Kindern,  welche 
aus  den  Isolierschulen  in  die  öffentlichen  Schulen  zurückversetzt 
wurden,  158  gesund  blieben  und  nur  5  von  neuem  an  den  Augen 
erkrankten.  Diese  Rückfälle  fuhrt  Dr.  Stbphbkson  auf  atmosphärische 
Einflüsse  zurück,  indem  er  sehr  sorgfältige  meteorologische  Beob- 
achtungen mitteilt.  Zugleich  weist  er  auf  die  interessante  That- 
sache  hin,  dafs,  wenn  man  von  Frieseln  und  Frostbeulen  absieht,  die 
Zahl  der  AUgemeinerkrankungen  in  den  Isolierschulen  geringer,  als 
in  den  öffentlichen  Schulen  war. 

Der  städtische  Schulgarten  in  Köln,  der  im  vorigen  Jahre 
als  der  erste  daselbst  eröffnet  worden  ist,  hat  nach  den  „JPomm.  BL" 
einen  Flachenraum  von  6  Morgen,  wovon  etwa  2  Morgen  zur 
Baumschule  benutzt  sind.  In  der  Mitte  des  Gartens  steht  ein 
kleines  Samenhaus,  um  das  in  mehreren  Kreisen  Anzuchtbeete  liegen. 
Vier  Hauptwege  bilden  ebensoviele  Abteilungen,  wovon  die  erste  die 
wild  wachsenden  Pflanzen  für  den  botanischen  Unterricht,  die  zweite 
die  Gemüse,  Getreide  und  sonstigen  Kulturpflanzen,  die  dritte  die 
bekanntesten  Ziergewftchse,  die  vierte  die  medizinischen  und  Gift- 
pflanzen enthält.  Zu  beiden  Seiten  der  Wege  sind  kleine  Rabatten 
angelegt,  auf  denen  sich  eine  Auswahl  von  Pflanzen  zur  Ansicht 
befindet,  während  die  Anzucht  im  grofsen  auf  ausgedehnteren  Feldern 
betrieben  wird.  Längs  der  Wege  sind  auch  die  einheimischen 
Wald-  und  Obstbäume  angepflanzt.  Ein  kleiner  Sumpf  enthält  die 
Sumpfpflanzen.  Sämtliche  Volksschulen  der  Stadt  und  die  höheren 
Schulen  erhalten  die  für  den  Unterricht  in  der  Botanik  nötigen 
Pflanzen,  und  zwar  erstere  einmal,  letztere  zweimal  wöchentlich  je  3 
bis  4  Arten.  Im  ganzen  kommen  in  der  Woche  20000  bis  50000 
Exemplare  zur  Verteilung,  wobei  seitens  der  Verwaltung  jedesmal 
mitgeteilt  wird,  welche  Pflanzen  in  der  nächsten  Woche  ausgegeben 
werden. 

Vorführung  des  deutschen  Schulturnens  in  Milwavkee 
und  Chicago«  In  Milwaukee  ist  der  Turnunterricht  unter  Anleitung 
von  geprüften  deutschen  Turnlehrern  seit  Jahren  für  die  beiden 
oberen  Klassen  der  öffentlichen  Schulen  obligatorisch  und  vor  Jahres- 
frist auch  auf  die  zwei  nächsthöchsten  Klassen  ausgedehnt  worden,  so 
dafs  derselbe  jetzt  mehr  als  8000  Schulern,  Mädchen  und  Knaben, 


297 

regelmäfsig  zu  gute  kommt.  Diese  Schar  wird  nun,  wie  die 
„Tägl.  Bundsch."  mitteilt,  an  einem  oder  an  zwei  Tagen  des 
nächsten  Bundesturnfestes  zu  Milwaukee  in  turnerischen  Freiübungen, 
deren  Einübung  schon  begonnen  hat,  vorgeführt  werden.  Der 
technische  Leiter,  Turnlehrer  Georg  Brosius,  will  mit  6000  Kindern 
in  Aufmärschen  und  Fahnenreigen,  zusammen  und  getrennt,  den  er- 
zieherischen Wert  des  deutschen  Turnunterrichts  zeigen.  Später 
soll  dann  das  ganze  jugendliche  Heer  der  Milwaukeer  Turner  nach 
Chicago  übergeführt  werden,  um  dort  auf  der  Ausstellungswiese  vor 
den  Besuchern  gleichfalls  ein  Bild  deutschen  Turnens  zu  entrollen. 
Milchverteilnng  an  bedürftige  Kinder  in  einer  Leipziger 
Bezirksschnle.  In  Leipzig  hat  der  ostvorstädtische  Bezirksverein 
wahrend  des  abgelaufenen  Winters  den  ärmeren  Kindern  der 
7.  Bezirksschule  täglich  Milch  zum  Frühstück  verabreichen  lassen. 
Wie  die  „IUustr.  Zätg."  berichtet,  galt  es  zunächst,  die  der  Wohl- 
that  bedürftigen  Kinder  auszuwählen,  Weshalb  der  Schularzt  eine 
genaue  Untersuchung  der  Zöglinge  der  genannten  Anstalt  vornahm. 
Dabei  stellte  sich  heraus,  daft  126  Knaben  und  74  Mädchen 
ungenügend  ernährt  waren.  Die  Verteilung  des  Frühstücks  überliefe 
man  dem  Direktor  der  Schule.  Morgens  kurz  vor  10  Uhr  wurden 
die  auf  dem  Korridor  versammelten  Kinder  zum  Empfang  der 
Milch  in  2  geräumige  Lehrzimmer,  von  denen  das  eine  für  die 
Knaben,  das  andere  für  die  Mädchen  bestimmt  war,  geführt.  Hier 
waren  auf  Tafeln  die  Flaschen  mit  der  sorgfältig  untersuchten 
MBch  aufgestellt  und'  wurden  dann  unter  Aufsicht  eines  Lehrers 
verteilt.  Fehlte  eines  der  empfangsberechtigten  Kinder,  so  waren 
sofort  „Reserveleute"  zur  Stelle.  Bei  aller  Ordnung  herrschte  in 
dieser  Frühstückspause  durchaus  Ungezwungenheit.  Auch  sonst  hat 
sich  die  Einrichtung  in  jeder  Beziehung  vortrefflich  bewährt. 

Der  Verein  zur  Förderung  der  Jngendspiele  in  Prag, 

welcher  sich  im  Januar  d.  J.  konstituierte,  hofft  schon  in  Frühjahr 
mit  Spielen  beginnen  zu  können.  Der  Stadtrat  bewilligte  zu  diesem 
Zwecke  1000  fl.  Inzwischen  werden  geeignete  Plätze  gesucht  und 
die  nötigen  Spielgeräte  angeschafft.  Im  April  fand  ein  Kursus  zur 
Ausbildung  der  Spielleiter  statt.  Vorsitzender  des  Vereins  ist  der 
Räses  des  allgemeinen  Turnverbandes  für  Böhmen,  Abgeordneter 
Stadtrat  Dr.  J.  Podlipny. 


9dnlg«randh«ltfpfl6f*  VI.  20 


298 


ämtlidie  flerförjitttgtn. 


Erlafs  des  Königlieh  preussischen  Ministers 

der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Mediunalsngelegenheiten, 

betreffend  Haushaltungsunterricht  für  Mädchen. 

Berlin,  den  18.  Januar  1893. 

Auf  den  Bericht  vom  4.  April  v.  Js.,  betreffend  die  Einführung 
des  Hanshaltangsnnterricht8  für  die  erste  Klasse  der  Mädclienvolks- 
schule  in  N.,  erwidere  ich  der  Königlichen  Regierung  bei  Rückgabe 
der  Anlagen,  dafs  ich  grundsätzlich  mit  der  Königlichen  Regierung 
darin  einverstanden  bin,  dafs  eine  wesentliche  Kürzung  des  Schul- 
unterrichtes im  letzten  Schuljahre  auch  beim  Unterrichte  der  Mädchen 
grofee  Bedenken  hat.  Das  letzte  Schuljahr,  in  welchem  der  Lehrer, 
wo  es  gut  um  die  Schule  steht,  Hand  in  Hand  mit  dem  einsegnenden 
Geistlichen  in  dem  empfänglichen  Gemüte  des  jungen  Mädchens  die 
religiös-sittliche  Gesinnung  befestigen  soll,  ohne  welche  es  nicht 
gefahrlos  in  das  Leben  hinaustreten  darf,  ist  für  die  Schule  besonders 
wichtig.  Wo  äufsere  Verhältnisse  die  Lehr-  und  Lernarbeit  auf- 
gehalten haben,  bietet  das  letzte  Schuljahr  die  Möglichkeit,  den 
Kindern  wenigstens  die  unentbehrlichsten  Kenntnisse  und  Fertig- 
keiten zu  gewähren;  wo  aber,  wie  in  N.,  normale  Schulverhältnisse 
vorhanden  sind,  verzichtet  der  Lehrer  den  dreizehnjährigen  Mädchen 
gegenüber  auf  die  Aneignung  neuen  Lehrstoffes  und  strebt  nur  dar- 
nach, das  bisher  Gelernte  ergänzend,  erläuternd  zum  freien  Eigen- 
tume  des  Kindes  zu  machen,  dasselbe  zur  Selbsttätigkeit  zu  erziehen 
und  dadurch  auch  für  die  Erwerbsfähigkeit,  deren  die  Mädchen 
ebenso  dringend  bedürfen,  wie  die  Knaben,  die  Grundlage  zu 
geben. 

Ich  kann  daher  dem  ursprünglichen  Antrage  des  Magistrats 
zu  N.,  Mädchen,  welche  die  Haushaltungsschule  besuchen,  vom 
Unterrichte  in  der  Volksschule  zu  entbinden,  keine  Folge  geben. 
Die  entsprechende  Einrichtung  würde  nicht  nur  für  die  betreffenden 
Mädchen  eine  das  Mals  überschreitende  Kürzung  des  Unterrichts 
zur  Folge  haben,  sondern  auch  auf  den  Unterricht  der  anderen 
Kinder  störend  wirken. 

Um  aber  den  Wünschen  des  Magistrates,  soweit  es  ohne 
Schaden    für    die    Schule    angängig    ist,     entgegenzukommen   und 


299 

eine  Überbürdimg  der  Mädchen  zu  verhindern,  welche  die  Haas- 
haltungsschule  besuchen,  will  ich  mit  Rücksicht  auf  den  guten 
Stand  dieser  Anstalt  und  der  Volksschule  zu  N.  dem  Vorschlage 
meines  Kommissars,  dafs  die  Stundenzahl  der  ersten  Mädchenklasse 
um  zwei  Stunden  wöchentlich  zu  Gunsten  der  Haushaltungsschule 
gekürzt  und  die  häusliche  Arbeit  auf  ein  Mindestmafs  zurückgeführt 
werde,  zustimmen. 

Indem  ich  Abschrift  des  Protokolles  über  die  von  meinem  Herrn 
Kommissar,  Wirklichen  Geheimen  Oberregierungsrat  Dr.  Schneider, 
bewirkte  Revision  der  Mädchenschule  in  N.  beifüge,  veranlasse  ich 
die  Königliche  Regierung,  hiernach  die  erforderlichen  Anordnungen 
zu  treffen. 

An 
die  Königliche  Regierung  zu  N. 

Der  Minister  der  geistlichen  etc.  Angelegenheiten. 

(Gez.)  Bosse. 

Verbot  jeu  klein  gedruckter  Klassikertexte 
durch  das  k.  k.  österreichische  Unterrichtsministerium. 

Das  österreichische  Unterrichtsministerium  hat  an  sämtliche 
Landesschulbehörden  folgenden  Erlafs,  betreffend  die  Verwendung 
typographisch  schlecht  ausgestatteter  Klassikertexte  an  den  Mittel- 
schulen, gerichtet: 

Es  ist  zu  meiner  Kenntnis  gelangt,  dafs  bei  der  Schullektüre 
klassischer  Schriften  der  fremden  Sprachen,  sowie  der  Muttersprache 
Testaosgaben  verwendet  werden,  die  infolge  ihrer  mangelhaften  typo- 
graphischen Ausstattung  auf  die  Sehkraft  der  Schüler  schädlich 
wirken.  Dies  veranlaßt  mich,  die  Landesschulinspektoren,  sowie 
die  Direktoren  der  Mittelschulen  aufzufordern,  strenge  darüber  zu 
wachen,  dafe  die  in  Verwendung  kommenden  Lehrtexte  und  Lehr- 
mittel, welche  der  Approbation  des  Ministeriums  für  Kultus  und 
Unterricht  nicht  bedürfen,  ihrer  typographischen  Ausstattung  nach 
den  Forderungen  der  rationellen  Schulhygiene  entsprechen,  nament- 
lich aber  nicht  weiter  zu  dulden,  dafs  Klassikerausgaben,  wie  die 
bei  Philipp  Reclam  in  Leipzig  erschienenen  oder  die  unter  dem 
Namen  Meyers  Volksbücher  bekannten,  ebenso  die  in  der  Kollektion 
Friedberg  &  Mode  erscheinenden  französischen  und  englischen  Klassiker- 
texte u.  dergl.  bei  der  Schullektüre  verwendet  oder  auch  nur  für 
häusliche  Lektüre  empfohlen  werden.  Im  Sinne  meines  Erlasses 
vom  2.  April  1887  sind  Klassikerausgaben  der  bezeichneten  Art 
auch  aus  den  Schülerbibliotheken,  falls  sie  sich  in  denselben  noch 
vorfinden  sollten,  unverzüglich  zu  entfernen  und  durch  den  Anforde- 
rungen der  Schulhygiene  entsprechende  Ausgaben  zu  ersetzen. 

20* 


800 

Verordnung  des  französischen  Ministers  des  Unterrichte  und 
der  sehtaen  Künste,  betreffend  die  Gesundheitspflege  in  den 

französischen  Primarschulen. 

Der  Gesundheitsrat  des  Departements  ist  immer  durch  den 
Akademieinspektor  Ober  die  Einrichtung  und  die  sanitären  Verhält- 
nisse der  für  private  Elementarschulen  bestimmten  Räumlichkeiten, 
bevor  diese  eröffnet  werden,  zu  befragen.  Im  Falle  einer  Epidemie 
bestimmt  der  Pr&fekt  auf  Vorschlag  des  Akademieinspektors  und 
nach  Anhörung  des  Bürgermeisters  und  des  Gesundheitsrates  des 
Departements,  welche  sanitären  Malsregeln  in  den  Öffentlichen  und 
privaten  Elementarschulen  getroffen  werden  sollen;  auch  verfügt 
derselbe,  wenn  nötig,  den  zeitweisen  Schlufs  der  Schulen.  Beloh- 
nungen, bestehend  in  Medaillen  aus  vergoldetem  Silber,  Silber  oder 
Bronze,  sollen  an  diejenigen  öffentlichen  Lehrer  und  Lehrerinnen  ver- 
teilt werden,  welche  die  vollständigsten  Statistiken  über  die  Impfling 
der  Schulkinder  zusammengestellt  und  Oberhaupt  die  gröfsten  An- 
strengungen für  die  Verbreitung  der  Vaccination  und  Revaccination 
gemacht  haben. 

Verfügung  des  k.  k.  Bezirksschulrates  tob  Wien 
wegen  Aufnahme  einer  Statistik  der  verwahrlosten  Schulkinder. 

An 
die  Leitungen  sämtlicher  allgemeiner  Volks-  und  Bürgerschulen 

in  Wien. 
Zur  Erledigung  der  vorliegenden  Anträge  auf  Errichtung  von 
Eorrektionshäu8ern  für  verwahrloste  Kinder  erscheint  es  notwendig,  die 
Anzahl  derjenigen  schulpflichtigen  Knaben  und  Mädchen  zu  konsta- 
tieren, welche  nach  Ansicht  der  Schulleitungen  und  Lehrerkonferenzen 
zur  Aufnahme  in  eine  Besserungsanstalt  geeignet  erscheinen. 

In  der  Anlage  werden  demnach  der  Schulleitung  5  Exemplare 
eines  Fragebogens  mit  dem  Auftrage  zugemittelt,  in  der  nächsten 
ordentlichen,  eventuell  in  einer  einzuberufenden  aufserordentlicben 
Lokallehrerkonferenz  über  das  Vorhandensein  solcher  verwahrlosten 
Kinder  an  der  Anstalt  zu  beraten,  sich  jedoch  dabei  vor  Augen  zu 
halten,  dafs  nur  thatsächlich  verwahrloste  und  nur  durch 
Unterbringung  in  eigenen  Korrektionsanstalten  voraus- 
sichtlich zu  bessernde  Kinder  namhaft  zu  machen  sind. 

Für  jedes  der  so  bezeichneten  Kinder  ist  ein  Fragebogen  in  allen 
seinen  Rubriken  genau  auszufüllen,  und  sind  diese  Fragebogen  sohin 
bis  längstens  1.  Februar  1893  dem  Bezirksschulrate  zu  übermitteln. 
Wien,  den  14.  Dezember  1892. 

Der  Vorsitzende-Stellvertreter, 
(gez.)  Dr.  Schindler. 


801 


Fragebogen. 

1.  Name  and  Geburtsdaten  (Zeit,  Ort  und  Land)  des  an  der 
Anstalt  eingeschulten  Kindes,  dessen  Abgabe  in  eine 
Besserungsanstalt  (Korrektionsanstalt)  nach  dem  Urteile 
der  Lokallehrerkonferenz  dringend  wünschenswert  er- 
scheint. 

2.  Zuständigkeit  des  betreffenden  Kindes  (Ort  und  Land). 

3.  Name,  Wohnort,  Stand  und  Alter  der  filtern  (Vater  und 
Mutter),  eventuell  des  Stellvertreters  derselben. 

4.  Bisheriges  Verhalten  des  Kindes  in  der  Schule,  Charakter- 
anlage desselben. 

5.  Wahrnehmungen  über  das  bisherige  Verhalten  des  Kindes 
aufs  er  der  Schule,  soweit  solche  von  den  Lehrpersonen 
gemacht  werden  konnten. 

6.  Wurde  das  Kind  bereits  polizeilich  oder  gerichtlich 
beanstandet,  eventuell  wann  und  warum? 

7.  Genaue  Angabe  der  besonderen  Momente,  welche  nach  der 
Ansicht  der  Lokallehrerkonferenz  die  Abgabe  des  Kindes 
in  eine  Korrektionsanstalt  dringend  wünschenswert 
erscheinen  lassen. 

8.  Sind  die  Eltern  voraussichtlich  in  der  Lage,  im  Falle  der 
Abgabe  des  Kindes  in  eine  Korrektionsanstalt  die  Kosten 
(jährlich  etwa  175 — 250  fl.)  ganz  oder  teilweise  zu 
bezahlen? 

9.  Etwaige  besondere  Bemerkungen  der  Lokallehrerkonferenz 
oder  der  Schulleitung. 

Schule , 

Wien,  am Schulleiter. 


Personalien. 


Herr  Dr.  Hubert  Wingerath,  Direktor  an  der  Realschule 
bei  St.  Johann  zu  Strasburg  i.  E.,  ist  unter  die  Mitarbeiter  unserer 
Zeitschrift  eingetreten. 

Der  Direktor  für  öffentliche  Gesundheitspflege  im  französischen 
Ministerium  des  Innern  Monod  wurde  an  Stelle  des  zum  ordent- 
lichen Staatsrat  ernannten  Herrn  Lagarde  zum  aufserordentlichen 
Staatsrat  befördert. 

Unser  verehrter  Mitarbeiter,  Herr  Geheimer  Begierungsrat 
Professor  Hase  an  der  technischen  Hochschule  in  Hannover,  erhielt 


302 

das  Komthurkreuz   II.  Klasse   des    sächsisch  -ernestinischen    Haus- 
ordens. 

Dem  in  den  Ruhestand  getretenen  Ministerialrat  Dr.  Ludwig 
MABKU80V8ZKY  in  Budapest,  der  für  die  Schulhygiene  vielfach  reges 
Interesse  an  den  Tag  gelegt  hat,  ist  der  Titel  eines  Universitäts- 
professors  honoris  causa  verliehen  worden. 

Unserem  geschätzten  Mitarbeiter,  Herrn  Professor  der  Augen- 
heilkunde Dr.  Hermann  Cohn  in  Breslau,  wurde  das  Amt  feines 
Ehrenviceprftsidenten  bei  dem  pädagogischen  Weltkongresse  in  Chicago 
übertragen. 

Dem  Bezirksschulinspektor  Schulrat  Müllbr  in  Schwarzenberg 
ist  das  Ritterkreuz  I.  Klasse  des  Königlich  sächsischen  Albrecht- 
ordens verliehen  worden« 

Die    Kreisschulinspektoren    Hbckert    und    Dr.    Grabow    in 
Bromberg,  sowie  Pbnsky  in  Schneidemühl   erhielten  den  Charakter 
als  Schulrat  mit  dem  Range  der  Räte  vierter  Klasse. 

Dr.  Karl  Wassmannsdorff  in  Heidelberg  ist  zum  Mitgliede 
des  Ausschusses  für  Leibeserziehung,  der  sich  anläßlich  der  Welt- 
ausstellung in  Chicago  versammelt,  ernannt  worden. 

Unser  verehrter  Mitarbeiter,  Herr  Bezirksschulinspektor  Professor 
Dr.  K.  Ribger  in  Wien,  wurde  zum  k.  k.  Landesschulinspektor  gewählt. 

Dem  Direktor  des  Gymnasium3  und  Realgymnasiums  in  Burg- 
steinfurt Dr.  Boutbrwek  ist  das  Amt  als  Provinzialschulrat  in 
Stettin  übertragen  worden. 

Dr.  M.  Mac£  wurde  zum  Professor  der  Hygiene  an  der 
Universität  Nancy  ernannt. 

Es  haben  sich  habilitiert:  Dr.  E.  Cramrr  als  Privatdocent  für 
Hygiene  in  Heidelberg,  Dr.  Heider  in  gleicher  Eigenschaft  an  der 
Universität  Wien  und  Dr.  Karl  HAgler  als  Privatdocent  der 
Bakteriologie  in  Basel. 

Dr.  Qu£hen  ist  zum  ärztlichen  Inspektor  der  Schulen  des 
XI.  Arrondissements  von  Paris  an  Stelle  Dr.  Cornilleaus,  der  sein 
Amt  niedergelegt  hat,  gewählt  worden. 

Dr.  Pivion  wurde  zum  Arzt  der  Gewerbeschule  für  junge 
Mädchen  in  Paris,  nie  Bouret  46,  ernannt,  Dr.  Dareau,  früher 
Hilfsarzt  des  Lyceums  in  Pau,  zum  Ehrenarzt  dieser  Anstalt;  die 
Stelle  Dr.  Dareaus  erhielt  Dr.  Monod. 

Dr.  Meünier  ist  als  Nachfolger  des  verstorbenen  Dr.  Sainton 
Hilfsarzt  des  Lyceums  in  Tours  geworden. 

Am  1.  April  d.  J.  ist  Direktor  Dr.  Vogt  vom  Friedrichsr 
gymnasium  zu  Kassel  in  den  Ruhestand  getreten ;  sein  Amt  hat  unse- 
geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Direktor  Dr.  Heussner  vom  Wilhelms- 
gymnasium daselbst  übernommen. 


303 

Am  16.  Februar  d.  J.  ist  der  stellvertretende  Vorsitzende  des 
deutschen  Vereins  für  Knabenhandarbeit  Karl  Grunow,  erster 
Direktor  des  Kunstgewerbemuseums  zu  Berlin,  im  fast  vollendeten 
70.  Lebensjahre  gestorben. 

In  St.  Petersburg  verschied  am  26.  Februar  der  Ordinator  des 
Elisabethkinderhospitals,  Wirklicher  Staatsrat  Dr.  Friedrich  Karlo- 
witsoh  Arnheim. 

Aus  Dresden  kommt  die  Nachricht  von  dem  am  10.  Januar 
im  Alter  von  82  Jahren  erfolgten  Ableben  der  verdienten  Förderin 
der  Fröbelschen  Kindergärten,  Freifrau  von  Marenholtz,  geb. 
von  Bülow. 

Der  Arzt  des  Lyceums  Lamartine  Dr.  Aim£  Aubbrt  in  Macon 
ist,  72  Jahre  alt,  einer  längeren  Krankheit  erlegen. 


litteratitr. 


Besprechungen. 

Dr.  Karl  Richter,  Kreisphysikus  in  Grofs- Wartenberg.  Grundrifs 
der  Sehulgestmdheitepflege  für  Lehrer,  Schulleiter,  Schul- 
aufsichtsbeamte und  angehende  Schulärzte.    Mit  besonderer 

Berücksichtigung  der  Verhältnisse  ländlicher  Volksschulen.  Berlin, 
1893.  H.  Kornfeld.  (92  S.  3  Abbild.  Kl.  8°.  M.  1,80.) 
Das  Büchlein  enthält  in  10  Kapiteln  eine  bei  aller  Kürze  des 
Ausdrucks  erschöpfende  Darstellung  der  wichtigsten  Regeln  der  Schul- 
gerandheitspflege.  Seine  Daseinsberechtigung  liegt  darin,  dafe  das 
Gute  und  Nützliche  nicht  oft  genug  gesagt  werden  kann.  Nicht  oft 
genug,  soll  anders  die  Schule  als  wesentlich  kommunale  Institution 
rar  Selbstverwaltung,  zur  Selbsttätigkeit  auf  gesundheitlichem 
GeMete  angeregt  und  befähigt  werden.  Denn  weniger  durch 
prohibitive  oder  peremtorische  Maferegeln  der  Gesundheitspolizei 
kann  die  Schule  ihre  Aufgabe  lösen,  gesunde  Geschlechter  zu  erziehen, 
als  durch  langsame  und  stetige,  von  eigenem  Verständnis 
getragene  Arbeit. 

Dieses  Verständnis  für  die  Schulgesundheitspflege  will  auch  der 
Herr  Verfasser  fördern.  Deshalb  teilt  er,  nachdem  er  im  I.  Abschnitte 
seines  Buches  über  die  Bedeutung  von  Licht,  Luft  und  Wärme  für 
die  Lehranstalten  gehandelt  hat,  im  IL  Abschnitte  einiges  aus  der 
Ursachenlehre  der  Schulkinderkrankheiten  mit.  Daran  knüpft  er 
folgerichtig    in  einem   III.  Hauptabschnitte  Ausführungen  über   die 


304 

Bekämpfung  der  krankheiterzeugenden  Einflösse  der  Schule.  Hierbei 
spricht  er  in  mehreren  Kapiteln  über  den  Bau  des  Schulhauses,  die 
Einrichtung  desselben,  den  Betrieb  der  Schulen,  Aber  die  besonderen 
Waffen  im  Kampfe  gegen  die  Schulkinderkrankheiten  und  endlich 
auch  über  die  Desinfektion  der  Schulen. 

Nach  dem  Dafürhalten  des  Berichterstatters  hätte  es  vielleicht 
einer  weniger  nachdrücklichen  Betonung  bedurft,  dafs  reichlicher  Luft- 
wechsel in  den  Schulstuben  nicht  von  ausschlaggebender  Bedeutung 
ist,  als  es  seitens  des  Herrn  Verfassers  auf  S.  9  ff.  geschieht. 
Erfahrungsgemäß  ist  die  Neigung  des  Zuvielthuns  in  dieser  Richtung 
seltener  anzutreffen  und  weniger  folgenschwer,  als  die  gegenteilige. 
Erwähnt  doch  auch  der  Autor  selbst  im  Verlauf  seiner  Erörterungen 
der  unzureichenden  Lüftung  als  eines  die  Bleichsucht  mitverursachenden 
Faktors.  Wenn  es  in  dieser  Beziehung  in  den  ländlichen  Wohnungen 
oft  noch  recht  schlecht  bestellt  ist,  so  sollte  es  gerade  aus  diesem 
Grunde  in  der  Schule  besser  sein,  zumal  die  Kinder  in  letzterer  ja 
auch  ununterbrochener  verweilen  als  im  Elternhause. 

Der  Herr  Verfasser  will  weiter  (S.  43)  für  ländliche  Schul- 
anlagen den  Ziegelrohbau  dem  Putzbau  vorziehen  und  empfiehlt  doch 
auf  der  nächsten  Seite  allgemein  äuiseren  Verputz  der  Mauern  oder 
Ölfarbenanstrich  zum  Schutze  gegen  die  Luftfeuchtigkeit. 

Der  S.  75  empfohlenen  Aufstellung  mit  Sublimatlösung  gefüllter 
Speibecken  in  den  Schulstuben  als  Schutzmittel  gegen  die  Verbreitung 
der  Tuberkulose  wird  man  auch  nur  sehr  bedingter  Weise  zustimmen 
dürfen.  Mit  der  blofsen  Anbringung  solcher,  womöglich  noch  aufs 
unzweckmäfsigste  geformten  Gefäfse  ist  es  selbstverständlich  nicht 
gethan.  Die  Benutzung  derselben  aber  begegnet  Grenzen  in  der 
Schulzucht  und  will  überdies  sachverständig  überwacht  sein,  soll , 
anders  statt  Nutzen  nicht  Schaden  entstehen.  Das  gilt  besonders, 
wenn  man  statt  Wasser  Sublimatlösung  zur  Füllung  benutzt. 
Erwiesenermaßen  tuberkulöse  Kinder  sollte  man  vielmehr  vom  Besuch 
der  öffentlichen  Schule  ausschließen  und  mit  anderen  an  hartnäckigem 
Husten  Leidenden  ebenso  verfahren,  solange  sie  Auswurf  zeigen. 
Diese  Notwendigkeit  wird  selten  eintreten,  hat  aber  dann  sicheren 
Erfolg  für  sich.  Recht  häufig  ist  das  Spucken  nur  eine  üble,  auf 
unzulänglicher  oder  fehlender  Erziehung  beruhende  Angewöhnung» 
und  da  bringe  man  die  Kinder  davon  zurück. 

Die  S.  86  verlangte  Absperrung  von  Thüren  und  Fenstern  der 
zu  desinfizierenden  Räume,  „damit  keine  Krankheitskeime  ins  Freie 
gewirbelt  werden",  erscheint  vom  praktischen  Standpunkte  aus  ent- 
behrlich. Endlich  vermiist  man  in  der  Desinfektionsanweisung  eine 
Vorschrift,  was  mit  den  Betten  geschehen  soll. 

Von  diesen  kleinen  Ausstellungen   abgesehen,   ist  das  Büchlein 


306 

trefflich  angelegt  and  wird  von  den  beteiligten  Kreisen  mit  Nutzen 
gelesen  werden. 

Kreisphysikas  Dr.  med.  Rbimann  in  Neumünster. 

£.  Hasseckb,  Königlicher  Baurat.  Die  Schulheizung,  ihre 
Mängel  und  deren  Beseitigung.  Hit  32  Abbild.  Berlin,  1893. 
Wilhelm  Ernst  &  Sohn.  (46  S.  Gr.  8°.  M.  4.) 

In  der  anregenden  Schrift  werden  zunächst  die  Mängel  ver- 
schiedener Heizungsanlagen  in  den  Schulen  zu  Hamburg,  Berlin, 
Leipzig,  Frankfurt  a.  M.  und  Kopenhagen  einer  eingehenden  Be- 
sprechung unterworfen  und  die  Mittel  behandelt,  welche  zu  deren 
Abhilfe  verwandt  worden  sind.  Sodann  wendet  sich  der  Verfasser 
gegen  den  Grundsatz,  Räume  durch  Zuführung  solcher  Luft  zu  heizen, 
welche  auf  hohe  Wärmegrade  gebracht  ist.  Die  Luft,  welche  auf 
60°  C.  und  mehr  erhitzt  wird,  erleidet  hierdurch  eine  Einbufse  an 
ihrer  Güte,  abgesehen  davon,  dafe  durch  fehlerhafte  Anlage  oder 
unsachgemäße  Bedienung  eine  Destillation  des  in  ihr  enthaltenen 
Staubes  erfolgt  oder  dieselbe  auf  ihrem  Wege  von  der  Heizkammer 
in  das  Klassenzimmer  durch  gas-,  bezw.  staubförmige  Verun- 
reinigungen verdorben  wird.  Es  würde  richtiger  sein,  sie  nur  so 
weit  zu  erwärmen,  wie  es  für  Lüftungszwecke  notwendig  ist,  und 
dann  sehr  grofse  Luftmengen  in  die  Räume  zu  führen.  Der  Ver- 
fasser hält  eine  Temperatur  der  einzuleitenden  Luft  von  etwa  30°  C. 
für  die  zuträglichste. 

Für  die  Heizung  ist  es  nach  den  Ausführungen  dieser  Schrift 
richtiger,  die  strahlende  Wärme  zu  benutzen  und  namentlich  die 
Umfassungswände  des  zu  beheizenden  Raumes  auf  Temperaturen  von 
15  bis  18°  C.  zu  erhalten.  In  sachgemäfser  Weise  führt  der  Ver- 
fasser aus,  wie  unangenehm  der  Aufenthalt  in  Zimmern  wirkt,  deren 
Luft  hohe  Wärmegrade  besitzt,  während  die  freistehenden  Umfassungs- 
mauern infolge  ihrer  niederen  Temperatur  dem  Körper  Wärme 
entziehen.  Es  ist  daher  die  Aufgabe  des  Technikers,  eher  um- 
gekehrte Verhältnisse  herbeizuführen,  da  bei  genügend  hohen  Tem- 
peraturen der  Wandflächen  und  Gegenstände  des  Raumes  die  Zu- 
führung etwas  kühlerer  Luft  Geist  und  Körper  frisch  erhält.  Die 
Außenwände  der  Schulgebäude  müssen  demnach  aus  schlechten 
Wärmeleitern  hergestellt  und  durch  „ruhende"  Luftschichten  inner- 
halb der  Wände  die  Wärmeverhältnisse  derselben  möglichst  günstig 
gestaltet  werden.  Sodann  soll  man  Heizungseinrichtungen  zur  Ver- 
wendung bringen,  welche  die  Anordnung  von  Heizflächen  oder 
Heizkörpern  am  Fufse  der  freistehenden  Aufsenwände  gestatten,  und 
besonders  die  Fensterbrüstungen  mit  diesen  versehen,  da  durch  die 


306 

Fensterflächen,    zumal  bei   einfacher  Einglasung   derselben,  die  be- 
deutendsten W&rmeverluste  entstehen. 

Der  Verfasser  bespricht  weiter  die  einzelnen  Heizungsarten 
und  deren  Verbesserungen  nach  obigen  Grundsätzen.  Namentlich 
wird  die  Gasheizung  als  ungemein  geeignet  für  Schulzwecke  em- 
pfohlen und  klargelegt,  wie  die  Einrichtungen  hierfür  beschaffen  sein 
müssen,  um  gleichzeitig  eine  richtige  Erwärmung  des  Raumes  und 
eine  gute  Luftbeschaffenheit  in  demselben  herbeizufuhren.  Bemerkens- 
wert ist  der  Gedanke,  in  älteren  mit  Luftheizung  versehenen  Schul- 
gebäuden diese  Heizung  nur  für  die  weniger  kalte  Jahreszeit  zu 
benutzen,  während  für  die  kältesten  Wintermonate  durch  Gasheiz- 
körper der  Fehlbetrag  an  Wärme  geliefert  wird,  wobei  die  ein- 
geführte Luft  nie  höher  als  auf  30°  C.  erwärmt  zu  werden  braucht 

Dagegen  dürfte  es  doch  recht  fraglich  sein,  ob  der  Gedanke 
des  Autors  je  Anklang  finden  wird,  auf  künstliche  Lüftung  ganz 
zu  verzichten  und  ausschliefslich  durch  öffnen  der  Fenster  während 
der  Zwischenpausen  die  Güte  der  Zimmerluft  zu  erhalten.  Wenn 
auch  zugegeben  werden  kann,  dafs  eine  solche  Lüftung  der  Zu- 
führung von  überhitzter  staubhaltiger  Luft  entschieden  vorzuziehen 
ist,  so  ist  doch  die  Technik  weit  genug  fortgeschritten,  um  eine 
ununterbrochene  Lufterneuerung  zu  gestatten,  ohne  dafs  dadurch 
die  gute  Beschaffenheit  der  Luft  leidet. 

Ferner  bedürfen  manche  Behauptungen  der  wissenschaftlichen 
Begründung,  da  sie  oft  recht  weittragend  sind. 

Im  allgemeinen  bietet  aber  die  Schrift  viele  gute,  anregende 
Gedanken  und  wird  gewifs  wesentlich  dazu  beitragen,  daCs  Ver- 
besserungen auf  diesem  Gebiete  stattfinden,  die  noch  in  so  hohem 
Grade  wünschenswert  sind. 

Docent  an  der  technischen  Hochschule 
Chr.  Nussbaum  in  Hannover. 

Christian    Schneider,    Seminarlehrer    in    Xanten,    und    Franz 
Dietrich,  Lehrer  in  Frankfurt  a.  M.    Die  deutsche  Normal- 
schrift.    Vereinsbroschüre    des    deutschen    Normalschriftvereins. 
1.  Heft.     Xanten,  1889.     Selbstverlag.  (40  S.  Kl.  8°.  M.  0,30.) 
Über  die  in  diesem  Hefte  enthaltenen  zwei  Aufsätze  von  Franz 
Dietrich   sei  hier,    soweit  der  Raum   es   gestattet,    folgendes  an- 
geführt: 

In  dem  ersten  Aufsatze:  Die  deutsche  Schrift  und  ihre  Beform 
spricht  sich  der  Verfasser  dahin  aus,  dafs  es  nur  selten  ein  Kind 
nach  acht  Schuljahren  zu  einer  fliefsenden  Schrift  bringt.  Was  es  in 
dem  Schönschreibunterrichte  erlernt  hat,  ist  nicht  zum  festen,  un- 
verlierbaren  Eigentum   geworden.     Bleibt   der   abgehende    Schüler 


307 

nicht  auch  ferner  in  der  Ausübung  der  Schreibkunst,  so  mufs  er 
das  schöne  Schreiben  wieder  yerlernen.  Ähnliches  dürfte  aber  auch 
bei  anderen  Fertigkeiten  aus  leicht  begreiflichen  Gründen  der  Fall  sein. 

Weiter   heilst   es:    Schauobjekte   auf  Schülerausstellungen,   als 
da   sind    Hefte,   Probeschriften,   Geschäftsaufsätze  u.  s.  w.,   sollten 
nicht   als  Endziel  der  Schule  betrachtet  werden,    sondern   vielmehr 
die  praktischen  Schriftstücke  des  gemeinen  Volkes,  Briefe  u.  dergl. 
Rätselhaft    erscheint   es    dem   Referenten,    wie    der  Verfasser    aus 
solchen   praktischen   Schriftstücken   entnimmt,    dafs  die  Schüler  das 
Schreiben   bei  der  allgemeinen  7— 8jährigen  Schulpflicht   schlechter 
und  unvollkommener  erlernen,  als  dies  in  Wirklichkeit  der  Fall  ist. 
Als  Ursache  führt  derselbe  Kellners  Worte  an,  dafs  das  Kind  die 
Gesetze,  welche  aus  dem  Wesen  der  Sache   selbst,    aus  der  Hand- 
lang des  Schreibens  und  aus  dem  Charakter  der  Schrift,  entnommen 
sind,  nicht  kennt.     Wir  wollen  auf  diese  Ursache  nicht  näher  ein- 
gehen,   sondern   nur   hinzufügen,    dafs    auch   andere  Faktoren  den 
angefahrten  Übelstand   herbeiführen   können.     Dahin  gehören  z.  B. 
unrichtige  Federhaltung,  wozu  der  im  ersten  Schuljahre  verwendete 
Griffel   das  seinige   beiträgt,    geringe  Übung   in  dem  Gebrauch  der 
Finger-  und  Handgelenke,  die  zuweilen  noch  vorkommende  Ungleich- 
heit der  Buchstabenformen  in  den  einzelnen  Klassen  einer  und  der- 
selben Anstalt,  das  zu  lange  Verweilen  des  Schreibens  in  den  vier-, 
bezw.  einlinigen  Heften,  wodurch  gewisse  Scheinerfolge  erzielt  werden. 
Dazu  gehört  femer  die  Schrägschrift  überhaupt,  da  bei  derselben  der 
Neigungswinkel  der  Grund-  oder  Schattenstriche  zur  Zeile  stets  ein 
schwankender  ist,    indem    die  Schüler  ihr  Schreibheft  nicht  immer 
in  demselben  Winkel  geneigt  vor  sich  liegen  haben,    die    geringe 
Übung   im    Schnellschreiben    und    im    praktischen    Schreiben    ohne 
Lineament,   der  Gebrauch  von  zweierlei  im  Charakter  einander  ent- 
gegengesetzten   Schriftformen,    von    denen    die  Kurrentschrift    nach 
den  Ausführungen   ärztlicher   Autoritäten    den    Hand-   und   Finger- 
gelenken nicht  angepafst  ist. 

Nach  Vorführung  der  leitenden  Grundsätze  einer  praktischen 
Schrift,  wonach  dieselbe  bekanntlich  deutlich,  flüchtig  und  schön  sein 
soll,  bezeichnet  der  Autor  unsere  bisherige  deutsche  Kurrentschrift 
als  eine  geometrische,  ans  willkürlichen  Zeichen  zusammengesetzte,  von 
der  keine  Besserung  auf  dem  Schreibgebiete  zu  erwarten  ist.  Zugleich 
erklärt  derselbe  die  sogenannten  „wider  die  Hand  laufenden"  Züge,  die 

einen  Auslauf  von   rechts   nach   links  nehmen,  z.  B.  ^cJ5^£J2£S& 

als  solche,  welche  nicht  nur  eine  Verzögerung  beim  Schreiben,  sondern 
auch  häßliche  Unregelmäßigkeiten  veranlassen.  Hierauf  bespricht 
er  das  Längenverhältnis  unserer  deutschen  Kurrentschrift  und 
charakterisiert  dasselbe  unter  Hinweis  auf  die  Druckschrift  als  un- 


308 

richtig,  unnatürlich,  widersinnig,  da  auf  den  Hauptraum,  in  welchem 
sich  nicht  nur  die  wichtigsten,  sondern  auch  bei  weitem  die  meisten 
Lautzeichen,  namentlich  die  Vokale,  befinden,  nur  V&,  bezw.  lh  des 
Schriftraumes  kommt.1 

Direktor  Emanüel  Bayr  in  Wien. 

Franz  Dietrich,  Lehrer  in  Frankfurt  a.  M.  Deutsche  Symbol- 
Normal-Hand-  und  Kurzschrift.  Frankfurt  a.  M.,  1889.  Selbst- 
Terlag.    (24  S.  Kl.  8°.  iL  1.) 

In  dem  zweiten  Aufsatz  bespricht  derselbe  Autor  die  von  ihm 
zur  Abhilfe  der  besprochenen  Übelstände  aufgestellte  „Normalschrift". 
Wie  verhält  es  sich  nun  mit  dieser?  Der  Schriftraum  zur  Einübung 
der  Lautzeichen  hat  4  Teile,  wovon  auf  den  Hauptbildungsraum 
2  Teile,  auf  den  oberen  und  unteren  Bildungsraum  je  1  Teil 
kommen.     In  der  Handschrift  wird  der  Hauptbildungsraum  einteilig. 

Vom  ersten  Schreibunterricht  wird  verlangt,  dafs  er  ein  äußerst 
strenger  Zeichenunterricht  sei,  bei  dem  folgende  Schriftelemente 
geübt  werden  müssen:  1.  Der  Stammstrich  oder  verdickte  Abstrich, 
der  die  Zeile  in  einem  Winkel  von  90—76°  trifft.  Dietrichs 
Normalschrift  kann  demnach  sowohl  senkrecht,  als  nach  vorn  (rechts) 
oder  nach  hinten  (links)  geneigt  sein.  Ihrer  Richtung  ist  also  ein 
Spielraum  von  14°  -f-  14°  gelassen.  Hierzu  sei  bemerkt,  dafe  wir 
uns  auf  Grund  der  Theorie  und  Praxis  nur  für  eine  aufrechte  Schrift, 
bei  welcher  die  Grund-  oder  Schattenstriche  mit  der  Zeile  einen 
Winkel  von  90°  bilden,  aussprechen  können.8  2.  Die  Bildungslinie 
(Schleife  u.  s.  w.).  3.  Die  Verzierung,  nämlich  die  einmal  oder 
mehrmals  gewundene  Spirale,  welche,  von  dem  Stammstrich  nach 
oben  links  oder  rechts  verlaufend,  den  Großbuchstaben  bildet. 
4.  Der  dünne  Bindestrich,  welcher  die  einzelnen  Schriftzeichen  zu 
Silben  und  Wörtern  vereinigt.     5.  Die  Lese-  und  Schreibzeichei. 

Zu  Anfang  und  Ende  eines  jeden  Wortes  fällt  der  unnütze 
Binde-   oder  Aufstrich   weg.     In    der  Normalschrift    als  Zeichnung 

sind   die   Stamm-  oder  Schattenstriche  bei   &*»>,&tf'a'  u.  s.  w. 

unten  nicht  abgerundet.  Dafs  dies  erst  in  der  geläufigen  Handschrift 
erfolgen  soll,  halten  wir  nicht  für  zweckmäfsig.  Ebenso  wenig  sind 
wir  mit  der  Forderung  einverstanden,  dafs  der  erste  Abstrich  eines 

Buchstabens,  z.  B.  bei  ^##^  verdickt,  die  weiteren  fein  darzustellen 
sind,  wodurch  der  Unterschied  zwischen  verdicktem  Stammstrich  und 

1  Bei  der  Lateinschrift  jedoch  lU. 

*  Vgl.  Dr.  med.  Paul  Schubert,  über  Heftlage  und  Schrifi- 
richiung  im  Jahrgang  1889,  No.  2  dieser  Zeitschrift;  Separatabdruck 
hiervon  im  Verlage  von  Leopold  Voss  in  Hamburg. 


309 

dtoner  Büdungslinie  in  der  Kurrentschrift  wieder  verschwindet.    Die 
Form    einzelner   Bachstaben   konnte   auch    eine  bessere  sein.     Die 

offene  Schleife  bei  *^K^^**y%  u.  s.  w.  bereitet  bei  der  Ausführung 

kleiner  Schrift,   wie  sie   z.  B.  in  dem  Werkchen  auf  Tafel  7  vor- 
gefahrt wird,  gewifs  Schwierigkeiten. 

Im  allgemeinen  bietet  die  fleifsige  Arbeit  des  Verfassers  aber 
Anregung  bezüglich  einer  Reform  der  Schrift,  und  daher  lohnt  es 
sich,  von  derselben  Einsicht  zu  nehmen. 

Direktor  Emanubl  Batb  in  Wien. 


Bibliographie. 

Ammon,  Otto.    Die  Augen  der  Schulkinder  und  die  sociale  Droge. 

Tftgl.  Rundsch.,  1891,  14.  Aug.,  CLXXXVHI,  749  ff. 
Bericht  des  Komitees  für  Ferienkolonien  armer  kränklicher  Schul- 
kinder der  Stadt  Karlsruhe,  erstattet  fiOr  das  Jähr  1890.    Karls- 
ruhe, 1891,  Mtffler.     Gr.  8°. 
Berndt,  6.  A.  G.    Über  die  Leibesübungen  bei  den  Phüanthropisten. 
Dissert.     Leipzig,  1892.     8°. 

Beybr,  Gust.  Die  Kinderspiele  in  ihrer  geistigen  und  körperlichen 
Bedeutung.  Dtsch.  Yolksschul.,  Leipzig,  1891,  XI,  Siegismund 
and  Volkening.     A  0,20. 

Bolton,  Thadd.  The  grototh  of  memory  in  school  chüdren.  Amer. 
Journ.  of  psychol.,  1892,  April,  IV,  3. 

Böttcher,  Alfb.  Gedanken  über  den  Turnunterricht  in  mehr- 
Idassigen  Volksschulen.     Montsschr.  f.  Tarn.,  1891,  II. 

Bübkow,  S.  Th.  [Photometrische  Beobachtungen  Über  die  Verteilung 
des  Tageslichtes  in  den  Zimmern,  besonders  den  SchüUrimmern.] 
Shunt,  russk.  obscht.  ochran.  narod.  sdraw.,  1892,  April. 

Buchsnaü,  Frz.  Die  Beseitigung  der  sogenannten  „deutschen1* 
Schreib'  und  Druckschrift.  Progr.  d.  Realsch.  b.  Doventhor  in 
Bremen,  1892,  24—27. 

Büegehard.  Zur  Frage  der  Schräg-  oder  Steilschrift.  Zeitschr. 
f.  Orthopäd.  Chir.,  1892,  IL 

Bütow,  A.  Die  Volksschule  und  der  HimdfertigkeitsmterrMht. 
Eine  Beleuchtung  der  Zeitfrage  vom  Standpunkte  der  Schule  und 
des  praktischen  Lebens.     Leipzig,  1892,  E.  Rust.     M.  1. 

Chappbll,  W.  F.  ExaminaUon  of  the  throat  and  nose  of  two 
thoueand  chüdren  to  determine  the  frequency  of  certain  abnormal 
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Chrbiman.  The  physical  cullure  of  toomen.  A.  lecture.  London, 
1888. 


310 

Cohk,  Herm.    Die  Augen  der  Zöglinge  der  Breslauer  Taubstummen- 

anstatt     Sondabdrk.     Breslau,  1891,  Gräfe,  Barth  &  Co. 
Cowhorn,  J.  H.     School    Organisation,     hygiene    and     disciplme. 

London,  1891,  Westminster  School  Depot.  8°.  Sh.  5  d.  6. 
CüSHlNG,  F.  H.     Manual   concepts;   a  study   of  the  influenae  of 

handrusage  on  culture  growth.    Americ.  Anthropologist,  1892,  V, 

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Dbttweilbr,  P.    Die  Gesundheitspflege  in  der  Schule.    Köln.  Ztg., 

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Olzscha,  K.  Die  körperliche  Erziehung  in  den  peiites  ecoles  von 
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Pedley,  Richard  Denison.  The  teeth  ofpauper  children,  London, 
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Rbcknagel.  Über  Schulhygiene.  Vortrag,  gehalten  auf  der 
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Roussel,  T.  Venfant  pauvre.  Transact.  VII.  internat.  congr. 
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Ruseler,  Georg.  Zur  Steilschrift.  Eine  Entgegnung.  Oldenb. 
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Schenckenborff,  E.  VON.  Was  wollen  die  Bestrebungen  für 
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Schulturnen,  das.     Kath.  nordd.  Schulztg.,  1891,  IV. 

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nazionale,  1892,  9.  Aprile. 

Steilschrift.     Oldenb.  Schulbl.,  1892,  DXCIX. 

Strack,  M.  Mkror  wriüng  and  left-handedness.  The  pedag.  Sem., 
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Strümpell,  L.  Antrag,  Erhebungen  über  psychopathisch  Minder- 
wertige Kinder  anzustellen.  Transact.  VII.  internat.  congr.  hyg. 
and  demogr.  1891,  London,  1892,  IV,  212—218. 

Studtmann.     Über  Beleuchtung  der  Schulzimmer.     Arch.  f.  Hyg., 

1890,  XI,  293. 

Szigetväri.  Ißusägi  jdtikoh  es  Mrdnduldsok  [Jugendspiele  und 
Ausflüge],     Budapest,  1892. 


311 

Bei  der  Redaktion  eingegangene  Schriften. 
AYIL&8,    B.      Caiecismo    de    higiene    privada    [Katechismus    der 

privaten  Gesundheitspflege.]  Madrid,  1890,  Tip.  de  los  Huexfanos. 
Bberwald,  K.  und  Brauer,  Güst.   Das  Turnen  im  Hause.    Leibes* 

flbnngen  zur  Förderung  und  Erhaltung  der  Gesundheit  für  jung  und 

alt.     Mit  140  Abbild,  u.  2  Taf.     Leipzig,  1892,   Th.  Grieben. 

8°.     JL  3. 
Borntbaeobr,    J.     Desinfektion  oder  Verhütung  und  Vertreibung 

ansteckender   Krankheiten.     Für   Ärzte,   Verwaltungsbeamte   und 

Gebildete  jedes  Berufes.     Leipzig,    1893,    H.  Härtung  &   Sohn. 

8°.  M.  2,40. 
Burnham,  Wm.  H.     Indmdual  differences  in  the  Imagination  of 

children.     The  pedag.  Sem.,  1893,  March,  II,  2,204—225. 
Buttura.     Vorphümat  de  fiHes  de  Cannes.     Ann.  d'hyg.,  Paris, 

1892,  3.  s.,  XXVID,  322—327. 

Fenchel,  Ad.  Die  Entwicklung  und  Degeneration  der  Hartgebilde 
im  Tierreich  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Degeneration  des  mensch- 
liehen  Gebisses  (Hygiene  als  Prophylaxis  der  Karies).     Hamburg, 

1893,  F.  W.  Rademacher.     Gr.  8°. 

F0S8TER,    Alban.     Der  gegenwärtige  Stand  des  Arbeitsunterrichts 

tm    deutschen    Reiche,     im    Auftrage    des    deutschen     Vereins 

für  Knabenhandarbeit   statistisch    dargestellt      Dresden,    1893, 

C.  C.  Meinhold  &  Söhne.     4°. 
Frommann,     F.    J.      Taschenbuch    für  Fußreisende.      Eine    der 

deutschen  Jugend  gewidmete  Frühlingsgabe.   4.  Aufl.,  herausgegeb. 

?.  Fr.  Ratzel.     Stuttgart,  1891,  Frommann. 
Gbrloff.     Beitrag  zur  Arbeitsmyopie.     Ber.  üb.  d.   21.  Vers.  d. 

ophthalm.  Gesellsch.  in  Heidelberg  1891,  Stuttgart,  1892,  Ferd. 

Enke,  172—182. 
Gtsundheit    und   Höflichkeit.      Batschläge   für    die   Jugend.     Von 

einem  Jugendfreund.     Leipzig,  1893,  Renger.  M.  0,20. 
Graberg,  F.     WerkrifsUhre   für   Lehrerseminare,    Gewerbe-   und 

Mittelschulen.     Hft.  1.     Zürich,  1892,  Orell  Füfsli. 
Graham,  J.     Some  precauüons  against  the  spread   of  contagiom 

diseases,    especially   in   children.      Med.    News,    1892,    H,    25, 

675-676. 
Gutzmann,  Alb.     Bemerkungen  zu  den  öffentlichen  Heilkursen  für 

stotternde    Schulkinder.      Med.-päd.    Monatsschr.    f.    d.    gesmt. 

Sprachhldkde.,  1893,  IE  u.  IV,  114—124. 
Hasse,    K.      Der    KnabenhandarbeitsunterrichL      D.   Volksschul., 

1892,  XXX. 
Halsted,  T.  H.    Adenoide  in  the  naso-pharynx  in  children.     Med. 

Hec.,  New  York,  1892,  Aug.  13. 


312 

Schellenberg.      Die    Verbreitung  der   Sprachanomalien   an   den 

Schulen    tu    Wiesbaden.      Med.-pftd.     Montsschr.    f.    d.    gsmt. 

ßprachhlkde.,  1891,  VI,  169—177. 
Schenk,  F.     Beitrag   mr  Lösung  der  Droge:    „Steilschrift  oder 

Schrägschrift?"  Wiesbaden,  1891,  Bergmann. 
Schubert,  Paul.     Über  senkrechte  Schrift.     Ber.  üb.  d.  21.  Vers. 

d.  opbtbalm.   Gesellsch.   in    Heidelberg   1891,    Stuttgart,    1892. 

Ferd.  Enke,  115—140. 
Seydel.     Die  erste  Hilfeleistung  bei  Unglücksfällen  in  den  Bergen. 

Mit  6  Abbild.     München,  1892,  Lehmann.     16°.     Jü  0,80. 
Shelly,  C.   £.     Epidemics   in   schools.     Transact.   VII.   Internat. 

congr.  hyg.  and  demogr.  1891,  London,  1892,  IV,  30 — 47. 
SquiUbrio  neWeducaeione  detta  gioventü,  guardato  dal  lato  inteUettivo- 

fisico-morale.     La  Ginnast.     1891,  III;  IV  ff. 
Steilschrift,  die.     Prefsburg.  Zeitg.,  1891,  23.  Decbr.,  CCCLÜ. 
Stbinbart.     Plan    einer    Gebirgsreise    von    Schälern    des    Beat- 

gymnasiums  in  Duisburg.     Päd.  Arch.,  1893,  I. 
Stürobs,  0.    Physical  indications  of  itywrious  schooHng.    Transact. 

VH.    internat.    congr.   hyg.  and  demogr.    1891,   London,  1892, 

IV,  20—27. 
Thompson,  C.  T.  S.     The  best  thmg  to  do:   First  aid  in  simple 

aüments  and  accidents  for   travellers  and  tourists  at  home  and 

abroad.     London,  1892,  Record  Press.     12°. 
Ttedmers,     Th.      Zur     Steilschrift.      Oldenb.     Schalbi.,     1892, 

DXLDL 
Verfügung   der   Königlichen   Begierung   m  Erfurt  vom  31.  Mars 

1892,    betreffend    Schliessung   der   Schulen  bei  epidemischen  und 

bösartigen    Krankheiten.     Veröff.    d.    Kais.    Osdhtsamt.,    1892 

XL1II,  864. 
Warren,  Lillie  E.      Teaching   deaf  chüdren  to  hearing.    Med. 

Rec,  New  York,  1892,  XLII,  473. 
Wilhelmi   de    Dävila,   Bertha.     La   primera    colonia    escolar 

Qranadina.      Memoria  presentada  por  su  directora   d   la  real 

sociedad  econömica   de  amigos   del  pais  [Die  erste  Ferienkolonie 

Granadas.     Bericht,   dem  Königlichen  ökonomischen   Verein  von 

Freunden  des  Landes  erstattet  von  ihrer  Leiterin.]  Granada,  1891, 

Imprenta  de  Indalecio  Ventara.     Gr.  8°. 
Wolfe,    Harry   K.     The   cohr   vocabulary    of   chüdren.    Univ. 

Studies  (üniv.  of  Nebraska),  1890,  Jnly,  I,  3. 
Zehnter  Bericht  über  die  Sommerpflegen  kränklicher  armer  Sßfotf- 

kinder   zu    Braunschweig   1890.      Montsbl.    f.    öfftl.    Gsdhtspflg- 

1891,  V  u.  VI,  76—78. 


Mdlrift  fit  5djnl9ffunil|fiiö|iflfBf. 


TL  Jahrgang.      1893.  No.  6. 


(gkigtnal-äbljaitMttngett. 


Über  den  Einflufs  behinderter  Nasenatmung 
auf  die  körperliche  und  geistige  Entwicklung  der  Kinder. 

Von 

Dr.  med.  Victor  Lange, 

Specialarzt  für  Ohren-,  Nasen-  und  Halskrankheiten  in  Kopenhagen. 

Den  Lesern  dieser  Zeitschrift  wird  es,  besonders  durch 
mehrere  Aufsätze  von  Dr.  Bresgen  in  Prankfurt  a.  M.,1 
bekannt  sein,  dafs  eine  behinderte  Nasenatmung  auf  die  körper- 
liche und  geistige  Entwicklung  der  Kinder  oft  einen  recht 
schädlichen  Ein  flu  fs  ausübt.  Unter  den  verschiedenen  krank- 
haften Zuständen,  welche  die  Respiration  durch  die  Nase 
behindern,  ja  unmöglich  machen,  möchte  ich  vor  allem  auf 
die  auffallende  Häufigkeit  eines  Leidens  im  Nasenrachenräume 
aoferksam  machen.  Obschon  ich  bereits  früher  sowohl  in  der 
dänischen,  als  in  der  deutschen  Presse8  über  die  gleich  zu 
beschreibende  Krankheit  etwas  veröffentlicht  habe,  so  behandle 
ich  diese  Frage  doch  um  so  lieber  noch  einmal,  als  sie  auch 
für  die  Pädagogen  eine  grofse  Bedeutung  hat.  Es  bietet  sich 
ja  in  der  Schule  vielfach  Gelegenheit,  verschiedene  Gebrechen 
bei  den  Sandern  zu  beobachten,  und  die  Lehrer  haben  es  oft 
viel  mehr,  als  man   von   vornherein   glauben  möchte,  in  ihrer 

1  S.  Jahrgang  1889,  No.  10,  S.  607—522;  1889,  No.  6,  S.  281—285; 
1890,  No.  10,  S.  575—681. 

*  Berlin.  kUn.  Wochtnschr.,  1893,  No.  6. 

Scbtlgtiud)i«tt*pfleff«  VI.  21 


314 

Gewalt,  für  eine  rechtzeitige  ärztliche  Behandlung  ihrer  Zög- 
linge Sorge  zu  tragen.  Bei  unserer  Krankheit  sind  wir 
aulserdem  in  der  glücklichen  Lage,  dafe  dieselbe  in  fest  allen 
Fällen  anch  von  Laien  erkannt  werden  kann  und  dafe  jeder- 
mann, auch  ohne  medizinische  Kenntnisse  zu  besitzen,  leicht 
verstehen  wird,  wovon  hier  die  Rede  ist.  Nur  ein  paar  ana- 
tomische Bemerkungen  will  ich  vorausschicken. 

Wenn  man  einen  senkrechten  Schnitt  durch  die  Mitte  des 
menschlichen  Kopfes  legt,  so  sieht  man,  dafe  sich  hinter  der 
Nasenhöhle  ein  kleiner  Raum  befindet,  der  nach  vorne  mit 
der  Nase  durch  die  hinteren  Nasenöffnungen  und  nach  unten 
mit  dem  Rachen  in  direkter  Verbindung  steht.  Ein  durch 
die  Nase  eingeführtes  dünnes  Instrument,  z.  B.  eine  Sonde, 
trifft  auf  die  hintere  Wand  dieses  Raumes,  und  schiebt  man 
eine  krumme  Sonde  durch  den  Mund  hinter  das  Zäpfchen 
hinauf,  so  gelangt  man  mit  ihr  in  dieselbe  Höhle.  Wegen  dieser 
Lage  und  der  Verbindung  sowohl  mit  der  Nase,  als  auch  mit 
dem  Rachen  wird  jener  kleine  Raum  Nasenrachenraum  genannt. 
Im  unverletzten  Kopfe  hat  derselbe  eine  würfelformige  Gestalt, 
und  seine  Gröfse  entspricht  bei  Erwachsenen  ungefähr  der- 
jenigen einer  kleinen  Walnufe.  An  den  Seitenwänden  dieser 
Höhle  liegen  die  Mündungen  der  sogenannten  Eustachischen 
Röhren,  die  eine  Verbindung  zwischen  dem  Nasenrachenräume 
und  den  Trommelhöhlen  darstellen;  die  Bedeutung  dieser 
Röhren  wird  später  hervorgehoben  werden. 

Auf  dem  Boden  des  Nasenrachenraumes  befindet  sich 
unter  normalen  Verhältnissen  ein  drüsenartiges  Gewebe,  das, 
was  die  Form  anbetrifft,  eine  gewisse  Ähnlichkeit  mit  den 
beiden  Halsmandeln  (Tonsillen)  hat,  weshalb  dasselbe  auch  die 
dritte  Mandel  oder  Rachenmandel  (tonsilla  pharyngea)  genannt 
wird.  Diese  Mandel  kann,  ganz  wie  es  bei  den  Halsmandeln 
der  Fall  ist,  recht  oft  bedeutend  vergrößert  erscheinen.  Wegen 
ihrer  Lage  hinter  den  oberen  Teilen  der  hinteren  Nasen- 
öffhungen  (Choanen)  wird  eine  Vergröfserung  derselben  den 
Luftdurchtritt  durch  die  Nase  erschweren;  ja  in  einzelnen 
Fällen  findet   man  sogar  eine  fast  vollständige  Verlegung  der 


315 

Choenen,  so  daDs  die  Nasenatmung  so  gut  wie  gänzlich  auf- 
gehoben ist.  Selten  aber  besteht  eine  solche  Vergrößerung  der 
.Rachenmandel  allein.  Am  häufigsten  trifft  man  gleichzeitig 
eine  Vermehrung  des  im  Nasenrachenräume  auch  normal  vor- 
kommenden adenoiden  Gewebes.  Dasselbe  liegt  besonders  an 
der  hinteren  Wand  des  Raumes  unregelmäßig  zerstreut.  Es 
ist  etwas  lose  aufgebaut,  außerordentlich  ge&fsreioh  und  wegen 
dieser  Eigenschaften  Gröfsenveränderungen  unterworfen.  Populär 
dürfte  man  wohl  von  einem  schwammigen  Gefüge  sprechen; 
die  Veigleiohung  mit  einem  Schwämme  illustriert  vielleicht 
auch  am  besten  die  Eigenschaft  des  Gewebes,  je  nach  der 
Blntfällung  bald  gröfser,  bald  kleiner  zu  werden. 

Auf  eine  solche  Vermehrung  des  adenoiden  Gewebes  und 
die  davon  abhängigen  krankhaften  Erscheinungen  hat  besonders 
mein  Landsmann,  Dr.  med.  Wilhelm  Meyer,  schon  vor 
20  Jahren  die  Aufmerksamkeit  der  Ärzte  gelenkt.  Von  ihm 
stammt  auch  der  Name  der  Krankheit  „adenoide  Vegetationen" 
oder  „adenoide  Wucherungen"  her. 

Überall  in  der  civilisierten  Welt  ist  dieselbe  bekannt,  und 
grofß  ist  die  Zahl  der  Operationen,  welche  alljährlich  gemacht 
werden,  um  die  damit  behafteten  Kinder  von  einem  tief  ein- 
greifenden Leiden  zu  befreien.  Dr.  Meters  Entdeckung  wird 
von  allen  Seiten  als  eine  epochemachende  und  segensreiche 
geschätzt.  Wenn  man  bedenkt,  dafs  die  adenoiden  Vegetationen 
einen  so  bedeutenden  Umfang  erreichen  können,  dafs  sie  die 
Scheidewand  zwischen  den  Nasenöffhungen  beinahe  berühren 
und  dafs  der  den  Nasenrachenraum  untersuchende  Finger  eine 
mit  Geschwülsten  überall  erfüllte  Höhle  vorfindet,  dann  ist  es 
kein  Wunder,  dafs  Kinder  mit  der  genannten  Krankheit  an 
einer  mangelhaften  Respiration  durch  die  Nase 
leiden. 

Betrachtet  man  ein  solches  Kind  mit  adenoiden  Vege- 
tationen, so  wird  man  fast  augenblicklich  bemerken,  dalüs 
dasselbe  mit  offenem  Munde  atmet.  Die  Nasenatmung  ist 
jedenfalls,  wenn  überhaupt,  nur  für  einzelne  Augenblicke 
möglich,  und  man  mufs  dem  Kinde  recht  geben,  wenn  es  be- 

21» 


316 

hauptet:  „ich  bin  auber  stände,  anders  Atem  zu  holen." 
Namentlich  während  des  Schlafes  sieht  man  immer  und  immer 
den  offenstehenden  Mund  und  hört  zugleich  nicht  selten  ein 
lautes  Sohnarchen.  Mitunter  leiden  diese  Kinder  auch  an 
momentanem  Lufthunger;  sie  springen  plötzlich  auf,  schreien, 
sind  ängstlich  und  schlafen  im  ganzen  unruhig.  Die  Eltern 
erzählen  oft,  dals  dieselben,  besonders  die  ganz  kleinen,  von 
krampfartigen  Zuständen  befallen  werden,  was  auch  jeder  be- 
schäftigte Arzt  wird  beobachtet  haben.  Es  liegt  auf  der  Hand, 
dals  die  Ernährung  unter  diesen  Verhältnissen  sinkt,  und  so 
sieht  man  die  Betroffenen  nicht  selten  ein  blasses  Aussehen 
haben.  Sie  entwickeln  sich  körperlich  langsam,  der  Brustkorb 
hat  meist  eine  flache  Form,  es  besteht  eine  ausgesprochene 
Neigung  zu  Katarrhen.  Zu  der  mangelhaften  Ernährung  trägt 
vor  allem  auch  der  Umstand  bei,  dafs  dem  Blute  eine  un- 
genügende Menge  Sauerstoff  zugeführt  wird,  was  mit  der  ober- 
flächlichen Atmung  durch  den  Mund  zusammenhängt. 

Der  Typus  eines  Kindes  mit  adenoiden  Vegetationen  ist 
durchaus  charakteristisch,  und  ein  jeder,  der  einmal  darauf 
aufmerksam  gemacht  worden  ist,  wird  die  Angehörigen  dieser 
Gruppe  ohne  Mühe  erkennen.  Wegen  des  fast  immer  offen- 
stehenden Mundes  bekommt  das  Kind  einen  beschränkten 
Ausdruck  im  Gesichte,  die  Züge  sind  schlaff,  es  fehlt  fast 
jede  Spur  von  Leben  darin,  ja  in  ausgesprochenen  Fällen  maus 
derjenige,  der  mit  den  Verhältnissen  nicht  vertraut  ist,  an- 
nehmen, dafs  es  sich  um  einen  Blödsinnigen  handelt.  Um  den 
Lesern  einige  möglichst  treue  Bilder  solcher  Individuen  zu  geben, 
habe  ich  4  Photographien  aus  meiner  Sammlung  entnommen 
und    lasse  eine  Reproduktion    derselben  nebenstehend  folgen. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dals  es  Unterschiede  im  Aus- 
sehen der  Kinder  mit  adenoiden  Wucherungen  gibt,  indessen 
sind  diese  so  unbedeutend,  dals  man  davon  absehen  kann. 
Der  ganzen  Gruppe  bleibt  immer  etwas  gemeinsames,  die 
Betreffenden  bilden  eine  charakteristische  „Familie"  und  lassen 
sich  leicht  überall,  auch  auf  der  Strafse,  erkennen.  Nur 
möchte  ich  hervorheben,    dals  nicht  jedes  Kind  mit  dem  ab- 


317 

gebildeten  Gesichtsausdrucke  gerade  an  adenoiden  Vegetationen 
za  leiden  braucht.  Man  trifft  nämlich  ähnlich  aussehende 
Kinder,  die  keine  Spur  der  Krankheit  darbieten,  and  wo  nur 
eine  ärztliche  Untersuchung  im   stände   ist,    über    den    Grund 


dieses  Aussehens  Auskunft  zu  geben.  Aus  den  Abbildungen 
wird  man  sehr  leicht  erkennen,  dals  die  Kinder  durch  die 
Nase  nicht  atmen  können.  Weniger  deutlich  treten  die 
«Waffen  Züge  hervor.  Dagegen  hat  der  Blick  etwas  fragendes, 
mähendes,  ganz  so  wie  bei  Schwerhörigen,  welche  die  Worte 
mit  den  Augen  statt  mit  den  Ohren  zu  erfassen  suchen. 


318 

Wir  kommen  jetzt  zu  einem  zweiten  Punkte.  Wer 
wüfste  nicht  aus  eigener  Erfahrung,  dals  die  Aussprache  der 
Nasallaute  durch  Verstopfung  der  Nase,  z.  B.  hei  einem  ge- 
wöhnlichen Schnupfen,  bedeutend  erschwert  wird?  Dieselbe 
Wirkung  hat  auch  eine  Ausfüllung  des  Nasenrachenraumes 
mit  Wucherungen.  In  der  That  sprechen  die  Kinder  mit 
adenoiden  Vegetationen,  wie  man  sagt,  „durch  die 
Nase";  außerdem  ist  ihre  Sprache  klanglos  oder,  wie  Dr. 
Meyer  sich  ausdrückt,  „todf.  Auch  diese  Erscheinung  fällt 
dem  Laien  gleich  auf,  und  in  der  Schule  wie  im  Hause  macht 
man  dem  Kinde  oft  den  Vorwurf,  dals  es  in  seiner  Aussprache 
nachlässig,  sei.  Man  darf  aber  nicht  vergessen,  dals  die 
schwankenden  Gröfsenverhältnisse  der  Geschwulstmasse  eine 
bald  schlechtere,  bald  bessere  Aussprache  bewirken. 

Als  ein  drittes,  und  zwar  sehr  wichtiges  Symptom  unseres 
Leidens  mufs  ein  mangelhaftes  Gehör  hervorgehoben 
werden.  Wie  oben  bemerkt,  besteht  eine  Verbindung  zwischen 
dem  Nasenrachenräume  und  den  Trommelhöhlen  durch  die 
Eustachischen  Röhren.  Durch  die  Schluckbewegungen  und 
das  Putzen  der  Nase  werden  diese  Röhren  momentan  geöffnet 
und  so  die  Trommelhöhlen  ventiliert,  d.  h.  es  wird  eine  gewisse 
Quantität  Luft  in  das  Mittelohr  gepumpt.  Wenn  es  sich  nicht 
so  verhielte,  würde  der  äufsere  Luftdruck  vom  Gehörgange 
aus  das  Trommelfell  eindrücken,  und  die  Folgen  hiervon 
würden  Schwerhörigkeit,  subjektive  Gehörempfindungen,  ja 
mitunter  selbst  Schmerzen  sein.  Einem  solchen  einseitigen* 
Drucke  arbeitet  die  periodische  Lüftung  der  Trommelhöhlen 
durch  die  Eustachischen  Röhren  entgegen.  Es  ist  also  un- 
schwer zu  verstehen,  dals  ein  jeder  krankhafter  Zustand  im 
Nasenrachenräume,  welcher  die  Mündungen  dieser  Röhren 
verlegt,  auf  das  Gehör  einen  nachteiligen  Einflufs  üben  mufs. 
Das  thun  besonders  die  adenoiden  Vegetationen.  In  der  That 
sehen  wir,  dals  ein  Kind  mit  der  genannten  Krankheit  nicht 
nur  in  der  Regel  ein  mangelhaftes  Gehör  hat,  sondern  auch 
an  wechselnder  Schwerhörigkeit  leidet.  Eben  auf  dieses 
letztere    Moment    ist   besonderes  Gewicht  zu  legen.     Es   muJs 


319 

nämlich  auffallen,  wenn  das  Kind  eines  Tages  gut  hört  und 
am  nächsten  Tage  mit  seinem  unaufhörlichen  „Wie  gefällig?" 
die  Geduld  der  Lehrer  und  Eltern  auf  eine  harte  Probe  stellt. 
Auf  diese  Weise  wird  man  sehr  leicht  dasselbe  falsch  be- 
urteilen und  Unaufmerksamkeit  bei  demselben  annehmen. 
Erst  nachdem  man  den  wahren  Grund  des  Mifsverhältnisses 
kennen  gelernt  hat,  begreift  man,  daJs  ein  solches  armes  Kind 
wegen  seines  Gebrechens  unschuldig  ist. 

Es  wurde  oben  erwähnt,  dals  die  Krankheit  überall  in 
der  civilisierten  Welt  vorkommt.  Zahlreiche  Ärzte  haben 
denn  auch  in  verschiedenen  Ländern  Schuluntersuchungen 
angestellt  und  dabei  recht  viele  schwerhörige  Kinder  gefunden, 
deren  Leiden  in  erster  Linie  auf  mangelhafte  Respiration 
durch  die  Nase  und  Nasenverstopfung  zurückzuführen  war. 
Bevor  man  diesen  Zusammenhang  kannte,  sprach  man  gewöhn- 
lich von  Skrofulöse  und  unterwarf  solche  Kinder  einer  anti- 
skrofulösen Behandlung.  Heutzutage  weifs  man  jedoch, 
dafs  die  adenoiden  Vegetationen  eine  operative  Behandlung 
erfordern,  und  oft  genug  bietet  sich  Gelegenheit  zu  sehen,  wie 
heilbringend  eine  gut  ausgeführte  Operation  für  die  Kinder  ist 
und  welchen  mächtigen  Aufschwung  sowohl  die  geistige,  als 
die  körperliche  Entwickelung  derselben  danach  nimmt. 

Die  letzten  Jahre  haben  viel  dazu  beigetragen,  verschie- 
dene diese  Krankheit  betreffende  Fragen  aufzuklären.  Ich 
möchte  die  Aufmerksamkeit  besonders  auf  einen  interessanten 
Vortrag  von  Dr.  med.  Max  Scheffer  in  Bremen  lenken, 
welchen  derselbe  auf  der  dortigen  Versammlung  deutscher 
Naturforscher  und  Ärzte  im  Jahre  1890  gehalten  hat.  Seine 
Erfahrungen  stützten  sich  auf  die  Beobachtung  von  1000  Fällen 
adenoider  Vegetationen.  Eine  ähnliche  Zahl  liegt  diesem 
Artikel  zu  Grunde.  Den  Zusammenhang  zwischen  adenoiden 
Vegetationen  und  Stottern  haben  mehrere  Verfasser,  z.  B.  Dr. 
Kapemann  in  Danzig  und  Dr.  Winkler  in  Bremen,  nach- 
gewiesen. 

Hier  mufs  auch  erwähnt  werden,  dafs  Professor  Guyb  in 
Amsterdam  auf  ein  Symptom  der  besprochenen  Krankheit  auf- 


320 

merksam  gemacht  hat,  welches  er  als  „aprosexia  nasalisu 
bezeichnet;  er  versteht  darunter  den  Mangel  an  Fähigkeit,  die 
Gedanken  bei  einem  Gegenstande  festzuhalten.  Es  unterliegt 
keinem  Zweifel,  dafs  dieses  Symptom  viel  häufiger  vorkommt, 
als  man  noch  heute  annimmt.  Eine  Erklärung  für  dasselbe 
ist  leicht  gegeben.  Fühlen  wir  doch  alle  einen  unangenehmen 
Druck  in  der  Stirne  und  eine  gewisse  Unlust  zu  geistiger 
Arbeit,  wenn  uns  ein  gewöhnlicher  Schnupfen  den  Luftdurch- 
tritt durch  die  Nase  versperrt.  Ebenso  bewirkt  der  Verschlafe 
der  hinteren  Naseuöfihungen  durch  adenoide  Wucherungen 
Kopfschmerz,  erschwert  den  Gedankengang  und  schwächt  das 
Gedächtnis.  Werden  diese  Wucherungen  entfernt,  so  schwindet 
die  aprosexia  nasalis,  und  namentlich  bei  Kindern  tritt  oft 
eine  vollständige  geistige  Umwandlung  ein.  Das  Lernen  macht 
ihnen  keine  Schwierigkeiten  mehr,  ihr  Gedächtnis  wird  stärker, 
und  sie  beginnen  wieder  Freude  am  Unterrichte  zu  haben. 
Auf  dieselbe  Erscheinung  hat  auch  der  bereits  im  Eingang 
erwähnte  Dr.  Bresgen  hingewiesen  und  au  den  preußischen 
Kultusminister  die  Bitte  gerichtet,  er  wolle  die  Lehrer  an- 
weisen, auf  freie  Durchgängigkeit  der  Nase  für  die  Atmungs- 
luft bei  den  Schulkindern  zu  achten,  auch  die  Hör&higkeit 
derselben  genau  zu  überwachen.1  Ausserdem  hat  der  Genannte 
nach  dem  Vorgänge  anderer  Arzte  den  Vorschlag  gemacht, 
dafs  medizinische  Schulinspektoren  angestellt  werden,  zu  deren 
Aufgaben  auch  gehören  würde,  geistig  zurückgebliebenen 
Schülern,  welche  durch  den  Mund  atmen,  besondere  Aufmerk- 
samkeit zuzuwenden.  Daus  die  Einführung  einer  solchen 
Kontrolle  vieles  für  sich  hat,  darüber  dürfte  bei  den  meisten 
Übereinstimmung  herrschen.  Inwieweit  jedoch  die  vorgeschlagene 
Form  glücklich  sei  oder  nicht,  darüber  will  ich  mir  hier  kein 
Urteil  erlauben. 

Jedenfalls  aber  darf  man  allen,  welche  bemüht  sind,  das 
Los  der  Kinder  mit  behinderter  Nasenatmung  zu  bessern,  nur 
dankbar  sein  und  hoffen,  dafs  eine  nicht  zu  ferne  Zukunft  die 


S.  diese  Zeitschrift,  1889,  No.  5,  S.  233. 


321 

praktische  Lösung  dieser  Frage  bringen  wird.  Viel  wird  dazu 
beitragen,  wenn  die  Pädagogen  von  ärztlicher  Seite  immer 
wieder  darauf  hingewiesen  werden,  dafs  mangelhafte 
Respiration  durch  die  Nase,  unklare,  klanglose  Aus- 
sprache, schlechtes,  häufig  wechselndes  Gehör  und 
die  Unfähigkeit,  längere  Zeit  aufmerksam  zu  sein, 
oft  von  adenoiden  Vegetationen  im  Nasenrachenräume 
herrühren. 


Wie  befreien  wir  unsere  Schuljugend 
vom  Nachmittagsunterrichte? 

Von 

Philipp  Zimmermann, 

städtischem  Lehrer  in  Frankfurt  a.  M. 

Die  offiziellen  Stundenpläne  identifizieren  schon  vom  ersten 
Schuljahre  an  Unterrichtslektion  mit  Zeitstunde  derart,  dafs 
an  3  oder  4  Vormittagsstunden  auch  3,  beziehungsweise  4 
Unterrichtslektionen  stattfinden.  Ob  dieses  Zusammenfallen 
von  Zeitötunde  und  Lektion  auf  irgend  einem  psychologischen 
Stadium  des  Kindes  beruht,  dürfte  sehr  zu  bezweifeln  sein. 
Denn  der  berufsmäßige  Pädagoge  denkt  in  seinem  Eifer  weit 
mehr  an  das  Klassenpensum  und  die  Revisionen  durch  seine 
Vorgesetzten,  als  an  die  Eigentümlichkeit  seiner  Schüler,  nur 
eine  bestimmte  Zeit  in  gespannter  Aufmerksamkeit  verharren 
zu  können.  Die  Frage:  „Wie  lange  kann  ein  Schüler  von  8, 
10  oder  12  Jahren  einem  und  demselben  Gegenstande  mit 
hinreichender  Teilnahme  folgen?"  müfste  von  den  Biologen 
und  Physiologen  auf  Grund  angestellter  Experimente  zuerst 
beantwortet  werden,1  ehe  wir  alle  uns  zu  Gebote  stehenden 


1  Vgl.  Leo  Buboerstein:  Die  Arbeitskurve  einer  Schulstunde 
in  dieser  Zeitschrift,  1891,  No.  9,  S.  543—662  und  No.  10,  S.  607—627. 

D.  Red. 


322 

Mittel,  wie  Wechsel  der  Unterrichtsformen,  Lehrton,  Veran- 
schaulichung u.  s.  w.,  ausnutzen,  um  die  Kinder  möglichst 
andauernd  in  unwillkürlicher  Aufmerksamkeit  zu  erhalten. 
Was  es  aber  helfet,  40  bis  50  Minuten  lang  mit  völliger  Hin- 
gabe einem  Gegenstände  zu  folgen,  das  können  wir  leicht  an 
uns  selbst  beobachten,  wenn  uns  ein  guter  Redner  zu  packen 
versteht  und  wir  3A  Stunden  lang  „ganz  Ohr"  bei  seinem 
Vortrage  sind.  Wir  Erwachsenen  fühlen  uns  hinterher  meist 
erschöpft;  wie  viel  mehr  mufs  dies  bei  erst  werdenden  Menschen, 
bei  unserer  Jugend,  nach  Ablauf  einer  Unterrichtsstunde  der 
Fall  sein! 

Von  diesen  Erwägungen  ausgehend,  unterrichte  ich  seit 
zwei  Jahren  meine  Schüler,  die  sich  jetzt  im  dritten  Schul- 
jähre  befinden,  in  halbstündigen  und  oft  noch  kürzeren  Lek- 
tionen, so  dafs  ich  in  3  Vormittagsstunden  bequem  5  bis  6 
verschiedene  Lektionen  erteilen  kann,  und  ich  mache  die  merk- 
würdige Erfahrung  dabei,  dafs  man  z.  B.  in  6  halbstündigen 
wöchentlichen  Rechenlektionen  mehr  erreicht,  als  in  4  Voll- 
stunden per  Woche.  Desgleichen  werden  die  Schüler  durch 
6  halbstündige  Leseübungen  mehr  gefördert,  als  in  4  vollen 
Lesestunden,  und  6  halbe  Stunden  wöchentlichen  Religions- 
unterrichts entsprechen  genau  4  ganzen.  Es  scheint  dies  auf 
den  ersten  Blick  ein  falsches  Rechenexempel  zu  sein,  aber  die 
Erfahrung  bestätigt  seine  Richtigkeit.  Jeder  psychologisch 
gebildete  Pädagoge  wird  mir  zugeben,  dafs  anhaltende  geistige 
Thätigkeit  ermüdet,  der  Wechsel  aber  erfrischt,  dafe  somit  der 
Erfolg  unseres  Unterrichts  weit  weniger  verbürgt  wird  durch 
zu  langes  Verweilen  bei  demselben  Gegenstande,  als  durch 
häufigere  Wiederholung  eines  kürzeren  Pensums  mit  sich 
steigernder  Intensität.  Wenn  wir  also  in  18  wöchentlichen 
Vormittagsstunden  SO  bis  32  Unterrichtslektionen  zu  geben 
vermögen,  dann  bleiben  die  Nachmittage  für  Turnen,  Gesang, 
Spiel,  Klassenwanderungen,  Handfertigkeitunterricht  u.  s.  w. 
frei  und  der  alten  Forderung  wird  genügt:  „Der  Vormittag 
dem  Geiste,  der  Nachmittag  dem  Körper  und  dem  Gemüte!*1 

1  Siehe  E.  Hartwig:  Woran  wir  leiden,  Düsseldorf,  1882. 


323 

Namentlich  die  rein  theoretischen  oder  abstrakten  Lehrgegen- 
stunde dürften  durch  eine  Teilung  in  halbstündige  Pensen 
insofern  gewinnen,  als  sie  in  häufigeren  und  kleineren 
Dosen  dem  kindlichen  Geiste  verabfolgt  und  somit  leichter 
geistig  verdaut  werden. 

Ich  trug  diesen  meinen  Gedanken,  der  nicht  etwa  aus 
pädagogischer  Neuerungssucht  hervorgegangen,  sondern  das 
Resultat  eingehender  Beobachtung  meiner  eigenen  5  Kinder, 
sowie  der  mir  anvertrauten  Schuljugend  ist,  Herrn  Professor 
W.  Prbyer  in  Berlin  vor.  Der  bekannte  Biologe  stimmte 
meiner  Idee  durchaus  bei  und  will  Kinder  vom  Schulbeginne 
bis  zum  14.  oder  16.  Lebensjahre  nur  10,  15,  20  oder  höch- 
stens 25  Minuten  in  einem  fort  geistig  beschäftigt  wissen.  In 
ranz  ähnlichem  Sinne  haben  sich  mehrere  Mitarbeiter  dieses 
Blattes,  wie  Professor  Dr.  J.  Kollmann  in  Basel,  Realgym- 
nasialdirektor Dr.  Th.  Bach  in  Berlin  und  Professor  Dr.  L. 
Bubgerstein  in  Wien,  ausgesprochen. 

Hierdurch  ermutigt,  lege  ich  umstehenden  Lektionsplan 
den  Lesern  dieser  Zeitschrift  vor  und  bitte  sie,  falls  sie  im 
praktischen  Schuldienste  stehen,  denselben  mit  einer  Klasse  zu 
erproben.  Derselbe  ist  gewiis  verbesserungsbedürftig,  schon 
insofern,  als  man  nach  der  dritten  halben  Stunde  wohl  vor- 
teilhafter eine  gröfsere  Frühstücks-  und  Erholungspause  und 
zwischen  die  halbstündigen  Lektionen  nur  eine  kleinere  Pause 
von  5  Minuten  legt.  Während  dieser  5  Minuten  wird  gelüftet, 
die  Kinder  befriedigen  in  dringenden  Fällen  ihre  natürlichen 
Bedürfnisse,  und  es  kann  noch  eine  Gruppe  Freiübungen  zur 
Kräftigung  des  Rückens  und  des  Brustkorbes  im  Saale  vor- 
genommen werden.  Schuldirigenten  mit  langjähriger  Erfahrung 
werden  ferner  die  Anordnung  der  einzelnen  Lektionen  gewifs 
geschickter  vornehmen,  als  ich  es  vermochte,  und  auch  sonst 
vielleicht  noch  dieses  und  jenes  zu  tadeln  finden.  Aber  von  der 
Richtigkeit  der  dem  Stundenplane  zu  Grunde  liegenden  Idee  werde 
ich  von  Tag  zu  Tag  mehr  überzeugt,  weil  sie  sich  der  natür- 
lichen Leistungsfähigkeit  des  Kindes,  sowie  dessen  ganzem 
Wesen  mehr  anpafst,   als  Pläne   mit  vollständigen  Lektionen. 


324 


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325 

Ich  verweise  dieserhalb  auf  Comenius,  Did.  Mag.,  Cap.  15, 
12  und  13  und  Cap.  29,  10.  Der  schönste  Gewinn  aber,  der 
durch  diese  Neuerung  erzielt  werden  würde,  erstreckt  sich  auf 
eine  rein  erziehliche  Schuleinrichtung.  Denn  indem  keine 
Klasse  mehr  wöchentliche  Unterrichtszeit  hätte,  als  das  wöchent- 
liche Stundenmals  einer  Lehrkraft  beträgt,  könnte  für  unsere 
Volks-  und  Mittelschulen  das  Klassenlehrersystem  streng  durch- 
geführt werden,  ein  Segen,  der  von  den  Schulbehörden  der 
Groisstädte  leider  vielfach  unterschätzt  wird. 

Von  der  finanziellen  Ersparnis,  welche  der  Stundenplan 
bietet,  will  ich  hier  als  von  einer  reinen  Verwaltungsange- 
legenheit nicht  reden. 

Ich  gebe  mich  der  Hoffnung  hin,  durch  meinen  Plan  eine 
Seihe  von  Kollegen  zum  Nachdenken,  Beobachten  und  zu 
Versuchen  anzuregen,  denen  weder  Voreingenommenheit  ein 
schnelles  Grab  gräbt,  noch  allzu  kühner  Enthusiasmus  und  ein 
gewisser  Übereifer  schadet.  Die  Hygiene  des  Unterrichts  ist 
ein  Gebiet,  das  mit  Vorsicht  und  grofser  Sachlichkeit  behandelt 
werden  muis.  Das  Ziel  stecke  uns  Comenius,  die  Mittel  und 
Wege  biete  uns  Pestalozzi  —  dann  werden  wir  die  uns  zur 
Erziehung  übergebene  Jugend  einer  harmonischen  Bildung 
des  Geistes  und  des  Körpers  entgegenführen. 


326 


ätts  tterfanmlttitgtit  attb  Umtuen. 


Die  wissenschaftlich-industrielle  Austeilung  in  Kasan. 

Gegenstande  ans  dem  Gebiete  der  Schulhygiene 

und  der  körperlichen  Ersiehung. 


Bericht, 
verlesen  in  der  „Gesellschaft  zur  Wahrung  der  Volksgeeundheit". 

Von 

Wirklichem   Staatsrat   Dr.  med.  Alexander   von  Wibenius, 

Arzt  des  WedenskiBohen  klassischen  Gymnasiums 
und  Direktor  des  Einderasyls  der  Groisfurstin  Alexandra  Nicolaewska 

in  St  Petersburg. 

(Fortsetzung.) 

In  der  Absicht,  möglichst  anschaulich  die  fortschreitenden 
Verbesserungen  in  der  inneren  Einrichtung  der  Schulen  vor- 
zuführen, hatte  die  Kreisverwaltung  von  Kasan  eine  ganze 
Reihe  von  Plänen  und  photographischen  Aufnahmen  verschie- 
dener Schulgebäude  des  Bezirkes  ausgestellt.  In  der  That 
konnte  man  sich  an  der  Hand  dieser  Abbildungen  davon  über- 
zeugen, dafs  die  Schuleinrichtungen,  wenn  auch  in  geringem 
Mause,  so  doch  bestimmt  mehr  und  mehr  sich  vervollkommnen. 
Anfangs  wurden  die  Unterrichtsgebäude,  wie  in  dem  Berichte 
auch  dargelegt  ist,  in  der  Weise  hergestellt,  dafs  das  Klassen- 
zimmer und  die  Wohnung  des  Lehrers  nur  durch  einen 
Korridor,  der  nicht  geheizt  werden  konnte,  getrennt  waren. 
Hierauf  führte  man  die  Verbesserung  ein,  dafs  im  Korridor 
ein  besonderer  Kaum  für  die  Nächtigenden  abgeteilt  wurde, 
in  welchem  aufserdem  die  Schüler  ihre  Oberkleider  für  die 
Schulstunden  ablegen  konnten.  Später  wurde  der  ganze 
Korridor  in  ein  Vorzimmer  für  die  Klasse  umgewandelt,  wobei 


327 

natürlich  auch  die  Notwendigkeit  eintrat,  denselben  zn  heizen. 
Allein  die  Unbequemlichkeit  dieser  Einrichtung  zeigte  sich 
darin,  dafe  das  Klassenzimmer  und  die  Wohnung  des  Lehrers 
einen  gemeinsamen  Eingang  vom  Korridor  aus  hatten.  Denn 
aus  dem  Klassenzimmer  gelangte  die  herausströmende  schlechte 
Luft  in  die  Wohnung  des  Lehrers,  und  ausserdem  wurde  der 
Korridor,  besonders  bei  verheirateten  Lehrern,  natürlicherweise 
mit  allerlei  Hausgerät  vollgestellt.  Aus  diesem  Grunde  hielt 
es  die  Kreisverwaltung  für  unumgänglich,  die  Zimmer  des 
Lehrers  von  der  Klasse  zu  isolieren.  Der  warme  Korridor 
als  Vorzimmer  und  Schlafstätte  wurde  nun  mit  der  Ellasse 
vereinigt,  während  die  Lehrerwohnung  einen  besonderen  Ein- 
gang mit  einem  kalten  Hausflur  erhielt.  Schliefslioh  liefe  die 
Kreisverwaltung  einen  nach  ihrer  Meinung  besseren  Plan  für 
Schulgebäude  ausarbeiten:  die  Wohnräume  des  Lehrers  und 
die  Klasse  befinden  sich  hier  in  zwei  besonderen  Häusern, 
welche  miteinander  durch  einen  Hausflur  verbunden  sind. 

Die  Modeile  und  Pläne  von  Schulen  auf  der  Kasanschen 
Ausstellung  dienen  zum  Beweise  dafür,  dafe  die  Klassenräume 
nur  einen  geringen  Umfang  besitzen,  dafe  bei  denselben  die 
Korridore  nicht  selten  fehlen  —  von  Rekreationsräumen  schon 
gar  nicht  zu  sprechen  — ,  dafe  ferner  die  Thüren  und  Fenster 
von  ungenügender  Gröfse  und  die  Wohnungen  der  Lehrer 
winzig  klein  sind.  Alle  diese  Mifsstände  lassen  sich  leicht 
durch  den  Mangel  an  Geldmitteln  beim  Bau  der  Schulen 
erklären. 

Andererseits  aber  beweist  das  Vorhandensein  eines  leid- 
lichen Fundamentes  und  eines  geräumigen  Hausflurs,  die 
zweckmäfeige  Verteilung  von  Luft  und  Licht  und  die  Ein- 
richtung der  Schulgeräte  in  den  meisten  dieser  Unterrichts- 
anstalten,  dafe  die  Gründer  und  Leiter  derselben  offenbar  den 
Wunsch  hegen,  den  berechtigten  Anforderungen  der  Hygiene 
und  der  Architektur  so  viel  wie  möglich  zu  genügen.  Fast 
in  allen  Schulen  erhalten  die  Klassenzimmer  das  Licht  von 
der  linken  Seite,  bisweilen  zugleich  von  hinten;  auch  das 
Verhältnis    der  Fensterfläche    zu    der  Fläche    des   Fufebodens 


328 

zeigt  in  den  meisten  Fällen  keine  Übertretung  der  hygienischen 
Gesetze.  Ebenso  entsprechen  die  Subsellien  in  der  Regel  den 
Modellen,  welche  von  der  neueren  Hygiene  als  Muster  hin- 
gestellt werden.  Gewöhnlich  finden  sich  unbewegliche  Tische 
und  Bänke  Air  mehrere  Schüler,  seltener,  in  wohlhabenderen 
Anstalten,  solche  mit  verstellbaren  Bestandteilen  und  endlich 
sogar  selbstthätig  veränderliche  Bänke  und  Tische.  Die  Schulen 
wetteiferten  geradezu  in  der  Ausstellung  ihrer  Subsellien.  Die 
charakteristischen  Merkmale  derselben  waren  überall  ziemlich 
die  gleichen.  So  z.  B.  erwies  sich  die  Distanz  beinahe  bei 
allen  Schultischen  als  Null  und  war  selten  negativ.  Auch 
die  Differenz  zwischen  Tisch  und  Bank  und  die  Höhe  der 
letzteren  waren  gröfstenteils  richtig  berechnet.  Die  von  uns 
vermessenen  Details  entsprachen  einem  Wüchse  der  Schüler 
von  120,  130,  150  und  sogar  160  cm,  d.  h.  demjenigen  der 
älteren  Zöglinge  einer  Elementarschule  oder  auch  der  meisten 
Schüler  mittlerer  Lehranstalten. 

Besondere  Berücksichtigung  verdienen  folgende  Schultische : 
Das  Lehrerseminar  in  Kasan  hatte  aus  seiner  Werkstatt  ein 
zweisitziges  Subsellium  ausgestellt,  dessen  Tischplatte  der  Länge 
nach  in  drei  Teile  geteilt  war;  der  mittlere  dieser  Teile  konnte 
herausgehoben  und  das  Innere  des  Tisches  so  als  Schublade 
benutzt  werden.  Diese  Einrichtung  ist  übrigens  eher  originell, 
als  praktisch  zu  nennen,  da  infolge  der  komplizierten  Her- 
stellung und  des  hohen  Preises  die  Tische  sich  mehr  zum 
Privatgebrauch  in  wohlhabenden  Familien,  als  zur  Benutzung 
in  Schulen  eignen  dürften. 

Neu  ist  ebenfalls  ein  von  der  Inspektion  in  Jelabusch 
angegebener  Sohultisch.  Er  ist  für  drei  Schüler  eingerichtet 
und  dadurch  gekennzeichnet,  dab  die  Tischplatte  des  Mittel- 
platzes nach  vorne  beweglich  ist,  wodurch  der  Schüler  die 
Möglichkeit  erhält,  aufzustehen  und  stehend  zu  antworten. 

Ein  von  der  Kulibinschen  Handwerkerschule  in  Nishny- 
Nowgorod  ausgestellter  Tisch,  der  eine  bewegliche  Bank  mit 
Strohsitzen  hat,  ist  zwar  sehr  hübsch  gearbeitet,  eignet  sich 
jedoch  wenig  zur  praktischen  Verwendung  in  der  Schule. 


Bemerkenswert  durch  seine  Wohlfeilheit  (27*  BW.)  ist 
Tisch  des  Bauern  Michael  Pehächih  ans  den  Troitzaohen 
Bwrk  des  Kreises  Wjatte.  Derselbe  ist  fttr  drei  Schüler 
berechnet  und  miürt  in  der  Länge  140  cm,  d.  h.  weniger  ab 
0,5  m  für  jeden  Schüler,  was  unzureichend  ist,  in  der  Breite 
S8em.  Da  dieser  Tisch  seiner  Dübrenz  (23  om)  und  der  Höbe 
der  Bank  (43  om)  nach  fttr  einen  Wuchs  von  160  om  bestimmt 
ist,  so  mala  natürlioh  die  Breite  der  Tischplatte  als  zu  gering 
beseiohnet  werden.  Im  übrigen  ist  das  Subsellinm  fest  und 
haltbar  aus  Föhrenholz  gefertigt  und  gestrichen,  so  dafo  in 
Bezug  auf  Wohlfeilheit  ihm  wohl  kein  Sohultisoh  der  Welt 
den  Vorrang-  ablaufen  kann.  Bei  dieser  Gelegenheit  wollen 
wir  bemerken,  dafs  überhaupt  die  Preise  der  Schulmöbel  auf 
der  Ausstellung  auleerordentlich  niedrig  angesetzt  waren,  so  dafs 
asa  unwillkürlich  auf  den  Gedanken  kam,  das  Material  und 
der  Arbeitslohn  seien  nicht  richtig  taxiert  worden. 

Von  zahlreichen  Schultisohen  verschiedener  Systeme  waren 
such  Modelle-  en  miniature  ausgestellt,  so  z.  B.  seitens  der 
Inspektion  in  Jelabuseh,  doch  boten  eie  durchaus  nichts  be- 
sonderes, das  ein  erhöhtes  Interesse  hätte  beanspruchen  können. 

Im  allgemeinen  darf  man  in  betreff  der  Tische  und  Bänke 
Ar  die  Klassenzimmer  sagen,  dafs  die  Sohuladministration  des 
Wolga-Eamagebietes  mit  Ernst  diese  Frage  behandelt  und  dafs 
wohl  in  nicht  allzuferner  Zeit,  wenn  auch  nicht  alle,  so  doch 
dis  meisten  Sobulen  mit  passenden  Subsellien  versehen  sein 
weiden. 

Wenn  man  auf  der  Ausstellung  einer  ganzen  Anzahl 
Gegenstände  aus  den  Landschaftssohulen  begegnete,  so  mulfete 
«an  unwillkürlich  bedauern,  daJs  Exponate  von  den  Lehr« 
anstaiten  der  Kaiserin  Marie  und  des  Ministeriums  der  'Volks* 
anfklftrung  fast  gänzlioh  fehlten.  In  Kasan  gibt  es  ja  nicht 
wenige  Schulen,  welche  wohl  im  stände  wären,  mancherlei 
Gegenstände  von  sich  auf  die  Ausstellung  zu  senden,  Dinge, 
die  sowohl  interessant,  als  auch  lehrreioh  für  das  Publikum 
rind  und,  was  die  Hauptsache  ist,  über  den  wirklichen  Stand 
dieser  Anstalten  in  pädagogischer  und  sanitärer  Hinsicht  Ans- 

8ehnIfMit»dh«Uspfl6fe  VI.  22 


330 

kunft  geben  können.  So  existiert  dort  b.  B.  die  prachtvolle 
Realschule  mit  allen  nur  wünschenswerten  hygienischen  Ein- 
richtungen, das  in  jeder  Hinsicht  vollkommene,  freilich  noch 
im.  Bau  begriffene  weibliche  Gymnasium  der  heiligen  Xenija, 
das  Alezander- Asyl*  das  erste  und  zweite  Gymnasium,  -  die* 
auch  der  Beachtung  wert  sind,  und  endlich  das  dritte  Gtym* 
nasium,  welches  eine,  ganz  eigentümliche  Lage  hat,  indem  -es» 
zwisohen  Gärten  versteckt,  vollständig  isoliert  und  unberührt 
von  dem  Geräusche  der  GroHsstadt  liegt  und  dadurch  sehr  an: 
aufserstädtische  Internate  erinnert.  Von  allen  diesen  Liehr- 
und Erziehungsanstalten  wären  Modelle  oder  auch  nur  Plfiüö 
höchst  erwünscht  gewesen»  von  den  genaueren  Details  ihrer 
Einrichtungen  gar  nicht  zu  reden. 

Wir  können  nicht  umhin  zu  bemerken,  dafs  die  Lehr- 
anstalten in  Kasan  uns  bei  ihrer  Besichtigung  ein  ganz  be- 
sonderes Vergnügen  bereitet  haben.  Die  geräumigen  Klassen- 
zimmer und  anderen  grolsen  Bäume  der  Schulen,  die  Fülle 
von  Licht,  die  besondere  Aufmerksamkeit  der .  Verwaltung  in. 
Bezug  auf  Reinlichkeit  und  Ordnung  u.  s.  w.  mulste  auf  jeden 
Hygieniker  einen  angenehmen  Eindruck  machen.  Eine  schwache 
Seite  der  Anstalten,  welche  übrigens  einerseits  in  der  unvoll- 
kommenen Ausbildung  der  Technik  begründet  liegt,  andererseits 
ihren  Ursprung  in  den  hohen  Preisen  für  passende  Ventilations* 
einriohtungen  hat,  ist  die  nicht  ganz  befriedigende  Reinheit  der 
Luft  in  den  benutzten  Klassenzimmern.  Als  Entschuldigung' 
kann  ja  der  Umstand  gelten,  dafs  die  Mehrzahl  der  Schulen 
auf  dein  Erdenrunde  an  diesem  Übel  leidet,  jedoch  muis  man 
natürlich  zugeben,  dals  dadurch  durchaus  keine  Erleichterung 
für  diejenigen  geschaffen  wird,   welche  in  diesen  Bäumen  äu 

atmen  gezwungen  sind. 

(Fortsetzung  in  Nq.  7.) 


Über  künstliche  Beleuchtung,  insbesondere  für  Zeiche*- 

..  und  HOrsäle. 
Ais  der  schlesischen  Gesellschaft  fBr  vaterländische  Kultniv 

In  der  Sitäung  der.  hygienischen  Sektion  der  schlesischen  Ge- 
sellschaft am  6.  Januar  d.  J.  hielt  unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr 
Professor  Dr.  HbbmannCohn,  einen  Vortrag  überkünstiicheBeleuchtung 
mit  Vorzeigung  der  neuen  HBABOWSEischen  Reflektoren  für  Zeichen« 
und  Hörsäle. 

Redner  stellte:  nach  der  „Schles.  Ztg,u  folgende  hygienische 
Forderungen  an  das  künstliche  Licht:  es  darf  1.  nicht  erhitzen, 
2.  nicht  zacken,  3.  nicht  unzureichend  sein  und  4*  nicht  blenden. 

Er  schilderte  die  Nachteile,  welche  die  Luft  durch  Gas  und 
Petroleum  erfährt;  bei  einer  Helligkeit  von  100  Kerzen  geben  diese 
21.40,  resp.  800  g  Wasser  gegenüber  0  g  bei  elektrischem 
Lichte  und  1300  resp.  950  1  Kohlensäure  gegenüber  0  1  bei 
elektrischem  Lichte  ab.  Während  eine  brauchbare  Luft  nach 
PmxNKonR  nur  lp/oo  Kohlensäure  enthalten  darf,. fand  Rbxk  in 
den  Hörsälen  zu  Halle  bei  Gaslicht  2  bis  3°/oo,  obgleich  gar  keine 
Zuhörer  anwesend  waren.  Dagegen  nahm  die  Kohlensäure  an  Menge 
noch  nicht  um  0,2%o  zu  im  hygienischen  Institute  zu  Halle,  wo 
ner  fiegeoerativlampen  brannten,  bei  denen  die  Gase  fortgeleitet 
werden. 

Der  Vortragende  fand  bei  Gaslicht  im  Auditorium  I  der  Uni* 
yerrität  Breslau  nach  einer  Stunde  26,8°  C,  eine  für  Schüler  und 
Lehrer  gleich  ermattende  Temperatur.  Wenham-  und  Bifpzkb- 
lampen  verderben  zwar  die  Luft  nicht,  sind  aber  wegen  der  Hitze* 
aoastrahlung  beim  Arbeiten  unerträglich.  Heilse  Flammen  bewirken 
eine  zu  schnelle  Verdunstung  der  Feuchtigkeit  der  Bindebaut,  es 
tritt  ein  Gefühl  von  Trockenheit  im  Auge  ein;  der  Kopf  wird  warm,, 
md  es  entsteht  Kopfschmerz,  der  am  weiteren  Arbeiten  hindert.  Dior 
Redner  fand  bei  Messungen,  die  er  mit  Thermometern  und  Thermo* 
Aulen  gemeinsam  mit  dem  Direktor  der  Gasanstalt  Schheidbr 
Tornahm,  dafs  die  Erhöhung  der  Temperatur  nach  10  Minuten  in 
einer  Distanz  von  20. cm  von  einer  Gasflamme  doppelt  so  grofa  ist, 
als  20  cm  von  einer  gleich  hellen  Glühlampe  entfernt  Die 
Empfindlichkeit  des  Auges  gegen  Wärme  ist  übrigens  sehr  verschieden« 
Der  Vortragende  untersuchte  vor  25  Jahren  132  Schriftsetzer  und 
erfuhr  bei  einer  Abstimmung,  dafs  nur  60  öl  oder  Petroleum  dem 
heüsen  Gase  vorzogen.  Dagegen  sprachen  sich  von  72  Uhrmachern, 
die  ihre  Lupenarbeit  in  25,  selbst  in  18  cm  Entfernung  von  der 
Flamme  vornehmen  müssen,  64  für  öl  und  Petroleum  aus.  Gewifs 
kann  man  die  Hitzewirkung  verringern,  wenn  man  die  Flammen 
höher  über   dem   Kopfe    anbringt;    allein   bekanntlich   nimmt   die 

22« 


Helligkeit  nicht,  wie  die  Entfernung,  Müden  wie  des  Quadrat  der 
Entfernung  ab.  Zweifellos  verdient  also  das  elektrische  Licht  wegen 
seiner  Kühle  den  Vortag. 

Das  Lacht  soll  nicht  sacken.  Früher  flatterte  das  Gas  in  offenen 
Flammen  in  alten  Schalen,  Erst  1866  werden  in  der  Unfvenitat 
tytinder  und  Schinne  angeschafft.  Im  Elisabethgymnasiuni  and 
anderen  Sehnten  waren  noch  vor  8  Jahren  viele  offene  Flammen 
vorhanden.  Wenn  eine  Flamme  zuckt,  so  wechselt  ihre  Intensität 
sehr  schnell;  unsere  Netzhaut  ist  für  diese  Unterschiede  kochst 
empfindlich,  was  jeder  weift,  der  an  einem  von  der  Sonne  beleuchteten 
Staketemaune  vorüber  gegangen  ist.  Die  Arbeit  ist  hei  zuckendes 
Flammen  auf  die  Daner  unmöglich.  Nur  die  Albokarbonflamme 
nackt  nicht,  da  das  Oas  deich  die  Naphthalindampfe  an  speeifiaehem 
Gewicht  sunimmt.  Sie  gibt  ein  sehr  schönes  Licht;  allein  erst 
nach  einer  Viertelstunde  wird  sie  hell,  auch  mufs  sie  oft  reguliert 
werden,  da  sie  sonst  rufst.  Daher  ist  sie  leider  Air  Hörsäle  und 
Schalen  nicht  verwendbar.  Das  Zocken  war  vor  sehn  Jahren,  als 
der  Redner  beim  hygienischen  Kongreis  in  Berlin  das  Referat  über 
Beleuchtung  vortrug,  noch  ein  großer  Fehler  der  elektrischen  Be- 
leuchtung. Allein  die  Fortsehritte  der  Technik  sind  seitdem  so 
grofs  gewesen,  daft  bei  Glühlampen  gar  keine,  bei  Bogenlampen 
nur  noch  selten  Zuckungen  vorkommen.  Bei  Akkumulatoren,  denen 
doch  die  Zukunft  gehört,  werden  sie  gewiis  gans  ausbleiben. 

Das  licht  sott  nicht  unzureichend  sein.  Der  Vortragende  be- 
spricht zunächst  die  verschiedenen  Arbeiten,  die  von  Tobias  Maymr 
1764,  von  Aubhbt  1860,  von  Alwdetottc,  von  8oH8,  von  Cabp 
und  von  ihm  selbst  geliefert  worden  sind,  um  den  Zusammenhang 
von  Lichtintensitat  und  Sehschärfe  tu  ergrunden.  Die  Resultate 
differieren  jedoch  so  sehr,  dafe  von  einem  Gesetse  noch  keine  Rede 
sein  kam.  Fest  stellt  nur,  daft  bei  Abnahme  der  Beleuchtung  die 
Sehscharfe  ebenfalls  abnimmt.  Man  mufs  sich  der  Arbeit  um  so 
mehr  nahem,  je  geringer  die  Beleuchtung  wird.  Diese  Annäherung 
ruft  bei  vielen  Menschen,  namentlich  bei  Schulkindern,  KnrzsichtigkeH 
hervor  oder  vermehrt  den  Grad  derselben,  wie  ans  den  im  Jahre 
1866  veröffentlichten  Untersuchungen  des  Vortragenden  hervorgeht, 
welche  jetzt  an  300  000  Kindern  in  der  ganzen  oivüsierten  Welt 
bestätigt  worden  sind.  Man  hat  natürlich  verschiedene  Theorien 
.aufgestellt,  um  die  Ursache  der  Verlängerung  der  Augenaxe  behn 
Nabebhck,  welche  eben  die  Kurzsichtigkeit  zur  Folge  hat,  iu  erklären ; 
die  Erblichkeit,  die  Accommodation,  die  Konvergenz  der  Augen  würfe 
beschuldigt.  Eine  der  traurigsten,  weil  folgenschwersten  Verirrungea 
aber  war  das  vor  5  Jahren  mit  grober  Emphase  verkündigte  so- 
genannte „Naturgesetz"  von  Stiluno,   weiches  lautete:    „Niedrige 


Augenhöhle  ist  die  Bedingimg  für  Kurzsichtigkeit,  höbe  Augenhöhle 
for  Üherßiohtigkeit. "  Die  Myopie  sei  also  not  feine  Rassenfrage. 
Die  yom  Vortragenden  begonnene  Opposition  gegen  diese  Hypothese 
wurde  von  vielen  Autoren  nnterstfltit,  und  die  gänzlich*  Haltlosigkeit 
der  8TiiiUKG8chen  Ansicht  ist  jetzt  ton  Sohmjdt  -  Rimplhr, 
Kirobnbr,  Sbogbl,  Fizia  und  anderen  erwiesen.  ,  Eben  ist  eine 
Arbeit  tob  Bymbza  in  Doipat  erschienen,  welche  nachweist,  dais 
die  Esthen,  welche  besonders  niedrige  Augenhöhlen  und  sehr  breite 
Gesichter  haben,  nicht  allein  nicht  mehr,  sondern  sogar  noch  weniger 
Myopen  zeigen,  als  andere  Baasen.  Die  STiLLlNösche  Lehre  hatte, 
wie  Redner  bemerkt,  den  Nachteil,  dab  durch  sie  die  hygienischen 
Verbesserongen  der  Unterrichtsr&iime  unnötig  erschienen,  da  nicht 
die  Naharbeit,  sondern  der  Bau  der  Augenhöhle  die  Myopie  ver* 
schnlden  sollte.  Jetast;  wo  Stillinos  Theorie  begraben  ist,  wird 
man  daher  doppelt  eifrig  für  die  hygienischen  Vervollkommnungen 
der  Sehnten  sorgen  müssen.  Wahrend  die  Sehschärfe  sinkt  bei 
schlechter  Beleuchtung,  wird  sie  nach  den  Untersuchungen,  die  der 
Vortragende  im  physikalischen  Kabinet  der  Universität  vorgenommen 
hat,  erh/&ht,  namentlich  für  Farben,  durch  elektrisches  Licht 

Hiervon  konnten  sich  die  Anwesenden  durch  Betrachtung  einer 
farbigen  Kreideaeichnung  bei  Bogenlicht  aberzeugen. 

Wir  müssen  für  hygienische  Zwecke  das  lieht  rasch  messen 
kennen.      Der    Vortragende    zeigt  ;  das    LAMBERTsche    und    das 
BUHfiHNsche  Photometer  vor,    sowie  das  neue,    sehr  geistreich  er- 
sonnene  LuMMER-BBODBUMsche  Prisma,  das  man  scherzweise  auch 
den  „idealen  Fettfleck44  genannt  hat.   Letzteres  ist  jetzt  in  dem  vor- 
trefflichen  Photometer   von   Lbonhard  Wbbeb  angebracht.     Mit 
WXBBBa   Instrument  kann   man   in   einer   Sekunda   die  Helligkeit 
einee  Arbeitsplätze«  bestimmen*     Es  ist  das  Verdienst  dieses  Ge- 
lehrten,  tot  8  Jahren   bereite   den  Begriff  der  Metericerze  (MK) 
angeführt  zu  nahen.    Unter  einer  Meterkerze  versteht  er  die  Hellig* 
keit  einer  Flftche,  welche  in  der  Entfernung  von  einem  Meter  einer 
Konnalkerze  gegenüber  aufgestellt  ist.     Für  die  Hygieniker  handelt 
es  sich  nicht  darum,  wie-  hell  es  oben  in  einer  Flamme,  sondern  wie 
hell  es   auf  dem  Arbeitetische   äst»   und   dies   kann  nun  leicht  in 
Heterkerzea  angegeben  werden.    Die  Frage  jedoch,  welches  Minimum 
der  Beleuchtung   des  Arbeitsplatzes  von  der .  Augenhygiene   noch 
festattet  werden  kann,  war  schwer  au  entscheiden.   Der  Vortragende 
■achte  zur  Feststellung  (fieser  Zahl  Versuche  Ober  die  Schnelligkeit, 
nat  welcher   bei  .verschiedenen  Beleuchtungen   die  Petitschrift  der 
Zeitungen  in  ein.  Meter  Entfernung  laut  gelesen  wird.    Am.  Faustet 
W  etwa  800  MX  Tageöhcht  liest  das  gesunde  Auge  durchschnitt* 
tiefe  16  Zeilen,  ebenso  hei  60  ME  ktnsüichen  Lichts.    Bei  2  MK 


354 

werden  aar  6  Zeile»,  bei  4  MK  8  Zeilen,  bei  8  ME  10  Zeilen, 
bei  10  ME  12  Zeilen,  also  V*  so  viel  als  bei  gutem  Tageslicht, 
gelesen.  Gate  Beleuchtung  würde  also  bei  50  MK  stattfinden.  Als 
Minimum  schlug  der  Vortragende  vor  8  Jahren  10  Meterkerien 
vor,  eine  Zahl,  die  jetzt  allgemein  angenommen  ist.  Diese  nötigen 
10  MK  sind  aber  kaum  unter-  einer  Gasflamme  zu  finden,  wohl  aber 
unter  Glocken  und  Schinnen,  die  freilich,  wie  der  Vortragende  in 
seiner  Schrift  „Über  den  Beleuchtungswert  der  Lampen- 
glocken" gezeigt  hat,  nur  die  Pütze  dicht  unter  der  Flamme  hin- 
reichend beleuchten,  die  ferneren  Platze  aber  dunkel  lassen. 
Wenigstens  ergaben  seine  Messungen  in  den  Universitätshörsälen, 
dafs  viele  Platze  nur  1 — 2  ME  statt  10  ME  zeigten,  und  dabei 
ist  noch  gar  nicht  der  Schatten  der  schreibenden  Hand  und  des 
Körpers  mit  in  Rechnung  gezogen.  Ähnliche  Verhältnisse  fand 
neuerdings  Renk  in  HaQe.  Wie  es  in  dieser  Beziehung  mit  der 
Gasbeleuchtung  in  den  Schulen  steht,  weife  der  Vortragende,  wie  er 
bemerkt,  nicht.  Es  seien  Schulärzte,  welche  photömetrieren  könnten, 
nötig,  um  die  Kuratoren  zunächst  von  der  Helligkeit  auf  den  Tischen 
in  den  Abendschulen  in  Kenntnis  zu  setzen;  da  aber  im  Winter 
auch  in  den  Morgenstunden  Gas  gebrannt  wird,  so  seien  die  anderen 
Schulen  ebenfalls  auf  diesen  Punkt  zu  prüfen.  Em  Schularzt  ohne 
Photometer  gleiche  einem  Arzt  ohne  Fieberthermometer.  Die  neueste 
Technik  habe  sich  nun  auch  bemüht,  durch  geeignete  Reflektoren 
eine  bessere  Lichtverteilung  auf  den  Tischen  -zu  erzielen  und  zugleich 
die  Blendling  durch  die  Flammen  abzuschneiden. 

Das  Licht  soll  nicht  blenden.  Bekanntlich  wurden  früher  die 
Verbrecher  durch  Vorhalten  eines  glühenden  Beckens  geblendet! 
Direktes  Sonnenlicht,  in  Tieraugen  geleitet,  ruft  eine  Gerinnung  des 
Eiweifses  in  der  Netzhaut  und  Zerstörung  der  Sehzellen  hervor. 
Eben  solche  Zerstörungen  wurden  nach  Beobachtungen  von  Sonnen- 
finsternissen bei  vielen  Personen  beobachtet;  auch  der  Blitz  kann 
grauen  Star  und  Vertrocknung  des  Sehnerven  hervorrufen.  Bei 
Heizern,  Glasbläsern,  Schmieden,  Eisengießern,  wache  der  Wirkung 
des  blendenden  Lichtes  viel  ausgesetzt  sind,  wurde  oft  Entzündung 
und  Vertrocknung  der  Sehnerven  beobachtet.  Der  Vertragende  be- 
handelte an  letzterer  einen  Schlosser,  der  in  einer  Zuckerfabrik 
jahrelang  allnächtlich  ohne  sehwarzes  Glas  das  elektrische  Bogetalicht 
zu  regulieren  hatte.  Nachtblindheit,  Entzündung  und  Schwellung 
der  Bindehaut,  Lichtscheu,  Lidkrampf  und  enge  Pupillen  wurden  in 
anderen  ähnlichen  Fällen  beobachtet,  ebenso  wie  nach  Schnee» 
blendung.  Heute  wird  kaum  jemand  Nachteil  vom  Bogenlicht  haben, 
da  dasselbe  automatisch  reguliert  wird.  Verschiedene  Personen  sind 
freilich  gegen  elektrisches  Licht  verschieden  empfindlich.     So-  hört 


S35 


häufig  Klage*  tfber  Blendung  durch  die  sehr  niedrig  vor  den 
Schaufenstern  hängenden  Bogenlampen  in  Alabasterglocken,  während 
"andere  wieder  die  Bogenlampen  auf  dem  Ringe  in  Breslau  für  zu 
hoch  und  zu  weit  entfernt  halten,  da  auf  dem  Bürgersteige  der 
Hauptseiten  des  Ringes  nicht  genug  Licht  sei.  Jedenfalls  müssen 
die  Flammen  selbst  dem  Auge  entzogen  werden.  Allein  alle  Glocken 
nehmen  %  bis  V»  des  Lichtes  fort.  Man  bemühte  sich  daher 
neuerdings,  die  Flammen  zu  verhüllen  und  doch  mit  möglichst  wenig 
Lichtverlust  das  licht  besser  zu-  verteilen.  Erismann  in  Moskau 
versuchte  im  Jahre  1888,  da  er  gefunden  hatte,  dafe  der  Schatten 
des  Kopfes  des  Schreibenden  fest  die  Hälfte,  der  Schatten  der  Hand 
fast  %  des  Lichtes  raubt,  undurchsichtige  Schirme  unterhalb  der 
Lampen  in  einem  Schulzimmer  anzubringen  und  das  Licht  nach  der 
weifsen  Decke  zu  reflektieren,  von  wo  es  diffus  herabkam.  Allein 
dadurch  wurde  unten  eine  solche  Finsternis  erzielt,  dafs  die  Tische 
nur  noch  sechs  Meterkerzen '  hatten.  Renk  unternahm  im  vorigen 
Jahre  ebenfalls,  unter  den  Regenerativbrennern  trichterförmige  Metall- 
reflektoren mit  einem  Öffnungswinkel  von  120°  anzubringen,  deren 
licht  nach  der  Decke  ging.  Dabei  betrug  der*  Iichtverlust  auf  den 
Tischen  aber  60%,  die  Helligkeitsunterschiede  an  den  verschiedenen 
Plätzen  waren  jedoch  unbedeutend  geworden.  Ein  Papiersohirin 
minderte  den  Lichtverlust  auf  53%,  ein  Schirm  von  überfangenem 
Glase  auf  35%,  lieb  aber  wieder  bedeutende  Differenzen  auf  den 
einzelnen  Plätzen  entstehen;  auch  traten  wieder  dunklere  Schatten  auf. 

Die   neueste  Errungenschaft  sind  die  interessanten  Reflektoren 
des  Ingenieurs  Hrabowski  in  Berlin,   welche  demonstriert  werden; 
1.  Der  Oberlichtreflektor.     Das*  Patent  dafür  besitzen  Siemens  und 
Halses;  der  Preis  beträgt  100—120  Mk.     Hrabowski  studierte 
die  eigentümliche  Verteilung  des  Lichtes  von  Bogenlampen;  er  fand 
die  Menge  Licht,  die  unter  einem  Winkel  von  mehr  als  20°  über 
der  Horizontalen   nach   oben  geht,    ganz  unbedeutend,    ebenso  die; 
welche  mehr  als  70°  unter  der  Horizontalen  ausgesendet  wird,  wefl 
da  die  Kohlenschatten   stören.      Die  Lichtmenge  aber,   welche  von 
25  bis  45°  ausstrahlt,  beträgt  42%.    Nun  konstruierte  HrabowbkI 
den  Reflektor   so,   dafs   über   eine   sehr  grofse,    weifs   gestrichene 
konkave  Decke,    die   fest   mit   der  Bogenlampe  verbunden  ist,    ein 
Drahtgestell  gestülpt  wird,  welches  mit  weUsein  Stoff  Aberzogen  ist'. 
An  dieser  Decke  hängt  ein  verstellbarer  prismatischer  Glasring;  der 
die  Flamme  umgibt,   und  unter  der  Flamme  eine  Blende  aus  Opal- 
glas.   Die  Lichtstrahlen,  die  von  oben  bis  zu  25°  Neigung  kommen^ 
werden   direkt   von  dem  konischen  Reflektor  aufgefangen  und  nach 
«nten  geworfen,  sie  enthalten  40%  des  Lichts,"   diejenigen  von  26 
tfe  46*  müssen  den  Gläsring  durchlaufen   und  werden  von  ihm  auf 


aae 

den  Mantel  von  weilten  Stoff  reflektiert  «ad  du»  hinabgeworlsa; 
die  Strahle*  tob  46-70«  treffen  caf  die  Opalglasbieade,  «ehern 
zum  Teil  naeh  unten  durch,  zom  Teil  abermals  aaeh  dem  Reflektor 
und  gelingen  dann  auf  dea  Boden,  Im  Gtosring  gehen  10%  Lieht 
verloren;  trotzdem  trifft  noch  inst  V»  dea  Lichtes  den  Reflektcr. 
So  entsteht  im  Hörsaale  «nd  aaf  den  Tischen  ein  sehr  gleich- 
mütiges diffuses  Licht,  die  Flamme  ist  vollkommen  verdeckt,  die 
Schatten  sind  bedeutend  heller.  Einige  Measnngen,  die  der  Vor* 
tragende  vornahm,  ergaben,  dafo  in  der  lütte  unter  dem  Beflektor 
bei  68  Volt  und  15  Ampere  66  Meterkerzen  auf  dem  Tische  waren. 
Unter  einer  einfachen  Bogenlampe  ohne  Beflektor  fand  er  nur 
17  Kerzen.  Im  Schatten  einer  die  Decke  tragenden  Säule  waren 
ohne  Reflektor  nur  1,6  MK,  mit  Beflektor  aber  2,8  MK.  In  ei] 
Entfernung  von  etwa  6  Metern  von  der  Lampe  zeigte  sich 
Beleuchtung  trotz  dea  Reflektors  ebenso  hell  als  ohne  Beflektor,  ae 
data  keine  Verdunkelung  durch  den  Apparat  in  der  Ferne  eintrat; 
also  ein  grober  Fortschritt  gegenaber  den  Versacken  von  Eubmavh 
and  Renk. 

2.  Der  Seiteulkhtreflektor.  Das  Patent  hat  die  allgemeine 
Elelrtricitfttagesellschaft  erworben;  der  Preis  ist  200—260  Mk.  Der 
Apparat  besteht  ans  zwei  schräg  an  der  Wand  und  excentriach  za 
einander  atigeordneten  Reflektoren.  Der  Haoptreflektor  hat  die 
Grobe  eines  Atetierfeneters.  Der  kleinere,  in  dessen  Mitte  sich  der 
Brennpunkt  befindet,  besteht  ans  verschiedenem  transparenten  Material. 
Die  Hälfte  dea  Lichts  geht  naeh  einmaliger  Befiektioa  vom  Haopt- 
reflektor auf  die  zu  beleuchtenden  Objekte,  die  andere  Hälfte, 
weiche  auf  den  kleineren  Reflektor  flült,  wird  teils  durchgelassen, 
teils  wieder  nach  dem  groben  zurückgeworfen.  Durch  Einlegung 
transparenter  Glasscheiben  kann  die  Helligkeit  dieser  8tdlea  beliebig 
verändert  werden,  so  dab  der  Künstler  oder  Lehrer  sich  selbst  die 
Schatten  beliebig  hart  oder  weich  zu  gestalten  im  atande  ist.  Dan 
licht  ist  diffus  and  blendet  nicht,  es  ist  moderationstiüiig  and 
glejchmftfgiger  verteilt  als  das  Tageslicht.  Denn  während  es  am 
Fenster  lOOmal  heller  ist  als  an  einer  10 Meter  gegenüberliegenden 
Waad,  worden  bei  diese»  Beflektor  in  2  Meter  Entfernung  11,6  MK, 
bei  10  Meter  aber  1,3  MK,  also  nor  9mal  weniger  Licht  gefunden. 
Der  Apparat  wird  in  Berlin  im  Kunstgewerbemuseum,  in  der  techni- 
schen Hochschule  und  in  der  Handwerkersehale  bereits  benutzt  und 
ist  in  der  That  für  Zeichensäle  sehr  so  empfehlen,  wohl' auch  ffer 
Bildergalerien.  Dr.  HhlDORn  in  Berlin  hat  auch  bei  12  Minetee 
Expositionszeit  sehr  gute  Photographien  mit  diesem  Beflektor  auf- 
genommen, welche  vorgelegt  werden.  Der  Oberlichtreflektor  ist  gewib 
für  alle  Hörsäle  und  für  Konzertsäle,  in  denen  die  Logenbesncher 
durch  die  Bogenlampen  geblendet  werden,  zu  empfehlen. 


387 

Das  elektrische  Licht,  so  falst  der  Vortragende  seine  Aus- 
führungen schliesslich  zusammen,  ist  jedem  anderen  vorzuziehen,  weil 
es  nicht  erhitzt,  kaum  zuckt,  nicht  blendet,  sehr  hell  ist  und  gleich- 
milkig  verteilt  werden  kann.  Möchten  die  Techniker  nur  Methoden 
finden,  um  es  billiger  zu  liefern! 

Der  Arbeitsunterricht  vor  der  Lehrerkonferenz 
des  Gymnasiums  und  Realgymnasiums  in  Görlitz. 

In  einer  Konferenz  des  Lehrerkollegiums  vom  Görlitzer 
Gymnasium  und  Realgymnasium  wurden  nach  einem  Referate  des 
Oberlehrers  Dr.  von  DBB  Yelde  über  die  dem  Kollegium  zur  Äuße- 
rung zugegangene  Denkschrift  des  „Deutschen  Vereins  für  Knaben- 
bandarbeit"  folgende  vom  Referenten  aufgestellte  Thesen  zur  Mit- 
teilung an  den  genannten  Terein  einstimmig  angenommen: 

1.  Die  erziehliche  Bedeutung  eines  geordneten  Handarbeits- 
unterrichts für  Knaben  wird  anerkannt 

2.  Die  Erteilung  solchen  Unterrichts  durch  Pädagogen,  welche 
sich  die  entsprechenden  Fertigkeiten  angeeignet  haben,  ist 
der  durch  Handwerksmeister  vorzuziehen. 

3.  Kein  Knabe  darf  seitens  der  Schule  zur  Teilnahme  am 
Handarbeitsunterricht  gezwungen  werden. 

4.  Abgesehen  von  geschlossenen  Erziehungsanstalten  (Internaten), 
ist  der  Handarbeitsunterricht  nicht  in  den  Schulorganismus 
einzufügen,  sondern  besonderen  Einrichtungen  (Handfertigkeits- 
schulen) zu  überlassen. 

5.  Von  jeder  Anstalt,  deren  Schüler  die  Handfertigkeitsschule 
besuchen,  ist  zur  Verwaltung  derselben  der  Direktor  oder 
ein  Lehrer  zuzuziehen,  um  eine  bestfindige  Verbindung 
zwischen  der  Erziehungsanstalt  und  der  Arbeitsschule  zu 

,      ermöglichen, 

6.  Für  die  Schüler  der  höheren  Lehranstalten  ist  der  Arbeits- 
unterricht in  die  spaten  Stunden  schulfreier  Nachmittage 
zu  legen. 

•7.  Die  Behandlung  der  Schüler  im  Arbeitsunterricht  mnft 
eine  derartige  sein,  dafe.  sie  darin  hauptsächlich  eine 
Erholung,  niemals  einen  lästigen  Zwang  fühlen. 

8.  Die  Schule  selbst  kann  zur  Förderung  des  erziehlichen 
Arbeitsunterrichtes  mitwirken,  wenn  im  physikalischen, 
mathematischen,  geographischen  Unterricht,  vielleicht  auch 
in  anderen  Fächern,  wo  es  sich  um  Herstellung  von 
Anschauungsniitteln  handelt,  die  Schüler,  welche  Anlage 
und  Neigung  dazu  zeigen,  zur  Anfertigung  derselben 
angeregt  werden. 


388 


kleinere  JUitttilttttgett. 


Ober  das  Vorkommen  von  Spiegelschrift,  besonders  im 

Kindesalter,  sind  Untersuchungen  von  Dr.  C ah en -Brach  yor- 
genommen  und  im  „Dtsch.  Arch.  f.  klin.  Med."  veröffentlicht  worden. 
Dieselben  fanden  an  Knaben  und  Mädchen  der  Elisabethvolksschule 
in  Graz  statt.  Verfasser  forderte  die  Kinder  auf,  mit  der  linken 
Hand  von  der  Mitte  der  Tafel  aus  ihren  Namen  und  die  Zahlenreihe 
von  1 — 9  auf  dieselbe  zu  schreiben;  die  Kleineren  schrieben  ein- 
fachere Wörter.  Die  von  manchen  vorgebrachte  Entgegnung,  mit 
der  linken  Hand  sei  ihnen  das  Schreiben  unmöglich,  liefe  sich  fast 
stets  durch  Zureden  überwinden.  Freilich  muteten  die  Kinder  des 
ersten  Jahreskurses,  welche  zumeist  im  7.  und  8.  Lebensjahre 
standen  und  Aber  die  Anfangsgründe  des  Schreibens  noch  nicht 
hinausgekommen  waren,  ihre  ganze  Aufmerksamkeit  aufbieten,  um 
mit  der  ungewohnten  Aufgabe  zu  stände  zu  kommen.  Die  nach- 
folgende Tabelle,  welche  eine  Übersicht  über  Zahl  und  Prozentsatz 
der  Spiegelschrift  schreibenden  Kinder  in  den  einzelnen  Klassen  gibt, 
begreift  nur  solche  Spiegelschriftler,  welche  bis  auf  eine  oder  wenige 
Zahlen  alle  Schriftzeichen  retrograd  entwarfen,  während  andererseits 
zu  den  Normalschreibern  auch  diejenigen  gerechnet  wurden,  welche 
bei  einer  oder  der  anderen  Ziffer  oder  Buchstabenfigur  in  die  vom 
Körper  wegfahrende  Spiegelschrift  verfielen. 


•   I.  Klasse  (unterrte) 

n.  „     

in.  „     

IV.    „      

v.    *      

VT.      „        (oberite). 


Schn- 
itt 


46 
67 
49 
49 
55 
61 


Spie- 

ۥ1- 

Mhrift- 

ler 


20 
7 
7 

s 

5 

8 


Pro- 
sent- 

Mtl 


SehQle- 
rlnnan 


43 
11 
14 
6 
9 
13 


67 
50 
48 
53 
44 
60 


Sple- 

fel- 

•chrtft- 

lar 


29 
11 
4 
4 
3 
6 


50   |    15  |  322  I   57 


43 
22 

8 

8 

7 

10 


Spie- 

«•1- 

Mhrift- 

ler 


113 

117 
97 

102 
99 

121 


49 
18 
11 
7 
8 
14 


Pro- 
ienC- 


43 
15 
11 
7 
8 
12 


Summa     327 


18  |  649 


107  |  16,5. 


Wie  die   vorstehende  Zusammenstellung   lehrt,   fand   sich  die 
Spiegelschrift  in  der  untersten  Klasse  bei  nahezu  der  Hälfte  der 


S39 


Kinder,  am  dann  unter  rascher  Abnahme  des  Prozentsatzes  etwa 
▼on  der  m.  Klasse  ab  ziemlich  gleichbleibend  nur  etwa  bei  ein 
Zehntel  derselben  vorzukommen;  und  zwar  war  das  Verhältnis  an- 
nähernd das  gleiche  bei  Knaben  und  Mädchen.  Wenn  schon  die 
grofte  Verbreitung  der  Spiegelschrift  bei  den  jüngsten  Schulkindern 
«  Ton  vornherein  unwahrscheinlich  machte,  dafs  sie  stets,  wie 
Soltmann  angibt,1  „den  Spiegel  einer  kranken .  Seele*  darstelle, 
so  sprach  auch  die  genauere  Untersuchung  der  Spiegelschriftler  da- 
gegen. Es  stellte  sich  nämlich  dabei  heraus,  dafs  dieselben  in  der 
L  Klasse  nur  zum  geringen  Teile  die  von  Soltmann  hervor- 
gehobenen psychopathischen  Merkmale  aufwiesen,  vielmehr  meistens 
von  solchen  frei  erschienen.  Grade  diese  Intakten  waren  es  freilich, 
deren  Reihe  sich  mit  zunehmendem  Lebensalter  und  gleichzeitigem 
Aufsteigen  in  der  Schule  mehr  und  mehr  lichtete,  so  dafs  in  den 
Westen  Jahrgängen  das  Kontingent  der  Spiegelschriftler  sich  fast 
lediglich  ans  geistig  abnormen  Kindern  zusammensetzte.  Zum  Teil 
deuteten  äuüsere  anatomische  Eigentümlichkeiten,  wie  Turmschädel, 
waseerkopfaiüge  Form  oder  Asymmetrie  des  Kopfes,  hohes  Gaumen- 
gewölbe, unregelmäßige  Zahnreihen,  auf  Entwicklungsstörungen  des 
Centralnervensystems  hin,  oder  es  lag  geradezu  eine  ausgesprochene 

vor.     Besonders   auffällig  war  auch  die  Thafsache, 


dafs  bei  den  Spiögelschrifttern,   zumal  denen   der  oberen  Klassen, 

sieh  Angabe  der  Lehrer  die  Minderbegabten  weit  stärker  vertreten 

waren,  als  dies  bei  den  Normalschreibern  der  Fall  war.     Einzelne 

letegrade  Schreiber   waren   sehr  schwachsichtig    oder   schwerhörig, 

gewöhnlich  schon  seit  langer  Zeit;  andere  hatten  Erscheinungen  von 

Epilepsie,  Veitstanz,  Neurasthenie.     So  genügte  zuweilen  schon  der 

tiefte  Anlab  des  Hervorrufens  vom  Sitzplatze,  um  bei  den  leicht 

erregbaren  Kindern  Zittern  und  Stottern  zu  erzeugen.     Verhältnis- 

■äfeig  häufig  trat  grade  bei  Mädchen  ein  im  Gegensatz  zu  ihrer 

intellektuellen  Befähigung   stehender  Mangel   an  Selbstbeherrschung 

herror.    Zerstreut  und  unruhig,  gaben  sie  oft  durch  Schwatzen  und 

Laden  während  des  Unterrichts  zu  Tadel  Anlafs.     Bei  ihren  Mit» 

tcaülerinnen  waren  sie  wegen  ihrer  Streitsucht  und  Launenhaftigkeit 

inbeliebt.    Wenn  es  nun  auch  unmöglich  war,  auf  Grund  der  an- 

gefthrten  psychischen  Besonderheiten  eine  scharfe  Grenze  zwischen 

gesunden  und  kranken  Spiegelschriftlern  zu  ziehen,   so  Aufs  doch 

liederholt  werden,   dafs   etwa   nach  Ablauf  des  10.  Lebensjahres 

mr  solche  Kinder  in  die   Spiegelschrift  gerieten,   für  welche  der 

SoLTMAUNsche  Satz   von   der  pathologischen  Bedeutung   derselben 

woü  zutraf.    Es  liegt  somit  kein  Grund  vor,  in  der  Spiegelschrift 


1  S.  die**  Z&itschrift,  1891,  No.  9,  3.  562—588. 


340 

ursprünglich  etwas  änderet,  alt  eine  physiologische  Erscheinung 
so  erblicken,  zu  welcher  en  Kind  mos  so  mehr  hinneigt,  je  Jünger 
es  ist  Erst  durch  das  Beharren  tbcr  das  erste  LebenqjahraefaoC 
hinaus  genannt  jene  Schreibart  eine  Bedentang  in  dem  Sinne 
8ox/DMAWfts,  wonach  dieselbe  den  Spiegel  einer  kranken  Seele 
darstellt  Damit  stimmt  Oberein,  dafis  die  im  allgemeinen  weniger 
intelligenten  Taubstummen  verbaltnismäfeig  häufig  mit  der  Linken 
Abduktionsschrift  schrieben.  So  finden  sich  tinter  77  Zöglingen 
der  Gräser  Taubstummenanstalt,  welche  meist  zwischen  dem  12.  und 
15.  Lebenqahre  standen,  27,  d.  h.  35%  solcher  Sehreibklnsller, 
während  die  entsprechende  Altersstufe  der  Elisabethschüler  nur  etwa 
10%  aufwies.  Vielfach  möchte  dieses  abweichende  Verhältnis  zurück- 
zuführen  sein  auf  eine  verkümmerte  Anlage  oder  eine  spätere 
Schädigung  des  nervösen  Centralorgans,  z.  B.  durch  Zangengeburt, 
Fall  n.  8.  w.  Wenigstens  deuteten  hieranf  Mißbildungen  des  Schädels 
und  das  geringe  Auffassungsvermögen  der  betreffenden  Kinder  hin. 
In  Übereinstimmung  mit  dem  von  8oltmakw  Beobachteten  schrieben 
ebenlies  solche  vorzugsweise  Spiegelschrift,  welche  durch  frühzeitige 
Entstehung  oder  hohen  Grad  der  Taubheit  hinter  ihren  ihrigen 
Leidensgenossen  zurückgeblieben  waren. 

Der  Schularzt  betitelt  sich  eine  Studie,  welche  Stadtarzt 
Dr.  A.  SP»»  zu  Frankfurt  a.  M.  in  der  „Bisch.  Vierie^aMrssdtr. 
f.  öffü.  G$dkUpflg*  veröffentlicht  Das  stärkere  Heranziehen  von 
Ärzten  zur  Schulaufsicht  Meise  sich  nach  ihm  in  folgender  Wene 
erreichen:  1.  In  jeder  Königlichen  Regierung  hat  in  der  Abteilung 
Ar  das  Schulwesen  ein  Arzt  Sita  und  Stimme,  der  seine  ganze 
Thätigkeit  ausschließlich  dem  Schulwesen  widmet  und  der  die  Schulen 
seines  Bezirkes  in  derselben  Weise  regelmäßigen  Inspektionen  unter- 
zieht, wie  dies  jetzt  seitens  des  Regierungsschulrats  geschieht.  Dieser 
Arzt  hätte  den  Titel  Regierungsschularzt  und  müfoe  pekuniär 
so  gestellt  sein,  dafe  ihm  Privatpraxis  verboten  würde.  2.  Der 
Regienmgs8chularzt  mufe  das  Phjsikatsezamen  und  eine  spedeUe 
Prüfung  in  Schulhygiene  hostenden  oder  sonstwie  seine  Vertrautheit 
mit  diesem  Kapitel  der  Hygiene  nachgewiesen  haben.  3.  Der 
Regierungsschularzt  ist  Mitglied  der  Abteilung  für  das  Schulwesen 
hei  der  Regierung,  beteiligt  sich  an  all  deren  Beratungen  und  hat 
speciell  die  sanitären  Fragen  zu  bearbeiten.  4.  Der  Regierungs- 
schularzt  hat  keinerlei  exekutive  Gewalt,  sondern  berichtet  stets  ther 
seine  Wahrnehmungen  an  die  Regierungsschdbehürde,  welche  die 
Ausführung  veranla&t.  5.  Den  Inspektionen  des  Regierungtsdnd- 
arztes  sind  nicht  unterstellt  die  Öffentlichen  städtischen  Schalen 
derjenigen  größeren  Gemeinden,  die  einen  eigenen  Ortssohnkrst 
haben,  nachdem  dieser  Schularzt  seitens  der  Regierang  anerkannt 


341 

woeden  ist.    6.  Der  Ortsschularzt  trascht  kein  beamteter  Arzt  zu 
sei»,    er  muis  aber  vor  der  Regierung  in  genügend   erscheinender 
Weise  Min  Vertrautsein  mit  der  Schulhygiene  nachweisen.    7.  Dieser 
Ortaadnlarrt    nafa  in   der  Ortseehaikommission  Sitz   and  Stimme 
haben,  an  den  Amtlichem  Beratungen  der  Schulkommission  teilnehmen 
«od    im  ifcr  die  sanitären  Fragen  bearbeiten,   also  namentlich  mit- 
wirken bei  der  Wahl  des  Platzes  für  eine  neu  zu  erbauende  Schale, 
bei  dem  Ben  mnd  der  ganzen  Einrichtung  derselben,  speeiall  bei  der 
Umtimimuifl  der  GröTse  and  Beleuchtung  der  Klassenzimmer,  bei  der 
Aeewahl  und  Aufstellung  richtiger  SubseHien,   bei  de*   Heiz-  und 
Ltftazngsanlagcn,  bei  der  Herstellung  der  Aborte,  der  Tarnhallen, 
bei  der  Sicherung  guten  Trinkwassers,  genügender  Gelegenheit  zur 
Bewegung  im  Freien  u.  s.  w.,  ferner  bei  Erlais  von  Vorschriften, 
betreffend  Heizung,  Lüftung,  Reinhaltung  der  Schulräume,   bei  der 
Anschaffung  der  Lehrmittel  u.  s.  w.    8.  Der  Schularzt  hat  außerdem 
Inspektionen   der   einzelnen  Scamleu   seines  Bezirks  vor- 
i,  die  Durchführung  aller  sanitären  Vorschriften  zu  über- 
wachen, hygienische  Mifsstände  zur  Kenntnis  der  Sdralbehöide  oder 
der  Schuldirektoren  zu  bringen  and  deren  Beseitigung  zu  beantragen, 
hei  epidemischen  Erkrankungen  unter  den  Schülern  die  erforderlichen 
Mamregein  zu  veranlassen  und  überhaupt  in  alten  sanitären  Fragen 
den  Direkteren   und  Lehrern   als  Ratgeber   zur   Seite  zu  stehen. 
9.  Der  Schularzt   wird   in  einer  seiner  Thätigkeit  entsprechenden 
Weise  honoriert     10.  Für  gröbere  Gemeinwesen  empfiehlt  es  sieh, 
dm  Schalarzt  auch  die  zahlreichen   anderen  bei   der  städtischen 
Verwaltung  voikoanmenden  hygienischen  Arbeiten  zu  übertragen  und 
so  statt  seiner  einen  Stadtarzt  anzustellen. 

Geiatige  Störungen  bei  Kindern  werden  von  Dr.  Sara 
Wilt  in  der  „New  York.  med.  Monafewkr."  besprochen.  Da» 
enaelben  in  der  That  bei  Kindern  verkommen,  ist  schon  lange 
bekannt.  So  mnd  Bbrehan  in  den  Akten  der  Brannsehweiger 
Irrenanstalt  vom  Jahre  1760  Mitteilungen  aber  ein  einähriges 
ttdehen,  das  wegen  Melancholie  zur  Kur  eingeschickt  worden  war. 
Ebenso  erzählt  GUDHf e  in  seinen  vermischten  Schriften  aus  dem 
Jahre  1790  von  dem  neunmonatlichen  Sohn  einer  blödsinnigen 
Matter,  welcher  an  Toteochteanfällen  litt.  Ja  vor  mehr  als  1400 
Jahren  betont  Coblius  Aubmxanüs  in  seinem  Buche  „De  morbis 
sentit  d  ckronicis"  das  seltene  Vorkommen  der  Manie  hei  Knaben 
ii  folgendem:  „Generator  antem  mania  frequentius  in  juvenibusac 
att&ÜB  aetatibos,  diföcile  in  senibus  atque  difficitius  in  pueris.a 
Äsch  erst  der  zweiten  Hälfte  unseres  Jahrhunderts  gebohrt  das 
Verdienst,  die  Geisteskrankheiten  d*B  Kindes  richtig  gewürdigt  zu 
haben,  und   zwar   verdanken   wir  dies  insbesondere  Männern,    wie 


842 

Ch.  Wbst,  BbbkhaK,  H.  Wbker  und  Muguibr.  Die  statistischen 
Angaben  über  die  Häufigkeit  der  Geistesstörungen  im  Kindesalter 
schwanken  bei  den  einzelnen  Autoren  bedeutend,  entsprechend  der 
Grenze,  welche  diesem  Alter  gesetzt  wird.  Jedenfalls  aber  steht  es 
fest,  dafs  Geisteskrankheiten  in  den  ersten  10  Jahren,  abgesehen 
vom  Blödsinn,  sehr  selten  sind.  Emminghaus  fand  auf  10000 
Einwohner  zwischen  dem  1.  bis  5.  Jahre  0,18,  zwischen  dem  6. 
bis  10.  Jahre  0,69  und  zwischen  dem  IL  bis  15.  Jahre  1,46  Irre,' 
während  Deboüttevillb  unter  den  von  1827  bis  1834  in  Saint- 
Ton  aufgenommenen  Geisteskranken  0,9%  zwischen  5  und  9  Jahren, 
3,5%  zwischen  10  und  14  und  20%  zwischen  15  und  20  Jahren 
konstatierte.  Turkham  endlich  ermittelte  bei  einer  Zahl  von 
21 3S3  Geisteskranken  nur  8  noch  nicht  10  Jahre  alte  Kinder, 
wobei  freilich  die  Blödsinnigen,  welche  weitaus  zahlreicher  sind, 
nicht  mitgerechnet  wurden.  Denn  die  häufigste  Geistesstörung  im 
Kindesalter  ist  der  Idiotismus,  sei  er  angeboren  und  auf  ungenügender 
•Entwicklung  des  Gehirns  beruhend,  sei  er  erworben  und  das  Endresultat 
einer  anderen  vorausgegangenen  geistigen  Erkrankung.  Dann  folgen 
der  Häufigkeit  nach  die  maniakalischen  Erregungszustände  und.  die 
Manie,  während  die  Melancholie  verhältnismässig  sehr  selten  ist  und 
erst  im  späteren  Kindesalter  auftritt.  Es  ist  aber  wohl  anzunehmen, 
da&  Geisteskrankheiten  bei  Kindern  häufiger  vorkommen,  als  ans 
den  eben  mitgeteilten  statistischen  Angaben  erhellt.  Bedenkt  man, 
dals  keine  Psychose  in  der  Kindheit  mit  dem  vollständigen  Sym- 
ptomenkomplex als  ein  einheitliches  Krankheitsbild,  wie  bei  Er» 
wachsenen,  auftritt,  so  begreift  sich  leicht,  dafs  die  Anzeichen  eines 
geistig  erkrankten  Kindes  manchmal  als  grobe  Unart  oder  boahafte 
Anlage  gedeutet  werden  und  erst  das  Endprodukt,  der  Idiotismus, 
eine  richtige  Beurteilung  findet.  Als  ursächliches  Moment  für  das 
Zustandekommen  von  geistigen  Störungen  im  Kindesalter  kommen 
neben  der  Erblichkeit,  namentlich  von  mütterlicher  Seite  her,  Kopf- 
verletzungen während  der  Geburt  oder  auch  später  in  Betracht, 
ferner  akute  Erkrankungen  und  abnorme  Entwicklungszustände  des 
Gehirns,  Sonnenstich,  Schreck  und  Infektionkrankheiten,  von  denen 
in  erster  Linie  Typhoid,  Lungenentzündung  und  Gelenkrheumatismus, 
in  zweiter  Masern,  Scharlach  und  Diphtherie  zu  nennen  sind. 

Eine  neue  Schulkrankheit.  In  der  „Manch,  med.  Wochscbr." 
schreibt  Dr.  Wbbthbimbbb:  Zum  Kapitel  der  Schulkrankheitea 
möchten  wir  auf  den  bisher  noch  wenig  beachteten  vomitus  ner- 
vös us  hinweisen.  Es  ist  ein  nicht  allzuseltenes  Vorkommnis,  dals 
Kinder,  namentlich  solche  von  neurasthenischer  Anlage,  während  der 
Morgenstunden  in  der  Schule  von  Übelkeit  und  Erbrechen  befallet 
werden,    eine  Erscheinung,   die  bei  mehr  oder  minder  regelmäßiger 


343 

Wiederkehr  in  manchen  Fällen  monatelang  fortdauert,  bisweilen  mit 
habituellem  Kopfschmerz  verbunden  ist,  oft  aber  auch  ohne  diesen 
sich  einstellt  Die  Kinder  bieten  .dabei  keinerlei  Verdauungsstörungen 
dar,  und  das  Erbrechen  hört  vollständig  zur  Zeit  der  Schulferien  auf. 

*  Was  us  die  Pocken  in  England,  namentlich  bezfiglieh 
der   Jagend,    lehren.     Der    18.    Jahresbericht   der   englischen 
Gesundheitsbehörde    enthält    auch    interessante    Mitteilungen    über 
einige  während  der  großen  Pockenepidemie  von  1887 — 88  in  der 
Fabrikstadt   Sheffield   gemachte   Beobachtungen    und    Erfahrungen. 
Dieselben  beziehen  sich  auf  nicht  weniger  als  6088  Pockenerkrankungs* 
fidle  mit  590  Gestorbenen,  über  welche   alle  der  Berichterstatter, 
ncm  Teil  durch  Nachfrage  von  Haus  zu.  Haus,  möglichst  eingehende 
Auskunft  sich  verschafft  hat.   Was  das  Verhältnis  der  Pockenkranken 
zu  den   Geimpften  betrifft,   so    schickt   der  Referent  voraus,    dafe 
die    Einwohner    von    Sheffield    den    Vorschriften    der    Impfgesetze 
durchschnittlich  ebenso  gut  nachgekommen  waren,  wie  die  Einwohner 
der  übrigen  englischen  Städte.    Während  im  Jahre  1862  noch  13 
oder  14%  aller  Schulkinder  ungeimpft  befunden  wurden,   hat  eine 
entsprechende  Untersuchung  im   Jahre    1888   ergeben,    daß  kaum 
1%  derselben  ungeimpft  waren.,    Im  ganzen  mufs  man  annehmen, 
dak  2  °/o  der  gesamten  Bevölkerung  sich  nicht  hatten  impfen  lassen. 
Diese  2%  verhielten  sich  nach  dem  Ausdrucke  des  Berichterstatters  den 
Pocken  gegenüber  wie  Leute  des  17.  und  18.  Jahrhunderts,   also 
Leute  ans.  einer  Zeit  ohne  Impfschutz,   unter  einer  dem  19.  Jahr- 
hundert  ungehörigen   Bevölkerung.    Es   wurden   nämlich   von   den 
Poeken  befallen  unter  je  1000  geimpften  Kindern  bis  zu  10  Jahren 
5,  anter  ebenso  vielen  ungeimpften  Kindern  bis  zu  10  Jahren  101. 
Die  Pockensterbliehkeit  unter  den  geimpften  Kindern  dieses  Altera 
betrug   0,09  %<s   unter  den  ungeimpften  44  %o.    Weiter  hat  der 
Berichterstatter  die  Erkrankungs-  und  Sterblichkeitsverhältnisse  der 
Kinder  bis  zu  10  Jahren  in  verseuchten  Häusern  untersucht.    Von* 
je  1000  in  pockenverseuchten.  Häusern  lebenden  geimpften  Kindern 
erkrankten  78  und  starb   1,   von  der  gleichen  Anzahl  ungeimpfter 
Inder  erkrankten  869  und  starben   381.    Unter  den  erwähnten 
ungünstigen  Verhältnissen  hatten  also  geimpfte  Kinder  gegenüber  den 
angeimpften  eine  11  mal  geringere  Gefahr,   an  den  Pocken  zu  er- 
kranken,   und  eine  381  mal  kleinere  Gefahr,    an    den   Pocken   zu 
sterben.    Etwas  anders  gestalten  sich  die  Verhältnisse  für  Personen 
im  Alter  von  mehr  als  10  Jahren.    Von  je  1000  Individuen  dieses 
Ahers,  welche  zweimal  geimpft  waren,  erkrankten  3,  starben  0,08, 
von  je  1000,  welche  einmal  geimpft  waren,  erkrankten  19,  starb  1, 
tob  ebenso  vielen,  welche  ungeimpft  waren,  erkrankten  94,  starben 
51.    In  den.  Häusern,   welche  bereits   von  den  Pocken    befallen 


wäre»,  erkrankte«,  becw.  starben  ron  je  1000  Personen  der  Alters- 
klasse über  10  Jahren,  sofern  sie  geimpft  waren,  261,  bezw.  14, 
sofern  sie  ungeimpft  waren,  686,  bezw.  371.  Hiernach  hatten 
auch  iltere  Perionen,  wenn  sie  geimpft  wann,  in  den  pocken- 
wseaehteu  Häusern  eine  geringere  Gefahr,  zu  erkranken,  und  ein 
weit  schwächeres  Risiko,  an  den  Pocken  zu  sterben,  als  ungeimpfte. 
Bemerkenswert  sind  auch  die  an  dem  Haaspersonal  der  Poeken- 
krankenhäoser  gesammelten  Erfahrungen.  Von  18  Personen,  welche 
schon  froher  die  Pocken  aberstanden  hatten,  erkrankte  niemand, 
von  62  einmal  in  der  Kindheit  Geimpften  wurden  6  befallen  und 
starb  1,  von  den  übrigen  81,  die  erfolgreich  wiedergeimpft  waren, 
erkrankte  keiner.  An  den  in  betreff  ihres  Impfznstandes  leicht 
kontrollierbaren  Angehörigen  dreier  Berufaweige  wurden  folgende 
Beobachtungen  gemacht:  Dem  Militär  aller  Chargen  gehörten  in 
Sheffield  880  Personen  an,  welche  nominell  •  alle  wiedergeimpft 
waren.  Hiervon  erkrankten  12  und  starb  1,  und  zwar  waren  nach 
Mitteilung  des  zuständigen  Militärarztes  alle  12  «folglos  wieder- 
geimpft Ton  den  872  Potizehnannschaften  der  Stadt,  welche  den 
Kachweis  einer  stattgehabten  Wiederimpfung  bei  der  Anstellung 
nicht  beizubringen  haben,  erkrankten  10  Konstabier  an  den  Pocken, 
diese  10  waren  nur  einmal  geimpft,  aber  noch  nicht  wiedergeimpft 
worden.  Unter  den  290  Beamten  des  Sheffielder  Postamts,  welche 
alle  bei  ihrer  Anstellung  wiedergeimpft  worden  waren,  ist  niemand 
von  der  Seuche  befallen  worden.  Während  aus  den  vorstehend 
kurz  mitgeteilten  Thatsachen  der  sehr  erhebliche  ßchutz  gegen 
Pockenerkrankungen,  zumal  schwere  Formen,  den  die  erfolgreiche 
Impfung  gewährt,  aufs  deutlichste  erhellt,  ist  in  Sheffield  eine 
andere  Erfahrung  gemacht  worden,  welche  einen  ungünstigen 
Einflufs  der  Pockenspitäler  auf  ihre  nächste  Umgebung  zeigt  Im 
Mai  und  Juni  1887  war-  die  Epidemie  ausgebrochen  und  abhald 
das  Pockenspital  inmitten  der  Stadt  belegt.  In  den  ersten  14  Tagen 
des  Mionate  Juli  kamen  darauf  60  neue  Pockenflffle,  überwiegend 
aus  Häusern  in  der  Nachbarschaft  des  Hospital«,  zur  Anmeldung. 
In  einer  Entfernung  vom  Krankenhause  von  0 — 1000  Puls  waren 
betroffen  l,75°/e  der  Häuser,  in  1000—2000  Fufe  0,50%,  « 
2000—8000  Fuft  0,14%,  in  8000-4000  Fuf b  0,05%,  weitemb 
0,02%.  Ob  eine  Verbreitung  des  Pockengiftes  durch  die  Ldt 
oder  durch  persönlichen  Verkehr  stattfand,  war  nicht  zu  ermitteln. 
Verfasser  läEst  die  Frage  offen,  ob  nicht  dieses  central  gdegeae 
Spital  während  der  Epidemie  mehr  Schaden,  als  Nutzen  gebracht 
habe.  Zum  Schlüsse  wird  erwähnt,  dab  in  den  letzten  drei  Jahren 
nicht  auf  einem  einzigen  Totenscheine  aus  Sheffield  irgend  ein 
Zusammenhang  der  Todesursache  mit  einer  stattgehabten  Impfong 
vermerkt  ist. 


S4B 

W.JLV 

Btkteritlogische  Unters*chiing  des  Dorpater  Universit*t#- 
kitwiggwaasers.  Wie  schon  froher,1  so  ist  auch  in  den  Sommer- 
monaten 1892  das  Wasser  der  Uairersitätsleitung  in  Dorpat,  und 
zwar  von  W.  KotziN  untersucht  worden.  Nach  der  „Hyg. 
Jbmdsch*"  logt  derselbe  bei  der  Begutachtung  eines  Wassers  den 
Hauptwert  auf  die  bakteriologische  Prüfung,  verlangt  jedoch)  dafe 
womöglich  auch  die  chemische  Analyse  gemacht  werde.  Die  Anzahl 
der  Keime  im  Brunnenwasser  schwankte  zwischen  3  und  20  in 
1  ccm.  Kotzin  konnte  feststellen,  dafs  Bakterien»  die  in  der 
Pumpe,  bezw.  im  Bohr  an  einer  geschnürten  Stelle  sich  entwickelt 
hatten,  durch  kräftiges  Pumpen  entfernt  werden  und  dem  Wasser 
tich  beimischen.  Ein  neu  erbauter  artesischer  Brunnen  zeigte 
0—4  Keime  in  1  com,  ein  Brunnen,  der  zur  Speisung  der  psychiatri- 
schen Klinik  mit  Gebrauchswasser  diente,  167—2780  und  ein 
Brennen,  der  nur  zum  Beinigen  der  Wäsche  Wasser  lieferte,  63 
bis  196.  Letzterer  hatte  also  besseres  Wasser,  als  der  zum  Trinken 
bestimmte  Brunnen.  Aus  den  weiteren  Zahlen,  die  der  Verfasser 
angibt,  ersieht  man,  dafs  das  Dorpater  Univeraitätaleitungswasser 
vorzüglich  genannt  werden  darf. 

Das  Sckulsanatorinm  in  Heran  unter  Leitung  des  Dr,  phil. 
Fritz  Petermann  besteht  seit  Anfang  des  Jahres  1889.  Dasselbe 
befindet  sich  in  der  „Villa  Fürstenstein"  am  Südabhange  des  Küchel- 
berges, etwa  30  Meter  über  der  Thalsohle  und  der  Stadt  und  ist 
Ton  dem  Mittelpunkte  der  letzteren  in  5  Minuten  zu  erreichen. 
Bis  Haus  liegt  isoliert,  von  Weingarten  rings  umgeben.  Gegen 
Nord-  und  Ostwinde  ist  es  durch  Berge  vollständig  geschützt  Yor 
demselben  befindet  sich  ein  nach  Süden  offener  Spiel-  und  Turnplatz. 
Der  Lehrplan  ist  derjenige  eines  deutschen  Realgymnasiums,  doch  wird 
tnf  Wunsch  auch  jeder  andere  Unterricht  erteilt.  Die  Schüler 
tmen  täglich,  und  zwar  dank  dem  milden  Klima  auch  in  den 
Wintennonaten  meist  im  Freien.  Im  Sommer  werden  sie  regel- 
mäßig in  das  städtische  Schwimmbad  geführt.  Außerdem  sind  die 
nahen  Höhen  das  Ziel  kürzerer  oder  längerer  Wanderungen.  Yen 
den  seit  1889  in  das  Schulsanatorium  eingetretenen  Pensionären 
litten  3  im  Alter  Ton  9,  11  und  12  Jahren  an  Ktaperschwäohe 
tad  Skrofulöse.  Schon  nach  einigen  Monaten  erholten  sie  sich  und 
kehrten  später  gekräftigt  in  ihre  Heimat  zurüok.  Ein  16  Jahre 
«her  Pensionär  war  lungenleidend  und  körperlich  sehr  herab- 
gakommeiL  Während  seines  liermonatlichen  Aufenthaltes  in  der 
Anstalt  kam  das  Leiden  mim  Stillstand,  die  Kräfte  hoben  sich 
bedeutend,  das  Körpergewicht  nahm  um  9,5  kg  au.    Entgegen  dem 


1  8.  die*  Zeitschrift,  1893,  No.  7,  8.  325. 

SetmlfMondheitopflege  Tl.  23 


346 

arztlichen  Rate  kehrte  er  zu  seinen  Eltern  zurück  und  erlag  hier 
der  Schwindsucht.  Ein  anderer  im  Alter  von  13  Jahren  litt  an 
Lnngenemphy8em,  starkem  Asthma  und  Verdauungsstörungen.  Nach 
sechsmonatlichem  Aufenthalte  war  er  von  den  fast  taglichen  Asthma- 
anfallen  befreit  und  weilt  seitdem  frisch  und  gesund  in  der  Anstalt. 
Eine  neue  Schulbank,  die  in  ihrer  Konstruktion  den  ver- 
schiedenen Beschäftigungen  des  Schulers  Rechnung  trägt,  wurde  von 
Lehrer  S.  Wojcihchowski  in  Kosten  konstruiert.  Der  Sitz  der- 
selben ißt  ein  Einzelsitz  und  besteht  aus  zwei  unter  einem  spitzen 
Winkel  zu  einander  geneigten  Flächen,  welche  durch  zwei  etwas  vom 
Rande  abstehende  Zwischenstücke  miteinander  verbunden  sind.  In 
den  Zwischenstücken  sind  eiserne  Lager  angebracht,  durch  welche 
eine  eiserne  Axe  läuft.  Um  diese  ist  der  Sitz  drehbar.  Derselbe 
läfst  sich  so  in  drei  verschiedene  Lagen  bringen:  in  die  Lesestellung 
(Plusdistanz),  in  die  Schreibstellung  (Minusdistanz)  und  in  eine 
mittlere  Stellung,  welche  das  Aufstehen  des  Schülers  ermöglicht. 
Hierbei  drückt  derselbe  mit  den  Kniekehlen  den  Sitz  in  diese 
Stellung.  Die  Schreibstellung  zwingt  ihn  zugleich,  grade  zu  sitzen; 
dadurch,  dafs  die  Achse  im  Sitze  excentrisch  angebracht  ist,  rückt 
letzterer  bei  dieser  Stellung  tiefer,  so  dafs  der  schreibende  Schüler 
die  Arme  bequem  auflegen  kann. 


&n)e0)efd)i4tlid)es 


Internationale  medizinische  nnd  hygienische  Ausstellung 
in  Rem.  Gleichzeitig  mit  dem  XI.  internationalen  Ärztekongresse 
in  Rom  wird  daselbst  eine  medizinische  und  hygienische  Ausstellung 
vom  15.  September  bis  15.  Oktober  d.  J.  stattfinden.  Präsident  derselben 
ist  unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Generaldirektor  Professor 
Dr.  Pagliani  in  Rom.  Als  Ausstellungsraum  ist  das  grofse  Kunst- 
gebäude in  der  Via  nazionale  in  Aussicht  genommen.  Anfragen  und 
Anmeldungen  sind  an  Professor  Pagliani,  Ministerium  des  Innern 
in  Rom,  zu  richten. 

Doccnten  der  Schulhygiene  an  den  Lehrerinnenbildungs- 
ansütlten  in  Österreich«  Der  österreichische  Kultusminister  hat, 
wie  die  „Neuet"  berichtet,  mit  Erteilung  des  Unterrichtes  in  der 
Schulhygiene  an  den  Lehrerinnenbildungsanstalten  vom  Schuljahre 
1892 — 93  an  folgende  Docenten  betraut:  in  Wien  den  k.  k.  Ober- 
sanitätsrat   und    aufserordentlichen    Universitätsprofessor,    Stabsarzt 


347 

Dr.  Florian  Kratschmer;  im  k.  k.  Civilmädchenpensionate  zu 
Wien  den  Assistenten  am  hygienischen  Institute  daselbst  Dr.  Adolf 
Heider  ;  in  Linz  den  k.  k,  Statthaltereikoncipisten  Dr.  Emil  Mecraus; 
in  Innsbruck  den  praktischen  Arzt  Dr.  August  Lieber;  in  Krems 
den  k.  k.  Sanitätsreferenten  Dr.  Edwin  Poda  ;  in  Graz  den  Gerichts- 
arzt Dr.  Karl  KautzneR;  in  Laibach  den  k.  k.  Regierungsrat 
Dr.  Friedrich  Heerbacher  ;  in  Ragusa  den  k.  k.  Bezirksarzt 
Dr.  Marcellus  Wendziloviä  ;  in  Prag  mit  deutscher  Unterrichts- 
sprache den  k.  k.  Bezirksarzt  im  Königlichen  Weinberge  Dr.  Nathan 
Schwarzkopf,  mit  böhmischer  Sprache  den  k.  k.  Statthalterei- 
koncipisten Dr.  Josef  Cernt;  in  Brunn  mit  deutscher  Sprache  den 
Assistenten  im  Sanitätsdepartement  der  k.  k.  Statthaltern  Dr.  Ernst 
Dworak,  mit  böhmischer  Sprache  den  Privatarzt  Dr.  Franz  Kuthan- 
in  Troppau  den  k.  k.  Sanitätsassistenten  Dr.  Emanuel  HaiN;  in 
Lemberg  den  Magister  der  Chirurgie  Eduard  Madejsky;  in 
Krakau  den  k.  k.  Bezirksarzt  und  Privatdocenten  an  der  Universität 
Dr.  Kaaimtr  GrabowsKy;  in  Przemysl  den  k.  k.  Bezirksarzt 
Br.  Ferdinand  Cassina;  in  Czemowitz  den  Bezirksarzt  und 
Sanitäterat  Dr.  Abalbert  Kasprztski. 

Einige  neuere  Urteile  über  die  Steilschrift.  Die  medi- 
zinische Sachverständigenkommission,  welche  seiner  Zeit  von  dem 
Statthalter  Feldmarschall  von  Manteuffel  zur  Begutachtung  des 
Elsals-Lothringenschen  Schulwesens  eingesetzt  worden  war,  hatte  in 
der  Schriftfrage  ihr  Urteil  mit  den  Worten  abgegeben:  „Wir  sind 
für  Beibehaltung  der  üblichen  Schrägschrift".  Auf  dieses  Urteil 
haben  sich  die  Gegner  der  Steilschrift  vielfach  berufen.  Nun  aber 
stammt  dasselbe  aus  dem  Jahre  1883,  also  aus  einer  Zeit,  wo  die 
grundlegenden  Untersuchungen  von  Dr.  Schubert,  Dr.  Mater, 
Dr.  Schenk  u.  a.  über  die  Steilschrift  noch  gar  nicht  veröffentlicht 
waren.  Wie  der  Urheber  des  obigen  Satzes,  der  Professor  der 
Augenheilkunde  Dr.  Laqueür  in  Strafsburg,  jetzt  über  die  Frage 
denkt,  erhellt  aus  nachstehendem  an  den  Hauptlehrer  Soharfp 
gerichteten  Briefe,  den  wir  den  »Flensb.  Nachr."  entnehmen: 
„Strafeburg,  den  12.  Oktober  1892.  Hochgeehrter  Herr!  Indem  ich 
Ihnen  für  die  freundliche  Übersendung  der  Nummer  der  „Mensburger 
Nachrichten" ,  wie  der  übrigen  Drucksachen  meinen  besten  Dank  aus- 
spreche, beehre  ich  mich,  Ihnen  auf  Ihre  Anfrage  folgendes  zu  erwidern. 
Sie  dürfen  auch  mich  zu  den  Bekehrten  zählen.  Aller- 
dings habe  ich  mich  vor  etwa  10  Jahren  aus  theoretischen  Gründen 
ftr  die  Schrägschrift  mit  mittlerer  Heftlage  ausgesprochen  und  bin 
auch  heute  noch  der  Meinung,  dafs  sie  für  die  Augen  nicht  an- 
strengender ist  als  die  Steilschrift  und  hinsichtlich  der  Armmuskulatur 
sogar  gewisse  Vorzüge  vor  dieser   besitzt.     Allein   was   nützen 

23* 


348 

alle  theoretischen  Erwägungen,  wenn  die  Thatsachen 
so  laut  und  beredt  für  die  senkrechten  Schriftzfige 
sprechen,  wie  die  Beobachtungen  an  den  bayrischen  Schulkindern? 
Wenn  ich  daher  auch  nicht  versprechen  kann,  für  meine  Person 
jetzt  noch  in  meinem  sechsten  Lebenadecenninm  zur  Steilschrift 
überzugehen,  so  möchte  ich  doch  nicht  dazu  beitragen, 
die  Einführung  dieser  Schreibweise  bei  den  jüngeren 
Generationen  zu  erschweren,  nachdem  bewiesen  ist, 
dafs  sie  eine  bessere  Körperhaltung  verbürgt  Indem  ich 
Ihnen  gern  gestatte,  Ton  meiner  Erklärung  den  Ihnen  geeignet 
scheinenden  Gebranch  zu  machen,  bin  ich  mit  vorzüglicher  Hoch- 
achtung Ihr  ergebenster  Professor  Dr.  Laqubuk,  Direktor  der 
Univeraititsaug6nklinik.u  Die  hier  erwähnten  Beobachtungen  an  bay- 
rischen Schulkindern  sind  im  vorigen  Jahre  in  München,  Nürnberg 
und  Fürth  von  Ärzten  angestellt  worden.  Das  Resultat  derselben 
war,  dab  bei  senkrechter  Schrift  mindestens  doppelt  so  viele  Schüler 
gut  saban,  als  bei  schräger  Schrift  und  dab  die  Steilschreiber  mit  ihren 
Augen  6  bis  7  cm  weiter  von  der  schreibenden  Federspitze  entfernt 
blieben,  als  die  Schrftgschreiber.  —  Ein  anderes  Urteil  über  die 
Steilschrift  geht  uns  von  Herrn  Lehrer  Ph.  Ztmkkrmawk  in 
Frankfurt  a.  M.  zu.  Derselbe  schreibt  uns:  Heine  Erfahrungen,  die 
ich  seit  2  Jahren  mit  den  Erfolgen  der  Steilschrift  in  einer  Auf- 
nahmeklasse mache,  sprechen  mit  aller  Entschiedenheit  für,  aber 
nicht  gegen  die  senkrechte  Schrift.  Ihre  Vorzüge  sind:  1.  Grad- 
richtung des  Kürpers,  2.  bequemere  und  naturgem&be  Haltung  der 
Feder,  3.  erhebliche  Erleichterung  der  Disciplin  und  somit  4.  Scho- 
nung der  Lehrerlnnge,  5.  leichtere  Aneignung  der  Buchstabenferman, 
weil  das  Kind  seinen  ersten  Zeichen  stets  eine  senkrechte  Stellung 
gibt,  6.  gröbere  Deutlichkeit  und  infolgedessen  leichtere  Leserlich- 
keit der  Schrift.  Alle  diese  bereits  von  anderen  gemachten  Beob- 
achtungen haben  sich  voll  und  ganz  bestätigt,  und  die  greifbaren 
Resultate  sind  hinter  den  gehegten  Erwartungen  auch  nicht  um  einen 
Deut  zurückgeblieben.  Und  wenn  im  ersten  oder  zweiten  Schul- 
jahre die  Haltung  noch  etwas  zu  wünschen  übrig  l&bt,  so  trügt  nicht 
die  Steilschrift  die  Schuld  hieran,  sondern  der  Kleinen  schwacher 
Bücken,  der  eben  zu  früh  durch  den  Schreibunterricht  zu  einer  der 
anstrengendsten  Leistungen  verurteilt  wird.  Es  steht  daher  bei  mir 
auch  die  Überzeugung  fest,  dab  wir  nach  10  Jahren  mit  unseren 
A-B-C-Schfltzen  im  ersten  Schuljahre  nicht  mehr  schreiben  werden, 
wie  dies  unter  anderen  Professor  Dr.  von  Zihbndir  in  seinen 
„Vorträgen  über  Schulgesundheitspflege"  fordert.  —  Weitere 
günstige  Erfolge  der  Steilschrift  werden  aus  Haderaleben  in  Holstein 
berichtet.     In   dem  dortigen  Lehrerseminar  wurde   auf  Anordnung 


349 

der  Behörde  seit  einem  halben  Jahre  in  der  dritten  Klasse  die 
senkrechte  Schrift  nach  den  SCHARFFschen  Heften  versuchsweise 
geübt.  Das  Ergebnis  ist,  wie  die  „Neu.  Bahn."  berichten,  ein  so 
günstiges  gewesen,  dafa  das  Proyinzialschnlkollegium  infolge  einer 
Eingabe  die  Einführung  der  senkrechten  Schrift  für  alle  Klassen  ge- 
nehmigt hat.  —  Dagegen  soll  nach  derselben  Quelle  eine  auf  Ver- 
anlassung des  Königlich  württembergischen  Ministeriums  des  Innern 
berufene  Kommission,  aus  Schulmännern,  Augenärzten  und  Medizinal- 
beamten bestehend,  das  Ergebnis  ihrer  ausführlichen  Darlegungen, 
wie  folgt,  zusammengefaßt  haben:  „Wir  stehen  nicht  an,  mit  Be- 
stimmtheit zu  behaupten,  dafs  die  rechtsschiefe  Schrift,  also  die  heut- 
zutage übliche,  bei  schräger  Mittenlage  des  Heftes  und  leicht  geneigter 
Tischplatte  die  den  anatomischen  Verhältnissen  der  Hand  und  des 
Annes,  wie  den  Bewegungsgesetzen  der  Augen  am  meisten  ent- 
sprechende und  daher  die  physiologische  Schrift  ist."  Über  dieses 
sagebliche  Gutachten  sind  nähere  Erkundigungen  von  uns  eingezogen 
worden,  und  Herr  Medizinalrat  Dr.  Rbmbold  in  Stuttgart  hat  die  Güte 
gehabt,  uns  nachstehende  Antwort  zugehen  zu  lassen:  „Im  württem- 
bergischen Ministerium  des  Innern  ist  in  letzter  Zeit  über  grade 
oder  schräge  Schrift  nicht  das  mindeste  verhandelt  worden,  ins- 
besondere ist  das  diesem  Ministerium  untergeordnete  Medizinal- 
kollegium seit  1884  mit  der  Frage  nicht  mehr  beschäftigt  gewesen. 
Die  Notiz  ist  also  eine  irrige,  es  müfste  denn  sein,  dafs  im  Kultus- 
ministerium ausschließlich  von  Schulmännern  über  die  Sache  verhandelt 
worden  wäre.  Doch  ist  mir  das  sehr  unwahrscheinlich,  da  ich  in 
diesem  Falle  gewiüs  Gelegenheit  gehabt  hätte,  von  den  Verhandlungen 
etwas  zu  erfahren."  Übrigens  haben  auch  die  „Neu.  Bahn"  die 
Nachricht  inzwischen  widerrufen. 

Über  die   Studenten  Japans  in  köperlicher  Beziehung 

berichtet  Professor  Hirschberg  auf  Grund  eigener  Anschauung. 
Die  Studierenden  wohnen  innerhalb  des  Bereiches  der  Universität 
oad  erhalten  für  billiges  Geld  gute  Verpflegung.  Auf  Lehren  und 
Lernen  wird  viel  Zeit  verwendet.  Doch  sind  auch  die  Ferien  so 
reich  bemessen,  wie  bei  uns.  Die  jungen  Leute  werden  sehr  streng 
gehalten:  sie  dürfen  auf  dem  Zimmer  weder  Tabak  rauchen,  noch 
alkoholische  Getränke  geniefsen  und  müssen  an  den  Wochentagen 
abends  um  8  Uhr  zu  Hause  sein.  Es  wird  sehr  früh  aufgestanden. 
So  hält  ein  Professor  seine  Sprechstunden  für  Augenkranke  schon 
früh  um  5  Uhr  ab.  Auf  Leibesübungen  legen  die  Studenten  wenig 
Wert.  Man  sieht  unter  ihnen  viele  Kranke  und  Jünglinge  von 
urtester  Muskulatur.  Schwindsucht  und  Kurzsichtigkeit  sind  sehr 
verbreitet.  Indes  sind  die  Japaner  keineswegs  ein  schwächliches 
Volk.    Die  Bauern  pflegen  mit  schweren  Lasten  zur  Stadt  zu  ziehen, 


360 

da  sie  wenig  Zugtiere  besitzen.  Mit  der  Sänfte  laufen  die  Träger 
1  bis  2  Stunden  und  zeigen  demgemäfs  eine  prächtige  Entwickelung 
der  Atemmuskulatur,  die  jedem  Bildhauer  zum  Modell  dienen  kann, 
ähnlich  wie  beim  farnesischen  Herkules.  An  den  Landungsplätzen 
sieht  man  die  Fischer  mit  Geschick  und  Riesenkraft  die  Schiffe  an 
den  Tauen  befestigen.  Aber  die  Studenten  sind  leider  sehr  schwach. 
Um  so  freudiger  ist  es  deshalb  zu  begrü&en,  dafs  sich  vor  kurzem 
in  Tokio  ein  akademischer  Turnverein  aufgethan  hat. 

Kriminalität  der  Jugendlichen.  Da  Kriminalität  und  körper- 
liche Verwahrlosung  sehr  häufig  Hand  in  Hand  gehen,  so  teilen  wir 
aus  der  Schrift  des  bekannten  Amtsrichters  Dr.  Asohroff  in  Berlin: 
„Die  Behandlung  der  verwahrlosten  und  verbrecherischen  Jugend 
und  Vorschläge  zur  Reform*  nachstehendes  mit.  Die  Gesamtzahl 
der  wegen  Verbrechen  und  Vergehen  gegen  Reichsgesetze  verurteilten 
Jugendlichen  ist  von  30  719  im  Jahre  1882,  dem  ersten  Erhebungs- 
jahre unserer  Reichskriminalstatistik,  auf  36  790  im  Jahre  1889 
gestiegen,  also  um  19,76  %,  während  die  Zahl  aller  Verurteilten 
in  diesem  Zeiträume  sich  nur  um  12,02%  erhöht  hat.  Die  starke 
Steigerung  der  Kriminalität  der  Jugendlichen  tritt  noch  schärfer 
hervor,  wenn  man  die  Zahl  der  bestraften  Jugendlichen  in  Verhältnis 
bringt  zu  der  Zahl  der  Gesamtbevölkerung:  auf  10000  Deutsche 
im  Alter  von  12  bis  18  Jahren  entfallen  im  Jahre  1882  56,7,  im 
Jahre  1889  64,2  Verurteilte.  Es  ist  dabei  daran  zu  erinnern,  dafe 
die  Reichskriminalstatistik  nur  die  wegen  Verbrechen  und  Vergehen 
gegen  Reichsgesetze  Verurteilten  zählt,  dafs  also  die  groüse  Zahl  der 
Übertretungen  und  die  Vergehen  gegen  Landesgesetze  ganz  aufser 
Betracht  bleiben.  Nach  einer  im  statistischen  Amt  vorgenommenen 
Schätzung  betragen  die  in  der  Reichskriminalstatistik  gezählten  Delikte 
nur  etwa  ein  Viertel  aller  abgeurteilten  strafbaren  Handlungen.  Im 
Jahre  1890  hat  sich  nach  den  in  der  Septembernummer  der  „Monats- 
hefte eur  Statistik  des  deutschen  Reiches"  veröffentlichten  vorläufigen 
Ergebnissen  der  Stand  der  Kriminalität  der  Jugendlichen  weiter 
verschlechtert.  Die  Zahl  der  verurteilten  Jugendlichen  ist  auf  40905, 
also  gegenüber  der  schon  mitgeteilten  Zahl  für  1889  um  weitere 
10%  gestiegen;  es  kommen  jetzt  auf  10000  der  Bevölkerung 
zwischen  12  und  18  Jahren  72,5  Bestrafte.  Diese  Verschlechterung 
ist  eine  viel  gröbere,  als  die  ebenfalls  zu  konstatierende  Ver- 
schlechterung der  allgemeinen  Kriminalität,  welche  im  Jahre  1890 
gegen  1889  nur  um  3,2%  zugenommen  hat.  Die  bestraften  Jugend- 
lichen betragen  jetzt  von  der  Gesamtzahl  aller  Verurteilten  10,7%, 
während  sich  ihre  Zahl  im  Jahre  1882  nur  auf  9,4%,  im  Jahre 
1883  nur  auf  9,1%  belief.  Die  Handlungen,  wegen  deren  Jugend- 
liche zur  Bestrafung  gelangten,  sind  vorzugsweise  solche,  welche  sich 


351 

als  Delikte  gegen  das  Vermögen  charakterisieren  lassen.  In  diese 
Kategorie  fallen  im  Jahre  1880  31 131  Verurteilungen  von  Jugend- 
lichen, darunter  18286  wegen  einfachen  Diebstahls,  3027  wegen 
schweren  Diebstahls  und  970  wegen  Diebstahls  im  wiederholten 
Buckfalle.  Noch  betrübender  wird  das  durch  die  Reichskriminal- 
statistik enthüllte  Bild  durch  die  Thatsaohe,  dafs  sich  die  Ver- 
mehrung der  Kriminalität  vorzugsweise  auf  die  alleijüngste  Klasse, 
auf  Kinder  im  Alter  von  12  bis  15  Jahren,  erstreckt.  Die  Zahl 
der  in  diesem  Alter  stehenden  Verurteilten  hat  sich  von  1883  bis 
1889  um  86,4%  gesteigert,  während  die  Zahl  der  bestraften  Jugend- 
lichen im  Alter  von  15  bis  18  Jahren  sich  in  dem  gleichen  Zeit- 
räume nur  um  20,94%  erhöht  hat.  Unter  den  bestraften  Jugend- 
lichen befanden  sich  im  Jahre  1889  5590,  das  sind  15%,  welche 
bereits  vorbestraft  waren,  und  unter  diesen  Vorbestraften  verübten 
*/s  die  neue  Strafthat  binnen  Jahresfrist  seit  Verbüfeung  der  Vorstrafe. 

Die  Schulgebäude  des  Kreises  Isenhagen  in  der  Lflne- 
bnrger  Heide  werden  von  Physikus  Dr.  Max  Langerhans  in  der 
„ZeUschr.  f.  MeäUtbeamt."  folgendermaßen  geschildert:  Was  die 
Bauart  der  älteren  und  Ältesten  Schulhäuser  betrifft,  so  lehnt 
sich  dieselbe  eng  an  den  Typus  des  niedersächsischen  Bauernhauses 
an,  welches  als  Behausung  für  Mensch  und  Vieh  seit  Jahrhunderten 
nach  demselben  Plane  errichtet  wird.  Durch  ein  weites,  in  der 
Giebelwand  gelegenes  Scheunenthor  betritt  man  die  „Diele",  wo 
gedroschen  und  das  Vieh  gefuttert,  aber  auch  auf  dem  mächtigen 
Herd  ohne  Schornstein  gekocht  wird.  Neben  dem  Herd  liegen 
zwei  Thuren,  von  denen  die  eine  rechts  in  die  Wohnstube  des 
Lehrers,  die  andere  links  in  die  Schulstube  fuhrt,  beides  ein  paar 
weite,  aber  niedrige  Räume  mit  vielen  Fenstern,  deren  kleine  blei- 
gefafete  Scheiben  nur  wenig  Licht  einlassen.  In  dem  Lehrerzimmer 
flfflt  vor  allem  die  „Butze"  auf,  ein  Mittelding  zwischen  Alkoven 
und  Wandschrank,  welches  als  Nachtlager  für  die  ganze  Familie 
dient  Nur  für  etwaige  erwachsene  Töchter  oder  für  die  Magd 
findet  sich  wohl  eine  winzige  Kammer  neben  der  Diele.  Auch  die 
Neubauten  von  Schulen  sind,  wenn  man  von  den  allerletzten 
Jahren  absieht,  nur  Variationen  über  das  Grundthema  des  nieder- 
sftchsischen  Bauernhauses.  Durchweg  ist  nicht  die  Schulstube,  sondern 
die  „Diele"  als  Mittelpunkt  des  Baues  gedacht.  Erst  in  jüngster 
Zeit  wird  jeder  Bauplan  dem  Regierangs-  und  Medizinalrat  zur 
Beurteilung  vorgelegt,  und  dementsprechend  sind  die  neuesten 
Schnlbauten,  da  der  Lüneburger  Bauer  mit  Geld  nicht  zu  kargen 
Pfcgt>  geradezu  mustergültig.  Unter  den  hygienischen  Mißständen 
der  filteren  Schulbauten  ist  hervorzuheben,  dafs  sich  Gerüche  aus 
dem  Kuhstall  und  ungezählte  Fliegenschwärme  in  dem  Schulzimmer 


352 

beftterklich  machen,  ja  dafs  stellenweise  die  Wand  desselben  tob 
dem  unmittelbar  daranstoCsenden  Schweinestall  ans  durchfeuchtet 
und  übelriechend  ist.  Schwierig  ist  nur  die  Frage,  wie  diesen 
Übelstanden  abgeholfen  werden  soll.  Denn  da  die  Vereinigung  von 
Mensch  und  Vieh  unter  einem  Dache  ein  durch  Jahrhundertelange 
Gewohnheit  geheiligter  Brauch,  da  ferner  der  Gesundheitszustand 
durchweg  gut  und  die  Sterblichkeit  sehr  gering  ist,  so  würden  die 
Leute  es  als  eine  ungeheuerliche  Bedrückung  empfinden,  wenn  sie 
nun  auf  einmal  alle  ihre  sonst  noch  baulich  ganz  guten  Schulhinser 
abschaffen  sollten.  Dr.  Lahöbbhans  ißt  auch  nicht  der  Ansicht, 
dato  die  Vereinigung  von  Schulstnbe  und  Lehrerwohnung  mit  Stauung 
und  Scheune  unter  einem  Dache  principiell  durchaus  zu  verwerfen 
sei.  Es  lassen  sich  vielmehr  Einrichtungen  treffen  und  sind  in 
einer  Reihe  von  Fallen  ^tatsächlich  getroffen  worden,  welche  alle 
gesundheitliehen  Gefahren  ausschliefsen.  Zu  diesen  Einrichtungen 
gehört,  dafe  die  Scheunendiele  die  Stallungen  von  den  Wohnräumen 
vollständig  scheidet.  Eine  etwaige  Durchtränkung  des  Bodens  unter 
den  Wohnzimmern  mit  Jauche  aus  den  Viehställen,  welche  bei  rich- 
tiger Anlage  der  letzteren  allerdings  überhaupt  nicht  vorkommen 
darf,  ist  durch  den  festen  Lehmschlag  der  Diele  ausgeschlossen. 
Da  auch  die  Wände  des  Hauses  eine  vollständige  Unterbrechung 
durch  die  grofsen  Öffnungen  für  die  beiden  Dielenthore  zeigen,  so 
haben  die  beiden  Abteilungen  des  Gebäudes  anfter  dem  Dache 
kaum  noch  etwas  gemein.  Wollte  man  in  engem  Anschlufs  an  die 
bekannten  fünf  preufsischen  Musterentwürfe  für  ländliche  Schulen1 
die  landwirtschaftlichen  Räume  gänzlich  aus  dem  Schulhause  ver- 
bannen, so  würde  dies  nur  einen  Rückschritt  bedeuten.  Denn  wenn 
man  ein  eigenes  Gebäude  für  Stall  und  Scheune  errichtet,  so  findet 
dies  naturgemäfs  seine  Stelle  dem  Schulgebäude  gegenüber  auf  der 
anderen  Seite  des  Hofes,  der  dann  in  seiner  Mitte  den  Dünger- 
haufen enthält,  gerade  unter  den  Fenstern  der  Lehrerwohnung  oder 
gar  der  Schulstube.  Auch  kann  bei  den  geringen  Dimensionen  des 
Hofes  der  Brunnen  gar  leicht  mit  dem  Düngerhaufen,  dem  Küchen- 
ausflufs  oder  der  Abortgrube  in  gefährliche  Kollision  geraten. 
Dagegen  hat  die  Trennung  der  Wohn-  und  Stallräume  durch  die 
Diele  den  Vorteil,  dafs  die  Thüren  der  Viehställe  mit  den  davor 
lagernden  Düngermassen,  die  nun  doch  einmal  ein  notwendiges  Übel 
bilden,  in  der  gröfeten  überhaupt  zu  erreichenden  Entfernung  von 
Sehulstube,  Küche  und  Wohnräumen  des  Lehrers  ihre  Stätte  finden. 
Es  ist  daher  durchaus  nicht  erforderlich,  dafe  man,  lediglich  einer 
gewissen  Uniformierungslust  zu  liebe,  da,  wo  die  Anlage  von  Vieh- 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1888,  No.  11,  8.  488—448.  •  D.  Red. 


363 

Italien  unter  einem  Dache   mit  dem  Schulhause  dem  Landesbraach 
entspricht,  dies  principiell  und  in  jedem  Falle  untersagt. 

Kurse  zur  Ausbildung  tob  Lehrern  und  Lehrerinnen  in 
dem  Jngendspielen.     Der  Centralausschuis  zur  Förderung  der 
Jugend-  und  Volksspiele  in  Deutschland  veröffentlicht  die  von  ihm 
far    das    laufende   Jahr    festgesetzten   Kurse    zur   Ausbildung   von 
Lehrern  und  Lehrerinnen.     Die  Zahl  der  Kurse  ist  gegen  das  Vorjahr 
verdoppelt  worden,  und  es  schliefst  sich  gegenwärtig  auch  Süd-  und 
Westdeutschland  dieser  Thfttigkeit  an.    Spielkurse  für  Lehrer  werden 
abgehalten:  vom  28.  Kai  bis  3.  Juni  in  Bonn  von  Dr.  med.  F.  A. 
Schmidt,   vom   5.  bis  10.  Juni  in  Berlin  von  Professor  Eckleb, 
S.W.  Friedrichsstrafee  229,    vom  5.  bis  11.  Juni  in  München  von 
Stadtschulrat  Dr.  Rohmieder,   vom  26.  Juni  bis  2.  Juli  in  Koburg 
von  Sehulrat  Hbckbnhayn,  vom  27.  August  bis  2.  September  in 
Fraalriurt  a.  M.  von  Turninspektor  Weidenbusch,  vom  27.  August 
bis  2.  September  in  Görlitz  von  Gymnasialdirektor  Dr.  £itner,  vom 
27.    August    bis    2«    September   in   Magdeburg   von    Stadtschulrat 
Plaxkü,  vom    17.  bis  23.  September  in  Reichenbach  in  Schlesien 
Ton  Realgymnasialdirektor  Dr.  Weck,  im  ersten  Teil  des  Sommers 
in  Stuttgart  von  Professor  Kessler,  im  Monat  August  in  Karlsruhe 
von  Direktor  Maul,   endlich  in  Posen  von  dem  Magistrat.     Kurse 
ftr  Lehrerinnen  werden  geleitet:   vom  26.  bis  28.  Juni  in  Magde- 
burg von  Gymnasialturnlehrer  Kohlraüsoh,  vom  3.  bis  6.  Juli  in 
Berlin  von  Professor  Eckler,    S.W.  Friedrichsstrafse  229,  vom  3. 
bis  8.  Juli  in  Breslau  von  Oberturnlehrer  Krampe,    an  noch  fest- 
zusetzendem Termin  in  Rendsburg  von  Gymnasialoberlehrer  Wickbn- 
haöbk,  im  Herbst  in  Barmen  von  Oberturnlehrer  Schröter.    Die 
Kurse'  selbst   sind   kostenfrei.      Die  Anmeldung  für  dieselben  mufs 
mindestens  drei  Wochen  vor  Beginn  derselben  bei  den  vorgenannten 
Stellen  bewirkt  sein. 

Ferienhert  für  bedürftige  Gymnasialschttler  Wiens.  Unter 
dem  Vorsitze  de9  Präsidenten  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften 
Alfred  Rittbr  von  Arnrth  und  dem  stellvertretenden  Vorsitze 
des  Geheimen  Rats  Alois  Czbdik  Freiherrn  von  Bründblsberg, 
sowie  des  Professors  Dr.  Leopold  Schrötter  Ritter  von  Kristelli 
besteht  in  Wien  ein  Verein,  welcher  9ich  die  Aufgabe  gestellt  hat, 
bedtrfiige  Gymnasialschuler  in  Steg  am  Hallstätter  See  wahrend  der 
Sonmerferien  unterzubringen  und  zu  verpflegen.1  Die  dortige  Pflege- 
stitte entspricht  allen  billigen  Anforderungen.  Im  zweiten  Stockwerke 
des  solid  gebauten  Hauptgebäudes  bietet  ein  luftiger  Schlafsaal  sämt- 
lichem Zöglingen  und   dem  die  Aufsicht  fuhrenden  Pr&fekten  Raum. 


1  Vgl.  diese  Zeitschrift,  1890,  No.  10,  S.  606—607.    D.  Red. 


1 


354 

Zwei  sehr  praktisch  eingerichtete  Nebenräume  gestatten  ein  rasches 
Reinigen  und  Ankleiden  der  Knaben.     Durch  ein  paar  Treppen  ist 
unter   allen  Umständen    die  Möglichkeit,    schnell    ins  Freie  zu  ge- 
langen,   gesichert.     Das   erste   Stockwerk   samt   grober   gedeckter 
Veranda    enthalt    ausreichende    Räume    zum   Aufenthalte    während 
schlechten  Wetters,  ferner  das  Schreibzimmer,    das  Lesezimmer,  das 
Musikzimmer,  die  Wohnung  des  Präfekten  und  ein  glücklicherweise 
nur  wenig  benutztes  Krankenzimmer.     Zu  ebener  Erde  endlich  be- 
finden sich   neben   den   nötigen  Wirtschaftsräumen  die  Küche   und 
ein  so  grober  Speisesaal,  dafe  er  auch  noch  als  Spielsaal  verwendet 
werden  kann.     In  der  sehr   zweckmäßig   eingerichteten  Schifishütte 
liegen  drei  Giggs,    welche   dem  Vereine  von  der  Marinesektion  des 
k.   u.  k.  Kriegsministeriums    überlassen    worden    sind,    unmittelbar 
daneben,    vom    See    abgetrennt,    die    alle    Sicherheit    darbietende 
Schwimmschule.     Der  grofee  Spielplatz   ist   im   letzten  Jahre   noch 
weiter  verbessert   worden,    und    die    Anpflanzungen   gedeihen   dort 
gut.     In   diese   Pflegestätte   worden   nun   im   letzten   Jahre    unter 
der  Leitung  des  Gymnasialsupplenten  A.  Hantschbl  als  Präfekten 
und   des   vom   Marineministerium  beurlaubten    k.   u.  k.    Torpedo- 
meisters   J.  Baumoartnbr  als  Subpräfekten  42  Schüler  aas  ver- 
schiedenen Gymnasien   Wiens   aufgenommen.     Was   das  Leben   im 
Ferienhorte  selbst  anbelangt,  so  mufs  das  Ergebnis  infolge  der  ungemein 
günstigen  Witterung  als  ein  besonders  glückliches  bezeichnet  werden. 
Es  war  den  Gymnasiasten  vergönnt,   die  meiste  Zeit  im  Freien  zu- 
zubringen.    Von   körperlichen  Übungen   wurde   das  Turnen   soweit 
geübt,  als  es  die   vorhandenen  Geräte   gestatteten.     Das  Exerzieren 
bereitete  den  Knaben  nicht  nur  grobe  Freude,    sondern  hatte  auch 
einen   wesentlichen  Einflnfs  auf  die  Art   ihres  Auftretens.     Die  er- 
freulichsten Fortschritte  aber    machten  sich  im  Rudern   bemerkbar. 
Es  war  geradezu  überraschend,  welche  Exaktheit  die  jungen  Leute, 
welche  noch  nie  ein  Ruder  in  der  Hand  gehabt  hatten,  schon  nach 
kurzer  Zeit  unter  der  Leitung  des  Torpedomeisters   zeigten.     Beim 
Schwimmen   bildeten  sich  8  Knaben   zu   tüchtigen  Freischwimmen! 
aus,    und  5    konnten   nahezu   freigesprochen   werden.      Die  Spiele 
wurden  von  dem  Präfekten  Hantschel  geleitet,  welcher  sich  durch 
Studienreisen   in    Deutschland    eine    reiche    Erfahrung    auf   diesem 
Gebiete  erworben  hatte.     Die  Schüler  spielten  nicht  nur  mit  Freude, 
sondern  auch  mit  solchem  Ernste,  dafe  man  dreist  behaupten  darf, 
ein  jeder  könne  ohne  weiteres  als  Spielleiter  fungieren.     Auf  letz- 
teren Punkt  möchten  wir  die  Direktoren  höherer  Lehranstalten  noch 
besonders  aufmerksam  machen,  da  sich  daraus  manche  Vorteile   fllr 
die  Schule  ziehen  lassen  dürften.     Außerdem  wurde  jede  Gelegen- 
heit zu  kleineren  oder  gröfseren  Ausflügen  in  die  herrliche  Umgebung 


355 

benutzt,  wobei  namentlich  eine  Exkursion  nach  der  Zwieselalpe  einen 
mächtigen  Eindruck  auf  die  Jagend  hinterliefs.  Ein  gro&es  Verdienst 
des  Prftfekten  Hantschbl  war  es,  die  Schüler  möglichst  viel  Musik 
treiben  zu  lassen.  Von  den  42  konnten  26,  da  16  ohne  Stimme 
oder  musikalisches  Gehör  waren,  im  zwei-  und  vierstimmigen  Ge- 
sänge unterrichtet  werden.  Auch  die  Übungen  im  Vortrage  wurden 
nicht  vernachlässigt,  und  bei  schlechtem  Wetter  fand  die  Bibliothek 
und  die  Lehrmittelsammlung  fleifeige  Benutzung.  Die  Zunahme  an 
Körpergewicht  betrug  bei  der  reichlichen  und  guten  Kost  im  Durch- 
schnitte 3,6  kg  gegen  3,5  im  Jahre  1891,  3,6  im  Jahre  1890, 
3,3  im  Jahre  1889  und  2,8  im  Jahre  1888.  Am  24.  September 
v.  J.  wurde  die  Kolonie  geschlossen,  nachdem  sie  vom  15.  Juli  an 
bestanden  und  besten  Erfolg  gehabt  hatte. 


ämtlidje  Derfngttttgett. 


Lautsprache  oder  Gebärdensprache  beim  Taubstummen- 
unterrichte? 
Ebie  Antwort  des  Königlich  preufsischen  Kultusministers. 

Berlin,  den  17.  September  1892. 

Seine  Majestät  der  Kaiser  und  König  haben  die  von  Ew.  Hoch- 
wohlgeboren  in  Gemeinschaft  mit  anderen  Taubstummen  eingereichte 
Immediatvorstellung  vom  24.  November  1891  mir  zur  Prüfung  und 
zu  Ihrer  Bescheidung  zugehen  zu  lassen  geruht. 

Ich  habe  mich  der  befohlenen  Prüfung  mit  derjenigen  ein- 
gehenden Gründlichkeit  unterzogen,  welche  durch  die  Wichtigkeit 
der  Sache  geboten  ist,  und  welche  das  Interesse  nicht  nur  der 
Taubstummen,  sondern  der  gesamten  bürgerlichen  Gesellschaft  er- 
fordert. Auch  habe  ich  diese  Prüfung  auf  den  Zustand  des  Taub- 
stammenbildungswesens  in  den  au&erpreufsischen  Staaten  Europas 
erstreckt.  In  dieser  Beziehung  haben  sich,  wie  ich  vorausschicke, 
die  Angaben  in  der  obenbezeichneten  Immediatvorstellung  und  in 
den  an  meinen  Herrn  Amtsvorgänger  gerichteten  Eingaben  vom 
21.  November  v.  Js.  und  15.  Februar  d.  Js.  nicht  bestätigt.  Es 
hat  sich  vielmehr  herausgestellt,  dafs  mit  fast  verschwindenden  Aus- 
nahmen überall  die  Lautsprache  die  einzige  Unterrichtssprache  und 
der  einzige  Lehrgegenstand  ist  und  dafs  die  Gebärdensprache  auch 
außerhalb  der  preufsischen  Lehranstalten  nur  in  dem  Ma&e  und 
Umfange  zur  Anwendung  kommt,  wie  in  den  preufsischen  Anstalten. 


356 


Ew.  Hochwohlgeboren  scheinen  Ton  der  Voraussetzung 
gehen,  dafs  die  Anwendung  der  natürlichen  Gebärde  in  unteren 
Anstalten  grundsätzlich  und  allgemein  ausgeschlossen  sei.  Dies  ist 
nicht  der  Fall.  Wie  die  natürliche  Gebärde  selbst  im  Unterrichte 
vollsinniger  Kinder  unentbehrlich  ist,  so  hat  sie  auch  im  Unter- 
richte der  Tiersinnigen  Kinder  ihre  Stelle.  Sie  ist  das  Mittel, 
durch  welches  der  Lehrer  den  Weg  zu  Geist  und  Herz  der  Kinder 
so  lange  sucht,  bis  diese  gelernt  haben,  Laute  und  Worte  zu 
sprechen,  und  ebenso  begleitet  verständiger  und  mafovoller  Gebranch 
der  natürlichen  Gebärde,  selbstverständlich  in  stetig  sich  verän- 
derndem Umfange,  den  Unterricht.  Ew.  Hochwohlgeboren  kann  es 
nicht  unbekannt  sein,  dafs  die  sogenannte  Artikulations-  oder  auch 
deutsche  Methode  in  den  preußischen  Anstalten  gepflegt  worden  ist, 
seit  die  Unterrichtsverwaltung  überhaupt  die  Sorge  für  die  taub- 
stummen Kinder  in  die  Hand  genommen  hat.  Ebensowenig  kann 
es  Ihnen  entgangen  sein,  dafs  eine  nicht  geringe  Zahl  hervorragend 
begabter  Männer  zum  Teil  unter  Opfern  mit  selten  wiederkehrender 
Hingebung  alle  ihre  Kräfte  daran  gesetzt  hat,  diese  Methode  zu 
vervollkommnen.  Was  in  dieser  Beziehung  in  Mailand,  in  Byhea 
bei  Basel,  in  Zürich,  sowie  in  Frankfurt  a.  M.  und  in  den  Anstalten 
der  Provinz  Hannover  noch  vor  deren  Vereinigung  mit  der 
preußischen  Monarchie  erreicht  worden  ist,  ist  bekannt.  Gerade 
diese  Erfolge  haben  dazu  mitgewirkt,  dafs  der  Taubstummenlehrer- 
kongreis  zu  Mailand  im  Jahre  1881  sich  einmütig  für  den  ans- 
schliefslichen  Gebrauch  der  Lautsprache  bei  dem  Taubstummen- 
unterrichte erklärte,  und  ich  möchte  nicht  unbemerkt  lassen,  dafe 
dieser  Beschlufs  für  mich  um  so  höhere  Bedeutung  hat,  als  er 
nicht  etwa  durch  den  Einfluß  preußischer  Taubstummenlehrer 
herbeigeführt  worden  ist.  Es  haben  sich  vielmehr  bei  diesem 
Beschlüsse  83  Italiener,  56  Franzosen,  9  Engländer,  5  Amerikaner, 
3  Schweden,  1  Belgier  und  nur  1  deutscher  Taubstummenlehrer 
beteiligt. 

Was  die  Sache  selbst  angeht,  so  handelt  es  sich  beim  Unter- 
richte und  bei  der  Ausbildung  der  Taubstummen,  wie  der  vier- 
sinnigen Kinder  überhaupt,  darum,  ihnen  ihr  Unglück  so  wenig 
empfindlich,  ihre  Lage  so  leicht  wie  möglich  zu  machen  und,  was 
darin  einbegriffen  ist,  sie  zu  religiös-sittlichen,  erwerbsfähigen 
Menschen  zu  erziehen  und  zu  verhüten,  dafe  sie  der  Familie,  in 
welcher  sie  geboren  sind,  der  Kirche,  welcher  sie  angehören,  dem 
Staatsverbande,  auf  dessen  Schutz  sie  Anspruch  haben,  durch  den 
Mangel  der  Sprache  entfremdet  oder  gar  von  ihnen  dauernd  losgelöst 
werden. 

Während  die  Gebärdensprache,  welche  bedeutsamen  Ergebnisse 


357 

durch  dieselbe  allerdings  nur  in  vereinzelten  Fällen  auch  erreicht 
worden  sein  mögen,  stets  dahin  führen  muß,  dafs  die  Taubstummen 
eine  in  sich  geschlossene,  durch  nichts  mit  der  übrigen  Gesellschaft 
verbundene  Gemeinschaft  bilden,  versucht  es  die  Lautsprachmethode, 
deren  Beseitigung  Ew.  Hoch  wohlgeboren  bitten,  den  Taubstummen 
Himmelsgabe  der  Sprache  nicht,  wie  Sie  vorauszusetzen  scheinen, 
ak  ein  mechanisch  angeeignetes,  sondern  als  ein  freies  Eigentum 
wiederzugeben.  Indem  sie  dies  thut,  stellt  sie  das  taube,  nicht 
»ehr  stamme,  sondern  redende  Kind  wieder  mitten  in  seine  Familie 
und  befähigt  den  erwachsenen  Taubstummen,  sich  in  seiner  Kirchen- 
gemeinschaft» im  Staate  und  in  der  bürgerlichen  Gesellschaft  zu  bethätigen. 
Die  Annahme  Ew.  Hochwohlgeboren,  dab  dies  Ziel,  welches 
hier  gesteckt  ist,  nur  vereinzelt  erreicht  werde,  trifft  durchaus  nicht 
xn,  wie  wiederholte,  regelmä&ig  wiederkehrende  und  gründliche 
Revisionen  unserer  Anstalten  ergeben  haben.  Ich  nehme  keinen 
Aistand,  auszusprechen,  dafs  der  Taubstummenunterricht  noch  sorg- 
fältiger Pflege  bedarf,  um  die  ihm  gestellten  Aufgaben  immer  voll- 
sündiger  zu  erfüllen  und  namentlich,  um  den  Kindern  ausnahmslos 
die  gewonnene  Sprache  zum  unverlierbaren  Eigentume  zu  machen. 
Ich  nehme  aber  auch  gern  Gelegenheit,  zu  bezeugen,  dafs  die  Leiter 
«ad  Lehrer  unserer  Taubstummenanstalten  auf  ihre  Arbeiten  ein 
hohes  Mab  von  Fleifs,  Ausdauer  und  Geduld  verwenden,  welches 
immer  reichere  und  schönere  Erfolge  von  ihrer  mühevollen  und 
segensreichen  Arbeit  erhoffen  l&fct. 

Ew.  Hochwohlgeboren  haben  in  ihren  Vorstellungen  wiederholt 
davon  gesprochen,  dafs  die  Lautsprachmethode  ihre  Ergebnisse 
überhaupt  nur  durch  die  Anwendung  der  schärfsten  Disciplinarmittel 
«reiche.  Dies  hat  mir  Veranlassung  gegeben,  auch  nach  dieser 
Seite  hin  Ermittelungen  anzustellen.  Zu  meiner  Befriedigung  haben 
och  dabei  die  vorgebrachten  Klagen  Aber  unverständige  und  harte 
Anwendung  des  Züchtigungsrechte  überall  als  unbegründet  erwiesen. 
Am  allerwenigsten  hat  sich  ein  Zusammenhang  überspannter 
8trenge  in  der  Schulzucht  mit  der  Lautsprachmethode  herausgestellt. 
In  Gegenteil  hat  der  einzige,  jahrzehntelang  zurückliegende  Fall 
liebloser  Behandlung  der  taubstummen  Kinder  eine  Anstalt  und  eine 
Zeit  getroffen,  wo  die  Gebärdensprache  in  Übung  war,  und  gerade 
der  gegenwärtige  Leiter  dieser  Anstalt,  welcher  dort  die  Lautsprache 
eingeführt  hat,  wird  von  entlassenen  und  gegenwärtigen  Schülern 
wqgen  seines  liebevollen  Verhaltens  gegen  sie  gerühmt. 

Auf  Grund  der  eingehendsten  Ermittelungen  hat  sich  hiernach 
«geben,  dafo  keine  Veranlassung  vorliegt,  in  der  gegenwärtigen  Art 
des  Taubstummenunterrichts  eine  Änderung  eintreten  zu  lassen. 
Der  Minister  der  geistlichen  etc.  Angelegenheiten. 

(gez.)  Bosse. 


358 

Rundschreiben  der  englischen  Regierung, 
betreffend  den   Ansschlnfs  von  Kindern  ans  der  Schule 

wegen  Infektionskrankheiten. 

Die  Regierungsbehörde  von  England  hat  kürzlich  ein  längeres 
Rundschreiben  erlassen,  dem  „The  Sanitarian"  folgenden  Auszug 
entnimmt: 

1.  Die  Krankheiten,  um  deren  willen  Schulen  geschlossen  oder 
Kinder  ans  denselben  entfernt  werden  müssen,  sind  die  von  Person 
zu  Person  übertragbaren,  n&mlich  Scharlach,  Masern,  Diphtherie; 
Keuchhusten,  Blattern  und  Röteln.  Seltener  kommen  Typhus  und 
Diarrhoe  in  Betracht,  welche  sich  hauptsächlich  infolge  Ortlicher 
Verhältnisse,  wie  infizierte  Aborte,  in  Schulen  verbreiten. 

2.  Als  allgemeiner  Grundsatz  gilt,  dafs  alle  infektiös  erkrankten 
Kinder  vom  Unterrichte  auszuschliefsen  sind,  mag  die  Ansteckung 
anderer  Schüler  durch  sie  einen  leichteren  oder  schwereren  Charakter 
annehmen. 

3.  Was  Mumps  und  Hautkrankheiten  anbetrifft,  so  sind  die 
Schulinteressen  hier  mehr  als  bei  den  übrigen  unter  1  erwähnten 
Infektionskrankheiten  in  Betracht  zu  ziehen.  Sollten  die  enteren 
jedoch  dadurch,  dafs  man  den  Kindern  zur  Schule  zu  gehen  erlaubt, 
sich  weiter  verbreiten,  so  würde  der  Nachteil  für  Schüler  und  Schule 
gröfser  sein,  als  wenn  man  die  infizierten  Kinder  vom  Unterrichte 
ausschliefst. 

4.  Der  Schulschluls  ist  für  die  Sanitätsbehörden  immer  ein 
ernster  Schritt  und  sollte  außer  bei  tatsächlichen  Epidemien  nur 
selten  und  nur  dann  verfügt  werden,  wenn  keine  Möglichkeit  vor- 
handen ist,  die  Verbreitung  der  Krankheit  auf  anderem  Wege  zu 
verhüten.  Die  Feststellung  der  Thatsache,  dafs  einzelne  Schüler  an 
einer  Infektionskrankheit  leiden,  bildet  keinen  ausreichenden  Grand 
für  den  Schulschluls.  Aber  wenn  in  einer  grofsen  Mehrzahl  von 
Familien  der  erste  Fall  ein  Schulkind  betrifft,  diese  Familien  ausser- 
dem noch  weit  getrennt  leben  und  nur  ihre  Kinder  in  dieselbe 
Schule  schicken,  dann  muls  die  letztere  geschlossen  werden;  es  hat 
dies  namentlich  dann  zu  geschehen,  wenn  die  erkrankten  Kinder 
nachweislich  die  Schule  besucht  haben. 

5.  Der  Medizinalbeamte  sollte  dem  Lehrer  eines  infizierten 
Schulkindes  möglichst  schnell  Nachricht  geben  und  dieses  die  ganze 
Zeit,  welche  der  Beamte  bestimmt,  von  der  Schule  fern  gehalten 
werden.  Andererseits  haben  auch  die  Lehrpersonen  Fälle  von  an- 
steckenden Krankheiten  den  Gesundheitsbehörden  unverzüglich  zu 
melden,  welchen  Namen  sie  auch  für  die  Krankheit  gebrauchen 
mögen.  Zugleich  müssen  dieselben  in  Zeiten  von  Epidemien  auf 
Symptome,    wie    Fieberschauer,    Kopfweh,    Mattigkeit,    Erbrechen, 


369 

Hautausschlag,  Halsschmerz,  sorgfältig  achten;  bei  Scharlach-  oder 
Diphtberieepidemien  ist  jeder  Halsschmerz  verdächtig  und  sollte  den 
Ausschlufs  des  Schülers  bewirken,  bis  der  Arzt  eine  bestimmte  Er- 
klärung abgegeben  hat. 

6.  Gelingt  es  nicht,  die  Verbreitung  einer  Epidemie,  namentlich 
onter  den  Schulkindern,  zu  verhüten,  so  erfordert  dies  fortgesetzte 
Achtsamkeit  auf  unerkannte,  milde  Fälle,  und  die  Schule  mufe  auch 
ferner  geschlossen  bleiben. 

7.  Bei  der  Entscheidung  über  den  Schulschlufs  kommt  auch 
der  Verkehr  der  Schüler  aufserhalb  der  Schule  in  Betracht.  In 
kleinen  Dörfern  läfet  sich  derselbe  leicht  kontrollieren,  in  Städten 
dagegen,  wo  dies  nicht  möglich  ist,  kann  durch  den  Schulschlufs 
bisweilen  mehr  Schaden  als  Nutzen  entstehen. 

8.  Alle  Anordnungen,  welche  sich  auf  den  Schulschlufs  beziehen, 
sollten  den  Schulleitern  schriftlich  mitgeteilt,  die  Gründe  angegeben 
und  die  Dauer  natürlich  so  kurz  wie  möglich  bestimmt  werden. 
Läfet  sich  ein  längerer  Schlufs  der  Schule,  als  ursprünglich  fest- 
gesetzt war,  nicht  vermeiden,  so  mufs  der  Schulvorsteher  davon 
rechtzeitig  Nachricht  erhalten. 

Verfügung  des  k.  k.  niederösterreichischen  Landesschulrates 
vom  21.  April  1892,  Z.  3258,  betreffend  die  Einrichtung  und 

Pflege  von  Schulgärten. 

Um  einen  gleichmäfsigen  Vorgang  bezüglich  der  Einrichtung 
und  Pflege  der  Schulgärten  zu  erzielen,  hat  sich  der  k.  k.  nieder- 
österreichische  Landesschulrat  über  eine  Anregung  des  Landesobstbau- 
▼ereins  für  Niederösterreich  und  nach  Einvernehmung  des  Central- 
ausschusses  der  k.  k.  Landwirtschaftsgesellschaft  in  Wien  bestimmt 
gefunden,  eine  Instruktion  über  die  Einrichtung  und  Pflege  der 
8ehulgärten  zu  erlassen. 

Der  Bezirksschulrat  wird  beauftragt,  diese  Instruktion,  von 
welcher  drei  Exemplare  angeschlossen  werden,  zur  Kenntnis  der 
unterstehenden  Schulgemeinden  und  Schulleitungen  zu  bringen  und 
die  Beobachtung  derselben  durch  den  k.  k.  Bezirksschulinspektor 
überwachen  zu  lassen,  da  die  wohlgeordnete  Einrichtung  und  Ver- 
wertung der  Schulgärten  für  die  Zwecke  der  Schule  und  des  Unter- 
richtes von  grofsem  Werte  erscheint. 

Instruktion,  betreffend  die  Einrichtung  und  Pflege 

von  Schulgärten. 

Die  Anlage  des  Schulgartens  hat  sich  nach  den  örtlichen  Ver- 
hältnissen zu  richten.  Die  Pflege  desselben  hängt  hauptsächlich  von 
der  Individualität,    von   dem  Verhältnisse   und  der  Berufeliebe   des 


860 

Schnlgärtners  ab;  es  läfet  sich  demnach  eine  allgemeine  Nora  in 
dieser  Hinsicht  kaum  festsetzen;  doch  erscheint  es  notwendig,  einige 
allgemeine  Geeichtepunkte  festzustellen,  die  bei  Einrichtung  eines 
Schulgartens  mafsgebend  sein  sollen: 

1.  Der  Schulgarten  ist  zunächst  Tom  allgemeinen,  erziehlichen 
Gesichtspunkte  zu  betrachten. 

2.  Er  darf  weder  aussddiefsüch  Baumschule,  noch  botanischer, 
noch  Gemüse-  oder  Blumengarten  sein,  er  mufe  sich  vielmehr, 
auf  möglichst  einfachen  Grundprincipien  falzend,  den  lokalen 
Bedürfnissen  eng  anschlie&en. 

Jeder  vollständige  Schulgarten  soll  nachstehende  Bestand- 
teile haben: 

1.  Eine  Abteilung  für  Obstbau  \ 

2.  a.  in  Weinbaugegenden  eine  Abteilung  ftr  Bebenkultur; 
b.  in  Waldgegenden  eine  Abteilung  ftr  Waldkultur; 

3.  eine  Abteilung  ftr  Gemüsebau; 

4.  eine  Abteilung  ftr  landwirtschaftliche  Versuchszwecke   und 

5.  eine  Bienenhtttte  mit  Bienen. 

Die  GrOfee  des  Schulgartens  richtet  sich  nach  den  Ortlichen 
Verhältnissen;  in  der  Regel  werden  3 — 5  Ar  vollständig  genügen. 
Der  Schulgarten  ist  vor  der  Bepflanzung  zu  rigolen  und  einwizännen. 
Die  Lage  und  Bodenbeschaffenheit  mub  derart  sein,  dsis  derselbe 
seinen  Zweck  auch  wirklich  erfülle.  Der  Platz  ftr  den  Schulgarten 
soll  so  gewählt  werden,  dab  in  nächster  Nähe  desselben  dem  Be- 
dürfnisse an  Wasser  Rechnung  getragen  werden  kann. 

Für  die  Beistellung  des  erforderlichen  Düngers  und  der  zur 
Bearbeitung  des  Schulgartens  nötigen  Werkzeuge  hat  der  Ortsschalrat 
zu  sorgen. 

I.  Obstbau. 

In  dem  Schulgarten  sollen  zur  allgemeinen  Anpflanzung  best« 
geeignete  Obstsorten  gepflegt  und  der  allgemeinen  Verbreitung  zu- 
geführt werden. 

Um  Verständnis  und  Liebe  ftr  den  Obstbau  zu  erzielen  and 
hierdurch  dem  Baumfrevel  am  besten  zu  steuern,  leite  der  Lehrer 
die  Schulkinder  an: 

a.  Obstkerne  auszusäen,  die  Wildlinge  zu  puderen  und  diese 
in  die  Baumschule  zu  pflanzen; 

b.  die  Veredlung  nach  den  gebräuchlichsten  Veredlungsmethoden 
vorzunehmen; 

c.  einen  kronebildenden  Baum  zu  erziehen;  endlich 

d.  den  erwachsenen  Baum  an  den  Standort  zu  pflanzen  and 
ihn  zu  pflegen* 


361 

Der  Unterricht  im  Schulgarten  ist  derart  einzurichten,  dafa 
Kinder  vom  fünften  Schuljahre  an  wenigstens  eine  Stande  wöchentlich, 
und  zwar  anfser  der  Unterrichtszeit  herangezogen  werden. 

Es  ist  selbstverständlich,  dafs  nicht  eine  ganze  Schulklasse  oder 
Abteilung  im  Schulgarten  Verwendung  finden  kann,  sondern  dafs 
abwechselnd  eine  kleine  Gruppe  von  Schülern  zu  den  Belehrungen 
und  Arbeiten  heranzuziehen  sein  wird.  In  welchem  Umfange  die 
Schulkinder  an  den  vorbezeichneten  Arbeiten  selbst  mit  Hand 
anlegen,  hängt  von  der  Individualität  des  Lehrers  und  der  Schul- 
kinder selbst  ab. 

Schliefst  sich  der  naturkundliche  Unterricht  an  einen  gut  und 
ortsgemäfe  eingerichteten  Schulgarten  an,  so  kann  der  Lehrer  in  den 
Sommermonaten  nach  Mafsgabe  der  Witterung  und  der  Bedürfhisse 
des  Unterrichtes  mit  den  Schülern  der  Obergruppe,  beziehungsweise 
den  einzelnen  Klassen  der  Bürgerschule  wöchentlich  eine  Natur- 
geschichtsstunde im  Schulgarten  abhalten,  vorausgesetzt,  dafs  dieser 
bereits  entsprechend  eingerichtet  ist. 

Mit  Rücksicht  auf  den  beschränkten  Raum  des  Schulgartens 
sotten  in  der  Regel  Zwergbäume,  und  zwar  nur  einfache  Baumformen 
gepflanzt  werden. 

Gesträuchpartien,  wie  Quitten,  Mispeln,  Haselnüsse,  Wachsäpfel, 
Ostheimer  Weichsel,  können  in  schattigen  Ecken  des  Gartens,  die 
Beerensträucher,  Johannis-  und  Stachelbeeren,  wie  auch  Erdbeeren 
auf  den  Rabatten  längst  der  Wege  zwischen  dem  Zwergobste  und 
zor  Begrenzung  des  Gemüselandes  Platz  finden. 

H.  a.  Abteilung  für  Rebenbau. 

In  Weinbaugegenden  soll  im  Schulgarten  ein  Sortiment  anerkannt 
guter  Rebensorten  in  möglichst  starken  Stöcken  vertreten  sein,  um 
an  denselben  die  wichtigsten  Erziehungsarten  und  Schnitte  vorzeigen 
iu  können.  Es  ist  jedoch  bei  der  Rebenanpflanzung  mehr  auf  die 
Güte  und  Eignung,  als  auf  die  Menge  der  Sorten  Rücksicht  zu 
nehmen,  damit  solche  den  Schülern  genau  bekannt  und  von  ihnen  im 
gegebenen  Falle   anderen   minder  guten  Sorten  vorgezogen  werden. 

IL  b.  Abteilung  für  Waldbau. 

In  Waldgegenden  empfiehlt  es  sich,  im  Schulgarten  die  Nadel- 
und  Laubhölzer  aus  Samen  zu  ziehen  und  hierbei  auf  die  Kultur 
der  Wälder  (Aufforsten  von  Hutweiden)  hinzuwirken. 

HL  Abteilung  für  Gemüsebau. 

Bei  der  Benutzung  des  Gartenteiles  soll  auf  die  Samenzucht 
der  leicht  zu  ziehenden  Gemüsearten  (Salat,  Kraut,  Kohlrüben,  gelbe 
Rübe,  Petersilienwurzel,   Sellerie,   Rüben,  Bohnen,  Erbsen  u.  s.  w.) 

Scfaulgesnndheltspflege  VI.  24 


362 

Rücksicht  genommen  werden,  wobei  ein  kleines  Mistbeet  (1 — 3  Fenster) 
vorzügliche  Dienste  leistet. 

Es  müssen  bewährte  und  geschätzte  Gemüsesorten  kultiviert 
werden,  um  auf  diese  Weise  ihre  Verbreitung  in  der  Gegend  an- 
zubahnen. 

Wie  in  der  Abteilung  für  Obstbau  die  Arbeiten  von  den 
größeren  Knaben,  so  sollen  die  in  der  Gemüseabteilung  vorzunehmenden 
Arbeiten  vorzugsweise  von  den  größeren  Schulmädchen,  vom  fünften 
Schuljahre  angefangen,  ausgeführt  werden.  Die  Bepflanzung  des 
Randes  mit  blühenden  Gewächsen  soll  mit  Geschmack  geschehen. 

IV.  Abteilung  für  landwirtschaftliche  Versuchszwecke. 

Dieselbe  hat  aus  einer  Anzahl  von  Beeten  zu  bestehen,  die 
vorzugsweise  für  den  Anbau  erprobter  Kulturpflanzen  oder  von  neuen 
Spielarten  bereits  verbreiteter  Gewächse  zu  verwenden  sind. 

Ein  kleiner,  und  zwar  nicht  allgemein  zugänglicher  Raum  soll, 
wo  dies  nur  möglich,  dazu  verwendet  werden,  um  auf  demselben 
heimische  Giftpflanzen,  sowie  die  für  den  Hausgebrauch  wichtigen 
gewerblichen  und  medizinischen  Pflanzen  zu  kultivieren.  Da  jede 
Giftpflanze  ihren  besonderen  Habitus  hat,  der  sich  nur  durch  wieder- 
holte Betrachtung  der  Pflanze  in  den  verschiedenen  Stadien  der 
Entwicklung  dem  Gedächtnisse  einprägt,  so  ist  die  Anpflanzung  der 
Giftpflanzen  für  den  Unterricht  besonders  eifrig  zu  verwerten. 

Womöglich  sollen  auch  für  den  eigenen  Gebrauch  im  Schul- 
garten einige  Stücke  guter  Korbweidensorten  gepflanzt  werden. 

An  Orten,  wo  ein  landwirtschaftlicher  Lehrkurs  im  Sinne  des 
§  10  R.-V.-G.  und  der  Ministerialverordnung  vom  10.  April  1885 
besteht,  hat  der  Schulgarten  den  Fortbildungsunterricht  zu  unterstützen. 

Der  Fruchtwechsel  darf  im  Schulgarten  nicht  außer  acht  gelassen 
werden. 

V.  Bienenstand. 

Da  die  Bienenzucht  nicht  blofs  für  sich  und  für  die  Fruchtbarkeit 
der  Obstbäume,  sondern  auch  vom  erziehlichen  Gesichtspunkte  von 
besonderer  Wichtigkeit  ist,  so  soll  auch  im  Schulgarten,  womöglich 
an  einer  günstigen  Stelle,  eine  Bienenhütte  aufgestellt  werden. 

Auf  die  Pflege  des  Schulgartens  mufs  jederzeit  die  größt- 
mögliche Mühe  und  Sorgfalt  verwendet  werden.  Mag  der  Schul- 
garten was  immer  für  eine  Größe  und  Einrichtung  haben,  so  muß 
stets  das  Hauptaugenmerk  darauf  gerichtet  sein,  daß  der  Garten 
nett  und  sauber  gehalten  und  daß  alle  Kulturen  sachlich  richtig 
und  zweckentsprechend  betrieben  werden,  damit  der  Schulgarten 
seinem  Zwecke  vollkommen  genügen  kann. 


363 

tUber  das  Erträgnis  des  Schalgartens  ist  ein  Übereinkommen 
zwischen  Ortsschulrat  und  Schulleitung  zu  treffen,  jedoch  bedingt  das 
erziehliche  Moment  und  der  Zweck  des  Schulgartens,  dafs  Sämereien, 
Gemüse,  Früchte  und  dergleichen,  Edelreiser,  sowie  die  erzogenen 
Obstbäume  an  fleißige  Schüler  abgegeben,  eventuell  der  Gemeinde 
ganz  unentgeltlich  oder  doch  zu  mäßigen  Preisen  zur  Verfügung 
gestellt  werden. 

Der  Bezirksschulrat  hat  darüber  zu  wachen,  dafs  bei  einem 
Dienstwechsel  des  Schulleiters  der  Schulgarten  nicht  geschädigt, 
sondern  im  guten  Zustande  dem  Nachfolger  übergeben  werde.  Das 
Eigentum  des  abtretenden  Schulleiters  ist  erforderlichen  Falles  ab- 
zulösen, jedoch  darf  der  bepflanzte  Schulgarten  vom  abtretenden 
Lehrer  unter  keinen  Umständen  geräumt,  beziehungsweise  ausverkauft 
werden. 


yerfonalien. 


Dem  Geheimen  Oberregierungsrat  Bayer,  vortragenden  Rat  im 
Königlich  preußischen  Kultusministerium,  ist  der  rote  Adlerorden 
IL  Klasse  mit  Eichenlaub  verliehen  worden. 

Denselben  Orden  erhielt  der  Geheime  Begierungsrat  Dr.  Schultz, 
bisher  Provinzialschulrat  in  Münster,  bei  seinem  Übertritt  in  den 
Ruhestand;  das  dortige  Provinzialschulkollegium  ernannte  ihn  zum 
Ehrenmitgliede. 

Am  21.  März  erfolgte  in  Cambridge  die  feierliche  Verleihung 
des  Ehrendoktorats  der  Naturwissenschaften  seitens  der  Universität 
an  Geheimrat  Professor  Dr.  B.  ViRCHOW;  zugleich  hat  die  Uni- 
versität Oxford  demselben  die  Würde  eines  Doktors  des  Civilrechts 
verliehen. 

Der  Geheime  Medizinalrat  Professor  Dr.  Robert  Koch  in 
Berlin  wurde  von  der  Königlich  schwedischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften zum  auswärtigen  Mitgliede  gewählt. 

Dem  Vorsitzenden  des  beratenden  Komitees  für  öffentliche 
Gesundheitspflege  in  Frankreich,  Professor  Brouardel,  ist  die 
goldene  Medaille  für  seinen  Eifer  bei  der  Bekämpfung  der  Cholera 
im  Jahre  1892  verliehen  worden. 

Unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Professor  der  Hygiene  Dr. 
üpfelmann  in  Bostock,  hat  den  Titel  eines  Honorarprofessors  der 
dortigen  Universität  erhalten. 

24* 


364 

Dem  Provinzialschulrat  Wendland  in  Hannover,  dem  Stadt- 
schulrat Professor  Dr.  Bertram  in  Berlin  und  unserem  verehrten 
Mitarbeiter,  Herrn  Direktor  des  Realgymnasiums  Dr.  Ed.  Schaum« 
bürg  in  Krefeld,  ist  der  Charakter  als  Geheimer  Regierungsrat 
▼erliehen  worden. 

Unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Gymnasialdirektor  a.  D. 
Dr.  Yogt  in  Kassel,  wurde  mit  dem  Kreuz  der  Ritter  des  König- 
lichen Hausordens  von  Hohenzollern  dekoriert. 

Zu  Ehrenvicepräsidenten  der  Abteilung  für  körperliche  Erziehung 
des  pädagogischen  Weltkongresses  in  Chicago  sind  von  unseren  Mit- 
arbeitern ernannt  worden  die  Herren:  Professor  Dr.  Leo  Bürgbrstkin 
in  Wien,  Dr.  med.  F.  A.  Schmidt  in  Bonn  und  Universitätslehrer 
Jaro  Pawel  in  Wien ;  der  letztere  erhielt  zugleich  die  Aufforderung, 
auf  dem  Kongresse  einen  Vortrag  über  „Revival  of  Greek 
Gymnastics  in  Germanytt  zu  halten. 

Unserem  verehrten  Mitarbeiter,  Herrn  Direktor  der  Albmus- 
schule Ratdt  in  Lauenburg  a.  E.,  ist  das  Prädikat  Professor  bei- 
gelegt worden. 

Das  Yicepräsidium  des  obersten  Rates  für  den  Öffentlichen  Unter- 
richt in  Frankreich  wurde  Herrn  Berthelot,  das  Sekretariat  Herrn 
Liard  übertragen. 

Der  Regienmgs-  und  Schulrat  Bodr  in  Magdeburg  ist  zum 
Provinzialschulrat  in  Königsberg  i.  Pr.,  der  Gymnasialdirektor  Dr. 
Hechelmann  in  Paderborn  zum  Provinzialschulrat  in  Münster 
ernannt  worden. 

Dr.  Cyrus  Edson  hat  das  Amt  eines  Gesundheitsinspektors 
der  Stadt  New  York  erhalten. 

Der  Seminardirektor  Dr.  Waschow  zu  Rosenberg  in  Ober- 
Schlesien  wurde  zum  Regierungs-  und  Schulrat  bei  der  Regierung  in 
Bromberg  befördert. 

Zum  außerordentlichen  Professor  der  Hygiene  an  der  Universität 
Krakau  ist  der  Chef  des  städtischen  hygienischen  Laboratoriums  in 
Warschau,  Odo  Bujwid,  ernannt  worden. 

Stabsarzt  Dr.  Kürth,  Hilfsarbeiter  beim  Reichsgesundheitsamt 
in  Berlin,  wird  die  Leitung  des  neu  begründeten  Staatslaboratoriums 
für  Bakteriologie  in  Bremen  übernehmen. 

Dr.  Fournier,  Hilfsarzt  des  Lyceums  in  Angonleme,  ist  an 
Stelle  des  verstorbenen  Dr.  Machenaud  zum  Arzte  dieser  Anstalt 
gewählt  worden ;  für  Dr.  Fournier  wurde  Dr.  GlLSON  zum  Hilfe- 
arzt ernannt. 

Dr.  Pasqüale  hat  sich  an  der  medizinischen  Fakultät  in  Neapel 
als  Privatdocent  für  Hygiene  habilitiert. 

Am   30.  Juni   d.  J.    feiert   der  Geheimrat  und  Professor  der 


365 

Hygiene  Dr.  Max  von  Pettbnkofeb  sein  fünfzigjähriges  Doktor- 
Jubiläum. 

Der  Geheime  Oberregierungsrat  Bayer,  vortragender  Bat  in 
der  2.  Abteilung  für  die  Unterrichtsangelegenheiten  des  preufsischen 
Kultusministeriums ,  ist  wegen  andauernder  Kränklichkeit  am 
1.  April  d.  J.  in  den  Ruhestand  getreten.  Zu  seiner  Vertretung 
wurde  schon  im  vorigen  Jahre  der  Provinzialschulrat  und  jetzige 
Geheime  Regierungsrat  Vater  aus  Königsberg  i.  Pr.  berufen. 

Den  21.  April  starb  in  Abbazia  im  Alter  von  77  Jahren  Dr. 
Ludwig  Markusovszky,  pensionierter  Ministerialrat  und  Ehren- 
professor der  Budapester  und  Klausenburger  Universität.  Derselbe 
war  Referent  für  medizinische  Angelegenheiten  im  ungarischen 
Unterrichtsministerium  und  hat  sich  als  solcher  auch  um  die  Schul- 
hygiene Verdienste  erworben. 

In  New  York  verschied  Dr.  E.  H.  Jones,  Professor  der 
Hygiene  am  Woman's  Medical  College  of  the  New  York  Infirmary. 

Aus  Blasewitz  bei  Dresden  kommt  die  Nachricht  von  dem  am 
1.  April  im  Alter  von  81  Jahren  erfolgten  Ableben  des  „sächsischen 
Turnvaters"  Otto  Leonhard  Hrübnrr. 


litteratur. 


Besprechungen. 

E.  Hoffmann,   Seminarlehrer  in  Rheydt.    Lehrbuch  der  Sehul- 
gesundheitspflege  für  Lehrer  und  Seminaristen.    Langen- 
salza, 1891.   Hermann  Beyer  &  Söhne.  (VI.  118  S.  8°.  M.  1,60, 
gebd.  M.  2,40.) 
Dieses  Büchlein  ist  ein  populäres,  fafslich  und  klar  geschriebenes 

Lehrbuch  der  Schulgesundheitspflege.    Es  behandelt  in  Kürze  folgende 

Kapitel : 

I.  Die  Luft,  deren  Wichtigkeit  für  den  Menschen;  die  An- 
forderungen an  die  Atemluft,  die  Verschlechterung  der  Luft  im 
Schulzimmer  und  die  Mittel,  dieselbe  im  normalen  Zustande  zu 
erhalten. 

II.  Das  Licht,  Beschaffenheit  der  Fenster  und  Anforderungen 
an  die  Versorgung  des  Schulzimmers  mit  genügendem  Licht;  Pflege 
und  Schutz  der  Augen,  Kurzsichtigkeit  und  deren  Ursachen,  Mafs- 
uahmen  der  Schule  zur  Verhütung  derselben. 

III.  Wärme,  Erzeugung  derselben  im  Organismus  und  Er- 
haltung  einer  angemessenen  Temperatur;   zweckmäfsige  Bekleidung. 


366 

IV.  Reinlichkeit  der  Schulräume,  der  Schuleinrichtungen 
und  der  Kinder. 

Y.  Die  Schalbank  und  ihre  Fehler,  Beschaffenheit  einer 
guten  Schulbank. 

VI.  Die  äufsere  Haltung  der  Schüler  in  der  Schulstunde. 

VII.  Den  Unterrichts  betrieb,  Stundenplan,  Ruhepausen, 
Hintanhaltung  der  Überbürdung. 

VHI.  Körperliche  Strafen* 

IX.  Leibesübungen  in  ihrer  Bedeutung  für  die  Gesundheits- 
pflege und 

X.  Gesundheitslehre  als  Unterrichtsstoff  für  die 
Volksschule. 

Wenn  der  Verfasser  in  der  Vorrede  sagt,  dafs  es  ihm  darauf 
ankam,  „in  recht  anschaulicher  und  ausführlicher  Weise  zu  schildern, 
wie  sich  das  Walten  und  Wirken  des  Lehrers  für  die  Schul- 
gesundheitspflege in  der  Praxis  zu  gestalten  hat",  so  ist  ihm  dies 
völlig  gelungen.  Die  hervorgehobenen  Übelstände  sind  thatsächlich 
aus  dem  Schulleben  gegriffen,  wie  z.  B.  das  Strafabschreiben,  die 
nachlässige  Behandlung  der  Schultafel,  der  Schmutz  an  der  Beschuhung 
der  Kinder,  die  schlechte  Haltung  der  Schüler  beim  Schreiben  u.  s.  w. 
Die  Benachteiligung  der  Gesundheit  durch  derartige  beklagenswerte 
Erscheinungen  wird  so  sachgemäfs  besprochen,  dafs  wir  im  Interesse 
der  Schuljugend  die  ernstliche  Beherzigung  dieser  Unterweisungen 
seitens  der  Lehrerschaft  nicht  blofs  der  Volks-,  sondern  auch  der 
höheren  Schulen  lebhaft  wünschen. 

Die  Erklärung  der  Organe  des  menschlichen  Körpers  und  der 
physiologischen  Vorgänge  in  denselben,  ebenso  die  Darstellung  der 
hygienischen  Erkenntnisse  sind  verständlich  und  korrekt  von  dem 
Verfasser  gegeben.  Nur  einige  wenige  Stellen  finden  sich  in  dem 
Buche,  bei  welchen  eine  präcisere  Fassung  erwünscht  erschiene. 

Dahin  gehört  auf  Seite  4  der  Satz:  „Der  Brustkorb  kann 
durch  Hebung  und  Senkung  der  Zwischenrippenmuskeln  in  seinem 
Rauminhalt  vergrößert  und  beschränkt  werden." 

Ferner  auf  Seite  14:  „Die  Forderungen  gehen  dahin,  dafs  die 
Breite  der  Schulklasse  höchstens  der  eineinhalbfachen  Entfernung 
des  oberen  Fensterrandes  von  unten  (?)  gleichkommen  soll." 

Weiter  auf  Seite  26:  Es  soll  „verhütet"  werden,  „dafs 
möglichst  wenig  Schmutz  in  die  Schulräume  hineingebracht  werde". 

Die  Behauptung  auf  Seite  56,  dafs  beim  Schreiben  der  Kopf 
zuweilen  so  weit  gesenkt  werde,  „dafs  die  Fläche  der  Stirne  tiefer 
zu  liegen  kommt,  als  das  Kinn",  möchten  wir  doch  nicht  für  eine 
auf  thatsächliche  Beobachtungen  zurückzuführende  halten. 

Dafs   die   „gerade  Medianlage  des   Heftes"   ziemlich  allgemein 


367 

„aufgegeben*  sei  (Seite  58),  können  wir  nicht  bestätigen ;  im  Gegen- 
teil, sie  wird  mehr  und  mehr  eingeführt. 

Derlei  kleine  Mängel  sollen  jedoch  den  Wert  des  Baches  nicht 
schmälern;  die  Bemerkungen  bezwecken  nur,  der  Revision  bei  einer 
neuen  Auflage  zu  dienen. 

So  wünschen  wir  denn  auch,  daß  dasselbe  einen  grofsen  Leser- 
kreis unter  den  Lehrern  sich  erwerbe  und  dazu  beitrage,  dafs 
Jener  didaktische  Materialismus,  der  ein  absolviertes,  vielleicht  nur 
gedächtnismäCsig  angeeignetes  Stoffquantum  zum  Maisstabe  der  Arbeit 
und  des  in  der  Schule  aufgewendeten  Fleifses  des  Lehrers  macht", 
immer  seltener  werde  und  einer  tiefer  angelegten  pädagogischen 
Thätigkeit  weiche. 

Zum  Schlüsse  bringt  der  Verfasser  die  wichtigsten  Gebote  der 
Gesundheitspflege,  wie  sie  die  Hygienesektion  des  Berliner  Lehrer- 
vereins zusammengestellt  hat,  ferner  als  Anhang  No.  1  „Erläute- 
rungen zu  fünf  Entwarfen  für  einfache  ländliche  Schul- 
gebäude"  und  als  Anhang  No.  2  „Anordnungen  zur  Verhütung 
der  Übertragung  ansteckender  Krankheiten  durch  die 
Schulen". 

Durch  diese  Zugaben  hat  der  Inhalt  des  Buches  gewifs  eine  für 
Lehrer  und  Schulorgane  sehr  willkommene  Bereicherung   erfahren. 

E.  k.  Ministerialrat  im  Unterrichtsministerium 
Dr.  phil.  Matthias  Ritter  von  Wrbtschko  in  Wien. 

Dr.  Hübbrt  Wingbrath,  Direktor  an  der  Realschule  bei  St.  Johann 
in  Strafeburg  i.  E.    Kurzsichtigkeit  und  Schule.   Berlin,  1890. 
Friedberg  &  Mode  (56   S.  8°)   und  Dr.  Hübbrt  Wingbrath. 
Nochmals  Kurzsichtigkeit  und  Schule.    Berlin,  1893.  Fried- 
berg &  Mode.  (48  S.  8°.) 
Wir  freuen  uns,  wiederum  über  zwei  kleine  Broschüren  berichten 
so  können,  welche  die  für  das   Volkswohl  so  wichtige   Frage  von 
dem  Einflufs  der  Schule  auf  die  Entstehung  und  das  Wachstum  der 
Kurzsichtigkeit  in  gewandter  und    ansprechender  Weise  behandeln. 
Sind  wir  auch  nicht  in  der  Lage,   allen  Behauptungen  und  Schlufs- 
folgerungen  des  Verfassers  beizustimmen,  der  sich  bemüht,  die  Schule 
von  dem  Vorwurf  frei  zu    sprechen,    der  Ausbreitung    der   Kurz- 
sichtigkeit Vorschub    zu    leisten,   so    räumen   wir   doch    gerne  ein, 
dafe  er  auch  die   hygienische  Seite    der    Frage   berücksichtigt  und 
in  der  grofsen,  ganze  Bibliotheken  füllenden  Fachliteratur  nicht  nur 
ungewöhnliche    Kenntnisse    entwickelt,    sondern    dieselben   auch   für 
seine  Zwecke  zu  gebrauchen  versteht.     Freilich  ist  der  Autor,  was 
wir  bedauern,  um  seinen  Behauptungen  Beweiskraft  zu  geben,  über 
ophthalmologisch  wichtige  Fragen  an  manchen  Stellen  zu  gleichgültig 


868 

und  cavali&rement  hinweggegangen  und  hat  seine  wissenschaftlichen 
Widersacher  in  oft  nicht  gerechtfertigter  Weise  zurückgewiesen. 
Trotzdem  können  wir  die  beiden  Schriftchen  jedem,  der  sich  für  die 
Materie  interessiert,  angelegentlich  empfehlen,  da  sie  ebenso  warm 
empfanden,  wie  klar  nnd  übersichtlich  geschrieben  sind. 

In  der  ersten,  sieben  Kapitel  umfassenden  Broschüre  weist  der 
Verfasser  zunächst  die  von  Cohn  angeregten  Befürchtungen  zurück, 
der  vor  allem  die  Schule  mit  ihren  Einrichtungen  für  die  grofee 
Verbreitung  der  Eurzsichtigkeit  verantwortlich  macht.  Dondbbs 
hatte  früher  schon  die  Gefahren  der  Myopie  sowohl  für  die  Zukunft 
des  Einzelindividuums,  wie  für  das  allgemeine  Volkswohl  erkannt 
Gestützt  auf  dessen  Autorität  hätte  Cohn  aber  bei  seinen  Massen- 
untersuchungen die  angeborene,  auf  Verlängerung  des  Bulbus  be- 
ruhende Eurzsichtigkeit  mit  der  zweiten  Form  zusammengeworfen, 
bei  welcher  jene  anatomische  Veränderung  fehle.  Während  die 
entere  in  den  meisten  Fällen  zur  Erblindung  führe,  sei  die  letztere 
als  eine  ungefährliche,  oft  sogar  nützliche  Nahearbeits-,  beziehungs- 
weise Anpassungsmyopie  anzusehen,  welche  lediglich  die  Folge 
unserer  kulturellen  Entwickelung  bilde  und,  wenn  letztere  nicht  in 
Frage  gestellt  werden  solle,  mit  in  den  Kauf  genommen  werden 
müsse.  Sie  nehme  in  der  Zeit  der  Entwickelung  des  Körpers,  wo 
zudem  noch  grofse  Anforderungen  an  das  Auge  der  Schüler  gestellt 
würden,  zu,  ohne  jedoch  jemals  hohe  Grade  zu  erreichen,  und 
werde,  wie  von  Hippel  nachgewiesen,  mit  dem  20.  bis  25.  Lebens- 
jahre stationär. 

Nachdem  der  Verfasser  in  dem  dritten  Kapitel  auf  die  Mangel- 
haftigkeit der  bisherigen,  die  Kurzsichtigkeit  der  Schuljugend  be- 
treffenden Statistik  hingewiesen,  setzt  er  in  dem  vierten  und  fünften 
Kapitel  in  durchaus  beherzigenswerter  und  folgerichtiger  Weise  aus- 
einander, wie  Schule  und  Haus  Hand  in  Hand  gehen  müssen,  um 
das  heranwachsende  Geschlecht  bei  seiner  angestrengten,  aber  unum- 
gänglich notwendigen  Nahearbeit  vor  dem  Überhandnehmen  jener 
Anpassungsmyopie  zu  bewahren. 

Bevor  man  jedoch  Mittel  gegen  sie  vorschlage,  müsse  man  die 
Ursachen  kennen,  denen  dieselbe  ihre  Entstehung  verdanke,  und  so 
führt  der  Autor  im  sechsten  Kapitel  die  ZEHBNDERsche  Dispositions- 
lehre von  der  zarten  und  nachgiebigen  Beschaffenheit  der  Umhüllungs- 
membranen des  Auges  an.  Besonders  ausführlich  aber  geht  er  auf 
die  Ansicht  Stillings  ein,  der  dem  vom  oberen  schiefen  Augen* 
muskel  (Trochlearis)  ausgeübten  Muskeldruck  die  Hauptschuld  beimiist: 
je  nach  der  Lage  der  Trochlea,  durch  welche  die  Trochlearissehne 
hindurchgeht,  und  je  nach  der  Höhe  der  Augenhöhle  sei  der  Druck 
des  Muskels  auf  den  Augapfel  ein  stärkerer  oder  schwächerer;  die 


369 

Frage  müsse  deshalb  als  eine  solche  der  Rasseneigentümlichkeit  auf- 
gefaßt und  in  erster  Linie  vom  anthropologischen  und  ethnologischen 
Standpunkte  ans  beantwortet  werden.  Der  STiLLiNGschen  Ansicht 
schliefet  sich  der  Verfasser  an;  er  hat  vollkommen  recht,  wenn  er 
behauptet,  dafs  dieselbe  einleuchtend  and  auch  für  jeden  Laien 
fafelich  sei  —  nur  schade,  dafs  die  Untersuchungen  und  Messungen 
Sullinqs  eine  allgemeine  Bestätigung  und  Anerkennung  yon  kom- 
petenter Seite  noch  nicht  haben  finden  können. 

Sei  nun  diese  auf  Vererbung  beruhende  Rassendisposition  einmal 
vorhanden,  so  werde  die  Myopie  auch  bei  den  besten  hygienischen 
Einrichtungen  von  Schule  und  Haus  eintreten  müssen.  Es  bedürfe 
deshalb,  wie  der  Autor  im  siebenten  Kapitel  näher  ausführt,  nicht 
des  von  Cohn  so  energisch  geforderten  und  mit  autoritativer  Macht- 
vollkommenheit ausgestatteten  Schularztes,  sondern  die  Angelegenheit 
müsse  vom  rein  pädagogischen  Standpunkte  aus  behandelt  werden. 
Wingkrath  fordert  zunächst  die  Beibehaltung  des  Nachmittags^ 
Unterrichts  und  sodann  Verminderung  der  schriftlichen  Aufsätze  mit 
vollständiger  Verwerfung  der  fremdländischen.  Dagegen  glaubt  der- 
selbe der  Extemporalien  als  Pädagoge  nicht  entbehren  zu  können; 
wie  er  es  indessen  anstellen  will,  um  dieselben  „des  nervenaufregenden, 
wildabhetzenden  und  gesundheitsgefährlichen  Charakters  zu  ent- 
kleiden", darüber  bleibt  er  uns  die  Antwort  schuldig. 

Doch  alles  das  seien  nur  Palliativ-  und  Verlegenheitsmittel;  die 
Hauptsache  liege  in  einer  vollständigen  Umwälzung  des  höheren 
Schulwesens,  in  der  Aufhebung  des  Monopols  der  staatlichen  Be- 
rechtigungen für  das  humanistische  Gymnasium  und  in  der  Forderung 
der  Gleichberechtigung  der  Realgymnasien  mit  den  Gymnasien.  Das 
wäre  also  des  Pudels  Kern!  Dadurch,  dafs  den  humanistischen  Gym- 
nasien ihre  bevorrechtigte  Stellung  genommen  würde  und  man  die 
Realgymnasien  sich  gleichmäßig  mit  enteren  entwickeln  liefse,  wären 
die  Eltern  eher  in  der  Lage,  ihren  weniger  befähigten  Söhnen  die 
geeignete  Schule  auszuwählen,  die  Klagen  über  Überbürdung  der 
Schüler  würden  verstummen,  die  Anforderungen  an  die  Nahearbeit  nach- 
lassen und  damit  die  Anpassungsmyopie  sich  verringern.  Wir  können 
es  uns  nicht  versagen,  an  den  Herrn  Verfasser  die  Frage  zu  richten, 
ob  er  denn  glaube,  dafe  die  Beschäftigung  mit  den  lateinischen  und 
griechischen  Klassikern  der  Ausbreitung  der  Kurzsichtigkeit  mehr 
Vorschub  leiste,  als  die  mit  den  englischen  und  französischen  Schrift- 
Steuern?! 

Über  die  zweite  Broschüre  desselben  Autors  können  wir  uns 
kürzer  fassen,  da  sie  wesentlich  neues  nicht  bringt,  in  ihrem  ersten 
Teile  polemisierend  gegen  die  Widersacher  des  Verfassers  auftritt, 


370 

während   sie  in  der   zweiten   Hälfte    sich   vorwiegend  mit  der  auf 
Vererbung  beruhenden  Anlage  zur  Myopie  beschäftigt. 

Da  die  unschädliche  Anpassungsmyopie,  wie  bemerkt,  lediglich 
als  ein  Produkt  der  durch  unsere  kulturelle  Entwicklung  notwen- 
digerweise gesteigerten  Nahearbeit  und  der  erblichen  Disposition 
angesehen  werden  muß,  so  glaubt  der  Verfasser  nicht  an  einen 
wesentlichen  Einflute  der  noch  so  zweckmäßig  konstruierten  Sub- 
sellien,  hält  nichts  von  der  Einführung  der  Stenographie  oder  von 
der  Anwendung  der  Steil-  an  Stelle  der  Schrägschrift.  Ob  bei  der 
Nahearbeit  mehr  die  Konvergenz  oder  die  Accommodation,  ob  die 
Sehnervenzerrung  oder  der  Druck  des  Trochlearis  nachteilig  wirke, 
will  Autor  seinerseits  nicht  entscheiden;  für  ihn  ist  indessen  die 
SrcLLiNGsche  Theorie  die  plausibelste  und  verständlichste. 

Die  Disposition  zur  Myopie  sei  nun,  wie  Galbzowski,  Mbykr, 
Mauthner  und  Book  nachgewiesen  haben,  in  den  bei  weitem 
meisten  Fällen  angeboren  (70%);  indessen  herrsche  bei  den  Autoren 
auch  Ober  das  Wesen  der  angeborenen  Disposition  noch  nicht  Einig- 
keit. Verfasser  selber  acceptiert  auch  hierbei  wieder  die  SxnxiNG- 
schen  Angaben,  dafs  nämlich  bei  einem  Orbitalindex  von  <  85 
Niedrigkeit  der  Augenhöhle  (Chamäkonchie)  und  damit  Anlage  zur 
Kurzsichtigkeit,  bei  einem  Orbitalindex  von  >  85  Höhe  der  Augen- 
höhle (Hypsikonchie)  und  damit  Emmetropie  oder  Disposition  zur 
Hypermetropie  bestehe.  Weiss,  Kirchner,  Schmidt  -  Rimpler 
u.  a.  fanden  indessen  bei  weitem  andere  Werte  als  Stilling,  und 
vor  allem  wurde  gegen  die  STiLLiNGsche  Hypothese  die  Aniso- 
metropie ins  Feld  geführt,  bei  der  man  dann  ja  verschiedene  Indices 
der  Orbitae  finden  müsse,  was  aber  von  niemandem  bisher  konsta- 
tiert worden  ist.  Mit  grofsem  Geschick  und  anerkennenswerter 
Sachkenntnis  verwendet  dagegen  der  Verfasser  die  Befunde  von 
Bock,  Cohbn,  Romano,  Seggbl,  welche  im  ganzen  Aber  6000 
Messungen  den  650  Messungen  von  Schmidt-Rimplkr  gegenüber- 
stellen, und  welche  die  STiLLiNGschen  Angaben  über  das  Abhängig- 
keitsverhältnis der  Myopie  von  den  Orbitalindices  vollauf  bestätigen. 

Da  nun  die  erbliche  Anlage  in  mehr  als  70%  vorhanden,  die 
Nahearbeit,  soll  anders  der  Jugend  ein  gewisses  Mab  von  Kenntnissen 
und  Bildung  zu  teil  werden,  nicht  zu  umgehen  sei,  so  müsse  letztere 
auf  einen  möglichst  niedrigen  Umfang  beschränkt  werden,  um  die 
Myopie  nicht  unverhältnismäßig  zu  steigern.  Der  Verfasser  wieder- 
holt daher,  dafs  die  Frage  nicht  vom  hygienischen,  sondern  vom 
schulmännischen  Standpunkte  aus  gelöst  werden  müsse,  und  verwirft 
von  neuem  den  von  Cohn  und  anderen  geforderten  Schularzt, 
während  er  demselben  wohl  eine  beratende  Stimme  im  Schulvorstande 
zugesteht.     Aufser  den  oben  bereits    formulierten,   die  Schulen  der 


371 

realen  Richtung  betreffenden  Wünschen  erstrebt  der  Pädagoge  daher 
noch  eine  bessere  sociale  und  materielle  Stellang  für  die  Lehrer: 
nur  wenn  diese  in  der  Lage  wären,  sich  selber  eine  Familie  zu 
gründen,  würden  sie,  als  die  berufenen  Vertreter  der  Eltern,  das 
Interesse  und  die  Liebe  für  die  Schüler  in  sich  wachsen  sehen  und 
dadurch  befähigt  werden,  ihr  Augenmerk  in  hervorragender  Weise 
den  leiblichen  Bedürfnissen  der  ihnen  anvertrauten  Zöglinge  zu  widmen. 
Es  wird  heutzutage  selbst  der  eingefleischteste  Freund  huma- 
nistischer Bildung  nicht  leugnen,  dafs  unsere  höheren  Schulen  noch 
in  mancher  Beziehung  einer  Reorganisation  bedürfen,  und  niemand 
wird  es  dem  Pädagogen  verargen,  wenn  er  für  eine  Verbesserung 
der  materiellen  Lage  seiner  Kollegen  energisch  eintritt.  Wir  müssen 
aber  auch  andererseits  mit  aller  Entschiedenheit  fordern,  dals  bei 
allen  das  körperliche  Wohl  der  Jugend  betreffenden  Fragen  der 
Mediziner  seine  Stimme  mit  in  die  Wagschale  lege  und  dafe  der 
Kontrolle  der  hier  einschlägigen  hygienischen  Vorschriften  durch 
Arzte  in  erster  Linie  Rechnung  getragen  werde.  Einer  solchen 
Kontrolle  ist  in  dieser  Zeitschrift  schon  so  häufig  und  in  so  sach- 
verständiger Weise  Erwähnung  gethan,  dals  wir  es  uns  versagen 
müssen,  nochmals  auf  dieselbe  näher  einzugehen.  Dagegen  wollen 
wir  wiederholt  betonen,  dafs  wir  im  Gegensatz  zu  dem  Herrn  Ver- 
fasser diese  Frage  als  eine  fundamentale  der  Schulhygiene  ansehen. 

Augenar/t  Dr.  med.  Alexander 
in  Aachen. 

Böngärfi,   Jlxos    6s   K&rpXti,   Bela.     Ajs   illöiräs    [Johann 
BOnqärfi  und  Bäla  KXrpAti.    Die  St  eil  schritt].    Budapest, 
1892.     Robert  Lampel.     (212  S.  8°.) 
Seitdem  Dr.  Gsapodi  und  Professor  Dolunger  die  Steilschrift- 
frage in  Ungarn  angeregt  haben,   beschäftigen  sich  die  hygienischen 
and  insbesondere  die  pädagogischen  Zeitschriften  unseres  Vaterlandes 
mit  derselben.    Beinahe  alle  Verfasser  der  betreffenden  Abhandlungen 
sprechen    sich    für    die    obligatorische    Einführung    der   senkrechten 
Schrift  in  den  Schulen  aus. 

Auch  das  vorliegende  Buch  tritt  für  dieselbe  ein,  und  zwar 
gelangen  die  Verfasser  zu  dem  Schlüsse,  dafs  die  Steilschrift  viele 
hygienische  Vorteile  in  sich  berge,  deren  Aufzählung  die  Leser 
dieser  Zeitschrift  dem  Referenten  erlassen  werden.  Böngerfi  und 
KIrpIti  erteilen  Ratschläge  für  den  Lehrer,  der  in  der  Dierckx- 
flchen  Schrift  unterrichten  will.  Zugleich  veranschaulichen  sie  durch 
Zinkographien  die  Körperhaltung  der  Schüler  sowohl  während  der 
Steilschrift,  als  während  der  jetzt  üblichen  Schrägschrift.  Diese 
Illustrationen  werden  durch  Schriftproben  ergänzt. 


372 

Hervorheben    müssen    wir    noch    das    anziehend   geschriebene 
Vorwort  des  Universit&tsprofessors  Dr.  Josef  von  Fodor. 

Aufserdem   enthält  das  Werk   eine  Abhandlung  des  bekannten 
Vorkämpfers  für  die  Steilschrift  Dr.  Paul  Schubert  in  Nürnberg. 
Das  mit  vieler  Sachkenntnis  geschriebene  Buch  wird  zur  Ver- 
breitung der  Steilschrift  in  Ungarn  wesentlich  beitragen. 

Schularzt  und  Professor  der  Hygiene 
Dr.  med.  Heinrich  Schüschny  in  Budapest. 

H.  Rowland  Wakefield,   Science  Demonstrator  to  the  Swansea 
School  Board.   An  Elementary  Textbook  of  Hygiene.    Blacirie's 
Science  Textbooks.     London,  1892.     Blackie  and  Son.     (212  S. 
12°.     Sh.  2.) 
Das   kleine  Buch  ist,    wie   wir  aus  der  Vorrede  erfahren,    flür 
den  Unterricht  der  Schüler  in  der  Hygiene  bestimmt  und  entspricht 
seinem    Zwecke.      Die   Auswahl   des   Stoffes   verrät   pädagogisches 
Geschick,    und   der  Inhalt  erscheint  im  allgemeinen  korrekt,    indem 
nur  einzelne  unbedeutende  Irrtümer  vorkommen.     Auch  die  Sprache 
ist  klar   und  bündig,   und  nur  einige  Male  hat  der  Ausdruck  unter 
der  Kürze    gelitten;    da   jedoch  das  Lehrbuch  durch  die  mündliche 
Unterweisung    ergänzt    werden    soll,    so    dürfte  dieser  Fehler  nicht 
besonders    ins   Gewicht    fallen.      Das  nach  englischer  Art  gut  aus- 
gestattete Werk  kann  also  empfohlen  werden. 

L.  Kotelmann. 


Bibliographie. 

AiMetics   in   our  public   schools.     The   Brit.   Med.  Journ.,    1893, 

April  22,  1686,  858—859. 
Bbrra,  F.  A.     La  salud  y  la  escuela  [Die  Gesundheit  und  die 

Schule].    Buenos-Aires,  1886,  La  Plata. 
Beseitigung  des  Nachmittagsunterrichtes.  Verhandlungen  der  VI.  Direk- 
torenversammlung   in    Sachsen    1889,    XXXII.      Berlin,    1890, 

Weidmann.     M.  7. 
Brunner  und  Seggel.     Bericht  der  vom  ärztlichen  Bemrhsverem 

München  mr  Prüfung  des  Einflusses  der  Steil-  und  Schrägschrift 

(Schiefschrift)   gewählten  Kommission.     Münch.   med.  Wochschr., 

1893,  XIH,  246—248. 
Bmieisens  Lodrette  skrift  (Steäsknft).    ForeWng  fremstiUet  i  1  hefte 

med  kort  anvisning   [Banielsens  senkrechte  Schrift  (Steilschrift). 

Vorläufig  dargestellt  in  1  Hefte  mit  kurzer  Anweisung].    Ej0ben- 

havn,  1893,  N.  C.  Rom. 


373 

Darstellung  eines  Centralheizungssystems  (Bechern  dt  Post)  mit  Venti- 
lation.   Päd.  Warte,  1893,  XXVIII,  207—212. 
Einrichtung   der    Turnspiele.     Verhandlungen  der  XI.   Direktoren- 

Versammlung  in  Pommern,   XXXVII.  Berlin,    1890,  Weidmann. 

X  7. 
Em  Wort  für  die  Schrägschrift.    Oldenb.  Schulbl.,  1892,  DXCVm. 
Epidemie   von   akuter   follikulärer  Bindehautentzündung   im   k.  k. 

Waisenhause   zu   Judenau.     D.  öst.  Sanitätswes.,    1893,    XIII, 

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Fischer,  Rich.    Hungernde  Schulkinder.    Zur  gut.  Stunde,  1893,  I. 
Förster,    Alban.     Der  gegenwärtige  Stand  des  Arbeitsunterrichts 

im  deutschen  Reiche.    Blatt.  f.Knabhdarbt.,  1893,  III,  36— 39  ff. 
Gaule,  Just.     Von  der  Physiologie  als  erziehenden  Wissenschaft. 

Schwz.  päd.  Ztschr.,  1891,  I. 
Gelpke,  Th.      Wie  sott  unsere  Schuljugend  schreiben,  schräg  oder 

steü?    Karlsruhe,  1892,  Reiff.     Gr.  8°.     Ä  0,60. 
Holletschbk,  R.  M.     Stoateks  Schlittschuhlauffiguren,     Mit  50  Tal. 

2.  Aufl.     Wien,  1891,  Hartleben. 
Jaeqeb,  0.  K.      Neue  Turnschule.      Mit  den  Schulturngrundlagen 

und  44  Turnbildern.     3.  Aufl.     Stuttgart,  1891,  Bonz. 
Janke,  0.     Die  Beleuchtung  der  Schulzimmer.     D.  Blatt,  f.  erziehl. 

ünterr.,  Langensalza,  1892,  XXV;  XXVI. 
Koch,  Fr.      Buchstabentäfelchen  für  Steilschrift.      Ausgabe  A  für 

senkrechte    Kurrentschrift    und   B    für    senkrechte    Lateinschrift. 

Korneuburg,  1892,  Kuhlkopf.     Je  Jt  3. 
Koch,  K.     Turnen  und  Spielen,  eine  Entgegnung.     Ztschr.  f.  Turn. 

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300—302. 
Turnen  und  Handfertigkeit,  eine  vergleichende  Untersuchung,    Kath. 

Schnitt.,  1893,  III. 
Valletti,  F.    La  ginnastica  negli  asiti  dtinfanzia.    Torino,  1890. 
Voigt,  Fanny.      Über  den  pädagogischen  Wert  der  Schulausfl&ge. 

D.  Mädchschnl.,  1893,  I  n.  IL 
White,  G.     Physical   education.     Transact.    VII.    internat    congr. 

hyg.  and  demogr.  1891,  London,  1892,  IV,  110—114. 
Wireniüs,  A.  S.      [Die   Elementarschulen    Londons   in   sanitärer 

Beziehung.]     Westn.  obscht.  gigien.,  ssndebn.  i  prakt.  med.,  1892, 

Juli. 
—  [Zur  Frage  von   der    Ventilation    der  Lehranstalten.]     Westn. 

obscht.  gigien.,  ssndebn.  i  prakt.  med.,  1892,  Oktober. 
Zehnter   Jahresbericht   des  Vereins   für   Ferienkolonien  in  Bremen, 

1889.     Bremen,  1890,  A.  Gnthe.  8°. 
Zur    Einführung    der    Jugendspiele.       Graz.     Tagespost,    1891, 

24.  Juni,  CLXXII. 
Zur  gesunden  Gestaltung  unseres  Schulturnens.     Schvz.  Lehrerztg., 

1891,  XI;  Xu. 
Zur  Schulhygiene.     Gudht.,  1891,  X,  145—150. 


375 

Bei  der  Redaktion  eingegangene  Schriften. 

Beratung  über  den  Handfertigkeitsunterricht  im  Hause  der  preufsi- 
schen  Abgeordneten.    Blatt,  f.  Knabhdarbt.,  1893,  V,  74— 83  ff. 

Bebra,  F.  A.  Nociones  de  Higiene  [Hygienische  Begriffe].  Buenos- 
Aires,  1893,  A.  Estrada. 

Brücke,  Ernst.  Hoe  behoedt  men  het  leven  en  de  geeondheid 
tijner  Rinderen?  In  het  Nederlandsch  overgebracht  door  C.  L. 
von  der  Burg.  [  Wie  behütet  man  das  Leben  und  die  Gesundheit 
semer  Kinder?  Ins  Holländische  übersetzt  von  C.  L.  von  der 
Barg].     Leiden,  1892,  Blankenberg.     8°. 

Bur&ham,  WM.  H.  A  scheme  of  Classification  for  chüd-study. 
The  pedag.  Sem.,  1893,  March,  H,  2,  191—198. 

Cowles,  Edward.  The  mental  Symptoms  of  fatigue.  The  New 
York  med.  Journ.,  1893,  April  1,  345—352. 

Empfiehlt  es  sich,  den  gesamten  wissenschaftlichen  Unterricht  auf 
den  Vormittag  zu  verlegen?  Verhandlungen  der  IV.  Direktoren- 
yersammlnng  in  der  Rheinprovinz,  XXXV.  Berlin,  1890,  Weid- 
mann.    JiL  8. 

Eüler.  Encyklopädisches  Handbuch  des  gesamten  Turnwesens  und 
der  verwandten  Gebiete.  Wien  und  Leipzig,  1893,  A.  Pichlers 
Witwe  und  Sohn. 

Golay,    E.      Guide    des   mhres    dam    les   tnaladies    des    enfants. 

Genäve,  1892,  Georg.     12°. 
Gorini,    C.      iSinscgnamento    detfigiene    neue    scuole    femmitUli. 

Prolnsione  ad  nn  corso  d'igiene  per  la  scuola  normale  femminile 

di  Pavia.    Rivist.  d.  beneficenz.  pnbbl.  e  di  igien.  social.,  Roma, 

1893,  I,  83—88. 
Gran,    T.    0.     Et  fors0g    i   steilskrift.     [Ein    Steüschrifbversuch.] 

Norsk  skoletidende,  1893,  XII,  177—181. 
Guttmann,  Max.     Jugendspiele  und  Schülerwanderungen.     Wien, 

1893,  Pichlers  Witwe  und  Sohn.     Gr.  8°.     iL  0,50. 
Haggenmüller,  Hans.     Über  den  Fünfkampf  der  Hellenen.    Mit 

1  Taf.     Progr.  d.  Wilhelmsgymnas.  in  München,  1892.     8°. 
Hand  and  eye.     A  monthly  Journal   for  the  promoüon  of  sloyd, 

Kindergarten,  and  all  other  forms  of  manual  training.     Vol.  I, 

1—2.     London,  1892,  0.  Newmann  &  Co. 

Hauser.  Die  Typhusepidemie  in  der  Haushaltungsschule  eu  Lind" 
Mm.  Korrspdzbl.  d.  ärztl.  Vereine  d.  Grofsh.  Hess.,  1892,  X, 
151;  154—158. 

Hering.  Hygienisches  über  den  Staub.  Vortrag,  gehalten  im  natur- 
wissenschaftlichen Verein  zu  Frankfurt  a.  0.  Berlin,  1892, 
R.  Friedländer  &  Sohn.     JVL  0,60.  £j 


376 

Leutebt,  J.  C.    Auch  eur  Schulbankfrage.  Schwz.  Bl.  f.  Gsdhtspfl., 

1892,  XXVI,  314. 
Lovadina,  6.     I  giuochi  ginnastici  di  Froebel,  ridotü  ad  uso  degU 

asüi  mfantüi  e  dette  scuole  primarie.     Roma,  1887. 
Hantegazza,  P.     Igiene  del  movimento.     Milano,  1891. 
Mabwbdel,  Emma.    An   appeal   for  justice    to    childhood.    San 

Francisco,  1891.     8°. 
—  The  connecting  link  to   continue   (he    three-fold   development  of 

(he  child  from   the   Kindergarten    to    the    manual-labor    school. 

San  Francisco,  1891.     8°. 
M0S80,  A.     Über  die  Ausbildung   des  weiblichen  Körpers.     Dtsch. 

Re?.,  1893,  Aprü. 
Mühlbrecht,  0.    Die  Turnspiele  unserer  Knaben.    Vortrag.    Grofs- 

Lichterfelde,  1892,  Puttkammer  &  Mühlbrecht.     Gr.  8°. 
Noble  Smith.     The  tnore  severe  forms  of  lateral  curvalure  of  the 

spine.     London,  1892,  Smith,  Eider  &  Co. 
N0K8A,  G.  Scuola  e  miopia.     Roma,  1892. 
Pabsy.      Note    sur    les    dessins    tfenfants.      Rev.    phil.,    1891, 

XXXH,  614. 
Peches,  J.  K.     Diätetik  und  Lebensregeln  für  geistig  Beschäftigte. 

Ein  Ratgeber  für  Gelehrte,  Künstler,  Geistliche,  Lehrer,  Beamte, 

Geschäftsleute    und   alle   Kopfarbeiter  bei    sitzender  Lebensweise. 

Leipzig,  1892,  K.  Fr.  Pfau.     Kl.  8°.     iL  1. 
Physiognomik,   die,  im  Dienste  der  Erziehung.     Preufs.   Schulztg., 

1891,  LXXH;  LXXII. 

Roblot.     Recherches  originales  et  praüques  sur  la  gymnastique  et 

les  divers  sports  ä  la  fin  du  XIX9  stiele.     Scienc.  biologiq.  k  la 

fin  du  XIX«  sifccle,  Paris,  1893,  655—673. 
Sama,  JOAQUfN.     La  educaeiön  fisica  de  la  mujir  [Die  physische 

Erziehung  des  Weibes].    Bolet.  de  la  inst.  libr.  de  enseiiz.,  1892, 

CCCLXXXI,  371—379. 
Schapmann.  Steilschrift,  nicht  Schrägschrift.  Rhein.- Westf.  Schulztg., 

1892,  XLIH. 

Über  die  sur  Forderung  des  botanischen  Unterrichts  empfohlene 
Anlegung  von  Schulgärten.  Verhandlungen  der  XI.  Direktoren- 
versammlung in  Pommern,  XXXVII.  Berlin,  1890,  Weidmann, 
ü.  7. 

Unglenk,  L.  und  Pfeiffbkbbbger,  K.  Schreiblesefibel  unter  Zu- 
grundelegung der  neuen  badischen  Normalschrift  {Steilschrift). 
84.  Aufl.     Mannheim,  1893,  J.  Bensheimer.     Gbd.  iL  0,50. 

Vollebt,  Joh.  Noch  einmal  Klassenturnen  und  Biegeniurnen 
Ztschr.  f.  Turn.  u.  Jgdspl.,  1893,  I,  1—5. 


3ritf*rift  fiit  5dinijffttnbiftt6p)lf jf. 


VI.  Jahrgang.  1893.  No.  7  und  8. 


<irtgtu<tt-;Ätil)a*Mttftgett. 


Di«  Myopiefrage  mit  besonderer  Rücksicht  auf  die  Schule. 

Von 

Dr.  med.  J.  Stelling, 

Professor  der  Augenheilkunde  ap  der  Umvenit&t  StraJsburg  i.  E. 

I. 


r,  welcher  die  Bntwickelung 
der  KtLr^ohtigkeitsfrage  in  den  loteten  Jahren  aufmerksam 
▼erfolgt  hat,  durfte  es  sehineriioh  entgangen  sein,  daü  die  von 
mir  aufgestellte  Lehre  von  der  flttfatahung  der  Myopie  anftngt 
dniehzudringen,  soviel  dieselbe  aueh,  wie  dae  immer  bei  einer 
neien  Lehre  an  geschehen  pflegt,  anfangs  bekämpft  worden  ist 

Nach  dieser  Lehre  entsteht  diejenige  Form  der  Myopie, 
welche  man  als  Schullrarzsiohtigkeit  zu  bezeichnen  pflegt,  dureh 
Wachstum  unter  Muskeldruek  und  ist  nicht  als  eine  krankhafte 
Alteration,  sondern  als  eine  Fonnverä&derung  unter  abnormen 
Verhältnissen  aufzufassen.  Die  Entstehung  dieser  Art  von 
Myopie  ist  nicht  bedingt  durch  die  ungünstigen  Verhältnisse, 
«ntor  denen  in  unseren  Schulen  Nahearbeit  geleistet  wird, 
Madern  durch  die  Nahearbeit  an  und  für  sich  bei  der  Frttezistenn 
tber  besonderen  Anlage  zur  Kurasichtigkeit.  Diese  letztere 
nrafa  im  Knochenbau  der  Augenhöhle  gesucht  werden. 

Die  hauptsächlichste  hygienische  Schlußfolgerung,  die  aus 
dieser  Lehre  zu  ziehen  ist,  ist  nioht  etwa  die,  daß  es  über- 
Steig  sei,  sich  überhaupt  um  die  Entwickelung  der  Myopie 

Sehvlgtmnidheltipflege  VI.  25 


378 

in  den  Schulen  zu  kümmern,  sondern  vielmehr  die,  den  zu 
erstrebenden  hygienischen  Mafsregeln  einen  festen,  wissenschaftlich 
begründeten  Boden  zu  verschaffen.  Es  ist  dies  bisher  nicht  der 
Fall  gewesen,  da  man  eingestandenermaßen  vom  eigentlichen 
Wesen  der  Myopie  nichts  wulste  und  die  bisher  entwickelten 
Theorien  in  der  Kegel  nichts  anderes  waren  als  allgemeine 
Redewendungen,  welche  gewisse  klinische  Beobachtungen  zum 
Ausdrucke  brachten.  Dies  gilt  ganz  besonders  von  der  Accommo- 
dations-,  wie  von  der  Konvergenzhypothese. 

Von  allen  meinen  Gegnern  wulste  anfänglich  kein  einziger 
irgend  etwas  Nennenswertes  gegen  meine  Lehre  vorzubringen, 
es  mufste  sogar  ein  jeder  offen  zugestehen,  dals  sie  einfach 
und  leicht  verständlich  sei.  Erst  nachdem  ich  das  Gesetz  auf- 
gestellt hatte,  dals  die  Anlage  zur  Kurzsichtigkeit  im  allgemeinen 
in  der  Chamäkonchie,  dem  niedrigen  Augenhöhlenbau,  zu  suchen 
sei,  fand  sich  eine  Anzahl  von  Autoren,  welche  die  Wahrheit 
der  von  mir  behaupteten  Thatsachen  leugneten  und  damit 
meinen  eifrigsten  Widersacher,  meinen  im  übrigen  hoch- 
geschätzten Kollegen  Professor  H.  Cohn,  veranlagten,  öffentlich 
meine  gänzliche  Niederlage  zu  verkünden.  Cohn  dürfte  aber 
selbst  nachgerade  einsehen,  dals  er  etwas  zu  früh  triumphiert  hat 

Schmidt- Rimpleb,  mein  hauptsächlichster  Gegner,  fassend 
auf  einer  Reihe  von  Kontrolluntersuchungen,  leugnete  schlechtweg 
das  von  mir  formulierte  Gesetz,  nach  welchem  die  Myopie  in 
der  Regel  mit  niedrigem,  die  Emmetropie  mit  hohem  Bau  der 
Augenhöhle  zusammen  vorkommt. 

Hierauf  traten  nacheinander  Weiss  und  sein  Schüler 
Bär,  Kirchner  und  zuletzt  Rymsza1,  ein  Schüler  Rählmanns 
in  Dorpat,  gegen  mich  auf. 

Diese  Autoren  befinden  sich  mir  gegenüber  in  einer  bereits 
entschieden  ungünstigen  Lage.  Sie  fanden  nämlich  insgesamt 
das  Thatsächliche  an  dem  von  mir  gefundenen  Gesetze 
bestätigt.     Ihre  Gegnerschaft  ist  demnach  eine  rein  theoretische. 

1  Vergleichende  Untersuchungen  über  den  Zusammenhang  zwischen 
den  Befraktionszuständen  des  Auges  und  dem  Schädelbau.  Dorpat,  1892. 
Inauguraldissertation. 


379 

Da  sie  mich  nicht  durch  die  Thatsaohe,  die  sie  selbst  haben 
zugeben  müssen,  widerlegen  können,  so  versuchen  sie  dies  auf 
dem  Wege  des  Raisonnements.  Dies  letztere  Mit  jedoch 
meist  nicht  sehr  glücklich  aus. 

Ich  habe  an  anderen  Orten  ausführlich  die  gegen  mich 
gerichteten  Angriffe  widerlegt.  Daher  will  ich  mich  hier 
darauf  beschränken,  nur  an  zwei  umstände  zu  erinnern.  Erstens 
daran,  dafe  meine  Gegner  durchweg  ein  sehr  schlecht  gewähltes 
anthropologisches  Material  benutzt  haben,  und  zweitens,  dafs 
die  von  ihnen  gefundenen  Zahlenwerte  auf  das  unzweideutigste 
beweisen,  dafe  ihre  Messungen  unrichtig  sind.  Um  so  schwerer 
feilt  ins  Gewicht,  dafe  dennoch  das  von  mir  an  einem  aus- 
gesuchten anthropologischen  Material  gefundene  Gesetz  überall 
auch  in  den  Sohlufsresultaten  meiner  Gegner  hervortritt,  einzig 
die  von  Schmidt-Rimpler  ausgenommen. 

Zwei  andere  Gregner,  Fizia  und  Heknheiser,  kann  ich 
einfach  beiseite  lassen,  weil  sie  überhaupt  keine  bestimmten 
Ergebnisse,  in  Zahlen  ausgedrückt,  mitgeteilt  haben. 

Inzwischen  haben  Seggel,  RomanoCatania  und  Pflüger 
groJae  Reihen  von  Messungen  angestellt,  welche  das  Thatsächliche 
des  Gesetzes  im  ganzen  Umfange  mit  anthropologisch  richtigen 
Durchschnittswerten  bestätigen. 

Von  den  drei  letztgenannten  Autoren  steht  Romano-Catania 
vollständig  auf  dem  Boden  meiner  ganzen  Lehre,  Seggel 
und  Pflüger  geben  die  Richtigkeit  derselben  mit  Einschränkungen 
zu.  Während  jedoch  Seggel  in  der  Chamäkonchie  nur  ein  sehr 
häufiges  und  besonders  prädisponierendes  Moment  der  Myopie 
erblickt,  welches  sich  durch  Erblichkeit  göltend  macht,  sieht 
Pflügbr  schon  den  mächtigsten,  wenngleich  nicht  den  einzigen 
Faktor'  darin. 

Überblickt  man  die  Resultate  der  bisher  angestellten 
Angenhöhlenmessungen  im  ganzen,  so  hat  sich,  wenn  ich  meine 
eigenen  Messungen  einschließlich  der  von  0.  Cohen  mit  rund 
5000  dazu  zähle,  bis  jetzt  an  etwa  15000  Messungen  das 
Gesetz  vom  Zusammenhang  der  Refraktion  mit  dem  Schädel- 
nnd  Augenhöhlenbau  bestätigt.    Rechnet  man  alle  Messungen 

26* 


380 

znsammen,  bei  denen  flieh  das  Gesetz  nieht  bestätigt  hat, 
selbst  die  von  Fizia  und  Hhrnheibbb,  die  ihre  Resultate  gar 
nicht  mit  Ziffern  belegt  haben,  sondern  nur  die  Anzahl  der  über- 
haupt gemachten  Messungen  mitteilen,  eingeschlossen,  so  belaufen 
sich  diese  noch  nicht  auf  den  dritten  Teil  der  erstgenannten 
Summe. 

Die  negativen  Befunde  beweisen  zudem  den  positiven 
gegenüber  gar  nichts.  Denn,  wie  ich  anderweitig  auseinander- 
gesetzt habe,  kann  und  mufis  es  in  Gegenden,  in  denen  die 
Myopie  häufig  ist,  vorkommen,  dals  der  gesetzmäßige  Unter- 
schied schwindet  und  das  Resultat  nur  Vergleichswert  beanspruchen 
darf.  Dies  trifft  besonders  für  Sohmidt-RimpIiEBs  Material  zu, 
da  im  Frankfurter  Gymnasium  bereits  in  Sexta  sich  83*/o  Kurz- 
sichtige fanden.  Die  Ergebnisse  der  von  BAb  und  Kmcrarm 
ausgeführten  Messungen  bekräftigen  um  so  mehr  die  Gültigkeit 
des  Gesetzes  von  dem  Zusammenhang  dar  Refraktion  mit  dem 
Schädelbau,  als  ihr  Material  das  denkbar  schlechteste  gewesen 
ist,  und  beide  Autoren  den  grofoen  Fehler  begangen  haben, 
wachsende  Individuen  bis  in  die  untersten  SohuHdassen  zu 
untersuchen.  Auch  das  von  Sboml  verwandte  Material  ist 
nieht  einwandfrei,  da  es  Mittelschüler  und  Soldaten,  welche 
nur  Elementarsohulbildung  hatten,  in  viel  zu  greiser  Menge 
umfafet.  SneaBL  hat  indessen  durch  sorgfältige  Differenzierung 
diesen  Fehler  aussugleiehen  gesucht.  Ein  wirklich  brauchbares 
Material  haben  aulber  mir  nur  0.  Cohen,  Romaito*Oat*»ia 
und  Pflüobr  benutet. 

Einen  Anspruch  aufrichtig  ausgeführte  Messungen, 
die  mit  den  anthropologisch  feststehenden  Grenzwerten 
stimmen,  haben  nur  Sbggbl  und  die  drei  zulettt  ge- 
nannten Autoren.  Die  meinigen  mit  eingerechnet, 
belaufen  sich  diese  Messungen  aber  bereits  auf  10  000 
bis  12  000.  Dies  ist  —  auch  ohne  die  Messungen 
von  Bin,  Kaohnbb  u.  s.  w.,  welche  doch  zahlenmäßig  rm& 
widerspruchslos  gezeigt  haben,  dafe  im  Durchschnitt  die  myopische 
Augenhöhle  niedriger  ist  als  die  emntetropisehe,  —  eine  so 
grofse   Zahl,    dass   der   Beweis    der   Richtigkeit    des 


381 

formulierten  Gesetzes   zweifellos  damit  als  erbracht 
anzusehen  ist. 

n. 

Die  Streitfragen,  die  jetzt  noch  übrig  bleiben,  drehen  sich 
demnach  nicht  mehr  um  Thatsachen,  sondern  nur  noch  um 
rein  theoretische  Dinge.  Seggel  und  Pelüger  machen  mir 
nftmlich  übereinstimmend  Einseitigkeit  zum  Vorwurf.  Sie 
erkennen  zwar  das  Gesetz  vom  Zusammenhang  zwischen  Augen- 
hfthlenbau  und  Myopie  vollständig  an  und  sehen  in  der  Ohamä- 
konchie  der  erste  ein  sehr  häufiges,  der  zweite  das  mächtigste 
prädisponierende  Moment  für  die  Entstehung  der  Kurzsichtigkeit, 
allein  sie  sagen,  ich  erblicke  in  der  Chamäkonchie  und  dem 
davon  abhängigen  Verlaufe  des  oberen  schrägen  Augenmuskels 
die  einzige  Ursache  der  Myopie  und  lasse  die  übrigen  aufaer 
acht.  Diese  seien  aber  zweifellos  zu  berücksichtigen,  und 
«war  führen  sie  besonders  die  Accommodation,  die  Konvergenz 
und  die  Insufficienz  der  inneren  Augenmuskeln  an.  Ich  muüs 
dem  Vorwurf,  den  mir  meine  geschätzten  Facbgenossen  machen, 
hier  einen  anderen  entgegensetzen,  nämlich  den,  dafs  sie  meine 
Schriften  nicht  so  gründlich  studiert  haben,  als  dies  für  mich 
ersprießlich  gewesen  wäre.  Ich  habe  nämlich  auf  alle  Momente, 
die  inBetracht  kommen  können,  eingehend  Rücksicht  genommen 
und  anatomische  Untersuchungen  darüber  ausgeführt.  Ich  darf 
sogar  kühn  behaupten,  dais  diese  Untersuchungen  überhaupt 
eist  klargestellt  haben,  inwiefern  die  Konvergenz,  die  Accommo- 
dation und  die  Insufficienz  der  inneren  Augenmuskeln  bei  der 
Entstehung  der  Myopie  wirken,  während  man  bisher  ganz  aulser 
stände  war,  sich  davon  eine  nur  einigermaßen  deutliche  Vor- 
stellung zu  machen.  Die  klinische  Erfahrung  wies  darauf  hin, 
dato  jene  Momente,  deren  wichtigste  die  Konvergenz  und  die 
Accommodation  sind,  in  Rechnung  gezogen  werden  müssen. 
Allein  alle  Versuche,  auf  diese  Momente  eine  Theorie  von 
der  Entstehung  der  Kurzsichtigkeit  zu  gründen,  scheiterten  an 
unlösbaren  Widersprüchen,  und,  wenn  man  von  Konvergenztheorie 
oder  von  Aooommodationstheorie  spricht,  so  sind  das  im  wesentlichen 
nichts  als  blofse  Worte. 


382 

Ich  habe  nun  im  Gegensatz  zu  den  sogenannten  Konvergenz- 
theoretikern, zu  denen  in  erster  Linie  Schmidt-Bjmplbr  gehört, 
wirklich  anatomische  Untersuchungen  über  den  Einflufs  der 
Kontraktion  der  inneren  Augenmuskeln  angestellt.  Dabei  habe 
ich  ausfuhrlich  gezeigt,  wie  sowohl  bezüglich  der  Zerrung  des 
Sehnerven,  als  auch  der  Kompression  des  Augapfels  die  Wirkung 
des  ausschlaggebenden  Muskels,  des  Obliquus  superior,  durch 
die  Kontraktionen  des  Bectus  internus  verstärkt  wird  und 
wie  namentlich  die  vorwiegende  Erweiterung  der  temporalen 
Bulbushälfte  des  kurzsichtigen  Auges  auf  die  Konvergenz 
zurückzuführen  ist. 

Das  Moment  der  Konvergenz  ist  also  zwar  ein  unter- 
geordnetes, welches  erst  durch  das  Hauptmoment,  nämlich  die 
Wirkung  des  Obliquus  superior,  überhaupt  zur  Geltung  kommen 
kann,  allein  immerhin  sehr  wichtig  und  als  solches  von  mir 
in  der  eingehendsten  Weise  berücksichtigt  worden.  Während 
die  Konvergenztheorie  durchaus  auiser  stände  gewesen  ist, 
eine  genügende  Erläuterung  darüber  zu  geben,  inwiefern  die 
Konvergenz  mit  der  Myopie  etwas  zu  thun  habe,  wiewohl  die 
klinische  Erfahrung  doch  darauf  hinweist,  bietet  die  hier 
vertretene  Anschauung  die  vollständige  Erklärung  dafür,  dafe 
die  Konvergenz  mit  der  aktiven  Kontraktion  des  Internus  und 
der  passiven  des  Externus  eine  Bolle  spielen  mufs,  und 
illustriert  auch  auf  das  befriedigendste  die  Art  derselben. 

An  eine  derartige  Unterordnung  der  Konvergenz  unter 
das  Hauptmoment,  wie  ich  sie  ausgeführt  habe,  haben  meine 
Gegner  nicht  gedacht.  Selbst  Seggel  und  Pflüger  wollen 
die  beiden  Momente  allem  Anscheine  nach  noch  gesondert  be- 
trachtet wissen.  Sie  vergessen  dabei  den  sehr  einfachen 
Umstand,  dafs  bei  den  Bewegungen  des  Auges,  wie  sie  beim 
Lesen  und  Schreiben  stattfinden,  immer  alle  Muskeln  gleich- 
zeitig thätig  sind,  wenn  zum  Teil  auch  nur  durch  passive 
Spannung.  DerBectus  internus  und  derObliquus  superior 
wirken  aber  immer  gleichzeitig  durch  aktive  Spannung, 
es  ist  daher  unmöglich,  die  beiden  Momente  vonein- 
ander zu   trennen.     Durch  das   Zusammenwirken   und   die 


383 

Abhängigkeit  der  Konvergenz  oder  vielmehr  ihre  Unterordnung 
unter  das  Hauptmoment,  den  Obliquusdruck,  ist  aber  auch  der 
Widerspruch  gelöst,  der  auf  klinischem  Gebiete  hervortritt. 
Denn  einerseits  weisen  die  klinischen  Beobachtungen  auf  einen 
gewissen  Einfluß  der  Konvergenz  hin,  andererseits  hat  sich 
gezeigt,  daJs  gerade  die  Beschäftigungen,  welche  die  Konvergenz 
vorzugsweise  in  Anspruch  nehmen,  zur  Entstehung  der  Kurz- 
sichtigkeit nicht  disponieren. 

Auüser  dem  Druck  der  Interni  sind  auch  die  Externi 
beschuldigt  worden,  zur  Entwiokelung  der  Myopie  beizutragen, 
ohne  daJs  man  jedoch  eine  genügende  Erklärung  für  ihre 
Wirkung  zu  geben  vermochte.  Ich  selbst  habe  aber  wiederum 
gezeigt,  in  welcher  Weise  der  Druck  der  Externi  auf  die 
Verlängerung  des  Augapfels  wirken  mufs,  wie  ich  auch  den 
noch  übrigen  Augenmuskeln  genügend  Rechnung  getragen  habe. 
Soweit  überhaupt  die  äusseren  Augenmuskeln  in  Frage  kommen 
können,  habe  ich  ihren  Einflufs  untersucht  und  ihren  G-esamt- 
drnck,  den  aktiven,  sowie  den  passiven,  untergeordnet  unter 
den  Hauptfaktor,  welcher  die  Richtung  des  Gesamtdruckes 
bedingt,  nämlich  den  Verlauf  des  Obliquus  superior.  Pflüger 
sagt,  die  Ohamäkonchie  sei  das  mächtigste  Moment  für  die 
Erzeugung  der  Kurzsichtigkeit,  aber  nicht  das  einzige.  Seinem 
eigenen  Wortlaut  nach  müssen  die  anderen  Momente  also  weniger 
mächtig  sein.  Diesen  Ausspruch  unterschreibe  ich  vollkommen, 
nur  mit  der  näheren  Erklärung,  daJs  die  andern  Momente,  die 
untergeordneten,  allein  mit  und  durch  das  Hauptmoment  zur 
Geltung  kommen. 

Die  Konvergenz  ist  immer  der  am  meisten  betonte  Faktor 
sowohl  vor  als  nach  der  Aufstellung  meiner  Theorie  gewesen. 
Man  sieht,  wie  schliefslich  durch  mich  im  Gegensätze  zu  den 
Konvergenztheoretikern,  welche  auüser  den  geraden  inneren  und 
äulseren  Augenmuskeln  die  übrigen,  die  doch  gleichzeitig  wirken, 
vollständig  auiser  acht  liefsen,  eine  wirklich  genügende  Er- 
klärung des  Einflusses  der  Konvergenz  gegeben  ist.  Der 
Widerspruch  zwischen  den  klinischen  Thatsachen 
unter   sich    und    den    anatomischen,     wie    physio- 


t   i 


884 

logischen  ist  vollständig  gehoben  durch  die  Unter- 
ordnung der  Wirkung  der  Internus-  und  Externus- 
kontraktion  unter  den  Druck  der  Obliqui. 

Das  zweite  Moment,  welches  nach  Seggbl  und  Pflügbb 
nächst  der  Konvergenz  in  Betracht  kommt,  ist  die  Accommodation, 
von  der  dieselben  glauben,  dafs  sie  jedenfalls  einen  grofsen 
Einflufs  ausübe.  Eine  wirkliche  Deutung  dafür  zu  geben,  wieso 
durch  die  Accommodation  eine  Verlängerung  des  Auges  im 
myopischen  Sinne  entstehen  könne,  sind  sie  jedoch  aufser 
stände. 

Die  Accommodationstheorie  als  solche  ist  so  ziemlich  von 
allen  Augenärzten  aufgegeben.  Die  klinische  Erfahrung  weist 
aber  immer  darauf  hin,  dafe  die  Anpassung  des  Auges  für 
die  Nähe  doch  eine  Bolle  spiele.  Welcher  Art  aber  diese 
Rolle  sei,  dafür  liegt  in  meiner  Lehre  eine  sehr  leichte  und 
befriedigende  Erklärung.  Wenn  nämlich  bei  der  Nahearbeit 
zu  stark  accommodiert  wird,  so  müssen  die  Augen  dem  fixierten 
Objekte  zu  sehr  angenähert  werden,  damit  wachsen  die 
Exkursionen  des  Auges  beim  Sehen  von  oben  nach 
unten.  Hierdurch  nimmt  aber  der  Muskeldruck, 
insbesondere  derjenige  der  Obliqui,  jedoch  auch  der 
derßectizu.  Somit  sind  auch  hier  alle  Widersprüche  gelöst; 
durch  die  Unterordnung  der  Accommodation  unter  den  wichtigsten 
Punkt,  den  Muskeldruck,  ist  eine  direkte  kausale  Beziehung 
zwischen  den  drei  Momenten,  Obliquusdruok,  Konvergenz, 
Accommodation,  hergestellt.  Dem  berechtigten  Anspruch 
des  Klinikers,  welchem  bisher  die  Anatomie  und  Physiologie 
die  notwendige  Erklärung  nicht  liefern  konnte,  ist  damit  volle 
Genüge  gethan. 

Seggel  will  die  Insufficienz  der  inneren  Augenmuskeln 
als  eine  besondere  Ursache  bei  der  Entstehung  der  Kurz- 
sichtigkeit angesehen  wissen.  Er  fuJst  dabei  auf  ganz  richtigen 
klinischen  Beobachtungen.  Nach  den  bekannten  Gesetzen  der 
relativen  Aocommodationsbreite  reduciert  sich  die  Wirkung  der 
Insufficienz  der  Interni  auf  die  einer  zu  starken  Accommodation 
und    damit   wieder   auf  das  Hauptmoment,   den  Muskeldruck. 


385 

Ich  gestehe  offen  meine  Verwunderung,  dais  man  einen  solchen 
einfachen  Zusammenhang  nicht  längst  eingesehen  hat. 

Hornhautflecke  beeinflussen  ebenfalls,  wie  jeder  Kliniker 
weifs,  das  Zustandekommen  von  Myopie.  Auf  welche  Art, 
hegt  am  Tage.  Sie  bedingen  eine  zu  starke  Annäherung  an 
das  fixierte  Objekt  und  damit  verstärkten  Muskeldruok  mit 
oder  ohne  gleichzeitige  vermehrte  Aooommodation. 

Einfache  schlechte  Kopf-  und  Körperhaltung  wirkt,  wie 
leicht  begreiflich  ist,  auf  genau  dieselbe  Weise. 

Pflüger  rechnet  auch  Astigmatismus  zu  den  Ursachen 
der  Myopie.  Die  Wirkungsweise  dieses  Refraktionsfehlers 
würde  sich  genau  ebenso  bequem  erklären,  wie  die  der  bisher 
angeführten  Momente.  Ich  kann  jedoch  Pflüger  nicht  bei- 
stimmen, indem  ich  durch  ophthalmometrische  Untersuchungen 
nachgewiesen  zu  haben  glaube,  dais  der  Astigmatismus  Folge 
des  Muskeldruokes  ist.  Diese  Differenz  ist  jedoch,  wie  man 
sieht,  für  meine  Lehre  von  keiner  Bedeutung. 

Die  Sehnervenzerrung,  einen  angeblich  weiteren  Faktor, 
welcher  bei  der  Genese  der  Myopie  in  Betracht  gezogen  werden 
kann,  habe  ich  anatomisch  sehr  genau  studiert  und  klargelegt. 
Die  durch  den  Zug  des  Obliquus,  verstärkt  durch  gleich- 
zeitige Internuskontraktion  (Konvergenz),  bewirkte  Zerrung  des 
Sehnervenansatzes  ist  die  Ursache  der  Gonusbildung. 

Endlich  hängt  mit  der  Sichelbildung  auoh  der  behinderte 
Blutrückflufs  zusammen.  Auf  letzteren  weisen  gewisse  oph- 
thalmoskopische Beobachtungen  hin,  welche  auf  Sehnerven- 
Hyperämie  sohlieisen  lassen.  Diese  Dinge  finden  in  meiner 
Lehre  eine  leichte  und  vollständige  Erklärung.  Wenn  ein 
wachsendes  Organ  unter  Muskeldruok  und  Muskelzerrung 
deformiert  wird,  so  ist  damit  die  Gelegenheit  zu  gewissen, 
insbesondere  lokalen,  Unregelmäßigkeiten  in  der  Blutoirkulation 
hinreichend  gegeben. 

Überblickt  man  alles  Vorgebrachte,  so  erhellt,  dais  die 
von  mir  aufgestellte  Lehre  von  der  Entstehung  der  Kurz- 
sichtigkeit erstens  alle  klinischen  und  anatomischen  Erscheinungen 
vollständig   erklärt,    zweitens  zwar  als  Hauptursache .  den  vom 


386 

Augenhöhlenbau  abhängigen  Verlauf  des  oberen  schiefen  Augen- 
muskels statuiert,  alle  anderen  überhaupt  denkbaren  und  bis 
jetzt  von  den  Augenärzten  als  möglich  hingestellten  Ursachen 
aber  nicht  nur  berücksichtigt,  sondern  auch  durch  richtige 
Unterordnung  unter  die  Hauptursaohe  in  ihrer  Wirkungsweise 
verständlich  macht. 

Wenn  man  alle  soeben  aufgeführten  Momente  einfach 
nebeneinanderstellen  will,  so  erklärt  ein  einzelnes  gar  nichts, 
und  eine  solche  Nebeneinanderstellung  verstöfst  gegen  das 
Gesetz  der  Kausalität,  denn  wesentlich  verschiedene  Ursachen 
können  nicht  ein  und  die  nämliche  Wirkung  haben.  Cohn 
sagt:  „Bei  der  Dehnung  des  Augapfels  wirken  vermutlich 
Accommodationsmuskel,  Konvergenz,  Trochlearis,  Kopf  beugung 
mit  behindertem  Blutrückfluis,  Nervenzerrung  und  Erblichkeit 
zusammen. u  Er  kann  in  meiner  Lehre  für  diesen  Ausspruch 
den  schönsten  Beweis  finden.  Der  Unterschied  zwischen 
unseren  Anschauungen  ist  einzig  der,  da&CoHN,  ohne  irgend 
einen  Beweis  zu  liefern,  diese  sämtlichen  Momente  als  gleich- 
wertig ansieht  und  gar  nicht  zu  erklären  im  stände  ist,  wie 
dieselben  denn  wirken.  Meine  Lehre  jedoch  ordnet  diese 
Momente,  auf  anatomischen  und  physiologischen  Gesetzen 
faisend  und  alle  klinischen  Erfahrungen  berücksichtigend, 
einander  ursächlich  unter  und  erklärt  jede  Einzelwirkung  im 
Verhältnis  zum  Hauptmomente. 

ni. 

Alles,  was  ich  bis  hierher  über  die  Kurzsichtigkeit  gesagt 
habe,  bezog  sich  ausschliesslich  auf  die  sogenannte  Schulmyopie. 
Ich  betrachte,  auf  zahlreiche  anatomische  Untersuchungen 
gestützt,  diese  Schulmyopie  als  eine  durch  Wachstum  unter 
Muskeldruck  entstandene  Formveränderung,  als  eine  unschuldige 
Deformation  des  Auges,  die  wohl  Beschwerden  verursachen, 
auch  die  Sehschärfe  gelegentlich  durch  Sehnervenzerrung  etwas 
beeinträchtigen  kann,  aber  keinerlei  wirklich  krankhafte  Ver- 
änderungen bedingt  und  nach  vollendetem  Körperwachstum 
nicht  weiter  fortschreitet.     Diese  Form  entsteht  ausschließlich 


387 

infolge  anhaltender  Nahearbeit,  speeiell  des  Lesens  und  Schreibens, 
nnter  den  Bedingungen,  die  im  vorhergehenden  besprochen 
worden  sind. 

Unabhängig  von  diesen  Bedingungen  und  unabhängig  von 
der  Nahearbeit  und  der  Schule  treten  nun  Fälle  von  Kurz- 
sichtigkeit auf,  welche  zweifellos  auf  einer  schweren  Krankheit, 
auf  einer  pathologischen  Dehnung  des  Auges,  beruhen.  loh 
selbst  in  Übereinstimmung  mit  Tscherning,  v.  Hippel,  Landolt 
und  anderen  sehe  in  dieser  Art  von  Myopie  eine  ganz  besondere 
Form,  welche  mit  der  durch  die  Nahearbeit  entstandenen  Kurz- 
sichtigkeit gar  nichts  gemein  hat.  Cohn,  Schmtdt-Rimpler 
und  andere  dagegen  wollen  von  einer  solchen  Trennung  in 
verschiedene  Formen  noch  immer  nichts  wissen,  auch  Seggel 
wehrt  sich  soviel  als  möglich  dagegen,  und  Pflüger,  der  nach 
einem  vermittelnden  Standpunkte  sucht,  möchte  ebenfalls  Über- 
gangsformen zwischen  der  Schulmyopie  und  der  deletären 
Myopie  statuiert  sehen. 

Der  Unterschied^  welcher  in  ätiologischer,  anatomischer 
und  klinischer  Hinsicht  zwischen  der  gewöhnlichen  Schulmyopie 
und  der  hochgradigen  deletären  Kurzsichtigkeit  besteht,  ist  ein 
so  aufserordentlicher,  und  die  gemeinsamen  Merkmale  sind  so 
gering  und  so  wenig  hervortretend,  dafe  der  Versuch,  diese 
beiden  Formen  von  einer  einzigen  Ursache  abhängig  zu  machen 
und  als  eine  einzige  Krankheit  in  verschiedenen  Stadien  der 
Ausbildung  zu  betrachten,  notwendig  mißglücken  muis.  Das 
einzig  Positive,  welches  die  ophthalmologischen  Schulhygieniker 
zu  gunsten  ihrer  Ansicht  anführen  können,  sind  gewisse  Ähn- 
lichkeiten des  schwach  kurzsichtigen  und  des  hochgradig  kurz- 
sichtigen Auges,  nämlich  die  Kurzsichtigkeit  selbst  und  die 
Siehelform  des  Conus.  Allein  diese  Argumentation  läuft  auf 
nichts  anderes  hinaus,  als  wenn  man  die  Behauptung  aufstellen 
wollte,  dab  Schnupfen  und  Typhus  im  Grunde  dieselbe  Krank- 
heit seien  und  es  zwischen  beiden  Übergangsformen  gebe,  weil 
bei  beiden  Affektionen  Fieber  und  Katarrh  vorkommt. 

Es  ist  statistisch  nachgewiesen,  dafs  die  hochgradige  Myopie 
«ich  völlig  unabhängig  von  dem  Einflüsse  der  Nahearbeit  ent- 


388 

wickelt;  sie  mufs  also  eine  andere  Ursache  haben  als  die 
Schulmyopie.  Die  Sohulhygieniker  aber  sagen,  es  fänden  sich 
auch  unter  den  der  Nahearbeit  unterworfenen  Augen  solche 
hochgradig  myopischen,  und  solange  der  Beweis  nicht  geliefert 
sei,  dais  die  eine  Form  nie  in  die  andere  übergehe,  könne 
man  auch  von  der  Schulmyopie  nicht  behaupten,  dais  sie  keine 
Krankheit  sei,  dais  nicht  unter  dem  Einflüsse  der  Nahearbeit 
auch  die  hochgradige  Myopie  sich  zu  entwickeln  vermöge. 

Diese  ganze  Argumentation  steht  auf  sehr  schwachen 
Füisen.  Unter  den  mit  Nahearbeit  viel  beschäftigten  Schülern 
finden  sich  natürlich  auch  einzelne  hochgradige  Myopen,  allein 
die  Thatsache,  dais  diese  durch  alle  Klassen  zerstreut  sind, 
sowie  die  statistisch  festgestellte,  dais  die  hochgradige  Myopie 
sehr  häufig  gerade  bei  Individuen  vorkommt,  die  niemals 
anstrengende  Nahearbeit  geleistet  haben,  beweist,  dais  dies 
Zusammentreffen  ein  rein  zufälliges  ist.  Die  obige  Behauptung 
ist  ausserdem  eine  affirmative  und  kann  nicht  dadurch  begründet 
werden,  dais  man  den  Beweis  des  Gegenteils  verlangt,  denn 
„affirmanti  inoumbit  probatio".  Die  anatomische  Untersuchung 
hat  bis  jetzt  keine  Übergangsformen  ergeben,  im  Gegenteil 
weisen  ihre  Resultate  mit  Bestimmtheit  darauf  hin,  dais  es 
keine  geben  kann,  was  auch  sehr  genau  zu  den  klinischen  und 
den  ätiologischen  Daten  stimmt.  Es  ist  daher  äusserst  un- 
logisch, wenn  Cohn  trotzdem  zur  Bekräftigung  seiner  Be- 
hauptung verlangt,  man  solle  ihm  das  Gegenteil  beweisen, 
anstatt  selbst  den  Beweis  für  die  von  ihm  vertretene  Ansicht 
zu  liefern.  Letzteres  könnte,  wenn  überhaupt,  nur  auf  ana- 
tomischem Wege  geschehen.  Es  ist  aber  auffällig,  dais  dieser 
von  Cohn  und  seinen  Anhängern  nicht  betreten  worden  ist. 

Die  Theorie  des  Wachstums  unter  Muskeldruck  erklärt 
nur  die  Entstehung  der  Schulkurzsiohtigkeit,  nicht  die  der 
hochgradigen  Myopie,  welche  nachgewiesenermaßen  nicht  die- 
selbe Ursache  besitzen  kann,  weil  sie  der  Hauptsache  nach 
gerade  bei  Individuen  beobachtet  wird,  welche  keinerlei  Schul- 
arbeit zu  leisten  haben.  Während  nun  das  Wachstum  unter 
Muskeldruck    sämtliche    Erscheinungen    der    Schulmyopie    in 


38» 

befriedigender  Weise  deutet,  tritt  für  die  hochgradige  Myopie 
die  gebieterische  Notwendigkeit  auf,   ein  anderes  ätiologisches 
Moment  zu   suchen.      Die  Sohulhygieniker,  welche  Anhinger 
Co  BKS  sind,  verneinen  dies,  sie  wollen  durch  den  Einflois  der 
Nahearbeit  alles  erklären.    Über  das  Wie?  schweigen  sie  freilich 
gründlich.    Sie  bewegen  sich  lediglich  auf  dialektischem  Gebiet : 
Man  soll  nicht  einseitig  sein,  es  gibt  nicht  eine  einzige,  sondern 
viele  Ursachen,  welche  Myopie  erzengen  können;  dann  existiert 
aber  wieder  nur  eine  einzige  Form  der  Myopie  in  verschiedenen 
Graden  der  Entwiokelung  und  nur  eine  einaige  gemeinschaft- 
liche Uraaohe,  die  Nahearbeit  unter  ungunstigen  Verhältnissen. 
Mir  scheint  es  ein  starker  Verstofa  gegen  das  Kausalitätsgesetz, 
fiir  zwei  ganz  getrennte  Erscheinungen  eine  einzige  Ursache 
und  dann  wieder  für  eine  einzige  Erscheinung  wesentlich  ver- 
schiedene Ursachen  statuieren  zu  wollen.      Unseren  Beobach- 
tungen  entsprechend   und   den    Gesetzen   unseres  Verstandes, 
nach  denen  doch  für   uns  überhaupt  nur  Forschung  möglich 
ist,    folgend,    müssen    wir   vessohiedene    Erscheinungen,    als 
Wirkungen  aufgefafet,  auch  verschiedenen  Ursachen  unterordnen. 
In  Bezug  auf  die  eine  Erscheinung,  die  Schulmyopie,  sind  wir 
ganz  logisch  auf  eine  bestimmte  Ursache  gestoben,  in  Bezug 
auf  die  andere,  die  hochgradige  Myopie,  mufs  naturgemaJs  nach 
einer  anderen  gesucht  werden. 

Von  all  den  Faktoren,  welche  bisher  von  den  Ophthal* 
■wiegen  als  bei  der  Genese  der  Myopie  möglicherweise 
wudosam  in  Betracht  gezogen  und  welche  sämtlich  oben  be- 
sprechen worden  sind,  kann  nicht  ein  einziger  auch  nur  mit 
einiger  Wahrscheinlichkeit  für  die  Entstehung  dieser  schweren 
Form  herangezogen  werden;  sie  sind  vielmehr  nur  auf  die 
Aifedtskuraeichtigkeit  zu  beziehen.  Die  von  einigen  Antonen 
immer  noch  festgehaltene  gegenteilige  Ansicht  steht  in  einem 
su  offenbaren  Widerspruch  mit  allen  anatomischen  und  physio- 
logischen  Thatsachen,  vor  allem  mit  dereinen,  dab  diedeletttm 
Myopie  schon  entweder  angeboren,  oder,  was  so  ziemlich 
dasselbe  ist,  bereits  in  früher  Kindheit  vorkommt.  Wie  aber 
eine  solche  ernste  Erkrankung,  eine  pathologische  Dehnung, 


390 

eine  Augen  Wassersucht  sich  während  der  ersten  Kinderjahre 
infolge  von  Muskeldruok,  Aocommodationsthätigkeit  oder  ge- 
hindertem Blutrückflufs  aus  dem  Auge  heim  Nahesehen  oder 
gar  während  der  Fötalzeit  entwickeln  könne,  ist  nimmermehr 
zu  erklären.  Für  ein  derartiges  schweres  Leiden  mufs  viel- 
mehr auch  eine  entsprechend  schwer  wirkende  Ursache  vor- 
handen sein. 

Ich  glaube  nun,  dafe  es  gar  nicht  so  schwierig  ist,  wenn 
ich  alle  Beobachtungen,  welche  andere  Autoren,  sowie  ich  selbst 
in  dieser  Beziehung  gemacht  habe,  unter  einen  einheitlichen  Ge- 
sichtspunkt bringe,  dieser  Ursache  auf  die  Spur  zu  kommen. 
Meiner  Überzeugung  nach  ist  die  deletäre  Myopie 
unter  diejenigen  krankhaften  Organentartungen  zu 
rechnen,  welche  an  Individuen  zum  Vorschein 
kommen,  die  aus  Verwandtenehen  stammen,  sie  ist, 
kurz  gesagt,  ein  Produkt  der  Inzucht.  Eine  derartige 
Ansicht  ist,  soviel  mir  bekannt,  noch  nirgends  formell  aus- 
gesprochen worden  und  wird  zunächst  unter  meinen  Fachgenossen 
natürlich  auffallen.  Dies  soll  mich  jedoch  nicht  hindern,  meine 
Gründe  aufzuführen. 

Die  deletäre  Myopie  ist  zunächst  häufig  in  Verbindung 
mit  Kretinismus  konstatiert  worden.  Ausführliche  Beobach- 
tungen hierüber  hat  Dr.  Kerschbaumer  l  mitgeteilt,  welche  die 
gebührende  Berücksichtigung,  wie  mir  scheint,  bisher  nicht  ge- 
funden haben.  Nach  seinen  Erfahrungen  finden  sich  im 
Herzogtum  Salzburg  auf  tausend  Einwohner  zwei  bis  drei  Fälle 
von  angeborener  Myopie.  In  dieser  Gegend  ist  ferner  nach 
demselben  Autor  die  hochgradige  Myopie  häufig  mit  Retinitis 
pigmentosa  kompliziert,  und  die  Bezirke,  aus  denen  derartige 
Kranke  stammen,  zeichnen  sich  „insgesamt  dadurch  aus,  dafe 
bei  mitunter  nicht  unbeträchtlicher  Auswanderung  die  Ein- 
wanderung in  dieselben  fast  oder  gleich  Null  ist  und  dafs 
deren  Einwohner  mit  Kropf,  Taubstummheit  und  Kretinismus 
schwer  belastet  erscheinen." 


1  Die  Blinden  des  Herzogtums  Sahburg  u.  8.  w.    Wiesbaden,  1886, 
S.  49-60. 


391 

Mir  ist  ferner  durch  mündliche  Mitteilungen  von  Professor 
Rbtmond  in  Turin  bekannt,  da&  in  einem  savoyischen  Gebirgs- 
thale  in  der  Nähe  von  Ohambäry  eine  kretinenhafte  Be- 
völkerung existiert,  die  zugleich  fast  ohne  Ausnahme  hoch- 
gradig myopisch  ist. 

Die  Komplikation  der  hochgradigen  Myopie  mit  Retinitis 
pigmentosa  bei  sonst  wohlgebildeten  Individuen  ist  auch  von 
Magnus  und  Wider1  festgestellt  worden. 

Nun  sind  Taubstummheit,  Kretinismus,  Retinitis  pig- 
mentosa Gebrechen,  welche  ohne  Zweifel  auf  Inzucht  in  ver- 
schiedenem Grade  zurückzuführen  sind.  Mir  scheint  daher  der 
Schlafe  sehr  naheliegend,  dafe  auch  die  mit  diesem  Gebrechen 
sogleich  vorkommende  hochgradige  Myopie  denselben  gemein- 
schaftlichen Ursprung  habe.  Ja  noch  mehr,  dafs  Mifsbildungen 
des  Auges,  z.  B.  Kolobom  der  Iris,  Mikrophthalmus,  Folgen 
von  Inzucht  sind,  weife  jeder  Tierarzt. 

Taubstummheit  und  Kretinismus  kann  man  als  die 
schlimmsten  Folgen  der  Inzucht  ansehen,  welche  am  häufigsten 
in  kleinen  Seitengebirgsthälern  anzutreffen  sind,  wo  die  Be- 
völkerung eine  äuiserst  geringe  ist  und  keine  Einwanderung, 
welche  frisches  Blut  zuführt,  stattfindet.  Trifft  man  nun  diese 
beiden  degenerativen  Zustände  mit  deletärer  Myopie  verbunden 
an,  so  liegt  die  Vermutung  nahe,  dals  die  letztere  ebenfalls 
der  Inzucht  ihre  Entstehung,  verdanke.  Ja,  es  wird  dies  selbst 
dann  der  Fall  sein,  wenn  die  hochgradige  Kurzsichtigkeit  nur 
mit  Retinitis  pigmentosa  kompliziert  ist  oder  auch  ohne  die- 
selbe häufig  vorkommt.  Dafs  sie  für  sich  allein  ohne  weitere 
schlimme  Komplikationen  auftritt,  könnte  sehr  wohl  darauf  zu 
beziehen  sein,  daft  sie  in  Provinzen  häufig  sich  findet,  in 
denen,  weil  die  Bevölkerung  eine  zahlreichere  ist,  die  Inzucht 
nicht  so  intensiv  betrieben  wird,  wie  in  engen,  abgelegenen 
Gebirgsthälern  mit  einer  minimalen,  stagnierenden  Bevölkerung. 

Für  die  Wahrscheinlichkeit  dieser  Erklärung  lassen  sich 


1  Vgl.  auch  Kebschbaumbr  a.  a.  0. 


892 

die  nachstehenden  Beobachtungen  anfahren.  Säggel  1  macht  die 
Bemerkung,  dals  die  hochgradige  Myopie  mit  ausgedehnten 
Veränderungen  des  Augenhintergrundes,  also  die  deletäie  Form, 
in  den  Familien  der  hohen  bayerischen  Aristokratie  häufig  sei. 
Ich  glaube,  dals  dies  den  Einflufe  der  Inzuoht  beweist,  welche 
unter  dem  hohen  Adel  mit  allen  schlimmen  Folgen  an  der 
Tagesordnung  ist 

Ferner  ist  mir  durch  die  mundliehe  Mitteilung  eines  be- 
freundeten Kollegen,  Dr.  H.  v.  Hofmakk  in  Baden-Baden, 
folgende  hierher  gehörige  interessante  Thatsaehe  bekannt  ge- 
worden. In  der  Gegend  von  Baden-Baien  liegt  ein  Dorf  mit 
protestantischer  Bevölkerung,  das  rings  von  Ortschaften  mit 
katholischer  Einwohnerschaft  umgeben  ist.  Wegen  der 
JUligions Verschiedenheit  finden  in  diesem  Dorfe  seit 
Jahrhunderten  Familienheiraten  häufig  statt,  und 
gerade  in  demselben  ist  die  deletftre  Myopie  auf- 
fallend häufig. 

Letzteres  gilt  auch  vom  Elsafe;  hier  stellt  die  angeborene 
hochgradige  Kurwohtigkeit  wenigstens  twti  Prosent  sämtlicher 
Augenkrankheiten.  Dagegen  ist  unter  der  eleawsohen  Be- 
völkerung die  Sohulkurssiohtigkeit  gegen  andere  deutsche 
Provinzen  eine  gans  auffallend  geringe.  Es  liegt  in  diesem  Ver- 
hältnis wieder  ein  sehr  deutlicher  Beweis  dafür,  dals  die  beiden 
Formen  gar  nichts  mit  einander  au  thun  und  eine  gana  ver- 
schiedene Dmaehe  haben.  Die  auffallende  Häufigkeit 
der  deletären  Form  dürfte  aber  wiederum  mit  des 
sahlreiohen  Familien  hei  raten  im  Elsafs  zusammen- 
hangen. 

1  Gräfes  Archiv  f.  Ophthal,  XXXVI,  2,  S.  26.  Seggel  meint, 
ophthalmoskopisch  die  hochgradige  angeborene  Myopie  von  der  erworbenen 
dadurch  unterscheiden  zu  können,  dals  bei  Jener  die  Papilla  optica  schief 
gestellt  sei»  bei  dieser  nicht  Dies  SahiefgestaUtsein  der  Papille  beweist 
indessen  nichts,  als  dals  die  temporale  Hälfte  des  Auges  stärker  ausgedehnt 
ist  als  die  nasale.  Ich  habe  aber  anatomisch  nachgewiesen,  dafs 
bei  der  deletären  Form  derlfyopie  sowohl  das  eine,  wie  das 
andere  vorkommt,  während  bei  der  nicht  krankhaften  Form 
stets  die  temporale  Hälfte  die  gedehntere  sein  mufs. 


393 

Es  ißt  anzunehmen,  dafe  die  Vererbung  einen  groben 
Einfluß  ausübt,  und  zwar  indem  nicht,  wie  bei  der  Schul- 
myopie, nur  die  Disposition,  sondern  der  organische  Fehler 
selbst,  einmal  durch  Inzucht  hervorgebracht,  sich  vom  Vater 
oder  der  Mutter  weiter  überträgt,  selbst  wenn  die  Kinder  in 
der  folgenden  Generation  keine  Verwandtenehen  mehr  ein- 
gehen. 

Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  ob  diese  Ansicht  sich  be- 
wahrheite oder  nicht,  so  gehört  die  bösartige  Myopie  in 
das  Gebiet  der  Volkshygiene  und  nicht  in  das  der 
Schulhygiene.  Auch  ist  denkbar,  dafs  hiereinmal  der  Staat 
durch  Gesetze,  welche  die  Verwandtenheiraten  einschränken, 
durch  volkswirtschaftliche  Maisregeln,  welche  den  Verkehr 
mehr  und  mehr  erschliefsen  und  damit  die  Inzucht  bekämpfen, 
wirksam  eingreift  und  dafs  auf  solche  Weise  ein  wirklich 
furchtbares  Übel,  welches  nicht  etwa,  wie  die  unschuldigere 
Schulmyopie,  im  wesentlichen  nur  die  höheren  Stände  trifft, 
sondern  gerade  mehr  auf  den  niederen  Volksklassen  lastet,  all- 
mählich ausgerottet  wird. 

Es  gibt  aufoer  diesen  beiden  Hauptformen  von  Myopie 
noch  andere  Abarten,  welche  senilen  Veränderungen  ihre  Ent- 
stehung Verdanken.  Ich  habe  am  geeigneten  Orte  darauf  hin- 
gewiesen. Mit  der  Schul-  oder  Volhshygiene  haben  diese 
Formen  nichts  zu  schaffen,  sie  besitzen  lediglich  ärztliches, 
speoiell  pathologisches  Interesse. 

Die  hier  vorgetragene  Lehre  stellt  daher  eine  ganze  Reihe 
verschiedener  Formen  von  Kurzsiohtigkeit  auf,  von  denen  jede 
ihre  besondere  Ursache  hat,  ist  deshalb  weit  entfernt  davon, 
einseitig  zu  sein. 

Trotzdem  wehren  sich  die  Gegner  derselben  und  selbst 
Sboöbl  und  Pflüger  noch  lebhaft  dagegen.  Teils  neigen  sie 
dahin,  eine  einzige  Form  mit  verschiedenen  Ursachen  an- 
zunehmen, teils  dahin,  zwischen  den  extremen  Fällen  zahl- 
reiche Übergangsformen  zu  statuieren. 

Ich  kann  auch  nioht  einmal  die  Existenz  von  Übergangs- 
formen zugeben.   Alle  anatomischen,  physiologischen,  klinischen 

SehidgwondheltipfUg«  VI.  26 


394 

Thatsachen  weisen  so  unzweifelhaft  auf  das  Vorhandensein 
verschiedener  Formen  der  Kurzsichtigkeit  mit  verschiedenen 
Ursachen  hin,  dals  die  Meinung,  es  gehe  Übergänge  zwischen 
der  Schulmyopie  und  der  delet&ren  Myopie,  mit  den  positiven 
Befunden  nicht  vereinbar  ist.  Es  gibt  nur  Mischformen,  und 
diese  habe  ich  anatomisch  nachweisen  können.1 

Sbgoel  fuhrt  zur  Begründung  seiner  Ansicht,  dab  es 
dennoch  Übergangsformen  gebe,  eine  Anzahl  ophthalmoskopischer 
Befunde  an. 

Sie  sind  richtig  und  sorgfältig  ausgeführt,  lassen  sich  aber 
ohne  Mühe  dahin  deuten,  dals  Sbgobl  es  mit  Augen  zu  thun 
hatte,  die  der  zweiten,  der  bösartigen  Form  angehörten,  bei 
denen  jedoch  die  krankhafte  Entartung  keinen  sehr  hohen 
Grad  erreicht  hatte.  Die  klinische  Erfahrung  zeigt  oft  genug, 
dals  auch  solche  Augen  sich  lange  halten;  die  bösartige  Myopie 
führt  in  sehr  vielen  Fällen  zur  Erblindung,  allein  nicht  in 
allen;  ein  guter  Prozentsatz  hält  sich  immerhin  bis  in  ein 
vorgerücktes  Alter,  und  jeder  beschäftigte  Augenarzt  hat  in 
solchen  Fällen  mehr  als  einmal  mit  gutem  Erfolge  die  Operation 
des  grauen  Stars  ausgeführt. 

Um  es  also  noch  einmal  kurz  zu  wiederholen*  so  nimmt 
die  hier  verteidigte  Lehre  eine  Anzahl  verschiedener  Formen 
von  Myopie  an  mit  wesentlich  verschiedenen  Ursachen  ohne 
Übergangsformen.  Die  Auffassung  meiner  Gegner  statuiert 
dagegen  bald  eine  einzige  Form  mit  verschiedenen  Ursachen, 
bald  verschiedene  Formen  mit  einer  einzigen  Ursache.  Als 
letztere  wird  die  Nahearbeit  angesehen,  bei  der  aber  wieder 
mehrere  Faktoren  in  gleicher  Weise  wirken.  Ich  habe  jedoch, 
wie  ich  glaube,  gezeigt,  dals  diese  Faktoren  nur  in  Unterordnung 
unter  den  einen  Hauptfaktor  thätig  sind,  dals  die  Wirkung  aller 

1  Diese  Mischform  zeigt  sich  an  hochgradig  kurzsichtigen  kranken 
Augen,  welche  unter  dem  Ein  Auf s  des  Muskeldrucks  die  myopische  Form 
erhalten  haben,  während  andere  derartige  Augen  zwar  in  allen  Durch- 
messern vergröfsert  sind,  allein  nicht  die  Form  des  myopischen,  sondern 
die  des  hypermetropischen  zeigen. 


395 

dieser  Faktoren  sieh  allein  auf  die  eine  Form  der  Kurzsichtig- 
keit, auf  die  Schulmyopie,  bezieht,  dafs  für  die  anderen  Formen, 
wie  die  Erscheinung  derselben  wesentlich  verschieden  ist,  auch 
ganz  andere  Ursachen  angenommen  werden  müssen. 

Im  Grunde  genommen,  sind  die  noch  bestehenden  Diffe- 
renzen gar  nicht  mehr  so  sehr  groJs.  Es  ist  allgemein,  auch 
von  Schmidt-Bjmplbb,  zugegeben,  dafs  der  größte  Teil  der 
Myopien  einen  bestimmten  Grad  nicht  überschreitet,  dals  die 
Arbeitskurzsichtigkeit  in  der  Segel  unschädlich  ist  und  nur 
ein  kleiner  Prozentsatz  yon  damit  behafteten  Schülern  wirklich 
krankhafte  hochgradige  Veränderungen  der  Augen  erwirbt.  Es 
wird  ferner  neuerdings  zugestanden,  dafs  die  Chamäkonchie  als 
des  mächtigste  ätiologische  Moment  der  Kurzsichtigkeit  an- 
zusehen ist. 

Mir  scheint  demnach,  dals  selbst  für  die  fanatischsten  augen- 
ärztlichen Schulhygieniker  gar  kein    zureichender  Grund  vor- 
handen ist,  meine  Lehre  so  energisch  zu  bekämpfen.  Im  Interesse 
der  Schulhygiene  dürfte  dies  ganz  und  gar  nicht  liegen.  H.  0  oh n 
könnte  meiner  Meinung  nach  sich  die  Ergebnisse  meiner  Unter- 
suchung ganz  in  seinem  Sinne  zu  nutze  machen.    Er  brauchte 
nur   etwa   folgendes   zu   sagen:    „Wenn    die   neueren   Unter- 
suchungen richtig  sind,    so   würden  wir,   was  bis  jetzt   nicht 
der  Fall    gewesen    ist,    über   das  Wesen    der    Arbeitsmyopie 
klarere  Vorstellungen  uns  machen  können.     Es  handelt  sich 
dabei  zwar  nicht  um   eine  eigentliche  Krankheit,   wohl   aber 
um  die  Deformation   unseres  edelsten  Organes   unter  Muskel- 
zerrung und  Muskeldruck   bei   der  Nahearbeit.     Wir   würden 
dann  auch  über  die  Bedingungen  mehr  im  klaren  sein,   unter 
denen  diese  schädlichen  Einflüsse  sich  geltend  machen.   Damit 
wäre  die  Möglichkeit  einer  rationellen  Bekämpfung  der  Schul- 
kurzsichtigkeit    erheblich    näher    gerückt,    Ärzte    wie    Päda- 
gogen  hätten    es   leichter,    die  Mittel   zu   ihrer  Verringerung 
aufzusuchen    und    zu    allgemeiner    Anwendung    zu    bringen. 
Was    aber    vollends    die    schlimmen     Formen    der    Myopie 
angeht,   so   ist  es  eine   der  wichtigsten  Aufgaben    der  Volks- 
hygiene,  ihren  Ursachen   nachzuspüren,    in    der   angegebenen 

26* 


396 

Richtung  ausführliche  Statistiken  anzustellen  und  dann  auf 
entsprechende  staatliche  Maisnahmen  zu  dringen.  In  erster 
Linie  wäre  hier  festzustellen,  ob  nicht,  wie  es  den  Anschein  hat, 
die  hochgradige  Myopie  mit  Kretinismus  und  demnach  mit 
Inzucht  in  Zusammenhang  steht." 

loh  für  meinen  Teil  könnte  ein  solches  Programm,  ohne 
mit  irgend  einem  meiner  Sätze  in  Widerspruch  zu  geraten, 
unterzeichnen.  Jedoch  würde  ich  hinzufügen,  dafis  man  sich 
dem  Kampfe  gegen  die  Schulmyopie  ohne  übertriebene 
Ängstlichkeit,  die  durchaus  ungerechtfertigt  ist, 
widmen  und  seine  Erwartungen  nicht  zu  hoch 
spanne n  möge.  Diese  Art  von  Myopie  läJst  sich  beschränken, 
aber  nicht  aus  der  Welt  schaffen. 


Weiteres  über  hygienische  Untersuchungen  in  einer  Anzahl 

höherer  Schulen  Norwegens.1 

Von 

M.  K.  HJLkonson-Hansbn, 

Lehrer  der  Naturwissenschaften  in  Drontheim.* 

Nachdem  der  Storthing  die  nötigen  Mittel  bewilligt  hatte, 
wurde,  der  Königlichen  Resolution  vom  3.  September  1890 
entsprechend,  eine  Kommission  zur  Revision  der  Bestimmungen 
über  das  höhere  Schulwesen  eingesetzt.  Diese  Kommission 
bestand  aus  den  Herren  Expeditionschef  D.  F.  Knttdsen  als  Vor- 
sitzendem, Professor  Dr.  theol.  A.  Chb.  Bang,  Schuldirektor 
O.  E.  Holck,    Rektor   C.  W.  Ludw.    Hörn,    Oberlehrer  H. 


1  Vgl.  diese  Zeitschrift,  1892,  No.  4,  S.  180. 
*  Nach   dem   Norwegischen  bearbeitet  von  Oberrealschalprofessor 
Dr.  Leo  Buroebstbiv  in  Wien. 


397 

Horst,  Rektor  E.  Schreiner,  Professor  Dr.  med.  E.  Schönberg 
und  Schulleiter  P.  Voss. 

Der  vorläufige  „Entwurf  einer  geänderten  Verordnung  be- 
züglich des  höheren  Schulwesens"  liegt  nun  vor  und  weist  die 
Thatsache  auf,  dals  auch  die  in  Norwegen  beabsichtigte  Beform 
des  höheren  Unterrichts  nicht  ohne  Rücksicht  auf  eine  ver- 
besserte Gesundheitspflege  in  den  Knabenschulen  geplant  werden 
konnte.  Die  Kommission  bemerkt  diesbezüglich  unter  anderem : 
In  dem  Departementsvortrag  wird  darüber  geklagt,  dals  die 
Schüler  der  höheren  Lehranstalten  durch  die  viele  Sitzarbeit, 
welche  von  ihnen  verlangt  wird,  in  ihrer  normalen  Entwickelung 
gehemmt  werden,  und  demgemäß  gefordert,  dafs  die  Schule 
durch  entsprechende  körperliche  Übung  direkt  für  das  leibliche 
Wohl  ihrer  Zöglinge  sorge.  In  dieser  Hinsicht  hat  die  Kom- 
mission Aufklärung  auf  Grund  der  vorgenommenen  Unter- 
suchungen zu  gewinnen  gesucht.  Volle  Sicherheit  dafür,  dafs 
die  Bestimmungen  über  die  Gesundheitspflege  in  den  Schulen 
durchgeführt  werden,  würde  man  erst  durch  eine  staatliche 
hygienische  Beaufsichtigung  der  letzteren  erhalten.  Die 
ärztlichen  Kommissionsmitglieder  sind  der  Ansicht,  dals 
eine  solche  Aufsicht  durch  Schulärzte  gesetzlich  einzuführen 
sei,  wobei  deren  Aufgaben  aufgezählt  werden ;  diese  Schulärzte 
sollen,  wie  die  Lehrer,  angestellt  und  bezahlt  werden.  Die 
Kommission  schlofs  sich  diesen  Vorschlägen  an  und  sprach 
die  Hoffnung  aus,  dafs  man  auf  diese  Weise  über  den  gesund- 
heitsschädlichen Einflute  der  Schule  ins  Reine  kommen  werde, 
ebenso  wie  über  die  Forderungen,  welche  dieselbe  an  die 
Arbeitskraft  der  Kinder  stellen  dürfe. 

Durch  die  vorgeschlagene  Lehrstoffverteilung  wird  die 
Schularbeit  der  natürlichen  Entwickelung  der  Kinder  besser 
angepafst.  Ebenso  werden  Änderungen  bezüglich  der  leicht 
mit  Überbürdung  verknüpften  Prüfungen  empfohlen. 

Der  Unterricht  soll  auf  den  Vormittag  beschränkt  werden, 
wobei  die  Schulzeit  für  alle  Fächer,  die  Fertigkeiten  ein- 
geschlossen, 6  aufeinanderfolgende  Stunden  nicht  überschreiten 
darf,  die  erste  zu  55  Minuten,  die  übrigen  zu  je  45  Minuten. 


398 

Zwischen  je  2  aufeinanderfolgenden  Lektionen  werden  5,  10, 
20,  10,  10,  zusammen  55  Minuten,  freigegeben.  Die  ganze 
Unterrichtszeit  beträgt  also  5  Stunden  30  Minuten.  Von  dieser 
Zeit  wird  an  jedem  Vormittag  eine  Schulstunde  zu  Turnen 
oder  Handfertigkeit  verwendet,  auf  den  höheren  Stufen  zu 
Gesang  für  die  am  Singen  teilnehmenden  Schüler.  Die  Kom- 
mission denkt  sich  den  Unterricht  um  8,30  oder  9  Uhr  früh 
beginnend  und  um  2  Uhr  oder  etwas  später  sohlielsend.  Die 
naheliegenden  Gründe  für  diese  Normalzeiteinteilung  werden 
angeführt. 

Die  von  Amts  wegen  während  der  letzten  Jahre  in  ver- 
schiedenen Schulen  angeordneten  Versuche,  dasselbe  Lehrziel 
bei  verkürzter  Sohulzeit  zu  erreichen,  haben  gelehrt,  dafe  der 
Verlust  an  Zeit  durch  die  größere  Kraft  und  lebendigere  Teil- 
nahme der  Sohüler  eingebracht  werden  könne. 

Turnen  und  Spiel  sollen  täglich  und  möglichst  in  freier 
Luft  betrieben  werden.  Auch  der  Slöjd  wird,  wenn  passende 
Vorkehrungen  dafür  getroffen  sind,  zur  gesunden  Entwickelung 
beitragen.  Bezüglich  der  sogenannten  „militärischen  Übungen" 
möge  das  Fechten  gepflegt,  sowie  vorbereitendes  Schiefoen 
vorgenommen  werden. 

Nach  eingehenderer  Besprechung  der  Slöjdfrage  kommt  die 
Kommission  zu  dem  Schlüsse,  Holzslöjd  als  obligatorisches  Fach 
in  sämtliche  Klassen  der  Mittelschulen  aufzunehmen,  und  zwar 
mit  3  Wochenstunden  in  der  ersten  bis  dritten,  mit  2  Wochen- 
stunden  in  der  vierten  Klasse.  Derart  kämen  auf  Tarnen,  Spiel 
und  Slöjd  in  jeder  Klasse  6  Stunden  die  Woche  oder  1  den 
Tag.  Sollte  bei  den  Knaben  das  Interesse  für  Handarbeit 
weiter  anhalten,  so  kann  man  dieselbe  im  Gymnasium  fort- 
setzen. In  der  Mittelschule  verspricht  die  Übung  der  Hand- 
fertigkeit dem  Anwachsen  des  „gebildeten  Proletariates"  ent- 
gegenzuarbeiten. Der  Unterricht  im  Slöjd  soll  mit  einer 
Prüfung  am  Ende  der  Mittelschule  abschließen. 

Es  fingt  sich  nun,  ob  die  physische  Widerstandskraft  der 
Mädchen  dieselbe  sei,  wie  die  der  Knaben,  oder  ob  man  bei 
der  Bestimmung  der  täglichen  Schulzeit  und  der  Länge  der 


399 

Korse  eine  bestimmte  Rücksicht  auf  das  Geschlecht  nehmen 
müsse.  Jedenfalls  scheinen  die  Mädchen,  soweit  sich  die 
Kommission  hierüber  orientieren  konnte,  in  gewissen  Jahren 
weniger  kräftig  zu  sein  als  die  Knaben.  Es  wird  diesbezüglich 
hingewiesen  auf  das  „Gutachten  über  Schwedens  höhere 
Mädchenschulen,  abgegeben  am  19.  Januar  1888  von 
dem  eingesetzten  Komitee."1  Übrigens  meint  die  Kom- 
mission, dafc  hier  eine  anders  geartete  hygienische  Erziehung 
eine  grolse  Veränderung  herbeiführen  werde.  Wie  jedoch  die 
Dinge  jetzt  stehen,  möchte  sie  sich  nicht  dafür  erklären,  dafs 
man  den  Mädchen  dieselbe  Arbeitsleistung,  wie  den  Knaben, 
auferlege.  Namentlich  ist  sie  für  Erleichterungen  in  den  Töchter- 
schulen während  der  Pubertätszeit,  jedoch  in  der  Form,  dafis 
die  Entwickelung  des  Pflichtgefühls  hierbei  nicht  Schaden  leide. 
Gleichzeitig  soll  bezüglich  der  Kleidung  und  Lebensweise  der 
Schülerinnen  ein  kräftiger  Appell  an  das  Elternhaus  gerichtet 
werden.  Die  Unterrichtsdauer,  welche  bei  den  Knaben 
5Va  Stunden  ausmacht,  darf  bei  den  Mädchen  nur  5  Stunden 
betragen,  worin  auch  die  Zeit  für  Pausen  und  körperliche 
Übungen  schon  eingerechnet  ist. 

Die  Kommission  gelangt  schließlich  zu  dem  Resultate, 
daft  selbständige  Untersuchungen  anzustellen  wären.  Diese 
werden  nach  folgendem  Schema,  für  jedes  Kind  eins,  vor- 
genommen.    Auf  einem  Fragebogen  steht  aufsen  vorne: 

Name   geboren  den  18 . . 

Klasse  Schule 

Innen  sind  umstehende  Fragen  gestellt. 

Über  die  specielle  Durchführung  dieser  Untersuchungen 
schreibt  der  Kultusminister  an  den  Rektor  der  Kathedralschule 
zn  Christiania  in  Anlehnung  an  einen  im  1)Morgenblatta  vom 
12.  Dezember  1891  durch  den  Adjunkten  der  Kathedralschule, 
K.  Lassen,  veröffentlichten  Aufruf  folgendes: 

„Das  Verständnis  der  Bedeutung  normaler  physischer  Aus- 
bildung für  die  psychische  Entwickelung  ist  so  durchgedrungen, 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1889,  No.  12,  8.  635-650. 


l"* 


400 


■ 

2.  Sohnlhalbjahr  1891 

1.  Schalhalbjahr  1892 

Durchschnittliche  tägliche 

Schulzeit,  einschliefslich 

Gesang,  Tarnen  und  Pausen 

Wieviel  Stunden  wöchentlich 
Gesang  und  Turnen? 

Gesamtdauer  der  Pausen 
pro  Tag 

Im  Durchschnitt  täglich  für 
die  Schule  zu  Hause 
verwendete  Arbeitszeit 

Unterricht 

aufser  der 

Schule 

in  welchem 
Fache? 

wieviel  Stunden 
wöchentlich  ? 

Unterm  cht 

am  •  .  Dezember 
1891 

am  .  .  Mai 
1892 

am  .  .  Auguit 
1892 

Länge  des  Bandes  in  cm 

Gewicht  des  Kindes  in  g 

Ist  das  Kind  gesund? 

°  ta 

5S 

1.  Skrofeln 

4m 

2.  Blutmangel,  Bleichsucht 

"3  0 

3.  Nervosität,  Nervenleiden 

«•8 

-«0 

4.   häufigerem  Kopfschmerz 

5.  häufigerem  Nasenbluten 

•    ** 
—    • 

a" 

1"° 
St 

6.  Verdauungsstörungen, 
chronischen  Leiden  des 
Verdauungsapparates 

7.  einem  chronischen 
Brustleiden 

Hat  das  1 
oder  leid 

8.  Bückgratsverkrümmung 

9.  anderen  chronischen 
Krankheiten 

In  welchem  Alter  stellte  sich 
die  Menstruation  das  erste  Mal 
ein  ?  Wie  ist  dieselbe  verlaufen? 

Wie 
nisc 
sow< 

verhält    si 
heBeschaffei 
sit  sie  das  Sc 
it,  mittelmäf 

ch    die    hygie 
iheit  der  Schule, 
hulkind  betrifft 
sig,  schlecht)? 

\ 

\ 


ll 


401 


Aufsen  rückwärts  enthält  der  Bogen  die  nachstehenden  Fragen 


des  Vaters 


der  Mutter 


Waren  die  Eltern  immer 

gesund  und  kraftig?  Waren  sie 

sohwächlich,  von  schlechter 

Gesundheit? 


LebeoMtelloag 


Hat  jemand  von  den  Eltern 
an  einer  der  unter  1—9  oben 
angeführten  oder  einer  anderen 
ernsten  Krankheit  gelitten  und, 
wenn  ja,  wann? 


War  das  Schulkind,  bevor  es 
zur  Schule    ging,   gesund   und 
Toll  entwickelt,   oder  schwäch- 
lich, zart,  kränkelnd? 


Hat  das  Schulkind  an  Masern, 
Keuchhusten,  Scharlach,  Diph- 
therie oder  einer  anderen  In- 
fektionskrankheit gelitten  und 
wann?  Falls  das  Kmd  an  einer 
solchen  Krankheit  zur  Zeit  des 
Schulbesuchs  litt,  hat  es  die 
Ansteckung  in  der  Schule  be- 
kommen ? 


Hat  das  Schulkind  eine  andere 
ernste  oder  langwierige  Krank- 
heit überstanden,  ehe  es  zur 
Schule  kam,  und,  wenn  ja,  wann  ? 


Wie  ist    die    hygienische    Be- 
schaffenheit des  E 1 1  e  r  n  h  a  u  s  e  s, 
soweit   sie    das    Kind    betrifft 
(gut,  mittelmäßig,  schlecht)? 


Ist  anzunehmen,  dafs  der  unter 
1—9  genannte  Kränklichkeits- 
zustand des  Schulkindes  in  Ver- 
bindung steht  mit  dem  Kränk- 
Uchkeitszustand  der  Eltern  bzw. 
einem  früheren  Kränklichkeits- 
zustand  des  Schulkindes,  oder 
kann  angenommen  werden,  dafs 
Haus  oder  Schule  daran  Schuld 
tragen? 

am  ....  189 . . 


Alter 


Arzt. 


402 

dals  man  nirgends  eine  Revision  des  modernen  Sohulplanes 
vornimmt,  ohne  sich  auf  Untersuchungen  über  den  Einflute 
des  Schullebens  und  der  Schularbeit  auf  den  Gesundheits- 
zustand der  Schüler  zu  stützen.  Wenn  man  hier  nicht 
ohne  weiteres  die  in  anderen  Ländern  angestellten  Unter- 
suchungen zu  Grunde  legte,  so  hat  dies  seinen  Grund  in  den 
besonderen  klimatischen  und  hygienischen  Zuständen  bei  uns 
und  in  der  Kritik,  welche  die  früheren  Arbeiten  erfahren  haben, 
weshalb  man  zum  Teil  neue  Wege  betrat.  Wem  die  Schuld 
an  der  Kränklichkeit  der  Schuljugend  zuzuweisen  sei,  war 
z.  B.  nicht  erwiesen.  Die  Kommission  hat  daher  diese  Auf- 
gabe einbezogen,  obwohl  es  fraglich  ist,  ob  dieselbe  gelöst 
werden  kann.  Sie  wendet  den  Ursachen  der  Leidenszustände 
ihr  Augenmerk  zu  und  meint,  sich  auf  eine  begrenzte  Anzahl 
von  Schulen  und  innerhalb  derselben  auf  bestimmte  Klassen 
(Schulbesucher  von  12 — 16  Jahren)  beschränken  zu  müssen. 
Zugleich  ist  sie  der  Ansiebt,  dals  die  bezüglichen  Unter- 
suchungen von  Ärzten  auszuführen  sind,  die  vom  Departement 
bestellt  und  aus  der  Staatskasse  besoldet  werden. 

In  den  über  den  Fragebogen  gehaltenen  Konferenzen  wurde 
namentlich  von  den  Ärzten  darauf  hingewiesen,  dafs  die  Fragen, 
betreffend  das  Elternhaus,  schwerlich  befriedigend  beantwortet 
werden  dürften,  und  dals,  wenn  dies  auch  in  einzelnen  Fällen 
eintreten  sollte,  die  erhaltene  Auskunft  dooh  von  geringer  Be- 
deutung sein  würde.  Man  meinte  indessen,  dafs,  obgleich  sich  die 
bezüglichen  Angaben  nicht  abzwingen  beißen,  sie  doch  zu 
haben  sein  würden,  falls  die  Öffentlichkeit  gehörig  über  die 
Angelegenheit  aufgeklärt  wäre,  bei  welcher  Schule  und  Haus 
in  gleich  hohem  Grade  interessiert  sind.  Es  wurde  ferner  das 
Zugeständnis  gemacht,  dals  die  Fragen  auf  Wunsch  der  Eltern 
auch  vom  Hausarzte  beantwortet  werden  könnten. 

Die  Schemata  sollen  weder  Lehrern  noch  Schülern  Mühe 
machen;  diese  haben  blofe  die  Fragen  über  Schularbeitszeit, 
Pausen  u.  dgl.  zu  erledigen.  Die  ganze  Untersuchung  ist 
wesentlich  eine  ärztliche.  Der  Schule  wird  zu  der  Beant- 
wortung ausgiebig  Zeit  gelassen.     Für  den  Lehier  ist    es   oft 


403 

wichtig,  die  Umstände  zu  kennen,  unter  welchen  ein  Schul- 
kind su  Hause  arbeitet.  Die  bezüglichen  persönlichen  Ver- 
hältnisse dürfen  natürlich  nicht  in  die  Öffentlichkeit  gebracht 
werden.  Die  Längen-  und  Gewichtsfeststellung  durch  den 
Arzt  wird  allerdings  eine  Unterbrechung  im  Unterrichte  herbei- 
fahren, allein  man  weife  aus  Erfahrung,  wie  gering  diese  ist. 
Die  ganze  körperliche  Untersuchung  hat  an  einer  Mädchen- 
schule erfahrungsgemftfs  durchschnittlich  10  Minuten  pro  Kind 
in  Anspruch  genommen ;  für  Knaben  wird  eine  noch  kürzere 
Zeit  als  notwendig  erachtet.  Die  Mitteilungen  über  den  Gesund- 
heitszustand der  Eltern  liegen  ganz  außerhalb  der  Sphäre  der 
8chule. 

Christiania,  den  14.  Dezember  1891. 

(Gez.)  Wexelsen. 
(Gez.)  D.  P.  Knudsen." 


aus  DerfamntlttitQett  tttib  Vereinen* 


Die  wissenschaftlich-industrielle  Ausstellung  in  Kasan. 

Gegenstände  aus  dem  Gebiete  der  Schulhygiene 

und  der  körperlichen  Erziehung. 

Bericht, 
yerlesen  in  der  „Gesellschaft  zur  Wahrung  der  Volksgesundheit". 

Von 

Wirklichem   Staatsrat   Dr.  med.  Alexander   von  Wirenius, 

Arzt  des  Wedenskischen  klassischen  Gymnasiums 
und  Direktor  des  Kinderasyls  der  Grofafüratin  Alexandra  Nicolaewska 

in  St.  Petersburg. 

(Fortsetzung.) 

Einen  Specialisten  der  Schulhygiene  mußte  naturgemäfs 
besonders  die  Frage  interessieren,  wie  die  Schule  sich  beim 
Unterrichte   im  Lesen,  Schreiben   und   den    anderen  Fächern 


404 

zu  den  Forderungen  der  Gesundheitslehre  verhält.  In  der 
beachtenswerten  Schrift  von  W.  Ljüstrizky:  „Geschichte  der 
ältesten  Vorbereitungsanstalt  in  Kasan*  (1888)  wird  der  ver- 
schiedenen Bücher  und  Leitfäden  Erwähnung  gethan,  welche 
in  der  im  Jahre  1806  eröffneten  jAGODiNSchen  Schule  in 
Gebrauch  waren,  und  unter  ihnen  auch  ein  Werk  von 
Dbgbrando  angeführt :  „Normaücurs  für  Anfänger  im  Lehrfach 
oder  Hüfsbuch  zur  physischen  und  sittlichen  Erziehung  der 
Jugend,  herausgegeben  von  der  Akademie  der  Wissenschaften 
im  Jahre  183 8U.  In  diesem  Werke  finden  sich  sehr  richtige 
Ideen  in  Bezug  auf  die  Wahrung  der  Gesundheit  der  Schul- 
kinder entwickelt.  Unter  anderem  erhält  der  Lehrer  den  Bat, 
darauf  zu  achten,  daJß  die  Kinder  in  allem  Ordnung  beobachten 
und  sich  daran  gewöhnen,  Gesicht  und  Hände  zu  waschen, 
ihre  Kleider  sauber  zu  halten  und  alles,  was  ihrer  Gesundheit 
nachteilig  sein  könnte,  zu  vermeiden.  An  denselben  wird  ferner 
die  Anforderung  gestellt,  soviel  als  möglich  dem  Bedürfnis 
des  kindlichen  Organismus  nach  Bewegung  und  Ausbildung 
der  Muskeln  Genüge  zu  leisten ;  nach  den  Worten  des  Autors 
würde  die  Schule  einem  Grabe  gleichen,  wenn  die  Lehrer  mit 
allen  Mitteln  dahin  streben  wollten,  die  Schüler  zu  einer  an- 
dauernden Unbeweglichkeit  zu  zwingen.  Die  Unterrichts- 
personen mülsten  darauf  achten,  dafs  die  Kinder  sich  gerade 
hielten,  nicht  gebückt  oder  schief  säfsen  und  während  der 
Erholungspausen  in  Reih  und  Glied  verschiedene  Freiübungen 
ausführten.  Die  Sorge  für  die  körperliche  Ausbildung  der 
Zöglinge,  die  Übung  ihrer  Sinnesorgane,  besonders  ihres  Ge- 
sichts und  Gehörs,  und  das  Beibringen  einiger  hygienischer 
Regeln  gehöre  ebenfalls  zu  den  Pflichten  des  Lehrers. 

Es  sind  also  bereits  50  Jahre  seit  jener  Zeit  verflossen, 
wo  die  Pädagogen  anfingen,  Gesetze  zur  Wahrung  der  Gesund- 
heit der  lernenden  Jugend  aufzustellen,  und  zwar  sind  diese 
Gesetze  derart,  dafs  auch  gegenwärtig  jeder  Erzieher,  dem  das 
Wohl  seiner  Pflegebefohlenen  am  Herzen  liegt,  sie  ohne  Zögern 
anerkennen  wird. 

Noch   in  unseren  Tagen   ist   der  Streit   über   den   päda- 


405 

gogischen  Nutzen  des  Unterrichtes  im  Singen  und  Zeichnen 
nicht  entschieden,  und  dennoch  schreibt  bereits  der  oben- 
erwähnte Degeeando:  „Das  Zeichnen  bietet  den  Kindern 
durchaus  keine  einseitige  Beschäftigung  dar;  es  ist  eine  all- 
gemeine Übung,  die  alle  Fähigkeiten  beansprucht,  und  unent- 
behrlich für  die  Bildung  des  Auges.  Für  ein  Kind,  das 
aufmerksam  zu  beobachten  versteht,  ist  jeder  Gegenstand  be- 
lehrend, und  jedes  Ding  entwickelt  allmählich  seinen  Verstand." 
„Was  ferner  das  Singen  anbetrifft,  so  gibt  es  den  Lungen 
Bewegung  und  stärkt  die  Brust  des  Kindes,  folglich  gehört 
der  Gesangunterricht  zur  physischen  Erziehung. u  Wie  das  alles 
einfach  und  verständlich  klingt! 

Dennoch  war  bis  jetzt  der  Unterricht  im  Zeichnen  sogar  in 
den  mittleren  Lehranstalten  bei  uns  nicht  obligatorisch,  und 
Singstunden  wurden  nur  im  Verlaufe  einiger  Schuljahre  erteilt. 
Gegenwärtig  jedoch  sind  Singen  und  Zeichnen  überall  in  das 
Programm  der  Elementarschulen  aufgenommen,  und  allmählich 
beginnt  man  auch  die  Handarbeit  in  dieselben  einzuführen. 
Davon  konnte  man  sich  an  den  zahlreich  ausgestellten  Arbeiten 
der  Elementarschüler  von  Kasan  und  anderer  nahe  gelegener 
Gouvernements  überzeugen.  Allerdings  hat,  den  Exponaten 
nach  zu  urteilen,  der  Zeichnenunterricht,  wie  in  den  meisten 
Lehranstalten,  so  auch  hier  verschiedene  hygienische  Mängel 
aufzuweisen.  Trotzdem  aber  macht  sich  ein  gewisser  Fort- 
schritt im  ganzen  bemerkbar,  in  Einzelheiten  erkennt  man 
sogar  schon  ein  vollständig  rationelles  Vorgehen.  So  sieht  man 
zuweilen  bereits  das  Bestreben,  sich  aus  den  Fesseln  der 
Routine  zu  befreien,  das  für  die  Augen  so  schädliche  Quadrat- 
netz wegzulassen  oder  wenigstens  den  Malsstab  desselben  zu 
veigröfsern,  endlich  sich  ganz  dem  Zeichnen  nach  der  Natur 
zuzuwenden. 

Was  den  Unterricht  im  Schreiben  anbetrifft,  so  waren  auf 
diesem  Gebiete  zahlreiche  Arbeiten  von  Zöglingen  der  Elementar- 
schulen ausgestellt.  Man  darf  nicht  vergessen,  dafs  die  Schrift 
frage  noch  nicht  völlig  gelöst  ist,  dafs  noch  entgegengesetzte  An- 
sichten von  den  Fachmännern,  die  sich  speoiell  damit  beschäftigt 


406 

haben,  verfochten  werden.  Auf  der  Kasansohen  Ausstellung 
waren  fast  alle  Hefte  der  Schüler  mit  schräger  Handschrift 
geschrieben,  nnd  nnr  sehr  wenige  zeigten  senkrechte  Schrift- 
züge  oder  hielten  die  Mitte  zwischen  schrägen  nnd  senkrechten. 
Man  kann  daher  annehmen,  dais  in  den  dortigen  Schulen  die 
Schrägschrift  geübt  wird  mit  allen  Eigentümlichkeiten  dieser 
Schriftart  in  Bezug  auf  Körperhaltung  des  Schülers  und  das 
Halten  der  Feder.  Wir  müssen  übrigens  bemerken,  dafs  in 
den  Lehranstalten  bis  jetzt  noch  keine  festen  Regeln  für  das 
Schönschreiben  aufgestellt  sind  und  dais  fast  jeder  Lehrer  der 
Kalligraphie  seine  eigene  Methode  in  Anwendung  bringt.  In 
dieser  Beziehung  wundern  wir  uns,  dais  die  Herren  Pädagogen, 
da  ja  alle  Kinder  der  Welt  gleichen  Körperbau  haben,  nicht 
die  Notwendigkeit  einsehen,  für  sämtliche  Schulen  dieselben 
Schreibregein  einzuführen,  anstatt  diese  so  wichtige  An- 
gelegenheit dem  Gutdünken  eines  jeden  beliebigen  Schreib- 
lehrers zu  überlassen.  Zu  bedauern  ist  auch,  dais  man  beim 
Unterrichte  im  Schreiben  mehr  auf  schöne  Handschrift,  als 
auf  Schnelligkeit  und  Bequemlichkeit  der  Ausführung  sieht, 
dais  man  also  die  wesentlichen  Forderungen  der  im  Leben  so 
nötigen  Schnellschrift  verkennt.  Schließlich  spielt  das  Quadrat- 
netz selbst  hier  noch  eine  grolse  Bolle,  und  man  ist  schon 
zufrieden,  wenn  einige  Lehrer  ein  gröberes  Netz  zulassen,  sei 

es  auch  nur  für  die  ersten  Unterrichtsjahre. 

(Schlaf»  in  No.  9.) 


Zur  Oeschlechtertrennung  in  den  Primarschulen 
vom  hygienischen  Standpunkte. 
Verhandlungen    des*  medizinisch -pharmaceuti  sehen   Bezirks- 
vereins Bern. 

In  der  dritten  Sitzung  des  abgelaufenen  Wintersemesters 
behandelte  der  medizinisch-pharmaceutische  Bezirksverein  Bern  nach 
dem  „Korrspdebl.  f.  Schweiß.  Aret"  die  Frage  der  Geschlechter- 
trennung in  den  Primarschulen  unter  besonderer  Rücksichtnahme 
auf  die  Gesundheitspflege. 


407 

Das  einleitende  Referat  hatte  Dr.  Ost  übernommen.  Weder 
die  erweiterte  Kommission  der  kantonalen  ärztlichen  Gesellschaft, 
noch  die  stadtbernische  Sanitätskommission,  so  fahrte  derselbe  ans, 
hat  das  Princip  der  Geschlechtermischong,  wie  es  in  §  20  des  neuesten 
Entwurfes  des  Primarschnlgesetzes  aasgesprochen  ist,  irgendwie  bean- 
standet Sehen  wir  ans  ferner  nm  in  den  Üblichen  Lehrbüchern 
über  Schulgesundheitspflege,  so  finden  wir  nirgends  eine  Angabe, 
welche  die  Trennung  der  Geschlechter  ans  sanitären  Gründen 
befürwortet.  Wir  dürfen  daher  wohl  annehmen,  dafs  für  diese  Frage 
der  gesundheitliche  Gesichtspunkt  nicht  ma&gebend  ist  und  kaum  in 
Betracht  fällt.  Ebensowenig  sind  die  gegen  die  Geschlechter- 
mischung erhobenen  pädagogischen  und  moralischen  Bedenken 
begründet.  Im  Gegenteil  übt  die  Vereinigung  von  Knaben  und  Mädchen 
in  den  Primarschulen  sowohl  in  erziehlicher  Beziehung,  wie  nament- 
lich bezüglich  der  normalen  Entwickelung  des  Charakters  einen 
wohltbätigen  Einflute  auf  die  Schuljugend  aus. 

Professor  Gisabd1  konstatierte,  dafs  in  betreff  dieser  Angelegen- 
heit in  den  verschiedenen  Ländern  sehr  verschiedene  Normen  gelten. 
Der  mehr  katholische  Süden  Europas  trennt  die  Geschlechter  scharf, 
der  mehr  protestantische  Norden  weniger.  England  und  Nord- 
amerika wiederum  kennen  gar  keine  Trennung.  In  Deutschland 
gibt  es  sowohl  Befürworter,  wie  Gegner  derselben.  Vom  rein 
hygienischen  Standpunkte,  mit  dem  wir  es  hier  in  erster  Linie  zu 
thun  haben,  ließen  sich  als  mögliche  Gefahren  annehmen,  dafs  in 
gemischten  Schulen  das  Schamgefühl  der  Mädchen  durch  die  Roheit 
der  Knaben  leiden  könnte,  dafs  sie  z.  B.  sich  genieren  würden  zur 
rechten  Zeit  hinauszugehen,  dafs  ferner  auf  die  etwaige  Alteration 
des  Nervensystems  während  der  Periode  nicht  Rücksicht  ge- 
nommen werden  könnte,  wie  bei  getrennten  Klassen,  dafs  endlich 
direkt  unsittliche  Handlungen  unter  Schulkindern  beiderlei  Geschlechtes 
vorkommen  könnten.  Es  ist  aber  zu  entgegnen,  dafs  Knaben  und 
Mädchen  außerhalb  der  Schule  doch  vielfach,  und  zwar  bei  mangel- 
hafter oder  ganz  fehlender  Überwachung,  zusammen  sind,  dafs  sie 
von  dort  etwaige  schlechte  Sitten  mitbringen,  dafs  dagegen  die 
Schule,  wo  die  Aufsicht  eine  gute  ist,  für  solche  Sitten  nicht  ver- 
antwortlich gemacht  werden  darf.  Fälle  gröberer  UnsitÜichkeit 
zwischen  Schulkindern  sind  dem  Redner  nicht  bekannt.  Vom  rein 
hygienischen  Standpunkte  aus  lassen  sich  im  allgemeinen  keine 
erheblichen  Gründe  für  oder  wider  gemischte  Schulen  anführen. 
Will  man  pädagogische  Rücksichten  in  Betracht  ziehen,  so  spricht 
vieles  für  eine  Geschlechtertrennung  von  einer  gewissen  Stufe  an, 
die  je  nach  lokalen  Verhältnissen  zu  bestimmen  wäre. 


1  Unser  Mitarbeiter.    D.  Red. 


408 

Professor  Strasser  ist  auf  dem  Lande  in  gemischter  Schule 
aufgewachsen  und  hält  diese  für  Landverhältnisse  für  entschieden 
vorteilhafter,  oh  auch  für  Stadtverhältnisse,  ist  ihm  fraglich.  Da 
kommen  ja  die  Mädchen  schon  während  der  letzten  Schuljahre  in 
die  Menstruationszeit  und  hahen  dabei  oft  den  Rat  einer  Lehrerin 
nötig.  Es  dürfte  also  wenigstens  eine  Geschlechtertrennung  vom 
14.  Jahre  an  am  Platze  sein. 

Auch  Dr.  Schmed  hat  eine  gemischte  Schule  durchlaufen  und 
nachher  als  Arzt  in  paritätischer  Gegend  viele  Jahre  hindurch 
sowohl  gemischte  Schulen  bei  den  Protestanten,  als  auch  solche  mit 
Geschlechtertrennung  bei  den  Katholiken  genau  kennen  und  beur- 
teilen gelernt.  Seine  Erfahrungen  sprechen  entschieden  zu  Gunsten 
der  gemischten  Schule.  Auch  betrafen  die  zwei  einzigen  Fälle  von 
Gravidität  schulpflichtiger  Mädchen,  die  ihm  zur  Kenntnis  gekommen, 
solche  der  getrennten  Schule.  Für  die  ersten  Schuljahre  tritt  er 
somit  entschieden  für  Vereinigung  der  Geschlechter  ein.  Es  ist  auch 
direkt  ein  Vorteil,  wenn  die  Mädchen  frühe  lernen,  falsche  über- 
triebene Schamhaftigkeit  abzulegen. 

Ebenso  erklärt  Dr.  Dumont  nach  seinen  mehljährigen  Er- 
fahrungen als  Mitglied  einer  Primarschulkommission,  dafs  hygienisch 
nichts  gegen  die  Mischung  der  Geschlechter  einzuwenden  sei. 

Dieselbe  Ansicht  vertritt  Dr.  Dubois. 


Die  Verbreitung  der  ägyptischen  Augenkrankheit 

in  den  Dorfschulen  Livlands. 

Aus  einem  Vortrage, 

gehalten  auf  dem  IV.  livländischen  Arztetage. 

Dr.  Axel  Oehrn  hat  vor  einiger  Zeit  auf  dem  IV.  livländi- 
schen Ärztetage  in  Wenden  einen  Vortrag  „Zur  Trachom  Statistik 
in  Li  vi  and"  gehalten,  dem  das  „Centrbl.  f.  prakt.  Aughücde.* 
unter  anderem  folgendes  entnimmt: 

Es  wurden  190  Schulen  in  35  Kirchspielen  und  2  Städten, 
Fellin  und  Pernau,  mit  11 310  Schülern  im  Alter  von  8 — 18  Jahren 
untersucht.  Die  meisten  Kinder,  nämlich  2303,  entfallen  auf  den 
Walkschen  Kreis,  weiter  folgen  Dorpat  mit  2160,  Wenden  mit  1738, 
Werro  mit  1447,  Wolmar  mit  1285,  Fellin  mit  951,  Riga  mit 
812  und  Pernau  mit  614  Kindern.  Von  diesen  wurde  bei  1996, 
also  17,6°/o,  ägyptische  Augenkrankheit  (Trachom)  konstatiert. 

Fassen  wir  die  Verteilung  dieser  Zahlen  auf  die  einzelnen  Kreise 
ins  Auge,  so  weist  der  Rigasche  Kreis  den  geringsten  Prozentsatz 
auf,  nämlich  nur  3,6%.  Daran  schliefst  sich  Pernau  mit  5,0%, 
Wolmar  mit  8,7%,  Wenden  mit  16,2%,  Walk  mit  19,5%,  Werro 


409 

Bit  23,0%,  Dorpat  mit  23,6%  und  Fellin  mit  25,7%.  ösel  ist 
nicht  berücksichtigt ,  weil  es  dort  keinen  einzigen  Landarzt  gibt. 

Nach  Ausführung  einiger  Korrekturen,  die  Dr.  Oehen  moti- 
viert, erhält  man  nachstehende  Reihe  fftr  die  Häufigkeit  des  Trachoms 
in  den  livländischen  Dorfschulen:  Riga  3,6%,  Wenden  6,09%, 
Weimar  8,7%,  Walk  19,6%,  Werro  23,0%,  Dorpat  23,6%, 
FeDin  25,7%. 

Entsprechend  früheren  Erfahrungen  zeigt  sich  ein  deutlicher 
Unterschied  zwischen  dem  südlichen  lettischen  und  dem  nördlichen 
ethnischen  Teile  Livlands.  In  ersterem  erwiesen  sich  11,4%  der 
utersuchten  Schulkinder  trachomkrank,  in  letzterem  23,8%,  also 
■ehr  als  doppelt  soviel.  Die  Verbreitung  des  Trachoms  nimmt 
von  Süden  nach  Norden  gleichmäßig  zu,  nur  der  Walkschc  Kreis 
zeigt  gegenüber  dem  Wolmarschen  einen  starken  Sprung  von  8,7% 

auf  19,5%. 

Dieser  unterschied  zwischen  dem  esthnischen  und  dem  lettischen 
Livland  findet  bis  zu  einem  gewissen  Grade  in  kulturellen  und 
eoädökonemisdhen  Differenzen  seine  Erklärung.  Sowohl  in  Bezug 
auf  Bildung  als  auf  Wohlhabenheit  sind  die  Letten  den  Esthen  ent- 
schieden Toraus:  die  Wohnungen  sind  hygienisch  besser,  das  Be- 
dürfnis nach  ärztlicher  Hilfe  ist  allgemeiner,  die  Mittel,  sich  die- 
selbe zu  verschaffen,  sind  reichlicher  —  alles  Umstände,  die  auf  eine 
Verringerung  der  ägyptischen  Augenkrankheit  gewifs  Einflute  ausüben. 
Andererseits  mögen  zur  Erklärung  dieses  Unterschiedes  auch  die 
namentlich  von  Adelmann  betonten  Verschiedenheiten  im  anatomi- 
schen Bau  der  Augenhöhlen  bei  Letten  und  Esthen  beitragen. 

Von  den  11310  untersuchten  Kindern  waren  6337  Knaben 
und  4973  Mädchen,  davon  trachomkrank  1118  Knaben  und 
878  Mädchen,  also  je  17,6%.  Während  demnach  unter  der  Schul- 
hevö&erung  sich  beide  Geschlechter  ganz  gleichmäßig  ergriffen  zeigten, 
ist  für  Erwachsene  sowohl  von  froheren  Untersuchern,  als  auch  von 
Obhbn  ein  ganz  beträchtlicher  Unterschied  zu  Ungunsten  des  weib- 
lichen Geschlechts  gefunden  worden.  Es  dürfte  dies  auf  der  ver- 
schiedenen Lebensweise  und  Beschäftigung  der  Geschlechter  beruhen, 
welche  im  schulpflichtigen  Alter  noch  nicht  zur  Geltung  kommen. 
Esther  hat  allerdings  auch  für  das  jugendliche  Alter  einen  Unter- 
schied nachweisen  können,  doch  erscheint  derselbe  zu  gering  — 
60%  gegen  64%  — ,  um  als  ausreichender  Gegenbeweis  gelten  zu 
können. 

Von  Dr.  Obhrn  ist  dann  weiter  die  Trachomfrequenz  für  die 
einzelnen  Lebensjahre  vom  8.  bis  zum  18.  berechnet  worden.  Mit 
13%  im  8.  Jahre  beginnend,  steigt  dieselbe  ziemlich  regelmäßig 
an,  um  im  13.  und  14.  Jahre  mit  19,5%  und  19,8%  das  Maximum 

SchalfwnndhelUpflege  VI.  27 


410 

zu  erreichen  und  dann  wieder  mit  geringen  Schwankungen  abzu- 
nehmen.    Ganz  analoge  Verhältnisse  hat  Reyhbr  gefunden. 

Die  Kurve  für  die  Knaben  allein  hat  im  allgemeinen  denselben 
Verlauf,  nur  ist  das  Maximum  auf  das  14.  und  15.  Lebensjahr  ver- 
schoben. 

Ganz  unregelm&fsig  verläuft  sie  bei  den  Mädchen.  Das  Maximum 
fällt  hier  auf  das  10.  Lebensjahr,  drei  erhebliche  Steigerungen  auf 
das  13.,  16.  und  18.  Jahr. 

Weiter  hat  Dr.  Obhbn  zu  ermitteln  gesucht,  wie  viele  der 
untersuchten  Kinder  Komplikationen  von  seiten  der  Hornhaut  auf- 
wiesen, und  es  stellte  sich  heraus,  dafs  das  bei  3,3%  aller  an 
Trachom  Erkrankten  der  Fall  war,  fflr  dieses  jugendliche  Alter 
gewife  eine  hohe  Zahl.  Auch  hier  zeigte  sich  ein  deutlicher  Unter- 
schied zwischen  dem  esthnischen  und  dem  lettischen  Livland.  In 
ersterem  hatten  4,8%  Hornhauterkrankungen,  in  letzterem  dagegen 
nur  1,62%.  In  drei  lettischen  Kreisen,  Riga,  Wenden  und  Walk, 
wurden  überhaupt  keine  Hornhautaffektionen  gefunden,  während  die- 
selben in  allen  esthnischen  Kreisen  vorhanden  waren.  Wie  zu  erwarten 
stand,  steigt  die  Anzahl  der  Hornhauterkrankungen  mit  zunehmendem 
Alter  von  etwa  2%  im  8.  bis  auf  9%  im  18.  Lebensjahre.  Beide 
Geschlechter  zeigen  in  dieser  Beziehung  ein  ganz  gleiches  Ver- 
halten. 

VII.  Hauptversammlung 
des  deutschen  Vereins  für  Rnabenhandarbeit. 

Am  26.  Mai  d.  J.  wurde  zu  Leipzig  im  Saale  des  Vereins 
für  Volkswohl  die  VII.  Hauptversammlung  des  deutschen  Vereins  Air 
Knabenhandarbeit  von  dem  Vorsitzenden,  Landtagsabgeordneten  VON 
Schenckendorff,  mit  warmen  Worten  des  Nachrufs  für  die  seit 
der  letzten  Versammlung  durch  den  Tod  abberufenen  Vorstands- 
mitglieder, A.  LAMMERS-Bremen  und  C.  GRüNOW-Berlin,  eröffnet. 
Die  Anwesenden  ehrten  die  Dahingeschiedenen  durch  Erheben  von 
den  Sitzen.  Die  Lücken  im  Vorstande  sind  durch  Landesrat 
Schmeddinö  in  Münster  und  Professor  zur  Strassen  in  Leipzig 
ausgefüllt.  Professor  Dr.  BiEDERMANN-Leipzig  wurde  für  seine 
hohen  Verdienste  um  die  Forderung  der  Handfertigkeitssache  zum 
Ehrenvorsitzenden  des  Vereins  gewählt.  Mit  Worten  des  Dankes 
und  der  Versicherung,  für  diesen  Unterricht,  als  ein  notwendiges 
und  hochwichtiges  Erziehungsmittel,  auch  fernerhin  eintreten  zu 
wollen,  nahm  derselbe  das  Amt  an« 

Von  dem  ersten  österreichischen  Handarbeitskongreis,  der  gleich- 
zeitig mit  der  Leipziger  Versammlung  in  Wien  tagte,  war  ein  tele- 
graphischer Grufs  eingelaufen. 


411 

Vorher  hatte  Professor  Dr.  Marshall  im  zoologischen  Institute 
der  Universität  einen  Vortrag  über  „Die  Entwickelung  der 
Hand  in  ihrem  Einflufs  auf  den  menschlichen  Geist"  ge- 
halten. In  klarer,  anschaulicher  Weise  wies  er  auf  Grund  wissen- 
schaftlicher Forschung  und  mit  Unterstützung  Ton  Zeichnungen 
und  Präparaten  nach,  dafs  die  Hand  das  wichtigste  Organ  des 
Menschen,  das  Instrument  aller  Instrumente  sei,  welches  ihn  weit 
Aber  alle  anderen  Geschöpfe  erhebe,  und  dafs  die  Ausbildung  der- 
selben eng  mit  dem  geistigen  Fortschritt  der  Menschheit  zusammen- 
hänge. Da  die  Bestrebungen  für  Knabenhandarbeit  in  hervorragender 
Weise  geeignet  seien,  die  Entwickelung  der  menschlichen  Hand  und 
damit  nicht  blofs  die  Vervollkommnung  des  einzelnen  Individuums, 
sondern  auch  der  ganzen  menschlichen  Gesellschaft  zu  fördern,  so 
müsse  jeder  Wohlmeinende  diese  Bewegung  unterstützen.  Mit  leb- 
hafter Zustimmung  wurden  diese  überzeugenden  Ausfuhrungen  auf- 
genommen. 

An  Stelle  des  am  Erscheinen  verhinderten  Professors  Dr.  Lange 
aus  Königsberg  übernahm  Lehrer  Hebtel  aus  Zwickau  den  Vortrag: 
„Inwieweit  kann  der  Handfertigkeitsunterricht  zur  Ge- 
schmacksbildung der  deutschen  Jugend  beitragen?"  Re- 
ferent beantwortete  diese  Frage  in  dem  Sinne,  dafs  der  Handarbeits- 
unterricht Vorzüge  und  Mängel  des  Materials  kennen  und  für  die 
künstlerische  Verwertung  benutzen  lehre,  dais  er  ferner  Hand- 
geschicklichkeit erzeuge  und  Verständnis  für  die  Beziehungen  zwischen 
Material  und  Arbeitsprodukt  vermittele,  dafs  er  endlich  geeignet 
sei,  in  Verbindung  mit  dem  Zeichenunterricht  zu  treten  und  dessen 
geschmackbildenden  Wert  zu  erhöhen.  Als  Ergänzung  fügte  der 
Bednar  hinzu,  dafs  die  Geschmacksbildung  durch  den  Handfertigkeits- 
unterricht auch  deshalb  gehoben  werde,  weil  dieser  berufen  sei,  die 
Vorbedingungen  des  Schönen  zu  pflegen,  die  Naturprodukte  in  Bezug 
auf  ihren  Bau  kennen  zu  lehren,  über  die  Bildung  der  Grundform 
gewerblicher  Produkte  Aufklärung  zu  geben  nnd  das  Verständnis  für 
die  Formensprache  des  Ornamentes  und  ihre  richtige  Anwendung  zu 
vermitteln. 

In  der  nachfolgenden  Besprechung  begrüfste  es  der  Abgeordnete 
von  Schenckendorfp,  dafs  nun  auch  Vertreter  der  Wissenschaft 
sich  des  Handfertigkeitsunterrichtes  annehmen  und  seine  Wichtigkeit 
auf  Grund  gelehrter  Forschung  nachzuweisen  suchen.  Direktor 
Nömbrath  betonte,  dafs  die  Anwendung  des  Ornamentes  als  Ver- 
zierung beim  Handfertigkeitsunterrichte  methodisch  durchgebildet 
werden  müsse.  Professor  zur  Strassen  hob  die  Notwendigkeit 
hervor,  die  Form  eines  Gegenstandes  auch  dem  Wesen  und  dem 
Zwecke  desselben  anzupassen,  wie  das  schon  bei  den  alten  Völkern 

27» 


412 

der  Fall  gewesen  sei*  Lehrer  KALB-Gera  hält  die  planm&feige 
Geachmacksbädung  durch  Beachtung  der  Kunstgesetze  bei  An- 
fertigung amch  der  einfachsten  Gegenstände  Ar  notwendig.  Zuletzt 
wies  der  Referent  noch  darauf  hin,  dafs  gerade  das  Formen  in  Thon 
recht  geeignet  sei,  den  Kunstsinn  zu  entwickeln. 

Der  Schatzmeuter,  Direktor  NÖGGBÄATB-Hirschberg,  gab  dann 
einen  Bericht  über  die  finanzielle  Lage  des  Vereins.  In  den  Vor- 
stand wurden  9  der  10  ausgelosten  Mitglieder  wieder-  und  Schal- 
inspektor SofflOLBR-Worms,  Schnlrat  Polack- Wortes,  Schulinspektor 
Dr.  SPBINGER-Neurode  und  Geheimer  Begierongsrat  BÖHMBRT-Dresden 
neugewfthlt.  Als  Eongreisort  ftr  das  nächste  Jahr  ward  einstimmig 
Danzig  bestimmt,  dessen  Verein  mit  warmen  und  herzlichen  Worten 
hierzu  eingeladen  hatte.  Mit  einem  Hinweis  auf  die  Bedeutung 
Leipzigs  für  die  Handfertigkeitsbestrebungen,  auf  die  dortigen  wohl 
organisierten  Schfilerwerkstttten,  auf  die  Lehrerbildungsanstalt  des 
deutschen  Vereins  für  Knabenhandarbeit,  sowie  auf  die  gastfreund- 
liche Aufnahme  der  Versammlung  durch  die  alle  gemeinnützigen  Be- 
strebungen unterstatzende,  echt  deutsche  Stadt  Leipzig  schleife  der 
Vorsitzende  TON  Schbnckendobjv  die  Generalversammlung. 

Bemerkungen  in  der  VI.  Generalversammlung 
der  Badegesellschaft  zu  Stuttgart 
über  die  Benutzung  des  dortigen  Schwimmbades  durch  Schüler. 
In  der  VI.  Generalversammlung  der  Stuttgarter  Badegesellschaft 
gab  Rektor  Schumann  als  Vertreter  der  Realschulen  nach  dem 
„Beobacht."  seiner  Freude  darüber  Ausdruck,  dab  das  Baden  in 
allen  Kreisen  Eingang  gefunden  habe,  und  erklärte  sich  bereit,  das 
„Klassenbaden"  in  jeder  Weise  zu  unterstützen.  Professor  Wnsn- 
mann,  in  Vertretung  des  Oberstudienrats  von  Dillmann,  hob 
hervor,  dafis  das  Klassenbaden  der  Realgymnasiasten  die  höchste 
Zahl  3677  erreicht  habe,  obschon  der  Schülerstand  ein  geringerer 
als  der  in  der  Realanstalt  sei.  Hierauf  berichtete  Herr  Lbo  Vbttsr, 
in  Berlin  sei  ein  Verein  zur  Forderung  obligatorischen  Schul- 
badens gebildet  worden.1  Er  bat,  dals  die  Professoren,  vereint  mit 
anderen  Kollegen,  einstehen  möchten  für  die  Freilassung  gewisser 
Stunden  zum  Zweck  des  Klassenbadens  unter  Aufsicht  der  Lehrer 
und  glaubte  bestimmt  versichern  zu  können,  da£s  die  Schule  sich 
damit  den  besonderen  Dank  der  Eltern  verdienen  werde. 


1  S.  «st*  ZdUckrift,  1898,  No.  3,  S.  152—158. 


418 


Aleisere  JttUteiUttgeti. 


Dts  Paulinum  des   Rauhen  Hauses  in  Hamburg,  eine 
Mwtentittto  für  erneu  gesunden  Geist  in  einem  gesunden 

Ktrper»  Als  ich  vor  einigen  Jahren,  so  schreibt  unser  verehrter 
Mitarbeiter,  Herr  Direktor  BL  Raydt,  von  einer  Schulstudienreise 
durch  Schottland  und  England  zurückkehrte  und  in  meinem  Buche 
„Ein  gesunder  Geist  in  einem  gesunden  Körper!"  die  dortigen 
höheren  Knabenlehranstalten  mit  den  unsrigen  verglich,  sprach  ieh 
die  Ansicht  aus,  dafs  es  Überaus  wertvoll  wäre,  wenn  irgendwo  im 
deutschen  Reiche  an  geeigneter  Stelle  eine  deutsch-englische  Muster* 
schale  entstünde.  Wenn  sich  in  einer  solchen  deutsche  Idealität, 
deutsches  Gemütsleben,  deutsche  wissenschaftliche  Gründlichkeit  mit 
englischer  Charakterbildung  und  kräftiger  körperlicher  wie  geistiger 
Erziehung  verbände,  so  könnte,  meinte  ich,  damit  eine  Musteranstalt 
fftr  alle  Länder  geschaffen  werden.  Dieser  Wunsch  ist  nicht  in  Er« 
f&llung  gegangen.  Wohl  aber  habe  ich  eine  deutsche  Anstalt  kennen 
gelernt,  welche,  ohne  einen  irgendwie  specifisch  englischen  Anstrich 
zu  haben,  die  Vorzüge  der  deutschen  und  englischen  Erziehung  in 
sich  vereinigt,  das  ist  das  Paulinum  des  Rauhen  Hauses  in  Hamburg- 
Horn.  Bei  der  Ausbildung  dieser  Anstalt  hat  Direktor  Wichern 
in  konsequenter  Durchführung  an  folgenden  drei  Principien  festge- 
halten. Erstens  bedürfen  die  Knaben  täglich  einer  kräftigen  Be- 
wegung in  freier  Luft  als  Erholung  von  geistiger  Anstrengung,  auf 
dafs  „die  Lungen  sich  weiten  und  die  Wangen  sich  röten" ;  zweitens 
mufs  „neben  der  mehr  ideell  gerichteten  Schularbeit  der  Sinn  fürs 
Praktische  schon  in  dem  Knaben  erzogen  werden",  und  drittens 
„sollen  die  zur  Erholung  gebotenen  Beschäftigungen  dem  Knaben 
lieb  sein,  seinem  Gemüt  eine  Befriedigung  und  seiner  Phantasie  ein 
Feld  zu  reger  Betätigung  geben. a  Um  diese  Principien  in  die 
Wirklichkeit  zu  übersetzen,  dienen  Turnen  und  Exerzieren,  kleinere 
und  gröfsere  Wanderfahrten,  Baden  und  Rudern  im  Sommer,  Schlitt- 
schuhlaufen im  Winter,  körperliche  Spiele  in  freier  Luft  zu  jeder 
Jahreszeit  und  endlich  Beschäftigung  im  Schulgarten  und  in  den 
verschiedenen  Zweigen  der  Knabenhandarbeit.  Auf  meine  Bitte 
wurde  mir  die  ganze  Schule  im  Gewehrexerzieren  vorgeführt.  Die 
Übungen  kamen  exakt  und,  was  mehr  ist,  offenbar  mit  Lust  und 
Liebe   zur   Ausführung.      Gelegentlich   macht   das   Paulinum   auch 


414 

Übungsmärsche  mit  Gewehr  and  Felddienstübangen  auf  Berg  und 
Heide.  Man  ist  ja  Aber  den  Wert  solcher  Gewehrexerzitien  ver- 
schiedener Ansicht,  and  ich  will  mich  hier  eines  Urteils  darüber 
enthalten.  Das  eine  mufs  ich  aber  doch  hervorheben,  dafs  eine 
deutsch-patriotische  Begeisterung  sich  durch  diese  Gewehrübungen 
der  Pauliner  hindurchzieht,  die  eine  grobe  Bedeutung  hat.  Das 
regelmässige  Schultarnen  wird  alljährlich  am  Sedantage,  wie  es 
meines  Erachtens  überall  sein  sollte,  von  einem  Tarnfeste  gekrönt. 
Über  eine  solche  Feier  berichten  die  „Marksteine"  folgendermaßen: 
„Stab-  and  Freiübungen  machen  heute  den  Anfang.  Kommando 
folgt  auf  Kommando.  Wie  die  Jangen  ihre  Glieder  biegen,  recken, 
strecken!  Nun  folgt  mit  festem  Tritt  and  Takt  Marschübung  und 
Reigenlauf.  Plötzlich  ertönt  das  Kommando:  „halt",  „ an  die  Geräte 
—  marsch  marsch"  ;  dass  Wettturnen  beginnt.  Wird  sonst  auch 
riegenweise  getarnt,  heute  wird  zunächst  familienweise  am  den  Preis 
gekämpft.  Jeder  eifert,  dafs  seine  Familie  den  Preis  erringe. 
Darauf  treten  die  besten  Tarner  aas  sämtlichen  Familien  zum  Wett- 
kampf vor.  Am  Barren,  am  Reck,  am  Pferde,  im  Sprang  wagt 
es  einer  gegen  den  anderen.  Endlich  wird  Waffenstillstand  geboten. 
Der  Tarnlehrer  mit  den  Familienleitern  tritt  zu  einer  Beratung  zu- 
sammen, welches  heute  die  WürdigBten  waren,  und  nun  werden  die 
Preise  verkündet.  Laut  aber  erschallt  der  Beifallsruf  der  Familien- 
genossen, wenn  ihr  Ältester  vortritt,  am  ein  Bild,  eine  Büste,  ein 
Spiel  zu  empfangen.  Dann  folgen  die  Einzelpreise  in  Gestalt 
schwarz-weiis-roter  Schleifen.  Nor  einer,  der  sich  besondere  Ver- 
dienste um  das  Turnen  und  seine  Pflege  unter  den  Kameraden  er- 
worben hat,  erhält  einen  mächtigen  Eichenkranz.  Solcher  Sieges- 
preis gilt  hoch  vor  allen  anderen,  and  des  Siegers  Name  wird  treu 
bewahrt  von  Geschlecht  zu  Geschlecht.  Des  Feierns  ist  noch  kein 
Ende.  Rege  Gemüter,  die  auch  am  Abend  noch  feiern  wollten,  hatten 
ein  vaterländisches  Festspiel  eingeübt,  das  sie,  nachdem  die  Sonne 
geschieden,  zur  Ausfahrung  brachten.  Zu  aller  Freude  gelang  es 
ihnen  auf  das  Beste,  and  nun  konnte  jeder  hochbefriedigt,  aber 
auch  müde  vom  Turnen,  Hören  und  Sehen  der  Rahe  pflegen. a 
Über  die  Wanderfahrten  des  Paolinoms  möchte  ich  ebenfalls  das 
Rauhe  Haus  selber  sprechen  lassen:  „Alljährlich,  wenn's  in  Feld  und 
Wald  am  schönsten  ist,  legen  wir  Papier  und  Tintenfafe,  Feder  und 
Zirkel  beiseite,  stellen  französische  und  englische  Schriftsteller  zur 
von  Herzen  gegönnten  Ruhe  aufs  Bücherbrett,  und  hinaas  geht's  in 
die  weite,  weite  Welt,  in  die  verlassenen  Räume  aber  zieht  das 
Regiment  von  Besen,  Bürste  und  Seife  ein,  glücklich,  seine  Herr- 
schaft einmal  für  einige  Tage  ungestört  behaupten  zu  können. 
„Brüder,    auf   durch   die   Welt!"     jubelt   die   frohe   Schar,    denn 


415 

„Über  Reisen   kein  Vergnügen",    und  mehr  noch  als  Herr   Urian 
unseres  Wandsbecker  Nachbarn  Claudius  hätten  wir  zu  erzählen  von 
den  Reisen,  die  wir  gethan,  von  der  stillen  Fahrt  über  das  leuch- 
tende Meer  von  Kiel  nach  Alsen  und  jener  Sturmfahrt  nach  Trave- 
mftnde,  wo  „mit  grimm'gem  Unverstand  Wellen  sich  bewegten"  und 
nur  wenige  Heldenseelen  der  feindlichen  Gewalt  der  Elemente  nicht 
erlagen,   von    der  Gastfreundschaft   in   der  Mühle   zu  Wismar,    wo 
selbst  der  Appetit  unserer  Jungen  die   Gaben   nicht  zu   bewältigen 
vermochte  (und  was  das  sagen  will,  mufs  man  erlebt   haben),    und 
wo  das   den  Gästen   geopferte   fetteste  der  weifezahnigen   Schweine 
den  klassisch  gebildeten  Sekundaner  direkt  in  homerische  Zeiten  ver- 
setzte,  von  dem  Marsch  durch's  öde  Land,    wo's  viele  Steine   gab 
und  wenig  Brot,   und  wo  mancher  verzagt  wäre,  hätten  sich   nicht 
Herz  und  Auge  weiden  dürfen   an  dem  saftigen  Schinken,    der  an 
langer    Stange  verheißungsvoll   in   der  Mitte    des   Zuges    getragen 
wurde,    von  dem  hellen  Liederklang,  mit  dem   wir   die  fürstlichen 
Freunde  unseres  Hauses   in  Schwerin  begrüfsen   und  nicht  weniger 
die   alten   Männlein  und   Weiblein  im  Lübecker  Heiligengeistspital 
erquicken  durften,  und  von  den  Kirchenkonzerten  im  hohen  Dom  zu 
Flensburg    und   im    schlichten    Dorfkirchlein    zu    Gottorf,    von   der 
Morgenandacht    bei    der  Waldquelle    am  Ratzeburger  See   und  von 
dem    „Nun  danket  alle  Gott",  das  von  Düppels  Höhen,,  wie   einst 
an  jenem  blutigen  Tage,   mit  Posaunenschall  weit   hinausklang   über 
das  meerumschlungene  deutsche  Land.     Und  doch  bleibt  das  Schönste 
vom  Schönen  die  Rückkehr  in  die  alten  Räume  und  das  alte  Leben, 
das  nach  der  kurzen  Wanderung    durch    die  Fremde    uns    doppelt 
traut  und  heimatlich  anmutet,  und  behaglich  streckt  man  sich  auf 
dem  gewohnten  Lager  mit  einem  glücklichen  ,Gottlob,  wieder  daheim, 
daheim  im  lieben  Rauhen  Haus4."     Wo  sich  Gelegenheit  dazu  bietet, 
wie  z.  B.  bei  einer  Wanderfahrt  durch  den  Harz  oder  ins  Riesen- 
gebirge und  den  Teutoburger  Wald,  werden  diese  Märsche  auch  dem 
Unterrichte  in  geographischer,  historischer  und  naturwissenschaftlicher 
Beziehung  nutzbar  gemacht;    im  besonderen   dienen  hierzu  kleinere 
„Ausflüge  zu  belehrenden  Zwecken".     Solche   waren  beispielsweise 
die  Besichtigung    einer  Glasfabrik   in    dem   benachbarten  Ottensen, 
einer   grofsen  Schiffswerft    auf  Wilhelmsburg,    eines   Dampfers   der 
Hamburg- Amerikanischen  Packetfahrtaktiengesellschaft,  Besteigung  des 
Turmes    der  Michaeliskirche,    Gänge    durch    den    zoologischen    und 
botanischen  Garten  Hamburgs,   Besichtigung  der  Wasserwerke,   der 
Museen  u.  s.  w.     Die  Erfahrung  mit  derartigen  Ausflügen,  welche 
das  Alumnatsleben  in  angenehmster  Weise  unterbrechen,  hat  gezeigt, 
dals  dieselben  ihren  dreifachen  Zweck  ausgezeichnet  erfüllen,    dais 
sie  nämlich  einmal  zur  körperlichen  Erfrischung  der  Knaben  dienen, 


416 

dafs  sie  zweitens  den  Geist  bilden  im  Einklang  mit  dem  groben 
gewerblichen  und  Handelalebem  unseres  Volkes  und  dafs  sie  drittem 
das  Gemüt  und  die  Phantasie  der  Schüler  in  wohltuendster  Art  an- 
regen. Im  Sommer  dient  ein  nahe  bei  der  Anstalt  vorbeiflielsender 
kleiner  Flufe,  die  Bille,  den  Knaben  zum  Baden,  Schwimmen  und 
Sudern.  Für  letztere  in  Deutschland  leider  noch  viel  zu  wenig 
geübte  Bewegung,  welche  so  ganz  besonders  im  stände  ist,  Gesundheit, 
Jugendlust  und  Manneskraft  zu  fordern,  stehen  den  alteren  Schülern 
des  Pauhnums  mehrere  Ruderboote  zur  Verfügung.  Munterer 
Gesang,  welcher  im  Takte  den  Ruderschlag  begleitet,  belebt  das 
schöne  und  heilsame  Vergnügen.  Im  Winter  bietet  die  Bille  mit 
ihren  vielen  durch  das  Land  sich  hinziehenden  Gräben  eine  gute 
Eisbahn  zum  Schlittschuhlaufen,  der  besten  Jugendvergnügung  m 
kalter  Zeit.  Von  den  Spielen  in  freier  Luft  hat  sich  zunächst  auch 
hier,  wie  an  so  vielen  anderen  deutschen  Schulen,  „Fufsball"  einen 
herrschenden  Platz  erobert.  Ein  Spielplatz,  rings  von  Bäumen  und 
Gebüsch  umgeben,  bietet  auf  dem  eigenen  Gebiete  des  Rauhen 
Hauses  den  Paulinern  einen  leicht  erreichbaren,  schattigen  und  vor 
rauhen  Winden  geschützten  Tummelplatz.  In  zwei  Parteien  zu  je 
15  Mann  geteilt,  treiben  die  Knaben  das  kräftige  Spiel  mit  grofeem 
Eifer,  und  wahrlich,  auch  dem  Zuschauer  pocht  das  Herz  freudig  in 
der  Brust,  wenn  er  den  von  den  flinken  Jungen  gestofsenen  riesigen 
Ball  bald  hoch  durch  die  Luft  sausen,  bald  über  den  Boden  hin 
getrieben  sieht,  bis  er  endlich  unter  einem  besonders  starken  Stoft 
durch  das  gegnerische  Mal  hindurchfliegt,  mit  lautem  Jubel  begreifst 
von  der  siegenden  Schar.  Aufser  Fu&ball  werden  hauptsächlich 
Schlagball  und  Barlauf  gespielt,  aufserdem  von  den  Kleinen  Urbar 
und  Fang'schon.  Direktor  und  Lehrer  sind  einig  über  die  guten 
Wirkungen  der  körperlichen  Spiele  in  freier  Luft.  Als  solch« 
werden  genannt  „freier,  offener  Sinn,  jugendlich  heiteres  Wesen, 
Ausdauer  und  Tapferkeit44.  Ferner  fördert  nach  den  dortigen  Er- 
fahrungen das  Spiel  „den  unbefangenen  Verkehr  zwischen  Lehrern 
und  Schülern,  Offenheit  und  Vertrauen,  die  beiden  Tugenden,  über 
deren  Fehlen  sonst  in  der  Schülerwelt  viel  geklagt  wird,  weil  sich 
Lehrer  und  Schüler  häufig  zu  fern  und  fremd  gegenüberstehen.  * 
Die  harmonische  Ausbildung  des  Kindes  wird  aber  durch  Unterricht, 
Turnen,  Jugendspiele  und  sonstige  Leibesübungen  noch  nicht  voll- 
ständig erreicht,  es  fehlt  hierbei  die  Ausbildung  der  Sinne  durch  die 
Handarbeit.  Direktor  Wichbrn  ist  meines  Wissens  der  erste  im 
neuen  deutschen  Reich  gewesen,  welcher  dieser  Erkenntnis  praktische 
Anwendung  in  der  Schule  gegeben  hat.  Im  Anschlufs  an  die  Be- 
strebungen des  dänischen  Rittmeisters  Klauson-Kaas  wurden  in 
den  siebziger  Jahren  mancherlei  Beschäftigungen  für  die  Ausnutzung 


417 

der  schulfreien  Zeit,  wie  Tischlerei  und  Holzschnitzen,  Buch-  und 
Bfirstenbinden,  Fournieren  und  Flechten,  eingeführt.  In  der  weiteren 
Eatwickelung  sind  einige  von  den  KLAUBON-KAABschen  „Hansfleiß"- 
arbeiten  fortgefallen.  Dafür  sind  in  Übereinstimmung  mit  den 
Bestrebongen  der  Herren  von  Sohenokbndosff  -  Görlitz  and 
Dr.  W.  Gobtze- Leipzig,  den  eigentlichen  Begründern  der  erzieh- 
lichen Knabenhandarbeit  in  Deutschland,  mehr  künstlerische  Übungen 
eingetreten.  Ganz  besonders  hat  der  „Kerbschnitt"  seine  erste 
Heimatstfitte  im  Rauhen  Hanse  gefanden  and  von  dort  aas  sich 
weithin  Aber  Deutschland  verbreitet.  Außerdem  beschäftigen  sich  die 
Schaler  des  Paulinums  mit  Aquarellmalerei,  Modellieren  und  Metall- 
arbeiten  mannigfacher  Art.  Den  Besuchern  der  Hamburger  Industrie- 
ausstellung von  1889  wird  das  nachher  von  der  Jury  mit  der  silber- 
nen Medaille  prämiierte  Zimmer  des  Banhen  Hauses  in  Erinnerung 
sein,  in  welchem  wahrhaft  künstlerische  und  außerordentlich  fleißige 
Schülerleistungen  die  frohe  Verwunderung  Sachkundiger  erregten. 
Außer  diesen  mehr  künstlerischen  Handarbeiten  wird  im  Paulinum 
die  Arbeit  im  Schulgarten  gepflegt.  Jeder  Zögling  hat  ein  eigenes 
Beet,  für  welches  namentlich  die  kleineren  Knaben  meist  mit 
rührender  Liebe  sorgen.  Außer  dem  gesundheitlichen  Vorteile  dürfte 
hier  die  treffliche  erziehliche  Wirkung  von  Nutzen  sein,  welche  die 
Pflege  der  Pflanzen  auf  das  Gemüt  auch  des  wilden  Knaben  unstreit- 
bar ausübt.  Die  Pflege  des  Gemüts  wird  überhaupt,  als  einer  über- 
aus wichtigen  Seite  der  Erziehung,  im  Paulinum  die  größte  Sorgfalt 
gewidmet.  Mit  Bücksicht  hierauf  finden  wir  im  dortigen  Schulleben 
eine  besonders  starke  Pflege  der  Musik  und  Kunst.  Ihren  Gipfel- 
punkt finden  diese  Bestrebungen  in  den  „fröhlichen  Abenden", 
welche  durch  Aufführungen,  Deklamationen  und  musikalische  Vor- 
trüge zu  erhebenden  Momenten  im  Leben  der  Schule  werden« 
Hierdurch,  wie  durch  die  heiteren  Spiele  in  freier  Luft,  die  Buder- 
and Wanderfahrten  und  was  sonst  dahin  gehört,  kommt  in  das 
Schalleben  Freude  und  Frohsinn  hinein,  ohne  welche  das  Menschen- 
reis so  wenig  gedeihen  kann,  wie  eine  Blume  ohne  Sonnenschein. 
Die  eigentliche  Grundlage  des  Paulinums  liegt  aber,  das  sei  zum 
Schluß  bemerkt,  tiefer  als  alles  vorher  Besprochene.  Ohne  daß 
viel  Worte  darüber  gemacht  werden,  fühlt  der  aufmerksame  Beob- 
achter den  Geist  christlicher  Liebe,  welcher  das  ganze  Schulleben 
erleuchtend  und  erwärmend  durchstrahlt.  Das  ist  aber  auch  der 
einzige  Boden,  auf  welchen  die  Erziehung  unserer  Zeit  sich  gründen 
maß.  Auf  diesem  kann  allein  in  Wahrheit  erwachsen  „Ein  gesunder 
Geist  in  einem  gesunden  Körper". 

Zur  Überbürdung  der  amerikanischen  Schüler  schreibt  ein 
Volksschullehrer  New  Yorks  im  vSunu :  Das  Drillen  und  Vollstopfen 


418 

fügt  dem  kindlichen  Geiste  einen  von  Jahr  zu  Jahr  bemerkbarer 
werdenden  gesundheitlichen  Schaden  zu.  Der  Unterricht  beginnt  um 
9  Uhr  morgens  und  endigt  um  3  Uhr  nachmittags.  Während  dieser 
Zeit  werden  die  Kinder  von  einem  Unterrichtsgegenstand  zum  anderen 
gejagt,  wodurch  der  stärkste  Mensch  nervenschwach  werden  mufs. 
Bedenkt  man,  dafs  die  Zeit  nach  der  Schule  nicht  der  Erholung 
überlassen  bleibt,  sondern  dazu  benutzt  werden  muls,  häusliche  Auf- 
gaben anzufertigen,  bedenkt  man  weiter,  dafs  das  Lernen  7  bis  8  Jahre 
dauert,  so  braucht  man  sich  nicht  über  das  heutige  nervenschwache 
Geschlecht  zu  wundern.  Die  Kinder  werden  angefüllt  mit  einer 
Menge  von  Begriffen  aus  Sprachkunde,  Religion,  Rechnen,  Länder- 
kunde, Weltgeschichte  u.  s.  w.  und  häufen  alles  mögliche  Verstandene 
und  Unverstandene  in  ihrem  Kopfe  auf.  Eines  aber  lernen  sie  nicht, 
und  man  kann  es  auch  später  nicht  von  ihnen  erwarten,  ebenso- 
wenig wie  auf  einem  Distelstrauch  Rosen  wachsen  können :  sie  lernen 
nicht  denken.  Die  Erfolge  des  Einpaukens  bleiben  auch  weit  hinter 
der  Erwartung  zurück.  Woher  kommt  es,  dafs  so  wenig  günstige 
Erfolge  erzielt  werden?  Weil  von  der  einfachen  Volksschule  bis 
hinauf  zu  den  Hochschulen  kein  geistiges  Leben  geweckt  wird,  weil 
die  Kinder  überbürdet  sind.  Die  Art  dieses  Lernens  hat  ihren  Grund 
in  den  öffentlichen  Prüfungen,  von  denen  nicht  nur  das  Fortkommen 
der  Schüler,  sondern  auch  das  des  Lehrers  abhängt.  Wie  die  von 
allen  Seiten  getadelte  Lehrweise  beseitigt  werden  könne,  lädst  sich 
schwer  sagen.  Trotzdem  aber  sollten  die  Lehrer  der  Frage  mit 
Energie  näher  treten  und  nicht  ruhen  noch  rasten,  bis  etwas  Besseres 
an  die  Stelle  der  jetzigen  Art  des  Unterrichts  gesetzt  sei. 

Die  Area  Celsi  und  der  Schulbesuch.  Über  dieses  Thema 
hat  sich  Professor  Ollivier  in  Paris  geäussert.  Er  geht  von  der 
Thatsache  aus,  dafs  die  Schulbehörden  den  Dermatologen  voraus- 
geeilt seien,  indem  sie  die  Kontagiosität  der  Alopecia  circumscripta 
als  bewiesen  und  zweifellos  annehmen,  so  zwar,  dafs  heute  jedes 
Kind  mitleidslos  vom  Schulbesuche  ausgeschlossen  wird,  welches 
kahle  Flecke  auf  dem  Kopfe  aufweist.  Ollivier  ist  nun  der  Ansicht, 
dafs  weder  die  Frage  der  Ansteckung  noch  die  der  Ursache  der 
Area  Celsi  genügend  gelöst  sei,  um  eine  so  harte  Mafsregel  zu 
rechtfertigen.  Er  untersucht  die  Frage  der  Kontagiosität  nach  seinen 
eigenen  Beobachtungen  und  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dafs  eine  solche 
der  Alopecia  circumscripta  nicht  anzunehmen  sei.  Der  Autor  hat 
unter  anderem  Kinder,  die  mit  dieser  Krankheit  behaftet  waren,  unter 
sonstige  Kranke  gelegt,  ohne  dafs  ein  einziger  derselben  sich  infiziert 
hätte.  Bei  den  Versuchen,  bei  denen  es  gelang,  Mäuse  zu  enthaaren, 
hält  Ollivier  die  Möglichkeit  nicht  für  ausgeschlossen,  dafs  man  bei 
Infektion   derselben  eine  Mycosis  tonsurans  überimpft  habe.    Wohl 


419 

aber  konstatierte  er  in  30  von  100  Fällen  als  offenbare  Ursache 
des  Leidens  deutlich  nachweisbare  nervöse  Einflüsse,  beruhend  auf 
Verwundung,  Gemütsbewegung,  Schrecken,  Sorge  und  Kummer,  geistiger 
Überarbeitung,  nervöser  Taubheit,  Veitstanz,  allgemeiner  Lähmung  u.  s.w. 
Jenmi  Experimenten  mit  den  Mäusen  stehen  die  von  M.  Jöseph- 
Berlin  an  Kaninchen  ausgeführten1  gegenüber.  Er  erzeugte  an  diesen 
ohne  jede  Infektion  und  Impfung  eine  deutliche  Area  Celsi,  indem 
er  den  hinteren  Ast  des  2.  Gervikalnerven  dicht  hinter  dem  Ganglion 
durchschnitt.  Vom  5.  bis  6.  Tage  an  entwickelte  sich  bei  5  in 
dieser  Weise  operierten  Tieren  an  der  Grenze  der  Ohr-  und  Kopf- 
haut ein  runder  oder  ovaler,  von  Haaren  entblöfster  Fleck,  in  dessen 
Nachbarschaft  etwas  später  ähnliche  Flecke  auftauchten.  Hiernach 
kann  man  mit  vollem  Recht  diese  Läsion  der  Alopecia  circumscripta 
gleichstellen  und  den  Schlufs  ziehen,  dafs  es  sich  dabei  um  trophische 
Störungen  handelt.  OLUYIBR  hat  daher  Kindern,  trotzdem  sie  mit 
dem  Leiden  behaftet  waren,  Zeugnisse  ausgestellt,  wonach  sie  zum 
Schulbesuch  zugelassen  wurden,  und  es  ist  ihm  bisher  kein  Fall  einer 
Ansteckung  von  Mitschülern  durch  solche  Kinder  bekannt  geworden. 

Fehler  der  Sprachorgane  bei  Schulkindern.     Wie   die 

„Schwz.  Bl.  f.  Gsdhtspfl."  schreiben,  haben  in  Berlin  angestellte 
Ermittelungen  der  Schulbehörde  über  Fehler  der  Sprachorgane  bei 
Schülern  ergeben,  dafs  die  Zahl  der  Kinder,  welche  stottern  oder 
andere  Störungen  in  der  Sprachbildung  aufweisen,  sehr  erheblich  ist. 
Diese  Thatsache  hat  zur  Anordnung  von  Nachforschungen  darüber 
geführt,  worin  die  Ursache  dieser  Übel  zu  suchen  sei.  Gleichzeitig 
sind  die  Lehrerkollegien  beauftragt  worden,  zu  berichten,  ob  und  mit 
welchen  Mitteln  man  in  den  zuständigen  Schulbezirken  dieselben  zu 
bekämpfen  versucht  habe.  Diese  Anregungen  dürften  dazu  führen, 
da£s  neben  den  schon  gangbaren  fachwissenschaftlichen  Untersuchungen 
über  die  Sehkraft  der  Schüler  noch  entsprechende  Ermittelungen 
über  den  Zustand  ihrer  Sprachorgane  angestellt  werden.  Soviel  uns 
bekannt  ist,  existieren  bis  jetzt  in  den  schweizerischen  Schulen 
keinerlei  Feststellungen  über  das  Vorkommen  von  Sprachfehlern 
unter  der  Jugend.  Es  wäre  aber  von  Interesse,  zu  erfahren,  in 
welchem  Umfange  dieselben  in  der  Schweiz  verbreitet  sind,  und 
sollten  daher  bezügliche  Erhebungen  vorgenommen  werden.  Für 
deren  Ausführung  würden  sich  am  besten  im  Verein  mit  den 
Lehrern  die  Schulärzte  eignen,  wenn  dieses  so  wertvolle  Institut 
bei  uns  nur  mehr  verbreitet  wäre.  Es  wird  eine  der  Hauptaufgaben 
fortgeschrittener  Gesundheitspflege  bilden,  in  die  sanitäre  Überwachung 
der  Schulen,   sowohl  der  niederen   wie  der  höheren,   ein   besseres 


1  Monatshefte  f.  prakt.  Dermal  1886,  S.  483. 


420 

System  als  bisher  hineinzubringen  und  sachverständigere  Organe  dafftr 
zu  bestellen,  als  sie  die  mancherorts  damit  betranten  Gesundhefts- 
kommissionen  darsteHen.  Diesen  sind  die  Anforderungen  rationeller 
Sorge  für  die  Gesondheit  der  Schaler  oft  ganz  ungenügend  bekannt 
Verbeugung  des  Trunks  durch  die  Sehuleu.  Der  deutsche 
Verein  gegen  den  Mifsbrauch  geistiger  Getränke  hat  soeben  an  sämt- 
liche höchste  Unterrichtsbehörden  der  deutschen  Staaten  eine  Bitte 
um  Förderung  seiner  Bestrebungen  durch  die  Volks-,  Mittel-  und 
Hochschulen  gerichtet.  Er  beklagt  darin,  dafs  der  gröDste  Teil  der 
Erwachsenen  Aber  den  wahren  Wert  der  geistigen  Getränke  und  Ober 
das  vielfache  Elend,  das  der  Trunk  auch  in  Deutschland  hervorruft, 
schlecht  unterrichtet  sei;  dafs  sich  die  Erwachsenen  oft  auch  reckt 
unempfänglich  gegen  die  ihnen  gebotene  Belehrung  über  diese  Dinge 
erweisen,  weil  sie  sich  in  ihrer  bisherigen  Lebensweise  nicht  beun- 
ruhigen lassen  wollen.  Die  Volksschüler,  Seminaristen,  Realschuler, 
Gymnasiasten  und  Studenten  werden  dagegen  unbefangener  und 
bereitwilliger  eine  solche  Aufklärung  annehmen,  und  für  diese  hat  sie 
wohl  auch  den  meisten  Wert,  da  dieselben  in  dem  Aher  oder  kurz 
vor  dem  Alter  stehen,  in  dem  sich  ihre  Lebensgewohnheiten  bilden. 
In  den  meisten  germanischen  Ländern  geschieht  bereits  Erhebliches 
für  den  Mäfeigkeitsunterricht  der  Jugend,  teils  durch  freie  Vereine, 
teils  durch  gesetzliche  Schuleinrichtungen.1  Vorbildlich  wird  uns 
jedoch  weniges  davon  sein  können»  Dagegen  sind  die  besonnenen 
Vorschläge,  die  der  genannte  Verein  macht,  wohl  der  Erwägung 
wert.  Er  wünscht  erstens  Abhaltung  von  Vorlesungen  an  den 
Universitäten  über  den  Alkoholismus,  seine  Gefahren,  seine  Ursachen 
und  seine  Bekämpfung.  Er  denkt  dabei  besonders  an  einstündige 
Publika,  vorgetragen  von  Docenten,  die  der  Sache  ein  besonderes 
Interesse  zuwenden,  seien  es  nun  Mediziner  oder  Nationalökonomen 
oder  andere  Gelehrte.  Weiter  werden  vorgeschlagen  einige  Vor- 
träge oder  Unterrichtsstunden  darüber  in  den  Lehrerbildungsanstalten, 
das  Gleiche  in  Gymnasien,  Real-  und  anderen  Mittelschulen,  Ver- 
handlungen über  den  Gegenstand  in  amtlichen  Lehrerkonferenzen, 
Einstellung  geeigneter  Schriften  in  die  Lehrer-  und  Schülerbibliotheken, 
außerdem  in  allen  Schulen  häufig  wiederkehrende  kurze  Besprechungen 
einzelner  Schäden  des  Trunks  in  den  verschiedensten  Unterrichte- 
stunden, sobald  sich  die  Gelegenheit  bietet,  Einfügung  zweckdien- 
licher Lesestücke  in  die  Lesebücher  und  entsprechender  Rechen- 
aufgaben in  die  Rechenbücher,  endlich  Hinweis  auf  die  Bestrebungen 
des  deutschen  Vereins  gegen  den  Mißbrauch  geistiger  Getränke,  der 
sich  übrigens  bereit  erklärt  hat,  jedem  Lehrer  eine  Anzahl  Schriften 


S.  diese  Zeitschrift  1890.  No.  5.  S.  297;  1892,  No.  10,  8.459. 


421 

ttber  die  Mä&igkeitssache  auf  Wonach  nientgeltlich  zu  übersenden, 
wenn  er  sich  an  Dr.  W.  Böde  in  Hildesheim  wendet. 

Ober  die  Schreibweise  liBk&fcändiger  Kiuder.    Ein  im 

Alter  tob  8  Jahren  stehender  Knabe,  so  berichtet  Lbichtbnstbrn 
in  der  „Duck.  med.  Wochschr.",  wurde  im  8.  Lebensmonate  plötzlich 
von  Krämpfen  befallen,  an  welche  sich  eine  Lähmung  der  rechten 
Kftrperhälfte  anschlofs.  Auch  hatte  der  Kranke  von  da  an  fort- 
gesetzt unter  epileptischen  Konvulsionen  zu  leiden.  Auffallend  war  die 
denselben  eigentümliche  Schreibweise,  beziehungsweise  Schreib- 
richtung. Der  wegen  seiner  rechtsseitigen  Lähmung  linkshändige 
Kmabe  legte  die  Schiefertafel  nicht  in  der  gewöhnlichen  Weise  vor 
sich,  sondern  drehte  sie  um  40°,  so  dafs  die  Längsseite  derselben 
▼ob  oben  nach  unten  verlief,  und  schrieb  nun,  in  der  rechten  oberen 
Ecke  der  Tafel  beginnend,  in  senkrechter  Richtung  von  oben  nach 
unten.  Dagegen  las  er  stets  bei  normaler  Haltung  des  Buches. 
Auch  wenn  er  von  ihm  selbst  Geschriebenes  lesen  sollte,  drehte  er 
sofort  die  Tafel  in  die  normale  Richtung  und  las  von  links  nach 
rechts.  Er  hatte  ganz  von  selbst  herausgefunden,  dafs  ihm  das 
Schreiben  in  der  geschilderten  Weise  schneller  und  besser  von  der 
Hand  ging  als  in  der  gewöhnlichen  Richtung.  Nach  der  Erklärung 
van  Lbiohtbnstbrn  besitzt  nämlich  unsere  psychophysische 
Organisation  ein  Widerstreben,  mit  der  linken  Hand  in  der  Horizon- 
talen adduktiv,  d.  h.  zum  Körper  hin,  zu  schreiben.  Nachdem  die 
Aufmerksamkeit  des  Verfassers  auf  dieses  Phänomen  gelenkt  war, 
fand  er  dieselbe  Schreibrichtung  bei  einem  Schreiber  von  Profession, 
dam  vor  kurzem  der  rechte  Oberarm  amputiert  war,  und  der  deshalb 
das  Schreiben  mit  der  linken  Hand  erlernt  hatte.  Seine  Schreib- 
linie  bildete  mit  der  Senkrechten  einen  Winkel  von  35°,  mit  der 
Horizontalen  einen  solchen  von  56°.  Eine  Umfrage  in  sämtlichen 
Volksschulen  Kölns  ergab  das  Vorhandensein  von  8  linkshändigen 
Kindern.  Von  diesen  schrieben  4  in  der  gebräuchlichen  horizontalen 
Richtung,  jedoch  durchgängig  sehr  mühsam,  4  in  vertikaler  Richtung 
tob  oben  nach  unten.  Es  wäre  gut,  so  schliefet  Lbiohtbnstbrn, 
wann  die  Lehrer  mit  der  Thatsache  bekannt  gemacht  wurden, 
dafe  sie  ihren  zur  Linkshändigkeit  gezwungenen  Schülern  durch  An- 
kitung  zu  der  geschilderten  „Senkschrift"  eine  bedeutende  Er- 
leichterung gewähren. 

Die  Einrichtung  des  Schulgartens  in  Mannheim  wird  vom 
9ljehrerkemu  ioigendermaften  beschrieben.     Der  Garten  ist  Eigen- 

I  tun  der  Stadt  und  wurde  von  dieser  ins  Leben  gerufen.     Die  eine 

Hälfte  desselben  dient  zur  Anpflanzung  von  Bäumen  und  Ziersträuchern. 
Ein  von  der  Stadt  besoldeter  Gärtner  hat  die  nötigen  Arbeiten  aus- 

!  anfahren  u*d  zu  überwachen.     An  Wochentagen  ist  der  Schulgarten 


422 

yon  morgens  6  Uhr  bis  11 7*  and  von  1  bis  abends  7  Uhr  geöffnet. 
Familienweise  stehen  die  Pflanzen  entweder  einzeln  oder  auch  ein 
ganzes  Beet  derselben  Art  nebeneinander.  An  einer  Stelle  blühen 
in  sandiger  Heideerde  die  auf  derselben  gedeihenden  Pflanzen.  An 
einer  anderen  Stelle  ist  schwarzbrauner  Moorboden  für  die  ihm 
eigenen  Gewächse  aufgeschüttet.  Fetter,  tiefgründiger  Hamas  gestattet 
hier  den  Anbau  yon  allerlei  Garten-  and  Handelspflanzen.  Dort  ist 
ein  Teich  mit  einer  Anzahl  Wassergewächsen  bedeckt;  er  endet  in 
einen  ebenfalls  dicht  bepflanzten  Sumpf.  Daneben  erhebt  sich  ein 
kleiner  Hügel,  der  an  seinem  Abfall  ein  dichtes  Wäldchen  yon  ver- 
schiedenen Sträuchern  and  Bäumen  trägt,  anter  deren  Schatten  die 
das  Sonnenlicht  fliehenden  Gewächse  gedeihen.  Fast  in  der  Mitte 
des  Gartens  befindet  sich  auf  einem  freien  Platze  eine  grofse  Laube 
zum  Unterrichte  einer  ganzen  Klasse  im  Freien.  Über  sämtliche 
Gewächse  des  Schalgartens  liegt  ein  gedrucktes  Verzeichnis  tot. 

Badeordnung  ffir  die  Benutzung  der  Schulbäder  in 
Zfirich-Unterstrafs.  In  dem  neuen  Schulhause  zu  Zürich-Unter- 
strafs  sind  Brausebäder  eingerichtet  worden.  Dem  Vorsitzenden  der 
dortigen  Primarschulpflege,  Dr.  med.  NIF,  der  sich  um  das  Zustande- 
kommen dieser  Bäder  sehr  verdient  gemacht  hat,  verdanken  die 
„Schwß.  Bl.  f.  Gsdht&pfl."  die  nachstehende  Badeordnung:  I.  All- 
gemeines. 1.  Die  Brausebäder  im  neuen  Schulhause  Unterstrafs 
sind  unentgeltlich  und  stehen  in  den  offiziellen  Badestunden  allen 
Primär-,  Sekundär-  und  Ergänzungsschülern  zur  Verfügung.  2.  Das 
Baden  geschieht  in  regelmäfsiger  Ordnung,  vorläufig  so,  dafs  jeder 
Schüler  alle  2  bis  3  Wochen  Gelegenheit  zum  Baden  erhält. 
3.  Das  Baden  ist  freiwillig;  immerhin  wird  die  Lehrerschaft  nicht 
unterlassen,  die  Kinder  auf  dessen  Nützlichkeit  aufmerksam  zu 
machen.  4.  Augenscheinlich  kranke,  namentlich  mit  Fallsucht  be- 
haftete Kinder  sind  vom  Baden  fern  zu  halten.  5.  Das  Baden 
geschieht  vormittags.  Kein  Kind  darf  vor  Ablauf  einer  Stande  im 
Winter,  einer  halben  Stunde  im  Sommer  nach  dem  Bade  das  Haas 
verlassen;  Zuwiderhandelnde  sind  zu  bestrafen,  im  Bückfalle  mit 
zeitweiligem  Verbot  des  Badens.  6.  Beginnen  oder  enden  die 
Ferien  inmitten  einer  Woche,  so  wird  an  den  übrig  bleibenden 
Tagen  jener  Woche  nicht  gebadet.  7.  Die  Oberaufsicht  übt 
ein  Lehrer  aus,  der  jeweilen  mit  Beginn  des  Sommersemesters  auf 
Vorschlag  des  Lehrerkonventes  von  der  Schulpflege  auf  ein  Jahr 
gewählt  wird.  8.  Die  Benutzung  der  Badeeinrichtung  aufser  den 
offiziellen  Badestunden  ist  nur  auf  schriftliche  Erlaubnis  seitens  des 
Präsidenten  der  Primarschulpflege  gestattet.  II.  Reihenfolge  des 
Badens.  9.  Das  Brausebad  wird  zweimal  jede  Woche  in  Betrieb 
gesetzt.     Die  erste  Woche  erscheinen  die  Knaben,  die  zweite  Woche 


423 

die  Mädchen  deijenigen  Klassen,  welche  im  neuen  Schulhause  Unter- 
richt genie&en;    die  dritte  Woche  kommen  die  Knaben  und  Mädchen 
der   Ergänzungsscbule   and   deijenigen    Abteiinngen,    die    im    alten 
Sdralhaase  untergebracht  sind,  an  die  Reihe.  Der  Unterricht  für  letztere 
mala  an  den   betreffenden  Vormittagen  im  neuen  Schalhanse  erteilt 
werden.     10.  Das  Baden   beginnt  im  Sommer  um  7  Vi,   im  Winter 
am  87s  Uhr  und  soll  spätestens  um  10,  bezw.  um  11  Uhr  beendet 
sein.    Alle  10,    bei  den  Mädchen    und   kleinen  Knaben    alle    15 
Minuten    stellt  sich   eine   geschlossene  Abteilung   von  12  Kindern 
zum  Baden.     11.  Der  das  Bad   dirigierende  Lehrer   empfängt   am 
Vorabend    des   Badens   von  jedem  Klassenlehrer    die    betreffenden 
Zahlen,  er  stellt  ein  Schema  der  Reihenfolge  der  Badenden  auf  und 
sorgt  Ar  Mitteilung  an  die  Lehrerschaft  und  den  Wärter.     12.  In  zu 
vereinbarender   Reihenfolge   überzeugen    sich  die  Lehrer,    dafs   das 
Baden  seitens  des  Wärters  richtig  geleitet  und  die  Disciplin  genügend 
gehandhabt  wird.     13.  Der  die  Oberaufsicht   führende  Lehrer  sorgt 
durch  specielle  Einladung  dafor,  dafs  beim  Baden  der  Mädchen  und 
event.  auch  bei  demjenigen  der  kleinen  Knaben  jeweilen  zwei  Mit- 
glieder   des  Frauenkomitees   der  Primär-    oder  Sekundärschule  an- 
wesend   sind.      Weitere    Hilfe    leisten    nötigenfalls    Mädchen    der 
Sekundärschule.   Für  diese  gilt  selbstverständlich  §  5  in  verschärftem 
Mafse.     14.  Es  ist  dafür  zu  sorgen,  dafs  jeder  Schüler  einige  Tage 
zum  voraus  wisse,  wann  ihn  die  Reihe  zum  Baden  trifft.     III.  Art 
des    Badens.      15.  Die   aus    12   Kindern    bestehende    Abteilung 
bezieht    den   Ankleideraum    erst   nach   vollständiger  Räumung   des- 
selben   durch  die  vorhergehende  Sektion.     Die  Knaben   der  Real-, 
Sekundär-  und  Ergänzungsschule  versehen  sich   mit  Badehosen,  die 
sie     von    Hause    mitbringen;     die   Mädchen     bekleiden     sich    mit 
Schürzen   und  Badehauben,   die  sie  als  Eigentum  mitbringen  oder 
von  der  Schule  leihweise  erhalten;  vollständige  Badekostüme  werden 
nicht  geduldet.     16.  Sind  alle  zum  Baden  bereit,  so  treten  sie  der 
Reihe  nach,   zu  zweien  geordnet,  in  den  mittleren  Gang  des  Bade- 
ranmes.     Sie  begeben  sich  dann  unter  die  Brause,  wenn  der  Wärter 
die  Badetemperatur   auf  35—37°  C.   eingestellt   hat   und    „Jetzt" 
kommandiert.     Die  Kinder  bewegen  sich  langsam  unter  der  Brause, 
und  zwar  so,  dab  dieselbe  möglichst  wenig  den  Kopf  trifft.     Nach 
einer  halben  Minute  wird  die  Dusche  abgestellt,   die  Kinder   stellen 
sich  wieder  in  den  mittleren  Gang   und  erhalten  Seife,   mit  der  sie 
Hals,   Brust    und   Glieder   tüchtig  einseifen.     Nach  2  Minuten  tritt 
die  Brause  wieder  in  Thätigkeit.     Beträgt  die  Temperatur  35  bis 
37°  C.,  so  befiehlt  der  Wärter  „Jetzt".     Die  Kinder  treten  wieder 
unter  die  Dusche,  reiben  sich  gründlich  ab  und  lassen  sich  allseitig 
bespülen;   den  unteren  Gliedmafsen   soll   besondere  Aufmerksamkeit 


424 

geschenkt  werden.  Nach  l1/»  Minuten  wird  die  Wassertemperatur 
langsam  auf  22—20°  C.  erniedrigt  und  nach  5  Sekunden  die 
Dnsche  abgestellt.  Die  Kinder  treten  wieder  in  die  Mitte  und 
begeben  sich  in  den  Ankleideraum.  Wer  kein  Handtuch  mitgebracht 
hat,  erhalt  ein  solches  leihweise  von  der  Schule.  Es  ist  darauf  zu 
achten,  dafis  das  Ans-  und  Ankleiden  rasch  und  ohne  Lärm  geschehe. 

17.  Nasse  Badewäsche  darf  nicht  in  die  Lehrzimmer  mitgenommen 
werden;  dieselbe  ist  nach  Verlassen  der  Baderäumlichkeiten  in 
den  Gängen  zu  belassen.     IV.  Specielle  Pflichten  des  Wärters. 

18.  Die  ßader&amlichkeiten  sind  stets  in  sauberem  Zustande  zu 
halten,  nach  dem  Baden  gründlich  zu  lüften  und  zu  trocknen.  Vor 
dem  Baden  sollen  dieselben  allseitig  geschlossen  und  auf  18°  R. 
erwärmt  sein.  Das  Wasser  des  Reservoirs  darf  nicht  über  40°  G. 
erhitzt  werden.  Die  hintere  Hausthflre  ist  an  dem  betreffenden 
Vormittage  geschlossen  zu  halten.  19.  Das  Baden  der  Knaben 
besorgt  der  Wärter,  beim  Baden  der  kleinen  Knaben  hat  ihm  nötigen- 
falls die  Frau  behülflich  zu  sein;  das  Baden  der  Mädchen  besorgt 
die  Frau  des  Warters.  20.  Beide  haben  sich  strenge  an  diese 
Vorschriften  zu  halten.  Besonders  haben  sie  Obacht  zu  geben,  daß 
die  Wassertemperatur  die  richtige  sei,  die  kalte  Dusche  am  Schlüsse 
nicht  vergessen  werde  und  dafe  die  Kinder  nicht  lärmen  und  Unfug 
treiben.  Jedes  wichtige  Vergehen  eines  Schülers  ist  dem  betreffenden 
Lehrer  zur  Ahndung  mitzuteilen.  21.  Beide  haben  sich  den  An- 
ordnungen des  für  das  Baden  verantwortlichen  Lehrers  zu  fugen 
und  demselben  sofort  Anzeige  zu  machen,  falls  sich  in  der  Hand- 
habung der  Badeeinrichtung  oder  sonstwie  Schwierigkeiten  ergeben. 
22.  Die  der  Schule  gehörende  Badewäsche  (Schurzen  und  Hand- 
tücher) ist  nach  dem  Gebrauche  von  der  Wärterfamilie  unverzüglich 
zu  waschen;  die  notige  Seife  wird  von  der  Schule  geliefert. 

Preisgekrönter  Entwurf  su  einem  Realgymnasium  in 
Gera.  Über  diesen  Entwurf,  der  von  dem  Architekten  Thümb  in 
Dresden  herrührt,  macht  die  „Bisch.  Baugig. u  nähere  Mitteanngen. 
Das  zur  Verfugung  stehende,  an  drei  Strafeen  grenzende  Gebäude 
Hegt  mit  keiner  derselben  in  gleicher  Höhe.  Die  Absicht,  einen 
freien  und  geräumigen  Spiel-  und  Turnplatz  zu  schaffen,  den  Schal- 
räumen  die  vorteilhafteste  Gestalt,  Beleuchtung  und  Lage  in  der 
Sichtung  von  N.O.  und  N.W.  zu  geben,  aber  auch  in  der  Gesamt- 
einteilung die  geringste  bebaute  Fläche  zu  erhalten,  führte  zu  der 
angenommenen  Grundrifsform.  Durch  ZurAcklegung  der  Hauptfront 
von  der  Strafeengrenze  um  10  m  wurde  eine  gunstige  Gesamt- 
wirkung erzielt  und  ein  bequemer  Zugang  zum  Haupteingang  durch 
eine  Rampenanlage  geschaffen.  Das  Schulgebäude  gliedert  sich  in 
einen  Mittelbau  zur  Aufnahme  der  geräumigen  Aula  und  in  die  zu 


425 

beiden  Seiten  anstoßenden  Klassenbauten.  Der  3  m  breite  Mittel- 
korridor erhält  Licht  von  zwei  Seiten  und  von  den  beiden  an  den 
Mittelbau  angrenzenden  Treppenhäusern.  Da  die  Turnhalle  in  dem 
Schulgebäude  untergebracht  werden  sollte,  wurde  dies  bestimmend 
für  die  ganze  Grundrifsanordnung;  die  Halle  liegt  im  Mittelbau  mit 
der  Langseite  am  Spielplatz,  ist  18:9  m  grofs  und  hat  6,6  m  Höhe. 
Das  Laboratorium  mit  Nebenraum  ist,  hell  erleuchtet,  im  linken 
Flügel  des  Kellergeschosses  gelegen.  Daselbst  befindet  sich  aufser- 
dem  die  Schuldienerwohnung,  sowie  die  Niederdruckdampfheizung. 
Die  unteren  Klassen  liegen  teils  im  Erd-,  teils  im  ersten  Ober- 
geschoß, die  höheren  im  ersten  und  zweiten  Obergeschoß  gleich- 
artig nebeneinander.  Naturaliensammlung  und  Schuldienerstube  sind 
im  Erdgeschoß  untergebracht,  Zimmer  für  den  Direktor,  für  die 
Akten,  Konferenzzimmer  und  Bibliothek  im  ersten  Stock.  Die 
Aula  liegt  im  zweiten  Stock,  wo  sich  auch  der  Zeichensaal  nebst 
Modellraum,  die  Kombinationsklasse,  das  physikalische  Kabinett 
und  der  Karzer  befinden.  Garderobenständer  von  40  cm  Tiefe, 
sowie  Schirmständer  sind  von  Eisen  mit  drahtbesponnenen  Thüren, 
um  eine  Ausdünstung  zu  ermöglichen,  in  deu  breiten  Flurgängen 
vorgesehen.  Die  zwei  Haupttreppen  führen  bis  ins  zweite  Ober- 
geschoß. Das  Abortgebäude  ist  abgesondert  gelegen  und  durch 
überdeckte  Gänge  mit  dem  Hauptgebäude  verbunden.  Der  Spiel- 
platz hat  800  qm,  der  Turnplatz  500  qm  Grundfläche.  Die 
Aula  ist  18  m  lang,  9  m  breit  und  6  m  hoch.  Der  Zeichen- 
saal hat  als  Maße  15:6  m  und  liegt  mit  der  Langseite  nach  N.W. 
Die  Kombinationsklasse  ist  10  m  lang  und  9,25  m  tief  mit 
ansteigenden  Bankreihen.  Das  physikalische  Kabinett  besitzt  eine 
Größe  von  7,75:9,25  m.  Beide  Räume  liegen  nach  Osten.  Die 
Außenseiten  des  Gebäudes  bestehen  aus  Ziegelverblendung  mit 
Sandstein. 

Über  Schulheizung  mit  Gasöfen  haben  H.  Buntk  und 
Bubschell  Untersuchungen  angestellt  und  die  Resultate  im  „Joum. 
f.  ChubeleuchL*  veröffentlicht.  Die  Genannten  wurden  durch  ver- 
schiedene hygienische  Bedenken  gegen  Anwendung  von  Gasöfen, 
besonders  in  Schulzimmern,  veranlaßt,  den  Kohlensäuregehalt  der 
Zimmerluft  und  die  Verunreinigung  der  letzteren  durch  Austritt  von 
Verbrennungsprodukten  des  Leuchtgases  zu  ermitteln  und  ferner  den 
Nutzeffekt  der  einzelnen  Gasöfen  festzustellen.  Die  Versuche,  zu 
denen  11  Öfen  verschiedener  Konstruktion  aus  7  verschiedenen 
Fabriken  benutzt  wurden,  ergaben,  daß  nur  in  2  Fällen  während 
vierstündiger  Heizung  der  Kohlensäuregehalt  der  Zimmerluft  um 
2,7  bezw.  0,9%  erhöht  wurde,  während  in  allen  übrigen  Fällen 
keine  nachweisbare  Menge  von  Verbrennungsprodukten  in  das  Zimmer 

8ehnlg««andheitfpfleg6  VI.  28 


426 

eingetreten  war.  Nicht  ein  äbujgas  Mai  trat  vifcroad  dnr  Hetaang 
unangenehmer,  ¥en  un>voll«tftndjgar  Verbrennung  fcerrübnender  -Gerach 
auf.  Die  Wärmeaasnutzing  4er  «verschiedenen  Gasöfen  schwankte 
zwischen  29,4  und  88,7%,  betrag  aber  bei  8  von  daa  11 
prüften  Öfen  mehr  als  60%  der  erzeugten  Wärme. 


f  agesgef^idMiidjt*. 


Vm.  internationaler  JLoagrefa  für  Hygiene  and  Dem*- 
graphie  in  Budapest  1894«  Die  beiden  Abteilungen  für  Hygiene 
und  Demographie  des  genannten  Kongresses  weiden  folgende 
Sektionen  umfassen:  I.  Abteilung*  Hygiene:  L  Ätiologie  der 
Epidemien  (Bakteriologie);  2.  Verhütung  der  Epidemien;  Ä.  Ge- 
werbehygieae;  4.  a.  Hygiene  des  Kindeaattera,  b.  SohiAhygiene; 
5.  Nahraogsmittelhygiene;  6.  a.  Hygiene  der  öffentlichen  Gebäude« 
b.  Wohnungshygiene;  7.  Hygiene  d«r  Städte;  8.  a.  Eisenbahn-  und 
Schiffahrtshygiene,  b.  Touristenwesen;  9.  &.  Militärsanitätewesen, 
b.  Rotes  Kreuz,  c.  Erste  Hü&  hei  plötzlichen  Unglücksfällen; 
10.  Hygiene  der  Bäder;  11.  Staataareneikunde;  12.  Veterinftrwesaa; 
13.  Pharmacie.  H.  Abteilung.  Demographie:  1.  Geschichte 
der  Demographie;  2.  Anitoopometrie;  3.  Technik  der  Demographie; 
4.  Demographie  der  Urproduzenfcen;  5.  'Gewerbeasfeeiter;  6.  Demo- 
graphie der  gro&en  Städte;  7.  Statistik  der  körperlichen  und  geistigen 
Defekte.  Die  vorbereitenden  Komitees  der  einzelnen  Sektionen 
sind  gegenwärtig  mit  der  Znsammenstellung  jener  Fragen  beschäftigt, 
deren  Beratung  sie  in  erster  Reihe  für  erwünscht  halten;  sie  werden 
dann  gleich  an  die  betreffenden  Fachmänner  die  Aufforderung 
richten,  die  Abhaltung  der  bezeichneten  Vorträge  zu  übernehmen; 
diese  Aufforderungen  sollen  schon  in  einigen  Tagen  an  die  bezüglichen 
Gelehrten  abgeschickt  werden. 

Uaterrachiingen  über  den  Zastand  der  Augen  in  den 
Schulen  von  Lausanne.  Unter  dieser  Überschrift  veröffentlicht 
Dr.  Eperon,  Privatdooent  der  Augenheilkunde  an  der  Universität 
Lausanne,  einen  Aufsatz,  dem  wir  folgendes  entnehmen:  Der  Ge- 
nannte untersuchte  in  den  Primärschulen  der  Stadt  2149  Kinder, 
1075  Mädchen  und  1074  Knaben,  von  denen  die  ereteren  8 — 15, 
die  letzteren  8 — 14  Jahre  alt  waren.  Bei  den  Mädchen  fanden 
sich  27  %  Ametropen,  bei  den  Knaben  21  %.  Die  Ametropie  ver- 
teilte sieb  in  nachstehender  Weise: 


437 

Mädchen    Knaben 

Myopie 6,8%     5,4°/« 

Hypermetropie 2,7  „      1,5  „ 

Myopischer  Astigmatismus 2,4  „      0,7  „ 

Hypermetropischer  Astigmatismus  .    8,6  »    10,0  „ 

Gemischter  Astigmatismus 0,5  „      0,2  „ 

Unregelmäßiger  Astigmatismus 5,6  „      2,6  „. 

In  einem  kantonalen  College  zeigten  von  209  Untersuchten  im  Alter 
Ton  HVt — 16%  Jahren  24%  anomale  Brechkraft,  nämlich  15,3% 
Kurzsichtigkeit  and  3,3%  hypermetropischen  Astigmatismus.  Unter 
den  258  13 — 18  Jahre  alten  Schülern  einer  Gewerbeschule  waren 
23%  nicht  nomalnchtig,  und  von  diesen  13,5%  Myopen,  4% 
Myopische  Astigmatiker.  Ferner  wurde  in  einer  städtischen  höheren 
Töchterschule,  deren  266  Schülerinnen  10 — 18  Jahre  zählten,  bei 
82,5%  Ametropie,  nd  zwar  bei  10%  Myopie  «nd  bei  6%  hyper- 
metropischer  Astigmatismus,  festgestellt.  Die  wadtiändischen  Seminare 
endlich  wiesen  folgende  Zahlen  auf:  unter  149  Knaben  16% 
Anormale,  davon  8%  Myopen,  unter  239  Mädchen  im  Alter  von 
15 — 16  Jahren  24%  Anormale,  davon  13%  Myopen.  Verfasser 
gelangt  zu  folgenden  Schlofesätzen :  1.  Ungefähr  ein  Viertel  unserer 
Schüler  zeigen  Refraktionsanomalien,  deren  Korrektion  zum  wenigsten 
wünschenswert  ist.  2.  Die  Kurzsichtigkeit  findet  sich  weniger  häufig 
bei  uns  als  in  den  meisten  anderen  Ländern;  der  mittlere  Grad 
derselben  ist  dagegen  ebensohoch,  wenn  nicht  höher  als  anderswo. 
3.  "Was  die  Häufigkeit  der  Myopie  anbetrifft,  so  sind  die  Schüler 
romanischer  Herkunft  nicht  so  selten  befallen,  wie  man  gewöhnlich 
annimmt.  4.  Der  regelmässige  Astigmatismus  kommt  sehr  oft  in 
unseren  Schulen  vor,  wahrscheinlich  ebenso  oft  wie  anderwärts.  Fremde 
Untersuchungen  lassen  sich  freilich  wenig  zur  Vergleichung  heran- 
ziehen, indem  man,  wie  bereits  von  Randall  gezeigt  worden 
ist,  den  Astigmatismus  bisher  ziemlich  vernachlässigt  hat.  Eine  Ver- 
ringerung der  Fälle  von  regelmässigem  Astigmatismus  durch  gewisse 
gesundheitliche  Maßnahmen  in  Schule  und  Haus  ist  unwahrscheinlich, 
da  diese  Anomalie  nicht  von  Überanstrengung  der  Augen  unter 
ungünstigen  hygienischen  Verhältnissen  herrührt.  Die  Hypothese, 
wonach  der  Astigmatismus  durch  den  Druck  der  äufseren  Augen- 
muskeln erzeugt  wird,  bleibt  erst  noch  zu  beweisen.  5.  Der  von 
skrofulöser  Hornhautentzündung  herrührende  unregelmäßige  Astig- 
matismus ist  in  unseren  Primärschulen  sehr  verbreitet.  Es  erhellt 
hieraus,  dafs  für  die  Verbesserung  der  hygienischen  Zustände  bei 
der  ärmeren  Bevölkerung  unserer  Stadt  noch  recht  viel  zu  thun 
übrig  bleibt;  auch  müssen  die  Eltern  noch  mehr  belehrt  werden,  da 
es  den  Kindern  bei  Augenentzündungen  oft  an  der  einfachsten  Ftir- 

28* 


428 

sorge  fehlt.  6.  Die  Kurzsichtigkeit  labt  sich  mit  Rücksicht  auf  die 
Erblichkeit,  vielleicht  auch  auf  die  Schädelbüdung  in  einer  gewissen 
Zahl  von  Fallen  nicht  vermeiden.  Dennoch  glaube  ich,  dafe  der 
gegenwärtige  Prozentsatz  unserer  myopischen  Schüler  noch  verringert 
werden  kann,  indem  man  die  Schuleinrichtungen,  insbesondere  die 
Sub8ellien  und  Bücher,  verbessert,  Unterrichtsreformen  einführt,  den 
Gebrauch  der  Steilschrift  verbreitet  und  die  Schüler,  welche  Gesichts- 
fehler haben,  sorgfältig  überwacht.  Es  ist  dies  vor  allem  bei  den 
jungen  M&dchen  erforderlich,  die  später  gröbere  Gefahren  als  die 
Knaben   von  der  Myopie  zu  befürchten  haben. 

Schulärzte  in  Sachsen.  Auf  Anordnung  des  Königlich  säch- 
sischen Kultusministeriums  sind  die  Schulvorstände  durch  die  Bezirks- 
schulinspektoren aufgefordert  worden,  die  Anstellung  von  Schulärzten 
allgemein  ins  Auge  zu  fassen. 

Adenoide  Vegetationen  im  Nasenrachenräume  von  Kindern 
ist  der  Titel  eines  Aufsatzes,  den  Dr.  T.  H.  Halsted  vor  einiger  Zeit 
im  „Med.  Eec.u  veröffentlicht  hat.  Die  Untersuchungen  des  Ver- 
fassers erstreckten  sich  auf  114  Schwachbegabte  Kinder  und 
154  Waisen,  welche  sich  sämtlich  in  Asylen  befanden.  Von  den 
ersteren  zeigten  20,1%,  von  den  letzteren  26%  adenoide  Vege- 
tationen im  Nasenrachenräume.  Unter  der  Gesamtzahl  kamen  solche 
Vegetationen  ohne  Komplikationen  vor  bei  63,  Vegetationen  in  Ge- 
meinschaft mit  vergröberten  Mandeln  bei  32,  in  Verbindung  mit 
irgend  einer  Verstopfung  der  Nase  bei  29. 

Einfahrung  des  Unterrichts  in  der  Schulhygiene  an  den 
bayrischen  Lehrerbildungsanstalten.  Zur  Revision  des  Normativs 
über  die  Lehrerbildung  in  Bayern  wurde  in  das  Kultusministerium 
eine  Kommission  einberufen,  welche  vom  28.  Februar  bis  10.  März  d.  J. 
in  München  tagte.  Wie  die  „Bayr.  Lehrerttg."  berichtet,  soll 
gemäfs  den  Verhandlungen  der  genannten  Kommission  der  Unterricht 
in  der  Schulhygiene  demjenigen  in  der  Pädagogik  einverleibt  werden. 
Der  Kultusminister  Dr.  von  Müller  stellte  in  Aussicht,  den  Ge- 
heimrat Dr.  med.  von  Kerschensteiner  zur  Bearbeitung  eines  schul- 
hygienischen Lehrplanes  zu  veranlassen.  Demzufolge  wurden  für 
die  Unterweisung  des  zweiten  Seminarkurses  in  der  Pädagogik  statt 
der  bisherigen  4  jetzt  6  Wochenstunden  angesetzt. 

Sanitäre  Verbesserungen  in  Wellington  College.  Vor 
einiger  Zeit  kamen  in  Wellington  College,  einem  der  angesehensten 
Internate  Londons,  Fälle  von  Infektionskrankheiten,  namentlich  von 
Diphtherie,  vor,1  welche  den  Verdacht  erregten,  dafs  die  gesund- 
heitlichen Verhältnisse  der  Anstalt   mangelhaft  seien.     Eine  Unter- 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1892,  No.  6,  S.  279—281. 


429 

suchung  bestätigte  diesen  Verdacht,  and  es  wurden  daher  weitgehende 
Maisregeln  zur  Abhilfe  getroffen.  Dem  Berichte,  welchen  Herr 
Rogers  Fibld  hierüber  dem  Kuratorium  erstattet  und  dieses  den 
Eltern  mitgeteilt  hat,  entnimmt  „The  Brit.  Med.  Jaurn.u,  dafs  das 
ganze  Drainagesystem  erneuert  worden  ist  und  dafs  das  Schmutz- 
wasser, nachdem  sich  die  Senkstoffe  abgesetzt  haben,  jetzt  über 
Rieselfelder  geleitet  wird.  Auch  die  Röhren  für  das  Regenwasser 
sind  zum  Teil  renoviert  und  sämtlich  wasserdicht  hergestellt  worden, 
so  dafe  Fundamente  und  Wände  nicht  mehr  durchfeuchtet  werden 
können.  Endlich  hat  der  Grund  und  Boden  rings  um  die  Schule 
eine  gründliche  Prämierung  erfahren,  und  die  Baustelle  und  die 
Spielplätze  bleiben  daher  selbst  bei  nassem  Wetter  vollständig  trocken. 
Die  ans  einer  tiefen  Quelle  gespeiste  Wasserleitung  liefert  ein  Trink- 
wasser von  außerordentlicher  organischer  Reinheit,  doch  mufs  das- 
selbe filtriert  werden,  um  einen  Eisenniederschlag  zu  entfernen.  Die 
Filtrationsmethode  ist  verbessert  und  damit  jede  Möglichkeit  einer 
Verunreinigung  während  der  Filtration  ausgeschlossen.  Das  gereinigte 
Wasser  gelangt  zu  häuslichen  Zwecken  und  zum  Trinken  in  sämt- 
liche Häuser,  während  eine  Hilfsleitung  Wasser  den  Seen  und  ober- 
flächlichen Quellen  entnimmt  und  zur  Spülung  der  Klosetts,  wie  zur 
Besprengung  der  Gärten  dient.  Da  das  Ausströmen  von  Leuchtgas 
eine  Quelle  der  Luftverunreinigung  bildet,  so  sind  sämtliche  Gas- 
röhren untersucht  und  zu  einem  grofsen  Teile  durch  neue  ersetzt 
worden.  In  dem  Krankenhause  der  Anstalt  gelangte  ein  verbessertes 
Heiz-  und  Lüftungssystem,  sowie  ein  Desinfektionsapparat  mit  Dampf 
zur  Einführung.  Auf  Grund  aller  dieser  Neuerungen  kommt  RogSrs 
Field  zu  dem  Schlüsse,  dafs  Wellington  College,  was  die  Voll- 
ständigkeit und  Trefflichkeit  seiner  sanitären  Einrichtungen  betrifft, 
augenblicklich  zu  den  besten  öffentlichen  Schulen  Englands  gehört. 
Diphtherie  und  Schule.  Unter  diesem  Titel  veröffentlicht 
Dr.  Langfeldt  einen  Aufsatz  in  „D.  ärztl.  Praktik."  Bekanntlich 
nimmt  man  an,  dafs  der  Erdboden  einen  Einflufs  auf  die  Entstehung 
der  Diphtherie  nicht  hat.  In  der  Regel  wird  die  Infektion  durch 
die  Wohnung  erzeugt.  Beispielsweise  starben  in  einem  Dorfe  bei 
Schweinfurt  1883  drei  Kinder  des  hoch  unter  dem  Kirchturmdache 
wohnenden  Glöckners  in  einer  Woche  an  Diphtherie,  während  sonst 
diese  Seuche  nicht  in  der  Gegend  herrschte.  Das  kleine  Zimmer 
wurde  desinfiziert,  die  Wände  abgekratzt  und  getüncht  und  der  Fufs- 
boden  gescheuert.  Trotzdem  erkrankte  14  Tage  darauf  die  ganze 
Familie  eines  armen  Ortsbürgers,  der  dort  eingezogen  war,  an  der 
Diphtherie.  Emmerich  nimmt  an,  dafs  in  diesem  Falle  die 
Infektion  von  den  Zwischendecken  ausgegangen  sei.  Wie  bekannt, 
tritt  unter  dem  Einflufs  der  eigenartigen  Wohnungen  die  Seuche  ganz 


430 

aafeerordentlich  bösartig  in  den  Holzhäusern  des  Schwaxzwaldee  auf, 
trotz  der  Höhenlage  und  trotz  des  steinigen  sterilen  Untergrundes. 
Neben  dem  Wohlbaus  mu6  in  erster  Linie  die  Setale  als  Infektions- 
quelle angesehen  werden.  Denn  hier  leben  bei  Epidemien  täglich  frisch 
Erkrankte,  die  noch  umherzugehen  vermögen,  erst  eben  Genesene,  welche 
noch  Ansteckangsstoff  an  sich  tragen,  und  Gesunde  mehrere  Standen 
nebeneinander.  Dem  bisher  Gesagten  widerspricht  nicht,  dafe  die 
Häufigkeit  der  Diphtherie  mit  der  Jahreszeit  fällt  nnd  steigt,  wie  ja 
die  Sterblichkeit  an  derselben  in  Deutschland  mit  typischer  Regelmäßig- 
keit wechselt.  Am  gröfeten  ist  die  Todeszahl  in  den  Monaten,  in 
welchen  sich  die  Menschen  am  meisten  in  geheizten  Raunen  auf- 
halten, da  hier  der  Erzenger  der  Diphtherie,  der  LÖFFLERsche 
Bacillus,  sein  ungehindertes  Wachstum  findet.  Im  Sommer  dagegen, 
wo  mehr  gelüftet  wird  und  die  Bewohner  einen  grö&eren  Teil  des 
Tages  im  Freien  zubringen,  nimmt  die  Sterblichkeit  ab.  Die  von 
Dr.  Lanqpbldt  besprochene  Epidemie  wütete  vom  1.  Mai  1892 
bis  zum  4.  März  1893  in  einem  abgelegenen  Dorfe.  Bei  einer 
Gesamtzahl  ron  145  Kindern  in  68  Haushaltungen  wurden  130 
befallen,  und  37  oder  29,5%  starben.  Was  speciell  die  Schulkinder 
anbetrifft,  so  fehlten  von  82  nur  2  beim  Unterrichte.  Von  den  übrigen 
80  erkrankten  76,  also  95%;  es  starben  hiervon  9,  somit  9,25°/o. 
Eine  Desinfektion  der  Wohnung  wurde  fast  in  keinem  Falk  vor- 
genommen, und  die  Beerdigung  ging  stets  mit  vollem  Gepränge  vor 
sich  nach  Abhaltung  eines  stark  besuchten  Totenmahles,  entsprechend 
althergebrachter  ländlicher  Sitte.  Erklärt  sich  schon  hieraus,  dafe 
die  Diphtherie  von  Haus  zu  Haus  fortschritt  und  nur  6  Wohnungen  des 
Dorfes  verschont  liefe,  so  darf  doch  auch  der  nachteilige  Einflufa 
des  Schulbesuches  nicht  unbeachtet  bleiben.  In  dem  einzigen  Schul- 
zimmer wurden  vormittags  51  Kinder,  nachmittags  23,  und  zwar 
Knaben  und  Mädchen  gemeinschaftlich,  unterrichtet.  Von  38  erkrankten 
Kindern  der  Vormittagsschule  zeigten  22,  mithin  57,9%  ursächliche 
Beziehungen  der  gegenseitigen  Nachbarschaft  und  der  Erkrankungs- 
zeit. Unter  24  erkrankten  Kindern  der  Nachmittagsschule  dagegen 
traf  diese  Beziehung  nur  in  9  Fällen  zu,  somit  bei  37,3%.  Dafs 
der  LÖFVLBBsche  Bacillus  an  den  Plätzen  gehaftet  habe,  ist  nicht 
erweislich.  Denn  es  ist  kein  Nachmittagskind  in  denselben  Tagen 
erkrankt,  in  welchen  ein  Vormittagskind  ergriffen  wurde,  welches 
täglich  morgens  den  gleichen  Sitzplatz  inne  gehabt  hatte.  Dafe  die 
Nachmittagskinder  einen  geringeren  krankmachenden  Einflufs  auf- 
einander als  die  Vormittagskinder  übten,  läfet  verschiedene  Erkläringen 
zu.  Die  ersteren  sausen  zum  Teil  viel  weiter  auseinander  und  nur  2 
auf  einer  Bank.  Aber  auch,  wo  das  nicht  der  Fall  war,  liefe 
der  geringere  Körperumfang  dieser  jüngeren  Kinder  einen  weiteren 


431 

Sau  »wischen  den*  Nachbarn;*  die  körperliche  Berührung  war 
atao  eine  geringere.  Auiberdem  kann  vormittags  die  Ansteckungs- 
gefahr grober  sein,  als  am  Nachmittage.  Denn  ein  längerer  ent- 
lastender Aufenthalt  in  freier  Luft  nach  dem  nächtlichen  Verbfoiben 
im  durchseuchten  Hause  ist  den  Yormittagakindern  nicht  geboten, 
nie  den  Nachmittagsschülern.  Schulferien  waren  vom  20.  bis 
SO.  Juni,  vom  1.  bw  17.  August  und  Tom  17.  September  bis 
15.  Oktober.  Denselben  ist  es  wohl  zuzuschreiben,  dafs  im  Juli 
und  August  ein  Sterbefall  Oberhaupt  nicht  vorkam.  Als  man  aber 
im  Schuizinnner  mit  der  Winterheizung*  begonnen  hatte,  mehrten  sich 
schnell  die  Erkrankungsfälle,  und  schon  wenige  Tage  nach  Anfang 
des  Unterrichts  im  Oktober  war  die  Zahl  der  fehlenden  Kinder 
bedeutender  als  je  zuvor.  Bemerkenswert  ist  auch,  dafs  in  den 
Sommermonaten  bis  zum  1.  September  die  Krankheit  durch  Neben- 
einandersitzen von  Schülern  kaum  erzeugt  sein  dürfte.  Die  Seuche 
scheint  um  diese  Zeit  mehr  durch  die  schlecht  ventilierten  Wohnungen 
als  durch  das  fortwährend  gut  gelüftete  Schulzimmer  verbreitet  zu  sein. 
Ifai'  lefcrer  als  Opfer  regetarianfeeher  Lebensweise,  in 
der  »Sckles.  Ztg.u  steht,  für  manche  eine  Warnung  vor  fanatischer 
Anwendung  ausschlief  such  vegetarianischer  Diät,  folgende  Todes- 
anzeige: „In  Mentone  verschied,  der  pfleglich  liebenden  Hand  in 
seinen  letzten  Lebensstunden  entbehrend,  mein  lieber  Schwager,  der 
Oberlehrer  Dr.  Paul  Krüger.  Er  starb  in  seinem  38.  Lebens- 
jahre vorzeitig  an  Entkräftung  als  ein  Opfer  seiner  unerschütter- 
lichen Überzeugung  von  der  Richtigkeit  rein  vegetarianischer  Lebens- 
weise. F.  Konbad,  Kulturingenieur.  u  Hierzu  sei  bemerkt,  dais 
Tegetarianer  auch  mehr  als  solche,  welche  von  gemischter  Kost 
leben,  zu  Schlaganfällen  neigen.  Es  treten  nämlich  bei  denselben 
Öfter  Hirnblutungen  ein,  weil  der  in  den  Pflanzen  reichlich  vor- 
handene Kalk  sich  in  den  Geftfswandungen  ablagert  und  diese 
brüchig  und  leicht  zerreifslich  macht. 

Untersuchungen  der  Zähne  von  Schulkindern  in  Frank- 

fort  a.  M.  Angeregt  durch  das  in  unserer  Zeitschrift  mitgeteilte 
Torgehen  der  Londoner  Schulbehörde1,  die  vor  ehrigen  Monaten 
auch  4  Schulzahnärzte  angestellt  hat,  veranlagte  unser  Mitarbeiter, 
Herr  Lehrer  Ph.  Zimmermann  in  Frankfurt  a.  M.,  einen  approbierten 
Zahnarzt,  die  Zähne  der  von  ihm  unterrichteten  Volksschüler  einer 
Untersuchung  zu  unterziehen.  Das  Ergebnis  derselben  ist  ebenso 
interessant,  wie  leider  auch  ungünstig.  Es  wurden  62  Schüler,  die 
grösstenteils  im  9.  Lebensjahre  standen  und  dem  3.  Schuljahre 
angehorten,  mit  zusammen  1488  Zähnen,  nämlich  733  Milchzähnen 


1  Jahrgang  V,  1892,  No.  5,  8.  238—234. 


432 

und  755  bleibenden  Zähnen,  geprüft.  Von  den  733  Milchzähnen 
mnfsten  342  als  kariös  bezeichnet  werden,  39  fehlten;  von  den 
755  bleibenden  Zähnen  waren  120  kariös  und  10  fehlten.  Ein 
normales  Gebiis  hatten  von  62  Schülern  58,  ein  anormales  4. 
Regelrechte  Zahnbildung  fand  sich  nur  bei  49  Kindern,  Zähne  mit 
mangelhafter  Ablagerung  des  Sclimelzes  zeigten  13.  Unter  sämt- 
lichen 62  Knaben  besafsen  blofs  2  einen  vollständig  intakten  Zahn- 
apparat. 

Schwere  Erkrankung  eines  Knaben  infolge  eines  Viper- 
bisses. Das  „Korr.-Bl.  f.  Schieß.  Ärete*  berichtet  über  nachstehenden 
Fall:  Der  dreizehnjährige  Otto  H.  wurde  in  der  Nähe  der  Ruine 
Falkenstein  unweit  Baisthal  beim  Holzsuchen  von  einer  Juraviper 
auf  der  Bückseite  des  zweiten  Gliedes  des  rechten  Mittelfingers  ge- 
bissen. Der  Arzt  fand  den  Knaben  zwei  Stunden  nach  dem  Unfälle 
in  seinem  Bette  mit  blassem  Gesichte,  bläulichen  Lippen,  ganz  teil- 
nahmlos, über  unerträgliche  Schmerzen  und  Krämpfe  im  Unterleib 
klagend ;  zugleich  bestand  fortwährendes  Erbrechen.  Die  Biiswunden 
waren  gut  sichtbar,  Finger  und  Handrücken  bis  über  das  Handgelenk 
stark  geschwollen,  jedoch  nicht  besonders  gerötet.  Die  Behandlung 
bestand  in  einem  sofortigen  Einschnitt  über  den  ganzen  Handrücken 
bis  ins  gesunde  Gewebe,  wodurch  reichliches  Bluten  hervorgerufen 
wurde,  ferner  in  Ätzung  der  Wunden  mit  Liquor  Ammonii  caustici. 
Innerlich  wurde  Cognac  und  Liquor  Ammonü  anisati  verabreicht. 
Am  folgenden  Morgen  war  das  Allgemeinbefinden  bis  auf  etwas 
Mattigkeit  normal,  die  Schwellung  fast  verschwunden.  Die  Wunde 
klaffte  gehörig,  zeigte  aber  in  der  Folge  geringe  Neigung  zur  Heilung 
und  vernarbte  sehr  langsam.  Patient  genas  jedoch  vollständig.  Da£s 
er  seine  Wiederherstellung  der  ärztlichen  Behandlung  verdankte, 
zeigt  ein  ähnlicher  Fall :  Ein  jüngerer  Knabe  starb  am  vierten  Tage 
nach  einem  gleichen  Schlangenbisse,  nachdem  erst  ein  Heilkünstler 
und  dann  ein  Buch  über  populäre  Medizin  zu  Rate  gezogen 
worden  war. 

Über  Turnunterricht  und  Jugendspiele  an  den  höheren 

Schulen  Prenfsens  sind  von  der  Unterrichtsverwaltung  Erhebungen 
angestellt  worden,  welche  nach  dem  „Reichsanzeig."  folgendes  ergeben 
haben:  Die  522  höheren  Lehranstalten,  die  unter  der  Aufsicht  der 
12  Provinzialschulkollegien  stehen,  wurden  zur  Zeit  der  Umfrage  mit 
Ausschlufs  der  Vorschulklassen  von  insgesamt  140  285  Schülern 
besucht.  Von  diesen  waren  9070,  also  nicht  ganz  6,5%  vom 
Turnunterricht  überhaupt  befreit,  und  zwar  6891  auf  Grund 
eines  ärztlichen  Zeugnisses,  2188  aus  anderen  Gründen,  während 
1612,  also  1,1  %  an  einzelnen  Übungsarten  nicht  teilnahmen.  In 
den  einzelnen  Provinzen  stellt  sich  der  Prozentsatz  der  vom  Turnen 


433 

überhaupt  befreiten  Schüler  folgendermafsen:  Hannover  3,6,  Hessen- 
Nassau  4,7,  Schleswig-Holstein  5,  Ostpreußen  5,3  Schlesien  6, 
Posen  6,2,  Brandenbarg  6,7,  Rheinprovinz  6,9,  Pommern  7,1, 
Sachsen  7,2,  Westfalen  8,5,  Westprenfsen  9,7.  Der  Prozentsatz  der 
an  einzelnen  Übungsarten  nicht  teilnehmenden  Schüler  bleibt  in  fünf 
Provinzen  unter  1  und  steht  in  den  sieben  anderen  zwischen  1  und 
1,5.  im  ganzen  zeigt  dies  Ergebnis  gegenüber  den  in  den  Jahren 
1882  und  1890  ermittelten  Zahlen  einen  nicht  geringen  Fortschritt; 
dafe  aber  im  einzelnen  in  dieser  Beziehung  noch  manches  zu  wünschen 
übrig  bleibt,  wird  durch  die  Thatsache  erwiesen,  dafs  an  einer  Reihe 
von  höheren  Lehranstalten,  besonders  in  den  grofsen  Städten,  die 
Zahlen  der  nicht  turnenden  Schüler  noch  immer  zu  hoch  sind  und 
zu  denen  anderer  Schulen,  sogar  an  demselben  Orte,  in  keinem  rich- 
tigen Verhältnisse  stehen;  so  gehen  sie  neben  verschwindend  kleinen 
Zahlen  in  Sachsen  in  einer  Anstalt  bis  zu  21,8%,  in  der  Rhein- 
provinz bis  zu  22,7%)  in  Westprenfsen  bis  zu  26,5%,  in  Berlin 
bis  zu  30%,  in  Westfalen  bis  zu  32,4%.  Allerdings  bereiten  in 
den  meisten  dieser  Fälle  die  örtlichen  Verhältnisse  der  Teilnahme 
entfernt  wohnender  Schüler  am  Turnunterrichte  besondere  Schwierig- 
keiten, deren  Überwindung  zu  erstreben  bleibt.  Für  das  Turnen  im 
Freien  stehen  bei  289  Anstalten  Turnplätze  zur  Verfügung,  von 
denen  etwa  die  Hälfte  unmittelbar  bei  dem  Schulhause  liegt;  bei 
207  Anstalten  können  dazu  Schulhöfe  benutzt  werden,  deren  Gröfse 
und  Ausstattung  freilich  mehrfach  nur  die  Vornahme  einzelner 
Übungsgruppen  gestattet.  Die  Möglichkeit,  den  Turnunterricht, 
wie  es  bei  günstigem  Wetter  in  der  Regel  geschehen  soll,  im  Freien 
abzuhalten,  ist  bei  etwa  5%  der  Anstalten  noch  nicht  gewonnen. 
Die  Zahl  der  Turnhallen  hat  sich  seit  dem  Jahre  1882  erheblich 
gehoben.  Zur  Zeit  kann  bei  472  höheren  Lehranstalten  in  einer 
Halle  geturnt  werden;  allerdings  entsprechen  von  diesen  Hallen 
viele  nur  bescheidenen  Ansprüchen,  manche  auch  überhaupt  nicht 
mehr  den  gesteigerten  Anforderungen  der  neuen  Lehrpläne,  bei 
deren  Vorschrift,  daß  jeder  Schüler  wöchentlich  drei  Turnstunden 
haben  soll,  es  unter  Umständen  unvermeidlich  werden  kann,  dafs  die 
Turnhalle  auch  von  zwei  Abteilungen  gleichzeitig  benutzt  wird.  Von 
diesen  472  Anstalten  haben  309  eigene  Turnhallen,  und  zwar  282 
solche  in  unmittelbarer  Nähe  des  Schulhauses,  dagegen  müssen  sich 
163  in  die  Benutzung  der  Turnhalle  mit  anderen  Schulen  teilen, 
und  bei  128  von  ihnen  bereitet  deren  entfernte  Lage  noch  besondere 
Schwierigkeiten  für  den  gesamten  Unterrichtsbetrieb.  Bei  der  geringeren 
Hälfte  der  Anstalten,  die  über  eine  Turnhalle  noch  nicht  verfügen, 
wird  im  Winter  in  einem  anderweitigen  geschlossenen  Räume  geturnt; 
ganz  ausfallen  mufs  aber  der  Turnunterricht  im  Winter  noch  an  26 


434 

meist  kleineren  öffentlichen  höheren  Schulen,  von  denen  allein  lO 
auf  die  Kfceinprovinz  kommen.  Die  Zahl  der  Instalten  ohne  Winter- 
turnen belief  sich  im  Jahre  1862  noch  auf  etwa  80.  Während  an 
den  Wfi  Anstalten  im  Sommer  d.  J.  insgesamt  5479  getrennt  zu 
unterrichtende  Schulklassen  bestanden,  waren  au*  den  131206  am 
Turnen  teilnehmenden  Schülern  im  ganzen  2923  Turnabteüungen 
von  sehr  verschiedener  Stärke  gebildet,  auf  die,  von  den  besonderen 
Yorturnerstunden  abgesehen,  7638  wöchentliche  Turnstunden  kamen. 
Die  jetzt  vorschriftsmäfsigen  drei  wöchentlichen  Turnstunden  Ar  afie 
Schuler  waren  bereits  bei  364  Anstalten  eingerichtet,  wahrend  159 
damit  noch  im  Rückstände  sich  befanden.  Auch  den  in  den  neuen 
Lehrplänen  hinsichtlich  der  Gestaltung  des  Turnunterricht»  auf  der 
Unter-  und  Mittelstufe  einerseits  und  der  Zulässigkeit  des  Biegen- 
turnen*  auf  der  Oberstufe  andererseits  enthaltenen  Vorschriften  konnte 
aus  Äusseren  Gründen  bisher  nur  zum  Teil  entsprochen  werden ;  eine 
gleichmäßige  Regelung  des  Turnbetriebes  in  dieser  Beziehung  wird 
dem  nächsten  Schuljahre  vorzubehalten  sein.  Mit  Turnunterricht 
betraut  sind  zur  Zeit  etwa  1240  Lehrer,  gegen  ungefthr  870  im  Jahre 
1882  und  1080  im  Jahre  1890;  eine  ganz  genaue  Angabe  ist  des- 
halb unmöglich,  weil  in  gröfseren  Städten  mehrfach  dieselben  Lehrer 
an  mehreren  Anstalten  Turnunterricht  zu  erteilen  haben  und  so  die- 
selben  Personen  an  verschiedenen  Stellen  unter  den  Turnlehrern 
mitgezählt  wurden.  Von  der  Gesamtzahl  der  Turnunterricht  er- 
teilenden Lehrer  waren  1064  Lehrer  der  Anstalt  selbst,  974  mit 
akademischer,  390  mit  seminaristischer  Bildung,  während  die  übrigen, 
etwa  170,  als  dem  Lehrkörper  nicht  angehörige  Hilfskräfte  bezeichnet 
werden.  Ein  besonderes  Zeugnis  über  ihre  Vorbildung  für  den 
Turnunterricht,  sei  es  durch  Teilnahme  an  einem  Kursus  der  Turn- 
lehrerbildungsanstalt, sei  es  durch  Ablegung  der  Turnlehrerprttfung, 
besitzen  von  den  erstgenannten  1064  Lehrern  701,  von  den  letzt- 
genannten Turnlehrern  etwa  sechs  Siebentel.  Die  Zahl  der  akademisch 
gebildeten  Lehrer,  die  auch  Turnunterricht  erteilen,  ist  kn  Laufe 
der  Jahre  zwar  nicht  gleichmäfsig  in  den  verschiedenen  Prorinaen, 
aber  im  ganzen  recht  erheblich  gestiegen,  und  obwohl  neuerdings 
wieder  infolge  der  neuen  Lehrpläne  hier  und  dort  auch  Lehrer  mit 
Turnunterricht  betraut  worden  sind,  die  ein  Turnlehrerzeugnis  bisher 
noch  nicht  erworben  haben,  ist  doch  der  Prozentsatz  solcher  von 
41,3  im  Jahre  1882  jetzt  schon  auf  31,1  zurückgegangen.  Es  darf 
gehofft  werden,  dafe  die  Einrichtung  von  halbjährigen  Kursen  zur 
Ausbildung  von  Turnlehrern  aufser  in  Berlin  auch  in  Halle,  Breslau, 
Königsberg  i.  Pr.  und  Bonn  darin  noch  weitere  Fortschritte  herbei- 
führen wird.  Für  den  Betrieb  von  Jugendsprelen  sind  bei  ctor 
überwiegenden  Mehrzahl  der  Anstalten  besondere  Stunden  angesetzt ; 


435 

mt  in  dea  Provinzen  Posen,  West-  und  Ostpreufsen  sind  in  An- 
halten  mit  derartigen  Einrichtungen  noch  in  der  Minderheit.  Die 
Pflege  der  Jagendspiele  ist  aber  an  den  einzelnen  Schalen,  was  die 
Zahl  der  ihr  gewidmeten  Stunden,  die  für  diese  seitens  der  Schale 
getroffenem  Anordnungen,  die  Beteiligung  der  Schüler  nach  Zahl  und 
Alter  anlangt,  so  verschieden,  dafe  darüber  eine  zusammenfassende 
Angabe  zw  Zeit  noch  nicht  möglich  ist.  Thatsache  ist,  dafe  er- 
fieenhclerweise  der  hohe  Wert  der  Bewegungsspiele  fttr  die  Erfrischung 
wd  Kräftigung  der  Jugend  immer  mehr  anerkannt  wird.  Gelegen- 
heit, das  Schwimmen  zu  erlernen  und  zu  üben,  haben  die  Schüler 
von  457  Anstalten.  Data  Lehrer  der  Schule  selbst  den  Schwimm- 
unterricht erteilen,  ist  freilich  verhältnismässig  selten,  wohl  aber 
bestehen  bei  73  Anstalten  zu  den  diesem  Zwecke  dienenden  Ein- 
richtungen irgend  welche  bestimmte  Beziehungen.  Für  die  Schüler 
von  66  Anstalten  ist  leider  durch  die  örtlichen  Verhältnisse  die 
Möglichkeit,  das  Schwimmen  zu  erlernen  oder  zu  üben,  ausgeschlossen. 
Was  schließlich  die  Vereinigungen  von  Schülern  zur  Pflege 
des  Turnens,  des  Turnspieles  und  verwandter  Leibes- 
übungen betrifft,  so  bestehen  solche  mehr  in  den  westlichen  als 
in  den  östlichen  Provinzen.  Nach  den  Angaben,  die  darüber  von 
den  einzelnen  Anstalten  gemacht  worden  sind,  waren  im  ganzen  78 
SdAlerturnvereine  vorhanden,  aus  deren  Mitgliedern  meist  die  Vor- 
turner Ar  das  Biegenturnen  genommen  wurden  und  die  dadurch  auch 
mr  den  gesamten  Turnbetrieb  der  betreffenden  Anstalt  nutzbar  gemacht 
werden  konnten.  An  12  Anstalten  bestanden  Rudervereine,  an 
einigen  20  Vereinigungen  für  Bewegungsspiele,  darunter  17  zur 
Pflege  des  Fußballspiels. 

Sekülerfcerbergen  im  Riesengebirge.  Durch  den  Riesen- 
gehirgsverein  ist  im  vorigen  Sommer  der  erste  Versuch  mit  der 
Einrichtung  von  Schülerherbergen  in  Brückenberg  und  Petersdorf 
gemacht  worden.  Die  Zahl  der  Besucher  betrug  nach  der  „Päd. 
Wart."  in  Brückenberg  129,  in  Petersdorf  131.  Die  meisten 
Frequentanten  stellten  Breslau  und  Dresden. 

Zar  Forderung  der  körperlichen  Ausbildung  an  den 
Müteteehnlen  Österreichs.  Die  „Neu.  Fr.  Pr.u  schreibt:  Behufs 
teilweiser  Bestreitung  der  Kosten  für  die  körperliche  Erholung  und 
Ausbildung  der  Schüler  wird  die  Aumahmetaxe,  respektive  Einschreib- 
gebühr für  Schüler  an  den  Landesmittelschulen  Österreichs  vom 
Schuljahr  1893/94  an  von  1  fl.  auf  2  fl.  erhöht.  Der  Landes- 
aosaehufe  ist  ermächtigt,  mittellose  Schüler  von  der  Entrichtung  dieser 
Gebühr  zu  befreien  und  den  aus  der  Erhöhung  der  jahrlichen  Ein- 
schreibgebühr sich  ergebenden  Mehrbetrag  fttr  obige  Zwecke  zu 
verwenden. 


436 

Rudern  der  Realschüler  in  Lanenbnrg  a.  E.    in  dein 

jüngsten  Jahresberichte  der  Albinusschule  zu  Lauenburg  schreibt  der 
bekannte  Direktor  Raydt  :  Für  eine  der  gesundesten  Leibesübungen 
halt  der  Unterzeichnete  das  Rudern  auf  Strom  und  See.  Wird 
doch  bei  den  regelmässigen  Ruderbewegungen  die  Lunge  zu  kräftigster 
Tiefatmung  angeregt  und  kann  dadurch  die  kohlensäurehaltige  Stuben- 
luft aus-  und  die  ozonreiche  Wasserluft  reichlich  einatmen.  Bietet 
nun  die  Elbe  gute  Gelegenheit  zum  Rudern,  so  war  doch  in  Lauen- 
burg kein  geeignetes  Ruderboot  vorhanden.  Es  galt,  ein  solches  zu 
beschaffen,  und  fand  der  Unterzeichnete  ohne  sonderliche  Mühe  eine 
Anzahl  Bürger,  welehe  zu  diesem  Zweck  jeder  den  nicht  unerheb- 
lichen Beitrag  von  50  Mark  zahlten.  Das  Boot  wurde  auf  der 
hiesigen  Schiffswerft  des  Herrn  Hitzler  gebaut.  Es  ist  in  jeder 
Weise  gut  ausgefallen  und  macht  der  tüchtigen  Firma,  welche  das- 
selbe nach  eigenen  Zeichnungen  konstruierte  und  genau  den  Ver- 
hältnissen des  Eibstroms  anpafete,  alle  Ehre.  Das  eiserne  Boot 
besitzt  Luftkasten,  deren  Volumen  so  berechnet  ist,  dafe  das- 
selbe, auch  wenn  es  ganz  voll  Wasser  schlagen  sollte,  nicht  unter- 
gehen kann.  Um  aber  jeden  Unglücksfall  möglichst  zu  verhüten, 
werden  nur  solche  Schüler  zum  Rudern  zugelassen,  welche  sich 
vor  dem  Direktor  als  gute  Schwimmer  ausgewiesen  haben.  Das 
Boot  wird  gewöhnlich  von  6  Mann  gerudert  und  kann  dann  noch 
6  Personen  Ablösungsmannschaft  aufnehmen;  es  rudert  sich  sehr 
leicht,  wenngleich  es  kein  eigentliches  Rennboot  ist,  welches  hier 
für  die  Elbe  nicht  pafst.  Das  Rudern  macht  den  Schülern  viel 
Vergnügen,  so  dafe  dieselben  sich  nur  ungern  ablösen  lassen.  Das  Boot 
wurde  am  1.  Juli  eingeweiht  und  erhielt  nach  dem  Gründer  unserer 
Schule  den  Namen  „Albinus".  Gewifs  wird  der  schmucke  und 
doch  kräftig  gebaute  „Albinus"  noch  manchen  Schülergenerationen  zur 
gesunden  Lust  und  Freude  gereichen. 

Gründung  eines  Slffjdvereins  in  Ungarn«    Aus  Budapest 

wird  uns  geschrieben :  Behufs  Gründung  eines  Handfertigkeitsvereins 
versammelten  sich  am  10.  März  d.  J.  in  einem  Beratungssaale  des 
ungarischen  Abgeordnetenhauses  auf  Einladung  des  Munkacser 
griechisch-katholischen  Bischofs  Julius  FirczXk  zahlreiche  Ab- 
geordnete, Schulmänner,  Schriftsteller  u.  s.  w. ,  welche  nach  den 
Ausführungen  des  Professors  Paul  Guttenberg  beschlossen,  einen 
Slöjdverein  ins  Leben  zu  rufen.  Es  wurde,  um  die  Konstituierung 
des  Vereins  vorzubereiten,  ein  engeres  Komitee  gewählt. 

Ferienkolonien  in  Prag.  Der  Verein  für  böhmische  Ferien- 
kolonien in  Prag  hat  auch  im  Laufe  des  vorigen  Sommers  300  Kinder 
zur  Erholung  in  ländliche  Kolonien  geschickt.  Während  der  zehn 
Jahre  seines  Bestehens  wurde  mehr  als  3000  Kindern   diese  Gunst 


437 

ra  tefl,  obwohl  der  Verein,  ohne  jede  staatliche  Unterstützung,  nur 
auf  Mitgliederbeitrftge  und  milde  Gaben  angewiesen  ist.  Die  Räume 
für  die  betreffenden  Kolonien  werden  meistens  von  adeligen  Guts- 
besitzern in  unbewohnten  Schlössern  und  Landhäusern  erbeten. 
Mehrere  Schüler,  namentlich  Mittelschüler,  fanden  auch  in  Familien 
und  Badeorten  Unterkunft.  Im  Laufe  des  vorigen  Sommers  be- 
standen fünf  gemeinschaftliche  Kolonien,  davon  zwei  mit  wiederholter 
Frequenz.  Die  Teilnehmer  waren  Schüler  und  Schülerinnen  im 
Alter  von  6  bis  17  Jahren.  Nach  ärztlichen  Untersuchungen  be- 
fanden sich  darunter  24  Kinder,  denen  5  kg  am  Normalgewicht  fehlten, 
26,  die  um  6  kg,  30,  die  um  7  kg  und  32,  die  um  mehr  als 
7  kg  weniger  als  das  Normalgewicht  hatten ;  55  waren  lungenkrank 
und  127  blutarm.  Der  Zuwachs  an  Gewicht  betrug  durchschnittlich 
bis  zu  3  kg. 

Ein  Arbeitstisch,  der  zugleich  als  Barren  und  Beck 
benutzt  werden  kann,  ist  von  Bernhard  Hagen  in  Berlin,  Neue 
Winterfeldtstrafee  4,  konstruiert  und  unter  No.  66750  für  das 
deutsche  Beich  patentiert  worden.  Der  Apparat,  den  der  Erfinder 
nach  dem  bekannten  Turnvater  „Jahntisch"  benannt  hat,  ist  als 
Tisch,  Schreibpult  und  Barren  verwendbar.  Damit  auch  ein  Turnen 
im  Hang  ermöglicht  wird,  kann  noch  eine  erhöhte  Reckvorrichtung 
auf  dem  Barren  angebracht  werden.  Die  Konstruktion  des  „Jahn- 
tisches" ist  sehr  dauerhaft  und  stabil,  so  dafs  keine  Gefahr  irgend 
einer  Verletzung  besteht.  Das  Verstellen  geschieht  in  einfachster 
Weise  und  kürzester  Zeit.  Die  Gröfsenverhältnisse  sind  für  Kinder 
zweckentsprechend.  Der  Preis  des  aus  Buchenholz  gearbeiteten 
Apparates  beträgt  mit  Reckvorrichtung  25  Mark. 


änttli4)e  Verfügungen. 


Erlafs  des  Königlich  preußischen  Unterrichtsministers 
cur  Verhütung  von  Unglücksfällen  bei  Schülern. 

Berlin,  den  21.  September  1892. 

Vor  kurzem  hat  sich  auf  einer  Gymnasialbadeanstalt  der  er- 
schütternde Vorfall  ereignet,  dafis  ein,  Schüler  beim  Spielen  mit  einer 
Salonpistole  von  einem  Kameraden  seiner  Klasse  erschossen  und  so 
einem  jungen  hoffnungsreichen  Leben  vor  der  Zeit  ein  jähes  Ende 
bereitet  wurde. 

Das  Königliche  Provinziaischulkollegium  weise  ich  an,  den 
Anstaltsleitern  seines  Aufsichtsbezirkes  aufzugeben,  dafs  sie  bei  Mit- 


438 


teilung  dieses  schmerzlichen  Ereignisses  der  ihrer  Leitung  anvertrauten 
Schuljugend  in  ernster  tmd  naehdrüklicher  Wannng  vorstellen,  nie 
unheilvolle  Folgen  ein  frühzeitige«,  unbesonnenes  Führen  von  8chuÄ- 
waffien  nach  sich  ziehen  kann  «id  wie  noch  Über  das  Leben  des 
zurückgebliebenen  unglücklichen  Mitschülers  för  alle  Zeit  ein  dflnUuw 
Schatten  gehreitet  sein  mnis. 

Gleichzeitig  ist  nher  anch  feefeusfcetten,  dafs  Schüler,  die,  ml 
es  in  der  Schule  oder  heim  Turnen  und  Spielen,  auf  der  Badeanstalt 
oder  auf  gemeinsamen  Ausflügen,  kurz  wo  die  Schule  für  «ine  an- 
gemessene Beaufsichtigung  verantwortlich  ist,  im  Besitze  vom  gefthr* 
liehen  Waffen,  insbesondere  von  Pistolen  und  Revolvern,  betroffen 
werden,  mindestens  mit  der  Androhung  der  Verweisung  von  der 
Anstalt,  im  Wiederholungsfälle  aber  unnachsidhtiieh  mit  Verweisung 
zu  bestrafen  sind. 

Der  Minister  der  geistlichen  ete.  Angelegenheiten. 

(Gez.)  Bosse. 
An  sämtliche  Königliche  Provinrialschuikoikgieii* 

Empfehlung  des  Auerseken  GnsgttMidites  Ar  ftffentlicke 

Gebäude,  Auditorien,  Laboratorien  n.  a.  w.  durek  das  Kfaiglaek 

preifsiseke  Ministerium  der  geistlichem,  Unterrichta- 

nnd  Medirinalnngefegenheiten. 

Durch  mannigfache  Vorzüge  vor  anderen  Beleuektungsarten  hat 
in  Jüngster  Zeit  das  Gasglühlicht  —  sogenanntes  Aunnaches  Licht  — 
die  aligemeine  Aufmerksamkeit  auf  sich  gelenkt.  Zur  näheren  In- 
formation über  dasselbe  und  namentlich  zur  Bildung  eines  Drtoia 
darüber,  ob  und  in  welchen  Grenzen  es  sich  zur  Verwendimg  in 
öffentlichen  Gebäuden,  Auditorien,  Laboratorien,  Kliniken  etc.  eignet, 
sind  deshalb  mehrfach  Versuche  angestellt  worden,  namentlich  hat 
anch  die  physikalisch-technische  Reichsanstalt  Untersuchungen  und 
Messungen  an  dem  gedachten  Lichte  vorgenommen.  Dabei  und  bei 
der  praktischen  Verwendung  des  Lichtes  für  verschiedene  Zwecke 
hat  sich  herausgestellt:  Gasglühlicht  hat  bei  120  1  stündlichem  Gas- 
verbrauch 60  Normalkerzen  Lichtstärke;  ein  gewöhnlicher  Gas- 
Argandbrenner  dagegen  nur  SO  Normalkerzen,  dabei  aber  einen 
höheren  Gasbedarf  von  200  1.  Es  ist  also  bei  Gasglühlicht  dem 
Gas- Argandbrenner  gegenüber  die  fünffache  Ausnutzung  des  Gases 
und  bei  erheblich  geringerem  Gasverbranch  die  dreifache  LichtstM&e 
gewonnen. 

Aufsar  der  sich  hiernach  ergebenden  Kostenersparnis,  bezw.  der 
bedeutend  höheren  Leuchtkraft  sind  noch  weitere  sehr  beacbtugB- 
werte  Vorteile  des  Gasglühlichts  erwiesen. 

Da  der  netzförmige  Glühkörper   das  brennende  Gas  von  allen 


430 


Seiten  ummantelt,  so  ist^ein  Entweichen  unvollständig  verbrannte»  Gases 
maieden,  es  entsteht  .kein  Blaken  und  keine  Bu&ohlagerung  .u.  b.  w., 
die  bei  gewöhnlichen  Brennern  sehr  bald  eintretende  Beschmntzung 
der  Becken  nnd  Treten  fl&Ut  fort,  die  Zimmerinft  bleibt  rein  und 
der  Gesundheit  zuträglich.  Erläuternd  sei  bemerkt.,  dafs  nicht  da» 
verbrennende  Gas  selbst  die  Lichtquelle  abgibt,  sondern  <dafs  das 
brennende  Gas  daza  benutzt  wird,  ein  mit  reinem  Toriumoxyd 
getränktes  Banmwollengewebe ,  den  sogenannten  Strumpf,  in 
dauernde  Weifsglühhitze  zu  versetzen,  so  dafs  dieser  glühende  Ge- 
webestrumpf mit  seiner  viel  energischeren  Leuchtkraft  den  eigent- 
lichen Leuchtkörper  abgibt. 

Sehr  bemerkenswert  ist  das  gleachmä&ige  ruhige  Leuchten  nnd 
besonders  die  geringe,  eine  Überhitzung  ausscfalielsende  Wärme- 
entwickelung des  Gaslichtes,  sowie  der  Umstand,  dafs  dasselbe, 
ähnlich  wie  das  elektrische  Bogenlicht,  durch  seine  weilse  Färbung 
alle  Ablagen  Farben  deutlich  unterscheiden  läfst,  was  bei  Operationen 
und  Untersuchungen  von  Wichtigkeit  sein  dürfte. 

Die  durch  Auswechselung  des  ungefähr  2  Mk.  kostenden  Gewebe- 
strumpfes und  des  Cylinders  etc.  entstehenden  Unterhaltungskosten 
haben  in  letzter  Zeit  infolge  verbesserter  Aufhängevorrichtung  und 
dadurch  erreichter  längerer  Dauer  des  eigentlichen  Leuchtkörpers 
erhebliche  Einschränkungen  erfahren.  Der  im  Anfange  hervor- 
getretene Übelstand,  dafe  der  Strumpf  bei  der  geringsten  Berührung 
in  sich  zusammenfiel,  ist  bald  beseitigt  worden.  Der  Leuchtkörper 
bleibt  infolge  der  jetzt  bestehenden  centralen  Aufhängung  desselben 
—  gegenüber  der  früheren  seitlichen  —  bei  einigermafsen  vor- 
sichtiger Behandlung  der  Lampen  ziemlich  lange  brauchbar;  eine 
Berührung  desselben  mab  allerdings  vermieden  werden.  Die  in 
einigen  wissenschaftlichen  Instituten  angebrachten  Lampen  bewähren 
sich  auch  nach  dieser  Einrichtung  sehr  gut  und  haben  nur  selten 
des  Ersatzes  zerstörter  Leuchtkörper  bedurft.  Auch  zum  Mikro- 
photographieren nnd  zum  Mikroskopieren  hat  sich  das  Licht  als  sehr 
verwendbar  erwiesen,  obwohl  bei  Arbeiten  mit  dem  Mikroskope  bei 
der  Nähe,  in  welche  der  Leuchtkörper  zu  diesem  gebracht  werden 
xnu£sy  die  Gefahr  einer  Berührung  besonders  grofs  ist. 

Die  Auswechselung  des  Strumpfes  wird  hier  in  der  Begel  durch 
Arbeiter  einer  Specialfirma  ausgeführt,  kann  aber  nötigenfalls  auch 
durch  andere  Personen  besorgt  werden. 

Nach  alledem  kann  das  Gasglühlicht  zur  Verbesserung  der  Gas- 
beleuchtung in  Universitätsinstituten,  Kliniken  etc.  durchaus  em- 
pfohlen werden;  in  den  meisten  Fällen  wird  dasselbe  auch  einen 
angemessenen  Ersatz  für  elektrische  Beleuchtung  gewähren  und 
letztere  entbehrlich  machen. 


440 

Ew.  Hochwohlgeboren  ersuche  ich  hiernach  ergebenst,  gefälligst 
in  geeigneten  Fällen  sich  die  Einführung  des  Gasglühlichtes  angelegen 
sein  zu  lassen.  Die  hierdurch  entstehenden  Kosten  können  ans 
laufenden  Mitteln  der  einzelnen  Institute  bestritten  werden,  sofern 
damit  nach  und  nach  Torgegangen  wird. 
Berlin,  den  27.  März  1893. 

Der  Minister  der  geistlichen, 
Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten. 

(gez.)  Bosse. 
An  sämtliche  Universitätskuratoren  etc. 

Vorschriften  des  Königlich  preufsischen  Kultusministers  über 
das  Ausfallen  des  Unterrichtes  bei  grofser  Hitze. 

Berlin,  den  24.  August  1892. 
Die  Königliche  Regierung  veranlasse  ich  festzustellen, 

1.  in  wie  vielen  höheren  Mädchen-,  Mittel-  und  städtischen 
Volksschulen  Ihres  Bezirkes  in  diesem  Sommer  wegen  ttber- 
grofser  Hitze  eine  Kürzung  des  Schulunterrichtes  statt- 
gefunden hat,  und 

2.  in  wie  vielen  Schulen  vorbezeichneter  Art  dies  nicht  der 
Fall  gewesen  ist. 

Das  Ergebnis  ist  in  übersichtliche,  nach  Kreisen  geordnete 
Tabellen  aufzunehmen,  welche  mir  binnen  14  Tagen  pünktlich  vor- 
zulegen sind. 

Dabei  nehme  ich  Gelegenheit,  die  Aufmerksamkeit  der  König- 
lichen Regierung  wiederholt  auf  die  hier  in  Rede  stehende  An- 
gelegenheit zu  lenken. 

Mit  Rücksicht  auf  die  grofse  Verschiedenheit  in  den  Verhält- 
nissen an  den  einzelnen  hierbei  in  Betracht  kommenden  Schulen  bin 
ich  nicht  in  der  Lage,  eine  allgemeine,  gleichmäßig  bindende  Ver- 
fügung von  hier  aus  zu  erlassen.  Ich  beauftrage  vielmehr  die 
Königliche  Regierung,  für  die  höheren  Mädchenschulen,  Mittelschulen 
und  sonstigen  gröfseren  Schulkörper  Ihres  Aufsichtsbezirkes  die  ent- 
sprechenden Bestimmungen  selbst  zu  geben.  Für  die  einfacheren, 
namentlich  für  die  Landschulen,  wird  es  Sache  der  Kreisschul- 
inspektoren sein,  unter  Genehmigung  der  Königlichen  Regierung  die 
erforderlichen  Anordnungen  zu  treffen.     Hierbei  ist  festzuhalten: 

1.  Wenn  das  hundertteilige  Thermometer  um  10  Uhr  vor- 
mittags im  Schatten  25  Grad  zeigt,  darf  der  Schulunterricht 
in  keinem  Falle  über  vier  aufeinanderfolgende  Stunden 
ausgedehnt,  und  ebensowenig  darf  den  Kindern  an  solchen 
Tagen  ein  zweimaliger  Gang  zur  Schule  zugemutet  werden. 

2.  Auch    bei  geringerer   Temperatur   ist   eine  Kürzung   der 


441 

Unterrichtszeit  notwendig,  wenn  die  Sobulzimmer  zu  niedrig 
oder  zn  eng,  bezw.  die  Schulklassen  überfüllt  sind. 

3.  Auch  wenn  die  betreffende  Schulklasse  während  der  vollen 
Zeit  unterrichtet  wird,  müssen  Kinder,  welche  einen  weiten 
schattenlosen  Schulweg  haben,  von  einem  zweimaligen  Gange 
zur  Schule  an  demselben  Tage  befreit  werden. 

4.  Es  bleibt  zu  erwägen,  ob  bei  Schulen,  welche  geräumige, 
schattige  Spielplätze  haben ,  unter  Umständen  der  lehrplanmäfsige 
Unterricht  durch   Jugendspiele  unterbrochen  werden   kann. 

5.  Die  Entscheidung  über  Ausfall  und  Kürzung  des  Schul- 
unterrichts in  jedem  einzelnen  Falle  trifft  bei  gröfseren 
Schulkörpern  der  Vorsteher  der  Schule  (Direktor,  Rektor), 
bei  kleineren  der  Ortsschulinspektor  und,  wenn  ein  solcher 
nicht  am  Orte  ist,  der  Schulvorstand. 

An  die  sämtlichen  Königlichen  Regierungen  der  Monarchie. 

Abschrift    erhält    das    Königliche   Provinzialschulkollegium    zur 
Kenntnis  und  gleichmäfsigen  Beachtung  hinsichtlich  der  dem  König- 
lichen    Provinzialschulkollegium     unterstellten     Schullehrerseminare, 
höheren  Mädchenschulen,  Taubstummen-  und  Blindenanstalten. 
Der  Minister  der  geistlichen  u.  s.  w.  Angelegenheiten. 

I.  V. 

(Gez.)  von  Weyrauch. 

An  die  sämtlichen  Königlichen  Provinzialschulkollegien  der  Monarchie. 

Verfügung  des  k.  k.  niederösterreichischen  Landesschulrates 
vom  13.  Juli  1892,   Z.  5671,  betreffend  die  Beschäftigungs- 
mittel Ar  Kindergärten,  VolkskindergHrten  und 

Kinderbewahranstalten. 

Vielfache  Bedenken,  welche  sowohl  vom  sanitären  als  vom 
pädagogischen  Standpunkte  gegen  manche  in  den  Kindergärten, 
Volkskindergärten  und  Bewahranstalten  eingeführten  Beschäftigungs- 
mittel laut  geworden  sind,  nicht  minder  aber  auch  die  häufig  ge- 
machte Wahrnehmung,  dafs  in  vielen  dieser  Anstalten  das  Haupt- 
gewicht auf  möglichst  effektvolle  Arbeitsleistungen  der  Kinder  behufs 
Veranstaltung  von  öffentlichen  Ausstellungen  gelegt  und  hierdurch  die 
eigentliche  Aufgabe  der  Kindergartenerziehung  in  den  Hintergrund 
gedrängt  wird,  haben  den  k.  k.  niederösterreichischen  Landesschulrat 
veranlagst,  die  vom  Vereine*  für  Kindergärten  und  Kinderbewahr- 
anstalten in  Österreich  vorgelegte  Sammlung  von  Beschäftigungs- 
mitteln einer  sorgfältigen  Revision  zu  unterziehen  und  auf  Grund 
der  von  berufenen  Faktoren,  sowie  von  sämtlichen  Bezirksschul- 
inspektoren des  Wiener  Schulbezirkes  eingeholten  Gutachten  folgendes 
anzuordnen: 

8eholgmiuidhettspfl«f«  VT.  29 


442 

Von  den  in  den  Kindergarten,  Volkskindergärten  und  Bewahr- 
anstalten gebräuchlichen  Beschäftigungen  sind  Ballspiel,  Bauen,  Legen 
mit  Täfelchen,  mit  Stäbchen,  mit  Ringen  und  mit  rundlichen  Körpern 
(wie  Steinchen,  Schneckenhäuschen,  Muscheln,  Lärchen-,  Tannen  und 
Erlenzapfen,  Eichelnäpfchen,  Buchnüssen,  Mais  und  Kürbiskernen), 
Zeichnen,  Kettensclmtiren,  Falten  und  Thonformen  allgemein  zulässig. 

Dagegen  sind  Legen  mit  Verschränkspänen,  Ausschneiden  und 
Stäbchenstecken  nur  unter  der  Bedingung  gestattet,  daß  sie  mit  einer 
kleinen  Zahl  der  entwickelteren  Zöglinge  vorgenommen  werden,  da£s 
ausreichendes  Licht  vorhanden  ist  und  den  Kindern  die  notwendige 
Aufsicht  und  Unterstützung  seitens  der  Kindergärtnerin  gewährt 
werden  kann. 

Andere  Beschäftigungen  können  versuchsweise  auf  ein  Jahr  mit 
Bewilligung  des  Bezirksschulrates  innerhalb  seines  Wirkungskreises, 
über  diese  Zeit  hinaus  mit  Bewilligung  des  Landesschulrates  zur 
Durchführung  gelangen. 

Unbedingt  verboten  sind  Ausstechen,  Samenklauben,  Verschnüren, 
Fadenspiel  und  Perlenauffassen. 

Diese  Anordnung  bat  auf  die  Spiele  (Bewegungs-  und  Nach- 
ahmungsspiele, Spiele  mit  Steckenpferden,  Treibreifen,  Sandformen, 
Gartengeräten  für  Kinder  u.  s.  w.)  keinen  Bezug. 

Die  Beschäftigungspläne  der  Kindergärten,  Volkskindergärten 
und  Bewahranstalten  sind  unter  Beachtung  dieser  Anordnung  umzu- 
arbeiten und  zu  Beginn  des  Schuljahres  1892/93  dem  Bezirks- 
schulräte zur  Genehmigung  vorzulegen. 

Damit  die  Beschäftigungsmittel  ihrer  Größe  nach  im  allgemeinen 
dem  metrischen  Längenmaße  entsprechen,  ohne  an  Handlichkeit  ein- 
zubüfsen,  und  in  ihrer  Beschaffenheit  Nachteile  für  die  Gesundheit 
der  Kinder  ausschließen,  wird  angeordnet: 

Die  Gummibälle  sollen  einen  Durchmesser  von  5  oder  10  cm 
haben  und  ungefärbt  sein;  die  Wollbälle  für  die  Hand  der  Kinder- 
gärtnerin sollen  in  den  wichtigsten  Farben  und  mit  einem  Durch- 
messer von     Vs  cm  hergestellt  sein. 

Als  Baukasten  sollen  der  1.  und  2.  FRÖBBLsche  Baukasten 
(Wiener  Ausgabe),  in  welchem  jeder  Würfel  37s  cm  Kantenlänge 
hat,  und  der  1.  und  2.  Wiener  Baukasten  mit  derselben  Würfel- 
gröfse  in  Verwendung  kommen. 

Als  Legetäfelchen  sind  ganze  und  diagonal  halbierte  Quadrat- 
täfelchen von  37s  cm  Seitenlänge,  in  verschiedenem  Farbstoff  gebeizt, 
doch  nicht  lackiert,  zu  verwenden. 

Die  Yerschränkspäne  sollen  20  cm  lang,  1  cm  breit  und  bei- 
läufig 2  mm  dick  und  in  verschiedenem  Farbstoff  gebeizt  sein  oder 
die  natürliche  Holzfarbe  haben. 


443 

Die  Stäbchen  zum  Stäbchenlegen  und  Stäbchenstecken  sollen 
flacbrund  oder  vierkantig  in  der  Länge  einer  Würfelkante  des 
1.  Wiener  Baukastens  von  31/«  cm  oder  eines  Vielfachen  dieser 
Länge  hergestellt  sein. 

Die  ganzen  und  halben  Ringe  sollen  ans  genügend  starkem, 
verzinntem  oder  vernickeltem  Eisendrahte  angefertigt  sein  und  im 
Durchmesser  31/»  oder  6*/s  cm  messen.  Die  Enden  der  Halbringe 
müssen  abgerundet  sein. 

Die  Faltblätter  sollen  ans  ungeglänztem,  ein-  und  zweifarbigem 
Papiere  hergestellt  und  1  cm1  groft  sein.  Abfärbendes  Papier  darf 
nicht  verwendet  werden. 

Die  Flechtblätter  und  Flechtstreifen  sollen  ans  halbsteifem,  ver- 
schieden gefärbtem  Papier  und  der  Form  nach  quadratisch  oder 
rechteckig  sein.  Beim  quadratischen  Flechtblatte  soll  der  Flecht- 
raum  um  die  Kantenlänge  eines  Würfels  des  1.  Wiener  Baukastens 
(31/s  cm)  verlängert  sein.  Die  Flechtstreifen  sollen  1 — 2  cm  breit 
sein.     Abfärbendes  Papier  darf  nicht  verwendet  werden. 

Die  Ausnähblätter  sollen  aus  steifem,  hellgefärbtem,  doch  un- 
geglänztem Papier  in  der  Größe  der  Flechtblätter  hergestellt  sein 
und  die  auszunähende  Form,  soweit  als  erforderlich,  vorgezeichnet 
und  durchstochen  enthalten;  die  Stichweite  hat  gewöhnlich  1  cm  zu 
betragen;  nur  wo  es  zur  Deutlichkeit  der  Form  unbedingt  geboten 
erscheint,  darf  ausnahmsweise  zur  Stichweite  von  5  mm  herabgegangen 
werden. 

Die  Ausnähnadel  soll  grofs  sein  und  eine  abgestumpfte  Spitze 
haben;  abfärbendes  Papier  und  abfärbende  Wolle  darf  nicht  in  Ver- 
wendung genommen  werden.  Letzteres  gilt  auch  für  das  Material 
zum  Kettenschnüren. 

Die  Schiefertafel  soll  einen  schmalen  Holzrahmen  mit  ab- 
gerundeten Ecken  besitzen;  der  Schiefer  soll  dunkel  (nicht  grau)  sein 
und  weder  Punkte  noch  ein  Liniennetz  haben.  Der  Schieferstift  soll 
sehr  weich  und  in  Holz  gefafst  sein.  Das  Zeichenpapier  soll  weifs 
und  rauh,  der  Bleistift  weich  (No.  2)  sein. 

Die  Schere  zum  Ausschneiden  soll  abgerundete  Spitzen  haben; 
das  Ausschneideblatt  soll  dünn,  ungeglänzt,  weife  oder  gefärbt  und 
1  dm*  groüs  sein;  es  kann  die  auszuschneidende  Form  durch  Zeich- 
nung oder  Druck  angezeigt  enthalten. 

Das  Thonbrettchen  soll  dünn  und  glatt  sein  und  abgerundete 
Ecken  haben. 

Die  Anwendung  des  ModeUiermessers  mit  abgestumpfter  Klinge 
ist  nur  einzelnen  größeren  Kindern  bei  entsprechender  Aufsicht  zu 
gestatten. 

Um  der  Verbreitung  ansteckender  Krankheiten  durch  den  Ge- 

29* 


444 

brauch  der  Beschäftigungsmittel  vorzubeugen,  wird  angeordnet,  dafe 
die  Körperchen  zum  Legen  (Steinchen,  Muscheln  etc.),  die  Bausteine, 
Täfelchen,  die  Verschränkspäne,  die  Stäbchen,  das  Thonbrett,  das 
Modelliermesser,  die  Zeichentafel,  der  Zeichenstift,  die  Schere  und 
die  Ringe  wöchentlich  einmal  tüchtig  gewaschen,  bei  Auftreten 
ansteckender  Einderkrankheiten  desinfiziert  werden  und  dafs  die 
Näh-,  Falt-,  Flecht-  und  Ausschneideblätter  und  das  Material  zum 
Kettenschnüren  nur  einmal  zur  Verwendung  kommen. 

Die  gleiche  Sorgfalt  ist  den  Spielmitteln  (Bällen,  Blechformen, 
Gartengeräten,  Steckenpferden,  Reifen  u.  s.  w.)  zuzuwenden. 


flerfottalien. 


Dem  Direktor  des  Kaiserlichen  Gesundheitsamtes  Dr.  Köhler 
in  Berlin  wurde  der  rote  Adlerorden  II.  Klasse  mit  Eichenlaub  und 
Krone  verliehen. 

Bei  dem  Königlich  preußischen  Ministerium  der  geistlichen, 
Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten  sind  die  Geheimen  Re- 
gierungsräte und  vortragenden  Räte  Hegel  und  Wever  zu  Geheimen 
Oberregierungsräten  befördert  worden. 

Der  Ministerialrat  und  Sanitätsreferent  im  k.  k.  österreichischen 
Ministerium  des  Innern  Dr.  Emanuel  KüSY  ist  in  den  Ritterstand 
erhoben  worden. 

Den  k.  k.  Landessanitätsreferenten  Dr.  Ludwig  Ritter  von 
Karajan  in  Wien,  Dr.  Josef  Mebunowioz  in  Lemberg  and 
Dr.  Ignaz  Pelo  in  Prag  wurde  der  Orden  der  eisernen  Krone 
III.  Klasse  verliehen. 

Dem  Stadtphysikus  von  Wien  Dr.  Emil  Kammerer  ist  der 
Titel  Regierungsrat  beigelegt  worden. 

Unser  verehrter  Mitarbeiter,  Herr  Oberrealschuldirektor  a.  D. 
Dr.  Nobggerath  zu  Hirschberg  in  Schlesien,  erhielt  den  roten 
Adlerorden  m.  Klasse  mit  der  Schleife. 

Mit  dem  Ritterkreuz  I.  Klasse  des  Königlich  sächsischen  Ver- 
dienstordens sind  der  Rektor  der  Fürsten-  und  Landesschule  zu 
Grimma,  Professor  Dr.  Kurt  Gehlert,  sowie  die  Bezirksschal- 
inspektoren, Schulrat  Karl  Gotth.  Dachselt  in  Chemnitz  und 
Schulrat  Ernst  E.  Lohse  in  Zwickau,  dekoriert  worden. 

Dr.  Adolf  Jolles  in  Wien  erhielt  in  Anerkennung  erfolgreich 
durchgeführter  hygienischer  Untersuchungen  das  Ritterkreuz  des 
Daniloordens. 


445 

Unserem  geschätzten  Mitarbeiter,  Herrn  Bezirksarzt  Dr.  Yincenz 
Bbbchler  Rittsr  von  Tboseowitz  in  Leitmeritz,  ist  das  goldene 
Verdienstkreuz  mit  der  Krone  verliehen  worden. 

Den  Kreisschulinspektoren  Faust  in  Neisse,  Dr.  Hüppb  in 
Kosel  und  Czygan  in  Falkenberg  wurde  der  Charakter  als  Schulrat 
beigelegt. 

Unser  verehrter  Mitarbeiter,  Herr  Oberlehrer  am  Realgymnasium 
in  Altana,  Dr.  Mbhmel,  hat  die  Amtsbezeichnung  Professor  er- 
halten. 

Der  erste  Lehrer  an  der  städtischen  TaubBtummenschule  in 
Berlin  Albert  Gutzmann  wurde  zum  Yiceprftsidenten  der  Ab- 
teilung für  körperliche  Erziehung  bei  dem  pädagogischen  Welt- 
kongresse in  Chicago  ernannt  und  ersucht,  einen  Aufsatz  über  die 
physische  Ausbildung  der  Taubstummen  an  das  Komitee  des  Kon- 
gresses einzusenden. 

Kreisschulinspektor  Schulrat  Tarony  zu  Königsberg  i.  Pr. 
ist  zum  Provinzialschulrat  daselbst  gewählt  worden. 

Der  aufserordentliche  Professor  in  der  medizinischen  Fakultät 
zu  Berlin  und  Direktor  der  städtischen  Irrenheilanstalt  in  Lichten- 
berg Dr.  Moeli  ist  als  ordentliches  Mitglied  in  die  wissenschaft- 
liche Deputation  für  das  Medizinalwesen  eingetreten. 

Unser  geschätzter  Mitarbeiter,  der  im  österreichischen  Ministerium 
des  Innern  in  Verwendung  stehende  Bezirksarzt  I.  Klasse  Dr.  August 
Netolitzky,  wurde  zum  k.  k.  Ministerialvicesekretär  befördert. 

Der  Geheime  Oberschulrat  Soldau  in  Darmstadt  und  Direktor 
Professor  Dr.  Ritter  in  Rudolstadt  sind  zu  Mitgliedern  der  deutschen 
Reichsschulkommission  ernannt  worden. 

Dr.  Pillon  hat  bis  zum  Ende  des  Schuljahres  1892—93  die 
Leitung  des  hygienischen  Laboratoriums  bei  der  medizinischen 
Fakultät  in  Nancy  übernommen. 

Der  inspizierende  Amtsarzt  in  Steiermark,  k.  k.  Bezirksarzt 
I.  Klasse  Dr.  August  Schneditz,  wurde  zur  Dienstleistung  im 
Sanitätsdepartement  des  österreichischen  Ministeriums  des  Innern  ein- 
berufen. 

Der  Neffe  Professor  Pasteurs  A.  Loir  ist  zum  Direktor 
des  neugegründeten  bakteriologischen  Institutes  in  Sydney  ernannt 
worden. 

Die  Stelle  eines  ordinierenden  Arztes  und  Vorstandes  einer 
okulistischen  Abteilung  der  Wiener  k.  k.  Krankenanstalten  wurde 
dem  bisherigen  Leiter  der  Augenabteilung  im  Krankenhause  Wieden, 
Primarärzte  Dr.  Hans  Adler,  der  zu  unseren  Mitarbeitern  zählt, 
übertragen. 

Dr.  med.  Dblvaille  in  Bayonne,  gleichfalls  unser  Mitarbeiter, 


446 

ist  von  der  französischen  Regierang  mit  einer  Mission  nach  Belgien 
und  Holland  betrant  worden,  um  die  schulhygienischen  Verhältnisse 
daselbst  zu  studieren. 

Unser  verehrter  Mitarbeiter,  Herr  Professor  der  Augenheilkunde 
Dr.  Hebmann  Cohn,  begeht  am  24.  Juli  das  fünfundzwanzigjährige 
Jubiläum  seiner  akademischen  Lehrthätigkeit  in  Breslau.  Wir  bringen 
dem  hochverdienten  Vorkämpfer  der  Schulhygiene  unsere  angelegent- 
lichsten Glückwünsche  zu  seinem  Ehrentage  dar. 

Wie  aus  Paris  gemeldet  wird,  hat  sich  der  Zustand  Professor 
Pasteurs,  der  seit  längerer  Zeit  an  organischer  Herzschwäche  leidet, 
verschlimmert;  man  hegt  ernste  Befürchtungen  für  das  Leben  des 
greisen  Gelehrten. 

Am  16.  Mai  starb  der  Geheime  Regierung«-  und  vortragende 
Rat  im  Königlich  preufsischen  Kultusministerium,  Professor  Dr. 
Konrad  Schottmüller,  51  Jahre  alt. 

Der  um  den  Taubstummenunterricht  verdiente  Hofrat  Karl 
Renz  in  Stuttgart  ist  am  27.  Januar  einer  Lungenentzündung  er- 
legen. 

Am  7.  April  verschied  in  Riga  der  Veteran  unter  den  Ärzten 
dieser  Stadt,  Staatsrat  Dr.  Wilhelm  von  Reichard,  im  83.  Lebens- 
jahre; der  Heimgegangene  fungierte  auch  an  mehreren  dortigen 
Schulen  als  Arzt. 


fitteratur. 


Besprechungen. 

Dr.  Adriano  Garbini.    Evoluzione  della  voce  nella  infiraria. 

Memoria,  letta  il  3.  Juglio  1892  all'  Accademia  d'Agricoltura, 
Arti  e  Commercio  di  Verona.  Con  10  tab.  Verona,  1892. 
Stabilimento  tipo-lit.  G.  Franchini.     (53  S.  8°.) 

Der  Verfasser  bestrebt  sich,  eine  in  der  medizinischen  sowohl 
als  in  der  musikalischen  Litteratur  herrschende  Lücke  auszufüllen. 
Über  die  Entwickelung  der  Stimme  im  zarten  Kindesalter  sind  die 
bisher  bekannt  gewordenen  spärlichen  Angaben  so  gut  wie  wertlos 
und  einander  vollständig  widersprechend. 

Zum  Teil  durch  Beobachtungen  von  Säuglingen,  zum  Teil  durch 
Studien,  die  in  den  in  Verona  eingebürgerten  FRÖBELschen  Kinder- 
gärten angestellt  wurden,  suchte  Dr.  Garbini  die  Stimme  des 
Kindes  in  sprachlicher  und  namentlich  in  musikalischer  Beziehung 
näher   kennen    zu   lernen.     Seine  Mitteilungen  umfassen   die  ersten 


447 

Natarlaute  der  Säuglinge  und  sodann  die  Entwickelung  der  kindlichen 
Stimme  bis  zum  sechsten  Lebensjahre  einschließlich.  Er  versucht 
die  natürlichen  Grenzen  des  Stimmumfanges  für  diese  Zeit  fest- 
zustellen. Ferner  bestimmt  er,  wann  zuerst  das  Kind  musikalische 
Töne  zu  reproduzieren  im  stände  ist.  Die  Qualität  dieser  Töne 
wurde  näher  untersucht,  und  endlich  gelangt  die  Frage  zur  Be- 
sprechung, innerhalb  welcher  Grenzen  der  kleinen  Kindern  erteilte 
Gesangunterricht  einen  für  die  Entwickelung  der  Stimme  und  des 
musikalischen  Gehörs  heilsamen  Einflufs  ausüben  könne. 

Der  Autor  geht  von  der  Voraussetzung  aus,  dafs  der  Neu- 
geborene taub,  zum  wenigsten  für  Schalleindrücke  unempfindlich  sei. 
Die  frühesten  wimmernden  Töne,  die  der  Säugling  von  sich  gibt, 
sind  nur  reflektorisch  hervorgerufen  und  durch  die  neuen  ihn  um- 
gebenden physikalischen  Einflüsse  bedingt.  Die  sich  noch  während 
der  ersten  Jahre  geltend  machende  Schwierigkeit,  musikalische  Laute 
mit  der  Stimme  richtig  und  sicher  nachzuahmen,  liegt  einerseits  in 
der  mangelhaften  Entwickelung  des  Kehlkopfes,  besonders  der  Stimm- 
bänder, andererseits  in  der  ungenügend  ausgebildeten  Funktions- 
fähigkeit der  zwischen  Hörcentren,  Sprachcentren  und  motorischen 
Centren  gelegenen  centralen  Verbindungsbahnen.  Um  dem  Verfasser 
in  seinen  Auseinandersetzungen  folgen  zu  können,  ist  es  nötig,  einige 
Definitionen  desselben  vorauszuschicken: 

1.  Modali tä  vocale  bezeichnet  nach  ihm  die  Qualität  der 
Stimme,  ob  Bruststimme,  Kopfstimme  oder  musikalisch  nicht  voll- 
wertige Töne  vorliegen. 

2.  Unter  limiti  vocali  possibili,  „äufserste  erreichbare 
Grenzen  der  Stimme",  versteht  er  jeweilen  die  höchsten  und  tiefsten 
Töne,  welche  von  den  Kindern  eines  bestimmten  Alters  gesungen 
werden  können.  Dieselben  wurden  ohne  Rücksicht  auf  Register  oder 
auf  das  Geschlecht  der  Kinder  bestimmt. 

3.  Estenzione  fisiologica  bedeutet  den  Umfang  der  Töne, 
die  zwischen  derjenigen  Note  des  Brustregisters  und  derjenigen  des 
Kopiregisters  gelegen  sind,  welche  von  dem  Kinde  am  vollsten, 
kräftigsten  und  in  zwangloser  Weise  gesungen  werden  können.  Der 
für  den  Gesangunterricht  verwendbare  Stimmumfang  darf  etwas  größer 
als    der    erwähnte    physiologische   Stimmumfang    angesehen   werden. 

4.  Potenzialitä  delle  varie  note  gibt  an,  wieviele  der 
examinierten  Zöglinge  jede  einzelne  innerhalb  ihres  Stimmumfanges 
liegende  Note  musikalisch  richtig  singen  konnten.  Diejenigen  Töne, 
welche  von  der  relativ  größten  Anzahl  der  untersuchten  Kinder  ge- 
sungen werden,  haben  die  stärkste  „potenzialitä",  welchen  Ausdruck 
man  etwa  mit  „Machtfülle"  übersetzen  könnte.  Dieselbe  wurde  für 
die  einzelnen  Töne  der  verschiedenen  Register  bestimmt. 


448 

5.  Bezüglich  der  Register  unterscheidet  der  Autor  außer  der 
Bruststimme  und  der  Kopf-  oder  Falsettstimme  noch  die  voce  di 
passagio  oder  Übergangsstimme,  worunter  er  die  zwischen  Brust- 
und  Kopfstimme  gelegenen,  bald  mehr  der  einen,  bald  mehr  der 
anderen  sich  qualitativ  annähernden  Töne  begreift.  Wohl  zu  unter- 
scheiden sind  von  den  letzteren  einerseits  die  voci  incerte,  d.  i. 
Töne,  die  musikalisch  nicht  ganz  richtig  sind,  weil  sie  ihrer 
Schwingungszahl  nach  entweder  etwas  höher  oder  etwas  tiefer  liegen 
als  diejenigen,  welche  das  Kind  singen  sollte,  andererseits  die  voci 
variabili,  d.  h.  solche  Töne,  welche  das  gleiche  Kind  bald  richtig, 
bald  falsch  hervorzubringen  pflegt. 

6.  Valutazione  vocale  bedeutet  die  tabellarisch  geordnete 
Zusammenstellung  aller  von  einem  einzelnen  Kinde  gesungenen  Töne, 
mit  Festsetzung  derjenigen  Töne,  welche  es  entweder  musikalisch 
richtig  oder  ungenau  singt,  sowie  derjenigen,  die  mit  Brnststimme, 
mit  Kopfstimme  oder  mit  Übergangsstimme  gesungen  werden. 

Die  limiti  possibili  nehmen  mit  jedem  Lebensjahre  zu.  Mit 
dem  dritten  Jahre  können  fast  alle  Kinder  (11  von  15  examinierten) 


das  mix  und  das  fal  musikalisch  genau  singen:   -fa — —j—.    Mit 


:||I 


i 


dem  sechsten  Lebensjahre  liegen  bereits  die  Grenzen  der  Stimme 
zwischen  la  und  mi*. 

Die  Prüfungen  des  Autors  erstrecken  sich  über  ungefähr 
400  Kinder,  die  er  meistens  in  Beobachtungsreihen  von  je  50  In- 
dividuen gruppierte. 

Die  Ergebnisse  seiner  Untersuchungen  fafst  er  folgendermaßen 
zusammen: 

I.  Bei  Neugeborenen  wimmernde,  auf  reflektorischem  Wege  er- 
zeugte Töne  ohne  individuelle  Klangfarbe,  deren  Höhe  zwischen  fa* 
und  fa*  schwankt.  Diese  Töne  sind  schwach  und  von  sehr  kurzer 
Dauer;  sie  können  ungefähr  60  mal  in  der  Minute  wiederholt  werden. 

IL  Während  der  ersten  2  Monate  unartikuliertes  Schreien. 
Es  beginnt  sich  eine  eigentliche  Stimme  zu  bilden.  Dieselbe  hat 
eine  nasale,  allen  Individuen  gemeinsame  Klangfarbe.  Ihre  Höhe 
liegt  zwischen  /a2  und  /as.  Die  Töne  sind  stärker  geworden  und 
von  längerer  Dauer.  Jeder  derselben  kann  ungefähr  40  mal  in  der 
Minute  wiederholt  werden. 

HI.  Vom  2.  bis  zum  8.  Monate  kommen  artikulierte  Laute 
zum  Vorschein.  Die  Stimme  erscheint  kräftiger,  ihre  Klang- 
farbe ist  aber  noch  nicht  individuell  differenziert.  Ihre  Höhe  liegt 
zwischen  do*  und  do*.  Die  Dauer  der  Laute  ist  eine  längere,  es 
finden  ungefähr  27  Wiederholungen  in  der  Minute  statt. 


449 

IV.  Tom  8.  bis  zum  18.  Monate  zeigen  sich  rasche  Fort- 
schritte in  der  Differenzierung  der  Töne.  Dieselben  werden 
moduliert,  die  Klangfarbe  individuell.  Die  Stärke  des  Tones  pflegt 
geringer  zu  sein  als  vorher.    Die  Töne  variieren  zwischen  do%  und  do3. 

V.  Vom  18.  bis  zum  24.  Monat  hat  sich  der  Kehlkopf  stärker 
entwickelt.  Die  Qualität  der  Töne  wird  bestimmter,  die  Höhe  der- 
selben ist  geringer  geworden.  Einige  Noten  werden,  wenn  auch 
unsicher,  nachgeahmt.  Das  Kind  beginnt  in  musikalischen  Tönen 
„vor  sich  her  zu  plaudern".  Die  Höhe  dieser  Töne  liegt  zwischen 
st1  und  mi*. 

VI.  Zwischen  dem  2.  und  3.  Lebensjahre  kann  man  zum 
ersten  Male  von  einer  eigentlichen  Stimmausdehnung  reden,  deren 
äußerste  Grenzen  in  rel  und  lal  gelegen  sind.  Mi1  und  fal  werden 
musikalisch  richtig  gesungen.  Es  beginnen  sich  zwei  Register  zu 
differenzieren.  Die  Intensität  des  Schreiens  nimmt  ab,  während  die 
Kraft  der  gesungenen  Töne  zunimmt.  Die  Klangfarbe  wird  immer 
mehr  individualisiert,  und  man  bemerkt  zum  ersten  Male  eine  durch 
das  Geschlecht  bedingte  Verschiedenheit  derselben.  Das  gesungene 
Geplauder  verwandelt  sich  allmählich  in  rhythmische  Sätze  mit 
musikalischen  Anklängen.  Einige  musikalische  Takte  können,  wenn 
auch  schwer  und  ungenau,  nachgeahmt  werden. 

VII.  Vom  3.  bis  6.  Lebensjahre  ist  die  Ausdehnung  der 
Stimme  wohl  begrenzt.  Dieselbe  liegt  iwischen  la  und  rt%  für 
die  Knaben  und  sol  und  mi*  für  die  Mädchen.  Der  physiologische 
Umfang  der  Stimme  umfafst  für  die  Mädchen  4,  für  die  Knaben 
5  Töne.  Es  besteht  ein  deutlich  wahrnehmbarer  Unterschied  zwischen 
beiden  Registern  und  der  sogenannten  Übergangsstimme.  Liedchen 
und  ihre  Melodien  können  genau  wiederholt  werden.  Das  musika- 
lische Gehör  ist  wohl  ausgebildet,  auch  die  Fähigkeit  zum  musikalisch 
richtigen  Anstimmen  vorhanden. 

Aus  diesen  Beobachtungen  zieht  der  Autor  folgende  praktisch 
wichtigen  Schlüsse: 

a.  Ein  für  die  Praxis,  d.  h.  für  musikalische  Übungen  ver- 
wendbarer Stimmumfang  fängt  erst  mit  dem  4.  Lebensjahre  an 
und  umfa&t  ohne  Unterschied  des  Geschlechtes  5  Töne  für  drei- 
jährige, 6  Töne  für  vierjährige  und  8  Töne  für  fünfjährige  Kinder. 
Für  gemischte  Chöre,  die  aus  drei-  bis  sechsjährigen  Kindern  be- 
stehen, 1>eträgt  im  Durchschnitt  der  praktisch  brauchbare  Stimm- 
umfang 5  Töne.  Werden  gemischte  Chöre  aus  fünf-  bis  sechs- 
jährigen Kindern  gebildet,  so  soll  der  zu  den  Übungen  verwendete 
Stimmumfang  anfangs  6  Töne  und  nach  einer  Ausbildung  von 
8  Monaten  8  Töne  umfassen. 

b.  Gemischte  Chöre  können  aus  Kindern  von  3   bis   5  Jahren 


450 

oder  von  4  bis  6  Jahren  zusammengesetzt  werden.  Es  wäre  aber 
nicht  zulässig,  dreijährige  mit  fün^ährigen  zusammensingen  zu  lassen, 
aufser  wenn  das  Liedchen  seinem  Umfange  nach  für  die  kleinsten, 
also  für  die  drei-,  bezw.  vierjährigen  pauste. 

c.  Der  Gesang  der  Kinder  soll  immer  maisig  lant  sein,  um  die 
Unsicherheit  in  der  Angabe  des  Tones  zu  vermeiden,  um  die  Stimme 
allmählich  auszubilden  und  um  die  Peremption  der  verschiedenen  an- 
gestimmten Töne  zu  erleichtern. 

d.  Die  Gesangübungen  vergrößern  den  Stimmumfang,  machen 
ungenaue  Töne  sicher  und  gewöhnen  die  Stimmen  der  Kinder  har- 
monisch aneinander. 

e.  Die  Lehrerinnen,  welche  eine  Sopranstimme  haben,  müssen 
sehr  acht  geben,  dafs  ihnen  die  Kinder  in  der  Angabe  der  höheren 
Töne  nicht  folgen,  was  dieselben  bei  dem  ihnen  eigentümlichen  Nach- 
ahmungstriebe zu  thun  geneigt  sind.  Die  Kinder  würden  sich  auf 
diese  Weise  die  Stimmbänder  nur  verderben. 

f.  Während  des  Singens  soll  niemals  das  re'  erreicht  werden, 
weil  es  zu  hoch  ist,  und  nur  selten  das  $i  und  das  la,  welche  zu 
sehr  ermüden. 

g.  Die  gröfste  Tonstärke  wird  man  mit  den  Tönen  mi1  und 
fa1  erzielen,  die  kleinste  mit  si1  und  do*.  Der  bedeutendste  har- 
monische Effekt,  bei  welchem  von  der  Tonstärke  abgesehen  wird, 
ist  in  den  tieferen  Tönen  zu  suchen.  Die  gröfste  Intensität  der 
einzelnen  Töne  im  Gegensatze  zur  gröfsten  Tonstärke,  welche  durch 
das  Zusammenwirken  der  meisten  Stimmen  erzeugt  wird,  erhält  man 
mit  den  höheren  Tönen  la1,  sil,  do*. 

h.  Bei  den  zweistimmigen  Chören  darf  man  nicht  vergessen, 
die  Kinder  immer  so  zu  verteilen,  dafs  man  der  zweiten  Stimme 
diejenigen  zuweist,  welche  die  tieferen  Töne  mit  gröfserer  Leichtig- 
keit zu  singen  pflegen.  Da  diese  tiefen  Töne  an  und  für  sich  eine 
geringere  Schallwirkung  haben  als  die  hohen,  so  wird  man,  um  zu 
verhindern,  dafs  die  zweite  Stimme  von  der  ersten  verdeckt  werde, 
der  letzteren  eine  relativ  kleinere  Anzahl  von  Individuen  zuweisen, 
z.  B.  ein  Drittel,  wenn  es  sich  um  gleichaltrige,  ein  Fünftel,  wenn 
es  sich  um  Kinder  verschiedenen  Alters  handelt.  Der  soeben  erwähnte 
Unterschied  wird  dadurch  bedingt,  dafs  die  Stimme  von  f&nQährigen 
Kindern  viel  stärker  ist  als  diejenige  von  vier-  und  dreijährigen. 

Mit  diesem  Versuche,  eine  Physiologie  der  Stimme  des  kind- 
lichen Alters  zu  begründen  und  die  für  den  Gesangunterricht  kleiner 
Kinder  zu  beachtenden  Regeln  festzustellen,  hat  Dr.  Gakbent  sich 
an  eine  ebenso  schwierige  als  dankenswerte  Aufgabe  gewagt.  Ein 
grofses  Verdienst  gebührt  ihm  schon  deshalb,  weil  er  die  Notwendig- 
keit  betont,    den   Stimmumfang    der   verschiedenen  Lebensalter    zu 


451 

kennen  und  den  Gesangunterricht  den  natürlichen  Grenzen  der  kind- 
liehen Stimme  anzupassen.  Gegen  diese  Regel  scheint  bisher  viel 
gesündigt  zu  sein;  „poveri  bambini!"  dürfen  auch  wir  mit  dem 
Verfasser  ausrufen. 

Ein  Gesangunterricht,  welcher  die  natürliche  Leistungsfähigkeit 
der  kindlichen  Organe  berücksichtigt,  wird  stets  die  Stimme  kräf- 
tigen und  das  musikalische  Gehör  des  Kindes  verbessern,  während 
ein  der  Stimme  angethaner  Zwang  den  zarten,  noch  mangelhaft  ent- 
wickelten Stimmbändern  unfehlbar  Schaden  zufügt. 

Vom  laryngologischen  Standpunkte  wären  Mitteilungen  über 
Kehlkopfbefunde  von  Interesse  gewesen;  namentlich  wäre  es  wichtig, 
das  Verhalten  der  Stimmbänder  während  der  sogenannten  „note 
di  passag io"  kennen  zu  lernen,  eine  Aufgabe,  die  man  bei  der 
Untersuchung  fünf-  bis  sechsjähriger  Kinder  wohl  lösen  könnte. 

Sehr  anregend  sind  auch  die  Beobachtungen  über  die  Natur- 
laute  kleiner  Kinder.  Es  wäre  nicht  uninteressant,  zu  erfahren,  ob 
dieselben  sich  in  den  verschiedenen  Ländern  annähernd  gleich  oder 
verschieden  verhalten.  Derartige  Untersuchungen  dürften  insbesondere 
musikalisch  gebildeten  Familienvätern  oder  Familienmüttern  aufs 
wärmste  empfohlen  sein. 

Privatdocent  Dr.  med.  A.  Schwbndt  in  Basel. 

Dr.  Psblia,  Augenarzt  in  Krefeld.  Leitfaden  der  Hygiene  des 
Alges.  Mit  32  Abbild.  Hamburg  und  Leipzig,  1893.  Leopold 
Voss.    (135  S.  8°.  JH.  2.) 

Die  Behandhing  der  Krankheiten  wird  stets  eine  nur  dem 
Arzte  zukommende  Aufgabe  sein,  die  Gesundheitspflege  ist  eine 
gemeinsame  Angelegenheit  des  Arztes  und  des  Laien.  Als  Hygieniker 
mufs  der  Arzt  auf  wissenschaftlicher  Basis  in  Gemeinschaft  mit  den 
hierzu  berufenen  Faktoren  die  Grundprincipien  der  Gesundheitslehre 
feststellen,  und  der  Gesetzgeber  wird,  soweit  es  in  Beiner  Macht 
liegt,  diesen  Principien  allseitig  Geltung  verschaffen.  Über  dieses 
Gebiet  hinaus  aber  kann  der  Mediziner  nur  belehrend  einwirken,  sei 
es  durch  sein  Wort  gegenüber  kleineren  Kreisen,  sei  es  durch  die 
8chrift  gegenüber  der  Menge  seiner  Mitmenschen. 

Gemeinverständlich  geschriebene  Bücher  über  Gesundheitslehre, 
von  einem  ernsten  Manne  nicht  für  buchhändlerische  Spekulationen 
verfafst,  werden  daher  stets  willkommene  Erscheinungen  sein,  und 
zu  diesen  dürfen  wir  auch  die  vorliegende  Schrift  des  in  augen- 
ärztlichen Kreisen  wohlbekannten  Verfassers  rechnen. 

Nach  einer  kurzen  anatomisch-physiologischen  Einleitung  behandelt 
dieselbe  je  nach  der  Bedeutung  der  betreffenden  Partie  mehr  oder 
minder  ausführlich  eine  Anzahl  der  wichtigsten  Augenkrankheiten  in 


452 

klarer,  leicht  verständlicher  Weise;  so  die  eiterige  Bindehaut- 
entzündung der  Neugeborenen  und  der  Erwachsenen,  den  Bindehant- 
katarrh, das  Trachom;  ganz  besonders  eingehend  die  Kurzsichtig- 
keit, knapper  die  übrigen  Brechungsfehler  des  Auges;  ferner  die 
Augenerkrankungen  bei  Skrofulöse,  Blattern  und  Syphilis;  die  Augen- 
verletzungen; die  Schwachsichtigkeit  infolge  chronischer  Vergiftungen 
mit  Alkohol,  Schwefelkohlenstoff,  Blei  oder  Tabak;  endlich  die 
Überblendungen  der  Netzbaut.  Alles,  was  in  dem  Buche  steht,  ist 
richtig  und  mit  Berücksichtigung  der  neuesten  Forschungen  in  klarer, 
leicht  fafslicher  Weise  dargestellt. 

Wenn  wir  etwas  tadeln  sollen,  so  wäre  es  der  Umstand,  dafs 
Dr.  Peblia,  der,  wie  die  anatomische  Einleitung  zeigt,  sein  Buch 
doch  für  Laien  schrieb,  zu  viele  medizinische  Kunstausdrücke  benutzt 
Durch  die  Erklärung  und  Verdeutschung  mancher  derselben,  sowie 
die  Hinweglassung  anderer  würde  die  Gemeinverständlichkeit  ent- 
schieden gewinnen.  Vielleicht  wird  in  einer  zweiten  Auflage  diesem 
Wunsche  Rechnung  getragen. 

Professor  der  Augenheilkunde  Dr.  med.  August  Rittee  von  Reuss 

in  Wien. 

A.  Wunderlich,   Lehrer  in  Nürnberg.    Wegweiser  für  Eltern 
und  Lehrer  bei  Einffthrung  der  Steilschrift.    Gotha,  1893. 

E.  F.  Thienemann.  (16  S.  8°.  M.  0,40.) 

Diese  kleine  Broschüre  gehört  unstreitig  zu  dem  Besten,  was 
auf  dem  Gebiete  der  Steilschriftlitteratur  bis  jetzt  erschienen  ist, 
weil  sie  in  gedrängter  Kürze  sowohl  das  Wesen  der  Heftlage  im 
allgemeinen,  wie  das  der  Steilschrift  im  besonderen  erörtert  und  an 
der  Hand  der  von  den  hervorragendsten  Steilßchriftvertretern,  wie 
Schubert,  W.  Mayer,  Hoffa,  Seggel,  gewonnenen  Messungs- 
ergebnisse in  sachlicher  und  überzeugender  Art  bei  Eltern  und 
Lehrern  Verständnis  für  die  Steilschriftbewegung  erweckt.  Auch 
die  angegebenen  Liniaturweiten  finden  meine  volle  Zustimmung  mit 
Ausnahme  derjenigen  für  das  dritte  Schuljahr,  deren  Mittelräume 
mir  zu  eng  vorkommen.  Sagt  doch  der  Verfasser  selber  auf  Seite  12, 
„es  sei  eine  Vergrößerung  der  kleinen  Buchstaben  auf  Kosten  der 
langen  und  halblangen  anzustreben ",  und  besteht  doch  gerade  hierin 
nicht  zum  wenigsten  der  der  Steilschrift  nachgerühmte  Vorzug  der 
Deutlichkeit  und  leichten  Leserlichkeit.  Die  der  kleinen  Schrift  bei- 
gegebenen Photographien  sind  sachlich  und  getreu  und  tragen  zum 
Verständnis  des  Für  und  Wider  der  Frage  gewifs  bei.  Wir  wünschen 
daher  dem  Heftchen  angesichts  des  niedrigen  Preises  die  weiteste 
Verbreitung;  es  wird  mancher  unserer  Gegner  dadurch  überzeugt 
werden.  Städtischer  Lehrer  Philipp  Zimmermann 

in  Frankfurt  a.  M. 


453 

Bibliographie. 

Der  Schulgarten,    dessen    Geschichte,   Bedeutung  und  Einrichtung. 

Neu.  Bad.  Schnlztg.,  Mannheim,  1893,  VIII— X.     JH.  0,60. 
Die  Bedeutung  der  Steüschrift.     Allg.  dtsch.  Lehrerztg.,  1892,  I;  II. 
Dboüinbau,  G.     Le  Sanatorium  Renie-Sabran  ä  Oiens  pour  les 

enfants  scrofiüeux.   Rev.  d'hyg.,  Paris,  1892,  XIV,  1049—1062. 
Etiles,  K.     Die  Überbürdungsfrage  und  das  Schulturnen  vor  fünfzig 

und  mehr  Jahren.     Dtsch.  Turn-Ztg.,  1893,  XX,  343—345. 
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1893,  XLIH,  21—23. 
Fischer,    G.     Die  Fürsorge   für  stotternde    Schüler    in    Breslau. 

Med.-pftd.    Monatsschr.    f.  d.    gsmt.    Sprachhlkde.,    1893,    Mai, 

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Goldscheider.     Zur  Psychologie  und  Pathologie  der  Handschrift. 

Vortrag.     Arch.  f.  Psychiatr.,  Berlin,  1892,  XXIV. 
Haskwow,  A.     Über  Turnspiele.     Ans  d.  Schul.,  1892,  IX. 
Heinz,  H.     Die  Schriftfrage   in   der  Gegenwart.     Thür.   Schulbl., 

1892,  xxn;  xxm. 

Hkinzb,  E.     Steil-  oder  Schrägschrift?    D.  Schnlztg.,  1892,  XXXI. 
Hxrmank,    Aüg.     Eine   Turnstunde   in   der  dritten  Blasse   einer 

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53—59. 
Herrnheisbb,    J.     Die  Eefräktionsentwickelung   des   menschlichen 

Auges.     Mit  5  Kurven.     Berlin,  1892,  Fischer. 
Ist  man  berechtigt,  die  Primaner  während  des  letzten  Jahres  ihrer 

Schulzeit     als     überbürdet     anzusehen?      Verhandlungen     der 

IX.  Direktorenversammlung  in  Posen.     Bd.  XXXVI.  Berlin,  1890, 

Weidmann.     M.  b. 

Ivanoff,  P.  [A  short  course  of  school  hyyiene.]  St.  Petersburg, 
1892,  V.  S.  Balashev.     8°. 

Kalbe,  O.,  Zieglee  C.  und  Dietrich,  Frz.  Zur  Beform  des 
Schreibunterrichts.  TL.  Ziegler,  G.  Heftlage  und  Schrift- 
richtung.    Neu.  Bahn.,  1891,  Juni,  VI,  289—298. 

Kalls,  F.  Nahrungsmitteltafel  mit  erläuterndem  Text  für  den 
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Kipfmüllbr,  B.  Über  Steilschrift.  Lehrerin,  Gera,  1893,  XIII. 
A  0,30. 

Koch.  Ober  Haushaltungsschulen.  Thür.  Lehrerztg.,  1892, 
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Kollock,  C.  W.  The  eyes  of  school  chüdren.  Tr.  South  Car. 
M.  Ass.,  Charleston,  1892,  93—98. 


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Körperliche  und  sittliche  Erziehung,     ßchwz.  Bl.  f.  Gsdhtspfl.,  1893, 

VI,  66—68. 

KOTELMANN,  L.  Demonstrationen,  die  Einftihrung^der  Sieäschrifl 
in  die  Schulen  betreffend.  Transact.  VII.  internat  congr.  hyg. 
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gebrechen  in  Dresden.  Med.-p&d.  Monatsschr.  i  d.  gesmt  Sprach- 
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Küborn,  H.  Vhygibne  scolaire  en  Belgique.  Transact.  VII.  internat. 
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de  Londres  1891.     Le  mouvem.  hyg.,  1891,  Novembre,  XI. 

Lang,  Julius.     Das  MusterschüUimmer.    Mahlhans.  Ztg.,   1893, 

24.  Febr.,  XLVn. 

Lange,  V.  Ober  eine  häufig  vorkommende  Ursache  von  der  lang* 
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(Aprosexia  nasalis).  Vortrag.  Berlin,  1893,  Aug.  Hirschwald. 
Gr.  8°.     M.  0,40. 

La  posieione  del  corpo   netto   scrivere.      Palaestr.    marz.,     1893, 

25.  Febbraio,  II. 

Laubi.  Die  Anwendung  der  Hypnose  bei  der  Therapie  des 
Stotterns.  Med.-päd.  Montsschr.  f.  d.  gesmt.  Sprchhlkd.,  1893, 
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Liersch,  L.  W.  Die  linke  Hand.  Eine  physiologische  und  medi- 
zinisch-praktische Abhandlung  für  Ärzte,  Pädagogen  n.  s.  w. 
Berlin,  1893,  Richard  Scholtz.     8°.     JA.  1,20. 

Magnus,  P.     Manual   training   in  relation   to  health.     Transact 

VII.  internat.   congr.   hyg.  and  demogr.    1891,  London,    1892, 
IV,  123—130. 

Marino,  B.     Biograflas  escolares  de  la  clase  la   del  Jard&n  de 

mfantes     [Schülerbiographien  der  Klasse  la  des  Kindergartens]. 

Bolet.  de  ensenz.  prim.,  Montevideo,  1898,  XLIII,  28 — 88. 
Mosso,    A.      The  physiccd   education   of  tooman.     Translated   by 

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Norbüry,  Frank  P.     Surgical  versus  educational  methods  for  the 

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455 

Bei  der  Redaktion  eingegangene  Schriften. 

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1893.    4°. 
Bericht  Über   Dr.  Petermanns   Schulsanatorium    (Pensionat)   in 

Meran  vom  Jahre  1889  bis  1892.     Meran,  1892.    El.  8°. 
Bibkvlist,  van.    La  memoire.     Gand,  1893,  EL  Engelcke.   iL  2. 
Brodribb,  T.     Manual  of  healih  and  temperance.    London,  1893. 
Buchheister,  J.    Die  Berechtigung  und  gesundheitliche  Bedeutung 

des  Bergsteigens.     Hamburg,  1892,  Verlagsanstalt  A.-G.  (vormals 

J.  F.  Richter).     8°.     iL  0,60. 
Desguin,  Victor.     Ässistance  des  orphelins,  considerte  au  point 

de  vue  de  leur  hygüne  physigue  et  morale.     Transact.  VII.  internat. 

congr.  hyg.  and  demogr.  1891,  London,   1892,  IV,  175—186. 
Dbskau,  H.     Der  Lehrerkursus  für  Knabenhandarbeit  an  der  Beal- 

schule   su   Bockenheim   im    Sommerhalbjahr  1892.      Programm. 

Bockenheim,  1893.     4°. 

Dietrich,  Fr.,  Schneider,  Chr.  und  Dietrich,  H.  Deutsche 
Fibel  (mit  Normalschrift).  Frankfurt  a.  M.,  1893,  Fr.  Dietrich. 
8°.     iL  0,40. 

—  Begleitwort  zur  deutschen  Fibel.  Frankfurt  a.  M.,  1893, 
Fr.  Dietrich.     8°. 

Faber,  Martin.  Zur  deutschen  Fünfkampf  Ordnung.  Dtsch.  Turn- 
Ztg.,  1893,  XV,  251—254. 

Fazio,  Eügenio.     Manuale  tfigiene  compüato  secondo    le  lezioni 

du  Professor  Fazio  dal  Dott.   Domenico  d'AUessandro  Giardina. 

Napoli,  1892.     8°. 
HAkonson-Hansen,   M.  K.     Kaserne-  euer  vUlabygninger  for  vore 

skoler  [Kasernen-  oder  Villenbauten  für  unsere  Schulen  ?]   Norsk 

skoletidende,  1893,  XV,  233—234. 

—  SteUskrift  eHer  lodret  staaende  skokskrift  [Steüschrift  oder  senk- 
recht stehende  Schulschrift].  Norsk  skoletidende,  1893,  XV, 
229—232. 

—  SystemaUsk  Ventilation  [Systematische  Lüftung].  Norsk  skole- 
tidende, 1893,  XII,  185—187. 

Hogg,   W.   Douglas.     Vhygiene  scolaire  dans    les  itabUssements 

d'enseignement  secondaire  de  la  Grande  Bretagne.     Paris,  1892. 
Hooper,    F.    H.      Adenoid   vegeiaüons.     Boston    med.    and    surg. 

Journ.,    1886,  Mar.  4   and  1888,  Mar.  15;    Med.   and.   surg. 

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Jaceson,    J.     Handwritmg  in  relation  to  hygiene.     Transact.   VII. 

internat.    congr.    hyg.   and   demogr.    1891,   London,    1892,  IV, 

47-53. 


456 

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28  Blatt.     Manchen,  1892,  Mey  &  Widmayer.     M.  2,50. 

Lehrbuch  des  Haushaltungsunterrichtes  für  Mädchen  aus  den  wenig 
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zum  Selbstunterricht,  herausgegeben  von  der  Concordia,  Verein 
zur  Förderung  des  Wohles  der  Arbeiter.  Berlin,  1892,  £.  S. 
Mittier  &  Sohn.     Gr.  8°.     M.  0,60. 

Lorentz,  E.  Bas  Internat.  Ein  Beitrag  eur  Lehrerbildungs- 
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Müller,  P.  Ber  Handfertigkeitsunterricht  bei  Schwachsinnigen. 
Ztschr.  f.  d.  Behandl.  Schwachs.  u.  Epilept.,  1892,  V. 

Nigg,  Marianne,  über  die  Notwendigkeit  der  RekonvcUescenten- 
Muser  für  Kinder.  Transact.  VII.  internat.  congr.  hyg.  and 
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Palmberg  and  Newsholme.  Public  health  and  its  applkations. 
London,  1893. 


IfHf^rift  fit  5*nljffitn^fit^f§f. 


VI.  Jahrgang.     1893.  BTo.  9. 


tot\%xu*l-7ibtiauliun$tn. 


Zur  Myopiefrage. 

Von 

H.   ScHMIDT-ßlMPLER, 
Professor  der  Augenheilkunde  in  Göttingen. 

Nur  ungern  habe  ich  mich  entschlossen,  den  Behauptungen 
Sttllings  in  seinem  letztveröffentlichten  Aufsatz1  betreffs  des 
jetzigen  Standes  der  Myopiefrage  entgegenzutreten;  ich  würde 
es  unterlassen  haben,  wenn  ich  denselben  in  einem  ophthalmo- 
logischen Journal  begegnet  wäre.  Da  aber  die  Leser  dieser 
Zeitschrift  trotz  ihres  hohen  Interesses  an  der  Sache  zum 
graben  Teil  nicht  in  der  Lage  sind,  das  wissenschaftliche 
augenärztliche  Material  an  der  Quelle  zu  studieren,  halte  ich 
es  doch  fiir  nötig,  ihnen  durch  Anführung  der  Aussprüche  der 
Untersucher  Gelegenheit  zu  geben,  selbst  zu  sehen,  inwieweit 
das  STiLLiNGsche  Gesetz  Bestätigung  gefunden  hat  oder  nicht. 

Mein  verehrter  Gegner  stützt  sich  besonders  auf  Seggel, 
Pflüger  und  Romano. 

Seggbl  (München,  1890)  schreibt  auf  Grund  von  1628 
Messungen:  „Findet  nun  schon  zufolge  dem  Vorausgehenden 
das  STiLUNGsche  Gesetz  durch  meine  Messungen  keine  Stütze, 
so  scheint  es  durch  die  Berechnung  des  durchschnittlichen 
Index  der  Myopen  einerseits,  der  Niohtmyopen  andererseits 
noch   mehr  widerlegt."     Das   ist   also    dasselbe,    was   ioh  bei 

1  Dirne  ZeUtckrift,  1898,  Na  7  und  8,  S.  377-896. 


458 

ungefähr  1300  Messungen  gefunden  habe.  Allerdings  kommt  dann 
Seggel  später  —  durch  eine,  wie  mir  seheint,  nicht  berechtigte 
Zusammenstellung  anderen  Materials  und  durch  sehr  angreifbare 
Deutungen  —  zu  dem  Schlufs:  „Immerhin  möchte  ich  als 
Ergebnis  meiner  Untersuchungen  den  Nachweis  der  Abhängigkeit 
der  Myopie  vom  Orbitalbau  nur  so  aufgefaßt  wissen,  dals 
niedere  Orbita  nicht  aus  schlief  sliohe  Ursache,  sondern  nur 
ein  häufiges  und  insbesondere  begünstigendes  Moment  ftr 
die  Entstehung  der  Kurzsichtigkeit  ist.  Ich  möchte  überhaupt 
der  Ansicht  entgegentreten,  dafs  die  Kurzsichtigkeit  nur  eine 
bestimmte  und  allgemein  gültige  Ursache  hat.a 

Auch  Pflüger  gibt  die  Richtigkeit  der  SnLUNGschen 
Lehre  nur  „mit  Einschränkungen"  zu. 

Ganz  auf  dem  Boden  derselben  steht  allerdings  Romano,  der 
früher  in  Strasburg  gearbeitet  hat.  Aber  wie  klein  sind  seine 
Zahlen!   Er  hat  350  Sicilianer  untersucht  mit  15%  Myopen. 

Nun  die  Gegner  aufser  mir. 

Weiss  und  Bär  (1889)  schreiben:  „Die  STiLLnrGsche 
Behauptung,  dafs  ein  niederer  Orbitalindex  zur  Myopie 
disponiere,  findet  in  den  mitgeteilten  Messungswerten  keine 
Bestätigung.1* 

Kirchner  (1889)  sagt  auf  Grund  von  2776  Messungen: 
„Also  die  größere  Anzahl  niederer  Orbitalindices  hatten  nicht 
die  myopischen,  sondern  die  hyperopischen  Augen,  ...  so  dafe 
wir  wohl  berechtigt  sind,  den  Ausspruch  Stillings,  dals  die 
Chamäkonchie  die  Bedingung  der  Myopie  sei,  für  irrig  zu 
erklären",  und  weiter:  „Ich  glaube  daher  berechtigt  zu  sein, 
Stellings  weitere  Behauptung,  dals  man  aus  dem  niederen 
Orbitalindex  eines  jungen  Knaben  die  künftige  Myopie  voraus- 
sagen könne,  gleichfalls  für  nicht  zutreffend  zu  erklären." 

Fizia  (1890),  der  das  Gymnasium  in  Teschen  untersuchte, 
berichtet:  „Die  Resultate  meiner  Orbitalmessungen  fielen  aber 
im  allgemeinen  nicht  zu  gunsten  der  Theorie  Stellings  aus.tt 

Rymsza  (1890)  untersuchte  911  Esthen  und  kommt  zu 
dem  Schluß:  „Sämtliche  Zahlenreihen  scheinen  mir  einen 
schlagenden  Beweis  zu  liefern,  der  dazu  berechtigt,  die  Rich- 
tigkeit  des  Naturgesetzes    im  STiLLiNGsehen   Sinne   bezüglich 


■ 

I 


459 

der  Formation  des  Gesichtsschädels  und  der  Augenhöhle  bei 
den  verschiedenen  Refraktionszuständen  zu  beanstanden. u 

Endlich  hat  J.  Hbkrnhetsbr  (1892)  in  Prag  3400  Orbitae 
gemessen.  Das  Resultat  ist:  „loh  kann  daher  auf  Grund 
meiner  Erfahrung  mich  dahin  aussprechen:  Das  von  Stilling 
aufgestellte  Gesetz:  „die  niedrige  Orbita  begünstigt 
das  Zustandekommen  der  Myopie"  ist  für  die  hiesige 
Bevölkerung  nicht  anwendbar." 

Wenn  trotz  dieser  Ergebnisse  Stilling  in  seinem  letzten 
Aufsatz  erklärt,  dafs  die  von  ihm  aufgestellte  Lehre  anfange 
durchzudringen,  und  „dafs  der  Beweis  der  Richtigkeit  des 
formulierten  Gesetzes  zweifellos  als  erbracht  anzusehen  sei", 
so  kann  ich  nach  dem  Angeführten  die  Beurteilung  dieser 
ihm  eigentümlichen  Ansicht  getrost  den  Lesern  überlassen; 
sie  werden  finden,  dafs  gerade  das  Gegenteil  richtig  ist:  das 
SnLLlNGsche  Gesetz  ist  von  der  überwiegenden  Zahl  der 
Untersucher  nicht  bestätigt  worden.  Es  gibt  bis  jetzt  kein 
Naturgesetz,  bei  welchem  in  dieser  Art  die  Ausnahmen  die 
Regel  bilden.  Zudem  hat  Stilling  früher  selbst  einmal 
gesagt:  „wenn  die  erhaltenen  Unterschiede  nicht  im  ganzen 
groüg  sind,  so  beweist -auch  die  ganze  Sache  nichts. u 

Aber  selbst  wenn  die  Thatsache,  dalis  bei  Myopen  in  weit 
überwiegender  Zahl  und  mit  auffallenden  Differenzen  niedere 
Orbitalindices  sich  finden,  bewiesen  wäre,  so  ist,  wie  ich  an 
anderer  Stelle  ausgeführt  habe,  damit  noch  bei  weitem  nicht 
der  kausale  Zusammenhang  zwischen  Chamäkonohie  und  Kurz- 
sichtigkeit festgestellt. 

Der  Vorwurf,  welchen  Stilling  denen,  die  zu  anderen 
Resultaten  kommen,  mit  Vorliebe  zu  machen  pflegt,  dafs  sie 
nämlich  schlecht  gemessen  oder  schlechtes  Untersuchungs- 
material gehabt  hätten,  ist  von  mir  in  Übereinstimmung  mit 
meinen  Unglücksge&hrten  ebenfalls  schon  eingehend  und,  wie 
auch  Seggel  zugibt,  überzeugend  zurückgewiesen  worden. 

Auf  die  folgenden  Ausführungen  Stillings,  welche,  wie 
nicht  andere  zu  erwarten,  mancherlei  Beachtenswertes  enthalten, 

30* 


460 

einzugehen,  habe  ich  hier  keine  Veranlassung.  Nur  möchte 
ich  darauf  hinweisen,  dafs  die  neueste  Theorie  dieses  gedanken- 
reichen Autors,  wonach  die  deletäre  Myopie  aus  Verwandtenehen 
hervorgehen  soll,  zu  ihrer  sicheren  Begründung  einer  groben 
Reihe  exakt  ausgeführter  Untersuchungen  bedürfte.  Nach 
meinen  bisherigen  Erfahrungen  mufs  ich  mich  leider  auch  ihr 
gegenüber  fürs  erste  etwas  skeptisch  verhalten. 


Mit  welchem  Alter  soll  die  allgemeine  Schulpflicht 

beginnen? 

Von 

Otto  Janke, 

städtischem  Lehrer  in  Berlin. 

Indem  seitens  des  Staates  der  Zwang,  während  eines 
bestimmten  Alters  die  Kinder  zur  Schule  zu  schicken,  aus- 
gesprochen wurde,  mutete  auch  die  Frage :  Mit  welchem  Alter 
soll  die  allgemeine  Schulpflicht  beginnen?  zur  Entscheidung 
kommen.  Es  wird  darum  auch  in  allen  diesbezüglichen  Ge- 
*  setzen,  bezw.  Verordnungen  ein  bestimmtes  Alter  für  den 
Beginn  des  Schulbesuches  angegeben.  Aber  eine  Einheit 
bezüglich  dieses  Punktes  ist  weder  in  der  Vergangenheit,  noch 
in  der  Gegenwart  erzielt  worden. 

Für  Preufsen1  findet  sich  die  erste  amtliche  Festsetzung 


1  Schneider  und  v.  Bbbmbn,  Das  Volksschukoesen  im  preußischen 
Staate.    Berlin,  1886. 

Claüsnitzsb,  Geschichte  des  preußischen  Unterrichtsgesetzes. 
Berlin,  1891. 

Die  Gesetzgebung  auf  dem  Gebiete  des  Unterrichtswesens  in  Preufsen. 
Vom  Jahre  1817  bis  1868.    Berlin,  1868. 

Centralblait  für  die  gesamte  UnterrichtsverwaUung.    Berlin,  1867  ff. 


461 

über  dem  Beginn  der  Schulpflicht  in  den  „Principia  regu- 
lativa,  nach  welchen  das  Landschulwesen  im  König- 
reich Preufsen  eingerichtet  werden  soll.  Vom 
1.  August  1736."  Es  heilst  hier  in  §  1:  „Jedes  Schulkind 
ä  5  bis  12  Jahren  inkl.  giebt  dem  Schillmeister  jährlich,  es 
gehe  zur  Schule  oder  nicht,  15  gr.  prfs.  oder  4  ggr.M  Der 
Zwang  des  Sohulgeldzahlens  schlofs  für  die  Eltern  das  Recht 
ein,  ihre  Kinder  vom  5.  Jahre  an  zur  Schule  zu  schicken. 
Die  Pflicht,  dies  nun  auch  wirklich  zu  thun,  ist  in  den 
Principia  regulatiya  an  keiner  Stelle  ausgesprochen. 

Das  „Königlich  Preufsisohe  General-Landschul- 
Beglement  vom  12.  August  1763"  verordnete:  „Alle 
unsere  ünterthanen  sollen  ihre  Kinder,  Knaben  und  Mädchen, 
wo  nicht  eher,  doch  höchstens  vom  5.  Jahre  ihres  Alters  in 
die  Schule  schicken." 

Von  neuem  wurden  die  Verhältnisse  der  Schulpflicht  durch 
das  am  5.  Februar  1794  veröffentlichte  „Allgemeine  Land- 
recht für  die  Preufsischen  Staaten"  geregelt,  welches 
in  Teil  II,  Titel  Xu,  §  43  bestimmt:  „Jeder  Einwohner, 
welcher  den  nötigen  Unterricht  für  seine  Kinder  in  seinem 
Hause  nicht  besorgen  kann  oder  will,  ist  schuldig,  dieselben 
nach  zurückgelegtem  5.  Jahre  zur  Schule  zu  schicken/  Und 
§  44  lautet:  „Nur  unter  Genehmigung  der  Obrigkeit  und  des 
geistliehen  Schulvoretehers  kann  ein  Kind  länger  von  der 
Schule  zurückgehalten  werden." 

Trotzdem  durch  §  43  dieses  Gesetzes  ein  gleichmäßiges 
Verfahren  geschaffen  war,  wurde  doch  im  §  44  den  einzelnen 
Schulaufsichtebehörden  das  Recht  zugestanden,  in  Fällen  des 
Bedürfnisses  den  Zeitpunkt  für  den  Beginn  der  Schulpflicht 
zu  verändern.  Von  dieser  Befugnis  haben  die  genannten  Be- 
hörden denn  auch  vielfach  Gebrauch  gemacht,  so  dafs  nicht 
dut  in  den  einzelnen  Provinzen,  sondern  sogar  in  den  Be- 
gierungsbezirken derselben  Provinz  verschiedene  Festsetzungen 
über  den  Zeitpunkt  für  den  Beginn  der  Schulpflicht  vorhanden 
sind.  Es  herrscht  zur  Zeit  eine  solche  Unklarheit  in  den 
betreffenden  Bestimmungen,  eine  solche  Mannigfaltigkeit  der- 


462 

selben,  da£s  es  schwierig  ist,  sich  ein  richtiges  Bild  dieser 
Materie  zu  verschaffen. 

Im  Laufe  der  Zeit  hat  sich  aber  eine  Verschiebung 
des  Lebensalters  für  den  Eintritt  in  die  Schule  voll- 
zogen. Die  ältesten  Verordnungen  setzten  diesen  Zeitpunkt 
für  das  vollendete  5.  Lebensjahr  fest;  ja  es  mutete  sogar  eine 
Verfügung  erlassen  werden  (Regierung  zu  Düsseldorf  vom 
30.  Oktober  1825),  dafs  Sander  vor  vollendetem  5.  Jahre  nicht 
die  Schule  besuchen  dürften.  Die  spateren  Verordnungen 
wühlen  dagegen  zumeist  das  vollendete  6.  Jahr.  In  der  Gegen- 
wart ist  selbst  das  Bestreben  erkennbar,  einen  noch  späteren 
Zeitpunkt  für  den  Beginn  der  Schulpflicht  zu  bestimmen.  Diesem 
Bestreben  wurde  Ausdruck  gegeben  durch  einen  Antrag  im 
preußischen  Abgeordnetenhause,  »in  Erwägung  zu  ziehen,  ob 
nicht  der  Anfangspunkt  des  obligatorischen  Schul- 
unterrichts hinauszuschieben  sei".  Es  ist  dies  für 
mich  die  Veranlassung  geworden,  mich  eingehend  mit  der  Frage 
nach  dem  geeignetsten  Zeitpunkte  des  Schulbeginnes  zu  be- 
schäftigen. 

Um  allen  bei  der  Bestimmung  dieses  Zeitpunktes  in 
Betracht  kommenden  Gründen  gerecht  zu  werden,  mufs  der 
Beginn  der  Schulpflicht  in  hygienischer,  pädagogischer 
und  volkswirtschaftlicher  Beziehung  betrachtet  werden. 
Nur  wer  diese  Beziehungen  sämtlich  ins  Auge  fa&t,  kann  ein 
Urteil  fällen,  das  Anspruch  auf  allgemeine  Geltung  hat. 

Die  Aufgabe  dieser  Zeilen  soll  es  jedoch  nur  sein,  die 
hygienischen  Momente,  die  bei  der  Festsetzung  dieses  wichtigen 
Zeitabschnittes  heranzuziehen  sind,  in  Kürze  vorzuführen. 

Um  beurteilen  zu  können,  inwieweit  der  Termin  für 
den  Beginn  der  Schulpflicht  den  Gesetzen  der  Gesundheits- 
lehre entspricht,  müssen  wir  das  Verhalten  der  körperlichen 
Entwiokelung  in  den  Jahren,  die  für  den  Anfang  des  Schul- 
besuches landesüblich  sind,  feststellen.  Eine  richtige  An- 
schauung von  der  Gesamtentwickelung  des  Körpers 
werden  wir  aber  nur  dann  gewinnen,  wenn  wir  dessen  ein- 
zelne Masse  und  wowomöglich  auch  das  Wachstum  der  ver- 


463 

schiede  nen  Körperorgane  zu  bestimmen  vermögen.  Für 
diesen  Zweck  müssen  wir  die  Entwickelung  des  Kindes 
von  der  Geburt  an  verfolgen.  Aber  die  bezügliche  Litterator 
versagt  hier  leider  nur  zu  oft.  Am  besten  ist  noch  die 
kindliche  Entwickelung  im  ersten  Lebensjahre  beobachtet. 
Für  die  folgende  Zeit,  besonders  für  das  Alter  vom  2.  bis 
6.  Jahre,  sind  die  Ermittelungen  bis  jetzt  nicht  so  umfassend, 
als  wünschenswert  ist.  Die  Zeit  des  schulpflichtigen  Alters 
dagegen  weist  in  einzelnen  Ländern  schon  recht  wertvolle  und 
umfangreiche  Untersuchungen  auf,  so  in  Schweden,  Dänemark, 
Kordamerika  und  England;  nur  Deutschland  ist  weit, 
sehr  weit  zurückgeblieben. 

Es  ist  eine  von  der  medizinischen  Wissenschaft  allgemein 
geteilte  Anschauung,  dals  Körperlänge,  Körpergewicht, 
Körperkraft  und  Brustumfang  einen  zuverlässigen  Mals- 
stab für  die  Entwickelung  des  menschlichen  Körpers  bilden. 
Auf  diese  Verhältnisse  muis  sich  zunächst  unser  Augenmerk 
richten.  Es  standen  von  den  Messungen,  die  für  unsere  Zwecke 
verwendbar  sind,  folgende  zur  Verfügung:  die  von  Quetblbt 
in  Brüssel,  Bowditoh  in  Boston,  Pagliani  in  Turin,  der 
Kommission  in  Dänemark,  der  Kommission  in  Schweden, 
von  Roberts  in  London,  Landsberger  in  Posen,  Carstädt 
in  Breslau,  Oppenheimer  in  München.1 

Nun  ist  es  aber  nicht  angängig,  einen  Durchschnitt 
aller  Untersuchungsergebnisse  zu  geben;  denn  nicht 
nur  in  den  einzelnen  Ländern,  sondern  auch  in  jeder  Ge- 
meinde, die  sich  durch  veränderte  Lebensverhältnisse  von  den 
nachbarlichen   unterscheidet,    entwickeln   sich   die  Kinder  an 

1  Quetelet,  AnthroponUtrie  etc.    Bruxelles,  1870. 

Vdbbordt,  Grundriß  der  Physiologie,    Tübingen,  1861. 

Axel  Est,  Schulhygienische  Untersuchungen.  Deutsch  von 
Bus-GEBOTEnr.    Hamburg,  1889. 

Axbl  Key,  Die  Pubertätsentwickelung  und  das  Verhältnis  derselben 
su  den  Krankheitserscheinungen  etc.    Berlin,  1890. 

Lahdsbebgbb,  Das  Wachstum  im  Alter  der  Schulpflicht.  Archiv 
für  Anthropologie,  Bd.  XVII. 

Molbsohotts  Untersuchungen  etc.    Xu,  1,  1878. 


464 

Länge,  Gewicht,  Kraft  und  Brustumfang  verschieden.  Es  ist 
daher  auch  nicht  zulässig,  jene  bisher  bekannten  allgemeinen 
Resultate  zur  Bestimmung  des  Entwickelungsstandpunktes 
eines  jeden  beliebigen  Individuums  zu  verwenden.  Dieses 
Umstandes  wegen  kommt  es  zunächst  darauf  an,  durch  um- 
fangreiche Messungen  und  Wägungen  bestimmte  Malse  fibr 
jeden  Ort  zu  gewinnen.  Sind  diese  Ma&e  einmal  bekannt,  so 
können  sie  auf  lange  Zeit  hinaus  als  Norm  gelten,  um  zu 
beurteilen,  wieweit  der  Körper  des  Individuums  dem  „Durch- 
schnittsmenschen" entspricht. 

Was  lehren  uns  nun  die  bisher  bekannt  gewordenen  Dnter- 
suchungsergebnisse  zur  Entscheidung  unserer  Frage? 

1.  Länge.  In  den  einzelnen  Ländern  hat  man  verschiedene 
Werte  für  die  absolute  Grölse  konstatiert.  So  sind  z.  B. 
die  Kinder  in  Nordamerika,  Dänemark  und  Schweden  am 
Grölse  den  Kindern  der  übrigen  Nationen  Überlegen.  In  ihrem 
6.  und  7.  Lebensjahre  sind  sie  6  bis  10  cm  länger,  als  ihre 
gleichaltrigen  Genossen  anderer  Länder.  Es  ist  an  dieser 
Stelle  nicht  möglich,  die  von  den  einzelnen  Autoren  gefundenen 
Zahlen  der  absoluten  Länge  mitzuteilen.  Wichtiger  aber  als 
die  Kenntnis  der  absoluten  Grölse  ist  es,  die  Zunahm«  an 
Länge  in  den  einzelnen  Lebensjahren  zu  kennen.  Der 
Längenzuwachs,  der  im  1.  Lebensjahre  ein  sehr  bedeutender 
ist  (19  cm),  beträgt  im  2.  Jahre  nur  etwa  die  Hälfte  (9  cm). 
Von  da  an  wird  das  Längenwachstum  allmählich  langsamer, 
d.  h.  die  jährliche  Zunahme  erfolgt  in  Werten,  die  mit  jedem 
Jahre  geringer  werden.  Die  Jahre,  welche  für  den  Beginn  dar 
Schulpflicht  von  Bedeutung  sind,  das  6.,  7.  und  8.,  bieten  in 


Hbbtsl,  Neue  Untersuchungen  über  den  allgemeinen  Gesundheits- 
zustand der  Schüler  etc.    Zeitschrift  ffir  Sohulgeswdheitspflsge,  1688. 

Carstadt,  Über  das  Wachstum  der  Knaben  vom  6.  bis  emm 
16.  Lebensjahre.    Zeitschrift  für  Schulgesundheitepflege,  1888. 

Ärztliches  Outachten  über  das  Eknnenuwnehukeestn  Eisafih 
Lothringens.    Strasburg,  1884. 

Oppenheimbb,  Über  die  Wachstumsverh&lnmse  des  Korpers  und 
seiner  Organe.    Dissertation.    München,  1888. 


465 

Bezug  auf  die  Längenznnahme  in  der  ganzen  Entwiokelungs- 
reihe  keine  bemerkenswerten  Momente.  Das  Wachstum  ist  ein 
völlig  gleichmäßiges;  denn  alle  Untersuchungen  haben  an- 
nähernd dieselben  Gräften  ergeben ;  auch  ist  im  Verhältnis  zu 
den  übrigen  Jahren  weder  eine  stärkere,  noch  eine  geringere 
Längenzunahme  nachweisbar.  Es  zeigen  somit  nach  dieser 
Riahfamg  weder  das  6.,  noch  das  7.  oder  8.  Lebensjahr  irgend 
eine  auch  nur  einigermaßen  hervortretende  Eigentümlichkeit, 
die  uns  den  Zeitpunkt  für  den  Beginn  der  Schulpflicht  er- 
kennen Heise. 

2.  Gewicht.  Die  Resultate  der  einzelnen  Untersuchungen 
bilden  Reihen,  die  fast  übereinstimmend  verlaufen,  ein  Um- 
stand, der  auf  eine  ziemlich  gleichmäßige  Entwiekelung  der 
Sander  in  den  verschiedenen  Ländern  schliefsen  labt.  Im 
allgemeinen  lassen  sich  aber  bezüglich  des  Körpergewichtes 
zwei  Gruppen  unterscheiden,  indem  in  Nordamerika,  Däne- 
mark und  Schweden  um  2  bis  5  kg  gröfeere  Mittelgewichte 
gefanden  wurden,  als  in  Belgien,  Italien  und  Deutschland. 
Nach  der  bedeutenden  Gewichtszunahme  im  ersten  Lebensjahre 
folgt  eine  Periode  langsamen  Wachstums,  in  der  die  jährliche 
Zunahme  annähernd  gleich  ist.  Das  Alter  vom  6.  bis  8.  Jahre 
zeigt  also  auch  in  Bezug  auf  das  Ansteigen  des  Körpergewichtes 
keine  charakteristischen  Erscheinungen. 

3«  Körperkraft.  Da  Skelett  und  Muskulatur  die  wesent- 
lichen Träger  der  Körperkraft  sind,  so  ist  es  zur  Bestimmung 
des  richtigen  Zeitpunktes  für  den  Beginn  der  Schulpflicht 
wünschenswert,  zu  erfahren,  wie  sich  das  Wachstum  der 
Knochen  und  Muskeln  in  den  einzelnen  Perioden  der  Ent- 
wiekelung verhält,  um  damit  einen  Anhalt  für  die  Zunahme 
der  körperlichen  Kraft  zu  gewinnen.  Zu  diesem  Punkte 
ftulsert  sich  die  medizinische  Sachverständigenkommission  für 
die  Beurteilung  des  Schulwesens  in  Elsafs-Lothringen:1  „Es 
würde  sich  sehr  lohnen,   genaue  vergleichende  Messungen  der 


1    Ärztliches    Gutachten    über    das    Elementarschulwesen    Jbteaß- 
Lothringern.    Strasburg,  1884. 


466 

Körperkraft  in  den  verschiedenen  Jahren  des  schulpflichtigen 
Alters  anzustellen.  Die  dynamometrischen  Instrumente  (Kraft- 
messer), die  in  den  Elliniken  gebraucht  werden,  lieJsen  sich 
mit  einigen  den  kindlichen  Verhältnissen  entsprechenden  Ab- 
änderungen gut  dazu  verwenden.  Die  auf  solche  Weise 
gewonnenen  MaJse  hätten  einen  ungleich  höheren  Wert  für 
alle  zur  körperlichen  Entwiokelung  in  Beziehung  stehenden 
Fragen  ab  die  durch  Gewichtsbestimmung  gewonnenen. a  Leider 
besitzen  wir  über  die  G-röfse  der  Körperkraft  bisher  noch 
keine  für  unsere  Zwecke  verwendbaren  Ermittelungen. 

Auch  die  his  togenetisohen  V e  rhältnisse  der  Kn  ochen 
und  Muskeln  können,  soweit  sie  für  die  einzelnen  Lebens- 
jahre festgestellt  sind,  zu  einer  bestimmten  Entscheidung  über 
den  geeignetsten  Zeitpunkt  des  Schuleintritts  keine  Verwertung 
finden.  Das  Skelett  ist  auch  nach  dem  7.  Lebensjahre  noch 
längere  Zeit  sehr  unvollkommen  entwickelt,  aber  es  hat  doch 
mit  diesem  Jahre  in  seinen  Hauptteilen  eine  gewisse  Festigkeit 
gewonnen.  Auoh  die  Ausbildung  der  Weich  teile  ist  in 
gleicher  Weise  vorgeschritten.  Im  7.  Lebensjahre  beginnt 
gewöhnlich  der  Durchbruch  der  ersten  bleibenden  Zähne, 
und  es  formieren  sich  auch  die  Bestandteile  derjenigen,  welche 
nach  und  nach  im  Laufe  der  folgenden  Jahre  hervortreten. 
Diese  Thatsache  unter  anderen  fuhrt  die  Königlich  Preußische 
Wissenschaftliche  Deputation  für  das  Medizinalwesen1  als  Grund 
für  einen  späteren  Beginn  der  Schulpflicht  an.  Indessen,  was 
im  7.  Lebensjahre  sich  vollzieht,  erfolgt  auoh  in  den  darauf- 
folgenden, nämlich  Bildung  und  Durchbruch  der  bleibenden 
Zähne.  Wie  wenig  aber  die  zweite  Zahnung  die  Entwicklung 
des  kindlichen  Körpers  beeinflußt,  ist  allgemein  bekannt,  da 
bei  gesunden  Kindern  dieser  Vorgang  kaum  eine  Störung  im 
Allgemeinbefinden  hervorruft. 

Obwohl  unser  Wissen  von  dem  Stande  der  Körperkraft, 
der  Beschaffenheit  der  Knochen  und  Muskeln  in  der  jetzt 
üblichen  Zeit  des  Anfanges  der  Schulpflicht  ein  sehr  mangel- 


1  Ccntrctfblatt  fi*r  die  gesamte  Untemchtsverwaltung,  1884. 


467 

haftes  ist,  so  läfet  sich  doch  erkennen,  daüs  das  7.  und 
8.  Lebensjahr  in  dieser  Beziehung  gleich  wenig  bevorzugt 
sind;  man  kann  daher  mit  Rücksicht  hierauf  aueh  keine  Ent- 
scheidung treffen,  ob  die  Schulpflicht  erst  mit  dem  vollendeten 
7.,  oder  schon  mit  Ablauf  des  6.  Lebensjahres  beginnen  soll. 

4.  Brustumfang.  Von  Wichtigkeit  für  die  Beurteilung 
unserer  Frage  wäre  auch  die  Ermittelung  des  Brustumfanges 
und  der  Gröfse  der  Brustausdehnung  in  den  bezeichneten 
Jahren.  Je  gröfser  das  Brustmais,  je  kräftiger  die  Erweiterung 
des  Brustkorbes  und  die  davon  abhängige  Lungenausdehnung 
ist,  desto  weniger  werden  die  Schädlichkeiten  zu  langen  Schul- 
sitzens  den  gesamten  Organismus  zu  beeinträchtigen  im 
stände  sein.  Aus  den  wenigen  Untersuchungen,  die  in  dieser 
Richtung  vorliegen,  hat  sich  ergeben,  dafe  die  Zunahme  des 
Brustumfanges  eine  stetige  und  gleichmäßige  ist.  Vom  2.  Lebens- 
jahre an  vergröfsert  sich  derselbe  durchschnittlich  um  2  cm 
pro  Jahr.  Weder  das  7.  nooh  das  8.  Lebensjahr  zeigt  irgend 
welchen  besonderen  Abschnitt  in  der  Entwickelung;  also  ist 
auch  hier  wiederum  kein  Merkmal  gegeben,  eins  dieser  Jahre 
als  das  geeignetste  für  den  Anfang  der  Schulpflicht  anzu- 
sehen. 

5.  Gehirn.  Die  Hauptwerkstätte  des  kindlichen  Orga- 
nismus, welche  für  die  mit  dem  Unterrichte  verbundenen 
Tätigkeiten  direkt  in  Anspruch  genommen  wird,  ist  das 
Gehirn.  Das  mittlere  Gewicht  desselben  steigt  fortgesetzt  an, 
jedoch  vermindert  sich  der  Zuwachs  innerhalb  jedes  folgenden 
Lebensjahres.  Das  Gehirn  wächst  in  der  frühsten  Kindheit 
am  mächtigsten ;  im  ersten  Lebensjahre,  wo  sein  Gewicht  sich 
mehr  als  verdoppelt,  nimmt  es  am  meisten  zu.  Beträchtlich 
vergröbert  es  sich  auch,  obwohl  in  abnehmendem  Maise,  noch 
bis  zum  7.  Lebensjahre,  in  welchem  sein  Gewicht  sich  mehr  als 
verdreifacht  hat.  Das  Hirngewicht  eines  ausgewachsenen 
Menschen  verhält  sich  zu  dem  eines  Neugeborenen  aber  nur 
wie  1  zu  3,7;  daher  ist  das  Gehirn  bis  zum  7.  Jahre  schon 
seiner  normalen  Gröise  ziemlich  nahe  gekommen.  Während 
die   Gewichtszunahme    in    den    ersten    sieben    Lebensjahren 


468 

ungefähr  880  g  ausmacht,  wie  Kobkbt  Botd  1  durch  Wägungen 
von  mehr  als  2000  Gehirnen  gefunden  hat,  betragt  sie  in  den 
nächsten  sieben  Jahren  nur  61  g.  Für  das  6.  Lebensjahr 
berechnet  sich  dieselbe  auf  etwa  40— 45  g,  für  das  7.  auf 
25—30  g  und  für  das  8.  auf  20  g.  Das  Oehirngewicht  eines 
Sechsjährigen  mit  ca.  1140  g  und  das  eines  Siebenjährigen 
mit  ca.  1170g  weicht  verhältnismäfsig  nicht  stärker  von  dem 
Gewicht  des  völlig  ausgewachsenen  Gehirns  ab,  als  das  Gehirn- 
gewicht eines  Vierzehnjährigen  mit  seinen  ca.  1230  g.  Es 
labt  sich  hieraus  wohl  kein  Grund  entnehmen,  der  für 
den  Beginn  der  Schulpflicht  mit  dem  6.  oder  7. 
Lebensjahre  entscheidend  wäre.  Vor  dem  6.  Jahre 
aber  ist  das  Gehirn  noch  in  lebhafter  Entwickelung  begriffen 
und  seine  Gewichtszunahme  eine  bedeutende;  dieses  Umetandee 
wegen  würde  es  nicht  ratsam  sein,  die  Schulpflicht 
schon  vor  Ablauf  des  6.  Lebensjahres  beginnen  zu 
lassen. 

6.  Auge.  Nächst  dem  Gehirn  ist  das  Auge  das  wichtigste 
Oigan,  das  durch  den  Betrieb  des  Unterrichtes  bethätigt  wird. 
Es  entsteht  nun  auch  hierbei  wieder  die  Frage,  ob  dasselbe 
im  7.  oder  8.  Lebensjahre  schon  soweit  entwickelt  ist,  daüs  es  die 
ihm  in  der  Schule  zugemuteten  Anstrengungen  ohne  Schädigung 
ertragen  kann.  Von  allen  Organen  des  Neugeborenen  besitzt 
das  Auge  die  weitgehendste  Ausbildung.  Mit  dem  Schul- 
besuche treten  jedoch  die  Bedingungen  ein,  durch  welche  die 
Kurzsiohtigkeit,  das  am  stärksten  verbreitete  Augenleiden 
unserer  Schulkinder,  hervorgerufen  wird.  Mag  man  nun  eine 
Theorie  für  die  Entstehung  der  Myopie  annehmen«  welche 
man  will,  immer  ist  es  die  geringe  Widerstandsfähigkeit  des 
Auges  oder  einzelner  Teile  desselben,  wodurch  die  Bedingungen 
für  die  Entstehung  dieses  Brechungsfehlere  gegeben  werden. 
Die  Deformation  des  Augapfels  wird  um  so  leichter  möglich 
sein,   je    weniger   entwickelt    derselbe   ist.     Diese   Thatsache 


1  Robert  Botd,  Ärztliches  Gutachten  Über  da»  JElemmtarechuheeem 
Ekaß-Lrthringene.    Strasburg,  1884. 


46» 

erheischt  gröfste  Vorsicht  in  der  Feststellung  des  Zeitpunktes, 
wo  man  mit  dem  Schulbesuch  dem  kindlichen  Auge  an- 
strengende und  andauernde  Arbeit  zumutet. 

Aber  die  in  so  reicher  Anzahl  ausgeführten  Untersuchungen 
über  das  Vorkommen,  den  Grad  und  die  Ursachen  der  Myopie 
können  für  unsere  Zwecke  nicht  benutzt  werden,  weil  Kinder  der 
ersten  Schuljahre  nur  in  sehr  geringer  Zahl  geprüft  worden  sind. 
Die  Preufeische  Wissenschaftliche  Deputation  für  das  Medizinal- 
wesen1 meint:  „Gerade  die  Zeit  bis  zum  10.  oder  11.  Lebens- 
jahre ist  es  auch,  wo  jene  Veränderung  des  Augapfels,  welche 
die  KrazBiehtigkeit  hervorbringt,  am  häufigsten  angelegt  oder 
entwickelt  wird.a  Ohne  dafs  ich  mir  eine  Kritik  dieses  Gut- 
achtens in  irgend  einer  Weise  gestatten  möchte,  will  ich  nur 
die  Thatsaehe  konstatieren,  dals  die  Ergebnisse  der  neuesten 
Untersuchungen  sich  wenig  mit  jener  Ansicht  in  Überein- 
stimmung befinden.  Dr.  Kirchner*  zieht  nämlich  aus  seinen 
Ermittelungen  folgenden  Schlafe:  „Erst  vom  14.  bis  15.  Jahre 
ab,  dem  Begnra  der  Pubertätsentwickelung,  steigt  die  Zahl 
der  Kurzsichtigen  bedeutender,  als  vorher.  In  den  jungen 
Jahren  scheinen  es  wesentlich  äufsere  Verhältnisse  zu  sein, 
durch  welche  die  Entstehung  der  Myopie  begünstigt  wird, 
während  sich  von  dem  Eintritt  der  Pubertät  ab  imWaohstum 
bedingte,  innere  Momente  geltend  machen."  Auch  die 
Untersuchungen  Sohmidt-Bimplbrs8  konstatieren  ein  bedeutendes 
Ansteigen  der  Zahl  der  Myopen  im  13.  und  14.  Lebensjahre. 
So  deutet  nichts  auf  einen  wesentlichen  Unterschied  der  Ent- 
wieketang-  des  Auges  im  7.  und  8.  Lebensjahre  hin.  Wir 
sind  daher  unter  Berücksichtigung  dieses  XTmstandes  abermals 
nicht  in  der  Lage,  eine  Entscheidung  zu  treffen, 
ob  das  7.  oder  8.  Lebensjahr  das  günstigste  für  den 
Anfang  der  Schulpflicht  ist. 

Indem  wir  in   der  Entwiekehmg  des  kindliche»  Körpers 

1  CentraJblatt  für  die  gesamte  Unterrichtsverwaltung,  1884. 

*  RmcHraa,  Uwtertaohungen  über  die  Entstehung  derKurwiohtigkeit. 
Zeitschrift  für  Hygiene,  1889,  Bd.  VII. 

*  SüHMiDT-RiMPLiB,  Die  ScbulkurzsichHgkeit    Leipiig,  1890. 


470 

Länge,  Gewicht,  Körperkraft,  Brustumfang,  Wachstum  des 
Gehirns  und  des  Auges  nacheinander  betrachtet  haben, 
sind  wir  zu  dem  Resultate  gekommen,  daJs,  soweit  jene 
Entwickelung  bekannt  ist,  kein  Jahr  als  für  den 
Eintritt  in  die  Schule  besonders  geeigneter  Zeit- 
punkt markiert  ist,  so  dafs  in  dieser  Beziehung 
auch  keine  Bedenken  gegen  den  Beginn  der  Schul- 
pflicht mit  dem  vollendeten  6.  Lebensjahre  vorliegen. 
Die  Forderungen  der  Ärzte  in  Bezug  auf  den  Anfang 
des  Sohulbesuches  lauten  verschieden,  indem  sie  das  vollendete 
6.,  7.  und  8.  Jahr  dafür  empfehlen.  Die  einzelnen  anatomischen 
und  physiologischen  Thatsachen  werden  von  ihnen  je  nach 
Bedürfnis  zur  Begründung  oder  Bekämpfung  derselben  For- 
derung gebraucht,  ja  es  herrscht  auch  über  die  Verwertung 
allgemein  anerkannter  Entwiokelungsmomente  für  die  Ent- 
scheidung unserer  Frage  durchaus  keine  Einigkeit.  Während 
von  einer  Seite  die  Schädlichkeit  des  Schulbesuches  mit  voll- 
endetem 6.  Lebensjahre  nicht  lebhaft  genug  dargestellt  werden 
kann,  wird  von  anderer  Seite  behauptet,  dafe  von  derartigen 
Schäden  nur  wenig  oder  gar  nichts  zu  bemerken  sei.  So 
schreibt  z.  B.  die  oben  erwähnte  medizinische  Sachverständigen- 
kommission:1 „Ebensowenig  wie  die  allgemeine  Erfahrung 
von  Fehlern,  Gebrechen  oder  dauernden  Schwächezuständen 
zu  berichten  weife,  die  der  Volksschule  zur  Last  zu  legen 
wären,  sind  die  Mitglieder  unserer  Kommission  in  der  Lage, 
eine  solche  Anklage  gegen  dieselbe  zu  erheben,  die  den 
gesetzlichen  Beginn  der  Schulpflicht  im  7.  Lebensjahre  als 
bedenklich  erscheinen  liefse."  Dagegen  erklärt  der  ärztliche 
Verein  zu  Bochum  in  der  „Denkschrift  über  die  SchuUiber- 
bürdungsfrage"  :*  „Wir  Ärzte  sind  zu  häufig  in  die  Lage 
gekommen,  die  Ellagen,  namentlich  der  Mütter,  über  geistige 
und  körperliche  Erschöpfung  der  kleinen  Kinder  infolge  von 
Anstrengungen    in    der    Schule    und    durch    die    häuslichen 

1  Ärztliches    Gutachten    über    das    Elementarschulwesen    Ebafs- 
Lothringens.    Strafsburg,  1884. 

*  Centralblatt  für  allgemeine  Gesundheitspflege.    Bonn,  1883. 


471 

Arbeiten  hören  und  bestätigen  zu  müssen.  Der  Ehrgeiz  junger 
Lehrer,  die  jüngste  Sehulklasse  möglichst  weit  zu  fordern, 
bedingt  unserer  Erfahrung  gemäfs  am  häufigsten  die  Gebrechen 
der  Schüler  unterster  Stufe. tf 

Man  muJß  Dr.  Engblhorn1  zustimmen,  wenn  er  schreibt: 
„Vom  ärztlichen  Gesichtspunkte  eine  allgemein  gültige  Regel 
ftr  die  Zeit  der  Schulpflicht  aufzustellen,  sind  wir  nicht  in 
der  Lage.  Es  ist  vollkommen  unmöglich,  in  dem  Prozesse 
der  körperlichen  Entwicklung,  welcher  ein  stetig  zunehmender 
ist,  gerade  den  Augenblick  zu  bestimmen,  in  welchem  der 
Beginn  des  Schulbesuches  ohne  Nachteil  für  die  Gesundheit 
stattfinden  soll."  In  gleicher  Weise  äuJsert  sich  Dr.  Bbmbold-.9 
„Für  die  besondere  Frage,  ob  der  Beginn  der  Schulpflicht 
in  das  7.  oder  8.  Lebensjahr  zu  verlegen  sei,  sind  die  von 
der  Preuüsischen  Wissenschaftlichen  Deputation  angeführten 
Gründe  nicht  entscheidend,  weil  die  gleichen  Verhältnisse 
nicht  blofs  im  7.,  sondern  auch  noch  im  8.,  9.  und  10.  Lebens- 
jahre vorliegen."  Und  Dr.  Baginsky3  erklärt:  „Soviel  wir 
den  kindlichen  Organismus  auch  studieren  mögen,  wir  finden 
weder  an  dem  lebenden,  noch  auch  an  dem  toten,  rein 
anatomisch  betrachteten  irgend  welche  wahrhaft  wissenschaft- 
liche Handhabe,  welche  uns  den  Grenzpunkt  markiert,  von 
welchem  an  die  energische  Förderung  geistiger  Kräfte  durch 
uns  in  der  Schule  zu  gestatten  sei.  Wo  lehrt  die  Erfahrung, 
dafs,  ganz  allgemein  genommen,  der  Beginn  des  Unterrichts 
von  dem  7.  Lebensjahre  bei  der  groben  Mehrzahl  der  Schul- 
kinder an  und  für  sich  schädlich  gewesen  sei  und  dauernd 
schlimme  Folgen  gehabt  habe?  Man  kann  in  gewisser  Be- 
ziehung mit  denjenigen  Ärzten  übereinstimmen,  welche  meinen, 
dafe  sie  nicht  mehr  kompetent  sind,  einen  allgemeinen  Termin 
Air  den  Schulbesuch  einzusetzen,  als  die  Pädagogen. u 

Was  aber  für  das  normal  entwickelte  Kind  als  zulässig 
und  keineswegs  gesundheitsschädlich  gilt,  ist  unter  Umständen 

1  Ehgelhork,  Schulgesundheitspflege.    Stuttgart,  1888. 

1  Bbmbold,  Schulgesundheitspflege.    Tübingen. 

3  Baginsky,  Handbuch  der  Schulhygiene.    Stuttgart,  1883. 


472 

nicht  ebenso  unschädlich  bei  Kindern,  die  in  der  natürlichen 
Entwickelang  zurückgeblieben  sind,  bezw.  unter  dem  Einflüsse 
gewisser  Krankheitszustände  stehen.  Das  filr  die  Allgemeinheit 
geltende  Gesetz  mufe  daher  auch  Ausnahmen  zulassen. 
In  den  meisten  derartigen  Fällen  wird  eine  auf  Vi  bis  1  Jahr 
ausgedehnte  Befreiung  vom  Schulunterrichte  ausreichend  sein, 
das  Kind  in  seiner  Entwicklung  soweit  zu  fordern,  event. 
vorhandene  Krankheiten  soweit  zu  beseitigen,  dals  nun  ohne 
Gefährdung  der  Gesundheit  die  Schule  besucht  werden  kann. 
Diese  Ausnahmen  lassen  sich  kurz  in  folgender  Weise  charakter- 
isieren: 

1.  Kinder,  welche  in  ihrer  gesamten  körperlichen  Ent- 
wicklung weit  hinter  den  Durchschnittsmaben  zurück- 
stehen; 

2.  Kinder,  die  mit  Tuberkulose  oder  schwer«!  Formen 
von  Bhachitis,  bezw.  Skrofulöse  behaftet  sind  oder 
noch  unter  deren  Folgen  zu  laden  haben; 

3.  Kinder  solcher  Eltern,  bei  denen  Lungenschwindsucht 
oder  ernste  Geistes-  und  Nervenkrankheiten  bestehen; 

4.  Kinder,  die  wegen  Gebrechen  dauernd  oder  zeitweise 
vom  Besuch  der  öffentlichen  Schule  auszuschließen  sind. 

Werden  derartige  exceptionelle  Fälle  berück- 
sichtigt, so  läfst  sich  gegen  den  Beginn  der  Schul- 
pflicht mit  dem  vollendeten  6.  Lebensjahre  vom 
hygienischen  Standpunkte  nichts  Begründetes  ein- 
wenden. 


473 


Ein  neuer  Ersatz  für  die  bisherigen  Geradehalte  r. 

Mitteitang  von 

Dr.  med.  Friedrich  Hosch, 

Augenarzt  in  Basel. 
(MÜ  3  Abbildungen.) 

unter  den  dankenswerten  Bemühungen,  welche  darauf  ab* 
sielen,  der  Entstehung  von  Kurzsichtigkeit  und  Rückgrats* 
Verkrümmungen  während  der  Schulzeit  zu  steuern,  gebührt  ohne 
Zweifel  der  erste  Rang  der  Verbesserung  der  Schulbänke  und 
der  Einführung  der  Steilschrift. 

Aber  wenn  auch  alle  Verhältnisse  möglichst  günstig  ge- 
staltet sind,  werden  immer  noch  einzelne  Schüler  —  es  handelt 
sich  dabei  namentlich  um  angehende  Myopen,  bezw.  Hyper- 
metropen  mit  Accommodationskrampf  —  übrig  bleiben,  welche 
lieh  stark  vorbeugen  und  die  Augen  dem  zu  betrachtenden 
Objekte  viel  mehr  annähern,  als  notwendig  ist.  Man  kann 
bekanntlich  selbst  auf  dem  allerbesten  Subsellium  schlecht 
sitzen,  und  auch  die  Steilschrift  bietet  nur  eine  relative,  nicht 
eine  absolute  Gewähr  für  eine  gute  Körperhaltung. 

Dazu  kommt  noch,  dafs  wohl  während  der  Schulzeit  unter 
der  fortwährenden  Kontrolle  des  Lehrers  der  rationelle  Sitz 
seinen  Zweck  erfüllen  mag,  dafs  es  aber  bei  den  häuslichen 
Arbeiten  an  einem  solchen  Sitz  und  einer  solchen  Überwachung 
in  der  grofsen  Mehrzahl  der  Fälle  fehlt. 

Aus  diesem  Grunde,  zum  Teil  auch  um  das  alte  irrationelle 
Schulmobiliar  ausnützen  zu  können,  hat  man  seit  Jahren 
sogenannte  Geradehalter  konstruiert,  Apparate,  welche,  an  den 
Schultischen  angebracht,  die  Kinder  zwingen  sollen,  eine  ganz 
bestimmte  Kopistellung  innezuhalten. 

Von  vorneherein  zu  verwerfen  sind  alle  diejenigen  Ein- 
richtungen, welche  einen  schädlichen  Druck  auf  die  Brost  ausüben. 

SehnlgMondheitapfleee  VI.  31 


474 

Es  kommen  demnach  nur  noch  die  Stützen  in  Betracht, 
welche  entweder  das  Kinn  aufnehmen  oder  die  Stirn  fixieren, 
also  vor  allem  die  bekannte  verstellbare  Schreib-  und  Lese- 
stütze yon  SOnxbckeh,  das  KALLMANNsehe  Durchsichtsstativ 
und  dessen  Modifikationen  von  Dürr1  und  Staffel.  Wer  aber 
ausgedehntere  praktische  Versuche  mit  diesen  Geradehalten! 
gemacht  hat,  wird  bald  zu  der  Überzeugung  gelangt  sein,  dafa 
sie,  soviel  sie  anfangs  zu  versprechen  schienen,  in  der  Folge 
doch  nur  sehr  wenig  leisteten.  Abgesehen  von  der  nach  einigem 
Gebrauche  nicht  mehr  ganz  zuverlässigen  Mechanik,  erzeugt 
die  SONNBCKENsche  Stütze  recht  bald  einen  schmerzhaften 
Druck  am  Kinn,  welchem  das  Band  durch  seitliches  Ver- 
schieben oder  Drehen  des  Kopfes  auszuweichen  sucht.  Damit 
wird  natürlich  die  gerade  Haltung  aufgegeben.  Beim  Kall- 
MANNschen,  resp.  DüRRschen  Stativ  ist  allerdings  ein  solcher 
Druck  ausgeschlossen,  eine  richtige  Kopfhaltung  jedoch  immer 
noch  nicht  in  genügender  Weise  gesichert. 

Durch  Vermittlung  eines  befreundeten  Kollegen  ist  mir 
nun  in  letzter  Zeit  ein  Ersatz  für  die  bisherigen  Geradehalter 
zur  Begutachtung  zugekommen,  welcher  auf  einem  vollständig 
neuen  Prinzipe  beruht  und  nach  meiner  Ansicht  geeignet  ist, 
die  bisher  gebrauchten  Apparate  in  vorteilhaftester  Weise  zu 
ersetzen.  Derselbe  ist  erdacht  von  einem  hiesigen  Primär- 
lehrer,  Herrn  Müller,  und  bezweckt,  im  kritischen  Momente, 
d.  h.  wenn  die  Neigung  des  Kopfes  eine  zu  starke  werden 
will,  eine  vollständige  Verdepkung  der  Augen  herbeizuführen. 

Diese  wird  erzielt  durch  zwei  miteinander  verbundene 
Klappen  aus  dünnem,  festem  Kartonpapier,  Celluloid,  Alu- 
minium oder  irgend  einem  anderen  leichten  Material  (k  h  in 
Abbildung  1).  Nähert  sich  nämlich  der  Kopf  des  Schülers  zu 
sehr  dem  Schultische,  so  bewegen  sich  die  Klappen  nach  unten, 
und  die  Augen  werden  von  denselben  verdeckt.  Um  wieder 
sehen  zu  können,  mufs  der  Betreffende  seinen  Kopf  aufrichten, 
wobei  dann  die  Klappen  wieder  nach  oben  umschlagen. 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1889,  No.  6,  S.  267—273. 


475 

Das  Zu-  and  Aufschließen  der  Klappen  wird  bewerk- 
stelligt durch  das  Gewicht  g.  Sobald  der  Kopf  sich  soweit 
neigt,  daJä  dies  Gewicht  über  den  Stützpunkt  «  hinaus  zu 
liegen  kommt,  fällt  dasselbe  nach  vorn,  wodurch  die  Klappen 
die  oben  angegebene  Bewegung  machen. 


Abbildung  I. 

Damit  nnn  —  es  ist  dies  selbstverständlich  ein  sehr 
wichtiger  Punkt  —  die  Bewegung  der  Klappen  und  damit  die 
Verdeckung  der  Augen  nicht  immer  bei  derselben  Kopfneignng 
erfolge,  sondern  den  individuellen  Verhältnissen  angepaßt 
werden  könne,  ist  auf  der  linken  Seite  ein  Laufgewicht  l  an- 
gebracht. Befindet  sich  dieses  in  der  Mitte  des  Schrauben- 
gewindes sw,  so  hält  es  den  Klappen  das  Gleichgewicht.  Die 
Brille  ist  dann  so  gestellt,  wie  sie  der  richtigen  Körperhaltung 
des  Normalsichtigen  entspricht.  Wird  das  Laufgewicht  nach 
vorn  geschraubt,  so  schließen  sich  die  Klappen  früher,  wird 
es  rückwärts  geschraubt,  später. 

81" 


476 

Die  punktierten  Linien  in  Abbildung  I  sollen  andeuten,  dafa 
hinter  der  beschriebenen  Vorrichtung  auch  eine  gewöhnliche 
Brille  getragen  werden  kann.  Sehr  leicht  Heften  «oh  aber 
auch  an  der  Querstange  Singe  zur  Aufnahme  von  etwa 
wünschenswerte»  Korraktionsglaaem  anbringen,  so  dafa  dann 
eine  besondere  Brille  nicht  mehr  nötig  wäre. 

Wie  sich  der  geschilderte  Apparat,  wenn  er  auf-  bezw. 
heruntergeschlagen  ist,  ausnimmt,  wird  durch  die  Abbildungen 
II  und  HI  veranschaulicht. 

Derselbe,  in  der  Schweiz  und  in  Deutschland  patentiert, 
ist  zu  beziehen  bei  G.  Iberg,  Optiker,  Freie  Strafe«  60, 
Basel. 


477 


ä««  fcerftiitmlttftf e»  tut)  Vereinen, 


Die  wissenschaftlich-industrielle  Ausstellung  in  Kasan. 

Gegenstände  ans  dem  Gebiete  der  Schulhygiene 

und  der  körperlichen  Erziehung. 

Berieht, 
verlesen  in  der  „Gesellschaft  zur  Wahrung  der  Volksgesundheit ". 

Von 
Wirklichem   Staatsrat   Dr.  med.  Alexander   von  Wirenius, 

Arzt  des  Wedenskisohen  klassischen  Gymnasiums 
und  Direktor  des  Einderasyls  der  Großfürstin  Alexandra  Nicolaewska 

in  St.  Petersburg. 

(Schlufs.) 

Nicht  weniger  Interesse  erweckten  die  ausgestellten  Hand- 
arbeiten sowohl  aus  Knaben-  als  aus  Mädchenschulen  ver- 
schiedener Ressorts. 

In  die  Knabenschulen  ist  der  Handfertigkeitsunterricht 
eben  erst  eingeführt»  so  dafe  man  nicht  hoffen  durfte,  etwas 
Originelles  auf  diesem  Gebiete  zu  finden.  Die  Tischler-  und 
Drechslerarbeiten  rührten  meistenteils  aus  Gewerbeschulen  und 
mittleren  Lehranstalten  her.  Wir  wollen  nicht  näher  auf  diese 
Sache  eingehen,  tot  allem  deshalb  nicht,  weil  die  pädagogische 
und  hygienische  Bedeutung  der  Handarbeit  in  der  Schule, 
besonders  der  Elementarschule,  wissenschaftlich  noch  nicht  ge- 
nügend begründet  ist,  und  weil  auch  die  Praxis  noch  keine 
schwerwiegenden  Grunde  dafür  oder  dagegen  aufweisen  kann. 

Zweckentsprechender  wird  es  sein,  wenn  wir  die  Hand- 
arbeiten der  Mädchen  genauer  besprechen,  da  dieselben  in  den 
weiblichen  Lehr-  und  Erziehungsanstalten  seit  jeher  betrieben 
werden  und  bereits  über  pädagogische  und  sanitäre  Resultate 


478 

verfügen.  Ein  Fortschritt  im  Handarbeitsunterricht  ist  auch, 
im  Verlauf  der  letzten  Jahre  bemerkbar,  und  die  Beweise 
dafür  finden  wir  auf  der  Ausstellung  in  Kasan.  Trotzdem 
bestehen  auf  diesem  Gebiete  nioht  wenige  Mängel  und  sogar 
Verhältnisse,  die  für  die  lernenden  Mädchen  höchst  un- 
günstig sind. 

Wir  wollen  nicht  von  den  Nähmaschinen  reden,  welche 
die  Gesundheit  schädigen  und  selbst  unmittelbare  Erkrankungen 
gewisser  Organe  veranlassen,  weil  diese  Maschinen  zum  Glück 
in  der  Schule  nicht  so  häufig  und  nicht  so  anhaltend  gebraucht 
werden,  wie  in  den  Werkstätten  der  Damenmagazine  und  in 
den  Wohnungen  der  Nähterinnen  und  Schneiderinnen.  Allein 
wir  treffen  ausserdem  bei  dem  Handarbeitsunterricht  noch 
folgende  ungünstige  Einzelheiten  an.  In  den  meisten  Fällen 
sind  die  Arbeitsräume  eng,  die  Tische  unzweckmäßig  und  so 
aufgestellt,  dafe  das  Tageslicht  nicht  voll  auf  die  Arbeit  feilt, 
wie  denn  auch  die  Beleuchtung  am  Abend  zu  wünschen  übrig 
läfet.  Zudem  ist  die  Arbeitszeit  viel  zu  lang,  die  Mädchen 
machen  sich  keine  Bewegung  und  haben  wenig  oder  gar  nicht 
Gelegenheit,  an  die  frische  Luft  zu  kommen.  Auch  werden 
sie  mit  zu  feinen  Handarbeiten  beschäftigt. 

Alles  dieses  greift  die  Organe  des  Gesichts,  der  Respiration 
und  der  Blutbewegung,  überhaupt  den  ganzen  Körper  aufs 
äufeerste  an,  und  die  Schule  schickt  auf  diese  Weise  ihre  Zög- 
linge als  schwache  und  kranke  Individuen  in  den  erbarmungs- 
losen Kampf  ums  Dasein.  Wir  wollen  durchaus  nioht  die 
ausgestellten  weiblichen  Arbeiten  auf  der  Kasanschen  Aus- 
stellung besonders  tadeln;  es  sind  dieselben,  wie  auf  allen 
anderen  Ausstellungen.  Doch  möchten  wir  wenigstens  betonen, 
dafe  sich  die  hygienische  Lage  der  mit  Handarbeit  be- 
schäftigten Schülerinnen,  wie  der  Handarbeiterinnen  überhaupt 
im  Verlauf  der  letzten  10  Jahre  kaum  merklich  gebessert  hat. 

Auch  die  weiblichen  Handarbeiten  auf  der  Ausstellung  in 
Kasan  weisen  ernstlich  auf  die  Notwendigkeit  hin,  dafe  die 
Hygieniker  mit  voller  Strenge  und  Energie  selbst  die  kleinsten 
Details  einer  rationellen  Einrichtung  des  Schulunterrichts  in 


479 

diesem  Gegenstände  überwachen;  entgegengesetzten  Falles  droht 
der  Fortschritt  auf  dem  Gebiete  der  weiblichen  Arbeit  allen 
denjenigen,  die  sich  damit  beschäftigen,  mehr  oder  weniger  mit 
den  Schrecken  der  Entartung. 

Auf  der  Kasanflehen  Ausstellung  sahen  wir  Arbeiten 
der  weiblichen  Lehranstalten,  die  jede  Konkurrenz  mit  den 
Erzeugnissen  aus  den  Werkstätten  der  Nähterinnen  und 
Schneiderinnen  aushalten.  Besonders  zeichnete  sich  ein  Zelt 
aus,  das  von  der  Gewerbeschule  der  Frau  L.  P.  Schummkow 
eingerichtet  und  mit  vielen  Gegenständen  ausgestattet  war. 
Die  genannte  Anstalt  ist  in  drei  Stufen  geteilt.  In  der 
jüngsten  Abteilung  lernen  die  Mädchen  das  Stricken,  das 
Nähen,  das  Sticken  von  Kindersachen  und  das  Weben  von 
Teppichen.  Die  zweite  Abteilung  ist  diejenige  für  Weifs- 
nähterinnen;  der  Unterricht  im  Weilsnähen  beginnt  mit  dem 
Verfertigen  der  Ausstattung  eines  neugeborenen  Kindes,  weil 
diese  Art  von  Arbeit  sich  besonders  zum  Erlernen  der  Nähterei 
eignet.  Die  dritte  und  oberste  Abteilung  ist  für  Schneiderei 
bestimmt. 

In  diese  Schule  werden  Mädchen  von  10  Jahren  auf- 
genommen, in  die  Abteilung  für  Schneiderei  und  Fußbekleidung 
jedoch  nur  solche  von  15  Jahren. 

Alle  drei  Abteilungen  hatten  ihre  Erzeugnisse  ausgestellt; 
besonders  interessierten  uns  jedoch  zwei  Serien  von  Arbeiten, 
die  Ausstattung  eines  neugeborenen  Kindes,  genau  nach  dem 
Buche  von  W.  N.  Schuck  „Mutter  und  Kind"  ausgeführt, 
nur  mit  mehreren  wesentlichen  Vervollkommnungen  ver- 
sehen, und  ferner  einige  Fufsbekleidungsstüoke,  bei  deren 
Anfertigung  die  Hinweisungen  beachtet  waren,  welche  Dr. 
Jakowlew  in  seiner  Dissertation  über  Fußbekleidung  in 
Bezug  auf  den  Bau  des  Fufses  gegeben  hat.  Überhaupt 
zeichnet  sich  die  Administration  der  SoHUMMKOWsohen  Anstalt 
durch  reges  Interesse  für  das  von  ihr  gepflegte  Unterrichts- 
gebiet  aus,  und  man  bemerkte  überall  das  Bestreben,  dasselbe 
auf  eine  den  Anforderungen  der  Zeit  entsprechende  Stufe  zu 
stellen. 


480 

Zum  Schlafe  wollen  wir  noch  hervorheben,  dafe 
wissenschaftlich-industrielle  Ausstellung  in  Kasan  auf  uns  dea 
allererfireuliehsten  Eindruck  gemacht  hat,  sowohl  durch  ihre 
Gegenstände,  die  aufeerordentlich  viel  Interessantes  und  Be- 
lehrendes aus  allen  Zweigen  der  Kultur  des  Wolga-Kama- 
gebietes  darboten,  als  auch  hauptsächlich  durch  die  Begeisterung 
und  völlige  Solidarität  der  Interessen  bei  den  zahlreichen  Aue- 
stellern. Denn  diese  alle  strebten  einmütig  dem  gesteckte* 
Ziele  zu,  das  Publikum  und  die  Regierung  mit  den  Frichten 
ihrer  mühsamen  Th&tigkeit  zum  Nutzen  und  Heil  ihrer  Heimat 
bekannt  zu  machen. 


Wie  sorgt  die  hökere  Mädchenschule 
ftr  die  körperliche  Ausbildung  Ihrer  Zöglinge? 

Aus  den  Verhandlungen 

der  dreisehnten  Hauptversammlung  des  deutschen  Verein* 

für  das  höhere  M&dchensehulweeen  in  KieL 

Von 
L.   KOTKLMAKH. 

Der  deutsche  Verein  für  das  höhere  Mädchenschulweeen 
tagte  vom  23.  bis  27.  Mai  d.  J.  unter  dem  Vorsitze  unseres 
geschätzten  Mitarbeiters,  Herrn  Direktor  Dr.  O.  Sommer,  in 
Kiel.  Den  ersten  Gegenstand  der  Tagesordnung  bildete  die 
Frage:  Wie  sorgt  die  höhere  Mädchenschule  für  die 
körperliche  Ausbildung  ihrer  Zöglinge?  Die  Bericht- 
erstatterin,  Fräulein  Bbrtha  von  dbr  Lack,  Lehrerin  der 
städtischen  Charlottenschule  in  Berlin,  fährte  nach  einest 
Autoreferate  folgendes  aus: 

Bis  vor  zwei  Jahrzehnten  ungefikhr  schien  die  körperliche 
Ausbildung  der  Zöglinge  der  höheren  Mädchenschule  kaum  in 


481 

Betracht  zu  kommen;  die  Schule  war  eben  nur  eine  Bildungs- 
anstalt des  Geistes»  Erst  die  Entwickelnng  der  deutschen 
Medizin  zu  der  modernen  Richtung  der  Pflege  der  Volks- 
Wohlfahrt  und  öffentlichen  Gesundheit  zog  auch  die  Töchter- 
schule in  die  neue  hygienische  Strömung  mächtig  hinein. 
Pflicht  der  Schule  ist  es,  dem  Körper  und  Geist,  die  in  un- 
lösbarer Wechselwirkung  zu  einander  stehen,  gieichmäfsig 
gerecht  zu  werden. 

Eine  ganze  Litteratur1  beschäftigt  sich  mit  den  An- 
forderungen, welche  die  Hygiene  an  die  äu&eren  Einrichtungen 
der  Lehranstalten  zu  stellen  hat.  Wie  segensvoll  auch  die  Er- 
füllung aller  dieser  Forderungen  in  Bezug  auf  den  Bauplatz,  das 
Schulgebäude,  den  Spielplatz,  die  Regenhalle,  die  Reinigung 
und  Lüftung  der  Klassen  sein  mag,  die  Praxis  des  Lebens  wird 
doch  notgedrungen  dieselbe  mehr  oder  weniger  beeinträchtigen. 
Dnerlälslich  aber  erscheint,  dals  nur  durch  Atteste  des  Hausarztes 
als  vollkommen  gesund  und  kräftig  beglaubigte  Mädchen  der 
öffentlichen  Schule  anvertraut  werden.  Denn  die  Ansprüohe, 
welche  der  moderne  Unterricht  an  die  geistigen  Fähigkeiten 
der  Schülerinnen  stellen  mufs,  sind  in  der  That  aufser- 
ordentlich  grols.  Die  Schule  legt  sicherlich  den  Grund  zur 
Überreizung  der  Nerven,  wenn  nicht  durch  die  äufserste  Vorsicht 
der  Lehrenden,  durch  möglichste  Beschränkung  des  Stoffes  und 
durch  Geist  und  Leben  gebende  Methode  Erleichterung  gewährt 
wird. 

Eine  zweite  unerläfsliohe  Bedingung  ist  die,  dals  der  der 
KindesnaturwiderstrebendeZwang  desStillsitzens  und  Schweigens 
in  und  aufser  den  Lehrstunden  möglichst  unschädlich  gemacht 
werde.  Häufiger  Wechsel  der  Körperhaltung  innerhalb  der 
Stunden,  Aufstehen  bei  jeder  Antwort,  Chorsprechen  und  Chor- 
lesen sind  in  dieser  Beziehung  zu  empfehlen.  Möglichst  freie 
Bewegung  in  allen  Pausen  je  nach  den  lokalen  Verhältnissen, 
regelmäßiger  Turnunterricht  mit  Betonung  des  Gerätturnens, 

1  Vgl.  die  Bchulhygienischen  Werke  von  Bagixsky,  Eulenberg-Bach, 
Jahu,  sowie  die  Zeitschrift  für  Schulgmtndheitspflege  von  Dr.  Kotbl- 

MAFN. 


482 

wo  möglich  im  Freien  während  des  Sommers,  werden  weiter 
zur  Förderung  der  körperlichen  Ausbildung  beitragen.  Die 
segensreichste  Einrichtung  aber  wäre  die  Einführung  obligato- 
rischer Turnspiele,  wie  sie  seit  Jahren  an  der  höheren  Mädchen- 
schule zu  Braunschweig  betrieben  werden.  Auch  andere  Schulen 
haben  Turnspiele  eingerichtet.  So  hat  Referentin  solche  10  Jahre 
lang  aus  eigener  Initiative  an  der  Charlottenschule  zu  Berlin 
im  Winter  und  Sommer  geleitet,  und  an  allen  städtischen 
höheren  Mädchenschulen  Berlins  werden  dieselben  jetzt  während 
des  Sommers  betrieben,  wobei  der  Verein  für  Jugendspiele  für 
öffentliche  Spielplätze  sorgt.  Doch  alles  dies  ist  nur  fakultativ. 
Die  obligatorische  Einführung  des  Turnspieles  in  den  Lehrplan 
der  Mädohenschulen  aber  ist  das  sicherste  Mittel,  Körper  und 
Geist  der  Schülerinnen  zu  kräftigen  und  die  unumgänglichen 
Schädigungen  der  Studienzeit  wieder  gut  zu  machen.  Besonders 
müssen  die  Braunschweiger  Spielstunden  empfohlen  werden, 
und  es  ist  zu  beklagen,  dafs  die  Raum  Verhältnisse  der  gröberen 
Städte  eine  Nachahmung  derselben  vielfach  erschweren,  wenn 
nicht  unmöglich  machen.  Diese  bis  in  das  letzte  Schuljahr 
hinein  obligatorisch  betriebenen  Turnspiele,  die  durch  keine 
Landpartien  oder  botanischen  Ausflüge  ersetzt  werden  können, 
würden  den  Geist  der  Fröhlichkeit,  bei  dem  die  Jugend  am 
besten  gedeiht,  in  die  notwendigerweise  etwas  ernsten  Mauern 
der  Schule  einziehen  lassen.  Sie  würden  vielleicht  auch  die 
erschreckend  überhandnehmende  Frühreife  der  Mädchen,  die 
kaum  noch  spielen  können,  aufhalten.  Si  votre  enfant  n'aime 
plus  le  jeu,  craignez  qu'il  ne  devienne  vioieux. 

Ein  dritter  Faktor  zur  Förderung  der  körperlichen  Aus- 
bildung unserer  Mädchen  aber  wäre  der  direkte  und  indirekte 
Einflute  der  Schule  durch  Wort  und  Schrift  auf  das  Haus. 
Peinlichste  Sauberkeit,  einfache  Kost  und  Kleidung,  Fernhalten 
aller  Nervenreizungen  durch  Übermals  von  Vergnügungen, 
Lektüre  und  Reisen  sind  Wünsche,  welche  die  Schule  be- 
ständig dem  Hause  gegenüber  zu  betonen  hat.  Mens  sana  in 
corpore  sano  hiefs  es  früher.  Sollte  nicht  auch  corpus  sanum, 
si  mens  sana,  gelten  ?  Die  Schule  muJs  den  Eltern  die  Mahnung 


483 

ans  Herz  legen:  „Beschleunigt  die  Reife  Eurer  Kinder 
nicht,  suchet  vielmehr  in  dem  rastlosen  Treiben  der  Gegenwart 
ihre  Entwicklung  zu  verlangsamen  und  sie  vor  jedem  Zuviel 
der  Anregung  zu  schützen."  Alle  Bemühungen  seitens  der 
Schule,  den  Körper  zu  pflegen  und  das  Nervenleben  zu  schonen, 
müssen  erfolglos  bleiben,  wenn  Mädchen  während  des  zarten 
Schulalters  ein  Leben  fuhren,  in  welchem  die  strenge  Geistes- 
arbeit der  Schule  durch  Nervenreizungen  allerArt  im  Familien- 
leben verschärft  und  somit  dem  sich  entwickelnden  Körper  und 
Geist  eine  Last  aufgebürdet  wird,  an  der  jetzt  so  viele  Er- 
wachsene zu  Grunde  gehen. 

Die  Berichterstatterin  hatte   ihren  Ausführungen  folgende 
Leitsätze  zu  Grunde  gelegt: 

1.  Die  Hauptaufgabe  der  Schule  ist  allerdings  die  Aus- 
bildung des  Geistes.  Da  indessen  Körper  und  Geist 
in  unablässiger  Wechselwirkung  stehen,  so  hat  die 
Schule  die  Verpflichtung,  die  körperliche  Pflege,  welche 
Familie  und  Haus  dem  Kinde  angedeihen  lassen,  nach 
jeder  Richtung  hin  möglichst  zu  fördern. 

2.  Die  Schule  hat  es  sich  demnach  vor  allen  Dingen  an- 
gelegen sein  zu  lassen,  allen  äufseren  Anforderungen 
der  modernen  wissenschaftlichen  Hygiene  nach  Kräften 
gerecht  zu  werden. 

3.  Als  die  körperliche  Bildung  direkt  fördernde  Schul- 
einrichtungen sind  zu  empfehlen:  möglichst  viele 
körperliche  Bewegung  in-  und  auiserhalb  der  Stunden 
und  Einfügung  obligater,  im  Freien  auszuführender 
Turnspiele  in  den  Lehrplan. 

4.  Von  hoher  Bedeutung  ist,  dafs  die  Schule  durch  eine 
den  Geist  befreiende  und  den  Körper  nicht  einzwän- 
gende Unterrichtsmethode  auch  die  Schulstunde  selbst 
für  die  harmonische  Ausbildung  von  Geist  und  Körper 
fruchtbar  macht. 

5.  Alle  ihr  zu  Gebote  stehenden  Mittel  soll  die  höhere 
Mädchenschule  anwenden,  um  das  Haus  zu  bestimmen, 
von   den  Kindern  jeden    die    Nerven  reizenden   und 


484 

somit  den  ganzen  Körper  schädigenden  Einfalls  fern- 
zuhalten,  damit   dadurch   die    von   ihr    angestrebten 
Erfolge  nicht  beeinträchtigt  werden. 
Eine  Abstimmung  aber  die  einzelnen  Thesen  wurde  nieht 
beliebt.    Die  Versammlung    dankte   vielmehr    der    Bednerin, 
indem  sie  erklärte,  dais  der  Vortrag  nebst  den  leitenden  Grund- 
sätzen im  allgemeinen  ihre  vollste  Zustimmung  und  Billigung 

gefunden  habe. 

(Fortsetcung  in  No.  10.) 


Der  Berliner  Realschttlminnerverein  über  die  Sehularztfrage. 

Im  Realschulmäanerverein  Berlins  sprach  nach  der  „Charlotibg. 
Zig.u  Dr.  med.  W.  Feilchenfeld  Aber  die  Schularztfrage. 
Die  moderne  Richtung  in  der  Medizin,  so  fahrte  er  aus,  die 
neben  der  Behandlung  schon  bestehender  Krankheiten  ganz  be- 
sonders die  Erforschung  der  Krankheitsursachen  und  deren  Beseitigung 
erstrebt,  sowie  die  Einführung  des  Schulzwanges  mausten  mit  Not- 
wendigkeit zu  einer  Schulhygiene  fuhren.  Diese  lehrt,  dab  manchen 
Schulkrankheiten  durch  ärztliche  Schulanfsicht  vorgebeugt  werden 
kann.  Nun  gibt  es  zwar  eine  grofse  Reihe  schulhygienischer  Ver- 
fügungen in  allen  Kulturstaaten,  aber  fast  überall,  wo  nicht  Schul- 
ärzte Aber  ihre  Ausfahrung  wachen,  stehen  sie  eigentlich  nur  auf 
dem  Papiere.  Auch  die  Pädagogen,  welche  sich  früher  gegen  die 
Einführung  von  Schulärzten  sträubten,  wünschen  dieselbe  jetzt 
vielfach.  Überall,  wo  solche  Ärzte  angestellt  sind,  zeigen  sich  bereits 
Erfolge.  Der  Redner  ging  sodann  die  verschiedenen  Staaten  ausserhalb 
und  innerhalb  Deutschlands  in  Bezug  auf  ihre  Leistungen  auf  diesem 
Gebiete  durch  und  betonte  dabei  die  hervorragenden  Einrichtungen 
in  den  grofsen  Städten  Belgiens,  Frankreichs  und  Ungarns.  Er 
findet,  daft  Preufsen  hierin  hinter  den  meisten  anderen  Ländern 
zurückgeblieben  ist  und  dafo  sich  die  Behörden  Berlins  der  Schul- 
arztfrage ganz  besonders. feindlich  gezeigt  haben. 

Zum  Schlüsse  stellte  der  Vortragende  folgende  Forderungen 
auf:  1.  Einsetzung  von  Kommissionen,  bestehend  aus  Ärzten,  Archi- 
tekten und  Pädagogen,  behufs  genauer  Untersuchung  der  Schulen. 
2.  Aufnahme  einer  Prüfung  in  der  Schulhygiene  in  das  pädagogische 


485 

Examen.  3.  Einführung  von  Vorlesungen  über  Schulgesundheitepflege 
ftr  Mediziner  und  Philologen  an  allen  Universitäten  und  Seminarien. 
4.  Anstellung  eines  Schulärzte*  für  je  cirea  5000  Schüler,  welcher 
halbjährlich  genaue  Fragebogen  ausgefüllt  an  die  vorgesetzte  Behörde 
zu  senden  hat.  5.  Ernennung  eines  Reichsschularztes  im  Ministerium. 
6.  Aufnahme  eines  Schularztes  in  jede  Schulbehörde. 

Die  lebhafte  und  eingehende  Debatte,  welche  sich  an  den 
Vortrag  knüpfte,  ergab  die  einmütige  Zustimmung  der  Versammlung 
zu  der  3.  und  6.  These,  nämlich:  Einführung  von  Vorlesungen  über 
Schulhygiene  für  Mediziner  und  Philologen  an  allen  Universitäten  und 
Seminarien;  Aufnahme  eines  Arztes  in  jede  Schulbehörde. 

Desinfektion  in  Schulen. 
Urteile  von  Londoner  Schulärzten. 

In  der  Jahresversammlung  des  Vereins  der  Schulärzte  Londons, 
welche  unter  dem  Vorsitze  von  Dr.  W.  Howship  Diokinson  in  den 
Räumen  der  dortigen  medizinischen  Gesellschaft  stattfand,  hielt  Dr. 
H.  Franklin  Parsons  einen  Vortrag:  „Praktische  Desinfektion 
der  Schulen,  speciell  der  Kinder,  der  Kleidung  und  des 
Gebäudes." 

In  der  eingehenden  Diskussion,  welche  sich  an  den  Vortrag 
anschlofs,  wurde  auf  die  hohe  Bedeutung  frischer  Luft  und  reich- 
lichen Lichtes  als  Desinfektionsmittel  hingewiesen  und  zugleich  der 
freigebigste  Gebrauch  von  heifeem  Wasser  und  Seife  empfohlen.  Für 
die  Desinfektion  trockener  Bäume  schien  sich  trotz  des  abfälligen 
Urteils  Robert  Kochs  Schwefeldioxyd  besonderer  Gunst  zu  erfreuen, 
vorausgesetzt,  dafs  eine  hinreichende  Menge  Schwefel  und  diese  in 
gehöriger  Weise  zur  Verbrennung  gelange. 

Einige  Redner  hoben  die  Notwendigkeit  hervor,  auf  scheinbar 
unbedeutende  Dinge  zu  achten,  namentlich  wurden  Stiefel,  Bücher, 
Taschenuhren  u.  dergl.  als  Gegenstände  angeführt,  welche  leicht  eine 
Ansteckung  bewirken,  aber  unter  gewöhnlichen  Umständen  außer- 
ordentlich schwer  zu  desinfizieren  sind.  Der  den  antibakteriellen 
Einreibungen  bei  Scharlachfieber  gewöhnlich  zugeschriebene  Wert 
begegnete  mehrfachen  Zweifeln.  Dagegen  waren  die  meisten  darin 
einig,  dafs  die  Beschaffung  eines  wirksamen  Desinfektionsapparates, 
insbesondere  für  kleinere  Schulen,  wünschenswert  sei,  wenn  dieselbe 
auch  manchen  Schwierigkeiten  begegne;  der  Vorzug  feuchter  Wärme 
der  trockenen  gegenüber  wurde  dabei  allgemein  anerkannt. 

Hierauf  bemerkte  der  Vorsitzende,  dafs  er  die  Einreibungen  mit 
Salbe  bei  Scharlach  längst  aufgegeben  habe;  es  sei  ihm  erschienen, 
als  ob  Albuminurie  bei  solchen  Einreibungen  häufiger  vorkomme. 
Zugleich    gab    er    der   Ansicht   Ausdruck,    dafs    Scharlachpatienten 


486 

während  der  ersten  Periode  der  Krankheit,  wo  das  Exanthem  sich 
zeige  und  seinen  Höhenpunkt  erreiche,  am  meisten  ansteckten,  nicht 
aber,  wie  man  gewöhnlich  annehme,  während  der  Zeit  der  Ab- 
schuppung. 

Zum  Schlüsse  wurde  der  Vorstand  deS  Vereines  beauftragt,  eine 
genaue  Desinfektionsordnung  für  Schulen  zu  entwerfen. 


kleinere  Jtütetlutt$ttt. 


Gesundheitspflege  Ar  die  Lehrer,  so  betitelt  sich  ein  Auf- 
satz in  dem  „Päd.  Wochbl.",  welcher  folgendermafsen  lautet:  Seit 
ungefähr  10  Jahren  ist  ein  reges  Leben  erwacht,  das  sich  mit 
der  Schulgesundheitspflege  beschäftigt.  Ungezählte  Vorschläge  sind 
gemacht  worden,  damit  dem  heranwachsenden  Geschlecht  in  der 
Schule  alle  Vorteile  der  neueren  ärztlichen  Wissenschaft  zu  gute 
kommen.  Bei  allen  diesen  so  wohlgemeinten  Bestrebungen  vergiist 
man  ganz,  dafs  eine  wahre  Reform  gar  nicht  erzielt  werden  kann 
ohne  die  Lehrer.  Zunächst  schaffe  man  gesunde  Lehrer,  Erzieher, 
die  an  Leib  und  Seele  frisch  sind  und  diese  Frische  auch  der  ihr 
anvertrauten  Schar  der  Unmündigen  beizubringen  vermögen.  Daran 
fehlt  es,  an  kerngesunden  Lehrern.  Wohl  sind  sie  seltener  geworden, 
die  Originale  unter  den  Gymnasialprofessoren,  jene  spindeldürren, 
ausgehungerten  Gestalten,  die  Figuren  ohne  Kraft  und  Mark,  welche 
in  ungezählten  bildlichen  und  schriftlichen  Darstellungen  seit  Jahr- 
hunderten verspottet  und  gegeißelt  worden  sind;  wohl  hat  auch 
besonders  das  Reserveoffiziertum  den  höheren  Lehrerstand  in 
Bezug  auf  die  körperliche  Haltung  günstig  beeinflußt,  aber  auch  jetzt 
noch  ist  der  Typus  des  höheren  Lehrers  ein  Bild,  dem  kraftstrotzende 
Männlichkeit,  selbstbewufstes  Auftreten,  blühende  Gesundheit,  ur- 
wüchsiges Behagen  fehlen,  kurz  die  Eigenschaften,  die  viele  der 
herrschenden  Stände,  von  reicheren  Landwirten,  Förstern,  Seeleuten 
gar  nicht  zu  reden,  auszeichnen.  Das  Gesicht  so  manches  Gelehrten, 
sagt  Schopenhauer  treffend,  trägt  von  seinen  vielen  Studien  keine 
anderen  Spuren,  als  die  der  Erschöpfung  und  Abnutzung  durch  über- 
mäßige, erzwungene  Anstrengung  des  Gedächtnisses  zu  widernatür- 
licher Anhäufung  toter  Begriffe.  Da  gibt  es  nur  ein  Mittel,  das 
retten  kann.  Die  einseitige  geistige  Thätigkeit  hat  die  Leute  herunter- 
gebracht, man  zwinge  sie  zu  vernünftiger  körperlicher  Beschäf- 
tigung. Nur  in  dem  richtigen  Wechsel  von  geistiger  und  körperlicher 
Anstrengung  ruht  das  Heil.     Viele   pflegen  zwar  den  Körper,   aber 


487 

in  ganz  verkehrter  Art.  Sie  rennen  spazieren,  traben  im  Freien 
hemm,  um  zu  Kräften  zn  kommen,  aber  das  ist  ein  viel  zu  dürf- 
tiges und  schwaches  Mittel.  Das,  was  Tolstoi  und  ändert  verlangt 
haben,  das  ist  das  Erlösende:  Der  im  Lehrerbernfe  müde  gewordene 
widme  zur  Abwechselung  nnd  Erholung  sich  produktiver  körperlicher 
Arbeit,  nicht  zerstreuenden  Spielereien,  sondern  wohlüberlegter  Be- 
schäftigung mit  seinen  Händen,  um  etwas  Nützliches,  Brauchbares 
zu  schaffen.  Der  eine  mag  tischlern,  der  andere  schmieden,  der 
dritte  Gartenbau  treiben,  jeder  nach  seinem  Belieben,  aber  ein  be- 
stimmter Plan  mufe  inne  gehalten  werden.  Was  ist  in  unseren 
verschiedenen  Sanatorien,  die  den  durch  Überreizung  verdorbenen 
höheren  Ständen  Heilung  bringen,  das  Geheimnis  des  Erfolges?  Die 
körperliche  Beschäftigung  der  Hilfesuchenden.  Nun,  dieses  Mittel 
kann  sich  jeder  schliesslich  im  Hause  verschaffen  und  noch  etwas 
Besseres.  Viel  mehr  als  bei  den  Spielereien,  als  da  sind:  eine 
Anzahl  Schritte  zurücklegen,  Stabübungen,  turnerische  Bewegungen, 
wird  das  körperliche  und  seelische  Wohl  befördert  durch  produktive 
Arbeit.  Wer  nach  geschehener  geistiger  Anstrengung  ein  Stück  Land 
umgräbt,  Gemüsebau  treibt,  Tischlerarbeiten  verrichtet  und  dergleichen 
und  dabei  etwas  Nützliches  schafft,  das  ihm  oder  seinen  Mitmenschen 
Vorteile  bringt,  der  erringt  sich  eine  Befriedigung,  eine  Genugtuung, 
die  viel  höher  sind,  als  sie  blo&e  Spielereien  erzeugen,  der  gewinnt 
neue  Kräfte,  der  sinkt  nicht  herab  zum  ausgetrockneten  Pedanten, 
welcher  sich  und  seinen  Schülern  das  Leben  schwer  macht  durch 
einseitige  Betonung  hohlen  Formelkrams.  Die  Lehrer,  die  einseitig 
geistig  thätig  sind,  verlieren  alle  Fühlung  mit  dem  wahren  Menschen- 
tum, verlernen  das  erste,  was  der  Erzieher  thun  soll,  sich  nämlich 
auf  den  Standpunkt  des  Unmündigen  zu  versetzen,  und  stellen  an 
ihre  Schüler  Anforderungen,  die  alles  Mafs  übersteigen.  —  Wir 
haben  den  Ausführungen  des  mit  etwas  grellen  Farben  malenden 
Herrn  Verfassers  gerne  Raum  gegeben,  möchten  aber  doch  be- 
zweifeln, dafs  die  Beschäftigung  in  einer  staubigen  Tischlerei  oder 
einer  rauchigen  Schmiede  der  Gesundheit  zuträglicher  als  ein  Spazier- 
gang oder  gar  Turnen  in  freier  Luft  sei.  Gartenarbeit  zu  treiben 
aber  sind  die  meisten  Lehrer  schon  deshalb  nicht  im  stände,  weil 
sie  über  keinen  Garten  verfügen.  Aufserdem  darf  auch  nicht  über- 
sehen werden,  dafs  man  nach  schwerer  Arbeit  mit  der  Hand  hinterher 
aafter  stände  ist,  die  Feder  zu  führen. 

•    Schulhygienisches  ans  dem  Königreich  Sachsen.    In  dem 

vor  einiger  Zeit  erschienenen  23.  Jahresberichte  des  Landesmedizinal  - 
kollegiums  über  das  Medizinalwesen  im  Königreich  Sachsen  auf  das 
Jahr  1891  heilst  es:  Zwei  im  Medizinalbezirke  Glauchau  neu  er- 
richtete Schulen,  die  eine  in  Hohndorf,  die  andere  in  Oberlungwitz, 


488 

sind  in  jeder  Weise  vorzüglich,  ja  luxuriös  gebaut,  zeichnen  sich 
durch  grofee  Korridore  aus,  haben  Dampfniederdruckheizung  und 
gute  Ventilationseinrichtungen.  In  Oberlungwitz  bezogen  die 
zufahrenden  Luftkanäle  ihre  Luft  aus  dem  Keller.  Ursprünglich 
waren  sie  durch  die  Mauer  hindurch  projektiert  worden;  bei  der 
Ausführung  glaubte  man  aber,  dafs  dies  schlecht  aussehen  würde, 
liefs  sie  im  Keller  selbst  aufhören  und  setzte  an  ihre  Ausmündungs- 
stelle  ein  Fenster.  Der  Übelstand  ist  dann  beseitigt  worden.  In 
der  neuen  Schule  zu  Oberlungwitz  haben  die  Schulbänke  Plusdistanz 
yon  0,5  bis  2  cm  und  sind  für  zwölf-  bis  achtzehnjährige  Kinder 
hergestellt,  passen  also  nur  für  die  oberste  Klasse.  —  Hinsichtlich 
dreier  Schulen  in  Freiberg  sagt  der  Bezirksarzt,  dafs  die  Beleuch- 
tungsverhältnisse für  die  meisten  Klassen  ganz  unzureichende  seien, 
so  dafs  die  Sehkraft  der  Kinder,  namentlich  der  entfernt  vom  Fenster 
sitzenden,  geschwächt  werde  und  nach  der-  Mitteilung  eines  Lehrers 
33%  Kurzsichtige  in  seiner  Klasse  säüsen.  Die  Ventilationseinrich- 
tungen fehlten  so  gut  wie  gänzlich,  und  wo  solche  eingerichtet  waren, 
erwiesen  sie  sich  als  unzweckmäßig,  ja  sogar  dadurch,  dafe  sie 
verdorbene  Luft  dem  Innern  zuführten,  als  gesundheitsschädlich. 
Die  Schulbänke  entsprachen  zum  gröfeten  Teil  nicht  den  Vorschriften 
weder  in  Bezug  auf  die  Masse,  noch  die  Konstruktion  (Einschnitte 
zum  Aufstehen).  Die  Beheizung  durch  Kachel-  oder  eiserne  Öfen 
war  eine  mangelhafte,  da  Mäntel  zum  Abhalten  der  strahlenden 
Hitze  überall  fehlten  und  die  Ofenvorsetzer  in  keiner  Weise  genügten. 
Die  Abortanlagen  besafsen  zum  Teil  eine  zu  geringe  Höhe,  nicht 
hinreichend  Luft  und  Licht  und  standen  in  direkter  Verbindung  mit 
den  Vorsälen,  so  dafs  übel  riechende  Gase  in  diese  und  von  da  aus 
in  die  Schulzimmer  eindrangen;  es  geschah  dies  ganz  besonders 
durch  die  Luftzuführungskanäle,  welche  als  saugende  Öffnungen  an- 
gesehen werden  müssen.  Der  Fufsboden  in  den  Hausfluren  wie  in 
einzelnen  Klassen  erwies  sich  undicht,  liefs  Feuchtigkeit  eindringet 
und  gab  Keime  aller  Art  ab,  die  sich  im  Zimmer  verbreiteten  und 
so  die  Luft  verdarben  oder  sonst  gesundheitsschädlich  wirkten.  Was 
die  Lage  der  Lehrgebäude  betrifft,  so  waren  diese,  ganz  besonders 
die  Petrischale,  nur  durch  schmale  Strafeen  von  den  gegenüber- 
liegenden Häusern  getrennt,  und  es  fehlte  ihnen  daher  an  Helligkeit 
und  guter  Luft;  auch  gewährten  sie  mit  Ausnahme  der  Knaben- 
bürgerschule im  Herderschen  Hause  den  Kindern  keinen  genügenden 
Raum,  in  welchem  sie  sich  während  der  Pausen  hätten  erholen 
können.  —  In  der  Schule  zu  Jugel  im  Medizinalbezirk  Schwarzen- 
berg  wucherte  der  Schwamm  sowohl  in  der  Schulstube  als  auch  in 
der  Wohnung  des  Lehrers.  In  dem  Schulzimmer  war  die  eine 
Wand  ganz  durchnäßt    durch   die  yon  der  Abortgrube    aufsteigende 


489 


Feuchtigkeit.  Aufserdem  hatte  sich  eine  Ecke  des  Schulgebäudes 
derartig  gesenkt,  dafs  die  Mauer  grofse  Risse  zeigte  von  der  Gröfse, 
dafs  man  den  Arm  hineinlegen  konnte.  Auf  Antrag  des  Bezirks- 
arztes beschlofs  die  arme  Gemeinde  den  Neubau  einer  Schule.  — 
Eine  Untersuchung  der  Schuler  der  Bürgerschule  und  der  Bezirks- 
schulen zu  Glauchau  auf  Kurzsichtigkeit  und  Schwerhörigkeit  ergab, 
dafe  sich  unter  den  Kindern  der  ersten  2  Schuljahre  in  der  Bürger- 
schule fast  doppelt  so  viele  Kurzsichtige  befanden,  als  in  den  Be- 
zirksschulen. In  letzteren  steigt  die  Zahl  der  Myopen  rasch,  um 
im  3.  bis  4.  Schuljahre  bereits  das  Maximum  von  5%  zu  erreichen; 
yon  da  an  nehmen  die  Kurzsichtigen  nicht  mehr  wesentlich  zu, 
während  in  der  Bürgerschule  im  3.  und  4.  Schuljahre  ebensoviel 
Kinder  kurzsichtig  sind,  als  in  den  Bezirksschulen,  dann  aber  das 
Verhältnis  rasch  steigt,  so  dafe  im  5.  bis  6.  Schuljahre  10%  der 
Kinder  an  Myopie  leiden.  Die  oberen  Klassen  zeigen  dann  wieder 
eine  geringe  Abnahme. 

Häusliche  Arbeitszeit  der  Schüler  der  k.  k.  Staatsober* 
realschnle  in  Taschen.  Dem  uns  freundlichst  übersandten  Jahres- 
berichte der  genannten  Anstalt  für  1891 — 92  entnehmen  wir,  dais 
Erhebungen  in  Bezug  auf  die  häusliche  Zeiteinteilung  der  Schüler 
vorgenommen  wurden.  Letztere  stellten  vom  1.  bis  30.  November 
die  Zeit  des  Aufstehens,  Arbeitens,  Spazierengehens,  Badens,  Schlafens, 
Unwohlseins  u.  s.  w.  in  gedruckten  Tabellen  zusammen  und  entwarfen 
damit  ein  Bild  ihrer  Lebensweise.  Die  häusliche  Arbeitsdauer  eines 
Schülers  für  die  einzelnen  Lehrgegenstände  betrug  durchschnittlich 
in  Minuten: 


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Summe 

IA. 

19 

11 

13 
13 
13 
10 
24 
27 
13 

19 
20 
17 
20 
28 
26 
19 
29 

20 
17 
26 

5 

13 

12 

20 

33 

27 

22 

12 

14 
14 
17 
21 
27 
21 
26 
44 

16 
20 
18 
27 
13 
26 

12 
11 

15 
33 

9 
10 

7 

10 

6 

10 

3 
9 
6 
3 

9 
10 

6 

Stunde  32  Min. 

IB. 

17 

6 
6 

1 

»   43  n 

n. 

14 

1 

n         41   „ 

ni. 

14 

2 

n                      » 

IV. 

18 

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2 

»   28  „ 

V. 

9 

2 

»   53  „ 

VI. 

9 

2 

»   40  „ 

VII. 

14 

3 

n   30  n 

Scholfesnadheittpflefe  VI. 


32 


490 

Die  Zeiteinteilungstabellen  führten  zu  einer  ziemlich  genauen  Kenntnis 
der  Schaler  und  ihrer  häuslichen  Verhältnisse.  Sie  zeigten,  dafs 
einzelne  in  den  unteren  und  die  Mehrzahl  in  den  oberen  Klassen 
bis  11,  ja  bis  12  Uhr  nachts  und  darüber  hinaus  arbeiteten;  date 
in  einigen  Wohnungen  die  Lüftung  vernachlässigt  wurde;  dafe  manche 
Schüler  eine  regelmäßige  Körperbewegung  unterliefsen  und  die  Haut- 
pflege verabsäumten.  Schlechte  Lüftung  der  Wohnung  und  Mangel 
an  Bewegung  trafen  in  mehreren  Fällen  mit  Kopfweh  und  Nasen- 
bluten der  Betreffenden  zusammen.  Über  die  in  den  Tabellen  zum 
Ausdruck  gebrachten  Zustände  wurde  in  einer  Konferenz  verhandelt 
und  sodann  von  den  Klassenvorständen  dahin  gewirkt,  die  Schüler 
zu  einer  der  Gesundheitslehre  entsprechenden  Lebensführung  zu  ver- 
anlassen. Zu  diesem  Zwecke  konnten  die  Gesundheitsregeln  für  die 
Schuljugend,  herausgegeben  von  der  Hygienesektion  des  Berliner 
Lehrervereines,1  empfohlen  werden. 

Über  das  Lebens-  und  Dienstalter  der  Volksschullehrer 
in  Preufgen  entnehmen  wir  der  „Stat.  Korr"  folgende  auf  der 
Schulstatistik  von  1891  beruhende  Angaben:  Auf  63  237  Stellen 
für  vollbeschäftigte  Lehrer  und  8494  Stellen  für  vollbeschäftigte 
Lehrerinnen  entfallen  5691  in  Ruhestand  versetzte  Lehrer  und 
400  in  Ruhestand  versetzte  Lehrerinnen.  Auf  11,11  Lehrer  und 
21,24  Lehrerinnen  kommen  eine  ausgediente  Kraft;  in  den  Städten 
entfällt  auf  je  17,45  und  auf  dem  Lande  auf  9,11  Lehrkräfte,  im 
ganzen  Staate  auf  11,78  Lehrkräfte  ein  Ruhegehaltempfänger.  Von 
den  Lehrern  im  Dienste  waren  54,8%  (auf  dem  Lande  56,6] 
unter  35  Jahren  alt,  27,6%  (25,2)  35—50  Jahre,  15,1  (15,5) 
50—65  Jahre  und  2,5  (2,7)  über  65  Jahre;  von  den  Lehrerinnen 
63,2%  (auf  dem  Lande  69,5)  unter  35  Jahren,  29,7  (23,9)  35  bis 
50  Jahre,  6,7  (6,1)  50—65  Jahre  und  0,14(0,5)  über  60  Jahre. 
Was  das  Dienstalter  betrifft,  so  standen  im  Durchschnitt  aller  Lehrer 
aus  Stadt  und  Land  im  Dienstalter  von  5  Jahren  und  darunter  22,4%, 
von  5—10  Jahren  20,8%,  von  10—15  Jahren  15,4%,  von  15  bis 
20  Jahren  10,4  %,  von  20—30  Jahren  16,0,  von  30—40  Jahren 
10,6,  von  40—50  Jahren  4,0  und  über  50  Jahren  0,4%.  Bei 
den  Lehrerinnen  waren  die  Altersstufen  folgendermafsen  verteilt: 
0—5  Jahre  29,8  %,  5—10  Jahre  25,2,  10—15  20,9,  15—20 
11,6,  20—30  9,1,  30—40  2,8,  40—50  0,5  und  über  50  Jahre 
0,05%.  Über  das  Dienst-  und  Lebensalter  zur  Zeit  der  Pen- 
sionierung liegen  Nachrichten  nur  für  die  nach  dem  1.  April  1886 
pensionierten,    am  1.  April  1890    vorhandenen    3901    Lehrer   und 


1  S.  diese  Zeitschrift  1890,  No.  3,  S.  162—164;  No.  6,  S.  361—352. 

D.  Red. 


491 

200  Lehrerinnen  vor:  die  Lehrer  waren  durchschnittlich  mit  einem 
Lebensalter  von  64  Jahren  5  Monaten  und  einem  Dienstalter  von 
41  Jahren  5  Monaten  ausgeschieden,  die  Lehrerinnen  mit  einem 
Lebensalter  von  50  Jahren  und  einem  Dienstalter  von  24  Jahren. 

Sind  gute  Turner  schlechte  Schüler?  Diese  Frage  hat 
Dr.  S.  Schwabz  aus  den  Zeugnisbüchern  der  Altonaer  Reallehr- 
anstalt zu  beantworten  gesucht  und  die  gewonnenen  Resultate  in 
der  „Zeiischr.  f.  Tum-  u.  Jgdspl."  mitgeteilt.  Bei  einem  ganz 
allgemeinen  Vergleich  ergab  sich,  dafs  bei  171  oder  34,6%  der 
tarnenden  Schuler  die  Leistungen  im  Turnen  und  den  wissenschaft- 
lichen Fachern  übereinstimmten;  bei  250  oder  50,6%  fand  sich  ein 
geringer  Unterschied,  während  nur  bei  71  oder  14,8%  die  Lei- 
stungen im  Turnen  und  den  wissenschaftlichen  Fächern  im  geraden 
Gegensatz  standen.  Wird  aber  nicht  wenigstens  die  Auszeichnung 
auf  dem  einen  Gebiete  meist  mit  Unzulänglichkeit  auf  dem  anderen 
erkauft?  Diese  Frage  beantwortet  der  Verfasser  an  der  Hand  von 
vier  Tabellen  dahin,  dafs  von  den  guten  Schülern  reichlich  zweimal 
soviel  auch  im  Turnen  Hervorragendes  leisteten,  als  in  demselben 
hinter  den  Forderungen  zurückblieben.  Auch  unter  den  guten 
Turnern  gab  es  immer  noch  mehr  gute,  als  ungenügende  Schüler, 
unter  den  schlechten  Turnern  immerhin  zwei  Fünftel  mehr,  die  auch 
in  der  Klasse  zurückblieben,  als  solche,  die  dafür  dort  Gutes  leisteten. 
Nur  die  eine  der  vier  Tabellen  zeigt  ein  umgekehrtes  Verhältnis  der 
Leistungen  im  Turnen  und  in  den  wissenschaftlichen  Fächern.  Ein 
weiterer  Unterschied  besteht  zwischen  den  einzelnen  Klassen.  Während 
die  unteren  Klassen  überwiegend  viele  Beispiele  für  den  Satz  von  den 
guten  Turnern  und  schlechten  Schülern  aufweisen,  zeigt  er  sich  für  die 
mittleren  und  namentlich  oberen  Klassen  um  so  weniger  richtig. 
Es  ist,  als  ob  die  Schule  allmählich  jene  einseitig  Begabten  aus- 
schiede und  dem  Ideal  einer  gleichmäfsigen  Bildung  von  Körper  und 
Geist  näher  käme.  Zum  Schlüsse  fordert  Dr.  Schwarz  zu  ähnlichen 
Erhebungen  an  anderen  Schulen  auf:  „Erst  wenn  von  mehr  An- 
stalten das  Material  vorliegt,  kann  man  die  Frage  im  allgemeinen 
beantworten,  wieweit  die  gleichmäßige  Bildung  von  Körper  und  (reist 
auf  unseren  höheren  Schulen  erreicht  wird  und  wieweit  sie  erreicht 
werden  kann.u 

Ist  das  Fufsballspiel  gefährlich?  Über  diese  Frage  schreibt 
J.  H. "WORTMANN  in  der  »Ztschr.  f. Turn. u.  Jgdspl*:  Beim  „Rugby" 
werden  in  England  hauptsächlich  solche  Spieler  verwendet,  die  für 
Geld  spielen  und  auf  deren  Spiel  grofse  Wetten  gesetzt  werden 
können.  Diese  meist  kräftigen  Arbeiterkreisen  angehörenden  Pro- 
fessionisten  gestatten  sich  beim  „Rugby"  alle  nur  erdenklichen 
Roheiten;   bei  diesem  Spiele   ist  das  Aufnehmen  des  Balles  sowohl 

32* 


492 

als  des  Spielers  gestattet,  und  der  Spieler  fafst  beispielsweise  den 
mit  dem  Ball  entfliehenden  Gegner  mit  vollen  Fäusten  und  wirft 
ihn  wuchtig  zu  Boden,  gleichgültig  ob  er  Hals  oder  Beine  bricht. 
Beim  „Association44  ist  zwar  das  Aufnehmen  des  Balles  und  Mannes 
nicht  gestattet,  wohl  aber  das  Niederrennen,  und  in  letzterem  leisten 
solche  berüchtigten  Sportsmen,  wie  die  oben  geschilderten,  das  denkbar 
Roheste.  Die  Spiele  der  feineren  englischen  Klubs  und  Schulen 
dagegen  zeichnen  sich  nicht  durch  Roheit  und  demgemäß  auch 
nicht  durch  haarsträubende  Unfälle  aus.  Und  unsere  deutschen? 
Wir  haben  in  unserer  Praxis  ungefähr  200000  Schüler  und  Turner 
im  Fufsballspielen  unterrichtet  und  zu  unserer  Freude  keinen 
nennenswerten  Unfall  erlebt.  Also  frisch  heran  an  den  Ball!  — 
Unsere  Nachrichten  über  das  Fufsballspiel  in  englischen  Schulen 
lauten  freilich  anders.  So  wird  unserem  verehrten  Mitarbeiter,  Herrn 
Direktor  Dr.  Winöbrath  in  Strafsburg,  von  einem  ihm  seit  25 
Jahren  befreundeten  englischen  General  geschrieben:  „Fufsbaü  ist 
sogar  ein  gefährliches  Spiel.  Bei  der  letzten  Partie,  wo  11  Schüler 
auf  jeder  Seite  waren,  brach  einer  ein  Bein,  ein  zweiter  eine  Rippe, 
und  mein  Sohn  Eduard  verrenkte  sich  die  Schulter.  Mag  es  auch 
nicht  immer  so  schlimm  zugehen,  auf  alle  Fälle  pflegt  das  Hand- 
gemenge dabei  sehr  hitzig  zu  sein." 

Matte  schwarte  und  weifse  Gksschvlwandtafelii.     Die 

Glasschulwandtafeln  der  Fabrik  Anton  N.  Bouvt  in  Amsterdam, 
Heerengracht  625,  bestehen  aus  massiv  schwarzem  Glase,  d.  h.  das 
Glas  ist  schon  in  der  Masse  schwarz  gefärbt.  Die  eine  Fläche, 
eventuell  auch  die  andere,  ist  matt  geschliffen.  Das  gibt  ihnen 
einen  Vorzug  vor  den  sogenannten  Düsseldorfer  Glaswandtafeln  und 
ihren  Nachahmungen,  die  aus  gewöhnlichem  matten  Glase  bestehen 
und  auf  der  Rückseite  mit  schwarzem  Lack  überzogen  sind ;  denn  dieser 
kann  reifsen  oder  abplatzen,  während  die  ersteren  gar  keiner  Unter- 
haltungskosten bedürfen.  Sie  werden  zum  Beschreiben  auf  einer 
Seite,  also  als  an  die  Wand  zu  hängende  Tafeln,  aber  auch  zur  zwei- 
seitigen Benutzung,  d.  h.  im  Ständer  zum  Drehen  der  Tafel,  geliefert. 
Auch  weifse  Schulwandtafeln  gelangen  in  der  genannten  Fabrik  zur 
Herstellung,  doch  dürften  die  schwarzen  empfehlenswerter  sein.  Die 
bisher  mit  den  Tafeln  gemachten  Erfahrungen,  so  urteilt  die  „Päd. 
Warte",  müsset  als  sehr  günstige  bezeichnet  werden.  Auch  vom 
hygienischen  Standpunkte  aus  werden  dieselben  empfohlen.  Sie  sind 
in  jeder  beliebigen  Gröfise  zu  beziehen  und  kosten:  schwarze,  eine 
Seite  matt,  JK.  27,50  für  den  Quadratmeter,  schwarze,  beide  Seiten 
matt,  M.  29,20;  weifse,  eine  Seite  matt,  M.  37,50,  weifse,  beide 
Seiten  matt,  JK.  39,20  pro  Quadratmeter. 


493 
Eine  Brille  für  farbenblinde  Schüler  wird  in  der  „Zischt. 

d.  Ver.  dtsch.  Zeichenlehr."  besprochen.  Sie  beruht  auf  dem  Princip, 
dafs  für  ein  farbenblindes  Ange  diejenigen  Farben,  welche  es  unter 
normalen  Verhältnissen  nicht  erkennt,  weil  sie  ihm  nur  gleichmäfsig 
dunkel  vorkommen,  dann  unterscheidbar  werden,  wenn  sie  ihm  ver- 
schieden hell  erscheinen.  Diese  verschiedene  Helligkeit  kann  nun 
dadurch  erzielt  werden,  dafs  ein  farbiges  Glas  die  Helligkeit  der 
einen  Farbe  starker  absorbiert,  als  die  der  anderen.  Ein  Augenarzt 
versah  daher  drei  rotgrflnblinde  Patienten  mit  purpurfarbigen  Gl&sern. 
Mit  einer  solchen  Brille  erscheint  das  Grün  dunkler,  als  das  Rot. 
Da  purpurfarbige  Gläser  von  den  Fabriken  bis  jetzt  nicht  hergestellt 
werden,  so  mußte  zu  dem  Aushilfsmittel  gegriffen  werden,  Glycerin- 
gelatine,  die  mit  Anüin  gefärbt  war,  in  flüssigem  Zustande  zwischen 
zwei  Glasplatten  zu  fassen  und  letztere  in  ein  Brillengestell  einzu- 
setzen. —  Übrigens  lernen  Farbenblinde  nicht  selten  durch  anhaltende 
Übung,  auch  ohne  Brille  die  Farben  an  ihrer  verschiedenen  Helligkeit 
zu  unterscheiden. 


SagtsgefdH^Ut^t** 


Die  schulhygienische  Sektion  des  VIII.  internationalen 
Kongresses  Ar  Hygiene  and  Demographie  in  Budapest  wählte, 

wie  man  uns  von  dort  schreibt,  zum  Präsidenten  Professor  Dr. 
Julius  Dollinger,  zu  Ehrenpräsidenten  Staatssekretär  Dr.  Albert 
von  Bbrzeyiczy,  Seminardirektor  Wilhelm  SzuffIn,  Docent 
Dr.  Moritz  K£rm1n,  Magistratsrat  Julius  Rözsavölgyi  und 
Schulinspektor  Dr.  Karl  von  Ver£dt.  Sekretäre  wurden  Docent 
Dr.  Stephan  Csapodi,  Bürgerschulprofessor  B£la  KIrpäthy, 
Operateur  Dr.  Camillo  Kollär  und  unser  geschätzter  Mitarbeiter, 
Schularzt  Professor  Dr.  Heinrich  Schusohnt.  Letzterer  ward 
zugleich  zum  Referenten  der  schulhygienischen  Sektion  ernannt. 

Die  65.  Versammlung  der  Gesellschaft  deutscher  Natur- 
forscher nnd  Ärzte  findet  vom  11.  bis  15.  September  d.  J.  in 
Nürnberg  statt.  Es  sind  32  Abteilungen  gebildet,  von  denen  die 
23.  Hygiene  und  Medizinalpolizei  umfafst.  Einführender  dieser  Ab- 
teilung ist  Hofrat  Dr.  Stich,  Schriftführer  praktischer  Arzt  Dr. 
GOLDßCHMiDT.  Unter  den  angemeldeten  Vorträgen  befinden  sich 
aach    zwei    schulhygienische,    nämlich    Professor  Dr.  Koch1-  Braun- 


1  Unser  Mitarbeiter.    D.  Red. 


494 

schweig:  Die  Entwickelang  des  Jagendspieles  in  Deutsch- 
land and  Seminarlehrer  Dr.STlMPFL ^Bamberg :  Die  Beziehungen 
der  Physiologie  zur  Pädagogik.  Von  sonstigen  hygienischen 
Vorträgen  fahren  wir  noch  an :  Geheimrat  Obermedizinalrat  Dr.  VON 
KERSCHENSTBINBR-Mflnchen:  Die  Hygiene  der  Treppen  and  des 
Treppenhauses,  Professor  Dr.  Wolpe  et  ^Nürnberg:  Über  Bestimmung 
der  Luftfeuchtigkeit  mit  Hilfe  der  Wage  and  Geheimer  Medizinalrat 
Dr.  Kbieger -Strafeburg  i.  £. :  Theoretische  Bemerkungen  Aber  die 
Desinfektion  durch  Wasserdampf. 

Zwei  Gegner  der  Steilschrift.  C.  Stellwao  von  Cariok 
macht  in  der  „Aüg.  Wien.  med.  Ztg.u  darauf  aufmerksam,  dafs  bei 
der  Frage,  ob  Schrägschrift  oder  Steilschrift,  die  historische,  ent- 
wickelung8geschichtliche  Seite  der  Sache  ganz  auüser  acht  gelassen 
sei.  Während  die  Steilschrift  des  früheren  Mittelalters  als  Schrift 
nicht  in  Betracht  kommt,  weil  sie  mehr  gemalt  als  geschrieben 
wurde  (?  D.  Red.),  zeigt  sich  deutlich,  dafs,  je  mehr  das  Schreiben 
eine  in  weiteren  Kreisen  geübte  Fertigkeit  wurde,  bei  den  Völkern, 
die  von  links  nach  rechts  schrieben,  die  Schrägschrift  in  Gebrauch 
kam.  Dagegen  hat  sich  bei  den  Nationen,  die  von  rechts  nach 
links  schrieben,  durchweg  die  Steilschrift  eingebürgert.  Ferner 
haben  alle  Linkshändigen,  die  wie  wir  von  links  nach  rechts  schreiben, 
eine  steile  oder  gar  nach  links  überfallende  Schrift,  auch  wenn  sie, 
vorher  des  Gebrauches  der  rechten  Hand  mächtig,  eine  nach  rechts 
geneigte  Schrägschrift  besafsen.  Für  diese  auffallende  Überein- 
stimmung sacht  Verfasser  einen  besonderen  Grund  and  findet  ihn 
darin,  dafs  es  anatomisch  notwendig  ist,  die  Schrägschrift  zu  schreiben, 
weil  nur  dadurch  der  Grundsatz  erfüllt  werde,  „beim  Schreiben 
möglichst  wenige  Muskeln  mit  thunlichst  geringer  Kraftanstrengung 
in  Thäügkeit  zu  setzen,  um  die  potentielle  Energie  derselben  in 
kleinsten  Quoten  auszunutzen  und  so  die  Thäügkeit  zu  Dauerarbeiten 
zu  steigern. u  Er  begründet  das  damit,  dafs  beim  Schreiben  der  Ell- 
bogen als  fixer  Mittelpunkt  der  vielen  Kreisbogen  gilt,  welche  die 
Spitze  der  Feder  beschreiben  mofs,  um  die  Striche  auf  eine  gerade 
Linie  zu  setzen.  Da  die  Schattenstriche  nun  nur  durch  Streckung 
and  Beugung  der  ersten  drei  Finger  hergestellt  werden,  so  steht 
die  Ebene,  in  der  sich  die  Federspitze  bewegt,  senkrecht  auf  der 
Ebene,  die  man  sich  durch  die  Querachse  des  schreibenden  Hand- 
gelenkes gelegt  denkt.  Diese  letztere  schneidet  das  Papier  in 
schräger  Richtung  von  links  oben  nach  rechts  unten;  die  darauf 
senkrechte  Ebene  mufs  also  von  rechts  oben  nach  links  unten  ver- 
laufen,   d.  h.  die  Schrift   der  von  links    nach    rechts  Schreibenden 


1  Unser  Mitarbeiter.    D.  Red. 


495 

mufe  eine  Schiefschrift  mit  nach  rechts  geneigten  Buchstaben  sein. 
Verfasser  begründet  auch  die  Steilschrift  der  von  rechts  nach  links 
schreibenden  Völker  auf  analoge  Weise.  Durch  die  Steilschrift 
der  Ton  links  nach  rechts  Schreibenden  würde  ein  beträchtliches 
Hehr  an  Muskelarbeit  geleistet  werden,  denn  es  würde,  um  durch 
Beugen  und  Strecken  der  drei  ersten  Finger  die  Schattenstriche 
herzustellen,  nötig  sein,  das  Handgelenk  aus  seiner  schrägen  Ebene 
der  wagerechten  zu  nähern ;  dazu  sind  eine  Reihe  von  Muskeln  not- 
wendig, ebenso  wie  auch  zu  der  erforderlichen  stärkeren  Streckung 
der  Hand  in  senkrechter  Richtung,  wobei  der  Ulnarrand  der  Hand 
von  seiner  Unterlage  abgehoben  werden  mufe.  Stellwag  von 
Cabion  hat  selbst  als  Notenschreiber  von  Jugend  auf  die  Steil- 
schrift geübt  und  berichtet  von  häufiger  Ermüdung  und  peinlichen 
Schmerzen  in  den  Einwärtsdrehern  und  Einwärtsstreckern  der  Hand. 
—  Die  von  uns  eingezogenen  Erkundigungen  stimmen  mit  dieser 
Angabe  freilich  nicht  überein.  Vielmehr  haben  uns  alle  Steilschreiber 
versichert,  dafs  sie  nicht  nur  ebenso  schnell,  sondern  auch  ebenso 
anhaltend  steil,  wie  früher  schräg,  schreiben,  ohne  irgend  welche 
besondere  Ermüdung  oder  gar  Schmerz  zu  empfinden.  Eine  Reihe 
diesbezüglicher  Gutachten  werden  wir  in  kurzem  mitteilen.  —  Ein 
zweiter  Gegner  der  Steilschrift  ist  auch  heute  noch  Professor  Berlin 
in  Rostock,  früher  in  Stuttgart;  derselbe  schreibt  der  „HYankf. 
Schutetg."  :  „Ich  stehe  vollkommen  auf  meinem  früheren  Standpunkte 
und  bin  in  der  Lage,  infolge  fortgesetzter  physiologischer  Unter- 
suchungen und  historischer  Studien  über  die  Entwicklung  der 
deutschen  Schrift  weitere  und,  wie  ich  glaube,  überzeugende  Beweise 
für  die  Superiorität  der  Schrägschrift  beizubringen.  Als  ich  im 
Jahre  1889  einem  Rufe  an  die  hiesige  Universität  folgte,  hatte  ich 
ein  beträchtliches  in  Stuttgart  gesammeltes  Material  zu  einer  Arbeit 
über  die  Entwickdung  der  Schrägschrift  beisammen.  Durch  die 
Übersiedelung  hierher,  die  Übernahme  ganz  neuer  Verpflichtungen, 
den  Bau  einer  neuen  Augenklinik  u.  s.  w.  wurde  meine  Arbeitskraft 
in  einem  Grade  in  Anspruch  genommen,  dafs  ich  aufser  stände  war, 
die  geplante  Ausarbeitung  zu  vollenden.  Ich  hoffe  jedoch,  dafs  ich 
Zeit  gewinnen  werde,  die  Sache  in  den  bevorstehenden  Osterferien, 
oder  wenigstens  im  Laufe  des  Sommers  zu  vollenden.  Ich  bin  fest 
überzeugt,  dafs  die  augenblickliche  Agitation  für  die  Steilschrift 
ebenso  resultatlos  verlaufen  wird,  wie  die  früher  schon  wiederholt 
dagewesenen. tt  Die  Mitteilungen  Professor  Berlins  müssen  hiernach 
noch  abgewartet  werden,  da  dieselben  unseres  Wissens  bisher  nicht 
veröffentlicht  sind. 

Die  erste  russische  Hygieneausstellung  in  St.  Petersburg 

ist,  wie  wir  erfahren,   vor  kurzem   eröffnet  worden.     Die  Anregung 


496 

dazu  ging  von  der  dortigen  Gesellschaft  znr  Wahrung  der  Volks- 
gesondheit  ans.  Das  Protektorat  hat  Grofsfürst  Paul,  der  jüngere 
Binder  des  Kaisers,  übernommen.  Die  Ausstellung  ist  in  der 
Michaelmanege ,  dem  riesigen  Exerzierhanse  der  Petersburger 
Garnison,  untergebracht.  Aniser  verschiedenen  sogenannten  ge- 
mischten Sektionen  enthalt  dieselbe  eine  Reihe  selbständiger  Ab- 
teilungen, so  von  den  Städten  Jalta,  Odessa,  Kiew  und  Warschan. 
Die  Stadt  Petersburg  hat  unter  anderem  eine  Specialabteilung  für  Schul- 
hygiene eingerichtet.  Wie  seiner  Zeit  in  Berlin,  beabsichtigt  man 
nach  Schlufs  der  Ausstellung  ein  hygienisches  Museum  in  St.  Peters- 
burg zu  gründen. 

Schulanfang  im  Begierungsbezirk  Schleswig  während 
des  kommenden  Winterhalbjahrs.  Die  Königliche  Regierung  zu 
Schleswig  beabsichtigt  in  Veranlassung  des  Reichsgesetzes  vom 
12.  März  d.  J.,  betreffend  die  Einführung  einer  einheitlichen  Zeit- 
bestimmung, anzuordnen,  dafs  im  Winterhalbjahr  an  allen  Schulen, 
welche  ihrem  Geschäftsbereich  angehören,  während  der  Zeit  vom 
15.  November  bis  zum  15.  Februar,  beide  Tage  eingeschlossen,  der 
Unterricht  eine  halbe  Stunde  später  als  bisher  zu  beginnen  hat. 
Dagegen  soll  die  Bestimmung  der  Dauer  des  Vormittagsunterrichtes 
und  des  Beginnes  und  Schlusses  des  Nachmittagsunterrichts  den 
Schulaufsichtsbehörden  unter  Berücksichtigung  der  Verhältnisse  ihres 
Aufsichtsbezirkes  überlassen  werden. 

Das  englische  Komitee  znr  Untersuchung  des  körper- 
lichen nnd  geistigen  Verhaltens  der  Schulkinder  hat,  wie 
Dr.  Francis  Warner  in  „The  Brit.  med.  Joum."  mitteilt,  neuer- 
dings nachstehende  Resultate  gewonnen:  Zwischen  Knaben  und 
Mädchen  bestehen  konstitutionelle  Unterschiede.  Bei  ersteren  finden 
sich  mehr  Fälle  von  unregelmäfsiger  Entwickelung,  Gehirnstörungen 
und  Geistesschwäche,  während  die  Mädchen  in  gröfserer  Anzahl  blaß, 
zart  und  blutarm  sind.  Kleine  Schädel  kommen  gleichfalls  häufiger 
bei  Mädchen  vor  und  sind  in  der  Hälfte  der  Fälle  mit  Geistes- 
schwäche kompliziert;  am  meisten  trifft  man  sie  in  Industrieschulen 
und  gewissen  Distrikten  Londons,  namentlich  Strand  und  City,  wo 
sich  grofse  Häuserblocks  oder  Warenlager  befinden.  Ungenügende 
Ernährung  scheint  in  der  Regel  mit  mangelhafter  Entwickelung  ver- 
bunden zu  sein ;  solche  Kinder  neigen  zu  Nervenleiden  und  Schwach- 
sinn und  fehlen  oft  beim  Unterricht;  sie  sind  am  zahlreichsten  in 
den  Armen-  und  Besserungsschulen.  Die  Zöglinge  in  den  Tages- 
schulen erfreuen  sich  einer  kräftigeren  Gesundheit  als  diejenigen  in 
den  Alumnaten.  Augenentzündungen  herrschen  ziemlich  stark  in 
manchen  Tagesschulen.  Zwischen  englischen,  irischen  und  jüdischen 
Lehranstalten  wurden  Unterschiede  in  Bezug  auf  das  körperliche 
Verhalten  der  Schüler  festgestellt. 


497 

Preisausschreiben  für  Lehrer  zur  Förderung  der  Mäfsig- 
keit  seitens  der  Schule.  Der  deutsche  Verein  gegen  den  Mifs- 
brauch  geistiger  Getränke  stellt  folgende  Preisfrage:  »Was  kann 
die  Schale  und  besonders  der  Lehrer  zur  Förderung  der 
Mäfsigkeitssache  thun?"  Zur  Bewerbung  sind  alle  Volksschul- 
lehrer des  Reiches  eingeladen.  Der  Preis  beträgt  300  Mark,  doch 
ist  den  Preisrichtern  gestattet,  denselben  nach  Befinden  zu  teilen. 
Es  wird  eine  kürzere  Arbeit  gewünscht,  die  sich  zur  Massen- 
verbreitung eignet.  Die  preisgekrönten  Arbeiten  werden  Eigentum 
des  Vereins.  Die  Arbeiten,  die  bis  zum  15.  Februar  1894  ein- 
zuliefern sind,  haben  nicht  den  Namen  des  Verfassers,  sondern  ein 
Motto  zu  tragen ;  in  einem  Umschlage,  der  das  gleiche  Motto  trägt, 
ist  die  Adresse  des  Verfassers  zu  verschliefen.  Das  Preisrichteramt 
haben  übernommen  die  Herren  Abgeordneter  F.  L.  Sbyffabdt  in 
Crefeld,  Lehrer  und  Redakteur  Hblmckb  in  Magdeburg,  Schul- 
direktor 0.  Pachb  in  Leipzig-Lindenan,  Generalsekretär  J.  Tbws 
in  Berlin  und  der  Geschäftsführer  des  genannten  Vereins,  Dr.  W. 
Bode  in  Hildesheim,  an  den  die  Arbeiten  einzusenden  sind.  Der 
Preis  wird  am  15.  April  nächsten  Jahres  erteilt. 

Zur  Wiederimpfung  in  den  französischen  Schulen.    „Le 

Progr.  mtä."  berichtet:  Die  Pariser  Akademie  der  Medizin  hat  auf 
Antrag  des  Herrn  Hervieü  an  den  Minister  des  öffentlichen  Unter- 
richts eine  Eingabe  gerichtet,  welche  die  Verteilung  von  300  Me- 
daillen an  diejenigen  Lehrer  und  Lehrerinnen  empfiehlt,  die  die 
Wiederimpfung  der  mehr  als  10  Jahre  alten  Kinder  in  den  Schulen 
am  eifrigsten  fördern.  Diese  Eingabe  ist  dem  obersten  Erziehungs- 
rate zugestellt  worden,  um  sein  Urteil  darüber  abzugeben  und  wegen 
Verleihung  der  Medaillen  Vorschläge  zu  machen. 

Eine  Pockenepidemie  in  Greenwich,  verbreitet  durch  die 
Schule.  Seit  mehr  als  3  Monaten  herrscht  in  Greenwich  eine  heftige 
Pockenepidemie,  über  deren  Verlauf  der  Gesundheitsbeamte  Dr.  Hartt 
dem  „BriL  Med.  J<nmt.u  berichtet.  Wir  entnehmen  diesem  Berichte, 
dafe  ein  am  26.  Februar  erkranktes  Kind  mehrere  andere  Kinder  in 
der  Schule  ansteckte.  Da  keiner  dieser  Fälle  angezeigt  wurde,  so 
verbreiteten  sich  die  Pocken  vom  19.  bis  25.  März  noch  bei  14 
anderen  Schulkindern,  die  mit  den  ersteren  in  Berührung  gekommen 
waren,  und  von  da  aus  fast  über  die  ganze  Stadt.  Man  ersieht 
hieraus,  wie  gefährlich  unerkannte  Blatternerkrankungen  unter  Schul- 
kindern sind. 

Schfilerinnenreise  auf  den  Semmering.  Die  „Dtsch.  Ztg.u 
schreibt:  Der  Lehrkörper  der  städtischen  Volksschule  für  Mädchen 
in  Wien  VI,  Kopernikusgasse  15,  hatte  beschlossen,  Schülerinnen- 
reisen zur  Belebung  des   geographischen   Unterrichtes   anzustreben. 


498 

Durch  das  Entgegenkommen  der  Generaldirektion  der  Südbahn  liefe 
sich  am  8.  Juli  d.  J.  ein  Ausflog  mit  den  oberen  Klassen  der  ge- 
nannten Schule  auf  den  Semmering  veranstalten.  Die  in  Gruppen  ein- 
geteilten Schülerinnen  wurden  von  den  beaufsichtigenden  Lehrpersonen 
auf  die  geographischen  Verhältnisse,  die  geschichtlichen  Beziehungen 
und  auf  den  kunstvollen  Bau  der  Gebirgsbahn  aufmerksam  gemacht 
und  zeigten  für  alles  das  lebhafteste  Interesse.  Einige  Kinder  hatten 
Karten,  verfolgten  darauf  die  Fahrt,  andere  zeichneten  die  Stationen 
ein  und  machten  sich  hierbei  die  verschiedensten  Notizen.  Die  Ver- 
pflegung im  „Hfttel  Semmering"  war  gut  und  billig.  An  Geist  und 
Leib  erfrischt  kehrten  die  Mfidchen  von  der  ungetrübt  verlaufenen 
Reise  zurück. 

Die  Ruderwettfahrt  zwischen  den  Vertretern  der  Univer- 
sitäten Oxford  nnd  Cambridge  hat  bei  herrlichstem  Wetter  unter 
ungeheurer  Teilnahme  der  Bevölkerung  auf  der  oberen  Themse  bei 
Puttney  in  der  Nähe  von  London  stattgefunden  und  mit  dem  Siege 
Oxfords  geendet.  Hunderttausende  von  Menschen  hielten  nach  der 
„Voss.  Ztg.u  die  Ufer  schwarz  besetzt,  während  eine  ganze  Dampfer- 
flottille am  Ziel  den  Sieger  erwartete.  Die  Mannschaft  von  Oxford 
war  den  Cambridgern  an  Kraft  überlegen,  letztere  ruderten  aber 
gleichmäßiger  und  eleganter.  Beide  Boote  gingen  nur  um  eine  halbe 
Länge  getrennt  über  die  Bahn,  so  dafs  das  Ergebnis  ftufserst  un- 
gewüs  erschien  und  mit  grofser  Spannung  erwartet  wurde.  Als  Cam- 
bridge den  Kampf  als  verloren  ansehen  mufste,  stoppte  es  ab,  wodurch 
Oxford  mit  21/*  Bootslängen  siegte.  Die  etwas  über  eine  deutsche 
Meile  lange  Bahn  wurde  in  18  Minuten  und  47  Sekunden  durch- 
messen, die  schnellste  bis  jetzt  erzielte  Geschwindigkeit.  Das  heutige 
Rennen  war  das  fünfzigste  der  Universitätsmannschaften;  27  derselben 
sind  bisher  von  Oxford,  22  von  Cambridge  gewonnen  worden;  ein 
Rennen  im  Jahre  1877  blieb  unentschieden. 

Schulschlufs  in  Orleans  wegen  Masern.  Dem  vProgr.  med.* 
entnehmen  wir,  dafs  infolge  einer  Masernepidemie  vor  einiger  Zeit 
sämtliche  Schulen  Orleans',  sowohl  die  Externate,  wie  die  Internate, 
durch  Verfügung  des  Präfekten  geschlossen  worden  sind. 

Schwimmunterricht   der  Schuljugend    in   der  Schweiz. 

Die  „Schwz.  Bl.  f.  G-sdhtspflg."  schreiben:  Es  ist  von  Interesse, 
festzustellen,  dafs,  wie  es  die  Schulpflege  der  Altstadt  Zürich 
schon  in  früheren  Jahren  gethan  hat,  so  auch  der  rührige  Vorstand 
des  Schulwesens  im  erweiterten  Zürich  dem  Schwimmunterrichte  fnr 
die  städtische  Jugend  seine  Aufmerksamkeit  widmet.  Zunächst  wurde 
vor  kurzem  eine  statistische  Erhebung  über  die  Zahl  der  des  Schwimmen* 
kundigen  und  unkundigen  Schüler  an  den  städtischen  Sekundärschulen 
veranstaltet.     Das  Resultat  war  folgendes: 


499 

Krall       Gesamtx&hl  der         Total  Schwimmer       Total      Klohteehwimmer     Total 


Schüler 

Schaler- 

Knaben  Mtdchen 

Knaben  Mtdchen 

I 

298 

■imcn 

383 

681 

119 

205 

324 

179 

178 

357 

II 

88 

86 

174 

30 

40 

70 

58 

46 

104 

in 

370 

237 

607 

145 

45 

190 

225 

192 

417 

IV 

136 

122 

258 

36 

32 

68 

100 

90 

190 

V 

334 

311 

645 

143 

133 

276 

191 

178 

369 

Total  1226  1139  2365  473  455  928  753  684  1437. 

Zu  diesen  Zahlen  und  zu  der  ganzen  belangvollen  Angelegenheit 
überhaupt  bemerkte  ein  Rundschreiben  des  Schulvorstandes  vom  23.  Juni 
d.  J. :  Im  Hinblick  auf  die  in  unserer  Stadt  vorhandene  Gelegenheit 
zum  Baden  und  Schwimmen  mufs  die  grofse  Zahl  der  Nichtschwimmer, 
insbesondere  unter  den  Knaben,  auffallen.  Da  das  Schwimmen  die 
Gesundheit  und  Gewandtheit  wesentlich  zu  fördern  geeignet  ist,  hat 
man  dasselbe  an  verschiedenen  Orten  als  speciellen  Zweig  des  Turnens 
in  das  Schulprogramm  aufgenommen;  so  sind  z.  B.  in  Winterthur 
seit  vielen  Jahren  die  besten  Erfahrungen  damit  gemacht  worden. 
Auch  im  Kreise  I  der  nunmehrigen  Stadt  Zürich,  die  Altstadt 
umfassend,  wurden  Schwimmkurse  abgehalten,  welche  von  gutem 
Erfolge  begleitet  waren.  Um  diese  Versuche  auf  das  ganze  Stadt- 
gebiet auszudehnen,  hat  sich  der  Schulvorstand  in  Verbindung  gesetzt 
mit  den  Organen  des  Gesundheitswesens  und  mit  der  vom  Lehrer- 
konvent bestellten  Turnkommission.  Die  getroffene  Verständigung 
geht  nun  dahin,  dafö  in  der  laufenden  Badesaison  sämtlichen  ersten 
Klassen  der  Sekundärschule,  430  Knaben  und  361  Mädchen,  zur 
kostenlosen  Erlernung  des   Schwimmens  Gelegenheit  geboten  werde. 

Jahresversammlung  des  Vereins  fftr  Kinderheilstätten  an 
den  deutschen  Seeküsten.  Der  unter  dem  Protektorate  der 
Kaiserin  Friedrich  stehende  „Verein  für  Kinderheilstätten  an  den 
deutschen  Seeküsten"  hielt  vor  einiger  Zeit  in  Berlin  unter  dem 
Vorsitze  des  Präsidenten  Rösinö  seine  Jahresversammlung  ab.  Der 
Verein  hat  im  letzten  Jahre  1133  kranke  und  erholungsbedürftige 
Kinder  in  seine  Hospize  entsendet,  44  weniger,  als  im  Vorjahre, 
wegen  gewisser  durch  die  Cholera  gebotener  Beschränkungen,  dagegen 
immer  noch  64  mehr,  als  im  Jahre  1890.  Gestorben  sind  nur  3, 
bei  18  stellte  sich  eine  Besserung  nicht  ein,  die  weitaus  überwiegende 
Mehrzahl  der  Kranken  konnte  aber  vollständig  geheilt  oder  doch 
wesentlich  gebessert  die  Heimreise  antreten.  In  Norderney  fanden 
289  Knaben,  333  Mädchen  und  aufserdem  43  Pensionäre,  zusammen 
665  Kinder,  Aufnahme.  Die  Ausgaben  betrugen  95943  Jü  Das 
Friedrich-Franz-Hospiz  zu  Müritz  in  Mecklenburg  hatte  222  Kinder 
zu   verpflegen.     Die   Ausgaben    beliefen   sich   auf   17  896  Jü     In 


500 

Wyck  auf  FOhr  weilten  163  Kinder,  darunter  allein  70  ans  Berlin. 
Die  Gesamtausgaben  betrugen  12805  iL  In  Zoppot  endlich 
wurden  83  Kinder  aufgenommen.  Ausgaben  erwuchsen  hier  in 
einer  Höhe  von  6295  M.  Recht  gut  bewährt  hat  sich  die  in 
Norderney  eingerichtete  Winterpflege,  die  89  Kindern  zu  teil  wurde. 
Die  Gesamtausgaben  des  Vereins  erreichten  die  Höhe  von  161 783  X, 
ihnen  standen  167  527  M.  Einnahmen  gegenüber.  Die  Kinder 
hatten  10  bis  20  Ä  für  die  Woche,  die  Pensionäre  4,50  bis  7  JL 
für  den  Tag  zu  zahlen;  13744  Ji.  wurden  auf  Freistellen  verwendet 
Der  Kassenbestand  hat  sich  von  16581  auf  22326  Ji  erhöht,  die 
Bilanz  schliefst  mit  889115  M.  gegen  870797  M.  im  Vorfahre. 
Ungefähr  800000  M.  beträgt  allein  der  Wert  der  Hospize  mit 
ihren  Einrichtungen.  Die  Zahl  der  Mitglieder  beläuft  sich  zur  Zeit 
auf  550.  Dem  Hauptverein  stehen  vier  Zweigvereine  zur  Seite.  Der 
Dresdener  Zweigverein  sandte  62  Kinder  nach  Norderney,  der 
Braunschweiger  19  ebendorthin,  der  Oldenburger  widmete  sich  vor- 
wiegend der  Überwachung  der  Transporte.  Der  recht  thätige 
Berliner  Frauenhilfsverein,  der  21876  iL  Einnahme  hatte,  sandte 
201  Kinder  aus. 

Berliner  Ferienkolonien.  Das  Berliner  Komitee  konnte  it 
diesem  Sommer  3000  Kinder  in  Ferienkolonien  entsenden.  Der 
Anfang  wurde  im  Jahre  1880  mit  108  Kindern  gemacht.  Die 
Auswahl  aus  8000  bedürftigen  Knaben  und  Mädchen  war  nicht 
leicht.  Noch  in  den  letzten  acht  Tagen,  so  schreibt  der  nB.  L.-Au> 
hat  man  die  Zahl  der  Halbkolonisten  um  80  vermehren  können. 
Die  Freistellen  sind  von  130  auf  160  gestiegen.  Für  die  glatte 
Beförderung  der  Massen  waren  umfassende  Malsregeln  getroffen. 
Auf  dem  Stettiner  Bahnhof  allein  gingen  800  Kinder  ab.  Die 
Eisenbahnverwaltung  hatte  für  dieselben  durch  Plakate  bezeichnete 
Wagen  reserviert.  Ein  Oberordner  war  für  jeden  Bahnhof  bestellt, 
für  jede  Kolonie  ein  besonderer  Ordner.  Jede  Gruppe  hatte  ihr 
Banner,  jedes  Kind  eine  Karte  von  bestimmter  Farbe  am  Bat. 
Diejenigen,  welche  einzeln,  von  Wohlthätern  aufgenommen)  reisten, 
wurden  von  Vertrauenspersonen  des  Komitees  auf  den  verschiedenen 
Stationen  empfangen. 


601 


ämtlii^e  Dtrföguugen 


Erlafs  des  Königlich  prenfsischen  Unterriehtsministers, 
betreffend  Schuleinrichtongen  für  schwachsinnige  Kinder. 

Berlin,  den  14.  November  1892. 

Im  dortigen  Bezirke  finden  sich  an  verschiedenen  Orten  neben 
den  Volksschulen  und  abgesehen  von  den  in  meinem  Erlasse  vom 
27.  v.  Mts.1  —  U.  HI.  A.  1924  —  bezeichneten  Schulklassen  für 
minder  begabte,  aber  sonst  normale  Kinder,  noch  Schulanstalten  für 
solche  schwachsinnige  Kinder,  die  zwar  nicht  so  hilflos  sind,  um  in 
Internaten  untergebracht  werden  zu  müssen,  die  aber  doch  für  das 
Leben  und  die  Arbeit  in  der  Volksschule  als  zweifellos  angeeignet 
erscheinen.  Derartige,  nicht  mit  Idiotenklassen  zn  verwechselnde 
Schulen  unterliegen  an  sich  nicht  den  in  dem  erwähnten  Erlasse 
hinsichtlich  der  sogenannten  Abschlußklassen  hervorgehobenen  Bedenken, 
vorausgesetzt,  dafs  bei  ihnen  nach  einem  besonderen  Lehrplane  und 
nach  geeigneten  Methoden  verfahren  wird,  und  dafs  die  Aufnahme 
der  Kinder  in  dieselben  nur  auf  Grund  einer  ganz  zuverlässigen 
Prüfung  unter  ärztlicher  Beteiligung  erfolgt. 

Um  einerseits  die  Verbreitung  und  Wirksamkeit  derartiger 
Anstalten  übersehen  zu  können,  andererseits  in  der  Lage  zu  sein, 
ungeeignete  Schuleinrichtungen  zu  beseitigen  oder  deren  Abänderung 
herbeizuführen,  wünsche  ich  von  der  Königlichen  Regierung  darüber 
Auskunft  zu  erhalten,  welche  öffentlichen  wie  privaten  Schulen  für 
nicht  normal  begabte  Kinder  schulpflichtigen  Alters  im  dortigen 
Bezirke  vorhanden  sind.  Bei  jeder  dieser  Schulen  ist  anzugeben, 
wieviele  Lehrkräfte,  Klassen  und  Schüler  in  den  einzelnen  Klassen 
—  thats&chlich  und  in  maximo  —  sie  z&hlt,  unter  welchen  Vor- 
aussetzungen die  Aufnahme  und  Entlassung  der  Kinder  erfolgt,  in- 
wieweit Trennung  der  Geschlechter  besteht,  unter  welchen  Bedingungen 
die  Lehrkräfte  angestellt  werden,  in  welchen  Punkten  Unterricht 
und  Disciplin  von  denen  der  Volksschule  abweichen,  insbesondere, 
wie  Lehr-  und  Stundenplan  beschaffen,  welche  Lehrziele  den  einzelnen 
Klassen  gesteckt  sind,  und  welche  Lehrmittel,  Lernbücher  u.  s.  w. 
gebraucht  werden. 

Die   nach   meinem  Erlasse  vom  27.  v.  Mts.    zu   beseitigenden 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1893,  No.  4,  S.  230—232.    D.  Red. 


502 

sogenannten  Abschlufsklassen  sind  nicht  mehr  mit  zu  berücksichtigen, 
ebenso  sind  Internatsschulen  für  Idioten  hier  aniser  acht  zu  lassen. 
Im  übrigen  sollen  durch  die  obigen  Anhaltspunkte  sonstige  Mit- 
teilungen über  die  in  Rede  stehenden  Schulen  nicht  ausgeschlossen 
sein,  wie  ausserdem  auch  eine  gutachtliche  Äußerung  der  Königlichen 
Regierung  darüber  erwünscht  ist. 

Dem  hiernach  zu  erstattenden  Berichte  sehe  ich  bis  zum 
1.  März  k.  Js.  entgegen. 

An 
die  Königliche  Regierung  zu  N. 

Der  Minister  der  geistlichen  etc.  Angelegenheiten. 
Im  Auftrage:  (gez.)  Kügler. 

Geteilte  oder  ungeteilte  Schulzeit  in  den  Hamburger 

Volksschulen  ? 
Bescheid  des  Senates  an  die  Bürgerschaft. 

Hamburg,  den  28.  Januar  1893. 

Das  Ersuchen  der  Bürgerschaft  um  Wiedereinführung  der  ge- 
teilten Schulzeit  hat  der  Senat  durch  die  Sektion  der  Oberschul- 
behörde für  das  Volksschulwesen  begutachten  lassen.  Nach  deren 
Bericht  hat  sie  zunächst  im  vorigen  Sommer  durch  die  Steuer- 
behörde eine  Umfrage  bei  sämtlichen  Eltern  der  zur  Zeit  die  Volks- 
schulen mit  ungeteilter  Schulzeit  besuchenden  Kinder  danach  ver- 
anlagst, ob  dieselben  oder  wenigstens  einer  von  ihnen  in  der  Lage 
sei,  in  der  Zeit  von  12  bis  V/t  Uhr  gemeinsam  mit  den  Kindern 
das  Mittagessen  einzunehmen,  sowie  ob  dieselben  für  ihre  Kinder 
eine  Abänderung  der  bisherigen  ungeteilten  Schulzeit  in  eine  geteilte, 
die  Mittagsstunden  von  12  bis  2  Uhr  freilassende,  wünschten.  Der 
Erfolg  ist  gewesen,  dafe  nahezu  12000  Familien  ein  gemeinsames 
Mittagessen  mit  den  Kindern  zwischen  12  und  2  Uhr  für  unmöglich 
erklärt,  überhaupt  14109  mit  25277  Kindern  aber  die  Beibehaltung 
der  bisherigen  ungeteilten  Schulzeit  gewünscht  haben,  während 
15745  Eltern  mit  27483  Kindern  sich  für  die  Wiedereinführung 
der  geteilten  Schulzeit  ausgesprochen  haben. 

Die  Oberschulbehörde  ist  mit  Recht  der  Ansicht,  dafs  bei  dem 
geringen  Unterschiede  der  Zahlen  der  unter  allen  Umständen  mit 
Vorsicht  aufzunehmende  Wunsch  der  Eltern  nicht  der  entscheidende 
Grund  für  Änderung  einer  seit  Jahren  bestehenden  Einrichtung  sein 
könne.  Allerdings  haben  sich  in  einzelnen  Schulbezirken,  namentlich 
im  Süderteil  der  Neustadt,  gröfsere  Majoritäten  für  die  geteilte 
Schulzeit  ergeben,  demgegenüber  hat  sich  aber  in  anderen  Bezirken, 
z.  B.  in  der  Altstadt,  die  Mehrzahl  für  Beibehaltung  der  ungeteilten 
Schulzeit  ausgesprochen.     Es  liegt  nahe,   ob  nicht  dementsprechend 


503 

wenigstens  in  einzelnen  Schulbezirken  zur  geteilten  Schalzeit  zurück- 
zukehren wäre.  Die  Oberschulbehörde  hat  sich  jedoch  nach  ein- 
gehender Prüfung  dahin  ausgesprochen,  dafs  nach  der  ganzen 
Organisation  des  hiesigen  Volksschulwesens  eine  verschiedene  Be- 
handlung zweier  unmittelbar  aneinander  grenzender  Schulbezirke  bei 
dem  häufigen  Wohnungswechsel  der  Familien  von  dem  einen  in  den 
anderen  und  den  damit  verbundenen  Umschulungen,  sowie  bei  dem 
Umstände,  dafs  mehrfach  Schulen  für  einen  Bezirk  in  einem  anderen 
Bezirke  liegen,  ohne  schwere  Schädigung  des  ganzen  Schulwesens 
nicht  ausfuhrbar  sei.  Ebenso  hat  die  Oberschulbehörde  eine  An- 
ordnung, wonach  in  einem  Schulbezirke  gleichzeitig  Schulen  mit  un- 
geteilter und  geteilter  Schulzeit  eingerichtet  würden,  auf  das  ent- 
schiedenste widerraten. 

Die  Entscheidung,  welche  Schulzeit  hinfort  mafsgebend  sein 
soll,  wird  daher  nur  von  einem  weiteren  pädagogischen  und  schul- 
technischen Standpunkte  aus  getroffen  werden  können.  Die  Ober- 
schulbehörde hat  darüber  das  anliegende  Gutachten  des  Schulrates 
eingezogen  und  sich  mit  demselben  dahin  ausgesprochen,  dafs, 
nachdem  einmal  seit  Jahren  die  ungeteilte  Schulzeit  eingeführt  sei, 
zur  Zeit  kein  hinreichender  Grund  vorliege,  hierin  eine  Änderung 
vorzunehmen. 

Der  Senat  kann  das  Gewicht  der  hierfür  geltend  gemachten 
Gründe  nicht  anerkennen  und  bedauert  daher,  dem  Wunsche  der 
Bürgerschaft  keine  Folge  geben  zu  können,  mufs  die  Feststellung 
der  Schulzeit,  welche  durch  §  33  des  Unterrichtsgesetzes  der  Ober- 
schulbehörde übertragen  ist,  vielmehr  auch  ferner  deren  pflicht- 
mä&igem  Ermessen  überlassen. 

Das  Gutachten  lautet: 

Gründe 
gegen  und  für  die  ungeteilte,  resp.  geteilte  Schulzeit 

I.  Pädagogische  Gründe. 

1.  Gegen  die  ungeteilte  Schulzeit  wird  vom  pädagogisch- 
medizinischen Standpunkte  in  erster  Reihe  geltend  gemacht,  dafe  ein 
täglicher  fünf-  bis  sechsstündiger  ununterbrochener  Unterricht  die 
leiblichen  und  geistigen  Kräfte  der  Schulkinder  in  hohem  Mafse 
schädige,  da  bei  einem  Kinde  in  der  Entwickelungsperiode  vom  6. 
bis  14.  Lebensjahre  eine  derartige  Anspannung  seiner  Kräfte  in  der 
Regel  körperliche  Ermattung  infolge  des  langen  Aufenthaltes  in 
Klassenräumen,  frühzeitiges  Aufhören  des  Interesses  am  Unterrichte 
und  nervöse  Überreizung  zur  Folge  habe.  Im  allgemeinen  kann  ich 
diese  Behauptung  nur  für  eine  zutreffende   erklären.     Wenn  in  der 


504 

That  Schulkinder  täglich  ununterbrochen  fünf  bis  sechs  Stunden 
unterrichtet  worden,  dürften  die  vorgenannten  Folgen  in  den  meisten 
Fällen  eintreten.  In  unseren  Volksschulen  mit  ungeteilter  Schulzeit 
ist  aber  Fürsorge  getroffen,  dafs  diese  schlimmen  Folgen  bei  ge- 
sunden Kindern  nicht  eintreten. 
Die  Kinder  des 

1.  Schuljahres  (7.  Lebensjahr)  haben  täglich  4  Standen  Schulzeit, 

2.  „  (8.  Lebensjahr)  haben   an  4  Wochentagen  4    und  an 

2  Wochentagen  5  Stunden  Schulzeit, 

3.  „  (9.  Lebensjahr)  haben  an  2  Wochentagen  4  und  an 

4  Wochentagen  5  Stunden  Schulzeit, 

4.  bis  8.  Schuljahres  (10.  bis  14.  Lebensjahr)  haben  an  4  Wochen- 

tagen 5  und  an  2  Wochentagen  6  Stunden  Schulzeit 
Diese  Schulzeit  ist  aber  auf  allen  Stufen  nicht  wirkliche  Unter- 
richtszeit, sondern  in  jede  Stunde  Schulzeit  fällt  nur  eine  dreiviertel- 
stündige Unterrichtszeit,  während  die  übrigbleibende  Viertelstunde 
zur  Bewegung  und  Erholung  der  Kinder  auf  dem  Spielplatze  oder 
bei  schlechtem  Wetter  in  der  Turnhalle,  resp.  auf  dem  Korridor 
unter  Aufsicht  der  Lehrer  benutzt  wird.  Hierdurch  reduziert  sich 
die  Schulzeit  als  eigentliche  Unterrichtszeit  für  das 

1.  Schuljahr  auf  3  Stunden  täglich, 
*> 


W  W 


3        „ 

an  4  Tagen  und 

8»/4     , 

v    2      „ 

3       , 

,.    2      „       und 

3%   . 

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3SA  „ 

„    4      „       und 

4Vt   „ 

n    2       „ 

3. 

4.-8. 

Eine  weitere  wohlthätige  Folge  dieser  Einrichtung  ist  die  frische 
Luftzufuhr  in  die  Klassenzimmer  während  der  Zwischenpausen. 

Wird  in  die  Unterrichtsgegenstände  die  richtige  Abwechslung 
hineingebracht,  indem  die  das  reine  Denken  in  Anspruch  nehmenden 
Fächer  durch  technische,  mehr  auf  Übung  beruhende  Fächer,  wie 
Turnen,  Schreiben,  Zeichnen  und  Singen,  unterbrochen  werden,  so 
wirkt  eine  solche  ungeteilte  Schulzeit  weder  abspannend,  noch 
schwächend,  wie  dies  vielfache  Beobachtungen  in  den  letzten  Unter- 
richtsstunden ganz  zweifellos  bewiesen. 

Ich  kann  daher  bei  dieser  Einrichtung  dem  hauptsächlichsten 
pädagogischen  Einwand  gegen  die  ungeteilte  Schulzeit  nicht  die 
Bedeutung  beilegen,  die  er  sonst  wohl  in  Anspruch  nehmen  könnte. 

Übrigens  mufs  noch  hervorgehoben  werden,  dafs  ebenfalls  vom 
pädagogisch-medizinischen  Standpunkte  gegen  einen  Unterricht  nach 
eben  beendeter  Mahlzeit  vielfache  Bedenken  geäussert  worden  sind, 
und  dafs  die  Erfahrung  lehrt,  dafs  bei  geteilter  Schulzeit  der  Nach- 


506 

mittagBunterricht  im  wesentlichen  für  leichtere  and  technische  Fächer 
in  Benutzung  genommen  werden  mufs,  da  die  Apperceptionsftttigkeit 
der  Kinder  im  allgemeinen  unmittelbar  nach  dem  Mittagessen  eine 
geringere  ist. 

Eines  ist  in  Bezog  auf  die  körperliche  Pflege  der  Kinder  bei 
ungeteilter  Schulzeit  allerdings  notwendig,  ein  Frühstücksbrot.  Unsere 
Schulkinder  bringen  ein  solches  fast  ohne  Ausnahme,  oft  recht 
reichlich,  mit  Wo  es  fehlt,  maus  es  ans  anderen  Mitteln  beschafft  werden. 

Bei  geteilter  Schulzeit  erscheint  übrigens  dieses  Frühstücksbrot 
am  Vormittage  auch  nötig. 

2.  Gegen  die  ungeteilte  Schulzeit  wird  als  zweiter  pädagogischer 
Grund  geltend  gemacht,  daüs  bei  derselben  die  Kinder  eine  zu 
grofse  Zeit  des  Tages  ohne  Aufsicht  und  Leitung  der  Schule  sind, 
w&hrend  bei  geteilter  Schulzeit  wenigstens  an  den  Tier  Haupttagen 
der  Woche  tot*  und  nachmittags  eine  Einwirkung  der  Schule  auf 
die  Kinder  stattfinde. 

Es  trifft  dies  fast  nur  für  die  Sommermonate  zu,  in  denen  der 
Unterricht  um  8  Uhr  beginnt  und  eine  Anzahl  Kinder  schon  von 
12  Uhr  ab,  andere  von  1,  resp.  2  Uhr  ab  ganz  schulfrei  sind. 
Diese  Schulfreiheit  führt  da,  wo  keine  Hausaufeicht  ist,  zu  un- 
nützem Herumtreiben  der  Kinder  auf  den  Strafsen  und  zu  vielfachem 
Unfug  etc.  Diesem  Übelstande  suchen  die  Knabenhorte,  Hand- 
fertigkeitsunterricht und  Jugendspiele  abzuhelfen,  weshalb  diese  Be- 
strebungen die  gröfcte  Beachtung  und  Unterstützung  verdienen.  Es 
kann  aber  nicht  behauptet  werden,  dafs  diese  Übelstftnde  durch  die 
geteilte  Schulzeit  wesentlich  geändert  werden.  Am  Mittwoch  und 
Sonnabend  Nachmittag  sind  die  Kinder  ganz  frei  und  an  den 
anderen  Tagen  von  4  Uhr  ab.  Fehlt  da  die  häusliche  Zucht  und 
Aufsicht,  so  ist  der  Übelstand  derselbe;  auch  die  Schuljugend  der 
geteilten  Schulzeit  hat  dann  Zeit  genug,  sich  herumzutreiben.  Ganz 
besonders  schlimm  steht  es  bei  geteilter  Schulzeit  da,  wo  die  Kinder 
in  der  Mittagszeit  weder  zu  essen  bekommen,  noch  beaufsichtigt 
werden.  Solche  Kinder  stofsen  sich  dann  von  12  bis  2  Uhr  erst 
recht  auf  den  Strafsen  herum.  Nun  gibt  es  aber  nach  der  Statistik 
rund  12000  Familien,  die  mit  ihren  Kindern  zwischen  12  und 
2  Uhr  nicht  speisen  können,  was  im  höchsten  Grade  bedenklich  ist. 

Ich  kann  daher  auch  diesen  Grund  gegen  die  ungeteilte  Schul- 
zeit als  einen  durchschlagenden  nicht  gelten  lassen. 

H.  Schultechnische  Gründe. 

a.   In   Bezug    auf  die   Schüler. 

1.  Für  die  ungeteilte  Schulzeit  spricht  der  Umstand,  dafe  in 
4en  Wintennonaten  November  bis  Februar  bei  einer  Unterrichtszeit 

SdudgerandhtlUpfleffe  TT.  33 


506 

von  9  bis  1,  resp.  2  oder  3  Uhr  gerade  die  Zeit  benutzt  wird,  in 
der  die  natürlichen  Lichtverhältnisse  die  einzig  günstigen  sind. 
Weder  die  Stunde  von  8  bis  9  Uhr  vormittags  noch  die  von  3  bis 
4  Uhr  nachmittags  kann  in  den  genannten  Monaten  als  eine  für 
den  Unterricht  günstige  bezeichnet  werden.  Künstliches  Licht  in 
allen  Schulklassen  einzuführen,  erscheint  mir  aber  weder  vom 
sanitären  noch  finanziellen  Standpunkte  empfehlenswert. 

2.  Für  die  ungeteilte  Schulzeit  spricht  ferner  die  Ersparung 
zweier  Schulwege  für  die  Schüler.  In  Gegenden  lebhaften  Verkehrs 
ist  das  Herausströmen  der  Schulkinder  um  12  Uhr  und  das  Wieder- 
hineinkommen um  2  Uhr  nicht  ohne  manche  Bedenken.  Besonders 
leiden  aber  Kinder  mit  mangelhafter  Fußbekleidung  bei  eintretendem 
schlechten  Wetter  unter  solchen  Schulgängen.  Freilich  kann  diesem 
Grunde  ein  irgend  erhebliches  Gewicht  nicht  beigelegt  werden,  da 
auch  schon  bei  den  zwei  bei  ungeteilter  Schulzeit  notwendigen  Schul- 
gängen dieselben  Übelstände  eintreten  können. 

3.  Nur  in  beschränktem  Umfange  spricht  für  die  ungeteilte 
Schulzeit  der  Umstand,  dafe  in  einzelnen  Schulbezirken,  namentlich 
im  zweiten,  die  Wege  der  Kinder  zu  den  Schulen  zu  weite  sind 
(bis  30  Minuten),  dafe  die  Mittagszeit  denselben  nur  eine  über- 
mäfeige  Anstrengung  zumutet. 

b.  In  Bezug  auf  die  Lehrer. 

Unsere  Volksschullehrer  müssen  bei  ihren  Gehaltsverhältnissen 
Wohnungen  in  billigen  Vororten,  wie  Barmbeck,  Eilbeck  und  Eims- 
büttel,  mieten.  In  der  inneren  Stadt,  St.  Pauli,  St.  Georg,  Bill- 
wärder  Ausschlag  sind  für  dieselben  geeignete  Wohnungen  nicht  zu 
erschwingen.  Dieser  Umstand  würde  einen  grofsen  Teil  der  Lehrer- 
schaft nötigen,  bei  geteilter  Schulzeit  von  12  bis  2  Uhr  entweder 
im  Schulhause  zu  bleiben  oder  sich  anderswo  in  der  Nähe  der 
Schulen  aufzuhalten.  Viele  würden  auch  den  Versuch  machen,  in 
dieser  Zwischenzeit  in  Privatschulen  Unterricht  zu  geben,  nicht  zum 
Vorteil  des  öffentlichen  Nachmittagsunterrichts. 

Die  Mehrzahl  der  Lehrer  der  St.  Pauli- Volksschulen  wohnt  ans 
dem  vorgenannten  Grunde  in  Altona. 

III.  Sociale  Gründe. 

1.  Für  die  geteilte  Schulzeit  spricht  zweifellos,  dafs  es  ein 
grofser  Segen  für  die  Kinder  ist,  wenn  sie  in  wohl  geordnetem 
Hausstande  mit  ihren  Eltern  gemeinsam  zu  Mittag  essen  können. 
Ich  mufs  aber  besonders  betonen  „in  wohl  geordnetem  Hausstände44. 
Das  ist  ja  gottlob!  bei  einer  groben  Zahl  kleinerer  Beamten,  Hand- 
werker und  Arbeiter   noch  der  Fall,    aber  leider   nicht   bei  allen. 


507 

Was  Kinder  bei  Tisch  mitunter  von  ihren  Eltern  hören,  ist  ent- 
setzlich. Das,'  was  in  der  Schule  gelehrt  wird,  namentlich  die 
religiösen  Stoffe  und  die  Persönlichkeiten  der  Lehrer  selbst,  werden 
vielfach  in  roher  Weise  verspottet  und  beschimpft.  Man  kann 
wirklich  nicht  behaupten,  dafs  überall  da,  wo  in  den  15000  Fa- 
milien Eltern  und  Kinder  gemeinsam  zu  Mittag  essen  können,  dies 
immer  ein  Segen  für  die  letzteren  ist.  Was  soll  aber  in  den 
12000  Familien,  die  nicht  mit  ihren  Kindern  in  der  Zeit  von  12 
bis  2  Uhr  essen  können,  mit  den  letzteren  geschehen?  Entweder 
nehmen  sich  derselben  gute  Kachbarn  an,  oder  sie  kommen  nach- 
mittags hungrig  und  matt  zur  Schule  und  können  erst  recht  nichts 
leisten. 

Trotz  dieser  Bedenken  spricht  dieser  Grund  am  meisten  für 
die  geteilte  Schulzeit. 

2.  Für  die  geteilte  Schulzeit  wird  angeführt,  dafs  dieselbe  in 
etwas  die  Ausnutzung  der  Kinder  zum  Mitverdienen  hindere,  da 
dieselben  an  den  Haupttagen  erst  nach  4  Uhr  benutzt  werden 
könnten.  Dies  ist  wohl  richtig,  aber  von  geringer  Bedeutung,  da 
die  schädlichste  Ausnutzung  der  kindlichen  Arbeitskraft  in  den 
Morgenstunden  vor  8  Uhr  vormittags  beim  Brot-,  Milch-  und 
Zeitnngstragen  und  in  den  späten  Abendstunden  beim  Kegel- 
aufsetzen stattfindet,  eine  Ausnutzung,  die  durch  die  geteilte  Schul- 
zeit durchaus  nicht  behindert  wird. 

Schlufsbemerkung. 

Ich  könnte  mich  nach  dem  Gesagten  aus  pädagogischen,  schul- 
technischen und  socialen  Gründen  für  eine  Aufhebung  der  ungeteilten 
Schulzeit  im  ganzen  oder  in  einzelnen  Schulbezirken  nur  ent- 
scheiden, wenn  eine  grofse  Majorität  der  Eltern  durchaus  dafür  wäre. 

Gegen  die  Einrichtung  von  Schulen  mit  geteilter  und  ungeteilter 
Schulzeit  in  den  einzelnen  Bezirken  mufs  ich  mich  ganz  entschieden 
aussprechen,  da  dadurch  eine  völlige  Verwirrung  der  bestehenden 
Schulorganismen  und  eine  ebenso  grofse  Unsicherheit  für  die  Or- 
ganisation in  der  Zukunft  herbeigeführt  würde. 

(Gez.)  Mahraun. 

Belehrungen  des  Wiener  Stadtphysikates  Aber  das  Verhalten 

der  Schüler  beim  Baden. 

Der  Amtsarzt  der  Stadt  Wien  hat  die  nachfolgenden  Ver- 
haltungsmafsregeln  beim  Baden  in  sämtlichen  Volks-  und  Bürger- 
schulen seines  Bezirkes  den  Schülern  zur  Kenntnis  gebracht: 

Da  das  Bad  zur  Erfrischung  und  gleichzeitig  zur  Reinigung 
der  Körperoberfläche   dient,    soll  jedermann,    so  oft  die  Gelegenheit 

33* 


•. 


508 

hierzu  gegeben  ist,  bade».  Nur  Krankheiten  machen  das  Baden 
von  der  Erklärung  eines  Arztes  abhangig;  insbesondere  werden 
Hautausschlage  die  Einholung  Ärztlichen  Rates  notwendig  machen. 
Damit  ist  nicht  geaagt,  dafs  jedermann  in  kaltem  Wasser  baden 
soll;  empfindlichen  Personen  sind  lauwarme  Bäder  anzuempfehlen, 
dar  Gebrauch  heiiser  Bader  dagegen  ist  der  Jugend  zu  widerraten. 
Kalte  Bäder  unter  15°  C.  oder  12°  R.  sollen  nicht  benutzt  werden, 
und  soll  die  Temperatur  der  Luft  immer  eine  höhere,  als  die  des 
Badewassers  sein.  Zarte  Individuen  und  Anfänger  werden  eine 
höhere  Temperatur,  also  ungefähr  20°  C.  oder  16°  *R.,  benutzen, 
nicht  zu  lange,  d.  h.  nicht  über  eine  Viertelstunde  im  Wasser  ver- 
weilen.  Das  Auftreten  eines  intensiven,  bei  Bewegungen  im  Wasser 
nicht  schwindenden  Kältegefühls  soll  immer  als  Mulinnng  gelten,  das 
Bad  zu  unterbrechen.  Ein  Krankheitsgefühl  ist  stets  als  ein  Hindernis 
für  das  Baden  anzusehen.  Der  Schüler  vermeide  es,  körperlich 
erschöpft  in  das  Bad  zu  kommen,  treibe  sich  tot  dem  Bade  nicht 
herum,  laufe  nicht  schnell  zur  Badeanstalt  und  turne  auch  nicht  Tor 
dem  Bade  und  in  demselben.  Er  haste  nicht  mit  dem  Auskleiden 
und  begebe  sich  nicht  früher  in  das  Wasser,  als  bis  der  Körper 
abgekühlt  ist. 

Das  Einnehmen  von  Nahrung  unmittelbar  vor  dem  Baden  ist 
zu  unterlassen,  es  soll  daher  auch  nicht  gleich  nach  dem  Mittags- 
mahle gebadet  werden.  Im  Bade  ist  der  Körper  nur,  insoweit  es 
der  Anstand  erfordert,  zu  bedecken;  es  soll  daher  aulser  der 
Schwimmhose  oder  dem  Schwimmkleide  nichts  ins  Bad  mitgenommen 
werden.  Es  ist  vor  dem  Bade  auf  die  Badewftsche  Rücksicht  zu 
nehmen;  jeder  Badende  soll  nur  die  für  ihn  bestimmte  Wische 
benutzen«  welche  nach  Erfordernis  gewechselt  werden  mufo.  Bei 
Benutzung  der  eigenen  Wasche  ist  darauf  zu  achten,  dafe  diese 
nicht  feucht  bleibe,  daher  werde  die  Badewftsche  nach  deren  Gebrauch 
gut  ausgebreitet  aufgehängt,  dafs  sie  rasch  trockne  und  die  Ansiedelung 
von  Schimmelpilzen  in  derselben  verhindert  werde,  da  durch  solche 
Hautkrankheiten  veranlagst  werden  können.  Jede  Verunreinigung 
des  Badewassers  ist  verboten. 

Es  ist  vorteilhafter,  den  vorher  abgekühlten  Körper  auf  einmal, 
als  Glied  für  Glied  in  das  Wasser  zu  tauchen;  ersteres  wird  auch 
durch  Benutzung  einer  Brause  erreicht.  Der  Mifsbrauch  höher 
temperierter  Brausen  ist  zu  vermeiden.  Jedes  ungezogene  Betragen 
im  Wasser  ist  nicht  gestattet;  insbesondere  wird  das  Erschrecken 
der  Mitbadenden  durch  Überfallen  von  rückwärts,  Bespritzen,  gewalt- 
sames Untertauchen  verboten.  Stellt  sich  Unwohlsein  welcher  Art 
immer  im  Bade  ein,  so  verlasse  man  das  letztere  sofort;  das  fort- 
wahrende Springen  ins  Wasser,  insbesondere  von  bedeutender  Höhe, 


509 

ist  zu  ▼ermeiden.  Bohren  im  Obre,  wenn  nach  dem  Bade  sich 
Sansen  einstellt,  unterbleibe;  das  Ohr  ist  nur  durch  Neigen  des 
Kopfes  mittelst  der  Badewäsche  zu  trocknen  und  bei  anhaltender 
Störung  ein  Arzt  zu  befragen.  Bei  länger  dauerndem  Kältegefühl 
nach  dem  Bade  reibe  man  den  Körper  mit  den  Wäschestücken, 
kleide  sich  schnell  an  und  mache  rasche  Bewegungen.  Nach  dem 
Bade  ist  es  zweckmäfsig,  besonders  wenn  der  Weg  nach  Hanse  ein 
weiter,  etwas  Nahrang  zu  sich  zu  nehmen,  weshalb  es  angezeigt 
erseheint,  eine  Semmel  oder  ein  Stuck  Brot  von  Hanse  mitzunehmen. 
Unangenehme  Empfindungen  nach  dem  ersten  Bade  sollen  von 
der  späteren  Wiederholung  des  Badens  nicht  abhalten,  dagegen  als 
eine  Mahnung  angesehen  werden,  vor  eingetretener  Gewöhnung 
kürzere  Zeit  im  Bade  zu  verweilen.  Nur  schwimmkundige  und 
kräftige  Personen  können,  wenn  keine  Hilfe  eines  Erwachsenen  zu 
beschaffen  ist,  Ertrinkenden  beispringen,  weshalb  das  Tauchen  zu 
üben  ist;  es  kann  aber  ein  jeder  durch  rechtzeitiges  geschicktes 
Zuwerfen  eines  Rettungsseiles,  Korkringes  u.  dergl.  dem  Unglücklichen 
beistehen.  Es  is  nicht  erlaubt,  aus  dem  Wasser  Gezogene  zu 
stürzen,  um  das  Wasser  herauszubefördern;  die  Teilnahme  an  Wieder- 
belebungsversuchen wird  man  bei  Anwesenheit  von  Erwachsenen 
diesen  überlassen  und  dann  allenfalls  durch  Herbeiholung  eines 
Arztes,  trockener  Decken  u.  s.  w.  sich  nützlich  erweisen.  Die  Wahr- 
nehmung, dafs  mit  Ausschlägen  behaftete  Individuen  das  Bad  benutzen, 
ist  sogleich  dem  Bademeister  bekanntzugeben. 


flerfonalten 


Der  Ministerialdirektor  im  Königlich  preußischen  Ministerium 
der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinalangelegenheiten,  Direktor 
der  wissenschaftlichen  Deputation  für  das  Medizinalwesen,  Dr.  Bartsch, 
ist  in  den  erblichen  Adelsstand  erhoben  worden. 

Professor  Pasteur  in  Paris  wurde  von  der  Akademie  der 
Wissenschaften  in  Wien  zum  Ehrenmitgliede  ernannt. 

Unserem  geschätzten  Mitarbeiter,  Herrn  Professor  an  der  tech- 
nischen Hochschule  in  Berlin  Hermann  Rietschel,  ist  der  Charakter 
als  Geheimer  Regierungsrat  verliehen  worden. 

Den  gleichen  Charakter  erhielt  der  Provinzialschulrat  Wendland 
beim  Provinzialschulkollegium  zu  Hannover. 

Unserem  verehrten  Mitarbeiter,  Herrn  Geheimen  Sanitätsrat 
Dr.  Wallichs  in  Altona,  ist  der  rote  Adlerorden  IV.  Klasse  ver- 
liehen worden. 


510 

Der  gleichfalls  zu  unseren  Mitarbeitern  zählende  Herr  Kommunal- 
arzt Axel  Hsrtbl  in  Kopenhagen,  Dr.  Wassmannsdorf  in  Heidel- 
berg, Professor  Dr.  RüHL  in  Stettin  und  Dr.  Goetz  in  Leipzig 
haben  die  Aufforderung  erhalten,  in  die  Reihe  der  Vicepräsidenten 
der  Abteilung  für  leibliche  Erziehung  des  pädagogischen  Welt- 
kongresses in  Chicago  einzutreten. 

Unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Oberlehrer  Wickenhagen 
in  Rendsburg,  wurde  wegen  seiner  Verdienste  um  das  Schulturnen 
und  die  Jugendspiele  mit  dem  Kronenorden  IV.  Klasse  dekoriert. 

Der  k.  k.  österreichische  Minister  für  Kultus  und  Unterricht 
hat  den  Professor  an  der  Universität  Wien  Dr.  A.  Politzer  zum 
fachmännischen  Delegierten  für  die  medizinisch-hygienische  Ausstellung 
in  Chicago  ernannt-,  der  Genannte  hat  sich  anfangs  August  nach 
Amerika  begeben. 

Die  durch  den  Tod  Professor  Cantanis  erledigte  Stelle  eines 
Mitgliedes  des  Provinzialgesundheitsrates  von  Neapel  wurde  dem 
Direktor  des  dortigen  hygienischen  Institutes,  Professor  de  Giaxa, 
angeboten,  derselbe  hat  jedoch  die  Berufung  abgelehnt. 

Der  Gymnasialdirektor  Dr.  Heohblmann  in  Paderborn  ist  zum 
ProTinzialschulrat  ernannt  und  dem  Provinzialschulkollegium  in  Munster 
überwiesen  worden. 

Dr.  Girodb,  Dr.  Dbschamps  und  Dr.  Wübtz  wurden  zu  Mit- 
gliedern des  beratenden  Komitees  für  öffentliche  Gesundheitspflege 
in  Frankreich  ernannt. 

Das  Amt  eines  Regierungs-  und  Schulrates  haben  erhalten: 
Seminardirektor  Schulrat  Snot  bei  der  Regierung  in  Gumbinnen, 
Kreisschulinspektor  Tarony  bei  der  Regierung  zu  Königsberg  i.  Pr.T 
Kreisschulinspektor  Jbvetzky  bei  der  Regierung  in  Magdeburg  und 
Kreisschulinspektor  Dr.  Riemenschneider  bei  der  Regierung  in 
Arnsberg. 

Der  Privatdocent  und  Assistent  am  hygienischen  Institute  in 
Breslau  Dr.  H.  Bitter  wurde  zum  Leiter  des  neuerrichteten  hygie- 
nischen Institutes  in  Alexandria  berufen. 

Dr.  M.  J.  P.  Poüget  in  Paris  ist  zum  Arzt  der  Schule  „Diderot" 
ernannt  worden. 

Dr.  Gaütrbz,  Hilfsarzt  am  Lyceum  von  Clermont,  wurde  für 
den  verstorbenen  Dr.  Ledru  zum  Arzt  dieser  Anstalt  gewählt;  die 
Stelle  des  Dr.  Gautrez  erhielt  Dr.  Planchard. 

Der  österreichische  Unterrichtsminister  hat  die  Zulassung  des 
Dr.  Adolf  Heider  als  Privatdocenten  für  Hygiene  an  der  Wiener 
medizinischen  Fakultät  genehmigt. 

Dem  Stabsarzt  Dr.  Davids  wurde  die  Assistentenstelle  am  hygie- 
nischen Institute  der  Universität  Berlin  übertragen. 


511 

Unser  verehrter  Mitarbeiter,  Herr  Professor  Dr.  Hermann  Cohn 
in  Breslau,  ist  ans  Anlafa  seines  fünfundzwanzigjährigen  Docenten- 
jnbiläums  durch  mannigfache  Ovationen  gefeiert  worden.  Der  aka- 
demische Gesangverein  „Leopoldina"  brachte  ein  Ständchen,  die  Stu- 
dierenden Oberreichten  eine  prachtvoll  ausgestattete  Glückwunsch- 
adresse, und  der  akademisch-litterarische  Verein  der  Universität 
begrüßte  den  Jubilar  durch  eine  Deputation,  während  die  Assistenz- 
ärzte ein  Album  mit  Photographien  überreichten.  Bei  dem  Festmahl 
hob  der  Wirkliche  Geheime  Oberregierungsrat  und  Regierungspräsident 
Freiherr  Juncker  von  Ober-Conreut  die  schulhygienischen  Be- 
strebungen Professor  Cohns  in  anerkennendster  Weise  hervor  und 
erklärte  zugleich  die  Bereitwilligkeit  der  Behörden,  den  Vorschlägen 
desselben  nach  Möglichkeit  Rechnung  zu  tragen. 

Am  1.  Juli  d.  J.  fand  die  Feier  des  fünfzigjährigen  Doktorjubiläums 
des  Geheimrats  Professor  Dr.  von  Pettenkofer  in  München  statt. 
Aus  diesem  Anlaßt  nahm  der  Jubilar  im  festlich  geschmückten  Rathaus- 
saale die  ihm  von  den  deutschen  Universitäten,  ärztlichen  Körper- 
schaften, den  bayerischen  Behörden  mündlich  und  schriftlich  dar- 
gebrachten Glückwünsche,  Adressen  und  Dipleme  entgegen.  Kaiserin 
AueuSTA  Victoria  hatte  einen  telegraphischen  Glückwunsch  gesandt, 
auch  von  Herzog  Karl  Theodor  in  Bayern,  dem  Statthalter 
von  Elsafs-Lothringen  Fürsten  zu  Hohenlohe,  dem  Staatssekretär 
Dr.  von  Bötticher,  dem  preußischen  Kultusminister  Dr.  Bosse, 
dem  Oberpräsidenten  Dr.  von  Gossler,  sowie  den  Universitäten 
Edinburg,  Kasan,  Kiew,  Utrecht  und  der  Akademie  in  Petersburg 
waren  Glückwunschtelegramme  eingelaufen.  München  widmete  dem 
Jubilar  die  goldene  Bürgermedaille.  Außerdem  erhielt  derselbe  den 
roten  Adlerorden  II.  Klasse  mit  Stern  und  das  Komthurkreuz  des 
Civilyerdienstordens  der  bayerischen  Krone.  Die  k.  k.  Gesellschaft 
der  Ärzte  in  Wien  und  der  Verein  deutscher  Ärzte  in  Prag  ernannten 
ihn  zu  ihrem  Ehrenmitgliede.  Von  der  Studentenschaft  war  ein  Fest- 
kommers  veranstaltet  worden. 

Geheimer  Medizinalrat  Professor  Dr.  Henoch  wird  wegen  vor- 
gerückten Alters  von  seiner  Lehrtätigkeit  an  der  Universität  Berlin 
zurücktreten  und  zugleich  die  Leitung  der  Klinik  für  Kinderkrankheiten 
niederlegen. 

Es  sind  verstorben:  in  Belgrad  der  einstige  Chef  des  Sanitäts- 
wesens in  Serbien,  Professor  Dr.  Mbdowtc,  in  Rom  Dr.  Fel.  Baroffio, 
Generalarzt  und  Mitglied  des  obersten  Gesundheitsrates,  in  Leipzig 
der  bekannte  Professor  der  Pädagogik,  Geheimer  Hofrat  Dr.  Karl 
Masius,  in  Upsala  unser  verehrter  Mitarbeiter,  Professor  Dr.  Nils 
Gustav  Kjellberg,  einer  der  hervorragendsten  Irrenärzte  Schwedens, 
in  Magdeburg  Geheimer  Regierungsrat  A.  Schulz,    früher  Mitglied 


512 


des  Provinzialschnlkollegiums  daselbst,  in  Berlin  Sanitätsrat  Dr.  Patji* 
Guttmann,  Privatdocent  an  der  Universität  und  Direktor  des  städ- 
tischen Krankenhauses  zu  Moabit,  dessen  Rat  in  hygienischen  An- 
gelegenheiten von  nah  und  fern  oft  eingeholt  wurde. 


fttteratur. 


Besprechungen. 

Dr.  Combe,  mädecin  des  6coles.    Extrait  du  rappert  prfoeatf 
par  la  municipaliti  an  conseil  comuunal  pour  Fannie  189L 

Direction  des   äcoles  de  Lausanne.     Service  m6dical.    Lausanne, 
1892.    Imprimerie  Luden  Vincent.     (51  S.  8°.) 
Der  Verfasser  gibt  einen  sehr  eingehenden  Bericht  über  die 
Oesundheitsverh&ltnisse  der  Schulkinder  in  Lausanne  und  in  einigen 
der  Schulverwaltung  mitunterstellten  Dörfern. 

Er  teilt  zunächst  mit,  dafs  unter  den  etwa  3650  Schulkindern 
1569  Erkrankungsfälle  vorkamen,  und  zwar  die  meisten  im  Januar, 
und  bespricht  dann  die  einzelnen  in  Betracht  kommenden  Leiden. 
Ausführlich  wird  Aber  die  ansteckenden  Krankheiten  berichtet.  Die 
Hasern  haben  stark  geherrscht  und  444  Kinder  befallen,  an  Scharlach- 
lieber  litten  24  leicht,  an  Varicellen  19,  an  Keuchhusten  72,  besonders 
im  Dorfe  Vennes,  an  Ziegenpeter  (Parotitis)  64  und  an  Erysipel  in 
gutartiger  Weise  4  Kinder.  Die  Influenza  trat  mit  131  Fallen  auf 
—  gegen  196  im  Jahre  1890  und  1840  im  Jahre  1889  —  und 
der  Typhus  mit  14  nicht  schweren  Erkrankungen. 

Zu  den  nicht  kontagiösen  Krankheiten  rechnet  Dr.  GOMBB  die 
Halsentzündungen  mit  180  Kranken,  die  Diphtherie  mit  3  geheilten 
Kranken,  einige  Unterleibsleiden  mit  einem  tödlich  verlaufenen  Fall 
von  Perityphlitis,  die  Luftröhrenentzündungen  mit  171,  die  Lungen- 
entzündungen mit  12,  die  Brustfellentzündungen  mit  8  und  die 
Tuberkulose  mit  4  Fällen.  Herzfehler  kamen  4  vor  ohne  besondere 
Beschwerden,  deren  Trager  vom  Turnen  befreit  wurden,  Ohrenleiden 
23,  Rheumatismusftlle  33  und  Erscheinungen  von  Blutarmut  114. 
Unter  den  Krankheiten  des  Nervensystems  stehen  obenan  die  Kopf- 
schmerzen, derentwegen  62  Kinder  zeitweilig  von  der  Schule  dispensiert 
waren,  3  mal  kam  Epilepsie,  lmal  Veitstann,  2  mal  Hirnhautentzündung 
mit  tödlichem  Verlaufe  vor.  Hautkrankheiten  wurden  61  beobachte!, 
worunter  ein  Fall  von  Kratze,  chirurgische  Krankheiten  184,  meist 
kleine  Wunden,  aber  auch  9  Frakturen.  Es  ist  nicht  gesagt,  ob 
einige  von  diesen  Verletzungen  in  der  Schule  entstanden  waren. 


513 

Dr.  Combb  hält  fftr  Schulkinder  seit  einigen  Monaten  eine  Art 
Ton  Poliklinik  im  Rathanse  ab,  zn  welcher  die  Stadt  unentgeltlich 
die  Medikamente  liefert.  Wir  wollen  wünschen,  dafe  ihm  diese  gewifo 
wohlthätige  Einriehtang  nicht  über  den  Kopf  wachse. 

Der  Bericht  beschäftigt  sich  ferner  eingebend  mit  einer  durch 
einen  fehlerhaften  Ofen  entstandenen  Kohlenoxydvergiftung  in  Klasse 
4b  der  Schule  von  Vülamont,  welche  durch  den  Nachweis  des  Gases 
in  der  Luft  seitens  eines  Chemikers  bestätigt  wurde.  Die  Kinder 
boten  folgende  bei  manchen  14  Tage  anhaltenden  Symptome  dar: 
Schmerz  in  Stirn  und  Schlafen,  Schwere  im  Kopfe,  Schwindel,  Ohren- 
sausen, Gedächtnisschwäche,  Stumpfheit,  teils  Schlaflosigkeit,  teils 
Schlafsucht,  Brustschmerzen,  Mattigkeit  der  Beine,  ▼erminderte  Knie- 
scheibenreflexe, belegte  Zunge,  Übelkeit,  Diarrhoe,  bleiches  Aussehen. 

Besondere  Sorgfalt  ward  dem  Zustande  der  Augen  gewidmet, 
und  zwar  wurden  unter  Assistenz  eines  Augenarztes  in  diesem  Schul- 
jahre die  brechenden  Medien  der  Kinder  untersucht.  Dabei  fanden 
sich  zugleich  108  Augenkrankheiten,  meist  skrofulöse  Entzündungen, 
ferner  80  Fälle  von  Schielen  und  mehrere  von  grauem  Star. 

Den  wichtigsten  Teil  bildet  indessen  das  Resultat  der  erwähnten 
genaueren  Untersuchung  der  Brechkraft  und  Sehschärfe  von  2150 
Kindern,  Dieselbe  erstreckte  sich  auf  Myopie,  Hypermetropie, 
myopischen,  hypermetropischen,  gemischten  und  unregelmäßigen 
Astigmatismus  und  gewinnt  noch  besonderes  Interesse  durch  den 
Vergleich  nicht  nur  der  Stadtkinder  mit  den  Dorfkindern,  sondern 
auch  der  französischen  mit  den  deutschen  Kindern,  deren  Zahlen- 
Terhältnis  1651 :  655  oder  2,5  : 1  war. 

Die  speciellen  Ergebnisse  dieser  Untersuchung  sind  folgende: 

Abnorme  Augen  wurden  in  der  Stadt  26%,  auf  dem  Lande 
19%,  bei  den  Knaben  21%,  bei  den  Mädchen  27%  ermittelt. 
Auch  in  den  einzelnen  Schulen  zeigten  sich  Verschiedenheiten.  In  der 
Schule  von  St.  Roch  kamen  z.  B.  27%,  in  der  Schule  von  Vülamont 
21%  Ametropien  zur  Beobachtung;  als  Ursache  der  Ametropien 
in  St.  Roch  glaubt  Verfasser  die  mangelhafte  Tagesbeleuchtung  zu 
erkennen.  In  3  Dorfschulen,  wo  es  besonders  viele  Augenschwache 
gab,  wurden  ebenfalls  fehlerhaft  angelegte  Fenster  gefunden. 

Für  die  verschiedenen  Arten  der  Brechungsfehler  sind  folgende 
Verhältnisse  angegeben: 

1.  Myopie  kam  vor  bei  im  ganzen  5,8%,  und  zwar  bei  5,4% 
der  Knaben  und  bei  6%  der  Mädchen,  in  der  That  eine  sehr  mäfinge 
Zahl.  Nach  dem  Wohnorte  geordnet,  stammten  diese  Myopen  zu 
2,2%  aus  den  Dörfern  und  zu  7%  aus  der  Stadt,  nach  der 
Nationalität  zu  4%  von  der  französisch  redenden  Bevölkerung 
(Vaudois)  und  zu  7,7%  von  der  deutschen.     Ähnlich  hat  Professor 


514 


rLüGBR  bei  der  Augenuntersuchung  yon  mehreren  Hundert  Lehrern 
24%  Myopen  bei  den  deutschen  und  nur  14%  bei  den  französischen 
Schweizern  gefunden. 

Dr.  Combb  nimmt  hiernach  eine  grölsere  hereditäre  Anlage  zu 
diesem  Brechungsfehler  bei  der  deutschen  Bevölkerung  an. 

Die  Kurzsichtigkeit  wurde  von  Klasse  zu  Klasse  häufiger. 

Nach  den  in  Lausanne  gemachten  Erfahrungen  empfiehlt  der 
Autor,  die  Fenster  womöglich  an  zwei  Seiten,  und  zwar  linker  Hand 
und  hinter  den  Schülern,  anzubringen.1 

Im  übrigen  rät  er  zur  Einfuhrung  der  Steilschrift,  wenigstens 
für  die  unteren  Klassen. 

2.  Hypermetropie.  Es  fanden  sich  2,3%  Hypermetropen, 
2,6%  in  der  Stadt,  1,4%  auf  dem  Lande,  1,5%  bei  den  Knaben 
und  2,7%  bei  den  Mädchen;  sie  waren  am  häufigsten  in  den 
unteren  Klassen. 

3.  Astigmatismus.  Hier  wurden  ermittelt  myopische  Astig- 
matiker  1,5%,  nämlich  in  der  Stadt  1,7%,  auf  dem  Lande  0,7%, 
ferner  bei  den  Knaben  0,6%,  bei  den  Mädchen  2,4%,  also  bei 
letzteren  wieder  wesentlich  mehr.  Hypermetropischer  Astigmatismus 
kam  vor  bei  9,4%  sämtlicher  Kinder,  und  zwar  gleichmäßig  in 
Stadt  und  Land,  bei  den  Knaben  jedoch  etwas  häufiger  (10%),  als  bei 
den  Mädchen,  bei  allen  abnehmend  in  den  höheren  Klassen.  Gemischter 
Astigmatismus  ward  nur  bei  0,3%  der  Kinder  konstatiert,  unregel- 
mäßiger Astigmatismus  dagegen  bei  4,3%,  gleich  verbreitet  in  Stadt 
und  Land,  aber  sehr  ungleich  bei  den  Geschlechtern,  nämlich  5,6% 
bei  den  Mädchen  und  2,6%  bei  den  Knaben. 

Man  kann  nicht  umhin,  die  Arbeit  Dr.  Combks  als  eine  sehr 
verdienstvolle  zu  bezeichnen. 

Hofrat  Dr.  med.  W.  Kbug, 
städtischer  Schularzt  in  Dresden. 

Dr.  med.  Julius  Lang,  praktischer  Arzt  in  Berlin.  Die  Forde- 
rungen der  Schulhygiene.  Sammlung  gemeinnütziger  und 
volksbildender  Vorträge.  Heft  4.  Berlin,  1893.  Richard  Lesser. 
(36  S.  8°.  A  0,60.) 

Angesichts  der  reichlichen,  rein  fachlichen,  wie  populär-wissen- 
schaftlichen Litteratur,  welche  uns  Aber  das  umfangreiche  Gebiet  der 
Schulhygiene  zur  Verfügung  steht,  taucht  bei  Besprechung  des  vor- 
liegenden Vortrages  unwillkürlich  die  Frage  auf,  ob  derselbe  einem 
bestehenden  Bedürfnisse  entspricht. 


1  Das  dürfte  den  Lehrern,  die  dann  gerade  in  das  Licht  sehen,  nicht 
angenehm  sein.    Der  Ref. 


515 

Wenn  auch  nicht  behauptet  werden  kann,  dafe  die  Arbeit 
eine  fühlbare  Lücke  ausfallt,  so  müssen  wir  dieselbe  doch  insofern 
willkommen  heifsen,  als  sie  für  die  breiten  Schichten  des  Volkes 
bestimmt  ist.  Denn  nur  dann  steht  eine  gedeihliche  Entwickehmg 
der  äufeeren  und  inneren  Einrichtungen  der  Schule  zu  erwarten, 
wenn  die  Kenntnis  der  Schulhygiene  in  ihren  gröbsten  Umrissen 
Gemeingut  vieler  geworden,  wenn  die  Eltern  der  schulbesuchenden 
Kinder  darüber  unterrichtet  sind,  einen  wie  tiefen  Einflufs  die  Ge- 
sundheitsstörungen ausüben,  welche  eine  schlecht  eingerichtete  Schule 
bei  der  geringen  Widerstandsfähigkeit  des  kindlichen  Organismus 
hervorrufen  kann. 

In  klarer,  übersichtlicher  Weise  behandelt  der  Verfasser  im 
ersten  Abschnitt  das  Schulhaus  vom  Standpunkt  der  Gesundheits- 
lehre. Mit  der  Besprechung  des  Baugrundes  beginnend,  geht  er 
über  auf  die  Erörterung  der  allgemeinen  Einrichtungen  des  Schul- 
zimmers —  Höhe,  Länge,  Tiefe,  Verhältnis  der  Fensterfläche  zur 
Bodenfläche  —  der  Ventilation,  Heizung  und  Beleuchtung,  der 
Schulbank  und  der  Schulutensilien  und  liefert  so  ein  erschöpfendes 
Bild,  wie  eine  Musterschule  beschaffen  sein  soll. 

Der  zweite  Abschnitt  ist  der  Schilderung  der  Schulkrankheiten 
gewidmet,  unter  denen  wir  die  Kurzsichtigkeit,  die  Rückgratsver- 
krummungen,  die  Ernährungsstörungen,  den  Schulkopfschmerz,  die 
Geistesstörungen  und  im  Anhange  dazu  das  Stottern  angeführt  finden. 
Verfasser  gehört  zweifellos  nicht  zu  denjenigen,  welche  die  Schule 
zum  Sündenbock  stempeln  und  für  die  Entstehung  der  genannten 
Leiden  allein  verantwortlich  machen.  Dennoch  wäre  es  wünschens- 
wert gewesen,  entschiedener  auszusprechen,  dafs  die  Ursache  der 
unter  Schülern  auftretenden  Geistesstörungen  nicht  in  der  Schule, 
sondern  vor  allem  in  unserem  nach  Erwerb  und  Genufs  jagenden 
Zeitalter  zu  suchen  ist. 

Im  dritten  Abschnitte,  der  die  Unterrichtsmethode  vom  Stand- 
punkte der  Gesundheitslehre  zum  Vorwurfe  hat,  bewegt  sich  der 
Autor  mit  .grofeer  Vorsicht  und  beschränkt  sich  auf  beherzigenswerte 
Winke,  ohne  dem  Pädagogen  zu  nahe  zu  treten.  Vor  allem  betont 
er  die  Notwendigkeit  der  Erteilung  von  Unterricht  in  der  Gesund- 
heitslehre im  Anschlufs  an  die  übrigen  Lektionen  und  die  damit  im 
ursächlichen  Zusammenhange  stehende  Ausbildung  des  Lehrkörpers  in 
der  Hygiene,  plaidiert  für  Verlegung  des  Schwergewichtes  des  Unter- 
richtes auf  die  Schulstunden,  sowie  für  möglichste  Einschränkung 
der  Hausarbeiten  und  streift  die  Meinungsverschiedenheiten  über  die 
Art  der  Schulstrafen,  deren  Festsetzung  meiner  Ansicht  nach,  unter 
der  Voraussetzung,  dafe  die  Lehranstalt  hygienisch  geleitet  wird, 
jedenfalls  dem  Lehrer  überlassen  bleiben  mufs.     Zugleich  empfiehlt 


516 

er  die  Einführung  der  Steilschrift  in  die  Schulen,  deren  Besprechung 
wohl  passender  im  Znsammenhang  init  der  als  Schulkrankheit  an- 
gefahrten Kurz8ichtigkeit  und  Rückgrateverkrümmung  hätte  Plati 
finden  sollen.  Selbstverständlich  hat  Verfasser  auch  die  Erörterung 
der  Pflege  der  Leibesübungen  und  der  Jugendspiele  als  Bildnngs- 
mittel  des  Körpers  und  Charakters  nicht  vergessen. 

Zum  Schlüsse  spricht  er  seine  Meinung  dahin  ans,  dafe  die 
Thätigkeit  des  Schularztes  nur  einen  beratenden  Charakter  haben, 
die  Entscheidung  über  hygienische  Maisnahmen  aber  in  der  Hand 
der  Schulbehörde  liegen  müsse,  was  sicherlich  in  Lehrer*  und  Ärzte- 
kreisen Billigung  finden  wird. 

Im  grofcen  und  ganzen  hat  somit  der  Autor  seine  Aufgabe 
glücklich  gelöst,  und  es  steht  zu  erwarten,  dafs  seine  Arbeit  toi 
guter  Wirkung  sein  wird. 

Oberarzt  des  Hermannstädter  Eomitates 
Dr.  med.  Süssmann  in  Hermannstadt. 

W.  Winkler,  Haupüehrer  in  Schreiberhan.    Deutsches  Lehrer* 
heim  in  Schreiberhau,  Riesengebirge.    Im  Auftrage  des  Vor- 
standes des  schlesischen  ProvinziaHehrervereins  bearbeitet.   Biele- 
feld, 1892.     A.  Helmichs  Buchhandlung.     (26  S.  8°.   M.  0,20.) 
Wer  heutzutage  in  einer  öffentlichen  Stellung  th&tig  und  des 
gröfsten  Teil  des  Tages   innerhalb  der  Tier  Mauern  eines  Bureau, 
einer  Schule  u.  s.  w.    geistig   und   körperlich   angespannt   ist,  der 
bedarf,  um  seine  Gesundheit  und  Geistesfrische  möglichst  lange  zs 
erhalten,    alljährlich   einer  längeren  Ruhe   und  Erholung   fern  von 
seinem   Dienstorte.     Es  ist   das   eine   Forderung    der  Natur,   ein 
Gebot  der  Notwendigkeit,    dessen  Übertretung    sich   nicht  blofe  an 
dem    einzelnen   Individuum,    sondern    an    dem    ganzen    staatlichen 
Organismus  schwer  zu  rächen  pflegt. 

Wenn  nun  auch  jedem  Beamten  und  Lehrer  eine  gewisse  Zeit 
zum  Ausspannen  zugemessen  ist,  so  bleibt  es  doch  für  manche! 
eine  schwierige  Frage:  „Wo  und  wie  kann  ich  meinen  Urlaub, 
bezw.  meine  Ferien  am  besten  und  angenehmsten  verbringen  ?K  Ja, 
wer  viel  Zeit  und  Geld  zur  Verfügung  hat,  der  sucht  eine  Sommer- 
frische in  den  Alpen  oder  ein  Bad  an  der  Nordsee  auf,  wandert 
auch  wohl  noch  weiter,  um  die  Sorgen  und  Muhen  des  Alltags- 
lebens für  einige  Zeit  abzuschütteln.  Was  aber  soll  der  Lehrer 
thun,  der  zumeist  auf  ein  bescheidenes  Einkommen  angewiesen  ist, 
einer  ausgiebigen  Sommerfrische  aber  gerade  am  meisten  bedarf? 
Wo  kann  insbesondere  die  Lehrerwelt  Ostdeutschlands  einen  an- 
genehmen und  billigen  Sommeraufenthalt  finden? 

Diese  Frage  hat  der  Hauptlehrer  W.Winklbr  in  Schreiberhao, 


517 

der  zu  den  Mitbegründern  des  Riesengebirgsvereins  zählt  und  die 
dortige  Ortsgruppe  leitet,  einer  glücklichen  Lösung  näher  gebracht, 
ßein  Plan,  in  Schreiberhau  am  Fnfse  des  herrlichen,  sagen- 
berflhmten  Biesengebirges  ein  Lehrerheim  zn  gründen,  fand  nicht 
nur  auf  der  ProTinziaUehreirersammlnng  in  Sagan  im  Jahre  1886 
allseitige  Zustimmung,  sondern  wurde  anch  von  dem  ersten  preufsi- 
schen  Lehrertage  in  Magdeburg  (1890)  aufs  freudigste  begrüßt.  Ein 
im  Oktober  1891  von  dem  Vorstände  des  schlesischen  Provinzial- 
lehrervereins  an  die  deutschen  Lehrer  ergangener  Aufruf  zu  frei- 
willigen Sammlungen  hatte  den  Erfolg,  dafs  in  verhältnismäßig  kurzer 
Zeit  gegen   8000  Mark  zu  obigem  Zwecke  eingingen. 

Um  diesem  menschenfreundlichen  Gedanken  in  den  weitesten 
Kreisen  Beachtung  und  dem  Unternehmen,  das  noch  der  Vollendung 
harrt,  weitere  Unterstützung  zu  verschaffen,  wurde  die  vorliegende, 
mit  Wärme  und  Begeisterung  abgefaßte  Schrift  veröffentlicht.  Die- 
selbe enthält  folgende  Abschnitte:  1.  Wie  der  Gedanke  zur 
Gründung  eines  Lehrerheims  entstand.  2.  Der  Aufruf  und  sein 
Erfolg.  3.  Was  das  Lehrerheim  will.  4.  Inwiefern  eignet  sich 
Schreiberhau  zur  Gründung  eines  Lehrerheims?  5.  Besitzstand  und 
Verwaltung.    6.  Geber  und  Gaben.     7.  Schlußwort. 

Bei  der  groben  Wichtigkeit  des  geplanten  Werkes  verdient 
die  Schrift  in  der  That  allgemeine  Berücksichtigung,  ihr  Zweck 
volle  Anerkennung  und  kräftige  Förderung.  Nachdem  zur  Erbauung 
von  Schutzhütten  auf  den  Gipfeln  der  Alpen  bedeutende  Spenden 
gemacht  worden  sind,  wird  die  Opferwilligkeit  der  Deutschen  sicher- 
lieh auch  zur  Errichtung  eines  bescheiden«!  Sommerheims  für  die 
erholungsbedürftigen  Lehrer,  welche  selten  oder  nie  in  der  Lage 
sind,  nach  den  fernen  Alpen  zu  wandern,  gern  ihr  Scherflein  bei- 
tragen. 

Allen  aber,  die  nach  der  Erstehung  des  Lehrerheims  in 
Schreiberhau  dorthin  ihre  Schritte  lenken  und  dort  die  notwendige 
Erholung  suchen,  möge  der  mächtige  Herr  des  Riesengebirges,  der 
noch  immer  gütig  waltende  Berggeist  Rübezahl,  den  kostbaren  Schatz 
fester  Gesundheit  und  das  schöne  Kleinod  unzerstörbarer  Berufe- 
freudigkeit mit  auf  den  Heimweg  geben  t 
Professor  am  k.  k.  Staatsobergymnasium  S.  Schiässlinq  in  Mies. 


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Rev.  päd.  Beige,  Brüssel,  1892,  März- April. 

The  pafhology  of  overstrain.  The  Brit.  med.  Journ.,  1893, 
May  13,  1020. 

Tombs,  Eleanor.  A  nev  aid  in  the  diagnosis  of  lateral  curvaiure 
ofthespme.    Med.  News,  Philadelphia,  1893,  1059,  452—454. 

Wiöoe,  H.  Auch  einige  Klarstellungen  auf  dem  Gebiete  des  Schul- 
turnens.   Päd.  Ztg.,  1892,  XLVII. 

Witt,  Fritz.  Gedanken  über  den  Turnunterricht  in  den  einfachen 
Volksschulen.     Dtsch.  Schulztg.,  1892,  XLI;  XLII. 

Young,  A.  G.  School  Hygiene  and  schoolhouse.  Rep.  Bd.  Health 
Maine  1891,  Augusta,  1892,  VII,  83—386. 


Bei  der  Redaktion  eingegangene  Schriften. 

Achtzehnter  Jahresbericht  des  Pestalozzianums  (Schweigerische  perma- 
nente SchülaussteUung)  in  Zürich  Umfassend  das  Jahr  1892. 
Zürich,  1893,  Emil  Rttegg.     8°. 

Adler,  C.    Schreibheft  für  Steilschrift.   Hamburg,  1893,    C.Adler. 

—  Lbungshefte  für  Steüschrift.     Hamburg,  1893,  C.  Adler. 

Anweisung  des  preufsischen  Ministers  der  öffentlichen  Arbeiten  zur 
Herstellung  und  Unterhaltung  von  Centralheizungs-  und  Lüftungs- 
anlagen vom  15.  April  1893.  Centrbl.  f.  d.  gsmt.  Unterrvrwltg. 
in  Preufe.,  Berlin,  1893,  Juni-Juli,  448—470. 

Anweisung  zur  Herstellung  und  Unterhaltung  von  Centralheizungs- 
und  Lüftungsanlagen.  Berlin,  1893,  Ernst  &  Sohn.  Kl.  Fol. 
JL  1. 

BüLEY  und  Vogt.  Das  Turnen  in  der  Volks-  und  Bürgerschule 
für  Knaben  und  Mädchen,  sowie  in  den  Unterklassen  der  Mittel- 
schulen. 1.  Teil:  Das  Turnen  in  den  ersten  fünf  Schuljahren. 
Mit  85  Fig.    3.  Aufl.    Wien,  1893,  A.  Pichlers  Witwe  u.  Sohn. 

Cautley,  Edmund.  Heart  disease  due  to  bicycling.  Brit.  med. 
Journ.,  1893,  July  15,  1698,  115. 

Dupuy,  E.  Le  mouvement  et  les  exercices  physiques.  Paris,  1893, 
J.  B.  Baillifcre  et  fils.     8°.     Fr.  5. 


520 

Emundfttnfsigster  Jahresbericht  des  St.  Josef  unentgeltlichen  Kmdcr- 

spüales  in  Wien  für  das  Jahr  1892.    Wien,   1893,    Selbstreriag 

der  Anstalt. 
Franke.     Einige  Bemerkungen  allgemeiner  Natur  eum  Tumbetriebc 

an  unseren  höheren  Lehranstalten.     Gymnas.,  1893,  IX. 
Gayettb-Georgens,  J.  M.  von.    Neues  Spielbuch  für  Mädchen. 

Mit  kolor.  Taf.  u.  Holzschn.     Berlin,  1891.    iL  6. 
Gera,  B.  ton.     Das   Haus-   und   Zimmertumm.     Mit   Anhang: 

Das  Croquetspiel.     Mit  47  Abb.    8.  Aufl.    Berlin,  1889.    JL  4. 
Grub,  Karl.     Schulgesundheitspflege  und  Stundenplan.    V.  Fels  z. 

Meer,  1892—93,  XXIII,  366—372. 
Hagen,    Hrrm.       Anüke     Gesundheitspflege.      Hamburg,    1892, 

Verlagsanstalt  u.  Druckerei  A.-G.  (vormals  J.  F.  Richter).    8°. 

M.  0,80. 
Haug,  M.     Unser  Mädchenturnen.     Programm.     Ulm,   1893.    8°. 
Hofficann,    P.      Die    Schulwissenschaften    und    die    Turnkunst. 

Festspiel   zur   Einweihung   der   Tarnhalle    der   Ernestinenschule. 

Programm.    Lübeck,  1893.    4°. 
Höhn,  A.     Schrift  und  Körperhaltung.     Schwz.  Lehrerztg.,    1891, 

Xffl;  XIV;  XV. 
Jankb,  0.     Gegen  die  Steüschrift.     Bl.  f.  d.  Schnlprax.,  1893,  I. 
Schlesinger.  H.    Das  Buch  der  vernunfigemässen  Gesundheits- 
pflege in  Haus  und  Familie.     Mit  78   Abbild.     Leipzig,  1893, 

0.  Spamer.     M.  4. 
Schnell,  H.     Der  Turnschuh.    Ztschr.  f.  Turn.  u.  Jgdspl.,  1893, 

m,  33—36. 
Seggel.    Zweiter  Berieht  der  vom  ärztlichen  Bemrksoerem  München 

zur  Prüfung  des  Einflusses  der  Steil*  und  Schrägschrift  (Schief- 

schrift)   gewählten  Kommission.     Berieht  Über  die    Augemmier- 

suchungen.     Referat.     Klin.  Monatsbl.  f.  Aoghlkd.,    1893,  Mai, 

175—179. 
Smith,  Noble.     The  more  severe  forme  of  lateral  curvature  of 

thc  spme.     With  23  fig.  London,  1892,  Smith,  Eider  &  Co. 
Tramonte,  8.     Conferenze  igieniche,  tenute  nella  sola  eommmak 

<U  Massafra.     Bari,  1892.     8°.     L.  2. 
Übungsheft  zur  Erlernung  der  Normalschrift.     Frankfort   a.  M., 

A.  Walter.     M.  0,55. 
Walther,  G.     Die   neuen    Gebäude   des   Königliehen    Friedrichs- 

koOegiums  (1892).     Mit  2  Taf.     Königsberg,  1892.     4°. 
Wbndt,  F.  M.     Grundrifs  der  pädagogischen  Pathologie.     Kath. 

Schulztg.  f.  Nordd.,  1892,  XXVII;  XXVffl. 


Jritfdmft  fit  Sdjnlgffuu^fitöpllfjf. 

-     :  —      .j    .  ,  .s.    i '  ■  ■•    ...      a "    .  ...  .  i.  ■  :  ,       i  — — * 

VI.  Jahrgang.      1893.  No.  10. 


Äriginal-^lb^attblttngen. 


Die  Lichtverh&ltnisse  in  den  Schulen  der  Stadt  Halle  a.  S. 

Von 

Dr.  med.  K.  Likbrecht, 

Augenarzt  in  Halle  a.  S. 

Seitdem  das  Interesse  für  eine  wirksame  Schulhygiene 
erwacht  ist,  hat  sich  dasselbe  auch  ganz  besonders  der  Be- 
leuchtung der  Klassenzimmer,  speoiell  der  Arbeitsplätze  in 
denselben,  zugewendet,  und  es  verdient  dieser  Gegenstand  mit 
vollem  Rechte  ernste  Würdigung.  Denn  eine  ungenügende  Be- 
leuchtung ist  mit  einer  beträchtlichen  Schädigung  der  Gesund* 
heit  und  des  Gedeihens  der  Kinder  verbunden.  Es  sei  hier 
der  Einflufs  des  Lichtes  nur  in  zwei  allgemeinen  Punkten 
hervorgehoben. 

Erstens  wird  bei  guter  Beleuchtung  der  Klassenzimmer 
die  für  die  Atmung  so  wichtige  gründliche  Reinigung 
derselben,  die  Beseitigung  alles  des  Staubes  und  Schmutzes, 
wie  er  sich  in  liohtsohwachen  Ecken  anzuhäufen  pflegt,  leichter 
als  sonst  erfolgen.  Dafs  in  den  Schulen  die  Klassenreinigung 
noch  sehr  viel  zu  wünschen  übrig  läfst,  wird  wohl  jeder  zugeben, 
welcher  weife,  daJs  in  den  meisten  derselben  ein  trockenes  Aus- 
kehren nur  zweimal  die  Woche,  ein  Scheuernder  Zimmer  in  der 
Regel  nur  alle  halben  Jahre  einmal  stattfindet.  Ziehen  wir 
ferner  in  Betracht,  dafs  diese  Reinigung  sämtlicher  Ellassen 
Mittwochs  und  Sonnabends  von  meist  nur  zwei  Personen  aus- 

Sebnlgerandhettspflege  VI.  34 


522 

geführt  und  dafs  beim  Staubkehren  blofs  ein  Fenster  oder 
Fensterflügel  geöffnet  wird,  so  darf  man  sich  über  die  Wirk- 
samkeit einer  solchen  Reinigung  keinen  Illusionen  hingeben. 
Dieselbe  wird  zum  Teil  nur  in  einer  Translocierung  des  Staubes 
von  den  Fufeböden  und  Bänken  in  die  Furchen  der  ersteren  und 
die  zahlreichen  Ecken  und  Winkel  der  Schulstube  bestehen. 
Gegen  diesen  Müsstand  hilft  nur  eine  Vermehrung  des  Dienst- 
personals und  tägliche  Kontrolle  von  Seiten  der  Lehrer.  Diese 
Kontrolle  aber  darf  nicht  durch  eine  ungenügende  Beleuchtung 
der  Klassenzimmer  erschwert  werden. 

Eng  mit  dem  erwähnten  Punkte  hängt  der  zweite  zu- 
sammen. Wir  wissen  seit  einiger  Zeit,  dafs  helles  Tages- 
licht einen  au  fs  er  ordentlich  hemmenden  Ei  nflufs  auf 
die  Weiterentwiokelung  und  Lebensfähigkeit  zahl- 
reicher Bakterien  ausübt.  Beinkulturen  der  meisten 
pathogenen  Bakterien  entwickeln  sich  bei  Tages-  und  bei 
Sonnenlichte  nicht  weiter,  sondern  sterben  leicht  ab.  Diese 
Thatsache  ist  zweifellos  der  Prüfung  wert  in  Bezug  auf  Weiter- 
verbreitung der  Tuberkulose,  des  Typhus,  der  Diphtherie, 
vielleicht  auch  der  Masern  und  des  Scharlachs  in  den  Schulen. 
Auch  für  die  ansteckende  granulöse  Bindehautentzündung, 
welche  mit  Vorliebe  einzelne  Ellassen  einer  Schule  befellt, 
wäre  nach  dieser  Richtung  hin  eine  Untersuchung  von  Interesse. 
Nach  unseren  jetzigen  Erfahrungen  ist  es  nämlich  wahrscheinlich, 
dals  eingeschleppte  Infektionsträger  in  einem  schlechtbeleuchteten, 
mit  dunklen  Ecken  ausgestatteten  Zimmer  längere  Zeit  ihre 
Wirksamkeit  bewahren  und  damit  immer  wieder  der  Ausgangs- 
punkt von  neuen  Erkrankungen  werden,  während  dieselben 
Bakterien  in  ausreichend  hellen,  womöglich  am  Tage  eine  Zeit 
lang  von  Sonnenstrahlen  getroffenen  Zimmern  rasch  zu  Grande 
gehen. 

Die  nachweisbare  Hauptschädigung  einer  ungenügenden 
Beleuchtung  der  Arbeitsplätze  aber  besteht  in  der  Entwickelung 
von  Bückgrats-  und  Rippenverkrümmungen  infolge 
schlechten  Sitzens  der  Kinder  und  vor  allem  in  der  Ent- 
stehung von  Kurzsiohtigkeit. 


523 

Noch  sind  wir  nicht  über  sämtliche  ursächlichen  Momente 
dieses  Brechungsfehlers  der  Augen  vollkommen  orientiert,  obgleich 
schon  eine  Untersuchungsreihe  von  weit  über  100000  Schülern, 
ferner  von  zahlreichen  Soldaten  und  Studenten  vorliegt,  aber 
folgende  Sätze,  welche  H.  Cohn  auf  Grund  seiner  Unter- 
suchungen aufgestellt  hat,  sind  von  allen  anderen  Beobachtern 
bestätigt  worden: 

1.  Die  Kurzsichtigkeit  nimmt  an  Häufigkeit  zu  mit  den 
Anforderungen  der  Unterrichtsanstalten.  Sie  wächst 
konstant  von  den  Dorfschulen  nach  den  städtischen 
Elementarschulen,  Sekundärschulen,  Realschulen  und 
Gymnasien  hin. 

2.  Die  Zahl  der  Kurzsichtigen  steigt  in  den  einzelnen 
Schulen  von  Klasse  zu  Klasse. 

3.  In  den  oberen  Klassen  und  höheren  Sohulen  kommen 
stärkere  Kurzsichtigkeitsgrade  vor,  als  in  den  unteren 
Klassen  und  niederen   Schulen. 

Es  ist  hiernach  der  ungünstige  Einflute  der  Schule  auf 
das  kindliche  Auge  sicher  gestellt. 

Die  durch  den  Unterricht  erworbene  Kurzsichtigkeit  hält 
sich  in  den  meisten  Fällen  in  einer  gewissen  Grenze  im  Gegen- 
satz zu  der  angeborenen,  deletären  Myopie.  Letztere  nimmt 
stetig  zu,  oft  bis  zu  den  höchsten  Graden,  und  endet  dann 
sehr  häufig  mit  der  Vernichtung  eines  oder  beider  Augen  oder 
wenigstens  mit  schwerer  Schädigung  derselben. 

Aber  auch  eine  Kurzsichtigkeit  geringeren  Grades  bis  zu 
6  Dioptrien,  wie  sie  durch  unzweckmäßige  Beleuchtung  bei  der 
Arbeit  in  der  Kindheit  entsteht,  kann  keineswegs  als  bedeutungslos 
gelten.  Beweis  dafür  ist,  dafs  mit  Zunahme  der  Myopie  in  der 
Regel  auch  die  Sehschärfe,  also  die  Leistung  des  Auges,  abnimmt. 
Nach  den  Untersuchungen  von  Oberstabsarzt  Seggel  in  München 
war  bei  normalem  Bau  des  Auges  die  Sehschärfe  gleich  gf , 
d.  h.  ein  Probeobjekt  von  bestimmter  Grftise  (XX)  wurde  in 
22  m  Entfernung  noch  scharf  gesehen  (#=ff)-  B®i  Kurz- 
sichtigkeit von  5 — 6  Dioptrien  dagegen  konnte  dasselbe  Objekt 
nach  Korrektion  der  ersteren  nur  noch    in  13  m  Entfernung 

34* 


524 

gesehen  werden  (£=£!)•  Ferner  findet  man  in  Augen 
mit  den  erwähnten  Graden  von  Myopie  fast  ausnahmslos 
pathologische  Veränderungen  an  den  Augenhäuten,  welche 
meistens  nicht  abgeschlossen  sind,  sondern  sich  mit  den 
Jahren  ausdehnen  und  den  Grund  fiir  die  Herabsetzung  der 
Sehschärfe  bilden.  Ziehen  wir  weiter  in  Betracht,  dafe  ein- 
zelne Berufsarten  den  Kurzsichtigen  völlig  verschlossen  sind, 
dafs  die  Zahl  der  Rekruten,  welche  wegen  höhergradiger 
Myopie  vom  Militärdienste  zurückgewiesen  werden  müssen, 
eine  stets  gröfeere  wird,1  so  kann  sich  wohl  keiner  der  Über- 
zeugung verschliefsen,  dafe  der  Staat,  welcher  den  Schulzwang 
eingeführt  hat,  auch  verpflichtet  ist,  mit  allen  Mitteln  diejenigen 
Momente  in  der  Schule  zu  beseitigen,  welche  Kurzsichtigkeit 
hervorzurufen  vermögen,  falls  solche  nur  genügend  erkannt  sind. 
Dies  ist  aber  der  Fall.  Wir  wissen  nämlich,  dafe  alles, 
was  das  Kind  nötigt,  die  Augen  dauernd  zu  nahe  an  das  Buch 
oder  die  sonstige  Arbeit  heranzubringen,  zur  Myopie  disponiert 
Mag  man  einer  Theorie  über  die  Entstehung  derselben  huldigen, 
welcher  man  will,  sie  alle  führen  in  letzter  Linie  zurück  auf 
eine  zu  grofse  und  gleichzeitig  zu  anhaltende  Annäherung  des 
Auges  an  den  Beschäftigungsgegenstand. 

.  Welche  Umstände  zwingen  nun  die  Augen  in  eine  solche 
Stellung?  Sie  können  sehr  verschiedener  Art  sein.  Es  ist, 
abgesehen  von  bestehender  Schwachsichtigkeit,  zu  berücksichtigen 
der  Buchdruck,  die  Schriftform,  die  Länge  der  Zeilen,  das 
Schreibmaterial,  die  Heftlage  (Schrägschrift  oder  Steilschrift),  ganz 
besonders  aber  die  Konstruktion  der  Schulbänke.  So  wichtig  alle 
diese  Funkte  sind,  es  ist  hier  nicht  meine  Aufgabe,  auf  dieselben 
näher  einzugehen.  Aber  dem  Bedauern  mufs  ich  doch  Ausdruck 
geben,  dafs  selbst  bei  der  Einrichtung  neuer  Schulen  auf  all- 
gemein anerkannte  Forderungen  der  Schulgesundheitspflege  so 

1  Es  steht  mir  nur  die  Angabe  von  Dr.  Bircher.  zur  Verfügung 
über  die  Schweizer  Rekruten,  welche  wegen  Kurzsichtigkeit  vom  Militär- 
dienste befreit  wurden.    Dies  waren 

1875:    1876:     1878:    1879:     1880:     1881:     1882:    1883:    1884: 
11  14         19         23  25         25  31         29         34. 


525 

wenig  Gewicht  gelegt  wird.  Noch  immer  werden  die  alten 
Bftnke  mit  sogenannter  Plusdistanz,  deren  Schädlichkeit  für 
die  Körperhaltung  von  vielen  ärztlichen  Autoritäten  nach- 
gewiesen ist,  aufs  neue  angeschafft.  Ob  dabei  der  Geldpunkt 
oder  pädagogische  Rücksichten  die  Hauptrolle  spielen,  will  ich 
nicht  entscheiden.  Aber  wenn  es  gilt,  direkt  nachweisbare 
Schädigungen  der  Gesundheit  von  den  Kindern  fernzuhalten, 
dann  müssen  derartige  Bedenken  verstummen,  selbst  wenn  sie 
nicht  so  geringfügiger  Natur  wären,  wie  sie  es  in  der  That 
sind.  Es  wird  in  dieser,  wie  in  vielen  anderen  Fragen,  erst 
Wandel  geschafft  werden,  wenn,  was  in  Belgien,  Schweden, 
Ungarn,  Frankreich  und  der  Sohweiz  bereits  geschehen  ist, 
die  Anstellung  von  besonderen  Schulärzten  zur  Durchführung 
kommt,  und  zwar  von  Schulärzten,  die  nicht  nur  regelmäfsige 
Untersuchungen  der  Kinder  in  Bezug  auf  Körpergröße,  Körper- 
gewicht, Kurzsichtigkeit,  Farbensinn,  Schwerhörigkeit,  Rück- 
gratsverkrümmungen, Infektionskrankheiten  vorzunehmen  und 
die  Befunde  zu  notieren  haben,  sondern  welche  auch  mit  einer 
gewissen  Machtbefugnis  bekleidet  sind,  hervorragende  hygienische 
Müsstände  zu  beseitigen.  Wir  sind  überzeugt,  dafs  der  Ruf 
nach  ärztlichen  Sohulinspektoren  mit  jedem  Jahrzehnt  ein 
dringenderer  werden  und  erst  nach  Einführung  derselben  ver- 
stummen wird. 

loh  habe  mir  jedoch  zum  Ziele  gesetzt,  einen  Punkt 
näher  zu  erörtern,  welcher  sicher  mit  das  wichtigste  Moment 
zur  Verhütung  der  Kurzsichtigkeit  darstellt,  nämlich  eine 
ausreichende  Beleuchtung  der  Arbeitsplätze  in  den  Schulen. 
Nur  bei  einer  solchen  wird  es  dem  Schüler  möglich  sein,  ohne 
Anstrengung  die  betreffende  Nahearbeit  in  zweckmäfsiger  Ent- 
fernung vom  Auge  zu  verrichten. 

Der  Wert  einer  ausreichenden  Beleuchtung  für  die  Arbeits- 
plätze ist  schon  durch  zahlreiche  Untersuchungen  festgestellt 
worden.  Vor  allem  sind  hier  diejenigen  von  H.  Cohn  zu 
erwähnen.  Er  hat  durch  mühsame  Forschung  das  geringste 
Mafia  der  Helligkeit  für  einen  Arbeitsplatz  bestimmt  und  ins- 
besondere den  genial  konstruierten  Liohtmessungsapparaten  von 
Professor  L.  Weber  allgemeinen  Eingang  verschafft. 


526 

Methode  der  Liohtmessung. 

Früher  verlangte  H.  Cohn,  dafs  auf  jeden  Quadratfufe 
Bodenfläche  eines  Schulzimmers  30  Quadratzoll  Fensterfläohe 
kommen,  damit  das  Lioht  für  die  Schüler  ausreiche.  Das 
Unzulängliche  einer  solchen  Forderung  war  aber  leicht 
einzusehen;  denn  bei  dieser  Art  der  Zumessung  von  Licht 
wurde  keinerlei  Rücksicht  auf  die  Umgebung  des  Schul- 
hauses genommen.  Es  erschien  gleichgültig,  ob  dasselbe  frei 
stand  oder  von  hohen  Gebäuden  umgeben  war,  ob  durch  die 
Fenster  direktes  Himmelslicht  oder  nur  reflektiertes  eindrang. 
Mit  der  steigenden  Erkenntnis  nun,  dafe  der  Wert  der  Be- 
leuchtung eines  Zimmers  ganz  vorwiegend  abhängt  von  der 
direkten  Beleuchtung  durch  diffuses  Himmelslicht,  dafe  indirektes, 
von  Gebäuden,  Wänden  u.  s.  w.  reflektiertes  Licht  im  Vergleich 
zu  dem  direkten  relativ  wenig  in  Betracht  kommt,  mutete  nach 
einem  anderen  Mafsstab  zur  Beurteilung  der  Helligkeit  eines 
Platzes  gesucht  werden.  Diese  Aufgabe  ist  in  glänzender 
Weise  von  Professor  L.  Weber  in  Breslau  gelöst  worden. 
Er  hat  zwei  Apparate  konstruiert,  welche  allen  Ansprüchen 
in  Bezug  auf  Lichtmessung  genügen. 

Zunächst  führen  wir  sein  Photometer  an.  Es  ist  hier 
nicht  der  Ort,  dasselbe  näher  zu  beschreiben,  nur  soviel  sei 
gesagt,  dafs  wir  dadurch  in  den  Stand  gesetzt  werden  auszu- 
sagen, mit  wieviel  Normalkerzenstärke  ein  bestimmter  Platz 
zu  einem  gegebenen  Zeitpunkte  bei  irgend  welcher  Beleuchtungs- 
art erhellt  wird.  Mag  derselbe  von  direktem  oder  reflektiertem 
Himmelslicht  oder  von  beidem,  von  Lampen-,  Qua-  oder  elek- 
trischem Lioht  erleuchtet  sein,  durch  den  Apparat  erfahren  wir 
in  jedem  Falle:  die  Helligkeit  dieses  Platzes  ist  gleich  der- 
jenigen von  so  und  so  viel  Normalkerzen  in  1  m  Entfernung. 

Dieses  Instrument,  so  wertvoll  dasselbe  ist  und  so  vielfach 
es  benutzt  wird  für  vergleichende  Untersuchungen  der  Stärke 
der  gebräuchlichen  Lichtarten,  ist  trotzdem  nicht  zu  verwenden 
für  die  Ermittelung  der  Helligkeit  der  Arbeitsplätze  in  den 
Schulen,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen.  Es  wäre  die  Auf- 
gabe, sämtliche  Plätze  einer  oder  mehrerer  Schulen  mit  diesem 


527 

Apparate  zu  untersuchen,  eine  außerordentlich  anstrengende  und 
zeitraubende.  Aber  selbst  wenn  sich  jemand  derselben  unterziehen 
wollte,  so  ist  doch  zu  berücksichtigen,  dals  jeder  Platz  an 
einem  bestimmten  Tage,  zu  einer  bestimmten  Tageszeit  unter- 
sucht wird,  dals  die  nächste  Stunde,  der  nächste  Tag  andere 
Beleuchtung  schafft,  dals  demnach  die  für  die  einzelnen  Plätze 
gewonnenen  Resultate  wegen  der  verschiedenen  Zeit  der  Unter- 
suchung nicht  direkt  miteinander  verglichen  werden  können. 
Durch  Benutzung  dieses  Photometers  wurde  übrigens  als  Mindest- 
mals der  Beleuchtung  eines  Platzes  eine  Lichtstärke  von 
10  Normalkerzen  in  1  m  Entfernung  festgestellt 

Den  erwähnten  Übelständen  hilft  ein  anderer  Apparat  von 
Professor  L.  Weber  ab,  der  sogenannte  Baumwinkelmesser.1 
Denkt  man  sich  von  einem  Punkte  in  einem  Zimmer  alle 
möglichen  Strahlen  nach  den  Fensterrahmen,  Firsten  der  gegen- 
überstehenden Häuser  u.  s.  w.  gezogen,  so  schneidet  die  Ver- 
längerung derselben  dasjenige  Stück  Himmel  heraus,  von  dem 
der  Punkt  direktes  Tageslicht  erhält.  Das  herausgeschnittene 
Stück  hat  Weber  mit  dem  Namen  Baumwinkel  bezeichnet. 
Diesen  Baumwinkel  als  leuchtende  Fläche  projioiert  nun  eine 
Linse  auf  eine  runde  Holzscheibe,  welche  mit  einem  in  Quadrate 
von  2  mm  Seitenlänge  eingeteilten  Papiere  bedeckt  ist.  Die 
Linse  ist  an  einem  Stabe,  welcher  in  der  Holzscheibe  recht- 
winkelig befestigt  ist,  verschiebbar,  so  dals  man  stets  ein  scharfes 
Bild  des  Baumwinkels  auf  der  Scheibe  erhalten  kann.  Holz- 
scheibe nebst  Stab  sind  um  eine  Achse  drehbar,  wodurch  es 
möglich  wird,  das  Bild  des  Baumwinkels  auf  die  Mitte  der 
Scheibe  fallen  zu  lassen.  Der  Winkel,  um  den  die  Holzscheibe 
gedreht  wird,  kann  an  einem  graduierten  Halbbogen  abgelesen 
werden  und  bezeichnet  den  Einfallswinkel,  unter  welchem  die 
Lichtstrahlen  auf  den  untersuchten  Platz  fallen. 

Nach  Weber  gilt  nun  die  Gleichung: 

h  =  w  .  sin  a, 


1  Vgl.  diese  Zeitschrift,  1889,  No.  11,  S.  572  ff.,  woselbst  sich  auch 
eine  Abbildung  des  Baumwinkelmessers  findet.    D.  Red. 


528 

wobei  h  die  Helligkeit  ist,  m  der  Raumwinkel  und  z.  a  dar 
Einfallswinkel  des  Lichtes.  Als  geringster  zulässiger  Raum- 
winkel  für  einen  Arbeitsplatz  bei  senkrechter  Beleuchtung 
wurden  50  Quadratgrade  gefunden.  Bei  nicht  senkrecht  ein- 
fallendem Lichte  maus  der  Einfallswinkel  desselben  als  sinus  a 
mit  in  Rechnung  gezogen  werden. 

Es  wird  also  mit  diesem  Apparate  in  ziemlich  voll- 
kommener Weise  das  einen  Platz  direkt  beleuchtende  Himmels- 
lioht  gemessen,  während  das  von  Gebäuden,  Wänden  u.  s.  w. 
reflektierte  Licht,  welches  doch  auch  zur  Erhellung  eines 
Platzes  beiträgt,  unberücksichtigt  bleibt.  H.  Cohn  hat  deshalb 
vergleichende  Untersuchungen  für  Plätze  mit  Beleuchtung  durch 
direktes  Himmelslicht  und  gleichzeitig  durch  reflektiertes  lacht 
zuerst  mittelst  des  Raum  Winkelmessers,  welcher  die  Menge  des 
direkten  Lichtes  angibt,  dann  mittelst  des  Photometers,  welches 
beides,  das  direkte  und  indirekte  Licht,  milst,  angestellt.  Dabei 
hat  sich  ergeben: 

1.  An  Plätzen,  auf  welche  gar  kein  Himmelslicht  fällt, 
deren  Raumwinkel  also  =  0  ist,  beträgt  die  Helligkeit 
an  trüben  Tagen  nur  1 — 3  Meterkerzen.  Dieses  Licht 
wird  demnach  allein  durch  die  reflektierenden  Wände 
u.  s.  w.  geliefert  (ungenügende  Beleuchtung). 

2.  Ist  der  Raumwinkel  an  einem  Platze  kleiner  als 
50  Quadratgrade,  so  ist  die  Helligkeit  an  trüben 
Tagen  geringer  als  10  Meterkerzen,  also  ebenfalls  noch 
ungenügend. 

3.  Ist  der  Raumwinkel  grölser  als  50  Quadratgrade,  so  ist 
die  Helligkeit  auch  an  trüben  Tagen  grölser  als 
10  Meterkerzen  und  daher  genügend. 

Es  beweisen  diese  Untersuchungen,  welche  von  anderer 
Seite  bestätigt  worden  sind,  dafs  der  Raumwinkelmesser  auch 
in  Ansehung  des  indirekten  Lichtes  doch  ein  brauchbares 
Instrument  für  Schulen  ist. 

Auf  Grund  dieser  Erwägungen  habe  ich  mich  ebenfalls 
des  Raumwinkelmessers  bedient,  um  die  Beleuchtung  der 
Klassenplätze  in   den   hiesigen  Schulen    zu   bestimmen.    Die 


529 

Plätze  wurden,  wo  überhaupt  eine  Untersuchung  angängig  war, 
einzeln  untersucht.  Dabei  habe  ich  stets  möglichst  günstige 
Verhältnisse  hergestellt,  also  hauptsächlich  die  Fenstervorhänge 
vollständig  zur  Seite  oder  nach  oben  gezogen,  weshalb  die 
Resultate  nicht  immer  ganz  den  thatsächlichen  Verhältnissen 
entsprechen,  sondern  etwas  günstiger  ausgefallen  sind.  An 
Plätzen,  bei  welchen  ein  Teil  des  Raumwinkels  durch  Blätter- 
gezweig versperrt  und  dadurch  eine  genaue  Zählung  der 
Quadratgrade  unmöglich  war,  bin  ich  schätzungsweise  verfahren. 
Bevor  ich  an  die  Mitteilung  der  Ergebnisse  meiner  Messungen 
gehe,  liegt  es  mir  indessen  noch  ob,  diejenigen  Punkte  zu  er- 
örtern, welche  von  wesentlichem  Einflüsse  auf  die  Beleuchtungs- 
stärke sind,  nämlich  die  Himmelsrichtung  der  Klassenzimmer, 
die  Umgebung  des  Schulhauses,  die  Bauart  der  Schulen,  die 
Fenster  und  die  Vorhänge  derselben. 

Die  Lage  der  Klassenzimmer  in  Bezug 
auf  die  Himmelsrichtung. 

In  den  hier  bestehenden  Schulen  finden  wir  die  Achsen- 
Stellung  der  einzelnen  Gebäude  aufserordentlich  verschieden. 
Am  meisten  bevorzugt  sind  die  Haupthimmelsrichtungen  Norden- 
Süden,  Osten- Westen;  aber  auch  die  nordwestlich-südöstliche 
und  die  nordöstlich-südwestliche  Stellung  ist  vertreten.  Dem- 
gemäfs  sind  auch  die  Klassen  nach  allen  diesen  Richtungen 
hin  gelegen. 

Nach  Norden  und  Süden  liegen  die  Klassenzimmer  der 
Volksschulen  in  der  Lessing-SchillerstraCse  und  in  der  Hermann- 
strafse,  diejenigen  der  Bürgerschule  in  der  Grofeen  Steinstrafse, 
letztere  mit  einer  geringen  Drehung  südsüdöstlich -nordnord- 
westlich, ein  Teil  der  Klassenzimmer  des  städtischen  Gym- 
nasiums und  der  städtischen  Realschule  und  außerdem  die 
sämtlichen  Unterrichtsräume  der  FfiANCEEschen  Stiftungen,  mit 
Ausnahme  der  Klassen  der  Latina  im  Mittelbau. 

Nach  Westen  und  Osten  gehen  die  Klassenzimmer  der 
Bügerschule  an  der  Dreyhaupt  -  OleariusstraJse,  die  Zimmer 
im  Mittelbau  der  Volksschule  an  der  Taubenstrafse,  diejenigen 


628 


wobei  h  die  He'  /^znenade,  der  Volks- 

Einfallswinkel  •'        ^.  0  *  ffitin&  im  Mittelbau  der 

winke!    für    e  ^  ^  lA*^£^^  Gymnasiums    in 


wurden  50  C 

&Uendem  I  k>*%**^fl*  j  Sädoetm  sehen  die  Klassen   der 

mit  in  Ber  ^  *J^<^aIe  in  den  beiden  Flügeln,  nach 

Es    *  ^i^^ß^ letzteren  Sohule  im  Mittelbau, 

kommen*  t*******  fSdweeten  die  Klassen  der  Knabenbtirger- 

wüefct»  ^J  ^  ^^^denheit  der  gewählten  Himmelsrichtungen 

Platz,  ^*^^elhaft,  dafe  hygienische  Paktoren  in  den 

J?1?7  ******     wenig  m  Betracht  gezogen    sind.     Dies  wird 

^***  ^euiM  erklärlich,  als  eine  gro&e  Zahl  neugebauter 

™  #■**  *"***&*  Entrichtung  schon  bestehender  Straten  ein- 

*"  **Ä^!jrf^  ohne  ^  vor  der  Wfthl  deS  0rteS  aUe  S681111*" 

^  J**5?*     ftotferungen  genügend  berücksichtigt  waren.    Aufeer- 

beittiebf*^  ^  gQ   weniger  ^ert    anf  die  Himmelsrichtung 

(Js* -jf^enrinuner  deshalb  gelegt  zu  sein,  weil  sich  die  An- 
^^^öberdie  günstigste  Lage    der  Zimmer  noch  vielfach 
s^^keistehen.    Es  wird  dieser  Zwiespalt  am  besten  illustriert 
gBß&  ,£e  Ergebnisse,  welche  die  Professoren  Knaufe  in  Heidel- 
&&*   od  Vogt  in  Bern  erhalten  haben,  als  sie  rechnerisch  und 
b*tf  ^enteil  die  Frage  nach  der  passendsten  Himmelsrichtung 
ört^^kenhausbauten  zu  lösen  versuchten.  Der  erstere  empfahl 
&*  ngt-westliche,  der  zweite  gerade  entgegengesetzt  die  süd-nörd- 
&*     ^ohsenstellung  der  Gebäude  als  die  geeignetste. 
I1      yar  Krankenhäuser  liegen  nun  allerdings  die  Verhältnisse 
•  ]    verwickelter,    als    für   Schulen.      Bei    letzteren   kommen 
hiopisäohlioh  nur  die  Klassenzimmer  in  Betracht  und  für  diese 
«wiederum  zwei  Forderungen:    erstens  sollen  dieselben  gesund 
nad  zweitens  ausreichend  hell  sein.    Für  Arbeitszimmer  suchen 
wir  uns  gewöhnlich  nach  Norden  gelegene  Bäume  aus,  und 
2War  in  Bezug  auf  günstige  Liohtverhältnisse  mit  Recht.    Es 
ist  in  einem  solchen  Zimmer  nicht  nötig,  irgend  welche  Vor- 
hänge anzubringen,  weil  dasselbe  von  den  Sonnenstrahlen  nicht 
getroffen  wird.     Das  Licht  bleibt  während  der  Tagesstunden 


531 

ein  relativ  gleichmäßiges  und,  sobald  von  vornherein  für  eine 
ausgiebige  Lichtquelle  gesorgt  ist,  kann  dieselbe  auch  stets 
voll  ausgenutzt  werden.  Es  fragt  sich  nun,  ob  eine  solche 
nördliche  Lage  der  Klassenzimmer  gesundheitsschädliche  Folgen 
haben  könnte.  Wenn  das  Gebäude  frei  und  womöglich  etwas 
hoch  steht,  wenn  der  Untergrund  und  die  Mauern  trocken 
sind,  wenn  für  ausreichende  Reinigung  und  Lüftung  gesorgt 
wird,  die  Heizung  eine  gute  ist,  so  erscheint  eine  gesundheits- 
schädliche Wirkung  so  gelegener  Zimmer  während  der  Schul- 
stunden ausgeschlossen.  Aber  da  die  oben  erwähnten  Be- 
dingungen nicht  überall  zutreffen,  da  es  ferner  feststeht, 
dafe  die  Sonnenstrahlen  mit  ihrer  erwärmenden,  ventilierenden, 
belebenden  und  desinfizierenden  Kraft  viele  hygienische  Miß- 
stände im  Innern  des  Hauses  bessern  können,  so  wird  man 
nur  notgedrungen  auf  diese  von  der  Natur  gegebene  Hilfe  ver- 
zichten. Diejenige  Lage  der  Klassenzimmer  würde  demnach  die 
beste  sein,  welche  gestattet,  einerseits  dafs  das  Sonnenlicht  während 
einiger  Stunden  am  Tage,  und  zwar  möglichst  während  schul- 
freier Stunden,  in  die  Klassen  hineinscheint,  andererseits  dafs 
in  den  Schulstunden  eine  volle  Ausnutzung  des  gegebenen 
Lichtes  stattfinden  kann.  Da  jetzt  die  letzteren  in  der  Haupt- 
sache auf  den  Vormittag  fallen,  so  ist  meines  Brachtens  als 
die  beste  Aohsenstellung  die  nordöstlich-südwestliche  anzusehen. 
Bei  den  lokalen  Verhältnissen  in  gröfseren  Städten  wird 
es  freilich  meistens  ein  frommer  Wunsch  bleiben,  die  Schul- 
gebäude gerade  in  derjenigen  Himmelsrichtung  aufzuführen, 
welche  man  für  die  hygienisch  richtigste  hält.  Es  finden  bei 
uns  die  Schulbauten,  die  Aufenthaltsorte  der  Kinder  in  ihren 
Entwicklungsjahren,  noch  nicht  diejenige  Berücksichtigung, 
welche  sie  verdienen.  Wir  sind  noch  weit  davon  entfernt,  den 
Wunsch  erfüllt  zu  sehen,  welchen  A.  Weber  vor  einigen 
Jahren  ausgesprochen  hat:  Man  nehme  sich  die  Schweiz  zum 
Muster,  wo  die  Schule  stets  das  schönste  und  bestgelegene 
Gebäude  des  Ortes  ist.  In  den  meisten  Fällen  ist  bei  uns  die 
Wahlkommission  auf  eine  kleine  Anzahl  Bauplätze  für  die 
Schule  angewiesen.     Es  gilt  dann  wenigstens,  den  günstigsten 


532 

von  diesen  auch  in  Bezug  auf  gesundheitliche  Verhältnisse  aus- 
zuwählen und  die  letzteren  nicht  anderen  geringwertigeren 
Interessen  zn  opfern.  Dazu  ist  erforderlich,  dals  jeder  Schul- 
hausplatz  vor  der  Erwerbung  des  in  Aussicht  genommenen 
Grundstückes  von  geeigneter  ärztlicher  Seite  schriftlich  begut- 
achtet wird.  Bei  dieser  Begutachtung  aber  muls  als  eine  der 
ersten  Forderungen  berücksichtigt  werden,  dafs  es  keinem 
Arbeitsplatz  der  Schule  an  ausreichendem  Lichte  fehlt.  Welche 
Punkte,  abgesehen  von  der  Lage  des  Gebäudes,  dabei  sonst 
noch  in  Betracht  kommen,  soll  in  folgendem  dargelegt  werden. 

Die  Umgebung  des  Schulhauses. 

Das  Schulhaus  muls  möglichst  frei   liegen.     Das   nötige 
direkte  Himmelslicht   für  die  Klassen  darf  nicht  durch  nahe- 
stehende Gebäude,  Bäume  und  dergl.  abgesperrt  werden.    Leider 
ist   eine  völlig  freie  Lage  in  der  inneren  Stadt   nicht  stets 
möglich,  wenngleich  immer  das  Augenmerk  darauf  zu  richten 
ist.     Auf  jeden  Fall  vermeide  man  aber,    Schulbauten  in  die 
Front  schon  bestehender  Straisen  einzufügen,   da  die  letzteren 
dafür  bei  uns  in  der  Regel  zu  schmal  sind.  Professor  Adolf  Vogt 
in  Bern  verlangt  auf  Grund  seiner  Experimente,  dals  in  unseren 
Breitengraden  sich  die  Höhe  der  Häuser  zur  Breite  der  Straften, 
und  zwar  meridionaler,  d.  h.  von  Norden  nach  Süden  gerichteter, 
wie  1:2,  4,    äquatorialer,  d.  h.   von  Osten  nach  Westen  ge- 
richteter, wie  1:4,  12  verhalte,  wenn  auch  die  Zimmer  des 
Erdgeschosses  ausreichendes  Tages-  und  Sonnenlicht  empfangen 
sollen.     Diese  Forderungen  der  Gesundheitspflege  werden  wohl 
in  unseren  größeren  Städten,  namentlich  ihren  inneren  Teilen, 
nicht  immer   zu  erfüllen  sein.     Aber   für   ein  Sohulgebäude, 
welches  notgedrungen  in  eine  Strafse  gelegt  werden  mufe,  ist 
als    Mindestmafs    der  Entfernung    von    den    gegen- 
überliegenden   Häusern    unter     allen    Umständen    das 
Anderthalbfache  der  Höhe  der  letzteren  zu  verlangen. 
Jede  Schule,  welche  näher  an  die  gegenüberliegenden  Häuser 
herangerückt  ist,   sollte  gleich  von  vornherein  als  ungenügend 
in  ihrer  Beleuchtung  erachtet  werden. 


533 

Trotzdem  treffen  wir  die  getadelten  Verhältnisse  bei  einer 
ganzen  Reihe  hiesiger  Schulen,  älterer  und  jüngerer,  an.  Da  ist 
zuerst  das  Waisenhans  mit  seinen  beiden  langen  Flügeln,  welche 
zwischen  sich  einen  Hof  fassen,  der  an  einzelnen  Stellen  nicht 
viel  breiter  ist,  als  die  begrenzenden  Gebäude  hoch  sind. 
Anch  die  Bürgerschule  in  der  Charlottenstra&e  liegt  in  einer 
im  Verhältnis  zu  den  gegenüberliegenden  Häusern  viel  zu 
schmalen  Strafse.  Die  Folge  ist  eine  mangelhafte  Beleuchtung 
der  im  Erdgeschois  befindlichen  Zimmer,  wie  wir  dies  unten 
Daher  ausführen  werden.  Ähnlich  steht  es  mit  der  Volksschule 
an  der  Schillerstralse,  wenngleich  die  Strafse  hier  sohon  etwas 
breiter  ist.  Dafs  in  der  Gartengasse,  nach  welcher  eine  Front 
der  städtischen  höheren  Mädchenschule  liegt,  gestattet  worden 
ist,  in  ungefähr  6  m  Entfernung  derselben  gegenüber  Häuser 
aufzuführen,  welche  das  Schulgebäude  an  Höhe  zum  Teil 
noch  übertreffen,  maus  Verwunderung  erregen.  Ebenso  erhalten 
im  städtischen  Gymnasium  die  unteren  Klassenzimmer  nach 
der  HedwigstraJbe  nicht  genügendes  direktes  Himmelslicht 
wegen  der  Höhe  der  gegenüberstehenden  Häuser.  Unzweck- 
mäßig erscheint  auch  der  neue  Bau  der  Vorschule  im  Garten 
dee  städtischen  Gymnasiums,  da  nach  Süden  die  hohen  Häuser 
der  Hedwigstrafse,  nach  Osten  die  vorstehenden  Bäume  und 
nach  Westen  das  gegenüberliegende  Gymnasium  den  Zutritt 
des  Lichtes  zu  sehr  beeinträchtigen.  Vollkommen  frei  dagegen 
und  deshalb  in  ihren  Lichtverhältnissen  auch  durchaus  aus- 
reichend liegt  die  Volksschule  in  der  Liebenauerstrafse  und 
ferner  die  Bürgerschule  in  der  groisen  Steinstaube.  *  Ebenso 
hat  die  Volksschule  in  der  Taubenstrafse  mit  Ausnahme  der 
geringen  Front  nach  dieser  Strafse  eine  helle  freie  Lage.  In 
der  Knaben-  und  Mädchenschule  der  Hermannstrafse  sind  die 
Lichtverhältnisse  des  Erdgeschosses  dadurch  sehr  verbessert 
worden,  dafs  das  letztere  recht  hoch  gelegt  ist,  eine  Einrichtung, 


1  Auch  die  Neue  Volksschule  im  Glauchaer  Viertel  steht  frei  und 
besitzt  gute  Lichtverhältnisse.  Dieselbe  ist  bei  dieser  Zusammenstellung 
nicht  berücksichtigt  worden,  da  sie  zur  Zeit  noch  unfertig  war. 


534 

welche  wir  schon  oben  für  Soholgebände   in   ähnlicher  Lage 
empfohlen  haben. 

Ein  zweiter  für  die  Beleuchtung  des  Schulhauses  wich- 
tiger Punkt  sind  die  in  seiner  Nähe  befindlichen  Bäume.  Es 
kann  durch  dieselben,  wenn  sie  dichtbelaubt  sind  und  in  un- 
mittelbarer Nähe  des  Hauses  stehen,  diesem  selbst  bei  freier 
Lage  so  viel  Licht  entzogen  werden,  dafe  eine  wirkliche 
Dämmerung  den  ganzen  Tag  über  in  den  betreffenden  Klassen 
herrscht.  Zahlreiche  Beispiele  dafür  bringen  die  unten  folgenden 
Ausführungen.  Am  besten  jedooh  wird  dieser  Übelstand 
illustriert  durch  einen  Blick  auf  die  im  Erdgeschofe  gelegenen 
Klassen  der  alten  Volksschule  auf  der  Neuen  Promenade.  Es 
gibt  hier  Klassen,  deren  Plätze  allesamt  nur  durch  Blatt- 
gezweig fallendes  reflektiertes  Licht  empfangen,  so  dafe  die 
Beleuchtung  selbst  in  den  Mittagsstunden  eines  hellen  Sommer- 
tages noch  ungenügend  ist.  Ähnlich  liegen  die  Verhältnisse  in 
einigen  Klassen  der  in  den  Fr anoke  sehen  Stiftungen  be- 
findlichen höheren  Mädchenschule  und  an  verschiedenen  anderen 
Stellen.  Abhilfe  thut  hier  dringend  not,  und  zwar  entweder 
durch  Abhauen  der  Bäume,  oder  durch  Verlegen  der  Klassen- 
zimmer in  andere  Räumlichkeiten.  So  könnten  die  parterre 
gelegenen  Klassen  der  Volksschule  an  der  Promenade  in  den 
höheren  Stockwerken,  welche  zur  Zeit  sonstigen  Zwecken 
dienen,  untergebracht  werden.  In  anderen  Sohulen  liefeen  sieh 
die  dunkelsten  Klassen  als  Aufbewahrungs-,  Konferenzzimmer 
oder  dergl.  verwenden,  oder  sie  müfeten  leer  stehen  bleiben. 
Ist  eine  solche  Umwandlung  nicht  möglich,  so  kann  Besserung 
nur  durch  einen  baldigen  Neubau,  welcher  mit  den  hygienischen 
Forderungen  in  Einklang  steht,  geschaffen  werden. 

Die  Bauart  der  Sohulen. 

Am  besten  eignet  sich  für  Unterrichtsanstalten  ein  Längs- 
gebäude mit  Klassenzimmern  nach  beiden  Seiten  heraus.  Die 
meisten  Schulen  sind  jedoch  so  gebaut,  dafe  sioh  an  einen 
Mittelbau  rechtwinkelig  mehr  oder  weniger  lange  Seitenflügel 
anschließen,  welche  den  Schulhof  zwischen  sich  fassen.    Dabei 


535 

ergibt  sich  für  die  Liohtverhältnisse  nun  folgendes:  Die  nach 
dem  Hofe  nahe  am  Mittelbau  gelegenen  Klassen  der  Seiten- 
gebäude im  Erdgesohofs  und  ersten  Stockwerk  sind  in  der 
Kegel  zu  dunkel,  und  zwar  um  so  mehr,  je  länger  die  Seiten- 
gebäude sind,  lind  je  geringer  der  Abstand  zwischen  beiden  ist. 
Zuweilen  verdüstert  diese  Zimmer  auch  noch  ein  Vorbau, 
welcher  am  Mittelgebäude  nach  dem  Hofe  zu  angebracht  ist. 
Ferner  erhalten  bei  etwas  längeren  Seitengebäuden  die  Ellassen 
des  Erdgeschosses  in  ihren  hinteren,  vom  Fenster  abliegenden 
Plätzen  zu  wenig  Licht,  weil  dasselbe  durch  das  gegenüber- 
liegende Seitengebäude  abgeschnitten  wird.  Auf  zweckmäfsige 
Weise  ist  dieser  Übelstand  vermieden  worden  im  städtischen 
Gymnasium,  indem  die  Flurgänge  der  einzelnen  Stockwerke 
des  Seitengebäudes  nach  dem  Hofe  zu,  die  Klassenzimmer  dagegen 
nach  der  freien  Seite  hin  gelegt  sind.  Sehr  empfehlen  würde 
sich  nach  meiner  Meinung  bei  längeren  Flügeln  und  bei  der 
Notwendigkeit,  in  jedem  nach  beiden  Seiten  hin  Klassenzimmer 
unterzubringen,  die  Bauart,  dafs  sich  die  Flügel  stumpfwinkelig 
an  den  Mittelbau  ansetzten.  Dadurch,  dals  die  beiden  Hof- 
seiten derselben  nicht  mehr  parallel  stehen,  sondern  ihre  Front 
mehr  nach  der  vierten,  freien  Seite  hinwenden,  werden  die  Licht- 
verhältnisse um  vieles  besser  werden.  Bei  parallelem  Bau  der 
Seitengebäude  soll  der  Abstand  zwischen  beiden  mindestens  so 
grofs  sein,  als  ihre  Höhe  zusammen  beträgt.  Die  Fenster 
müssen  in  den  untersten  Stockwerken  möglichst  nahe  an  die 
Decke  heranreichen.  In  den  Gebäuden,  welche  bereits  dunkle 
Eckzimmer  nach  dem  Hofe  zu  besitzen,  sind  die  letzteren,  wie 
das  auch  schon  in  einigen  Schulen  geschieht,  als  Aufbewahrungs- 
zimmer und  dergl.  zu  benutzen,  resp.  ganz  leer  zu  lassen. 

Die  Fenster. 

Wie  schon  oben  ausgeführt  ist,  war  zuerst  als  einziger 
Malsstab  für  die  Güte  der  Beleuchtung  das  Verhältnis  der 
Fenster-  zur  Bodenfläche  des  Zimmers  herangezogen  worden. 
Wenn  auch  diesem  Malsstab  mancherlei  Mängel  bei  nicht  frei- 
stehenden Häusern  anhaften,  so  wird  er  in  Ermangelung  eines 


536 


besseren  doch  seine  Berechtigung  für  den  Baumeister  behalten, 
welcher  bei  Aufstellung  seines  Bauplanes  einen  konkreten 
Anhalt  für  die  Bemessung  der  Gröfse  der  Fenster  haben  will. 
Nach  Stüdtmann1  sind  bisher  folgende  Grundsätze  von 
mafsgebender  Seite  hierfür  aufgestellt  worden.  In  Preu&en 
soll  nach  einem  Gutachten  der  Königlichen  technischen  Bau- 
deputation sich  die  Fensterfläche  zur  Bodenfläche  verhalten 
wie  1:5.  In  Sachsen,  Württemberg,  Niederösterreich  wurde 
1:6  bei  vollkommen  freiliegenden  Gebäuden,  1  : 4,  wenn  die 
Helligkeit  durch  Nachbargebäude  beschränkt  wird,  gefordert. 
Stüdtmann  gibt  an,  dafe  als  Verhältnis  der  Fensterfläche  zur 
Bodenfläche  gefunden  wurde: 

in  den  Schulen  von  Hannover 1:6    bis  1 :  10 

in  der  Krefelder  Volksschule 1:5 

in  den  Berliner  Schulen 1:7    bis  1 : 9 

in  Frankfurt  a.  M 1  :  8,7  bis  1 :  10. 

In  Halle  sind  die  Zahlen  nach  meinen  Untersuchungen 
folgende : 

Mädohenbürgersohule    Gro&e    Stein- 

strafse 1  :  5,4 

Volksschule  Taubenstrafse 1  :  6,5 

Städtische  höhere  Mädchenschule  .  .  1 : 5,8 

1:7     2  kleinere  Zimmer 

1  : 8     Zeichensaal 

1  :  20  Reserveklasse  und 

Handarbeitsklasse 

Knabenbürgerschule Charlottenstrafse  1:7     l.u.  2.  Stockwerk 

1  :  8     Erdgeschoß 
Volksschule  Lessing-Schillerstraise  ..1:8 
Stadtgymnasium  und  Städtische  Real- 
schule    1:8 

in  den  Klassen,  in  welchen  die 
oberen  Scheiben  durch  hölzerne 
Jalousien  verdeckt  sind 1  :  12 


1  Archiv  /l  Hygiene,  1890,  Bd.  XI. 


537 

Vorschule  des  Stadtgymnasiums  ...  1 ;  10  bis  1  :  11 
Bürgerschule     für    Mädchen    Drey- 

haupt-Oleariuestrafse 1:9 

Knaben-  und   Mädchenschule  Neue 

Promenade 1 :  9,5  bis  1 :  11 

Frau cke sehe  Stiftungen 1:8     \      _.     ,    . 

1:9     J      ErSebnlßse 
Q  -  I  aus  einzelnen 

1  "    '    \    Klassen  der 

1  "        l   verschiedenen 

<  \»^  l        Schulen. 
1  :  äü  j 

Vergleichen  wir  die  Resultate  aus  den  Halleschen  Schulen 
mit  denen  der  anderen  angeführten  Unterrichtsanstalten,  so 
ergibt  sich,  dafs  im  allgemeinen  die  neueren  hier  erbauten 
Schulen  in  Bezug  auf  die  relative  Ghröfse  der  Fenster  nicht 
schlechter,  als  jene  Anstalten  gestellt  sind,  dafs  wir  jedoch  in 
Halle  noch  alte  Schulgebäude  mit  zahlreichen  Klassen  besitzen, 
welche  auch  nicht  im  entferntesten  das  notwendige  Mafs  von 
Fensterfläche  aufweisen.  Überraschen  mufs  es  aber,  dafs  von 
allen  den  in  jüngster  Zeit  erbauten  Schulen,  auch  in  anderen 
Städten,  kaum  eine  einzige  eine  so  gro&e  Fensterfläche  erreicht, 
wie  sie  von  der  Königlichen  technischen  Baudeputation  fest- 
gesetzt ist. 

Im  besonderen  hat  man  bei  der  Anlage  der  Fenster 
folgendes  zu  beachten.  Die  gemauerten  Fensteröffnungen  sollen 
Rechtecke  bilden.  In  dieser  Form  werden  die  oberen  Fenster- 
scheiben, durch  welche  das  beste,  ja  im  Erdgesohofs  für  viele 
Plätze  das  einzige  direkte  Himmelslicht  kommt,  demselben  die 
grölste  Glasfläche  darbieten.  Schon  ein  kleiner  runder  Fenster- 
bogen, wie  wir  ihn  meistens  vorfinden,  wird  die  lichtspendende 
Fläche  mehr  oder  weniger  verringern.  Wo  aber  die  Beleuch- 
tungsverhältnisse überhaupt  nicht  günstig  liegen,  wo  das  Himmels- 
licht nur  durch  die  obersten  Fensterscheiben  direkt  einfallen  kann, 
ist  jeder  auch  noch  so  kleine  Zuwachs  in  der  G-röfse  derselben 
wertvoll,  um  so  mehr,  als  die  Erhellung  eines  Platzes  durch 
steil  auffallendes  Licht  eine  viel  stärkere,  als  diejenige  durch 

Sehnlgwuidhftltepflege  VI.  35 


538 

schräg  einfallendes  ist  Statt  dessen  sehen  wir  in  einzelnen 
Schulen,  wie  in  den  Bürgerschulen  der  Olearins-  und  der 
Charlottenstrafee,  welche  nicht  gerade  durch  Überflufs  an  Licht 
sich  auszeichnen,  in  den  untersten  Stockwerken  Fenster  mit 
hohen  Spitz-  und  Bundbögen,  deren  höchster  Punkt  noch  einen 
Fufs  unterhalb  der  Decke  liegt.  Der  für  das  Glas  bestimmte 
Baum  in  diesen  Bögen  ist  anfordern  noch  durch  zahlreiche  runde 
und  gerade  Stäbe  und  Leisten  soweit  vermindert,  dafe  die 
schon  an  und  für  sich  stark  lichtbeeinträchtigende  Bogenfläche 
vielleicht  nur  zur  Hälfte  als  lichtdurchlässig  bezeichnet  weiden 
kann.  Diese  Fenster  sind  also  unzweckmässig  angelegt,  und 
es  ist  ihnen  hauptsächlich  die  Schuld  beizumessen,  dafs  eine 
gröfeere  Anzahl  von  Plätzen  in  den  betreffenden  Ellassen  schlecht 
mit  Licht  versorgt  wird. 

Die  Fenster  sollen  ferner  möglichst  nahe  bis  an  die  Decke 
heraufreichen,  namentlich  dort,  wo  man  nach  Lage  des  Gebäudes 
vermuten  kann,  dafs  die  Beleuchtung  in  den  Klassen  nicht 
eine  durchaus  genügende  sein  wird.  Wir  finden  in  den 
hiesigen  Sohulgebäuden  in  der  Höhenlage  der  Fenster  grofee 
Unterschiede.  Der  obere  Band  derselben  liegt  ganz  nahe  an 
der  Decke  in  vielen  Klassenzimmern  der  FnANCKBsohen  Stif- 
tungen, und  es  ist  nur  diesem  Umstände  zu  danken,  dafe  die 
Liohtverhältnisse  dort  in  den  unteren  Stockwerken  nicht  noch 
schlechter  sind,  als  wir  sie  zur  Zeit  vorfinden.  In  einem 
anderen  Schulgebäude  dagegen,  in  der  alten  Volksschule  an  der 
Promenade,   befindet   sich  der  obere  Band  der  Fenster  etwa 

3  Fufs  unterhalb  der  Decke.  Nehmen  wir  dazu  noch  die 
Fensterrahmen  und  den  gewöhnlich  einen  Fuls  tief  herab- 
hängenden  Fenstervorhang,    so   kann    das    Himmelslicht  erst 

4  Fuls  unterhalb  der  Decke  in  das  Zimmer  eintreten.  Die 
genannte  Volksschule  mü&te  unter  diesen  Umständen  schon  ein 
gänzlich  freiliegendes  Gebäude,  nicht  aber  von  entfernteren 
Häusern  und  nahestehenden  Bäumen  umgeben  sein,  wenn  die 
Beleuchtung  noch  eine  genügende  sein  sollte.  In  den  neueren 
Schulhäusern  treffen  wir  den  oberen  Band  der  Fenster,  resp. 
bei  den  Bögen  deren  höchsten  Punkt  1  bis  2  Fuls  unterhalb 


539 

der  Decke.  Wo  es  aber  die  Lichtverhältnisse  fordern,  sollten 
auch  diese  Entfernungen  nicht  eingehalten  werden,  sondern  die 
Fenster  direkt  an  der  Decke  beginnen. 

Die  Pfeiler  der  Schulzimmer  müssen  nicht  zu  breit  sein. 
Eine  Breite  von  1  m  dürfte  das  Maximum  des  Zulässigen  dar- 
stellen. 

Weiter  sollen  sich  keine  tiefen  dunklen  Ecken  in  den 
Klassen  befinden,  gleicherweise  im  Hinblick  auf  Vermeidung 
von  Unreinlichkeit,  wie  von  unzulänglicher  Beleuchtung. 

Die  Fensterwände  seien  nach  aufeen  und  innen  abgeschrägt, 
insbesondere  sollte  das  am  oberen  Bande  nach  aufsen  der 
Fall  sein.  Wir  finden  diese  Forderung  in  den  hiesigen  Schulen 
nicht  beobachtet,  öfter  ist  nur  das  äuüsere  untere  Fensterbrett 
abgeschrägt,  was  natürlich  zur  Erhellung  des  Zimmers  sehr  un- 
wesentlich beiträgt. 

Die  Fensterscheiben  sollen  möglichst  grofs  sein,  die 
Fensterstäbe  möglichst  dünn.  Denn  die  Lichtverminderung 
durch  Fensterkreuze  und  Stäbe  kann  sehr  beträchtliche  Di- 
mensionen annehmen.  In  den  neueren  Schulen  erscheinen  die 
Fenster  aus  6 — 8  Scheiben  zusammengesetzt.  In  den  Francke- 
schen  Stiftungen  dagegen  sind  noch  Fenster  vorhanden,  welche 
bei  nicht  beträchtlicher  Gxöfse  24  Scheiben  besitzen.  Es  ver- 
ringert sich  dadurch  der  Raumwinkel  des  Fensters  oft  um  ein 
Viertel. 

Schutz  der  Arbeitsplätze  vor  auffallendem 
Sonnenlichte  und  gegen  Blendung. 

Der  Schutz  gegen  Sonnenlioht  wird  an  den  verschiedenen 
Schulen  auf  verschiedenartige,  jedoch  wenig  vollkommene  Weise 
zu  erreichen  gesucht,  so  daüs  eine  allgemein  befriedigende 
Lösung  dieser  Frage  noch  aussteht.  Die  alten  Rollvorhänge, 
welche  sich  um  eine  in  der  Fensteröffnung  befindliche  runde 
Drehstange  auf-  und  abwickeln,  sind  glücklicherweise  in  den 
neueren  Schulen  ganz  beseitigt.  Der  Hauptübelstand  bei  diesen 
Roll  vorhängen  ist  der,  daüs  dieselben  stets  einen  Teil  der 
oberen   Fensterscheiben    oder,    was  man    meistens   sieht,   die 

35* 


&40 

zwei  oberen  Scheiben  verdecken,  ferner  dato  dieselben  beständig 
in  Unordnung  sind  nnd  dafs  gewöhnlieh,  auch  wenn  sie  ganz 
herabgelassen  werden,  sich  seitlich  noch  belästigende  Licht- 
streifen durchstehlen.  Wir  finden  dieselben  trotzdem  in  den 
FnANOKBsohen  Stiftungen  und  in  der  Volksschule  an  der  Neuen 
Promenade.  Leider  sind  gerade  diese  Schulen  die  ungünstigsten 
in  Bezug  auf  Beleuchtung,  so  dals  sie  eine  Verkümmerung 
des  spärlichen  Lichtes  gar  nicht  vertragen  können.  Hierin  Ver- 
besserung zu  schaffen,  würde  ein  leicht  zu  erreichendes  und 
doch  grofses  Verdienst  sein. 

Am  nächsten  stehen  diesen  Rollvorhängen  die  außerhalb 
des  gemauerten  Fensters  angebrachten,  ebenfalls  von  oben  nach 
unten  herabzulassenden  Vorhänge.  Dieselben  sind  insofern 
zweckmäßiger,  als  es  wenigstens  möglich  ist,  sie  bis  über  die 
oberen  Fensterscheiben  hinaus  aufzuziehen,  und  als  dieselben 
auch  seitlich  das  Fenster  überragen.  Wir  treffen  dieselben  in 
der  Mädohenbürgersohule  der  großen  Steinstrafee,  in  der 
städtischen  höheren  Mädchenschule,  in  der  städtischen  Real- 
Bohule  und  in  den  meisten  Klassen  des  städtischen  Gym- 
nasiums an. 

Besser  noch  sind  Vorhänge,  welche  sich  seitlich  verschieben 
lassen.  Sie  verdecken  nicht  das  Oberlicht,  erscheinen  aber 
freilich  dafür  mit  mancherlei  anderen  Mängeln  behaftet,  wenn 
sie  nicht  sorgfältig  hergestellt  sind. 

Es  würde  sich  nach  meiner  Ansicht  folgende  Art  von 
Zugvorhängen  am  meisten  empfehlen.  Die  oberen  Fenster- 
scheiben erhalten  einen  besonderen,  seitlich  verschiebbaren 
Vorhang,  welcher  je  nach  Bedürfnis  beliebig  weit  über  die- 
selben herübergezogen  werden  kann.  Aulser  diesem  hat  noch 
jeder  der  beiden  unteren  Fensterflügel  seinen  eigenen  seitlichen 
Zugvorhang.  Die  Vorhänge  sind  innerhalb  der  gemauerten 
Fensteröffnung  angebracht,  die  Leitschnüre  liegen  also  direkt 
auf  dem  hölzernen  Fensterrahmen.  Bei  einer  solchen  Ein- 
richtung kann  je  nach  Bedürfnis  derjenige  Teil  des  Fensten 
einzeln  verdeckt  werden,  durch  welchen  gerade  das  Sonnen- 
licht ins  Zimmer  eindringt. 


541 

Weiter  finden  wir  in  einigen  Klassen  des  städtischen 
Gymnasiums  nach  der  Hedwigstrafse  heraus  hölzerne  Zug- 
jalousien aus  verstellbaren  Brettchen.  Gerade  für  diese  Klassen 
ist  die  Wahl  als  eine  recht  unzweokmäfsige  zu  bezeichnen. 
Die  Fenster  haben  nämlich  oben  Rundbogen.  Um  nun  die 
hölzernen  Jalousien,  welche  oben  geradlinig  begrenzt  sind,  an- 
bringen zu  können,  ist  zuerst  der  Rundbogen  und  damit  auch 
schon  ein  Teil  der  oberen  Fensterscheiben  mit  Holz  ver- 
schlagen, daran  aber  dann  die  hölzerne  Jalousie  befestigt  worden, 
welche,  heraufgezogen,  die  obersten  Scheiben  gänzlich  verdeckt. 
Nehmen  wir  die  übrigen  wenig  günstigen  Lichtverhältnisse  an 
dieser  Stelle  hinzu,  so  darf  es  nicht  wunder  nehmen,  dafe  die 
Rsumwinkelmessungen  in  den  betreffenden  Klassen  eine  sehr 
geringe  Helligkeit  ergaben. 

Eine  sonderbare  Art  von  Schutzmitteln  gegen  die  Sonne 
besitzt  noch  das  Realgymnasium  der  FaANCKEschen  Stiftungen 
in  den  nach  Süden  gelegenen  Klassen,  welche  die  groJse 
Mehrzahl  bilden,  da  nur  eine  einzige  Klasse  und  der  Zeiohen- 
8aal  nach  Norden  gerichtet  ist.  In  diesen  Klassen  sind  nämlich 
hölzerne  Läden,  je  zwei  für  ein  Fenster,  innen  im  Fensterrahmen 
angebracht,  welche  schräge  von  innen  oben  nach  au&en  unten 
verlaufende  Schlitze  zeigen,  damit  das  abgeblendete  Licht 
durch  Reflexion  eindringen  kann.  Sobald  daher  die  Sonne  in 
das  Zimmer  scheint,  müssen  alsbald  ein,  zwei  oder  auch  sämt- 
liche Läden  geschlossen  werden,  und  in  dem  so  allerdingt 
gänzlich  gegen  Sonnenlicht  geschützten,  dafür  aber  halbdunklen 
Räume  arbeiten  die  Schüler  dann  weiter. 

Bei  den  jetzigen  Einrichtungen  kommt  sehr  viel  auf  die 
beständige  Aufsicht  und  Sorgfalt  des  Lehrers  an.  Ist  die- 
selbe mit  der  nötigen  Einsicht  und  Sachkenntnis  gepaart 
so  kann  mancherlei  von  den  jetzigen  Mängeln  verbessert, 
mancher   Schaden   an   der   Gesundheit   der    Kinder   verhütet 

werden. 

(Fortsetzung  and  Schlaft  in  No.  11.) 


542 


Das  Volksschulwesen  Breslau  im  Schuljahre  1891/92 
mit  besonderer  Bücksicht  auf  die  Gesundheitspflege, 

Von 

G.  Kynast, 

städtischem  Lehrer  in  Breslau. 

Nach  den  amtlichen  Berichten  der  beiden  städtischen 
Sohulinspektoren  wurden  die  Breslauer  Volksschulen  im  Schul- 
jahre 1891/92  von  S8778  Schülern  in  469  Klassen  besucht. 
Am  30.  April  1892  betrug  die  Zahl  der  Schulkinder  bereits 
S9575  in  482  Klassen. 

Obwohl  die  Stadt  seit  länger  als  einem  Jahrzehnt  aulser* 
gewöhnliche  Aufwendungen  für  Schulhausbauten  macht,  so 
reichten  doch  die  35  Sohulhäuser  nicht  hin,  sämtliche 
Klassen  aufzunehmen ;  133  Ellassen  waren  daher  in  Mietsräumen 
untergebracht,  und  einige  Schulen  mufsten  wegen  Raummangel 
zum  Halbtagsunterricht  ihre  Zuflucht  nehmen. 

Während  die  neueren  Schulhäuser,  soviel  es  angeht,  in 
einiger  Entfernung  von  der  Strafee  erbaut  sind,  stehen  die 
alten  meist  hart  an  belebten  Verkehrswegen  und  haben  infolge- 
dessen Mangel  an  Licht  und  Buhe. 

Um  den  Lichtmangel  zu  beseitigen  oder  doch  wenigstens 
zu  mindern,  sind  in  mehreren  Schulhäusern  die  Fenster  ver- 
mehrt, resp.  vergrößert  worden;  bei  einigen  Klassenzimmern 
sollen  aufserdem  Tagesliohtreflektoren  zur  Anwendung  gelangen. 

Das  Strafsengeräusch  hat  man  durch  die  Anlage  von 
Holzpflaster  zu  mildern  gesucht. 

Die  grolsen  Sohulgebäude  besitzen  durchweg  Central- 
heizanlagen  (Luftheizung,  Warmwasserheizung),  die  zn 
berechtigten  Klagen  der  Lehrer  vielfach  Veranlassung  gaben. 
Es  sind  nunmehr  Anordnungen  getroffen  worden,  dais  jede 
Centralheizanlage  im  Sommer  einer  Revision  unterworfen  und 


543 

das  Heizgeschäft  während  des  Winters  unter  sachverständiger 
Eontrolle  gehalten  wird. 

Um  eine  bessere  Reinigung  der  Sohulhänser  herbei- 
zuführen, wurde  Dr.  med.  Simon  als  Decernent  für  Sohulgesund- 
heitspflege  veranlagst,  eine  diesbezügliche  Geschäfteanweisung  für 
die  Rektoren  und  Lehrer  vom  hygienischen  Standpunkte  auszu- 
arbeiten, an  die  sich  eine  Anweisung  für  die  Schuldiener  an- 
schließen soll.  In  dieser  Anweisung  ist  die  tägliche  Reinigung 
der  Schulzimmer  nach  voraufgegangener  feuchter  Behandlung 
mit  Sand,  Sägespänen  u.  dergl.  vorgesehen. 

Bei  ansteckenden  Krankheiten  wird  die  Desinfektion 
der  infizierten  Räume  durch  amtlich  angestellte  Desinfektoren 
schnell  und  wirksam  ausgeführt;  eine  besondere  Instruktion 
regelt  die  Thätigkeit  derselben. 

Die  in  vielen  Klassen  noch  vorhandenen  alten  Cohn- 
PABOWschen  Klapppulte  sind  beseitigt  und  meist  durch  zwei- 
sitzige Bänke  mit  fester  Nulldistanz  ersetzt  worden; 
die  evangelischen  Schulen  z.  B.  haben  746  derartige  Subsellien 
erhalten. 

Die  hygienische  Fürsorge  erstreckte  sich  aber  nicht  allein 
auf  die  Schulhäuser  und  deren  äufsere  und  innere  Einrichtungen, 
sondern  auch  auf  die  Schüler.  Namentlich  die  stotternden 
Kinder  hatten  sich  einer  erhöhten  Fürsorge  zu  erfreuen.  Um 
eine  gröfoere  Anzahl  von  Lehrern  mit  dem  Heilverfahren  beim 
Stottern  bekannt  zu  machen,  hat  die  Schulverwaltung  im  ver- 
gangenen Schuljahre  für  theoretische  Vorträge  gesorgt,  welche 
von  dem  Professor  der  Kinderheilkunde  Dr.  Soltmann  und 
dem  in  Berlin  durch  die  Herren  Gützmann  vorgebildeten 
Lehrer  K.  Fisoheb  gehalten  wurden.1  Nur  in  13  von  62  evange- 
lischen Schulen  fanden  sich  keine  mit  Sprachgebrechen 
behafteten  Kinder;   die   übrigen  49  wiesen  184  Stotterer  auf. 

Damit  während  der  wärmeren  Jahreszeit  den  Volksschülern 
die  Benutzung  von  Fl ufsb ädern  möglich  sei,  sind  15062 
Badekarten  unentgeltlich  und  13165  zum  Preise  von  5  Pfennigen 
ausgegeben  worden. 

1  Vgl  diese  Zeitschrift,  1892,  No.  1,  S.  31.    D.  Red. 


v, 


544 

Die  Teilnahme  an  Schwimmkursen  zu  ermäßigten 
Preisen  ist  94  Schülern  gestattet  worden.  Anfordern  hat  der 
Breslaner  Schwimmverein  einer  Anzahl  von  Schülern  Frei- 
karten behufs  Erlernung  des  Schwimmens  zukommen  lassen. 

Ein  Göttinger  Schulbad  ist  in  zwei  Schulhäusern  ein- 
gerichtet und  wird  ausschließlich  von  den  in  diesen  Häusern 
befindlichen  Schulkindern  benutzt  Das  Baden  ist  fakultativ  und 
findet  nur  mäfsigen  Anklang ;  eine  Mädchenschule  z.  B.  weist 
nur  36%  Badende  auf. 

Zum  Schlittschuhlaufen  auf  der  innerhalb  der  Stadt  be- 
findlichen Eisbahn  wurden  2392  Karten  unentgeltlich  an 
Volksschüler  verteilt. 

Außer  diesen  lediglich  von  der  städtischen  Schulbehörde 
getroffenen  hygienischen  Maisnahmen  kamen  den  Kindern  noch 
andere  Einrichtungen  zu  gute,  die  auf  dem  WohHhätigkeitssinn 
der  Bürgerschaft  beruhen ;  hierher  gehören  die  Ferienkolonien, 
die  Jugendhorte  und  die  Versorgung  armer  Schulkinder  mit 
warmem  Frühstück. 

Das  Komitee  für  Ferienkolonien  sandte  16  Kolonien 
mit  258  Kindern  auf  je  20  Tage  in  gesund  gelegene,  wald- 
reiche Orte  der  Provinz  aus.  Als  Leite  fungierten  Lehrer, 
resp.  Lehrerinnen.  Der  Erfolg  ist  ein  recht  befriedigender 
gewesen. 

Um  die  Knaben  während  der  schulfreien  Nachmittage  vor 
Verwahrlosung  zu  bewahren  und  ihnen  zu  passender  Beschäfti- 
gung Gelegenheit  und  Anleitung  zu  geben,  sind  zwei  Jugend- 
horte eingerichtet  worden,  welche  von  230  Schülern  besucht 
wurden.  Der  Besuch  umfa&te  mit  Ausschluß  der  Sonn-  und 
Festtage  die  Zeit  von  4 — 7  Uhr  nachmittags  im  Sommer  und 
von  4 — 6  Dhr  nachmittags  im  Winter.  Die  Thätigkeit  während 
dieser  Stunden  begann  mit  dem  Anfertigen  der  Schularbeiten. 
Darauf  folgten  bei  günstigem  Wetter  im  Freien  Turn-  und 
Erholungsspiele ,  freiwillige  Arbeit  in  den  botanischen  Schul- 
gärten, Spaziergänge  und  Baden.  Bei  ungünstiger  Witterung 
wurden  im  Zimmer  nach  freier  Wahl  betrieben:  Zimmeispiele, 
Papparbeiten,    Laubsägearbeiten,    Bätseiraten,     Erzählen    von 


• 


545 

Märchen  und  Sagen  oder  von  geschichtlichen  Begebenheiten  aus 
der  Breslauer,  sohlesischen  und  preußischen  Geschichte. 

Auf  Anregung  des  Vereins  Breslauer  evangelischer  Lehrer 
ist  Stadtschulrat  Dr.  Pfundtnbr  seit  Jahren  bemüht,  armen 
Schulkindern  während  der  Wintermonate  warmes  Frühstück 
zu  verschaffen.  In  der  Zeit  vom  1.  Dezember  1891  bis 
12.  März  1892  wurden  bedürftigen  Kindern  aus  47  evange- 
lischen und  30  katholischen  Schulen  57  215  Portionen 
Semmel  mit  1  Tasse  Milch  oder  Kaffee  verabreicht.  Die 
Kosten  hierfür  haben  teils  aus  städtischen  Mitteln,  teils  durch 
Bürgervereine  und  Privatpersonen  Deckung  gefunden. 

Aus  dem  Angeführten  möge  der  Leser  selbst  beurteilen, 
ob  Stadtschulinspektor  Dr.  Krebbel  berechtigt  war,  in  seinem 
Berichte  zu  schreiben:  „Die  städtische  Verwaltung  darf  sich 
getrost  das  Zeugnis  geben,  die  Einrichtungen  und  die  Über- 
wachung der  Schulen  so  geordnet  zu  haben,  dals  nicht  nur 
das  denselben  gesund  übergebene  Kind  in  denselben  gesund 
erhalten  wird,  sondern  dals  auch  das  schwächliche,  kurz- 
sichtige und  schwerhörige  Kind  seine  besondere  individuelle 
Behandlung  erfährt. tt 


546 


2tns  Derfatn»ltttt0eit  ttn)  Aminen. 


Wie  sorgt  die  höhere  Mädchenschule 
für  die  körperliche  Ausbildung  ihrer  Zöglinge? 

Aus  den  Verhandlungen 

der  dreisehnten  Hauptversammlung  des  deutschen  Vereins 

Ar  das  höhere  Mädchenschulwesen  in  Kiel. 

Von 

L.   KOTBLMANN. 

(Fortsetzung.) 

Als  Mitberichterstatter  über  denselben  Gegenstand  nahm 
hierauf  der  Herausgeber  dieser  Zeitschrift  das  Wort. 

Unter  den  verschiedenen  Sohulkategorien,  so  führte  derselbe 
aus,  gibt  es  keine,  für  welche  die  Gesundheitspflege  eine  so  gro&e 
Bedeutung  bat,  wie  für  die  höhere  Töchterschule.  Zunächst  schon 
deshalb,  weil  das  Mädchen  im  allgemeinen  schwächer  entwickelt 
ist,  als  der  Knabe  und  daher  einer  sorgfältigeren  Rücksichtnahme 
auf  seine  Gesundheit  bedarf.  Zu  dieser  geringeren  Körper- 
entwickelung aber  kommt  noch,  dais  gerade  die  Zöglinge  der 
höheren  Töchterschulen  in  Haus  und  Schule  hygienisch  be- 
sonders ungünstig  gestellt  sind.  Das  Mädchen  der  Volksschule 
tummelt  sich  auf  Strafsen  und  Plätzen,  es  läuft  frei  umher  in 
Sonne  und  Wind.  Dem  Mädchen  der  höheren  Schule  dagegen 
wird  seine  Freiheit  durch  die  Sitte  eingeschränkt.  Auf  der 
Strafte  zu  spielen,  schickt  sich  nicht  für  dasselbe,  und  so  sitzt 
es  daheim  bei  seinem  Zimmerspielzeug,  oder  es  versenkt  sich, 
wenn  es  älter  geworden,  mit  hochgeröteten  Wangen  in  einen 
Roman.  Aulserdem  aber  lassen  auch  die  hygienischen  Ver- 
hältnisse der  höheren  Töchterschulen  in  mehr  als  einer  Be- 
ziehung zu  wünschen  übrig.     Denn  die  meisten  derselben  sind 


547 

Privatanstalten  und  befinden  sich  in  Häusern,  welche  zu  Wohn-, 
nicht  zu  Sohulzweoken  erbaut  worden  sind.  Es  fehlt  daher  den 
Zimmern  nieht  selten  an  Baum,  Luft  und  Licht  reichen  nicht 
immer  aus,  ein  Turnsaal  ist  nicht  vorhanden.  Unter  diesen  Um- 
ständen war  es  gewifs  ein  glücklicher  Gedanke,  die  Frage: 
„Wie  sorgt  die  höhere  Mädchenschule  für  die 
körperliche  Ausbildung  ihrer  Zöglinge?"  zum  Gegen- 
stande der  heutigen  Tagesordnung  zu  machen. 

I. 

Wenn  ersthin  bemerkt  wurde,  dafs  das  Mädchen  im  all- 
gemeinen schwächer  entwickelt  ist  als  der  Knabe,  so  gilt  dies 
auch  in  Bezug  auf  die  Akropolis  des  menschlichen  Geistes, 
das  Gehirn.  Der  englische  Irrenarzt  Sir  James  Crichton- 
Bbownb  hat  durch  1600  Wägungen  festgestellt,  dafs  sowohl 
das  absolute  wie  das  relative  Hirngewicht  des  Mannes  gröfser 
ist,  als  dasjenige  der  Frau.  Ein  weiterer  Unterschied  zwischen 
dem  männlichen  und  weiblichen  Gehirne  liegt  in  dem  speci- 
fischen  Gewichte.  Während  die  sogenannte  weifee  Marksubstanz 
bei  Mann  und  Frau  das  gleiche  specifische  Gewicht  hat,  ist 
dasjenige  der  grauen  Rindensubstanz,  in  welcher  die  geistigen 
Prozesse  vor  sich  gehen,  bei  den  Männern  grölser,  als  bei  den 
Frauen.  Da  nun  diese  Unterschiede  zu  jeder  Periode  des 
Lebens,  also  auch  während  der  Schulzeit,  bestehen,  so  tadelt 
Dr.  Crichton-Bbowne,  dafs  die  jungen  Mädchen  in  den  höheren 
Töchterschulen  Englands  fast  die  gleiche  Ausbildung  wie  die 
Knaben  erhalten.  Infolgedessen  müisten  dieselben  am  späten 
Nachmittage  oder  Abend,  wenn  ihr  Gehirn  bereits  erschöpft, 
noch  2  bis  3  Stunden  zu  Hause  arbeiten,  und  das  Resultat 
hiervon  sei,  dafs  eine  beträchtliche  Anzahl  während  des 
Quartales  erkranke. 

Als  erstes  Symptom  der  Überarbeitung  stellen  sich  ge- 
wöhnlich Kopfschmerzen  ein.  Von  187  Schülerinnen  der 
höheren  Stände,  welche  Criohton-Browne  untersuchte,  litten 
137  an  Kopfweh,  also  mehr  als  zwei  Drittel.  Ähnliche  Beob- 
achtungen  sind  auch   in  den  höheren  Mädchenschulen  Däne- 


548 

marks  und  Schwedens  gemacht  worden.  Ebenso  belichtet 
Dr.  Treichler,  dafs  in  Darmstadt  und  Nürnberg  ungefähr  ein 
Drittel  der  Schülerinnen  über  Kopfschmerz  klagten,  und  auch 
der  Nervenarzt  Dr.  Friedmann  in  Mannheim  weist  auf  den 
Kopfschmerz  als  ein  fast  ausnahmsloses  Symptom  der  viel- 
berufenen Schulnervosität,  insbesondere  bei  jungen  Mädchen,  hin. 

Mit  dem  Kopfweh  ist  häufig  Nasenbluten  verbunden.  Es 
wird  dies  leicht  erklärlich,  da  bei  angestrengter  geistiger  Thfttig- 
keit  ein  vermehrter  Zufluis  des  Blutes  nach  dem  Gehirne 
stattfindet.  In  den  schwedischen  höheren  Töchterschulen  stieg 
das  Nasenbluten  von  2%  bei  den  Achtjährigen  bis  auf  9% 
bei  den  Siebzehnjährigen.  Fast  genau  dieselben  Zahlen  wurden 
in  einer  höheren  Mädchenschule  Hamburgs  ermittelt. 

Zu  dem  Kopfweh  und  Nasenbluten  tritt  in  ernsteren 
Fällen  eine  mehr  oder  minder  starke  Beeinträchtigung  dar 
geistigen  Leistungsfähigkeit  hinzu.  Die  Mädchen  können  nicht 
mehr  aufmerken,  sie  müssen  länger  als  sonst  bei  der  Arbeit 
sitzen,  sie  verstehen  nicht,  was  sie  lesen;  zugleich  sind  sie 
schlaff,  unentschlossen,  launenhaft,  reizbar.  Solche  Fälle  von 
Nervosität  sind  in  den  höheren  Töchterschulen  Schwedens 
durchschnittlich  bei  4  bis  5%  der  Schülerinnen  festgestellt 
worden. 

Wo  aber  erbliohe  Anlage  bei  einem  jungen  Mädchen 
besteht,  oder  wo  es  in  aufregender  Umgebung  lebt,  da  kann 
es  selbst  zu  Veitstanz  bei  demselben  kommen.  Dr.  Stuboss 
hat  über  223  Fälle  dieses  Leidens  berichtet,  von  denen  23  aue- 
sohliefslioh  auf  Sohulsohädlichkeiten  zurückzuführen  waren. 
Es  handelte  sich  zumeist  um  gedrückte  Stimmung,  veranlagt 
durch  zu  langen  oder  zu  anstrengenden  Unterricht,  um  Angst 
vor  dem  Examen,  um  Furcht  vor  Strafe  seitens  des  Lehren 
oder  der  Lehrerin. 

Auch  hysterische  Epidemien  sind  als  Folge  von  Über- 
anstrengung in  Mädchenschulen  beobachtet  worden.  Die  jüngste 
diesbezügliche  Mitteilung  stammt  aus  der  katholischen  Töchter- 
schule in  Biberaoh.  Nachdem  hier  ein  Mädchen  von  einen 
schlafähnlichen  Zustande  ergriffen  worden  war,  gerieten  nach- 


549 

einander  13  andere  in  eine  so  tiefe  Somnolenz.  dab  sie  durch 
Schütteln  und  Zurufen,  ja  selbst  durch  Nadelstiche  nicht  geweckt 
Verden  konnten.  Während  des  Schlafes  begannen  sie  Unter- 
haltungen, verfielen  in  Krämpfe  oder  gingen  träumend  im 
Zimmer  umher.  Die  Befallenen  waren  zart  und  bleichsüohtig 
und  daher  den  Anforderungen  des  Unterrichts  nicht  gewachsen. 

Finden  sich  schon  derartige  Epidemien  sehr  selten,  so  erst 
recht  Geisteskrankheiten  junger  Mädchen,  welche  auf  Über- 
btirdung  in  der  Schule  zurückzuführen  sind.  Freilich  neigt 
das  weibliche  Gesohlecht  mehr  als  das  männliche  zu  Psychosen, 
allein  bei  Kindern  treten  geistige  Störungen  außerordentlich 
selten  auf.  Wenn  daher  der  Irrenanstaltsdirektor  Hasse  yor 
etwa  einem  Jahrzehnt  die  Behauptung  aufstellte,  daJfl  die 
Geisteskrankheiten  bei  Kindern  infolge  von  Schulüberbürdung 
zunehmen,  so  ist  dieser  Satz  nicht  bestätigt  worden.  Vielmehr 
hat  eine  Umfrage  des  preußischen  Kultusministers  bei  allen 
ihm  unterstellten  Irrenanstalten  ergeben,  dafs  Überbtirdungs- 
psychosen  auch  bei  der  heutigen  Jugend  nicht  häufig  sind,  ja 
einzelne  Irrenärzte  erklärten  geradezu,  eine  ernste  geistige  Thätig- 
keit  bilde  den  besten  Schutz  gegen  psychische  Leiden. 

Trotzdem  wird  sich  die  höhere  Töchterschule  mit  allem 
Ernste  die  Frage  vorlegen  müssen,  ob  sie  nicht  zu  hohe  An- 
forderungen an  ihre  Zöglinge  stellt.  Ein  solcher  Vorwurf  ist 
ihr  schon  oft  gemacht  worden.  Bereits  Heinrich  Heine 
spöttelt: 

„Alte  Mumien,  ausgestopfte 
Pharaonen  von  Ägypten, 
Merowinger  Schattenkönige, 
Ungepuderte  Perücken, 
Auch  die  Zopfraonarchen  Chinas, 
Porzellanpagodenkaiser, 
Alles  lernen  sie  auswendig, 
Kluge  Mädchen." 

Von  den  neueren  aber  hat  Eduard  Hartmann  den  Aus- 
spruch gethan:  „Der  letzte  handgreifliche  Grund  dessen,  dafe 
unsere  Frauen  ganz  verschroben  sind,  ist  in  den  überspannten 


550 

Anforderungen  der  höheren  Töchterschulen  zu  suchen. u  Eine 
thatsächliohe  Unterlage  für  diese  Behauptung  ist  freilich  bis 
jetzt  nicht  vorhanden.  Höchstens  dürfen  wir  von  vereinzelten 
Überbürdungsfollen  reden,  die  nicht  der  höheren  Töchterschule 
als  solcher,  sondern  nur  dieser  oder  jener  Lehrperson,  hier 
und  da  auch  einmal  einer  einzelnen  Anstalt  zur  Last  zu 
legen  sind. 

Dennoch  sei  hier  wenigstens  auf  zwei  Punkte  hin- 
gewiesen, durch  welche  die  Schule  sich  leicht  an  dem  Gehirn 
ihrer  Zöglinge  versündigen  kann.  Der  eine  ist  eine  über- 
mässige Verkürzung  der  Schlafzeit.  Im  allgemeinen  darf  man 
sagen,  dals  sechs-  bis  neunjährige  Schülerinnen  11,  zehn-  bis 
elfjährige  107«,  zwölf- bis  dreizehnjährige  10,  vierzehnjährige  91/», 
fünfzehn-  bis  sechzehnjährige  9  und  siebzehn-  bis  achtzehn- 
jährige 87>  Stunden  Schlaf  nötig  haben.  Die  wirkliche 
Schlafzeit  aber  beträgt  bei  den  meisten  7«  bis  1  Stunde 
weniger.  Nun  ist  hieran  in  der  Regel  allerdings  das  Eltern- 
haus schuld,  allein  andererseits  wissen  wir  durch  genaue  Er- 
mittelungen, dals  es  Schulen  gibt,  deren  ältere  Schülerinnen 
blofs  5  Stunden  Schlaf  genossen.  Von  eben  diesen  Schulen 
aber  hat  sich  auch  nachweisen  lassen,  dals  sie  zu  viele  und 
zu  schwierige  Hausaufgaben  stellten  oder  den  Unterricht  zu 
früh  am  Morgen,  namentlich  im  Winter,  begannen. 

Aufser  einer  Verkürzung  der  Schafzeit  ist  auoh  eine  jede 
nervöse  Erregung  der  jungen  Mädchen  durch  den  Unterricht  zu 
vermeiden,  wenn  anders  ihr  Gehirn  nioht  Schaden  leiden  soll. 
In  erster  Linie  kommen  hier  die  Ellassen-,  die  Versetzungs- 
und Abgangsprüfungen  in  Betracht.  Dieselben  sollten  nach 
Häufigkeit  und  Umfang  soviel  als  möglich  eingeschränkt  werden, 
zumal  die  Lehrer  und  Lehrerinnen  ohnedies  mit  den  Leistungen 
ihrer  Zöglinge  durch  eine  längere  Unterrichtszeit  hinreichend 
vertraut  sind.  Aber  auch,  wo  das  Examen  die  harmlosere 
Form  einer  Klassenarbeit  annimmt,  darf  nicht  dadurch  gefehlt 
werden,  dals  mehrere  Arbeiten  dieser  Art  sich  auf  einen  Tag 
zusammendrängen.  Die  jungen  Mädchen  lernen  dazu  alles 
Mögliche  auswendig,  von   dem  sie  glauben,  dafs  es  etwa  vor- 


551 

kommen   könnte,    nnd   der  Erfolg   ist   daher   eher   eine   Ab- 
stumpfung, als  eine  Schulung  des  Geistes. 

(Schlafs  in  No.  11.) 


über  körperliche  Uberbürdung  in  der  Wachstumsperiode. 
Mitteilungen  in  der  französischen  Gesellschaft  zur  Förderung 

der  Wissenschaften. 

Wie  „Le  Brogr.  mdd."  berichtet,  fand  die  jüngste  Versammlung 
der  französichen  Gesellschaft  zur  Förderung  der  Wissenschaften  vom 
5.  bis  9.  August  in  Besan^on  statt.  Am  ersten  Verhandlungstage 
führte  Herr  Legendre  über  Zufälle,  welche  durch  übertriebene 
Sportübungen  in  der  Wachstumsperiode  entstehen,  folgendes  aus: 

Die  physische  Ausbildung  spielt  ohne  Zweifel  eine  wichtige 
Rolle  in  der  Erziehung,  aber  sie  darf  nicht  auf  die  Spitze  getrieben 
werden.  Nicht  selten  richtet  man  jedoch  Wettkämpfe  in  körper- 
lichen Übungen  ein,  welche  den  Ehrgeiz  der  Schüler  aufs  höchste 
erregen  und  zu  unerhörten  Anstrengungen  führen.  Es  kommen  heut- 
zutage Fälle  von  körperlicher  Überbürdung  vor,  die  unbestreit- 
barer, als  diejenigen  von  geistiger  Überarbeitung  sind,  soviel  Tinte 
man  auch  auf  letztere  verschwendet  hat.  Einen  vernünftigen  Zweck 
könnte  eine  solche  physische  Überanstrengung  nur  dann  haben,  wenn 
man  sich  nach  Spartanerart  der  schwächlichen  Kinder  entledigen 
wollte.  Gerade  während  der  Wachstumsperiode,  vom  12.  bis  16. 
Lebensjahre  ist  dieselbe  weit  mehr,  als  im  späteren  Alter  zu  fürchten. 

Die  Störungen,  welche  dabei  am  meisten  hervortreten,  betreffen 
das  Herz,  indem  Herzklopfen  ziemlich  häufig  sich  zeigt.  Zuerst  tritt 
dasselbe  nach  einer  anstrengenden  Leistung  auf,  dann  auch  nach 
leichteren  Übungen  und  zuletzt  ohne  jeden  besonderen  Anlafs.  Um 
es  zum  Schwinden  zu  bringen,  ist  eine  längere  Zeit  der  Ruhe 
erforderlich.  Zuweilen  stellt  sich  auch  eine  vorübergehende  Asystolie 
ein,  die  auf  einer  akuten  Erweiterung  des  rechten  Herzens  beruht. 
Man  sieht  Knaben,  um  beim  Wettlauf  zu  siegen,  überhitzt  und 
erschöpft  am  Ziel  niedersinken,  wie  dies  einst  mit  dem  Kämpfer 
von  Marathon  geschah.  Bei  einem  Schüler  mit  Erweiterung  der 
Venen  trat  nach  einer  Wettfahrt  mit  dem  Zweirad  Schwellung  der 
Füise  nebst  ödem  und  Taubsein  der  Beine  ein.  Das  Nasenbluten, 
das  ohnehin  bei  skrofulösen  Kindern  so  vielfach  vorkommt,  nimmt 
an  Häufigkeit  und  Heftigkeit  infolge  von  körperlicher  Überanstrengung 


552 

zu.  Bei  einem  beleibten  jüngeren  Individuum  entstand  nach  Über- 
müdung dieser  Art  unter  der  Haut  der  linken  Hüftgegend  ein  Biut- 
ergufs.  Endlich  entwickeln  sich  häufig  Verdauungsstörungen,  da 
nach  langen  Wettläufen  unverhältnismäfsig  grofee  Mengen  von 
Getränken  genossen  werden.  Auch  Kopfschmerz  und  Schlaflosigkeit 
sind  zur  Beobachtung  gelangt.  Die  vornübergeneigte  Haltung,  welche 
beim  Zweiradfahren  so  häufig  eingenommen  wird,  ruft  bei  manchen 
eine  Verkrümmung  der  Wirbelsäule  nach  hinten  hervor. 

Man  sollte  daher  die  körperlichen  Übungen  bei  den  Schülern 
zwar  fortsetzen,  aber  die  Wettkämpfe  auf  das  richtige  Mals  ein- 
schränken. Zugleich  würde  es  sich  empfehlen,  in  gewissen  Fällen 
den  Arzt  zu  Rate  zu  ziehen;  denn  nur  er  ist  im  stände,  die  Art 
der  Übungen  zu  bezeichnen,  die  von  zarten  und  blutarmen  Kindern 
mit  Nutzen  betrieben  werden  können. 

Herr  Boughard  weist  darauf  hin,  dafs  zwar  die  Tierzüchter 
sorgfaltig  eine  jede  Überanstrengung  junger  Tiere  vermeiden,  dafs 
dies  aber  bei  der  Schuljugend  nicht  immer  der  Fall  ist.  Er  wünscht, 
man  möge  diese  Frage  für  das  nächste  Jahr  auf  die  Tagesordnung 
setzen. 

Dieser  Vorschlag  wurde  einstimmig  angenommen. 

Verhandlungen  des  Berliner  Lehrervereins,  die  hygienischen 
Verhältnisse  der  dortigen  Schulen  betreffend. 

Eine  eingehende  Beleuchtung  der  gesundheitlichen  Verhältnisse 
in  'den  Schulen  Berlins  lieferten  die  jüngsten  Verhandlungen  des 
dortigen  Lehrervereins,  über  welche  das  „Berl.  Tagbl."  nachstehendes 
berichtet. 

Der  Vortragende,  Lehrer  W.  Siegbrt,1  hatte  sowohl  an  den 
baulichen  Anlagen  und  der  Ausstattung  der  Schullokale,  als  auch 
an  den  inneren  Schulzuständen  manche  Ausstellung  zu  machen. 

Die  Kleinheit  der  Schulhöfe,  die  geringe  Breite  der  Treppen 
und  Flure,  die  Beschränktheit  der  Ausgänge  verkümmern  den  Ge- 
meindeschülern vor  allem  die  Pausen.  Das  Herumführen  der 
Kinder  in  Reih  und  Glied  kann  als  eine  dem  kindlichen  Bedürfnis 
entsprechende  Erholung  nicht  gelten.  Engherzige  Pedanterie  und 
übergroße  Besorgnis  vor  Unglücksfällen  verschlimmern  die  Sache 
noch.  Redner  stellt  die  Unterrichtsgebäude  der  besseren  schwedischen 
und  schweizerischen  Schulhäuser  dem  gegenüber  und  kommt  zu 
dem  Ergebnis,  dafs  die  Schulbauten  mit  denselben  Geldmitteln  er- 
heblich praktischer  sich  gestalten  liefsen. 

Die  Heizung  hat  in   letzter  Zeit  Fortschritte   gemacht.    Die 


1  Unser  Mitarbeiter.    D.  Red. 


553 

oftbeklagte  Luftheizung  ist  vielfach  durch  die  bessere  Wasserheizung 
ersetzt  worden.  Letztere  leidet  aber  an  dem  Mangel,  daf seine  gut 
funktionierende  Ventilation  damit  schwer  zu  verbinden  ist,  ein  Grund, 
weswegen  man  den  neueren,  im  hiesigen  hygienischen  Institut 
erprobten  Ofenheizungen  den  Vorzug  geben  mufs. 

Die  Lüftung  ist  in  vielen  Anstalten  vor  allem  deswegen  nicht 
genügend,  weil  das  öffnen  der  Fenster  nicht  immer  in  der  vor- 
geschriebenen Weise  erfolgt.  Besonders  mangelhaft  sind  häufig  die 
Lokale  gelüftet,  in  denen  am  Abend  Fortbfldungsunterricht  erteilt 
wird.  Einderepidemien,  namentlich  Scharlach  und  Masern,  wurden 
nachweislich  durch  schlecht  gelüftete  Schulzimmer  verbreitet  und  in 
zahlreiche  Familien  weiter  getragen. 

Die  Schulbank  ist  an  vielen  körperlichen  Erkrankungen, 
vor  allem  an  Schiefwuchs  und  Kurzsichtigkeit,  schuld.  Das  Berliner 
Schulbanksystem  ist  ein  ganz  veraltetes,  welches  der  Beseitigung 
dringend  bedarf.  In  Wien  ist  nach  den  Vorschlägen  einer  Sach- 
verständigenkommission durch  ein  Preisausschreiben  Veranlassung 
zur  Herstellung  einer  Schulbank  gegeben  worden,  welche  allen  modernen 
Anforderungen  entspricht.1  Ein  gleiches  Vorgehen  würde  in  Berlin 
am  Platze  sein. 

Die  Reinigung  unserer  Schulzimmer  erfolgt  nicht  täglich, 
sondern  nur  wöchentlich  zweimal.  Wände,  Paneele,  Schränke  u.  s.  w. 
werden  selten  oder  gar  nicht  vom  Staube  befreit.  Eine  gründliche 
Reinigung  der  Fenster  geschieht  nur  jährlich  zweimal. 

Die  Frequenz  der  Schulklassen  ist  auch  in  Berlin  noch 
gröfeer,  als  es  vom  schulhygienischen  Standpunkte  aus  gebilligt 
werden  kann.  Die  fortgeschrittenen  Schweizer  Kantone,  die  nordischen 
Länder  und  Frankreich  gehen  über  30  und  40  Schüler  pro  Klasse 
wenig  hinaus.  Die  Aufnahme  körperlich  und  geistig  nicht  genügend 
entwickelter  sechsjähriger  Kinder  kann  von  der  Schule  zur  Zeit  nicht 
verweigert  werden.  Für  die  Kräftigung  der  Jugend,  namentlich  der 
Mädchen,  fehlt  es  an  geeigneten  Spielplätzen. 

Durch  eine  sachgemäß  geordnete  Mitwirkung  der  Ärzte 
würden,  wie  der  Redner  ausführte,  alle  diese  und  viele  andere 
Übelstände  schneller  abgestellt  werden.  Die  Kosten  für  einen 
Schularzt  kämen  nicht  in  Betracht.  Verfehlte  Heizanlagen,  Er- 
krankungen von  Lehrern  u.  s.  w.  seien  kostspieliger,  als  eine  ver- 
nünftige ärztliche  Schulaufsicht.  Verwahrung  sei  indessen  einzulegen 
gegen  die  weitgehenden  Ansprüche  mancher  Mediziner  auf  dem 
Schulgebiete.  Der  Schularzt  dürfe  nicht,  mit  bureaukratischer  Gewalt 
ausgerüstet,  in  die   innere  Schularbeit  eingreifen.     Neben  der  ärat- 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1893,  No.  2,  S.  106-109.    D.  Red, 

Mml*tsia*h«ttfpfl*ff«  VI.  36 


564 

liehen  Mitarbeit  bei  der  Vervollkommnung  der  Schuleinrichtungen 
komme  es  vor  allem  darauf  an,  dafs  die  Lehrerbildung  nach  der 
hygienischen  Seite  ergänzt  werde,  damit  der  Lehrer  mit  dem  Geiste 
auch  den  Körper  des  Kindes  verständnisvoll  pflegen  und  schonen 
könne. 

In  der  lebhaften  Besprechung  des  Vortrages  wurden  noch 
mannigfache  hygienische  Mißstände  in  den  hiesigen  Schulen  zur 
Sprache  gebracht.  Die  Versammlung  stimmte  alsdann  der  folgenden 
vom  Vortragenden  aufgestellten  Forderung  zu: 

„Der  Berliner  Lehrerverein  hält  es  für  notwendig,  daCs  eine 
aus  Ärzten,  Verwaltungsbeamten,  Architekten,  Ingenieuren,  Schul- 
leitern und  Lehrern  zusammengesetzte  Kommission  die  Verhältnisse 
sämtlicher  Berliner  Schulen  nach  der  hygienischen  Seite  hin  prüft, 
für  die  praktische  Durchführung  anerkannter  Forderungen  der  Schul- 
hygiene, sowie  für  die  Lösung  streitiger  Fragen  Vorschläge  macht 
und  die  Grundsätze  feststellt,  nach  denen  eine  zweckentsprechende 
Mitwirkung  der  Ärzte  bei  der  Beaufsichtigung  der  Schulen  zu  er- 
folgen hat."  * 


filtittere  Mxtttilun%tn. 


Die  mitteleuropäische  Zeit  und  die  Schule,  unter  diesem 
Titel  veröffentlicht  Stabsarzt  Dr.  Martin  Kirchner  zu  Hannover  in 
der  „Hyg.  Rundsch."  folgenden  Aufsatz:  Die  aus  Verkehrs-  und 
militärischen  Rücksichten  gebotene  Einfuhrung  der  mitteleuropäischen 
Zeit  verdient  die  ernsteste  Würdigung  seitens  des  Schulhygienikers. 
Die  mitteleuropäische  Zeit  ist  bekanntlich  diejenige  des  15°  öst- 
licher Länge,  der  z.  B.  die  Orte  Stargard,  Görlitz,  Gatania  auf 
Sicilien  u.  s.  w.  trifft,  und  geht  gegenüber  der  Ortszeit  eines  jeden 
Ortes  um  viermal  so  viele  Minuten  vor,  bezw.  nach,  als  die  Anzahl 
der  Längengrade  beträgt,  welche  der  Ort  westlich,  bezw.  östlich  vom 
15.  Längengrade  liegt.  Wieviel  das  beträgt,  ist  daher  leicht  zu 
berechnen.  Nach  mitteleuropäischer  Zeit  ist  es  8  Uhr  morgens,  wenn 
nach  Ortszeit  die  Uhr  zeigen  wurde :  in  Königsberg  8  Uhr  22  Minuten, 
in  Hannover  7  Uhr  39  Minuten,  in  Köln  7  Uhr  28  Minuten,  in  Metz 
7  Uhr  24  Minuten.  Da  aber  die  Sonne  sich  an  die  mitteleuro- 
päische Zeit  nicht  kehrt  und  das  physiologische  Leben  des  Menschen, 
besonders  das  Schlafbedürfnis,  vom  Auf-  und  Untergang  der  Sonne 


1  Vgl.  diese  Zeitschrift,  1893,  No.  4,  S.  209.    D.  Bed. 


555 

wesentlich  beeinflufst  wird,  so  müssen  durch  eine  derartige  Verlegung 
der  Zeitrechnung  gewisse  Schwierigkeiten  entstehen,  welche  sich 
namentlich  in  der  Schule  über  kurz  oder  lang  störend  bemerklich 
machen  werden.  Die  Gesichtspunkte,  welche  für  die  Schule  in  Frage 
kommen,  sind  folgende:  in  allen  westlich  des  15.  Längengrades  He- 
genden Orten  findet  der  Beginn  des  Unterrichts  früher  statt,  als 
vor  Einführung  der  mitteleuropäischen  Zeit.  Infolgedessen  wird 
der  Schlaf  der  Schulkinder  am  Morgen  um  die  entsprechende  Zeit 
abgekürzt,  und  die  zum  Sehen  erforderliche  Helligkeit  tritt  ent- 
sprechend später  ein;  letzteres  wird  sich  nur  in  den  Wintermonaten 
störend  geltend  machen.  In  den  Orten  östlich  vom  15.  Längengrade 
dagegen  wird  die  Schule  nach  Einführung  der  mitteleuropäischen 
Zeit  später  geschlossen,  als  ehedem.  Es  tritt  also  der  Zeitpunkt 
mangelhafter  Tagesbeleuchtung  in  den  Schulen  während  des  Nach- 
mittagsunterrichts entsprechend  früher  und  für  eine  längere  Zeitdauer 
ein,  als  bei  der  Ortszeit.  Eine  eingehende  Besprechung  dieser  Ver- 
hältnisse und  womöglich  baldige  Abhilfe  der  sich  ergebenden  Unzu- 
träglichkeiten halte  ich  daher  für  dringend  angezeigt.  Der  Unterschied 
zwischen  der  Ortszeit  Hannover  und  der  mitteleuropäischen  Zeit 
beträgt  21  Minuten.  Mithin  beginnt  die  Schule  hier  im  Winter  um 
7  Uhr  39  Minuten,  im  Sommer  um  6  Uhr  39  Minuten  morgens; 
die  Kinder  müssen  also,  wenn  man  eine  Stunde  für  das  Anziehen, 
das  Frühstück  und  den  Schulweg  rechnet,  um  6  Uhr  39  Minuten, 
bezw.  5  Uhr  39  Minuten  aufstehen.  Kinder  bedürfen  im  allgemeinen, 
namentlich  in  den  jüngeren  Jahren  vor  der  Pubertät,  bedeutend  mehr 
Schlaf  als  Erwachsene,  sie  kommen  mit  den  für  diese  erforderlichen 
6 — 7  Stunden  nicht  aus,  sondern  haben  9 — 10  Stunden  nötig. 
Nimmt  man  nur  9  Stunden  an,  so  müssen  sie,  um  so  zeitig  auf- 
stehen zu  können,  wie  notwendig  ist,  bereits  um  9  Uhr  39  Minuten 
im  Winter  und  um  8  Uhr  39  Minuten  im  Sommer  zu  Bett  gehen. 
Dies  ist  für  den  Winter  eine  gerade  passende  Zeit,  für  den  Sommer 
aber  entschieden  zu  früh,  denn  es  ist  dann  meist  noch  zu  hell,  als 
dafs  die  Kinder  bald  einschlafen  könnten.1    Geht  doch  die  Sonne  vom 

19.  bis  30.  Juni  erst  um  8  Uhr  24  Minuten,  in  der  Zeit  vom  24.  Mai 
bis  zum  24.  Juli  aber  erst  nach  8  Uhr  unter.  Der  Schulanfang  um 
7  Uhr  (Ortszeit  für  Hannover  6  Uhr  39  Minuten)  ist  also  zu  früh, 
und  sollte  die  Schule  in  Zukunft  auch  im  Sommer  nicht  vor  8  Uhr 
beginnen.  Gegen  den  Schulanfang  um  8  Uhr  im  Winter  sprechen 
andere  Gründe.     Die  Sonne  geht  in  der  Zeit  vom  8.  Dezember  bis 

20.  Januar,  also  an  48  Tagen  des  Jahres,  um  bezw.  nach  8  Uhr 
morgens  auf;  nach  mitteleuropäischer  Zeit  ist  dies  vom  23.  November 


1  Die  Helligkeit  läfst  sich  durch  Vorhänge  leicht  beseitigen.  D.  Red. 

36* 


656 

bis  4.  Februar,  also  an  74  Tagen,  d.  h.  während  des  gröfsten  Teils 
des  Winterhalbjahres,  der  Fall.  Bekanntlich  vergeht  zwischen  dem 
Sonnenaufgang  und  dem  Zeitpunkt,  wo  der  Himmel  ein  genügend 
helles  Licht  zurückstrahlt,  um  jedem  Platz  in  den  Schulzimmern  die 
von  Cohn  mit  Recht  geforderte  Lichtfülle  von  mindestens  10  Meter- 
kerzen zu  gewähren,  ein  Zeitraum,  der  um  so  größer  ist,  je  tiefer 
der  höchste  Tagesstand  ist,  welchen  die  Sonne  überhaupt  erreicht. 
Schon  bei  der  Ortszeit  wird  es  häufig  9  Uhr,  ehe  die  Klassenzimmer 
so  hell  6ind,  dafe  die  Schüler  ohne  Gefahr  für  ihr  Auge  lesen  und 
schreiben  können.  Die  Einführung  der  mitteleuropäischen  Zeit  drängt 
daher  darauf  hin,  den  Unterricht  im  Winter  nicht  schon  um  8  Uhr, 
sondern  später  beginnen  zu  lassen,  und  zwar  um  9  Uhr.  Es  hat 
an  Vorschlägen,  die  Schulzeit  der  mitteleuropäischen  Zeit  anzupassen, 
nicht  gefehlt,  da  niemand,  der  sich  die  Mühe  gibt,  darüber  nachzu- 
denken, dafür  sein  kann,  es  beim  alten  zu  lassen.  Das  einfachste 
wäre  es,  sich  beim  Schulunterrichte  nicht  nach  der  mitteleuropäischen, 
sondern  nach  der  Ortszeit  zu  richten  und  denselben  z.  B.  in  Han- 
nover von  8  bis  1  Uhr  auf  8  Uhr  21  Minuten  bis  1  Uhr  21  Minuten 
zu  verlegen.  Dies  würde  jedoch  zu  vielfachen  Störungen  im  bürger- 
lichen Leben  führen.  Letzteres  wäre  nicht  weniger  der  Fall,  wenn 
man  genau  eine  halbe  Stunde  wählte,  die  Schulzeit  also  von  8  Uhr 
30  Minuten  bis  1  Uhr  30  Minuten  dauern  liefse.  Am  wenigsten 
zu  billigen  ist  ein  hier  in  Hannover  gemachter  Vorschlag,  den  Unter- 
richt im  Sommer  von  7  Uhr  30  Minuten  bis  12  Uhr,  im  Winter 
von  8  Uhr  30  Minuten  bis  1  Uhr  danern  zu  lassen  und  die  dadurch 
verloren  gehende  halbe  Stunde  durch  entsprechende  Verkürzung  der 
Pausen  wieder  einzubringen.  Dieser  Punkt  ist  so  wichtig,  dafe  ich 
dabei  einen  Augenblick  verweilen  möchte.  Die  Gewährung  an* 
gemessener  Pausen  wird  von  allen  Schulhygienikern  für  höchst  notwendig 
gehalten,  einmal  um  den  durch  das  Sitzen  erlahmten  Muskeln  Gele- 
genheit zur  Thätigkeit  zu  gewähren,  dann  um  die  geistige  Spannung 
der  Kinder  wieder  erstarken  zu  lassen.  Die  Beobachtungen  Burqbr- 
stbins  sind  in  dieser  Beziehung  besonders  lehrreich,  der  ja  auf  dem 
VH.  internationalen  Kongresse  für  Hygiene  und  Demographie  in 
London  überzeugend  nachwies,  dafe  die  Aufmerksamkeit  der  Kinder 
in  dem  letzten  Teile  der  Unterrichtszeit  in  ziemlich  Steuer  Kurve 
abfällt.  Nehmen  wir  mit  Baginsky  an,  dafs  die  Dauer  der  Pausen 
etwa  20%  der  Unterrichtszeit,  bei  5  Stunden  Lehrzeit  also  60  Minuten, 
betragen  solle,  so  würde  dieselbe  bei  Befolgung  jener  Vorschläge 
auf  30  Minuten  gekürzt  werden  müssen,  was  im  Interesse  der  Schüler 
im  höchsten  Grade  beklagenswert  sein  würde.  Wir  müssen,  worauf 
auch  HAkonbon-Hansen  erneut  hingewiesen  hat,  an  einem  Vor- 
mittage eine  große  Pause  zum  Frühstücken  und  je  eine  kleinere  zwischen 


557 

2  Unterrichtsstunden  verlangen,  welche  nach  meiner  Ansicht  24,  bezw. 
12  Minuten  dauern  seilten,  damit  die  Kinder  eich  in  der  Zeit  geistig 
und  körperlich  wirklich  erholen,  ihr  Frühstück  in  Rohe  Terzehren 
und  ihre  körperlichen  Bedürfnisse  verrichten  können.  Gegen  eine 
Behebung  der  Inkonvenienzen,  welche  die  mitteleuropaische  Zeit  mit 
sich  bringt,  durch  Verkürzung  der  Pansen  mufs  ich  mich  daher  sehr 
energisch  erklaren,  und  glaube  ich,  hierbei  auf  die  Zustimmung  aller 
Hygieniker  und  einsichtigen  Schulmanner  zahlen  zu  dürfen.  Am 
zweckmäßigsten  wfire  es  meines  Erachtens,  wenn  man  da,  wo  der 
fünfstündige  Vormittagsunterricht  besteht,  denselben  im  Sommer  in 
die  Zeit  von  8  bis  1  Uhr  legte,  im  Winter  aber  abschaffte  und  statt 
dessen  einen  Vor-  und  Nachmittagsunterricht  von  9  bis  12  und 
von  2  bis  4  Uhr  einführte.  Denn  die  Verlegung  des  fünf- 
stündigen Unterrichts  auf  9  bis  2  Uhr  würde  für  die  Mehrzahl  der 
bürgerlichen  Haushaltungen,  welche  ihre  Essenszeit  zwischen  1 — 2  Uhr 
nachmittags  haben,1  mit  Unzuträglichkeiten  verbunden  sein.  Die  Gründe, 
welche  gegen  die  zweiteilige  Unterrichtszeit  angeführt  werden,  Bind 
mir  wohlbekannt,  und  ist  der  dabei  notwendige  zweimalige  Schul- 
weg von  Bedeutung.  Der  eine  Grund  aber,  der  gegen  den  Nach- 
mittagsunterricht im  Winter  spricht,  dafs  es  nämlich  in  der  Stunde 
von  3  bis  4  Uhr  meist  schon  zu  dunkel  ist,  fällt  bei  der  mittel- 
europäischen Zeit  fort.  Die  Sonne  geht  um,  bezw.  vor  4  Uhr  unter 
in  der  Zeit  vom  18.  November  bis  zum  5.  Januar;  nach  mittel- 
europäischer Zeit  ist  aber  dies  hier  in  Hannover  überhaupt  nicht  der 
Fall,  denn  selbst  an  den  Tagen  des  frühesten  Sonnenuntergangs,  am 
12.  und  18.  Dezember,  findet  derselbe  erst  um  4  Uhr  5  Minuten 
statt.  Der  Nachmittagsunterricht  von  2  bis  4  Uhr  ist  also,  wenigstens 
ans  Lichtrücksichten,  nicht  unstatthaft.  Letzteres  gilt  allerdings  nur 
für  Orte,  welche  westlich  vom  15.  Längengrade  liegen.  In  allen 
Orten  östlich  desselben,  in  denen  also  die  mitteleuropäische  Zeit 
hinter  der  Ortszeit  zurückbleibt,  geht  die  Sonne  früher  unter,  als 
nach  der  mitteleuropäischen  Zeit  zu  erwarten  Wäre.  In  Königsberg 
z.  B.  ist  es  bereits  4  Uhr  22  Minuten,  wenn  die  jetzige  Uhr  4  zeigt; 
dort  geht  also  die  Sonne  in  der  Zeit  vom  4.  November  bis  zum 
19.  Januar,  d.  h.  an  77  Tagen,  eher  unter,  als  der  Nachmittags- 
unterricht von  2  bis  4  Uhr  endigen  würde.  Demnach  glaube  ich 
überzeugend  nachgewiesen  zu  haben,  daft  die  Einfuhrung  der  mittel- 
europäischen  Zeit    eine    Verlegung   des  Schulunterrichts  nach   sich 


1  Die  Zeit  des  Mittagsessens  ist  in  den  verschiedenen  Städten  sehr 
verschieden ;  in  Hamburg  z.  B.  fallt  sie  für  die  meisten  Familien  auf 
die  Stunden  von  4—6  Uhr  nachmittags,  in  Berlin  speist  man  vielfach 
um  3  Uhr  zu  Mittag.    D.  Red. 


558 

ziehen  mute.  Die  Gründe  dafür  liegen  in  der  Rücksicht  auf  den 
den  Kindern  zn  gewährenden  Schlaf  und  auf  die  Tagesbeleuchtung 
in  den  Schulzimmern.  Der  Einwurf,  dafis  eine  schlechte  Tages- 
beleuchtung durch  künstliche  Beleuchtung  ersetzt  werden  könnte,  wird 
hoffentlich  nicht  ernstlich  gemacht  werden,  da  in  der  Verwerfung  der 
letzteren  für  die  Schulen  wohl  alle  Hygieniker  einig  sind.  Zur 
Beseitigung  dieser  Übelstände  möchte  ich  empfehlen,  in  allen  Orten 
östlich  des  15.  Längengrades  den  Schulbeginn  um  8  Uhr  im  Winter 
und  7  Uhr  im  Sommer  zu  belassen,  den  Nachmittagsunterricht  aber 
abzuschaffen;  in  allen  Orten  westlich  des  15.  Längengrades  dagegen 
den  Beginn  des  Unterrichts  auf  9  Uhr  im  Winter  und  8  Uhr  im 
Sommer  zu  verlegen  und  im  Winter  einen  zweiteiligen  Unterricht 
von  9  bis  12  und  von  2  bis  4  Uhr,1  im  Sommer  aber  einen  un- 
geteilten Unterricht  von  8  bis  1  Uhr  allgemein  einzuführen.  Werden 
diese  Vorschläge  befolgt,  dann  wird  die  mitteleuropäische  Zeit  ihre 
allseitig  anerkannten  sonstigen  Vorzüge  in  vollem  Umfange  geltend 
machen,  ohne  die  Schuljugend,  die  Hoffnung  des  Vaterlandes,  in 
ihrem  Gedeihen  zu  beeinträchtigen.  Doch  würde  ich  schon  eine 
Belohnung  darin  sehen,  wenn  durch  diese  Zeilen  in  berufenen  Kreisen 
eine  Anregung  zu  eingehender  Erwägung  dieser  meines  Erachtens 
höchst  wichtigen  Frage  gegeben  wäre. 

Physiologische    Untersuchungen    von    Schulkindern    in 

>n  sind  nach  „Med.  Newsu  zu  dem  Zwecke  angestellt 
worden,  den  Einfluß  der  Nationalität,  der  Dichtigkeit  der  Bevölkerung, 
der  Schulhygiene  und  des  Systems  der  physischen  Erziehung  auf  den 
Körper,  namentlich  die  Körperlänge  und  das  Körpergewicht,  kennen 
zu  lernen.  Besondere  Berücksichtigung  fand  dabei  auch  das  Nervensystem, 
indem  Dr.  Mao-Donald  die  Kinder  mit  dem  Aesthesiometer,  Dynamo- 
meter, Baraesthesiometer  und  Thermaesthesiometer  auf  ihre  Kraft  und 
Empfindlichkeit  für  bestimmte  Eindrücke  prüfte. 

Die  Anstellung  von  Schulzahnärzten  in  Deutschland  wird 

von  R.  Kuhns  in  der  „Dtseh.  Monatsschr.  f.  ZahrMkde.a  gefordert. 
Abgesehen  von  den  schlaflosen  Nächten,  die  durch  Zahnschmerz 
verursacht  werden  und  gerade  den  jugendlichen  Körper  ermatten 
und  zur  Schularbeit  unfähig  machen,  können  schlechte  Zähne  für 
eine  ganze  Reihe  von  Berufsarten  verhängnisvoll  werden.  Verfasser 
kennt  einen  Postbeamten,  der  entlassen  wurde,  weil  er  sich  wegen 
der  schlechten  Beschaffenheit  seines  Gebisses  dem  Publikum  nicht 
verständlich  machen  konnte.  Die  Laufbahn  der  Sänger  und  der 
Schauspieler  ist  jungen  Leuten  mit  krankhaftem  Gebüs  fast  voll- 


1  Wo  erst  nach  2  Uhr   zu  Mittag  gegessen  wird,   geben  wir  dem 
ungeteilten  Unterrichte  auoh  im  Winter  den  Vorzug.    D.  Red. 


I 


559 

ständig  verschlossen;  Musiker  für  Blasinstrumente  benötigen  in  ganz 
hervorragender  Weise  ihrer  Vorderzähne.  Thatsache  ist,  dafe  in 
Kadettenanstalten  die  Zähne  der  Zöglinge  regelmäßig  untersucht 
werden,  weil  die  Militärbehörde  den  Wert  eines  gesunden  Gebisses 
und  dessen  Einfluß  auf  die  Stimmbildung  für  einen  Offizier  zu 
schätzen  weift.  Der  Autor  denkt  sich  die  Thätigkeit  der  Schul- 
zahnärzte etwa  in  folgender  Weise.  Jährlich  viermal  untersucht  ein 
geprüfter  Zahnarzt  die  Zöglinge  der  ihm  überwiesenen  Schule  an 
den  Zähnen  und  schickt  an  die  Eltern  einen  Bericht  Aber  den 
Zustand  des  Gebisses,  wenn  eine  Behandlung  nötig  erscheint.  Manche 
Eltern  werden  dann  vorziehen,  sich  an  ihren  Hauszahnarzt  zu 
wenden,  andere  aber  gern  den  Schulzahnarzt  konsultieren,  zumal 
dadurch  die  Behandlung  billiger,  vielleicht  sogar  kostenfrei  werden 
würde,  falls  der  Staat,  die  Gemeinde  oder  die  Schule  selbst  die 
Mittel  zur  zahnärztlichen  Behandlung  aufbrächten,  was  für  Volks- 
schulen jedenfalls  zu  erstreben  wäre. — Niemand,  so  bemerken  wir  hierzu, 
wird  an  der  hohen  Bedeutung  eines  gesunden  Gebisses,  insbesondere 
auch  für  die  Verdauung,  zweifeln,  und  die  Schule  thut  daher  gewÜs 
gut,  bei  passender  Gelegenheit  auf  diesen  Punkt  hinzuweisen.  Allein 
die  prophylaktische  und  therapeutische  Fürsorge  für  die  Zähne  der 
Kinder  ist  Sache  der  Eltern,  nicht  der  Unterrichtsanstalten,  die 
konsequenterweise  sonst  auch  Schulaugenärzte,  Schulohrenärzte,  Schul- 
kehlkopfärzte u.  s.  w.  anstellen  muteten. 

Gegen  den  nbermäfsigen  Biergenufs  in  akademisch  ge- 
bildeten Kreisen  äufsert  sich  E.  von  Hartmann:  „Der  deutsche 
Volkscharakter  ist  mit  zwei  Grundfehlern  behaftet,  mit  einem  ab- 
strakten Idealismus,  der  ihn  unpraktisch  macht,  und  als  Gegenstück 
dazu  mit  einer  sinnlichen  Genußsucht,  die  ihn  durch  Unmäfsigkeit 
hindert,  seinen  Idealen  treu  zu  bleiben.  Obwohl  das  deutsche 
Volk  das  bildungsfähigste  aller  Völker  ist,  so  ist  doch  die  allgemeine 
Bildung  seiner  höheren  Stände  in  einem  erschreckenden  Rückgang 
begriffen,  weil  der  Bierkonsum  der  studierenden  Jugend  weder  Zeit 
noch  Nüchternheit  mehr  läftt,  um  mehr  zu  lernen,  als  die  gesteigerten 
Ansprüche  der  Berufsbildung  erfordern.  Noch  immer  sind  die  deutschen 
Jünglinge  in  der  wahrhaft  barbarischen  Anschauung  befangen,  als 
ob  Mäßigkeit  ein  Zeichen  unmännlicher  Schwäche,  Unmäfsigkeit  aber 
ein  würdiger  Gegenstand  der  Renommage  sei."  F.  Paulsen  aber 
sagt  in  seinem  System  der  Ethik:  „Die  Bierseligkeit  des  akademischen 
und  nicht  akademischen  Philistertums,  welche  in  Deutschland  so  ver- 
breitet ist,  und  der  Kultus  des  Bauches  in  der  reichen  und  vornehmen 
Welt  verwüsten  das  Leben  nicht  minder,  als  der  Branntweingenufc. 
Kann  jemand,  der  tagaus  tagein,  morgens  und  abends  stundenlang 
bei  stumpfsinnigem,  hundertmal  wiedergekäutem  Geschwätz  oder  ödem 


560 

Sfcatspiel  in  dem  Tabaksqualm  der  Bierkneipen  sitzt,  um  endlich 
einen  leeren,  dumpfen  Kopf  nach  Hanse  zn  tragen,  kann  ein  solcher 
irgend  etwas  Ernstes  und  Graftes  mit  Ausdauer  und  Eifer  treiben?" 
Ähnlich  rät  GUSTAV  Freytaö  in  den  Erinnerungen  ans  seinem  Leben 
dem  jungen  Geschlechte  „das  einfache,  häusliche  und  ehrbare  Leben" 
an,  wie  es  in  den  sechziger  Jahren  in  seinem  Leipziger  Kreise  üblich 
war.  „Es  ist  ein  übler  Brauch,  wenn  der  Mann  den  Abend  im 
Klub  oder  in  Restaurationen  verlebt.  Gegenüber  der  Yerschlemmnng, 
welche  in  unser  Tagesleben  eindringt,  ist  es  Zeit,  daran  zu  mahnen, 
daft  alle  diese  reichlichen  Zuthaten  zu  dem  Leben  ein  unnützer  Ballast 
sind,  der  da,  wo  er  zur  Herrschaft  kommt,  den  Menschen  nicht 
heraufhebt,  sondern  hinabdrückt,  der  unserer  Jugend  die  Gründung 
eines  eigenen  Haushaltes  erschwert  und  uns  am  meisten  da  schadigt, 
wo  wir  anderen  seither  überlegen  waren,  in  der  Zucht  und  Ordnung 
des  Familienlebens/  M.  von  Pettenkofer  endlich  hält  „den  frei- 
willigen Wirtshauszwang  für  weit  gesundheitsschädlicher,  als  den  vom 
8taate  geschaffenen  Schulzwang"  —  ein  Ausspruch,  den  auch  hier 
und  da  ein  junger  Lehrer  beherzigen  könnte. 

Zur  Verbreitung  der  Diphtherie  dmrch  die  Schule.  „The 
Samt.  Inspect"  berichtet:  In  Detroit,  Michigan,  herrschte  eine 
heftige  Diphtherieepidemie  unter  den  Schulkindern,  welche  auf  eigen- 
tümliche Weise  entstanden  war.  Nach  Schlafs  der  Schule  wurden 
täglich  sämtliche  Bleifedern  in  einem  Kasten  aufbewahrt  und  am 
nächsten  Morgen  wieder  an  die  Schüler  verteilt.  Die  Krankheit 
verbreitete  sich  dadurch,  dafe  die  Kinder,  wie  dies  häufig  geschieht, 
die  Bleifedern  in  den  Mund  nahmen.  Auf  diese  Weise  konnte  ein 
diphtherisches  Schulkind  viele  andere  anstecken.  Es  ist  daher  in 
dieser  Beziehung  Vorsicht  zu  beobachten  und  die  erwähnte  Schul- 
sitte womöglich  abzuschaffen. 

Milchstationen  für  arme  Schulkinder.  Die  »Schweiz.  Bl. 
f.  Gsdktspfl."  berichten,  dafs  in  St.  Gallen  eine  besondere  Schul- 
armenkommission seit  einigen  Jahren  während  der  Sommerferien 
sogenannte  Milchstationen  für  bedürftige  Schulkinder  errichtet.  Die 
Mittel  für  dies  humane  Unternehmen  werden  durch  freiwillige  Beiträge 
gewonnen.  Im  letzten  Jahre  wurden  auf  5  Stationen  an  270  Kinder 
3000  Liter  Milch  und  2600  Pfund  Brot  mit  einem  Kostenaufwand 
von  1075  Franken  verteilt.  Jedes  Kind  erhielt  je  3  Deciliter 
Milch  und  7*  Pfund  Brot,  was  erfahrungsgemäß  für  die  vollständige 
Sättigung  desselben  morgens  und  abends  ausreicht.  Der  Erfolg 
für  Kräftigung  der  meist  den  ärmsten  Familien  angehörigen  Schul- 
kinder war  um  so  durchschlagender,  als  auch  die  Ferien  ihr  Teil 
zur  Erholung  beitrugen.  Es  verdient  diese  Einrichtung  für  schlecht 
genährte   und   infolge  ungenügender  Bluterzeugung  zu  Krankheiten 


661 

aller  Art  disponierte  Kinder  jedenfalls  die  aufmerksamste  Würdigung 
der  Schulhygieniker.  Hat  doch  der  jüngst  verstorbene  6.  Kjbllberö 
gezeigt,  dafe  gerade  bei  Blutarmut  das  kindliche  Gehirn  sehr  wenig 
leistungs-  und  widerstandsfähig  ist. 


Safesgeftfyt^tltifye*. 


Der  XI.  internationale  medizinische  Kongrefs  in  Rom 

und  die  damit  verbundene  medizinisch-hygienische  Ausstellung  wurden 
auf  den  Monat  April  1894  verschoben.  Die  Ausdehnung,  welche 
die  Cholera  in  Frankreich,  Italien,  Österreich,  Ungarn  und  Rufsland 
gewonnen  hat,  so  dafe  manche  Regierungen  sich  veranlaßt  sahen, 
den  Ärzten  das  Verlassen  ihrer  Wohnsitze  zu  untersagen,  die  Gut- 
achten der  berühmtesten  italienischen  und  ausländischen  Specialisten, 
die  den  Aufschub  befürworteten,  zahlreiche  Briefe  eingeschriebener 
Mitglieder,  welche  ankündigten,  im  September  nicht  nach  Rom 
kommen  zu  können,  nötigten  das  Exekutivkomitee,  den  Kongrefs  auf 
eine  Jahreszeit  zu  verlegen,  wahrend  welcher  erfahrungsgemäß  die 
Ansteckungsherde  erloschen  sind  oder  wenigstens  schlummern. 

Akute  psychische  Epidemie  in  einer  Mädchenschule.  Die 
Mitteilungen  von  Palmer1  und  Hirt*  über  psychische  Schulepide- 
mien  veranlagten  unseren  verehrten  Mitarbeiter,  Herrn  Medizinalrat 
Dr.  S.  Rembold  in  Stuttgart,  in  der  „Berl.  Min.  Wochschr."  eben- 
falls über  eine  hysterische  Epidemie  zu  berichten,  welche  er  in  der 
Römerschule  zu  Stuttgart  im  Januar  v.  J.  beobachtete.  Auf  die 
Nachricht  hin,  dafs  in  der  genannten  Schule  ganz  plötzlich  eine 
grofee  Anzahl  von  Kindern  heftig  erkrankt  seien,  begab  sich  Verfasser 
dorthin  und  fand  ein  eigentümliches  Bild,  indem  sich  durch  die 
halbe  Länge  des  Korridors  aus  der  Thür  des  Schulzimmers  heraus 
und  zur  Thür  des  Zeichensaales  hinein  ein  Zug  aufgeregter,  lebhaft 
gestikulierender,  lärmender  Mädchen  im  Alter  voi  9  bis  12  Jahren 
bewegte.  Sie  waren  zu  zweien  oder  dreien  gruppiert,  je  eine  von 
einer  anderen  geführt  oder  von  zwei  anderen  geschleppt.  Die  Ge- 
schleppten hingen  meist  völlig  erschlafft  in  den  Armen  ihrer  Gefähr- 
tinnen, den  Kopf  auf  die  Brust  gesenkt,  die  Beine  auf  dem  Fufe- 
hoden  nachschleifend.  Im  Zeichensaal  safsen  ungefähr  40  Mädchen 
auf  den  Schulbänken  herum,    die   einen  scheinbar  völlig  bewußtlos, 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1892,  No.  12,  S.  556—567.    D.  Red. 
*  S.  diese  Zeitschrift,  1898,  No.  4,  S.  225-229.    D.  Red. 


562 

mit  geschlossenen  Augen  and  schlaff  herabhängenden  Gliedern,    von 
Mitschülerinnen  mit  Mflhe  aufrecht  erhalten,  die  anderen  laut  weinend 
und  krampfhaft  schluchzend,    am  ganzen  Leibe  heftig  zitternd,    der 
Best  in  staunendem  Schrecken  die  plötzlich  erkrankten  Genossinnen 
anstarrend.     Nachdem   die  letzteren   in  ihre  Klasse  zurückgeschickt 
und   die  aufgeregten  Lehrer  und  Schulkinder  beschwichtigt   waren, 
auch  den  Auftrag  erhalten  hatten,  den  Unterricht  wieder  aufzunehmen, 
wurden  die  25  heulenden  und  zitternden  Kinder  unter  beruhigendem 
Zuspruch  an  die  geöffneten  Fenster  gestellt  und  zum  tiefen  Einatmen 
der  frischen  Luft  aufgefordert   mit  der  Zusage,    dafs   hierdurch  in 
Kurze  das  Unwohlsein  gehoben  sein  wurde.     Bei  zehn  auf  dem  Fufc- 
boden  liegenden  Mädchen  war  dies  nicht  möglich,  da  sie  das  Bfld 
des  tiefsten  Schlafes  darboten ;  das  Aussehen  war  sehr  blafe,  die  Atmung 
tief  und  ruhig,   die  Muskulatur  schlaff,   das   Auge  geschlossen,  der 
Puls  etwas  schwach,  aber  von  normaler  Frequenz.     Charakteristisch 
erschien  bei  mehreren  die  zitternde  Bewegung  des  oberen  Augenlides, 
wie  man  sie  bei  hypnotischen  Versuchen  häufig  sieht.    Beim  Eröffnen 
der  Lider  floh  das  Auge  nach  oben,  bei  späterem  Einstellen  desselben 
reagierte  die  Pupille  auf  Licht.     Anrufen  und  Schütteln  blieb  ohne 
jeden  Eindruck.  Beim  Versuch  des  Aufhebens  blieben  die  meisten  schlaff 
im  Arme  hängen,  nur  zwei  wurden  dabei  steif  im  Nacken  und  Bücken. 
Alle  aber  blieben  scheinbar  in  gleicher  Weise  bewußtlos.    Der  Reihe 
nach  erhielt  jedes  Mädchen  ins  Gesicht  V*  Liter  Wasser  gespritzt, 
und  zugleich  wurde  ihm  energisch  befohlen,  sofort  aufzustehen  und  die 
Dummheiten  zu  unterlassen.  Dieses  Heilmittel  war  von  augenblicklichem 
Erfolg.    Halb  erstaunt,  halb  beschämt  fuhren  die  Mädchen  vom  Boden 
auf  und  eilten  an  das  Fenster  bis  auf  die  zwei  oben  erwähnten  Kinder, 
welche  Steifheit  gezeigt  hatten ;  bei  diesen  wurde  eine  Wiederholung 
des  Anspritzens  nötig  unter  der  Androhung,  dafs  dasselbe  nicht  eher 
aufhören  werde,    als   bis  das  thörichte  Benehmen  beendet  sei.    Die 
Befallenen   gehörten   mit    einer  Ausnahme   alle  einer  Klasse   von 
9  bis  10jährigen,   durchweg   aus   den  unteren  Ständen  stammenden 
und  vielfach  schlecht  genährten  Mädchen  an.    Sie  waren  morgens  am 
8  Uhr  7*  Stunde  in  der  Kirche  gewesen  und  dann  in  die  Schale 
geführt  worden,  welche  allen  hygienischen  Anforderungen  entspricht 
und  keine  Überfüllung  zeigt.     Gleich  nach  Beginn   des  Unterrichts 
war  dann  ein  Kind  ohne  Ursache  bewufstlos  über  die  Bank  gefallen 
und  nun  in  kürzester  Zeit  eine  ziemliche  Anzahl  ebenfalls,  im  ganzen 
etwa  ein  Drittel  der  Klasse.     Um   nicht   noch  weitere  Veranlassung 
zum  Nachahmen  der  Anfälle  zu  geben,  wurden  keine  sonstigen  Nach- 
forschungen angestellt  und  der  Unterricht  mit  den  Schülerinnen  am 
Nachmittag  wieder  aufgenommen.     Verfasser  erinnert  an  die  Ähn- 
lichkeit  der    geschilderten   Scenen   mit   denjenigen  bei  öffentlichen 


563 

Impfterminen,  wo  beim  Anblick  eines  Impfschnittes  oder  Bluttropfens 
ein  Kind  in  Ohnmacht  fällt  und  sofort  ein  paar  andere  gleichfalls 
ohnmächtig  werden,  ein  Zustand,  der  als  Autosuggestion  aufzufassen  ist. 
Besonders  bemerkt  zu  werden  verdient,  dafs  sich  die  Epidemie  nicht, 
wie  die  von  Palmbb  und  Hirt  beschriebenen,  allmählich  entwickelte, 
sondern  ganz  akut  auftrat. 

Hygienischer  Unterricht  Ar  Lehramtskandidaten  in  Italien. 

Am  Instituto  di  studii  superiori  in  Florenz  hatten  sich  vor  einiger 
Zeit  sftmüiche  Professoren  und  Assistenten  für  den  hygienischen  Unter- 
richt an  den  italienischen  Universitäten  versammelt,  um  über  gemein- 
same wissenschaftliche,  wie  Standesinteressen  zu  beraten.  Es  han- 
delte sich  vor  allem  darum,  eine  einheitliche  Richtung  für  den 
Unterricht  inderOesundheitspflege  festzustellen.  Aufserdem  wurde  der 
Vorschlag  besprochen  und  angenommen,  den  hygienischen  Unterricht 
auch  auf  die  Studierenden  der  technischen  Hochschulen,  pharmazeu- 
tischen Fachschulen,  der  juristischen  Fakultäten  und  auf  die  Lehr- 
amtskandidaten auszudehnen.  Für  die  Durchführung  dieser  Be- 
schlüsse wirkt  ein  Komitee,  dessen  Präsident  Professor  Sobmani  ist. 

Vergiftung  in  einer  englischen  Distriktschule.  »The  Brit. 

Med.  Joum."  enthält  einen  Aufsatz  des  ärztlichen  Schulinspektors 
George  C.  Bell  :  „Bericht  über  Vergiftungsfälle  in  der  Forest 
Gate  IHslriktschule" ,  dem  wir  folgendes  entnehmen.  Am  23.  Juni 
d.  J.  wurde  dem  Genannten  gemeldet,  dafe  gegen  30  Schulknaben 
an  Erbrechen  litten.  Er  fand  dieselben  im  Bett,  über  Stirndruck, 
Erbrechen,  Schmerz  in  der  Magengegend  und  in  einzelnen  Fällen 
auch  über  Durchfall  klagend.  Bei  10  war  die  Temperatur  auf  101° 
gestiegen,  und  diese  hatten  eine  ziemlich  trockene,  braune  Zunge 
und  einen  Puls  von  100 — 120  Schlägen.  Die  übrigen  besafsen 
normale  Temperatur,  eine  reine  Zunge  und  einen  Puls  von  ungefähr 
80  Schlägen.  In  3  Fällen  war  das  Erbrechen  sehr  heftig,  doch 
bestand  kein  Kollaps.  Zu  gleicher  Zeit  waren  20  Mädchen  erkrankt, 
aber  offenbar  weniger  ernst  als  die  Knaben.  Im  Laufe  des  23.  Juni 
wurden  noch  30  Kinder  leicht  befallen.  Am  24.  Juni  folgten 
dagegen  25  weitere  Erkrankungen  bedenklicher  Art,  indem  10  der- 
selben Kollapserscheinungen  zeigten.  Von  den  15  Erkrankungen 
des  25.  Juni  waren  2  ernst,  dann  traten  am  26.  Juni  8,  am 
27.  Juni  7  leichte  Fälle  auf  und  von  da  an  2 — 3  Tage  lang  einige 
gewöhnliche  Sommerdiarrhöen.  Zwei  der  erkrankten  Kinder  starben, 
alle  übrigen  genasen  und  kehrten  zu  ihrer  gewohnten  Arbeit  zurück. 
Die  Diät  der  Schule  hatte  an  den  beiden  Tagen  vor  der  Erkrankung 
aus  folgendem  bestanden.  Am  Mittwoch  Frühstück:  Thee,  Kakao, 
in  Milch  gekocht,  Milch  und  Wasser,  dazu  Brot  mit  Butter  oder 
Sirup;  Mittagsessen:    kaltes  gesalzenes   Fleisch,  Brot  und  Wasser. 


564 

Am  Donnerstag  Frühstück  wie  tags  zuvor.  Mittagsessen  für  die 
Knaben  und  Madchen  über  7  Jahren:  Suppe,  ans  dem  gesalzenen 
Ochsenfleisch  des  vorhergehenden  Tages  und  d$n  Knochen  vom 
gestrigen  Mittagsmahl  der  Beamten  nebst  Mehl,  Zwiebeln  und  Wasser ; 
für  die  kleinen  Kinder:  Brotpudding.  Von  letzteren  erkrankte  kein 
einziges;  ebenso  keins  von  den  im  Krankenhaus  befindlichen,  welche 
nur  Suppe  genossen  hatten.  Das  Fleisch  wird  täglich  aus  London 
geschickt,  von  dem  Direktor  besichtigt  und  hat  sich,  soweit  Auge 
und  Nase  dies  beurteilen  können,  stets  tadellos  gezeigt.  Auch  hatte 
der  Direktor  einen  Teil  des  gesalzenen  Fleisches  für  seine  Tafel 
benutzt,  ohne  irgend  welchen  Nachteil  davon  zu  verspüren.  Danach 
ist  die  Vergiftungsursache  bis  jetzt  noch  nicht  sicher  festgestellt; 
Aufklftrung  wird  erst  die  chemische  Untersuchung  der  Eingeweide 
der  beiden  Verstorbenen  bringen,  welche  zur  Zeit  des  Berichtes 
noch  nicht  abgeschlossen  war. 

Ober  die  Körperpflege  im  Falkrealgymnasium  zu  Berlin 

schreibt  unser  verehrter  Mitarbeiter,  Herr  Direktor  Dr.  Tfl.  Bach, 
in  dem  Programme  seiner  Anstalt:  Den  Zögling  der  Volksschule 
mag  man  als  einen  Schüler  betrachten,  der  eben  seiner  gesetzlichen 
Schuldienstpflicht  genügt,  aber  neben  den  Arbeiten  in  der  Schule 
und  für  die  Schule  noch  allerlei  Thätigkeiten  in  Hans,  Flur  und 
Feld  übernehmen  mnfs.  Der  Zögling  einer  höheren  Lehranstalt 
mufs  sich  als  Schüler  von  Beruf  betrachten,  und  er  mnfs  von  seinem 
Berufe  recht  erfüllt  sein,  will  er  ihm  völlig  genügen.  Alle  anderen 
Thätigkeiten,  alle  Abhaltungen,  Zerstreuungen,  Genüsse  wirken  störend 
auf  diesen  Beruf.  Aber  wie  der  Mann,  wenn  er  es  auch  noch  so 
ernst  mit  seinem  Berufe  nimmt,  doch  auch  noch  andere  Lebens- 
pflichten  zu  erfüllen  hat,  und  wie  er,  je  angestrengter  und  hin- 
gebender er  in  seinem  Berufe  arbeitet,  desto  mehr  der  Erholung 
bedarf,  sei  es  in  behaglicher  Ruhe  oder  in  entgegengesetzter  Th&tig- 
keit,  ebenso  ist  der  Schüler  doch  nicht  ausschliesslich  Schüler,  und 
je  eifriger  er  sich  als  solcher  der  Kopfarbeit  und  Sitzarbeit  hingibt, 
desto  mehr  ist  er  der  Erfrischung  bedürftig  durch  Handarbeit, 
Gliederthfitigkeit,  Bewegung  in  frischer  Luft  und  freie  Geselligkeit 
Die  Art  und  das  Mals  solchen  Ausgleiches  zu  bestimmen,  ist  in  erster 
Linie  Sache  des  Hauses.  Aber  auch  die  Schule  bietet  gern  dara 
Gelegenheit,  wo  und  wie  sie  kann.  Seit  Ostern  1887  ist  im  Falk- 
realgymnasium die  erste  Schülerwerkstätte  des  unter  dem  Protektorat 
der  Kaiserin  Friedrich  stehenden  Berliner  Hauptvereins  für  Knaben- 
handarbeit eingerichtet.  Der  Prospekt  des  Vereins  besagt:  „Die 
Arbeit  in  der  Schülerwerkst&tte  will  die  praktischen  Fähigkeiten 
des  Geistes  zur  volleren  Entwicklung  bringen,  sowie  den  außer- 
ordentlich regen  Trieb   der  Knabennatur,    zu  gestalten,   zu  schaffen 


565 

und  sich  praktisch  thfltig  zu  erweisen,  befriedigen.  Sie  gewöhnt 
schon  früh  an  stete  nützliche  Beschäftigung  in  den  Mufse- 
standen,  weckt  in  dem  Knaben  das  Interesse  und  das  Verständnis 
für  die  werkthätige  Arbeit  der  Hand  und  ist  zugleich  eins  der  ge- 
eignetsten Mittel,  den  Knaben  nach  der  Anstrengung  des  Geistes 
wieder  zu  erfrischen  und  für  neue  Lernarbeit  aufnahmefähig  zu 
machen."  Die  Unterrichtsfächer  in  der  Schülerwerkstätte  sind: 
1.  Erste  Vorstufe:  Papier-,  Karton-  und  Stäbchenarbeiten  für 
Knaben  vom  8.  Lebensjahre  ab.  2.  Zweite  Vorstufe:  Leichte  Holz- 
arbeiten für  Knaben  vom  10.  Lebensjahre  ab.  3.  Papparbeit  für 
Knaben  vom  11.  Lebensjahre  ab.  4.  Holzschnitzerei  (Kerbschnitt) 
für  Knaben  vom  12.  Lebensjahre  ab.  5.  Hobelbankarbeit  für  Knaben 
vom  12.  Lebensjahre  ab.  Jeder  Schfller  darf  nur  an  einem  Fache 
teilnehmen.  Unterrichtszeit:  Mittwochs  und  Sonnabends,  bei  Be- 
dürfnis auch  an  anderen  Tagen,  von  3  Uhr  ab  je  l1/»  Stunden. 
Die  Unterrichtskosten  betragen  vierteljährlich  für  Schulgeld,  Material 
und  Benutung  der  Werkzeuge  5  Mark  für  die  Unterrichtsfächer 
l-*-4,  6  Mark  für  die  Hobelbankabteilung.  Es  ist  unter  Umständen 
aber  auch  Ermäßigung,  beziehungsweise  Erlab  des  Unterrichtsgeldes 
möglich.  Das  freiwillige  Abendturnen  findet  a.  für  die  Primaner, 
Sekundaner  und  Obertertianer  jeden  Dienstag  von  5  bis  6  7*  Uhr, 
b.  für  die  Untertertianer,  Quartaner,  Quintaner  und  Sextaner  jeden 
Mittwoch  von  31/«  bis  5  Uhr  statt.  Der  Halbjahresbeitrag  für 
Spielgerätschaften  u.  s.  w.  beträgt  50  Pf.  Die  Einlösung  der 
Mitgliedskarte  verpflichtet  zu  regelmässigem  Besuche,  beziehungsweise 
Entschuldigung  des  Ausbleibens  bei  dem  leitenden  Lehrer.  Den 
Konfirmanden  der  Tertia,  Freischülern  und  anderen,  die  sich  beim 
Direktor  darum  bewerben,  wird  die  unentgeltliche  Teilnahme  ge- 
stattet Bei  günstigem  Wetter  werden  jeden  Sonnabend  für  alle 
Schfller  der  Anstalt  von  5  bis  7  Uhr  Bewegungsspiele  auf  dem 
Tempelhofer  Felde  veranstaltet.  Im  Interesse  der  Frische  und 
Gesundheit,  Gewandtheit  und  Kraft  der  Schüler  ist  eine  möglichst 
zahlreiche  und  regelmäßige  Teilnahme  zu  wünschen.  Alle  loben 
die  Einrichtung,  aber  oft  werden  gerade  diejenigen  ferngehalten  oder 
halten  sich  selbst  fern,  welchen  die  Teilnahme  am  heilsamsten  wäre ; 
und  will  es  in  der  Schule  nicht  recht  gehen,  so  tritt  alsbald  ein 
Fernbleiben  oder  Fernhalten  von  diesen  Übungen  und  Spielen  ein, 
während  das  häusliche  Arbeitsleben  in  anderer  Weise  und  an  anderer 
Seite  einer  planmäßigeren  Ordnung  und  Konzentration  bedürfte.  Es 
mufs  wiederholt  hervorgehoben  werden,  dafe  viele  unserer  tüchtigsten 
und  arbeitsfreudigsten  Schüler  ihre  ganze  Schulzeit  hindurch  zu  den 
regelmäßigsten  und  fröhlichsten  Abendturnern  gehört,  dafe  wir 
wackere  Abiturienten  entlassen  haben,  die  9  Jahre  hindurch  solche 


566 

freiwillige  Turner  und  Vorturner  gewesen  sind.  Möge  ihr  preis- 
würdiges  Beispiel  recht  zahlreiche  Nachahmer  finden! 

Todesfall  in  Rugby  College  infolge  eines  Wettlaufes,   In 

Rugby  College  spielten  die  Schüler  „Hase  und  Hund"  und  machten 
dabei  einen  Wettlauf  von  4  englischen  Meilen.  Die  Folge  davon 
war,  dafis  ein  Schüler  der  groben  Anstrengung  erlag.  „The  Samt 
Inspect"  hebt  bei  dieser  Gelegenheit  hervor,  dafe  man  nie  Knaben 
an  einem  Laufe  sollte  teilnehmen  lassen,  bei  dem  es  auf  Schnelligkeit 
und  Ausdauer  ankommt,  bevor  nicht  ihr  Herz  und  ihre  Lunge 
untersucht  und  gesund  befunden  wären. 

Eine  Gesellschaft  fftr  Öffentliche  Schulgärten  in  Wien  hat 

sich  kürzlich  konstituiert.  Die  vielen  außer  der  Schulzeit  sich  selbst 
überlassenen  Kinder  der  Armen  sollen  Statten  erhalten,  welche  den- 
selben nicht  nur  einen  gesundheitsfördernden  Aufenthalt  im  Freien, 
sondern  auch  entsprechende  Aufsicht,  Pflege  und  Beschäftigung  ge- 
währen. 

Die  Lehrerbildungsanstalt  des  deutschen  Vereins  für 
Knabenhandarbeit  zu  Leipzig  hatte  in  ihrem  letzten  Kurse  bis 
zum  24.  Juli  68  Teilnehmer,  von  denen  37  dem  deutschen  Reiche 
und  31  dem  Auslande  angehörten.  Die  37  deutschen  Lehrer  ver- 
teilten sich  folgendermaßen:  23  waren  aus  Freufsen,  5  aus  dem 
Königreich  Sachsen,  4  aus  dem  Grofsherzogtum  Hessen,  2  ans 
Sachsen- Weimar,  2  aus  Anhalt  und  1  aus  Baden.  Von  den  31  Aus- 
ländern kamen  24  aus  England  und  Schottland,  4  aus  Norwegen, 
2  aus  der  Schweiz,  1  aus  Frankreich.  Am  zweiten  Sommerkursus 
werden  86  gleichzeitig  Arbeitende  teilnehmen,  die  höchste  bis  jetzt 
erreichte  Zahl,  darunter  20  vom  bulgarischen  Unterrichtsministerium 
entsendete  Schulmänner.  Was  die  Wahl  der  von  den  Kursisten 
betriebenen  Fächer  anlangt,  so  waren  am  meisten  die  Werkstätten 
für  Papparbeit  und  Holzschnitzerei  besetzt.  Danach  kam  die  Hobel- 
bankarbeit, deren  hoher  Wert  für  die  Ausarbeitung  der  Muskeln 
nicht  zu  verkennen  ist.  Der  Kursus  für  Metallarbeit  war  dank  der 
Beteiligung  der  englischen  Lehrer  in  flottem  Gange;  sie  wissen  die 
Bedeutung  dieses  Arbeitsfaches  für  die  Erziehung  der  jugendlichen 
Körperkräfte,  wie  es  scheint,  besser  zu  schätzen,  als  unsere  Lands- 
leute. Sehr  erfreulich  war  auch  die  Beteiligung  an  den  Arbeiten 
der  sogenannten  Vorstufe,  jener  Yermittelung  zwischen  der  Beschäftigung 
im  Kindergarten  und  derjenigen  in  der  eigentlichen  Schülerwerkstatt. 
Zu  den  namentlich  für  Lehrer  an  höheren  Schulen  berechneten  Unter* 
richtskursen,  welche  die  Elemente  der  Handarbeit  mit  Rücksicht  auf 
die  Herstellung  von  Anschauungsmitteln  für  den  physikalischen,  mathe- 
matischen und  naturkundlichen  Unterricht  methodisch  zusammenfassen, 
hatten  sich  leider  nicht  genug  Teilnehmer  gemeldet.     Alles  in  allem 


567 

genommen,  herrscht  auf  dem  Gebiete  der  erziehlichen  Knabenhand- 
arbeit  ein  so  kräftiges,  frisch  pulsierendes  Leben,  dafs  an  ein  Zurück- 
gehen oder  Unterliegen  dieser  Bestrebungen  nicht  wohl  mehr  gedacht 
werden  kann. 

Schlittschuhlaufen  und  Schwimmen  der  Realschüler  in 
Strafsburg  i.  E.  Während  des  Winters  1892—93  haben  an  der 
Realschule  bei  St  Johann  zu  Strafsburg  i.  E.  von  den  237  Schülern 
der  Klassen  von  Quarta  aufwärts  im  ganzen  223,  also  94%,  das 
Schlittschuhlaufen  betrieben,  und  ist  zu  diesem  Zwecke  für  sämtliche 
Realklassen  von  Quarta  aufwärts,  acht-,  bezw.  neun-  oder  zehnmal 
eine  Turnstunde  freigegeben  worden.  An  den  Schwimmübungen 
nahmen  im  letzten  Sommer  von  415  Schülern  der  Realklassen  200, 
also  rund  48,2%  teil,  während  die  übrigen  215,  also  51,8%, 
wenigstens  regelmäfsig  baden  gingen. 

Das  Seehospiz   für  arme  skrofulöse  Kinder  Italiens  in 

Porto  d'Anzio  ist  aus  kleinen  Anfängen  hervorgegangen,  hat  sich 
aber,  obgleich  noch  jungen  Datums,  kräftig  entwickelt.  Dem  Komitee 
des  Hospizes,  das  1867  nur  6  Kinder  hinausschicken  konnte,  war 
es  1885  schon  möglich,  700  dieser  Wohlthat  teilhaftig  zu  machen. 
Es  besitzt  jetzt  ein  Vermögen  von  über  140000  Lire  und  den  Palast 
Albani  am  Strande  des  3  Stunden  von  Rom  entfernten  Porto  d'Anzio. 
Da  dies  Gebäude  für  seine  Zwecke  nicht  mehr  ausreichend  war,  so 
ist  es  in  den  letzten  Jahren  durch  seitliche  Anbauten  vergröbert  und 
zugleich  bequemer  und  entsprechender  eingerichtet  worden. 


ämtli^t  Derfücjttncjen. 


Gesnndheitsregeln  für  die  Schuljugend, 
aufgestellt  von  der  Unterrichtsbchördc  im  Haag.1 

Der  Chef  für  die  Angelegenheiten  des  öffentlichen  Unterrichts 
im  Haag,  Dr.  J.  Th.  Mouton,  hat  vor  kurzem  an  die  Leiter  der 
städtischen  Schulen  ein  von  den  Doktoren  der  Medizin  M.  J.  BouviN, 
C.  J.  L.  Fbith,  J.  H.  M.  Gerards  und  J.  G.  J.  van  Oppenraay 
verfafstes  Rundschreiben  folgenden  Inhalts  versandt. 


1  Vgl.  die  Gesandheiteregeln  des  Berliner  Lehrervereins  in  dieser 
Zeischrift,  1890,  No.  3,  S.  162—164;  No.  6,  S.  361-852.    D.  Red. 


668 


Schulhygiene. 

Pflege  der  Ohren. 

1.  Sorge,  daft  die  Ohren  nicht  stark  erschüttert  werden ;  schlage 
nicht  dagegen,  schreie  nicht  hinein  und  küsse  sie  nicht. 

2.  Bohre  niemals  mit  einem  spitzen  Gegenstande,  wie  einer 
Feder,  einem  Griffel,  einer  Stricknadel  in  die  Ohren;  stopfe 
nichts  hinein,  auch  keine  Watte,  noch  viel  weniger  Watte,  die 
in  Kölner  Wasser,  Harlemer  öl  oder  dergleichen  getaucht  ist 

3.  Beinige  die  Ohrmuschel  und  das  Äußere  Ohr  so  weit,  als  dn 
hineinsehen  kannst,  benutze  aber  dabei  das  Seifenwasser  mit 
Vorsicht  und  trockne  die  nassen  Stellen  gehörig  ab. 

4.  Ist  etwas  ins  Ohr  eingedrungen,  so  rühre  nicht  daran, 
sondern  gehe  möglichst  schnell  zum  Arzt.  Ist  ein  lebendes 
Insekt  hineingekrochen,  so  tröpfle,  bis  derselbe  kommt,  warmes 
Olivenöl  ein. 

5.  Glaube  ja  nicht,  dafe  ein  Ohr,  welches  an  Eiterflufs  leidet, 
ungefährlich  oder  wohl  gar  vorteilhaft  sei.  Lab  dir  vielmehr 
sobald  als  möglich  Bat  deswegen  von  einem  Arzte  erteilen. 

Pflege  der  Nase. 

1.  Halte  die  Nase  immer  rein.  Bedenke,  dafs  der  Hund  zum 
Essen  und  zum  Sprechen  dient,  die  Nase  zum  Atmen.  Schnaube 
niemals  mit  einem  trompetenartigen  Tone  aus,  sondern  stets 
erst  die  eine,  dann  die  andere  Nasenhälfte. 

2.  Wenn  du  nicht  jederzeit,  z.  B.  nicht  beim  Gehen,  Laufen, 
Sprechen,  Schlafen  gehörig  Atem  durch  die  Nase  holen  kannst, 
so  lafs  untersuchen,  woran  das  liegt. 

3.  Sorge,  dafs  die  Kinder  von  den  ersten  Monaten  an  immer  den 
Mund  geschlossen  halten.  Wenn  sie  mit  hintenübergeneigtem 
Kopfe  und  offenem  Munde  in  der  Wiege  liegen,  so  ordne  die 
Kissen  derart,  daü  das  Kinn  ein  wenig  auf  die  Brust  herabsinkt 
Bewirkt  dies  nach  wenigen  Wochen  keine  Besserung,  so  rufe 
den  Arzt. 

Pflege  der  Atmungsorgane. 

1.  Atme  mit  geschlossenem  Munde. 

2.  Sorge,  dafe  du  keine  staubige  oder  verdordene  Luft  ein- 
atmest; vermeide  es,  Staub  in  einem  Zimmer  oder  im  Freien 
aufzuwirbeln. 

3.  Spucke  nicht  in  dein  Taschentuch  oder  auf  den  Fufsboden. 


569 

4.  Arbeite  im  Sommer  möglichst  böi  offenen  Fenstern.  Im  Winter 
lüfte  dein  Zimmer  bei  gutem  Wetter  mehrmals  täglich,  indem 
dn  Thttren  und  Fenster  aufmachst. 

5.  Setze  dich  nicht  der  Zugluft  ans,  namentlich  dann  nicht,  wenn 
da  sehr  erhitzt  bist. 

6.  Achte  darauf,  dafs  dein  Schlafzimmer  soviel  als  möglich 
frische  Luft  enthalte;  bedenke,  du  bringst  dort  einen  grofsen 
Teil  deines  Lebens  zu,  ruhst  dort  von  den  Mühen  des 
Tages  aus  und  mufst  dort  neue  Kräfte  sammeln  für  den 
folgenden  Tag. 

7.  Presse  nie  die  Brust  oder  den  Unterleib  gegen  einen  Gegen- 
stand an. 

8.  Bewege  dich  während  deiner  Erholungszeit  viel  in  freier  Luft. 

Pflege  der  Augen. 

1.  Lies,  schreibe  und  arbeite  nicht  in  der  Dämmerung  oder  bei 
schlechter  Beleuchtung. 

2.  Wähle  bei  Tage  deinen  Arbeitsplatz  immer  so,  dafs  du  noch 
ein  Stück  Himmel  sehen  kannst  und  das  Fenster  zur  Linken 
hast.    Die  Sonnenstrahlen  dürfen  nicht  auf  deine  Arbeit  fallen. 

3.  Bedecke  die  Lampe  nicht  mit  einem  dunklen  oder  grellfarbigen 
Schirme.  Stelle  sie  etwas  links  in  einer  Entfernung  von 
höchstens  0,5  m  vor  dich  hin.  Es  schadet  immer  den 
Augen,  bei  flackerndem  Lichte  zu  arbeiten  und,  während  man 
in  einem  Wagen,  in  der  Eisenbahn  oder  im  Bette  sich  be- 
findet, zu  lesen.  Die  Lampe,  bei  der  du  arbeitest  oder  liest, 
muis  stets  mit  Cylinder  und  Porzellanglocke  versehen  sein. 

4.  Schreibe  mit  tiefschwarzer  Tinte  auf  deutlichen  Linien.  Benutze 
keine  Linienblätter,  sondern  gewöhne  dich  bald  daran,  ohne 
Linien  zu  schreiben. 

5.  Fühlst  du  Ermüdung  in  den  Augen,  so  höre  zu  arbeiten  auf 
und  sieh  einige  Zeit  zum  Fenster  hinaus,  indem  du  dich 
ausruhst. 

6.  Schone  deine  Augen  noch  einige  Zeit  nach  einer  schweren 
Krankheit. 

7.  Ist  dir  Staub  oder  ein  anderer  Fremdkörper  ins  Auge  ge- 
flogen, so  reibe  dasselbe  nicht;  bewege  nur  den  Finger  sanft 
über  das  Lid  in  der  Richtung  nach  der  Nase  zu;  geht  der 
Körper  auf  diese  Weise  nicht  heraus,  so  wende  dich  an 
den  Arzt. 

8.  Wenn  du  nicht  gut  siehst  oder  sonst  an  den  Augen  leidest, 
so  frage  einen  Arzt  um  Rat;  er  allein  kann  entscheiden,  ob 
du  eine  Brille  brauchst,    ob  du  sie   immer    oder    nur  beim 

8ehu]gwii2uUieUfpfl«ff«  Tl.  37 


570 

Lesen  und  Schreiben  tragen  mufet,  und  welche  Nummer  am 
besten  für  dich  pafst. 

Wie  soll  man  zu  Hanse  beim  Arbeiten  sitzen? 

1.  Das  Fenster  oder  die  Lampe  müssen  sich  zur  Linken  be- 
finden. 

2.  Wenn  du  schreibst,  schiebe  den  Stuhl  so  weit  unter  den 
Tisch,  dafe  sich  der  vordere  Rand  des  Sitzes  2 — 5  cm  unter 
der  Tischplatte  befindet.  Halte  den  Oberkörper  aufrecht,  so 
dafis  die  Brust  den  Tischrand  nicht  berührt. 

3.  Der  Stuhl  soll  so  hoch  sein,  dafs  sich  der  Tisch  in  gleicher 
Höhe  mit  den  Ellenbogen  befindet.  Ist  der  Stuhl,  wie  dies 
häufig  vorkommt,  zu  niedrig,  so  lege  ein  Kissen  darauf. 

4.  Setze  die  Füfse  auf  den  Boden  oder  benutze  eine  Fufsbank, 
wenn  sie  denselben  nicht  erreichen. 

5.  Schlage  die  Beine  weder  mit  den  Knien,  noch  mit  den 
Knöcheln  übereinander;  auch  ziehe  die  Füfse  nicht  unter  den 
Stuhl  zurück. 

6.  Setze  dich  grade  auf  den  Stuhl,  lehne  den  Rücken  an  die 
Lehne,  nicht  die  Brust  an  den  Tisch,  und  neige  den  Kopf 
nicht  zu  weit  vor. 

7.  Lege  die  Vorderarme  in  der  Höhe  der  Ellenbogen  auf  den 
Tisch,  halte  das  Papier  mit  der  linken  Hand  fest  und  schiebe 
es  um  so  weiter  nach  oben,  je  tiefer  du  unten  mit  der  Schrift 
vorrückst. 

8.  Das  Papier  befinde  sich  in  der  Mitte  vor  der  Brust  ein  wenig 
nach  rechts  hin. 

9.  Wenn  du  liest,  rücke  den  Stuhl  etwas  vom  Tische  zurück  und 
halte  das  Buch  mit  beiden  H&nden  fest.  Dasselbe  mufs  immer 
auf  dem  Tische  ein  wenig  geneigt  sein,  so  dafs  der  obere 
Rand  höher  als  der  untere  ist. 

10.  Die  Entfernung  des  Auges  von  der  Schrift  soll  wenigstens 
35  cm  betragen. 

11.  Die  Mädchen  haben  dafür  Sorge  zu  tragen,  dafs  sich  ihre  Röcke 
gleichmäfsig  auf  dem  Sitz  verteilen;  letztere  dürfen  daher 
vor  dem  Niedersetzen  nicht  nach  rechts  oder  links  verschoben 
werden. 

Allgemeine  Körperpflege. 

1.  Frische  Luft  und  Sonne  sind  für  die  Erhaltung  der  Gesund- 
heit unerläfslich;  man  mufs  ihnen  daher  möglichst  freien 
Zutritt  zu  der  Wohnung  gewähren. 


571 

2.  Härte  dich  ab,  indem  da  dir  täglich  den  ganzen  Körper  mit 
kaltem  Wasser  wäschst.  Nimm  womöglich  jede  Woche  ein 
warmes  Bad  zur  Reinigung. 

3.  Bade  dich  während  der  heißen  Jahreszeit  in  offenem  Wasser, 
zumal  wenn  es  von  der  Sonne  durchwärmt  ist.  Bleibe 
höchstens  10  Minuten  darin,  reibe  dir  gut  die  Haut  ab  und 
erwärme  dich  dann  durch  einen  Spaziergang  in  nicht  zu  engen 
Kleidern.  Wenn  es  angeht,  setze  den  Körper  nach  dem  Bade 
der  frischen  Luft  und  den  Sonnenstrahlen  aus,  vorausgesetzt, 
dafe  das  Wetter  windstill  und  nicht  zu  kalt  ist. 

4.  Halte  Mund  und  Rachen  rein,  indem  du  dieselben  morgens, 
abends  und  nach  jeder  Mahlzeit  spülst  und  gurgelst. 

5.  Bewege  dich  viel  in  freier  Luft. 

6.  Kleide  dich  nicht  zu  warm;  der  Kopf  sei  nur  leicht,  der  Hals 
gar  nicht  bedeckt. 

7.  Schnüre  einzelne  Körperteile  nicht  zu  fest,  z.  B.  mit  Korsetts, 
Gürteln  oder  Strumpfbändern,  ein. 

8.  Die  Schuhsohlen  müssen  genau  nach  dem  Fufs  geformt  sein. 
Hohe  Absätze  sind  schädlich;  richtiger  trägt  man  breite  und 
niedrige. 

9.  Behalte  niemals  nasse  Strümpfe,  Stiefel  oder  Kleider  an, 
sondern  ersetze  sie  sobald  als  möglich  durch  trockene. 

10.  Sei  mftfcig  im  Essen  und  Trinken;  vermeide  verdorbene  oder 
unverdauliche  Speisen,  sowie  Näschereien;  namentlich  kleine 
Kinder  sollen  letztere  nicht  geniefsen;  gewöhne  dich,  einfach 
und  nur  dreimal  am  Tage  zu  essen ;  brauche  keine  Reizmittel, 
wie  viel  Salz,  Tabak,  Liköre;  ifs  kein  rohes  Fleisch  und  kein 
unreifes  Obst. 

11.  Gehe  früh  zu  Bette  und  stehe  früh  wieder  auf.  Störe  deine 
Nachtruhe  nicht,  indem  du  vor  dem  Zubettegehen  anstrengende 
geistige  oder  körperliche  Arbeit  verrichtest. 

Cirknlarverfügnngderk.k.  Statthaltern  in  Tirol  und  Vorarlberg 
vom  11.  Juli  1893,  Z.  16849,  wegen  Mafsnahmen  gegen 
Verbreitung  ansteckender  Krankheiten  durch  Mitglieder 
geistlicher  Orden,  welche  sich  der  Krankenpflege  und  dem 

Unterrichte  widmen. 

In  einer  Gemeinde  des  Verwaltungsgebietes  ereignete  es  sich 
heuer,  dafs  die  Leiterin  eines  Kindergartens,  welche  bei  den  barm- 
herzigen Schwestern  in  Kost  und  Wohnung  stand,  an  Blattern 
erkrankte,  weil  sie  trotz  der  angeordneten  Absperrungsmafsregeln 
das  Isolierzimmer  von  Blatternkranken  betrat  und  sich  dort  infizierte. 

Dieser  Umstand  lälst  vermuten,   dafs  die  mit  dem  Unterrichte 

37* 


672 

der  Kinder  beschäftigten  Ordensschwestern  anch  zur  Krankenpflege, 
ja  vielleicht  selbst  zur  Pflege  infektiös  Kranker  verwendet  werden, 
sowie  dafe  die  dem  Unterrichte  der  Kinder  sich  widmenden  Schwestern 
mit  den  die  Krankenpflege  bei  Infektionskranken  besorgenden  Ordens- 
mitgliedern in  einem  stetigen  unmittelbaren  Kontakte  stehen,  was  mit 
Bücksicht  auf  die  öffentliche  und  besonders  auf  die  Schulgesundheits- 
pflege durchaus  unzulässig  wäre. 

Die  politischen  Behörden  erster  Instanz  werden  hiermit  auf 
den  erwähnten  sanitären  Mifsstand  aufmerksam  gemacht  und  beauf- 
tragt, über  dessen  Bestehen  bei  den  öffentlichen,  bezw.  privaten  und 
Gemeindekrankenanstalten  genaue  Erhebungen  zu  pflegen,  mit  allem 
Nachdrucke  auf  die  Abstellung  dieses  Miüsbrauches,  falls  ein  solcher 
vorkommen  sollte,  zu  dringen  und  über  das  Ergebnis  dieser  Erhebungen 
und  das  eventuell  diesfalls  Verfügte  bis  längstens  15.  August  1.  J. 
eingehend  zu  berichten,  sowie  auch  sicherzustellen,  ob  die  mit  der 
Krankenpflege  bei  Blatternkranken  beschäftigten  Ordenamitglieder, 
wenn  sie  nicht  die  natürlichen  Blattern  überstanden  haben,  einer 
erfolgreichen  Revaccination  unterzogen  wurden. 

Ans  dem 

Erlafs   des  Königlich   preufsischen  Unterrichteministers 

Aber  die  Einführung  neuer  Lehr-,  Lese-  und  Übungsbücher 

für  höhere  Lehranstalten. 

Für  die  Auswahl  neuer  Schulbücher  seitens  der  Lehrerkollegien 
und  für  die  Prüfung  und  Vorschläge  seitens  der  Provinzialschul- 
kollegien  sind  folgende  Gesichtspunkte  genau  zu  beachten: 

1.  Die  vorzuschlagenden  Schulbücher  u.  s.  w.  müssen  nach 
Papier,  Druck  und  Ausstattung  allen  schultechnischen  und  hygienischen 
Anforderungen  entsprechen.  In  letzterer  Beziehung  verweise  ich 
insbesondere  auf  Eulenberg  und  Bach,  Schulgesundheitslehre,  S.  224  ff. 

Obschon  die  Ausgaben  der  Schulschriftsteller  einer  Genehmigung 
nicht  unterliegen,  so  wird  doch  das  Königliche  Provinzialschol- 
kollegkun  auch  diesen  in  Bezug  auf  die  bezeichneten  Gesichtspunkte 
besondere  Aufmerksamkeit  zu  widmen  haben. 

Der  Minister  der  geistlichen  etc.  Angelegenheiten. 

(gez.)  Bosse. 

An  sämtliche  Königliche  Provinzialschulkollegien. 


573 


fletfottöüett. 


Dem  Direktor  des  Luisenstädtischen  Realgymnasiums  zu  Berlin, 
Professor  Dr.  Foss,  ist  die  Krone  zum  Königlich  preuisischen  roten 
Adlerorden  III.  Klasse  mit  der  Schleife  und  Schwertern  am  Ringe, 
derselbe  Orden  IV.  Klasse  dem  Regierungs-  und  Schulrat  Dr. 
Rretschmer  in  Königsberg  i.  Pr.  und  dem  Direktor  des  Gymnasiums 
zu  St.  Maria-Magdalena  in  Breslau,  Professor  Dr.  Möller,  ver- 
liehen worden. 

Der  Bezirksschulinspektor  Schulrat  Ed.  Kögler  in  Dermbach 
erhielt  das  Ritterkreuz  I.  Klasse  des  Grofsherzoglich  sächsischen 
Hausordens  der  Wachsamkeit  oder  vom  weifsen  Falken. 

Den  Seminardirektoren  Jos.  Droboschke  in  Zülz  und  Dr. 
Wilh.  Sommer  in  Paderborn,  sowie  dem  Kreisschulinspektor  Hop- 
stein in  Euskirchen  wurde  der  Charakter  als  Schulrat  erteilt. 

Zu  außerordentlichen  Mitgliedern  des  Kaiserlichen  Gesundheits- 
amtes sind  ernannt  worden  der  o.  Professor  der  Chemie  Dr. 
Emil  Fischer  in  Berlin,  Medizinalrat  Dr.  E.  Reincke  in  Hamburg 
und  Apotheker  Dr.  Th.  Schacht  in  Berlin. 

Für  die  durch  den  Tod  Professor  A.  Paltaues  erledigte  Lehr- 
kanzel der  gerichtlichen  Medizin  an  der  Universität  Prag  ist  in 
erster  Stelle  unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Professor  Kratter 
in  Graz,  in  Vorschlag  gebracht  worden. 

Professor  Dr.  L.  Brieger  in  Berlin  beabsichtigt  von  der  Leitung 
der  Krankenabteilung  des  KocHschen  Instituts  für  Infektionskrank- 
heiten,  die  er   seit  dessen  Begründung  gefuhrt  hat,  zurückzutreten. 

Für  den  Professor  der  Hygiene  Dr.  Hueppe,  der  seine  Stelle 
als  Mitglied  des  Landessanitätsrates  niedergelegt  hat,  wurde  unser 
verehrter  Mitarbeiter,  Herr  Sanitätsrat  Dr.  Theobor  Altschul  in 
Prag,  vom  Landesausschusse  in  den  Landessanitätsrat  berufen« 

Dr.  Hildebrandt  ist  zum  außerordentlichen  Professor  der 
Kinderheilkunde  an  der  Universität  Lund  ernannt  worden. 

Der  bekannte  Hygieniker,  Geheimer  Medizinalrat  Professor 
Dr.  Finkblnburg  in  Bonn,  beging  am  16.  August  die  Feier  seines 
vierzigjährigen  Doktorjubüäums. 

Die  medizinische  Fakultät  zu  Halle  hat  dem  als  Verfasser  des 
„Struwwelpeter"  bekannten  Geheimen  Sanitätsrat  Dr.  Heinrich  Hoff- 
mann in  Frankfurt  a.  M.  das  vor  sechzig  Jahren  erteilte  Doktor- 
diplom erneuert. 


574 

Der  Regierungs-  und  Schulrat  Dr.  Schonen  in  Köln  ist  ge- 
storben. 

In  Berlin  verschied  am  18.  Juni  der  städtische  Schalinspektor 
Dr.  Max  Rüge,  40  Jahre  alt. 

Ans  Dresden  wird  das  am  4.  August  im  82.  Lebensjahre 
erfolgte  Ableben  des  Hofrats  J.  Fh.  Jenckb  gemeldet,  der  sich 
auf  dem  Gebiete  des  Taubstummenunterrichts  grofse  Verdienste  er- 
worben hat. 


litteratnr. 


Besprechungen. 

Dr.  C.  A.  Köhler,  Obermedizinalrat  und  Königlicher  Landesanstalts- 
direktor a.  D.  Die  Schulgesundheitspflege.  Ferner  Über 
Wesen  und  Behandlung  des  kindlichen  Schwachsinns.  Zwei 
Vorträge.     Ravensburg,  1892.     Otto  Maier.     (40  S.  8°.) 

1h  dem  ersten  in  der  Hanptlehrerkonferenz  des  Schulbezirkes 
Oschatz  gehaltenen  Vortrage  bespricht  der  Verfasser  in  kurzen  ge- 
drängten Sätzen  nach  einer  historischen  Einleitung  den  Begriff  der 
Schulgesundheitspflege,  die  Aufgaben  derselben  und  ihre  Erfolge  im 
Oschatzer  Bezirke.  Unter  den  Aufgaben  der  Schulhygiene  wird 
besonders  abgehandelt  die  gesundheitliche  Einrichtung  des  Schul- 
gebäudes, des  Schulzimmers,  die  Hygiene  des  Unterrichts  und  die 
Verhütung  der  Schulkrankheiten.  Bei  der  Schilderung  der  Erfolge 
der  Schulgesundheitspflege  stützt  sich  der  Autor  auf  die  Resultate  einer 
Umfrage,  welche  im  Oschatzer  Bezirke  durch  die  Schulvorstände  und 
Schulinspektoren  mittelst  Fragebogen  gehalten  wurde  und  sich  bezog  aut 
Lage  des  Schulhauses,  Baugrund,  Grundwasser,  Unterkellerung,  Grobe 
der  Schulzimmer,  Ventilation,  Heizung,  Tages-  und  Abendbeleuchtung, 
Subsellien  und  Aborte.  Die  Ergebnisse  sind  in  ähnlicher  Weise 
zusammengestellt,  wie  ich  sie  1880  for  die  Schulen  des  Herzogtums 
Braunschweig  in  der  „  VicrUfydhrsschrift  fQr  öffentliche  Gesundheits- 
pflege", Bd.  Xn,  S.  743  und  Bd.  XIII,  S.  417  mitgeteilt  habe. 
Besonders  macht  der  Verfasser  darauf  aufmerksam,  daCs  der  Wasch- 
raum außerhalb  des  Schulgebäudes  angelegt  werden  soll  und  dafe  es, 
um  den  Lehrer  beim  Sprechen  vor  Überanstrengung  zu  bewahren 
und  den  Schülern  das  Verständnis  des  Gesprochenen  zu  erleichtern, 
ausserordentlich  vorteilhaft  ist,  hinter  dem  Katheder  in  der  flachen 
Rückwand  eine  konkave  Nische  anzubringen,  damit  die  Schallwellen 
direkt   zu  den  Schülern  geleitet  werden  und  nicht  erst  von    der 


575 

Decke,     den   Seitenwänden    und   dem   Fußboden   indirekt   dorthin 
gelangen. 

Der  Verfasser  hat  es  verstanden,  anf  20  Oktavseiten  die  wich- 
tigsten Gninds&tze  der  Schulhygiene  kurz  und  bündig  auseinander- 
zusetzen. 

Der  zweite  Vortrag,  gleichfalls  in  der  Hanptlehrerkonferenz  zu 
Oschatz  gehalten,  beschäftigt  sich  mit  dem  Wesen  und  der  Behandlung 
des  kindlichen  Schwachsinns.  Nach  kurzer  Schilderung  des  Begriffes, 
der  Ursachen  —  z.  B.  Schädelabnormitäten  — ,  der  Arten,  typischen 
Formen  und  Komplikationen  des  Blödsinns  spricht  der  Autor  von  dem 
Wachstum  und  der  Lebensdauer  der  Idioten,  der  Heilung  ihres  Leidens 
und  den  Aufgaben,  welche  uns  bei  der  Fürsorge  für  dieselben  zufallen. 
Hanpterfordernis  ist  Behandlung  der  Idioten  in  Anstalten,  um  sie  einer- 
seits vor  falscher  Beurteilung,  vor  Verhöhnung  u.  s.  w.  zu  schützen, 
andererseits  zu  pflegen  und  zu  erziehen.  Bei  dem  Unterrichte  ist  der 
Anschauungs-,  Turn-  und  Beschäftigungsunterricht  der  wichtigste.  Die 
Nachhilfeschulen,  Schulen  für  Schwachbefähigte,  die  in  vielen  Städten 
für  solche  Kinder  geschaffen  sind,  welche  man  noch  in  der 
Familie  glaubt  belassen  zu  können,  hält  der  Autor  für  ein  unzuläng- 
liches Surrogat,  weil  die  mangelhafte,  unzweckmäßige  Pflege  und 
Erziehung  im  häuslichen  Kreise  fortbesteht.  Hier  in  Braunschweig, 
wo  wir  seit  vielen  Jahren  Klassen  für  Schwachbefähigte  eingerichtet 
haben,  sind  wir  mit  den  Resultaten  derselben  ausserordentlich  zufrieden. 
Auch  Verfasser  scheint  die  günstigen  Erfolge  solcher  Klassen  schliefs- 
lich  anzuerkennen,  indem  er  in  These  5  sagt:  „Für  Schwachsinnige 
oder  Schwachbefähigte  sind  die  Nachhilfeschulen  geeignet."  Was 
die  Leitung  der  Idiotenanstalten  betrifft,  so  weist  Autor  dieselbe 
dem  Psychiater  zu,  erklärt  sich  aber  auch  mit  einer  Hand  in  Hand 
gehenden  Direktion  durch  Arzt  und  Pädagogen  einverstanden.  Dafs 
Anstalten  auch  unter  der  Leitung  von  Theologen  vortrefflich  gedeihen 
können,  sieht  man  an  derjenigen  zu  Eckerode  im  Braunschweigischen, 
die,  von  Pastor  Stützer  durch  milde  Beiträge  gegründet,  jetzt 
unter  der  trefflichen  Direktion  von  Probst  Palmer  mit  Staatszuschüssen 
neben  milden  Beiträgen  durch  eigenes  Vermögen  weiterbesteht,  leider 
bisher  noch  ohne  einen  dauernd  in  der  Anstalt  selbst  wohnenden 
und  wirkenden  Arzt. 

Auch  dieser  zweite  Vortrag  des  Verfassers  sei  der  Lektüre  der 
Leser  unserer  Zeitschrift  warm  empfohlen. 

Professor  der  Hygiene  an  der  technischen  Hochschule 
Dr.  med.  R.  Blasius  in  Brannschweig. 

Dr.   Georg  MOlleb,   praktischer  Arzt  und  Orthopäde  in  Berlin. 
Die   Widerstandsgymnastik  für  Schule  und  Hans.     Eine 


576 

Anleitung  zur  Erhaltung  und  Kräftigung  der  Gesundheit.  Allgemeia- 
verst&ndlich  für  jedermann.  Mit  50  Abbild.  Leipzig,  1892. 
C.  L.  Hirschfeld.     (63  S.  8°.  Gbd.  A  1 ,60.) 

Das  Buch  enthalt  in  den  drei  Abschnitten  mit  den  Überschriften: 
IL  Ausgangsstellungen,  III.  Bewegungen  und  IV.  Übungen 
eine  Auswahl  von  Widerstandsübungen,  welche  bei  „gesunden,  wenn 
auch  schwächlichen  Kindern  und  Erwachsenen"  geeignet  sind,  „den 
Körper  zu  kräftigen  und  gesund  zu  erhalten"  ;  daran  reiht  sich  eine 
Anleitung  zur  Ausfuhrung  derselben. 

Über  erstere  soll  hier  ein  Urteil  nicht  abgegeben  werden.  An 
letzterer  ist  anzuerkennen,  dafs  sie  durchweg  in  einer  Sprache  ge- 
schrieben ist,  die  auch  der  Laie  zu  verstehen  vermag.  In  einzelnen 
Ausdrücken  hätte  der  Verfasser  vielleicht  noch  etwas  mehr  Bücksicht 
auf  den  „jedermann"  nehmen  können,  für  den  das  Buch  bestimmt 
ist,  so,  wo  er  vom  „Fixieren"  eines  Gliedes  spricht,  von  „Kegel- 
mänteln", welche  die  Arme,  bezw.  Beine  beschreiben  sollen.  Ich 
will  nicht  mit  demselben  darüber  rechten,  dafe  er  Ausdrücke,  die 
in  Deutschland  Heimatrecht  erworben  haben  und  flunderttausenden 
bekannt  sind,  durch  andere  ersetzt,  welche  weniger  die  Sache  be- 
zeichnen und  zum  Teil  von  recht  zweifelhafter  Sprachrichtigkeit  sind. 
Man  vergleiche :  Flügel-stehend  für  Stellung  mit  Hüftstütz  der  Hände, 
Reck-stehend  für  Vorhebhalte  der  Arme,  Streck-stehend  für  Hoch- 
hebhalte der  Arme.  In  Zusammensetzungen  kommen  Bildungen  wie 
die  folgende  vor:  L.  Beck-  r.  Streck-schlieis-  r.  schraub-stehend. 

Wieweit  der  Verfasser  mit  allen  diesen  Dingen  „eine  empfind- 
liche Lücke  in  der  Gesundheitspflege  ausfüllt",  möge  dahingestellt 
bleiben. 

Aber  hervorgehoben  zu  werden  verdienen  die  beiden  Wörter 
„für  Schule"  auf  dem  Titelblatt  und  diejenigen  Stellen  des  Textes, 
welche  mit  Bücksicht  auf  diese  Bestimmung  des  Buches  geschrieben 
sind.  Letztere  finden  sich  teils  in  den  Abschnitten  I  (Einführung) 
undV(Schlufsbemerkungen),  teils  zerstreut  in  den  schon  genannten* 

Der  Verfasser  gibt  sich  „der  Hoffnung  hin,  dab  früher  oder 
später  die  Widerstandsgymnastik  ihren  Einzug  auch  in  die  Schule 
halten  wird,  um  die  jetzt  übliche  Turnerei  zwar  nicht  zu  verdrängen, 
so  doch  zu  ergänzen".  Er  will  täglich  zweimal  „gymnasticieren" 
lassen.  „Die  Übungen  des  Rumpfes,  besonders  die  mit  liegender 
Ausgangsstellung,  .  .  .  sind  von  ungeheurem  Wert.  .  .  .,  für  Schul- 
kinder sind  sie  geradezu  unentbehrlich.  Wenn  diese  Übungen  in  den 
Schulen  werden  täglich  ausgeführt  werden,  erst  dann"  u.  s.  w. 

Dabei  verlangt  der  Verfasser,  wie  das  auch  selbstverständlich 
erscheint,  für  jeden  Übenden  einen  „Gymnasten,  der  es  versteht, 
den  Widerstand   dem  Alter  und  den  Körperkräften   des  Übenden 


577 

anzupassen  und  allmählich  zu  steigern.  Einzelne  Übungen  er- 
fordern zwei  Helfer,  und  zwar  gerade  einige  der  für  unentbehrlich 
erklärten  Rumpfübungen  mit  „liegender"  Ausgangsstellung.  Diese 
sollen  „auf  einer  ebenen  Unterlage,  am  besten  auf  einer  gepolsterten 
Bank"  ausgeführt  werden;  für  die  „sitzende"  Grundstellung  ist  eine 
Bank  nötig,  deren  Höhe  genau  der  Länge  der  Unterschenkel  gleich- 
kommt, und  för  die  „halbsitzende"  eine  solche,  deren  Höhe  gleich 
ist  der  Entfernung  vom  Sitzknorren  bis  zum  Fufsboden. 

Man  denke  sich  diese  Forderungen  ausgeführt  in  einer  Schul- 
klasse, die  50,  60,  70  Knaben  oder  Mädchen  zählt.  Die  einfache 
Zusammenstellung  derselben  wird  mich  der  Mühe  überheben,  an  ihnen 
Kritik  zu  üben.  Sie  beweisen  einen  solchen  Grad  Ton  Naivetät  in 
der  Auffassung  von  Schulverhältnissen  und  Schularbeit,  dsis  die  Be- 
fürchtung, es  könne  irgendwo  von  berufener  Seite  der  Versuch 
gemacht  werden,  obigen  Wünschen  nachzukommen,  ausgeschlossen 
erscheint.     Wenn  der  Mann  Schularzt  würde! 

Nach  dem  Vorstehenden  kann  ich  mich  kurz  fassen  betreffs 
dessen,  was  der  Verfasser  über  unser  gegenwärtiges  Turnen  sagt. 
Er  verlangt  von  einer  „rationellen  Gymnastik"  die  Erfüllung  folgender 
Bedingungen : 

1.  Die  Bewegungen  müssen  durch  wirkliche  Zusammenziehung 
der  Muskeln,  nicht  durch  die  eigene  Schwere  des  zu  übenden 
Körperteils  ausgeführt  werden. 

2.  Die  Muskeln,  besonders  die  Antagonisten,  müssen  eine 
gleichmäßige  Arbeit  leisten. 

3.  Die  Anforderung  an  die  Leistungsfähigkeit  der  Muskeln 
mufs  gleichmäfsig  und  allmählich  gesteigert  werden. 

Diesen  Forderungen,  so  behauptet  er,  werde  die  „heute  übliche 
Gymnastik"  nicht  gerecht,  ja  sie  könne  dieselben  gar  nicht  erfüllen. 
Den  letzteren  Satz,  der  noch  weiter  erläutert  wird  durch  den 
anderen :  „mit  den  Gerätübungen  sei  eine  allmähliche  Erhöhung  der 
Leistungsfähigkeit  nicht  zu  erreichen,  weil  bei  denselben  als  zu 
leistende  Arbeit  immer  das  ziemlich  gleichbleibende  Körpergewicht 
in  Betracht  komme",  kann  nur  jemand  aufstellen,  der  von  unserem 
deutschen  Turnen  nicht  mehr  als  eine  sehr  oberflächliche  Kenntnis  hat. 

Für  die  Schule  ist  nach  meinem  Urteil  das  Buch  Dr.  Müllers 
bedeutungslos.  Derselbe  mag  ein  vorzüglicher  Orthopäde  sein,  als 
Schulhygieniker  ist  er  unmöglich  ernst  zu  nehmen.  Ob  er  wohl 
von  der  litterarischen  Fehde  Kenntnis  hat,  die  sich  an  die  Be- 
strebungen Rothstbins  knüpfte,  das  deutsche  Turnen  durch  die 
schwedische  Gymnastik  zu  ersetzen? 

Rektor  der  II.  Knabenmittelschule  G.  TöNSFBLpT  in  Altena. 


578 

Dr.  W.  Praüsnitz,  Privatdocent  an  der  Universität  und  der  tech- 
nischen Hochschule  Münchens.  Grundlage  der  Hygiene.  Für 
Studierende  an  Universitäten  und  technischen  Hochschulen,  Ärzte, 
Architekten  und  Ingenieare.  Mit  137  Originalahhildnngen.  München 
nnd  Leipzig,  1892.     J.  F.  Lehmann.     (442  S.  El.  8°.  iL  6,50.) 

Verfasser  ist  durch  die  Verlagsbuchhandlung  aufgefordert  worden, 
eine  wissenschaftliche  Hygiene  in  möglichster  Kürze  zu  schreiben, 
dieser  Aufforderung  aber  erst  nachgekommen,  nachdem  ihm  von 
autoritativer  Seite  das  vorhandene  Bedürfnis  bestätigt  war.  In  der 
That  erscheint  das  Werk,  mit  dem  Handbuch  der  Hygiene  von 
Pbttenkofer  und  Ziemssen  oder  den  hygienischen  Lehrbüchern 
von  Flügge,  Rübner,  Rosbnthal  und  Gärtner  verglichen,  stark 
zusammengedrängt,  ohne  deshalb  jedoch  Wichtiges  zu  übergehen. 

Nach  einer  kurzen  Einleitung,  in  welcher  der  Begriff  und  die 
Bedeutung  der  Hygiene  zur  Besprechung  gelangen,  werden  nach- 
einander folgende  Kapitel  abgehandelt:  Mikroorganismen,  Luft, 
Kleidung,  Bäder,  Boden,  Wasser,  Wohnung,  Heizung,  Ventilation, 
Beleuchtung,  Abtallstoffe,  Leichenbestattung,  Krankenhäuser,  Schul- 
hygiene, Ernährung,  Infektionskrankheiten  und  Gewerbehygiene. 

Es  sei  uns  gestattet,  nur  auf  die  Schulgesundheitspflege  näher 
einzugehen,  bei  der  sich  der  Verfasser  namentlich  an  Rembold  anschließt. 

Er  weist  zunächst  auf  die  durch  den  Schulbesuch  entstehenden 
Gefahren  hin  und  teilt  dieselben  in  solche,  welche  durch  den 
Aufenthalt  und  solche,  welche  durch  die  Beschäftigung  in  der 
Schule  hervorgerufen  werden.  Zu  den  ersteren  gehört  nach  ihm 
vor  allem  die  Verbreitung  der  Infektionskrankheiten.  Wenn  er  hier 
für  eine  möglichst  späte  Wiederzulassung  zum  Schulbesuch  nach 
beendeter  Erkrankung  eintritt,  so  vermögen  wir  dem  nur  mit  Ein- 
schränkung beizustimmen.  Denn  neben  der  Hygiene  hat  auch  die 
Pädagogik  Anspruch  auf  Berücksichtigung;  im  Interesse  der  letzteren 
aber  ist  es  gelegen,  dafs  die  Schüler  sobald  als  möglich  wieder 
am  Unterrichte  teilnehmen.  Wir  halten  es  daher  für  genügend, 
wenn  die  von  den  meisten  Ländern  gesetzlich  festgestellte  Frist  für 
den  Wiedereintritt  infektiös  erkrankt  gewesener  Kinder  in  die  Schule 
innegehalten  wird.  Aus  pädagogischen  Gründen  können  wir  ferner 
nicht  der,  wie  von  vielen  Seiten,  so  auch  von  dem  Verfasser 
geforderten  Aufstellung  einer  genügenden  Anzahl  von  Spucknäpfen 
für  tuberkulöse  Schüler  in  der  Schule  beipflichten.  Durch  die 
Benutzung  derselben  würde  der  Unterricht  fortgesetzt  gestört  werden, 
ganz  abgesehen  davon,  dafe  in  gröfseren  Lehranstalten  Zeit  und 
Kraft  des  Schuldieners  für  die  Reinigung  jener  Näpfe  nicht  aus- 
reichend wären.  ,  Kinder,  deren  Auswurf  Tuberkelbacillen  enthält, 
sollten  vielmehr  von    der  Schule    ausgeschlossen  werden,    und    zwar 


579 

mflbte  die  Entscheidung  hierüber  dem  Schalarzte  und,  wo  ein  solcher 
nicht  vorhanden,  dem  beamteten  Arzte  zustehen. 

Der  Verfasser  geht  dann  zu  den  Gesundheitsschädigungen  Aber, 
welche  von  der  Beschäftigung  in  der  Schule  herrühren,  wobei  er 
mit  Recht  hervorhebt,  dafs  die  hygienischen  Verhältnisse  im  Eltern- 
hause oft  viel  ungünstiger,  als  in  den  öffentlichen  Lehranstalten  sind. 
Unter  den  Schädigungen  durch  die  Schularbeit  werden  in  erster 
Linie  diejenigen  der  Augen  angeführt.  Nach  den  von  H.  Gohn 
veröffentlichten  Zahlen  kommt  die  Kurzsichtigkeit  am  seltensten  in 
den  Dorfschulen  vor,  häufiger  in  den  städtischen  Elementarschulen, 
noch  öfter  in  den  höheren  Töchter-  und  Mittelschulen,  während  sie 
in  den  Gymnasien  und  Realgymnasien  am  verbreitetsten  ist.  Ebenso 
wissen  wir,  dafs  dieselbe  mit  den  steigenden  Klassen  und  den 
wachsenden  Lebens-  und  Schuljahren  zunimmt.  Die  Ursachen  dieser 
Zunahme  sind  nach  Prausnitz  noch  nicht  ganz  sicher  festgestellt, 
er  begnügt  sich  in  dieser  Beziehung  mit  dem  allgemeinen  Hinweis 
auf  die  Anstrengung  der  Augen  beim  Lesen  und  Schreiben.  Zur 
Bekämpfung  der  Myopie  werden  ausreichende  Beleuchtung  der  Klassen- 
zimmer und  deutlicher  Druck  der  Schulbücher  empfohlen.  Vielleicht 
wäre  hier  auch  eine  Bemerkung  über  die  Nachteile  einer  schlechten 
Handschrift,  wie  man  sie  nicht  so  selten  bei  Schülern  antrifft,  am 
Platze  gewesen.  Was  im  übrigen  das  Schreiben  anlangt,  so  verwirft 
Verfasser  zwar  eine  übertriebene  Rechtslage  und  Schräglage  des 
Heftes,  hält  es  aber  noch  nicht  für  sicher,  ob  überhaupt  Rechts- 
und Schräglage  mit  Schiefschrift  im  Gegensatz  zu  gerader  Mittellage 
mit  Steilschrift  größeren  Nachteil  bedingen.  Hiergegen  ist  jedoch 
zu  bemerken,  dals  die  Rechtslage  von  allen  Schulhygienikern  ein- 
mütig bekämpft  wird  und  die  schräge  Mittellage  nur  noch  verein- 
zelte Anhänger  unter  denselben  besitzt.  Namentlich  die  Unter- 
suchungsergebnisse der  in  München  und  Zürich  zur  Prüfung  der 
Schrägschrift  und  Steilschrift  und  ihres  Einflusses  auf  Auge  und 
Rückgrat  eingesetzten  Kommissionen  haben  der  Steilschrift  neue 
Freunde  zugeführt.  Der  Autor  gesteht  denn  auch  selbst  mit  aner- 
kennenswertem Freimute  zu:  „Jedenfalls  scheint  aus  den  bisherigen 
Resultaten  hervorzugehen,  dafs  bei  Einführung  der  Steilschrift  die 
Haltung  der  Kinder  eine  bessere  ist." 

Die  senkrechte  Schrift  aber  wird  nur  dann  gesundheitliche 
Schäden  verhüten,  wenn  zugleich  die  Subsellien  richtig  konstruiert 
sind.  Es  gelangen  daher  noch  die  hygienischen  Anforderungen  an 
diese,  namentlich  an  Höhe  und  Breite  der  Schulbank,  Höhe  der 
Lehne,  horizontale  und  vertikale  Entfernung  des  Tisches  von  der 
Bank  zur  Besprechung.  Auf  die  Erklärung  der  Ausdrücke  Plas- 
mid Minusdistanz    folgt  die  Erörterung  der  Frage,   wie  die  letztere 


580 

in  die  entere  verwandelt  werden  kann«  Am  zweckm&fsigsten 
geschieht  dies  nach  dem  Verfasser  so,  dab  beim  Aufstehen  der  Sitz 
von  selbst  nach  hinten  klappt,  beim  Sitzen  aber  durch  die  Schwere 
des  Körpers  wieder  nach  vorn  gebracht  wird.  Nach  rückwärts 
verschiebbare  Sitze  oder  zum  Umklappen  eingerichtete  Tischplatten 
erscheinen  ihm  weniger  praktisch.  Für  eine  spätere  Auflage  dürfte 
es  sich  empfehlen,  auch  auf  die  neueste,  außerordentlich  einfache 
Schulbank  von  Rammikger  und  Stettbn  in  Tauberbischofsheim 
hinzuweisen.  Die  Sitzplatte  ist  hier  der  Länge  nach  in  zwei  durch 
starke  Leinewand,  wie  durch  ein  Scharnier  verbundene  Hälften 
geteilt.  Beide  Hälften  bilden  beim  Sitzen  eine  horizontale  Ebene 
mit  Minusdistanz.  Erhebt  sich  jedoch  der  Schüler,  so  werden  die- 
selben durch  den  Druck  der  Kniekehlen  wie  ein  spitzes  Dach 
aufgerichtet,  und  an  Stelle  der  negativen  entsteht  eine  positive 
Distanz.  Störende  Geräusche  und  ein  etwaniges  Einklemmen  von 
Körperteilen  beim  Niedersetzen  oder  Aufstehen  sind  dabei  in 
keiner 'Weise  zu  fürchten. 

Wir  haben  uns  diese  wenigen  kritischen  Bemerkungen  erlaubt, 
nicht,  um  zu  tadeln,  sondern  nur,  um  unser  warmes  Interesse  für 
das  vorliegende,  der  Münchener  Schule  durchaus  würdige  Werk  zu 
zeigen.  Die  Gedrängtheit  des  Stoffes,  die  Klarheit  der  Darstellung, 
die  Anschaulichkeit  der  Zeichnungen  machen  dasselbe  namentlich  für 
Studierende  und  solche,  die  einen  kurzen  Überblick  über  die  Gesamt- 
hygiene wünschen,  empfehlenswert.  Auch  der  Preis  ist  trotz  der 
trefflichen  Ausstattung  ein  mäfsiger.  Möge  dem  Buche  daher  eine 
glückliche  Fahrt  durch  die  Hochflut  litterarischer  Produktion 
beschieden  sein!  L.  Kotblmann. 

H.  ZiBscHi,  Rektor.  J.  Dorns  deutsche  Fibel,  umgearbeitet 
und  mit  Steilschrift  versehen.  7.  Aufl.  Breslau,  1892.  Franz 
Görlich.    (50  S.    Kl.  8°.) 

Sehr  häufig  erhielten  wir  die  Anfrage,  ob  nicht  eine  Fibel  mit 
Steilschrift,  in  welcher  die  in  Preufsen  eingeführte  Rechtschreibung 
vertreten  ist,  zu  bekommen  wäre.  Wir  können  daher  die  Heraus- 
gabe dieser  Fibel,  wodurch  wieder  ein  Hemmnis  für  die  Verbreitung 
jener  Schriftart  beseitigt  wurde,  nur  mit  Freude  begrüfsen,  um  so  mehr, 
als  die  in  derselben  enthaltene  Steilschrift  zeigt,  wie  sehr  sich  der 
Verfasser  bemüht  hat,  den  Anforderungen  der  Schule  zu  entsprechen. 
Für  die  Güte  des  Inhaltes  spricht  namentlich  das  Erscheinen 
des  Buches  in  7.  Auflage.  Als  Beigabe  zu  demselben  ist  noch 
das  Bild  eines  steilschreibenden  Schülers  mit  korrekter  Körperhal- 
tung, sowie  eine  kurze  Anführung  der  Regeln  für  Steilschrift  zu 
erwähnen. 


581 

Den  Berufegenossen  sei  daher  diese  Fibel,  welche  so  eingerichtet 
ist,  dafe  sie  für  die  reine  und  die  gemischte  Schreiblesemethode  zu 
verwenden  ist,  hiermit  empfohlen. 

Direktor  Emanüel  Batr  in  Wien. 


Bibliographie. 

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Mit  Fig.     Berlin,  1893,  L.  öhmigke.     M.  0,80. 
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senza  attrezzi,  per  uso  delle  scuole  e  delle  famigUe.  Milano, 
1893.     Cent.  15. 

—  225  figure  gmnastiche  maschüi  con  e  senza  aUrezzi  ad  usö 
delle  sowie  e  famigUe,  deüe  palesire  marziaU  e  societä  gmnastiche. 
Milano,  1893.     Cent.  20. 

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Drie  lezmgen.  Voor  Nederland  bewerkt  naar  den  derden  druk 
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beachten  sind,  um  nicht  nur  gesunde  Luft,  sondern  auch  zug- 
freien Luftwechsel  zu  erzielen,  nebst  kurzer  Beleuchtung  der  ver- 
schiedenen Heiaungssysteme.  Mit  74  Abbild.  Stattgart,  1893, 
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pologie  de  Paris.     Journ.  d'hyg.,  1892,  Janvier,  LXXX. 

Joal.  De  la  respiraüon  dans  le  chant.  Paris,  1893,  Rueff  et 
Cie.     12°.     Fr.  3,50. 

Jocqs.     La  vue,  son  hygiene,  ses  maladies.     Paris,    1893,    Soci6t6 

d'6ditions  scientifiques. 
Kammerer,  Emil.     Bericht  des  Wiener  Stadtphysikates  über  seine 

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With  illustr.     London,  1893,  H.  K.  Lewis. 
Kobilinski,    G.    VON.     Der  Staub  in  den  Turnhallen.     Ztschr.  f. 

Turn.  u.  Jgdspl.,  1893,  V,  68—69. 
Lacompte,  C.     Quelques  noüons  d 'Hygiene  oculaire  ä  Vusage   des 

famiUeSj  pensionats  etc.     Paris,  1892,  G.  Masson.     8°. 
La  pediatria.    Periodico  mensile  indirizzato  al  progresso  degli  studi 

delle  malattie  dei  bambini.     Diretto  dal  Prof.  Francesco  Fede. 

Napoli,  1893,  Tipografia  della  R.  Universität.     8°. 

Lauterer,  J.  Lehrbuch  der  Pflege  des  menschlichen  Körpers  m 
gesunden  und  kranken  Tagen.  Ein  Wegweiser  zur  Erreichung 
eines  rüstigen  Alters.  2.  Ausg.  Freiburg  i.  Br.,  1892,  Herder. 
Gebd.  JVC.  3. 


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Stöcker.     Ein  Beitrag  zur  Lösung  der  Schulbankfrage.     Mttncb. 

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Tdble-blanc  Velle  et  pupiire  Velle,  cadre-tuteur.     Lyon  m6d.,  1893, 

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Über  den  Unterricht  schwachsinniger  Kinder.     D.   Irrenfrd.,   1893, 

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Über    die    körperliche    Erziehung    im    Elternhause    während    des 

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Ztschr.  f.  Turn.  u.  Jgdspl.,  1893,  X,  151—156. 
Wendt,  Hermann.     Über  Schülerexkursionen  mit  besonderer  Rück- 
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Werner,  Herm.    Der  Schulgarten.'   Stuttgart,  1891,  Chr.  Belser. 

M.  0,50. 
Work    and   play    in  public   schools.     Brit.    Med.    Journ.,    1893, 

August  19,  1703,  430—431. 
Wunderlich,  A.     Steilschriftausgabe  der  Fibel  von  G.  Schlim- 

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Lehrerztg.,  1891,  XXII. 
Ziegel.     Fakultatives  oder  obligatorisches  Spiel?    Ztschr.  f.  Turn. 

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Zur  Behandlung  schwachsinniger  Kinder.     Kath.    Schulztg.,    1893, 

XXH,  172—173. 


3fitftf)tift  fit  5d|uljirfunbl)fitöpflröf. 

VL  Jahrgang.  1893.  No.  11. 


<g>rtgtnal-äbt)aitMtttigett* 


Nochmals  zur 

Erwiderung  an  Herrn  Professor  Schmidt-Rimpler. 

Von 
Dr.  med,  J.  Stilling, 

Professor  der  Augenheilkunde  an  der  Universität  Strasburg  i.  E. 

In  seinem  im  vorletzten  Hefte  dieser Zeitschrifl  erschienenen, 
gegen  mich  gerichteten  Artikel  sucht  mein  geschätzter  Kollege 
und  Gregner  Schmidt-Rimpler  sich  und  seine  Leser  zu  über- 
zeugen, die  von  mir  aufgestellte  Behauptung  bezüglich  des 
Zusammenhanges  zwischen  Orbitalbau  und  Kurzsichtigkeit  sei 
falsch.  Ich  habe  erklärt,  daJs  die  bisher  angestellten  Kontroll- 
messungen das  von  mir  gefundene  Gesetz  bestätigt  hätten, 
Herr  Kollege  Schmidt-Rimpler  sagt,  das  Gegenteil  sei  richtig. 
Ich  gebe  daher  auf  Seite  586  statt  einer  ausführlichen  Ver- 
teidigung, deren  ich,  wie  mir  scheint,  durchaus  nicht  bedarf, 
zunächst  die  Generaltabelle  I  der  bisher  ausgeführten  Mes- 
sungen, welche  für  jeden  unbefangenen  Leser  das  von  mir 
entdeckte  Gesetz,  dafs  die  myopische  Augenhöhle  durchschnittlich 
einen  kleineren  Index  zeigt  als  die  emmetropische,  überall  mit 
gro&er  Deutlichkeit  erkennen  läfst. 

Während  Tabelle  I  die  Gesamtdurchschnittsindices  der 
verschiedenen  Autoren  gibt,  welche  diese  bei  Emmetropie  und 
Myopie  gefanden  haben,    sind    in  den  senkrechten  Kolonnen 

Sefanlgeftmdhettspfle^e  VI.  38 


586 

von  Tabelle  II  auf  Seite  587  die  Durchschnittsindices  für  die 
einzelnen  Klassen  der  untersuchten  Schulen  angeführt. 


Tabelle  I. 


Autoren 

In< 
d 

Emmetropie 

lex 
er 

Myopie 

Angensahl 

Material 

Weiss 

95,9 

93,1 

500 
(nicht  gans) 

Gymnasiasten 

Kirchner 

93,6 

92,7 

2778 

Gymnasiasten 

Rymsza 

91,2 

89,2 

609 

Gymnasiasten 

» 

88,6 

88,2 

168 

Seminaristen 

n 

88,3 

87,5 

124 

Klinische  Patienten 

Seggel 

87,0 

84,3 

1400 

(rund) 

Mittelschaler1 

Pflüger 

89,9 

83,0 

1000 

(nmd) 

Studenten,  Professoren, 
Gymnasiasten,  Seminaristen. 

Die  gröfseren  Reihen  von  Kirchner,  Rymsza  und  Seggel 
zeigen  danach  das  Gesetz  sogar  klassenweise,  mit  im  ganzen 
nur  4  Ausnahmen  auf  33  Doppelzahlen. 

Die  Einzelheiten  der  Arbeit  Pflügers  bin  ich  nicht  be- 
rechtigt, hier  mitzuteilen,  da  ich  ihm  nicht  vorgreifen  will. 
Dieselbe  erscheint  in  Kürze,  wenn  sie  inzwischen  nicht  schon 
veröffentlicht  ist.  Indessen  darf  ich  wohl  anführen,  dals  ich 
diese  Einzelheiten  kenne  und  dafs  sie  sehr  schlagend  die 
Richtigkeit  des  Gesetzes  erweisen,  was  übrigens  Pflüger  in 
dieser  Zeitschrift3  bereits  selbst  hervorgehoben  hat. 


1  Die  ersten  Reihen  Seggelb  sind  hier  nicht  mitangefahrt,  weil  er 
erst  aus  der  dritten,  an  besserem  Material  gewonnenen  definitive  Schlüsse 
gezogen  hat.  Sollte  mein  verehrter  Gegner  darauf  noch  einmal  zurück- 
kommen wollen,  so  werde  ich  mit  Leichtigkeit  zeigen,  dafs  selbst  dort 
die  gesetzmäßigen  Unterschiede  von  Seggel  gefunden  sind. 

1  Jahrg.  VI,  1893,  No.  3,  8. 132-133. 


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9 
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1 

1 

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1 

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£ 

Cd 

1 

I 

1 

1 

a 

1 

i 

4 

i 

i 

588 

Die  Zahlen  Romano-Catanias  habe  ich,  um  meinem 
gesehätzten  Gegner  einen  Gefallen  zu  erweisen,  hier  nicht 
mit  aufgeführt. 

Übrigens  hat  dieser  Autor,  den  Schmidt-Bimpler  als 
Schüler  von  mir  im  Verdacht  hat,  in  verba  magistri  zu  schwören, 
nicht,  wie  Schmidt  angibt,  350  Sicilianer  gemessen,  sondern 
350  albanesische  Seminaristen  und  aufserdem  400  Professoren 
und  Studenten  der  Universität  Palermo,  also  im  ganzen 
1500  Messungen  ausgeführt,  mehr  als  Schmidt  selbst  aufweist. 
Warum  übrigens  350  Albanesen  mit  richtig  vorgenommenen 
Messungen  weniger  beweisen  sollen  als  360  schlesische  Gym- 
nasiasten Fizias,1  der  seine  Resultate  überhaupt  nicht  zahlen- 
mäfsig  angegeben  hat,  vermag  ich  nicht  einzusehen. 


Die  Lichtverh&ltnisse  in  den  Schalen  der  Stadt  Halle  a.  S. 

Von 

Dr.  med.  K.  Liebrecht, 

Augenarzt  in  Halle  a.  S. 
(Fortsetzung  und  Schlafs.) 

Resultate  der  Untersuchungen  in  den  einzelnen  Schulen. 

1.   Die  städtische  höhere  Mädchenschule 
an  der  Alten  Promenade. 

Das  Schulgebäude  besteht  aus  einem  Mittelbau  und  zwei 
Flügeln,  welche  den  Hof  zwischen  sich  fassen.  Die  Achsen- 
stellung des  Mittelbaues  ist  von  SO.  nach  NW.,  diejenige  der 
Flügel  von  NO.  nach  SW.  Die  Klassenzimmer  liegen  zum 
gröfsten  Teile  in  den  beiden  Flügeln,   und  zwar  hier  allesamt 


1  Ich  habe  mich  inzwischen  an  Herrn  Fizia  mit  der  Bitte  gewandt, 
mir  seine  Zahlen  mitzuteilen.  Er  hat  mir  geantwortet,  dato  er  dazu 
nicht  im  stände  sei. 


589 

nach  dem  Hofe  zu.  In  dem  Mittelbau  befindet  sich  unten 
der  durch  das  ganze  Gebäude  gehende  Turnsaal,  im  ersten 
Stockwerk  nach  der  Gartengasse  hinaus  der  Zeichensaal 
nebst  einem  Klassenzimmer;  ferner  liegen  noch  in  einem 
Anbau,  die  Fenster  nach  der  Gartengasse  gerichtet,  zwei  lang- 
gestreckte Klassen,  von  denen  die  im  Erdgeschofs  als  Hand- 
arbeitsklasse, die  im  ersten  Stockwerk  als  Reserveklasse  be- 
nutzt wird. 

Der  Zeichensaal  besitzt  5  Fenster;  die  unteren  Scheiben 
derselben  sind  mattiert,  um  Störungen  des  Unterrichts  zu  ver- 
meiden. Es  sind  9  Tische  aufgestellt  zu  je  5  Plätzen,  so  dafs 
im  ganzen  45  Plätze  sich  finden.  Von  diesen  haben  14  un- 
genügendes Licht,  und  zwar  derart,  dafs  der  schlechtest 
beleuchtete  Platz  nur  20  Quadratgrade  Raumwinkel  aufweist, 
während  er  128  haben  müfste.  Die  übrigen  Plätze  erreichen 
allerdings  das  Mindestmafs  der  Beleuchtung.  Sobald  jedoch  ein 
Rouleau  nur  einen  FuJs  weit  von  oben  herabhängt  oder  wegen 
Blendung  herabgelassen  werden  mufs,  nimmt  die  Zahl  der 
ungenügend  erhellten  Plätze  beträchtlich  zu,  da  das  Himmels- 
licht nur  durch  die  obersten  Scheiben,  bezw.  die  oberen  Hälften 
derselben  dorthin  gelangt.  Es  entspricht  demnach  dieser  Saal 
seiner  Bestimmung  um  so  weniger,  als  gerade  das  Zeichnen 
eine  Beschäftigung  ist,  welche  ganz  besondere  Ansprüche  an 
das  Auge  stellt.  Letztere  dürfen  wir  durch  schlechte  Beleuch- 
tung nicht  verschärfen. 

Neben  dem  Zeichensaale  liegt,  ebenfalls  nach  der  Garten- 
gasse hinaus,  noch  ein  Schulzimmer  VHIb,  welches  beinahe 
ebenso  ungünstige  Lichtverhältnisse  darbietet.  Es  sind  hier 
von  28  Plätzen  10  unbrauchbar. 

Diese  schlechten  Resultate  rühren  davon  her,  dafs  nach- 
träglich gestattet  worden  ist,  in  einer  Entfernung  von  wenigen 
Metern  dem  Schulhause  gegenüber  in  der  Gartengasse  Häuser 
von  einer  Höhe  aufzuführen,  welche  notwendigerweise  das 
Licht  der  Schulklassen  stark  beschränken  mufste. 

In  den  beiden  Flügeln  finden  wir  in  den  Klassen  des 
Erdgeschosses    ebenfalls   mangelhafte   Beleuchtung.      In    dem 


590 

nach  SO.  liegenden  Flügel  sind  von  36  Plätzen  der  Klasse  Vlla 
12  ungenügend  erhellt.  Statt  134  Qnadratgrade  Raumwinkel 
weist  der  schlechtest  beleuchtete  Platz  deren  nur  13  auf. 
Auch  in  Klasse  IX  b  sind  die  6  von  den  Fenstern  am  ent- 
ferntesten liegenden  Plätze  zu  dunkel.  Besonders  ungünstig 
aber  erscheinen  die  Lichtverhältnisse  in  Klasse  Villa,  da 
hier  von  30  Plätzen  10  nicht  genügen. 

Die  Ellassen  des  ersten  und  zweiten  Stockwerkes  sind 
ausreichend  hell. 

Obwohl  die  Schulzimmer  dieses  Flügels  während  der 
Unterrichtsstunden  vom  Sonnenlicht  nicht  direkt  getroffen 
werden,  so  hat  sich  doch  der  Gebrauch  von  Zuggardinen  als 
notwendig  herausgestellt,  da  die  sonnenbeschienene  Wand  des 
gegenüberliegenden  Flügels  häufig  zu  Blendung  Veranlassung 
gibt.  Dieser  Umstand  ist  natürlich  den  Lichtverhältnissen  der 
hier  befindlichen  Klassen  nicht  günstig. 

In  dem  nach  NW.  gerichteten  Flügel  haben  von  den  3 
im  Erdgeschofs  gelegenen  Zimmern  2  ungenügendes  Licht, 
indem  in  Xa  von  42  Plätzen  14,  in  IX  a  3  Plätze  zu 
dunkel  sind. 

Dagegen  ist  die  Beleuchtung  der  Klassen  des  ersten  und 
zweiten  Stockwerks  ausreichend. 

Die  ungenügende  Helligkeit  in  den  Erdgeschossen  der 
beiden  Flügel  rührt  davon  her,  daJs  bei  seiner  beträchtlichen 
Höhe  der  eine  Flügel  dem  andern  das  Licht  raubt. 

Als  durchaus  unbrauchbar  für  jeglichen  Unterricht,  ins- 
besondere aber  für  Handarbeitsstunden,  sind  die  beiden  Klassen 
im  Anbau  an  der  Oartengasse  zu  bezeichnen.  Trotzdem  dient 
das  Zimmer  im  Erdgeschofs  als  Aushilfeklasse,  dasjenige  des 
ersten  Stockes  zum  Unterrichte  in  Handarbeiten.  In  dem 
ersteren  stehen  24  Bänke  zu  je  3  Plätzen.  Von  diesen  Bänken 
haben  7  mit  21  Plätzen  gar  kein  Himmelslicht,  die  übrigen 
Arbeitsplätze  bis  auf  5  ungenügendes.  Ähnlich  liegen  die 
Lichtverhältnisse  in  der  entsprechenden  Klasse  des  ersten 
Stockwerkes. 

Abgesehen  von  diesen  2  Klassen   und  dem  Zeichensaale, 


591 

welche  sämtlich  nur  zeitweise  benutzt  werden,  sind .  also  von 
den  536  Plätzen  der  in  Bede  stehenden  Schule  65  oder  12% 
zu  dunkel. 

2.  Die  Mädchenbürgerschule  in  der  Grofsen 

Steinstrafse. 

Das  Schulgebäude  bildet  einen  Längsbau,  dessen  Achse 
annähernd  von  Osten  nach  Westen  geht;  das  östliche  Ende 
ist  etwas  nach  Norden,  das  westliche  etwas  nach  Süden 
gerichtet.  Die  Klassen  liegen  an  den  Längsseiten  nach  Süden 
und  Norden,  mit  einer  der  Achsenstellung  des  Gebäudes  ent- 
sprechenden geringen  Drehung  nach  Osten  und  Westen. 

Das  Haus  besitzt  im  ganzen  eine  freie  Lage.  Die  Licht- 
verhältnisse sind  befriedigend.  Von  den  1767  Schülerinnen 
hat  keine  auf  ihrem  Arbeitsplatze  bei  heraufgezogenen  Vor- 
hängen ungenügendes  Licht.  Die  Klassen  nach  Norden 
erhalten  während  der  Schulstunden  kein  Sonnenlicht,  dagegen 
die  nach  Süden  solches  reichlich.  Es  wird  die  Sonne  durch 
von  oben  nach  unten  gehende  Fenstervorhänge  abgeblendet, 
wobei  wiederum  der  Übelstand  zu  Tage  tritt,  daJüs,  sobald  nur 
eines  oder  wenige  Kinder  von  den  Strahlen  getroffen  werden, 
auch  der  Vorhang  vollständig  herabgelassen  werden  mufs. 

3.   Die  Bürgerschule  in  der  Dreyhaupt- 

Oleariusstrafse. 

Das  Schulgebäude  besteht  aus  einem  Mittelbau,  dessen 
Achse  von  Osten  nach  Westen  verläuft,  und  zwei  sich  an  diesen 
nach  Norden  hin  senkrecht  ansetzenden  Flügeln.  In  letzteren 
liegen  die  Klassen. 

Der  östliche  Flügel  hat  im  allgemeinen  genügende  Beleuch- 
tung. Nur  in  dem  nach  Westen,  also  nach  dem  Hofe  zu, 
gelegenen  Zimmer  No.  VII  sind  von  60  Plätzen  10  zu  dunkel. 

Im  westlichen  Flügel  finden  sich  schlechtere  Lichtverhält- 
nisse. In  Zimmer  No.  I,  welches  im  Winkel  zwischen  Mittel- 
bau und  Flügel  im  Erdgeschofs  liegt,  erweisen  sich  von 
16  Bänken  7  als  ungenügend  hell,  desgleichen  die  Hälfte  der 


592 

8.  Bank.  Mit  anderen  Worten,  von  64  Platzen  sind  30  zu 
dunkel.  Die  Mehrzahl  der  übrigen  Plätze  erreicht  nur  gerade 
das  Minimum  des  notwendigen  direkten  Himmelslichtes. 
Zimmer  No.  VI,  welches  sich  über  No.  I,  also  ebenfalls  im 
Winkel  zwischen  Mittelbau  und  Flügel  befindet,  weist  ebenso 
bedenkliche  Verhältnisse  auf.  Es  stehen  darin  16  Bänke,  8  in 
einer  Reihe  hintereinander  an  den  Fenstern  entlang,  8  in 
einer  zweiten  Reihe  weiter  vom  Lichte  entfernt.  Von  den 
letzteren  sind  5  auf  allen  ihren  Plätzen  zu  dunkel,  die  übrigen 
3  auf  der  Hälfte  derselben.  Ebenso  werden  von  den  an  den 
Fenstern  stehenden  Bänken  2  ganz,  2  zur  Hälfte  ungenügend 
beleuchtet.  In  dieser  Klasse  sind  also  von  64  Plätzen  38  für 
Arbeitsplätze  als  unbrauchbar  zu  bezeichnen.  Gleichfalls  im 
ersten  Stocke  liegt  Zimmer  No.  XIII,  in  welchem  6  Plätze 
zu  dunkel  sind. 

Von  den  593  Schülern  des  westlichen  Flügels  haben 
90=  15%  eine  schlechte  Beleuchtung  ihrer  Arbeitsplätze,  von 
den  984  Schülerinnen  des  östlichen  Flügels  an  der  Olearius- 
stra&e  nur  10  =  1  %• 

Die  Ursache  der  unzureichenden  Helligkeit  ist  darin 
zu  suchen,  dafs  auch  hier  die  Flügel  zu  hoch  sind  —  aufiser 
dem  Erdgeschofs  noch  3  Stockwerke  — ,  dafs  die  Fenster  des 
Erdgeschosses  Spitzbogen  besitzen  und  dafs  die  Zimmer  No.  I 
und  VI  zu  tief  im  Winkel  zwischen  den  hohen  Flügeln  und 
dem  Mittelgebäude  liegen. 

4.    Die  Volksschule  in  der  Lessing-Sohillerstrafse. 

Das  Schulgebäude  ist  vor  zwei  Jahren  erbaut.  Es  besteht 
aus  einem  Mittelbau,  der  die  Turnhalle  in  sich  birgt,  und  zwei 
sich  rechtwinkelig  nach  Osten  daran  anschliefsenden  Flügeln 
mit  den  Klassenzimmern.  Der  eine  Flügel  liegt  südlich,  der 
andere  nördlich.  Zwischen  beiden  befindet  sich  der  Hof. 
Die  Klassenzimmer  gehen  nach  Norden  und  Süden. 

Die  6  Klassenzimmer  des  Südflügels  nach  Süden  heraus 
haben  gutes  Licht  und  sind  gegen  die  Sonne  durch  seitliche 
Zugvorhänge  geschützt.    Von  den  6  Klassenzimmern  des  Süd- 


593 

flügels  nach  Norden,  also  nach  dem  Hofe  zu,  besitzen  die  in 
den  oberen  2  Stockwerken  befindlichen  gleichfalls  genügende  Be- 
leuchtung. Was  dagegen  die  im  Erdgeschofs  gelegenen  Zimmer 
betrifft,  so  sind  in  No.  II  von  64  Plätzen  4  zn  dunkel,  in 
No.  I,  welches  im  Winkel  direkt  am  Mittelgebäude  liegt, 
von  64  Plätzen  18. 

Der  Nordflüge]  dieser  Schule  dient  als  Mädchenschule. 
Er  liegt  mit  der  Südfront  nach  dem  Hofe  zu,  mit  der  Nord- 
front nach  der  Schillerstraüse.  Im  Erdgeschofs  der  Nordfront 
haben  in  Klasse  No.  I  von  64  Plätzen  28  keine  ausreichende 
Beleuchtung;  6  Plätze,  die  am  weitesten  entfernt  von  den 
Fenstern  sind,  erhalten  überhaupt  kein  direktes  Himmelslicht. 
In  Klasse  No.  II,  ebenfalls  nach  Norden  im  Erdgeschofs 
gelegen,  sind  von  64  Plätzen  28  zu  dunkel.  Die  Klassen  des 
ersten  und  zweiten  Stockwerkes  dieses  Flügels,  und  zwar  sowohl 
die  nach  Norden,  als  die  nach  Süden  gerichteten  haben  gute 
Lichtverhältnisse.  Dagegen  sind  in  Zimmer  No.  III,  welches 
im  Erdgeschofs  nach  Süden  liegt,  von  64  Plätzen  14,  in 
Zimmer  No.  IV  von  64  Plätzen  25  ungenügend  erhellt.  Das 
letztere  ist  das  an  den  Mittelbau  angrenzende  Zimmer.  Die 
Beleuchtung  verschlechtert  sich,  sobald  hier  wegen  Blendung 
durch  Sonnenlicht  die  seitlichen  Zugvorhänge  zugezogen  werden. 

Von  den  1399  Schülern  der  Schule  haben  117  oder 
8,4%  keine  ausreichende  Beleuchtung  ihrer  Arbeitsplätze. 
Diese  für  ein  erst  vor  zwei  Jahren  erbautes  Unterrichtsgebäude 
wenig  erfreulichen  Zustände  rühren  her  teils  von  den  hohen 
gegenüberliegenden  Häusern  der  Schillerstrafse,  teils  von  den 
sich  gegenseitig  das  Licht  raubenden  langen  Flügeln.  Es  ist 
dieser  Platz  für  ein  so  grofses  Sohulgebäude  entschieden  zu  klein. 
Dazu  kommt  noch,  daüs  die  Fenster  desselben  erst  mehr  als 
2  Fufs  unterhalb  der  Decke  beginnen. 

5.    Die  Knabenbürgerschule 
an  der  Ecke  der  Charlotten-  und  Augustastrafse. 

Die  Klassenzimmer  dieses  1885  errichteten  Schulgebäudes 
liegen  zur   Hälfte  gegen  Norden   nach   der  Charlottenstrafse 


594 

heraus,  zur  Hälfte  gegen  Süden  nach  dem  Hofe  zu.  Letzterer 
ist  zwar  nicht  sehr  breit,  jedoch  wird  das  Licht  auf  dieser  Seite 
durch  keine  höheren  Nebengebäude  abgeschnitten.  Es  findet 
sich  daher  auch  in  allen  Zimmern  nach  dem  Hofe  hinaus  gute 
Beleuchtung,  und  selbst  einzelne  Bäume  desselben,  welche  vor 
den  unteren  Fenstern  ihre  Kronen  erheben,  schwächen  das  Licht 
nicht  zu  sehr,  besonders  da  hier  4  Fenster  demselben  Eingang 
in  das  Zimmer  gewähren. 

Anders  liegen  die  Verhältnisse  in  den  nordöstlichen 
Klassenzimmern  nach  der  Charlottenstrafse  hinaus.  Die  Häuser, 
welche  hier  der  Schule  gegenüberstehen,  besitzen  eine  grölsere 
Höhe,  als  die  Breite  der  Straße  beträgt.  Infolgedessen  ist  die 
Beleuchtung  der  im  Erdgeschoß  liegenden  Klassen  eine  durch- 
aus unzureichende.  Verstärkt  wird  dieser  Mangel  noch  durch 
die  Art  der  Fenster.  Es  befinden  sich  nämlich  hier  in  jeder 
Klasse  2  grofse  Fenster  mit  Rundbogen,  deren  höchster 
Punkt  mehr  als  1  Fufe  unterhalb  der  Decke  zurückbleibt.  Die 
Fensterrahmen  sind  zum  Teil  sehr  breit,  und  das  ganze  Fenster 
ist  durch  21  Stäbe  und  Rundhölzer  in  16  Scheibenöflhungen 
geteilt.  Jeder  Stab  raubt  natürlich  einen  Teil  des  Himmels- 
lichtes, und  so  ist  das  nachstehende  Beleuchtungsresultat  der  ein- 
zelnen Plätze  leicht  erklärlich.  Die  Zimmer  haben  je  16  Bänke 
und  durchschnittlich  50  Arbeitsplätze.  In  No.  VIII  sind  von 
den  50  Plätzen  10,  in  No.  VII  von  50  Plätzen  15  nicht 
genügend  hell;  ja  10  Plätze  erhalten  überhaupt  kein  direktes 
Himmelslicht,  sondern  sind  auf  reflektiertes  angewiesen.  In 
No.  VI  steht  die  Sache  ebenso  schlimm.  Von  50  Plätzen 
beziehen  hier  16  nur  diffuses  Himmelslicht  und  9  ungenügendes. 
Auch  in  No.  Y  fehlt  es  9  Plätzen  an  direktem  Licht,  während 
17  Plätze  unzureichend  beleuchtet  sind. 

In  den  letzten  3  Zimmern  haben  also  sämtliche  8  Bänke, 
welche  die  vom  Fenster  entfernte  zweite  Reihe  bilden,  unge- 
nügendes Himmelslicht  oder  entbehren  dasselbe  gänzlich. 

Auch  im  ersten  Stockwerke  fehlt  es  einer  nicht  geringen 
Anzahl  von  Plätzen  an  ausreichender  Beleuchtung.  Dieser 
Mangel  hätte  ganz    oder  zum  grofsen  Teil  vermieden  werden 


595 

können,  wenn  die  Fenster  statt  2  Fuls  unterhalb  der  Decke 
unmittelbar  unter  derselben  begonnen  hatten.  Gerade  da,  wo 
jeder  Centimeter,  um  den  das  Fenster  höher  hinaufreicht,  einen 
ganzen  Streifen  Himmelslicht  oberhalb  der  gegenüberliegenden 
Dächer  in  die  Zimmer,  und  zwar  nach  den  hinteren  Plätzen 
dringen   läßt,    ist   das  Verlegen   des  oberen  Fensterrandes  bis 

2  Fufs  unter  die  Decke  ein  Fehler.  Die  Fenster  sind  aber 
wenigstens  viereckig  und  besitzen  seitliche  Zugvorhänge. 

Im  ersten  Stockwerke  empfangen  in  No.  XIH  2  Plätze 
kein  direktes  Himmelslioht,  16  Plätze  ungenügendes,  in  No.  XIV 
6  Plätze  kein  Himmelslicht,  15  Plätze  ungenügendes,  in  No.  XVI 
1  Platz  kein  Himmelslicht,  16  Plätze  ungenügendes,  in  No.  XVEH 

3  Platze  ungenügendes  Licht. 

Die  Klassen  des  zweiten  Stockwerkes  sind  hinreichend  hell. 
Von  den  1250  Schülern  der  Schule  haben  auf  ihren 
Arbeitsplätzen 

ungenügendes  Licht  9  %  1  1  „  0 / 

kein  Himmelslicht     4%  i 

ausreichendes  Licht  87  °/o. 

6.    Die  Knaben-  und  Mädchenschule 
an  der  Neuen  Promenade. 

Die  Achse  des  Sohulgebäudes  erstreckt  sich  von  Norden 
nach  Süden.  Ein  kleiner  Anbau  am  südlichen  Ende  hat  die 
Richtung  von  Osten  nach  Westen.  Im  letzteren  befindet  sich 
nur  ein  Klassenzimmer,  No.  XXIV,  im  ersten  Stockwerke. 
Dasselbe  erhält  von  zwei  Seiten,  von  Norden  und  Süden, 
Licht  und  ist  dadurch  recht  gut  beleuchtet,  besser  als  alle 
anderen  Klassen  dieser  Schule. 

Die  Lichtverhältnisse  der  übrigen  Lehrzimmer  sind  im 
Durchschnitt  sehr  mangelhaft,  ein  Resultat,  das  durch  ver- 
schiedene Umstände  herbeigeführt  wird.  Wie  schon  er- 
wähnt, werden  die  meisten  der  im  Erdgeschofs  und  im  ersten 
Stockwerk  gelegenen  Zimmer  verdunkelt  durch  die  nahe  am 
Hause  stehenden  dicht  belaubten  Bäume,  und  zwar  sowohl 
von    der   Strafse,    als    von    dem   Hofe  aus.     Es    herrscht    in 


596 

denselben  im  Sommer    eine   beständige  Dämmerung,    so    dafe 
selbst   die    den   Fenstern   nahe    gelegenen   Plätze    zu    dunkel 
sind.     Im  zweiten  Stockwerk,  welches  ausreichendes  Licht  für 
alle    Arbeitsplätze    bieten    würde,    befinden    sich    leider    nur 
2  Klassen,  der  übrige  Raum  dient  anderen  Zwecken.     Aufser 
der  Verdunkelung    durch    die    Bäume    kommen   noch   andere 
Faktoren  in  Betracht,  welche  gleichfalls  zum  Teil  schon  oben 
erörtert  sind.     Die  Fenster  beginnen  ausserordentlich  tief  unter- 
halb der  Decke,    die   alten  Zugrouleaux   sind  in    beständiger 
Unordnung  und  hängen  zu  weit  in  den  Fenstern  herab.    Ferner 
sind  die  nach  innen  einspringenden  Wände  etwa  7*  m  dick, 
und  doch  hat  eine  Abschrägung  derselben  weder   nach  aufeen 
noch  nach  innen  stattgefunden.     Nur  in  einer  ganz  dunklen, 
nach  dem  Hofe  zu  gelegenen  Klasse,  No.  IX,   hat  die  Über- 
zeugung   yon    den    allzu    schlechten  Lichtverhältnissen    dahin 
geführt,  dafs  die  Fensterwände  nach  innen  abgeschrägt  worden 
sind,    ohne    dafs    jedoch    bei    der  Lage    des   Zimmers    diese 
Abschrägung  einen  wesentlichen  Nutzen  gebracht  hätte.  Nehmen 
wir  nun  noch  die  geringe  Fensterfläche  im  Vergleich  zur  Boden- 
fläche   hinzu,    so   kann    es   nicht  Wunder   nehmen,    dafs   das 
Resultat   der   Lichtmessung    ein    recht   ungünstiges   ist.     Die 
Zahlen,  welche   hier  für  die    einzelnen  Klassen   folgen,    sind 
zum  großen  Teile  schätzungsweise  gewonnen,   weil  eine  Be- 
stimmung des  Raumwinkels  der  Bäume  wegen  unmöglich  war. 
Wo  eine  Messung  stattfinden  konnte,  wurde  dieselbe  ausgeführt. 
Was  die    im   Erdgeschoß  gelegenen  Zimmer  betrifft,   so 
haben    in    No.  II  von  54  Plätzen  24,    in  No.  IV  30  Plätze 
keine  ausreichende  Beleuchtung.    In  No.  VII  mit  54  Plätzen 
und   in   No.  XXIX    mit  24   Plätzen    sind   im  Sommer  alle 
Plätze  unzulänglich  mit  Licht  versehen.     In  No.  IX  besitzen 
die  2  ersten  Plätze  jeder  der  8  Bänke  Helligkeit  genug,   die 
übrigen  nicht.     Im  Winter  bei  entlaubten  Bäumen  verbessern 
sich  die  Lichtverhältnisse  entschieden,  jedoch  bleiben  immerhin 
auch  dann  noch  die  letzten  Plätze  jeder  Bank  zu  dunkel.    Die 
Bänke  sind  hier  unzweckmäfsigerweise  über  einen   Meter  vom 
Fenster   entfernt   aufgestellt.     No.  X  ist   eine  Eckklasse  mit 


597 

5  Fenstern.  Zwei  von  den  letzteren  liegen  linkerseits  von  den 
Plätzen,  eines  schräg  links  vorn,  zwei  Fenster,  und  zwar 
gerade  diejenigen,  welche  wegen  Mangel  an  vorstehenden 
Bäumen  das  beste  Licht  geben,  lassen  dasselbe  von  vorn  her 
auf  die  Arbeitsplätze  fallen.  Die  Kinder  sitzen  also  der 
Hauptlichtquelle  mit  dem  Gesichte  entgegen.  Diese  Anord- 
nung der  Bänke  ist  eine  unzweckmäfsige.  Abgesehen  hiervon, 
ist  auch  das  Zimmer  in  seinen  hintersten  Plätzen   zu  dunkel. 

Nach  dem  Hofe  heraus  liegt  No.  IX,  welches  zur  Zeit 
als  Klassenzimmer  nicht  benutzt  wird.  Es  ist  aber  auch  als 
solches  durchaus  unbrauchbar,  da  wegen  Vorbaues  eines  grofsen 
Hauses  auf  den  8  langen  Bänken  nur  9  Plätze  genügendes 
Licht  haben,  während  6  gar  kein  direktes  Himmelslioht 
empfangen.  In  No.  VIII  sind  die  in  der  zweiten  Reihe  vom 
Fenster  entfernter  stehenden  Bänke  auf  24  Plätzen  unzureichend 
beleuchtet,  da  auch  hier  Bäume  mit  ihrem  Laube  das  ins 
Zimmer  dringende  Licht  vermindern.  Wie  in  No.  VIII  liegen 
die  Verhältnisse  in  No.  VI,  No.  III  und  No.  I.  Auch  in 
diesen  Klassen  sind  die  Hälfte  der  Plätze  wegen  ihrer  zu 
geringen  Helligkeit  als  unbrauchbar  zu  bezeichnen. 

Im  ersten  Stockwerk  besitzen  die  Zimmer  nach  dem  Hofe 
heraus  im  allgemeinen  gutes  Licht,  so  die  Klassen  No.  XII,  XIV, 
XVI,  XVIII,  XX.  Nur  No.  XXII,  welches  über  der  vorhin 
besprochenen  No.  IX  liegt,  hat  auf  8  Plätzen  unzureichende 
Beleuchtung.  Nach  vorn  heraus  im  ersten  Stockwerk  erscheinen 
die  Verhältnisse  schlechter  als  nach  hinten  heraus.  Hell 
genug  sind  noch  No.  XIH  und  XV,  während  No.  XVII  und 
XXI  auf  einem  Drittel,  No.  XIX  auf  zwei  Dritteln  der 
Plätze  kein  hinreichendes  Licht  erhalten.  No.  XXIII  liegt 
über  der  Klasse  No.  X  und  weist  dieselben  Übelstände  wie 
diese  auf,  nämlich  von  vorn  den  Kindern  ins  Gesicht  strah- 
lendes Licht,  so  daJs  dieselben  nach  Katheder  und  Tafel  in 
dasselbe  sehen  müssen;  ferner  reicht  die  Beleuchtung  nicht 
völlig  aus. 

Im  zweiten  Stockwerke  befinden  sich  noch  2  Klassen  mit 
genügender  Beleuchtung. 


598 

Es  haben  nach  diesen  Untersuchungen  von  1447  Arbeits- 
plätzen 405  unzulängliches  Licht,  10  erhalten  überhaupt  kein 
direktes  Himmelslicht.  Das  macht  zusammen  29%  sämtlicher 
Plätze. 

Hierbei  ist  jedoch  zu  beachten,  dafs  die  Messungen  in 
der  Sommerzeit  während  der  Belaubung  der  Bäume  angestellt 
sind  und  dais  sich  die  Beleuchtung  im  Winter  etwas  bessern 
wird.  Andererseits  mufs  man  aber  in  Berücksichtigung  ziehen, 
dafs  dieselbe  im  Winterhalbjahr  an  und  für  sich  eine  schlech- 
tere ist  und  dais  untersucht  worden  ist  mit  Beseitigung  aller 
den  Lichteinfall  störenden  Umstände,  insbesondere  nach  völligem 
Heraufziehen  sämtlicher  Rouleaux. 

7.    Das  Stadtgymnasium 
und  die  städtische  Realschule  nebst  der  Vorschule 

des   Stadtgymnasiums. 

Das  alte  Hauptgebäude  besteht  aus  einem  Mittelbau 
und  zwei  sich  senkrecht  an  diesen  ansetzenden  Flügeln.  Der 
Mittelbau  hat  im  wesentlichen  die  Sichtung  von  Süden  nach 
Norden,  die  Flügel  diejenige  von  Osten  nach  Westen.  Das 
Gebäude  grenzt  nach  Norden  an  die  Luisenstrafee,  nach  Osten 
an  den  Schulhof,  nach  Süden  an  die  Hedwigstrafse,  nach 
Westen  an  einen  mit  Anlagen  versehenen  Platz,  an  den  sich 
weiterhin  die  Sophienstrafee  anschließt.  In  der  südlichen 
gröfseren  Hälfte  des  Gebäudes  liegen  die  Bäume  des  Gymnasiums, 
in  der  nördlichen  die  der  Realschule. 

In  der  Realschule  haben  die  Klassen  allesamt  ausreichendes 
Licht.  Es  sind  nördliche  Zimmer  nach  dem  Hofe,  nach  der 
Sophienstrafse,  die  meisten  nach  der  Luisenstralse  heraus. 
Letztere  Strafse  ist  zwar  schmal,  aber  die  gegenüberliegenden 
Häuser  sind  nicht  sehr  hoch,  so  dafs  der  Raumwinkel  ein 
genügender  bleibt. 

Im  Gymnasium  müssen  die  Lichtverhältnisse  auch  im 
ganzen  als  befriedigend  bezeichnet  werden.  Nur  2  Zimmer 
leiden  an  Dunkelheit,  wozu  sehr  viel  die  schon  oben  beschriebene 


599 

unzweckmäßige  Art  der  Jalousien  beiträgt.  Es  sind  dies  die 
im  Erdgeschofs  gegen  Süden  nach  der  Hedwigstralse  heraus- 
liegenden Klassen  M  VI  und  M  II.  Vor  den  Fenstern  stehen 
hier  dichtbelaubte  Bäume,  gegenüber  erheben  sich  hohe  Häuser, 
und  das  Erdgeschoß  des  Gymnasiums  nach  dieser  Seite  liegt 
im  Vergleiche  zu  der  Hedwigstralse  recht  tief.  In  M  VI 
findet  sich  auf  den  7  von  den  Fenstern  entfernter  stehenden 
Bänken  kein  ausreichend  heller  Platz,  und  die  Hälfte  der 
noch  übrigen  Arbeitsplätze  ist  ebenfalls  zu  dunkel.  In  M  II, 
wo  nur  10  Bänke  stehen,  haben  3  derselben  ungünstiges  Licht. 
Abgesehen  von  diesen  Plätzen,  ist  noch  in  O  V  für  die 
2  Bänke,  welche  als  dritte  Bankreihe,  vom  Fenster  aus 
gerechnet,  aufgestellt  sind,  der  Baumwinkel  ein  zu  geringer. 

Im  ersten  Stockwerk  sind  in  Ia,  ebenfalls  nach  der 
Hedwigstralse  zu  gelegen  und  ebenfalls  mit  Holzjalousien  an 
den  Fenstern  versehen,  die  erste  Bank  teilweise,  die  letzte  auf 
allen  ihren  Plätzen  ungenügend  beleuchtet. 

Die  übrigen  Klassen  erweisen  sich  hinreichend  hell. 

Von  den  559  Schülern  des  Gymnasiums  haben  danach 
41  zu  dunkle  Arbeitsplätze  =  7,3°/o. 

Das  neue  Gebäude  im  Hofe  des  städtischen  Gymnasiums 
besitzt  einen  dem  Hauptgebäude  parallel  verlaufenden  Mittelbau 
und  zwei  kleinere  sich  rechtwinklig  an  denselben  anschliefsende, 
nach  dem  Hauptgebäude  gerichtete  Flügel.  Im  Erdgeschois 
desselben  liegen  die  Klassenräume,  und  zwar  rechts  die  der 
Vorschule  des  Gymnasiums,  links  einige  Klassenzimmer  und 
der  Zeichensaal  der  Realschule. 

Man  mufs  im  Hinblick  auf  die  Beleuchtung  der  Bank- 
plätze, wie  die  Verhältnisse  jetzt  liegen,  die  Wahl  dieses 
Bauplatzes  und  auch  in  manchen  Beziehungen  die  Bauart  als 
wenig  glücklich  bezeichnen.  Die  Lage  des  Schulhauses  ist 
insofern  ungünstig,  als  nach  Westen  das  hohe  Gymnasialgebäude 
mit  den  naheherantretenden  Flügeln  gegenübersteht  und  zu 
wenig  Himmelslicht  in  die  betreffenden  Klassen  dringen  läfst, 
als  ferner  auch  gegen  Süden,  nach  der  Hedwigstralse  zu, 
ziemlich   hohe  Gebäude    gegenüberliegen,  während    sich    hier 


600 

dicht  vor  den  Fenstern  im  Hofe  die  Kronen  von  Bäumen 
erheben.  Ebenso  versperren  nach  Osten  und  Norden  dicht- 
belaubte nahestehende  Bäume  dem  Lichte  den  Zutritt.  Nehmen 
wir  nun  noch  hinzu,  dals  die  Fensterfläohe  sich  zur  Boden- 
fläohe  wie  1 :  10,  bezw.  wie  1  :  11  verhält,  dals  die  Fenster- 
pfeiler eine  Breite  von  1,50  bis  1,70  cm  besitzen,  dals  in 
verschiedenen  Ellassen  die  Fenster  sehr  ungleich  verteilt  sind, 
so  dafs  tiefe  dunkle  Ecken  mit  schlecht  beleuchteten  Arbeits- 
plätzen entstehen,  so  kann  man  nicht  umhin  zu  erklären,  dafs 
bei  der  Anlage  dieser  zum  grofsen  Teile  von  den  jüngsten 
Schülern  benutzten  Klassen  viel  zu  wenig  Rücksicht  auf  die 
erforderliche  Helligkeit  genommen  worden  ist. 

Im  einzelnen  hat  in  der  Vorschule  des  Gymnasiums  die  nach 
Norden  gerichtete  Klasse  M  I  von  48  Plätzen  12,  die  Klasse 
0 III  und  0 II  nach  Süden  hinaus  jede  10  Plätze  mit  schlechter 
Beleuchtung.  Das  Klassenzimmer  0  I  ist  genügend  hell, 
M  III  hat  5  zu  dunkle  Plätze. 

Von  den  191  Schülern  sitzen  37  auf  nicht  hinreichend 
erhellten  Arbeitsplätzen,  d.  i.  19%. 

Die  Klassen  der  Realschule,  welche  in  der  linken  Hälfte 
dieses  Gebäudes  liegen,  sind  allesamt  zu  dunkel,  hauptsächlich 
wegen  der  an  allen  drei  Seiten  nahestehenden  Bäume.  Zahlen- 
mäßig lälst  sich  diese  Verdunkelung  für  die  einzelnen  Plätze 
durch  die  bei  der  Untersuchung  geübte  Methode  nicht  nach- 
weisen, aber  es  erscheint  durchaus  notwendig,  dals  für  die 
Verbesserung  der  Lichtverhältnisse  hier  etwas  geschehe. 

8.    Die  Volksschule  für  Knaben  und  Mädchen 

in  der  Taubenstrafse. 

Das  Schulgebäude  hat  einen  groisen  Mittelbau,  der  von 
Süden  nach  Norden  verläuft  und  an  den  auf  jedem  Ende  nach 
Osten  hin  ein  kleiner  Flügel  angebaut  ist.  Nach  derselben 
Himmelsrichtung,  zwischen  den  Flügeln  beginnend,  liegt  auch 
der  geräumige,  mit  Bäumen  bepflanzte  Schulhof.  Nach  Süden 
stofsen  (Jurten   an  das  Schulhaus,   nach  "Westen  erstreckt  sich 


601 

ein  breiter  freier  Platz  vor  demselben.  Nor  nach  Norden 
grenzt  der  eine  Flügel  des  Gebäudes  an  eine  ziemlieh  enge 
Strafse,  die  Taubenstrafse. 

Die  Lichtverhältnisse  in  dieser  Schule  sind  gemäfe  ihrer 
Lage  im  ganzen  gute.  Beanstandet  werden  müssen  die  nach 
Norden,  nach  der  Taubenstrafse,  im  Erdgeschoß  gelegenen 
Zimmer  wegen  der  geringen  Beleuchtung,  welche  die  zweite 
vom  Fenster  entfernt  stehende  Bankreihe  erhält.  Es  sind  dies 
die  Ellassen  No.  I,  wo  23  Plätze  von  49  einen  zu  geringen 
Raumwinkel  aufweisen,  und  No.  VI,  wo  die  Hälfte  der  Plätze 
unzureichendes  und  teilweise  ganz  ungenügendes  Licht  erhält. 
Auch  in  diesen  Klassenzimmern  hätte  durch  Höherlegen  der 
Fenster,  welche  etwa  2  Fufs  unterhalb  der  Decke  und  noch 
dazu  mit  einem  Bogen  beginnen,  viel  Licht  gewonnen  werden 
können.  Die  Häuser,  welche  in  der  Taubenstrafse  dem 
Schulgebäude  gegenüberstehen,  sind  nicht  hoch.  Da  dieselben 
alt  und  unscheinbar  sind,  so  wäre  es  leicht  möglich,  dafs  an 
deren  Stelle  Neubauten  aufgeführt  werden.  Es  würden  dann 
die  2  genannten  Klassen  gänzlich  unbrauchbar  werden. 

Ferner  empfangen  noch  3  Klassen  infolge  ihrer  Lage 
zu  wenig  direktes  Himmelslicht.  Es  sind  diejenigen,  welche 
in  den  Flügeln  nach  dem  Hofe  hinaus  dem  Hauptgebäude 
anliegen.  Auch  hier  raubt  ein  Flügel  dem  anderen  das  Licht. 
Von  diesen  Klassen  liegen  No.  V  und  XI  im  nördlichen, 
No.  XXXTT  im  südlichen  Flügel.  In  No.  V  und  XI  haben 
die  2  resp.  3  hintersten  Bänke  ganz  ungenügendes  Licht  und 
anfordern  auch  noch  je  2  Plätze  auf  den  Bänken,  welche 
von  den  Fenstern  entfernt  stehen.  Letzteres  trifft  auch  in 
No.  XXXVII  zu. 

Die  sämtlichen  übrigen  31  Klassen  sind  ausreichend  oder 
selbst  reichlich  mit  Licht  versehen. 

Die  Zuggardinen  waren  alle  gut  im  stände  und  hoch  bis 
an  die  Decke  aufgezogen,  so  dals  sie  den  Lichteinfall  nicht 
beeinträchtigten. 

Von  den  2100  Arbeitsplätzen  sind  110  =  5%  wegen  un- 
genügender Beleuchtung  zu  beanstanden. 

Seholg«muidh«itfpfl«g6  VI.  39 


602 


9.  Die  Knaben-  und  Mädchenschule 

in  der  Liebenauerstrafse. 

Die  Schulen  bilden  zwei  getrennte  Gebäude  zu  je  12 
Klassen.  Das  eine  ist  für  die  Mädchen,  das  andere  für  die 
Knaben  bestimmt.  Beide  Sohulhäuser  liegen  oben  auf  der 
Höhe,  ringsherum  frei,  insbesondere  nach  den  beiden  Rich- 
tungen zu,  wohin  die  Klassenzimmer  gelegen  sind,  nach  Osten 
und  Westen.  Infolge  dieser  Lage  sind  die  Lichtverhftlt- 
nisse  sehr  gute.  Jeder  Platz  hat  mehr  als  den  kleinsten 
zulässigen  Baumwinkel.  Ausserdem  beginnen  hier  auch  die 
Fenster  näher  an  der  Decke,  als  in  allen  übrigen  neueren 
Schulen,  etwa  einen  Fufs  tief  unter  derselben. 

Im  Knabengebäude  befinden  sich  tiberall  seitliche  Zug- 
vorhänge, desgleichen  im  Mädchengebäude  nach  der  Westseite 
hin.  Dagegen  sind  an  der  Ostseite  des  letzteren  Vorhänge, 
die  von  oben  nach  unten  verlaufen,  angebracht.  Dafe  diese 
auch  hier  störend  wirken,  beweist  der  Umstand,  dals  zur  Zeit 
der  UnterBuchung  Versuche  mit  seitlichen  Zugvorhängen,  welche 
nur  die  zwei  unteren  Fensterflügel  decken,   gemacht  wurden. 

10.  Die  Knaben-  und  Mädchensohule 

in  der  Hermannstrafse. 

Die  Schule,  vor  15  Jahren  erbaut,  bildet  nur  einen 
Längsbau  mit  der  Achsenrichtung  von  Osten  nach  Westen. 
Die  Klassenzimmer  liegen  teils  nach  Süden,  nach  der  Hermann- 
strafte  zu,  teils  nach  Norden,  nach  einem  breiten  Schulhofe 
heraus.  Sowohl  in  den  südlich,  wie  in  den  nördlich  ge- 
richteten Bäumen  sind  die  Lichtverhältnisse  durchweg  ge- 
nügende, in  den  letzteren  sogar  gute.  Sämtliche  24  Klassen 
mit  zur  Zeit  1402  Arbeitsplätzen  erscheinen  hinreichend  hell. 
In  der  Hermannstrafse  liegen  zwar  die  Häuser  der  anderen 
Strafsenseite  gegenüber,  aber  dieselben  sind  nicht  sehr  hoch. 
Außerdem  ist  die  Strafse  ungefähr  einundeinhalbmal  so  breit, 
als  die  Höhe  der  Häuser  beträgt,  und  das  Erdgeschoß  des 
Schulhauses    ziemlich   hoch   gelegt,    ein    Verfahren,    welches 


4 
t 


603 

sich  bei  allen  in   Strafsen  liegenden  Schulen  ausserordentlich, 
empfiehlt. 

11.  Die  Schulen  der  Franckeschen  Stiftungen. 

Diese  Schulen  liegen  zum  grofeen  Teile  in  den  Gebäuden, 
welche  den  langen  Mittelhof  der  Stiftungen  begrenzen.  Es 
sind  dies  der  Hauptmittelbau,  die  beiden  langen,  rechtwinklig 
sich  an  denselben  anschliessenden  Flügel  und  das  Pädagogium, 
welches  den  Hof  nach  Osten  hin  abschließt.  Im  Haupt- 
mittelbau  befindet  sich  die  Mehrzahl  der  Klassen  der  Latina, 
12  an  Zahl,  und  zwar  nach  Westen  nach  dem  Franckeplatz 
hinaus;  die  übrigen  Klassen  dieser  Schule  liegen  in  dem 
nach  Osten  gelegenen  Flügel  des  Pädagogiums.  In  dem  linken 
langen  Seitenflügel,  dessen  eine  Front  nach  dem  Hofe,  dessen 
andere,  die  nördliche,  nach  der  Promenade  zu  gelegen  ist,  sind 
die  Freischule,  eine  Klasse  der  Vorschule,  2  Klassen  des 
LehrerinneDseminars,  die  Knaben-  und  Mädchenbürgerschule 
untergebracht.  In  dem  rechten  Seitenflügel,  dessen  Nordseite 
nach  dem  Hofe,  dessen  Südseite  nach  dem  Waisenhausgarten 
gerichtet  ist,  liegen  nahe  am  Hauptgebäude  in  den  oberen 
Stockwerken  5  Klassen  der  Vorschule,  weiterhin,  nahe  am 
Pädagogium,  in  einem  niedrigen  Bau  die  Klassen  der  höheren 
Mädchenschule.  Zwei  Klassen  der  letzteren  haben  in  einem 
vom  Pädagogium  seitlich  stehenden  Gebäude  Unterkunft  ge- 
fanden. Aufser  diesen  vielfach  ineinander  geschobenen  Schulen 
besteht  noch  das  Realgymnasium,  welches  einen  abseits  nach 
Süden  gelegenen,  im  Jahre  1852  errichteten  Längsbau  mit  der 
Achsenrichtung  von  Osten  nach  Westen  einnimmt. 

Die  sämtlichen  Schulen  mit  Ausnahme  des  Real- 
gymnasiums sind  noch  zu  Lebzeiten  Franckes  gebaut  worden. 
Im  wesentlichen  haben  daher  sowohl  die  Schulgebäude  als  die 
Klassen  noch  dasselbe  Aussehen,  wie  vor  fast  200  Jahren. 
An  denselben  sind  die  Wandlungen  der  Ansiohten  über  die 
Bauart,  die  Einrichtung,  die  hygienischen  Erfordernisse  der 
Unterrichtsanstalten  fast  spurlos  vorübergegangen. 

Es  kann  deshalb   nicht  Wunder  nehmen,    dafs  auch  die 

39* 


604 

Lichtverhältnisse,  welche  ebenfalls  sieb  nur  wenig  seit  der  Er- 
bauung der  Schulen  geändert  haben,  den  heutigen  Anforderungen 
in  einer  grofsen  Anzahl  von  Klassen  selbst  nicht  annähernd 
entsprechen.  Die  Fenster  sind  viel  zu  klein,  und  das  Ein- 
dringen des  Lichtes  wird  noch  dadurch  erschwert,  dafe  dieselben 
keine  grösseren  Glasflächen  besitzen,  sondern  durch  Leisten  in  zahl- 
reiche kleine  Scheiben  geteilt  sind.  Man  zählt  in  diesen  Fenstern, 
welche  an  G-rölse  von  denen  eines  gewöhnlichen  Privathauses 
der  Neuzeit  übertroffen  werden,  8 — 24  Scheiben,  deren  Ein- 
fassungsleisten natürlich  einen  Teil  des  Himmelslichtes  rauben 
und  so  in  ganz  beträchtlicher  Weise  den  Raumwinkel  ver- 
ringern. Dazu  kommen  noch  die  grauen  Zugrouleaux,  welche 
in  den  Fensteröffnungen  selbst  angebracht  sind  und  auch  beim 
besten  Willen  nicht  soweit  hinaufgezogen  werden  können,  dafe 
sie  nicht  einen  Teil  der  oberen  Fensterscheiben  verdecken, 
während  sie  gewöhnlich  die  letzteren  ganz  verdunkeln.  Diese 
alten  unpraktischen  Bordeaux  finden  wir  in  den  meisten  Unter- 
richtsräumen noch  vor,  nur  die  Klassen  der  höheren  Mädchen- 
schule, der  Latina  im  Mittelbau  und  des  Realgymnasiums  sind  da- 
von beireit  worden.  Da  die  Zimmer  nicht  sehr  tief,  sondern  mehr 
langgestreckt  sind,  und  da  nur  2  oder  3  kleine  Fenster  die- 
selben erhellen,  so  besitzen  die  Pfeiler  zwischen  den  letzteren 
eine  aufser  ordentliche  Breite,  welche  1,6  m  und  darüber  beträgt. 
Die  Plätze  an  diesen  Pfeilern  sind  deshalb  auch  regelmäßig 
zu  dunkel. 

Zweierlei  Umstände  verhüten,  dafs  die  Lichtverhältnisse 
nicht  noch  sohlechter,  als  in  der  That  sind.  Erstens  ist  die 
Mehrzahl  der  Ellassen  in  die  oberen  Stockwerke  verlegt,  wo- 
durch die  Menge  und  die  Art  des  einfallenden  Himmelslichtes 
wesentlich  gebessert  wird,  und  zweitens  befindet  sich  der  obere 
Fensterrand  direkt  an  oder  wenig  unterhalb  der  Zimmerdecke. 
Die  Fenster  sind  hier  meistens  höher  nach  oben  hinauf  an- 
gebracht, als  in  allen  neueren  Schulen. 

Über  die  Resultate  der  Lichtmessungen  in  den  einzelnen 
Schulen  der  Franckeschen  Stiftungen  ist  folgendes  zu  bemerken. 

Die  12  Klassen  der  Latina  im  Hauptgebäude  liegen  im 


605 

ersten  und  zweiten  Stockwerk  und  haben  bei  hoohgezogenen 
Fenstervorhängen  auf  allen  Plätzen  genügende  Beleuchtung. 
Die  7  übrigen  Klassen  dieser  Schale  befinden  sich  in  dem 
dritten  Stockwerk  des  Flügels,  welcher  sich  nach  Osten  hin 
an  das  Mittelgebäude  des  Pädagogiums  anschliefst.  Die  hier 
gelegenen  Zimmer  gehen  zum  Teil  nach  Norden,  zum  Teil 
nach  Süden.  Die  Klassen  nach  Süden  heraus,  ebenso  wie 
0  II  b  nach  Norden  heraus  haben  ausreichendes  Licht.  Die 
beiden  anderen  Klassen  nach  Norden  sind  dadurch  schlechter 
gestellt,  dals  sich  die  Kronen  von  Pappeln  vor  den  Fenstern 
ausbreiten.  Selbst  wenn  in  diesen  Zimmern  zweokmäfsiger- 
weise  die  Bänke  bis  dicht  an  die  Fenster  herangestellt  werden, 
genügt  das  Licht  doch  nicht  ganz.  Insbesondere  sind  die 
Plätze  hinter  den  Pfeilern  entschieden  zu  dunkel.  Genauere 
Messungen  des  Baumwinkels  waren  hier  wegen  der  erwähnten 
Baumwipfel  nicht  möglich. 

Das  Bealgymnasium  liegt  rechts  vom  Eingang,  schon 
in  den  Gartenplatz  hinaus,  mit  der  Achsenrichtung  von  Osten 
nach  Westen.  Die  Klassenzimmer  sind  meistens  nach  Süden 
gerichtet,  nur  Ya  im  Erdgesohofs  und  der  Zeichensaal  im 
zweiten  Stockwerk  gehen  nach  Norden.  An  den  Fenstern 
der  Südseite  sind,  wie  bereits  oben  erwähnt,  die  Fenster- 
laden unpraktisch,  besonders  da  sie  wegen  des  hellen  Sonnen- 
lichtes während  der  Mehrzahl  der  Schulstunden  benutzt  werden 
müssen.  Vor  den  Fenstern  des  Erdgeschosses  im  Süden  er- 
heben sich  Bäume,  welche  die  Klassen  verdunkeln,  so  dals 
schätzungsweise  in  Vb  ein  Drittel,  in  VIb  die  Hälfte  der 
Plätze  ungenügendes  Licht  empfängt.  Es  würde  sich  empfehlen, 
diese  beiden  Klassen  nach  Norden  und  dafür  Aufbewahrungs- 
räume,  Konferenzzimmer  und  dergl.  nach  Süden  zu  verlegen. 

Die  höhere  Mädohenschule.  Die  Lichtverhältnisse 
dieser  Schule  sind  ungenügende.  Nach  dem  Hofe  zu  erhebt 
sich  gegenüber  das  4  Stock  hohe  linke  Seitengebäude,  und 
zwar  in  einer  Entfernung,  welche  bedeutend  kleiner  ist,  als 
seine  Höhe.  Nach  Süden,  nach  dem  Waisenhausgarten  hin, 
stehen  nahe  am  Hause  dichtbelaubte  Bäume,  welche  die  Zimmer 


606 

so  weit  verdunkeln,  dals  in  Klasse  VII,  desgleichen  in  Klasse  V 
überhaupt  kein  Platz  während  der  Sommerzeit  schätzungsweise 
genügendes  Licht  hat  und  dafs  im  Zeichensaal,  ebenfalls  nach 
Süden  gelegen,  zwei  Drittel  der  Plätze  zu  dunkel  sind.     Die 
größte  Helligkeit  von  allen  Ellassen  hat  noch  die  Klasse  I  dadurch, 
dafs  sie  die  ganze  Breite  des  Gebäudes  einnimmt  und  sowohl 
von  rechts  als  links  licht  erhält.    Zwar  zeigt  sich  der  Raum- 
winkel auch  in  diesem  Zimmer  für  eine  Anzahl  von  Plätzen 
zu  gering,   jedoch  ist  der  Einfluß  der  Beleuchtung  von  zwei 
Seiten,  welche  überhaupt  als  eine  recht  zweckmässige  empfohlen 
werden  kann,  durch  stärkere  Wirkung  des  reflektierten  Lichtes 
augenscheinlich  ein  so  bedeutender,   daJfa  auch  die  Plätze  mit 
nicht   ausreichendem  Baumwinkel   genügend   hell  sind.     Da- 
gegen zeigen  die  übrigen  nach  Norden  liegenden  Blassen  eine 
ganz  ungenügende  Beleuchtung  der  Arbeitsplätze.     Die  Hälfte 
derselben  hat  überhaupt  kein  direktes  Himmelslicht,  das  dritte 
Viertel  ist  unzureichend  hell,  und  nur  die  unmittelbar  am  Fenster 
gelegenen  Plätze  werden  hinlänglich  beleuchtet.     Diese  Resul- 
tate erhält  man    gleichmäßig  in  den   Blassen  IV,  VIII,  VI 
und  V.    Rechnet  man  selbst  zu  dem  vorhandenen  Raumwinkel 
das   von   der   nach    Süden   gerichteten  Wand  des  gegenüber- 
liegenden Seitengebäudes  reflektierte  Licht  hinzu,    so  bleiben 
doch  die  Helligkeitsverhältnisse  derartige,  dals  vom  hygienischen 
Standpunkte  eine  Verlegung  der  Schule  dringend  geboten  er- 
scheint.1     Zwei    Lehrzimmer    der    höheren    Mädchenschule 
liegen  im  ersten  Stockwerk  eines  isolierten  Gebäudes  nahe  am 
Pädagogium,  mit  der  einen  Front  nach  diesem,  mit  der  anderen 
nach  dem  Garten  gerichtet.    Es  sind  dies  die  Klassen  No.  X 
und  No.  IX.     In  No.  X  erhalten  die  hintersten  Bänke  kein 
genügendes,    ja    3    Plätze   gar   kein    direktes    Himmelslioht. 
No.  IX  empfängt  während  der  Vormittagsstunden,    in  denen 
hier  nur  unterrichtet  wird,  ausreichende  Beleuchtung. 

1  Aus  einem  Aufsätze  des  verstorbenen  Direktors  der  Franckeschen 
Stiftungen,  Dr.  0.  Fkick,  veröffentlicht  in  der  Festschrift  /&r  die 
64.  Natwforschervcr sammhing,  1891,  geht  hervor,  dals  ein  Neubau  für 
die  höhere  Mädchenschule  in  Vorbereitung  ist. 


607 

Von  den  zur  Zeit  vorhandenen   255  Schülerinnen  haben 
88  =  34,5%  ungenügendes  Licht, 
55  =  21,5%  kein  direktes  Himmelslicht, 
142  =  44%  ausreichendes  Licht. 

Die  Vorschule  liegt  hauptsächlich  im  rechten  Flügel 
über  dem  gemeinsamen  Speisesaale  nahe  am  Mittelgebäude. 
Hier  befinden  sich  5  Klassen,  und  zwar  sind  3  davon  nach 
Norden,  nach  dem  Hauptschulhofe,  2  nach  Süden  gerichtet. 
Von  den  3  Klassen,  welche  nach  Norden  liegen,  hat  die  zweite 
Parallelklasse  10,  die  zweite  Klasse  12  ungenügend  beleuchtete 
Plätze.  In  der  dritten  Klasse  ist  die  Beleuchtung  ausreichend. 
Ebenso  findet  sich  in  den  2  Klassen  nach  Süden  genügendes 
Licht.  Nur  je  2  Plätze  an  den  bis  2,20  m  breiten  Fenster- 
pfeilern sind  zu  dunkel.  Eine  Klasse  der  Vorschule  liegt  im 
Erdgeschoß  des  linken  Seitengebäudes  ebenfalls  nach  dem 
Hofe.  Hier  erhält  die  zweite,  von  den  Fenstern  entfernter 
stehende  Reihe  von  Bänken  auf  allen  ihren  Plätzen  un- 
zureichendes Licht. 

Die  Vorschule  scheint  zur  Zeit  schwach  besucht  zu  sein, 
denn  für  die  170  Arbeitsplätze  sind  nur  129  Schüler  vor- 
handen. Von  den  170  Bankplätzen  haben  50  =  30%  einen 
zu  geringen  Raumwinkel. 

Viel  schlimmer  erweisen  sich  die  Verhältnisse  in  der 
Freischule,  von  welcher  3  Klassen  nach  dem  Hofe  zu  nahe 
der  Ecke,  welche  das  Hauptgebäude  mit  dem  Seitengebäude 
bildet,  liegen,  während  eine  Klasse  die  Fenster  nach  Norden  hat. 

Nach  Süden  hin  befindet  sich  die  erste  Mädchenklasse. 
8  Plätze  erhalten  hier  überhaupt  kein  Himmelslicht,  30  un- 
genügendes, und  nur  10  Plätze  direkt  am  Fenster  erfreuen 
sich  einer  befriedigenden  Lichtmenge. 

In  der  zweiten  Mädchenklasse  empfangt  ein  Drittel  sämt- 
licher Plätze  überhaupt  kein  direktes  Himmelslicht,  ein  Drittel 
ungenügendes  und  nur  ein  Drittel  ausreichendes. 

In  der  ersten  Knabenklasse  hat  sogar  die  Hälfte  der  Sohüler 
auschlielslich  indirektes,  ein  Viertel  derselben  ungenügendes 
und  allein  ein  Viertel  befriedigendes  Licht. 


608 

fn  der  zweiten  Knabenklasse,  welche  nach  Norden  liegt, 
sind  10  Plätze  ebenfalls  zu  dunkel. 

Demnach  haben  von  den  155  Kindern,  82  Schülerinnen 
und  73  Schülern,  40  =  26%  überhaupt  kein  direktes  Himmels- 
licht auf  ihren  Arbeitsplätzen,  55  =  36%  ungenügendes  und 
nur  60  =  38%  ausreichendes  Licht. 

Die  Räumlichkeiten,  in  denen  jetzt  die  Freischule  sich 
befindet,  sind  nach  diesen  Ergebnissen  als  für  Klassenzwecke 
durchaus  unbrauchbar  und  für  die  Gesundheit  der  Kinder 
schädlich  zu  bezeichnen. 

Dasselbe  Urteil  verdienen  auch  noch  verschiedene  Klassen 
der  Knabenbürgersohule,  welche  gleichfalls  im  Erd- 
geschoß und  ersten  Stockwerk  des  linken  Seitengebäudes 
liegen. 

Im  Erdgeschoß  nach  Süden,  nach  dem  Hofe  zu,  befindet 
sich  Klasse  VIII.  Die  nahe  am  Fenster  stehende  Bankreibe 
erhält  hier  ausreichendes  Licht.  Von  der  zweiten  Reihe 
haben  4  ßänke  auf  allen  Plätzen,  die  anderen  3  auf  der  Hälfte 
derselben  einen  zu  geringen  Raumwinkel.  Nach  derselben 
Seite  liegt  Klasse  V.  Es  empfangen  hier  zwei  Fünftel  aller 
Plätze  überhaupt  keine  Beleuchtung  durch  direktes  Himmels- 
licht, zwei  weitere  Fünftel  ungenügende  und  nur  ein  Fünftel 
ausreichende. 

Nach  Norden  im  Erdgeschoß  liegen  Klasse  V,  VI  und  Vli. 
In  der  ersteren  haben  8  vom  Fenster  entfernt  und  3  hinter 
den  breiten  Fensterpfeilern  sitzende  Schüler  zu  dunkele  Ar- 
beitsplätze. In  Klasse  VI  sind  10  Plätze  hauptsächlich  dadurch 
zu  wenig  erhellt,  dafe  die  zweite  Reihe  der  Bänke  bis  an  die 
den  Fenstern  gegenüberliegende  Wand  gerückt  ist  mit  ganz 
unnötiger  Verbreiterung  des  Ganges  zwischen  den  beiden  Bank- 
reihen     In  No.  VII  ist  die  Beleuchtung  ausreichend. 

Im  ersten  Stockwerk  erweisen  sich  die  nach  Norden  liegenden 
Klassen  II,  IV  und  die  Parallelklasse  VII  hinreichend  hell, 
desgleichen  der  Zeichensaal,  der  von  Norden  und  Süden 
zugleich  Licht  erhält.  Dagegen  tritt  nach  dem  Hofe,  nach 
Süden  zu  auch  noch  im  ersten  Stockwerk  der  lichtbeschränkende 


i 


609 

Einflufs  der  gegenüberliegenden  hohen  Gebäude  stark  hervor. 
So  sind  in  Klasse  I  und  HI  je  10  Plätze,  in  der  Parallel- 
klasse III  8  Plätze  zu  dunkel.  In  der  Parallelklasse  IV  haben 
von  42  Plätzen  21  überhaupt  keinen  Raumwinkel,  7  Plätze 
einen  zu  geringen,  und  nur  14  genügen  den  Anforderungen. 
Ebenso  liegen  die  Verhältnisse  in  Klasse  VI,  wo  unter 
45  Schülern  24  von  ihren  Plätzen  aus  den  Himmel  überhaupt 
nicht  sehen  können,  7  einen  zu  geringen  Baumwinkel  besitzen. 

Nach  diesen  Messungen  erhalten  von  den  450  Schülern 
der  Knabenbürgerschule  auf  ihren  Plätzen 

63  kein  Himmelslicht  =  14%, 
95  ungenügendes  Licht  =  21%, 
292  ausreichendes  Licht  =  65%. 

Weit  besser  in  ihren  Lichtverhältnissen  erscheinen  die 
Bäume  der  Mädchenbürgerschule,  und  zwar  aus  dem 
Grunde,  weil  dieselben  2,  3  und  4  Treppen  hoch  liegen. 

Die  Klassen  nach  Norden  sind  sämtlich  hell  genug.  Von 
den  nach  Süden  gelegenen  sind  in  Klasse  HI  11  Plätze,  in 
Ellasse  I  die  Plätze  der  6  hintersten  Bänke  zu  dunkel. 

Auch  die  2  Klassen  des  Lehrerinnenseminars,  die 
eine  nach  Norden,  die  andere  nach  Süden,  ebenfalls  in  diesem 
Flügel  gelegen,  sind  hinreichend  hell. 

Wir  haben  also  keine  erfreulichen  Lichtverhältnisse  für 
die  Mehrzahl  der  Schulen  der  Franckeschen  Stiftungen  gefunden, 
und  auch  in  anderen  sanitären  Beziehungen  dürften  die  jetzigen 
Gebäude  und  Einrichtungen  der  Anstalt  weit  hinter  den  An- 
forderungen der  Sohulgesundheitspflege  zurückbleiben.  Es 
müfste  daher  als  ein  segensreicher  Fortschritt  bezeichnet  werden, 
wenn  an  malsgebender  Stelle  der  Entschluß  gefafet  würde, 
neue  Gebäude  für  die  einzelnen  Schulen  zu  errichten.  Platz 
dafür  ist  ja  hinreichend  vorhanden  in  den  weiten  Gartenanlagen 
und  Plätzen,  welche  die  Verwaltung  der  Stiftungen  mit  grolser 
Festigkeit  und  Einsicht  den  verschiedenen  Anerbietungen  von 
Seiten  der  Stadt  gegenüber  festgehalten  hat.  Das  Ziel,  die 
vielen  Tausende  von  Kindern,  welche  jahrein,  jahraus  den 
Unterricht   an    dieser    hervorragenden,    altberühmten    Anstalt 


610 

empfangen,  unter  Bedingungen  zu  setzen,  dafe  sie  durch,  die 
Schule  in  ihrer  Gesundheit  nicht  beeinträchtigt  werden,  in 
zahlreichen  Fällen  sogar  einen  gesünderen  Aufenthalt  daselbst 
finden,  als  in  ihrer  Familienstätte,  ist  ein  so  hohes,  dafe  man 
dasselbe  gegenüber  den  anderen  von  den  Stiftungen  erstrebten 
niemals  aus  den  Augen  verlieren  darf. 


2Us  flerfammUttgett  tt«t  herein  tu. 


Wie  sorgt  die  höhere  Mädchenschule 
Ar  die  körperliche  Ausbildung  ihrer  Zöglinge? 

Aus  den  Verhandlungen 

der  dreisehnten  Hauptversammlung  des  deutschen  Vereins 

Ar  das  höhere  Mädchenschulwesen  in  Kiel. 

Von 

L.   KOTELMANN. 
(Schlaft.) 

n. 

Wie  für  das  Gehirn,  so  hat  die  höhere  Töchterschule 
auch  noch  für  ein  anderes  Organ  ihrer  Zöglinge  Sorge  zu 
tragen,  das  mit  demselben  aufs  engste  zusammenhängt.  Dieses 
Organ  ist  das  Auge  und  die  Gefahr,  welche  ihm  droht,  die 
Sohulkurzsichtigkeit.  Da  nach  dem  OoHNschen  Gesetze  die 
Myopie  am  seltensten  in  den  niederen  Schulen,  öfter  in  den 
Mittelschulen  und  am  häufigsten  in  den  höheren  Schulen  vor- 
kommt, so  nehmen  die  Mädchenschulen  in  dieser  Besiehung 
eine  Mittelstellung  ein.  In  der  höheren  Töchterschule  zu 
Wiesbaden  fanden  sich  z.  B.  20%  Kurzsichtige,  während  in 
den  Gymnasien  und  Realgymnasien  die  Zahl  derselben  fast 
doppelt  so  groJß  ist.  Übrigens  steigt  auch  in  den  höheren 
Mädchenschulen  die  Kurzsichtigkeit  sowohl  der  Häufigkeit,  wie 


611 

dem  Grade  nach  mit  den  oberen  Klassen  und  den  wachsenden 
Lebens-  und  Schuljahren  an. 

In  jüngster  Zeit  ist  nun  mehrfach,  vor  allem  von  päda- 
gogischer Seite,  die  Behauptung  aufgestellt  worden,  dafs  die 
Myopie  nichts  Schlimmes  oder  gar  Gefährliches  sei,  ja  man 
hat  sie  geradezu  für  eine  nützliche  Anpassung  an  die  Be- 
schäftigung in  der  Nähe  erklärt.  Dieser  Anschauung  vermag 
ich  jedoch  nicht  beizustimmen.  Ganz  abgesehen  davon,  dafs 
eine  Brille,  wie  sie  Kurzsichtige  für  die  Ferne  tragen  müssen, 
einem  jungen  Mädchen  gewifs  nicht  zur  Zierde  gereicht,  ist 
die  Sehschärfe  der  Myopen  auch  um  so  geringer,  je  höher  der 
Grad  ihrer  Kurzsichtigkeit  ist.  Dazu  kommt  noch,  dafs  das 
kurzsichtige  Auge  gewissen  ernsten  Gefahren  ausgesetzt  ist. 
Bei  den  höheren  Graden  treten  nicht  selten  Netzhautblutungen 
oder  Netzhautablösungen,  bisweilen  auch  grüner  oder  grauer 
Star  ein,  wodurch  das  Sehvermögen  fast  immer  mehr  oder 
weniger  leidet,  hin  und  wieder  selbst  vollständig  verloren 
geht. 

Auch  die  höhere  Töchterschule  wird  daher  in  den  Kampf 
gegen  die  Kurzsichtigkeit  mit  aller  Entschiedenheit  eintreten 
müssen.  Freilich  gibt  es  eine  Reihe  die  Entstehung  der 
Myopie  begünstigender  Faktoren,  auf  welche  die  Schule  gar 
keinen  Einfiufs  besitzt.  Hierher  gehört  zunächst  die  erbliche 
Anlage  zu  diesem  Brechungsfehler.  In  einer  Anzahl  von 
amerikanischen  höheren  Töchterschulen  hat  Dowling  gefunden, 
dafs  bei  8,  bezw.  10,  12,  16%  der  kurzsichtigen  Mädchen  die 
Myopie  auf  Vererbung  zurückzuführen  war,  und  in  Über- 
einstimmung damit  erklärt  Professor  Pflüger  in  Bern  die  erb- 
liche Anlage  für  das  mächtigste  disponierende  Moment  der 
Kurzsichtigkeit.  Ein  anderer  Grund  für  die  Entstehung  der- 
selben, mit  dem  die  Schule  nicht  das  Geringste  zu  schaffen 
hat,  liegt  in  der  Basse  des  Kindes.  Nach  Stbphenson  kommt 
Kurzsichtigkeit  bei  jüdischen  Mädchen  fast  dreieinhalbmal  so 
oft,  als  bei  christlichen  vor.  Ferner  haben  sich  in  Amerika 
die  Kinder  deutscher  Herkunft  häufiger  myopisch  gezeigt,  als 
diejenigen  englischer  oder  irischer  Abstammung,  und  das  gleiche 


612 

Verhältnis  scheint;  zwischen  der  germanischen  und  romanischen 
Jngend  zum  Nachteil  der  ersteren  zu  bestehen. 

Wenn  also  die  Schule  schon  ans  diesen  Gründen  durchaus 
nicht  für  alle  Fälle  von  Myopie  verantwortlich  gemacht  werden 
kann,  so  lälst  sich  doch  auf  der  anderen  Seite  nicht  leugnen, 
dafs  die  Kurzsichtigkeit  fast  immer  während  der  Schulzeit  ent- 
steht und  dafs  die  Schule  dabei  einen  wichtigen  Einfluß 
ausübt.  Dieser  Einflufs  ist  in  der  von  ihr  geforderten  Nahe- 
arbeit zu  suohen,  wie  sie  namentlich  beim  Lesen,  Schreiben 
und  den  weiblichen  Handarbeiten  stattfindet.  Dafs  es  in  der 
That  die  Nahearbeit  ist,  welche  die  Kurzsichtigkeit  erzeugt, 
geht  schon  daraus  hervor,  dafe  sich  die  letztere  bei  allen 
Kulturvölkern,  dagegen  so  gut  wie  niemals  bei  den  Natur- 
völkern findet. 

Die  höhere  Töchterschule  wird  daher  die  Beschäftigung 
in  der  Nähe  bei  ihren  Schülerinnen  so  viel  als  möglich  ein- 
schränken müssen.  In  dieser  Beziehung  würde  sich  vor  allem 
eine  Verkürzung  der  Unterrichtszeit  zu  gunsten  des  Turnens, 
der  Jugendspiele,  des  Ruderns,  des  Schlittschuhlaufens,  kurz 
aller  Arten  von  körperlicher  Bewegung,  empfehlen.  Bisher 
pflegt  in  unseren  Schulen,  wenn  wir  von  den  Pausen  absehen, 
eine  Lektion  mit  einer  astronomischen  Stunde  zusammen- 
zufallen. Mag  dieser  Brauch  auch  durch  die  Jahrhunderte 
geheiligt  sein,  so  spricht  doch  nicht  der  geringste  physiologische 
oder  psychologische  Grund  für  denselben.  Im  Gegenteil,  die 
interessanten  Versuche  Professor  Burgersteins  haben  gezeigt,  dato 
die  Leistungsfähigkeit  zwölf-  bis  dreizehnjähriger  Kinder  bereits 
nach  30  Minuten  sowohl  in  quantitativer  als  in  qualitativer 
Beziehung  beträchtlich  abnimmt.  Von  verschiedenen  Seiten  ist 
daher  mit  Recht  der  Vorschlag  gemacht  worden,  jüngere  Schüler 
und  Schülerinnen  nicht  in  ganzstündigen,  sondern  in  halb- 
stündigen Lektionen  zu  unterrichten,  und  die  dabei  erzielten 
Erfolge  sind  außerordentlich  günstig  gewesen.  In  6  halb- 
stündigen Rechenlektionen  wurde  z.  B.  mehr,  als  in  4  Voll- 
stunden per  "Woche  erreicht. 

Von    grofsem  Vorteil    für    die    Augen   der   Schülerinnen 


613 

würde  ferner  die  Einführung  der  Steilschrift  in  den  Schulen 
sein,  die  zugleich  einer  besseren  Körperhaltung  der  Mädchen 
und  damit  einer  Verringerung  der  bei  diesen  so  häufigen  Rück- 
gratsverkrümmungen zu  statten  käme.  Die  Untersuchungen 
von  Mater,  Schubert,  Hoffa,  Seggel  und  Sohulthess  haben 
nämlich  ergeben,  dafe  bei  senkrechter  Schrift  sowohl  die  Kopf- 
ais die  Rumpfhaltung  der  Kinder  eine  günstigere,  als  bei 
schräger  Schrift  unter  im  übrigen  gleichen  Verhältnissen  ist; 
die  Zahl  der  absolut  gerade  Sitzenden  erwies  sich  bei  Steil- 
schrift sogar  mehr  als  doppelt  so  grofs,  nämlich  25%  gegen  11%. 
Außerdem  aber  betrug  die  Entfernung  der  Augen  von  dem 
Hefte,  bezw.  der  Federspitze  bei  der  Steilschrift  durchschnittlich 
5,6  cm  mehr,  als  bei  der  Schrägschrift,  ein  für  die  Verringerung 
der  Kurzsichtigkeit  gewifs  nicht  zu  unterschätzender  Vorzug. 

Kommt  die  senkrechte  Schrift  aufser  den  Augen  auch 
dem  Bückgrat  der  Schülerinnen  zu  gute,  so  laust  die  Anstellung 
von  Schulärzten  eine  heilsame  Wirkung  in  noch  weiterem 
Sinne  erhoffen.  Zu  den  Aufgaben  derselben  würde  gehören: 
bei  Neubauten  von  Unterrichtsanstalten  die  Begutachtung  des 
Bauplatzes,  des  Bauplanes  und  der  Bauausführung  in  gesund- 
heitlicher Beziehung,  bei  älteren  Bauten  die  Überwachung  der 
Heizungs-,  Lüftungs-  und  Beleuchtungsanlagen,  der  Trinkwasser- 
versorgung, der  Beinlichkeit  der  Klassen  und  Turnsäle,  die 
Verteilung  der  Schülerinnen  ihrer  Gröfse  entsprechend  in  die 
passenden  Bänke,  die  körperliche  Untersuchung  Neueintretender, 
um  zu  Schwache  vorläufig  zurückweisen  zu  können,  in  Zeiten 
von  Epidemien  die  Ausschliefsung  Erkrankter  oder  Verdäch- 
tiger, ferner  die  Beobachtung  der  Haltung,  insbesondere  beim 
Schreib-  und  Handarbeitsunterrichte,  endlich  die  Prüfung 
Kurzsichtiger,  Schwerhöriger  und  Schwachbegabter.  Schul- 
ärzte mit  solchen  oder  ähnlichen  Funktionen  bestehen  bereits 
in  einer  Reihe  von  Ländern,  wie  Frankreich,  Belgien,  Eng- 
land, Norwegen  und  Ungarn.  In  Deutschland  dagegen  hat 
diese  Institution  bis  jetzt  noch  wenig  Eingang  gefunden, 
obgleich  sich  immer  mehr  Stimmen  dafür  erheben. 

Alle  Thätigkeit  der  Schulärzte  aber  wird  so  lange   unzu- 


614 

reichend  sein,  ab  nicht  auch  die  Lehrer  und  Lehrerinnen 
hygienische  Kenntnisse  und  vor  allen  Dingen  hygienisches 
Interesse  besitzen.  Um  dieses  Ziel  zu  erreichen,  müfsten  die 
zukünftigen  Kandidaten  des  höheren  Schulamts  Vorlesungen 
über  Schulhygiene  hören,  wie  solche  bereits  zweimal  wöchentlich 
an  den  Universitäten  Leipzig,  Gießen  und  Bern  gehalten 
werden.  Auch  die  Mitglieder  der  pädagogischen  Universitäts- 
seminare,  sowie  die  Probekandidaten  sollton  theoretisch  und 
praktisch  in  die  Schulgesundheitspflege  eingeführt  werden« 
Ebenso  darf  dieselbe  in  dem  Lehrplan  der  Lehrer-  und 
Lehrerinnenseminare  nicht  fehlen,  wie  denn  beispielsweise  in 
Österreich  an  sämtlichen  Lehrerinnenbildungsanstalten  hygieni- 
scher Unterricht  durch  Arzte  erteilt  wird.  Um  endlich  auch 
die  älteren  Lehrer  und  Lehrerinnen  mit  dem  Gegenstände 
vertraut  zu  machen,  empfiehlt  es  sich,  sohulhygienisohe  Themata 
mündlich  in  Konferenzen  zu  besprechen  oder  schriftlich  in 
Anstaltsprogrammen  abzuhandeln. 

So  ausgebildete  Lehrer  und  Lehrerinnen  würden  dann 
auch  im  stände  sein,  ihre  Zöglinge  in  den  Elementen  der 
Hygiene  zu  unterrichten.  Nicht  als  ob  dadurch  der  Stunden- 
plan der  höheren  Töchterschulen  weiter  belastet  und  den 
Klagen  über  Überbürdung  neue  Nahrung  geboten  werden  solle. 
Der  hygienische  Unterricht  lälst  sioh  vielmehr  ohne  Schwierig- 
keit in  die  physikalischen,  chemischen  und  naturbeschreibenden 
Lektionen  einfügen,  zumal  es  an  geeigneten  Handbüchern  zu 
diesem  Zwecke  nicht  fehlt.  Für  Lehrer  würden  wir  die  Vor- 
lesungen über  öffentliche  und  private  Gesundheitspflege  von 
Rosenthal  oder  Flügge  empfehlen,  auch  die  mehr  populäre 
Hygiene  von  Schmitz,  für  Schülerinnen  den  Katechismus  der 
Gesundheitslehre  von  Trzoska,  die  Gesundheitspflege  für 
Schulen  von  Scholz  und  den  kleinen  Gesundheitsspiegel  von 
Mohaupt. 

Wenn  Sie  auf  diese  Weise,  so  schloß  der  Vortragende, 
die  Gesundheit  und  körperliche  Ausbildung  Ihrer  Zöglinge  ein 
jeder  an  seinem  Teile  fördern  helfen,  so  dürfen  wir  hoffen, 
dem  Ziele  aller  Pädagogik,  der  harmonischen  Ausbildung  von 


615 

Geist  und  Leib,  immer  .näher  zu  kommen.  Nachdem  der 
Körper  infolge  der  herrschenden  theologischen  Anschauung 
des  Mittelalters  länger  als  ein  Jahrtausend  verachtet  gewesen, 
ist  er  durch  Renaissance  und  Reformation,  vor  allem  aber 
durch  die  Fortschritte  der  modernen  Naturwissenschaften, 
wieder  in  gleiche  Rechte  mit  dem  Geiste  eingesetzt  worden. 
Diese  Gleichberechtigung  aber  soll  auch  in  der  Schule  herrschen. 
„Wir  erziehen  nicht  einen  Geist,  und  wir  erziehen  nicht  einen 
Leib, tf  sagt  Montesquieu,  „sondern  wir  erziehen  einen  Menschen. u 
Was  indessen  für  eine  jede  Erziehung  gilt,  das  gilt  doppelt 
und  dreifach  für  diejenige  des  weiblichen  Geschlechtes. 
Immer  lauter  ertönt  in  unseren  Tagen  der  Notschrei:  „Was 
wird  aus  unseren  Töchtern  ?u  und  immer  mehr  werden  auch 
die  jungen  Mädohen  der  höheren  Stände  in  den  harten  Kampf 
ums  Dasein  gedrängt.  In  diesem  Kampfe  aber  gilt  das  Recht 
des  Stärkeren,  und  schon  mehr  als  eine  zarte  Konstitution  ist 
allein  um  ihrer  Zartheit  willen  in  demselben  erlegen.  Aber 
nicht  nur  gesunde  Jungfrauen,  auch  gesunde  Frauen  thun  uns 
not.  Nichts  trauriger  als  eine  immer  kränkelnde,  immer 
nervöse,  immer  badereisende  Gattin,  und  nichts  beglückender 
als  eine  solche,  der  einst  Cornelius  Scipio  an  der  via  Appia 
in  Rom  die  Grabschrift  setzen  liefs:  „Ihre  Schönheit  und 
Frische  kam  ihrer  Tugend  gleich."  Und  fordert  nicht  auch 
das  Vaterland  gesunde  Mütter  von  uns?  „Ich  suche  nach 
Soldaten,  wir  wollen  eine  starke  Generation  haben,"  so  hat 
der  Kaiser  gesprochen.  Eine  starke  Generation  aber  wird  nur 
von  gesunden  Müttern  geboren,  und  nicht  ohne  Grund  hat 
deshalb  jener  Preulsenkönig  die  kräftigsten  Frauen  seines 
Reiches  mit  seinen  Gardegrenadieren  vermählt. 

Lassen  Sie  uns  daher  alle  Priester  und  Priesterinnen 
der  Hygiea  sein,  lassen  Sie  uns  in  der  Gesundheitspflege  nicht 
nur  eine  Wissenschaft,  sondern  auch  eine  Tugend  sehen,  und 
lassen  Sie  uns  des  Wortes  Sbnegas  stets  eingedenk  bleiben: 
„Non  est  vivere,  sed  valere  vita,  nicht  leben  heilst  leben, 
sondern  gesund  sein  —  das  heilst  leben!" 

Die  von  dem  Redner  aufgestellten  Leitsätze  lauteten : 


616 

1.  Die  Anstellung  von  Schulärzten  für  die  höhere  Mädchen- 
schule ißt  wünschenswert,  doch  darf  die  einheitliche 
Schulleitung  dadurch  nicht  gefährdet  werden. 

2.  Es  empfiehlt  sich,  die  Steilsohrift  in  die  genannten 
Schulen  einzuführen,  zumal  da  Rückgratsverkrüm- 
mungen  bei  Mädchen  häufiger,  als  bei  Knaben  vor- 
kommen. 

3.  In  dem  naturwissenschaftlichen  Unterrichte  der  höheren 
Mädchenschule  sind  auch  die  Grundzüge  der  Gesund- 
heitspflege unter  besonderer  Berücksichtigung  des 
weiblichen  Berufes  zu  lehren. 

Yon  diesen  Thesen  wurde  die  zweite  und  dritte  unver- 
ändert, die  erste  in  folgender  Fassung  angenommen :  Die  Ein- 
richtung behördlich  angestellter  Ärzte,  die  über  die  gesund- 
heitsmäfsige  Beschaffenheit  des  Schulbaus  und.  der  Schulräume 
zu  wachen  und  in  allen  übrigen  sohulhygienisohen  Fragen  der 
Schulleitung  auf  deren  Ersuchen  Bat  und  Beistand  zu  gewähren 
haben,  ist  auch  für  die  höheren  Mädchenschulen  wünschenswert. 


Die  Forderungen  der  Schulgesundheitspflege 
an  die  Unterrichtspansen. 

Vortrag, 
gehalten  im  Münchener  Turnlehrenrerein. 

Von 

Fa.  Ed.  Stützer, 

städtischem  Lehrer  in  München. 

Im  Frühjahr  1891  gewannen  die  Reformbestrehungen  auf 
dem  Gebiete  der  Schule  auch  in  Bayern  greifbare  Gestalt, 
freilich  zunächst  nur  an  den  Mittelschulen.  Diese  erhielten 
durch  ministeriellen  Erlais  nach  jeder  Unterrichtsstunde  eine 


617 

Pause  von  10  Minuten.  Die  Volksschulen,  auch  die  der 
Hauptstadt,  blieben  von  dieser  zeitgemäfsen  Bewegung  un- 
berührt. 

Der  Münchener  Turnlehrerverein  beauftragte  mich  daher, 
über  die  Frage:  „Welche  Forderungen  stellt  die  Schul- 
gesundheitspflege an  die  Unterrichtspausen?u  einen 
Vortrag  zu  halten. 

Um  demselben  eine  möglichst  breite  Unterlage  zu  geben, 
wandte  ich  mich  an  die  größeren  Städte  Deutschlands  mit 
Fragebögen.  In  diesen  war  um  Auskunft  gebeten  über  die 
Zahl  und  Dauer  der  Pausen,  den  Ort,  wo  diese  verbracht 
werden,  und  die  Beschäftigung  der  Schüler  an  diesem  Orte. 
Die  Antworten  wurden  mit  gröfster  Bereitwilligkeit  erteilt,  und 
so  konnte  ich  ein  umfassendes  Bild  der  Unterrichtspausen  in 
den  Städten  Berlin,  Wien,  Dresden,  Frankfurt  a.  M.,  Leipzig, 
Braunschweig  und  Mannheim  entwerfen. 

Den  Inhalt  meines  Vortrages  fafste  ich  in  folgende  Leit- 
sätze zusammen: 

1.  In  allen  Klassen  ist  nach  jeder  ersten  Stunde  des  Vor- 
und  Nachmittagsunterrichts  eine  Pause  von  5  Minuten, 
nach  jeder  zweiten  und  dritten  Stunde  eine  solche  von 
15  Minuten  zu  halten. 

2.  In  den  Pausen  verlassen  die  Schüler  das  Zimmer; 
vom  Standpunkte  der  Schulgesundheitspflege  ist  es 
dringend  wünschenswert,  daJs  dieselben,  wenn  die  ört- 
lichen und  zeitlichen  Verhältnisse,  sowie  die  Witterung 
es  gestatten,  ins  Freie  gehen. 

3.  Im  Freien  sollen  die  Thätigkeiten  möglichst  das  Ge- 
präge der  Freiheit  und  Freiwilligkeit  tragen. 
Die  Schulgesundheitspflege  empfiehlt  angemessene 
körperliche  Bewegung,  wie  Gehen  im  Um-  und  Gegen- 
zuge, von  Schülern  selbst  gewählte  Spiele. 

4  Die  Pausen  müssen  zu  gründlicher  Lüftung  der 
Schulsäle  benutzt  werden,  soweit  nicht  durch  neueste 
Heizungs-  und  Lüftungseinrichtungen  andauernd  gute 
Luft  geschaffen  ist. 

8chnlg«ii!ndheittpfleg«  VI.  40 


618 

Die  vier  Leitsätze  fanden  im  Münchener  Turnlehrervereine 
einstimmige  Annahme.  Man  beechlois,  Hand  in  Hand  mit 
dem  Bezirkslehrerverein  München  eine  diesbezügliche  Eingabe 
an  die  hiesige  Schalbehörde  zn  machen.  Dieselbe  ist  fertig- 
gestellt and  kommt  demnächst  in  den  Einlauf  der  Schal« 
kommission. 


Gasheiznng  für  die  Uhlandschule  in  Frankfurt  a.  H. 
Gutachten  des  städtischen  Gesundheitsrates  daselbst. 

Der  stadtische  Gesundheitsrat  von  Frankfurt  a.  M.  beschäftigte 
sich  nach  dem  „Journ.  f.  G-asbd.  u.  Wasserversorg*  in  seiner  letzten 
Sitzung  mit  der  Heizung  fttr  die  neu  zu  erbauende  Uhlandschule. 
Die  Baudeputation  hatte  Gasofenheizung  vorgeschlagen.  Eine  Kom- 
mission des  Gesundheitsrates  nahm  daher  in  einer  der  dortigen 
Schulen  Versuche  mit  einem  von  den  Warsteiner  Hüttenwerken 
bezogenen  Gasofen  vor,  die  in  jeder  Beziehung  befriedigend  ausfielen. 
Zugleich  zog  sie  von  auswärts  Erkundigungen  ein,  speciell  von 
Karlsruhe,  wo  man  seit  nunmehr  5  Jahren  die  Gasheizung  in  Schulen 
und  Krankenhäusern  mehr  und  mehr  eingeführt  hat,  so  dafe  jetzt 
bereits  in  über  200  öffentlichen  Gebäuden  diese  Heizungsart  besteht. 
Auch  von  hier  wurden  sehr  gute  Resultate  berichtet.  In  einem  Schreiben 
des  Rektors  der  städtischen  Schulen  von  Karlsruhe  heilst  es  am 
Schlufs,  die  Gasheizung  gelte  auf  Grund  mehrjähriger  Erfahrungen 
so  sehr  als  die  vorzüglichste  der  vorhandenen  Heizeinrichtungen, 
dafs  sie  für  jedes  neu  zu  erbauende  Schulhaus  von  Seiten  der  Schul- 
kommission als  selbstverständlich  vorausgesetzt  werde. 

Auf  Grund  eines  eingehenden,  vom  Stadtarzt  verfaßten  Kom- 
missionsberichtes erklärte  der  Gesundheitsrat  daher  einstimmig, 
dafs  der  für  den  Neubau  der  Uhlandschule  vorgesehenen  Gasheizung 
sanitäre  Bedenken  nicht  entgegenstehen  und  deren  Ausführung  für 
die  Schule  zu  empfehlen  sei. 


619 


kleinere  Jtitteilititjeit. 


Aufregende  Privatlektflre  der  Schülerinnen.  Der  Direktor 
der  städtischen  höheren  Mädchenschule  zu  Braunschweig,  Dr.  Sommer, 
bringt  in  dem  letzten  Jahresberichte  seiner  Anstalt  folgende  be- 
herzigenswerte Worte  an  die  Eltern  über  die  Privatlektüre  der 
Mädchen:  Es  wird  den  Eltern  bekannt  sein,  dafs  die  Schule, 
um  ihren  Schülerinnen  Gelegenheit  zum  Lesen  wirklich  guter  Bücher 
zu  geben,  für  jede  der  mittleren  und  oberen  Klassen  eine  kleine 
Bibliothek  angeschafft  hat,  deren  Benutzung  den  Schülerinnen  für 
ein  vierteljährliches  Lesegeld  von  25  Pf.  frei  steht.  Diese  Bücher 
enthalten  nun  nicht  etwa,  wie  vielleicht  manche  Eltern  argwöhnen, 
nüchterne,  lehrhafte  Geschichten,  welche  den  Zweck  verfolgen,  das 
unterrichtliche  Werk  des  Lehrers  fortzusetzen,  also  etwa  Natur- 
geschichtliches, Geographisches  u.  s.  w. ;  in  diesem  Falle  würde  man 
sich  gar  nicht  wundern,  wenn  die  Schülerinnen  nur  mit  einer  ge- 
wissen Scheu  sich  derartigen  Büchern  näherten.  Wir  bieten  aller- 
dings nicht  spannende  Romane,  nicht  Schilderungen  wunderbarer 
Abenteuer,  bei  denen  das  Wunderbarste  ist,  dafs  der  Held  stets 
siegreich  ans  denselben  hervorgeht,  sondern  kräftige  Hausmannskost, 
eine  anregende  Nahrung  für  Eopf  und  Gemüt  unserer  Zöglinge. 
Während  nun  die  mittleren  Klassen  stets  gern  von  dieser  Lese- 
gelegenheit Gebrauch  machen,  nimmt  nach  oben  hin  die  Zahl  der 
Lieserinnen  stetig  ab.  Wenn  man  die  Schülerinnen  der  oberen 
Klassen  nach  der  Ursache  dieser  auffallenden  Erscheinung  befragt, 
so  wird  nicht  etwa,  wie  man  leicht  annehmen  möchte,  die  über- 
große Arbeitslast  angegeben  —  in  der  That  dürfen  sich  unsere 
Schülerinnen  nicht  über  Überbürdung  beklagen  — ,  sondern  sie 
erklären  in  der  Regel  nach  vielfachem  Sträuben  und  Zögern,  sie 
hätten  keine  sonderliche  Neigung  mehr  zum  Lesen  derartiger  Bücher. 
Eine  solche  Antwort  gibt  zu  denken.  Wenn  ein  Kind,  das  die 
Eltern  bis  dahin  durch  seinen  gesunden  Hunger  erfreut  hat,  sich 
plötzlich  gegen  die  Kost  der  Mittags-  und  Abendtafel  ablehnend 
▼erhält,  so  ist  die  Besorgnis  gerechtfertigt,  dafs  dasselbe  entweder 
krank  ist  oder  sich  heimlich  auf  andere  Weise  den  Appetit  stillt. 
Ebenso  steht  es  mit  der  geistigen  Nahrung.  Jedes  Kind  liest  gern 
Bücher  unterhaltender  Art;  verhält  es  sich  gegen  dieselben  gleich- 
gültig,   so  folgt  daraus,    dafs   der  geistige  Magen  durch  Aufnahme 

40* 


620 

anderer  Kost  empfindlich  geschädigt  ist.  Und  in  der  That,  man 
braucht  nur  die  Kinder  zu  fragen,  um  zu  erfahren,  dafs  sie  in  der 
Regel  im  Hause  überreiche  Gelegenheit  haben,  ihren  Lesehunger 
auf  andere  Weise  zu  befriedigen.  Mit  lebhafter  Spannung  werden 
die  Geschichten  verfolgt,  welche  die  Feuilletons  der  Zeitungen 
bringen;  ein  besonders  festlicher  Tag  ist  der,  an  dem  die  Lese- 
mappe mit  ihren  verschiedenen  Zeitschriften  ins  Haus  gebracht  wird; 
die  Romane,  welche  von  der  Mutter  oder  von  der  erwachsenen 
Schwester  gelesen  werden,  sind  gewöhnlich  auch  ihnen  nicht  un- 
zugänglich, und  endlich  steht  vielen  der  Bücherschrank  der  Eltern 
zur  freien  Benutzung.  Was  Wunder  daher,  dafe  solche  Mädchen 
kein  Interesse  mehr  haben  an  den  Büchern,  welche  ihnen  die  Schule 
bietet;  diese  sind  ihnen  zu  fade,  zu  hausbacken,  zu  wenig  gewürzt 
mit  allerlei  pikanten  Abenteuern,  als  dafs  sie  ihrem  Geschmacke 
jetzt  noch  genügen  könnten.  Das  sind  in  der  That  Zustände  der 
bedenklichsten  Art.  Wenn  der  Mensch  Bücher  liest,  die  er  ent- 
weder gar  nicht  oder  nur  teilweise  versteht,  so  gewöhnt  er  sich  an 
ein  gedankenloses,  oberflächliches,  flüchtiges  Aufnehmen  des  Dar- 
gebotenen; er  überschlägt  alle  Betrachtungen,  alle  Schilderungen  und 
tieferen  Darlegungen  der  Gemütszustände  der  Helden;  mit  klopfendem 
Herzen,  hochroten  Wangen  verfolgt  er  atemlos  nur  die  Entwickelung, 
die  Handlung  selbst,  um  möglichst  bald  am  Ende  des  Stückes  an- 
zulangen und  alsdann  mit  Befriedigung  zu  erfahren,  dafs  die  von 
Anfang  an  füreinander  bestimmten  Helden  des  Romans  sich  finden 
und  so  für  all  das  erfahrene  Ungemach  belohnt  werden.  Daraus 
ergibt  sich  schon  von  selbst  als  weiterer  Nachteil  ungeeigneter 
Lektüre,  dafs  die  Einbildungskraft  der  ohnehin  nervös  erregten 
Leserin  überreizt,  dafs  dieselbe  zugleich  aber  auch,  indem  Ver- 
hältnisse und  gesellschaftliche  Zustände  zur  Veranschaulichung  ge- 
langen, die  den  Mädchen  besser  noch  auf  lange  Zeit  verborgen 
blieben,  auf  bedenkliche  Wege  geführt  wird,  die  zu  einer  Körper 
und  Geist  in  gleicher  Weise  gefährdenden  Frühreife  führen  müssen. 
Es  kann  daher  das  Haus  nicht  dringend  genug  gebeten  werden,  die 
Privatlektüre  der  Töchter  aufs  sorgsamste  zu  überwachen  und  ins- 
besondere alle  die  Schriften  von  ihnen  fern  zu  halten,  die  lediglich 
für  Erwachsene  bestimmt  sind.  Jedenfalls  sollte  die  Mutter  ihrem 
Kinde  nur  ein  Buch  in  die  Hand  geben,  das  sie  selbst  zuvor  ge- 
lesen oder  von  dessen  Charakter  sie  sich  die  zuverlässigste  Kunde 
verschafft  hat.  Es  ist  unglaublich,  mit  welchem  Leichtsinn  auch 
heute  noch  in  dieser  Beziehung  verfahren  wird,  wie  man  sich  bei 
der  Auswahl  von  Geschenken  zu  Geburtstagen,  zu  Weihnachten,  ja 
sogar  zur  Konfirmation  oft  lediglich  durch  das  Urteil  des  Buch- 
händlers bestimmen  läßt,  der  doch  unmöglich  alle  die  bei  ihm  aus- 


621 

liegenden  Werke  genau  kennen  kann,  oder  durch  das  irgend  einer 
anderen  Persönlichkeit,  die  vielleicht  wieder  von  anderen  gehört  hat, 
dafe  das  Buch  nicht  schlecht  sei,  oder  durch  den  Wunsch  des  Kindes 
seihst.  Der  durch  solches  Verfahren  angerichtete  Schaden  läfet  sich 
leider  in  den  meisten  Fällen  nicht  nachweisen,  eben  weil  innere 
Vorgänge,  wie  bereits  oben  dargelegt,  sich  leicht  der  Beobachtung 
entziehen;  aber  es  kommt  doch  vor,  dafs  die  Folgen  hier  und  da 
zu  Tage  treten.  So  wurde  vor  einiger  Zeit  dem  Direktor  von 
einigen  Muttern  darüber  geklagt,  dafe  ihre  kleinen,  kaum  zehnjährigen 
Töchter  schon  Fragen  besprächen  und  erörterten,  die  ihnen  auf 
Jahre  noch  fernliegen  mfifsten.  Bei  näherem  Nachforschen  stellte 
sich  heraus,  dafs  die  Quelle  dieses  Wissens  ein  Buch  war,  welches 
eins  dieser  Kinder  zum  Geschenk  erhalten  hatte,  ein  Märchenbuch, 
das  der  Vater  nicht  für  nötig  gehalten  hatte,  sich  vorher  näher  an- 
zusehen, weil  er  der  Meinung  gewesen  war,  dafs  alle  derartigen 
Erzählungen  sich  für  Kinder  eigneten;  er  wnfete  eben  nicht,  dafs 
das  mit  den  aus  dem  Orient  stammenden  Märchen  nicht  immer  der 
Fall  ist. 

Die  physische  Grundlage  von  Frühreife  und  Zurfick- 
gebliebenheit  bei  Schulkindern  wurde  von  W.  Townsend  Portsr 
studiert,  der  darüber  in  den  „Trcmsact.  ofthe  Acad.  of  Science  of  8t 
Louis"  berichtet.  Verfasser  stellte  Messungen  an  der  Schuljugend  an ; 
Körpergewicht,  Körperlänge,  Höhe  und  Breite  des  Kopfes,  vitale 
Lungenkapacität,  Sehschärfe  und  viele  andere  Daten  wurden  an 
33500  Knaben  und  Mädchen  ermittelt.  Die  Besultate  gelangten  in 
Kurven  zur  Darstellung.  Aus  denselben  ersieht  man,  dafs  frühreife 
Kinder  schwerer  und  zurückgebliebene  leichter  als  Durchschnitts- 
kinder desselben  Alters  sind.  Für  Mädchen  hat  dieses  Gesetz  jedoch 
keine  Gültigkeit. 

Die  Durchschnittszahl  der  Schüler  in  den  Volksschul- 
klassen der  grttfseren  Städte  Preufsens.  Die  Schuldeputation 
von  Berlin  hat  vor  einiger  Zeit  bestimmt,  dafe  in  den  unteren 
Klassen  der  Elementarschulen  nicht  mehr  als  70  Schüler,  in  den 
oberen  nicht  mehr  als  60  sitzen  sollen.  Die  nachstehende  Tabelle, 
welche  wir  der  »Pädag.  Ztg.u  entnehmen,  gibt  die  mittlere  Zahl 
der  Kinder  in  den  Volksschulklassen  der  gröfeeren  Städte  Preufsens 
für  das  Jahr  1891  an: 

Zahl  der  Zahl  der      Zahl  der  Schüler 

Schüler  Klassen  pro  Ellasse 

Königsberg  11391  182  63 

Danzig  12289  204  60 

Charlottenburg  7115  140  51 

Frankfurt  a.  0.  4929  94  52 


622 


Zahl  der 

Zahl  der 

Zahl  der  Sohüler 

Schüler 

Klassen 

pro  Klaue 

Stettin 

11109 

227 

49 

Posen 

5725 

105 

55 

Breslau 

39260 

672 

58 

Liegnitz 

5217 

84 

62 

Magdeburg 

26580 

480 

55 

Halle 

13006 

226 

57 

Erfurt 

5150 

88 

58 

Altana 

18614 

278 

67 

Eiel 

7280 

132 

55 

Hannover 

15898 

263 

60 

Monster 

5899 

72 

82 

Dortmund 

16228 

240 

68 

Bochum 

9854 

127 

78 

Kassel 

7251 

135 

54 

Frankfurt  a.  M. 

12902 

244 

53 

Krefeld 

17854 

282 

63 

Duisburg 

10326 

148 

67 

Essen 

12941 

173 

76 

Düsseldorf 

20312 

300 

68 

Elberfeld 

19570 

320 

61 

Barmen 

18  926 

283 

67 

Köln 

39433 

628 

63 

Aachen 

13944 

227 

61 

Berlin 

175620 

3206 

55. 

Danach  liegen  die  Verhältnisse  am  günstigsten  in  Stettin,  wo 
nur  49  Schüler  anf  eine  Klasse  kommen,  am  ungünstigsten  in 
Münster,  wo  sich  durchschnittlich  82  in  einer  solchen  befinden. 

Soll  der  Koch-  nnd  Haushaltunggunterricht  in  Fort- 
bildungsschulen für  Mädchen  oder  in  der  Volksschule  erteilt 

werden?  Unter  dieser  Überschrift  veröffentlicht  das  »Org.  f.  d. 
Centriver .,  betr.  d.  Wohl  d.  arbtd.  Klass.u  nachstehenden  Aufsatz:  Die 
Frage,  ob  überhaupt  den  Mädchen  schulmäfsiger  Koch-  und  Haushaltungs- 
unterricht erteilt  werden  soll,  findet  bei  denen,  die  sich  nur  einiger- 
mafsen  ernstlich  damit  beschäftigen  und  auf  Grund  praktischer  Er- 
fahrungen aus  dem  Volksleben  selbst  ihr  Urteil  bilden,  in  immer  weiter 
gehenden  Kreisen  eine  bejahende  Antwort.  Es  fehlt  den  Eltern  Zeit  und 
Verständnis,  ihren  Kindern  hierin  die  nötige  Anleitung  zu  geben  und. 
was  daraus  folgt  im  wirtschaftlichen  Leben  unseres  Volkes,  dafür 
findet  jeder,  der  nur  den  guten  Willen  dazu  hat,  zahlreiche  Belege. 
Wer  als  Volksschullehrer  nicht  blofe  sein  Klassen-  und  Studierzimmer 
als  Arbeitsfeld  betrachtet,  muüs  die  Notwendigkeit  eines  Haushaltungs- 


623 

Unterrichtes  anerkennen.  Wer  aber  noch  Zweifel  darüber  hegen  sollte, 
der  frage  einmal  bei  den  Ärzten  an,  die  das  häusliche  Leben  unseres 
Volkes  kennen  zu  lernen  genötigt  sind,  wie  dies  von  keinem  sonstigen 
Berufe  behauptet  werden  kann.  Anders  aber  verhalt  es  sich  noch 
mit  der  Frage :  in  welchem  Alter  sollen  die  Mädchen  diesen  Unter- 
richt erhalten?  Soll  er  mit  der  Volksschule  für  die  Schulerinnen  des 
8.  Schuljahres  verbunden,  oder  sollen  hierzu  Fortbildungsschulen  für 
konfirmierte  Mädchen  eingerichtet  werden?  Ein  grober  Teil  Volks- 
schullehrer, Rektoren  und  mit  der  Schulaufsicht  Beauftragte  neigen 
sich  letzterer  Ansicht  zu  und  wehren  entschieden  dem  Koch-  und 
Haushaltungsunterrichte  den  Eingang  in  die  ihnen  lieb  gewordene 
Form  der  Volksschule  von  heute.  Die  Gründe,  die  sie  hierfür  ins 
Feld  führen,  lauten:  Die  Schulmädchen  sind  noch  zu  jung  für  den 
Kochunterricht,  finden  zu  Hause  keine  Gelegenheit,  diese  Kenntnisse 
zu  verwerten,  besitzen  folglich  kein  Interesse  dafür,  und  da  sie  auch 
nach  ihrer  Schulzeit  keine  Verwendung  dafür  haben,  werden  sie  das 
Gelernte  bis  zu  der  Zeit,  wenn  sie  es  brauchen,  wieder  vergessen. 
Was  aber  ganz  besonders  zu  fürchten  ist,  die  Schülerinnen  werden 
dadurch  von  den  übrigen  Unterrichtsgegenständen  abgelenkt.  Die 
Vertreter  obiger  Ansicht  meinen  daher,  die  Schule  thue  vollständig 
ihre  Pflicht,  wenn  sie  im  naturkundlichen  Unterricht  die  Fragen, 
welche  den  hauswirtschaftlichen  Unterricht  betreffen,  in  den  Kreis 
ihrer  Besprechungen  ziehe.  Sind  nun  aber  jene  Gründe  in  der 
That  ausschlaggebender  Natur?  Abgesehen  davon,  dafs  wir  keine 
obligatorischen  Fortbildungsschulen  für  Mädchen  haben  und  die 
Einführung  solcher  auf  groise  wirtschaftliche  Schwierigkeiten  stofsen 
würde,  stimmen  wir  aus  rein  sachlichen  Gründen  dafür,  diesen 
Unterricht  mit  der  Volksschule  zu  verbinden.  Die  letztere  hat  es 
mit  erziehendem  Unterrichte  zu  thun,  alle  ihre  Veranstaltungen  be- 
zwecken die  Bildung  des  Charakters.  Zur  Bildung  des  Frauen- 
charakters gehört  aber  wesentlich  der  Sinn  für  häusliche,  wirtschaft- 
liche Thätigkeit  im  Rahmen  eines  stillen,  zufriedenen  und  glücklichen 
Familienheims.  Der  Haushaltungsunterricht  mit  seinen  praktischen 
Übungen  im  Kochen  ist  nun  wie  kein  anderer  Unterrichtsgegenstand 
geeignet,  einen  solchen  Charakter  zu  bilden.  Dazu  ist  es  aber  im 
nachschulpflichtigen  Alter  zu  spät.  Das  Mädchen  von  15  und  16  Jahren 
kann  sich  wohl  nützliche  Kenntnisse  im  Kochen  u.  s.  w.  aneignen, 
dafs  aber  dieser  Unterricht  grundlegend  werde  für  dessen  Charakter, 
wird  niemand  behaupten  wollen.  In  dem  genannten  Alter,  wo 
dasselbe  schon  im  öffentlichen  Leben  steht,  gehen  ihm  zu  viel  andere 
Gedanken  durch  den  Kopf,  so  dafe  es  verhindert  wird,  sich  mit 
vollem  Interesse  diesem  Unterrichte  hinzugeben.  Man  mufe  das  Eisen 
schmieden,    solange   es   warm  ist,    das  gilt  auch  hier   in  ganz  be- 


624 

sonderem  Mafse.  Die  Erfahrung  bestätigt  dies  auffallend.  Wo  die 
Mädchen  im  8.  Schuljahre  Kochunterricht  erhielten,  haben  die  Mütter 
versichert,  dafs  es  eine  wahre  Freude  sei,  zu  sehen,  wie  ihre  Töchter 
sich  seitdem  im  elterlichen  Hanse  wesentlich  anders  zeigten. 
Sie  legten  ein  Interesse  für  die  hauswirtschaftliche  Arbeit,  einen 
Fleifs  und  ein  Geschick  an  den  Tag,  belehrten  die  Eltern  so  genau  über 
wichtige  Fragen  der  Ernährung  u.  s.  w.,  dafs  die  letzteren  dadurch 
ganz  überrascht  wurden.  Mädchen,  die  vorher  von  den  Müttern  zu 
häuslichen  Verrichtungen  nicht  gebraucht  werden  konnten,  versorgten 
jetzt  vielfach,  insbesondere  an  schulfreien  Tagen,  selbständig  die  ganze 
wirtschaftliche  Thätigkeit.  In  dieser  Weise  haben  sich  sämtliche 
Mütter  der  48  Schülerinnen  der  Kochschule  zu  Plauen  in  Sachsen 
schriftlich  ausgesprochen  und  dem  Leiter  derselben  den  aufrichtigsten 
Dank  für  die  Einrichtung  -  dargebracht.  Gleichzeitig  hat  dieser 
Unterricht  einen  günstigen  Einflufs  auf  das  Elternhaus  ausgeübt,  was 
ebenfalls  nicht  möglich  wäre,  wenn  die  Mädchen  ihn  erst  im  nachschul- 
pflichtigen Alter  erhielten.  Im  schulpflichtigen  Alter  erteilt,  wirkt 
er  bestimmend  für  das  ganze  spätere  Leben.  Sämtliche  Schülerinnen 
suchen  auch  nach  der  Konfirmation,  zum  Teil  als  Hausmädchen,  ihre 
wirtschaftlichen  Kenntnisse  zu  vervollkommnen,  sie  bleiben  dadurch  dem 
Familienleben  erhalten.  Damit  wird  aber  auch  jener  Grund  hinfällig, 
dafs  die  vierzehnjährigen  Mädchen  für  den  hauswirtschaftlichen  Unter- 
richt zu  jung  seien.  Sie  sind,  das  ist  durch  die  Erfahrung  bestätigt, 
vollkommen  kräftig  und  fähig,  diese  Arbeiten  auszuführen,  und  oft 
müssen  im  Elternhause  viel  jüngere  Kinder  solche  verrichten.  Dafs 
aber  der  Kochunterricht  die  anderen  Unterrichtsfächer  der  Schule  nach- 
teilig beeinflusse,  wird  ganz  ohne  allen  Grund  behauptet.  Das 
Gegenteil  ist  der  Fall.  Durch  die  ernste  Arbeit  in  der  Kochschule 
—  und  man  mufs  gesehen  haben,  wie  sie  hier  arbeiten,  um  ein 
richtiges  Urteil  zu  gewinnen  —  werden  auch  die  Mädchen  ernster, 
gesitteter,  gereifter,  in  ihrer  Thätigkeit  umsichtiger  und  gewandter. 
Das  ist  der  Vorteil  eines  charakterbildenden  Unterrichtes,  er  geht  in 
alle  Handlungen  über.  Wer  die  Notwendigkeit  einer  wirtschaftlichen 
Ausbildung  der  Mädchen  anerkennt,  mufs  daher  auch  dafür  sein,  dafs 
dieser  Unterricht  obligatorisch  mit  der  Volksschule  verbunden  wird ;  nur 
dadurch  kann  ein  nachhaltiger  Erfolg  erzielt  werden,  nur  dann  können 
die  Opfer,  welche  dieser  Unterricht  erheischt,  ihre  tausendfältigen  Zinsen 
tragen.  Von  einem  Erfolge  in  obligatorischen  Fortbildungschulen  — 
und  die  Geldopfer  würden  hier  noch  gröfser  sein  —  wird  man  kaum 
reden  können.  Das  Ansehen  der  Volksschule  würde  aber  um  ein 
Beträchtliches  steigen,  wenn  sie  durch  Erteilung  dieses  Unterrichtes 
ihre  Aufgabe  erweiterte  und  so  für  das  wirtschaftliche  und  gesund- 
heitliche Wohl  des  Volkes  in  erhöhtem  Mafse  beizutragen  fähig  würde. 


n 


625 

Düsseldorfer  Sommerpflegen  Ar  kränkliche  Kinder.    In 

den  elf  Jahren  des  Bestehens    der   Düsseldorfer  Sommerpflegen  für 
kränkliche  Kinder  wurden,  wie  der  „Knabh."  angibt,  verpflegt: 
£L  in  ländlichen  Kolonien 2018  Kinder, 

b.  in  Soolbädern 655 

c.  in  Milchkuranstalten 3840 

Zusammen  .  .  6513  Kinder. 
Die  mit  sämtlichen  Koloniewirten  1891  vereinbarten  Pflegesätze 
betrogen,  wie  in  froherer  Zeit,  gleichmäßig  pro  Kind  u.  Tag  Mark     1 ,20, 

für  die  begleitenden  Lehrer  pro  Tag „       2,50, 

„      „  „  Lehrerinnen     „     „ „       2,00, 

„      „         Wartefrauen  „     „ „       1,50. 

Aufgeldern  wurden  verausgabt: 
im  Viktoriastifte  zu  Kreuznach  für  dreifsigtägige 
Kur,  einschliefslich  Bäder  und  ärztliche  Behand- 
lung, pro  Kind Mark  45,00, 

im  Soolbad  Alstaden  für  eine  achtundzwanzigtägige 
Kur,  einschliefslich  Bäder  und  ärztliche  Behand- 
lung, pro  Kind „     31,00. 

Über  die  Lage  der  Turnstunden  äußert  sich  unser  ver- 
ehrter Mitarbeiter,  Herr  Dr.  med.  F.  A.  SCHMIDT:  Fflr  das  Schul- 
turnen ist  besonders  wichtig  die  Beeinflussung  der  Fähigkeit  zu 
willkürlichen  Bewegungen  durch  angestrengte  geistige  Thätigkeit. 
Auf  Grund  von  Untersuchungen,  namentlich  des  Physiologen  Mosso 
in  Turin,  wissen  wir,  dafe  nach  mehrstündiger  geistiger  Arbeit  nicht 
nur  das  Gehirn,  das  Centralorgan,  sondern  auch  Nerv  und  Muskel, 
die  Endorgane,  für  die  Leistung  von  Leibesübungen  geschwächt  sind. 
Es  ist  dies  wichtig  für  die  Frage,  auf  welche  Zeit  im  Stundenplan 
die  Turnstunden  zu  verlegen  sind.  Denn  wir  lernen  daraus,  dafs  eine 
nach  einer  Reihe  von  geistig  anstrengenden  Lektionen  liegende 
Turnstunde  nicht  so  zu  systematischen  Leibesübungen  geschickte 
Schüler  vorfindet,  als  dies  der  Fall  ist,  wenn  derselben  keine 
oder  nur  1 — 2  Schulstunden  vorangingen.  Im  ersteren  Falle  ist  es 
nötig,  um  das  Nervensystem  der  Schüler  nicht  allzusehr  zu  belasten, 
den  Turnübungen  einen  mehr  erholenden  Charakter  zu  geben,  also 
Übungsarten  zu  bevorzugen,  welche  eine  möglichst  geringe  Anspannung 
der  Nerventhätigkeit  und  doch  ein  ausgiebig  wirksames  Mafs  von 
Muskelthätigkeit  gewähren.  Dies  sind  vor  allem  die  halbauto- 
matischen Thätigkeiten,  wie  Marschieren,  Laufen,  Springen, 
und  für  die  jüngeren  Schüler  einfache  Bewegungsspiele.  Da  wir 
aber  im  Interesse  des  Turnens  und  der  Erziehung  der  Bewegungs- 
organe durchaus  nicht  auf  die  wertvollen  Übungen,  welche  sichere 
Beherrschung  der  Muskulatur,  Geschicklichkeit,  Gewandtheit,  Schnellig- 


626 

keit,  Schlagfertigkeit,  Geistesgegenwart  bezwecken,  verzichten  wollen, 
so  ist  es  nötig,  dafs  wenigstens  ein  Teil  der  Turnstunden  so  Hegt, 
dafs  die  Schüler  frisch  zum  Turnen  kommen,  und  daüs  wir  ihnen 
dann  mit  Erfolg  und  ohne  Schädigung  alles  das  zumuten  können, 
was  sich  in  den  anderen  ungünstig  gelegenen  Turnstunden  verbot. 
Zur  Zeit  der  Versetzungsprüfungen  sollte  überhaupt  kein  systematisches« 
auch  geistig  anstrengendes  Turnen  stattfinden,  sondern  demselben 
nur  ein  erholender  Charakter  —  Spiele,  kleine  Wanderungen  — 
gegeben  werden. 


Sa$f5$efd)t(t|tlt^es. 


Ein  Verein  für  die  gesundheitsgemftfse  Erziehung  unserer 
Jugend  ist  nach  dem  „Lok.- Anzeig."  zu  Berlin  in  Bildung  begriffen. 
Derselbe  will  die  verschiedenen  Bestrebungen  auf  diesem  Gebiete 
zusammenfassen  und  wirksamer  gestalten.  Eine  vorberatende  Ver- 
sammlung, meist  aus  Lehrern  und  Ärzten  bestehend,  tagte  zu  diesem 
Zwecke  vor  einiger  Zeit  in  Schultheis'  Restaurant.  Lehrer  Jankb1 
legte  die  Ziele  des  neu  zu  gründenden  Vereins  dar,  der,  um  den 
vielbeklagten  Mißständen  im  öffentlichen  und  häuslichen  Erziehungs- 
wesen allmählich  abzuhelfen,  auf  die  Mitarbeit  aller  Klassen  und 
Stände  rechnet.  Nicht  nur  auf  die  Schule  gedenkt  derselbe  seinen 
Einflute  geltend  zu  machen,  sondern  vor  allem  auch  auf  das  Hans 
durch  belehrende  und  anregende  Vorträge,  Besprechungen,  Flug- 
schriften u.  s.  w.  Das  Schulwesen  soll  von  den  untersten  Stufen 
bis  zu  den  höheren  in  den  Kreis  der  Vereinsarbeit  gezogen  werden. 
Kinderhorte,  Ferienkolonieen,  Jugendspiele,  Schwimmen,  kurz  alle 
Bestrebungen  für  gesundheitsgemäfse  Erziehung  werden  hier  ihren 
Mittelpunkt  finden.  In  der  sich  anschließenden  Debatte  erklärten 
sich  sämtliche  Redner  mit  dem  Grundgedanken  einverstanden.  Einige 
Sprecher,  wie  Dr.  med.  Jagusiel  und  Turnwart  Schröbr,  wünschten 
indes  die  vorläufige  Beschränkung  der  Vereinsthätigkeit  auf  die 
Volksschule.  Lehrer  Siegert  trat  dem  entgegen,  da  auch  an  den 
höheren  Schulen  noch  vieles  im  argen  liege.  Geheimer  Sanitätsrat 
Dr.  Baer  warnte  davor,  das  Erziehungswerk  des  Vereins  auf  die 
ärmeren  Volksklassen  zu  beschränken,  das  könne  nur  Mifstrauen 
wecken.  Die  Arbeiter  seien  zur  Mitwirkung  heranzuziehen,  einige 
ihrer  Vertreter  womöglich  in  den  Vorstand  des  Vereins  aufzunehmen. 


1  Unser  Hitarbeiter.    D.  Red. 


627 

Die  Versammlung  beschlofs  die  Niedersetzung  eines  Ausschusses  zur 
Entwertung  der  Statuten  und  eines  Aufrufes«  Der  Ausschufs,  dem 
das  Recht  der  Selbstzuwahl  erteilt  wurde,  und  der  demnächst  eine 
Versammlung  zur  Konstituierung  des  Vereins  einberufen  soll,  besteht 
ans  den  Herren  Jankb,  Dr.  Jaousiel,  Sugjbrt,1  Dr.  Sommerfeld 
und  Frau  Professor  Angerstein.  Zur  Mitarbeit  haben  sich  außer- 
dem bereit  erklart:  Frau  Direktor  Schrader,  Professor  Dr.  Anger- 
stein,1  Geheimer  Sanitätsrat  Dr.  Barr,  Oberlehrer  Dr.  Bkeslich, 
Professor  Egklbr,  Schulrat  Professor  Dr.  Euler,1  Schulvorsteher 
Grimm,  Taubstummenlehrer  A.  Gutzmann,  Dr.  med.  H.  Gützmann,1 
Dr.  med.  Hartmann,  Lehrer  Hertel,1  Dr.  med.  Jul.  Löwenthal, 
Oberlehrer  Dr.  Ebeseriter,1  Professor  Maas,  Direktor  Professor 
Dr.  Schwalbe,1  Eisenbahndirektor  a.  D.  Sohrader,  Erziehungs- 
inspektor Piper,  Dr.  med.  Schbier,  Turnwart  Sohröer,  Dr.  med. 
Treitel  und  Dr.  med.  Wurm. 

Gehörprüfnngen  von  Schulkindern  in  Luzern  sind  durch 
Dr.  G.  Nager  im  Jahre  1892 — 93  vorgenommen  worden.  Solche 
Prüfungen  können  zwei  verschiedene  Zwecke  verfolgen:  1.  die 
Erforschung  allgemeiner  statistischer  Thatsachen,  vor  allem  der  nicht 
blofe  medizinisch  wichtigen  Frage  nach  der  normalen  Hörweite  des 
Kindes,  sowie  nach  der  Häufigkeit  von  Kinderkrankheiten,  welche  die 
Hörschärfe  beeinflussen.  Es  ist  eine  längst  bekannte  Erscheinung, 
dafe  gerade  Kinder  oft  Ohrenleiden  unterworfen  sind,  von  denen 
freilich  ein  guter  Teil  nur  vorübergehender  Natur  ist.  Dieses  hängt 
zusammen  mit  den  räumlich  beengten  Verhältnissen  der  kindlichen 
Nasen-  und  Rachenhöhle  und  ihrer  Verbindungen  mit  der  Pauken« 
höhle  durch  die  Eustachische  Röhre,  ferner  mit  der  im  jugendlichen 
Alter  sehr  häufigen  Vergrößerung  der  Mandeln,  nämlich  der  allgemeiner 
bekannten  Gaumen-  und  der  sogenannten  dritten  oder  Rachenmandel. 
Bei  den  im  Kindesalter  oft  eintretenden  Katarrhen,  sowie  infolge  der 
meisten  Infektionskrankheiten,  wie  Masern,  Scharlach,  Keuchhusten  und 
Influenza,  schwillt  die  Schleimhaut  an  und  bringt  durch  Abschluß 
der  Luft  im  Mittelohre  Schwerhörigkeit  geringeren  oder  höheren 
Grades  zu  stände.  Da  diese  Störungen  meistens  doppelseitig  auf- 
treten, so  ist  klar,  welche  hohe  Bedeutung  dieselben  für  das  Schul- 
kind und  dessen  Fortschritte  im  Unterrichte  haben  müssen.  Ver- 
hängnisvoll für  solche  schwerhörigen  Kinder  im  Vergleich  zu  ihren 
augenleidenden  Genossen  ist  der  Umstand,  dafs  das  Gebrechen  häufig 
genug  von  der  Umgebung,  selbst  den  weniger  aufmerksamen  Eltern 
und  dem  durch  eine  übergroße  Schülerzahl  sonst  genug  in  Anspruch 
genommenen  Lehrer  übersehen  oder  noch  öfter  als  Zerstreutheit  und 


1  Unser  Mitarbeiter.    D.  Red. 


628 

Launenhaftigkeit  erklärt  und  dementsprechend  auch  gerügt  wird; 
denn  einerseits  ist  äufserlich,  im  Vergleiche  zu  manchen  Sehstörungen 
(rote  Augen,  Schielen  u.  s.  w.),  hier  nichts  Auffälliges  vorhanden, 
andererseits  schwankt  der  Grad  der  Schwerhörigkeit  nach  dem 
Wetter  ziemlich  bedeutend.  2.  Ein  etwa  von  den  jetzt  bekannten 
normalen  Verhältniszahlen  abweichendes  Resultat  weist  auf  wichtige 
lokale  Eigentümlichkeiten  hin,  die  zu  kennen  im  hohen  Interesse 
des  betreffenden  Lehrpersonales  liegt.  Es  bilden  diese  Schulunter- 
suchungen also  zugleich  eine  Art  von  Kontrolle  für  das  Vorhandensein 
normaler  Zustände.  Die  Abweichungen  werden  zum  Teil  durch  das  Klima, 
zum  Teil  durch  ungünstige  Einflüsse  des  Schullebens  oder  durch  die 
socialen  Verhältnisse  bedingt  und  verlangen  als  Ausdruck  von  Mifs- 
ständen  genaueres  Studium  der  Ursachen,  sowie  der  Mittel  zu  ihrer 
Beseitigung.  Seit  den  ersten  im  Jahre  1878  durch  Dr.  V.  Reichabd 
in  Riga  vorgenommenen  Hörprüfungen  bei  Schulkindern  sind  in 
Deutschland,  und  zwar  zunächst  in  Stuttgart,  ferner  in  Dänemark,  Frank- 
reich, England,  Schweden,  Rußland  und  Nordamerika  zahlreiche  ähnliche 
Untersuchungen  vorgenommen  worden,  bis  die  1885  von  Professor 
Fb.  Bezold  in  München  veröffentlichte  klassische  Studie:  „Schul- 
Untersuchungen  über  das  kindliche  Gehörorgan11  ein  an  1918 
Kindern  gesammeltes  statistisches  Material  allseitig  verarbeitet 
und  auch  die  Prüfungsmethode  zu  einer  wohl  für  lange  Zeit  an- 
verändert bleibenden  gemacht  hat.  Einzig  von  den  Schweizern  ist 
nach  dieser  Richtung  hin  noch  nichts  geschehen,  oder  wenigstens 
nichts  veröffentlicht  worden.  Es  ist  dies  um  so  auffallender,  als 
dieselben  sonst  sich  eines  regen  Interesses  für  schulgesundheitliche 
Fragen  rühmen  dürfen.  Wir  erinnern  nur  an  die  FAHRNERschen 
Schulbankstudien,  an  die  Arbeiten  von  Dr.  Guillaumb  in  seiner 
„Hygiene  scolairea,  an  die  BlONschen  Ferienkolonien,  die  Schulluft- 
analysen von  Brbiting,  die  Sehprüfungen  bei  Schulkindern  von 
Hornrr  und  Pplügbr,  die  KocHBRsche  Schulkropfstatistik,  die 
Bemühungen  des  Basler  Vereins  für  Verbreitung  des  Handfertigkeits- 
unterrichtes u.  s.  f.  Gerade  die  Beantwortung  dieser  zweiten  Frage 
nach  den  lokalen  Einflüssen  erscheint  von  Wichtigkeit  für  die 
Schulen  von  Luzern.  Denn  einerseits  ist  der  genius  loci  daselbst  ein 
recht  feuchter  und  daher  sehr  günstig  für  die  Erzeugung  von  akuten 
und  chronischen  Katarrhen,  andererseits  war  dem  Dr.  Nager  schon 
selber  das  ungemein  häufige  Auftreten  von  Ohrenkrankheiten  in  der 
dortigen  Kinderwelt  aufgefallen.  Durch  das  Ergebnis  der  von  ihm 
im  Laufe  des  letzten  Jahres  an  1386  Schulkindern  vorgenommenen 
Gehörprüfungen  wurde  dieser  Verdacht  vollauf  bestätigt.  Seine 
Gehöruntersuchungen  stellte  Dr.  Nager  nach  der  Methode  von 
Professor  Bezold  mit   der  Flüstersprache,    aber   unter  ausschliefst 


629 

licher  Benutzung  von  Zahlen  an.  Im  Vergleich  zu  dem  älteren 
und  jetzt  noch  viel  bei  den  Laien  geübten  Prüflingsverfahren  mittelst 
der  Taschenuhr  ist  das  neuere  viel  zuverlässiger,  ganz  besonders  bei 
Kindern,  indem  diese  durch  jeweiliges  Wiederholen  der  zugeflüsterten 
Zahl  beweisen  müssen,  ob  und  wieweit  sie  richtig  gehört  haben. 
Dabei  wird  selbstverständlich  nur  je  ein  Ohr  auf  einmal  untersucht, 
d.  h.  das  andere  durch  Zuhalten  vom  Hören  ausgeschlossen.  Auch 
die  Mithilfe  des  Gesichtes,  die  ja  bei  Schwerhörigen  eine  wichtige 
Rolle  spielt,  macht  man  durch  Abwenden  des  Kopfes  unmöglich.  Es 
wird  immer  eine  zweistellige  Zahl  gewählt,  z.  B.  16,  97,  41  und 
dabei  besondere  Rücksicht  genommen  auf  die  für  alle  erfahrungs- 
gemäfs  schwer  verständlichen  Zahlen  7,  6  und  5,  welche  oft  mit- 
einander verwechselt  werden,  sowie  auch  auf  9  und  1  als  erste,  -zig 
und  -zehn  als  Schlufssilben.  Erst  wo  auch  diese  schwierigeren 
Doppelzahlen  sämtlich  bei  mehrmaliger  Probe  richtig  nachgesagt  werden, 
nimmt  man  die  betreffende  Distanz  als  Hörgrenze  an.  Zur  Erzielung 
einer  möglichst  gleichen  Intensität  der  Flüstersprache  soll  nur  nach 
geschehener  Ausatmung  gesprochen  werden,  also  mit  gleichmäßigem 
geringen  Luftdrücke  in  der  Lunge  und  im  nämlichen  Zeitmafse 
des  Sprechens.  Für  diese  Schallstärke  ist  bei  ganz  ruhiger  Um- 
gebung nach  zahlreichen  Versuchen  eine  Hörweite  von  20  Metern 
für  normal  Hörende  —  und  dazu  gehören  vor  allem  die  Kinder  — 
eher  noch  zu  gering  bemessen.  Bei  Hörprüfungen,  die  während 
der  Tageszeit  in  gröfseren  Ortschaften,  also  nicht  bei  absoluter  Ruhe, 
vorgenommen  werden,  sieht  man  eine  Hörweite  von  16  Metern  als 
Norm  an.  Die  Resultate  der  NAGBRschen  Gehörprüfungen  sind  nun 
folgende:  Bei  der  Untersuchung  wurden  alle,  die  auf  beiden  Ohren 
noch  über  8  Meter  entfernt  Flüstersprache  verstanden,  von  den 
schlechter  Hörenden  getrennt.  Die  Ziffern  dieser  zweiten  Klasse  mit 
sehr  verschiedengradiger  Schwerhörigkeit  waren  40 — 41%  für  Knaben 
und  Mädchen  der  Primär-  und  Sekundärschule  zusammen.  Für  die 
Mädchenschulen  allein  erwiesen  sich  die  Ergebnisse  etwas  besser, 
nämlich  38 — 39%.  Die  Zahl  der  Luzernischen  Schulkinder,  welche 
auf  einem  Ohr  weniger  als  einen  Meter  weit  hörten,  betrug  80 
oder  gegen  3%.  .  28  Kinder,  13  Knaben  und  15  Mädchen,  hörten 
Flüsterzahlen  auf  beiden  Ohren  nur  noch  innerhalb  2  Meter  Ent- 
fernung. Als  höchst  schwerhörig  wurden  33  gefunden,  22  Knaben 
und  11  Mädchen;  für  diese  lag  die  doppelseitige  gröfste  Hör- 
weite unter  60  Gentimeter.  Dr.  Nager  bemerkt  hierzu :  Dafs  diese 
letzte  und,  wenn  nicht  besondere  Intelligenz  besteht,  auch  die  zweit- 
letzte Klasse  nicht  zum  Besuche  der  gewöhnlichen  Schule  zuzulassen 
ist,  erscheint  selbstverständlich,  besonders  bei  jüngeren  Schulkindern. 
Wie  sehr  die  Schwerhörigkeit  das  Lernen    erschwert,    war  bei  den 


630 

Luzernischen  Schülern  und  Schülerinnen  mit  schlechtem  Gehör  auch 
an  den  mangelhaften  Fortschrittsnoten  nachzuweisen.  Bezüglich 
der  Ursachen  der  Schwerhörigkeit  bei  den  untersuchten  Kindern 
konnte  Dr.  Nager  folgendes  feststellen.  Die  mittelst  Ohrenspiegels 
kontrollierten  Fälle  von  Ohrenflu£s  (Trommelfelleiterung)  betragen  nnr 
16.  Die  Folgezustände  eines  solchen  Flusses,  Narben  am  Trommelfell 
und  dergl.,  wurden  in  117  Fällen  oder  bei  4 — 5%  gefunden.  Beide 
Krankheitsklassen  gehören  zu  den  häufigsten  Ursachen  von  mittlerer 
und  auch  höherer  Schwerhörigkeit,  bieten  aber  keine  Aussicht  auf 
Besserung,  wie  dies  bei  den  im  Kindesalter  besonders  häufigen 
katarrhalischen  Formen  der  Fall  ist.  Als  eine  gar  nicht  seltene, 
glücklicherweise  harmlosere  Ursache  der  Schwerhörigkeit  wurden 
auch  Ohrenschmalzpfröpfe  notiert,  und  zwar  in  zwei  Kolonnen,  je 
nachdem  der  Propf  nur  mäfeig  grofe  war,  oder  den  ganzen  Gehör* 
gang  gegen  die  Luft,  mithin  auch  gegen  die  Schallwellen  abschloß. 
Die  Prozentzahl  für  beide  Arten  zusammen  stellte  sich  auf  16 — 17. 
Fälle  von  Fremdkörpern  im  äußeren  Gehörgange,  von  denen 
die  Inhaber  selbst  keine  Ahnung  hatten,  sind  bei  der  Unter- 
suchung zweimal  vorgekommen.  Ein  Knabe  hatte  in  jedem  Ohre 
zwei  grofoe,  offenbar  zu  verschiedenen  Zeiten  eingelegte  Watte- 
pfropfe, nach  deren  Entfernung  die  Hörweite  von  1 — 2  Meter  auf 
17  Meter  stieg.  Ein  anderer  trug  fest  eingekeilt  die  vordere  be- 
wegliche Metallhülse  eines  Federhalters,  welche  glücklicherweise 
einige  Millimeter  herwärts  vom  Trommelfell  stecken  geblieben  war, 
daher  ohne  Verletzung  desselben  entfernt  werden  konnte.  Am  Schlüsse 
seiner  verdienstlichen  Arbeit  äufsert  sich  Dr.  Nageb  bezüglich  der 
Ursachen  des  schlechten  Gehörs  bei  Schulkindern  und  deren  möglichster 
Verhütung  folgendermafsen :  Wenn  wir  nun  nach  den  Ursachen  der 
in  einer  solchen  Häufigkeit  an  unseren  Schulen  nachgewiesenen, 
besonders  mittelgradigen  Schwerhörigkeit  forschen,  so  müssen  wir 
1 .  solche  unterscheiden,  welche  aufserhalb  des  Bereiches  der  Schule 
und  2.  solche,  welche  innerhalb  desselben  liegen.  Unter  den  ersteren 
spielen  die  klimatischen  Einflüsse  eine  grofse  Rolle.  Wichtiger 
vielleicht  noch  ist  nach  allgemeiner  Erfahrung  die  nachteilige  Wirkung 
einer  unreinen,  namentlich  Rauch  und  Staubteile  enthaltenden  Luft, 
welche  die  Schleimhäute  beständig  mechanisch  reizt.  In  dieser 
Beziehung  ist  leider  oft  der  Beruf  des  Vaters,  z.  B.  wenn  er  Bäcker 
oder  Wirt  ist,  von  Bedeutung.  Ebenso  einflußreich  sind  auch  häusliche 
Mißverhältnisse  und  sociales  Elend,  welche  Vernachlässigung,  be- 
sonders der  kleineren  Kinder,  zur  Zeit  des  beginnenden  Ohren- 
leidens, sowie  der  Rekonvalescenz  von  Katarrhen  und  Infektions- 
krankheiten zur  Folge  haben.  Innerhalb  der  Schule  machen  sich 
die  nämlichen  ungünstigen  Einflüsse,  Staub  und  überhitzte  Luft,  jetzt 


631 

noch  in  verschiedenen,  vor  allem  unseren  älteren  Klassenzimmern 
recht  deutlich  bemerkbar.  Hier  könnte  durch  rationelles  Kehren, 
d.  h.  feuchtes  Aufnehmen  des  Staubes  Tom  Fufsboden  und  den 
SchulbÄnken,  durch  strenges  Verbannen  von  Kopfbedeckungen  und 
Mänteln  aus  dem  Schulzimmer  ebenso  vieles  gebessert  werden,  wie 
durch  das  Ersetzen  der  alten  tannenen  Ladenböden  durch  Parkett. 
Gar  nicht  so  selten  scheint  mir  ferner  bei  unserem  Lehrpersonal, 
und  zwar  oft  bei  dem  für  seine  Aufgabe  am  meisten  begeisterten, 
ein  unnötig  lautes  Sprechen  zur  Gewohnheit  geworden  zu  sein,  was 
auch  die  kindliche  Gehörscharfe  abstumpft.  Das  Gleiche  gilt  gewift 
auch  von  dem  besonders  in  den  unteren  Klassen  üblichen  chormäfeig 
lauten  Hersagen  von  Sätzen,  Zahlenreihen  u.  s.  w.  durch  die  Kinder« 
Sehr  nachahmungswert  und  im  grofsen  Interesse  aller  in  einem  Schul* 
lokale  arbeitenden  Kehlköpfe,  Ohren  und  Gehirnnerven  erscheint  die 
nationale  Gewohnheit  der  Engländer,  nicht  nur  zu  Hause,  sondern  auch 
in  der  Öffentlichkeit,  in  der  Kirche  und  im  Parlamente,  eher  leiser, 
aber,  sehr  deutlich  und,  wo  besonderer  Nachdruck  erfordert  wird, 
um  so  langsamer  zu  sprechen.  Durch  Übung,  d.  h.  durch  ein 
methodisches  genaues  Aufmerken  auf  schwächere  Sinneseindrücke 
können  wir  unser  Gehör  ebensogut  wie  unser  Gesicht  innerhalb 
gewisser  Grenzen  verschärfen,  und  die  Überzeugung,  dafs  da  in 
unseren  Schulen  ohne  Überanstrengung  der  Jugend  noch  manches 
zu  thun  bleibe,  haben  wohl  die  meisten  der  unseren  Hörprüfungen 
beiwohnenden  Lehrer  gewonnen.  Ebenso  habe  ich  mich  in  anderer 
Richtung  oft  freuen  können,  zu  sehen,  dafs  bei  im  Unterrichte  zurück- 
bleibenden Kindern  durch  die  Gehöruntersuchung  als  eigentliche 
Ursache  des  vermeintlichen  Unfleifses  eine  Hörschwäche  sich  heraus* 
stellte  und  somit  den  Betreffenden  erst  jetzt  volle  Gerechtigkeit  zu 
teil  wurde. 

Der  italienische   Unterrichtsminister   gegen   die  Über- 

bfirdung.  Der  Minister  des  öffentlichen  Unterrichts  in  Italien 
Martini  hat  nach  vThe  Semit  Inspect.11  eine  Warnung  vor  geistiger 
Überanstrengung  der  Schuljugend  erlassen.  Nach  seiner  Ansicht 
kann  es  grade  in  Italien  sehr  leicht  zu  diesem  Übelstande  kommen, 
da  man  hier  augenblicklich  bemüht  ist,  das  Unterrichtswesen  auf 
gleiche  Höhe  mit  den  übrigen  Ländern  zu  bringen.  „Wir  ver- 
gessen", so  schreibt  er,  „die  rechte  Einteilung  der  Arbeit.  In 
unseren  Lehranstalten  wird  zu  viel  aufgenommen  und  zu  wenig 
verdaut.  Die  Sekundärschulen  sollten  mehr  den  Geist  anregen  und 
die  Seele  mit  der  Liebe  zur  Kultur  erfüllen.  Unsere  Programme 
sind  erweitert  worden,  aber  die  Entwickelung  des  Gehirns  ist  nicht 
pari  passu  fortgeschritten.  Während  der  Erwachsene  den  Acht* 
stundentag  fordert,  verlangen  wir  von  unseren  zehnjährigen  Knaben 
eine  viel  längere  und  anstrengendere  Arbeitszeit. u 


632 

Verbot  des  Wirtahausbesuchs  für  Volks-  und  Fortbildungs- 
schäler  in  Hessen.  Bei  der  hessischen  Ständekammer  ist  folgender 
Antrag  eingegangen:  Die  Ständekammer  wolle  die  Regierang  ersuchen, 
für  das  ganze  Land  ein  gleichheitlich  geregeltes  Verbot  des 
Besuchs  von  Wirtshäusern  und  Tanzbelustigungen  seitens  der  Schüler 
der  Volks-  und  Fortbildungsschulen  gesetzlich  herbeizuführen.  Die 
Begründung  erblickt  die  Ursache  der  zunehmenden  Verrohung  der 
Jugend  hauptsächlich  in  dem  allzufrühen,  auch  in  gesundheitlicher 
Beziehung  so  nachteiligen  Besuche  der  Wirtshäuser  und  Tanz- 
belustigungen und  verweist  auf  das  in  Bayern  nach  dem  Polizei- 
strafgesetzbuch von  1871  bestehende  Verbot.  In  Baden  sei  in 
ähnlicher  Weise  vorgegangen  worden.  Den  Besuch  von  Tanz- 
belustigungen unbedingt,  das  heilst  auch  in  Begleitung  der  Eltern 
zu  verbieten,  ist  dort  den  Bezirksämtern  überlassen. 

Znr  Speisung  und  Bekleidung  armer  Schulkinder  schreiben 
die  „Schwz.  El.  f.  Gsdhtspflg*  :  In  Berlin  existiert  ein  besonderer 
Verein  zur  Speisung  armer  Schulkinder.  Derselbe  liels  während  des 
verflossenen  Winters  in  den  städtischen  Gemeindeschulen  regelmässig 
jeden  Tag  6 — 7000  hungernden  Kindern  das  fehlende  Frühstück 
reichen.  In  Kiel  ist  es  die  Gesellschaft  freiwilliger  Armenfreunde, 
welche  täglich  440  Kinder  aus  den  ärmeren  Bevölkerungsklassen  mit 
warmer  Morgenkost,  Milchsuppe  und  Brötchen,  speist.  In  Dresden 
sorgt  der  Verein  gegen  Armennot  und  Bettelei  für  Schulsuppen  von 
Neujahr  bis  Ostern.  In  Graz  wirkt  ein  Verein,  welcher  sich  die 
Bekleidung  dürftiger  Kinder  zur  Aufgabe  stellt.  Er  zählt  1951 
Mitglieder,  nahm  am  16.  November  1892  die  Bekleidung  von  400 
würdigen  und  dürftigen  Knaben  vor  und  hat  seit  seinem  Bestehen 
über  7000  Kinder  mit  Kleidern  ausgestattet.  In  Bern  wurde  eine 
Zähringertuchstiftung  gegründet,  welche  sich  gleichfalls  die  Bekleidung 
armer  Schüler  und  Schülerinnen  zum  Zweck  gesetzt  hat.  Ferner 
hat  man  im  Kanton  Bern  auch  in  diesem  Winter,  wie  an  so  vielen 
Orten  der  Schweiz,  die  Speisung  armer  Schulkinder  vorgenommen. 
Burgdorf  setzte  beispielsweise  für  Verabreichung  der  Schüler- 
suppe 1000  Fr.  aufs  Budget.  Die  Gemeinde  Jegistorf  sammelte 
für  Austeilung  von  Schuhwerk  und  Strümpfen  an  bedürftige  Kinder 
Fr.  245.  In  der  Ortschaft  Schupfen  erhielten  arme  Schulkinder 
mittags  7a  Liter  Milch  und  200  Gramm  Brot;  für  diese  Speisung 
wurden  500  Fr.  auf  Kosten  der  Schulgemeinde  verausgabt. 

Hygienische  Fürsorge   für  die  Kindergärten  in  Berlin. 

Nach  der  „Voss.  Zig.u  bedarf  jeder  Berliner  Kindergarten  einer 
Konzession  seitens  der  städtischen  Schulbehörde  und  untersteht  der 
Schulaufsicht  genau  so,  wie  die  städtischen  Schulen.  Ferner  muis 
die  von  dem  behandelnden  Arzte  pflichtgemäfs  zu  erstattende  Anzeige 


633 

einer  daselbst  aufgetretenen  ansteckenden  Krankheit  an  die  Sanitäts- 
behörde auch  die  Angabe  des  Eindergartens  enthalten,  den  das  er- 
krankte Kind  besucht,  um  so  einer  etwa  drohenden  Verbreitung 
der  Krankheit  vorbeugen  zu  können.  Die  Vereinsvolkskindergärten 
im  Osten  besitzen  gesunde  Wohnräume  mit  einer  kleinen  Garten- 
anlage  und  werden  täglich  auf  das  sorgfältigste  gereinigt  und  gelüftet. 
Die  dort  versorgten  Kinder,  welche  ausschließlich  armen  Familien 
angehören,  zeigen  denn  auch  ein  frisches,  gesundes  Aussehen. 
Weniger  günstig  dürften  freilich  die  Verhältnisse  in  manchen  Privat- 
kindergärten  liegen. 


ämtlt^e  Verfügungen. 


Erlafs  des  Grofsherzoglich  badischen  Ministeriums  des  Innern, 
die  Ausschlief  sang  epileptischer  Kinder  von  dem  Besuche  der 

Volksschulen  betreffend. 

Karlsruhe,  den  16.  Juni  1893. 

Im  Hinblick  darauf,  dafs  die  Anstalt  für  epileptische  Kinder 
in  Kork  seit  dem  30.  November  v.  J.  besteht  und  deren  Einrichtungen, 
wie  sich  bei  einer  kürzlich  durch  den  diesseitigen  Medizinalreferenten 
vorgenommenen  Besichtigung  ergeben  hat,  ihrem  Zwecke  entsprechen, 
hat  der  Grofsherzogliche  Oberschulrat  die  Grofsherzoglichen  Kreis- 
schulräte angewiesen,  künftighin  mit  gröfserer  Strenge  auf  den  Aus- 
schlufs  epileptischer  Kinder  von  der  Volksschule  Bedacht  zu  nehmen, 
da  die  Teilnahme  solcher  Kinder  an  dem  Unterricht  mit  mannig- 
fachen Nachteilen  für  das  Wohlbefinden  und  den  Unterricht  der 
übrigen  Schüler  verbunden  ist. 

Die  Grofsherzoglichen  Kreisschulräte  werden  deshalb  in  allen 
Fällen,  in  welchen  bei  Visitationen  oder  sonstiger  Gelegenheit  der 
Besuch  der  Volksschule  durch  ein  epileptisches  Kind  zu  ihrer  Kenntnis 
gelangt,  zum  Zwecke  der  Beschlußfassung  über  die  Entbindung, 
bezw.  Ausschliefsung  dieses  Kindes  vom  Schulbesuche  auf  Grund  des 
§  3,  Absatz  2  des  Gesetzes  über  den  Elementarunterricht  vom 
30.  Mai  1892  Vorlage  an  den  Grofsherzoglichen  Oberschulrat 
erstatten. 

Einer  Anregung  Grofsherzoglichen  Oberschulrats  entsprechend, 
werden  auch  die  Grofsherzoglichen  Bezirksärzte  hiermit  angewiesen, 
bei  ihren  Schulbesuchen  darauf  Bedacht  zu  nehmen,  dafs  sie  von 
dem  Vorhandensein    epileptischer    Kinder   Kenntnis    erhalten.      Zu- 

8chalgerandh«ltspflege  VI.  41 


634 

treffenden   Falles   ist   von  dem  Sachverhalt    dem  Grofsherzoglichen 
Bezirksamte  zur  weiteren  Vorkehr, Anzeige  zu  erstatten. 
An  sämtliche  Grofsherzoglichen  Bezirksärzte. 

Rundschreiben  der  k.  k.  schlesischen  Landesregierung  vom 

6.  April  1893,  Z.  4331,  an  alle  unterstehenden  Behörden 
bezüglich  der  Schtilerimpfungen   und  Vaecinationsausweise. 

Wiewohl  mit  dem  hieramtlichen  Erlasse  vom  5.  Mai  v.  J., 
Z.  2528,  angeordnet  wurde,  dafe  das  Ergebnis  der  Schülerimpfungen 
sowohl  im  Impfjournale  als  in  dem  statistischen  Impfungsausweise, 
und  zwar  in  ersterem  unter  namentlicher  Anfuhrung  der  Impflinge, 
in  letzterem  durch  Ersichtlichmachung  des  summarischen  Resultates, 
also  getrennt  von  den  auf  Grund  der  Matrikenauszüge  und  Gemeinde- 
ausweise vorgenommenen  Impfungen,  zur  Darstellung  gelangen  solle, 
war  dies  nur  bei  wenigen  der  für  das  Jahr  1892  vorgelegten  Impf- 
elaborate der  Fall. 

Um  jeden  Zweifel  darüber  zu  benehmen,  in  welcher  Art  die 
Nachweisung  über  die  Schülerimpfungen  erfolgen  soll,  wird  hiermit 
angeordnet,  dafs  dieselben  fortan  sowohl  in  dem  Impfjournale  ab 
auch  in  den  statistischen  Ausweisen  der  Impfärzte,  und  zwar  getrennt 
von  den  übrigen  Impfungen  und  mit  besonderer  Aufschrift,  vor- 
zumerken sind. 

In  letzteren  hat  dies  derart  zu  geschehen,  dafe  zuerst  das  für 
jeden  einzelnen  Impfsammelplatz  entfallende  Ergebnis  der  nach 
den  Matrikenauszügen  und  den  Gemeindeausweisen  vorgenommenen 
Impfungen,  beziehungsweise  der  an  freiwillig  zum  Impfsammelplatze 
gebrachten  Kindern  ausgeführten  Yaccinationen  eingetragen  wird, 
worauf  die  Summe  aller  dieser  Einzeldaten  anzusetzen  ist. 

Darunter  sind  in  gleicher  Weise  die  auf  die  Schülerimpfungen 
bezugnehmenden  Ziffern  anzuführen,  doch  ist  bei  jedem  Impfsammel- 
platze die  Zahl  der  Erstimpfungen  von  jenen  der  Revaccinationen 
auseinanderzuhalten,  so  dafs  also  das  Ergebnis  der  Schülerimpfungen 
unter  Umständen  bei  einzelnen  Sammelplätzen  in  zwei  Kolonnen 
auszuweisen  sein  wird. 

Bei  der  Gesamtsumme  der  Schülerimpfongen  ist  zuerst  das 
summarische  Resultat  der  Erstimpfungen,  sodann  jenes  der  Re- 
vaccinationen anzuführen,  worauf  die  Summe  beider  zu   folgen  hat 

In  ähnlicher  Weise  ist  bei  der  Verfassung  der  summarischen 
Ausweise  nur  mit  dem  Unterschiede  vorzugehen,  dafs  hier  noch  das 
summarische  Ergebnis  beider  Kategorien  von  Impfungen  anzusetzen 
ist,  welches  mit  den  in  den  Teilbericht,  lit.  0.,  des  Jahres- 
sanitätsberichtes aufzunehmenden  Ziffernansätzen  in  Übereinstimmung 
sein  mufs. 


635 

Um  nicht  neue  Irrungen  aufkommen  zu  lassen,  sind  die  Impf- 
ärzte darauf  aufmerksam  zu  machen,  dafe  im  Sinne  des  h.  o.  Er- 
lasses vom  29.  Juli  1891,  Z.  9781,  als  revacciniert  nur  jene 
Schulkinder  auszuweisen  sind,  bei  welchen  es  zur  Wiederholung  der 
bereits  vor  10  Jahren  durchgeführten  Erstimpfung  kam. 

RflcksichÜich  der  wiederholt  aufgeworfenen  Frage,  wer  den 
Impfzustand  der  Schüler  zu  konstatieren  habe,  wird  bemerkt,  dato 
dies  in  jenen  Gemeinden,  welche  Domicile  von  Impfärzten  sind, 
unschwer  von  diesen  besorgt  werden  kann  und  gewüs  um  so  williger 
geschehen  wird,  da,  vom  laufenden  Jahre  angefangen,  eine  Entlohnung 
der  Ortsimpfungen  stattfindet.  In  allen  übrigen  Fällen  muis  es  den 
Schulleitern  überlassen  werden,  alle  in  die  Schule  eintretenden  oder 
bereits  eingetretenen  Kinder,  bei  welchen  sich  nicht  deutliche  Impf- 
narben nachweisen  lassen,  in  die  Verzeichnisse  der  impfpfiichtigen 
Schüler  aufzunehmen. 

Bezüglich  der  Nachweisungen  über  die  anläßlich  des  Herrschens 
Ton  Blattern  vorgenommenen  Bevaccinationen  und  Notimpfungen  der 
Ungeimpften  wird  auf  den  hieramtlichen  Erlais  vom  14.  September 
1885,  Z.  15543,  verwiesen,  nach  welchem  die  Notimpfungen  in  dem 
vorgeschriebenen  ImpQournale,  die  Bevaccinationen  in  einem  ab- 
gesonderten Ausweise  ersichtlich  zu  machen  sind,  welcher  dem  Haupt- 
impfberichte beizuschlieisen  ist. 

Soweit  derlei  Impfungen  von  Ärzten  vorgenommen  werden, 
welche  nicht  als  öffentliche  Impfarzte  fungieren,  sind  die  von  den- 
selben zu  verfassenden  vorerwähnten  Nachweisungen  zu  sammeln, 
dem  Impfoperate  der  politischen  Behörde  beizuschlieisen  und  in  dem 
Impfberichte  unter  Anführung  der  entsprechenden  ziffermäfeigen 
Daten  zu  besprechen.  Um  dieselben  möglichst  vollkommen  und 
verläßlich  zu  gewinnen,  sind  die  benannten  Nachweisungen  von  den 
Epidemieärzten  alsbald  nach  Abschluß  der  Epidemie  einzuholen. 

Zur  Klärung  des  noch  immer  verworrenen  Begriffes  der  Renitenz 
ist  auf  den  h.  a.  Erlais  vom  28.  April  1891 ,  Z.  4363,  aufmerksam 
zu  machen,  welcher  in  Verbindung  mit  dem  eingangs  erwähnten 
h.  o.  Erlasse  vom  5.  Mai  1892  die  genügende  Handhabe  bietet, 
um  den  betreffs  der  Vorlage  und  des  Inhaltes  der  Matrikenauszüge 
und  des  Verhaltens  mancher  Gemeindevorstände  beobachteten  Un- 
zukömmlichkeiten wirksam  entgegenzutreten. 

Gleichzeitig  erhllt  die  k.  k.  Bezirkshauptmannschaft  anbei  die 
erforderliche  Anzahl  von  Impfstoffbezugsanweisungen,  von  welchen 
ein  allenfalls  erforderlicher  Mehrbedarf  hieramts  anzusprechen  ist. 

Schliefslich  wird  in  Erinnerung  gebracht,  dafs  Impfoperate,  in 
welchen  im  Sinne  der  mit  dem  hierortigen  Erlasse  vom  5.  Mai  v.  J., 
Z.  5696,  hinausgegebenen  Instruktion  für  die  Impfärzte  die  Bestätigung 

41* 


636 

über  den  Zeitpunkt  und  den  Umfang  der  Impfstoffbestellung  oder 
Abbestellung  mangelt,  behufs  diesfälliger  Ergänzung  unbedingt  zurück- 
zuweisen und  dafs  überhaupt  nur  in  der  vorgeschriebenen  Weise 
abgefaßte  Impfelaborate  zur  hierortigen  Vorlage  zu  bringen  sind. 

Gutachten  des  Stadtphysikates  in  Wien  Aber  den  Antrag 

der  Direktion  des  dortigen  Pädagogiums  auf  Erteilung  von 

Unterricht  in  der  Hygiene  an  Lehrer. 

Die  Erfolge  auf  dem  Gebiete  der  Hygiene  werden  so  lange 
keine  genügenden  sein,  als  nicht  in  der  Bevölkerung  selbst  das 
Verständnis  hierfür  gesichert  und  somit  die  Zahl  derjenigen  vermehrt 
wird,  welche  den  Satzungen  der  Gesundheitspflege  in  immer  gröberen 
Gesellschaftskreisen  Geltung  verschaffen  und  auch  den  Sinn  für  die 
Unterstützung  der  Bestrebungen  der  öffentlichen  Sanitätspflege,  bezw.  der 
Sanitätsverordnungen  wecken  und  fördern.  Insofern  durch  den  vor- 
liegenden Antrag  diesem  Wunsche  Rechnung  getragen  wird,  mufs 
demselben  daher  das  wärmste  Interesse  entgegengebracht  werden. 

Die  Hygiene  als  Wissenschaft  hat  im  letzten  Decennium  bereits 
so  grofse  Fortschritte  gemacht  und  eine  solche  Fülle  von  Publikationen 
zu  Tage  gefördert,  dafs  sich  die  Notwendigkeit  herausstellte,  wie 
auf  anderen  wissenschaftlichen  Gebieten,  bestimmte  einzelne  Zweige 
zu  bearbeiten  und  auf  diese  Weise  den  speciellen  Bedürfnissen  mancher 
Gesellschaftsklassen  zu  entsprechen  (Gewerbehygiene,  Nahrungsmittel- 
hygiene, Schulhygiene  etc.). 

Dem  vorliegenden  Antrage  zufolge  soll  nun  eine  Einrichtung 
geschaffen  werden,  durch  welche  der  Lehrer  befähigter  würde,  die 
Bedürfnisse  der  Schuljugend  vom  Standpunkte  der  Hygiene  aus  zu 
erfassen  und  die  Bestrebungen  der  Amtsärzte  zu  unterstützen. 

Es  ist  wohl  nicht  notwendig,  den  Umfang  dieser  Aufgabe  genau 
festzustellen,  immerhin  dürfte  es  jedoch  erwünscht  sein,  die  einzelnen 
Abschnitte  der  betreffenden  Lehre,  welche  nunmehr  in  der  Fort- 
bildungsschule für  Lehrer  vorgetragen  werden  soll,  anzudeuten,  womit 
jedoch  selbstverständlich  dem  künftigen  Docenten  dieses  Faches 
keine  eigentliche  Direktive  für  die  Bearbeitung  des  Stoffes  gegeben 
werden  soll. 

Die  Vorträge  über  Schulhygiene  für  Lehrer  werden  somit  folgende 
Abschnitte  zu  umfassen  haben: 

1.  Das  Schulgebäude  im  allgemeinen,  mit  Berücksichtigung  der 
einzelnen  Einrichtungen  desselben.  Hierbei  wird  namentlich  der 
Ventilation,  Heizung  und  Beleuchtung  ein  besonderes  Augenmerk 
zugewendet  werden  müssen. 

2.  Die  Erhaltung  des  Gesundheitswohles  der  Schuljugend  (Einflufe 
der  Ernährung,  Kleidung,  physischen  und  geistigen  Übung,  der  Rein- 


637 

haltang  des  Körpers,  der  Subsellien  and  der  natürlichen  und  künst- 
lichen Beleuchtung). 

3.  Das  Verhalten  der  Lehrer  gegenüber  schwächlichen  und  kränk- 
lichen Kindern  (Störung  des  Gesichte-  und  Gehörsinnes,  Verkrümmung 
der  Wirbelsäule  und  Krankheitsanlagen). 

4.  Schutz  der  Schule  vor  ansteckenden  Krankheiten. 

Es  ist  wohl  einleuchtend,  dafs  derjenige,  welcher  nach  der 
angedeuteten  Richtung  hin  für  das  Wohl  der  Schuljugend  förderliche 
Grundsätze  in  sich  aufgenommen  hat,  auch  bestrebt  sein  wird,  den- 
selben überall  Geltung  zu  verschaffen  und  somit  die  Satzungen  der 
Hygiene  aus  dem  Gebiete  der  Theorie  auf  das  der  Praxis  und  der 
fruchtbaren  Weiterverbreitung  zu  übertragen. 

Das  Stadtphysikat  kann  demnach  die  Absicht,  die  heranzubildenden 
Lehrer  auch  mit  den  Forderungen  der  Schulhygiene  rechtzeitig  vertraut 
zu  machen,  als  eine  zeitgemäfse  und  nützliche  erklären  und  die 
Durchfuhrung  derselben  wärmstens  empfehlen.1 


JJerfottuiien. 


Herr  Dr.  Friedrich  Koldewey,  Rektor  der  Stadtschule  in 
Königslutter,  hat  sich  zur  Mitarbeit  an  unserer  Zeitschrift  bereit 
erklärt. 

Unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Geheimer  Medizinalrat  Pro- 
fessor Dr.  H.  Schmidt-Rimpler  in  Göttingen,  wurde  zum  General- 
arzt H.  Klasse  befördert. 

Dem  Medizinalreferenten  im  Ministerium  für  Elsafs-Lothringen, 
Geheimen  Medizinalrat  Dr.  Krieger  zu  Strafsburg  i.  £.,  ist  der 
Bang  der  Räte  HI.  Klasse  verliehen  worden. 

Der  Direktor  des  Kinderhospitals  in  Stettin  Dr.  Steffen  wurde 
zum  Geheimen  Sanitätsrat  ernannt. 

Den  Kreisschulinspektoren  Dr.  Wessig  zu  Kleve,  Dr.  FüCHTE 
zu  Essen  und  Dr.  Jeltsoh  zu  Elberfeld  ist  der  Charakter  als 
Schulrat  mit  dem  Range  der  Räte  IV.  Klasse  verliehen  worden. 


1  In  der  Sitzung  des  Wiener  Stadtrates  vom  6.  September  d.  J. 
wurde  auf  Antrag  des  Vieebürgermeisters  Dr.  Gbübl  die  Abhaltung  eines 
Kurses  über  Schulhygiene  am  dortigen  Pädagogium  unserem  verehrten 
Mitarbeiter,  Herrn  Professor  Dr.  Lbo  Burgerstkut,  als  Docenten  über- 
tragen.   D.  Red. 


638 

Unser  verehrter  Mitarbeiter,  Herr  Direktor  Dr.  Heubsnbr  am 
Friedrichsgymnasium  in  Kassel,  erhielt  das  Ritterkreuz  I.  Klasse 
des  sftchsischen  Haasordens  der  Wachsamkeit  oder  vom  weüsen  Falken. 

Dem  Regierangs-  nnd  Schnlrat  Bübgen  in  Koblenz  ist  der 
rote  Adlerorden  HI.  Klasse  mit  der  Schleife,  dem  Rektor  der  Landes- 
schule  Pforta,  Professor  Dr.  Volrmann,  die  Krone  zum  roten  Adler- 
orden IV.  Klasse,  den  Regierangs-  and  Schalraten  Dr.  Rovenhaghn 
in  Düsseldorf  and  Dr.  Schlemmer  zu  Strafsburg  i.  £.,  sowie  dem 
Seminardirektor  Dr.  Jüngling  in  Stade  der  rote  Adlerorden 
IV.  Klasse  verliehen  worden. 

Die  Wahl  unseres  verehrten  Mitarbeiters,  Herrn  Geheimen  Re- 
gierungsrats Professor  Reetschel,  zum  Rektor  der  technischen  Hoch- 
schale in  Berlin  für  die  Amtsperiode  vom  1.  Juli  1893  bis  dahin 
1894  wurde  vom  König  bestätigt. 

Dr.  A.  Solavo  hat  sich  als  Privatdocent  fftr  Hygiene  in  Turin, 
Dr.  A.  Czernt  als  Privatdocent  fftr  Kinderheilkunde  an  der  deutschen 
Universität  in  Prag  habilitiert. 

Der  Statthaltereirat  Dr.  von  Karajan  in  Wien  feierte  im 
Oktober  d.  J.  das  Jubiläum  seiner  fünfundzwanzigjährigen  Wirksam- 
keit als  Landessanitätsreferent  fftr  Niederösterreich. 

Der  Geheime  Regierungsrat,  Regierungs-  und  Schulrat  Dr. 
Schneider  zu  Schleswig,  ist  in  den  Ruhestand  getreten ;  aus  diesem 
Anlafs  wurde  demselben  der  Adler  der  Komture  des  Königlichen 
Hausordens  von  Hohenzollern  verliehen. 

Es  sind  gestorben:  am  20.  August  in  Berlin  der  Wirkliche  Ge- 
heime Oberregierungsrat  a.  D.  Gustav  Adolf  Waetzoldt,  früher 
vortragender  Rat  im  Unterrichtsministerium  und  Direktor  der  König- 
lichen Turnlehrerbildungsanstalt  daselbst,  in  St.  Petersburg  der  Wirk- 
liche Staatsrat  Dr.  Christian  Dencker,  der  längere  Zeit  am  Kinder- 
hospital des  Nikolaiwaiseninstituts  als  Arzt  thätig  war,  in  Köln  der 
Regierungs-  und  Schulrat  Dr.  Schönen  und  zu  Neustadt  in  West- 
preufsen  der  Schulrat  Konsalie. 


«iittrainr. 


Besprechungen. 

Dr.  Franz  Keebsling  und  Egmont  Pfalz,    Lehrer  an   der  ver- 
einigten Rats-  und  Wendlerschen  Freischule  in  Leipzig.     Ctoratd- 

heitslehre  im  Anschlufs  an  Bau  nnd  Leben  des  menschlichei 

Körpers.     Wiederholungsbuch  der  Naturgeschichte.     In  6  Kursen 


639 

für  gegliederte  Volks«  und  höhere  Mädchenschulen.  Kursus  5 
und  6.  Braunschweig,  1893.  Appelhans  und  Pfenningstorff.  (50  S. 
8°.  M.  0,40.) 

Die  für  Schüler  bestimmten  Leitfäden  Aber  Bau  und  Leben 
des  menschlichen  Körpers,  die  in  den  letzten  Jahren  erschienen  sind, 
zeichnen  sich  dadurch  aus,  dafs  das  Hauptgewicht  auf  die  Gesund- 
heitslehre gelegt  und  aus  der  Anatomie  und  Physiologie  nur  soviel 
aufgenommen  wird,  als  zum  Verständnis  der  hygienischen  Belehrungen 
unbedingt  erforderlich  ist.  Dieser  Standpunkt  mufste  sich  mit  Not- 
wendigkeit aus  den  Verhältnissen  entwickeln,  mit  denen  bei  diesem 
Unterrichtsgegenstande  zu  rechnen  war.  Mag  die  Anatomie  und 
Physiologie  auch  ein  noch  so  interessantes  und  in  gewisser  Beziehung 
nützliches  Wissen  darstellen,  mag  der  formale  Bildungswert  dieser 
Gebiete  auch  noch  so  allgemein  anerkannt  sein,  für  die  Schule  wird 
die  Gesundheitslehre,  dieses  fast  ausschliefslich  der  nackten  Nützlich- 
keit dienende  Wissen,  im  Vordergrunde  stehen  müssen,  um  so  mehr, 
als  die  Zeit,  die  diesem  Lehrgegenstande  gewidmet  werden  kann, 
äußerst  beschränkt,  der  zu  behandelnde  Stoff  aber  sehr  umfangreich 
ist.  Die  Schwierigkeit  einer  solchen  Darstellung  der  Gesundheits- 
lehre liegt  im  wesentlichen  darin,  das  richtige  Mafs  in  der  Auswahl 
anatomischer  und  physiologischer  Kenntnisse  zu  treffen. 

Den  geschilderten  Grundsätzen  entsprechend  ist  das  Büchlein 
von  Kiessling  und  Pfalz  abgefafst.  In  Bezug  auf  die  Gesundheits- 
regeln kann  die  Auswahl  als  eine  recht  zweckmäfsige  bezeichnet 
werden;  aber  betreffs  des  grundlegenden  Wissens  aus  Anatomie  und 
Physiologie  ist  die  Beschränkung  in  einzelnen  Abschnitten  doch  zu 
weit  getrieben,  so  dafs  die  hygienischen  Lehren  in  der  Luft  schweben 
und  mangels  gehöriger  Begründung  nicht  überzeugend  wirken. 

Aber  noch  ein  zweites  Princip  ist  es,  durch  welches  das  vor- 
liegende Buch  charakterisiert  wird.  Die  Darstellung  geht  von  den 
Lebensfunktionen  aus  und  gibt  im  Anschlufs  daran  die  Beschreibung 
der  betreffenden  Organe.  Dementsprechend  ist  die  Anlage  des 
Schriftchens  eine  wesentlich  andere,  als  bei  den  meisten  der  vor- 
handenen Leitfäden.  Seine  drei  Hauptabschnitte  handeln  von  der 
Ernährung,  von  der  Bewegung  und  vom  Wahrnehmen  und  Denken. 
Der  hierher  gehörende  Stoff  gliedert  sich  in  kürzere  Kapitel,  deren 
Überschriften  beispielsweise  bei  dem  zweiten  Abschnitte  lauten:  Die 
aufrechte  Haltung,  das  Gehen,  die  Arbeit,  Rückblick  auf  die 
Bewegungswerkzeuge. 

Die  Schreibweise  ist  einfach  und  für  Kinder  leicht  verständlich. 
Jedoch  könnte  auf  Form  und  Inhalt  mehr  Sorgfalt  verwendet  werden. 
So  heilst  es  z.  B.  Seite  5:  Durch  wurmförmige  Krümmungen  und 
Bewegungen  des  Magens   wird    der   kugelige  Speiseklumpen  umher- 


640 

gereut;  Seite  18:  Das  Blut  wird  durch  einen  besonderen  Apparat 
im  Körper  urohergeleitet ;  Seite  19:  Milch  ist  sehr  nahrhaft  und 
billig,  doch  darf  sie  nicht  abgeschöpft  sein.  Zu  dem  letzteren 
Satze  ist  zu  bemerken,  dafs  auch  entrahmte  Milch  wegen  ihres 
beträchtlichen  Eiweifsgehaltes  und  wegen  ihres  billigen  Preises  ein 
gutes  Volksnahrungsmittel  bildet.  Auf  Seite  34  lesen  wir:  Die 
Lehne  (der  Schulbank)  mu£s  so  niedrig  sein,  dafs  man  die  beiden 
nach  hinten  gezogenen  Ellenbogen  auf  die  obere  Kante  derselben 
auflegen  kann.  Jetzt  wird  aber  bekanntlich  eine  Kreuzrücken- 
lehne empfohlen. 

In  dem  Büchlein  finden  sich  35  größtenteils  gute  Abbildungen. 
Dieselben  sind  ausführlicheren  Werken  entnommen.  Denn  darauf 
deuten  die  vielen  überflüssigen  Ziffern  und  Buchstaben  hin,  die  den 
einzelnen  Teilen  der  Zeichnungen  beigefügt  sind,  und  die  hier 
nirgends  weder  Erklärung  noch  Benennung  finden.  Auch  sind  wohl 
die  Abbildungen  einer  Reihe  von  Gewürzpflanzen  vollkommen  über- 
flüssig, wenn  im  Text  nicht  einmal  ihr  Name  genannt  wird. 

Städtischer  Lehrer  Otto  Jahre 
in  Berlin. 

Dr.  Krug  in  Dresden.    Die  hygienischen  Beziehungen  von  Heft- 
lage, Schriftrichtung  und  Haltung  der  Kinder  beim  Schreiben. 

Vortrag,  gehalten  im  Bezirksverein  Dresden-Stadt.  Sonder- 
abdruck aus  dem  Korrespondenzblatt  der  sächsischen  ärztlichen 
Kreis-  und  Bezirksvereine,  Lü.  Band,  No.  3  und  4,  1892. 
Dresden,  1892.  (8  S.  4°.) 

Verfasser  hat  in  einem  Vortrage  vor  dem  Bezirksvereine  Dresden- 
Stadt  die  Hörer  mit  einer  kurz  gefaxten  Geschichte  der  „Steil-  oder 
Schief schriftfrage u  bekannt  gemacht  von  Ellinger  und  Gross  bis 
Berlin-Rembold  und  Schubert,  von  den  anfangs  schüchternen 
theoretischen  Begründungen  der  Vorzüge  der  steilen  Schrift  bis  zu 
den  jetzt  sich  vollziehenden  umfassenden  praktischen  Übungen  der- 
selben in  den  Schulen  vieler  Städte. 

Seine  eigenen  Untersuchungen  und  Erfahrungen  sollen  vor 
allem  zur  Kontrolle  dienen,  ob  in  der  That  das  Sitzen  in  der 
Schule,  speciell  beim  Schreiben,  an  Störungen  des  Sehens  und  der 
Körperhaltung  schuld  sei.  In  betreff  der  Augenschädigung  hält  er 
sich  an  die  zahlreichen  Arbeiten  der  Ophthalmologen,  welche  den  un- 
günstigen Einflute  der  Schule  beweisen.  Hinsichtlich  der  Ver- 
krümmungen der  Wirbelsäule  hat  er  sich  durch  Schuluntersuchungen 
ein  eigenes  Material  geschaffen. 

Er  fand  bei  190  Knaben  6  linksseitige  und  5  rechtsseitige 
Skoliosen,    bei   222  Mädchen   20  linksseitige,    10  rechtsseitige  und 


641 

5  doppelte.  Im  Princip  decken  sich  diese  Befunde  mit  denen  des 
Referenten  vom  Jahre  1882,  indem  sie  das  Vorwiegen  der  Ver- 
legungen nach  links  beweisen.  Der  weit  niedrigere  Prozentsatz  von 
Rückgratsverkrümmungen  in  Dresden  liefse  eine  Kritik  erst  zu,  wenn 
bekannt  wäre,  welche  Messungsmethode  angewandt  worden  ist. 

7  Skoliosen  entstanden  bei  11-  bis  13jährigen  Mädchen 
innerhalb  zweier  Jahre  zwischen  der  ersten  und  zweiten  Unter- 
suchung. 

Von  Kindern,  die  mit  entblöfstem  Rücken  schrieben,  fand  sich 
bei  einem  Drittel  die  Wirbelsäule  nach  links  verbogen. 

Die  Beobachtung  der  verschiedenen  Haltungen  der  Sander  beim 
Schreiben  und  die  Übereinstimmung  derselben  mit  den  Befunden  an 
der  Wirbelsäule  führten  den  Verfasser,  wie  schon  1882  den  Re- 
ferenten, zu  der  Annahme  eines  Zusammenhanges  zwischen  Schreib- 
haltung und  Körperverkrümmung,  unbeschadet  selbstverständlich 
des  Einflusses  noch  anderer  Schädlichkeiten. 

Warum  der  Arzt  in  der  Praxis  mehr  rechtsseitige  Skoliosen 
sieht,  möchte  Verfasser  etwas  kompliziert  daraus  erklären,  dafs  bei 
der  linken  Lendenskoliose  die  beim  Schreiben  notwendige  Drehung 
der  Schultern  nach  rechts  einer  Verschlimmerung  direkt  entgegen- 
wirke, während  bei  der  rechtsseitigen  dieses  Moment  fehle.  Es  scheint 
aber  die  Prämisse  doch  nicht  sicher  erwiesen.  Der  Arzt  beobachtet 
meistens  Doppelskoliosen,  ohne  dann  die  primäre  bestimmen  zu 
können.  Von  den  einseitigen  überwiegen  in  der  Sprechstunde  des 
Referenten  weitaus  die  linken. 

Daus  leichte  Haltungsanomalien  sich  wieder  zurückbilden  können 
und  nur  bei  fortgesetzten  Schädigungen  zunehmen,  ist  gewiß  richtig. 

Theoretisch  bekehrt,  ging  Verfasser  in  die  Schulen  und  sah 
schreiben.  Das  Material  lieferten  19  schiefschreibende  Klassen  in 
Dresden  und  20  steilschreibende  in  Wien  bei  dem  unermüdlichen 
Streiter  für  die  Steilschrift,  Emanuel  Batr.  Als  Resultat  ergab 
sich,  wie  bei  allen  schon  bekannt  gegebenen  gleichen  Untersuchungen, 
bei  der  Schiefschrift  ein  Chaos  von  schlechten  Haltungen  mit 
stärkerer  Annäherung  der  Augen  an  die  Schrift,  bei  der  Steilschrift 
eine  beträchtliche  Majorität  tadelloser  Haltungen  bei  gröberer  Ent- 
fernung des  Kopfes  von  dem  Hefte. 

So  kommt  Verfasser  zu  der  Schlußfolgerung,  dafs  die  Steil- 
schrift den  theoretischen  Anforderungen  betreffe  der  Richtung  von 
Zeile  und  Grundstrich  entspreche,  dafs  sie  eine  bessere  Haltung,  vor 
allem  mit  gestütztem  Kreuz,  ermögliche,  dafs  bei  ihr  das  Kind  die 
Hausarbeiten  eher  bei  geradem  Sitzen  ausführe  und  dafs  endlich  dem 
Lehrer  die  Schularbeit  dadurch  erleichtert  werde.  Dabei  nehmen 
die  Kinder  weniger  Sitzraum  ein,    ermüden  nicht  so  leicht,    haben 


642 

kürzere  Buchstaben  zu  schreiben,  und  die  Konstruktion  der  Schul- 
bänke ist  nicht  mehr  so  wichtig. 

Wir  freuen  uns,  einen  neuen  Mitkämpfer  in  Dr.  KRUG  gefunden 
zu  haben,    der  auf  eigenem  Wege  zu  denselben  Resultaten  gelangt 
ist,  wie  ein  jeder,  welcher  der  Steilschriftfrage  ernstlich  näher  tritt. 
Praktischer  Arzt  Dr.  med.  Wilhelm  Mater  in  Fürth. 

Dr.  med.  F.  A.  Schmidt.  Die  Leibesübungen  nach  ihrem 
körperlichen  Übungswert  dargestellt.  Ein  Grundrifs  der 
Physiologie  des  Turnens  für  Turnlehrer,  Turnwarte  und  Freunde 
der  Leibesübungen.  Mit  2  Übersichtstafeln.  Leipzig,  1893. 
R.  Voigtländer.  (84  S.  8°.  M.  1,60.) 

Der  Verfasser  hat  mit  der  Schaffung  und  Herausgabe  dieses 
Buches  das  Schrifttum  auf  dem  Gebiete  der  Leibesübungen  ganz 
wesentlich  bereichert,  denn  bislang  hatten  wir,  abgesehen  von  einigen 
Aufsätzen  und  Vorträgen  über  „Gesundheitliche  Forderungen 
an  den  Turnunterricht"  von  Schmidt,  überhaupt  nichts  Ähn- 
liches in  so  eingehender  und  gründlicher  Darstellung.  Hier  findet 
sich  nun  in  scharfer  wissenschaftlicher  Begründung  und  Ausgestaltang 
klar  und  allgemein  verständlich  ausgeführt,  was  aufser  der  Kenntnis 
des  Übungsstoffes,  dem  Lehrgeschick  und  der  eigenen  technischen 
Fertigkeit  nicht  allein  den  Lehrern  und  Lehrerinnen  des  Schulturnens, 
Bondern  auch  den  Leitern  des  Vereinstumens  zu  wissen  unumgänglich 
notwendig  ist. 

In  einer  kurzen  Einleitung  spricht  sich  der  Verfasser  zunächst 
über  den  Grund  der  Leibesbewegung  und  den  Bewegungszweck 
aus.  Von  dem  allein  richtigen  Grundsatze  ausgehend,  dafs  der  ganze 
Mensch  mehr  ist,  als  nur  ein  aus  Knochen,  Gelenken  und  Muskeln 
bestehendes  Wesen,  weist  er  darauf  hin,  dafs  bei  der  Leibesübung 
auch  das  Nervensystem,  der  Wille  und  die  mit  der  Muskelarbeit 
aufs  innigste  verknüpften  Thätigkeiten  der  Atmung,  des  Kreislaufes 
und  des  Stoffwechsels  in  Frage  kommen.  Mit  der  Feststellung  dieses 
Grundsatzes  verwirft  er  die  Erschöpfung  der  Übungsmöglich- 
keiten als  grundlegendes  Princip,  also,  genau  besehen,  die 
Konsequenzen  der  SPiESSschen  Turnschule  und  die  vielfachen  Ver- 
irrungen  unseres  sogenannten  modernen  Vereinsturnwesens. 

Mit  vollstem  Rechte  hebt  der  Autor  hervor,  dafs  auf  der 
Grundlage  einer  natürlichen  gesundheitlichen  Körperübung  die  viel- 
gerühmte Gymnastik  der  Griechen  beruhte,  an  welche  vor  100  Jahren 
Guts  Muths  anknüpfte  und  auf  welcher  Otto  Jäger  seine  Turn- 
schule aufgebaut  hat. 

Der  erste  Abschnitt  handelt  „über  die  Arten  der  Leibes- 
übungen   und   ihren    Übungswert".     Dieser   Abschnitt,    der 


643 

gröbere  Teil  der  Schrift  überhaupt,  prüft  in  klarer  und  sehr  über- 
sichtlicher Weise  die  beiden  grofsen  Gruppen  der  Bewegungsarten, 
die  Kraft- und  Geschicklichkeitsübungen  und  die  Schnellig* 
keits-  und  Dauerübungen,  auf  ihre  physiologische  Bedeutung  hin. 

Zwei  Sonderarten  von  Übungsformen,  die  nach  der  Richtung 
der  Hirn-  und  Nervengymnastik  von  jenen  grofsen  Gruppen  abweichen, 
die  Aufmerksamkeitsübungen  (Ordnungsübungen  und  Reigen) 
und  die  Schlagfertigkeitsübungen  (Ringen,  Fechten,  feinere 
Lauf-  und  Ballspiele),  werden  am  Schlüsse  dieses  Abschnittes  einer 
Betrachtung  unterzogen.  Während  Verfasser  den  Aufmerksamkeits- 
übungen nur  im  geringen  Grade  einen  Wert  für  die  Ausbildung  des 
Leibes  beimifst,  will  er  den  lokalisierten  Kraft-  und  Geschicklich- 
keitsübungen (Fechten),  den  allgemeinen  Kraftübungen  (Ringen)  und 
den  Schnelligkeitsübungen  (Spiele)  eine  bevorzugte  Stellung  angewiesen 
wissen. 

Im  zweiten  Abschnitte  wird  „das  Übungsbedürfnis  in  den 
verschiedenen  Lebensaltern"  besprochen.  Hier  zeigt  Schmidt, 
welche  Einwirkungen  der  einzelnen  Übungsarten  für  die  verschiedenen 
Lebensalter  fruchtbringend  sind,  und  wie  demgemäß  der  Übungs- 
stoff zu  verteilen  ist.  Er  unterscheidet  für  diesen  Zweck:  1.  die 
Jahre  der  Kindheit,  a.  vom  6.  bis  9.,  b.  vom  9.  bis  14.  Lebens- 
jahre ;  2.  die  Jahre  der  Entwickelung  vom  14.  bis  20.  Lebensjahre ; 
3.  die  Jahre  des  Überganges  vom  Jüngling  zum  Manne  in  seiner 
Tollkraft  vom  20.  bis  30.  Jahre;  4.  die  Jahre  der  Vollkraft  des 
Mannes  vom  30.  bis  40.  Jahre  und  endlich  die  Jahre  der  Über- 
reife des  Mannes  vom  40.  bis  60.  Lebensjahre. 

Was  in  diesem  Abschnitte  über  den  Übungsstoff  und  die  Art 
und  Weise  der  Verarbeitung  desselben  für  die  verschiedenen  Lebens- 
stufen gesagt  wird,  ist  in  klarer  und  überzeugender  Weise  ge- 
schrieben. 

Höchst  instruktiv  sind  die  beigegebenen  Tafeln.  Die  erste  stellt 
den  Wert  unserer  Leibesübungen  dar,  und  die  zweite  gibt  eine 
Übersicht  der  für  die  verschiedenen  Lebensalter  zweckmäfsigen  Übungen. 
Beide  Tafeln  führen  die  in  der  Schrift  entwickelten  Grundsätze 
gewissermaßen  in  Form   einer  praktischen  Gebrauchsanweisung  vor. 

Wir  halten  die  vorliegende  Schrift  deshalb  für  so  aufserordent- 
lich  wichtig,  weil  sie  ein  Mediziner  und  Physiologe,  der  zugleich 
ein  erfahrener  praktischer  Turner  ist,  verfafst  hat.  Sie  wird  den 
Turnsystematikern  und  Turnmethodikern  der  zumeist  in  deutschen 
Landen  geläufigen  Betriebsweise  des  Turnens  in  Schulen  wie  Vereinen 
wohl  manches  Achselzucken  entlocken,  aber  auch,  und  das  hoffen  und 
wissen  wir,  vielfach  das  richtige  Verständnis  finden  zum  Wohle  unseres 
aufwachsenden  Geschlechtes  und  zum  Heile  unserer  deutschen  Turnkunst. 


644 

Wir  empfehlen  die  Arbeit,  deren  Ertrag  dem  Centralausschnfs 
für  Jngend-  und  Volksspiele  in  Deutschland  zur  Verfügung  gestellt 
ist,  den  weitesten  Kreisen. 

Tnrninspektor  Gymnasiallehrer  August  Hebmann 

in  Braunschweig. 

SL0JB8AGEN  I  Danmark.      7de  Aarsberetning  fra  „Dansk    Sl0jd- 
forening"  [Handfertigkeitsangelegenheiten  in  Dänemark.    7. 

Jahresbericht    des    „Dänischen    Handfertigkeitsvereins"].     Kopen- 
hagen, 1893.     L.  A.  J0rgensen.     (88  S.  Kl.  8°.) 

Wie  schon  in  früheren  Referaten  von  mir  hervorgehoben  ist» 
bildet  die  Ausbildung  tüchtiger  Lehrer  eine  Hauptaufgabe  des  dänischen 
Handfertigkeitsvereins.  Im  Jahre  1892  wurden  auf  der  Slojdschule  in 
Kopenhagen  in  drei  verschiedenen  Kursen  71  Männer  und  37  Frauen, 
fast  alle  frühere  Lehrer  oder  Lehrerinnen,  unterrichtet.  Auf  der 
Slojdschule  zu  Askov  in  Jütland  erhielten  außerdem  noch  7  Männer 
und  2  Frauen  nach  dem  schwedischen  System  Unterweisung. 

Bei  den  drei  Kursen  in  Kopenhagen  war  der  Klassenuntenicht 
allgemein  durchgeführt  zur  vollen  Zufriedenheit  sämtlicher  Teilnehmer. 
Grofses  Gewicht  wurde  auf  korrekte  Arbeitsstellungen  gelegt,  ebenso 
auf  die  Taktarbeit,  bei  welcher  alle  Arbeitenden  Säge  und  Hobel 
in  einem  bestimmten  Takte  bewegen.  Die  Einübung,  sowie  die 
Sicherheit  in  der  Werkzeugbenutzung  wird  namentlich  Anfängern 
durch  die  Taktarbeit  merklich  erleichtert,  was  die  Erfahrung  von 
Jahr  zu  Jahr  immer  entschiedener  bestätigt. 

Der  Slojdunterricht  findet  jetzt  in  89  Schulen  statt  und  ver- 
breitet sich  auch  mehr  und  mehr  in  den  ländlichen  Volksschulen 
trotz  der  groüsen  Schwierigkeiten,  welche  hier  zu  überwinden  sind. 

Der  Bericht  enthält  weiter  noch  eine  ausführliche  Darstellung  des 
unermüdlichen  Slojdschulvorstehers  Axel  Mikkblsen  über  den 
erziehlichen  Wert  der  verschiedenen  Werkzeugübungen.  Es  wird,  so 
sagt  er,  allgemein  anerkannt,  dafe  einige  Übungen  mehr  grundlegend, 
andere  mehr  abschliefsend  sind,  einige  gesundheitsfördernd,  andere 
gesundheitsschädlich,  einige  unterhaltend,  andere  langweilig  für  die 
Kinder. 

Herr  Mikkblsen  hat  auch  einen  Versuch  gemacht,  die  ver- 
schiedenen Säge-,  Hobel-  und  sonstigen  Übungen  näher  zu  analysieren. 
Er  hat  mit  Hilfe  von  Gewichten  die  Kraft  gemessen,  welche  gebraucht 
wurde,  um  diese  Werkzeuge  durch  ein  Stückchen  Holz  von  bestimmter 
Breite  und  Dicke  zu  führen,  ferner  ermittelt,  wie  grols  die  Muskel- 
kraft war,  mit  welcher  die  Hand  das  Werkzeug  umfaüste  u.  s.  w.  Auf 
Grund  einer  sehr  groüsen  Anzahl  von  Versuchen  sind  Durchschnitts- 
zahlen berechnet  und   für  jedes  Werkzeug   in   tabellarischer   Form 


645 

mitgeteilt  worden.  Welche  Bedeutung  diese  Berechnungen  in 
praktischer  Beziehung  für  die  Beurteilung  der  verschiedenen  Übungen 
gewinnen  werden,  l&fst  sich  zur  Zeit  noch  nicht  mit  Sicherheit  sagen. 
Jedenfalls  bilden  sie  einen  interessanten  und  energischen  Anfang, 
gröbere  Klarheit  in  die  Sache  zu  bringen. 

Endlich  findet  sich  in  dem  Berichte  noch  eine  kurze  Be- 
sprechung des  zweiten  deutschen  Kongresses  für  erziehliche  Hand- 
arbeit, sowie  ein  kleines  Referat  über  einen  Kursus  bei  Professor 
Kumpä,   den  Herr  Mikkblsen  selber  durchgemacht  hat. 

Kommunaler  Kreisarzt  Axel  Hebtel 
in  Kopenhagen. 


Bibliographie. 

Dombbowsei.     Die  Anfange  des   Turnunterrichtes  in  Braunsberg. 

Progr.  d.  Gymn.  in  Braunsberg,  1893. 
Elementary  education  of  blind  and  deaf  children.     Brit.  med.  Journ., 

1893,  23.  Septemb.,  1708,  700. 
Fries.     Die  Steüschriftfrage.     Frankf.  Schulztg.,    1893,  VH— IX. 
Gabreelli,  F.     J  giuochi  ginnastici  in  Austria.     La  Palestr.  marz., 

1893,  VH. 
Giesching.     Die  Körperhaltung   und  ihre  Folgen  bei  den  Schul- 
kindern.    Bielefeld,  1893,  Helmich.     M.  0,75. 
Gorke.     Die  Volksschule  und   der  BandferUgkeitsunterricht.     Aus 

d.  Schul.,  HI,  10;   11. 
Hermann,  Aug.     Balljagd.     Ein    Versuch,    Stiele   zu   entwickeln 

und  zu  lehren.     Ztschr.  f.  Turn.  u.  Jgdspl.,  1893,  X,  145— 148. 
Holzeland,  Heinr.     Beschreibung  des  Oymnasialgebäudes  (Staats- 

gyrnnasnm  im  12.  Bezirke  Wiens).    Progr.  d.  Anstalt,  1893.  4°. 
Hurd,  Kate  C.     The  necessity  of  having  medical  directors  for  our 

public  schools.     Maryland   Med.    Journ.,    Baltimore,    1892 — 93, 

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congr.  hyg.  and  demogr.  1891,  London,  1892,  IV,  57—66. 
Janke,  Otto.     Körperhaltung  und  SchnfMchtung.    Pädag.  Magaz., 

Hft.  22,  Langensalza,  1893,  Herrn.  Beyer  &  Söhne.     8°. 
—   Was   sollen   und   was    können    die   Schulärzte?     Pftd.    Zeitg., 

1893,  I,  1-7. 
Jensen,  Th.   Haandskriftbogen.    TU  ind0velse  af  lodret  hurUgshrift 

fira   skolens   nederste   klasser   af.     lste  hefte.     [Schreibvorlagen. 

Zur  Einübung  der  senkrechten   Schneüschrift  von  den  untersten 

Schulklassen  an.  1.  Heft.]  Kj0benhavn,  1893,  Jacob  Erslev.  0re  12. 


646 

Jensen,  Th.  Om  lodret  hurügskrift  %  de  forste  skoleaar.  JE* 
methodereform  i  vor  skoleslcrift.  [Über  senkrechte  SchneUschrift  im 
ersten  Schuljahr.  Eine  Beform  der  Methode  m  unserer 
Schulschrift].     Kj0benhavn,    1893,  Jacob  Erslev.     8°.     0re  25. 

JoßL.  Über  die  Krankheiten  des  Ohres  im  schulpflichtigen  Alter. 
Thür.  Schulbl.,  1892,  Xu;  XIII. 

Jugend  und  Jugendspiele.     Bl.  f.  höh.  Schulwes.,  1893,  X,  11;  XI,  1. 

Kaserner  euer  pavilloner.  [Kasernen  oder  Pavillons  für  Schulen?] 
Norsk  skoletidende,  1893,  XVI,  247—248. 

Kirchner,  Martin.  Die  mitteleuropäische  Zeit  und  die  Schule. 
Hyg.  Rundsch.,  1893,  XI,  477—480. 

Koch.  Über  die  Einrichtung  von  Wettspielkämpfen  durch  den 
Ausschufs.     Braunschweig,  1893. 

Közle,  Joh.  Fr.  Gottlob.  Die  pädagogische  Pathologie  in  der 
Erziehungskunde  des  19.  Jahrhunderts.  Gekrönte  Preisschrift  der 
pädagogischen  Gesellschaft  zn  Leipzig.  Gütersloh,  1893,  Bertels- 
mann.    Gr.  8°.     Jtt  6. 

Krause,  A.  Über  Anlage  und  Einrichtung  botanischer  Schulgärten, 
Programm.     Gleiwitz,  1893.     4°. 

Kunn,  K.  G.  Der  Turnunterricht  in  der  Schule.  Prag.  med. 
Wochschr.,  1893,  XXIX,  357— 358  ff. 

Lagrange,  F.  Free  play  in  physical  education.  Translated  from 
Rev.  d.  deux  mondes,  Paris.  Pop.  Sc.  Month,  New  York,  1892 
bis  93,  XLII,  813—820. 

Lehmann,  0.  Der  städtische  Pflanzengarten  und  der  Schulgarten 
des  Realgymnasiums  zu  Altena  und  ihre  Verwendung  im  Unter- 
richt.   Mit  1  Taf.     Programm.     Altona,  1893,  4°. 

Lorenz,  H.  Drei  Säkularerinnerungen  aus  der  Geschichte  des 
Turnwesens.  2.  Das  Dessauer  Phüanthropinum.  Ztschr.  f. 
Turn.  u.  Jgdspl.,  1893,  VIII,  113—118. 

Madden,  T.  M.  Physical  education  in  relation  to  mental  develop- 
ment  in  schoolrlife.  Ganada  Med.  Rec,  Montreal,  1892 — 93, 
m  XXI,  121—123. 

Überbürdung.  Einige  Bemerkungen  zur  Neuordnung  des  höheren 
Schulwesens  in  Preußen.  Päd.  Wochbl.,  1893,  XLVm,  380 
bis  381. 

Vollert.  Leitfaden  für  das  Gerätturnen  an  höheren  Schulen. 
Halle,  1893,  Buchhandlung  des  Waisenhauses. 

Witte,  £.  Militärische  Übungen  im  Schulturnen.  Ztschr.  f.  Turn, 
u.  Jgdspl.,  1893,  XI,  161—166. 

Zimmermann,  K.  Die  Pflege  des  Auges  in  der  Schule.  Vortrag, 
gehalten  am  29.  Januar  1893  in  der  Alumniyereinigung  der 
deutsch-englischen  Akademie  in  Milwaukee.     Milwaukee,  1893. 


647 

Bei  der  Redaktion  eingegangene  Schriften. 
Adenaw,  Ed.    Beschreibung  des  nach  den  Plänen  des  Herrn  Stadt- 
baurat  Josef  Laurent   entworfenen   und  ausgeführten  neuen 
Anstaltsgebäudes.     Mit  2  Plan.     Progr.  d.  Realschul.  in  Aachen, 

1893,  1—7. 

Billings,    John   S.     Ventilation    and   heating.     The   Engineerg. 

Rec.,  New  York,  1893.  8°. 
Büchner,  Ludw.     Das  Buch  vom  langen  Leben.     Leipzig,  1892, 

Max  Spohr.     M.  6. 
Dorner,  H.     Der  menschliche  Körper.     Ein  Lehr-  und  Lernbuch 

für    Schule    und    Haus.     Mit    76    Abbüd.      Hamburg,    1893, 

0.  Meissner.     Gr.  8°.    M.  0,80. 
Drbbslar,   F.  B.      Fatigue.      The   ped.    Seminary,    1892,   June, 

102—106. 
Duput.      Le  mouvement  et  les  exercices   physiques.     Paris,    1893, 

J.  B.  Baffltere  et  fils.    8°. 
Godtfrings  Mustertabelle   für   Stotterer.      Kiel,    1893,    Lipsins 

und  Tischer.     Gr.  Fol.    JH  0,90. 
Hesslino,  Klara.     Die  Wurfspiele  der  Mädchen.   Vortrag,  gehalten 

am  6.  Juli  1893.     Montsschr.  f.  d.  Turnwes.,  1893,  Vffl. 
Janger,  Fr.     Lehrbuch  der  Steilschrift,      fiurrent-,    Latein-    und 

Rondschrift.     Leipzig,  1893,  Klinkhardt.     JA.  3. 
Jankau,  L.     Anatomie,    Physiologie   und  Hygiene  des  gescMechts- 

reifen  Sohnes.     Für  Eltern    und  Erzieher.     2.  Aufl.     München, 

1894,  Seitz  &  Schauer.    8°. 

—  Anatomie,  Physiologie  und  Hygiene  der  geschlechtsreifen  Tochter. 
Für  Eltern  und  Erzieher.  2.  Aufl.  München,  1894,  Seitz 
und  Schauer.    8°. 

Jankb,  0.  SieU-  oder  Schrägschrift?  Preufs.  Schulztg.,  1893,  XXVII. 

Indberetmng  flra  en  komite  angaaende  unders0gelse  af  den  lodrette 
shrift,  „steUshriflen" ,  dateret  8  de  mai  1893.  [Bericht  eines 
Komitees,  betreffend  Untersuchungen  über  die  senkrechte  Schrift, 
„SteOschrift" ,  vom  8.  Mai  1893].     Christiania,  1893. 

Kalb,  G.  Der  erste  Unterricht  in  der  Endbenhandarbeit  Für 
Schule  und  Haus  bearbeitet.  Mit  236  Abbüd.  Gera,  1893, 
Hofmann.     M.  1,25. 

Koch,  K.  Gefahren  beim  Fu fsball  und  anderen  Jugendspielen. 
Ztschr.  f.  Turn.  u.  Jgdspl.,  1893,  XII,  177—179. 

Kübel,  F.  Die  Bewegung  für  Jugend-  und  Volksspiele  in  Deutsch- 
land.    St.  Petersburg,  1893,  Unfug.     M.  0,60. 

Küpfner,  Ed.  Übungsbeispiele  aus  dem  Geräteturnen  für  die  Volks- 
schule und  die  anderen  Klassen  der  Mittelschule.  Mit  51  Abbild. 
Würzburg,  1893,  Steiber. 


648 

Kuborn,  Hyac.  Des  progrbs  de  la  diffusum  de  tinstrucüon 
publique  en  Belgique,  au  point  de  vue  de  la  criminaliU  et  de 
talUnaüon  mentale.  Transact.  VII.  internat.  congr.  hyg.  and 
demogr.  1891,  London,  1892,  IV,  137—146. 

Küffner,  E.  und  Küffner,  Ed.  Leitfaden  für  das  Volksschulr 
turnen.     2.  Aufl.    Würzbarg,  1893,  Staber. 

—  Anleitung  zum  Betriebe  des  Mädchenturnens  an  Volksschulen. 
Würzbarg,  1893,  Staber. 

Kümmer.    Über  Schulbäder.    Schalbl.  d.  Prov.  Sachsen,  1893,  XXV. 

Eunn,  K.  G.  Der  Turnunterricht  in  der  Schule.  Prag.  med. 
Wochschr.,  1893,  XXX,  370—371. 

Singer,  H.  Beigen  für  das  Mädchenturnen,  Heft  I,  m  a.  IV 
aas:  Beigen,  in  zwanglosen  Heften  herausgegeben.  Hof,  1892, 
R.  Lion. 

Sprockhoff,  A.  Grundzüge  der  Anthropologie  für  höhere  Lehr- 
anstauen,  Lehrerseminare  und  Lehrer,  sowie  zur  Selbstbeiehrung 
für  jedermann.  Der  Körper  des  Menschen,  Gliederung,  Bau 
und  Thätigkeit  seiner  Organe  mit  besonderer  Berücksichtigung  der 
Gesundheitslehre,  sowie  der  Krankenpflege  und  der  ersten  Hüft 
bei  Unglücksfällen  nach  Professor  von  Esmarch.  Mit  153  Ab- 
bild.    2.  Aafl.     Hannover,  1892,  C.  Meyer.     M.  3. 

Steilschriftheft.     (Liniaturprobe.)     Gotha,  1893,  £.  F.  Thienemann. 

Stoldt.  Die  Steilschriftfrage.  Dtsch.  Lehrerztg.,  1893,  CXXHI, 
Beilage. 

Sulzer.  Quelques  faits  relatifs  au  developpement  de  la  myopie. 
Ann.  d'oculist.,   1893,  Jali  15. 

Turn-  und  Spielbuch  für  Völksschulen,  herausgegeben  vom  Münchener 
Tarnlehrerverein.  3  Teile.  München,  1893,  E.  H.  Beck.  Je 
iL  2,40. 

über  Heizanlagen  in  Schulhäusern.     Päd.  Warte,  1893,  XIX;  XX. 

über  Schulspaziergänge.     Schweiz.     Lehrerztg.,  1893,  XXXVIH. 

Urbantschitsch,  Victor,  über  die  Möglichkeit,  durch  akustische 
Übungen  auffällige  Hörerfolge  auch  an  solchen  Taubstummen  zu 
erreichen,  die  bisher  für  hoffnungslos  taub  gehalten  wurden. 
Wien.  Min.  Wochschr.,  1893,  XXIX,  525—526. 

V ALUDE.  iJtude  clinique  et  therapeutigue  de  la  myopie.  Union 
m6d.,  Paris,  1893,  3.  s.,  LV,  349;  361. 

Weber,  Theophil.  Ist  das  Badfahren  gesund?  Ärztliche  Gut- 
achten über  das  Badfahren.  2.  Aafl.  Leipzig,  1893,  G.  A. 
Müller  and  Co.     Gr.  8°.     M.  2. 

Wegener.     SteOschriftfibd.     Oldenbarg,  1893,  Schulze,     Ä  0,50. 

Weigoldt.     Haushaltungsunterricht  und  Schule.     Lehrerin,  1893, 

xvn. 


3fitfitirift  für  Sdrulgrfiiitiibrttepflegr. 

VI.  Jahrgang.  1893.  No.  12 


®rt0tttal-äbl|a!i)ltt!t$eit< 


Ober  die  körperliche  Entwicklung  der  Knaben 
in  den  Mittelschulen  Moskau*. 

Von 

Dr.  med.  N.  Sack, 
Kinderarzt  in  Moskau.1 

Die  letzten  Jahrzehnte  dieses  Jahrhunderts  haben  sieh 
durch  einen  so  mächtigen  Aufschwung  der  Litteratur  über 
Schule  und  Schüler  ausgezeichnet,  dais  man  heutzutage 
schwerlich  einen  intelligenten  Menschen  finden  wird,  der  sich 
nicht  für  das  Schicksal  unserer  Unterrichtsanstalten  und  ihrer 
Zöglinge,  namentlich  auch  in  sanitärer  Beziehung,  interessierte. 
Die  Schulmänner  sind  den  Ärzten  und  Hygienikern  bei  deren 
Bestrebungen  zum  Teil  entgegengekommen;  sie  bemühen  sich, 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  die  Forderungen  der  Schule  mit 
denen  der  Gesundheitspflege  in  Einklang  zu  bringen.  Und  wenn 
auch  noch  nicht  alle  Repräsentanten  der  pädagogischen  Welt 
davon  überzeugt  sind,  dafs  unsere  Lehranstalten  in  ihrer 
gegenwärtigen  Gestalt  den  Anforderungen  der  Hygiene  wenig 
Genüge  leisten,  dafs  vielmehr  die  Gesundheit  der  Schüler  in 
zahlreichen  Fällen  ein  Opfer  des  jetzigen  Schulsystems  wird, 
so  kommt  das  meiner  Ansicht  nach  teilweise  daher,   dafs  die 

Ärzte  und  Hygieniker  bis  jetzt  wenig  statistische,    durch  ihre 

■ 

1  Ausführlicheres  hierüber  in  meinem  gleichnamigen,  russisch  ge- 
schriebenen Buche.   Moskau,  1892. 

SehnlfCfandheitspflcge  VI.  42 


650 

Resultate  in  die  Augen  springende  Daten  angeführt  haben, 
welche  einen  jeden  von  der  Wahrheit  der  von  ihnen  ver- 
teidigten Sache  überzeugen  könnten. 

Unzweifelhaft  war  nur  bewiesen  worden,  dafs  das  Sehorgan 
durch  den  Schulbesuch  leidet  (Cohn,  Erismann  u.  a.).  Ferner 
haben  die  bemerkenswerten  Arbeiten  von  A.  Hertel  in  Kopen- 
hagen, A.  Key  in  Stockholm  und  L.  Kotelmann  in  Hamburg 
zur  Feststellung  der  Gesundheitsverhältnisse  und  der  körper- 
lichen Entwicklung  der  Schuljugend  den  Grundstein  gelegt. 
Nur  solche  Untersuchungen,  die  an  grolsen  Mengen  von 
Schülern  und  streng  planmä&ig  vorgenommen  werden,  ver- 
mögen zu  zeigen,  ob  der  Gesundheitszustand  derselben  wirklich 
derart  ist,  dafs  er  der  Gesellschaft  und  dem  Staate  Befürch- 
tungen einflößen  muis;  nur  solche  Untersuchungen  können 
für  alle  überzeugend  sein. 

Nach  dem  Gesagten  ist  einleuchtend,  wie  wichtig  die 
Forschungen  sind,  welche  bezwecken,  die  Gesundheit  und 
physische  Entwicklung  der  Schüler  zu  beleuchten  und  die 
erhaltenen  Resultate  mit  den  an  solchen  Kindern  gewonnenen 
zu  vergleichen,  die,  wie  Bauernkinder,  jugendliche  Fabrik- 
arbeiter u.  a.,  nicht  die  Schule  besuchen.  Da  ich  mir 
die  Aufgabe  gestellt  hatte,  die  diesbezüglichen  Lücken  in  der 
russischen  Litteratur  nach  Möglichkeit  auszufüllen,  so  habe  ich 
mein  Material  in  12  Gymnasien  und  Realschulen  Moskaus 
gesammelt,  indem  ich  mehr  als  6800  Beobachtungen  anstellte. 
Bestimmt  wurden  Körperlänge  und  Brustumfang  der  Schüler, 
ihre  Brustdurchmesser  (diameter  costalis  et  sternovertebralis) 
und  endlich  ihr  Gewicht.  Zugleich  sammelte  ich  die  genausten 
Daten  über  die  Nationalität  derselben,  über  Stand  und  Gewerbe 
ihrer  Eltern,  über  die  Zahl  ihrer  Schuljahre,  über  ihre  Fort- 
schritte in  der  Schule  und  über  ihre  Lebensbedingungen  im 
Elternhause.  Auf  diese  Weise  erhielt  ioh  die  Möglichkeit, 
den  Einflufs  eines  jeden  der  genannten  Faktoren  auf  den 
im  Wachstum  begriffenen  Organismus  zu  bestimmen,  und  ich 
bin  dabei  in  der  That  zu  einigen  sehr  wichtigen  Resultaten 
gelangt.     Es  muls  hinzugefügt  werden,   dafs  die  Schüler  zwei 


651 

Jahre,  nämlich  1889  und  1890,  der  Reihe  nach  untersucht 
wurden,  und  zwar  in  denselben  Monaten,  vom  September  bis 
zum  Dezember,  und  nach  ein  und  demselben  Programme. 
Dadurch  war  ich  im  stände,  mir  ein  Urteil  über  den  indi- 
viduellen Gang  der  körperlichen  Entwicklung  bei  einem  jeden 
von  ihnen  zu  bilden. 

Ohne  mich  auf  Einzelheiten,  wie  die  angewandten  Unter- 
sniehungsmethoden,  die  Art  der  Bearbeitung  des  reichhaltigen 
[Materials,  einzulassen,  will  ich  direkt  zur  Beschreibung  der 
wichtigsten  Thatsaehen  und  Schluisfolgerungen  übergehen. 

Leider  kann  ich  vorderhand  nur  die  Resultate  meiner 
Untersuchung  über  den  Wuchs  und  den  Brustumfang  der 
Schüler  mitteilen;  was  die  Brustdurchmesser  und  das  Gewicht 
anbetrifft,  so  ist  das  gesammelte  Material  noch  nicht  vollständig 
bearbeitet. 

Die  Körperlänge  der  Schüler  gibt  uns  Tabelle  I  auf  Seite  652, 
in  welcher  zum  Vergleiche  auch  die  Körperlänge  von  jugend- 
lichen Fabrikarbeitern  und  Bauernkindern  des  Moskausehen 
Gouvernements  angeführt  ist;  aulserdem  enthält  dieselbe  An- 
gaben über  den  Wuchs  der  die  städtischen  Elementarschulen 
besuchenden  Kinder.  Bei  der  Beurteilung  dieser  Zahlen  ist 
in  Betracht  zu  ziehen,  dafs  die  Gymnasiasten  meistens  den 
vermögenden  und  privilegierten  Gesellschaftsklassen  angehören, 
was  bei  den  Elementarschülern  im  allgemeinen  nicht  der 
Fall  ist. 

Aus  der  umstehenden  Tabelle  I  kann  man  ersehen,  dafs 
die  Gymnasialsohüler  ihre  Altersgenossen  in  den 
niederen  Schulen  und  besonders  die  jugendlichen 
Fabrikarbeiter  und  Bauernkinder  an  Körperlänge 
weit  übertreffen,  bisweilen  um  mehr  als  14  cm.  Ferner 
bemerkt  man  im  Fortschritt  dieser  Länge  eine  Periode 
verstärkten  Zuwachses  vom  12.  bis  16.  Lebensjahre, 
wobei  die  Fabrikarbeiter  und  die  Bauernkinder  sich  anscheinend 
um  2  Jahre  später  als  die  Stadtkinder  entwickeln,  nämlich 
vom  14.  bis  18.  Lebensjahre.  Die  Existenz  einer  solchen 
Periode  haben  auch  Bowditch  in  Amerika,   Roberts  in  Eng- 

42* 


652 

land,  Erismann  in  Eufsland  und  Kotblmann  in  Deutschland 
klar  nachgewiesen.1  Durch  alle  diese  Forseher  ist  unzweifel- 
haft festgestellt  worden,  daüs  die  Knaben  ungefthr  im  13., 
die  Mädchen  im  11.  Jahre  schnell  in  die  Höhe  zu  schießen 
anfangen.     Die  betreffende  Periode  dauert  2 — 4  Jahre. 

Tabelle  I. 

Körperlänge  der  Knaben  in  cm. 


8 

9 
10 
11 
12 
13 
14 
15 
16 
17 
18 
19 
20—22 


Zahl  der 


11? 

r 


124,8 
130,3 
133,8 
138,0 
142,5 
147,8 
155,6 
161,4 
165,7 
168,1 
169,4 
170,2 
169,7(*) 


6659 


*4 

*-6 


33 


I 


120,5 
124,2 
128,6 
131,9 
135,6 
140,5 
145,5 


5418 


llh 


120,1 
122,4 
126,3 
129,9 
134,4 
137,7 
141,2 
146,7 
153,2 
158,6 
161,8 
163,6 
164,4 


22285 


117,8 
121,2 
126,7 
130,8 
133,7 
136,7 


542 


Jährliche«  Wachstum  der  KSrperUtag*. 


S 


8- 
9- 
10- 
11- 
12- 
13- 
14- 
15- 
16- 
17- 
18- 
19- 
20- 
21- 


-9 

-10 

-11 

-12 

-13 

-14 

-15 

-16 

-17 

-18 

-19* 

-20 

-21 

-22 


5,5 
3,5 
4,2 
4,5 
5,8 
7,8 
5,8 

M 

2,4 

1,3 

1,0 
0,6 
0,4 
0,2 


u 

4> 


1-8 


0 


3,8 
4,3 
3,3 
3,7 

4,» 
5,0 


2,2 
3,9 
3,6 
4,6 
3,3 

8,6 
6,S 

«.& 
6,4 

8,2 

1,8 
0,8 
0,1 
0,2 


4» 


3,& 
5,5 

2,9 
3,0 


Interessant  ist,  dafs  nach  meinen  Untersuchungen  die 
Kinder  der  Israeliten,  die  sich  im  allgemeinen  durch  geringeren 
Wuchs  auszeichnen,  eine  kürzere,  aber  dafür  um  so  energischere 


1  Die  Periode  des  verstärkten  Wachses  geht  nach  den  Unter- 
suchungen von  Bowditch,  Pagliani  u.  a,  unmittelbar  der  geschlechtlichen 
Reife  voraus. 

*  Von  da  an  weiter  nach  der  individuellen  Methode,  d.  i.  nach 
Messungen  an  denselben  Schülern  in  den  Jahren  1889  und  1890. 


663 


Periode  verstärkten  Längenwachstums  zeigen.  Von  dem 
Gesagten  kann  man  sich  durch  Tabelle  IE  überzeugen, 
deiznfolge  die  Schüler  hebräisoher  Abstammung  in  der  That 
eine  Periode  vermehrten  Wachstums  von  nur  2  Jahren,  nämlich 
vom  12.  bis  zum  14.  Lebensjahre,  aufweisen,  während  diese 
Periode  bei  den  übrigen  Knaben  sich  auf  4  Jahre  erstreckt* 
Weiter  unten  werden  wir  sehen,  dafs  dieselbe  Erscheinung 
auch  in  Bezug  auf  den  Brustumfang  beobachtet  worden  ist. 


Tabelle  IL 

Jährliches  Wachstum  der  Körperlänge 
bei   russischen  und  hebräischen  Schülern. 


Alter 
In  Jahren 

Bässen 

Hebräer 

9 
10 
11 
12 
13 
14 
15 
16 
17 

2,9 
4.1 

5,2 

7,8 
5,9 

M 

2,4 

1,4 

2,7 
4,0 
3,8 

7,1 

9,8 

3,9 
3,7 

2,1 
0,5 

Zahl  der 
Messungen 

6701 

396 

Offenbar  muJfe  die  verdoppelte  Energie  in  der  Entwicklung 
des  Organismus  sich  bald  erschöpfen,  und  darum  ist  diese 
Periode  bedeutend  kürzer  bei  den  israelitischen,  als  bei  den 
übrigen  Kindern. 

Hervorgehoben  zu  werden  verdient  ferner,  dafe  nach 
meinen  Untersuchungen  die  Söhne  der  vermögenden 
Familien  gröfser  sind  und  sich  schneller  entwickeln, 
als  diejenigen  ärmerer  Eltern.  Die  Kinder  der  Hand- 
werker und  Arbeiter  waren  von  kleinerem  Wüchse,  als  die- 
jenigen der  Kauf  leute  und  der  bevorzugten  Klassen  überhaupt. 


654 


Diejenigen  Schüler,  welche  in  den  Lehrgegenständen 
geringe  Fortschritte  machten,  zeigten  sich  kleiner,  als  diejenigen, 
welche  gute  Fortschritte  machten. 

Weiter  ergab  sich,  daüs  gleichaltrige  Schüler  sich  durch 
um  so  höheren  Wuchs  auszeichnen,  je  größer  die  Anzahl  der 
Jahre  ist,  welche  sie  in  der  Schule  zugebracht  haben,  mit 
anderen  Worten,  dafs  der  Schulbesuch  das  Längen- 
wachstum des  Körpers  beschleunigt.  Diese  Er- 
scheinung tritt  übrigens,  wie  Tabelle  IH  zeigt,  nur  bis  zum 
16.  Jahre  hervor. 


Tabelle  m. 

Die  Körperlänge  gleichaltriger  Schüler  in  ihrer 
Abhängigkeit  von  der  Dauer  des  Schulbesuchs. 


©  b 

S 

9    h 

Alter 
In  Jahren 

3  © 

jjj 

Körperläng 

der  Schfilej 

in  em 

Zahl  der 
Messungea 

Alter 
in  Jahren 

Jahre  des 
Schulbesuch 

Körperläng 

der  8ehttlei 

In  em 

Zahl  der 
Messungen 

( 

0 

133,5 

341 

1 

154,3 

58 

10 

1 

135,3 

73 

2 

152,9 

69 

l 

2 

134,2 

13 

14 

3 

154,0 

143 

0 

137,0 

243 

4 

155,9 

225 

11 

1 

137,9 

316 

5 

157,1 

184 

2 

140,8 

61 

6 

158,8 

49 

3 

139,5 

32 

1 

158,8 

42 

0 

137,9 

95 

2 

160,6 

36 

1 

143,4 

231 

3 

158,1 

82 

12  - 

2 

143,0 

241 

15 

4 

161,0 

124 

3 

142,3 

146 

5 

162,4 

224 

4 

145,9 

44 

6 

161,9 

155 

1 

144,9 

56 

7 

165,5 

53 

2 

145,8 

111 

2 

164,8 

48 

13 

3 

148,5 

177 

3 

164,4 

42 

4 

148,8 

212 

4 

164,4 

107 

5 

151,5 

33 

16  - 

5 
6 

7 

166,2 
166,0 
166,1 

153 
266 
146 

8 

168,0 

49 

655 

Ich  halte  es  für  unmöglich,  die  erwähnte  Thatsache  dadurch 
zu  erklären,  dafs  größere  Kinder  früher  in  die  Schule  geschickt 
werden,  als  kleinere  desselben  Alters,  weil  ja  als  bestimmendes 
Moment  für  den  Zeitpunkt  des  Eintrittes  in  die  Schule  das 
Alter  und  nicht  die  Körperlänge  des  Kindes  gilt,  und  weil 
die  niederen  Ellassen  unserer  Mittelschulen  in  der  That  von 
Schülern  sehr  kleinen  Wuchses  überfüllt  sind. 

Was  die  Entwicklung  des  Brustkorbes  der  Schüler  betrifft, 
so  kann  man  aus  Tabelle  IV  auf  Seite  656  sich  davon  überzeugen, 
dafs  der  Brustumfang  der  Moskauer  Gymnasiasten 
absolut  gröfser  ist,  als  derjenige  der  jugendlichen 
Fabrikarbeiter  nach  Erismann,  besonders  im  Alter  von 
13 — 18  Jahren.  Auffallend  erscheint  aber,  dafs  die  Bauern- 
kinder in  den  Volksschulen  des  Moskauer  Gouvernements  und 
ebenso  die  Zöglinge  des  Findelhauses  in  Moskau  einen  gröfseren 
Brustumfang  besitzen,  als  die  Gymnasialschüler,  wenigstens 
bis  zum  13.  Lebensjahre.1 

Aus  der  zugleich  den  jährlichen  Zuwachs  des  Brust- 
umfanges enthaltenden  Tabelle  IV  läfst  sich  ferner  ersehen, 
dafs  im  Alter  vom  13.  bis  zum  14.  Jahre  die  Periode 
einer  verstärkten,  4 — 5  Jahre  anhaltenden  Brust- 
korbausbildung  beginnt.  Diese  Periode  fängt  bei  den 
Fabrikarbeitern  um  ein  Jahr  später  an  und  endet  auch  um 
ein  Jahr  später,  als  bei  unseren  Gymnasiasten,  während  bei 
der  Körperlänge  sich  der  Eintritt  des  gröfseren  Waohstums 
um  zwei  Jahre  bei  den  Fabrikkindern  verzögert. 

Ein  Vergleich  meiner  Zahlen  mit  denen  anderer  Beobachter 
hat  mir  gezeigt,  dafs  im  allgemeinen  der  Brustumfang 
der  Schüler  von  Gymnasien  und  Realschulen  in 
Rufsland    sehr    schlecht    entwickelt   ist. 

Außerdem  ergab  sich,  dafs  bessere  Lebensverhältnisse 
der    Kinder    auch    eine     gröfsere    Brustperipherie 

1  Bauernkinder  des  Nowgorodsohen  Gouvernements  und  Fabrik- 
arbeiter de«  Klinschen  Kreises  haben  nach  Gbiasxoff,  besw.  Erismann 
gleichfalls  eine  besser  entwickelte  Brust  bis  zum  13.  Jahre,  als  die 
Gymnasiasten. 


656 


g 

5* 
W 

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Alter  in  Jahren 
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Mittelschüler 

Moskau 

(Sack) 


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Jugendliche 

Fabrikarbeiter 

in  Baialand 

(Ehismahh) 


Banernkinder 
in  Bonca 

(MlCBAILOFF) 


I    I    I    I    1   I    I 


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I     O  OD  ^  Ot  i^   t5  M 

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tOtOlfiHMHMMMMMMM 
liHOWOD^AOi^ÜBtOHOWJ 


aögünre 

dea  Findelnauaes 

in  Moskau 

(MlGHAILOrF) 


Banernkinder 
in  Boligalitaoh 

(SCBBAHKOFF) 


Alter 
in  Jahren 


O    H    O    O    M   »   »   CB   ^  >Ö  J 
CO   h-t   -3   **  Vi  1«  ~cp  *Ä  ~P-  &   < 


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A   O  ^   K)  A 


Mittelschüler 
Moskaus 

(Sack) 


*^  M  O1  N  M  V  M  *l   OD  O»  O)  l(-  19     I 


Jugendliebe 

Fabrikarbeiter 

in  BaAland 

(Ebismakk) 


I  I  I  I  I  I  I  I  I 


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I      HQ0O*l 


Banernkinder 
in  Bonxa 

(MlCBAILOFF) 


I     I    I    I    I    I    I     I    I    ©"com ~o~< 


• <* 

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Zöglinge 

dea 

Findelhansea 

in  Moskau 

(MICHAILOFF) 


fcO 


II   I   I   I   I   I   I  S-uSSSi 


Banernkinder 
in  Soligalifech 

(8CHBAHKOFF) 


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I 

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5 


657 

derselben  bedingen.  Der  absolute  Brustumfang  der  Kinder 
ans  Familien,  welche  sich  mit  Landwirtschaft  oder  mit  Handel 
beschäftigen,  war  stärker  entwickelt,  als  derjenige  der  Kinder 
yon  Handwerkern  n.  dergl. 

Für  den  Brustkorb  der  Israeliten  wurden  kleinere  Mafee, 
als  für  den  ihrer  Altersgenossen  anderer  Abstammung  gefunden. 

Was  die  relative  GröJse  des  Brustumfangs  der  Schüler 
anlangt,  d.  i.  sein  Verhältnis  zur  Körperlänge,  so  bin  ich  zu 
sehr  betrübenden  Resultaten  gelangt.  Bekanntlich  wird  als 
Maßstab  für  eine  befriedigende  Entwicklung  des  Organismus 
fast  allgemein  angenommen,  dais  die  Peripherie  des  Thorax 
die  Hälfte  der  Körperlänge  betragen  mufs.  Einige  Beobachter 
haben  freilich  Zweifel  an  der  Tauglichkeit  dieses  Kriteriums 
ausgesprochen,  jedoch  vermag  ich  denselben  nicht  beizustimmen. 
Die  betreffenden  Ansichten  von  Toldt,  Jansen  u.  a.  werden 
nämlich  durch  die  Zahlen  von  Chatelanat  über  die  körper- 
liche Entwicklung  der  österreichischen  Soldaten  und  durch 
die  russischen  Arbeiten  von  Subvillo,  Stoljaroff  und  Sub- 
kowsky  widerlegt.  So  bin  ich  auf  Grund  eigener  und  fremder 
Untersuchungen  zu  dem  Schlüsse  gelangt,  dais,  wenn  auoh  in 
einzelnen  Fällen  ein  Zusammentreffen  von  schlechter  Gesund- 
heit mit  einem  günstigen  Verhältnis  des  Brustumfangs  zur 
Körperlänge  und.  umgekehrt  möglich  ist,  doch  bei  einem 
Urteil  über  die  physische  Entwicklung  ganzer  Gruppen  von 
Individuen  und  beim  Vergleiche  verschiedener  Gruppen  unter- 
einander dieses  Verhältnis  fast  als  der  einzig  sichere 
und  objektive  Mafsstab  erscheint. 

In  der  umstehenden  Tabelle  V  ist  das  Verhältnis  des  Brust- 
umfanges zur  Körperlänge  bei  unseren  Schülern  und  bei 
ßauernkindem  angegeben. 

Die  Untersuchungen  verschiedener  Autoren  haben  gelehrt, 
dais  der  Brustumfang  des  Neugeborenen  die  Hälfte  seiner 
Körperlänge  um  beinahe  7  cm  und  mehr  übertrifft,  dafs  aber 
im  Laufe  der  Zeit  dieses  Verhältnis  sich  allmählich  zu 
Ungunsten  des  Brustumfanges  verändert,  indem  der  Wuchs 
des  Körpers  in  die  Höhe  denjenigen  in  die  Breite  stark  über- 


s 

S  8 

55 

55 

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tu  Fabriken 

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in  Fabriken 

(Etil  bma  na) 

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1 

+ 

+ 

1 

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1 

1 

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Jngendliehe 
Fabrikarbeller 

In  Moskau' 

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1 

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1   1 

1    1 

1  1 

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Banernklnder 

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659 

holt,  so  dafs  im  10.  Lebensjahre,  selten  später,  der  Brust- 
umfang der  Hälfte  der  Körperlänge  gleichkommt  und  weiterhin 
sogar  hinter  derselben  zurückbleibt.  Dieser  Zustand  dauert 
einige  Jahre  fort,  der  Brustumfang  wird  immer  kleiner  und 
kleiner  im  Vergleich  zur  Körperhöhe,  bis  endlich  eine  Periode 
verstärkter  Entwicklung  desselben  eintritt.  Der  Brustumfang 
fangt  an  sich  der  Hälfte  der  Körperlänge  wieder  zu  nähern, 
und  in  einem  bestimmten  Jahre,  je  nachdem  die  Bedingungen 
für  seine  Entwicklung  mehr  oder  weniger  günstig  sind,  wird 
er  zunächst  der  Hälfte  der  Körperlänge  gleich,  um  schliefslich 
dieselbe  bis  zu  einem  gewissen  Grade  zu  übertreffen.  Diese 
gesetzmäßigen  Schwankungen  des  Verhältnisses  zwischen  den 
beiden  oben  genannten  Grölsen  können  nach  meiner  Ansicht 
zum  sicheren  Malsstab  für  den  günstigen  oder  ungünstigen  Gang 
der  Ausbildung  der  Brust  und  der  in  ihr  eingeschlossenen,  für 
Leben  und  Gesundheit  so  aufserordentlich  wichtigen  Atmungs- 
und Kreislauforgane  dienen. 

Aus  der  nebenstehenden  Tabelle  V  ersieht  man,  dafs  die 
Moskauer  Gymnasiasten  eine  relativ  schlechter  entwickelte  Brust 
aufweisen,  als  die  den  Volksschulen  angehörenden  Bauernkinder 
und  die  jugendlichen  Tagearbeiter  in  den  Fabriken  des 
Moskauer  Gouvernements  und  der  Stadt  Moskau.  Auffallend 
ist  auch,  dafe  die  Baumwollenspinner  in  den  Fabriken  des 
genannten  Gouvernements,  die  sich  nach  Erismann  durch 
ungünstige  Lebensverhältnisse  und  schlechte  Körperentwicklung 
unter  den  Arbeitern  auszeichnen,  bis  zum  16.  Jahre  einen 
verhältnismäßig  weit  gröfseren  Brustumfang  besitzen,  als 
die  Gymnasialschüler.  Derselbe  kommt  bei  den  letzteren  der 
Hälfte  der  Körperhöhe  erst  im  20.  Lebensjahre  gleich,  d.  h. 
um  einige  Jahre  später,  als  bei  den  jungen  Fabrikarbeitern,  bei 
denen  dies  ungefähr  im  17.  Jahre  der  Fall  ist;  eine  Aus- 
nahme bilden  nur  die  Baumwollenspinner.  Die  Bauernkinder  in 
Bonza  und  Soligalitsoh,  ebenso  die  Zöglinge  des  Findelhauses 
in  Moskau  haben  durchschnittlich,  wenigstens  im  Alter  von 
8  bis  13  Jahren,  einen  Brustumfang,  welcher  die  Hälfte  der 
Körperlänge  weit  übertrifft. 


I» 


» 


660 

Aber  auch  im  späteren  Lebensalter,  nach  dem  20.  Jahre« 
weisen  bei  weitem  nicht  alle  Schüler  einen  hinlänglich  ent- 
wickelten Brustkorb  auf.  Die  nachstehende  Tabelle  enthält  den 
Prozentsatz  der  Individuen  im  Alter  von  20  bis  21  Jahren, 
welche  einen  kleineren  Brustumfang,  als  die  Hälfte  der  Körper- 
länge besitzen  und  also  nach  dem  russischen  Beglement  zum 
Militärdienste  untauglich  sind.1 

Tabelle  VI. 

Die  Zahl   der  Individuen  im  Alter  von  20—21  Jahren,  deren 
halbe  Körperhohe  gröfser  ist,  als  der  Brustumfang. 

1.  Für  die  gesamte  Bevölkerung  Rufslands  (Um,  Skboirbtp)  etwa  20,0% 

2.  „      „  „  „  des  Kreises  Elin  (Erismahw) 21,7 

3.  „       „    Rekruten   in  der    Schweiz    (Schweizerische  Statistik, 

62.  u.  68.  Lieferung) 26,0 

4.  „      „    Fabrikarbeiter  in  Centralrufsland  (Erismann) 26,8  „ 

5.  „      „    Rekruten  in  Österreich  (Chatelanat) 84,4  „ 

6.  n      „    Spinner  u.  s.  w.  in  der  Schweiz 38,0  „ 

7.  „      „     Gymnasialschüler  in  Moskau  (Sack) 42,2  „ 

8    „      n  „  „    Dorpat  (Stböhmberg) 50,0  n 

Ans  dieser  Zusammenstellung  geht  hervor,  dals  sich  unter 
den  Schülern  der  Gymnasien  und  Realschulen  in  Moskau  ungefehr 
42,2%,  in  Dorpat  sogar  50%  zum  Militärdienste  Un- 
tauglicher finden,  ausschließlich  wegen  mangel- 
hafter Entwicklung  der  Brust.  Wenn  man  aber  ferner  in 
Betracht  zieht,  dafs  die  oberen  Ellassen  dieser  Lehranstalten 
einen  sehr  bedeutenden  Prozentsatz  Kurzsichtiger  enthalten, 
und  wenn  man  aufserdem  noch  die  anderen  Momente  berück- 
sichtigt, welche  als  Hindernis  zum  Eintritt  in  das  Heer  dienen 
können,  so  muüs  man  annehmen,  daJjs  die  Zahl  der  Dienst- 
unfähigen unter  den  Gymnasiasten  und  Realschülern  50%  bei 
weitem  übersteigt.9 


1  Letzteres  verlangt  sogar,  dafs  der  Brustumfang  der  Rekruten  die 
Hälfte  ihres  Wuchses  um  2—2,5  cm  übertreffen  soll. 

1  S.  darüber  auch  die  interessanten  Zahlen  in  dieser  Zeitschrift,  1892, 
No.  2,  S.  70—73. 


661 

Aufmerksamkeit  verdienen,  wie  ich  glaube,  auch  meine 
Feststellungen  über  den  Charakter  des  von  mir  gesammelten 
Materials  in  statistischer  Hinsicht.  Indem  ich  bei  meiner 
Arbeit  die  von  Qubtelkt,1  Thoma*  und  Stibda'  zur  Bear- 
beitung statistischer  Daten  empfohlenen  Methoden  benutzte, 
kam  ich  zu  interessanten  Schlüssen,  von  denen  ich  die  wich- 
tigsten hier  anfahren  will. 

Erstens  fand  ich,  dais  mein  Material  sich  durch  Einheit- 
lichkeit auszeichnet  und  deshalb  sich  außerordentlich  «u 
statistischen  Schlußfolgerungen  eignet. 

Ferner  hat  die  von  Thoma  empfohlene  Untersuchungs- 
methode fftr  die  Zahl  der  individuellen  Abweichungen  der 
Beobachtungen  von  der  Norm  vermittelst  des  vorher  gefundenen 
wahrscheinlichen  Wertes  dieser  Abweichungen  mir  die  Mög- 
lichkeit gegeben,  eine  sehr  interessante  Eigentümlichkeit  in 
der  körperlichen  Entwicklung  der  von  mir  untersuchten 
Kinder  zu  finden.  Ich  konnte  nämlich  nachweisen,  daJs 
unter  den  Schülern  in  jedem  Lebensalter  es  mehr 
solcher  gibt,  deren  Körperhöhe  die  Norm  übertrifft, 
als  solcher,  deren  Körperhöhe  sich  unter  der  Norm 
befindet,  und  umgekehrt,  dafs  es  bedeutend  weniger 
Kinder  gibt,  deren  Brustumfang  die  Norm  über- 
trifft, als  solcher,  deren  Brustumfang  hinter  der- 
selben zurückbleibt.  Kurz,  ich  habe  konstatiert,  dafs  in 
den  Lebensbedingungen  der  Schüler  Umstände  existieren, 
welche  dem  verstärkten  Wuchs  in  die  Höhe  günstig, 
der  Entwicklung  des  Brustkorbes  und  der  Lungen 
aber  ungünstig  sind. 

Welches  sind  diese  Umstände?  Die  Thatsaohe,  dafs  der 
Wuchs  der  Städter  denjenigen  der  Landbewohner  übertrifft, 
die   schon   von  Qüetblet   und   anderen   ermittelt  worden  ist, 


1  Qüetelkt.  Sur  Vhomme.  Paris,  1835  und  Anthropomitrie. 
Bruxelles,  1870. 

1  Thoma.  Untersuchungen  über  die  Größe  des  menschlichen  Körpers. 
Leipzig,  1882. 

•  Stiedül.    Archiv  für  Anthropologie,  1882,  Bd.  XIV. 


662 

kann  nicht  allein  ans  der  besseren  ökonomischen  Lage  der 
enteren  erklärt  werden.  Der  Übelstand,  dais  dem  Stadtkinde 
systematisch  frische  Lnffc  und  Licht  geraubt  wird,  was  so 
charakteristisch  für  die  Lebensbedingungen  desselben  ist,  mute  eine 
dem  bekannten  Faktum  aus  der  Pflanzenwelt  analoge  Erscheinung 
hervorrufen.  Pflanzen,  welche  im  Dunkeln  aufwachsen,  ziehen 
sich  weit  mehr  in  die  Länge,  als  ihre  in  der  Sonne  aufge- 
wachsenen Schwestern,  aber  sie  haben  einen  dünneren  Stamm 
und  schwächere  Zweige. 

Dafs  aber  das  beschleunigte  Wachstum  in  die 
Höhe  in  sanitärer  Hinsicht  eine  verdächtige  Er- 
scheinung darbietet,  dafür  kann  ich  mich  auf  zahlreiche 
Autoren  .berufen.  Nach  den  Untersuchungen  von  Professor 
Lesshapt  in  St.  Petersburg 1  und  Dr.  Subkowsky  in  Polozk  * 
zeichneten  sich  unter  den  gleichaltrigen  Schülern  der  Lehr- 
anstalten diejenigen,  welche  einen  höheren  Wuchs  aufwiesen, 
durch  grölsere  Kränklichkeit  und  schwächere  allgemeine  Ent- 
wicklung des  Organismus  aus.  Nach  Bernstein8  sind  über- 
mittelgrofse  Leute  stark  zu  ernsten  Lungenerkrankungen  geneigt. 
Dr.  Metnne4  hat  gezeigt,  dais  Grenadiere,  welche  sich  durch 
höheren  Wuchs  hervorthun,  auch  einen  gröberen  Prozentsatz 
von  Erkrankungen  an  Tuberkulose  stellen.  Larrey5  und 
andere  behaupten  geradezu,  dafs  grofse  Körperlänge  eher  ein 
Zeichen  von  schwacher  Gesundheit,  als  von  Kraft  sei.  Endlich 
hat  Busch6  ebenfalls  gefunden,  dafs  Krankheiten  der  Brust- 
organe am  häufigsten  bei  hochgewachsenen  Soldaten  vorkommen. 

Alle  diese  einstimmigen  Angaben  bestätigen,  dais  der 
abnorm  beschleunigte  Längenwuchs  der  Kinder  keine  wünschens- 
werte   Erscheinung    ist,    besonders    wenn    sie    sich    auf   den 

1  Sdorowje,  1879—1880,  No.  127—131.  (Rum.) 

1  Der  sanitäre  Zustand  des  Müitargymnasiums  in  Polozk.  Disser- 
tation.  St.  Petersburg,  1879.   (Russ.) 

9  Citiert  bei  Erismann,  S.  54;  8.  das  Literaturverzeichnis  am 
Schlüsse  des  Artikels. 

4  Citiert  bei  Jahsbn.  fitude  danthropomitrie  medicale.  Bruxelles,  1882. 

6  Desgl. 

6  Gröfse,  Gewicht  und  Brustumfang  von  Soldaten.    Berlin,  1878. 


663 

Durchschnittswuchs  einer  ganzen  Gruppe  von  Kindern  bezieht. 
Bei  solchen  Individuen  nehmen  die  Lungen  eine  verlängerte, 
oft  cylindrische  oder  abgeflachte  Gestalt  an,  die  für  deren 
Lüftung  sehr  ungünstig  ist.  Eine  derartige  Brustform  wird 
von  vielen  angesehenen  Klinikern,  wie  Niemeyer,  Kühle, 
Eichhorst  u.  a.,  als  zu  ernstlichen  Lungenerkrankungen, 
namentlich  Tuberkulose,  prädisponierend  angesehen. 

Ohne  auf  die  Einzelheiten  der  Frage  einzugehen,  inwieweit 
an  diesen  traurigen  Erscheinungen  die  häusliche  Erziehung 
der  Kinder  Schuld  ist,  inwieweit  die  Verantwortung  auf 
die  heutige  Schule  mit  ihrem  Unterrichtssystem  Mit,  will  ich 
zum  Schluß  nur  betonen,  dafs  man  keine  Mühe  scheuen  darf, 
um  den  Kindern  und  Jünglingen  eine  gesunde  Erziehung 
angedeihen  zu  lassen.  Die  einzige  Möglichkeit  zur  Lösung 
dieser  aufserordentlich  wichtigen  Frage  finde  ich,  abgesehen 
von  der  hygienischen  Belehrung  des  Elternhauses,  in  der 
Revision  der  jetzigen  Lehrprogramme,  in  der  Verkürzung  und 
Vereinfachung  des  Unterrichts,  in  der  Vermehrung  der  Stunden, 
welche  die  Kinder  in  frischer  Luft  zubringen,  speciell  in  der 
systematischen  Einführung  von  Spielen  und  anderen  Übungen 
im  Freien  in  den  Stundenplan. 

Litteratur. 

Erismann.  Untersuchungen  über  die  körperliche  Entwicklung  der 
Fabrikarbeiter  in  CentralruXsland.  Brauns  Archiv  für  sociale  Gesetz- 
gebung u.  i.  w.    Tübingen,  1889. 

Chatblanat.  Militärstatistisohes  aus  Österreich.  Berner  Zeitschrift 
für  schweizerische  Statistik.    Bern,  1875. 

Michailoff.  Über  die  physische  Entwicklung  u.  s.  w.  in  den 
Dorfschulen  von  Roma.    Moskau,  1887.  (Russ.) 

Schbakkoff.  Über  den  Einflufe  der  Dorfschule  auf  die  körperliche 
Entwicklung  der  Kinder.  Wiestnik  der  gerichtlichen  Medizin.  St.  Peters- 
burg, 1889,  No.  4. 

Bowdtich.  The  growth  of  children.  Eighth  annual  Report  of  the 
State  Board  of  Health  of  Massachusetts.    Boston,  1877. 

Bowditch.  XXII.  annual  Report  etc.   Boston,  1891.  Sonderabdruck. 

Vergl.  auch  die  oben  angeführten  Arbeiten  von  Thoma,  Stueda, 
Toldt,  Busch,  Jansen  u.  s.  w. 


664 


Ärztlicher  Bericht 
das  Schuljahr  1892 — 93  an  der  Staatsoberrealschule 

in  Temesv&r. 

Von 

Dr.  med.  Eugen  Tauffer, 

Schularzt  und  Professor  der  Hygiene  in  Temesvär. 

1.  Einleitung. 

Ich  habe  nun  das  sechste  Jahr  meiner  schulärztlichen  Thätig- 
keit  vollendet  und  war  somit  in  der  Lage,  die  Schüler  der 
VI.  Klasse  vom  Momente  ihres  Eintrittes  in  obige  Anstalt  bis 
zum  heutigen  Tage  im  Verlaufe  ihrer  Entwicklung  und  ihres 
körperlichen  Fortschrittes  zu  verfolgen.  Es  wäre  mir  daher 
möglich!  aus  den  Daten  meiner  Protokolle  und  auf  Grund 
häufigen  persönlichen  Verkehres  mit  den  Sohülern  ein 
Urteil  abzugeben  über  die  Wirkung  der  von  mir  durch- 
geführten Vorschriften  unserer  schulärztlichen  Institution. 
Da  jedoch  der  wirkliche  Erfolg  dieser  Einrichtung,  wie  bei 
jeder  Neuerung,  erst  nach  einem  entsprechend  langen  Zeit- 
raum hervortritt,  so  beschränke  ich  mich,  wie  in  meinem 
vorjährigen  Berichte,  auch  diesmal  wieder  auf  die  blo&e 
Rekapitulation  der  von  mir  geleisteten  Arbeit. 

Ich  übergehe  die  Anordnungen,  welche  die  Hygiene  des 
Schulgebäudes  betreffen,  da  diese  im  engen  Zusammenhange 
mit  der  ökonomischen  Verwaltung  der  Anstalt  steht,  demnach 
einen  Gegenstand  des  Direktionsberichtes  bildet  und  daselbst 
eine  kompetente  Behandlung  erfahren  wird.  Es  kann  dies 
um  so  eher  geschehen,  als  heuer  in  dem  Gebäude  der  Schule 
und  ihrem  Territorium  durch  meine  Initiative  oder  meinen 
Beirat  keine  bedeutenderen  hygienischen  Veränderungen  aus- 
geführt sind. 


665 

2.  Der  Unterricht  in  der  Gesundheitslehre. 

Dieser  Unterricht  begann  am  12.  September  1892,  und 
zwar  wieder  in  der  VII.  Klasse.  Hierbei  richtete  der  Direktor 
an  die  Schüler  eine  ermunternde  Ansprache,  in  welcher  er 
hervorhob,  dafs  der  Gegenstand  nicht  obligatorisch  sei,  daher 
jeder  sich  Meldende  seine  Pflicht,  als  freiwillig  übernommene, 
mit  doppeltem  Eifer  zu  erfüllen  habe.  Ich  konstatiere  mit 
Freude  und  einigem  Stolze,  dafs  sich  alle  Schüler  der  Klasse 
dazu  meldeten. 

Den  Erfolg  des  Unterrichtes  bestätigen  die  durch  den 
Königlichen  Oberdirektor  des  Schulbezirkes  Cornelius  Nätafa- 
lusst  ausgedrückte  Zufriedenheit,  die  im  Klassenbuche  ent- 
haltenen Noten  und  das  durchaus  erfreuliche  Resultat  der  am 
17.  Mai  1893  abgehaltenen  Prüfung,  die  unter  dem  Vorsitze 
des  Professors  Joseph  Holtzmann  und  in  Gegenwart  des 
Professors  Johann  Gaspar  stattfand. 

3.  Die  ärztliche  Untersuchung  der  Schuljugend. 

Ich  begann  die  ärztliche  Untersuchung  der  gesamten 
Schüler  am  13.  September  1892  und  beendete  dieselbe  bei 
täglich  zwei-  bis  dreistündiger  Arbeit  am  22.  desselben  Monates. 
Hierbei  richtete  ich  besondere  Aufmerksamkeit  auf  jene 
Knaben,  die  in  den  vorhergegangenen  Jahren  an  einem  Körper- 
fehler gelitten  hatten.  Da,  wo  ich  mich  von  der  Befolgung 
meiner  früheren  Ratschläge  überzeugen  konnte,  notierte  ich 
dies  mit  Worten  der  Anerkennung,  andererseits  merkte  ich  aber 
auch  diejenigen  Fälle  an,  in  welchen  Vernachlässigung  oder 
absichtliche  Versäumnis  meiner  Ermahnungen  stattgefunden  hatte. 

Einen  Schüler  mutete  ich  wegen  ägyptischer  Augen- 
entzündung  durch  die  Direktion  für  unbestimmte  Zeit  vom 
Schulbesuche  ausschliefsen. 

4.  Die  praktische  Anwendung  der  Resultate  der  schul- 
ärztlichen Untersuchung  in   den  einzelnen  Klassen. 

Nach  Schlufs  der  ärztlichen  Untersuchung  wurden  die 
kurz-  und  schwachsichtigen  Schüler  in   ein  Verzeichnis  einge- 

8ehulgM!iiidhelttpfle?e  VI.  43 


666 

tragen,  ebenso  diejenigen,  bei  denen  eine  Verkrümmung  der 
Wirbelsäule  oder  eine  Anlage  zu  dieser  Deformität  nach- 
weisbar war.  Dieses  Verzeichnis  übergab  dann  die  Direktion 
den  einzelnen  Klassenvorständen  mit  dem  Auftrage,  die  kurz- 
sichtigen Schüler,  je  nachdem  es  geboten  erschien,  in  die 
ersten,  respektive  die  übrigen  nahe  bei  der  Schultafel  befind- 
lichen Bänke  zu  setzen,  die  ganze  Klasse  aber  wiederholt 
zu  grader  und  aufrechter  Körperhaltung  zu  ermahnen.  Die 
erwähnten  Ausweise  wurden  an  das  erste  Blatt  des  Klassen- 
buches geheftet  und  so  die  Aufmerksamkeit  der  Lehrer  in 
dieser  Richtung  ununterbrochen  rege  gehalten. 

5.  Bevaocination  der  Schüler  gegen  die  Pocken. 

Im  Laufe  der  ärztlichen  Untersuchung  wurden  auch  die 
Revaocinationspflichtigen  notiert.  Von  diesen  stellten  sich 
12  Schüler  freiwillig  zur  Wiederimpfung,  und  wurden  von 
denselben  je  2  Kronen  für  letztere  eingefordert.  3  Schüler 
leisteten  ihrer  Impfpflicht  im  Elternhause  Genüge,  worüber  sie 
Zeugnisse  bei  der  Direktion  vorlegten.  Bei  der  am  16.  Mai 
vorgenommenen  Kontrolle  konstatierte  ich  in  11  Fällen  vollen 
Erfolg.  Die  Pusteln  verursachten  nur  einmal  eine  stärkere, 
mit  Fieber  einhergehende  Alteration  des  Befindens,  während 
im  übrigen  die  Geimpften  ungestört  die  Schule  besuchen 
konnten. 

6.  Die  Mitteilung  der  Ergebnisse  der  ärztlichen 
Untersuchung  an  die  Eltern,  bezw.  Pfleger. 

Nachdem  die  Eltern  durch  die  Zeitungen  rechtzeitig  ver- 
ständigt waren,  hielt  ich  mich  vom  14.  bis  einschließlich  zum 
19.  November  1892  täglich  von  12—1  Uhr  mittags  im 
Bibliothekssaale  auf,  um  den  Vätern,  resp.  deren  Vertretern 
über  die  im  Laufe  der  ärztlichen  Untersuchung  gesammelten 
Erfahrungen  Aufklärung  zu  erteilen. 

Leider  mufs  ich  auch  diesmal  wieder  hervorheben,  dafs 
dieselben  diese  Wohlthat  der  Schule  nicht  genügend  zu 
würdigen    wußten.      Ich    würde    mich    über    diese    Indolenz 


667 

leichter  hinwegsetzen,  wenn  ich  erfahren  hätte,  daJs  die  Eltern 
nach  meinerseits  erfolgter  Ermahnung  der  Schüler  den  Bat 
ihrer  Hansärzte  eingeholt  und  die  nötigen  SohutzmaJsregeln  in 
Angriff  genommen  hätten.  Zu  meinem  Bedauern  aber  war 
auch  hiervon  keine  Spur  wahrzunehmen. 

Nur  die  Belehrung,  welche  der  heranwachsenden  Generation 
in  den  Grundsätzen  der  Hygiene  zu  teil  wird,  verleiht  uns 
die  Hoffnung,  das  Interesse  des  groüsen  Publikums  werde  sich 
doch  noch  einmal  diesem  hochwichtigen  Gegenstande  zuwenden. 
Und  dafe  dieses  Interesse,  gleichzeitig  mit  dem  Bestreben,  die 
Öffentlichen  Gesundheitsverhältnisse  überhaupt  zu  verbessern, 
auch  bei  unserer  Bevölkerung  bereits  Boden  gewonnen  hat, 
beweisen  die  immer  zahlreicher  werdenden  Klagen  über 
beobachtete  hygienische  Mängel  und  Unterlassungen  auf  ver- 
schiedenen Gebieten. 

7.   Schutzmafsregeln   zur   Zeit    der  Choleraepidemie. 

Am  12.  und  13.  Oktober  1892  ging  ich  von  Klasse  zu 
Klasse  und  verteilte  mit  einem  erklärenden  Vortrage  die  durch 
den  städtischen  Magistrat  in  Druck  gegebenen  Schutzmab- 
regeln  gegen  die  Cholera. 

8.  Die  ärztliche  Inspektion  der  Schüler 
während  der  Lehrstunden. 

Ich  besuchte  im  Laufe  des  Jahres  mehrmals  die  einzelnen 
Klassen  während  des  Unterrichtes,  teils  um  die  Haltung  der 
Schüler  bei  den  verschiedenen  Schulbeschäftigungen  zu  beob- 
achten, teils  um  aus  der  Lehrmethode  der  Professoren  das  für 
mich  Wichtige  kennen  zu  lernen. 

Die  auf  die  Schüler  Bezug  habenden  Wahrnehmungen 
und  Erfahrungen  wurden  dann  mit  den  einzelnen  Lehrern 
erörtert,  meine  Vorschläge  mit  gewohnter  Zuvorkommenheit 
angenommen  und  so  manche  zweckmäfsigen  Anordnungen 
erreicht. 

43* 


668 


9.  Teilnahme  an  den  Sitzungen  des  Lehrkörpers. 

Infolge  Einladung  der  Direktion  nahm  ich  sowohl  an  den 
periodischen  Kontrollkonferenzen,  wie  auch  an  jenen  Sitzungen 
des  Lehrerkollegiums  teil,  die  aus  Anlafs  des  Besuches  des 
Bezirksoberdirektors  stattfanden.  Hierbei  hatte  ich  wiederholt 
Gelegenheit,  schulhygienische  Fragen  Vorbringen  zu  können. 

10.  Ärztliche  Zeugnisse. 

Das  zur  Befreiung  vom  Turnunterrichte  nötige  Zeugnis 
wurde  12  Schülern  ausgestellt.  Hierfür  kam  eine  Taxe  von 
1  fl.  ö.  W.  zur  Erhebung. 

Aufserdem  erhielten  aus  Anlals  des  1893  in  Budapest 
stattfindenden  Landesturnfestes  4  Schüler  der  oberen  Klasse 
Gesundheitsatteste,  um  an  dem  Wettlaufen  teilnehmen  zu  dürfen. 

Zu  anderen  Zwecken  wurden  ärztliche  Zeugnisse  einem 
Schüler  und  dem  Sohuldiener  erteilt. 

11.  Ärztliche  Behandlung. 

Meine  privatärztliche  Thätigkeit  im  Anschlüsse  an  meine 
amtliche  Stellung  in  der  Schule  wurde  von  3  Schülern  und 
dem  Schuldiener  in  Anspruch  genommen. 

12.  Schlufs. 

Wenn  ich  das,  was  ich  als  Schularzt  im  letzten  Jahre 
geleistet  habe,  überblicke,  so  fühle  und  weife  ich,  dafe  ich  die 
Anforderungen  des  ministeriellen  Statutes  in  ihrer  Gesamtheit 
nicht  annähernd  erfüllen  konnte.  Doch  sei  mir  gestattet,  zu 
meiner  Entschuldigung  auf  den  Eingangspassus  meines  Berichtes 
zu  verweisen,  wo  ich  die  Notwendigkeit  genügender  Zeit  und 
Erfahrung  zur  Erreichung  greifbarer  Erfolge  betonte. 

Das  mit  grofser  Sachkenntnis  und  auf  Grund  vielseitigen 
Studiums  verfafste  Statut  trägt  nach  meiner  bescheidenen 
Meinung  dennoch  die  Merkmale  mangelnder  praktischer  Er- 
fahrungen an  sich. 

Die  Sammlung    dieser  Erfahrungen   und   die  Gewinnung 


669 

einer  verwertbaren  Form  für  dieselben  bleibt  uns,  die  wir  die 
Tagearbeiter  auf  diesem  Felde  sind,  vorbehalten.  Wir  müssen 
die  groben  Ideen  sozusagen  in  kleine  Münze  umsetzen,  aber 
auch  diese  wieder  zur  Erreichung  großer  Erfolge  sammeln. 


ans  flerfammluttgen  nnb  Vereinen. 


Sitzungen  der  Kommission  für  Schulgesundheitspflege 

in  Nürnberg. 

Von 

Dr.  phil.   G.  AüTENRIETH, 
Rektor  des  humanistischen  Gymnasiums  in  Nürnberg. 

Aus  den  durch  Dr.  Paul  Schubert  vom  5.  Dezember  1890 
bis  8.  April  1892  abgehaltenen  Sitzungen  über  Steilschrift 
erwuchs  mittelst  Ernennungen  des  Vereins  für  öffentliche 
Gesundheitspflege  obengenannte  Kommission,  welche  zunächst 
20  Mitglieder  zählte.  Diese  bestanden  aus  8  Ärzten,  1  städtischen 
Schulrat,  5Leitern  und  Professoren  von  Mittelschulen,  3  Magistrats- 
räten, dem  Vorstand  des  Bezirkslehrervereins,  1  Schulinspektor 
und  1  Lehrer.  Vorsitzender  der  Kommission  ist  der  durch 
Eifer  und  Umsicht  rühmlich  bekannte  Augen-  und  Ohrenarzt 
Dr.  Paul  Schubert. 

In  der 

I.  Sitzung  am  3.  Mai  1892 

wies  der  Genannte  zunächst  hin  auf  die  Ziele  der  Kommission, 
insbesondere  auf  die  prophylaktischen  Aufgaben  derselben  auf 
verschiedenen  Gebieten  der  Schulgesundheitspflege.  Zur  Er- 
füllung dieser  Aufgaben  dienen  Aufdrucke  auf  Hefte  und 
Lesebücher  der  Schüler,  Popularisierung  schulhygienischer 
Fragen   durch  Flugschriften,    nach  Bedarf  auch   Einberufung 


670 

besonderer  Versammlungen.  Die  nötigen  Geldmittel  müssen 
in  der  Hauptsache  durch  Sammlungen  und  Geschenke  aufge- 
bracht werden.  Über  letzteren  Punkt  liefs  eine  nachfolgende 
Debatte  keinen  Zweifel  aufkommen,  wenn  auch  durch  den 
Vorsitzenden  des  Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege  eine 
kleine  Summe  als  Beitrag  in  Aussicht  gestellt  werden  konnte. 

Ein  besonderer  Antrag  lag  vor  von  Dr.  Baueb  im  An- 
schluß an  seinen  im  November  1891  im  Hauptvereine  ge- 
haltenen Vortrag  über  Aprosexia  nasalis  bei  Schulkindern, 
infolgedessen  er  auf  breitester  Grundlage  Untersuchungen  der 
Schüler  vornehmen  zu  können  wünschte  und  um  Unterstützung 
seines  Antrags  beim  Stadtmagistrat  bat.  Der  Vorsitzende 
stimmte  diesem  Antrage  zu  und  wünschte  vor  allem  den 
Vortrag  veröffentlicht  zu  sehen.  Ein  anwesender  Gymnasial- 
rektor stellte  seine  unteren  Klassen,  vorbehaltlich  der  Ein- 
willigung der  Eltern,  zur  Verfügung.  Medizinalrat  Merkel 
möchte  nicht,  dals  die  Kommission  den  Weg  öffentlicher 
Preüsberiohte  einschlage.  Bezirkslehrervereinsvorstand  Darr 
empfiehlt  dazu  die  Fachpresse  (bayerische  Lehrerzeitung).  Er 
befürwortete  auch  Einrichtung  besonderer  Klassen  für  zurück- 
gebliebene Bänder  und  eine  Erörterung  dieser  Frage  durch  die 
Kommission.  Für  beide  Angelegenheiten  wurde  übrigens  das 
Semester  als  schon  zu  weit  vorgerückt  betrachtet,  und  man 
verschob  daher  die  Ausführung  auf  den  Schulbeginn  im  Herbste. 

Ein  Antrag  von  Dr.  Deuerlbin,  in  hiesiger  Stadt  Heil 
kurse  für  Stotterer  nach  dem  System  GuTZMANN-Berlin  einzu- 
richten, wurde  zunächst  vom  Stadtschulrat  Glauninö  dahin 
beantwortet,  dafs  einige  hiesige  Lehrer  nach  diesem  System 
geschult  seien,  dafs  jedoch  nach  Mitteilungen  an  den  Magistrat 
ein  starker  Müserfolg  zu  verzeichnen  sei.  Medizinalrat  Mkrkkl 
ist  erstaunt,  dafs  die  bisherigen  Versuche  erst  in  der  obersten 
Klasse  vorgenommen  wurden;  das  ganze  Verfahren  erscheine 
ihm  etwas  übereilt  und  noch  nicht  spruchreif,  weshalb  er  erst 
genauere  Nachweise  und  statistische  Mitteilungen  zur  Unter- 
stützung eines  solchen  Antrags  abwarten  wolle.  Wegen  vor- 
gerückter Zeit  wurde  die  Sache  vertagt. 


671 


IL  Sitzung  am  22.  November  1892. 

Der  Vorsitzende  legt  eine  Reihe  von  Einlaufen  vor:  über 
Schulbäder,  Subsellien,  Lese*  und  Schreibpulte  nebst  Prospekten, 
F&ets  Essai  sur  l'hygi&ne  scolaire,  die  neuen  Steilschrifthefte 
und  -tafeln  von  hier,  ferner  Steilschriftfibeln  aus  Prag,  Wien, 
Breslau,  Frohsdorf  und  eine  vom  Vereinsmitglied  Wunderlich 
dahier  umgearbeitete  ScHUMBACHsche  Fibel,  Beiträge  zur 
Schriftfrage  von  Professor  Lukas  in  Salzburg  und  von  Professor 
von  Fodor  in  Budapest,  sowie  Jacksons  System  of  upright 
penmanship. 

Hierauf  hält  Dr.  Dbueblein  seinen  Vortrag  über  die 
Einrichtung  von  Kursen  für  Stotterer  hierselbst.  Die  Debatte 
weist  auf  verschiedene  Schwierigkeiten  hin,  zunächst  Mangel 
an  einem  passenden  Lokal,  der  allerdings  durch  Verlegung  dieses 
Unterrichts  aufser  dem  gewöhnlichen  Rahmen  der  Schulstunden 
sich  beseitigen  Heise.  Auf  Befragen,  ob  nicht  die  durch 
Gentner  in  München  ausgebildeten  Lehrer  fähig  seien,  das 
Stottern  zu  heilen,  bezweifelt  der  Vortragende  die  genügende 
Schulung  derselben.  Demnach  würde  eine  geeignetere  Aus- 
bildung anzustreben  und  ins  städtische  Budget  eine  hinreichende 
Summe  hierfür  einzustellen  sein,  was  aber  mindestens  Jahres- 
frist erfordere  und  daher  jetzt  nicht  als  Grundlage  genommen 
werden  könne.  Dr.  Pauschingbb  erklärt,  man  dürfe  höchstens 
bis  zum  nächsten  Semester  warten,  da  es  etwa  117  Stotterer 
gebe.  Obermedizinalrat  Dr.  Merkel  hält  die  Sache  für  rein 
organisatorisch,  Stadtschulrat  Glauning  lediglich  für  eine 
Geldfrage;  beide  wünschen  Beschleunigung.  Inspektor  Hof- 
mann möchte  aber  zuerst  alle  Lehrer,  die  bei  Gentneb  waren, 
über  ihre  Leistungen  vernehmen,  was  jedoch  der  Antragsteller 
als  zwecklos  ansieht,  indem  ihm  überhaupt  die  Berliner  Aus- 
bildung der  Stotterlehrer  als  die  beste  gilt.  Der  Vorsitzende 
hebt  dies  auch  als  die  Ansicht  des  Geheimen  Obermedizinalrats 
Dr.  von  Kebschensteineb  in  München  hervor.  Der  städtische 
Schulrat  spricht  gegenüber  andern  Anträgen  die  Ansicht  aus, 
d&fs  wohl  nur  die  in  Bayern  geschulten  Lehrer  auf  Anstellung 


672 

rechnen  könnten.  Weitere  Debatten  ergaben,  dafs  in  bayerischen 
Städten  noch  keine  Stottererknrse  bestehen,  weil  eben  Gentnkr 
noch  keine  Lehrer  gebildet  habe,  einzelne  anch  den  Eindruck 
hätten,  als  verschweige  er  manches,  während  Dr.  Gützmakk 
als  Arzt  eine  Klinik  errichtet  habe  und  zusammen  mit  seinem 
Vater,  einem  Taubstummenlehrer,  streng  wissenschaftlich  arbeite. 
Zuletzt  beschlofs  man,  eine  Eingabe  an  die  städtischen  Be- 
hörden unter  Beischlufs  des  vorhandenen  Materials  mit  der 
Bitte  zu  richten,  Kurse  für  Stotterer  einrichten  zu  lassen. 
Man  werde  dann  ohnedies  der  G-ENTNEBschen  Methode  näher 
treten  und  gegebenen  Falls  von  ihr  absehen  müssen.  Jeden- 
falls seien  immer  je  2  Lehrer  für  einen  Kurs  auszubilden  und 
dieser  selbst  nicht  in  die  Ferien  zu  verlegen.  Dann  könnte 
anch  noch  die  letzte  Klasse  dieses  Jahres  mit  beigezogen 
werden,  indem  auf  einen  Kurs  etwa  10  Schüler  gerechnet 
würden. 


Heilung  von  Kurzsichtigkeit  bei  Schülern  durch  Suggestion. 
Ans  dem  Verein  deutscher  Ärzte  in  Prag. 

Der  Verein  deutscher  Ärzte  in  Prag  hielt  vor  einiger  Zeit  eine 
Sitzung  ab,  in  welcher  Professor  Dr.  Schnabel  nach  der  „Wien. 
med.   Wochenschr."  folgendes  vortrug: 

Alljährlich  kommen  auf  der  Prager  Universitätsaugenklinik  ein- 
zelne Fälle  von  Sehstörung  bei  Knaben  im  Alter  von  10 — 16  Jahren 
zur  Beobachtung,  welche  darin  bestehen,  dafs  dieselben  plötzlich, 
nachdem  sie  früher  ganz  gut  gesehen  hatten,  nicht  bis  zur  Schultafel 
sehen  und  so  dem  Unterrichte  nicht  folgen  können.  Es  ist  dyna- 
mische Myopie  vorhanden;  denn  die  Sehstörung  schwindet  beim 
Vorsetzen  von  Konkavgläsem,  trotzdem  die  Untersuchung  mit  dem 
Augenspiegel  Emmetropie  nachweist. 

Man  erklärte  diesen  Zustand  bisher  durch  die  Annahme  eines 
Accommodationskrampfes,  welcher  immer  dann  eintrete,  wenn  die 
Sehthätigkeit  beabsichtigt  werde  und  mit  dem  Schwinden  dieser  Ab- 
sicht selbst  aufhöre.  Unumstöfslich  sicher  wurde  die  Sache  jedoch 
noch  nie  bewiesen. 

Auch  bei  der  Nahearbeit,  beim  Lesen  und  Schreiben,  helfen 
sich  solche  Kinder  nur  mühselig  fort.  Sie  geben  dem  Buch  und 
dem    eigenen    Körper    die    wunderlichsten    Stellungen,    grimassieren 


673 

fortwährend,  sind  äufserst  unruhig  und  launenhaft.  Man  mufste 
nicht  nur  Krampf  des  Ciliarmuskels,  sondern  auch  eine  ungleich 
starke  Kontraktion  desselben  in  seinen  verschiedenen  Teilen  an- 
nehmen. 

Im  Jahre  1884  machte  Professor  Schnabel  zum  ersten  Male 
bei  einem  Individuum,  welches  eine  funktionelle  Myopie  von  4  Di- 
optrien darbot,  die  Beobachtung,  dafs  der  ganze  Zustand  durch  das 
Vorsetzen  eines  Planglases  wie  mit  einem  Schlage  behoben  werden 
konnte.  Seither  wurden  solche  Fälle  in  grofser  Zahl  und  immer 
mit  dem  gleichen  Resultate  beobachtet.  Der  Zustand  hatte  eine 
gewisse  Ähnlichkeit  mit  der  hysterischen  Amblyopie.  Auch  hier 
kommen  Patienten  vor,  die  plötzlich  eine  hochgradig  herab- 
gesetzte Sehschärfe,  herabgesetzten  Licht-  und  Farbensinn  und  ein 
konzentrisch  bis  auf  wenige  Grade  eingeschränktes  Gesichtsfeld  dar- 
bieten, und  bei  welchen  alle  diese  Symptome  durch  das  Vorsetzen 
eines  Planglases  leicht  zum  Verschwinden  gebracht  werden.  Den- 
selben Erfolg  kann  man  erzielen  durch  ein  schwaches  Konvex-  oder 
Konkavglas,  ein  Stereoskop  und  bei  genügend  geschickt  ausgeführter 
Täuschung  auch  —  durch  ein  leeres  Brillengestell.  Die  Vorstellung, 
dafs  ein  Brillenglas  den  Kranken  Heilung  bringen  müsse,  ist  bei 
ihnen  so  mächtig,  dafs  dasselbe  diese  Heilung  durch  Suggestion 
auch  thatsächlich  bewirkt.  Die  Knaben  sehen  in  der  Schule  eine 
Reihe  ihrer  Mitschüler  kurzsichtig  werden  und  durch  Brillen  Hilfe 
für  ihre  Kurzsichtigkeit  finden.  Diese  Vorgänge  führen  zu  der  irrigen 
Vorstellung,  dafs  sie  die  Leistungsfähigkeit  ihrer  eigenen  Augen  für 
verändert  halten. 

In  den  Mädchenschulen  wurde  diese  Suggestionsmyopie  nie 
beobachtet,  weil  für  das  weibliche  Geschlecht  das  Tragen  von  Augen- 
gläsern im  Gegensatze  zu  der  männlichen  Jugend  als  etwas  Verun- 
staltendes angesehen  und  gerne  vermieden  wird.  Gerade  in  letzter 
Zeit  konnte  Professor  Schnabel  jedoch  auch  zwei  Fälle  bei  jungen 
Mädchen  im  Pubertätsalter  beobachten,  von  denen  das  eine  sogar 
die  Erscheinung  der  Alterssichtigkeit  infolge  von  Suggestion  darbot. 
Die  Betreffende  war  Galvaniseurin  und  sah,  dafs  ihre  Mutter  ohne 
Brille  in  der  Nähe  nicht  arbeiten  konnte.  Sie  entlieh  daher  die 
Konvexbrille  ihrer  Mutter  und  behauptete,  dafs  sie  nur  mit  dieser 
gut  bei  der  Nahearbeit  sehe.  Als  sie  klinisch  untersucht  wurde, 
liefs  sich  ihre  Sehstörung  durch  ein  einfaches  Planglas  beheben. 

Auch  Erwachsene  können  von  diesem  Leiden  ergriffen  werden. 
Ein  Mann  erlitt  eine  Verletzung  des  linken  Auges  durch  einen  Eisen- 
splitter, und  die  Ärzte  erweckten  die  nicht  unbegründete  Besorgnis 
in  ihm,  dafs  auch  das  andere  Auge  erkranken  könne.  Obgleich  keine 
objektive  Veranlassung  vorlag,    hielt   er   fortan    seine   Sehkraft  für 


674 

geschwächt  und  das  Tragen  einer  Brille  für  notwendig.  Diese  brachte 
denn  auch,  wenn  auch  nur  in  Gestalt  von  Plangläsern,  alles  in 
Ordnung. 

Wie  lange  sollen  die  Schulkinder  bei  Infektionskrankheiten 

isoliert  werden? 
Beschlüsse  der  Pariser  Akademie  der  Medizin« 

Die  Pariser  Akademie  der  Medizin  hat  sich  ans  Anlafis  der 
letzten  in  Paris  herrschenden  Epidemien  mit  einer  Revision  der 
gegenwärtig  für  die  dortigen  Schulen  geltenden  Vorschriften  bezüg- 
lich der  Isolierung  der  Kinder  bei  ansteckenden  Krankheiten  be- 
schäftigt. Eine  zu  diesem  Zwecke  berufene  Kommission  stellte  eine 
Denkschrift  Ober  die  einschlägigen  Punkte  zusammen.  Die  Schlüsse, 
zu  welchen  die  Kommission  gelangte,  sind  folgende: 

1.  Die  Dauer  der  Isolierung,  welche  die  an  einer  kontagiösen 
Krankheit  leidenden  Schüler  durchmachen  müssen,  beträgt 
40  Tage  bei  Scharlach,  Pocken,  Windpocken  und  Diph- 
therie, 

2.  16  Tage  bei  Masern  und  Yarioloiden. 

3.  Bei  Keuchhusten  soll  die  Isolierung  noch  3  Wochen 
nach  dem  vollkommenen  Verschwinden  der  charakteristischen 
Hustenstöfee  fortgesetzt  werden. 

Nachstehende  hygienische  Maisnahmen  müssen  an  dem  Rekonvales- 
centen  vor  der  Wiederaufnahme  des  regclmäfsigen  Schulbesuchs  aus- 
geführt werden :  Nasen-,  Mund-  und  Rachendusche  mit  antiseptischen 
Flüssigkeiten,  Seifenbäder,  allgemeine  Abreibungen,  Waschungen 
der  Kopfhaut,  Sterilisation  der  Kleider,  welche  der  Schüler  bei 
Ausbruch  der  Krankheit  getragen  hat,  mittelst  strömenden  Wasser- 
dampfes. Weiterhin  ist  anzuordnen,  daß  das  Krankenzimmer  sorg- 
fältig gelüftet,  Wände  und  Möbel  mit  l%o  Sublimatlösung  ab- 
gewaschen, Wäschestücke  und  Gardinen  mittelst  strömenden  Wasser- 
dampfes desinfiziert  werden.  Schulkinder,  welche  an  irgend  einer 
der  oben  angegebenen  Krankheiten  gelitten  haben,  dürfen  erst  dann 
wieder  zum  Schulbesuche  zugelassen  werden,  wenn  sie  sich  nach- 
gewiesenermafsen  den  von  der  Behörde  angeordneten  Desinfeküons- 
mafsregeln  vollständig  unterworfen  haben. 

Errichtung  besonderer  Schulklassen  für  Schwachsinnige. 

Vom  Thüringer  StMtetage. 

(  Obiges  Thema  besprach  Stadtschulrat  Dr.  Vorbrodt  aus  Erfurt 
auf  dem  im  September  d.  J.  in  Ilmenau  abgehaltenen  Thüringer 
Städtetage.  Die  Hygiene,  so  führte  derselbe  aus,  ist  das  Schmerzens- 
kind der  Städte,  da  die  bezüglichen  Anforderungen,  wie  Einrichtung 


675 

der  Schulhäuser  u.  8.  w.,  über  das  Mals  der  zu  Gebote  stehenden 
Mittel  meist  weit  hinausgehen.  Die  Opfer  für  schwachsinnige  Kinder 
sollten  aber  unter  keinen  Umständen  als  zu  grofs  erscheinen.  Be- 
sondere Anstalten  für  sie  zu  errichten,  wie  für  Idioten  und  Blöd- 
sinnige, ist  ihrer  gro&en  Zahl  wegen  nicht  angängig;  es  würden 
dadurch  den  Gemeinden  auch  unerschwingliche  Kosten  erwachsen. 
Gleichwohl  lädst  sich  in  bester  Weise  für  sie  sorgen.  In  kleinen 
Orten,  wo  vereinzelt  ein  schwachsinniges  Kind  vorhanden  ist,  kann 
der  Lehrer  schon  viel  Gutes  wirken,  wenn  er  ein  solches  Kind  in 
seinem  Garten  oder  seiner  Landwirtschaft  beschäftigt  und  dabei  sich 
bemüht,  einen  fortgesetzten  systematischen  Einflufs  in  erziehlicher 
und  belehrender  Richtung  auf  dasselbe  zu  üben.  In  gröberen  Orten 
aber,  wo  Imbezille  in  stärkerer  Anzahl  vorhanden  sind,  müssen 
Hilfsklassen  bei  den  Volksschulen  für  sie  geschaffen  werden. 

Referent  berichtete  sodann  über  die  von  ihm  geleitete  Schwach- 
8innigenschule  in  Erfurt,  die  sich  in  wünschenswerter  Weise  bewährt 
und  namentlich  auf  dem  Gebiete  der  Disciplin  und  der  moralischen 
Einwirkung  die  denkbar  besten  Erfolge  erzielt  habe. 

Nach  den  „Blatt,  f.  soc.  Prax.u  nahm  der  Städtetag  folgende 
Resolution  an:  Seitens  des  Städtetages  wird  die  Errichtung  von 
besonderen  Hilfsklassen  für  Schwachsinnige  aufs  Dringendste  befür- 
wortet und  empfohlen. 


kleinere  M\ttt\luu$tu . 


Über  den  Einflufs  des  Geschlechtes  in  der  Erziehung,  so  ist 

ein  Vortrag  überschrieben,  welchen  der  englische  Irrenarzt  Sir  James 
Crichton-Browne  vor  einiger  Zeit  in  der  Medical  Society  of 
London  gehalten  hat.  Der  Genannte  konnte  durch  1600  Wägungen 
feststellen,  dafs  das  männliche  Gehirn  durchschnittlich  127  g  schwerer, 
als  das  weibliche  ist.  Das  hat  nun  freilich  insofern  nichts  Über- 
raschendes, als  der  Mann  überhaupt  ein  größeres  Gewicht  als  die 
Frau  besitzt.  Allein  auch  wenn  man  den  kleineren  Körperbau  der 
letzteren  in  Betracht  zieht,  behält  das  männliche  Gehirn  noch  immer 
ein  Übergewicht  von  29  g.  Mit  anderen  Worten:  nicht  nur  das 
absolute,  sondern  auch  das  relative  Hirngewicht  des  Mannes  ist 
gröfeer  als  dasjenige  der  Frau.  Gegen  diesen  Satz  Criohton- 
Browkbs  hat  sich  ein  wahrer  Sturm  der  Lady  Doctors  in  England 
und  Amerika  erhoben.  Toller  Entrüstung  wiesen  sie  darauf  hin, 
dafs  seine  Wägungen  in  Irrenanstalten  vorgenommen  seien,  und  dafs 


676 

man  nicht  berechtigt  sei,  von  kranken  auf  gesunde  Gehirne  zu 
schliefsen.  Dr.  Crichton-Browne  aber  verteidigte  sich  siegreich, 
indem  er  hervorhob,  dafs  die  männlichen  Irren  besonders  an  Lähmungs- 
blödsinn,  an  Hirnerweichung,  kurz  an  solchen  Krankheiten  sterben, 
bei  denen  eine  Verringerung  des  Gehirngewichtes  eintritt,  wahrend 
die  geisteskranken  Frauen  anderen  Organerkrankungen  zu  unterliegen 
pflegen,  welche  ohne  Einflufs  auf  die  Ernährung  und  das  Gewicht 
des  Gehirns  sind.  Nun  ist  freilich  das  Hirngewicht  allein  nicht  von 
ausschlaggebender  Bedeutung  für  die  geistigen  Fähigkeiten  der  be- 
treffenden Person.  Cuvtbr  und  Beethovbn  hatten  allerdings  mäch- 
tige Schädel  von  über  1800  ccm,  Kant  einen  solchen  von  1740  ccm 
Rauminhalt,  allein  die  Hirne  von  Dante  und  Liebig  wogen 
weniger  als  die  mancher  Austrabeger.  Es  kommt  eben  auch  auf 
den  Bau  und  die  innere  Organisation  der  Gehirnteile,  insbesondere  der 
Ganglienzellen,  der  Nerven  mit  ihren  Achsencylindern,  an,  obgleich 
Genaueres  über  den  Einflufs  dieses  Baus  auf  die  geistigen 
Fähigkeiten  noch  nicht  bekannt  ist.  Jedenfalls  aber  werden  wir 
annehmen  dürfen,  dafs  bei  gleicher  Organisation  das  schwerere  Gehirn 
das  leistungsfähigere  ist,  wie  denn  auch  die  europäischen  Völker  mit 
dem  kubischen  Inhalt  ihrer  Schädel  obenan  stehen,  während  die 
Neger,  Australier  und  Nubier  in  dieser  Beziehung  die  unterste  Stelle 
einnehmen.  Ein  zweiter  Unterschied  zwischen  dem  männlichen  und 
weiblichen  Gehirne,  auf  den  Dr.  Crichton-Browne  hinwies,  liegt 
in  dem  specifischen  Gewichte.  Während  die  sogenannte  weifse  Mark- 
substanz bei  Mann  und  Frau  das  gleiche  specifische  Gewicht  hat,  ist 
dasjenige  der  grauen  Rindensubstanz,  in  welcher  die  geistigen  Prozesse 
vor  sich  gehen,  bei  den  Männern  gröfser  als  bei  den  Frauen;  das 
Verhältnis  beträgt  1037  :  1034.  Die  graue  Substanz  des  weiblichen 
Gehirns  mufs  also  weniger  reich,  als  die  des  männlichen  ernährt  und 
entwickelt  sein.  In  Übereinstimmung  damit  steht,  dafs,  wie  gleich- 
falls Browne  und  sein  Schüler  Martin  gezeigt  hat,  die  Carotis 
interna,  eine  am  Halse  verlaufende  grofte  Schlagader,  welche  das 
vordere  und  mittlere  Gehirn  mit  Blut  versorgt,  bei  den  Männern 
stärker  ist,  als  bei  den  Frauen,  die  Vertebrararterien  dagegen  und 
ihre  Fortsetzung,  die  Basilaris,  welche  die  Hinterhauptslappen  des 
Gehirnes  versorgen,  bei  den  Frauen  stärker,  als  bei  den  Männern. 
Bei  dem  männlichen  Geschlechte  wird  also  diejenige  Region  des 
Hirnes  am  reichlichsten  ernährt,  an  welche  der  Wille,  die  Erkenntnis, 
die  ideomotorischen  Prozesse  gebunden  sind,  bei  dem  weiblichen 
Geschlechte  der  hintere  Teil  des  Gehirnes,  in  welchem  die  sensorischen 
Funktionen  vor  sich  gehen.  Diese  Unterschiede  zwischen  dem  männ- 
lichen und  weiblichen  Gehirne  bestehen  nun  zu  jeder  Periode  des 
Lebens,  also  auch  in  der  Kindheit,  ja  sie  treten  besonders  bedeutsam 


677 

während  der  Pubertätszeit  hervor,  wo  die  Erziehung  sehr  energische 
Anforderungen  stellt.  Dr.  Crichton-Browne  tadelt  daher,  dafs 
die  jungen  Mädchen  in  den  höheren  Töchterschulen  Englands  fast 
dieselbe  Ausbildung,  wie  die  Knaben,  erhalten.  Infolgedessen 
müfsten  dieselben  am  späten  Nachmittage  oder  Abend,  wenn  ihr 
Gehirn  bereits  erschöpft  sei,  noch  zwei  bis  drei  Stunden  zu  Hause 
arbeiten,  und  das  Resultat  hiervon  sei,  dafs  eine  beträchtliche  Anzahl 
während  des  Quartales  erkranke  und  nicht  weiter  könne.  Als  erstes 
Symptom  der  Überarbeitung  stellen  sich  gewöhnlich  Kopfschmerzen 
ein.  Yon  187  Schülerinnen  der  höheren  Stände,  welche  Crichton- 
Browhb  untersuchte,  litten  137  an  Kopfweh,  also  mehr  als  zwei 
Drittel.  Ähnliche  Beobachtungen  sind  bekanntlich  auch  in  den 
höheren  Mädchenschulen  Dänemarks  und  Schwedens  gemacht  worden. 

Hygienische  Ratschläge  für  die  Hausarbeit  der  Schüler. 

Der  uns  freundlichst  übersandte  Jahresbericht  der  Realschule  bei 
St.  Johann  zu  Strafsburg  i.  E.  über  das  Schuljahr  1892 — 93  enthält 
unter  den  Mitteilungen  an  die  Schüler  und  deren  Eltern  folgenden 
Abschnitt:  Da  die  Schüler  den  bei  weitem  größten  Teil  des  Tages 
der  Schulaufsicht  entzogen  und  der  Obhut  der  Eltern  oder  der  Ver- 
treter derselben  überlassen  sind,  so  erlauben  wir  uns,  diesen  zum 
Zwecke  der  thunlichsten  Verminderung  der  Schädlichkeiten  der  Nah- 
arbeit den  Rat  zu  geben,  doch  darauf  achten  und  dafür  sorgen  zu 
wollen,  1.  dais  die  Kinder  beim  Lesen  und  Schreiben,  indem  sie 
abwechselnd  sitzen  und  stehen,  die  Füfse  mit  der  ganzen  Sohle  auf 
dem  Boden,  den  Oberkörper  ganz  gerade  und  das  Buch  oder  Heft 
30 — 35  cm  von  den  Augen  entfernt  halten;  2.  dais  sie  bei  den 
Arbeiten  sich  so  setzen  oder  stellen,  dafs  das  Licht  yon  links  oder 
Ton  hinten  (?  D.  Red.)  auf  das  Buch  oder  Heft  falle ;  3.  dafs  sie 
die  häuslichen  Arbeiten  nicht  in  der  Dämmerung  oder  bei  dürftiger 
künstlicher  Beleuchtung  anfertigen;  4.  dais  sie  eine  Brille  nur  nach 
Anweisung  eines  Augenarztes  wählen. 

Schulgesundheitspflege  und  Stundenplan,  so  betitelt  sich 
ein  von  Dr.  med.  K.  Grus  in  „  V.  Fels  z.  Meeru  veröffentlichter 
Aufsatz,  welcher  die  Frage  der  Zusammenlegung  des  Schulunterrichtes 
auf  den  Vormittag,  sowie  im  Anschlüsse  daran  diejenige  der  zweck- 
mässigen Verwertung  der  Freipausen  behandelt.  Wir  geben  denselben 
hier  im  Auszuge  wieder,  obgleich  wir  uns  mit  dem  Verfasser  nicht 
überall  in  Einverständnis  befinden.  In  den  grofsen  Städten  hört  man 
die  ungeteilte  Schulzeit  besonders  deshalb  preisen,  weil  die  Schulwege 
für  viele  Kinder  so  weit  seien,  dafs  sie  dieselben  in  der  Mittagspause 
von  12 — 2  Uhr  nicht  zweimal  zurücklegen  und  auch  noch  in  Ruhe 
speisen  könnten.  Dabei  ist  nur  zweierlei  vergessen.  Zunächst  ist 
zu  bemerken,  dafs  gerade  in  den  hier  in  Betracht  kommenden  grofsen 


678 

Städten  die  Schulen  aller  Arten  so  verteilt  sind,  dafe  die  Schulwege 
für  die  einzelnen  Kinder  keine  allzngrofsen  zu  sein  brauchen.  Alleil 
die  Eltern  versteifen  sich  hftufig  darauf,  ihre  Bander  in  eine  be- 
stimmte Schule  zu  senden,  liege  diese  auch  eine  Stande  oder  gar 
noch  weiter  entfernt.  Zweifellos  haben  sie  dazu  ein  natürliches  Recht. 
Aber  alsdann  müssen  sie  daraus  auch  die  weitere  Folge  ziehen,  dafc 
sie  ihre  Kinder  durch  irgend  eine  Einrichtung,  sei  es  Fahrgelegen- 
heit, sei  es  Einmietung  in  der  Nähe  der  Schule,  in  eine  natürliche 
Entfernung  von  dieser  versetzen.  Es  sind  also  immer  besondere 
Verhältnisse,  welche  zu  Grunde  liegen,  wenn  ein  Kind  einen  aus- 
nahmsweise weiten  Schulweg  zu  machen  hat.  Hierfür  aber  ist  niemals 
die  Schule,  sondern  stets  nur  das  Elternhaus  verantwortlich  zu  machen, 
weshalb  auch  nur  dieses  die  Folgen  tragen  mufs.  Von  Seiten  der 
Freunde  der  neuen  Einrichtung  wird  aber  hauptsächlich  die  gesund- 
heitliche Eigenschaft  derselben  hervorgehoben.  Es  kann  keinem 
Zweifel  unterliegen,  dafs  einerseits  bei  gefülltem  Magen  die  geistige 
Thätigkeit  einer  grofeen  Trägheit  unterliegt,  andererseits  nach  voller 
Mahlzeit  das  Sitzen,  wenn  es  zu  einer  Zusammenpressung  des  Unter- 
leibes führt,  eine  Behinderung  der  Verdauung  nach  sich  zieht.  Sehen 
wir  uns  den  ersteren  Fall  auf  seine  Möglichkeiten  etwas  genauer  an. 
Nehmen  wir  zunächst  die  grofeen  Städte,  so  ist  von  vorneherein  die 
erfreuliche  Wahrnehmung  festzustellen,  dafs  man  in  denselben  mehr 
und  mehr  der  Sitte  sich  zuwendet,  um  die  Mitte  des  Tages  ein 
kleines  Frühstück  einzunehmen  und  das  sogenannte  Mittagsessen  erst 
am  späteren  Nachmittage  stattfinden  zu  lassen.  In  diesen  Fällen 
ist,  wie  Zehbndeb1  richtig  betont,  die  uns  beschäftigende  Frage 
von  selbst  und,  wie  ich  hinzufügen  will,  auch  aufs  beste  gelöst. 
Das  Kind  kommt  um  12  Uhr  aus  der  Schule,  nimmt  gegen  1  oder 
um  1  Uhr  ein  kleines  warmes  Frühstück  und  wandert  nachher  neu 
gestärkt  und  frisch  zur  Nachmittagsschule  um  2  Uhr.  Es  hat  nicht 
so  viel  gegessen,  dafe  es  schläfrig  und  müde  wird,  aber  seinem 
Körper  ist  durch  die  kleine  Nahrungszufuhr  eine  Aufmunterung  so 
teil  geworden,  welche  die  geistigen  Kräfte  zur  Aufnahme  neuen  Lehr- 
stoffes anregt.  Aus  den  Darlegungen  des  Verfassers  über  die  Not- 
wendigkeit einer  Trennung  des  Vor-  und  Nachmittagsunterrichtes, 
sowie  einer  richtigen  Verteilung  desselben  heben  wir  folgendes 
hervor:  Bei  der  Verteilung  der  Vor-  und  Nachmittagsstunden  muft 
zweifellos  in  erster  Linie  das  Wohl  und  der  Nutzen  der  Kinder  in 
Betracht  gezogen  werden;  denn  der  Kinder,  nicht  der  Lehrer  wegen 
sind  die  Schulen  da.     Nehmen  wir  als  Regel  für  den  Tag  6  Unter- 


1  Vorträge  über  SchulgesundheitspfUge.     Stuttgart,  1891,    F.  Enke, 
S.  42. 


679 

richtsstunden  an,  Mittwoch  und  Samstag  ausgenommen,  so  kann 
es  nicht  fraglich  sein,  wie  dieselben  der  Zahl  nach  verteilt  werden 
müssen:  4  am  Vormittag,  2  am  Nachmittag.  Denn  am  Vormittag 
ist  jedes  Kind  wenigstens  doppelt  so  frisch  wie  am  Nachmittag. 
Außerdem  ist  die  befürwortete  Einteilung  eine  geradezu  natürliche, 
indem  sie,  infolge  der  zwischenliegenden  gröfseren  Pause  nach  der 
Tagesmitte,  am  Nachmittage  nur  noch  soviel  Unterrichtsstunden  be- 
anspracht, dafs  den  Kindern  zu  häuslichen  Arbeiten  und  zur  Erho- 
lung genügend  Zeit  übrig  bleibt.  Der  jugendliche  Körper  hat 
nach  vierstündigem  Unterrichte  das  Recht  und  das  Bedürfnis,  ein 
paar  Stunden  dem  Zwange  der  Schule  entrückt  und  sich  selbst 
überlassen  zu  sein.  Ich  halte  es  deshalb  auch  für  ganz  unzulässig, 
selbst  nur  manchmal  5  Stunden  hintereinander  zu  erteilen.  Für 
den  Schlufs  des  Vormittagsunterrichtes  um  12  Uhr  spricht  mit  gleichem 
Rechte  auch  der  Umstand,  dafe  die  Schüler  um  diese  Zeit  einer  etwas 
reichlicheren  Nahrungszufdhr,  als  mitnehmbare  Eiswaren  gestatten, 
bedürfen.  Zudem  kann  es  nicht  als  gleichwertig  betrachtet  werden, 
ob  eine,  wenn  auch  abgekürzte  Mahlzeit  (warmes  Frühstück  zwischen 
12  und  1  Uhr)  im  Hause  genommen,  oder  ob  eine  gleiche  Menge 
Nahrungsstoff  auf  dem  Schulhofe  während  der  Freipause  verzehrt 
wird.  Es  kommt  hier  nicht  blofs  die  Ruhe  beim  Essen,  die  ein 
sorgfältigeres  Kauen  und  damit  eine  höhere  Vorverdauung  ermöglicht, 
sondern  auch  der  Reiz  einer  warmen  Mahlzeit,  die  stets  mehr  Be- 
friedigung, als  eine  kalte,  im  Stehen  eingenommene  gewährt,  in 
Betracht.  Nachdem  Dr.  Grus  sodann  die  Notwendigkeit,  den 
Nachmittagsunterricht  stets  spätestens  um  4  Uhr  zu  schliefen,  des 
näheren  dargelegt  hat,  geht  er  zur  Erörterung  der  Frage  über,  ob 
und  inwieweit  der  Nachmittagsunterricht  schädlich  auf  die  Ver- 
dauung und  den  Erfolg  des  Unterrichtes  zu  wirken  vermöge.  Dafe 
Kinder  nach  vierstündigem  Vormittagsunterrichte  einer  etwas  gröfseren 
Nahrungsaufnahme  benötigen,  hat  auch  HAkonson-Hansbn  1  vollauf 
anerkannt.  Er  hat  aber  nicht  genügend  klar  gelegt,  dafs  dieselben, 
wenn  sie  von  7 — 1  Uhr  oder  von  8 — 2  Uhr  Unterricht  haben,  während 
dieser  Zeit  notwendigerweise  zweimal  einen  Imbiis  nehmen  müssen. 
Denn  sie  können  auf  einmal  nicht  so  viel  geniefsen,  wie  zum  Ersatz 
der  verbrauchten  Körperkräfte  erforderlich  ist.  Es  ist  aber  un- 
natürlich, in  der  Schule  den  Kindern  einen  grofsen  Teil  der  täg- 
lichen Nahrung  zuzuführen.  Aber  auch  noch  anderes  wird  ganz  aufser 
acht  gelassen.  Dadurch,  dafs  der  Unterricht  erst  um  2  Uhr  beendet 
ist,  kommen  die  Kinder  zu  einer  Zeit  nach  Hause,  in  der  nur  in 
den  seltensten  Fällen  gegessen  wird.     Sie  sind  also  vollständig  vom 


1  Biese  Zeitschrift,  1892,  No.  12,  S.  527-528. 


680 

Familientische  zwischen  12  und  1  Uhr  ausgeschlossen,  was  von  jedem 
Einsichtigen  aufs  tiefste  bedauert  werden  mufs.  Wenn  auch  in  vielen 
Familien  das  Mittagessen  um  5  oder  6  Uhr  eingenommen  wird,  so 
dafs  die  Kinder  daran  teilnehmen  können,  so  ist  letzteres  doch  nicht 
bei  dem  sogenannten  warmen  Frühstück  um  12  oder  1  Uhr  der  Fall. 
Von  beiden  Mahlzeiten  wären  sie  aber  nicht  ausgeschlossen,  wenn 
der  Vormittagsunterricht  um  12,  der  Nachmittagsunterricht  um  4  Uhr 
schlösse.  Ebenso  sind  in  solchem  Falle  diejenigen  Schüler,  deren 
Eltern  um  1  Uhr  zu  Mittag  speisen,  von  dieser  Mahlzeit  nicht  zu- 
rückgehalten. Über  die  vom  Verfasser  zugegebene  Beeinträchtigung 
der  Thätigkeiten  des  Geistes  und  der  Verdauungsorgane  nach  dem 
Frühstücke  bemerkt  er,  dafs  diese  jedenfalls  in  solchem  Mafse  zurück- 
gedrängt werden  könnte,  dafs  nachmittags  zwischen  2  und  4  Uhr 
die  Schüler  in  ihrer  Geistesarbeit  und  in  ihrer  Verdauung  nicht  mehr 
gestört  würden,  als  in  der  Zeit  zwischen  11  und  2  Uhr,  nachdem 
sie  ein  reichlicheres  „  Schulfrühstück  "  zu  sich  genommen  haben.  In 
näherer  Ausführung  dieser  Behauptung  gibt  er  einige  Andeutungen 
über  die  Anordnung  des  Stundenplanes.  Der  Nachmittagsunterricht 
soll  sich,  wie  ja  von  allen  Seiten  anerkannt  ist,  auf  leichtere  Gegen- 
stände beziehen.  Es  scheint  aber  nicht  allgemein  klargestellt  zu  sein, 
was  man  unter  den  letzteren  zu  begreifen  hat.  Seines  Erachtens  können 
darunter  nur  Gegenstände  verstanden  werden,  welche  eine  anregende 
Belehrung  leicht  gestatten,  dabei  aber  zum  Schreiben  oder  der- 
gleichen keinen  oder  doch  nur  unbedeutenden  Anlafs  geben.  Dies 
letztere  mufs  unbedingt  hervorgehoben  werden,  da  Schreiben  und 
Zeichnen  nach  reichlicher  Mahlzeit  die  Verdauung  stört.  In  den 
Nachmittagsunterricht  gehören  also  vor  allem  Heimatkunde,  Erdkunde, 
Geschichte,  Naturkunde,  Religion.  Zu  vermeiden  sind  aufser  dem 
bereits  erwähnten  Zeichnen  und  Schreiben  vor  allem  Rechnen  und 
Sprachen.  Demnach  sind  alle  diejenigen  Gegenstände  für  den  Nach- 
mittagsunterricht am  meisten  geeignet,  bei  welchen  die  Schüler  am 
leichtesten  eine  gerade  Körperhaltung  einnehmen  können;  denn  bei 
gerader  Körperhaltung  beeinträchtigt  auch  das  Sitzen  die  Verdauung 
nicht  in  irgendwie  bemerkenswerter  Weise.  Für  das  Nichtschläfrig- 
werden  der  Schüler  haben  Lehrer  und  Unterrichtsgegenstand  zu 
sorgen.  Daß  das  leicht  zu  erreichen  ist,  wird  bei  den  angezogenen 
anregenden  Lehrgegenständen  niemand  bezweifeln.  Bezüglich  der 
Benutzung  der  Freipausen  bemerkt  Dr.  Grus,  dafs  dieselben  leider 
fast  überall  und  fast  fortwährend  in  der  zweckwidrigsten  Weise 
verwendet  werden :  die  jüngeren  Schüler  toben  umher,  die  älteren 
stehen  umher.  Er  macht  daher  eine  Reihe  Verbesserungsvorschläge, 
durch  welche  die  Freiheit  der  Schüler,  wie  er  erklärt,  nicht  im 
geringsten  beeinträchtigt  wird. 


681 

Diphtherie  und  Schulferien.  Der  Bericht  des  städtischen 
Gesundheitsrates  von  Boston  für  das  Jahr  1892  enthält  eine  Karte, 
welche  graphisch  die  grofee  Ahnahme  der  Diphtherie  während  der 
Sommerferien  und  das  starke  Ansteigen  derselben  nach  Wieder- 
eröffnung der  Schule  Mitte  September  darstellt.  Während  im  Sep- 
tember weniger  als  80  Fälle  vorkamen,  betrug  die  Zahl  im  Oktober 
145  und  im  November  185.  Es  läfst  sich  daraus  wohl  mit  Recht 
der  Schlufs  ziehen,  dafs  die  Schule  bei  der  Verbreitung  der  Diph- 
therie eine  wichtige  Rolle  spielt. 

Körperliche  Erziehung  anf  den  Sandwichinseln.  Der 
Zeitschrift  „Good  HeaUh"  wird  aus  Hawaii  geschrieben:  Auf  den 
Sandwichinseln  berücksichtigt  man  bei  der  Erziehung  vor  allem  die 
Gesundheit,  und  es  gibt  in  keiner  Familie  Knaben  oder  Mädchen, 
die  nicht  vor  dem  8.  Lebensjahre  bereits  vollkommen  reiten  und 
schwimmen  könnten.  In  reichen  Kreisen  tragen  die  Kinder,  ehe  sie 
3  Jahre  alt  sind,  niemals  Strümpfe  und  Schuhe,  und  auch  dann  nur 
bei  festlichen  Gelegenheiten.  Ihr  Lebenselement  bilden  Luft,  Wind, 
Wasser  und  Sonnenschein,  und  selbst  die  jungen  Mädchen  verstehen 
sich  auf  jede  Art  von  Spiel  und  Sport.  Letztere  tragen  besondere 
Reitkleider,  wodurch  sie  in  den  Stand  gesetzt  sind,  mit  ihren 
Brüdern  beim  Reiten  in  Wettstreit  zu  treten  und  in  halsbrecherischem 
Galopp  über  die  schönen  Strafsen  ihrer  Inseln  zu  jagen.  Die  Folge 
dieser  kräftigen  Bewegung  im  Freien  ist  für  beide,  Knaben  und 
Mädchen,  eine  treffliche  Gesundheit. 

Zur  Charakteristik  der  Schulhygiene  in  früheren  Zeiten. 

Eine  sehr  eingehende  Geschichte  der  grofsen  Stadtschule  zu 
Wismar  ist  von  Direktor  Bolle  veröffentlicht  worden.  Die  Anstalt 
wurde  1541  gegründet.  Von  Gesundheitspflege  scheint  wenig  die 
Rede  gewesen  zu  sein.  Denn  wie  neu  die  heute  geltenden  hygieni- 
schen Grundsätze  sind,  beweist  der  Umstand,  dafs  noch  1852  den 
Schülern  verboten  war,  in  den  Pausen  auf  den  Hof  zu  gehen;  sie 
sollten  ohne  Erlaubnis  ihren  Platz  nicht  verlassen.  Erst  1870 
wurde  der  Versuch  gemacht,  während  einer  Pause  dieselben  heraus- 
zulassen; seit  1889  sollen  die  Schüler  in  jeder  Pause  hinausgehen. 
Dagegen  war  der  Wirtshausbesuch  bis  1852  keinem  Zögling  ver- 
boten. Ja,  aus  der  Zeit  gegen  Ende  des  18.  Jahrhunderts  wird 
folgendes  berichtet:  „Die  Primaner  gaben  Neujahr  an  den  Rektor 
jeder  ein  Geschenk  von  2  Ratthalern,  ebenso  an  den  Konrektor. 
Sie  überbrachten  es  in  feierlichem  Aufzuge  mit  einer  lateinischen 
Anrede  und  wurden  dann  bewirtet,  der  Redner  mit  einer  ganzen, 
die  anderen  mit  einer  halben  Bouteille  Wein,  mit  Butterbrot, 
Kuchen;  auch  Punsch,  Tabak  und  Karten  wurden  gegeben.  Die 
ganze  Nacht   ging   darauf,  wobei   der  Landesvater   nicht  vergessen 

8ehulgenmdh6ltspflege  VI.  44 


682 

ward,  die  Hüte  auf  einen  Degen  geschlagen  and  am  Ende  mit 
Gesang  wieder  abgezogen  wurde". 

Vorschule  Ar  junge  Taibstamme  in  Wien.    Kinder,  welche 

infolge  von  Krankheiten  oder  Unfällen  ihr  Gehör  zu  einer  Zeit  ver- 
lieren, wo  üe  schon  über  kleine  Sprachschätze  verfügen,  werden 
nach  and  nach  stamm,  wenn  man  nicht  entsprechende  Vorkehrungen 
trifft,  um  die  vorhandenen  Sprachansätze  bis  zum  Beginn  des  Laut- 
gprachunterrichtes  zu  erhalten.  Alle  zum  Sprechen  nötigen  Organe 
müssen  von  frühster  Jagend  an  stetig  geübt  werden,  sollen  sie 
funktionsfähig  bleiben,  oder  soll  durch  nachherige  unvermittelte  An- 
strengung die  Gesundheit  nicht  Schaden  nehmen.  Wie  die  nN.  fr.  iV." 
berichtet,  haben  daher  die  ehemaligen  Lehrer  am  k.  k.  Taubstummen- 
institute zu  Wien,  Pfarrer  zu  St.  Elisabeth  Fr.  Rath  und  Direktor 
P.  Hübner,  die  Errichtung  einer  Vorschule  für  junge  taubstamme 
Kinder  in  die  Hand  genommen.  Anmeldungen  sind  an  den  genanten 
Pfarrer  nach  Wien,  Wieden  zu  richten. 

Schilerferienreisen  in  Dänemark«  Das  Ministerium  zu 
Kopenhagen  hat  in  diesem  Jahre  an  Schaler  der  dortigen  Kommanal- 
schalen 1000  Eisenbahnfreibillette  für  Ferienreisen  verteilen  lassen. 

Ein  nener  Apparat  für  Widerstandsbewegungen,  der  bei 

möglichster  Einfachheit  die  gröfste  Vielseitigkeit  der  Anwendung  und 
gleichzeitig  die  genauste  Dosierung  des  Widerstandes  ermöglicht,  ist 
von  Hofrat  Dr.  J.  Diehl,   Specialiaten  für  Massage  und  Orthopädie 
in  München,   konstruiert  worden.     Der  Apparat  besteht  aus  einem 
lim  langen  Seüe,  das  über  5  mit  Haken  versehenen  Rollen  läuft. 
Ist  das  Seil  im  Verhältnis   zur  Zimmerhöhe  zu  lang,    so  läfst  sich 
eine  Verkürzung  desselben  vornehmen.     Befestigt  wird  der  Apparat 
an  der  Zimmerdecke    durch  Einhängung  der  Rollen  2  und  4,    wie 
dies  die  Abbildung  I  veranschaulicht     Kann  man  an   der  Decke 
nur  einen  Haken  anbringen,  so  wird  ein  Querholz  in  der  Weise, 
wie  Abbildung  H  zeigt,  zu  Hilfe  genommen.     Die  Rolle  3  dient 
zur  Aufnahme   eiserner  Gewichte  von  1,  2,  5,  10  und  20  kg,   an 
deren    Stelle   auch    genau   abgewogene    Sandsäcke    treten   können. 
Bei    der    in    Abbildung   I   gezeichneten    Anordnung    werden    die 
Rollen  1   und  5  nicht   benutzt.     Dagegen   kommen  dieselben  zur 
Geltung  bei   den    Horizontalübungen,    bei    den    seitlichen    Übungen 
und    bei    den    Übungen    von   unten    herauf,    sei    es,     dafs    man 
sie  in  zwei  Haken  direkt  am  Fufsboden  befestigt,  sei  es,  dafe  sie, 
wie   aus  Abbildung  II  ersichtlich,    erst  noch  in   ein  Querholz  ein* 
gesetzt  werden.     An   den  Seilenden   lassen  sich  je  nach  den  be- 
absichtigten Übungen  Handgriffe,  Leibgarte  oder  Fufsgurte  anbringen. 
Auf   diese  Weise    kann   man    alle   nur   erdenklichen  Widerstands- 
bewegungen ausführen.    In  einer  dem  Apparate  beigegebenen  kleinen 
Broschüre   gibt   der  Erfinder   eine    grobe  Anzahl  für  Schale   und 


683 


Hans  geeigneter  Übungen  an,  wie  Arm-,  Schulter-,  Rumpf-  und 
Beuibewegungen,  Übungen  in  der  Ausfallstellung,  zur  Nachahmung 
des  Bergsteigens,  in  horizontaler  Apparatstellung,  von  beiden  Seiten, 
von  oben  herab  und  von  unten  herauf.  Zugleich  dienen  Zeichnungen 
zum  besseren  Verständnis  dieser  Übungen. 


Abbildung  L 


Abbildung  U. 
44* 


684 


ttitgesgef^tditltdjes. 


Das  Mädchengymnasium  in  Karlsruhe  vom  Standpunkte 
der  Hygiene.  Im  Herbste  d.  J.  hat  der  Verein  „Frauenbildungs- 
reform"  nach  den  „Südwestdtsch.  Schttfbl"  das  erste  deutsche  Mädchen- 
gymnasium in  Karlsrahe  eröffnet,  ein  zweites  befindet  sich  in  Berlin, 
ein  drittes  soll  womöglich  in  Hamburg  und  ein  viertes  in  einem  Orte 
Nordostdentschlands  folgen.  Das  Lehrziel  ist  dasselbe,  wie  für  die 
auf  die  Universität  vorbereitenden  Knabengymnasien.  Um  aber  die 
Eltern  nicht  zu  einer  verfrühten  Entscheidung  über  die  Laufbahn 
ihrer  Töchter  zu  drängen,  nimmt  das  Mädchengymnasium  die 
Schülerinnen  nicht  vor  dem  vollendeten  zwölften  Lebensjahre  auf. 
Vielmehr  wird  vorausgesetzt,  dafs  die  neu  Eintretende  einen  sechs- 
jährigen Schulbesuch  auf  einer  höheren  Töchterschule  durchgemacht 
hat.  Das  Mädchengymnasium  umfafst  also  nur  die  Mittel-  und 
Oberklassen  des  Gymnasiums,  nicht  aber  zugleich  die  unteren  Klassen 
desselben.  Nach  der  Dauer  des  voraufgegangenen  Schulbesuchs  und 
nach  dem  Lebensalter  der  aufzunehmenden  Schülerinnen  entspricht 
das  erste  Jahr  im  Mädchengymnasium  der  Untertertia  des  Knaben- 
gymnasiums. An  Stelle  der  Untertertia  aber  tritt  im  Mädchen- 
gymnasium eine  Übergangsklasse,  in  welcher  die  vorhandenen  Kennt- 
nisse, die  dem  erfolgreichen  sechsjährigen  Besuche  einer  höheren 
Töchterschule  entsprechen,  soweit  vertieft  und  erweitert  werden 
sollen,  dafs  nach  Absolvierung  der  Übergangsklasse  die  Schülerinnen 
in  diesen  Unterrichtsgegenständen  dieselben  Kenntnisse  aufweisen, 
welche  auf  den  Knabengymnasien  beim  Eintritt  in  die  Obertertia 
vorausgesetzt  werden.  Zugleich  beginnt  in  der  Übergangsklasse  der 
Unterricht  im  Lateinischen.  Die  Anfänge  des  Griechischen  bleiben 
dagegen  der  nächsten  Klasse  vorbehalten,  um  die  Schülerinnen  nicht 
zur  gleichzeitigen  Ergreifung  zweier  neuer  Sprachfächer  zu  nötigen. 
Diese  nächste  Klasse  weist  im  übrigen  den  Lehrplan  der  Obertertia 
auf.  Auch  die  Untersekunda  entspricht  noch  nicht  ganz  derjenigen 
des  Knabengymnasiums.  Erst  mit  Obersekunda  beginnt  der  unver- 
änderte Lehrplan  des  letzteren.  Wir  brauchen  wohl  nicht  erst  zu 
sagen,  wieviel  bei  einer  solchen  Verteilung  des  Unterrichtsstoffes 
jungen  Mädchen  im  Alter  von  12  bis  14  Jahren  zugemutet  wird. 
Was  zunächst  die  Mathematik  anbetrifft,  so  mufs  die  Übergangs- 
klasse   des    Mädchengymnasiums    das    mathematische    Fensum    der 


685 

Quarta  und  das  neu  hinzutretende  der  Untertertia  in  einem  Schul- 
jahre erledigen.  Im  ersten  Semester  mit  4  Stunden  wöchentlich  soll 
das  in  je  zwei  wöchentlichen  Stunden  erlernte  Mathematikpensum 
der  Quarta  des  Knahengymnasiums  nachgeholt  werden.  Im  zweiten 
Semester  werden  wöchentlich  6  mathematische  Stunden  erteilt,  also 
dieselbe  Gesamtzahl  der  Stunden  erreicht,  wie  im  ganzen  Jahre 
der  Untertertia  mit  wöchentlich  3  Stunden.  So  hofft  man  in  einem 
Jahre  zu  erreichen,  wozu  bei  den  Knaben  zwei  Jahre  bestimmt 
sind,  und  das  in  einem  Lehrgegenstande,  der  erfahrungsgemäfs  die 
crux  so  vieler  Mädchenschulen  bildet.  Dazu  aber  kommt  noch,  daCs 
alles  von  den  Mädchen  in  6  Jahren  bisher  Erlernte  in  der 
Übergangsklasse  „vertieft  und  erweitert"  werden  soll  —  eine  gewifs 
nicht  zu  unterschätzende  Leistung.  Im  Griechischen  wird  das 
Pensum  der  Klassen  Untertertia,  Obertertia  und  Untersekunda  des 
Knabengymnasiums  im  Mädchengymnasium  auf  die  beiden  Klassen 
Obertertia  und  Untersekunda  verteilt.  Die  Mädchen  müssen  also 
auf  diesem  Gebiete  innerhalb  zweier  Jahre  dasselbe  leisten,  wie 
die  Knaben  in  drei  Jahren,  obgleich  grade  das  Griechische  auch 
den  letzteren  oft  recht  grobe  Schwierigkeiten  bereitet.  Am  höchsten 
aber  stellen  sich  die  Anforderungen  des  Mädchengymnasiums  während 
des  ersten  Jahres  im  Lateinischen.  Hier  ist  die  schwierige  Auf- 
gabe zu  lösen,  in  der  Übergangsklasse  in  einem  Jahre  das  Pensum 
von  vier  Jahren,  nämlich  das  der  Klassen  Sexta  bis  einschlieMich 
Untertertia,  zu  bewältigen.  Die  Möglichkeit  hierzu  erblickt  man  in 
Befolgung  der  HAAGschen  Methode  des  ersten  Lateinunterrichtes. 
Dr.  G.  Haag,  Professor  an  der  Universität  zu  Bern,  veröffentlichte 
eine  Schrift  unter  dem  Titel:  „Exercices  de  langue  latine;  Lehr- 
mittel zur  Einführung  in  die  lateinische  Sprache  auf  Grund  des 
Französischen,  2.  Aufl.,  Burgdorf,  1893".  Genannte  Schrift  ist 
zunächst  für  die  deutschen  Mittelschulen,  also  auch  die  Gymnasien 
des  Kantons  Bern  bestimmt,  welche  das  Latein  erst  nach  vor- 
aufgegangenem dreijährigen  Unterricht  im  Französischen  beginnen. 
„An  der  Hand  dieses  Lehrmittels,"  so  schreibt  Professor  Haag  im 
Vorwort  desselben,  „kann  in  Jahresfrist  nutzbar  und  mit  einem 
Minimum  von  Hausaufgaben,  nämlich  Repetition  der  in  der  Stunde 
gelernten  Vokabeln,  die  lateinische  Formenlehre  eingeübt  und  ab- 
solviert werden,  so  dafs  sofort  nachher  mit  der  Cäsarlektüre  be- 
gonnen werden  kann."  Haags  Lehrmittel  sei,  so  wird  weiter 
mitgeteilt,  am  Gymnasium  zu  Burgdorf  seit  zwei  Jahren  in  Gebrauch. 
Eine  im  Dezember  1892  vorgenommene  Revision  der  Anstalt  durch 
den  Schulinspektor  Landolt  habe  ergeben,  dafs  das  Lehrmittel 
seinen  Zweck,  die  Schuler,  welche  eine  dreijährige  Ausbildung  im 
Französischen  hinter  sich   haben,    grade   wie   das   bei   den   in  die 


686 

Übergangsklasse  des  MMchengymnasiums  eintretenden  Schülerinnen 
der  Fall  ist,  nach  einährigem  Unterricht  zur  Lektüre  leichterer 
lateinischer  Schriftsteller  zu  befähigen,  vollauf  erfüllt.  Mag  den 
Gymnasiastinnen  der  Übergangsklasse  auch  daraus,  dafe  sie  3  Jahre, 
also  2  Jahre  länger  als  die  gleichaltrigen  Gymnasiasten,  französischen 
Unterricht  genossen  haben,  eine  gewisse  Erleichterung  erwachsen,  so 
ändert  dies  doch  ander  Thatsache  nichts, dafs  sie  innerhalb  eines  Jahres 
genau  dieselbe  Anzahl  lateinischer  Formen  und  Vokabeln  in  ihr 
Gedächtnis  aufnehmen  müssen,  zu  deren  Erlernung  die  Knaben  vier 
Jahre  hindurch  wöchentlich  acht  Stunden  nötig  haben.  Alles  in 
allem  genommen  erscheint  uns  daher  eine  Überbürdung  der 
Schülerinnen  des  Mädchengymnasiums,  wenigstens  während  des  ersten 
Schuljahres,  unvermeidlich.  Eine  solche  Überbürdung  aber  ist  um 
so  bedenklicher,  als  die  Mädchen  im  12.  Lebensjahre  nicht  nur  in  ihrer 
ganzen  Entwicklung  hinter  den  gleichaltrigen  Knaben  zurückstehen, 
sondern  auch,  wie  wir  durch  genaue  Untersuchungen  wissen,  bereits 
eine  sehr  hohe  Kränldichkeitsziffer  zeigen.  Von  sämtlichen  zwölf- 
jährigen Zöglingen  der  höheren  Töchterschulen  Schwedens  konnten 
nach  Professor  Key  nur  36%  als  gesund  betrachtet  werden;  alle 
übrigen  waren  mit  mehr  oder  weniger  ernsten,  langwierigen  Leiden 
oder  Abweichungen  von  einem  gesunden  Zustand  behaftet.  Eine  be- 
sondere Verschärfung  der  Überbürdung  dürfte  bei  weiterer  Ver- 
breitung der  Mädchengymnasien  noch  dadurch  entstehen,  dafs  der 
Verein  „Frauenbildungsreform"  bisher  über  keine  eigenen  Schul- 
gebäude verfügt.  Er  wird  daher  öfter  gezwungen  sein,  —  in  Ham- 
burg ist,  wie  wir  hören,  in  diesem  Sinne  bereits  ein  Gesuch  an  die 
Behörde  gerichtet  —  die  Räume  einer  öffentlichen  Schule  für  seine 
Schülerinnen  mitzubenutzen.  Da  diese  aber  nicht  vor  2  oder  3  Uhr 
frei  sind,  so  kann  der  Unterricht  erst  am  Nachmittag  beginnen. 
Die  für  geistige  Arbeit  besonders  günstige  Vormittagszeit  geht  also 
für  die  Gymnasiastinnen  als  Schulzeit  verloren;  sie  treten  weniger 
frisch  als  die  Knaben  erst  nach  Tisch  in  den  Unterricht  ein.  Mit 
dem  späteren  Beginn  der  Stunden  hängt  aber  weiter  zusammen,  dafs 
dieselben,  wenigstens  während  des  Winters,  in  der  Mehrzahl  bei 
Licht  erteilt  werden  müssen.  Daraus  erwächst  für  die  Augen  eine 
um  so  ernstere  Gefahr,  als  die  künstliche  Beleuchtung  der  meisten 
Schulen  nicht  ausreichend  ist,  so  dafs  die  Zahl  der  kurzsichtigen 
Mädchen  keine  kleine  werden  dürfte.  Endlich  aber  wird  auch 
die  Beschaffenheit  der  Luft  in  den  Klassenräumen  leicht  zu 
wünschen  übrig  lassen.  Findet  hier  doch  fast  den  ganzen  Tag 
Unterricht  statt,  so  dafs  für  längere  Lüftung  der  Schulzimmer  keine 
Zeit  übrig  bleibt.  Aufserdem  trägt  auch  die  künstliche  Beleuchtung, 
insofern  sie  keine  elektrische  ist,    bekanntlich  zur  Vermehrung  der 


687 

Kohlensäure  und  damit  zur  Verschlechterung  der  Schulluft  bei.  Nach 
allem  dem  wird  man  den  Leitern  und  Leiterinnen  des  ersten  deutschen 
Mädchengymnasiums,  gestutzt  auf  sachliche  Gründe  und  fern  von 
jeder  Parteilichkeit,  ein  „Caveant  consules!"  zurufen  müssen. 

Augenärztliche  Untersuchung  der  Zöglinge  des  Waisen- 
hauses und  der  Erziehungsanstalt  zu  Rummelsburg.  Wie 
in  früheren  Jahren,1  so  wurden  auch  im  Verwaltungsjahre  1892 — 93 
die  Augen  der  genannten  Zöglinge  von  Dr.  P.  Selex  untersucht. 
Über  die  gewonnenen  Resultate  bemerkt  derselbe:  Von  den  926 
Augen  der  463  Knaben  entfallen  766  auf  Zöglinge  des  Waisenhauses. 
Davon  hatten  normalen  Bau  497  =  64,9%,  übersichtig  waren  112  = 
14,6%,  kurzsichtig  47  =  6,i%  und  astigmatisch  110=14,4%. 
Hornhautflecke  fanden  sich  im  ganzen  69  mal,  also  bei  7,7%.  Die 
160  Augen  der  Zöglinge  des  Erziehungshauses  zeigten  Normalbau 
110  mal  =  68,7  %,  Übersichtigkeit  15  mal  =  9,s  %,  Kurzsichtigkeit 
14  mal  =  8,8%  und  Astigmatismus  21  mal  =13,»%.  Hornhaut- 
flecken hatten  5,2%.  Der  Prozentsatz  der  Kurzsichtigen  entspricht 
ungefähr  dem,  wie  ihn  andere  Untersucher  in  städtischen  Elementar- 
schulen gefunden  haben;  in  Dorfschulen  ist  er  durchschnittlich 
geringer  (2 — 3%).  Bedenkt  man  aufserdem,  dafe  nur  9  Augen  = 
l,i%  an  sogenannter  deletftrer  Myopie  litten,  d.  i.  einer  solchen, 
die  in  späteren  Jahren  zu  Erkrankungen  der  inneren  Augenhäute, 
gelegentlich  aber  auch  zu  Erblindungen  Veranlassung  gibt,  so  sind 
die  Kurzsichtigkeitsverhältniese  für  diesen  Jahrgang  als  günstige  auf- 
zufassen, und  dies  auch  deswegen,  weil  die  Myopie  nur  bei  21 
Augen  =  2,a%  die  Ursache  einer  für  viele  Berufsarten  un- 
zureichenden Sehschärfe  war.  Bei  Berücksichtigung  der  61  kurz- 
sichtigen Augen  ergab  sich,  wie  dies  auch  schon  früher  festgestellt 
wurde,  dafs  die  Sehschärfe  derselben  häufig  herabgesetzt  war,  ins- 
besondere dafs  34,4%  ein  schlechtes  Sehvermögen  besafsen.  Auf- 
fallend ist  der  hohe  Prozentsatz  an  Astigmatikern  (13,8%).  In 
manchen  Berichten  über  Schuluntersuchungen  findet  sich  dieser  Zustand 
gar  nicht  erwähnt  und  in  anderen  in  so  niedriger  Zahl,  dafs  wir 
auf  Grund  der  vorliegenden  und  der  früheren  Prüfungen  uns  zu  dem 
Ausspruche  berechtigt  halten,  er  sei  öfter  übersehen  und  manches 
hierher  gehörige  Auge  wegen  der  Verminderung  der  Sehschärfe  als 
kurzsichtig  notiert  worden.  Dafs  unsere  463  Knaben  sich  in  dieser 
Beziehung  anders  verhalten  sollten,  als  z.  B.  diejenigen  in  irgend 
einer  Schule  Schlesiens,  wird  doch  niemand  behaupten  wollen.  Wir 
rechnen  zu  den  Astigmatikern  alle  die  Fälle,  bei  denen  der  Augen- 
spiegel und  die  funktionelle  Prüfung  mit  Gläsern  das  Vorhandensein 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1891,  No.  6,  S.  362-363. 


688 

dieses  Brechungsfehlers  erweist.  Der  Astigmatismus,  meist  eine 
angeborene  und  selten  sich  ändernde  Krümmungsanomalie  der  Hornhaut, 
hätte  nun  als  solcher  nichts  zu  bedeuten,  wenn  nicht  infolge  des 
oft  nur  teilweise  zu  korrigierenden  optischen  Fehlers  und  einer 
vielfach  dabei  vorkommenden  Entwickelungsstörong  der  Netzhaut  die 
Sehschärfe  in  der  Regel  dadurch  herabgesetzt  würde.  Von  den  926 
Augen  überhaupt  hatten  86  oder  9,i%  eine  Sehschärfe,  die 
geringer  war  als  7s  der  normalen,  von  den  131  astigmatischen 
Augen  dagegen  65,6%.  Letztere  Zahl  ist  also  bedeutend  an- 
günstiger als  bei  der  Myopie,  wo  sie  nur  34,4%  betrog. 
Volle  Sehschärfe  besafeen  von  den  926  Augen  497  =  53,7%, 
V«  Sehschärfe  129  =  13,»%  und  l/i  106  =  11,4%.  Weniger 
als  7a,  und  dies  auch  nach  Korrektion  aller  optischen  Fehler, 
hatten  194  Augen  =  21%.  Diese  sind  für  viele  Berufs- 
arten, z.  B.  die  eines  Tischlers,  Zimmerers,  Schriftsetzers  u.  s.  w., 
nicht  oder  nur  in  beschränktem  Mafee  geeignet.  Den  besten  Maßsstab 
für  die  Beurteilung  der  Sehschärfe  erhält  man,  wenn  man  sich  daran 
erinnert,  dafe  für  den  aktiven  Militärdienst  eine  solche  von  7a  und 
mehr  verlangt  wird.  Es  würden  sich  also  21%  oder  der  fünfte 
Teil  der  Augen  der  untersuchten  Knaben  für  jenen  Dienst  nicht 
eignen.  Von  den  zur  Beobachtung  gekommenen  und  teilweise  auch 
behandelten  Augenleiden  seien  Bindehaut-  und  Lidrandentzündungen, 
Hornhautaffektionen,  Schielen,  Linsentrübungen  und  Aderhaut- 
erkrankungen erwähnt.  Die  Verordnung  einer  Anzahl  von  Brillen, 
namentlich  für  die  Astigmatiker,  war  notwendig.  Einem  Knaben 
wurde  mit  günstigem  Erfolg  seine  hochgradige  Kurzsichtigkeit  operiert. 
Die  Vornahme  der  Operation,  die  in  einer  Entfernung  der  Linse 
besteht,  empfiehlt  sich  im  grofsen  und  ganzen  nur  bei  solchen 
Patienten,  welche  feinen  Druck  nicht  weiter,  als  etwa  5 — 6  cm  vom 
Auge  entfernt,  fließend  zu  lesen  vermögen.  Nach  der  Operation 
sehen  die  Betreffenden,  wie  das  auch  bei  diesem  Knaben  der  Fall 
war,  in  die  Ferne  gut  ohne  Glas. 

Zur  Frage  der  Anstellung  von  Schulärzten.    In  der  „Päd. 

Warte*  lesen  wir:  Die  Direktoren  der  Braunschweiger  Schulen, 
vom  Magistrat  aufgefordert,  ihre  Ansicht  über  den  Antrag  der 
Stadtverodneten ,  die  Anstellung  von  Schulärzten  betreffend,1  ab- 
zugeben, haben  sich  ablehnend  zu  demselben  verhalten,  da  der  Beweis 
nicht  erbracht  sei,  dais  der  Mangel  an  Schulärzten  auf  den  Gesund- 
heitszustand der  Schüler  irgendwie  nachteilig  gewirkt  habe.  Dagegen 
haben  dieselben  nachzuweisen  versucht,  dafs  die  Anstellung  solcher 
Ärzte  entbehrlich  sei. 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1893,  No.  4,  S.  210—213. 


689 

Über  den  Einflute  der  Hefttage  und  Schriftrichtung  auf 
die  Körperhaltung  der  Sehfller  hat  eine  Specialkommission  in 
den  Stadtschulen  von  Zürich  Untersuchungen  angestellt  und  in  einem 
sorgfältigen,  durch  Tabellen  und  Tafeln  illustrierten  Bericht,  redigiert 
von  unserem  geschätzten  Mitarbeiter,  Privatdocent  Dr.  W.  Schülthesö, 
Augenarzt  Dr.  Ritzmann   und  Lehrer  H.  Wipf,   zu  Händen  der 
Centralschulpfiege    ausführliche    Rechenschaft    abgelegt.      Es    sollte 
durch  vergleichende  Beobachtungen  an  Schülern,    von    welchen    die 
einen  schräg,  die  anderen  steil  schrieben,  nachgewiesen  werden,    ob 
die    in    den  letzten   Jahren  von  verschiedenen   Seiten  im  Interesse 
einer  besseren  Körperhaltung  der  Schulkinder  verlangte   Einführung 
der  Steilschrift  in  der  That  die  ihr  zugesprochenen  Vorzüge  besitze, 
so  dafe  sich  ihre  allgemeine  Verwendung  in  den  Schulen  rechtfertigen 
würde.     Bei  den   mit  grofser  Umsicht  vorgenommenen  Erhebungen 
wurden     im    ganzen     628    Schüler    benutzt;     davon    waren    250 
Steil-,   378  Schrägschreiber.     Die  mühsamen  Untersuchungen,    über 
deren  Technik   der  Bericht   selber  zu  Bäte  gezogen  werden  mufs, 
ergaben  als  hauptsächlichste  Resultate  folgende:    1.  Die  Steilschrift 
veranlagst  bei  dem  jetzigen  Schulbanksystem  die  Schüler  in  bedeutend 
geringerem  Grade  zu  Seitwärtsneigungen  und  Drehungen  des  Kopfes 
und  des  Rumpfes,   als  die  Schrägschrift,   welche  sowohl  bei  Rechts- 
lage,   als   bei    schiefer  Mittenlage    des    Heftes    zu    asymmetrischer 
Haltung  des  Körpers  führt.     2.    In  Bezug  auf  aufrechte  Körper- 
haltung und  gehörige  Entfernung  der  Augen  vom  Heft  übt  die  Dis- 
ciplin  einen  wesentlichen  Einflufs  aus.    3.  Die  Steilschrift  kann  nur 
bei  einer  bestimmten  Lage  des  Heftes  mitten  vor  dem  Körper,  bei  der 
sogenannten  geraden  Medianlage,    geschrieben  werden;    bei   Schräg- 
schrift   dagegen   kann    die   Heftlage    eine    sehr   verschiedene    sein. 
4.    Im    Interesse    einer   leichten    Handhabung    der    Schreibdisciplin 
erscheint  eine  Einigung  über  die  in  den  Schulklassen  sehr  verschie- 
denen Gebräuche  hinsichtlich  Heftlage,  Schriftrichtung,   Schriftgröße 
und  Liniatur  dringend  wünschenswert.     Die  Vorschläge,   welche  die 
Untersuchungskommission    an    die     Schulpflege     formulierte,     sind: 
Empfehlung    der  Steilschrift   angesichts  ihrer  hygienischen  Vorzüge, 
zu    deren  Einführung   aber  die  Umgestaltung  der  Schulbänke  eine 
unerläßliche  Bedingung  ist;   ferner  Fortsetzung   der  Versuche  unter 
Berücksichtigung  letztgenannter  Bedingung,  Feststellung  einheitlicher 
Vorschriften  in   Bezug  auf  Heftlage,    Art    der  Schrift  und  Schrift- 
riehtung.     Zum  Schlüsse  wird  die  Schulpflege  ersucht,   bei  den  zu- 
ständigen Instanzen  den  Wunsch  auszusprechen,   es  möchte  in  allen 
kantonalen  Lehrerbildungsanstalten  der  Unterricht  in  der  Gesundheits- 
lehre obligatorisch  eingeführt  werden. 


690 

Die  ZIhne  der  Kinder  in  der  Distriktssehule  West- 
Londons  EU  Ashford  sind,  wie  „The  Brit.med.  J<mrn.u  berichtet, 
auf  Veranlassung  des  Verwaltungsrates  von  dem  Zahnärzte  Pbrct 
L.  Wbbste»  untersucht  worden.  Bei  dm  784  Schillern  war 
863  mal  das  Ausziehen  eines  Wechselzahns,  230  mal  dasjenige 
eines  bleibenden  Zahns  nötig;  mehr  als  600  Zähne  erforderten 
Füllung.  In  der  ganzen  Schule  befanden  sich  nur  88  Kinder  mit 
gesundem  Gebifs.  Der  Verwaltungsrat  hat  die  Anstellung  eines 
besonderen  Zahnarztes  für  die  Schule  beschlossen.  Nach  Webster 
wird  derselbe  im  ersten  Jahre  wöchentlich  2  Tage,  später  wöchent- 
lich 1  Tag  für  seine  Aufgabe  nötig  haben. 

Hygienische  Reform  der  Elementarlesebücher  in  Öster- 
reich. Die  k.  k.  Unterrichtsverwaltung  hat,  wie  die  „Neu.  fr.  Pr.u  be- 
richtet, durch  die  Landesschulbehörden  vor  einiger  Zeit  erprobte 
Schulmänner  der  einzelnen  Provinzen  eingeladen,  anläfslich  der 
Herausgabe  neuer  Schulfibeln,  namentlich  solcher  mit  Steilschrift, 
fachmännische  Gutachten  abzugeben.  Diese  Elementarlesebücher 
sollen  demnächst  im  k.  k.  Schulbttcherveriage  in  Wien  veröffentlicht 
werden.  Es  handelte  sich  darum,  bei  den  verschiedenen  Ausgaben 
der  im  genannten  Verlage  erscheinenden  Schulfibeln  rücksichtlich  der 
Frage  der  Schrift  einen  einheitlichen  Vorgang  herbeizuführen.  Die 
Experten  hatten  sich  hauptsächlich  über  drei  Anträge  zu  äufeern, 
welche  teils  von  Seiten  der  Unterrichtsverwaltung,  teils  von  Seiten 
des  k.  k.  Schulbücherverlages  in  Anregung  gebracht  waren.  Diese 
Anträge  lauteten:  1.  In  den  Fibeln  soll  die  Schreibschrift  durch- 
gehends  in  vierzeiligen  Linien  vorgeführt  werden.  2.  Die  Schreib- 
schrift in  den  Heften  soll  gar  kein  Lineament  erhalten.  3.  Nur  für 
die  erste  Vorführung  eines  Buchstaben  und  für  die  Veranschaulichung 
der  relativen  Grölsenverhältnisse  sollen  in  einem  oder  zwei  Wörtern, 
ferner  in  Normalwörterfibeln  für  das  Normalwort  und  dessen 
Bestandteile  Zeilenlinien  angewendet  im  übrigen  aber  die  Schreib- 
schriftzeilen in  Zukunft  ohne  rastrierte  Linien  vorgeführt  werden. 
Dabei  wurde  nicht  vergessen,  darauf  hinzuweisen,  dafe  nach  Be- 
hauptung einzelner  Pädagogen  bei  Anwendung  der  Zeilenlinien  Form 
und  Charakter  der  verschiedenen  Buchstaben  weniger  klar  vor 
Augen  treten,  als  bei  nicht  liniierten  Zeilen.  Die  zu  Rate  gezogenen 
Schulmänner  hatten  sich  bei  Abgabe  ihres  fachmännischen  Gut- 
achtens sowohl  vom  didaktischen,  als  auch  vom  hygienischen  Stand- 
punkte über  die  obschwebende  Frage  zu  äufsern  und  in  dieser 
Beziehung  bestimmte  Anträge  bei  ihren  Landesschulräten  einzubringen. 

Der  zweite  Braunschweiger  Lehrgang  für  Tnrnspiele. 

Auch    in    diesem   Jahre    ist    zu    Braunschweig    unter   Leitung   des 
Gymnasialdirektors   D.  Dr.  Koldewey   ein  Kursus   zur   Ausbildung 


691 

von  Lehrern  in  den  Jugend-  und  Volksspielen  abgehalten  worden. 
Unser  geschätzter  Mitarbeiter,  Herr  Professor  Dr.  Koch,  schreibt 
darüber  in  der  „Dtsch.  Turnttg." :  Teilgenommen  haben  am  dies- 
jährigen Lehrgange  19  Lehrer,  von  denen  8  an  höheren,  11  an 
mittüeren  und  unteren  Schulen  unterrichten,  aus  den  Ortschaften 
Altenburg,  Blankenburg,  Bortfeld,  Braunschweig,  Detmold,  Ganders- 
heim,  Helmstedt,  Hildesheim,  Holzminden,  Lübtheen  in  Mecklenburg, 
Osterburg,  Schwerin  und  Wolfenbüttel.  Die  Zahl  der  Teilnehmer 
ist  einigermafsen  hinter  der  des  Vorjahres  zurückgeblieben,  wo 
32  Herren  zugelassen  wurden,  außerdem  aber  mehrere  verspätete 
Anmeldungen  zurückgewiesen  werden  mußten.  Nun  hat  die  Erfahrung 
gelehrt,  dafe  bei  der  kleineren  Zahl  die  Ziele  des  Lehrganges  sich 
weit  sicherer  haben  erreichen  lassen  und  dafs  gerade  die  Zahl  von 
etwa  20  für  solche  Lehrgänge  als  die  wünschenswerte  sollte  hin- 
gestellt werden.  Immerhin  aber  weist  das  Zurückgehen  der  An- 
meldungen darauf  hin,  dafs  die  Einsicht  von  der  Bedeutung  der 
Schulspiele,  wie  der  Vorsitzende  des  Lehrganges,  Direktor  D.  Dr. 
Koldewet,  in  seiner  Eröffnungsrede  ausführte,  noch  immer  nicht 
hinreichend  verbreitet  ist.  Übrigens  sind  bei  diesem  Zurückgehen, 
was  nicht  unerwähnt  bleiben  darf,  auch  einige  äufsere  Umstände  in 
Betracht  gekommen.  Die  Einrichtung  des  Lehrganges  war  im  übrigen 
der  vorjährigen  gleich.  In  der  ersten  Hälfte  der  Woche  hatte  vor- 
mittags der  Berichterstatter  die  einleitenden  Vorträge  zu  halten  und 
die  nötige  Anleitung  zum  Betriebe  der  Spiele  zu  geben,  während 
beides  in  der  zweiten  Hälfte  dem  Turninspektor  Hermann  zufiel. 
Demgemäß  wurden  am  Nachmittage  in  den  beiden  ersten  Wochen- 
tagen die  Spiele  der  Schüler  des  Martino-Catharineums  den  fremden 
Gästen  vorgeführt,  am  Donnerstag  und  Freitag  die  Spiele  der 
Schuler  des  Neuen  Gymnasiums.  Wir  dürfen  wohl  bemerken,  dafs 
dabei  die  Leistungen  unserer  Zöglinge,  namentlich  aber  ihr  Eifer 
und  ihre  Frische,  im  allgemeinen  vielfach  anerkannt  worden  sind. 
Eine  Neuerung  von  Bedeutung  ist  gegenüber  dem  vorjährigen  Lehr- 
gange zu  verzeichnen.  Am  Mittwoch  Nachmittag  haben  in  der  Zeit 
von  5 — 7  Uhr  abends  Wettkämpfe  zwischen  den  Schülern  unserer 
beiden  hiesigen  humanistischen  Gymnasien  stattgefunden.  Für  den 
Berichterstatter  war  dieser  Versuch  um  so  bedeutungsvoller,  als  er 
in  der  diesjährigen  Sitzung  des  Centralausschusses  die  Wichtigkeit 
der  Wettspielkämpfe  für  die  Belebung  des  Interesses  und  die  Aus- 
bildung im  regelrechten  und  feinen  Spiele  geltend  gemacht  und 
daraufhin  Veranstaltung  solcher  Wettspiele  durch  den  Ausschufs 
verlangt  hatte.  Das  gute  Gelingen  der  beiden  hier  veranstalteten 
Wettkämpfe  in  Kaiserball  und  Fufsball  war  wieder  ein  Beweis  für 
die  von  manchem  bezweifelte  Möglichkeit  solcher  übrigens  nicht  blofs 


692 

der  englischen,  sondern  auch  alter  deutscher  Sitte  entsprechenden 
Kämpfe.  Allerdings  sind  unsere  filteren  Schüler  dadurch,  dafe  sie 
auch  sonst  beim  Spiele  unter  eigener  Leitung  stehen,  vielleicht  be- 
sonders gut  vorbereitet  für  die  beim  Wettspiel  nötige  strenge  Zucht 
und  Ordnung.  Auch  haben  ja  schon  froher  unsere  Gymnasiasten 
wiederholt  mit  fremden  Fußball-  oder  Cricketriegen  sich  gemessen, 
mit  denen  anderer  hiesigen  Schulen,  wie  solchen  aus  Hannover  und 
Göttingen.  Auch  diese  Wettkämpfe  waren  alle  gut  gelungen  und 
hatten  stets  auf  das  ganze  Spielleben  unserer  Jugend  einen  sehr 
anregenden  Einflufs.  Unter  den  diesmal  hier  eingeübten  Spielen 
war  auch  das  namentlich  in  Bonn  beliebte  Spiel  Feldball,  das  sich 
zunächst  als  eine  Vorübung  zum  dicket  empfiehlt  und  unserem 
deutschen  Ballschlagen  in  mancher  Beziehung  näher  steht.  Eine 
längere  Erfahrung  wird  vielleicht  diesem  Spiele  eine  bevorzugtere 
Stellung  einräumen,  weil  es  unleugbar  vor  den  meisten  anderen 
manche  Vorzüge  besitzt.  Das  straffe  Spiel  der  Cricketriege  der 
Prima  des  alten  Gymnasiums  machte  freilich  auf  die  Teilnehmer  des 
Lehrganges  einen  weit  stärkeren  Eindruck.  Übrigens  fand  auch  in 
diesem  Jahre  das  hier  zuerst  eingeführte  altgriechische  Spiel  Harpastum 
wieder  allgemeinen  Beifall;  es  läfst  sich  sowohl  von  den  ältesten 
Schülern  spielen,  wie  von  den  ersten  Anfängern  in  Sexta  und  Quinta, 
beschäftigt  sämtliche  Mitspieler  und  erweckt  allgemeines  Interesse. 
In  den  geselligen  Zusammenkünften,  die  nach  des  Tages  Last  und 
Hitze  Erholung  boten,  fand  sich  Gelegenheit  zunächst  zur  Besprechung 
mancher  Einzelheiten,  die  im  theoretischen  Teile  nicht  berührt  waren 
und  sich  auf  dem  Spielplatze  selbst  nicht  hatten  erledigen  lassen. 
Dafs  die  Jugend  unserer  höheren  Schulen  allgemein  nicht  blofs  im 
Sommer,  sondern  auch  im  Winter  spielt,  soweit  es  Schnee  und  Eis 
gestatten,  ist  schon  etwas,  was  wir  vor  fast  allen  anderen  Städten 
voraushaben.  Unser  zweckmäfsig  eingerichteter  Eisbahnverein1 
kann,  zumal  da  er  im  Norden  der  Stadt  die  dringend  nötige  Bahn 
nun  auch  einrichtet,  jedenfalls  wegen  seiner  grofeen  Erfolge  auf 
diesem  Gebiete  Anerkennung  beanspruchen.  Vereinigt  er  doch  auf 
seiner  Bahn  jung  und  alt,  lockt  er  doch  auch  das  weibliche  Ge- 
schlecht zum  lustigen  Laufe  auf  die  glatte  Bahn!  Auf  dem  Gebiete 
des  Mädchenturnens  stehen  wir  auch  sonst  keineswegs  zurück,  wie 
das  schon  der  unter  Leitung  des  Turninspektors  Hermann  ver- 
anstaltete Lehrgang  für  Jugendspiele  der  Mädchen  beweist,  zu  dem 
sich  von  nah  und  fern  zahlreiche  Teilnehmerinnen  eingefunden  haben. 
Die  Spiele  an  den  Bürgerschulen  sind  noch  etwas  zurückgeblieben, 
doch  haben  diejenigen  der  Schule  am  Bültenwege,  die  am  Dienstag 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1889,  No.  1,  S.  3—9.    D.  Red. 


693 

den  Gästen  vorgeführt  wurden,  vielfache  Anerkennung  gefunden. 
Am  wichtigsten  aber  für  die  rechte  Art  der  Jugenderziehung  müssen 
die  hier  alljährlich  so  glücklich  durchgeführten  Volkswettkampfe  des 
Sedanfestes  erscheinen.  Längst  ist  dieses  Fest  nicht  mehr  ein 
blofses  Siegesfest;  die  vaterländische  Feier  mufs  selbstverständlich 
dem  Tage  bleiben,  aber  das  Fest,  wie  es  hier  gefeiert  wird,  ist  ein 
wahres  Volksfest  mit  eigener  Bedeutimg  geworden,  wie  es  die  Männer, 
die  an  der  schwierigen  socialen  Frage  arbeiten,  überall  unserem 
Volke  wünschen,  und  wie  es  Jahn  in  seinem  deutschen  Volkstum 
vor  mehr  als  neunzig  Jahren  hat  einrichten  wollen,  um  unserem 
deutschen  Volke  einmal  das  damals  entschwundene  Gefühl  der  Zu- 
sammengehörigkeit, dann  aber  auch  die  Richtung  auf  die  kräftigen 
Leibesübungen  im  Freien  zu  geben.  Wer  das  Leben  unserer  Schüler 
wirklich  kennt,  weifs,  wie  außerordentlich  anregend  das  Sedanfest 
nach  der  Seite  hin  wirken  kann  in  den  weitesten  Kreisen.  Jeden- 
falls können  wir  uns  den  Volkesfrühling,  den  wir  erhoffen,  nicht 
denken  ohne  allgemeine  Volksfeste  im  Freien,  die  als  Mittelpunkt 
Volkswettkämpfe  und  Wettspiele  haben. 

Eindergärten  in  Japan.  Nach  dem  statistischen  Jahres- 
berichte des  Kaiserreichs  Japan  bestehen  dort  12  öffentliche  Kinder- 
gärten mit  768  Kindern  und  14  private  mit  521  Kindern.  Während 
sich  FEÖBBLsche  Gärten  früher  nur  in  den  japanischen  Grofsstädten 
befanden,  verbreiten  sie  sich  jetzt  mehr  und  mehr  auch  in  den 
mittleren  Städten. 


änttlidie  tterföguncjen. 


Verordnung  der  französischen  Regierung, 
betreffend  Mafsregeln  in  den  Primarschulen  cur  Verhütung 

und  Bekämpfung  von  Epidemien. 

I. 
Allgemeine  Mafsregeln,  um  die  Verbreitung  ansteckender 

Krankheiten  zu  vermeiden. 

§  1.  Die  Schulen  müssen  mit  reinem  Wasser  (Quellwasser, 
filtriertem  oder  gekochtem  Wasser)  versehen  sein;  nur  solches  darf 
den  Schülern  zur  Verfügung  gestellt  werden. 

§  2.  Die  Aborte  der  Schulen  dürfen  nicht  in  direkter  Ver- 
bindung mit  den  Klassen  stehen.  Die  Gruben  müssen  dicht  und 
so  weit  als  möglich  von  den  Brunnen  entfernt  sein. 


694 

§  3.  Während  der  Pansen  und  am  Abend  sind  die  Schul- 
zimmer,  nachdem  die  Schüler  dieselben  verlassen  haben,  durch 
Öffnen  sämtlicher  Fenster  zu  lüften. 

§  4.  Die  Reinigung  des  Fußbodens  darf  nicht  trocken  ver- 
mittelst Ansfegens  geschehen,  sondern  nur  mit  einem  Scheuerlappen 
oder  feuchten  Schwämme. 

§  5.  Wöchentlich  einmal  soll  ein  gründliches  Scheuern  des 
Fuüsbodens  mit  einer  antiseptischen  Flüssigkeit  vorgenommen  werden. 
Ein  entsprechendes  Abwaschen  der  W&nde  mufs  wenigstens  zweimal 
jährlich,  in  den  Oster-  und  den  groben  Ferien,  stattfinden. 

§  6.  Die  Reinlichkeit  der  Kinder  wird  bei  ihrer  Ankunft  in 
der  Schule  überwacht.  Jedes  Kind  mufs  sich,  bevor  es  nach  der 
Pause  wieder  m  die  Klasse  eintritt,  die  Hände  waschen. 

n. 

Allgemeine  Mafsregeln  zur  Zeit,  wo  eine  ansteckende 

Krankheit  herrscht. 

§  7.  Der  Schulschluis  darf  nur  in  den  in  §  14  angegebenen 
Fällen  verfugt  werden.  Vorher  sind  die  allmählichen  Entlassungen 
und  die  unten  beschriebenen  Desinfektionen  vorzunehmen. 

§  8.  Jedes  fiebernde  Kind  mufis  unmittelbar  aus  der  Schule 
entfernt  oder,  falls  es  sich  in  einem  Internate  befindet,  in  die 
Krankenabteilung  übergeführt  werden. 

§  9.  Kinder,  die  nachweislich  von  einer  ansteckenden  Krank- 
heit befallen  sind,  haben  die  Schule  zu  verlassen;  hält  es  der  ärzt- 
liche Schulinspektor  für  nötig,  so  ist  die  Ausschliefsung  auch  auf 
die  Brüder  und  Schwestern  des  befallenen  Kindes,  ja  selbst  auf 
alle  dasselbe  Haus  bewohnenden  Kinder  auszudehnen. 

§  10.  Die  Desinfektion  der  Klasse  wird  entweder  in  der 
Mittagszeit  oder  am  Abend,  nachdem  die  Schüler  den  Unterricht 
verlassen  haben,  vorgenommen.  Sie  umfalst  das  Abwaschen  des 
Bodens  und  der  Mauern,  das  Besprengen  der  Karten  und  der  übrigen 
an  den  Wänden  befindlichen  Gegenstände,  das  Scheuern  der  Tische, 
Bänke,  Schränke  u.  s.  w.  mit  einer  antiseptischen  Lösung.  Der 
Platz  des  kranken  Zöglings  ist  besonders  sorgfältig  und  gründlich 
zu  desinfizieren,  seine  Bücher,  Hefte  u.  s.  w.  Rind  zu  verbrennen ; 
letzteres  gilt  auch  von  den  Spielsachen  und  ähnlichen  Gegenständen 
der  Kinderbewahranstalten,  sofern  Ansteckungsstoff  daran  haften 
könnte. 

§  11.  Die  Familie  eines  jeden  mit  einer  ansteckenden  Krank- 
heit behafteten  Kindes  erhält  Mitteilung  über  die  gegen  die  Weiter- 
verbreitung derselben  zu  ergreifenden  Mafsregeln;  zugleich  wird  ihr 
eingeschärft,  dafs  sie  das  Kind  erst  dann  wieder  eur  Schule  schicken 


695 

darf,  wenn  es  gebadet  oder  mehrere  Male  mit  Seife  gewaschen, 
und  wenn  alle  seine  Kleider  entweder  desinfiziert  oder  in  kochendem 
Wasser  gewaschen  sind. 

§  12.  Die  erkrankt  gewesenen  Kinder  dürfen  nur  auf  Grund 
eines  ärztlichen  Zeugnisses  und,  nachdem  seit  Beginn  der  Krankheit 
die  von  der  Akademie  der  Medizin  vorgeschriebene  Zeit  verflossen 
ist, 1  wieder  zum  Unterrichte  zugelassen  werden. 

§  13.  Sobald  die  Schließung  der  Schule  nötig  geworden,  wird 
an  alle  Eltern  der  Kinder  ein  Exemplar  der  auf  die  betreffende 
epidemische  Krankheit  bezüglichen  Belehrung  geschickt. 

in. 

Besondere  Mafsregeln  für  die  einzelnen  ansteckenden 

Krankheiten. 

§  14.  Auf  Anordnung  des  ärztlichen  Schulinspektors  sind  fol- 
gende den  Bestimmungen  des  beratenden  Komitees  für  Gesundheits- 
pflege entsprechende  Mafsnahmen  zu  treffen,  sobald  eine  der  nach- 
stehenden Krankheiten  in  der  Schule  sich  zeigt. 

Blattern.  Ausschließung  der  erkrankten  Kinder  während 
der  Dauer  von  40  Tagen,  Vernichtung  ihrer  Bücher  und  Hefte, 
allgemeine  Desinfektion,  Wiederimpfung  sämtlicher  Lehrer  und 
Schüler. 

Scharlach.  Ausschließung  der  erkrankten  Kinder  wahrend 
der  Dauer  von  45  Tagen,  Vernichtung  ihrer  Bücher  und  Hefte, 
allgemeine  Desinfektion,  Schulschlufs,  wenn  in  einigen  Tagen  trotz 
aller  Vorsichtsmaßregeln  mehrere  Fälle  auftreten. 

Masern.     Ausschließung  der  erkrankten  Kinder  während  der- 
Dauer  von  16  Tagen,  Yernichtung  ihrer  Bücher  und  Hefte,  nötigen- 
falls Entlassung  der  Kinder  unter  6  Jahren. 

Wasserblattern.     Allmähliche  Ausschliefsung  der  Kranken. 

Mumps.  Allmähliche  Ausschliefsung  der  Erkrankten  während 
der  Dauer  von  10  Tagen. 

Diphtherie.  Ausschließung  der  Kranken  während  der  Daner 
von  40  Tagen,  Vernichtung  der  Bücher,  Hefte,  Spielsachen  und 
sonstigen  Gegenstände,  welche  infiziert  sein  können,  successive 
Desinfektionen. 

Keuchhusten.  Allmähliche  Ausschließungen  während  der 
Dauer  von  3  Wochen. 

Grind  und  Pelade.  Allmähliche  Ausschließungen,  Wieder- 
eintritt in  die  Schule  erst  nach  methodischer  Behandlung  und  Ver- 
bandanlegung. 


1  S.  diese  Zeitschrift,  1893,  No.  12,  S.  674.     D.  Red. 


696 


Aus  dem  Rundschreiben  der  k.  k.  niederSsterreichisehen 
Statthalterei  vom  9.  Februar  1892,  Z.  5435,  fiber  die  Merk- 
male und  die  Behandlung  der  Varicellen  oder  Schafblattern. 

Unter  Varicella  ist  zu  verstehen  ein  akutes  kontagiöses  Exanthem, 
charakterisiert  durch  eine  meist  plötzliche,  Ton  keinem  oder  fast  aus- 
nahmslos kurz  dauerndem  geringen  Fieber  begleitete  Eruption  von 
weichlichen,  wasserhellen,  herpesähnlichen,  oberflächlich  sitzenden, 
aus  Roseolaflecken,  nicht  aus  harten  Knötchen  sich  entwickelnden 
BiÄschen,  die  nach  kurzer,  etwa  24  Stunden  langer  Dauer  von  der 
Mitte  aus  zu  kleinen  Erttstchen  eintrocknen,  welche  nach  wenigen 
Tagen  abfallen  und  nur  an  einzelnen  Stellen  eine  minimal  vertiefte 
weiche  Narbe  zurücklassen. 

Diesem  Exanthem  ist  eigentümlich  das  Fehlen  eines  Prodromal- 
stadiums, ein  schubweises  Nachrücken  neuer  Efflorescenzen  in  den 
ersten  Tagen  unter  sehr  mäfeigem  Fieber,  am  Schlüsse  der  Eruption 
der  gleichzeitige  Befund  von  Efflorescenzen  in  allen  Stadien  der  Ent- 
wicklung und  Rückbildung  an  den  sichtbaren  Schleimhäuten,  besonders 
im  Munde,  nur  einzelne  schlaffe  Bläschen  von  kurzer  Dauer,  während 
des  ganzen  Verlaufes  kaum  nennenswerte  Störung  des  Allgemein- 
befindens, völlige  Heilung  beiläufig  nach  acht  Tagen. 

Das  Exanthem  befällt  nur  selten  Individuen  jenseits  der  Grenzen 
des  Eindesalters.  Sein  Auftreten  findet  teils  sporadisch,  teils  in 
kleinen  Epidemien  statt.  Die  Varicelle  besitzt  volle  Unabhängigkeit 
gegenüber  der  Impfung. 

1.  Varicellenkranke  sind  von  allen  an  Blattern,  auch  von  den 
an  der  leichtesten  Form  derselben  (Variolois)  erkrankten  Personen 
sorgfältigst  isoliert  unterzubringen  und  zu  pflegen.  Überhaupt  dürfen 
unter  keinerlei  Umständen  an  einem  Bläschenausschlag  erkrankte 
Personen,  wenn  die  Natur  desselben  als  Blatternausschlag  nicht  sicher- 
gestellt ist,  in  direkter  oder  indirekter  Gemeinschaft  mit  Blattern- 
kranken verpflegt  werden,  und  sind  auch  alle  zweifelhaften  Blattern- 
erkrankungen in  separierte  Verpflegung  zu  stellen. 

2.  Da  an  Varicellen  zumeist  nur  Kinder  erkranken,  haben  sich 
die  Isolierungsmalsregeln  insbesondere  auf  diese  zu  erstrecken,  und 
ist  hier,  wie  bei  anderen  Infektionskrankheiten,  die  unmittelbare  Ein- 
schleppung der  Krankheit  in  Schulen,  Kindergärten,  Erziehungs-  und 
Pflegestätten,  sowie  Zusammenkunftsorte  der  Kinder  überhaupt,  des- 
gleichen die  Weiterverbreitung  durch  diese  Gemeinschaften  hintan- 
zuhalten. 

3.  Insofern  sich  in  einem  besonderen  Falle  der  Verdacht  ergibt, 
dafs  es  sich  nicht  um  Varicellen, "sondern  um  eine  milde  Form  von 
Blattern  handeln  könnte,    ist  vorsichtshalber  auf  die  Impfung,    be- 


697 

ziehungsweise    Revaccination    der    in    der    nächsten    Umgebung    des 
Kranken  verkehrenden  Personen  Bedacht  zu  nehmen. 

4.  Hingegen  ist  bei  konstatiertem  Charakter  der  Krankheit  als 
Varicella  von  der  Durchführung  der  Notimpfung,  welche  bei  dem  fest- 
stehenden Auftreten  von  Blattern  niemals  aufser  acht  gelassen  werden 
darf,  abzusehen. 

5.  Varicellen  sind  ebenso  wie  Blattern  in  genauer  Evidenz  zu 
halten,  und  ist  bei  beiden,  um  die  bisherigen  Erfahrungen  über  das 
Verhalten  derselben  zum  Impfschutze  näher  kennen  zu  lernen,  der 
Impfzustand  der  Kranken  wahrheitsgemäfs  zu  konstatieren  und  in 
der  ärztlichen  Infektionskrankheitsanzeige  sowohl  über  Blattern  als 
über  Varicellen  genau  anzugeben,  ob  die  erkrankte  Person  geimpft 
sei  und  wieviel  sichtbare  Impfnarben  die  Impfung  zurückgelassen 
habe,  eventuell  ob  und  wann  sie  wieder  geimpft  worden  ist. 

6.  Die  Desinfektionsmafsregeln  bei  Varicella  haben  sich  ins- 
besondere auf  die  mit  dem  kranken  Körper  in  Berührung  gekommenen 
Effekten,  namentlich  Leib-  und  Bettwäsche,  in  welcher  Beziehung 
Auskochen  in  Seifenwasser  genügt,  sowie  auf  gründliche  Reinigung 
und  Lüftung  der  vom  Kranken  bewohnten  Lokalität  und  Verbrennung 
des  Kehrichtes  aus  derselben  zu  erstrecken. 

Da  Erkrankungen  an  Varicellen  manchmal  schwer  von  Varioloiden 
oder  modifizierten  Blattern  zu  unterscheiden  sind,  ein  Verkennen 
dieser  beiden  heterogenen  Krankheitsformen  aber  von  schwerwiegenden 
Folgen  begleitet  sein  könnte,  werden  bei  dem  Auftreten  von  Vari- 
cellen die  Amtsärzte,  soweit  es  sich  um  die  Erhebung  und  Einleitung 
sanitätspolizeilicher  Maisnahmen  zur  Bekämpfung  der  Krankheit 
handelt,  in  eben  derselben  Weise,  wie  bei  dem  Vorkommen  von 
Blattern,  persönlich  zu  intervenieren  haben. 

Erlafs  der  k.  k.  Statthaltern  in  Böhmen  bezüglich  der  Giftig- 
keit vieler  Farben  in  den  Schfilerfarbkästchen. 

Aus  Anlafs  eines  vorgekommenen  Falles,  dafs  ein  kleines  Kind 
durch  Verzehren  einer  grünen  Aquarellfarbe  (Mitisgrün)  aus  einem 
Schülerfarbkästchen  unter  Vergiftungserscheinungen  in  grobe  Lebens- 
gefahr geriet,  hat  das  hohe  k.  k.  Ministerium  des  Innern  mit  dem 
Erlasse  vom  11.  August  1.  J.,  Z.  11891,  den  in  Abschrift  beilie- 
genden, aus  Anlafs  eines  speciellen  Falles  an  die  Statthalterei  in  Graz 
ergangenen  Ministerialerlafs  vom  5.  Juli  1876,  Z.  8886,  betreffend 
die  Erzeugung  und  den  Vertrieb  von  gifthaltigen  Farben,  mit  dem 
Beifügen  anher  übermittelt,  dafs  das  Ministerium  des  Innern  auch 
gegenwärtig  an  den  Ausführungen  dieses  Erlasses  festhält. 

Hiervon  werden  der  Herr  k.  k.  Bezirkshauptmann  mit  dem 
Bemerken  in  Kenntnis  gesetzt,    dafs    zufolge    des   bezogenen   hohen 

Selralgeraiidheitspfleffe  VI.  45 


698 

Erlasses  vom  11.  August  1.  J.,  Z.  11891,  unter  Einem  dem  k.  k. 
Landesschulrate  von  dem  Vorfalle  zu  dem  Zwecke  Kenntnis  gegeben 
wird,  damit  die  Schulkinder  regelmäfsig  auf  die  Giftigkeit  vieler 
Farben  in  den  Farbenkästchen,  sowie  darauf  aufmerksam  gemacht 
werden,  dafs  derlei  Farben  sorgfältig  verwahrt,  insbesondere  kleinen 
Kindern  unzugänglich  gemacht  werden  müssen  und  die  verwendeten 
Pinsel  oder  von  Farben  beschmutzten  Finger  niemals  zum  Munde 
gebracht  werden  dürfen. 

Prag,  den  21.  August  1893. 

(Gez.)  Mattass. 

Abschrift 

eines  Erlasses  des  k.  k.  Ministeriums  des  Innern   an  die 

k.  k.  Statthalterei  in  Graz  d.  dto.  5.  Juli  1876,  Z.  8886. 

Der  k.  k.  Statthalterei  wird  folgendes  eröffnet:  Es  kann  nach 
dem  Wortlaute  des  §  1  der  Verordnung  vom  21.  April  1876,  Rgbl. 
No.  60,  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafs  alle  arsenhaltigen  Ver- 
bindungen, somit  auch  jene,  welche  als  Material  zu  Anstrich-  und 
Malerfarben  verwendet  werden,  z.  B.  das  Mitis-,  Schweinfurter,  Wiener 
Grün,  der  Rubinschwefel  u.  s.  w.  röcksichtlich  des  Verkehrs  den 
Bestimmungen  dieser  Verordnung  unterliegen,  dafs  sonach  auch  der 
Maler  und  Anstreicher,  wenn  er  sich  die  zum  Geschäftsbetrieb  nötigen 
Farben  selbst  bereitet,  die  hierzu  erforderlichen  Arsenverbindungen 
nur  mittelst  einer  Bezugsbewilligung  erwerben  darf  und  zur  Beob- 
achtung aller  in  der  Verordnung  enthaltenen  Vorschriften  ver- 
pflichtet ist. 

Auf  die  zum  Verbrauche  zubereiteten  arsenhaltigen  Farben  sind 
die  Bestimmungen  dieser  Verordnung  nicht  anzuwenden.  Sie  unter- 
liegen einer  Verkehrsbeschränkung  ebensowenig  als  die  Anilinfarben, 
welche  quecksilber-  und  arsenhaltig  sein  können,  und  als  die  Zünd- 
hölzchen, welche  gewöhnlich  Phosphor  enthalten. 

Damit  beheben  sich  die  Zweifel  über  die  Zulässigkeit  des  freien 
Verkaufes  der  arsenhaltigen  Farbenplättchen  in  den  Malerkästchen. 

Das  Ministerium  des  Innern  findet  sich  nicht  bestimmt,  bosondere 
Weisungen  über  die  auch  als  Kinderspielzeug  in  Verwendung  kommenden 
Farbenkästchen  zu  erlassen. 


JJerfottolten. 


Die  Herren  Komitatsphysikus  Dr.  Leopold  Loewy,   Professor 
der  Hygiene  in  Fünfkirchen,  und  Dr.  W.  Prausnitz,    Privatdocent 


699 

der  Hygiene  an  der  Universität  and  der  technischen  Hochschale  in 
München,  haben  sich  zur  Mitarbeit  an  unserer  Zeitschrift  bereit 
erklärt. 

Geheimrat  Professor  Rudolf  V-irchow  ist  ans  Anlafs  seines 
fünfzigjährigen  Doktoijabiläums  zum  Ehrenpräsidenten  der  medizini* 
sehen  Gesellschaft  in  Berlin,  sowie  zum  Ehrenmitgliede  der  dortigen 
physiologischen  Gesellschaft  ernannt  worden. 

Dem  Direktor  des  Realgymnasiums  in  Karlsrahe  E.  Kappes 
wurde  das  Ritterkreuz  I.  Klasse  mit  Eichenlaub  des  Ordens  vom 
Zähringer  Löwen,  dem  Professor  der  Hygiene  an  der  Universität 
Amsterdam  Dr.  Forster  das  Ritterkreuz  des  Ordens  vom  nieder- 
ländischen Löwen  verliehen. 

Den  roten  Adlerorden  III.  Klasse  mit  der  Schleife  haben  er- 
halten: der  Realgymnasialdirektor  a.  D.  Geheimer  Regierangsrat 
Dr.  Münch  zu  Münster  i.  W.,  der  Gymnasialdirektor  a.  D.  Lorenz 
in  Meldorf,  der  Seminardirektor  a.  D.  Schulrat  Lange  in  Segebefg, 
den  roten  Adlerorden  HI.  Klasse :  der  Provinzialschulrat  Geheimer 
Regierungsrat  Müller  in  Berlin  und  der  Gymnasialdirektor  Dr.  Weider 
in  Dortmund,  den  roten  Adlerorden  IV.  Klane :  der  Direktor  Dr. 
Richter  am  Prinz-Heinrichgymnasium  in  Schöneberg  bei  Berlin,  der 
Gymnasialdirektor  Dr.  G.  Contzen  in  Essen,  der  Realgymnasialdirektor 
Dt.Dronke  in  Trier,  der  Gymnasialdirektor  Dr.WoLLSEiFFEirin  Kre* 
feld,  der  Gymnasialdirektor  Drenckhahn  zu  Mühlhausen  i.  Th.,  der 
Realgymnasialdirektor  a.  D.  Professor  Damee  in  Breslau,  der  Real- 
gymnasialdirektor Dr.  Fischer  in  Lennep,  der  frohere  Direktor  der 
Krefelder  höheren  Mädchenschule  Dr.  Buchner  in  Eisenach  und 
der  Oberlehrer  am  Wilhelmsgymnasium  in  Berlin,  Professor  Dr.  Reth- 
wisch. 

Der  Geheime  Medizinalrat  Dr.  Sendler  in  Magdeburg,  Mit- 
glied des  Medizinalkollegiums  der  Provinz  Sachsen,  der  Direktor  des 
Lyceams  Herrmann  in  Metz  und  der  Realschuldirektor  Langhoff 
in  Potsdam  wurden  mit  dem  Kronenorden  HI.  Klasse  dekoriert. 

Der  Gymnasialdirektor  a.  D.  Freytag  in  Rinteln  erhielt  den 
Adler  des  Königlichen  Hausordens  von  Hohenzollern. 

Bezirksarzt  Dr.  August  Schneditz  in  Graz  ist  zum  Statt- 
haltereirat und  Landessanitätsreferenten  für  Steiermark  ernannt  worden. 

Der  Professor  der  Philosophie  an  der  Universität  Berlin, 
Dr.  Friedrich  Paulsen  hat  einen  Ruf  als  ordentlicher  Professor 
der  Pädagogik  an  die  Universität  Leipzig  erhalten,  denselben  aber 
abgelehnt. 

Professor  Richard  Paltauf  in  Wien  wurde  mit  der  Leitung 
des  Instituts  für  Bakteriologie,  welche  bisher  Professor  Weichsel- 
baum geführt  hatte,  betraut. 

45* 


700 

Dem  Regieruugs-  und  Schalrat  Herrmann  in  Merseburg  ist 
das  Amt  eines  Provinzialschulrates  in  Berlin  übertragen  worden. 

Dr.  Bonns  wurde  an  Stelle  Dr.  Lävys,  der  seinen  Abschied 
genommen,  zum  ärztlichen  Inspektor  der  Schulen  des  14.  Arrondisse- 
ments  von  Paris  ernannt. 

In  Amsterdam  habilitierte  sich  Dr.  Graanboom  als  Privatdocent 
der  Kinderheilkunde. 

Geheimrat  Professor  Dr.  Finkblnburg  in  Bonn  ist  auf  sein 
Gesuch  wegen  andauernder  Kränklichkeit  von  dem  Lehrauftrag  für 
Hygiene  an  der  dortigen  Universität  entbunden  worden. 

Der  Rektor  des  Gymnasiums  zu  Würzen,  Professor  Pötzschke, 
hat  sich  in  den  Ruhestand  versetzen  lassen;  bei  dieser  Gelegenheit 
wurde  ihm  das  Ritterkreuz  I.  Klasse  des  Königlich  sächsischen 
Albrechtordens  verliehen. 

Es  sind  gestorben :  in  Wien  der  k.  k.  Ministerialrat  Dr.  Franz 
Ulrich,  früher  Sanitätsreferent  im  Ministerium  des  Innern ;  in  Danzig 
Provinzialschulrat  Geheimer  Regierungsrat  Dr.  Yölcker,  70  Jahre 
alt;  am  20.  September  in  St.  Petersburg  der  Wirkliche  Staatsrat 
Dr.  Oskar  Meyer,  älterer  Ordinator  am  Kinderhospital  des  Prinzen 
von  Oldenburg,  im  56.  Lebensjahre;  in  Liegnitz  Geheimer  Regierungs- 
und Schulrat  a.  D.  Book,  77  Jahre  alt;  am  16.  Oktober  der  Pro- 
fessor der  Berliner  Universität  Dr.  Friedrich  Falck,  dessen  Arbeiten 
sich  auf  dem  Gebiete  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  und  gericht- 
lichen Medizin  bewegten;  in  Stockholm  der  frühere  Professor  der 
Kinderheilkunde  Dr.  Hjalmar  Aug.  Akelin;  zu  Frankfurt  a.  M. 
im  Alter  von  78  Jahren  der  Geheime  Sanitätsrat  Dr.  Passavant, 
durch  eine  Reihe  wertvoller  hygienischer  Arbeiten  bekannt. 


tfttteratur. 


Besprechungen. 

Geheimrat  Dr.  von  Kerschensteiner.    Reform  des  bayerischen 
Mittelschulwesens  vom  ärztlichen  Standpunkte  aus.    Vortrag, 

gehalten  im  ärztlichen  Bezirksverein  zu  München.  Münchener 
medizinische  Abhandlungen,  VI.  Reih.,  2.  Heft.  München,  1891. 
J.  F.  Lehmann.     (24  S.  Gr.  8°.  M.  1.) 

Der  bayerischen  Schulverwaltung  ist  in  neuerer  Zeit  die  Mit- 
wirkung eines  Medizinalreferenten  organisch  eingefügt  worden:  der 
Geheimrat  von  Kerschensteinfr  wurde  1890  als  aufserordentliches 
Mitglied  in  den  obersten  Schulrat  berufen. 


701 

In  dem  vorbezeichneten  Vortrage  handelt  er  nach  einer  kurzen 
Übersicht  über  die  froheren  Anordnungen  in  betreff  der  Gesundheits- 
pflege in  den  bayerischen  Schulen  (S.  3 — 6)  von  der  nunmehr  vor- 
genommenen Revision  der  dortigen  Schulordnung,  indem  er  die  ein- 
zelnen Bestimmungen  derselben  durchgeht,  allerdings  (S.  7)  mit  dem 
—  bei  Besprechung  von  Schulfragen  den  Ärzten  leider  nicht  immer 
hinreichend  gegenwärtigen  —  Bewufstsein,  „dafs  es  eine  gewisse 
Grenze  für  Reformvorschläge  auf  dem  Gebiete  der  Schulgesundheits-* 
pflege  gebe,  welche  an  dem  Punkte  liege,  wo  die  Durchführung  hy- 
gienischer Massnahmen  noch  ohne  Gefährdung  der  Unterrichtsziele 
und  Unterrichtszwecke  möglich  sei.u 

Man  kann  den  im  Interesse  der  Gesundheit  in  Bayern  getroffenen 
Einrichtungen  im  wesentlichen  nur  zustimmen. 

Wenn  der  Unterricht  auf  Vormittag  und  Nachmittag  verteilt 
wird  und  für  den  Vormittag  höchstens  4  Stunden  angesetzt  werden 
(S.  12),  so  bildet  das  einen  erfreulichen  Gegensatz  gegen  das  aus 
Mangel  an  Einsicht  oder  aus  Rücksichten  der  Bequemlichkeit  hervor- 
gehende, trotz  der  Warnungen  mafsgebender  Ärzte  und  ungeachtet 
der  vorbeugenden  Malsregeln  der  Schulverwaltung  an  so  vielen  Orten 
hervortretende  Bestreben,  auch  da,  wo  die  besonderen  Ortsverhältnisse 
keineswegs  dazu  nötigen,  durch  Hinzunahme  einer  fünften  Lehrstunde 
den  Unterricht  thunlichst  auf  den  Vormittag  zu  konzentrieren. 

Weiter  ist  nur  zu  "billigen,  dafs  die  Erholungspausen  zwischen 
den  einzelnen  Lehrstunden  nicht  zu  karg  bemessen  werden  sollen 
(S.  12  f.).  Auf  diese  Pausen  wird  mit  Recht  auch  in  Preufsen  (vgl. 
die  Ministerialverfugung  vom  10.  November  1884)  grofser  Wert  gelegt; 
und  es  ist  zu  beklagen,  dafs  man,  wenn  die  Rechnung  nach  mittel- 
europäischer Zeit  für  die  Legung  des  Unterrichts  im  Winterhalbjahr 
Schwierigkeiten  mit  sich  bringt,  vielfach  nur  zu  geneigt  ist,  dem  in 
Baden  gegebenen  nicht  löblichen  Beispiele  zu  folgen  und  ohne  weiteres 
durch  Beschränkung  der  Pausen  Abhilfe  zu  beschaffen. 

Anderseits  wird  aber  in  Bayern  keineswegs  auf  thunlichste  Be- 
seitigung der  häuslichen  Schularbeiten  hingewirkt.  Mit  Recht  sagt 
von  Kerschensteiner  (S.  16),  die  Erfahrung  lehre,  dafs  selbst 
eine  dreistündige  Hausübung  so  gehandhabt  werden  könne,  dafs  sie 
keinem  Schüler  körperlich  oder  geistig  irgendwie  schädlich  werde. 
Der  häusliche  Fleifs  sei  ein  wertvolles  Ergänzungsmittel  für  den 
Schulunterricht;  ja,  durch  seine  Intensität  werde  nicht  selten  das 
zukünftige  äufsere  und  innere  Glück  des  Schülers  begründet. 
Auch  hebt  von  Kerschensteiner  hervor  (S.  14),  dafs  nach  den 
Berichten  der  Direktionen  der  10  bayerischen  Irrenanstalten  mit 
gegen  4000  Kranken  Fälle  von  geistiger  Erkrankung  infolge  von 
Überbürdung  an  Schulen  geradezu  als  Raritäten  befunden  seien. 


702 

Ferner  ist  es,  wenn  in  Bayern  früher  viel  darüber  zn  klagen 
war  (S.  20),  dafs  in  den  untern  Klassen  bei  der  grofsen  Schülerzahl 
der  eine  Teil  während  der  Turnstunde  in  der  mit  Staub  erfüllten 
Luft  oft  eine  halbe  Stande  lang  unbeschäftigt  dastehen  mauste,  in 
der  That  sds  eine  Wohlthat  anzuerkennen,  dafs  diesem  Übelstande 
jetzt  entgegengetreten  und  zugleich  auf  möglichst  häufiges  Tarnen 
im  Freien  hingewirkt  wurde. 

Als  verdienstlich  ist  endlich  auch  (S.  21)  die  Förderung  des 
Zeichenunterrichts,  der  das  Vermögen  der  Anschauung  weckt  und 
stärkt,  und  der  Pflege  der  Musik  zu  bezeichnen,  die  auf  #anderm 
Wege  zu  einer  feineren  Ausbildung  der  Sinnesorgane  führt. 

Dagen  läfet  der  Vortrag  anderseits  auch  erkennen,  daüs  die  in 
Angriff  genommene  Reform  noch  keineswegs  unter  allen  Mißständen 
der  bayerischen  Mittelschulen  hinreichend  aufgeräumt  hat.  Wenn  z.  B. 
jetzt  festgesetzt  ist  (S.  9),  dafs  in  den  drei  untern  Klassen  nicht 
über  50,  in  den  drei  mittleren  nicht  über  45,  in  den  drei  obern 
nicht  über  36  Schüler  sitzen  sollen,  so  bedürfen  diese  als  zulässig 
anerkannten  Höchstzahlen  noch  mehr,  als  die  z.  Z.  für  die  preufsi- 
schen  Schulen  mafsgebenden  einer  entschiedenen  Herabsetzung.  Das 
Königreich  Sachsen  ist  in  dieser  Beziehung  mit  gutem  Beispiel  vor- 
angegangen. 

Dafe  der  naturgeschichtliche  Unterricht  nach  dem  Gutachten 
des  Verfassers  (S.  17)  künftig  nicht  mehr  als  blofses  Wahlfach,  son- 
dern als  Pflichtfach  in  den  Lehrplan  der  untern  und  mittlem  Klassen 
aufgenommen  werden  soll,  verdient  Billigung;  aber  nicht,  dafs  dies 
nur  mit  je  einer  Wochenstunde  geschehen  soll.  Auch  kann  es 
nicht  als  zweckmäßig  erachtet  werden,  wenn  empfohlen  wird,  diesen 
Unterricht  im  Winterhalbjahr  mit  der  Einleitung  in  die  Pflanzenkunde 
nach  Abbildungen  zu  beginnen.  In  dieser  Beziehung  ist  dem  auf 
S.  18  erwähnten  Kritiker  Recht  zu  geben. 

Wenn  aber  auch  einzelne  Punkte  noch  zu  Ausstellungen  Anlafs 
geben,  so  sind  doch  vor  allem  die  Besserungen,  die  bereits  ein- 
getreten sind,  ins  Auge  zu  fassen.  Sie  verbürgen  zugleich  ein  gedeih- 
liches Fortschreiten  auf  der  begonnenen  Bahn. 

Geheimer  Regierungsrat  Dr.  phil.  Lahmkyer, 
Provinzialschulrat  in  Kassel. 

Franz  Mohaupt.  Kleiner  ftesundheitsspiegel.  Ein  Lesebuch 
für  jung  und  alt.  Reichenberg,  1893.  J.  Fritsche.  (271  S 
16°.     M  2.) 

Der  Verfasser  des  Büchleins  ist  den  Lesern  dieser  Zeitschrift 
nicht  ganz  unbekannt.  Er  teilt  uns  in  dem  Vorworte  selbst  mit, 
dafs  die  Hygienischen  Episteln  für  Lehrer  und  Eltern  von  Ernst 


703 

Schelmbkding,  die  im  Jahre  1889  erschienen  and  seiner  Zeit  eine 
sehr  wohlwollende  Besprechung  in  der  Zeitschrift  für  ScJtulgesundheits- 
pflege  *  erfahren,  seiner  Feder  entstammt  sind.  Er  gibt  femer 
auch  an,  dafs  „vorliegendes  Büchlein  eine  Umarbeitung  der  Hy- 
gienischen Episteln  ist,"  und  ich  will  gleich  hinzufügen,  eine  glück- 
liche, denn  die  Hygienischen  Episteln,  welche  ganz  im  Banne  der 
Lehren  des  als  populärer  Schriftsteller  bekannten  Sanitätsrates 
Dr.  Paul  Niemeyer  standen,  konnten  meinen  Beifall  nicht  gewinnen. 
In  dem  Kleinen  Gesundheitsspiegel  hat  Mohaupt  aber  ein  wahrhaft 
branchbares  Buch  geschaffen,  das  man  „jung  und  alt"  mit  gutem 
Gewisser  empfehlen  kann. 

Der  Inhalt  des  klar  und  dabei  durchaus  nicht  langweilig  ab- 
gefafsten  Buches  umfafst  den  Lehrstoff,  welchen  Verfasser  den  Schülern 
seiner  Oberklasse  aus  der  Gesundheitslehre  vermittelt. 

Nach  einer  zwar  knappen,  aber  trotzdem  durchaus  verständlichen 
Belehrung  über  den  Bau  des  menschlichen  Körpers  geht  Mohaupt  zum 
Kapitel  von  der  Verdauung  über,  bespricht  die  Nahrungsmittel  und 
die  zweckmäfsige  Zubereitung  derselben,  gibt  recht  vernünftige  Regeln 
fürs  Essen  und  wendet  sich  sodann  der  Lehre  vom  Blute  zu. 

Der  folgende  Abschnitt  handelt  „von  der  Lunge".  Dabei  er- 
wähnt der  Verfasser  mit  dem  nötigen  Nachdruck  die  Schädlichkeit 
des  Staub  es  und  formuliert  die  wichtigsten,  auf  die  Atmung  be- 
züglichen hygienischen  Anforderungen  in  kurzen  Merksprüchen,  von 
denen  allerdings  einzelne  stark  an  Paul  Niemeyer  erinnern  und  daher 
besser  weggeblieben  wären.  So  heifst  es  z.  B. :  „Betreibe  täglich 
Vollatmen  mit  Atemhaltung. u  Dabei  kann  sich  ein  Kind  erstens 
nichts  denken,  zweitens  aber  erscheint  es  sehr  fraglich,  ob  diese 
Vollatmung,  wenn  sie  der  Lehrer  auch  vormacht,  bei  allen  Kindern 
statthaft  ist,  ohne  zu  schaden;  das  mufs  der  Arzt  entscheiden. 
Deshalb  läfst  sich  ein  derartiges  Axiom,  in  der  Schule  ausgesprochen, 
nach  meiner  Meinung  entschieden  nicht  billigen.  Ebensowenig  finde 
ich  den  Satz  6  gerechtfertigt :  „Kalte  Luft  ist  die  gesündeste  Lungen- 
speise"; für  die  Zwecke  des  Buches  ist  er  unnötig,  in  dieser  apo- 
diktischen Fassung  aber  auch,  und  zwar  aus  ähnlichen  Gründen,  wie 
bei  dem  früher  erwähnten  Merkspruch,  unrichtig. 

Weitere  Abschnitte  besprechen  die  Nerven,  Arbeit  und  Ruhe, 
das  Sehen,  das  Hören,  die  Haut  und  ihre  Pflege,  die  Kleidung, 
Wohnung,  Beheizung  und  Beleuchtung.  Sehr  zweckmäßig  ist  die 
Anfügung  der  Belehrung  über  die  „erste  Hilfeleistung  bei  Unglücks- 
fällen." 

Mohaupts   Buch    erbringt   in    erfreulicher  Weise  den  Beweis, 


1  Jahrg.  m,  No.  1,  S.  57—58. 


704 

dafs  ein  Lehrer,  der  sich  für  die  Gesundheitspflege  interessiert,  recht 
gut  im  stände  ist,  in  der  Volksschule  diesen  Gegenstand  zu  be- 
handeln. Ja,  man  mufs  gestehen,  dafs  die  ganze  Einteilung  des 
Stoffes,  die  Methode  der  Aneignung  desselben,  kurz  der  gesamte  Ton 
des  Buches,  der  sehr  oft  einen  gesunden,  wohlthuenden  Humor  in 
sich  birgt,  vielleicht  oder  doch  beinahe  nur  von  einem  erfahrenen 
Pädagogen  in  so  vorzüglicher  und  zweckdienlicher  Weise  getroffen 
werden  kann,  wahrend  ein  ärztlicher  Bearbeiter  desselben  Stoffes 
leicht  nach  dieser  Seite  hin  fehlgreifen  möchte.  Aber  die  korri- 
gierende und  sichtende  Beihilfe  eines  ärztlichen  Fachmannes  hätte 
Mohaupt  doch  auch  wieder  gebraucht.  Denn  sein  Buch  enthält 
neben  dem  vielen  Vortrefflichen,  das  ja  die  Regel  bildet,  einige  grobe 
Schnitzer,  die  man  „jung  und  alt"  nicht  so  ohne  weiteres  mit  ins 
Leben  geben  darf.  So  lesen  wir  z.  B.  auf  S.  149,  dafs  der  Arzt 
das  mittlere  Ohr  durch  die  Nase  und  die  Eustachische  Röhre 
„untersucht, tt  was  wohl  eine  Verwechslung  mit  der  Behand- 
lungsart ist.  Auch  die  Belehrung  über  die  Schwemmkanalisation 
ist  etwas  miisraten  und  bedarf  der  Richtigstellung  und  so  hier  and 
da  noch  manche  Kleinigkeit. 

Das  braucht  uns  aber  die  Freude  an  dem  Ganzen  nicht  zu  ver- 
gällen. Es  ist  ein  empfehlenswertes  Buch,  das  musterhaft  werden 
kann,  und  das,  wenn  die  Fehler,  welche  dem  Laien  dabei  unter- 
gelaufen sind,  entsprechend  verbessert  werden,  auch  den  Ärzten 
willkommen  und  recht  sein  mute.  Hoffen  wir  schon  deswegen,  dafs 
eine  Neuauflage  von  Mohaupts  Gesundheitsspiegel  baldigst  nötig 
sein  wird. 

K.  E.  Sanitätsrat  Dr.  med.  Theodor  Altschul  in  Prag. 

Kahl  HintrAgbr,  diplomierter  Architekt.    Das  moderne  Volks- 
Sfhnlhans.     Der  Bau  und   die  innere  Einrichtung    desselben    in 
technischer  und  hygienischer  Beziehung.     Vortrag,  gehalten  in  der 
Jahresversammlung  der  österreichischen  Gesellschaft  für  Gesund- 
heitspflege am  28.  April  1891.     Separatabdruck    aus    den    Mü~ 
teüungen  der  österreichischen  Gesellschaft  für  Gesundheitspflege, 
No.  4.     Mit  1  Tafel.    Wien,  1891.    Selbstverlag.  (16  S.  Gr.  8°.) 
Ebenso  wie  der  „Deutsche  Verein   für  öffentliche  Gesundheits- 
pflege14 schon  seit  Jahren  wiederholt  die  Schulhygiene  auf  die  Tages- 
ordnung seiner  Zusammenkünfte  gesetzt  hat,  ist  auch  in  der  Jahres- 
versammlung der  „österreichischen  Gesellschaft  für  Gesundheitspflege" 
dieses  hochwichtige  Thema  zum  Gegenstand  der  Besprechung  gemacht 
worden.     Die  Mitteilungen   dieser  Gesellschaft  vom  Jahre  1891 
enthalten  eine    Arbeit   des    diplomierten    Architekten    Karl   Hin- 
träger,    welche    das    moderne  Volksschulhaus    in    technischer  und 


705 

hygienischer  Beziehung  so  eingehend  behandelt,  dafs  es  ans  ange- 
bracht erscheint,  darauf  an  dieser  Stelle  aufmerksam  zu  machen. 

Den  einleitenden  Worten,  in  welchen  die  hohe  Bedeutung  der 
Schulhygiene  betont  ist,  wird  jeder  Fachkundige  ungeteilten  Beifall 
zollen.  Die  in  den  Vordergrund  getretenen  Bestrebungen  der  allge- 
meinen Volksbildung,  welche  die  Gesetzgeber  civilisierter  Staaten 
zu  der  Einführung  des  Schulzwanges  veranlagst  haben,  bezwecken 
körperlich  und  geistig  kräftige  Borger  heranzubilden. 

Wie  die  Monumentalbauten  eines  Volkes  die  stummen  Zeugen 
seiner  Kulturentwickelung  überhaupt  sind,  so  bilden  seine  Schul- 
bauten und  Schuleinrichtungen  einen  Malsstab  für  den  Umfang  und 
die  Sorgfalt,  welche  es  der  Erziehung  und  Bildung  der  Jugend 
zugewandt  hat. 

Die  Bestrebungen  der  Neuzeit,  alle  zum  Aufenthalt  von 
Menschen  bestimmten  Räume  den  hygienischen  Anforderungen 
anzupassen,  sind  auch  an  den  Schulgebäuden  nicht  spurlos  vorüber- 
gegangen. Mit  Recht  wird  auf  die  gesundheitliche  Gestaltung 
der  für  Schüler  bestimmten  Räume  um  so  mehr  Gewicht  gelegt, 
als  es  sich  dabei  um  zarte,  in  der  Entwickelung  begriffene 
Kinder  handelt,  von  denen  viele  in  den  Wohnungen  der 
Eltern  nicht  diejenigen  Lebensbedingungen  finden,  deren  gerade 
ihr  Alter  so  dringend  bedarf.  Hier  aber  ist  es  der  Staat, 
dem  die  Verpflichtung  obliegt,  die  Häuser,  in  welche  er  die  Jugend 
zum  längeren  Aufenthalt  zwingt,  auch  so  einzurichten,  dafs  sie  allen 
Anforderungen  eines  gesunden  und  angemessenen  Daseins  im  höchsten 
Mause  genügen.  Namentlich  gilt  dies  für  die  Unterrichtsgebäude  in  den 
Städten,  wo  die  Schule  vielfach  die  einzige  Gelegenheit  bietet,  dem 
Kinde  auf  dem  Spielplatz  und  in  der  Turnhalle  die  körperliche 
Pflege  angedeihen  zu  lassen,  welche  das  Landkind  in  Feld  und 
Flur  ohne  weiteres  geniefst. 

Das  Zusammenwirken  der  Pädagogen,  Bautechniker  und  Ärzte  hat 
in  der  neuesten  Zeit,  namentlich  auf  den  Bau  städtischer  Schulen,  einen 
außerordentlich  segensreichen  Einflufs  ausgeübt,  und  mit  warm  empfun- 
denen Worten  legt  der  Verfasser  unter  stichhaltiger  Begründung  allen 
Beteiligten,  dem  Staat,  der  Gemeinde,  den  Pädagogen,  Hygienikern,  so- 
wie den  Eltern  und  Freunden  der  Jugend  die  Sorge  für  gesunde  Schul- 
gebäude ans  Herz.  Freilich  hegt  er  auch  das  Bedenken,  dafs  trotz 
der  bestgewollten  gemeinschaftlichen  Arbeit  ein  „  Idealschulhaus  "  kaum 
zu  stände  kommen  wird.  Immerhin  aber  werden  nach  seiner 
Meinung,  der  wir  uns  voll  anschliefsen,  sich  einzelne  Schulhaustypen 
entwickeln,  welche  „den  gestellten  pädagogischen  und  hygienischen 
Anforderungen  möglichst  entsprechen  und  zugleich  den  ökonomischen 
und  lokalen  Verhältnissen,  sowie  den  Sitten  und  Gewohnheiten 
der  Bevölkerung  Rechnung  zu  tragen  suchen." 


706 

Diese  seine  Ansicht  sacht  er  nun  im  weiteren  durch  eine 
Sammlung  und  Beschreibung  von  Schulbauten  aus  verschiedenen 
Landern,  welche  er  zum  Teil  selbst  bereist  und  deren  Schuleinrich- 
tungen er  an  Ort  und  Stelle  studiert  hat,  zu  begründen.  So  führt 
er  uns  nach  der  Schweiz,  Italien,  Frankreich,  Belgien,  Deutschland, 
England,  Holland,  Dänemark,  Norwegen,  Schweden,  Amerika  and 
Japan. 

Bei  der  Behandlung  der  Volksschulbauten  in  der  Schweiz 
räumt  er  diesen  den  Ehrenplatz  ein.  „Das  schweizerische  Schul- 
gebäude," so  sagt  er,  „ist  der  Palast  des  Volkes,  auf  dessen  Aus- 
stattung die  Städte  grofse  Summen  verwenden.  Zumeist  wird  dem 
Schulhaus  infolgedessen  eine  hervorragende  Lage  im  Städteplan 
gegeben,  da  dem  Schweizer  idealer  Sinn  für  die  Bildungsstätte 
seiner  Jugend  innewohnt/  Nach  einem  kurzen  Überblick  aber  die 
Organisation  des  Schulwesens  in  der  Schweiz  bespricht  der  Autor 
die  dortigen  Schulbauten  im  allgemeinen  nebst  deren  Neben- 
anlagen, wie  Turnhallen,  Turnplätze,  Aborte  u.  dergl.,  ferner  die 
Normalbaupläne  einzelner  Kantone,  die  ausgeführten  Schulbauten, 
und  zwar  diejenigen  von  Dorf-,  Quartier-  und  Centralschulen.  Auch  die 
innere  Einrichtung  (Subsellien,  Turnapparate)  wird  gestreift  und  der 
Schulstatistik  und  der  in  der  Schweiz  üblichen  permanenten  Schul- 
ausstellungen Erwähnung  gethan. 

In  gleich  eingehender  Weise  gelangen  sodann  die  Schulverhält- 
nisse Italiens  zur  Erörterung.  Aus  dem  Kapitel  über  die  Organi- 
sation der  Schulbehörden  erfahren  wir,  dafe  der  Ortsschulrat  aus 
Herren  und  Damen  besteht.  Nach  Mitteilung  italienischer  Schul- 
baunormalien werden  ausgeführte  gröfsere  und  kleinere  Bauten  in  Rom, 
Padua,  Mailand,  Turin  und  Genua  beschrieben.  Die  Schilderung 
der  inneren  Einrichtung  italienischer  Schulen  bildet  den  Schlufs 
dieses  Abschnittes. 

Mit  dem  Ausspruch  von  JüLBS  SIMON:  „Le  peuple,  qui  a  les 
meilleurs  äcoles,  est  le  premier  peuple;  s'il  ne  Test  aujourd'hui,  il 
le  sera  demain"  führt  uns  der  Verfasser  in  Frankreich  ein. 
Dieser  Ausspruch,  welcher  nach  dem  deutsch-französischen  Kriege 
1870—71  gethan  worden  ist,  dürfte  der  Überzeugung  entsprungen 
sein»  dafs  die  Schule  den  Mann  und  den  guten  Soldaten  macht,  und 
es  ist  daher  gewifs  nicht  Zufall,  deSa  man  seit  jenem  Kriege  auch 
in  Frankreich  dem  Unterrichtswesen  eine  erhöhte  Bedeutung  zumifst. 
Als  Besonderheit  wird  der  gedeckte  Spielhof  (prtaux)  hervorgehoben, 
welcher  in  den  Stadtschulen  oft  das  ganze  Erdgeschofs  der  Schule 
einnimmt. 

Belgien    hat  vielfach    französische   Verhältnisse   nachgeahmt, 
und  auch  hier  datiert  die  neue  Schulbewegung  erst  vom  Jahre  1870. 


707 

Von  Deutschland,  dem  „Land  der  Schalen  and  Kasernen", 
wird  berichtet,  dafs  es  vielen  anderen  Staaten  die  Vorbilder  geliefert 
habe,  sowohl  hinsichtlich  seiner  Gesetze  and  Verordnungen,  als  auch 
bezüglich  seiner  Bauten.  Als  besonders  rühmenswert  finden  sich  die 
immer  mehr  Fufe  fassenden  Schulbäder  hervorgehoben.  Den  Ver- 
diensten der  „ Versammlungen  deutscher  Naturforscher  und  Ärzte", 
sowie  des  „Deutschen  Vereins  für  öffentliche  Gesundheitspflege u  wird 
grofse  Anerkennung  gezollt. 

Auch  die  englischen  Schulverhältnisse,  welche  erst  seit  dem 
1870  eingeführten  Schulzwang  strengere  Formen  angenommen  haben, 
kommen  zur  Besprechung.     Schwimmunterricht  ist  hier  obligatorisch. 

In  gleich  eingehender  Weise  werden  die  Verhältnisse  von 
Holland,  Dänemark,  Skandinavien,  Amerika  und  Japan 
behandelt. 

Interessant  sind  namentlich  die  japanischen  Schulverhält- 
nisse. Dafs  Religions-  und  Gesangunterricht  dem  Lehrplan  nicht 
eingefügt  sind,  überrascht  ebenso,  wie  die  Angabe,  dafs  Stock  und 
Körperstrafen  durch  Freundlichkeit  und  Milde  des  Lehrers  ersetzt 
werden.  Letzterer  dient  trotzdem  nie  zur  Zielscheibe  jugendlichen 
Übermuts. 

Zum  Schlafe  resümiert  der  Verfasser  aus  dem  Mitgeteilten  die 
Punkte,  welche  erfüllt  werden  müssen,  wenn  ein  Schulhaus  den 
Regeln  der  Gesundheitspflege  entsprechen  soll. 

Wir  erfahren  hierbei,  dafs  auch  in  Österreich  in  den  Volks- 
schulen noch  manche  wichtige  hygienische  Einrichtungen  fehlen  oder 
doch  nur  mangelhaft  vertreten  sind.  Aber  wo  ist  dies  nicht  der 
Fall?  Auch  bei  uns  ist  noch  vieles  zu  verbessern,  obwohl  bereits 
grofses  gethan  ist. 

Mögen  deshalb  alle,  welche  sich  für  Schulhygiene  interessieren, 
das  kleine  Heftchen  von  Karl  Hinträger  zur  Hand  nehmen. 
Aus  Text  und  Tafeln  werden  sie  vieles  Lehrreiche  schöpfen 
und  mit  des  Verfassers  Schlufswort  das  Büchlein  weglegen: 
„Sobald  der  Pädagoge,  der  Hygieniker  und  der  Techniker 
Hand  in  Hand  gehen,  steht  zu  erwarten,  dafs  die  Schule  ihren 
Zweck  als  Erziehungs-  und  Unterrichtsstätte  ganz  und  voll  erzielt, 
nämlich  die  dreifache  Entwicklung  von  Körper,  Geist  und  Gemüt." 

Stadtbaurat  Berthold  Stahl  in  Altooa. 


708 

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Recken,  W.,  Brücke,  E.,  Eperon  und  Dowling.   Ärztliche  Urteile 

Über  Lateinschrift     Reform,  1893,  V. 
Bdev6  genSral  des  constructions  scolaires.     Paris,  1889. 
Richter,  Karl.     Die  Leipziger  Schwachsinnigenschule  nach  ihrer 

Geschichte  und  Entwicklung.     Leipzig,  1893,  M.  Hesse.    M.  1. 
Roths  Steüschrifthefte.    Anleitung  und  Vorschriften.    Giefsen,  1893, 

E.  Roth.  4°.  M.  0,40. 
Roussel,  Th£ophile.     Venfant  ä  tendances  criminelles   ou  place 

dans  un  müieu  criminel.      Transact.  VII.    internat.   congr.  hyg. 

and  demogr.  1891,  London,  1892,  IV,  170—174. 
Schiller,    H.     Die    Gesundheitspflege    in    der    Schule.     Hygieia, 

1893,  VIH. 
Schkader,    W.     Dritter   Bericht   über    die   Schülerwerkstätten   in 

Haue  a.  S.     Halle,  1893,  E.  Anton.    Gr.  8°.    JH.  0,50. 


710 

Schützer,  L.  Die  Körperhaltung  unserer  Schüler  und  Schülerinnen. 
Ein  Vorschlag  zur  weiteren  Ausnutzung  der  Schulturnstunden  im 
Interesse  einer  guten  Körperhaltung.  Vortrag,  gehalten  bei  der 
deutschen  Turnlehrerversammlung  in  Hof.  Dtsch.  Turnztg.,  1893, 
XXXV,  640—643. 

Silex,  P.  Bericht  Über  die  augenäreüiche  Untersuchung  der  Zog- 
linge  des  Waisenhauses  und  der  Erziehungsanstalt  zu  Rummels- 
burg. Verwaltgsber.  d.  Magistr.  zu  Berlin  f.  1892 — 93,  IX, 
11—12. 

Sülzer.  La  myopie  dans  les  Scoles  de  Qeneve.  Rapport  pr€sent6 
an  departement  de  l'instruction  publique.  Rev.  m6d.  de  la  Suisse, 
1891,  Janvier,  24  ff. 

The  feeble-mmded  chäd  and  adult:  a  report  on  an  invesUgaäon 
of  the  physical  and  mental  conäHUon  of  50000  school  chädrenf 
tviih  suggeslions  for  the  better  educaticn  and  care  of  the  feeble- 
mmded  chüdren  and  adults.  With  tables  etc.  London,  1893, 
Swan,  Sonnenschein  and  Co.  8°.    Sh.  2,6. 

Thierbach,  Paul.  Übersicht  Über  die  Resultate  der  Kmderheü- 
stätten  und  der  Seeluftkuren  an  den  deutschen  Seeküsten.  Dissert. 
Jena,  1893,  H.  Pohle.    Gr.  8°.  iL  1. 


Bei  der  Redaktion  eingegangene  Schriften. 

Albrand.  Sehproben.  Leipzig,  1893,  H.  Härtung  und  Sohn. 
Gr.  Fol.     M.  3,20. 

Anhaltspunkte  zur  hygienischen  Beurteilung  des  Trinkwassers. 
D.  österr.  SanitÄtswes.,  1893,  XXXIX,  399—403. 

BaTTEN,  R.  D.  The  diagnosis  and  prognosis  of  pathological  myopia. 
Med.  Press  and  Circ,  London,  1893,  n.  s.,  LVI,  81 ;  Lancet, 
London,  1893,  II,  139. 

Bloch,  £.  Über  das  Hörvermögen  der  Taubstummen.  Med.-pfid. 
Monatsschr.  f.  d.  gesmt.  Sprachhlkde.,  1893,  X,  289 — 293. 

Felix,  J.  Raport  general  despre  igiena  publica  si  despre  ser- 
viciül  sanitär  ale  regatului  Romaniei  pe  anul  1892  [General- 
bericht Über  die  öffentliche  Gesundheitspflege  und  den  sanitären 
Dienst  im  Königreich  Rumänien  für  das  Jähr  1892].  Bucuresci, 
1893,  Imprimeria  statului.     8°. 

Fischer.  Das  gesunde  und  kranke  Auge.  Mit  1  färb.  Taf. 
Zittau,  1893,  Pahl.     8°.     iL  1. 

Gay,  W.  The  nervous  System  in  chüdhood.  Lancet,  London, 
1893,  I,  717—719. 

Hetm.  Über  Mädchenturnen  in  unseren  mehrklassigen  Volksschuten. 
D.  Schulztg.,  1893,  XVI. 


711 

Hirschkorn,   H.     Die  Nervenschwäche  (Neurasthenie).     Beim  Er- 
wachsenen   und    im   Kindesalter.     Wien,    1893,    Altmann.    8°. 

Jourdan,  G.     ßtudes  ihygtene  publique.     Paris,    1893,   Berger, 

Levrault  et  Co.     8°.     Fr.  4. 
Kbmsies,  Ferd.    SociaMsüsche  und  ethische  Erziehung  im  Jahre  2000. 

Berlin,  1893,  Bibliographisches  Bureau.     8°.     M.  2. 
Kühner,  A.     Eine  neue  Methode  der  Erziehung.     Gsdht.,   1893, 

XIX,  298—300. 
La  velociptöie  pou/r  tous,  par  un  vSteran.     Paris,    1893,    Quantin. 

8°.     Fr.  6. 
Lavista,  R.     General  considerations  on   the  importance  of  public 

Hygiene.     Mexico,  1892,  F.  P.  Hoeck.     12°. 
Le  Marinrl,  F.     La  crampe  des  krwains.     Annal.    de    m6d.    et 

de   Chirurg.,    ann6e    1892.     Bruxelles,    1893,    Henri    Lamertin, 

33—45. 
Leyillain,  F.     Hygibne   des   gens    nerveux,    preddi    de   notions 

geniales  et  observations   sur   la  structure,   les  fonctions  et  les 

maladies  du  Systeme  nerveux.     2.  6dit.     Paris,  1893,  F.  Alcan. 

18°.     Fr.  3,50. 
Loewy,    Leop.      Gesundheitslehre    für    jedermann.    Fünfkirchen, 

1893,  Ludw.  Engel. 
Mabble,  Albert  P.    Sanitary  conditions  for  schoolhouses.    Bureau 

of  education.     Washington,  D.  C,  1891. 
Meyer,  C.     Schreiblesefibel  mit  Steilschrift  von  E.  Thormählen. 

6.  Aufl.     Hamburg,  1893,  B.  S.  Berendsohn. 
Meyer,  M.     Über   Jugendspiele   in  den   höheren   Mädchenschulen. 

Mit  6  Fig.     Programm.     Königsberg,  1893.     8°. 
Nohl,  Clemens.     Wie  kann  der  Überbürdung  unserer  Jugend  auf 

höheren  Lehranstalten  mit  Erfolg  entgegengewirkt  werden?    Ein 

Wort  an  Eltern,    Lehrer  und  Erzieher.     Neuwied    und  Leipzig, 

1892,  Heuser. 
Pfuhl,    F.     Der  gegenwärtige   Bestand   des   Pflaneengartens   am 

Königlichen  Mariengymnasium.     Programm.     Posen,  1893.     4°. 
Planck,     K.     Eine     Turnstunde    an    Quinta    in    Württemberg. 

Zeitschr.  f.  Turn.  u.  Jgdspl.,  1893,  XXIV,  373—377. 
Qüeyrat,  F.     V Imagination  et  ses  varUUs  che»  Venfant.     Paris, 

1893. 
Rosbnbach,  0.     Die  Entstehung  und   die  hygienische  Beihandlung 

der  Bleichsucht.     Leipzig,  1893,  C.  G.  Naumann.     M.  0,50. 
Sack,  N.     [Die  physische  Entwicklung  der  Kinder  in  den  Mittel- 
schulen Moskaus.    I.  Körperlange  und  Brustumfang.]     Moskau, 

1892,  Elisabeth  Geroeki.     8°. 


712 

Sallwüek,  von.     Die   Steilschrift  in   der   badischen    Volksschule. 

Päd.    Blatt,    f.    Lehrerbildg.    n.     Lehrerbildgsanst.,    1893,    ELI, 

277—278. 
Sanford,  £.  C.     The  relative   legibiUty  of  (he  smatt  letters.     Am. 

Journ.  of  Psych.,  Vol.  I,  402—435. 
Scarlet  fever  at  Harrotc  school.     Brit.  Med.  Journ.,   1893,  August 

19,  1703,  433. 
Scarlet  fever  in  public  schools.     Brit.   Med.   Journ.,    1893,  August 

26,  1704,  484. 
Scherbe,    EL     Der   Hemdfertigkeitsunterricht  in   der    Volks-    und 

Fortbildungsschule.     Neu.  Bahn.,  1893,  VIII,  385— 396  ff. 
Schmid-Monnard.       Über   den   Emflufs   des   Militärdienstes    der 

Väter  auf  die  körperliche  Entwicklung  ihrer  Nachkommenschaft. 

Halle  a.  S.,  1892. 
Schmidt,  0.     Die    Gesundheitslehre    als    Lehrgegenstand    an    der 

höheren  Mädchenschule.     Progr.     Charlottenburg,  1893.     4°. 
Schnabel.     On  defective  sight  in  chüdren  from  Suggestion.     Med. 

Chron.,  1893,  XVffl,  No.  3;  Wien.  med.  Bl&tt.,  1893,  XII. 
Schneider.     Über   den   Einflufs   von    Ohrerkrankungen   auf    die 

geistige   und  physische  Entwicklung    des  Kindes.     Med.   News, 

1893,  April. 
Schriftneigung    und    Schriftart,    Heftlage   und  Körperhaltung   beim 

Schreibunterricht.     Königsberg,  1893,  Bon.     M.  0,60. 
Schulreform  und  Turnunterricht    Eine  turnpädagogische  Streitschrift 

als  ernstes  Mahnwort  an   die   Schulbehörden   und  den    deutschen 

Lehrerstand,    zugleich    eine    kritische  Betrachtung  über   die  XI. 

deutsche   Turnlehrerrersammlung.     Bielefeld,    1891,   A.  Helmich. 
Schuttleworth,    G.  E.      The  care  of  the  „mentally  feeble"  chüd 

(as  disünguished  from  the  „imbecileu).     Transact.    VII.    Internat. 

congr.  hyg.  and  demogr.  1891,   London,    1892,  IV,  208 — 211. 
Schwimmen  und  Schwimmschule.     Schwz.  Bl.  f.   Gsdhtspflg.,   1893, 

XIII,  149—151. 
Sex   and   edueation.     Brit.    Med.    Journ.,    1892,    May    7,    1636, 

977;  992. 
Simon,  F.  B.     Die  Gesundheitspflege  des  Weibes.     Mit  34  Abbild. 

u.  1  färb.  Taf.     Stuttgart,  1893,  J.  H.  W.  Dietz.     8°.     A  2. 
Sollibr,    Paul.      Psychologie   de   Vidiot   et  de   timbedle.     Paris, 

1893,  F.  Alcan.     8°.     Fr.  5. 
Sonnenberger.     Die  Einwirkung  von  Wem  und  Bier  auf  unsere 

Kinder.     Mitt.  d.  deutsch.  Ver.   geg.    d.  Mifsbr.  geist.   Getrke., 

1893,  DI. 


Sachregister. 


Aborte,  Beschlüsse  des  Bezirks- 
schulrates der  Stadt  Wien  be- 
züglich derselben  50—51. 

Abschlufsklassen  für  zurückge- 
bliebene Kinder,  Erlafs  des  preußi- 
schen Unterrichtsministers,  be- 
treffend Errichtung  von  solchen 
230-232. 

—  vgl.  Schwachbegabte  Kinder. 
Adenoide  Vegetationen  315. 

—  Behandlung  derselben  319. 

—  Gesichtsausdruck  der  Kinder  mit 
solchen  316-317. 

—  im  Nasenrachenräume  von  Kin- 
dern 428. 

—  klanglose  Sprache  der  Kinder 
mit  solchen  318. 

—  mangelhaftes  Gehör  bei  damit 
behafteten  Kindern  318—319. 

—  Mundatmung  der  Kinder  mit 
solchen  315—316. 

—  Unfähigkeit  bei  denselben,  län- 
gere Zeit  aufmerksam  zu  sein 
319—320. 

Alkoholgenufs,  gegen  den  über- 
mäßigen der  akademischen  Ju- 
gend 229. 

Amtsärztliche  Berichte  über  sächsi- 
sche Schulen  88—90. 

Amtsärzte,  vgl.  Schulärzte. 

Analphabeten  in  Italien  70. 

Anfang  des  Schulunterrichts,  s. 
Schulanfang. 

Ansteckende  Krankheiten,  Bescheid 

.  des  bayerischen  Staatsministe- 
riums des  Innern  über  die 
Schließung  der  Schulen  beim 
Ausbruche  solcher  169 — 170. 

8chnlgeixindheltcpflefe  VI. 


Ansteckende  Krankheiten,  Verbrei- 
tung derselben  durch  Milchgenufs 
223. 

—  vgl.  Infektionskrankheiten. 
Aprosexia  nasalis  319 — 320. 

—  bei  Schulkindern,  Untersuchung 
über  dieselbe  670. 

Arbeitstisch,  der  zugleich  als  Barren 
und  Beck  benutzt  werden  kann  437. 

Arbeitsunterricht,  vgl.  Handfertig- 
keitsunterricht. 

—  vor  der  Lehrerkonferenz  des 
Gymnasiums  und  Realgymnasiums 
in  Görlitz  337. 

Arbeitszeit,  häusliche  der  Schüler 
der  k.  k.  Staatsoberrealschule  in 
Tesohen  489—490. 

—  vgl.  Hausarbeit. 

Area  Celsi  und  Schulbesuch  418 
bis  419. 

Arm-  und  Bruststärker,  Patent 
Largiader  90—92. 

Arztliche  Beobachtung  der  Ober- 
realschüler in  Teme8vär  während 
der  Lehrstunden  667. 

—  Schulinspektoren,  s.  Schulärzte. 

—  Untersuchung  der  Oberreal- 
schüler in  Temesvär  665 — 666. 

—  Mitteilung  der  Ergebnisse  der- 
selben an  die  Eltern  666—667. 

—  Zeugnisse  für  die  Oberrealschüler 
in  Temesvär  668. 

Astigmatismus  127. 

—  bei  den  Schulkindern  von  Lau- 
sanne 514. 

—  bei  den  Zöglingen  des  Waisen- 
hauses und  der  Erziehungsanstalt 
zu  Rummelsburg  687—688. 

46 


714 


Atmungsorgane,  Gesundheitsregeln 
für  die  Pflege  derselben  568  bis 
569. 

Auge,  Entwickelung  des  kindlichen 
468—469. 

Augen  der  Schüler  207 — 208. 

—  der  Schüler  von  Lausanne  426 
bis  428,  513—514. 

—  der  Zöglinge  des  Waisenhauses 
und  der  Erziehungsanstalt  zu 
Rummelsburg  687—688. 

Augenentzündung,  ägyptische,  s. 
Trachom. 

—  bei  Pocken  126—127. 

—  der  Neugeborenen  123—124. 

—  granulöse  in  den  Armenschulen 
Londons  295—296. 

—  vgl.  Augenkrankheit,  ägyptische. 

—  skrofulöse  124—125. 

Augen,  Gesundheitsregeln  für  die 
Pflege  derselben  569—570. 

—  Hygiene  derselben  37—38,  121 
bis  138,  451—452. 

Augenkrankheit,  ägyptische  in  den 
Dorfschulen  Livlands  408—410. 

—  vgl.  Augenentzündung,  granulöse. 

—  vgl.  Trachom. 

—  bei  gewissen  Berufsarten  137. 

—  bei  Önanisten  135. 

—  bei  Syphilitischen  135—136. 

—  infolge  von  Blendung  187. 
Augen,  Schädigung  derselben  in  der 

Schule  579. 

—  Verletzungen  derselben  137. 

—  vgl.  Rurzsichtigkeit. 

—  vgl.  Sehschärfe. 

—  von  Schulkindern  der  Vereinigten 
Staaten  77—79. 

Ausstellung  für  das  höhere  Schul- 
wesen in  Chicago,  Programm  der- 
selben 160—162. 

—  hygienische  in  St.  Petersburg 
40—41. 

—  internationale  medizinische  und 
hygienische  in  Rom  346. 

—  vgl.  Hygieneausstellung. 

—  wissenschaftlich  -  industrielle  in 
Kasan  276-279,  326-330,  403 
bis  406,  477—480. 

Baden,  Belehrungen  des  Wiener 
Stadtphysikates  über  das  Ver- 
halten der  Schüler  bei  demselben 
507-509. 


Baden,  vgl.  Schwimmen. 
Badeordnung  für  die  Benutzung  der 

Schulbäder  in  Zürich-Unterstrafs 

422—424. 

—  vgl  Schulbäder. 

Bäder  für  Volksschüler  in  Breslau 
543—544. 

—  in  den  städtischen  Elementar- 
schulen von  Paris  174—176. 

—  vgl.  Schulbäder. 

—  vgl.  Schwimmbäder. 

—  vgl.  Schwimmen. 

Bakterien  werden  in  ihrer  Ent- 
wickelung vielfach  durch  Licht 
gehemmt  522. 

Bänke,  s.  Schulbänke. 

Bauart  der  Schulen,  die  für  die 
Beleuchtung  geeignetste  534  bin 
535. 

Bauprojekte  für  Schulen,  Weisung 
des  k.  k.  österreichischen  Mini- 
steriums des  Innern,  bei  denselben 
das  Urteil  des  Landessanitäts- 
rates  einzuholen  167. 

Bau  und  Einrichtung  einer  neuen 
Elementarschule  in  Rom  45. 

—  von  Pflege-  und  Erziehungs- 
anstalten für  die  Jugend  des  vor- 
schulpflichtigen Alters  in  den  ver- 
schiedenen Ländern  58. 

Beaufsichtigung,  ärztliche  der  Schu- 
len 130. 

—  vgl.  Schularzt. 
Bedürfnisse,     Befriedigung     natür- 
licher der  Schulkinder  50 — 61. 

Bekleidung  armer  Kinder  in  Wien 
44. 

—  vgl.  Kleidung. 
Beleuchtung,  indirekte  mit  diffusem 

Licht  240-241. 

—  künstliche  129. 

—  insbesondere  für  Zeichen-  und 
Hörsäle  239—241,  331-337. 

—  vgl.  Licht,  künstliches. 

—  vgl.  Gasglühlicht 

—  vgl.  Lichtverhältnisse. 
Bewegung     der    Schuljugend     im 

Freien  147. 

—  vgl.  Jugendspiele. 
Bewegungsspiele  für  Mittelschulen 

und  verwandte  Lehranstalten  180 
bis  181. 

—  vgl.  Jugendspiele. 


715 


Biergen  ufs,  übermäfsiger  in  aka- 
demisch gebildeten  Kreisen  559 
bis  560. 

Biologische  Grundlagen  der  Päda- 
gogik, Versammlung  von  Schul- 
männern zur  Besprechung  der- 
selben 99—100. 

Blatternepidemie,  s.Pockenepidemie. 

Brände,  Statistik  der  in  Ungarn 
durch  Kinder  veranlagten  204. 

Brille  für  farbenblinde  Schüler  493. 

—  Müllersche  zur  Erzielung  grader 
Haltung  beim  Lesen  und  Schreiben 
473—476. 

Brustumfang  der  Kinder  467. 

—  russischer  Schuler  655—657. 

—  jährlicher  Zuwachs  desselben 
655-656. 

—  Verhältnis  zur  Körperlänge  der- 
selben 657—660. 

Bucher,  s.  Lehrbücher. 

Celluloidgegenstände,  Gefahren  für 
Kinder,  welche  solche  tragen  223 
bis  224. 

Cholera,  Schutzmaisregeln  gegen 
dieselbe  667. 

—  Todesfalle  von  Hamburger 
Schulkindern  an  derselben  162 
bis  163. 

Chorea,  s.  Veitstanz. 

Dampfheizungen  für  Schulen  20 
bis  21. 

—  vgl.  Heizung. 

Desinfektion  der  Breslauer  Volks- 
schulen 543. 

—  in  Schulen  485—486. 
Diphtherie  und  Schule  429—431. 

—  und  Schulferien  681. 

—  Verbreitung  derselben  durch  die 
Schule  560. 

Druck  der  Bücher  130. 

—  der  Klassikertexte,  Verbot  eines 
zu  kleinen  für  Schüler  durch  daa 
k.  k.  österreichische  Unterrichts- 
ministerium 299. 

Ehelosigkeit  der  Lehrer  293. 
Eislaufen,  s.  Schlittschuhlaufen. 
Epidemie,  akute  psychische  in  einer 
Mädchenschule  561 — 563. 

—  vgl.  hysterische  Epidemie. 

—  vgl.  hysterische  Krämpfe. 


Epidemie,  vgl.  Schulschluls. 

Epileptische  Kinder,  Erlafs  des 
badischenMinisteriums  des  Innern, 
betreffend  die  Ausschliessung  der- 
selben von  dem  Besuche  der 
Volksschulen  633—634. 

Erbgrind,  Abnahme  desselben  bei 
den  französischen  Schülern  84. 

—  unter  den  Schulkindern  in  Algier 
und  Tunis  293—294. 

Erbrechen,  nervöses  bei  Schul- 
kindern 342—343. 

Ernährung  der  Schuljugend  146  bis 
147. 

—  vgl.  Milchstationen. 

—  vgl.  Milchverteilung. 
Examina,  s.  Prüfungen. 

Farbenblindheit  137—138. 
Favus,  s.  Erbgrind. 
Ferien,  s.  Hitzeferien. 
Fenster,  Anforderungen  an  dieselben 
in  Schulen  537—539. 

—  der  Schulen  535—539. 
Fensterfläche,  Verhältnis  derselben 

zur  Bodenfläche  in  Schulen   535 
bis  537. 
Fenster,   Lage  derselben  im  Schul- 
zimmer 68 — 69. 

—  vgl.  Licht 

Ferienhort  für  bedürftige  Gymnasial- 
schüler Wiens  353—855. 

—  vgl.  Ferienkolonien. 
Ferienkolonien,  Berliner  500. 

—  in  Breslau  544. 

—  in  Prag  436—437. 

—  spanische  271—275. 

—  vgl.  Ferienhort. 

—  vgl.  Schülerherbergen. 

—  vgl.  Sommerpflegen. 
Ferienkolonisten,  Gewichtszunahme 

spanischer  274. 
Ferienreisen  dänischer  Schüler  682. 

—  vgl.  Schülerreisen. 
Feuchtigkeitsgehalt     der    Luft    in 

Schulzimmern  5 — 7. 
Feuerluftheizungen  für  Schulen  14 
bis  18. 

—  vgl.  Heizung. 

Fragebogen,  amtlicher  zur  Er- 
mittelung der  körperlichen  und 
geistigen  Eigenschaften  der 
Schuljugend  in  Uruguay  48 — 50. 

46* 


716 


Freipausen  701. 

—  richtige  Verwendung  derselben 
680. 

—  vgl.  Pansen. 

Frequenz  der  Klassen  in  den  Ber- 
liner Gemeindeschulen  553. 

Frühreife,  physische  Grundlage  der- 
selben bei  Schulindern  621. 

Frühstück  für  arme  Schulkinder  in 
Breslau  545. 

—  Tgl.  Milchstationen. 

—  vgl.  Speisung. 
Fußballspiel,  ist  dasselbe  gefährlich? 

491—492. 

—  tödliche  Verletzung  eines  eng- 
lischen Schülers  bei  aemselben  45. 


Gärten,  s.  Schulgarten. 
Gasglühlicht,  Empfehlung  des  Auer 

sehen    durch    den    preußischen 

Unterrichtsminister  438—440. 
Gasheizung,    s.    Sohulheizung    mit 

Gasöfen. 
Gehirn,  das  männliche  schwerer  als 

das  weibliche  547,  675—677. 

—  Entwickelung  des  kindlichen  467 
bis  468. 

Gehör,  mangelhaftes,    bei  Kindern 

mit  adenoiden  Vegetationen  318 

bis  319. 
Gehörprüfungen  von  Schulkindern 

in  Luzern  627—631. 
Geisteskrankheiten  bei  Schülerinnen 

549. 

—  vgl-  geistige  Störungen. 
Geistige  Störungen  bei  Kindern  341 

bis  342. 

—  rgl.  Geisteskrankheiten. 
Geradehalter,  Tgl.  Brille. 

—  Tgl.  Haltung. 

—  zur  Benutzung  beim  Lesen  und 
Schreiben  473—474. 

Gesang,  Hygiene  desselben  bei  den 
Kindern  449—451. 

—  Tgl.  Stimme. 

Geschlecht,  Einflufs  desselben  in  der 
Erziehung  675—677. 

Geschlechtertrennung  in  den  Primär- 
schulen Tom  hygienischen  Stand- 
punkte 406—408. 

Gesundheit,  der  Lehrer  als  Wächter 
derselben  114—116. 

—  der     Schuljugend,     Ratschläge 


zur  Wahrung  derselben  Tor  50 
Jahren  404—405. 

GesundbeitsgemäXse  Erziehung  der 
Jugend,  Berliner  Verein  für  die- 
selbe 626—627. 

Gesundheitslehre  für  die  Volks- 
schulen 241—242. 

—  im  Anschlufs  an  Bau  und  Leben 
des  menschlichen  Körpers  638  bis 
640. 

—  Unterricht  der  Oberrealschüler 
zu  Temesvar  in  derselben  665. 

—  Tgl.  Hygiene. 
Gesundheitspflege  der  Lehrer  486 

bis  487. 

—  in  den  Primärschulen,  Verord- 
nung des  französischen  Unter- 
richtsministers in  betreff  derselben 
300. 

—  in  den  Schulen  65 — 74. 

—  Tgl.  Schulgesundheitspflege. 

—  Tgl.  Hygiene. 

Gesundheitsregeln  für  die  Schul- 
jugend, aufgestellt  von  der  Unter- 
richtsbehörde im  Haag  567  bis 
571. 

—  für  Schulkinder  59—60. 
Gesundheitsspiegel  für  Jung  und  Alt 

702—704. 

Gesundheit,  Tgl.  Schulgesundheits- 
pflege. 

Geteilte  oder  ungeteilte  Schulzeit  in 
den  Hamburger  Volksschulen? 
502-507. 

—  Tgl.  Schulzeit,  ungeteilte. 

—  Tgl.  Stundenplan. 

Geteilte  Schulzeit  701. 

Gewicht,  s.  Körpergewicht. 

Giftigkeit  von  Farben  in  den  Schüler- 
farbkästchen, Erlafs  der  k.k.  Statt- 
halterei  in  Böhmen  bezüglich  der- 
selben 697—698. 

Glasschul  wand  tafeln,  matte  schwarze 

und  weifse  492. 
Gymnastik  als  Hilfsmittel  der  phy 

sischen  Erziehung  249 — 270. 

—  bei  den  Griechen  und  Römern 
253. 

—  im*  Mittelalter  253—254. 

—  in  der  neueren   Zeit  254 — 257. 

—  in  England  257. 

—  in  Frankreich  257. 

—  in  Rufsland  257—258. 

—  schwedische  255—256. 


717 


Gymnastik,   vgl.    heilgymnastischer 
Unterricht. 

—  vgl.  Turnen. 

—  vgl-  Widerstandagymnastik. 

—  Widerlegung  der  Ein  würfe  gegen 
die  schwedische  261 — 267. 


Haitang,  eine  Vorrichtung,  um  die 

Schuler   zu   gerader   zu   nötigen 
166—167. 

—  vgl.  Geradehalter. 
Handarbeiten  von  Knaben  auf  der 

wissenschaftlich-]  ndustriellen  Aus- 
stellung in  Kasan  477. 

—  von  Mädchen  auf  der  wissen- 
schaftlich •  industriellen  Aus- 
stellung in  Kasan  477—479. 

—  Programm  der  Lehrerbildungs- 
anstalt des  deutschen  Vereins  für 
dieselben  auf  das  Jahr  1893  164 
bis  166. 

Handarbeitsunterricht  im  Falkreal- 
gymnasium zu  Berlin   564—565 

—  in  Danemark  644-645. 
Handarbeit,  vgl.  Handfertigkeit. 

—  vgl.  Knabenhandarbeit. 
Hand,  Einflufs   derselben   auf  den 

menschlichen  Geist  411. 
Handfertigkeitsunterricht   in   Rufs, 
land  101. 

—  inwieweit  tragt  derselbe  zur 
Geschmacksbildung  der  Jugend 
bei?  411. 

—  vgl.  Arbeitsunterricht. 
Handfertigkeit,  vgl.  Handarbeit. 

—  vgl.  Knabenhandarbeit 

—  vgl.  Slöjd. 

Hand,  vgl.  Knabenhandarbeit. 
Hausarbeiten  der  Schüler  701. 

—  hygienische  Ratschläge  für  die- 
selben 677. 

—  Gesundheitsregeln  für  dieselben 
570. 

—  vgl.  Arbeitszeit. 

—  vgl.  häusliche  Arbeiten. 

Hausaufgaben,  s.  häusliche  Arbeiten. 

Haushaltungsunterricht  für  Mäd- 
chen, Erlaf8  des  preufsischen 
Unterricht8mini8ters  in  betreff 
desselben  298—299. 

Häusliche  Arbeiten  der  Schülerinnen 
36-37. 

—  vgl.  Hausarbeiten. 


Heftlage  und  Schriftrichtung,  Ein- 
flufs derselben  auf  die  Körper- 
haltung der  Schüler  689. 

—  vgl.  Steilschrift. 
Heilgymnastischer    Unterricht    für 

Kinder  26. 

—  vgl.  Gymnastik. 
Heizanlagen,    centrale  in  Breslauer 

Volksschulen  542—543. 

—  für  Schulen,  Bedienung  und  Er- 
haltung derselben  23 — 25. 

—  in  Schulhäusern,  hygienische  An- 
forderungen an  dieselben  1 — 25. 

Heizung  in  den  Berliner  Gemeinde- 
schulen 552—553. 

—  mit  Gas  in  der  Uhlandschule  zu 
Frankfurt  a.  M.  618. 

Heizungssysteme,    kombinierte   für 

Schulen  21—23. 
Heizung,  vgl.  Dampfheizung. 

—  vgl.  Feuerluftheizung. 

—  vgl.  Ofenheizung  in  Schulen. 

—  vgl.  Schulheizung. 

—  vgl.  Temperatur. 

—  vgl.  Wasserheizung. 
Himmelsrichtung  der  Klassenzimmer 

in  den  Schulen  von  Halle  529  bis 
532. 
Hitzeferien  in  Sicilien  73. 

—  Vorschriften  des  preufsischen 
Unterrichtsministers  über  die 
selben  440—441. 

Hygieneausstellung,  die  erste  russi- 
sche in  St.  Petersburg  495—496. 

—  vgl.  Ausstellung. 

Hygiene,  Grundzüge  derselben  578 
bis  580. 

—  Handbuch  derselben  für  Schüler 
372. 

—  vgl.  Gesundheitslehre. 

—  vgl.  Gesundheitspflege. 
Hygienische  Ausbildung  der  Lehrer 

und  Lehrerinnen  613 — 614. 

—  vgl.  hygienischer  Unterricht. 

Hygienischer  Unterricht  an  Lehrer- 
bildungsanstalten, Gutachten  über 
den  Umfang  desselben  35 — 36. 

—  für  Lehramtekandidaten  in  Italien 
563. 

—  für  Lehrer,  Gutachten  des  Wiener 
Stadtphysik at es  über  Erteilung 
desselben  636—637. 

—  in  den  Schulen  der  Vereinigten 
Staaten  75—76. 


718 


Hygienischer  Unterricht  in  höheren 
Töchterschulen  614. 

—  vgl.  hygienische  Ausbildung. 
Hygienische     Untersuchungen     in 

höheren  Schalen  Norwegens  396 
bis  403. 

—  Verhältnisse  der  Berliner  Ge- 
meindeschulen 652—554. 

Hypermetropie  bei  den  Schalkindern 
von  Lausanne  514. 

—  Tgl.  Übersichtigkeit. 
Hysterische    Epidemien    bei    Schä- 
lerinnen 648—549. 

—  vgl.  Epidemie. 

—  Krämpfe,  Epidemie  von  solchen 
in  einer  schlesischen  Dorfschale 
225—229. 

—  vgl.  Epidemie. 

Idioten,  öffentliche  Fürsorge  für 
dieselben  93. 

—  vgl.  schwachsinnige  Kinder. 
Impfung  der  Schüler,  Bandschreiben 

der  k.  k.  schlesischen  Landes- 
regierung bezüglich  derselben  634 
bis  636. 

—  Einflufs  derselben  auf  die  Pocken 
343—344. 

—  vgl.  Pockenepidemie. 
Infektionskrankheiten,      Ausschlaft 

von  Kindern  wegen  derselben  aas 
der  Schale  358—359. 

—  bei  Kindern  in  Österreich  163. 

—  in  Schulen  578—579. 

—  Verordnung  der  französischen 
Regierung,  betreffend  Mafsregeln 
in  den  Primarschulen  zur  Ver- 
hütung und  Bekämpfung  derselben 
693—695. 

—  vgl.   ansteckende    Krankheiten. 

—  vgl.  Krankheiten. 

—  wie  lange  sollen  die  Schalkinder 
bei  denselben  isoliert  werden? 
674. 

Infektiös  erkrankte  Kinder,  Band- 
schreiben des  Zürcher  Stadt- 
arztes, betreffend  den  Ausschiufa 
derselben  und  ihrer  Geschwister 
von  der  Schale  287. 

Influenza,  Schluß  dreier  Lehrer- 
seminare wegen  derselben  229. 

Jugendhorte  in  Breslau   544 — 545. 

—  vgl.  Schalgärten. 


Jugendspielbewegung,  Verhältnis 
derselben  zum  Tarnen  and  zur 
Tarnerschaft  213-  214. 

Jagendspiele  267. 

—  an  höheren  Schalen  Preafsens 
432-435. 

—  Bescheid  des  preafsischen  Kriegs- 
ministeriums über  die  Benutzung 
der  Exerzierplätze  zu  denselben 
102—103. 

—  für  Mädchen  in  Braunschweig 
142-145. 

—  in  Frankfurt  a.  M.  163—164. 

—  in  Prag,  Verein  zur  Förderung 
derselben  297. 

—  Kurse  zur  Ausbildung  von  Leh- 
rern and  Lehrerinnen  in  denselben 
353. 

—  vgl.  Bewegung  der  Schuljugend 
im  Freien. 

—  vgl.  Bewegungsspiele. 

—  vgl.  Turnspiele. 

—  vgl.  Volksspiele. 

—  vgl.  Wettspielkämpfe. 
Jugend-  und  Volksspiele  53 — 55. 

—  in  Deutschland,  Sitzung  des 
Centralaussohusses  zur  Förderang 
derselben  213—216. 

—  inwiefern  nützen  sie  der  Armee? 
214-215. 

Kinderbewahranstaiten,  8.  Kinder- 
bewahrwesen. 

—  vgl.  Kindergärten. 

Kin  derbe  wahrwesen,  Begelang  des- 
selben in  Ungarn  204—207. 

—  vgl.  Kindergärten. 
Kindergärten,  gesundheitsschädliche 

Beschäftigungsmittel  in  denselben 
222. 

—  in  Berlin,  hygienische  Fürsorge 
für  dieselben  632—633. 

—  in  Japan  693. 

—  und  Gesundheitspflege  38—39. 

—  Verfugung  des  niederöster- 
reichischen Landesschulrates,  be- 
treffend Beschäftigungsmittel  rar 
dieselben  441 — 444. 

—  vgl.  Kinderbewahrwesen. 
KinderheilherbergeBethesda  zu  Sool- 

bad  Goczalkowitz  in  Schlesien  102. 

Kinderheilstätten  an  den  deutschen 

Seeküsten,  Jahresversammlung  des 

Vereins  für  dieselben  499—500. 


719 


Kinderheilstätten  an  den  Seeküsten, 

vgl.  Seehoepize 
Klassenzimmer,  Breite  derselben  66. 

—  Höhe  derselben  67. 

—  in  Halle  Himmelsrichtung  der- 
selben 529—532. 

—  Lange  derselben  65—66. 

—  wieviel  Schüler  dürfen  in  dem- 
selben sitzen?  67. 

Kleidung  armer  Schulkinder  632. 

—  vgl.  Bekleidung. 
Knabenhandarbeit,    die     Leipziger 

Lehrerbildungsanstalt  des  deut- 
schen Vereins  für  dieselbe  566  bis 
567. 

—  VII.  Hauptversammlung  des 
deutschen  Vereins  für  dieselbe 
410—412. 

—  Katechismus  für  den  Unterricht 
in  derselben  242—244. 

—  vgl.  Hand. 

—  vgl.  Handarbeit. 

—  vgl.  Handfertigkeit. 
Knabenhorte,  s.  Jugendhorte. 
Knochen  der  Kinder  466. 

Koch-  und  Haushaltungsunterricht, 
soll  derselbe  in  Fortbildungs- 
schulen für  Mädchen  oder  in  der 
Volksschule  erteilt  werden?  622 
bis  624. 

Kohlenoxydvergiftung  in  einer 
Schulklasse  513. 

Kohlensäuregehalt  einer  Klasse  ist 
um  so  geringer,  je  gröfser  die 
Temperaturdifferenz  zwischen 
Zimmerluft  und  freier  Luft  200 
bis  201. 

Kohlensäureproduktion  von  Schul- 
kindern 198. 

Kohlensäure,  vgl.  Luft. 

Kohlensäurezunahme  einer  Klasse 
steht  zur  Geschwindigkeit  der 
Luftbewegung  im  Freien  in  um- 
gekehrtem Verhältnis  200. 

—  Grenzen  derselben  während  einer 
Unterrichtsstunde  198—199. 

Komitee,  englisches  zur  Unter- 
suchung des  körperlichen  und 
geistigen  Verhaltens  der  Schul- 
kinder 496. 

Kongrefs,  VIII.  internationaler  für 
Hygiene  und  Demographie  in 
Budapest  291—292,  426. 


Kongrefs,  die  schulhygienische  Sek" 
tion  des  Budapester  493. 

—  XI.  internationaler  ärztlicher  in 
Born  95,  561. 

—  vgl.  Versammlung. 

—  vgl.  Weltkongrefs. 
Kopfschmerz  bei  Schülerinnen  547 

bis  548. 

—  bei  Schulkindern  der  Vereinigten 
Staaten  77. 

—  englischer  Schülerinnen  in  höhe- 
ren Töchterschulen  677. 

Kopfweh,  8.  Kopfschmerz. 
Körpererziehung  und  Schulreform 
112—114. 

—  vgl.  körperliche  Ausbildung. 

Körpergewicht  der  Kinder  465. 

Körperkraft  der  Kinder   465 — 466. 

Körperlänge,  beschleunigtes  Wachs- 
tum derselben  eine  verdächtige 
Erscheinung  662—663. 

—  der  Kinder  464—465. 

—  der  Schüler,  wodurch  das  Wachs- 
tum derselben  begünstigt  wird? 
661—662. 

—  Einflute  des  Schulbesuches  auf 
dieselbe  654 — 655. 

—  hebräischer  Schüler  652—653.  ' 

—  russischer  Schüler  651 — 652. 

—  wohlhabender  Schüler  653. 
Körperliche    Ausbildung    an     den 

Mittelschulen  Österreichs  435. 

—  der  Gymnasiasten,  drei  Vor- 
kämpfer für  dieselbe  84 — 88. 

—  in  den  Schulen  der  Vereinigten 
Staaten  76. 

—  Mängel  derselben  in  Rufsland 
250-251. 

—  vgl    Körpererziehung. 

—  vgl.  körperliche  Erziehung. 

—  vgL  Turnen. 

—  wie  sorgt  die  höhere  Mädchen- 
schule für  dieselbe  bei  ihren  Zög- 
lingen? 480-484,  546—551, 
610-  616. 

Körperliche  Entwicklung  der  Jugend, 
Einflufs  der  Schule  auf  dieselbe 
146-152. 

—  der  Knaben  in  den  Mittelschulen 
Moskaus  649—663. 

Körperliche  Erziehung  auf  den 
Sandwichin  sein  681. 

—  junger  Mädchen  287—288. 

—  vgl.  körperliche  Ausbildung. 


720 


Körperliche  Übungen,  e.  Leibes- 
übungen. 

Körperliche  und  geistige  Arbeit  im 
Gleichgewichte  284—287. 

—  vgl.  über  bürdung. 
Körperpflege,  Gesundheiteregeln  für 

dieselbe  570-571. 

—  im  Falkrealgymnasium  zu  Berlin 
564-566. 

—  vgl.  Tarnen. 
Kraft,  s.  Körperkraft. 
Krankheiten    der    Schulkinder    in 

Lausanne  512. 

—  ygl.  Schulkrankheiten. 

—  Maisnahmen  gegen  die  Ver- 
breitung ansteckender  durch  Mit- 
glieder geistlicher  Orden  571  bis 
572. 

—  ygl.  Infektionskrankheiten. 
Kriminalität  der  Jugendlichen  350 

bis  851. 
Kurzsichtigkeit  128—134. 

—  bei  den  Zöglingen  des  Waisen- 
hauses und  der  Erziehungsanstalt 
zu  Rummelsburg  687. 

—  von  Schülern,  Heilung  derselben 
durch  Suggestion  672—674. 

'—  der  8chutfugend  367—371. 

—  Einflufs  der  Basse  auf  die  Ent- 
stehung derselben  611—612. 

—  Entstehung  derselben  368—369. 

—  Erblichkeit  derselben  611. 

—  in  höheren  Mädchenschulen  610 
bis  611. 

—  in  Schulen  523. 

—  Nachteile  derselben  523—524, 
611. 

—  Tgl.  Augen. 

—  vgl.  Myopie. 

—  vgl.  Schulkurzsichtigkeit. 

—  von  Schülerinnen  in  Köln  98. 

—  zwei  Arten  derselben  368. 


Länge,  s.  Körperlänge. 

Lebens-  und  Dienstalter  der  Volks- 
schullehrer in  Preufsen  490 — 491. 

Lehrbücher  für  höhere  Unterrichts- 
anstalten, hygienische  Anforde- 
rungen an  dieselben  572. 

Lehrerheim  zu  Schreiberhau  im 
Riesengebirge  516—517. 

Leibesübungen  für  die  verschiedenen 
Lebensalter  643. 


Leibesübungen  in  freier  Luft,  Bil- 
dung von  Vereinen  für  dieselben 
215. 

—  nach  ihrem  körperlichen  Übungs- 
wert 642—644. 

—  vgl.  körperliche  Ausbildung. 
Lektionen,  halbstündige  statt  ganz> 

stündiger  321—325. 

—  vgl.  Schulstunden. 
Lektionsplan     mit     halbstündigem 

Unterricht  323—325. 

Lektüre,  aufregende  der  Schülerin- 
nen 619—621. 

Lesebücher,  hygienische  Reform  der- 
selben in  Österreich  690. 

Licht,  künstliches,  darf  die  Luft 
nicht  verschlechtern  331. 

—  darf  nicht  blenden  334—335. 

—  darf  nicht  erhitzen  331—332. 

—  darf  nicht  unzureichend  sein 
332—334. 

—  darf  nicht  zucken  332. 

—  vgl.  Beleuchtung. 
Lichtmanffel,  Beseitigung  desselben 

in  Breslauer  Volksschulen  542. 
Lichtmessungsmethode  526 — 528. 
Lichtreflektoren     von     Hrabowski 

335—336. 
Lichtverhältnisse  der  Bürgerschule 

in  der  Dreyhaupt-Oleariusstrafse 

zu  Halle  591—592. 

—  der  Knabenbürgerschule  an  der 
Ecke  der  Charlotten- und  Augusta- 
strafse  zu  Halle  593—595. 

—  der  Knaben-  und  Mädchenschule 
an  der  neuen  Promenade  zu  Halle 
595—598. 

—  der  Knaben-  und  Mädchenschule 
in  der  Hermannstrafse  zu  Halle 
602—608. 

—  der  Knaben-  und  Mädchenschule 
in  der  Liebenauerstrafse  zu  Halle 
602. 

—  der  Mädchenbürgerschule  in  der 
grofsen  Steinstrsise  zu  Halle  591. 

—  der  städtischen  höheren  Mäd- 
chenschule an  der  alten  Prome- 
nade zu  Halle  588—591. 

—  der  Volksschule  für  Knaben  und 
Mädchen  in  der  Taubenstraise  zu 
Halle  600-601. 

—  der  Volksschule  in  der  Lessing- 
Schiller8trafse  zu  Halle  592  bis 
593. 


721 


Lichtverhältnisse  des  Stadtgymna- 
siums und  der  städtischen  Real- 
schule nebst  der  Vorschule  des 
Stadtgymnasiums  zu  Halle  598 
bis  600. 

—  in  den  Schulen  der  Franckeschen 
Stiftungen  zu  Halle  603—610. 

—  in  den  Schulen  der  Stadt  Halle 
a.  S.  521—641,  588-610. 

—  vgl.  Beleuchtung. 
Licht,  vgl.  Fenster. 

Luftprüfer  auf  Kohlensäure  von 
Dr.  H.  Wolpert  187—188. 

Luftprüfungen  auf  Kohlensäure  in 
Berliner  Gemeindeschulen  185  bis 
203. 

—  vgl.  Lüftung. 

Lüftung  der  Schulräume  147,  304. 

—  der  Schulzimmer  in  Berlin   81. 
Luft,  Ein  Auf 8  kohlensäurereicher  auf 

die  Lebensthätigkeit  197—198. 
Lüftung  in  den  Berliner  Gemeinde- 
schulen 553. 

—  vgl.  Luftprüfungen. 

—  vgl.  Ventilation. 

Luft,  Verunreinigung  derselben  7  bis 
11,  185—187. 

—  vgl.  Kohlensäure. 
Luftwechsel  in  Schulen   durch  die 

Poren  des  Baumaterials  und  die 
Spalten  der  Fenster  und  Thüren 
201. 
Lungenschwindsucht,  Verhaltungs- 
maßregeln gegen  die  Ausbreitung 
derselben  in  Schulen  43 — 44. 

lädchengymnasium  in  Karlsruhe 
vom  Standpunkte  der  Hygiene 
684—687. 

Mappen,  s.  Schulmappen. 

Masernkranke,  Ausschlufs  ihrer  Ge- 
schwister vom  Schulbesuche  139 
bis  141. 

Masern,  Schulschlufs  in  Orleans 
wegen  derselben  498. 

Mäfsigkeit,  Förderung  derselben 
durch  die  Schule  497. 

Mensa  academica  in  Wien  101  bis 
102. 

Metallöfen  für  Sohulen  13. 

Milchstationen  für  arme  Schulkinder 
560—561. 

—  vgl.  Ernährung. 

—  vgl.  Frühstück. 


Milchverteilung  an  bedürftige  Kin- 
der in  einer  Leipziger  Bezirks- 
schule  297. 

—  vgl.  Winterpflege. 
Militärdienstuntaugliche     russische 

Mittelschüler  660. 

Mitteleuropäische  Zeit  und  Beginn 
des  Unterrichts  am  Morgen  292. 

Mittelschul  wesen,  Reform  des  baye- 
rischen vom  ärztlichen  Stand- 
punkte aus  700—702. 

Muskeln  der  Kinder  466. 

Myopen  haben  niedrigere  Augen- 
höhlen als  Emmetropen  585  bis 
688. 

Myopie,  Astigmatismus  die  angeb- 
liche Ursache  derselben  385. 

—  Bei  den  Schulkindern  in  Lau- 
sanne 513 — 514. 

—  deletäre  387—390. 

—  deletäre,  ein  Produkt  der  Inzucht 
390-393. 

—  Accommodationstheorie  zur  Er- 
klärung ihrer  Entstehung  384  bis 
385. 

—  Konvergenztheorie  zur  Erklärung 
ihrer  Entstehung  381—884. 

—  Erblichkeit  derselben  131. 
Myopiefrage  457-460,  585—588. 

—  mit  besonderer  Rücksicht  auf 
die  Schule  377—396. 

Myopie,  Sehnervenzerrung  die  an- 
gebliche Ursache  derselben  385. 

—  Stillings  Theorie  von  ihrer  Ent- 
stehung 377—381. 

—  Ursache  derselben  130 — 134. 

—  Urteile  über  Stillinos  Theorie 
von  der  Entstehung  derselben 
467-459. 

—  vgl.  Kurzsichtigkeit. 

Nachmittagsunterricht,  hygienische 
Anforderungen  an  denselben  680. 

—  wie  befreien  wir  unsere  Schul- 
jugend von  demselben?  321 — 325. 

Nase,  Gesundheitsregeln  für  die 
Pflege  derselben  668. 

Nasenatmung,  Einflufs  behinderter 
auf  die  körperliche  und  geistige 
Entwicklung  der  Kinder  313  bis 
321. 

Nasenbluten  bei  Schülerinnen  548. 

Nasenrachenraum,  Anatomie  des- 
selben 314. 


722 


Nervenreizung     von    Schülerinnen 

482-483. 
Nervosität  bei  Schülerinnen  548. 
Normalschrift,   deutsche   308—309. 

—  vgl.  Schrift. 

Ofenheizung  in   Schulen  158 — ICO. 

—  vgl.  Heizung. 

—  vgl.  Kohlenoxydvergiftung. 

—  vgl.  Metallöfen. 

—  vgl.  Thonöfen. 

Ohren,  Gesundheitsregeln  für  die 
Pflege  derselben  568. 

Paulinum  in  Hamburg,  eine  Muster- 
stätte für  einen  gesunden  Geist 
in  einem  gesunden  Körper  413 
bis  417. 

Pausen  in  den  Berliner  Gemeinde- 
schulen 552. 

—  vgl.  Freipausen. 

—  vgl.  Unterrichtspau8en. 

Pelade,  sollen  Kinder  wegen  der- 
selben vom  Schulbesuche  ausge- 
schlossen werden?  36. 

Phthisis,  s.  Lungenschwindsucht. 

Photometer  von  Weber  332,  526 
bis  527. 

Physische  Ausbildung,  s.  körperliche 
Ausbildung. 

Pockenepidemie  in  Greenwich,  ver- 
breitet durch  die  Schule  497. 

Pocken,  vgl.  Impfung. 

Preisausschreiben  für  Lehrer  zur 
Förderung  der  Massigkeit  seitens 
der  Schule  497. 

Prüfungen  der  Schülerinnen,  nach- 
teiliger Einflufs  derselben  auf  das 
Gehirn  550-551. 

—  in  den  italienischen  Elementar- 
schulen 74. 

Psyohische  Epidemie,    s.  Epidemie. 

Radfahren,  Gefahren  des  über- 
triebenen 157 — 158. 

Bauchen,  s.  Tabakrauchen. 

Raum  Winkelmesser  von  L.  Weber 
627-528. 

Reinigung  der  Berliner  Gemeinde- 
schulen 653. 

—  der  Breslauer  Volksschulen  543. 

—  der  Schulzimmer  521 — 522. 

—  der  Schulzimmer  in  Berlin  81 
bis  82. 


Reinlichkeit,  s.  Sauberkeit 
Revaccination    der   Oberrealschüler 
in  Temesvar  666. 

—  vgl.  Wiederimpfung. 
Rückgratsverkrümmungen,  vgl.  Wir- 
belsäule. 

—  von  Schülerinnen  in  Köln  98. 
Rudern  der  Realschüler  in  Lauen- 

bürg  a.  E.  436. 
Ruderwettfahrt  zwischen   den  Ver- 
tretern der  Universitäten  Oxford 
und  Cambridge  498. 

Sanatorium,  s.  Schulsanatorium. 

Sanitäre  Verbesserungen  in  Welling- 
ton College  428—429. 

Sauberkeit  an  den  höheren  Schulen, 
Grundsätze  des  Provinzialschnl- 
kollegiums  zu  Kassel  für  die  Auf- 
rechterhaltung derselben  103  bis 
106. 

—  vgl.  Reinigung. 
Scharlachepidemie    in    einer   fran- 
zösischen Gewerbeschule  283. 

Schlaf  der  Schuljugend  148. 
Schlafzeit  der  Schülerinnen  550. 
Schlittschuhlaufen  der  Realschüler 
in  Strafsburg  i.  E.  667. 

—  der  Volksschüler  in  Breslau  544. 

Schreiben,  die  hygienischen  Be- 
ziehungen von  Heftlage,  Schrift- 
richtung und  Haltung  der  Kinder 
bei  demselben  640—642. 

—  vgl.  Steilschrift. 
Schreibunterricht  in  Rufsland  405 

bis  406. 

Schreibweise  linkshändiger  Kinder 
421. 

Schrift,  die  deutsche  und  ihre  Reform 
306-308. 

Schriftrichtung  nnd  Heftlage,  Ein- 
flufs derselben  auf  die  Körper- 
haltung der  Schüler  689. 

—  vgl.  Steilschrift. 
Schrift,  vgl.  Normalschrift. 
Schulanfang   im    Regierungsbezirk 

Schleswig  während  des  Winter- 
halbjahrs 496. 

—  vgl.  Zeit,  mitteleuropäische. 
Schularzt,  Aufgaben  desselben  210 

bis  211. 

—  der  Oberrealschule  in  Temesvar, 
Teilnahme  desselben  an  den 
Sitzungen   des  Lehrkörpers  668. 


723 


Schalarzt,  die  Frage  desselben  in 
der  Berliner  Stadtverordneten- 
versammlung 79—83. 

Schulärzte  340—341, 525,  553-554, 
613. 

—  Antrag  auf  Anstellung  von  solchen 
in  Braunschweig  210 — 213. 

—  gesetzliche  Einführung  derselben 
in  Norwegen  397. 

—  in  Sachsen  428. 

—  sollen  die  Physici  die  Funktionen 
derselben   mitübernehmen?   211. 

—  vgl.  Amtsärzte. 

—  vgl.  Beaufsichtigung,  ärztliche 
der  Schulen. 

—  vgl.  Schulinspektion,    ärztliche. 

—  vgl.  Schulzahnärzte. 

—  zur  Frage  der  Anstellung  von 
solchen  688. 

Schularztfrage  209. 

—  Verhandlungen  des  Berliner 
fiealschulmännervereins  über  die- 
selbe 484—485. 

Schulärztlicher  Bericht  über  das 
Jahr  1892—93  an  der  Staats- 
oberrealschule  in  Temesvar  664 
bis  669. 

Schulbäder,  Einflute  derselben  auf 
die  Schüler  40. 

—  vgl.  Badeordnung. 

—  vgl.  Bäder. 

Schulbänke,  Aufstellung  derselben 
in  der  Klasse  67—68. 

—  der  Berliner  Gemeindeschalen 
553. 

—  vgl.  Subsellien. 
Schulbankfrage,  Entwickelang  der- 
selben in  Prag  217—220. 

Schulbankkonstruktion, Konkurrenz- 
vorschriften des  Wiener  Stadt- 
rates zur  Erlangung  von  Pro- 
jekten für  eine  solche  106 — 109. 

Schulbank,  neue,  von  Wojcie- 
chowski  346. 

—  von  Bamminge r  &  Stetter  45 
bis  46. 

Schulbauten,  s.  Bau. 

Schulen  Kasans  in  hygienischer  Be- 
ziehung 330. 

Schülerherbergen  im  Biesengebirge 
435. 

—  vgl.  Ferienkolonien. 
Schülerinnenreise  auf  den  Semme- 

ring  497—498. 


Schülerreisen,  vgl.  Ferienreisen. 

Schüleruntersuchungen  in  England 
163. 

Schülerverbindungen,  Erlafs  des 
preußischen  Unterrichtsministers 
in  betreff  derselben  167—169. 

— hygienischeOefahren  derselben  36. 

Schülerzahl,  durchschnittliche  in 
den  Volksschulklassen  der  grösse- 
ren  Städte  Preufsens   621—622. 

—  zulässige  in  den  verschiedenen 
Klassen  der  Mittelschulen  702. 

Schulgärten,  Einrichtung  und  Pflege 
derselben  359—363. 

—  Gesellschaft  zur  Gründung  von 
solchen  in  Wien  566. 

—  in  Mannheim  421—422. 

—  städtischer  in  Köln  296. 

—  vgl.  Jugendhorte. 
Schulgebäude,  amtlicher  Fragebogen 

bezüglich  derselben  in  Uruguay 
235-237. 

—  der  Kreisverwaltung  von  Kasan 
326-327. 

—  des  Wolga-Kamagebietes  278  bis 
279. 

—  des  Kreises  Isenhagen  351 — 353. 

—  Entwurf  für  ein  solches  des  Real- 
gymnasiums  in   Gera   424 — 425. 

—  hygienische  Beschaffenheit  der- 
selben in  Palermo  69 — 70. 

—  vgl.  Schulhäuser. 

—  vgl.  Volksschulbauten. 
Schulgesundheitliches  aus  der  neuen 

Schulordnung  der  Stadt  St.  Gallen 
233—235. 
Schulgesundheitspflege  574 — 575. 

—  aus  der  Vereinigung  des  Berliner 
Lehrervereins  für  dieselbe  207  bis 
209. 

—  Grundrifs    derselben    303—305. 

—  im  Kanton    St.   Gallen  34-35. 

—  Lehrbuch  derselben  für  Lehrer 
und  Seminaristen  365 — 367. 

—  Sitzungen  der  Nürnberger  Kom- 
mission für  dieselbe  669 — 672. 

—  und  Stundenplan  677 — 680. 

—  vgl.  Gesundheit. 

—  vgl.  Gesundheitspflege  in  den 
Schulen. 

—  vgl.  Gesundheitsregeln. 

—  vgl.  Schulhygiene. 

—  Vorlesungen  über  dieselbe  an 
der  Universität  Giefsen  162. 


724 


Schulhäuser  in  Halle,  Umgebung 
derselben  532—534. 

—  sanitäre  Statistik  derselben  in 
den  Vereinigten  Staaten  76. 

—  ygl.  Schulgebäude. 
Schalheizung,     ihre    Mängel    und 

deren  Beseitigung  305—306. 

—  mit  Gasöfen  425—426. 

—  vgl.  Heizung. 

Schulhygiene  auf  der  wissenschaft- 
lich-industriellen Ausstellung  in 
Kasan  326-330,  403—406,  477 
bis  480. 

—  die  Forderungen  derselben  514 
bis  516. 

—  Docenten  derselben  an  den 
Lehrerinnenbildungsanstalten  in 
Österreich  346—347. 

—  in  der  XIV.  Versammlung 
skandinavischerNaturforscher  und 
Ärzte  zu  Kopenhagen  28—30. 

—  in  früheren  Zeiten  681 — 682. 

—  in  Paris  93—94. 

—  vgl.  Schulen  in  hygienischer  Be- 
ziehung. 

—  vgl.  Schulgesundheitspflege. 

—  vgl.  Volksschulwesen  in  hygie- 
nischer Beziehung. 

Schulhygienische  Aufgaben  bei  der 
ersten  Dienstprüfung  der  Semina- 
risten im  Saulgau  229. 

—  Unterricht  an  den  bayerischen 
Lehrerbildungsanstalten  428. 

Schulhygienisches  aus  dem  König- 
reich Sachsen  487—489. 

—  aus  den  Vereinigten  Staaten  75 
bis  79. 

Schulinspektion,  ärztliche  in  Frank- 
reich 41—42. 

—  vgl.  Schularzt. 
Schulkinder,  bedürftige  und  schlecht 

genährte  in  der  Sohweiz  229  bis 
230. 
Schulkrankheiten  515. 

—  vgl.  Erbrechen. 

—  vgl.  Krankheiten  der  Schul- 
kinder. 

Schulkurzsichtigkeit,  Entstehung 
derselben  220—221. 

—  vgl.  Kurzsichtigkeit. 
Schulmappen  dürfen   nicht  immer 

mit    derselben     Hand    getragen 
werden  27 — 28. 

—  Gewicht,  derselben  27. 


Schulmappen,  vgl.  Schulranzen. 

Schulpflicht,  ältere  preufsische  Ver- 
ordnung über  den  Beginn  der- 
selben 460—461. 

—  ärztliche  Urteile  über  den  passen- 
den Zeitpunkt  ihres  Beginnes 
470—471. 

—  Ausnahmen  für  den  Beginn  der- 
selben mit  dem  vollendeten 
6.  Lebensjahre  471—472. 

—  mit  welchem  Alter  soll  dieselbe 
anfangen?  460-472. 

Schulranzen,  eine  Lanze  für  den 
alten  26—28. 

—  vgl.  Schulmappen. 

Schulräume,  Beschlüsse  des  mexika- 
nischen pädagogischen  Kongresses 
über  hygienische  Anforderungen 
an  solche  30—33. 

Schulsanatorium  in  Meran  345  bis 

346. 
Schulschlufs  bei  .Epidemien  33 — 34. 

—  vgl.  Epidemien. 
Schulstunden,  Dauer  derselben   73. 

—  vgl.  Lektionen. 
Schultische,  s.  Subsellien. 
Schulturnen,  vgl.  Turnen. 

—  Vorführung  des  deutschen  in 
Milwaukee  und  Chicago  296  bis 
297. 

Schulzahnärzte,  Anstellung  von 
solchen  in  Deutschland  558  bis 
559. 

—  vgl.  Schulärzte. 

—  vgl.  zahnärztliche  Hygiene. 
Schulzeit,   ungeteilte  in  Norwegen 

397—398. 

—  vgl.  geteilte  oder  ungeteilte 
Schulzeit? 

Schwachbegabte  Kinder,  Unter- 
suchung derselben  in  Altona  42 
bis  43. 

—  vgl.  Abschlufsklassen  für  zurück- 
gebliebene Kinder. 

Schwachsinnige  Kinder,  ErlaXs  des 
preufsischen  Unterrichtsministers, 
betreffend  Schuleinrichtungen  für 
dieselben  501—502. 

—  Errichtung  besonderer  Schul- 
klassen  für  dieselben   674 — 675. 

—  vgl.  Idioten. 

—  vgl.  Zurückgebliebenheit. 
Schwachsinn,  Wesen  desselben  179 

bis  180. 


725 


Schwachsinn,  Wesen  und  Behand- 
lung des  kindlichen  575. 

Schwimmbad,  Benutzung  des  Stutt- 
garter duroh  Schüler  412. 

—  vgl.  Bäder. 

Schwimmen  der  Realschüler  zu 
Strasburg  i.  E.  567. 

—  der  Schüler,  Gründung  eines 
Centralvereins  zur  Förderung  des- 
selben 152—153. 

—  der  städtischen  Elementarschüler 
von  Paris  176. 

—  vgl.  Baden. 

—  vgl.  Bäder. 
Schwimmkurse  für  Volksschüler  in 

Breslau  544. 
Schwimmunterricht  der  Schuljugend 

in  der  Schweiz  498—499. 
Seehospize,   vgl.    Kinderheilstätten. 

—  für  skrofulöse  Kinder  in  Porto 
d'Anzio  567. 

—  „Kaiserin  Friedrich"  zu  Norder- 
ney  44. 

Sehschärfe  der  Zöglinge  des  Waisen- 
hauses und  der  Erziehungsanstalt 
zu  Bummelsburg  688. 

Sehschwäche  bei  Bauchern  und 
Trinkern  136. 

Skoliosen,  8.  Rückgratsverkrüm- 
mungen. 

SlÖjd  in  Norwegen  398. 

Slöjdverein  in  Ungarn  436. 

Slöjd,  vgl.  Handfertigkeit. 

Sommerpflegen,  Düsseldorfer  für 
kränkliche  Kinder  625. 

—  vgl.  Ferienkolonien. 

Sonnenlicht,  Schutz  der  Arbeits- 
plätze in  Schulen  gegen  dasselbe 
539—541. 

Speibecken  mit  Sublimatlösung  in 
Schulzimmern  304. 

—  vgl.  Spucknäpfe. 

Speisung   armer   Schulkinder    632. 

—  vgl.  Frühstück. 
Spiegelschrift,  besonders  im  Kindes- 
alter 338—340. 

Spiele,  8.  Jugendspiele. 
Sprachgebrechen,  vgl.  Stimme. 
Sprachorgane,  Fehler  derselben  bei 
Schulkindern  419—420. 

—  vgl.  Stottern. 

Spucknäpfe,  Gutachten  der  wissen- 
schaftlichen Deputation  für  das 
Medizinal wesen  in  Preufsen  über 


die  Füllung  derselben  in  Schulen 
46-48. 

—  hygienische  für  Schule  und  Haus 
208. 

—  vgl.  Speibecken. 
Steiischrift  56-57. 

—  Einführung  derselben  in  die 
Schulen  95—97. 

—  Fibel  für  dieselbe  580—581. 
Steilschriftfibel,  österreichische  176 

bis  179. 
Steilschriftfrage  vor  den  bayerischen 

Ärztekammern  279—283. 
Steilschrift  in  Ungarn  371—372. 

—  neuere  Urteile  über  dieselbe  347 
bis  349. 

—  oder  Schrägschrift?  579. 

—  Verfügung  des  k.  k.  Landes- 
schulrates  in  Mähren,  Versuche 
mit  derselben  in  den  Volks-  und 
Bürgerschulen  anzustellen  232  bis 
233. 

—  vgl.  Heftlage. 

—  vgl.  Schreiben. 

—  vgl.  Schriftrichtung. 

—  Vorzüge  derselben  vor  der  Schräg- 
schrift 177—178,  613. 

—  Wegweiser  bei  Einführung  der- 
selben 452. 

—  zwei  Gegner  derselben  494—495. 
Stimme,  Entwicklung  derselben  im 

Kindesalter  446—451. 

—  Hygiene  derselben  116. 

—  vgl.  Gesang. 

—  vgl.  Sprachgebrechen. 
Stotternde   Schulkinder,   Heilkurse 

für   dieselben   in  Nürnberg   670 
bis  672. 

—  in  Breslau,  Fürsorge  für  dieselben 
543. 

—  in  Hamburg,  Verein  zur  Heilung 
derselben  294—295. 

Stottern,  Heilung  desselben  bei 
Schulkindern  222-223. 

—  vgl.  Sprachorgane. 
Studenten  Japans    in    körperlicher 

Beziehung  349—350. 
Stundenplan  und  Schulgesundheits- 
pflege 677-  680. 

—  vgl.  geteilte  oder  ungeteilte 
Schulzeit? 

Subsellien  auf  der  wissenschaftlich- 
industriellen  Ausstellung  in  Kasan 
328—329. 


726 


Subsellien  in  den  Breslauer  Volks- 
schulen 543. 

—  in  den  Schalen  des  Kasanschen 
Bezirkes  328. 

—  richtige  Konstruktion  derselben 
679-680. 

—  vgl.  Schulbänke. 


Tabakrauchen,    Einflufs    desselben 

auf  Knaben  167. 
Taubstumme  Kinder,  Erziehung  und 
Unterricht  derselben  in  Dänemark 
39-^40. 

—  Verordnung  der  Regierung  zu 
Liegnitz  wegen  Anmeldung  von 
solchen  für  eine  Taubstummen- 
anstalt 170—171. 

—  Vorschule  für  dieselben  in  Wien 
682. 

Taubstummenunterricht ,  Laut- 

sprache oder  Gebärdensprache 
bei  demselben?  365—357. 

Temperatur  der  Schulzimmer  2 — 3. 

Temperaturverteilung  in  Schul- 
zimmern 3 — 5. 

Thonöfen  für  Schulen  12—13. 

—  vgl.  Ofenheizung  in  Schulen. 
Trachom  125-126. 

—  vgl.  Augenkrankheit,  ägyptische. 
Trinkwasser      des      Lyceums      in 

Alengon  45. 

—  vgl.  Wasser. 

Trunk,  Vorbeugung  desselben  durch 
die  Schule  420-421. 

Tuberkulose,  s.  Lungenschwind- 
sucht. 

Turnen,  Befreiung  BudapesterVolks- 
schüler  von  demselben  164. 

—  freiwilliges  imFalkrealgymnasium 
zu  Berlin  565—566. 

—  in  den  Mittelschulen  Österreichs 
83. 

—  Lagranges  Ansichten  über  das- 
selbe 258—260. 

—  Leshafts  Ansichten  über  das- 
selbe 257—258. 

—  Meinungsverschiedenheiten  über 
den  Wert  desselben  261—253. 

—  Thesen  in  betreff  desselben  269 
bis  270. 

—  vgl.  Gymnastik. 

—  vgl.  körperliche  Ausbildung. 


Turnen,  vgl.  Körperpflege. 

—  vgl.  Schulturnen. 

Turner,    leisten    gute    als    Schüler 

nichts?  491. 
Turnfahrt  Leipziger  Schüler  44. 
Turngeräte,  Erlais  des  preußischen 

UnterrichtsministerB,     betreffend 

die  Benutzung  unsicherer  durch 

Schüler  46. 
Turnhalle  in  Palermo  71. 

—  weicher  Boden  für  dieselben  289 
bis  290. 

Turnspiele,  der  zweite  Braun- 
schweiger Lehrgang  für  solche 
690—692. 

—  obligatorische  für  Mädchen  482. 

—  vgl.  Jugendspiele. 
Turnstunden,   Lage  derselben  625 

bis  626. 
Turnunterricht    an    den     höheren 
Schulen  Preufsens  432—435. 

—  Mängel  desselben  in  Rufsland 
267—269. 

—  Programm  desselben  269. 
Typhusepidemie    in    einem    fran- 
zösischen Waisenhauee  292—293. 


tjberbürdung  amerikanischer  Schü- 
ler 417—418. 

—  der  Schülerinnen,  Urteile  über 
dieselbe  549—550. 

—  italienischer  Schüler  71 — 72,  631 
bis  632. 

—  körperliche  in  der  Wachstums- 
periode 561 — 552. 

—  vgl.    körperliche    und    geistige 
Arbeit  im  Gleichgewichte. 

—  zwei    Erkrankungsfalle    infolge 
solcher  98—99. 

Übersichtigkeit  127—128. 

—  vgl.  Hypermetropie. 
Umgebung  der  Schulhäuser  in  Halle 

532—534. 
Unglücksfälle,    Erlafs   des    preufsi- 

sehen    Unterrichtsministers    zur 

Verhütung  derselben  bei  Schülern 

437—438. 
Universalgestell    von    Hbking    für 

Schulbilder  und  Wandkarten  290 

bis  291. 
Unterricht    in    der    Hygiene,    »• 

hygienischer  Unterricht. 


727 


Unterrichtedauer,  soll  dieselbe  für 
Knaben  und  Mädchen  gleich  sein  ? 
398—399. 

Unterrichtsmethode  vom  Stand- 
punkte der  Gesundheitslehre  515 
bis  516. 

Unterrichtspausen,  die  Forderungen 
der  Schulgesundheitepflege  an 
dieselben  616—618 

—  vgl.  Pausen. 

Unterrichtszeit,  Verkürzung  der- 
selben 612. 

Untersuchungen,  physiologische  von 
Schulkindern  in  Washington  558. 

—  Schema  für  ärztliche  der  Schul- 
kinder in  Norwegen  399—401. 

Yaccination,  s.  Impfung. 

Varicellen,  Rundschreiben  der  k.  k. 
niederösterreichischen  Statthal- 
terei  über  die  Merkmale  und  die 
Behandlung  derselben  696-697. 

Vegetarianische  Lebensweise,  ein 
Lehrer  als  Opfer  derselben  431. 

Veitstanz  bei  Schülerinnen  548. 

Ventilation,  künstliche  201—203. 

—  vgl.  Lüftung. 

Verbindungen,  s.  Schul  er  Verbin- 
dungen. 

Verein,  Jahresversammlung  des 
deutschen  für  öffentliche  Gesund- 
heitspflege 95. 

Vergiftung  in  einer  englischen 
Distriktschule  563—564. 

Versammlung,  65.  der  Gesellschaft 
deutscher  Naturforscher  und  Arzte 
in  Nürnberg  493—494. 

—  vgl.  Kongrefe. 
Verunreinigung  der  Luft  in  Schul- 

zimraera  7 — 11. 

—  vgl.  Luft. 

Verwahrloste  Schulkinder,  Verfü- 
gung des  Bezirksschulrates  von 
Wien  wegen  Aufnahme  einer 
Statistik  derselben  300—301. 

Viperbifs,  schwere  Erkrankung  eines 
Knaben  nach  einem  solchen  432. 

Volksschulbauten  in  Belgien  706. 

—  in  der  Schweiz  706. 

—  in  Deutschland  707. 

—  in  Prankreich  706. 

—  in  Italien  706. 

—  vgl.  Schulgebäud«. 


Volksschulbauten,  vgl.  Volksschul- 
haus. 

Volksschulhaus,  das  moderne  704 
bis  707 

—  vgl.  Volksschulbauten. 

VolkBschulwesen  Breslaus  im  Schul- 
jahre 1891  —  92  in  hygienischer 
Beziehung  542 — 545. 

Volksspiele  und  Sonntagsruhe  215 
bis  216. 

—  vgl.  Jugendspiele. 

Wandtafel,  s.  Glasschulwandtafel. 

Wasser  der  Dorpater  Universitäts- 
leitung, bakteriologische  Unter- 
suchung desselben  345. 

Wasserheizungen  für  Sohulen  18  bis 
20. 

Wasser,  vgl.  Trinkwasser. 

Weltkongreis ,  pädagogischer  in 
Chicago  224-225. 

—  vgl.  Eongrefs. 

—  Wettlauf,  Todesfall  infolge  eines 
solchen  in  Rugby  College  566. 

Wettspielkämpfe,  Einrichtung  der- 
selben 216. 

—  vgl.  Jugendspiele. 
Widerstandsbewegungen,  ein  neuer 

Apparat  für  dieselben  682 — 683. 
Widerstandsgymnastik    für    Schule 
und  Haus  575—577. 

—  vgl.  Gymnastik. 
Wiederimpfung  in  den  französischen 

Schulen  497. 

—  vgl.  Revaccination. 
Winterpflege      bedürftiger    Volks- 
schüler in  Spanien  275. 

—  vgl.  Milch  Verteilung. 

Wirbelsäule ,  Untersuchung  der- 
selben bei  2124  Schulkindern 
Münchens  153 — 156. 

—  vgl.  Rückgratsverkrümmungen. 
Wirtehausbesuch,  Verbot  desselben 

für     Volks-     und     Fortbildungs- 
schüler in  Hessen  632. 


Zahnärztliche  Hygiene  in  der  Schule 
288—289. 

—  vgl.  Schulzahnärzte. 

Zähne  der  Kinder  in  der  Distrikts- 
schule West  Londons  zu  ABhford 
690. 


728 


Zahnärztliche  Untersuchung:  der- 
selben bei  Londoner  Schallandern 
100. 

—  von  Schulkindern  in  Frankfurt 
a.  M.  431—432. 

Zeichnenunterricht  in  Rußland  406. 
Zeit,    mitteleuropäische     und    die 
Schule  554-658. 

—  Tgl.  Schulanfang. 


Züchtigungsrecht  der  Lehrer,  Urteil 
des  Reichsgerichts,  die  Über- 
schreitung desselben  betreffend 
100-101. 

Zurttckgebliebenheit,  die  physische 
Grundlage  derselben  bei  Schul- 
kindern 621. 

—  vgl.  schwachsinnige  Kinder. 

Zwischenstunden,  s.  Pausen. 


Namenregister. 


Abel  110. 
Adamkiewicz  237. 
Adelmann  409. 
Adenaw,  E.  647. 
Adler,  C.  619. 
—  H.  445. 
Akelin,  H.A.  700. 
Albertotti  332. 
Albrand  710. 
Alder,  K.  60. 
Alexander  135.  371. 
Allen,  H.  P.  77. 
Altenstein,  v.  88. 
Althoff  172. 

Altschul,  Th.  573.  704. 
Amaurose  256.  266. 
Ambros,  J.  245. 
Ammann  45. 
Ammon  150. 
— ,  0.  309. 
Andren  181. 
Andrerey,  P.  237. 
Angerstein  53.  627. 
Araüjo,  0.  245. 
Arbuthnot  Lane,  W.  517. 
Arndt,  E.  M.  214. 
Arneth,  A.  v.  353. 
Arnheim,  F.  K.  303. 
Arnold,  E.  H.  117. 
Aschroff  350. 
Aub  281. 
Aubert  332. 
— ,  A.  303. 
Aubin  188. 
Auer  438. 
Auerbach  153. 
August  181. 
Augusta  Victoria  511. 
Autenrieth,  G.  669. 
Avakumowitsch  237. 
Aviles,  B.  247.  311. 


Baas,  K.  L.  181. 

Baccelli  95. 

Bach,  Th.  199.  323.  481. 

564. 
Bachler,  W.  455. 
Bär  378.  380.  458.  587. 
Baer  626.  627. 
Bäuerlein  280. 
Baeza,  A.  245. 
Baginsky,  A.  110.  149. 

186.  471.  481.  556. 
Bahnsen  293. 
Bail  60. 

Bang,  Chr.  396. 
Barnes,  E.  310. 
Baroffio,  F.  511. 
Barranco  274. 
Barth,  E.  60. 
Bartsch  509. 
Batten,  R.  D.  710. 
Bauer  670. 
Baumann  245. 
Baumgartner,  J.  354. 
Bayer  363.  365. 
Bayr,   E.   57.    97.   176. 

178.   308.    309.   581. 

641. 
Beach,  Fl.  581. 
Beck  152. 
Beerwald,  K.  311. 
Beethoven  676. 
Behnke  58. 
Behring,  E.  173. 
Bell,  A.  G.  247. 
— ,  G.  C.  563. 
Belliard  117. 
Belt,  E.  0.  708. 
Bendziula,  A.  581. 
Beneke  518. 
— ,  L.  181. 
Bergeron  84.  111. 


8chulgesundh«iUpflege  VI. 


Berkhan  341.  342. 
Berlin  56.  281. 495. 640. 
Berndt  110. 
— ,  G.  A.  C.  309. 
Bernstein  662. 
Berra,  F.  A.   372.  375. 
Berthelot  364. 
Bertram  80.  82.  364. 
Berzeviczy,  A.  v.  493. 
Besant,  A.  245. 
Beyer,  G.  309. 
Bezold,v.  16. 
Bezold,  Fr.  628. 
Biedermann  410. 
Biervliet,  van  455. 
Billings,  J.  S.  647. 
Bion  628. 
Bj0rn8on,  B.  59. 
Bircher  524. 
Bitter,  H.  510. 
Blakowsky,  J.  62. 
Blasius,  R.  45.  210.  212. 

675. 
Blenck  213. 
BliTs,  A.  A.  518. 
Bloch,  E.  110.  710. 
Bock  700. 
—,  A.  60.  370. 
Bode  364. 
— ,  A.  60. 
— ,  W.  497. 
Böhmert  412. 
Böngerfi,  J.  371. 
Böttcher,    A.   53.    309. 

583. 
Bötticher,  v.  511. 
Bolle  681. 
Bolognesi,  A.  110. 
Bolton,  Th.  309. 
Bonalumi,  G.  111. 
Bonne  700. 

47 


730 


Borehardt  60.  | 

Bora,  W.  181.  , 

Borotaaeger,  J.  311. 
Bosse  46. 169.  237. 299. 1 

367.    438.   440.  511. 

572. 
Botterbrod  293. 
Boochard  652. 
Bouqaeret  456. 
Bourgeois,  L.  41.  110. 
Boarnerüle  518. 
Boateillier,  O.  45. 
Booterwek  302. 
Bourin,  M.  J.  567. 
Boutt,  A.  N.  492. 
Bowditch  463.  651.  652. 

663. 
Boyd,  R.  468. 
Branky,  F.  176. 
Brauer,  G.  311. 
Braasewetter,  E.  583. 
Breiting  628. 
Bremen,  t.  460. 
Bremond,  F.  183. 
Bresgen  313.  320. 
Breslich  627. 
Brieger,  L.  237.  573. 
Brodhan  333. 
Brodribb,  T.  456. 
Broman,  A.  245. 
Bronner,  A.  245.  708. 
Broscbinski  681. 
Brotiuj,  G.  297. 
Brooardel   33.    41.   42. 

283.  363. 
Browne  676. 
Brücke,  E.  375.  709. 
Bründelsberg,  v.  363. 
Bruinwold,  Biedel  182. 
Branner  153.  281.  372. 
Brunsmann  288. 
Brunswik  204. 
Babnoff  240. 
Bubnow,  S.  Th.  309. 
Bachanan,  G.  173. 
Buchenaa,  F.  309. 
Bachheister,  J.  455. 
Buchner  699. 
Büchner,  L.  647. 
Bösgen  638. 
Bütow,  A.  309. 
Buffoni  Zappa,  C.    181. 
Bnjwid,  0.  364. 
Buley  519. 


BaDe,  K.  51. 

Balowaky,  A.  119. 

Bonge,  G.  147. 

Bansen  333. 

Boote,  EL  425. 

Burckhmrd  309. 

Bargerstem,  L.  60.  75. 
245.  247.  321.  323 
364.396.656.612.637. 

Bornham,  W  £L  311. 
375. 

Borschell  425. 

Bosch  662.  663. 

Buttarm  311. 

Batike  331. 

Butzky  52. 

Bystron^  N.  J.  77. 


Cahen-Brach  338. 

Campbell,  F.  J.  245. 
Cantani  510. 
Carini,  A.  65. 
Carp  332. 
Carstadt  463.  464. 
Cassina,  F.  347. 
Castillo  271.   273.  274. 
Castülo  Tejada,  C.  del 

247. 
Catterfeldt,  0.  60. 
Cantley,  E.  519. 
Celli,  A.  181.  518. 
Ceray,  J.  347. 
Chantemesse  237. 
Chappell,  W.  F.  309. 
Charrin  237. 
Chartier  110. 
Chatelanat230.657. 660. 

663. 
Cheryin  116. 
Chevalier,  L.  183. 
Chevandier,  A.  D.  174. 
Chibret  157. 
Chreiman  309. 
Claudias  415. 
Claasnitzer  460. 
Clias  255. 
Clod-Hansen  181. 
Cochard  110. 
Coelius  Aurelianus  341. 
Coen,  B.  518. 
Cohen    370.    379.    380. 


Cobo,H.  97.117. 121  ff. 

208.    209.   241.  302. 

310.    331.   368.  369. 

370.  378.  386  ff.  446. 

511.   5ia   523.   525 

526.    5S8.   543.  556. 

579.  610.  660. 
Combe  512  ff 
t  Comenias  325. 
Coofbcios  265. 
Conrad  247. 
Cootseo,  G.  699. 
Cornfllean  302. 
Coaaio  271. 
Cotman,  J.  S.  E.  708. 
Cooetoox,  L.  126. 
Cowhorn,  J.  H.  310. 
Cowles,  K  375. 
Coszolino,  V.  247. 
Cramer,  E.  302. 
Crede  123. 
Crichton  -  Browne   547. 

675  ff. 
Csaky,  A.  v.  207. 
Csapodi,  St  241.   371. 

493. 
Cunillera   y    Oceti,    J. 

245.  274. 
Cunningham,  G.  518. 
Cure,  A.  581. 
Cushing,  F.  H.  310. 583. 
Cuvier  676. 
Czapodi  97. 
Czerny,  A.  638. 
Czygan  445. 


Dachselt,  K.  G.  444. 

Darr  670. 
Daliwitz,  y.  171. 
Damke  699. 
Damelsen  372. 
Danneil,  F.  87. 
Dante  676. 
Daraignet  238. 
Darasse  238. 
Dareau  302. 
Davids  510. 
Daries,  J.  L.  245. 
Dawson,  N.  H.  R.   75. 
Deboutteville  342. 
Decaisne  157. 
Degerando  404.  406. 


731 


Delage  178. 
Delvaille  445.  181. 
Demantieff  658. 
Dencker,  Chr.  638. 
Deschamps  510. 
De8guin,  V.  455. 
Deshayes  60. 
Deskau  60.  455. 
Dettweiler,  P.  310. 
Deuerlein  670.  671. 
Devide,  T.  708. 
Deville,  8.  C.  11. 
Dickinson,   W.  H.  485. 
Diehl,  J.  682. 
Dierckx  371. 
Dietrich,   F.   306.    308. 

453.  455. 
— ,  H.  456. 

Diggle,  J-  A.  98.  99. 
Dillmann,  v.  412. 
Dirner,  G.  292. 
Ditchfield,  P.  H.  583. 
Dmitrijew,  W.  N.  111. 
Döhnel,  F.  181. 
Dollinger  97.  371.  493. 
Dombrowski  645. 
Donders  368. 
Dorn,  J.  580. 
Dornblüth,    Fr.    109. 

139. 
Dorner,  H.  647. 
Dowling  611.  709. 
Dräsche,  A.  237. 
Drenckhahn  699. 
Dresslar,  F.  B.  581.  647. 
Drews  293. 
Drobo8chke,  J.  573. 
Dronke  699. 
Droninean,  G.  453. 
Dubois-Havenith  36. 
Dubois-Beymond  265. 
Dubousquet  -  Laborderie 

248. 
Dürr  474. 
Dufau,  M.  F.  238. 
Dukes,  Cl.  581. 
Dunbar  173. 
Dunker  181. 
Dupuy,    Ch.    110.    111. 

647. 
— ,  E.  519. 
Duran   y  Trincheria   e 

Bertran  y  Bubio  708. 
Dworak*  £.  347. 


Ebermann,  A.  40. 
Ebstein,  W.  183. 
Eckler,  G.  92.  353.  627. 
Edson  364. 
Eichhorst  663. 
Eismann  238. 
Eifsen,  W.  133. 
Eitner  55  ff.  353.  518. 
Eklund,  F.  245. 
Ellendt,  G.  518. 
Ellinger  640. 
Emmerich  429. 
Emminghaus  342. 
Engel,  E.  116. 
Engelhorn  471. 
Engler,  G.  90. 
Operon  117.  426.  709. 
Erismann  66.  67.    129. 

148.   149.    240.    335. 

336.   650.    652.    655. 

656.  658  ff. 
Esmarch,  v.  173. 
— ,  E.  158.  159. 
Eulenberg  199.  481. 
Eulenburg  121. 
Eulenburg,  zu  106. 
Euler,  E.  92.  153.  375. 

453.  627. 
Eydam,  W.  183. 

Faber,  M.  455. 
Fahrner  628. 
Falck,  F.  700. 
Fankhauser  150.  151. 
Faucher,  L.  224. 
Faust,  445. 
Fazio,  E.  455. 
Fechner  97. 
Fede,  F.  583. 
Fehling,  151.  152. 
Feilchenfeld,  W.  484. 
Feilitzsch,  v.  170. 
Feith,  C.  J.  L.  567. 
Felix,  J.  710. 
Fenchel,  A.  311. 
Ferren,  G.  181. 
Fetter,  J.  182.  183. 
Feulard  84. 
Fiohard,  R.  v.  518. 
Fichte  214. 
Fick  265. 
Field,  B.  429. 
Figueira,  J.  H.  453. 


Finkeinburg  573.  700. 

Finkler  110. 

Firozäk,  J.  436. 

Fischer  699.  710. 

— ,  A.  183. 

— ,  C.  453. 

— ,  E.  573. 

— ,  K.  543. 

— ,  B.  373. 

Fizia  333.  379.  380.  458. 

588. 
Flesch  111. 
Flügge   197.   198.   578. 

614. 
Foa  95. 
Fodor,  v.  172.  291.  372. 

671. 
Förster,  A.  311.  373. 
Forster  699. 
~— ,  J.  6. 
Fol*  573. 
Fournier  364. 
Fowke,  F.  708. 
Francke  51.  529  ff.  603. 
Franke  520.  581. 
Fresenius  188. 
Freytag  699. 
— ,  G.  660. 
Friedmann  548. 
Friedrich  Wilhelm  HL 

86.  87. 
Fries  645. 
Fröbel  38.  39.  165.  222. 

224.  442.  446.  693. 
Frohberg,  W.  61. 
Frommann,  F.  J.  311. 
Fuchs,  E.  237. 
Fuchte  637. 
Furbringer  237. 
Fürst,  L.  183. 
Fufs,  H.  238. 

Gabrielli,  F.  247. 
— ,  V.  245.  645. 
Gaexüg,  W.  581. 
Gaertner  238.  578. 
Galezowski  370. 
Gallaudet,  E.  M.  247. 
Gallo,  P.  581. 
Galton,  D.  163. 
Gamba,  A.  245. 
Garbini,  A.  446.  450. 
Gasch,  B.  581. 

47* 


732 


Gaspar,  J.  665. 
Gasparini,  L.  119. 
Gaule  229.  373. 
Gautsoh,  y.  54. 
Gautzer  510. 
Gay,  W.  710. 
Gayette-Georgens,  J.  M. 

v.  520. 
Gebhard  97. 
Gehlert,  K.  444. 
Geidel,  B.  245. 
Gelpke,  Th.  373. 
Gemy  293. 
Gentner  671.  672. 
Gera,  B.  v.  520. 
Gerards,  J.  H.  M.  567. 
Gerlöczy,  S.  v.  241. 
Gerlöczy  291  292, 
Gerloff  117.  119.  311. 
Giaxa,  de  510. 
Giesching  645. 
Gillert,  E.  185. 
Gilson  364. 
Girard  407. 
Girode  510. 
Glauning  670.  671. 
Gneisenau  214. 
Godtfring  117.  647. 
Goeschen  238. 
Goethe  277. 
Goetz,  F.  63.  119.  510. 
Götze,  W.  61.  62.  119. 

164.    166.    242.    243. 

373.  417. 
Golay,  B.  375. 
Goldscheider  453. 
Goldschmidt  61.  493. 
Gordon,  J.  C.  247. 
Gorini,  C.  375. 
Gorke  645. 
Goasler,  v.  53.  511. 
Graanboom  700. 
Graberg,  P.  311. 
Grabow  302. 
Grabowsky,  E.  347. 
Graefe,  v.  135. 
Gräfe  392. 
Graf  173.  214. 
Graham,  J.  311. 
Gran,  T.  0.  375. 
Greding  341. 
Griasnoff  655. 
Griesinger  116. 
Grimm  627. 


Groppler,  F.  183. 
Grofs  640. 
Gruber,  F.  v.  247. 
Gruber,  M.  35.  51.  247. 
Grübl  637. 

Grunow  303.  373.  410. 
Grus,  K.  520.  679.  680. 
Grut,  H.  128. 
Gudden  265. 
Gtnther  210.  212. 
Güfsfeld  54. 
Gugler,  J.  179. 
Guidi,  G.  247. 
Guillaume  151.  628. 
Guts-Muts  213. 214. 254. 

642. 
Guttenberg,  P.  436. 
Guttmann,  M.  375.  581. 
— ,  P.  512. 
Gutzmann,  A.  311.  445. 

581.  627.  670. 
Gutzmann,  H.   61.  117. 

543.    627.   670.    672. 

708. 
Guye  319. 

Haag,  G.  685. 
Haase,  T.  H.  583. 
Haberhauer  291. 
Hägler,  K.  302. 
Haese,  E.  311. 
Haesecke,  B.  305. 
Hagen,  B.  437. 
—  H.  520. 

Hagenbach  151.  152. 
Haggenmüller,  H.  375. 
Hagmann,  N.  249. 
Hain,  B.  347. 
H&konson-Hansen,  M.  E. 

44.  59.  396.  455.  556. 

679 
Hall,  G.  St.  224. 
-,  T.  P.  583. 
Halsted,  T.H.  311.428. 
Hantschel,  A.  354.  355. 
Harbeck  293. 
Harris,  W.  T.  117. 225. 
Hartmann,  E.  v.  549. 559. 
Hartmann  627. 
Hartt  497. 

Hartwell,  B.  M.  224. 
Hartwich,  E.  113. 
Hartwig,  E.  322. 


Hase  301. 
Hasse  549. 
— ,  B.  63. 
Hasenow,  A.  453. 
Hauffe,  G.  247. 
Haug,  M.  520. 
Haupt  237. 
Hauser  375. 
Hechelmann  364.  510. 
Heckenhayn  353. 
Heckert  302. 
Heeger,  B.  63. 
Heerbacher,  F.  347. 
Hegel  444. 
Heidenhain  183. 
Heider  302.  347.  510. 
Heilborn  336. 
Heine,  H.  549. 
Heinz,  H.  453. 
Heinze,  E.  453. 
Helmcke  497. 
— ,  G.  119.  247. 
Henning  237. 
Henoch  511. 
Henriette,  J.  52. 
Henze,  B.  63. 
Herbert,  A.  184. 
Hering  119.  290.  375. 
Hermann,    A.   53.   117. 

119.   142.    453.   644. 

645.   691.    692. 
Herrmann  699.  700. 
Herrnheiser,  J.  119.379. 

380.  453.  459. 
Hertel  411. 
— ,  A.  28.  30.  59.  464. 

510.  645.  650. 
— ,  E.  97.  207.  627. 
Hervieu  497. 
Herzberg,  A.  166. 
Hefsling,  E.  647. 
Heubner,  0.  L.  365. 
Heufsner  302.  638. 
Heym  710. 
Hiekmann  153. 
Hildebrandt  573. 
Hilty  229. 
Hinträger,  E.  58.  183. 

704.  707. 
Hintz,  O.  119. 
Hintzmann  119. 
Hippel,  v.  110. 130.  36« 

387. 
Hippiuß,  A.  249. 


733 


Hirschberg  123.  849. 
Hirschkorn,  H.  711. 
Hirt  225  ff.  561.  563. 
Hittenkofer  117. 
Höhn,  A.  520. 
—  E.  117. 
Höpfher  172. 
Hoffa  280.  452.  613. 
Hofbauer,  B.  176. 
Hoflmann,  E.  365. 
— ,  H.  573. 
— ,  P.  520. 
Hofmann  671. 
Hofmann,  E.  v.  83.  708. 
— ,  H.  392. 
Hogg,  W.  D.  455. 
Hohenlohe,  zu  511. 
Hohn  281. 
Holck,  0.  E.  396. 
Holletschek,B.117.373. 
Holtzmann,  J.  665. 
Holzeland,  H.  645. 
Hooper,  F.  H.  455. 
Hoor  97.  220.  221. 
Hopstein  573. 
Hörn,  C.  W.  L.  396. 
Horner  124.  628. 
Horst,  H.  397. 
Hosch,  F.  473. 

Hrabowski  241.331.335. 
Hübner,  P.  682. 
Huemer,  J.  183. 
Hüppe  445. 
Hueppe  573. 
Haghes  183. 
-^,  J.  L.  224. 
Hugo-Marcus  247. 
Huguet  157. 
Huhle,  A.  708. 
flurd,  K.  C.  645. 
Hutchinson  135.  136. 
Huth  119. 


Jackson,  J.  56.  57.  455. 

671. 
Jacobi,  A.  645. 
Jacusiel  626.  627. 
Jaeger,  O.  K.  373.  642. 
Jagodin  404. 
Jahn  86.  214.  254.  255. 

257.  693. 
Jakowlew  479. 
Janger,  Fr.  647. 


Jankau,  L.  647. 
Janke,  0.  119. 153.  208. 

373.  460.  481.  520. 

626.627.640.645.647. 
Jankowski  133. 
Jansen  657.  662.  663. 
Janssens  51. 
Januschke,  H.  183. 
Jaubert  110. 
Javal  127. 130.  134. 138. 
Ideler  116. 
Jeltsch  637. 
Jencke,  J.  Fr.  574. 
Jeney  97. 

Jensen,  Th.  645.  646. 
Jevetzky  510. 
Joal  583. 
Jocqs  583. 
Joel  646. 
Jolles,  A.  444. 
Jones,  E.  H.  365. 
Joseph,  M.  419. 
Jourdan,  G.  711. 
Juba  97. 
Jüngling  638. 
Juhel-Benoy  708. 
Jully  708. 
Jung,  L.  63. 
Jvanoff,  P.  453. 

Kafemann  319. 
Kaillinger,  M.  292. 
Kalb,  G.  183.  412.  647. 
Kalbe,  0.  453. 
Kalle,  F.  453. 
Kallmann  474. 
Kaltenborn,  v.  103. 
Kämmerer,  E.  444.  583. 
Kammermayer  291. 
Kant  676. 
Kappes,  K.  699. 
Karajan,  v.  444.  638. 
Karl  Theodor  511. 
Karlowitsch,  W.  M.  52. 
Karman,  M.  493. 
Karmann  97. 
Karolyi,  St.  291. 
Karpati,  B.  371.  493. 
Kasprzyski,  A.  347. 
Kautzner,  K.  347. 
Keesebiter  152. 153. 627. 
Keller,  E.  708. 
Kelling  16. 


Kellner  307. 
Kemsies,  F.  711. 
Kenwood,  H.  B.  583. 
Kersandt,  L.  52. 
Kerschbaumer  390.  391. 
Kerschensteiner,  v.  428. 

494.  671.  700.  701. 
Kefsler  353. 
Keutel  183. 

Key,  A.  463.  650.  686. 
Kiebsch  456. 
Kjellberg,N.G.511.561. 
Kiefsling,  F.  638.  639. 
Kipfmüller,-B.  453. 
Kirchgae88er  110. 
Kirchner  131.  133.  247. 

333.   370.    378.    380. 

458.    469.   554    586. 

587.    646. 
Kifs  97. 

Klauke,  P.  184. 
Klauson-Kaas  416.  417. 
Klaufsner  153.  281. 
Klemm,  C.  63. 
Klofs,  M.  257. 
Knauff  530. 
Knebel  117. 
Knudsen,  F.  396.  403. 
Kobilinski,    G.  v.    456. 

583. 
Koch  453. 
— ,  Fr.  63.  373. 
— ,  J.  L.  A.  63.  247. 
— ,  K.  53. 184. 216.  248. 

373.    493.   646.   647. 

691. 
— ,  B.  173.  485.  573. 
Kögler,  E.  573. 
Köhler  172.  238.  444. 
— ,  Aug.  248. 
— ,  C.  A.  117.  574. 
— ,  G.  63. 
Körner  293. 
Közle,  J.  F.  G.  646. 
Kohlrausch  353. 
— ,  E.  708. 
Koldewey  690.  691. 
— ,  F.  637. 
Kollar,  C.  493. 
Kollmann,  J.  146.  152. 

323.  373. 
Kollock,  C.  W.  463. 
Konrad,  F.  431. 
Konsalik  638. 


734 


Kotelmann,  L.  56.  172. 

372.   454.    480.    481. 

546.    580.    610.   650. 

652.    709. 
Kotzebue  255. 
Kotzin,  W.  345.  456. 
Krafft-EbiDg  116. 
Kramer  51. 
Krampe,    W.    84.    119. 

353. 
Kratschmer,  F.  347. 
Kratter  573. 
Kraus,  C.  T.  174. 
Krause,  A.  646. 
Kretschmer  573. 
Kreunz  180. 
Kreutzer,  Fr.  119. 
Knebel  545. 
Krieger  494.  637. 
Kristelli,  v.  353. 
Krüger,  P.  431. 
Krug  140.  514.  640.  642. 
Krumbiegel,  E.  454. 
Kruse  173.  363. 
— ,  0.  63. 
Kübel,  F.  647. 
Kuborn,    H.    119.    176. 

454.  648. 
Kubier,  V.  456. 
Küfiher,  E.  647.  648. 
— ,  K.  648. 
Kügler  502. 
Kühn,  B.  558. 
Kühner,  A.  114.  711. 
Küppers,  J.  456. 
Kummer  648.  709. 
— ,  K.  176. 
— ,  K.  F.  55. 
Kumpa  645. 
Kunn,  C.  G.  63. 
-,  K.  G.  646.  648. 
Kunze  148. 
Kunze-Schildbach  217. 
Kurella  93. 
Kurth  364. 
Kusy,  E.  444. 
Kuthan,  F.  347. 
Kynast,  G.  26.  542. 

Lacombe  110. 

Lacompte,  C.  583. 
Laffon,  E.  456. 
Lagarde  301. 


Lage,  B.  v.  d.  480. 
Lagrange,  F.  252.  257  ff. 

646. 
Lahmeyer  702. 
Lamanna,  F.  456. 
Lamare  130   134.  138. 
Lambert  338. 
Lammers,  A.  111.  373. 

410. 
Lampe,  A.  97. 
Landolt    134.  387.  685. 
Landsberg,  B.  709. 
Landsberger  463. 
Lang,  J.  454.  514. 
Lange  (Königsberg)  41 1. 
—  (Segeberg)  699. 
— ,  V.  313.  454. 
— ,  W.  120. 
Langerhans,  M.  351.352. 
Langfeldt  429.  430. 
Langhoff  699. 
Laqueur  347.  348. 
Largiader  90. 
Larrey  662. 
Lassen,  K.  399. 
Laubi  454. 
Laubier  456. 
Laurentius  63. 
Lauterer,  J.  583. 
Lavista,  R.  711. 
Lechleitner,  F.  456. 
Ledru  510. 
Legendre  551. 
Lehmann,  0.  646. 
Leichtenstern  421. 
Leithäuser  65. 
Le  Marinel,  F.  711. 
Lemcke,  Chr.  120.  173. 
Lenz  120. 
Lerat  110. 
Leshaft    252  ff.     257  ff. 

662. 
Leutert,  J.  C  376. 
LeviUain,  F.  711. 
Levy  700. 
Liard  364. 
Lickroth  106. 
Lieber,  A.  347. 
Liebig  676. 

Liebrecht,  K.  521.  588. 
Liersch,  L.  W.  454. 
Lincoln,  D.  F.  120. 
Lingg  255.  256.  258. 
Lister,  J.  111. 


Igustrizky,  W.  404. 
Loeffler  110.  430. 
Low,  S.  292. 
Löwenthal,  J.  373.  627. 
Loewy,  L.  698.  711. 
Lohne,  E.  E.  444. 
Loir,  A.  445. 
Lokay,  E.  217. 
Lorentz,  K.  456. 
Lorenz  (Wien)  217. 
-  (Meldorff)  699. 
— ,  H.  646. 
Lorinser  84  ff. 
Lotz,  Th.  151.  152. 
Lovadina,  G.  376. 
Love,  J.  K.  709. 
Lüder,  J.  J.  H.  294. 
Lukas  671. 
Lummer  333. 
Luther  254 
Lvoff,  J.  M.  456. 


Maas  627. 

Mac  Arthur,  A.  373. 
Mac  Donald  558. 
Mace,  M.  302. 
Machenaud  364. 
Madden,  T.  M.  373.  646. 
Madejsky,  E.  347. 
Magnus  391. 
— ,  P.  454. 
Mahraun  507. 
Mangenot  174. 175.  248. 

874. 
Mangner,  E.  248. 
Mantegazza,P.  376.  456. 
Manteuffel,  v.  347. 
Maragliano  95. 
Marble,  A.  P.  246.  711. 
Marchetti,  D.  120.  582. 
Marcuse  153. 
Marenholtz,  v.  303. 
Marie  329. 
Marino,  B.  454. 
Markusovsky ,     L.     51. 

302.  365. 
Marshall  411. 
Martin  676. 
Martini  631. 
Marwedel,  E.  376. 
Masius,  K.  511. 
Mafsmann  255. 
Mattais  698. 


735 


Matthias,  C.  117. 
Maul,  A.  92.  246.  353. 

374.  709. 
Mauthner  370. 
Mayeda,  J.  582. 
Mayer,  T.  332. 
— ,  W.   279.  281.   347. 

452.  613.  642. 
May  weg  709. 
Mecraus,  E.  347. 
Medowic  511. 
Mehmel  445. 
Menning,  F.  118. 
Merkel,  G.  52. 670.  671. 
Merunowicz,  J.  444. 
da  Mesnil  41.  42. 
Metsclmikoff,  E.  178. 
Meanier  302. 
Meyer  870. 
— ,  C.  711. 
— ,  Ed.  125. 
— ,  M.  711. 
— ,  0.  700. 
— ,  W.    118.  246.  815. 

318.  582. 
Meynne  662. 
Michailoff  652.  656.  658. 

663. 
Michel  122. 
Mielecke,  A.  374. 
Mikkelsen,  A.  644.  645. 
Mikulicz  97. 
Mitchell,  W.  456. 
Moherly  374. 
Moeli  445. 
Moser,  H.  246. 
Mohaupt  614.  702  ff. 
Moleschott  463. 
Moller  573. 
Moniu,  E.  248. 
Monod,  H.  38.  34.  283. 

301.  302. 
Montefusco,  A.  62.  374. 
Morf  61. 
Morin  11. 
Morphy  64. 
Morrison,  G.  B.  61. 
Mosher,  E.  M.  118. 
Mosso,  A.  248.  876.  454. 
Mouton,  J.  Th.  567. 
Mühlbrecht,  0.  376. 
Müller  (Basel)  474. 

—  (Berlin)  699. 

—  (8chwarzenberg)302. 


Müller,  v.  4^8. 
Müller,  G.  575.  577. 
— ,  H.  246. 
— ,  K.  291. 
-,  P.  456. 
Münch  699. 
Müntz  188. 
Muguier  342. 
Mygind  39. 

Nachtigall  255. 
Nadaillac,  de  184. 
Näf  422. 
Nager,  G.  627  ff. 
Napias,  H.  41.  42.  173. 
Natafalussy,  C.  665. 
Naudet,  A.  173. 
Naumann  172. 
Netolitzky,  A.  445. 
Neumann,  A.  256. 
Newsholme  456. 
Newton,  J.  246. 
Nieden  282. 
Niederley,  W.  60. 
Niemeyer  663.  703. 
Niefs  210.  212. 
Nigg,  M.  61.  120.  456. 
Noble  Smith  376. 
Noeggerath    873.    411. 

412.  444. 
Noetel  162. 
Nogue,  R.  184. 
Nohl,  C.  711. 
Norbury,  F.  P.  454. 
Norsa,  G.  376. 
Nothnagel  146. 
Nowack  197. 
Nufsbaum,  Chr.  306. 
Nufsbaum,  v.  148.  284. 

Ober-Conreut,  v.  511. 
Oehrn,  A.  408  ff. 
Oeller  281. 
Oeri  151.  152. 
Oettli  229. 
Ohlemann  582. 
Ollivier  418.  419. 
Oltuszewski,  W.  182. 
Olzscha,  K.  310. 
Oppenheimer  463.  464. 
Oppenraay,  J.  G.  J.  van 
567. 


Oskar  II.  111. 
Ossokin,  N.  A.  276. 
Ost  407. 
Ozanne  174. 


Pabst  173. 

Pache,  0.  497. 
Packard,  R.  L.  120. 
Paget,  C.  E.  582. 
Paggio,  L.  246. 
Pagliani  346.  463.  652. 
Palmberg  28.  30.    456. 
Palmer  561.  563.  575. 
Paltauf,  A.  573. 
-,  R.  699. 
Paolis,  L.  de  118. 
Parinaud  128. 
Parkes,  L.  C.  184. 
Parow  543. 
Parsons,  H.  F.  485. 
Pasquale  364. 
Passavant  700. 
Passy  376. 
Pasteur  111.  173.  237. 

238.  445.  446.  509. 
Paulsen,  F.  559.   699. 
Pauschinger  671. 
Pawel  118.  120.  364. 
Pecher,  J.  K.  376. 
Pecsi,  D.  184. 
Pedley,  R.  D.  310. 
Pelc,  J.  444. 
Pelman,  C.  147. 
Pensky  302. 
Perkins  18. 
Perlia  451. 
Perschin,  M.  329. 
Persius  172. 
Pertik,  0.  292. 
Pesskoff  658. 
Pestalozzi  325. 
Peter  287. 
Petermann,  F.  345.  455. 

582. 
Petersen  228. 
Pettenkofer,  v.   10.   67. 

147.    186.    187.   196. 

200.    201.    202.    240. 

831.    365.   511.   560. 

578. 
Pfalz,  E.  638.  639. 
Pfeiffenberger,  K.   376. 
Pfeiffer,  E.  61. 


736 


Pflüger,   E.    121.    151. 

188.  281.  879  ff.  457. 

458.    514.    586.   587. 

611.  628. 
Pfahl,  F.  711. 
Pfundt,  0.  310. 
Pfandner  545. 
Phillips,  S.  L.  182. 
Pietrasanta,  P.  de  111. 
Pilcher,  J.  E.  184. 
Pillon  445. 
Pinelli,  0.  709. 
Piper  627. 
— ,  H.  582. 
Pistor  184.  248. 
Pivion  302. 
Planchard  510. 
Planck,  K.  711. 
Planty,  A.  182. 
Platen  215.  358. 
Plehn,  F.  238. 
Pieyte,  W.  182. 
Pluder,  F.  42.  43. 
Poda,  E.  347. 
Podlipny,  J.  297. 
Poehlmann,  M.  709. 
Poeller  37. 
Pötzschke  700. 
Polack  412. 
Politzer,  A.  510. 
Polte  237. 
Polz,  E.  61. 
Pora  97. 
Porcelli,  O.  120. 
Porter,  W.  T.  621. 
Pouget,  M.  J.  P.  510. 
Prampolini,  F.  G.  182. 
Prausnitz,  W.  578.  579. 

698. 
Prendergast,  L.  709. 
Preyer  184.  323. 
Prince,  M.  120. 
Pador  61. 
Pulwer,  0.  120. 
Putnam,  H.  C.  709. 

Quehen  302. 

Qaetelet  151.  463.  661. 
Queyrat,  F.  711. 

Babelais  254. 
Rählmann  378. 


Ragonean  157. 
Ramminger  45.  580. 
Randall  61.  427. 
Handel,  C.  63. 
Raoux,  E.  61. 
Rath,  Fr.  682. 
Rath,  Z.  292. 
Ratzel,  Fr.  311. 
Ranch,  J.  H.  172. 
Raascher,  F.  E.  182. 
Raydt  53.  54.  215.  364. 

413.  436. 
Rechter,  de  52. 
Recken,  W.  709. 
Recknagel  310. 
Regnaald,  M.  A.  84. 
Reichard,  v.  446.  628. 
Reiche  212.  213. 
Reimann  305. 
Reimers,  A.  O.  294. 
Reincke  173.  573. 
Reinmüller  53. 
Rembold  56.  349.   471. 

561.  578.  640. 
Renk,    F.    238  ff.    331. 

334  ff. 
Renz,  K.  238.  446. 
Reth  wisch  160. 162. 699. 
Reufs,  v.  452. 
Reyher  409.  410. 
Reymond  391. 
Ribbing,  S.  582. 
Richter  699. 
— ,  H.  62. 

— ,  K.  61.  303.  709. 
Rieger  184. 
— ,  K.  302. 
Riemenschneider  510. 
Rietschel  509.  638. 
Ritter  246.  445. 
Ritzmann  689 
Roberts  463.   651.  658. 
Roblot  246.  376. 
Rochard,  O.  120. 
Rocheron  708. 
Roder  279. 
Roemer,  A.  ISO. 
Rösing  499. 
Rohbusch  52. 
Rohmeder  353. 
Roland  188. 
Romano,    A.    63.    370. 

379.    380.   457.   458. 

588. 


Rosebrugh,  A.  M.  68. 
Rosenbach,  0.  711. 
Rosenthal  578.  614. 
Roesi,  E.  de  182. 
Rofstenscher,  L.  120. 
Roth  151.  152.  709. 
Rothstein  256.  577. 
Rotsch,  F.  246. 
Rotter,  E.  64. 
Rousseau  254.  270. 
— ,  J.  184. 

Roussel,  T.  310.  709. 
Roux,  E.  173. 
Rovenhagen  638. 
Rössavölgyi,  J.  493 
Ruata,  C.  64. 
Rubner  7.  578. 
Ruckert,  A.  118.  280. 
Rudtorffer,  E.  v.  172. 
Rflhl  510. 
ROhle  663. 
Rfltimeyer  152. 
Ruf,  M.  582. 
Rüge,  M.  574. 
Rump,  W.  293. 
Runkle,  J.  D.  224. 
Ruseler,  G.  310. 
Russow  173. 
Rychna,  J.  120. 
Rymsza   182.  333.  378. 
458.  586.  587. 


Sack,  N.  649.  652.  656 

658.  660.  711. 
Sallwürk,  ▼.  712. 
Salomonsen,  E.  J.  173. 
Sama,  JoaquSn  376. 
3anchez  Alonso,  N.  582. 
Sanford,  E.  C.  712. 
Schacht,  Th.  573. 
Schantz,  0.  118. 
Schapmann  376. 
Scharff  57.  95.  347.  349. 
Schauber  281. 
Schaumburg,  E.  364. 
Schbankoff656. 658.663. 
Scheermann  97. 
Scheffer,  M.  319. 
Scheier  627. 
Schellenberg  312. 
Schelmerding  703. 
Schenck,  J.  246. 


737 


Schenckendorff,  E.  v.  53. 

54.  64.  213.  310.  373. 

410  ff.  417. 
Schenk   129.   217.   218. 

280.  312.  347. 
Schepp,  F.  582. 
Scherer  244.  412.  712. 
Scherer,  F.  v.  174. 
Schettler,  0.  582. 
Schidlowski,  S.  W.  110. 

237 
Schiebung,  S.  517. 
Schiller,   H.    118.    162. 

709. 
Schindler  300. 
Schlemmer.  638. 
Schlesinger,  H.  520. 
Schlimbach  671. 
Schmedding  410. 
Schmid  182.  408. 
Schmid-Monnard  712. 
Schmidt,  F.  A.  53.  114. 

182.    184.    214.   246. 

248.   353.   364.   582. 

625.   642.   643. 
— ,  J.  118. 
— ,  0.  712. 
Schmidt- Ei  mpl  er     132. 

333.  370   378  ff.  467. 

469.  585.  588.  637. 
Schmitz  110.  614. 
Schmuck,  £.  182. 
Schnabel  672.  673.  712. 
Schneditz,    A.    445. 

699. 
Schneider  460.  712. 

—  (Berlin)  299. 

—  (Breslau)  331. 

—  (Schleswig)  638. 
— ,  Chr.  306.  455. 
— ,  J.  582. 
Schnell,  H.  182.  520. 
Schönberg,  E.  397. 
Schönen  638. 
Schoneid,  A.  T.  519. 
Scholz  614. 
Schonen  574. 
Schopenhauer  486. 
Schottelius  172. 
Schottmüller,  K.  446. 
Schrader  627. 

— ,  W.  709. 
Schreiber,  P.  95. 
Schreiner,  £.  397. 


Schröer  62.  64. 519.  626. 

627. 
Schröter  353. 
Schrötter,  L.  v.  52. 
Schubert,    P.    57.    118. 

183.    246.    280.    281. 

308.    312.    347.    372. 

452.    613.    640.   669. 
Schuck,  W.  N.  479. 
Schützer,  L.  710. 
Schultheis  118. 613.  689. 
Schultz  363. 
Schnitze,  B.  248. 
Schulz,  A.  511. 
Schumann  412. 
Schummkow,  L.  P.  479. 
Schuschny,  H.  204. 372. 

493. 
Schuttleworth,  G.  E.  712. 
Sohwaighofer,  A.  118. 
Schwalbe  80.  82.   161. 

246.  627. 
Schwarz,  S.  491. 
Schwarzkopf,  N.  347. 
Schwendt,  A.  451. 
Sclavo  638. 
Sdorowje  662. 
Seeger,  L.  238. 
Seggel    279.    281.   333. 

370.  372.  379  ff.  452. 

457.    458.    520.   586. 

587.    613. 
Seidel,  F.  238. 
Seil  238. 

jr   92 

Sendler  172.  699. 

Seneca  615. 

Sepp,  P.  B.  62. 

Sergi  810. 

Seydel  153.  281.  312. 

Seyffardt,  F.  L.  497. 

Shelly  118.  312. 

Sidgwick,  H.  184. 

Siegert,  G.  519. 

— ,  W.  79.  81.  209.  242. 

552.  626.  627. 
Siemens  &  Halske  335. 
Silex,  P.  687.  710. 
Simon  543. 
— ,  F.  B.  712. 
— ,  J.  706. 
Simons,  J.  173. 
Singer  174.  648. 
Sluys,  A.  519. 


Smith  57.  520. 
Sneirireff  660. 
SnelleD,  H.  66. 
Snoy  510. 

Söder,  H.  116.  293. 
Söhrens  293. 
Sönnecken  474. 
Soldau  445. 
Sollier,  P.  64.  712. 
Soltmann  339.  543. 
Sommer  619. 
— ,  0.  480. 
— ,  W.  573. 
Sommerfeld  627. 
Sonderegger  150.  184. 
Sonnenberger  712. 
Sons  332. 
Sormani  563. 
Southard,  W.  F.  118. 
Speyr,  v.  229. 
Spiess,  A.  248.  257.  340. 

374. 
Spring  188. 
Springer  62.  412. 
Sprockhoff,  A.  648. 
Ssudakow,  A.  237. 
Stadthagen  79  ff. 
Staffel  474. 
Stahl,  B.  707. 
Stauffer  218. 
Steffen  637. 
Steinbart  312. 
Stellwag  v.  Carion,    C. 

494.  495. 
Stephenson    248.    295. 

296.  584.  611. 
Sternfeld,  J.  116. 
Stetten  580. 
Stetter  45. 
Stevenson  64. 
Stich  498. 
Stieda  661.  663. 
Stilling,  J.  132. 133. 134. 

138.    332.    333.    368. 

369.  370.  377.  467  ff. 

585. 
Stimmel  584. 
Stimpfl  99.  494. 
Stöcker  584. 
Stoldt  648. 
Stoljaroff  657. 
Storch,  0.  62. 
Strack,  M.  310. 
Straft,  F.  86.  87. 


738 


Strassen,  zur  410.  411. 
8trasser  408. 
Ströhmberg  660. 
Strümpell,  L.  52.  310. 
Studtmann  310.  636. 
Stutzer,  F.  E.  616. 
Sturges  312.  548. 
Stutzer  575. 
Subkowsky  657.  662. 
Süfsmann  516. 
Sulzer  648.  710. 
Survillo  657. 
Suzor,  P.  52. 
Sykes,  J.  F.  L.  248. 
Szigetvari  310. 
Szuffan,  W.  493. 


Tarony  445.   510. 
Tauffer,  E.  664. 
Teale,  T.  P.  64. 
Techmar  116. 
Tews,  J.  497. 
Theut  293. 
Thierbach,  P.  710. 
Thierring,  G.  292. 
Thoinot  292. 
Thoma  151.  661.  663. 
Thompson,  0.  T.  S.  312. 
Thorne-Thorae  173. 
ThOme,  H.  62.  424. 
Thümen,  F.  62. 
Tiffany,  F.  B.  78. 
Tissie,  P.  64. 
Tock,  E.  292. 
Tönsfeldt  95.  577. 
Toldt  657.  663. 
Tolle,  M.  144. 
Tolstoi  487. 
Tomes,  E.  519. 
Toussaint,  A.  238. 
Trachtenberg,  A.  52. 
Tramonte,  S.  520. 
Trapenard  238. 
Treichler  548. 
Treitel  627. 
Trölz  66. 
Troost  11. 
Troskowitz,  y.  445. 
Trzoska  614. 
Tscherning  887. 
Turaham  342. 
Tyedmers,  Th.  312. 


Ufer,  Chr.  179. 
Uffelmann  188.  363. 
ükke  660. 
Ulrich,  F.  700. 
Unglenk,  L.  376. 
ürban,  J.  62. 
Urbantschitsch,  E.  97. 
— ,  V.  648. 

Valletti,  F.  374. 
Valude  648. 
Varrentrapp  66. 
Vater  366. 
Vayda,  K.  97. 
Vedrine,  L.  173. 
Velde,  von  der  337. 
VerSdy  97. 
Verödy,  K.  v.  493. 
Vetter,  L.  412. 
Viafora-Alberti,  A.  246. 
Vierordt  463. 
Vieth  254. 
Vietor  116. 
Vinaj,  G.  S.  248. 
Virchow,    R.    51.    172. 

363.  699. 
Völcker  700. 
Voelker  172. 
Vogt  302.  364. 
— ,  A   530.  532. 
— ,  K.  248.  619. 
Voigt,  F.  374. 
Voit,  E.  1. 
Volkmann  688. 
Völlers,  G.  244. 
Vollert,  J.  64.  376.  646. 
Vorbrodt  674. 
Vorwerk,  A.  144. 
Voss,  P.  397. 

Wachsmuth,  G.  F.  184. 
Waetzoldt,  G.  A.  638. 
— ,  St.  36.  162.  287. 
Wager,  G.  184. 
Wagner,  F.  246. 
— ,  G.  584. 
— ,  J.  R.  11. 
Wakeneid,  R.  372. 
Wallichs  509. 
Walther,  C.  520. 
Warner,  F.  163. 496.584. 
Warren,  L.  E.  812. 


Waschow  364. 
Wafsmannsdorff,  K.  302. 

510. 
Waisner  118. 
Waub,  A.  584. 
Weber,  A.  531. 
— ,  G.  H.  92. 
— ,  H.  342. 

— ,  L.   129.  338.  525  ff. 
— ,  Th.  648. 
Webster,  P.  L.  690. 
Weck  353.  584. 
Wegener  648. 
Wehrmann  111.  584. 
Weichselbaum  699. 
Weidenbusch  353. 
Weider  699. 
Weigoldt  648. 
Weil,  R.  64. 
Weife  370. 378. 458. 586. 

587. 
Welilri  237. 
Welt,  S.  341. 
Welzien,  W.  294. 
Wendland  364.  509. 
Wendt,  F.  M.  620. 
— ,  H.  584. 
Wendziloviz,  M.  347. 
Wenham  381. 
Werner,  E.  S.  116. 
— ,  H.  584. 
Wertheimber  342. 
Wessig  637. 
West,  Ch.  34*2. 
Wever  444. 
Wezelsen  403. 
Weyrauch,  v.  110.  441. 
White,  G.  374. 
Whitelegge,  B.  A.  248. 
Wichern  413.  416. 
Wickenhagen,    H.    181. 

246.  353.  510. 
Wider  391. 
Widmark  137. 
Wiebe  172. 
Wietfeidt,  A.  184. 
Wigge,  H.  519. 
Wilhelmi  de  Davila,  B. 

271.  312. 
Willebrand,  F.  v.  238. 
Wilson,  G.  64. 
Winckler,  E.  222. 
Wingerath,  H.  301. 367. 

369.  492. 


739 


Winkler  319. 
— ,  W.  516. 
Winterer  172. 
Wipf,  H.  689. 
Wireniua,    A.   v.    276. 

326.  374.  403.  477. 
Witt,  F.  519. 
Witte,  B.  646. 
Witzeroann  412. 
Wolfe,  H.  K.  312. 
Wolffberg  118. 
Wolffson  62. 
Wojciechowski  346. 
Wollseiffen  699. 
Wolpert,   H.   187.  189. 

190.  192.  196.  494. 


Wortmann,  J.   H.  491. 
Wretschko,  v.  367. 
Wunderlich    452.    584. 

671. 
Wurm  627. 
Wurtz  510. 
Wyllie,  J.  64. 


Tersin  238. 
Young,  A.  G.  519. 


Zaaijer,  J.  182. 
Zahor,  H.  64.  217. 


Zehender,    v.  137.  209. 

282.  348.  368.  678. 
Zehnder,  C.  248. 
Zehrfeld  166. 
Zettler  62.  582. 
Ziegel  584. 
Ziegler,  C.  453. 
Ziemssen  578. 
Ziesche  580. 
Zimmermann,  E.  646. 
-,  Ph    321.   348.  431. 

452. 
Zollikofer,  H.  38. 
Zünckel  246. 
Zwick  187. 


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