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ZEITSCHRIFT
FÜE
SCHULGESUNDHEITSPFLEGE.
EEDIGIEET
VON
Dr. med. et phil. L. KOTELMANN
IN HAMBUKG.
SECHSTEE BAND.
1893.
HAMBURG und LEIPZIG,
VEKLAjJ VdN'-'LÄOP-ÖlA lüoe-s.
• i 1
1893.
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Druok der VerUgBanstalt und Druckerei Actien-Oeiellachaft
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Inhalt.
Originalabhandlungeu.
Seite
Hygienische Anforderungen an Heizanlagen in Schulhäusern von
E. Voit 1
Eine Lanze für den alten Schulranzen von O. Kynast 26
Zar Gesundheitspflege in den Schulen von Antonino Carini 65
Schalhygieniaches aus den Vereinigten Staaten von Leo Bürgerstein 75
Hermann Cohns Lehrbuch der Hygiene des Auges von Ernst
Pflüger 121
Sollen die Geschwister von Masernkranken, welche die Krankheit
früher schon überstanden haben, vom Schulbesuche ausgeschlossen
werden ? von Fr. Dornblüth 139
Luftprüfungen auf Kohlensaure, ausgeführt in Berliner Gemeinde-
schulen, von E. Gillert. Mit 2 Kurventafeln 185
Die Regelung des Kinderbewahrwesens in Ungarn von Heinrich
Schtjschny '. 204
Die Gymnastik als Hilfsmittel der physischen Erziehung von
N. Hagmann 249
Spanische Ferienkolonien von Bertha Wilhelmi de Davila 271
Über den Einfluß behinderter Nasenatmung auf diekörperliche und
geistige Entwickelung der Kinder von Victor Lange 313
Wie befreien wir unsere Schuljugend vom Nachmittagsunterrichte?
Von Philipp Zimmermann 321
Die Myopiefrage mit besonderer Bücksicht auf die Schule von
J. Stilling 377
Weiteres über hygienische Untersuchungen in einer Anzahl höherer
Schulen Norwegens von M. K. Hakonson-Hansen 396
Zur Myopiefrage von H. Sohmidt-Rimpler 457
Mit welchem Alter soll die allgemeine Schulpflicht beginnen? Von
Otto Jahke 460
Ein neuer Ersatz für die bisherigen Geradehalter. Mitteilung von
Friedrich Hosoh. Mit 3 Abbildungen 473
Die Lichtverhaltnisse in den Schulen der Stadt Halle a. S. von
K. Liebreoht 521
Das Volksschulwesen Breslaus im Schuljahre 1891/92 mit besonderer
Bücksicht auf die Gesundheitspflege von G. Kynast 542
IV
Seite
Nochmals zur Myopiefrage von J. Stillinq 585
Die Lichtverhältnisse in den Schalen der Stadt Halle a. S. von
E. Liebeecht. (Fortsetzung und Schlufs) 588
Über die körperliche Entwicklung der Knaben in den Mittelschulen
Moskaus von N. Sack 649
Ärztlicher Bericht über das Schuljahr 1892 — 93 an der Staatsober-
realschule in Temesvar von Eugen Tauffeb 664
Aus Versammlungen und Vereinen.
Die Schulhygiene in der XIV. Versammlung skandinavischer Natur
forscher und Ärzte zu Kopenhagen von Axel Hertkl 28
Beschlüsse des mexikanischen pädagogischen Kongresses in Betreff
der hygienischen Anforderungen an Schulräume . . . 30
Bemerkungen des Komitees für Öffentliche Gesundheitspflege in
Frankreich über den Schlufs der Schulen bei Epidemien 33
Die Schularztfrage in der Berliner Stadtverordnetenversammlung von
Wilhelm Siegebt 79
Bemerkungen im österreichischen Abgeordnetenhause über das Turnen
in den Mittelschulen des Landes 83
Die Abnahme des Erbgrinds unter den französischen Rekruten und
Schülern. Aus der medizinischen Akademie in Paris 84
Der Lehrgang der Jugendspiele für Mädchen in Braunschweig von
A. Hermann 142
Verhandlungen der medizinischen Gesellschaft in Basel über den
Einflufs der Schule auf die körperliche Entwickelung der Jugend 14$
Die Gründungsversammlung des Gentralvereins für Schulschwimmen
in Berlin ■ 152
Aus der Vereinigung für Schulgesundheitspflege des Berliner Lehrer-
vereins von E. Hertel ' 207
Antrag auf Anstellung von Schulärzten, eingebracht in der Stadt-
verordnetenversammlung von Braunschweig 210
Die jüngste Sitzung des Centralausschusses zur Förderung der Jugend-
und Volksspiele in Deutschland 213
Die wissenschaftlich-industrielle Ausstellung in Kasan. Gegenstände
aus dem Gebiete der Schulhygiene und der körperlichen Er-
ziehung von Alexander von Wirenius 276
Die Steilschriftfrage vor den bayerischen Ärztekammern 279
Scharlachepidemie in einer französischen Gewerbeschule. Mitteilung
des beratenden Komitees für öffentliche Gesundheitspflege in
Frankreich 283
Die wissenschaftlich-industrielle Ausstellung in Kasan. Gegenstände
aus dem Gebiete der Schulhygiene und der körperlichen Er-
ziehung von Alexander von Wirenius. (Fortsetzung) 326
Über künstliche Beleuchtung, insbesondere für Zeichen- und Hörsäle.
Aus der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur . . . 331
Der Arbeitsunterricht vor der Lehrerkonferenz des Gymnasiums und
Realgymnasiums in Görlitz 337
Die wissenschaftlich-industrielle Ausstellung in Kasan. Gegenstände
aus dem Gebiete der Schulhygiene und der körperlichen Er-
ziehung von Alexander von Wirenius. (Fortsetzung) 403
Zur Geschlechtertrennung in den Primarschulen vom hygienischen
Standpunkte. Verhandlungen des medizinisch-pharmaceutischen
Bezirksvereins Bern 406
V
Seite
Die Verbreitung der ägyptischen Augenkrankheit in den Dorfschulen
Livlands. Aus einem Vortrage, gehalten auf dem IV. In-
ländischen Ärztetage 408
VII- Hauptversammlung des deutschen Vereins für Knabenhand-
arbeit 410
Bemerkungen in der VI. Generalversammlung der Badegesellschaft
su Stuttgart über die Benutzung des dortigen Schwimmbades
durch Schüler 412
Die wissenschaftlich-industrielle Ausstellung in Kasan. Gegenstände
aus dem Gebiete der Schulhygiene und der körperlichen Er-
ziehung von Alexander von Wirenius. (Schluß) 477
Wie sorgt die höhere Mädchenschule für die körperliche Ausbildung
ihrer Zöglinge? Aus den Verhandlungen der XIII. Hauptver-
sammlung des deutschen Vereins für das höhere Mädchenschul-
wesen in Kiel von L. Kotelmann 480
Der Berliner Bealechulmänner verein über die Schularztfrage 484
Desinfektion in Schulen. Urteile von Londoner Schulärzten 485
Wie sorgt die höhere Mädchenschule für die körperliche Ausbildung
ihrer Zöglinge? Aus den Verhandlungen der XIII. Hauptver-
sammlung des deutschen Vereins für das höhere Mädchenschul-
wesen in Kiel von L. Kotelmann. (Fortsetzung) 546
über körperliche Überbürdung in der Wachstumsperiode. Mit-
teilungen in der französischen Gesellschaft zur Förderung der
Wissenschaften 561
Verhandlungen des Berliner Lehrervereins, die hygienischen Ver-
hältnisse der dortigen Schulen betreffend 552
Wie sorgt die höhere Mädchenschule für die körperliche Ausbildung
ihrer Zöglinge? Aus den Verhandlungen der XIII. Hauptver-
sammlung des deutschen Vereins für das höhere Mädchenschul-
wesen in Kiel von L. Kotelmann. (Schlufs) 610
Die Forderungen der Schulgesundheitspflege an die Unterrichtspausen
von Fe. Ed. Stützer 616
Gasheizung für die Uhlandschule in Frankfurt a. M. Gutachten des
städtischen Gesundheitsrates daselbst 618
Die Sitzungen der Kommission für Schulgesundheitspflege in Nürn-
berg von G. Autenrieth 669
Heilung von Kurzsichtigkeit bei Schülern durch Suggestion. Aus
dem Verein deutscher Arzte in Prag 672
Wie lange sollen die Schulkinder bei Infektionskrankheiten isoliert
werden ? Beschlüsse der Pariser Akademie der Medizin 674
Errichtung besonderer Schulklassen für Schwachsinnige. Vom Thü-
ringer Städtetage 674
Kleinere Mitteilungen.
Schulgesundheitspflege im Kanton St. Gallen 34
Ein Gutachten über den Umfang des an Lehrerbildungsanstalten zu
erteilenden hygienischen Unterrichtes 35
Sollen Kinder mit Pelade vom Schulbesuche ausgeschlossen werden? 36
Die hygienischen Gefabren der Schülerverbindungen 36
Über häusliche Arbeit und körperliche Bewegung bei Schülerinnen 36
Zur Hygiene des Auges mit besonderer Rücksicht auf die Schule . . 37
Kindergarten und Gesundheitspflege 38
Erziehung und Unterricht der dänischen Taubstummen 39
Yl
Seite
Einfluß der Schalbäder auf die Schüler 40
Drei Vorkämpfer für die körperliche Ausbildung der Gymnasiasten 84
Aus den Berichten der sächsischen Amtsärzte über die Schulen ihres
Bezirkes » 88
Arm- und Bruststärker, Patent Largiader 90
Über die öffentliche Fürsorge für Idioten 93
Schulhygiene in Paris 93
Untersuchungen der Wirbelsäule von 2124 Schulkindern in München 153
Der Einflufis des Tabakrauchens auf Knaben 157
Gefahren des übertriebenen Badfahrens 157
Ofenheizung in Schulen 158
Zur Entwickelung der Schulbankfrage in Prag 217
Die Entstehung der Schulkurzsichtigkeit 220
Gesundheitsschädliche Beschäftigungsmittel in Kindergärten ....... 222
Zur Heilung des Stotterns bei Schulkindern 222
über die Verbreitung ansteckender Krankheiten durch Milchgenuls 223
Gefahren für Kinder, welche Gegenstände aus Celluloid tragen .... 223
Die körperliche und geistige Arbeit im Gleichgewichte 284
Bundsohreiben des Zürcher Stadtarztes, betreffend den Ausschluß
infektiös erkrankter Kinder und ihrer Geschwister von der
Schule 287
Winke über körperliche Erziehung junger Mädchen 287
Die zahnärztliche Hygiene in der Schule 288
Weicher Boden für Turnhallen 289
Herings Universalgestell für Schulbilder uud Wandkarten 290
Alnminiumgriffel 291
Über das Vorkommen von Spiegelschrift, besonders im Kindesalter 338
Der Schularzt 340
Geistige Störungen bei Kindern 341
Eine neue Schulkrankheit 342
Was uns die Pocken in England, namentlich bezüglich der Jugend,
lehren 343
Bakteriologische Untersuchung des Dorpater Universitätsleitungs-
wassers 345
Das Schulsanatorium in Meran 345
Eine neue Schulbank 346
Das Paulinum des Rauhen Hauses in Hamburg, eine Musterstätte für
einen gesunden Geist in einem gesunden Körper 413
Zur Überbürdung der amerikanischen Schüler 417
Die Area Celsi und der Schulbesuch 418
Fehler 'der Sprachorgane bei Schulkindern 419
Vorbeugung des Trunks durch die Schulen 420
Über die Schreibweise linkshändiger Kinder 421
Die Einrichtung des Schulgartens in Mannheim 421
Badeordnung für die Benutzung der Schulbäder in Zürich-Unterstrafs 422
Preisgekrönter Entwurf zu einem Realgymnasium in Gera 424
Über Schulheizung mit Gasöfen 425
Gesundheitspflege für die Lehrer 486
Schulhygienisches aus dem Königreich Sachsen 487
Häusliche Arbeitszeit der Schüler der k. k. Staatsoberrealschule in
Teschen 489
Über das Lebens- und Dienstalter der Volksschullehrer in Preufsen 490
Sind gute Turner schiechte Schüler? 491
Ist das Fufsballspiel gefährlich? 491
VII
Seite
Matte, schwarze und weifte Glasschultafeln 492
Eine Brille für farbenblinde Schüler 493
Die mitteleuropäische Zeit und die Schale 554
Physiologische Untersuchungen von Schulkindern in Washington . . 558
Die Anstellung von Schulzahnärzten in Deutschland 558
Gegen den übermäfsigen Biergenufs in akademisch gebildeten Kreisen 559
Zar Verbreitung der Diphtherie durch die Schule 560
Milchstationen für arme Schulkinder 560
Aufregende Privatlektüre der Schülerinnen 619
Die physische Grundlage von Frühreife und Zurückgebliebenheit bei
Schulkindern 621
Die Durchschnittszahl der Schüler in den Volksschulklassen der
größeren Städte Preufsens 621
Soll der Koch- und Haushaltungsunterricht in Fortbildungsschulen
für Mädchen oder in der Volksschule erteilt werden? 622
Düsseldorfer Sommerpflegen für kränkliche Kinder 625
Über die Lage der Turnstunden 625
Über den Einflufs des Gesohlechtes in der Erziehung 675
Hygienische Ratschläge für die Hausarbeit der Schüler 677
Schulgesundheitspflege und Stundenplan 677
Diphtherie und Schulferien 681
Körperliche Erziehung auf den Sandwichinseln 681
Zur Charakteristik der Schulhygiene in früheren Zeiten 681
Vorschule für junge Taubstumme in Wien 682
Schulferienreisen in Dänemark 682
Ein neuer Apparat für Widerstandsbewegungen 682
Tagesgesohichtliches.
Verlegung der allrussischen hygienischen Ausstellung auf das Jahr
1894 40
Die ärztliche Schulinspektion in Frankreich 41
Untersuchung Schwachbegabter Kinder in Altona 42
Tödliche Verletzung eines englischen Schülers beim Fußballspiel . . 43
Ansteckende Augenentzündung im Mädchenwaisenhause zu Judenau 43
Verhaltungsmaßregeln gegen die Ausbreitung der Lungenschwind-
sucht in Schulen 43
Eine Hungerturnfahrt von Leipziger Schülern 44
Das Seeboepiz „Kaiserin Friedrich" zu Norderney 44
Gemeinnütziger Verein zu Bekleidung armer Kinder in Wien 44
Bau und Einrichtung einer neuen Elementarschule in Born 45
Das Trinkwasser des Lyceums in Alengon 45
Eine neue Schulbank 45
Internationaler Ärztekongrefs in Born 95
Der deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege 95
Die Einführung der Steilschrift in die Schulen 95
Rückgratsverkrümmung und Kursichtigkeit von Schülerinnen in Köln 98
Zwei Erkrankungsfalle infolge von Überbürdung 98
Versammlung von Schulmännern zur Besprechung der biologischen
Grundlagen der Pädagogik 99
Untersuchung der Zähne von Londoner Schulkindern 100
Urteil des Beichsgerichts, die Überschreitung des Züchtigungarechtes
der Lehrer betreffend 100
Handfertigkeitsunterricht in Bufsland 101
Till
Seite
Mensa academica in Wien 101
Kinderheilherberge Bethesda zu Soolbad Goczalkowitz in Sohlesien 102
Programm der deutschen Ausstellung für das höhere Schulwesen in
Chicago 160
Vorlesungen über Schulgesundheitspflege an der Universität Giefren 162
Todesfalle an Cholera unter den Schulkindern Hamburgs 1892 . . . 162
öffentlicher Aufruf zur Unterstützung von Schüleruntersuchungen in
England 163
Über die Häufigkeit von Infektionskrankheiten bei den Kindern in
Österreich 163
Jugendspiele in Frankfurt a. M 163
Befreiung Budapester Volksscbüler vom Turnen 164
Programm der Lehrerbildungsanstalt des deutschen Vereins für
Knabenhandarbeit auf das Jahr 1893 164
Eine Vorrichtung, um die Schüler zu gerader Haltung zu nötigen . . 166
Pädagogischer Weltkongrefs in Chicago 224
Eine Epidemie von hysterischen Krämpfen in einer schlesischen
Dorfschule 225
Gegen den übermäßigen Alkoholgenufs der akademischen Jugend . . 229
Schlufs dreier Lehrerseminare wegen Influenza 229
Schulhygienische Aufgaben bei der ersten Dienstprüfung der Semi-
naristen im Saulgau 229
Bedürftige und schlecht genährte Schulkinder in der Schweiz 229
Der internationale Kongrefs für Hygiene und Demographie in Bu-
dapest 1894 291
Mitteleuropäische Zeit und Beginn des Unterrichts am Morgen . . . 292
Typhusepidemie in einem französischen Waisenhause 292
Zur Frage nach der Ehelosigkeit der Lehrer 293
Der Erbgrind unter den Schulkindern in Algier und Tunis 293
Der Verein zur Heilung stotternder Volksschüler in Hamburg 294
Zur Augenentzündung in den Armenschulen Londons 295
Der städtische Schulgarten in Köln 296
Vorführung des deutschen Schulturnens in Milwaukee und Chicago 296
Milchverteilung an bedürftige Kinder in einer Leipziger Bezirks-
schule 297
Der Verein zur Förderung der Jugendspiele in Prag 297
Internationale medizinische und hygienische Ausstellung in Born . . 346
Docenten der Schulhygiene an den Lehrerinnenbildungsanstalten in
Österreich 346
Einige neuere Urteile über die Steilschrifb 347
Über die Studenten Japans in körperlicher Beziehung 349
Kriminalität der Jugendlichen 350
Die Schulgebäude des Kreises Isenhagen in der Lüneburger Heide 351
Kurse zur Ausbildung von Lehrern und Lehrerinnen in den Jugend-
spielen 353
Ferienhort für bedürftige Gymnasialschüler Wiens 353
VIII. internationaler Kongrefs für Hygiene und Demographie in
Budapest 1894 426
Untersuchungen über den Zustand der Augen in den Schulen von
Lausanne 426
Schulärzte in Sachsen • 428
Adenoide Vegetationen im Nasenrachenräume von Kindern 428
Einführung des Unterrichts in der Schulhygiene an den bayerischen
Lehrerbildungsanstalten 428
IX
Seite
Sanitäre Verbesserungen in Wellington College 428
Diphtherie und Schale 429
Ein Lehrer als Opfer vegetarianischer Lebensweise 431
Untersuchungen der Zähne von Schulkindern in Frankfurt a. M. . . 431
Schwere Erkrankung eines Knaben infolge eines Viperbisses 432
Über Turnunterricht und Jugendspiele an den höheren Schulen
Preufsens 432
Schulerherbergen im Riesengebirge 435
Zur Forderung der körperlichen Ausbildung an den Mittelschulen
Österreichs 435
Badern der Realschüler in Lauenburg a. E 436
Gründung eines Slöjd vereine in Ungarn 436
Ferienkolonien in Prag 436
Ein Arbeitstisch, der zugleich als Barren und Reck benutzt werden
kann 437
Die schulhygienisohe Sektion des VIII. internationalen Kongresses
für Hygiene und Demographie in Budapest 493
Die 65. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und
Ärzte 493
Zwei Gegner der Steilschrift 494
Die erste russische Hygieneausstellung in St. Petersburg 495
Schalanfang im Regierungsbezirk Schleswig während des kommenden
Winterhalbjahrs 496
Das englische Komitee zur Untersuchung des körperlichen und
geistigen Verhaltens der Schulkinder 496
Preisausschreiben für Lehrer zur Förderung der Mäfsigkeit seitens
der Schule 497
Zur Wiederimpfung in den französischen Schulen 497
Eine Pockenepideraie in Greenwich, verbreitot durch die Schule . . . 497
Schülerinnenreise auf den Semmering 497
Die Ruderwettfahrt zwischen den Vertretern der Universitäten
Oxford und Cambridge 498
Schulschlufs in Orleans wegen Masern 498
Schwimmunterricht der Schuljugend in der Schweiz 498
Jahresversammlung des Vereins für Kinderheilstätten an den deutschen
Seeküsten 499
Berliner Ferienkolonien 500
Der XI. internationale medizinische Kongreß in Rom 561
Akute psychische Epidemie in einer Mädchenschule 561
Hygienischer Unterricht für Lehramtskandidaten in Italien 563
Vergiftung in einer englischen Distriktschule 563
Über die Körperpflege im Falkrealgymnasium zu Berlin 564
Todesfall in Rugby College infolge eines Wettlaufes 566
Eine Gesellschaft für öffentliche Schulgärten in Wien 566
Die Lehrerbildungsanstalt des deutschen Vereins für Knabenhandarbeit
zu Leipzig 566
Schlittschuhlaufen und Schwimmen der Realschüler in Strafsburg i. E. 567
Das Seehospiz für arme skrofulöse Kinder Italiens in Porto d'Anzio 567
Ein Verein für die gesandheitsgemäfse Erziehung unserer Jugend . . 626
Gehörprüfungen von Schulkindern in Luzern 627
Der italienische Unterrichtsminister gegen die Überbürdung 631
Verbot des Wirtshausbesuches für Volks- und Fortbildungsschülerin
Hessen 632
Zur Speisung and Bekleidung armer Schulkinder 632
X
Seite
Hygienische Fürsorge für die Eindergärten in Berlin 632
Das Mädchengymnasium in Karlsruhe vom Standpunkte der Hygiene 684
Augenärztliche Untersuchung der Zöglinge des Waisenhauses und
der Erziehungsanstalt zu Bummelsburg 687
Zur Frage der Anstellung von Schulärzten 688
Über den Einflufs der Heftlage und Schriftrichtung auf die Körper-
haltung der Schüler 689
Die Zähne der Kinder in der Distriktsschule West- Londons zu
Ashford 690
Hygienische Beform der Elementarlesebüoher in Österreich 690
Der zweite Braunschweiger Lehrgang für Turnspiele 690
Kindergärten in Japan 693
Amtliche Verfügungen.
Erlafs des Königlich preufsischen Unterrichtsministers, betreffend
die Benutzung unsicherer Turngeräte durch Schüler 46
Gutachten der Königlichen wissenschaftlichen Deputation für das
Medizinalwesen in Preußen über die Füllung der Schulspucknäpfe 46
Amtlicher Fragebogen zur Ermittelung der körperlichen und
geistigen Eigenschaften der Schuljugend in Uruguay 48
Beschlüsse des Bezirksschulrats der Stadt Wien bezüglich der Aborte
und der Befriedigung natürlicher Bedürfnisse der Schulkinder . . 50
Bescheid des Königlich preufsischen Kriegsministeriums über die
Benutzung der Exerzierplätze zu Jugendspielen 102
Grundsätze für die Aufrechterhaltung der Sauberkeit an den höheren
Schulen im Aufsichtsbezirke des Königlichen Provinzialschul-
kollegiums zu Gassei 103
Konkurrenz Vorschriften des Wiener Stadtrates zur Erlangung Ton
Projekten für eine Schulbankkonstruktion auf Grund der Thesen,
welche die vom Wiener Gemeinderate veranlafste Schulbank-
expertise aufgestellt hat 106
Weisung des k. k. österreichischen Ministeriums des Innern, bei
Bauprojekten für Schulen - und andere öffentliche Anstalten das
Urteil des Landessanitätsrates einzuholen 167
Erlafs des Königlich preußischen Unterrichtsministers, betreffend
Schülerverbindungen 167
Bescheid des Königlich bayerischen Staatsministeriums des Innern
über die Schließung der Schulen beim Ausbruche ansteckender
Krankheiten 169
Verordnung der Königlichen Regierung zu Liegnitz wegen des Ver-
fahrens bei der Anmeldung taubstummer Kinder für eine Taub-
stummenanstalt 170
Erlafs des Königlich preufsischen Unterrichtsministers , betreffend
die Errichtung von Abschlufsklassen für zurückgebliebene Schüler 230
Verfügung des k. k. Landesschulrates in Mähren, Versuche mit
Steilschrift in den Volks- und Bürgerschulen anzustellen 232
Schulgesundheitliches aus der neuen Schulordnung der Stadt St.
Gallen 233
Amtlicher Fragebogen, bezüglich der Schulgebäude in Uruguay .... 235
Erlafs des Königlich preußischen Ministers der geistlichen, Unter-
richts* und Medizinalangelegenheiten, betreffend Haushaltungs-
unterricht für Mädchen 298
XI
Seite
Verbot zu klein gedruckter Klassikertexte durch das k. k. öster-
reichische Unterrichtsministerium 299
Verordnung des französischen Ministers des Unterrichts und der
schönen Künste, betreffend die Gesundheitspflege in den
französischen Primärschulen 800
Verfugung des k. k. Bezirksschulrates von Wien wegen Aufnahme
einer Statistik der verwahrlosten Schulkinder 800
Lautsprache oder Gebärdensprache beim Taubstummenunterricht?
Eine Antwort des Königlich preufsischen Kultusministers 855
Bundschreiben der englischen Regierung, betreffend den Ausschlufs
von Kindern aus der Schule wegen Infektionskrankheiten 358
Verfügung des k. k. niederösterreichischen Landesschulrates vom
21. April 1892, Z. 3258, betreffend die Einrichtung und Pflege
von Schulgärten 859
Erlais des Königlich preufsischen Unterrichtsministers zur Verhütung
von Unglücksfallen bei Schülern 437
Empfehlung des Auerschen Gasglühlichtes für öffentliche Gebäude,
Auditorien, Laboratorien u. s. w. durch das Königlich preufsische
Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalan gelegen-
heiten 438
Vorschriften des Königlich preufsischen Kultusministers über das
Ausfallen des Unterrichtes bei groiser Hitze 440
Verfügung des k. k. niederösterreichischen Landesschulrates vom
13. Juli 1892, Z. 5671, betreffend die Beschäftigungsmittel für
Kindergarten, Volkskindergärten und Kinderbewahranstalten . . i 441
Erlafs des Königlich preufsischen Unterrichtsministers, betreffend
Schuleinrichtungen für schwachsinnige Kinder 501
Geteilte oder ungeteilte Schulzeit in den Hamburger Volksschulen?
Bescheid des Senates an die Bürgerschaft 502
Belehrungen des Wiener Stadtphysikates über das Verhalten der
Schüler beim Baden 607
Gesundheitsregeln für die Schuljugend, aufgestellt von der Unterrichts-
behörde im Haag 567
Cirkularverragung der k. k. Statthaltern in Tirol und Vorarlberg
vom 11. Juli 1893, Z. 16 849, wegen Maisnahmen gegen Ver-
breitung ansteckender Krankheiten durch Mitglieder geistlicher
Orden, welche sich der Krankenpflege und dem Unterrichte
widmen 571
Aus dem Erlafs des Königlich preußischen Unterrichtsministers über
die Einführung neuer Lehr-, Lese- und Übungsbücher für
höhere Lehranstalten 572
Erlafs des Grofsherzoglich badischen Ministeriums des Innern, die
Ausschliefsung epileptischer Kinder von dem Besuche der Volks-
schulen betreffend 633
Rundschreiben der k. k. schlesischen Landesregierung vom 6. April
1893, Z. 4331, an alle unterstehenden Behörden bezüglich der
Schülerimpfungen und Vaccinationsausweise 634
Gutachten des Stadtphysikates in Wien über den Antrag der Direktion
des dortigen Pädagogiums auf Erteilung von Unterricht in der
Hygiene an Lehrer 636
Verordnung der französischen Regierung, betreffend Mafsregeln in
den Primärschulen zur Verhütung und Bekämpfung von
Epidemien 693
XII
Seite
Aus dem Rundschreiben der k. k. niederösterreichischen Statthaltern
vom 9. Februar 1892, Z. 5435, über die Merkmale und die
Behandlung der Varicellen oder Schafblattern 696
Erlais der k. k. Statthalterei in Böhmen bezüglich der Giftigkeit
vieler Farben in den Schülerfarbkästchen 697
Personalien.
51. 109. 172. 237. 301. 363. 444. 509. 673. 637. 698.
Litteratur.
1. Besprechungen.
£. yon Schenckendorff und F. A. Schmidt, über Jugend- und Volks-
spiele. Von Karl Ferd. Kummer 53
John Jackson, Upright versus sloping writing. Von Paul Schubert 56
Karl Hinträger, Bau und Einrichtung von Pflege- und Erziehungs-
anstalten für die Jugend des vorschulpflichtigen Alters in den
verschiedenen Ländern. Von Behnke 58
M. K. HIkonson-Hansen, Grundtraekkene af sundhedslseren. Von
Leo Buroer8tein 59
Körpererziehung und Schulreform. Von F. A. Schmidt . . « 112
A. Kühner, Der Lehrer als Wächter der Gesundheit. Von J.
Sternfeld 114
Chervin, La voix parle« et chantee. Von H. Söder 116
Mangenot, Les bains et la natation dans les ecoles primaires
communales de Paris. Von Hyacinth Kuborn 174
Karl Kummer, Franz Branky und Raimund Hofbauer, Lesebuch
für österreichische allgemeine Volksschulen. Erster Teil: Steil-
schriftfibel. Von Josef Guoler 176
Chr. Ufer, Das Wesen des Schwachsinns. Von A. Roemer 179
Franz Kreunz, Bewegungsspiele und Wettkämpfe für Mittelschulen
und verwandte, .Lehranstalten. Von H. Wickenhagen 180
Friedrich Renk, Über die künstliche Beleuchtung von Hörsälen.
Von Hermann Cohn 238
Stephan Csapodi und Siegmund von Gerlöczy, Gesundheitslehre.
Für die Volksschulen verfafst. Von Wilhelm Siegert 241
Woldemar Götze, Katechismus des Kn abenhandar bei tsunt errichte.
Von Georg Völlers 242
Karl Richter, Grundriß* der Schulgesundheitspflege für Lehrer,
Sohulleiter, Schulaufsichtsbeamte und angehende Schulärzte.
Von Reimann 303
E. Haesecke, Die Schulheizung, ihre Mängel und deren Beseitigung.
Von Chr. Nussbaüm 305
Christian Schneider und Franz Dietrich, Die deutsche Normal'
Schrift. Von Emanuel Bayr 306
Franz Dietrich, Deutsche Symbol-Normal-Hand- und Kurzschrift.
•Von Emanuel Batr 308
E. Hoffmann, Lehrbuch der Schulgesundheitspflege für Lehrer und
Seminaristen. Von Matthias Ritter von Wretsohko 365
Hubert Wingerath, Kurzsichtigkeit und Schule. Von Alexander 367
Böngerfi, Janos es Karpati, Bela, Az allöiräs (Johann Böngerfi
und Bela Karpati. Die Steilschrift.) Von Heinrich Schuschnt 371
xm
Seite
H. Bowlakd Wakefield. An Elementary Textbook of Hygiene. Von
L. KOTELMAKN 372
Adriano Garbini, Evolnzione della voce nella infanzia. Von
A. Schwekdt 446
Perlia, Leitfaden der Hygiene des Auges. Von August Bitter
von Reüss 451
A- Wunderlich, Wegweiser für Eltern und Lehrer bei Einfuhrung
der Steilschrift. Von Philipp Zimmermann 452
Combe, Extrait du rapport presente- par la municipalite au conseil
communal pour l'annee 1891. Von W. Krug 512
Julius Lang, Die Forderungen der Schulhygiene. Von Süssmann.. 514
W. Winkler, Deutsches Lehrerheim in Schreiberhau, Biesengebirge.
Von S. Sghibssling .. 516
C. A. Köhler, Die Schulgesundheitspflege. — Über Wesen und Be-
handlung des kindlichen Schwachsinns. Von B. Blasius 574
Georg Müller, Die Widerstandsgymnastik für Schule und Haus.
Von G. Tön8feldt 575
W. Prausnitz, Grundzü'ge der Hygiene. Von L. Kotelmann 578
H. Ziesche, J. Doms deutsche Fibel, umgearbeitet und mit Steil*
schrift versehen. Von Emanuel Bayr 580
Franz Kiessling und Egmont Pfalz, Gesundheitslehre im Anschlufs
an Bau und Leben des menschlichen Körpers. Von Otto Janke 638
Krug, Die hygienischen Beziehungen von Heftlage, Schriftrichtung
und Haltung der Kinder beim Schreiben. Von Wilhelm, Mayer 640
F. A. Schmidt, Die Leibesübungen nach ihrem körperlichen Ubungs-
wert dargestellt. Von August Hermann 642
Sl0jdsagen i Danmark. Handfertigkeitsangelegenheiten in Dänemark.
Von Axel Hertbl 644
von Kerschensteinbr, Beform des bayerischen Mittelschulwesens
vom ärztlichen Standpunkte aus. Von Lahmeyer 700
Franz Mohaupt, Kleiner Gesundheitsspiegel. Von Theodor Altsghul 702
Karl Hinträger, Das moderne Volksschulhaus. Von Berthold
Stahl 704
2 Bibliographie.
€0. 117. 181. 245. 309. 372. 453. 517. 581. 645. 708.
3. Bei der Bedaktion eingegangene Schriften.
62. 119. 183. 247. 311. 375. 455. 519. 583. 647. 710.
Verzeichnis der Herren Mitarbeiter,
welche im Jahre 1893 Beiträge geliefert haben.
Augenarzt Dr. Alexander in Aachen. — E. k. Sanitätsrat Dr.
Theodor Altschul in Prag. — Rektor des humanistischen Gymnasiums
Dr. 6. Autenrieth in Nürnberg. — Direktor Emanuel Batr in Wien. —
Stadtbanrat Behnke in Frankfurt a. M. — Professor der Hygiene an der
technischen Hochschule Dr. B. Blasius in Braunschweig. — Oberreal-
•cholprofessor Dr. Leo Buroerstein in Wien. — Docent an der Uni-
Tenitat Dr. Antonino Carini in Palermo. — Professor der Augenheilkunde
Dr. Hermann Cohn in Breslau. — Praktischer Arzt Dr. Fr. Dornblüth
in Rostock. — Stadtischer Lehrer E. Gillert in Berlin. — Direktor der
k. k. Lehrerbildungsanstalt Joseph Guolbr in Wien. — Privatdocent der
Orthopädie Dr. N. Hagmann in Moskau. — Lehrer und Observator
iL K. HIkonson-Hansbn in Drontheim. — Turninspektor Gymnasiallehrer
A. Hermann in Braunschweig. — Kommunaler Kreisarzt Axel Hertbl
in Kopenhagen. — Städtischer Lehrer E. Hertel in Berlin. — Augen-
arzt Dr. Friedrich Hosoh in Basel. — Städtischer Lehrer Otto Janke
in Berlin. — Augenarzt Dr. L. Kotelmann in Hamburg. — Städtischer
Schularzt Hofrat Dr. W. Krug in Dresden. — Professor der Hygiene
Dr. Hyacmth Kuborn in Lattich. — K. k. Landessohulinspektor Dr.
Karl Ferd. Kummer in Wien. — Städtischer Lehrer G. Kynast in
Breslau. — Provinzialschulrat Geheimer Begierungsrat Dr. Lahmeyer in
Kassel. — Specialarzt für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten Dr. Victor
Lauge in Kopenhagen. — Augenarzt Dr. K. Liebrecht in Halle a. 8. —
Praktischer Arzt Dr. Wilhelm Mayer in Fürth. — Docent an der tech-
nischen Hochschule Chr. Nussbaum in Hannover. — Professor der
Augenheilkunde Dr. Ernst Pflüoer in Bern. — - Kreisphysikus Dr. Bei-
mann in Neumünster. — Professor der Augenheilkunde Dr. August Bitter
ton Rbuss in Wien. — Praktischer Arzt Dr. A. Bobmer in Stuttgart. —
Kinderarzt Dr. N. Sack in Moskau. — Professor am k. k. Staatsober-
gymnasium S. Schiessling in Mies. — Praktischer Arzt Dr. F. A. Schmidt
in Bonn. — Professor der Augenheilkunde Geheimer Medizinalrat Dr.
XVI
Hermann Schmidt-Rimpler in Göttingen. — Augen- und Ohrenarzt Dr.
Paul Schubert in Nürnberg. — Schularzt und Professor der Hygiene
Dr. Heinrich Schuschnt in Budapest. — Privatdocent der Medizin
Dr. A. Schwendt in Basel. — Städtischer Lehrer Wilhelm Siegert in
Berlin. — Direktor der Taubstummenanstalt H. Söder in Hamburg. —
Stadtbaurat Berthold Stahl in Altona. — Praktischer Arzt Dr. J. Stern-
feld in Temesvar. — Professor der Augenheilkunde Dr. J. Stillino in
Strafsburg i. E. — Oberarzt des Hennannstädter Eomitates Dr. Süssmann
in Hermannstadt. — Schularzt und Professor der Hygiene Dr. Eugen
Tauffer in Temesvar. — Rektor der II. Knabenmittelschule G. Töns-
feldt in Altona. — Professor an der technischen Hochschule Dr.
E. Vorr in München. — Lehrer Georg Völlers in Hamburg. — Gym-
nasialoberlehrer H. Wickbnhagen in Rendsburg. — Bbrtha Wilhelmt
de Dayila in Granada. — Arzt des Wedenskischen klassischen Gymna-
siums und Direktor des Einderasyls der Grofsfürstin Alexandra Nico-
laewska Wirklicher Staatsrat Dr. Alexander von Wirenius in St. Peters-
burg. — E. k. Ministerialrat im Unterrichtsministerium Dr. Matthias
Ritter ton Wretschko in Wien. — Städtischer Lehrer Philipp Zimmer-
mann in Frankfurt a. M.
}t\\ii\M für Sdiulgffunbbritöpflrgr.
VI. Jahrgang- 1893. No. 1
©riginal-itb^anblungen.
Hygienische Anforderungen an Heizanlagen
in Schulhäusern.
Von
Dr. phil. E. Voit,
o. Professor an der technischen Hochschule in München.
An die Beheizung eines Schulhauses können selbstver-
ständlich keine anderen hygienischen Anforderungen gestellt
werden, als an Heizungen für irgend welche sonstigen bewohn-
ten Bäume. Es ist jedoch nicht zu vergessen, dass die Er-
wärmung von Schulräumen, in welchen ja eine grosse Anzahl
von Kindern längere Zeit sich aufhält, mit besonderer Vor-
sicht ausgeführt werden muis, dafe häufig die Heizanlagen in
Schulen von ungeübten und wenig sorgfältigen Heizern bedient
werden und dafs meist bei der Wahl und Ausführung dieser
Heizungen weitgehende Rücksichten auf die Minderung der
Kosten für Anlage, Unterhaltung und Betrieb genommen
werden müssen. Deshalb ist es wohl gerechtfertigt, gerade für
die Beheizung von Schulgebäuden die wichtigsten hygienischen
Anforderungen zusammenzustellen. Wenn ich nun auch bei
einer so vielfach behandelten Sache nichts wesentlich Neues
zu bringen im stände bin, so hoffe ich doch durch eine Dar-
stellung, welche zahlreiche Erfahrungen an bestehenden An-
lagen heranzieht, einen nicht unwillkommenen Beitrag zur
Lösung der wichtigen Frage liefern zu können.
Schiügetnndheltspflege VI. 1
Der Plan, den ich hierbei einhalten will, ist folgender.
Zunächst stelle ich die allgemeinen Bedingungen zusammen,
welchen jede Heizung eines Schulhauses zu entsprechen hat,
wobei ich gleichzeitig auf mancherlei Mißstände derselben auf-
merksam mache. Sodann führe ich die jetzt gebräuchlichen
Heizsysteme an und erwähne, wie bei jedem einzelnen die
angegebenen Fehler vermieden werden können. Zum Schlüsse
bespreche ich, in welcher Weise die Bedienung der Heizungen
geleitet werden mufs, damit die Anlagen gute Resultate geben.
I.
Als allgemeine Bedingungen, welchen jede Heizung
eines Schulhauses in hygienischer Beziehung entsprechen soll,
kann man bezeichnen richtige Temperaturhöhe, gute
Temperaturverteilung, zweckmäßigen Feuchtigkeits-
gehalt der Luft, Verhinderung der Luftverunreinigung
durch Staub, Atem-, Ausdünstungs- und Verbrennungsprodukte,
Die richtige Temperatur höhe in einem geheizten
Räume scheint sehr einfach festgestellt werden zu können, denn
es gibt hierfür das Gefühl der Bewohner einen direkten An-
haltspunkt. Eine Schwierigkeit besteht aber darin, dafs ver-
schiedene Personen verschiedene Wärmegrade wünschen, ja dafs
auch ein und derselbe bei wechselnder Beschäftigung ganz
ungleiche Temperaturhöhen verlangt. Man muJs deshalb, wenn
man das Gefühl als mafsgebend betrachtet, die Temperatur
eines Raumes, z. B. eines Schulzimmers, so wählen, dafe im
Mittel die darin sich Aufhaltenden bei ihrer jeweiligen Be-
schäftigung, im vorliegenden Falle bei ruhigem Sitzen unter
geistiger Anstrengung, sich behaglich fühlen. Die Angaben,
wann dies der Fall ist, sind nicht vollkommen übereinstimmend.
Bei unsin Deutschland pflegt man als untere und obere Grenzwerte
17° und 19° C. anzusehen. Hierbei ist jedoch zu bemerken,
dafs die meisten Menschen durch den Aufenthalt in Räumen,
in welchen die unteren Lüftschichten weniger warm als die
oberen sind, sich, um nicht kalte FüJse zu bekommen, an be-
trächtliche Temperaturen in Kopfhöhe gewöhnt haben. Diese
Angewöhnung wird jedoch durch zweckmäfsige Beheizung bald
beseitigt, so dafs man für gute, den Raum gleichmäßig erwär-
mende Heizungen, ohne Klagen hervorzurufen, den unteren
Grenzwert von 17° C. wird einhalten können. Bei einigen
Anlagen ist Sorge getragen, dem Lehrer eine besondere Er-
wärmung zu ermöglichen. Wenn dies auch insofern einiger-
maßen begründet ist, als derselbe meist wegen seines höheren
Alters einen bedeutenderen Wärmegrad wünscht, so ist doch
dadurch eine zuverlässige Überwachung der Temperaturhöhe
unwirksam gemacht. Die Angabe der richtigen, d. h, gesund-
heitlich besten Temperatur ist, wie bemerkt, allein darauf ge-
gründet, ob man sich behaglich dabei befindet; wenn auch für
die Zuverlässigkeit dieses Mafsstabes sichere Beobachtungen
nicht vorliegen, so erscheint dieselbe doch so wahrscheinlich, dafs,
solange ein Gegenbeweis nicht beigebracht ist, daran wird fest-
gehalten werden müssen.
Von sehr grober Wichtigkeit ist die möglichst gleich-
mäßige Temperaturverteilung in einem geheizten Räume,
ml swar nmfs hierauf nicht allein in hygienischer, sondern
auch in ökonomischer Beziehung geachtet werden. Vorerst
sei jedoch nur die gesundheitliche Seite hervorgehoben. Als
Ideal nach dieser Richtung gilt, daJs in dem geheizten Zimmer
eine vollkommen gleiche Temperatur herrsche, während es sehr
unangenehm empfunden wird, wenn von der Decke aus gegen
den Boden hin eine rasche Temperaturabnahme stattfindet,
weil dann der Kopf einer hohen, die Füise einer niederen
Temperatur ausgesetzt sind. Dafe bedeutende Unregelmässig-
keiten bezüglich der Wärmeverteilung in geheizten Bäumen
vorkommen, mag an einigen Beispielen erläutert werden. An
der Decke eines mit Luftheizung erwärmten Schulzimmers hatte
die Luft rund 38° C, an dem Fußboden aber 13° C; die
mittlere Temperaturzunahme für 1 Meter Erhebung betrug für
dasselbe 3,6° C. In einem anderen Falle, bei einem mit
Warmwasserheizung versehenen Baume, war die Temperatur
an der Decke 21° C, an dem Boden 19° C. und die mittlere
Temperaturzunahme für 1 Meter Steigung 0,5° C. Auch in
horizontaler Richtung finden nicht unbeträchtliche Differenzen
statt. Es sei nur bemerkt, dafs in dem oben erwähnten mit
Luftheizung versehenen Schulzimmer in halber Höhe Tempe-
raturen von 14° und 21° C. vorkamen.1
Die Ursache der ungleichen Wärmeverteilung in einem
Räume ist immer ungenügende Luftmiachung. Bekanntlich
erfolgt ja die Wärmeübertragung in der Luft durch Wärme-
leitung allein, ähnlich wie in Flüssigkeiten, nur äufserst lang-
sam; erst durch mechanische Bewegung der Luftteilehen
steigert sich die Raschheit derselben bedeutend. Wenn also z. B.
Luft von 120° C. in ein auf 20° 0. zu erwärmendes Zimmer
tritt, so wird diese specifisch beträchtlich leichtere Luft, ohne
sich mit der übrigen zu mischen, sofort an die Decke des
Zimmers steigen, dort den ganzen oberen Raum ausfällen und
nun sehr langsam ihre Wärme von oben nach unten abgeben.
Je £röfser die Temperaturdifferenz der Heizluft gegenüber der
zu erzielenden Zimmerluft ist, und je näher an der Decke der
Eintritt derselben erfolgt, desto geringer wird die Mischung
sämtlicher Luftschichten sein. In dieser Beziehung wirkt dem-
nach die sogenannte Fußbodenheizung, bei welcher die auf
geringe Temperatur erwärmte Luft vom Boden des Zimmers
aufsteigt, günstig. Es sei jedoch gleich hier hervorgehoben,
daüs die bis heute bei Fußbodenheizungen angewendeten Kon-
struktionen andere bedeutende Nachteile haben, indem sie
einesteils zum Aufwirbeln des Staubes am Fufsboden Ver-
anlassung geben, andernteils grofse Massen des Fufsbodens
erwärmen, wodurch eine rasche Wärmeabgabe verhindert wird.
Eine sehr ausgiebige Luftmengung kann künstlich hervor-
gerufen werden durch Erwärmung der Luft in einem unten und
oben offenen Kanal, der dann wie ein Schornstein wirkt; bei
Ofen erzielt man dies bekanntlich durch Anbringen eines
1 Genauere Angaben über Wärmeverteilung in geheizten
sind enthalten in den Abhandlungen: Zeitschrift des bayerischen Archi-
tekten- und Ingenieurvereins, 1874, Bd. VI., H. 2, S. 29, H. 3, S. 48 und
H. 4, 8. 64; Zeitschrift für Biologie, Bd. XEtt, S. 1 und Zeitschrift für
Baukmde, 1882, Bd. V, S. 14.
5
Mantels. Mechanisches Eintreiben von Lnft, wie dasselbe bei
Ventilationsvorriohtungen erfolgt, veranlafst, wenn nicht gleich-
zeitig eine Wärmeströmung stattfindet, blofs eine geringe Luft-
mischnng, indem die wenn anch mit groüser Geschwindigkeit
eintretenden Luftmassen nur in schmalen Streifen das Zimmer
durchsetzen.
Da uns hier die ökonomischen Verhältnisse der Heizungen
allein insoweit beschäftigen, als sie auch die gesundheitlichen
beeinflussen, so sei im Anschlüsse an die schon oben gemachte
Angabe nur kurz erwähnt, dafs bei einer ungleichen Wärme-
rerteilung, bei welcher die oberen Partien des Zimmers stärker
als die unteren erwärmt sind, die Wärme unvollkommen
ausgenutzt wird. Eine innige Mengung der Luft würde ge-
statten, eine beträchtlich geringere Wärmemenge dem Räume
zuzuleiten, ohne dafs die Temperatur in den unteren Luft-
schichten, in denen der Mensch sich aufhält, herabsänke.
Im allgemeinen wird die Notwendigkeit eines richtigen
Feuchtigkeitsgehaltes der Luft in einem erwärmten
Räume viel mehr betont, als die einer zweckmässigen Tempe-
raturhöhe und Temperatur Verteilung; es wird insbesondere die
Trockenheit der Luft als gesundheitsschädlich bezeichnet. Für
diese Behauptung können beweisende Beobachtungen nur selten
angeführt werden; meist ist es nur ein Gefühl, das man der
Trockenheit der Luft glaubt zuschreiben zu dürfen, was zu der
bekannten, sehr viel verbreiteten Klage über solche Trockenheit
Veranlassung gegeben hat. Vor allem muis bemerkt werden, dafs
das Vorhandensein von bestimmten Stoffen in der Luft, z. B.
brenzligen Produkten, für die Schleimhäute des Halses eine auf-
fallige Empfindung von Trockenheit erzeugt1, während wirk-
liche Feuchtigkeitsunterschiede viel weniger wahrgenommen
werden. Es wird dies sofort jedem klar, der sich durch syste-
matisch angestellte Beobachtungen überzeugen will, welcher
Feuchtigkeitsgehalt der Luft der angenehmste ist. Ich habe
1 Deutsche YiertetfahrsschHft für öffentliche Gesundheitspflege, 1882,
Bd. XIV, S. 118.
vor mehreren Jahren im Verein mit Professor J. Förster
eine dahin gehende Untersuchungsreihe ausgeführt. Der eine
von uns stellte ohne Wissen des andern in einem Räume eine
trockene oder feuchte Luft her, der zweite sollte nun durch
sein Gefühl den Feuchtigkeitszustand konstatieren. Es war
jedoch keinem von uns möglich, dies mit Sicherheit zu thun;
die jeweilige Temperatur des Raumes, sowie der Zustand unseres
Körpers waren von so malisgebendem Einflüsse, dafs uns
eine scharfe Entscheidung nicht gelang. Der Abgang Försters
von München verhinderte uns, zu abschliefsenden Resultaten
unter Berücksichtigung der erwähnten Faktoren zu ge-
langen.
Es erscheint nach dem Vorausgehenden wohl gerechtfertigt,
die Frage aufzuwerfen, ob überhaupt der Feuchtigkeitsgehalt
der Luft von gesundheitlicher Bedeutung ist; zur Beantwortung
dieser Frage müssen wir aber etwas weiter ausgreifen.
Vollkommen klar dürfte es sein, dafs der absolute Wasser-
gehalt der Luft, d. h. die in einem Kubikmeter Luft enthaltene
Gewichtsmenge Wasserdampf, für das Wohlbefinden eines
Organismus nicht bedingend sein kann. Vielmehr ist der rela-
tive Wassergehalt in dieser Beziehung ausschlaggebend, d. h.
das Verhältnis des Wasserdampfes, der in einem Kubikmeter
Luft enthalten ist, zu derjenigen Menge, welche in maximo in
einem Kubikmeter enthalten sein kann. Wenn nämlich der relative
Wassergehalt der Luft ein geringer ist, diese also bis zur Sätti-
gung noch eine groüse Menge Wasserdampf aufnehmen kann,
so wird von der Oberfläche unseres Körpers mehr Wasser
verdunsten, als bei grofser relativer Feuchtigkeit. Dafe man
aber nicht sofort einen bestimmten relativen Wassergehalt der
Luft als den zuträglichsten bezeichnen kann, mag aus der Be-
merkung erhellen, dafs Lungenkranke, die wohl am empfind-
lichsten in dieser Beziehung sind, zur Erholung nicht nur an
relativ feuchte Orte, an die Meeresküste oder auf das Meer,
sondern auch an relativ trockene, in Höhenkurorte, gesendet
werden.
Die eingehendsten hierher gehörigen Untersuchungen hat
I»
M
in neuerer Zeit Professor Rubnbr1 ausgeführt. Er konsta-
tierte ebenfalls, dafs die Grenzen für einen angenehmen Feuchtig-
keitsgehalt der Luft je nach der Temperatur des Baumes und dem
Körperzustande des Beobachters sich verschieden ergeben ; ferner
wird von ihm mit Recht hervorgehoben, dafs ein Unbehagen nicht
allein durch zu groJse Trockenheit, sondern auch durch zu
grofee Feuchtigkeit entsteht. Er stellt nun für seine Person
bei dem Körperzustand, in welchem er die Beobachtungen aus-
führte, je nach der Temperatur im Baume folgende kleine
Tabelle auf:
für 7° C. die Grenzwerte von 4 — 45 % Feuchtigkeit
*10»C. „ „ „ 10—18%
„ 15» C. „ „ „ 19-54 % •
» 20° C. „ „ „ 30-60 %
„ 25» C. „ „ „ 33-62 %
Es ist wohl erlaubt, den Zahlen Bubners, die zwar, genau
genommen, nur für ihn und seinen bei den Untersuchungen vor-
handenen Körperzustand Geltung besitzen, eine allgemeinere
Bedeutung zuzuschreiben. Gerade in Schulräumen wird
man zweckmäßig die angegebenen Grenzen einhalten, da die
Kinder unter ganz ähnlichen körperlichen Verhältnissen, wie
der Beobachter, sich befinden; es dürfte daher bei der in Schul-
ammern gebräuchlichen Temperatur eine Schwankung des rela-
tiven Feuchtigkeitsgehaltes zwischen 30 und 60% zu gestatten sein.
Die Verunreinigung der Luft kann, wie bereits oben
angedeutet, einesteils durch die Atem- und Ausdünstungs-
produkte der im Zimmer sich aufhaltenden Personen, andernteils
durch den stets vorhandenen Staub und die in der Heizanlage
sich bildenden Verbrennungsprodukte hervorgerufen werden.
Es ist allgemein bekannt, dafs die Atem- und Ausdüns-
tungaprodukte, wenn sie in zu bedeutendem Maise der Zimmer-
luft sich beimengen, auf den Menschen unangenehm und schäd-
lich wirken. Bei längerem Aufenthalte vieler Kinder in einem
Schulzimmer müssen deshalb, wenn eine Schädigung derselben
1 Archiv für Hygiene, 1890, Bd. 11, Hft. 2 und 3.
8
nicht eintreten soll, jene Produkte abgeführt werden. Dies ist
nur dadurch zu erzielen, dafs die verdorbene Luft entfernt und
durch frische reine Luft ersetzt wird, welche im Winter vor
dem Eintritt in das Zimmer ausserdem noch auf eine ent-
sprechende Temperatur zu bringen ist. Soll eine solche Ven-
tilationsheizung günstig wirken, so mufs durch eine möglichst
geringe Menge neu eintretender Luft; die Anhäufung von Atem-
und Ausdünstungsprodukten, soweit als thunlich, vermieden
werden, und aufserdem darf ein unbehagliches Gefühl durch
zu rasches Strömen oder ungleiche Temperatur der Luft nicht
entstehen. Eine Strömungsgeschwindigkeit unter 3 Meter wirkt
nicht mehr unangenehm, insbesondere wenn gröfsere Tempe-
raturunterschiede, wie schon in dem Früheren gefordert wurde,
vermieden werden. Gar nicht leicht ist es, die unreine Luft
durch reine zu verdrängen. Treibt man z. B. Luft mit grofser
Geschwindigkeit in einen Raum, so durchsetzt sie denselben
in einem schmalen Streifen, während an den daneben liegenden
Stellen Atem- und Ausdünstungsprodukte in beträchtlicher
Menge sich ansammeln können. Der Luftaustausch durch Dif-
fusion geht aufserordentlich langsam vor sich. Nur durch Wärme-
strömungen, wie sie schon oben als Mittel zum Temperatur-
ausgleich geschildert sind, läfst sich eine ausreichende Mengung
der Luft erzielen.1 Man kann somit zweierlei Wege einschlagen :
entweder durch frische, in den unteren Partien des Zimmers ein-
tretende Luft von relativ niederer Temperatur die unreine Luft
schrittweise verdrängen, oder unter fortwährender Mischung der
frischen mit der verdorbenen Luft den Raum mit der ersteren
gleichsam auswaschen.
Nicht minder als die Verunreinigung duroh Atemprodukte
ist die durch Staub zu beachten. Es kann schon die aus
der Atmosphäre entnommene Frischluft, insbesondere in ver-
kehrreichen Städten, zahlreiche Staubpartikelchen anorganischen
und organischen Ursprungs enthalten; namentlich letztere üben
schädliche Wirkungen auf die Gesundheit aus. Einleuchtend
1 Zeitschrift für Biologie, Bd. XIII, S. 305 ff.
ist, dafs die Entnahme der Luft an möglichst günstigen Stellen
erfolgen muis, und dennoch werden hiergegen bedeutende Ver-
stösse gemacht. Es seien nur folgende mehrfach beobachtete
Anordnungen erwähnt. Die Einmündungsöffnung des Frisch-
lnftkanals befindet sich in gleicher Höhe mit dem Erdboden,
so dais Schmutz und Spritzwasser hinein gelangen ; diese Ein-
mündung ist sogar so angebracht, dafs man über eine Gitter-
abdeckung zu gehen hat, wobei der von den Füfsen abgestreifte
Schmutz in den Schacht fällt; oder es wird die Einmündung
direkt neben den Abladesteilen von Brennmaterial angelegt,
wodurch große Mengen von Brennmaterialstaub dem Luftkanal
zugeführt werden. Aber auch dann, wenn man in dieser Rich-
tung alle Vorsichtsmafsregeln einhält, wird es nicht immer
gelingen, staubfreie Luft zu schöpfen. Man mufs in diesem
Falle eine nachträgliche Reinigung derselben vornehmen, indem
man den Staub in einer größeren Kammer sich absetzen läfst
oder denselben durch ein Filter beziehungsweise durch Brausen
abfangt. Nicht zu vergessen ist, dafs die Reinigung der Luft
mit trockenen oder nassen Filtern respektive mit Brausen ziem-
lich bedeutende Widerstände gegen die Luftbewegung veranlafst.
Der Staub kann auch auf dem weiteren Wege, den die Luft
zu passieren hat, oder erst in dem zu erwärmenden Zimmer
derselben beigemengt werden; es wird dies insbesondere bei
groüser Strömungsgeschwindigkeit eintreten.
Außerordentlich unangenehm wirkt es, wenn die staub-
erfüllte Luft an stark erhitzten Heizflächen vorbeistreichen
mufs, oder wenn sich der Staub auf solchen Flächen in grösserer
Menge ansammelt. Dann bilden sich durch Verbrennen des*
selben brenzlige Produkte, welche, wie schon hervorgehoben,
auf die Schleimhäute des Halses reizend wirken und das Ge-
fühl von Trockenheit veranlassen. Zur Vermeidung dieser
Übelstände ist eine peinliche Reinhaltung aller Luftwege und
ein Vermeiden aller hochgradig erhitzten Heizflächen anzuraten,
insbesondere wenn dieselben eine größere horizontale Aus-
dehnung haben, da sich dann auf denselben dickere Staubmassen
ansammeln können.
10
Eine Verunreinigung der Luft in dem zu erwärmenden
Räume durch Feuergase kann hauptsächlich bei Einzelheizungen
und Feuerluftheizungen eintreten und ist natürlich vollkommen
zu vermeiden. Es wirkt das in den Verbrennungsprodukten
enthaltene Kohlenoxydgas, selbst in geringem Mafse der Atem-
luft beigemengt, gesundheitsschädlich, und auch andere Bei-
mengungen veranlassen zum mindesten Unannehmlichkeiten.
Im allgemeinen ist dann, wenn die Heizungen in vollem Be-
triebe sind, ein Austritt von Verbrennungsgasen aus den Feuer-
zügen nur wenig wahrscheinlich, da die bedeutende Temperatur-
differenz im Innern und Äuisern der Feuerzüge einen Überdruck
von aufsen nach innen bedingt. Die Verbrennungsgase treten
deshalb nicht aus den Feuerzügen, sondern es strömt Luft in
dieselben. Dieser Vorgang bedingt zwar eine unökonomische
Verbrennung, nicht aber eine gesundheitliche Schädigung. Nur
wenn infolge ungeschickter Konstruktion oder nachlässiger In-
standhaltung der Anlage beträchtliche Risse in der Heizfläche
sich befinden, kann auch bei vollem Betriebe ein Austritt von
Verbrennungsgasen stattfinden. Sehr zu fürchten ist jedoch
ein Entweichen solcher Gase beim Anheizen, wenn die Feuer-
züge noch wenig erwärmt sind. In diesem Falle kann, ins-
besondere an den Stellen, an welchen Einschnürungen, Um-
biegungen oder ein Zusammenstofs verschieden gerichteter
Ströme von Verbrennungsgasen in den Feuerzügen vorkommen,
leicht ein Überdruck der Feuergase und dadurch ein Austritt
derselben erfolgen. Der Konstrukteur hat die Verpflichtung,
sich durch Rechnung über die Druckverhältnisse in den Feuer-
zügen Aufschluß zu geben und gerade an den ungünstigen
Stellen durch zweckmäfsige Konstruktion jeden Fehler nach
dieser Richtung zu vermeiden.
Man hat früher ziemlich allgemein behauptet, dafs rot-
glühende metallene Heizflächen eine Entnahme des Sauerstoffes
aus der vorbeistreichenden Luft bewirken und dals die Ver-
brennungsgase, insbesondere Kohlenoxyd, durch dieselben diffun-
dieren. Durch Pettenkofer1 ist jedoch nachgewiesen worden,
1 Bingler 8 Journal, 1852.
11
dafe eine Eisenheizfläche, wenn sie im Jahre nur so viel Sauer-
stoff der Atmosphäre entnimmt, wie ein atmender Mensch in
3 Monaten, und diesen Sauerstoff zur Bildung von Eisenoxyd
rerbraucht, dadurch 245 Kilogramm Eisenoxyd erzeugt, eine
Menge, hinter welcher die an den Heizflächen wahrnehmbare
Quantität weit zurücktritt. Diese Desoxydation durch eine
glühende Heizfläche ist somit, wenn sie wirklich stattfinden
sollte, jedenfalls ohne allen praktischen Belang. Auf die Dif-
fusion von Kohlenoxyd durch glühende Eisenflächen hat zuerst
Mobin1 aufmerksam gemacht, indem er sich auf Unter-
suchungen von Saintb Olaibe Deville und Troost stützte.
Durch vielfache Versuche, von denen ich nur die von Wolff-
hügsl9 hervorheben will, ist jedoch konstatiert, dafs bei guten
Heizanlagen ein Austritt von Kohlenoxyd in die Zimmerluft
nicht nachgewiesen werden kann. Da sicher eine Diffusion
der Verbrennungsgase erst bei voller Rotglut der Eisenflächen
antritt, so wird als Regel für die Heizanlagen beizubehalten
sein, dafs während des Betriebes rotglühende Heizflächen
niemals vorkommen dürfen.
II.
Nachdem im Vorausgehenden die an alle Heizanlagen
eines Schulgebäudes in gleicher Weise zu stellenden An-
forderungen aufgezählt sind, soll nun betrachtet werden, in-
wieweit man bei den einzelnen Heizsystemen diesen An-
forderungen zu entsprechen im stände ist.
Wir können die Heizanlagen in verschiedener Weise
einteilen. Je nachdem sie zur Erwärmung eines einzelnen
oder mehrerer Räume gleichzeitig dienen sollen, unterscheidet
man Einzelheizungen und Sammelheizungen. Ist
ein Raum nur zu erwärmen, so ist eine Heizung ohne
Ventilation, ist er auch gleichzeitig zu lüften, eine solche
mit Ventilation auszuführen. Ferner kann man als Wärme-
1 J. fi. Wag * er, Jahresbericht der chemischen Technologie, 1869,
Bd. XV, S. 814.
* Zeitschrift für Biologie, 1878, Bd. XIV, S. 407.
12
träger verschiedene Substanzen, Luft, Wasser oder Dampf, be-
nutzen, man kann also Luft-, Wasser- oder Dampf-
heizungen herstellen, und endlieh lassen sioh mehrere dieser
Substanzen als Wärmeträger verwenden, indem man z. B.
Dampfwasser-, Dampfluftheizungen u. s. w. kon-
struiert.
Während bei der Einzelheizung für jeden Raum eine
besondere Anlage, ein Ofen, vorhanden ist, dient bei den Sammel-
heizungen eine einzige Anlage für eine Reihe von Räumen
gleichzeitig. Der Entscheid, ob für ein Schulhaus eine Einzel-
oder eine Sammelheizung zweckmäfsiger sei, ist mehr nach
ökonomischen, als nach gesundheitlichen Rücksichten zu treffen.
Es läfst sich nämlich bei einer Sammelheizung für ein grobes
Schulhaus die Feuerungsanlage gegenüber den zahlreichen für
die Einzelheizung notwendigen Feuerstätten zweckmäfsiger kon-
struieren; ebenso sind bei jener eine Reihe von Einrichtungen,
z. B. eine Ventilation, leichter durchführbar, und insbesondere
ist die Bedienung bei weitem weniger umständlich. Indirekt
bewirken die angegebenen Vorteile auch Vorzüge in gesund-
heitlicher Richtung. Die neueren Bestrebungen gehen deshalb
fast alle dahin, für ausgedehnte Schulhausbauten Sammel-
heizungen anzulegen und nur dann, wenn einzelne Räume
getrennt .von den anderen erwärmt werden sollen, diese mit
Einzelheizungen zu versehen. Dennoch entschliefet man sich
noch hin und wieder, nur um die grolsen Anlagekosten der
Sammelheizung zu umgehen, für Errichtung von Einzelheizungen,
selbst wenn dieselben bedeutende Betriebskosten erfordern.
Hat mau sich einmal für Einzelheizung entschieden, so
bleibt nur noch die Frage, ob man zu einem Thon- oder
Eisenofen greifen soll.
Ein Thonofen, insbesondere eine dem russischen Ofen
nachgebildete Konstruktion desselben, bietet durch seine nicht
unbedeutende Steinmasse ein beträchtliches Wärmereservoir.
Es werden dadurch die Fehler eines unaufmerksamen, un-
regelmäfsig schürenden Heizers ausgeglichen. Dagegen verhindert
die Masse des Ofens eine rasche Regulierung der Wärme;
13
nur sehr schwer wird man mit einem solchen Thonofen einem
schnellen Wechsel in der Aufsentemperatar nachfolgen können.
Die niedere Oberflächentemperatur eines Thonofens hat den
Vorteil, dafs eine anangenehme Hitze in der direkten
Umgebung desselben vermieden wird und dafs eine Staub-
Verbrennung nicht eintritt. Andererseits zieht, da die Wärme-
leitung der Thonmasse nur eine geringe ist, meist ein
unverhältnismäfsig grober Bruchteil der Wärme ungenutzt in
den Schornstein ab. Bei den jetzt fast allgemein üblichen
Konstruktionen können Thonofen aus den angeführten Gründen
für Schulzimmerheizungen daher nicht empfohlen werden. Es
sind die besseren der gebräuchlichen Metallöfen entschieden
vorzuziehen; freilich mufs dabei bemerkt werden, dais eine
Reihe von Verbesserungen, welche an Metallöfen ausgeführt
werden, auch bei Thonofen anzubringen wären.
Ah zweckmäßige Einrichtungen bei Metallöfen können
folgende bezeichnet werden. Die Anbringung von Füllherden
erleichtert die Bedienung, ohne die Verbrennung zu einer
ungünstigen zu machen. Der vollkommen dichte Abschluß
der Feuerzüge gestattet eine gute Regelung des Abbrandes.
Durch die Anbringung von Mänteln wird eine Überhitzung in
der Umgebung des Ofens vermieden, eine ausgiebige Luft-
mißchung im Zimmer erreicht und eine einfache Verbindung
von Heizung und Lüftung ermöglicht.
Untersuchungen über die Heizung von Schulzimmern durch
Thon- oder Metallöfen haben gezeigt dafs die Unbequem-
lichkeit in der Bedienung der vielen Feuerstätten und in
der Überwachung der zahlreichen Räume sehr häufig zu
bedeutenden Überheizungen und infolge davon zum Öffnen
der Fenster durch die Lehrer Veranlassung gibt; es dürften
diese Vorkommnisse zu den für die Gesundheit der Kinder
gefährlichsten gehören. Auffällig erscheint es, dais im all«
gemeinen über die bei Sammelheizungen vorkommenden Mifs-
stände von den Lehrern viel heftiger Klage geführt wird, als
über ganz ähnliche oder bedeutendere an Einzelheizungen. Es
erklärt sich dies daraus, dafe jeder an die Mängel eines
14
Ofens schon lange gewöhnt ist und dieselben leichter übersieht,
während er von der Sammelheizung entschieden bessere
Resultate verlangt. Mancher ist schon eher zufriedengestellt,
wenn bei der Sammelheizung ein Heizkörper in das Schul-
zimmer gestellt wird, der einem Ofen nachgebildet ist. Überdies
muß beachtet werden, daß ein Fehler in der Konstruktion
oder in der Bedienung einer Sammelheizung meist alle Schul-
zimmer gleichzeitig beeinflufst, so dafs die Lehrer sich gegenseitig
in ihren Klagen unterstützen ; dagegen wird der jeweilige, wenn
auch häufig auftretende Mangel einer Einzelheizung immer
nur von einem Lehrer empfunden und auf seine etwaigen
Klagen weniger Gewicht gelegt.
Ist man zu dem Entsohlufse gekommen, ein Schulhaus
mit einer Sammelheizung zu erwärmen, so wird sofort die
weitere Frage aufzuwerfen sein, ob mit der Heizung eine
Ventilation verbunden werden soll oder nicht. Da bei einer
Ventilation schließlich immer die einzuführende Frischluft auf
eine höhere Temperatur gebracht werden muß, so hat man
mit einer Lüftung auf alle Fälle eine Luftheizung zu verbinden ;
es kann diese als Feuerluftheizung oder als kombinierte
Luftheizung eingerichtet werden.
Bei den Feuerluftheizungen erfolgt die Wärme-
übertragung aus den Verbrennungsgasen durch eine meist
metallene Heizfläche auf Luft, welche nun als Wärmeträger
benutzt und durch Kanäle zu den zu heizenden Räumen
geleitet wird. Unzweckmäßige Konstruktion, ungenügende
Ausführung und wenig sorgfältige Bedienung können bei
Feuerluftheizungen sehr schlechte Resultate bewirken, so dafs
es gerechtfertigt ist, die bei diesen Heizungen vorkommenden
Mängel in etwas eingehenderer Weise zu betrachten und auf
die bei denselben einzuhaltenden Vorsichtsmafsregeln auf-
merksam zu machen.
Da die an der Außenseite des Herdes und der Feuerzüge
vorbeistreichende Luft niemals staubfrei ist, mufs eine zu hohe
Außentemperatur dieser Heizflächen und die Möglichkeit einer
Staubablagerung auf denselben vermieden werden. Man erreicht
15
dies dadurch, dals man den Herd und die anschliefsenden
Feuerzüge ausmauert, dafs man jede ausgedehnte horizontale
Heizfläche umgeht und durch einfache glatte Formen an der
Aufsenseite eine leichte Reinigung ermöglicht.
Eine Beimischung der Feuergase zu der Warmluft würde,
wie schon früher hervorgehoben, sehr mifslich sein. Verfehlt
wäre es daher, wenn, wie dies insbesondere bei älteren Anlagen
vorkommt, das Einsetzen eines Fülloylinders oder die Dichtungen
der Heizfläche nicht schließend ausgeführt sind, wenn ferner
Öffimngen, welche durch Verbrennen des Eisens in der Heiz-
fläche entstanden sind, unbeachtet bleiben, oder wenn die
Entruisung der Feuerzüge in die Heizkammer erfolgen mufs.
Diese Übelstände sind dann am meisten zu fürchten, wenn in
der Nähe der gefährlichen Stelle eine Einengung des Quer-
schnittes oder Änderung der Strömungsrichtung stattfindet, und
wenn die Temperaturdifferenz zwischen Feuergasen und Warmluft,
s. B. beim Anheizen, keine grofse ist, weil in diesen Fällen
der Druck der Feuergase bedeutender als derjenige der Warmluft
werden kann, was einen Austritt der Verbrennungsgase bewirkt.
Die in neuerer Zeit ausgeführten Anlagen schützen im allge-
meinen gegen die gerügten Vorkommnisse, doch habe ich
schon gefunden, dals bei vorgenommener Reparatur das Auf-
fallen einer Sanddichtung übersehen war.
Die Kanalführungen für die Luft sind von der Ein-
mündung der Frischluft bis zur Ausmündung der Warmluft
so auszufuhren, dafs sie leicht gereinigt werden können;
dieselben müssen daher bequem zugänglich und die Wände
möglichst glatt hergestellt werden.
Ein häufig vorkommender Fehler der Feuerluftheizungen
ist die ungleiche Wärmeverteilung in den geheizten Bäumen.
Da bei diesen Anlagen die ganze dem Zimmer zuzuleitende
Wärme von der eintretenden Heizluft zu liefern ist, mufs
entweder die Menge oder die Temperatur der Warmluft eine
bedeutende sein. Mit der Luftmenge wächst die Stärke der
Ventilation und damit auch die Grofse der Betriebskosten,
und aufserdem sind für grofse Kanalquerschnitte nicht immer
16
genügende Mauern ausfindig zu machen. Man wählt daher
auch jetzt noch gern hohe Temperaturen der Warmluft, wenn
auch solche von 120° C, wie ich sie schon zu beobachten
Gelegenheit hatte, bei den neueren Anlagen nicht mehr vor-
kommen. Wie schon oben erwähnt, veranlassen die hohen
Temperaturen der Warmluft, die gleichzeitig eine nahe unter
der Decke befindliche Ausmündung der Luft bedingen, eine
sehr ungleichmäßige Wärmeverteilung. Eine Verbesserung
nach dieser Richtung suchte man durch eine künstliche Luft-
mischung zu erzielen. So hat z. B. Kblling nach den
Angaben von Bezolds1 einen Luftmischer angegeben; es sind
jedoch die bisher gebräuchlichen Konstruktionen nicht voll-
kommen zufriedenstellend.
Bei den Betrachtungen über die allgemeinen Bedingungen,
welchen alle Heizanlagen zu entsprechen haben, sind wir zu
dem Resultate gekommen, dafs es zweckmässig sei, in den
geheizten Bäumen einen mittleren Feuchtigkeitsgehalt von 30 bis
60% zu erzielen. Die früher mehrfach aufgestellte Behauptung,
daJä an den stark erhitzten Heizflächen der Luftheizöfen eine
Wasserzersetzung stattfinde und so die Luft in der Heiz-
kammer einen Austrocknungsprozefs durchmache, ist so oft
widerlegt, dals es unnötig sein wird, darauf einzugehen. Ganz
richtig aber ist, daJs man der Heizluft eine nicht unbeträchtliche
Wassermenge zuleiten mufs, wenn dieselbe nach der Erwärmung
nicht relativ trocken erscheinen soll. Wird die Luft bei
0° C. vollkommen mit Wasser gesättigt aus der Atmosphäre
entnommen, so enthält jeder Kubikmeter nur 5,4 Gramm Wasser-
dampf; erwärmt man aber diese Luft auf 10,75° C, so würde sie
erst gesättigt sein, wenn sie 16,0 Gramm Wasserdampf enthielte.
Es mufe also jedem Kubikmeter dieser Luft 3,6 Gramm Wasser
beigegeben werden, um eine relative Feuchtigkeit von 50% zu
erlangen. Nimmt man für ein Schulzimmer von mittlerer
Gröise, in dem 50 Kinder Platz finden, eine Menge der
Heizluft von 1000 Kubikmeter pro Stunde an, so sind in
1 Zeitschrift für Baukunde, 1882, Bd. V, H. 2, 8. 201.
17
jeder Stande in der für dieses Zimmer dienenden Heizkammer
16 Liter Wasser zu verdampfen. 1 Das in der Heizkammer
anzubringende Wasserschiff mute deshalb eine genügende Ver-
darapfangsfläche haben; es mnfs auch so eingerichtet sein,
dafi es immer mit Wasser angefüllt bleibt und die Füllung
jederzeit leicht kontrollierbar ist. Eine Regelung des Feuchtig-
keitsgehaltes kann man durch Mengung trockner und feuchter
Luft erreichen; es ist aber zu beachten, dafe bei den Wasser-
yerdampfungseinrichtungen schon eine ganz einfache Konstruktion
ausreichend sein wird, da eine scharfe Einhaltung des relativen
Feuchtigkeitsgehaltes gar nicht notwendig ist. Vergleichende
Beobachtungen in Bäumen, die durch neuere Feuerluftheizungen
oder durch andere Heizanlagen erwärmt werden, beweisen, data
über eine zu grolse Trockenheit bei den ersteren im allgemeinen
nicht meiir au klagen ist.
Noch nicht vollkommen gehoben sind auch bei neueren
Feuerluftheizungen die Mißstände, welche dadurch entstehen,
dals herrschende Winde den Austritt der Warmluft, je nach
der Lage der Ausmündungen, unterstützen oder verhindern.
Nur durch eine aufmerksame Bedienung läfst sich in diesen Fällen
eiae Überhitzung oder eine zu geringe Erwärmung der ein
seinen Bäume vermeiden. Gänzlich zu beseitigen ist diese
ungünstige Wirkung allein dann, wenn man die durch Temperatur-
dHferenz erzeugte Luftbewegung mit Hilfe eines ausreichenden»
Motors, z. B. eines Ventilators unterstützt.
Die Begelung der Erwärmung durch die gebräuchlichen
Klappen ist eine rasche. Die Bildung eines gröfeeren Wärme-
mervoiis in der Heizkammer durch Verwendung von Thon-
kizfläohen, wie dies in einigen Fällen ausgeführt ist, würde
es erschweren, den äuJberen Temperaturschwankungen nach-
zufolgen, ohne andere Vorteile mit sich zu bringen.
Die vorausgehenden Betrachtungen über Feuerluftheizungen
zusammenfassend, kann man sagen, dafs die älteren Aus-
1 Der Einfachheit der Betrachtung wegen ist hier absichtlich die
Waaaerabgabe durch den Atem der Kinder vollkommen vernaohlasaigt.
Seholgwandheitspflefe VI. 2
18
führungen derselben im allgemeinen grofse Mängel mit sieb
brachten, dafs aber die neneren Anlagen sehr zufriedenstellende
Resultate geben; immerhin sind anoh bei diesen nur durch
eine aufmerksame Bedienung alle Mifsstände zu vermeiden.
Bei den Wasserheizungen wird das als Wärmeträger
verwendete Wasser in Rohrleitungen erwärmt, die entweder
gegen die Atmosphäre offen oder vollkommen geschlossen
sind. Im ersten Falle steigt die Temperatur des Wassers
nicht über den Siedepunkt (100° C), und im Rohre herrscht
kein Überdruck; diese Heizungen werden als Warmwasser-
oder Niederdruckwasserheizungen bezeichnet. Im zweiten Falle
kann die Wassertemperatur beliebig gesteigert werden; man
erhält dann Heifswasserheizungen. Bei den älteren PERKiNSschen
Hochdruckwasserheizungen erwärmte man bis gegen 200° C.
und erzielte damit einen Überdruck bis zu 14 Atmosphären ;
neuerdings treibt man die Erwärmung bei den Mitteldruck-
heizungen nur bis 130° C, was einem Überdruck von l1/* Atmo-
sphären entspricht.
Die Warmwasserheizungen haben den bedeutenden Vorteil r
dafs die Temperatur der Heizflächen niemals sehr hoch steigen
kann, dafs an denselben keine Staubverbrennung stattfindet,
und dafs bei der gebräuchlichen Anordnung der Heizflächen
in der Nähe des Bodens eine sehr gleichmäßige Wärme-
verteilung erzielt wird. Häufig rühmt man den Warmwasser-
heizungen nach, daJß die bedeutende in den Heizkörpern
befindliche Wassermasse ein grofses Wärmereservoir bilde; es
ist dies aber für eine rasche Regelung der Wärmeabgabe nur
ungünstig, denn es kann selbst nach vollkommenem Absperren
der Wassercirkulation die Wärmeabgabe von den Heizkörpern
nicht vermieden werden. Es mag hier die Bemerkung Platz
finden, dafe die allgemein verbreitete Ansicht, bei einem mit
Warmwasserheizung erwärmten Hause sei eine Trockenheit
der Luft nicht zu befürchten, unrichtig ist. Wenn ein ganzes
Haus durch eine Heizanlage erwärmt wird, so tritt eine nicht
unbedeutende natürliche Ventilation ein. Die kalte atmo-
sphärische Luft strömt, insbesondere in den unteren Stock-
19
werken, in beträchtlicher Menge durch die Mauern und wird
bei der Erwärmung relativ trocken. Ich habe z. B. in einem
mit einer Warmwasseranlage geheizten Gebäude im Innern
einen Feuchtigkeitsgehalt von 33% nachgewiesen, während
derselbe gleichzeitig in der Atmosphäre 76% betrug. Es
kann in einem solchen Gebäude der Feuchtigkeitsgehalt der
Luft leicht unter die oben gesteckte untere Grenze von 33%
herabgehen, so dafs dann eine künstliche Luftbefeuchtung
erforderlich wird. Kaum ist es nötig hervorzuheben, dais diese
gerade bei der Warmwasserheizung gemachte Bemerkung ihre
volle Gültigkeit für alle Heizanlagen behält, die zur Erwärmung
eines ganzen Hauses dienen.
Bei den grofsen Anlagekosten, welche Warmwasserheizungen
erfordern, und da die angegebenen Vorzüge auch durch die
später zu erwähnenden Kombinationsheizungen zu erzielen
sind, werden reine Warmwasserheizungen für Schulhäuser in
der neueren Zeit wohl nicht mehr ausgeführt. Von den Hoch-
druckwasserheizungen, welche auch sonst kaum mehr hergestellt
werden, darf für Schulhäuser um so mehr abgesehen werden, da
sie keineswegs irgend welche nicht anders zu erreichenden
Vorteile darbieten und immerhin ihres hohen Überdruckes
wegen nicht gefahrlos sind.
Von größerer Bedeutung für Schulhäuser sind Mittel-
drnckwasserheizungen. Es ist bei diesen allerdings ein Ver-
brennen des Staubes nicht vollkommen ausgeschlossen; man
mufe deshalb sorgfältig darauf achten, dais die Heizrohre nicht
so gelegt werden, dafs sie sich leicht mit Staub bedecken,
z.B. nicht in Kanäle, die im Fulsboden eingebettet und mit
durchbrochenen Gittern bedeckt sind; ferner hat man die
Heizflächen so anzuordnen, dais sie bequem gereinigt werden
können. Für die Wärmeverteilung im Kaum können die
Mitteldruckwasserheizungen fast ebenso günstig wie die Warm-
wasserheizungen wirken. Die Regelung der Wärmeabgabe
erfolgt häufig durch Hähne, doch ist deren Funktionierung bei
dem immerhin hohen Überdruck keine tadelfreie; es mufs der
Heizer durch die Leitung der Verbrennung im Herde die
20
Hauptsache der Regulierung erreichen. Obwohl also danach
im allgemeinen eine Mitteldruckwasserheizung für Schulhftuser
nicht empfehlenswert ist, kann dieselbe in einzelnen Fällen
doch augeraten werden. Wenn z. B. in einem Altbau eine
Sammelheizung neu eingerichtet werden soll, ist oft eine andere
Anlage nicht durchführbar; für Feuerluftheizungen und kom-
binierte Luftheizungen sind die Kanäle nicht verbanden,
während die engen Rohre der Mitteldruokwasserheizung sich
leicht überall legen lassen.
Auch bei den Dampfheizungen unterscheidet man,
je nach dem Drucke, der in den Dampfleitungen herrscht,
Hoch- und Niederdruckdampfheizungen. Die Hochdruckdampf-
heizungen werden wohl kaum in Schulhäusern Verwendung
finden. Es darf ja ein Hochdruckdampfkessel in einem be-
wohnten Hause der Explosionsgefahr wegen gar nicht unter-
gebracht werden; man müfste ihn in einem entfernten Bau
aufstellen und den Dampf durch eine Rohrleitung dem Hause
zuführen. Ebenso dürfte die Verwendung von hochgespanntem
Abdampf, der aus irgend einer anderen Anlage entnommen
wird, zur Beheizung eines Sohulgebäudes schwerlich stattfinden.
Dagegen versprechen die neuerdings auch sonst vielfach
in Aufnahme gekommenen Niederdruckdampfheizungen für
Schulhäuser von grofeer Bedeutung zu werden, um so mehr, als
gerade bei dieser Art von Dampfheizungen eine Reihe von
ganz zweckmässigen konstruktiven Anordnungen eingeführt
wurden, von denen ich jedoch nur die besseren hervorhebe
und die weniger guten, die auch rasch wieder aufgegeben
sind, vollkommen übergehe. Sehr günstig ist bei den
Niederdruckdampfheizungen, bei weichen der Dampf meist
nur einen Überdruck von Vio — 7* Atmosphäre besitzt, die
niedere Temperatur der Heizflächen, welche eine Verbrennung
des Staubes kaum hervorbringen kann. Die Regelung der
Wärmeabgabe von den Heizkörpern erfolgt durch Hähne sehr
bequem, und gelingt es auch, diese Wärmeabgabe fast voll-
ständig zu verhindern, da der im Heizkörper verbleibende Dampf
nur ein geringes Wärmereservoir bildet.
21
Unter den Einrichtungen, welche erst durch die Nieder-
drackdampfheizungen eine allgemeinere Verbreitung gefanden
haben, die jedoch in ähnlicher, wenn auch nicht gleich
günstiger Weise bei den übrigen Heizsystemen nicht minder
verwendet werden könnten, sind besonders folgende hervor-
zuheben. Der Füllherd der Niederdruckdampfheizungen ge-
stattet den Herd Tag und Nacht im Brand zu erhalten; bei
dieser fortdauernden Heizung findet selbstverständlich eine sehr
gleichmäßige Durchwärmung des ganzen Hauses statt. Um
hierbei einen unnötigen, dem Wärmebedarf nicht entsprechenden
Brennmaterialaufwand hintanzuhalten, wird durch die Änderung
des Dampfdrucks im Kessel eine selbstthätige Regelung des
Luftzutritts zu dem Verbrennungsraum« bewirkt. Wenn
der Heizkörper wenig Wärme abgibt, so steigt bei gleich-
bleibendem Verbrennungsvorgang im Herde der Dampfdruck
im Kessel, hiedurch wird eine Klappe so verstellt, dafs nun
weniger Luft zum Brennmaterial gelangt. Wenn dagegen viel
Wärme verbraucht wird, so sinkt der Dampfdruck, und die Ver-
keilung der Klappe gestattet einer bedeutenden Luftmenge
den Zutritt zum Herde. Da diesen in Kürze aufgezählten
Vorzügen, welche bei den Niederdruckdampfheizungen in sehr
ein&ober konstruktiver Weise zu erreichen sind, irgend welche
wesentliche Nachteile im Vergleich zu anderen Heizsystemen
nicht entgegengestellt werden können, so haben die genannten
Anlagen rasche Verbreitung gefunden und sind auch vielfach
in Schulhäusern eingeführt worden; sie wirken dort im ganzen
ni vollkommener Zufriedenheit.
Schon im Früheren habe ich angegeben, dafs man auch
kom binierte Systeme aus den erwähnten einfachen Heizungen
zusammenstellen kann. Unter den vielfachen Kombinationen sind
wir einzelne von gröberer Wichtigkeit. Mehrfach ausgeführt
sind Hoch- und Niederdruck- Wasser- und Dampfluftheizungen,
Damgkfwasserheizungen und Dampfwasserluftheizungen. Von
diesen hebe ich nur die Dampfniederdruckwasserheizung, sowie
die Hei&wasser- und Dampfoiederdruckluftheizung hervor.
Bei den Niederdruckdampf Warmwasserheizungen will maxi
22
alle konstruktiven Annehmlichkeiten einer Niederdruckdampf-
heizung mit dem Vorteile der Warmwasserheizung, daJs die
Temperatur der Heizkörper niemals über 100° C. steigen kann,
verbinden. Es werden durch diese Kombination die Kosten
der Anlage selbstverständlich gesteigert, aber dafür auch im
allgemeinen bessere Resultate erzielt. Insbesondere bei
grö&eren Anlagen kann die in horizontaler Richtung not-
wendige Wärmeübertragung durch Dampf erfolgen und nun
dieser Dampf an verschiedenen Stellen zur Erwärmung von
Wasser dienen, das hauptsächlich die Wärmeübertragung in
vertikaler Richtung ausführen mufs. Die Regelung der Wärme-
abgabe geschieht bei diesen Dampfwasserheizungen richtiger,
als bei den reinen Warmwasserheizungen, weil in dem Heiz-
körper nach Absperren derselben die verbleibende Wassermenge
geringer, als bei den älteren Warmwasserheizungen ist, und
weil ferner sowohl die Girkulation des Dampfes wie die des
Wassers aufgehoben werden kann.
An die Ausführung der erwähnten kombinierten Luft-
heizungen wird man immer dann denken müssen, wenn mit der
Heizung eine Ventilation verbunden werden soll. Unter den
bisher betrachteten Sammelheizungen war es nur die Feuer-
luftheizung, welche gleichzeitig zur Lüftung dient. Die Mängel,
welche den gebräuchlichen Feuerluftheizungen noch anhängen,
können durch die kombinierten Luftheizungen fast vollständig
vermieden werden. Schon bei einer Heilswasser-, noch mehr
aber bei einer Niederdruckdampfluftheizung ist eine Über-
hitzung der Heizflächen und eine hierdurch bedingte Verbren-
nung des Staubes kaum mehr möglich. In vollkommenster
Weise wird dies vermieden durch Anwendung einer kombi-
nierten Niederdruckdampf warmwasserluftheizung. Für die Heiz-
kammern und die Kanalführungen der Frisch- und Warmluft
sind bei diesen kombinierten Luftheizungen natürlich die
gleichen Vorsichtsmafsregeln beizubehalten, wie dieselben
schon für die Feuerluftheizungen angegeben wurden; ebenso
ist für eine Befeuchtung der Luft in ganz gleicher Weise wie
bei den Feuerluftheizungen Sorge zu tragen.
23
Dürfte man bei der Wahl des Heizsystemes für ein Schul-
haus in keiner Weise die Kosten desselben beachten, so würde
man sich nach dem jetzigen Stande der Heiztechnik für eine
der letzterwähnten kombinierten Luftheizungen entscheiden
müssen, wobei selbstverständlich eine zweckmäßige und gute
Ausführung der Anlage vorausgesetzt ist. Ganz anders wird
natürlich der Entscheid sein, wenn auch die Kosten für die
Anlage und den Betrieb maisgebend sind; je nachdem mehr
oder weniger Bücksicht auf dieselben genommen werden mufs,
wird auch in jedem einzelnen Falle die Wahl in ganz ver-
schiedener Weise zu treffen sein.
ni.
Es ist nicht zu vergessen, dafs selbst dann, wenn diese
Wahl eine glückliche, wenn ferner die Konstruktion der Heiz-
anlage eine zweckmäfsige und auch die Ausführung eine sorg-
fältige war, dennoch durch eine ungeschickte, unaufmerksame
Bedienung und eine wenig sorgfältige Erhaltung der An-
lage die mit derselben erzielten Resultate ganz schlechte sein
können. Ja, es ist hervorzuheben, dafs ein fleifsiger und ge-
schickter Heizer selbst mit einem weniger gelungenen Heiz-
system eine sehr zufriedenstellende Erwärmung der Räume
eizielen kann.
Ohne hierbei die mancherlei Dinge aufzuzählen, welche
ein Heizer zu beobachten hat, glaube ich doch auf einige
Punkte aufmerksam machen zu müssen. Bei Anlagen mit
unterbrochener Feuerung ist die Bedienung des Herdes in
gleichen relativ kurzen Zwischenräumen auszuführen, damit
nicht grofse, gleichzeitig in Brand geratene Brennmaterial-
quantitäten eine Überhitzung der Heizflächen hervorrufen. Der
Heizer muis darauf Rücksicht nehmen, dafs die Dimensionen
aller Heizanlagen so berechnet sind, dafs sie nur zur Erhaltung
des Beharrungszustandes ausreichen. Wollte man die An-
heizung in kurzer Zeit bewerkstelligen, so muteten diese Dimen-
sionen bedeutend gröfser bemessen werden. Nun ist die Regel,
dafe in einem Schulhause während der Ferientage die Zimmer
24
nicht geheizt werden und deshalb vollständig auskühlen. Der
Hetzer versucht es dann meist, dieselben in wenigen Standen
zu erwärmen, anstatt zum mindesten einen Tag hierauf zu ver-
wenden ; er überanstrengt und verdirbt dabei die ganze Anlage.
Sehr häufig habe ich diese unrichtige und schädliche Bedienung
bei Feuerluftheizungen gefunden, und konnte nur eine sehr
eingehende Belehrung der Heizer und eine steepge Kontrolle
derselben diesen Ausstand heben. Auch bei Niederdruckdampf-
heizungen, bei welchen wegen der genannten Feuerung und
der selbsttätigen Regulierung derselben durch den Dampfdruck
eine Oberheizung ziemlich vermieden ist, habe ich dieselbe beim
Ingangsetzen der Heizungen in Neubauten einigemale ange-
troffen; es wurden alle Heizkörper die ganze Zeit über in
volle Thätigkeit gesetzt, um die Erwärmung und Austrocknung
so rasch als möglich zu vollenden. Dieser bedeutenden Wärme-
abgabe entsprach denn auch die Menge des verbrauchten Heiz-
materiales, so dals eine Überhitzung des Füllherdes und ein
Verbfennen des Rostes eintrat.
Für die Erhaltung einer richtigen Temperatur und Feuchtig-
keit in den Räumen sucht man den Heizer neuerdings durch
Instrumente zu unterstützen, welche ihre Angaben in der Nähe
der Einsohüren erkennen lassen. Wenn man die Kosten für
diese Einrichtungen nicht zu scheuen braucht, ist die An-
bringung derselben wohl anzuraten, dabei aber nicht zu ver-
gessen, dals von Zeit zu Zeit eine fachmännische Prüfung vor-
genommen werden muis, ob die Instrumente in richtigem
Zustande sieh befinden.
Von der grö&ten Wichtigkeit bei allen Heizanlagen ist
das Reinhalten derselben; Versäumnisse nach dieser Richtung
können die schlimmsten Zustände hervorrufen. Hauptsächlich
in dien Heizkammern, Kanalführungen und auf den Heizkörpern
sammeln sich bedeutende Staubmassen an. Ich fand in Heiz-
kammern den Boden in dicker Lage mit Schmutz bedeckt und
ebenso in horizontalen oder geschleiften Kanälen beträchtliche
Mengen abgesetzten Staubes. Es rührt das nicht selten davon
her, dafs diese Räume kaum zugänglich und schwer zu reinigen
25
sind, aber meist ist es allein dadurch veranlafst, dafs der Heizer
sich nicht oder nur wenig um die ReiniguDg bekümmert. Es
sollte nach Herstellung der Heizung, vor Inbetriebsetzung der-
selben jeder Teil der ganzen Heizanlage in gründlichster Weise
geprüft und dies vor Beginn der einzelnen Heizcampagnen
stets wiederholt werden. Aber auch während der Heizperiode
ist in gleichen, nicht zu weit voneinander abstehenden Zeit-
räumen, etwa alle Monate, eine Reinigung der Heizkammern,
Eanalfuhrungen und Heizkörper vorzunehmen. Der Heizer
rnuüs sich daran gewöhnen, dafs die Anlage ebenso blank ge-
halten wird, wie ein Wohnzimmer; er wird dann bald die
Bedienung mit grö&erem Eifer ausführen und rasch auf etwaige
Mängel derselben aufmerksam werden. Bei einer groJsen An-
zahl von Schulhäusern, wie sie gewöhnlich einer umfangreichen
Stadtverwaltung unterstellt sind, kann nur angeraten werden,
einen erfahrenen Techniker mit der sorgfältigen Unterhaltung
aller Heiaanlagen und der Überwachung der Heizer zu betrauen.
Ihm mufe es obliegen, im Sommer bei den Neueinrichtungen
von Heizanlagen thätigen Anteil zu nehmen und für die jähr-
liche gründliche Instandsetzung aller älteren Anlagen zu sorgen»
im Winter aber die Begutachtung der neuen Projekte und die
Überwachung der Heizer auszuführen. Durch eine solche
pflichtmäfeige Beschäftigung mit den Heizanlagen wird es
einem tüchtigen Techniker bald gelingen, alle oder wenigstens die
meisten Klagen, welche noch über eine unrichtige Erwärmung
der Schulzimmer geführt werden, zum Schweigen zu briijgen.
26
Eine Lanze für den alten Schulranzen.
Von
G. Kynast,
stadtischem Lehrer in Breslau.
Mit Rücksicht auf die traurige Wahrnehmung, dafs viele
städtische Schulkinder, besonders Mädchen, einen schiefen
Wuchs oder wenigstens Anlage zu einem solchen besitzen,
hatte schon vor längerer Zeit die Breslauer Schulbehörde
in Erwägung gezogen, ob nicht für skoliotische Kinder
ein heilgymnastischer Unterricht eröffnet werden könne. Die
einleitenden Schritte haben jedoch zu dem Ergebnis geführt,
dalß dieses Unternehmen auf grolse Schwierigkeiten stofeen
würde, da es nicht möglich ist, schematisch orthopädischen
Unterricht zu erteilen, vielmehr die Behandlung derartiger
Kinder stets unter der Aufsicht eines Arztes, vielleicht sogar
eines Specialarztes, stehen mufs, der jeden Fall vorhandener
oder drohender Deformität individuell zu behandeln hat. Zur
Teilnahme an einem Lehrgange der orthopädischen Gymnastik
hatten sich auf besondere Anfrage fast alle Breslauer Turn-
lehrerinnen bereit erklärt. In Erwägung jedoch, dafs es nach
ärztlichem Urteil nicht angängig ist, den in der Handhabung
der Orthopädie vorgebildeten Lehrerinnen die selbständige
Leitung und Ausübung eines solchen Unterrichtes zu über-
lassen, ist die städtische Behörde von einem weiteren Vorgehen
in der Sache vorläufig zurückgetreten.
Um aber wenigstens einem offenbaren Übelstande in der
Art, wie die Kinder häufig ihre Schulbücher tragen, entgegen-
zutreten, hat die städtische Schulbehörde ein „Mahn wort
an die Eltern in betreff der Bücherträger" gerichtet,
welches bekannt und beachtet zu werden verdient. Dasselbe
hat folgenden Wortlaut: „Es ist als feststehend zu erachten,
27
dafe die Erziehung, welcher die Mädchen gerade in ihren Ent-
wicklungsjahren unterworfen eind, körperliche Schädigungen
seitigt, welche als Blutarmut, Nervenschwäche und nicht zum
wenigsten als „habituelle Rückgratsverkrümmung"
in die Erscheinung treten. Zum grofsen Teile sind diese Ge-
sundheitsschädigungen vermeidbare. Ganz besonders gilt dies
von der Wirbelsäulenverkrümmung. Die Abwehr der sie
begünstigenden Einflüsse sollte daher mehr als bisher im Auge
behalten und angestrebt werden. Sie entsteht, wie wir heute
wissen, meist durch rein mechanische, eine ungleichmäfsige
Belastung in sich schliefsende bezw. bedingende Verhältnisse;
jede anhaltende, einseitige direkte oder indirekte Belastung ist
daher zu vermeiden und auf ihre Beseitigung hinzuwirken.
Eine solche einseitige, meist recht erhebliche Belastung
entsteht durch das Tragen der Schulbücher immer mit
derselben Hand. Auf den mehrmals täglich zurückzulegenden
Schulwegen von oft recht beträchtlicher Länge bedienen sich die
Mädchen seitwärts zu tragender Handmappen (Bücherträger),
wohl auch, um die Schulpflichtigkeit zu verbergen, vollgepfropfter
Musikmappen, von deren Gewicht sich die Eltern schwerlich
Rechenschaft geben. Bei Ermittelungen in hiesigen höheren
Mädchenschulen ergaben sich folgende Gewichte:
Durchschnitts- höchstes
Kbw8e Gewicht.
I 5 V* Pfund 6 Vi Pfund
H 6 7* „ 8 „
ni 7 „ 8»/4 „
IV 6 8A „ 7 V*.
V 4 „ 4 Vt n
VI 2 Vi „ 8 Vi -
Die einseitige längere Belastung mit solchen Gewichten
muJB 'von verderblichem Einflufs sein; denn durch das
täglich zwei- bis viermal geübte anhaltende Tragen derselben,
das ohne entsprechende Abweichung der Wirbelsäule undenkbar
ist, wird solch eine unnatürliche Haltung um so leichter zur
bleibenden Skoliose führen, als es sich doch um Kinder handelt,
1
28
die in der Entwickelang begriffen sind. Nur die Besei-
tigung dieser gesundheitswidrigen Bücherträger und
Handmappen und die Rückkehr zu dem guten alten
Schulranzen, der Bückentasche, die mittelst Riemen
über beide Schultern geschnallt wird, können ab-
helfen. Möchten die Eltern, die über die Gesundheit ihrer
Kinder zu wachen haben, diesen Mahnruf nicht unbeachtet
lassen und über etwaige Moderücksichten und unberechtigtes
Vorurteil sich hinwegsetzen!"
Aus Derfammlungen ttnb Dereinen.
Die Schulhygiene in der XIV. Versammlung
skandinavischer Naturforscher und Ärzte zu Kopenhagen.
Von
Axel Hertel,
kommunalem Kreisarzt m Kopenhagen.
Vom 4. bis 9. Juli v. J. wurde die XIV. Versammlung
skandinavischer Naturforscher und Ärzte in Kopenhagen ab-
gehalten.
In der medizinischen Sektion trug Dr. Palmbbrg, Gesund-
heitsinspektor zu Helsingsfors in Finnland, über die geeig-
netste Handhabung der Schulhygiene vor. Die letztere
zerfallt in einen allgemeinen und einen speciellen Teil. Die all-
gemeine Schulgesundheitspflege bezieht sich auf a. die Lokalitäten,
ihre Lage, Ventilation, Beleuchtung u. s.w., auf die Subsellien und
die Lehrmittel; b. die Schulzeit, die Pausen, die Hausarbeiten
und Körperübungen ; c. die Vorbeugung ansteckender Krankheiten.
Die specielle Schulhygiene fafet den Gesundheitszustand der ein-
zelnen Schüler und, was damit in Verbindung steht, ins Auge.
Die allgemeine Hygiene ist die weitaus wichtigste. Hier
ist eine sachverständige Inspektion der Schulen ganz notwendig,
29
und darüber sind die Ansichten auch kaum geteilt. Anders
aber verhält es sich, wenn man fragt : wer soll diese Inspektion
ausfahren? Die Ärzte, welche die gewöhnlichen hygienischen
Untersuchungen anstellen, sind auch hier die natürlichen
Inspektoren; sie bilden die sachverständigen Persönlichkeiten,
welche die Baupläne und sanitären Einrichtungen der Schulen
begutachten sollen, da nur sie mit Autorität in hygienischen
Fragen auftreten können. Speoielle Schulärzte sind dagegen
nicht erforderlich; will man solche anstellen, so wird eine
praktische Lösung und Ordnung der Frage viel kostspieliger
und schwieriger. Die gewöhnlichen Ärzte müssen daher auoh
die Verrichtungen als Schulärzte übernehmen.
Die specielle Schulhygiene dagegen wird nicht Sache der
Öffentlichen Kontrolle sein dürfen, sondern muls der privaten
Fürsorge der Eltern überlassen werden.
Die täglicheBeaufsichtigung der Beleuchtung und Rein-
haltung der Lokale, sowie der riobtigen Benutzung der Subsellien
ist Pflicht der Schulvorsteher und Lehrer, ebenso wie diese
auch die einfachen Untersuchungen des Auges und des Gehörs
der Schüler vornehmen sollen; vorgefundene Abnormitäten
müssen dem Arzte überwiesen werden. Die Stundenpläne sind
von den pädagogischen in Verbindung mit den medizinischen
Autoritäten auszuarbeiten.
Um seine Ansichten zu präcisieren, stellte Redner folgende
Thesen auf:
1. Die Schulgesundheitspflege ist teils eine allgemeine,
teils eine specielle.
2. Die allgemeine Schulhygiene, welche die Bewahrung
eines guten Gesundheitszustandes der Schüler verfolgt, muls in
allen Unterrichtsanstalten durchgeführt werden.
3. Dies geschieht am besten durch Zusammenwirken der
Arzte und Pädagogen; die letzteren müssen daher Kenntnis
der Schulhygiene besitzen.
4. Die specielle Schulhygiene berücksichtigt den Gesund-
heiteustand jedes einzelnen Schülers und hat gewiß* auch
ihre grobe Bedeutung, kann aber im allgemeinen nicht Sache
30
der Schule sein; sie muüs von der Familie, den Wohlthätig-
keitsvereinen oder von der Armenpflege übernommen werden.
Der Kommnnalarzt Axel Hertel dankte dem Vortragenden,
dafs er diese wichtige Frage zur Verhandlung in der Versamm-
lung gestellt habe. In Dänemark existieren keine sanitären
Inspektionen der Schulen durch Sachverständige. Wenn die Ärzte
bis jetzt dieser Frage ein ziemlich platonisches Interesse ent-
gegengebracht haben, so rührt dies zum grofsen Teile daher,
daJs sie gar nicht Gelegenheit haben, die Schulen zu besuchen
und zu sehen, unter welchen Verhältnissen die Schüler arbeiten
müssen. Dafs hier grofse Mängel sich finden, beweisen die
Untersuchungen der schulhygienischen Kommission vom Jahre
1884.1 Obgleich zahlreiche und gute Lehranstalten seit dieser Zeit
gebaut worden sind, so existieren doch noch immer viele alte
und schlecht angelegte. Eine ärztliche Inspektion, wie die von
Dr. Palmberg vorgeschlagene, mufs daher als grofser Fortschritt
bezeichnet werden; sie ist auch von der dänischen schul-
hygienischen Kommission warm empfohlen, aber bis jetzt nicht
verwirklicht worden. Was die speciellen Schulärzte betrifft,
so vertritt Kommunalarzt Hertel im Gegensatz zu Dr.
Palmberg die Ansicht, dafe solche doch von grossem Nutzen
sein könnten, namentlich dann, wenn sie eigens für diesen
Zweck ausgebildet würden. Für die große Mehrzahl der
Schulen aber mögen die gewöhnlichen Medizinalbeamten die
Inspektion übernehmen.
Eine weitere Diskussion fand nicht statt, auch keine Ab-
stimmung über die aufgestellten Thesen.
Beschlüsse des mexikanischen pädagogischen Kongresses
in betreff der hygienischen Anforderungen an Schnlränme.
1. Das Schulgebäude soll speciell dem Charakter der Anstalt,
welche man errichten will, angepafst werden.
1 8. diese Zeitschrift, 1888, No. 6, S. 167—183 und No. 7
S. 201—215. D. Red.
31
2. Der Bauplatz mufe von jedem ungesunden und gefährlichen
Orte, insbesondere von Kirchhöfen, Abfuhrplätzen oder übelriechenden.
Gewässern, weit entfernt liegen.
3. Das Terrain sei von Natur oder künstlich trocken. Die
Baumaterialien sollen dauerhaft, gegen Fenchtigkeit und atmosphärische
Einflüsse widerstandsfähig sein.
4. Für die Schule sind wenigstens 10 qm Oberfläche per
Schfller zu rechnen.
5. Das Dach ist am besten flach; im Falle man dasselbe
dennoch geneigt erbaut, sind Ziegel oder Schiefer dem Metall vor-
zuziehen.
6. Die Fulsböden der Klassen müssen stets aus Holz her-
gestellt werden.
7. Alle Ecken, welche durch die Wände, den Fulsböden oder
die Decke gebildet werden, sollen eine konkave Rundung mit einem
Radius von 10 cm besitzen.
8. Die Thüren der verschiedenen Räume sind so einzurichten,
dafs dieselben nach zwei Seiten geöffnet werden können; sie sollen,
mindestens 2,20 m hoch und 1 m breit sein.
9. Die Räume im unteren Teile des Gebäudes müssen in
genügender Höhe über dem Erdboden liegen.
10. Man trachte danach, dafs sich vor den Fenstern der Klasse
hinreichend unbebauter Raum befindet, um dem Lichte freien Zutritt
zu gewähren; die Entfernung, in welcher Mauern der Schule
gegenüber liegen dürfen, mufs mindestens 8 m betragen.
11. Jede Schule soll eine Wasserleitung besitzen in der Weise,
dafs in sämtlichen Räumen ein Hahn vorhanden ist. Wenn sich
dies nicht ausführen läfst, so soll man Behälter aufstellen, damit
die Kinder Wasser von hygienisch bester Beschaffenheit erhalten.
12. Die Treppen sind gradlinig und nicht gewunden anzulegen.
Die einzelnen Abschnitte derselben müssen 13—15 Stufen haben und
durch einen Absatz getrennt sein; die Stufen sollen 28—30 cm
Breite und 15 cm Höhe besitzen und abgerundet werden. Das
Geländer ist mit je 40 cm voneinander entfernten Knöpfen zu
versehen, um die Kinder am Herabrutschen zu hindern ;
die Entfernung der Geländerstäbe darf nicht mehr als 13 cm be-
tragen. Wenn die Zahl der Schüler 200 übersteigt, so sind zwei
Treppen anzulegen.
13. Bei der Lage der Schulen werde darauf geachtet, dafs
dieselben nicht heftigen Winden ausgesetzt sind, trotzdem aber ge-
nügend Luft, Licht und Wärme erhalten. Auch hat man zu vermeiden,
dafs die Sonne, besonders während der ersten Abendstunden, längere
Zeit in die Klassen scheinen kann.
32
14. Für die Ventilation sind 20 kbm Luft per Schüler und Stunde
zu rechnen. Um eine so kräftige Lüftung zu erzielen, müssen,
abgesehen von den Fenstern, obere and untere Ventilatoren ein-
gerichtet werden; für je 4 Schüler ist ein Ventilator anzulegen.
Die Klappen der letzteren sollen einen Durchmesser ton 12 cm
haben.
15. Damit auch durch die Fenster frische Luft eintreten könne,
sei jeder Fensterflügel in zwei Teile geteilt, einen unteren, der sich
in gewöhnlicher Weise öffnet, und einen oberen, der sich um eine
horizontale Achse dreht und geneigt werden kann.
16. Das Licht Ton zwei Seiten ist vorzuziehen; dasselbe soll
jedoch auf der linken Seite stärker sein, als auf der rechten und
auf letzterer daher durch mattes Glas abgedämpft werden.
17. Einseitiges Licht darf man anwenden, wenn man es unter
nachstehenden Bedingungen erhalten kann:
1. dafs das Licht genügend stark ist;
2. dafs die Fenster mindestens V» so hoch sind, als die
Klasse breit ist;
3. dafs man an der den Fenstern gegenüberliegenden Seite
Ventilationsöffnungen anbringt; diese Öffnungen müssen
1 — 2 m weit sein. Sie sollen nicht nur zur Lüftrag,
sondern auch dazu dienen, die Sonne für einige Stunden
des Tages ins Zimmer zu lassen.
18. Das Licht darf nicht von vorne auf die Schüler oder den
Lehrer fallen.
19. Die Fenster müssen rechtwinklig sein und, im Falle man
einseitiges Licht anwendet, eine Höhe von fi/s der Breite besitzen.
20. Das Fensterbrett sei nach zwei Seiten oder nach dem
Zimmer zu geneigt und liege in einer Höhe von 1,20 m über dem
Boden.
21. Da die Menge des Lichtes nicht immer von der Oröfse
der Fenster abhängt, sondern davon, dafs man es direkt empfängt,
so soll vor denselben ein freier Raum bleiben.
22. Fenstervorhänge müssen sich von unten nach oben auf riehen
lassen.
23. Das Licht von einer Seite soll keine Anwendung finden,
wenn die Klasse mehr als 6,20 m breit ist.
24. Als künstliche Beleuchtung dürfen Stearinkerzen (?D. Red.),
Öllampen oder elektrisches Licht mit matten Glaskugeln benutzt werden.
25. Die Schulzimmer der Knaben, Mädchen und kleineren Kinder
seien vollständig getrennt.
26. Bei der Verteilung der Schulzimmer ist auch die Wohnung
des Direktors in Betracht zu ziehen.
33
27. Die Maximalzahl der Plätze in einer Klasse beträgt 50,
veno keine Parallelklassen bestehen ; sind 'solche vorhanden, so ist
40 das Maximnm.
28. Bei der Aufstellung der Schultische ist dafür Sorge zu
tragen, dafs die nötigen Gänge frei bleiben; dieselben dürfen
zwischen der Wand und den Tischen nicht schmäler als 60 cm sein
und zwischen den Subsellien nicht enger als 50 cm.
29. Der Saal für den Handfertigkeitsunterricht, d. h. für Tischler-,
Karton- und Flechtarbeiten, soll jedem Schiller 2,50 qm Raum
gewähren und für 40 Schüler 10 — 11 m lang, 5 — 6 m breit und
4— 5 m hoch sein; derselbe mufs vorzüglich ventiliert und erleuchtet
werden.
30. Für die Turnhalle ist eine Grundfläche von 6 qm pro
Schüler und eine genügende Höhe erforderlich; auch sie mufs gute
Beleuchtung und Lüftung haben. Neben derselben darf ein Aus- und
Ankleidezimmer nicht fehlen.
31. Die Aborte sollen aus kleinen, durch Wände getrennten
Räumen bestehen und in jedem der letzteren soll nur ein Sitz
«ich befinden; sie müssen automatische Wasserspülung besitzen und
so beschaffen sein, dafs die Schüler nicht darauf stehen können.
Außerdem ist ein Pissoir erforderlich. Die Thür des Abortes sei
oben und unten offen, so dafs man die Eniee und die Brust des
Schülers sehen kann; die Farbe der Thüren mufs so gewählt werden,
dafe sich nicht darauf schreiben oder zeichnen läfst.
32. Im Falle Heizungsvorrichtungen zur Anwendung kommen,1
and folgende Yorsichtsmafsregeln zu beobachten:
1. Ihre Einrichtung sei derartig, dafs sie zu allen Jahres-
zeiten eine konstante Temperatur erzeugen;
2. sie müssen auch während der Nacht arbeiten und wenn
die Angestellten abwesend sind;
3. sie dürfen keine Verbrennungsprodukte ins Zimmer
lassen;
4. sie dürfen den Feuchtigkeitsgehalt der Luft in keiner
Weise verändern;
5. sie sollen nicht zu viel Feuerungsmaterial verbrauchen
und jede Gefahr eines Brandes ausschliefen.
Bemerkungen des Komitees fftr öffentliche Gesundheitspflege
ii Prankmeh Aber den Seklufs der Schulen bei Epidemien.
In einer der letzten Sitzungen des Komitees für öffentliche Ge-
sundheitspflege in Frankreich, welche unter dem Vorsitze des Pro*
fasor Brouardhl stattfand, erwähnte Direktor H. Monod, dafs in
Ventavon, einer Gemeinde des Departements der Oberalpen mit 800
BdtalfenmiUMltfpfleg« VI. 8
34
bis 900 Einwohnern eine kleine Blatternepidemie unter den Schul-
kindern ausgebrochen sei; 5 Fälle wurden konstatiert, von denen
jedoch keiner tödlich verlief. Die Entstehung dieser Epidemie führt
man auf eine Einschleppung aus Marseille zurück. Die nötigen
Mafsregeln der Impfung und Wiederimpfung sind getroffen und die
Schulen geschlossen worden.
In Orgeix zeigten sich Fälle von Typhus. Da die Krankheit
in der Familie des Lehrers auftrat, so mufsten auch hier die Kinder
aus der Schule entlassen werden.
Nach Direktor Monod würde es von Interesse sein, die Be-
dingungen zu erfahren und zu veröffentlichen, unter denen beim
Ausbruch von Epidemien die öffentlichen Schulen zu schliefen sind;,
man mü&te sich zu diesem Zwecke mit dem Unterrichtsministerium
in Verbindung setzen. Das Komitee spricht den Wunsch aus, dafa
diese Frage weiter im Auge behalten werde.
ÄUinere M\Ht\lun%tn.
Schulgesundheitspflege im Kanton St. Gallen. Aus den
jüngsten Berichten der Physikate und Gesundheitskommissionen, so
heilst es in dem „Schwelgerischen Gesundheitswesen," verdienen
folgende, die Schulgesundheitspflege im Kanton St. Gallen betreffende
Angaben erwähnt zu werden: Bezirk Tablat. Die Schulhäuser
sind in baulicher Beziehung befriedigend, aber teilweise sehr über-
füllt. Der Kubikraum per Kind beträgt z. B. in Nuoleu nur 2,64,
in Rotmonten 2,60, in Neudorf 2,83 und in St. Fiden 2,45 kbm.
Die meisten Schulzimmer gewähren 3 — 6 kbm. Auch die Abtrittsein-
richtungen lassen an vielen Orten zu wünschen übrig, sogar im
neuen Schulhause zu Häggenschwyl. — Bezirk Rorschach. Ror-
schacherberg hat seine Schullokale untersucht und darüber Bericht
eingesandt. Der Luftkubus beträgt hier pro Kind 3,4, 4,4 und
4,5 kbm. Eggersriet verabfolgte Mittagssuppe und warme Schuhe an
arme Schulkinder und inspizierte die Schule in hygienischer Be-
ziehung.— Bezirk Unterrheinthal. Die Räume des katholischen
Schulhauses in Widnau sind niedrig und überfüllt, und die Umgebung
des Hauses läfst in Bezug auf Reinlichkeit viel zu wünschen übrig.
Auch das katholische Schulhaus in Au ist mustergültig schlecht, das
evangelische dagegen sehr gut. Die Lüftung der Schulzimmer erweist
sich im ganzen Bezirk mangelhaft, ja verwerflich, „wesentlich durch
Schuld der Lehrer u, sagt der Bericht. An der Reinlichkeit der
35
linder ist nichts auszusetzen. Die Zahl der Kurzsichtigen beträgt
2%. In Thal hat die evangelische Schule Hausschuhe für die kalten
md nassen FüXse der bedürftigen Schulkinder angeschafft. — Bezirk
Oberrheinthal. Über die Schulhäuser dieses Bezirks ist eine
eingehende Untersuchung im Gange. Altstätten hat sehr gute sanitäre
Schulverbältnisse mit Ausnahme der katholischen Mädchenschule. —
Bezirk Sargans. In Vättis ist ein neues Schulhaus bezogen, und
ünms hat seine drei überfüllten Schulen durch Errichtung einer
vierten entlastet. Pfeffers, Flums, Wallenstadt und Bagaz haben
ihre Schulen in sanitärer Beziehung inspiziert und größtenteils in
befriedigendem Zustande gefunden. In Ragaz sind einige Ver-
besserungen projektiert. — Bezirk Gaster. Weesen hat reinliche
und gut gelüftete Schulzimmer. In Kaltbrunn wurden aus gesundheit-
fiehen Gründen die Schulhausaborte umgebaut. — Seebezirk.
Eschenbach hat neue „St. Galler Schulbänke " und einen guten
Ventilationsofen angeschafft. Die Schulhäuser in Schmerikon und
St Gallenkappel sind in Ordnung und gehörig ventiliert. — Bezirk
Obertoggenburg. Die Luftheizung im evangelischen Schulhause
von Kappel soll durch ein besseres System ersetzt werden. Die
neue Realschule Ebnat-Kappel wird die Primärschulen entlasten. In
AhVSt. Johann erhielten die armen Kinder freien Mittagstisch in
besseren Familien und in Kappel und Nefslau eine Mittagssuppe oder
Milch und Brot, aufserdem Hausschuhe. — BezirkNeutoggenburg.
£s fand eine Inspektion der Aborte sämtlicher Schulhäuser statt. —
Bezirk Alttoggenburg. Mosnang hat seine sechs Schulen in
Beziehung auf Baugrund, Reinlichkeit, Ventilation und Aussehen der
Schüler untersucht und darüber ausführlich berichtet. Trotz gleich-
artigen Baues waren die einen dieser Schulen gut, die anderen
schlecht gelüftet. Es fehlt also nicht an der Einrichtung, sondern
an den Lehrern. — Bezirk Wil. Niederhelfenschwil bemühte sich
namentlich um gute Lüftung der Schulzimmer, — Bezirk Gossau.
Die Gemeinde Gossau hat Verabreichung von Mittagssuppe an über
100 entfernt wohnende Schüler eingerichtet. Die Kosten beliefen
sich auf 11 Cts. per Kind und Tag. In einigen Gemeinden des
Kantons wurden schlechte oder verdächtige Schulbrunnen gründlich
verbessert.
Ein Gutachten über den Umfang des an Lehrerbildungs-
anstalten zu erteilenden hygienischen Unterrichtes hat einer
Mitteilung des »Österr. Sanitätswes.u zufolge Professor Dr. M. Gruber
in einer Sitzung des k. k. obersten Sanitätsrates erstattet. Es
wurde ein ausführliches Programm über den Inhalt des zu be-*
bändelnden Lehrstoffes vorgelegt und hinsichtlich der Ziele des
hygienischen Unterrichts an diesen Lehranstalten, sowie der Methoden
8*
36
and Hilfsmittel desselben eine Reihe grundsätzlicher Bestimmungen
in Anregung gebracht.
Sollen Kinder mit Pelade von Schulbesuche ausgeschlossen
werden? Auf diese Frage erteilt Dr. Dübois-Havbnith in der
„Clinique" vom 15. August 1892 die folgende Antwort: Die Pelade
ist nicht in demselben Mafee wie der Favus und Herpes tonsurans
ansteckend. Ihre Prophylaxis in den Schulen erfordert daher nicht
dieselbe strenge Malsregel der Ausschließung, wie die beiden
letzteren Krankheiten. Ich habe mehr als einmal die Zulassung
peladischer Kinder in der Schule gestattet, ja geradezu gefordert,
obgleich man ihr Erscheinen als eine Gefahr für die übrigen Schüler
ansah. Doch darf dies nur unter der Bedingung geschehen, dais
der an Pelade Erkrankte während der ganzen Dauer seines Leidens,
ja selbst noch längere Zeit nach der Genesung zu jeder Zeit eine
Kopfbedeckung trägt.
Die hygienischen Gefahren der Schfilerverbindungen
werden in einem Aufsätze des „Päd. WochbL" berührt. Wer sechs
Stunden im Klassenzimmer gesessen hat, so heilst es dort, soll sich
einige Zeit in frischer Luft bewegen. Statt dessen begeben sich
die Schüler in eine enge und dumpfe Kneipe, und selbst in der
Grnfsstadt besuchen sie seltener die monumentalen Bierpaläste, weil
hier auch Lehrer verkehren. Das Kneipen dauert oft bis abends,
so dafs die kostbare Arbeitszeit völlig verloren geht. Zum Abend-
essen mufs der Knabe natürlich pünktlich erscheinen, damit der
Vater nichts merkt. Nach dem Essen hat er noch einen Mitschüler
zu besuchen, denn die mathematische Aufgabe war so schwer, dais
niemand sie lösen konnte. Nun gehts wieder lustig in die Kneipe.
Manche lassen sich auch einfach einen Hausschlüssel machen, stellen
sich, als ob sie ins Bett gingen, und begeben sich dann schnurstracks
ins Wirtshaus. Der Vater, müde von des Tages Last und Arbeit,
wähnt seinen Sohn im Bett und begibt sich selbst zur Ruhe, während
der Sohn in der Kneipe weltverbessernde Pläne schmiedet. Vor-
sichtige Jungen warten indes, bis die Eltern sich zur Ruhe begeben
haben, und gehen dann aus, um tief in der Nacht zurückzukehren.
Wir brauchen nicht erst hinzuzufügen, wie nachteilig ein solches
Wirtshausleben mit seiner verdorbenen Luft, seinem übermäfcigen
Biergenufs und seiner gestörten Nachtruhe gerade für die Gesundheit
der noch wenig widerstandsfähigen Jugend ist.
Über häusliche Arbeit nnd körperliche Bewegung bei
Schülerinnen schreibt der Direktor der Kgl. Elisabethschule zu
Berlin, Professor Dr. Stephan Wabtzoldt, in dem jüngsten
Jahresberichte der Anstalt: Die häuslichen Arbeiten sind so be-
messen, daß einer fleifsigen Schülerin überall reichlich Zeit bleiben
37
jmifs, der Mütter zur Hand zu gehen und sich, wie ihr Alter es
verlangt, körperlich zu bewegen. Es empfiehlt sich, darauf zu halten,
dafe die Schülerin zu fest bestimmter Stunde, an bestimmtem Orte,
möglichst ohne Unterbrechung ihre Schularbeiten erledige. Dann
aber soll ihr auch, soweit als thunlich, die Möglichkeit, sich frei
m bewegen, zu spielen und sich zu tummeln, gegeben werden. Nie
sollte einem Mädchen erlaubt sein, unmittelbar nach dem Essen zu
arbeiten, jedenfalls nicht noch nach der Abendmahlzeit. Der körper-
lichen Kräftigung kann die Schule, welche nur über zwei wöchentliche
Turnstunden für jede Klasse verfügt und eines geeigneten Baumes
nun Spielen und Tummeln leider entbehrt, nicht in genügendem
Mafse sich widmen. Die nervöse Unstetigkeit, die Unfähigkeit zu
ernsthafter Arbeit erklärt sich bei manchen Mädchen aus dem
übertriebenen Zwange des Stülsitzens und dem Mangel an körper-
licher Thätigkeit im Hause oder in freier Luft. Durch spätes
Wachen, durch verfrühte Teilnahme an den Vergnügungen Er-
wachsener, durch unbeaufsichtigte zerfahrene Lektüre wird der
Zerstreutheit und Mattigkeit Vorschub geleistet. Zur Besserung
dieser Übelstände ist die Schule in einer Gröfsstadt nur im stände,
wenn sie sicher auf die kräftige Mithilfe der Eltern, namentlich der
Mütter, rechnen darf.
Zur Hygiene des Auges mit besonderer Rücksicht auf
die Schule. Der Optiker Franz Poeller in München hat eine
Reihe von Versuchen angestellt, um zwei der wichtigsten Punkte
der Myopielehre, nämlich 1. den Übergang der Normalsichtigkeit
in die Kurzsichtigkeit und 2. die graduelle Steigerung der letzteren
beim Brillengebranche näher zu erforschen. Dabei gelangt er zu
folgenden „Nutzanwendungen für die Schulhygiene": 1. Anstrengendes
Nahesehen, wie es durch mancherlei Beschäftigung, vornehmlich aber
durch Lesen und Schreiben, bedingt wird, ist vom Standpunkt der
Augenhygiene in der Regel nur dann als zulässig anzusehen,
wenn es nicht länger als SA bis 1 Stunde ununterbrochen geübt
wird. 2. Bei mehrstündiger Dauer solcher Thätigkeiten sind längstens
nach je V* Stunden Erholungspausen von etwa 7* Stunde geboten.
3. Der Brillengebrauch ist beim Nahesehen auf das Notwendigste zu
beschränken. 4. Im Falle der Benutzung einer Glasbrille ist es
nötig, dieselbe in Zwischenräumen von 11/* bis 2 Stunden auch
dann einer eingehenden Reinigung zu unterziehen, wenn dem äufseren
Anscheine nach die Verunreinigung oder Verfeuchtung derselben
noch unmerklich ist. Da jedoch diese Reinigung in Anbetracht des
Üm8tandes, dafs infolge der starken hygroskopischen Kraft der
Glasoberfläche die Feuchtigkeitströpfchen und mit diesen auch zahl-
reiche Salz- und Schmutzstäubchen sich tief in die Oberfläche ein-
38
nisten, sich nur sehr schwierig und unvollkommen vollziehen lä&t,
so sind 5. Brillen aus Bergkrystall den aus Glas erzeugten deshalb
bei weitem vorzuziehen, weil eine Reinigung derselben wegen 4er
geringen Hygroskopie des Bergkrystalls seltener nötig und leichter
ausführbar ist.
Kindergarten und Gesundheitspflege.1 In der »Wochschr.
f. einheiü. Jgderzhg* erklärt die Vorsteherin des Kindergartens in
3t. Gallen, Fräulein Hkdwiq Zollikofbr, dafs die in das FRöBRLsefee
System eingereihte Beschäftigung des Ausstechens dem kindlichen
Auge schade und deshalb trotz ihrer im übrigen vorteilhaften An-
regungen besser vom Kindergarten fern gehalten werde. Dann
aber fährt dieselbe fort: Bei diesem Anlasse, erlauben wir uns
auch daran zu erinnern, dafs aufser dem so augenfällig nachteiligen
Ausstechen noch mehrere der üblichen Kinderbeschäftigungen eine
ungünstige Kritik hervorrufen und damit dem ganzen FRÖBRLschea
System schädigende Vorurteile schaffen. Wir meinen das Flechten
mit ganz feinen, etwa 3 mm breiten Streifchen in Glanzpapier, das
Ausnähen von zu eng gestochenen oder in unklarer Zeichnung ge-
haltenen Nähblättchen, das Legen mit zu feinem Material, das
Zeichnen auf enges (5 mm) Netzpapier. Einmal darauf aufmerksam
gemacht und nach eigener Prüfung und Erfahrung, haben wir schon
seit Jahren alle diese gerügten Übelstände bei uns beseitigt und
das diesbezügliche Material bedeutend gröber angeschafft. Überhaupt
sollten die Fabriken FRöBELscher Beschäftigungsmittel dazu ver-
anlafst werden, für Kindergärten und zur Beschäftigung vorschnl-
pflichtiger Kinder durchaus kein so feines Material anzufertigen und
abzugeben. Die Flechtblätter, die wir in unserem Kindergarten be-
nutzen, sind aus Naturpapier und die Streifen je nach der Stufe
der Kinder 10 bis mindestens 5 mm breit. Die Stiche der Aus-
nähblätter stehen wenigstens 5 mm auseinander, der Karton ist
nicht glänzend, sondern matt. Wenn überhaupt auf Papier gezeichnet
wird, so geschieht es in methodischem Stufengang auf Netzpapier
mit 1 cm grofsen Quadraten. Zum Legen verwenden wir Steinchen,
Kürbiskerne oder dergleichen gröfsere Samen, halbierte Bohnen,
Knopfformen aus Karton, dann die eigentlichen Legetäfelchen und
statt der zündholzartigen dünnen Stäbchen starke vierkantige ans
Hartholz gefertigte, so dafs auch da die zarten Nerven der Kinder
nicht überreizt werden. Wir haben unser sämtliches Material und
dessen Anwendung ärztlichen Autoritäten vorgelegt, und hatten die-
selben nichts mehr daran auszusetzen. Lassen wir überhaupt die
Beschäftigung des Bauens, des Sand- und Tonspielens, des Aus-
1 Vgl. diese Zeitschrift, 1892, No. 6, S. 262—268. D. Red.
39
Schneidens und Klebens mehr in den Vordergrand treten, die das
Kind ja so sehr erfreuen und nach keiner Richtung schädigend
wirken, vorausgesetzt, dafc die Eindergärtnerin auch darin maishalte
and die Beschäftigungen nicht auf Kosten der Bewegung im Freien,
des Spieles, des Turnens, der Anschauung und des Erzählens be-
treibe. Alles geschehe zu seiner Zeit, an seinem Ort, in harmoni-
scher Übereinstimmung und ' gehöriger Abwechslung mit der Devise:
„Nur in einem gesunden Körper kann eine gesunde Seele wohnen".
Dann bleiben wir nicht stehen, sondern schreiten mit der Zeit
Torwarts, wie Fröbel selbst es gewollt hat, und schaffen seinen Un-
vergänglichen, tief begründeten Gedanken neuerund zeitgemäfse Formen.
Erziehung und Unterricht der dänischen Taubstummen.
Unter dem Titel: „Die Taubstummen in Dänemark" hat Dr.
MYGUTDin der „Ztschr+f. Ohrhlkd" eine demographische Skizze ver-
öffentlicht. Dieselbe stützt sich im wesentlichen auf die durch das
Unterrichtsministerium im Jahre 1886 veranlafsten Erhebungen über die
Verbreitung der Taubstummen in Dänemark. Unter einer Bevölkerung
von 1969039 Köpfen fanden sich 1225 Taubstumme, d. i. 0,637 %o,
und zwar zeigte sich das männliche Geschlecht häufiger als das weibliche
befallen, nämlich im Verhältnis 100 : 94,9. In betreff des Alters
ergab sich, dafs relativ ebensoviele Individuen in der taubstummen
Bevölkerung unter 15 und zwischen 20 — 24 Jahren, wie in der
übrigen Bevölkerung, waren, dagegen eine verhältnismässig gröüsere
Zahl im Alter von 15 — 20 Jahren, eine geringere in der höheren
Altersklasse. Die relativ ,. grofse Zahl der Taubstummen im Alter
von 15 — 20 Jahren ist wahrscheinlich auf eine in den Jahren
1870 — 1875 herrschende Epidemie von Genickstarre (Meningitis
cerebrospinalis) zurückzuführen, die bekanntlich häufig zu Taubheit
und dementsprechend bei Kindern der ersten Lebensjahre zu
Taubstummheit fährt. Bezüglich der Verteilung der Taubstummen
in Städten und ländlichen Bezirken geht aus des Verfassers Er-
hebungen hervor, dafc die Taubstummenziffer in der Hauptstadt am ge-
ringsten, bei weitem am gröfsten in den ländlichen Bezirken ist.
Weiterhin scheint eine enge Verbindung zwischen der Taubstummheit
nnd der Armut der Bezirke zu bestehen, insofern die am schwersten mit
Taubstummheit belasteten Gegenden die am wenigsten fruchtbaren
nnd am dünnsten bevölkerten sind, während andererseits die meisten
Bezirke mit einer niedrigen Taubstummenziffer zu den reichsten
nnd dichtest bevölkerten gehören. Die grofse Mehrzahl der dänischen
Taubstummen zählt zu der ackerbautreibenden Bevölkerung, im
übrigen aber zu denjenigen Gesellschaftsklassen, welche ökonomisch
am ungünstigsten gestellt sind. Was Erziehung und Unterricht dieser
nicht Vollsinnigen anbelangt, so ergab sich, dafs von den im
40
unterrichtsfähigen Alter stehenden Taubstummen 84,9% unterrichtet
wurden. Es machten jedoch nur 7,1% derjenigen, welche die
Taubstummenanstalten verlassen hatten, ausschliesslich von der münd-
lichen Sprache als Verständigungsmittel Gebrauch; die Mehrzahl
bediente sich neben der Lautsprache der Geberden- und Finger-
sprache, beziehungsweise der Geberdensprache allein. Heiraten von
Taubstummen untereinander sind sehr häufig in Dänemark.
Bemerkenswert dabei ist, dafs nicht ein einziges aus einer Ehe Taub-
stummer stammendes Kind selbst taubstumm war.
Einflufs der Schulbäder auf die Schüler. Dem seit Ostern
1889 in Magdeburg im Betriebe befindlichen Schulbade an der
Knabendoppelschule ist im vorigen Jahre die Errichtung eines zweiten
Schulbades gefolgt. Der Rektor äußert sich über dasselbe in einem
Schulbericht unter anderem wie folgt: „Trotz der unter der hiesigen
Bevölkerung herrschenden Armut ist es doch durch fortwährende
Einwirkung dahin gebracht, dafs die Schüler möglichst sauber zur
Schule kommen. Hierin ist durch die seit Oktober 1890 mit der
Schule verbundene Badeeinrichtung eine wesentliche Unterstützung
eingetreten. Die zwölf oberen Klassen baden abwechselnd mit der
Nachbarschule, und zwar in den zweiten und dritten Stunden des
Vormittagsunterrichts. Für jede Klasse ist eine Stunde bestimmt
und jede Klasse in vier Abteilungen geteilt. Der Unterricht fällt
nicht aus, wird auch nicht wesentlich dadurch gestört. Es wird
eine Stunde Kopfrechnen dazu verwandt. Die Kinder nehmen mit
sichtlicher Freude am Bade teil, kehren stets recht frisch in ihre
Klasse zurück und beteiligen sich sofort wieder am Unterricht.
Die Viertelstunde, die dem einzelnen Schüler hierdurch jede zweite
Woche verloren geht, wird vollständig ersetzt durch den günstigen
Einflufs, den das Baden auf die Reinlichkeit der Schüler ausübt.
Nicht nur am Körper selbst, sondern auch in der Leibwäsche er-
scheinen dieselben jetzt sauberer. tt
äagesgefdji^tlt^cs.
Verlegung der allrussischen hygienischen Ausstellung
auf das Jahr 1894. Wie die „St. Petersb. med. Wochschr."
erfährt, hat das Bureau der allrussischen hygienischen Ausstellung in
seiner letzten unter dem Vorsitze Dr. A. Ebermanns abgehaltenen
Sitzung den Beschlufs gefafst, die Ausstellung auf das Frühjahr 1894
zu verschieben. Es ist dies geschehen wegen der Befürchtung des
41
Wiederauftauchens der Cholera im Frühling 1893, wodurch die
Ante verhindert sein würden, an der Ausstellung teilzunehmen.
Die ärztliche Schulinspektion in Frankreich, welche durch
das Gesetz vom 30. Oktober 1886 und den Erlafs vom 18. Januar
1887 angeordnet ist, besteht nach „£i Progr. med." mehr auf dem
Papier, als in Wirklichkeit. Sie wird nur in einer beschränkten
Zahl von Departements ausgeführt und ausschliefslich durch die
initiative der Ortsbehörden. Dem Staat ist es nicht möglich, der-
artige Bestrebungen zu unterstützen, da es ihm an Mitteln für den
genannten Zweck fehlt. Der Minister des öffentlichen Unterrichts
L. Bourgeois hat daher im letzten Jahre einen Antrag bei der
Budgetkommission eingebracht, dafs die nötigen Gelder für die
Inspektion bereit gestellt werden, und dieser Antrag ist im Principe
angenommen worden. Zugleich hat er an den Minister des Innern
die Bitte gerichtet, den Gesundheitsrat zu einem Gutachten in der
Sache aufzufordern. Von dem Berichterstatter Dr. H. Napias1 ist
infolge dessen darauf hingewiesen worden, dafs sich der Gesundheitsrat
zu verschiedenen Malen mit schulhygienischen Fragen zu beschäftigen
hatte. Insbesondere haben die Herren Broüardel und du Mesnil die
Schliessung der Primärschulen bei Epidemien für eine unzureichende
Malsregel erklärt, solange dieselbe nicht auch auf die Privatschulen
ausgedehnt werde. Denn letztere nehmen ohne Bedenken die aus
den öffentlichen Schulen entlassenen Kinder auf und begünstigen
dadurch die Ansteckung ihrer eigenen Schüler; der Ansteckungsherd
wird somit nur von einer Schule in die andere verlegt. Der Bericht
des Dr. Napias gibt ferner eine Geschichte der ärztlichen Schul-
inspektion in Frankreich und zeigt, dafe nicht nur die Stadt Paris
im Jahre 1834, als noch von einer gesetzlichen Verpflichtung dazu
keine Rede war, in einem Teil ihrer Schulen einen ärztlichen
Dienst eingerichtet, sondern auch der Generalrat der Seine diese
Institution auf das ganze Departement ausgedehnt und die nötigen
Mittel dafür bewilligt hat. Zugleich wird von dem Genannten
erwähnt, dafs mehr als die Hälfte der französischen Departements
noch keine Inspektion der Schulen besitzen, dafs dieselbe da, wo sie
vorhanden, nicht immer gehörig funktioniert und dafe die Privat-
schulen keine derartige Einrichtung kennen. Wenn, so resümiert
Dr. Napias, die Gesetze vom 28. März 1882 und vom 20. März
1883 für den Primärunterricht den Schulzwang vorschreiben, so
schliefet dies für den Staat die Verpflichtung ein, für gesunde
Schulgebäude, unschädliches Wasser und Verhütung von Ansteckung der
Schüler zu sorgen, letzteres um so mehr, als das kindliche Alter dafür
1 Unser Mitarbeiter. D. Red.
42
besonders empfänglich ist. Die Ärzte müssen daher das Recht und
die Verpflichtung erhalten, die Unterrichtslokale in hygienischer
Beziehung zu untersuchen. Insofern es sich um den Bau, die
Kanalisation, die Lüftung und Beleuchtung handelt, sind zahlreiche
Visitationen nicht nötig. Im Durchschnitt würden zwei im Jahre
genügen, und wenn man beim Ausbruch einer Epidemie zwei weitere
Besuche als ausreichend ansieht, so dürfte daraus ein Kostenaufwand
von 1200000 Franken jährlich erwachsen. Der Gesundheitsrat hat
zu gleicher Zeit den Wunsch ausgesprochen, dafs ein Kredit von
500000 Franken eröffnet werde, um die ärztliche Schulinspektion
da, wo sie noch nicht existiert, einzuführen; dieser Kredit sei der
Sanitätsverwaltung im Ministerium des Innern zur Disposition zu
stellen. Das Unterrichtsministerium verfugt nicht über das nötige
Personal für die Untersuchung der Schulen, während dem Minister
des Innern Armenärzte, Impfärzte, Gesundheitsbeamte u. drgl. unter-
stellt, sind. Die Forderung des Berichterstatters ging daher dahin,
dafs den Schulärzten die Pläne für Neubauten, Umbauten und die
innere Einrichtung von Schulen vorgelegt werden, mit dem gröfsten
Nachdruck aber trat derselbe gegen die Unterbringung von Primar-
schulen in Hospitälern auf, welche noch öfter in den Provinzen
vorkomme; das heifse nichts anderes, als die Kinder direkt der
Ansteckung aussetzen. Was endlich die Entlassung der Schüler und
den Schulschlufs bei Epidemien betrifft, so ist Dr. Napias mit den
Herren Du Mbsnil und Brouardel der Ansicht, dafs bei den
heutigen Hilfsmitteln der Desinfektion die Entlassung zu unterbleiben
habe, da sie, statt die Ansteckung zu verhindern, dieselbe vielmehr
verbreiten würde. Das Verbot des Schulbesuchs kann auf die
kranken Kinder, ihre Brüder und Schwestern und in gewissen
Fällen auf die Schüler, welche dasselbe Haus bewohnen, beschränkt
werden. Der Schulschlufs dagegen sollte nur ausnahmsweise und auf
Grund eines motivierten Gutachtens des ärztlichen Schulinspektors
stattfinden.
Untersuchung Schwachbegabter Kinder in Altona. Unser
geschätzter Mitarbeiter, Herr Dr. Franz Pludbr, Specialarzt
für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten in Hamburg, wird diejenigen
Schüler und Schülerinnen Altonas, welche zur Aufnahme in die
dortige Hilfsklasse für Schwachbegabte bestimmt sind, einer genauen
ärztlichen Prüfung unterziehen. Bei derselben handelt es sich vor
allem um die Entscheidung der Frage, ob etwa bei einzelnen dieser
Kinder eine mehr oder minder starke Verlegung der oberen Luft-
wege, insbesondere durch adenoide Wucherungen im Nasenrachen-
räume, besteht. Die Folge davon sind bekanntlich anhaltender
Kopfdruck, Gedächtnis- und Geistesschwäche, weiche durch Ent-
43
fernnng jener Wacherangen beseitigt werden können. Über die
Resultate seiner Untersuchungen wird Dr. Pluder in einer wissen-
schaftlichen Zeitschrift demnächst berichten.
Tödliche Verletzung eines englischen Schülers beim
Fofsballspiel. Ein außerordentlich gesunder, 16 Jahre alter Zögling
spielte vor einiger Zeit in Haileybury College mit seinen Genossen
Fmsball. Dabei wurde er von einem derselben angerannt und fiel
zu Boden. Einige Minuten lang klagte er über heftigen Schmerz
in der Magengegend, bevor jedoch der als Zuschauer anwesende
Schularzt ihm zu Hilfe kommen konnte, nahm er bereits wieder am
Spiele teil. Zwei Tage darauf aber erwachte er mit starkem Er-
brechen in der Nacht, und auch die früheren Schmerzen stellten sich
wieder ein. Eine subkutane Morphiuminjektion bewirkte nur
vorübergehende Besserung, und 48 Stunden später trat der Tod
«in, nachdem die Ärzte noch durch eine Operation den Kranken zu
retten versucht hatten. Bei der Leichenöffnung fand sich an der
rechten Seite der Wirbelsäule ein starker Blutergufs hinter dem
Bauchfell. Wir fügen dem hinzu, dafs nach „Med. Ree." im
Jahre 1891—1892 in England überhaupt 11 Todesfalle und 70
Terletzungen beim Fofsballspiel vorgekommen sind.
Ansteckende Augenentzündung im Mädchenwaisenhanse
n Jndenan. In dem k. k. Mädchenwaisenhause zu Judenau wurde
nach der „Wien. JcUn. Wochschr" vor einiger Zeit eine nicht
trachomatöse, jedoch infektiöse Bindehautentzündung beobachtet,
welche rasch nahezu sämtliche Zöglinge befiel. Mit Rücksicht hierauf
unterliegt nun jeder dort vorkommende Fall von follikulärer Binde-
hautentzündung, wie die sonstigen ansteckenden Erkrankungen, der
Anzeigepflicht.
Verhaltungsmafsregeln gegen die Ausbreitung der Lungen-
schwindsucht in Schulen. Die Gesundheitskommission von
Christiania hat „Yerhaltungsmafsregeln, welche zur Ver-
hinderung der Ausbreitung der Lungenschwindsucht be-
achtet werden sollen", aufgestellt und den Schulverwaltungen
zur Kenntnisnahme und Nachachtung mitgeteilt. „Man nimmt an,a
so heilst es dort, „dafs diese Krankheit durch den Auswurf der
Patienten fortgepflanzt werden kann. Es ist daher dafür Sorge zu
tragen, dafe derselbe nicht Fußböden oder Wände verunreinige oder
in den Wohnräumen Verbreitung finde, sondern in Gefäfsen von
Steingut oder Glas, oder in Spucknäpfen von Porzellan gesammelt werde,
in welchen am besten etwas fünfprozentige Karbolsäurelösung sich be-
findet, und welche mindestens einmal täglich ausgeleert und gereinigt
Verden müssen. Sind Wände, Fufsböden oder andere Gegenstände
beschmutzt worden, so ist eine sorgfaltige Abwaschung derselben vor-
44
zunehmen. Ebenso soll überall, wo sich viele Menschen versammeln,
wie in Schulen, Theatern n. s. w., die strengste Reinlichkeit herrschen.
Wenn diese Vorsichtsmafsregeln beobachtet werden, wird keine
wesentliche Gefahr ans dem Umgang und Zusammenarbeiten mit
Schwindsüchtigen erwachsen. u
M. K. HAkonbon-Hansen.
Eine Hnngertnrnfahrt tob Leipziger Schülern. Sekundaner
der Thomasschule, so berichtet die „Zeitschr. f. Tum- u. Jgdspl*,
unternahmen im vorigen Jahre unter Leitung ihres Klassen-
lehrers eine Art Hungerturnfahrt. Sie enthielten sich nämlich
während eines strammen Marsches von früh 6 Uhr bis nachmittags
5 Uhr, wobei nur l8/« Stunde gerastet wurde, jeglicher Aufnahme
von Speise und Trank, mit Ausnahme von zwei jüngeren Schülern,
welche einmal etwas Wasser genossen. — Wenn wir auch nicht be-
zweifeln, dafs der betreffende Klassenlehrer bei der von ihm ge-
leiteten Turnfahrt die beste Absicht gehabt hat, so müssen wir doch
gegen einen 9 V* stündigen Marsch 15 — 17 jähriger Schüler, und
noch dazu ohne Speise und Trank, entschieden protestieren. Fuß-
wanderungen nach Art der „Distanzritte" gehören nicht in die
Schule, auch dann nicht, wenn sie, wie es am Schlüsse heilst, allen
gut bekommen sind.
Das Seehospiz „Kaiserin Friedrich" zu Norderney, über
welches wir schon öfter berichtet haben,1 bleibt den ganzen Winter
hindurch geöffnet; es bietet 6ich daher den Eltern, deren Kinder
infolge der durch die Cholera veranlafsten Betriebsstörung nicht auf-
genommen werden konnten, Gelegenheit, sie nachträglich wieder an-
zumelden. Die Anmeldung kann bei der Direktion in Norderney
erfolgen.
Gemeinnütziger Verein zur Bekleidung armer Kinder
in Wien, Der Zweck dieses im Jahre 1882 gegründeten Vereins
besteht darin, alljährlich eine bestimmte Anzahl armer Kinder ohne
Unterschied der Konfession mit Kleidern, Schuhen und Wäsche zu
versehen, sowie einzelne Kinder vollständig zu erhalten. Die Mittel
desselben setzen sich aus freiwilligen Jahresbeiträgen und aus Schen-
kungen zusammen. Der Verein besteht aus ordentlichen Mitgliedern
mit regelmäfsigen Jahresbeiträgen, deren geringster einen Gulden beträgt,
und aus Ehrenmitgliedern. Er erneuert sich durch freiwilligen
Beitritt. Im neunten Vereinsjahre wurden 1517 Jü eingenommen
und 1197 M. verausgabt.
1 Vgl. diese Zeitschrift, 1888, Nr. 12, S. 493; 1889, Nr. 12, S.
669—670; 1892, Nr. 8 und 9, S. 394—395.
45
Bau und Einrichtung einer neuen Elementarschule in
Ben werden Ton unserem geschätzten Mitarbeiter, Herrn Professor
Dr. B. Blasius, in dem „Montsbl f. öfftl Gsähtspflg." folgender-
maßen beschrieben: In der Nähe des Kolosseums ist eine neue
Elementarschule erbaut, welche für 1200 Knaben und Mädchen
Baum bietet. Die Schule ist zweistöckig, und zwar sind die unteren
Räume für die kleineren, die oberen für die gröfseren Kinder
bestimmt. Man hat auch hier Luftheizung. Die Fenster sind recht
grofs, doch besitzen die Wände der Schulzimmer nach unseren
Begriffen eine zu dunkele Farbe. Jede Klasse ist nur für 40
Kinder bestimmt. Die Schulbänke sind in vier Abstufungen vorhanden,
zweisitzig, mit geneigtem Tisch, bequemen Sitzen, guten Rücken-
lehnen und haben Nulldistanz. Mützen u. s. w. werden im Vorraum
abgelegt. Es sind zwei Treppen vorhanden, die eine zum Hinauf-, die
andere zum Hinabgehen/, dieselben haben so breite Stufen, dafs
man zwei Schritte für jede Stufe nehmen mufe. In dem Schul-
gebände befinden sich, wie bei uns, Bäder und Duschen. Schulgeld
wird nicht gezahlt. Nahe bei der Schule habe ich — eine Seltenheit
io Italien — auch eine Turnhalle gefunden. Um einen solchen
Tarnraum sind die Turner zu beneiden; er ist nämlich ähnlich
konstruiert, wie im Braunschweigischen die Scheunen auf dem
Lande, d. h. an den Seiten offen; die Übungen finden also
eigentlich im Freien statt.
Das Trinkwasser des Lyceums in Alen^on. Die Stadt
Afescon hat sich kürzlich mit einer Quellwasserleitung versehen.
Während sämtliche Häuser an dieselbe angeschlossen sind, bildet
mr das Lyceum eine Ausnahme hiervon. Der Generalrat hat daher
auf Anlafe des Dr. G. Boutkillieb bei dem Minister des öffent-
lichen Unterrichts beantragt, dafe auch die Zöglinge des Lyceums
der genannten Wohlthat teilhaftig werden. Die Sache ist dringend.
,Im Jahre 1859," so schreibt ein Mitarbeiter des „Progr. m£d.a,
«als ich Schüler jener Anstalt war, brach eine heftige Typhus-
epidemie aus, da man uns trotz wiederholter Proteste infiziertes
Wasser zu trinken gab; einige 20 Todesfälle waren die Folge
davon. Hoffentlich bedarf es nur des Hinweises auf diese That-
sache, um den Herrn Minister zu den nötigen Mafsnahmen zu
bewegen."
Eine neue Schulbank. Die bisherigen Schulbankkonstruktionen,
» schreibt Dr. Ammann in den „Südweatdtsch. Schtdbl", bei denen
die Tische aufgeklappt oder die Sitze zurückgeschlagen werden,
haben drei grofee Nachteile: sie sind kompliziert, machen viel Ge-
ttosch und sind teuer. Die Möbelfabrik Ramminoeu & Sthtter
in Taaberbischofsheim bringt jetzt eine neue patentierte Schulbank
46
in den Handel, welche die froheren Mängel mit Glück vermeidet. Der
Sitz besteht ans zwei Teilen, welche anf einer Feder ruhen. Steht der
Schüler, so klappt der Sitz selbstthfttig in die Höhe und ermöglicht
ein bequemes Stehen. Beim Niedersetzen nimmt der Sitz durch das
Gewicht des Sitzenden wieder die horizontale Lage an. Die Kon-
struktion erscheint überraschend einfach, die Bank macht kein
Geräusch, ist dauerhaft und billig, kurz sie bietet alles, was man«
von einer verständig hergestellten Schulbank verlangen kann.
^Inttli^e tterfftgttngett.
Erlafs des Königlich preußischen Unterrichtsministers,
betreffend die Benutzung unsicherer Turngeräte durch Schaler»
Berlin, den 9. September 1892.
Bei Gelegenheit eines Schülerausfluges ist ein beklagenswertei
Unglücksfall, der den Tod eines Schülers zur Folge hatte, dadurch
herbeigeführt worden, dafe dieser an dem in einem öffentlichen
Garten aufgestellten Reck auf eigene Hand eine Übung vornahm,
wie sie nur an ganz sicheren und ordnungsmäfsig angelegten Geräten
ohne Gefahr ausführbar sind.
Um ähnlichen Vorkommnissen thunlichst vorzubeugen, veranlasse
ich die Schulaufsichtsbehörden, in geeigneter Weise dahin zu wirken,
dafis den Schülern, besonders bei Ausflügen, bei der Benutzung von
Turngeräten, auf deren Sicherheit nicht unbedingter Yerlafs ist, die
gebotene Vorsicht dringend empfohlen, die Vornahme von Übungen
aber, die nach der Beschaffenheit solcher Geräte gefährlich werden
könnten, überhaupt verboten werde.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.
(Gez.) Bosse.
Gutachten der Königlichen wissenschaftlichen Deputation für
das Medizinalwesen in Prenfsen über die Füllung
der Schulspucknäpfe.
Berlin, den 4. März 1892.
Das Aktenstück enthält die Begründung der Annahme, dafe die
von der wissenschaftlichen Deputation empfohlene Füllung der Spuck-
näpfe mit Wasser, welche einen Teil der Schutzmafsregeln gegen
die Verbreitung der Tuberkulose bilden soll, zahlreiche Unzuträglich-
keiten mit sich bringe. Solche Übelstände sind:
1. Im Sommer Verdunsten des Wassers und Austrocknen des-
Auswurfes.
2. Im Winter Gefrieren des Wassers und Zugrundegehen der
Spucknäpfe.
3. Verschütten des Inhaltes heim Anstofsen und namentlich
heim Umstolsen der Spucknäpfe.
4. Genufs des Inhalts der Spucknäpfe durch Katzen, Hunde
und Hühner.
Füllung der Spucknäpfe mit angefeuchteten Sägespänen hat diese
Nachteile nicht und letztere können leicht durch Verbrennen zerstört
werden.
Gutachten: Die thatsächliche Berechtigung dieser sämtlichen
Einwände gegen die Füllung der Spucknäpfe mit Wasser mufs voll-
kommen zugestanden werden. Die einzelnen gerügten Unzuträglich-
keiten könnten wohl in verschiedener Weise abgestellt werden. Es
ist von vornherein kaum anzunehmen, daCs durch ein und dasselbe
Mittel das Gefrieren und das Umgesto£senwerden der Spucknäpfe
verhütet werden könnte. Somit wird eine Betrachtung der einzelnen
Unzuträglichkeiten und das Mittel zu ihrer Verhütung am Platze sein :
1. Das Austrocknen im Sommer würde verhütet werden können
durch häufiges Ausleeren und Wiederanfüllen der Gefäfse
oder durch Verwendung tieferer, suppenschüsselähnlicher
Gefäfee 1 (wie solche z. B, in Obersalzbrunn in den Anlagen
aufgestellt sind) oder durch Zusatz von etwa 5% Chlor-
calcium zum Wasser.
2. Das Gefrieren im Winter läfst sich zum Teil durch die Wahl
passender Orte für die Aufstellung, femer gleichfalls durch
Zusatz von Ghlorcalcium oder von Kochsalz zu dem Wasser
verhüten.
3. Das Anstofeen und Umstofsen der Gefäfse, namentlich in
Schulen, wird zu verhindern sein dadurch, dafs man sie an
geschützten Stellen, in Fensternischen, in Ecken anbringt
oder mit zwei drehbaren Klammern oder einer ähnlichen
Vorrichtung am Boden befestigt.
4. Um Haustiere von den Spucknäpfen abzuhalten, würde ein
übelschmeckender Zusatz geeignet sein, so wiederum Chlor -
calcium oder (wie in Obersalzbrunn) Kreolin, dies natürlich
nur dort, wo dieser Funkt wirklich in Frage kommt.
Ersatz des Wassers durch befeuchtete Sägespäne, wie er in
dem vorliegenden Schriftstücke vorgeschlagen wird, würde sich wahr-
1 Vgl. diese Zeitschrift, 1892, No. 8 und 9, S. 386-387 und No. 3,
S. 130. D. Eed.
48
scheinlich des Beifalls vieler Beteiligter erfreuen, da er weit bequemer
zu handhaben wäre.
Er würde jedoch nur teilweise die gerügten Übelstände beseitigen
und voraussichtlich andere zur Folge haben.
Das Austrocknen der Fallung der Spucknäpfe im S#mmer
würde noch viel leichter erfolgen, da die Verdunstungsfläche um ein
Vielfaches gröfser wäre. Man würde im Hochsommer und in heißen
Zimmern meistens Spucknäpfen mit einer Trockenfüllung begegnen,
welche die Zerstäubung des Auswurfes besonders begünstigte.
Das Gefrieren im Winter würde sich natürlich an feuchten
Sägespänen gleichfalls vollziehen und würde, wenn die Anfeuchtung
genügend reichlich wäre, ebenfalls die GefiUse schädigen, ganz
besonders aber die Erneuerung der Füllung mehr erschweren, als
gefrorenes Wasser.
Die Nachteile des Anstofsens würden zwar vermieden, die des
Umstofsens jedoch fortbestehen.
Katzen, Hunde und Hühner würden allerdings dabei nicht in
Versuchung kommen, sich an den Spucknäpfen zu schaffen zu machen.
Dagegen wäre zu fürchten, dafs viele Leute die Sägespäne
weit lieber in trockenem als in wirklich nassem Zustande verbrennen
würden, und dadurch würde der Nutzen der ganzen Itfafsregel wieder
in Frage gestellt werden.
Wir würden demnach in Verwertung der gegebenen Anregung
nur empfehlen können, dafs späteren Vervielfältigungen des Gut-
achtens der wissenschaftlichen Deputation vom 5. November 1890 l
am Schlüsse des Absatzes II, 1 beigefügt werde:
Wo nötig, kann dem Austrocknen, Gefrieren, Verschütten des
Inhaltes der Gefäise, dem Trinken von Haustieren daraus vorgebeugt
werden durch Zusatz von Chlorcalcium oder Kochsalz zum Wasser,
durch besondere Befestigung oder Form der Geftfee.
Königliche wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen.
Amtlicher Fragebogen zur Ermittelung der körperlichen
und geistigen Eigenschaften der Schuljugend in Uruguay.
1. Fortlaufende Nummer.
2. Vor- und Zuname des Schulkindes.
3. Alter.
4. Geschlecht.
5. Nationalität.
6. Ist es geimpft?
7. In welcher Klasse sitzt es?
1 Vgl. diese Zeitschrift, 1891, No. 2, S. 134—135. D. Bed.
49
8. Stand des Vaters.
9. Nationalität desselben.
10. Körperlange des Kindes in Millimetern.
11. Länge des Unterschenkels von der Fu&sohle bis zum Knie-
gelenk, hinten gemessen.
12. Länge des Oberschenkels.
13. Länge des Oberarms.
14. Länge des Vorderarms.
15. Entfernung des Sitzknorrens vom Ellenbogen bei senkrechter
Haltung des Arms.
16. Farbe der Gesichtshaut.
a. weiis.
b. schwarzbraun oder gelb.
c. bronzefarbig.
d. schwarz.
17. Farbe der Augen.
a. kastanienbraun.
a. hell.
ß. dunkel.
b. grau.
a. hell.
ß. dunkel.
c. grün
er. hell.
ß. dunkel.
d. blau.
a. hell.
ß. dunkel.
18. Haare.
a. Farbe.
a. tiefschwarz.
ß. kastanienbraun.
y. blond.
8, rot.
b. sonstige Beschaffenheit.
a. aufrecht stehend oder glatt?
ß. wellig oder lockig?
y. kraus.
d. wollartig.
19. Ist das Kind kurzsichtig?
20. Hört es schwer?
21. Macht ihm das Sprechen Schwierigkeit?
22. Ist es yon schwacher Körperbeschaffenheit
8«holf*siuidhelUpfl6g« VI. 4
50
23. Geistige Fähigkeiten.
a. spät entwickelt.
b. frühreif.
c. gewöhnlich.
24. Ist es idiotisch?
25. Gefühl nnd Erregbarkeit (Liebe, Pietät, Freigebigkeit, Hafs,
Egoismus, Rachsucht).
26. Temperament (sanguinisch, melancholisch, nervös).
27. Betragen in der Schule.
a. in der Klasse (ernst oder kindisch, lebhaft oder furchtsam?)
b. gegen die Kameraden in den Erholungspausen (beschränkt
oder listig, aufrichtig oder falsch, beständig oder
wankelmütig, versöhnlich oder unverträglich?)
28. Besondere Neigungen.
29. Kunstfertigkeiten.
a. Zeichnen.
b. Singen.
30. Excentrici täten.
31. Sonstige Eigentümlichkeiten.
Beschlüsse des Bezirksschulrats der Stadt Wien bezüglich
der Aborte und der Befriedigung natürlicher Bedürfnisse
der Schulkinder.
Wien, den 15. Jänner 1892.
Der Bezirksschulrat hat in seiner Vollversammlung vom 13. d. M.
anläfslich einer Anfrage des Wiener Magistrates folgende Beschlüsse
gefafst:
1. Klagen und Wahrnehmungen über die Unzulänglichkeit der
Aborte und Pissoirs in den bestehenden Schulen sind von Fall
zu Fall zu prüfen und zu erledigen.
2. Bei der Prüfung der Projekte für neue Schulen durch die
IL Fachsektion des Bezirksschulrates (Geschäftsordnung § 16 q) ist
auf eine hinreichende Zahl undGröfse, sowie auf eine entsprechende Ein-
richtung der Aborte, insbesondere an Mädchenschulen, und der Pissoirs
an Knabenschulen, sowie auf den Umstand, dafis die Aborte für die
Lehrer besonders zugänglich und vollkommen getrennt von den
Schüleraborten hergestellt werden, ein besonderes Augenmerk zu
richten, und sind zweckdienliche Anträge an den Magistrat zu
stellen.
3. Sämtliche Schulleitungen werden beauftragt, den Lehrpersonen
entsprechende Weisungen dahingehend zu erteilen, dafs den Kindern
die Gelegenheit geboten wird, rechtzeitig, daher erforderlichen
Falles auch nach Schlufs des Unterrichtes ihre natürlichen
51
Bedürfhisse im Schalhanse seihst zu befriedigen, überhaupt sich
genau nach den Bestimmungen des § 30 des Ministerialerlasses
Tom 9. Juni 1873, Z. 4816, über die Einrichtung der Schulhäuser
and die Gesundheitspflege in den Schulen zu benehmen, welcher
tontet: „In der Regel soll den Schülern nicht versagt werden,
während des Unterrichtes zur Befriedigung natürlicher Bedürfnisse
abzutreten, der Lehrer hat aber die Schüler mit Vorsicht daran zu
gewöhnen, dafe sie für diesen Zweck die Unterrichtspausen benutzen.
Es ist nicht zu dulden, dafs die Schüler zu lange in den Aborten
verweilen, auch sollen in der Regel nie mehrere Schüler zugleich
während des Unterrichtes abtreten dürfen. u
Hiervon wird die Schulleitung zur Wissenschaft und Durch-
führung des Punktes 3 verständigt.
Personalien.
Geheimrat Professor Rudolf Virchow wurde von der Kaiserlich
rassischen Naturforschergesellschaft in St. Petersburg und von dem
ärztlichen Verein in München zum Ehrenmitgliede gewählt; die
„Royal Societya in London verlieh ihm die diesjährige „Copley-
medaffle".
Das Professorenkollegium der medizinischen Fakultät in Budapest
hat dem vor kurzem in den Ruhestand getretenen Ministerialrat
Dr. Ludwig Marxüsovsky, der mehr als zwei Decennien hindurch
als Referent für medizinische Angelegenheiten fungierte und
auch für Schulhygiene ein reges Interesse besafs, in Anerkennung
seiner in dieser Eigenschaft erworbenen Verdienste das Diplom eines
Ehrenmitgliedes überreicht.
Der Professor der Hygiene Dr. Max Gruber in Wien ist von
dem ärztlichen Verein München in dessen diesjähriger General*
fersammlung zum korrespondierenden Mitgliede ernannt worden.
Die Königlich belgische Akademie der Medizin hat den bekannten
Hygieniker Dr. Janssens in Brüssel zum ersten Vicepräsidenten für
das Jahr 1893 gewählt.
Es wurden befördert: der Inspektor des Realgymnasiums der
FaiNKBschen Stiftungen zu Halle a. S., Professor Dr. Kramer,
zum Provinzialschulrat bei dem Provinzialschulkollegium in Magde-
burg, der Gymnasialdirektor, Professor Dr. Konstantin Bulle in
Bremen, zum Schulrat und Leiter des höheren Schulwesens daselbst,
52
der Kreisschulinspektor, Schalrat Dr. Butzky in Breslau, zum
Regierungs- und Schulrat in Schleswig.
Dem Wirklichen Staatsrat Dr. Rohbusch, Ehrenmitgliede des
St. Petersburger Konseils der Kinderasyle, ist das Direktorat des
Alexander-Newski-Kinderasyls in St. Petersburg übertragen worden.
Zum Yicepr&sidenten der russischen Gesellschaft zur Wahrung
der Volksgesundheit wurde an Stelle des verstorbenen W. M.
Karlowitsch der Architekt Graf P. Suzor in St. Petersburg
gewählt.
Dr. de Rechter, Hilfsarbeiter beim Gesundheitsamte in
Brüssel, ist mit den bakteriologischen Untersuchungen des dortigen
städtischen Laboratoriums betraut worden.
Unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Professor Dr. L. ton
Schrötter in Wien, hat den Neubau seiner Klinik feierlich
eröffnet.
Detn Gründer des Vereins für öffentliche Gesundheitspflege in
Nürnberg, Medizinalrat Dr. G. Merkel, wurde die Freude zu teil,
am 10. November das Fest des fünfundzwanzigjährigen Bestehens
des Vereins zu begehen.
Unser verehrter Mitarbeiter, Herr Professor der Pädagogik
Staatsrat Dr. Ludwig Strümpell in Leipzig, feierte am 23. Juli v. J.
in voller körperlicher und geistiger Frische seinen achtzigsten
Geburtstag. Wir bringen ihm noch nachträglich unsere aufrichtigen
Glückwünsche dar.
Der Geheime Obermedizinalrat und vortragende Rat im
preußischen Kultusministerium Dr. Louis Kersandt, welcher vor
einem halben Jahre seinen Abschied genommen hatte, ist am
2. November v. J. in Frankfurt a. 0. gestorben. Zahlreiche von
dem genannten Ministerium erlassene hygienische Verfügungen sind
auf ihn als gründlichen Kenner der Gesundheitspflege zurückzuführen.
Der Verstorbene war auch Mitglied der wissenschaftlichen Deputation
für das Medizinalwesen.
Aus Brüssel kommt die Nachricht von dem Ableben des
Professors der Kinderheilkunde an der dortigen Universität Dr.
Isidor Henriette.
Am 9. Oktober verschied in Sinferopol der Arzt des weiblichen
Gymnasiums Dr. Adolf Trachtenberg.
53
liiteratitr.
Besprechungen.
E. von SchbnckBNDORFF, Mitglied des Hauses der Abgeordneten,
und Dr. med. F. A. Schmidt, Mitglied des Ausschusses der deut-
schen Turnerschaft. Über Jugend- und Volksspiele. Allgemein
unterrichtende Mitteilungen des Gentralausschusses zur Förderung
der Jugend- und Volksspiele in Deutschland, herausgegeben in
dessen Auftrage. Jahrgang 1892. Hannover-Linden, 1892.
Manz & Lange. (111 S. 8°.)
Der am 21. Mai 1891 in Berlin gebildete Centralausschufs zur
Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland eröffnet mit
dem vorliegenden Bande seine jährlich erscheinenden Mitteilungen.
Dieselben sind dazu bestimmt, das Verständnis und die Teilnahme
rar die auf Erhaltung der Gesundheit abzielenden Bestrebungen des
Ausschusses in die weitesten Kreise zu tragen, die neu in die Be-
wegung Eintretenden über Bedeutung und Ziele dieser Bestrebungen
zu unterrichten und ihnen das zur Förderung erforderliche Material
an die Hand zu geben. Gleichzeitig aber wollen sie auch darüber
Rechenschaft ablegen, was bis jetzt auf dem Gebiete des Jugend-
rad Volksspiels geleistet worden ist, und andeuten, was weiter anzu-
streben wäre, um das Bewegungsspiel zur allgemeinen Volkssitte zu
machen.
Die ungemein anregende Schrift zerfällt in vier Teile, einen
theoretischen, einen geschichtlichen und einen praktischen; der vierte
enthält den Arbeitsplan und die Organisation des Centralausschufses.
Die einzelnen Teile umfassen wieder eine Anzahl Aufsätze (ö — 11),
von denen jeder von einem anderen Verfasser herrührt und für sich
selbständig ist. Unter den Mitarbeitern sind alle jene Männer ver-
treten, welche sich um die Begründung und Förderung zunächst des
Jugendspiels an den Mittel- und Volksschulen, weiter des Mädchen-
tnrnens und in letzter Linie des allgemeinen Volksspiels seit dem
Beginn dieser Bewegung, d. i. seit dem epochemachenden Erlasse
des preußischen Kultusministers VON Gossler vom 27. Oktober 1882,
verdient gemacht haben, also vor allen Herr von Schenckbndorfp
und Direktor Dr. Eitner in Görlitz, Direktor Raydt in Lauenburg,
Professor Dr. Koch und Turninspektor Hermann in Braunschweig,
Oberturnlehrer Böttcher in Hannover, Professor Angerstein in
Berlin, Realschuldirektor Dr. Reinmüller in Hamburg u. s, w.
Im theoretischen Teile wird über den erziehlichen Wert der
Jugendspiele, die sittliche und physiologische Bedeutung derselben,
54
über Turnen und Spiel, Bewegongsspiel und Lungenentwickelung, sowie
über den Spielkanon gehandelt ; den Beschlnfs macht eine Zusammen-
stellang der bereits ziemlich stattlichen Litteratur über Jugend- und
Volksspiel, welche 92 Nummern mit Ausschlufs der auf Bewegungs-
spiele und Kindergärten bezüglichen Schriften, der Turnlehrbücher
und Leitfäden umfafst.
Der historische Teil beginnt mit einem Aufsatz zur Ge-
schichte der Jugend- und Volksspiele und schildert die Anfänge der
gegenwärtigen Bewegung; dann werden die olympischen Spiele der
Griechen und die Spiele in England vorgeführt; hieran reiht sich
der Aufsatz „Die deutschen Städte und das Jugendspiel",
welcher in Kürze das Ergebnis der in Ratdts gleichnamiger Schrift
besprochenen Enquete über die Ausdehnung der Spielbewegung bis
Ende 1890 zusammenfällst; endlich folgt ein Bericht über die Frage
der Körperbildung, besonders durch Jugendspiele, auf der Berliner
Schulkonferenz vom Jahre 1890, welche auf Grund der Referate
Eitners, Güssfelds und von Schenckendorffs die These ange-
nommen hat: „Pflege der Spiele und körperlichen Übungen, welche
letztere als tägliche Aufgabe zu bezeichnen sind, insbesondere also
Verstärkung und Hebung des Turnunterrichts, Erteilung desselben
wo möglich durch die Lehrer der Anstalt. u
Im praktischen Teile entwickelt zunächst Dr. Eitner die
für die Einführung der Jugendspiele in den Schulen mafsgebenden
Grundsätze und reiht daran einen sehr beachtenswerten Spielplan
für Knaben und für Mädchen, nach den Arten der Schulen und den
Altersstufen geordnet; darauf folgen Aufsätze über das ordnungs-
mäfsige Verfahren bei Einführung der Bewegungsspiele, die Ent-
wickelung der Jugendspiele in Görlitz seit 1883, die Ausbildung der-
selben in Hannover, den öffentlichen Volksspielplatz zu Freiburg i. B.,
die Turnspiele der Mädchen, endlich über Wanderfahrten, ein höchst
lesenswerter, für die sachgemäfse Ausgestaltung derartiger Ausflüge
mafsgebender Artikel.
Es dürfte von Interesse sein, zu erfahren, dafis die hier aus-
gesprochene Forderung, die Schulnachrichten des Programms mögen
etwas mehr Rücksicht auf alle Einrichtungen nehmen, welche die
Schule zu Gunsten der körperlichen Übung und Bildung ihrer Schüler
getroffen habe, in Österreich seit dem Erlasse des Unterrichtsministers
Freiherrn VON Gadtsch vom 14. September 1890 thatsächlich
durchgeführt wird, indem sämtliche Mittelschulprogramme seit zwei
Jahren in einem eigenen Abschnitt „Körperliche Ausbildung
der Jugend" ausführliche Berichte nicht nur über die Pflege und
Förderung des Badens, Schwimmens, Eislaufens, Turnens, sondern
auch über Spielplätze, Spiele und Schulfahrten, sowie eine nach
55
Klassen geordnete Statistik der Schwimmer, Eisläufer, Turner and
der die Ferien auf dem Lande zubringenden Schüler enthalten.
Die weiteren Arbeiten besprechen die Gymnasiastenvereinigungen
für die Pflege der Leibesübungen und die Görlitzer Kurse zur Aus-
bildung von Lehrern in den Jugend- und Volksspielen. Bis .jetzt
sind vier solche Kurse abgehalten worden, an denen 120 Lehrer
teilgenommen haben, unter diesen aus Österreich allein 30 und
speciell aus Wien 13. Eine ähnliche Unternehmung wie die Gör-
litzer Kurse hat ein Komitee in Berlin ins Leben gerufen und im
September 1891 den ersten Berliner Kursus für Ausbildung von
Lehrern in den Jugend- und Volksspielen veranstaltet, zu dem sich
etwa 70 derselben eingefunden haben.
Schließlich ergreift nochmals Direktor Eitner das Wort, um
über Bezugsquellen und Preise von Spielgeräten praktisch wertvolle
Mitteilungen zu machen.
Im vierten Teile wird zunächst das Programm der für 1892
geplanten Lehrspielkurse entworfen; ins Auge gefafst waren für dieselben
außer den bisherigen Ausbildungsstellen noch Bonn, Braunschweig und
Hannover, also Städte, in welchen das Jugendspiel sich hervorragender
Pflege und hoher Blüte erfreut. Von höchster Wichtigkeit sind in diesem
Teile die folgenden Aufsätze: „Was kann in Deutschland unter
den heutigen Verhältnissen zur Förderung der Jugend-
spiele geschehen?" und „Die Frage der Jugendspiele in den
Grofsstädten", ferner „Über Volksspiele im Freien und ihre
weitere Ausbildung in Deutschland" und „Wie kann die
ans der Schule entlassene Jugend zu den Volksspielen
herangezogen werden?" Den Beschluß macht eine Darstellung
der Bildung und Organisation des Centralausschusses und dessen
Aufruf zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in Deutschland.
Die gegebene Übersicht des Inhalts rechtfertigt wohl am besten
das eingangs ausgesprochene Urteil, dafc wir es hier mit einer
ungemein anregenden und für die Volkserziehung wichtigen Schrift
zu thnn haben. Nicht unerwähnt darf bleiben, dafs sämtliche Bei-
träge in einem höchst fesselnden, leicht lesbaren, mustergültigen
Stil geschrieben sind und dafs auch die typographische Ausstattung
des Baches und die Korrektheit des Druckes nichts zu wünschen
übrig lassen.
Mögen die „Mitteilungen" sich recht weit verbreiten, die Sache,
in deren Dienste sie stehen, wirksam fördern und recht bald von
einem zweiten, ebenso gehaltvollen und inhaltsreichen Jahrgange ab-
gelöst werden!
K. k. Landesschulinspektor Dr. phil. Karl Fbrd. Kümmer
in Wien.
56
John Jackson, F. £. J. S., M. C. P. Upright versus sloping
writing being an enquiry into the respective merits of sloping
and upright or vertical writing. 4 th. edit. London, 1891.
Sampson Low, Marston, Searle & Rivington. (8 S. Gr. 8°. mit
Schriftproben. 2 Pence.)
Es wird mit Recht als eine wesentliche Aufgabe internationaler
Kongresse betrachtet, die Bekanntschaft mit der Litteratur anderer
Sprachstämme zu fördern und durch persönlichen Verkehr zur Wür-
digung der Werke engerer Arbeitsgenossen anzuregen. So hat auch
Dr. Eotelmanns Vortrag über Steilschrift, sowie Mr. Jacksons
Besprechung desselben Themas auf dem letzten hygienischen Kongresse
in London dazu beigetragen, die Kenntnis der Litteratur dieses
Gegenstandes auf beiden Seiten des Kanals zu bereichern. Es wird
wenige in Deutschland gegeben haben, welche von der rührigen, ja
begeisterten Agitation für Einführung senkrechter Schrift in England
etwas gewufst haben, und andererseits zeigt die vorliegende Broschüre
Jacksons, welcher auch ein „System of upright penmanship"
verfafst hat und seit Jahren in diesem Sinne eifrig thätig ist, dafs
die deutschen Arbeiten hierüber in England noch wenig zur Kenntnis
der Nächstbeteiligten gelangt sind. Wie wäre es sonst möglich, dafs
die Herren Berlin und Rembold als die Hauptbekämpfer der
Schiefschrift in Deutschland auf Seite 5 der Broschüre angeführt
werden?
Die vorliegende, sehr gewandt und feurig geschriebene Arbeit
rührt von einem Schulvorsteher her und wendet sich vorwiegend an
die Lehrer. Die Rücksicht auf die Gesundheitspflege, welche unsere
deutsche Steilschriftlitteratur nahezu ausschliefslich beherrscht, wird
dabei voll gewürdigt und stark betont, aber es wird auch dem pä-
dagogischen Standpunkte zu seinem Rechte verholfen. Dadurch
gewinnt die ganze Darstellung an Vielseitigkeit und insbesondere an
Interesse für die nächstbeteiligten Kreise, für die Lehrerwelt. Wir
müssen somit die Arbeit Jacksons als eine sehr willkommene und
ersprießliche Ergänzung unserer Steilschriftlitteratur bezeichnen.
Der Verfasser teilt seinen Stoff in fünf Abschnitte und betrachtet
der Reihe nach die Leichtlesbarkeit, die Schreibhaltung, die Schreib-
flüchtigkeit, die Raumersparnis und die pädagogischen Vorzüge der
senkrechten Schreibweise. Der beträchtliche Vorzug gröfserer Deut-
lichkeit und leichterer Lesbarkeit drängt sich in der That einem
jeden auf, der vielfach Steilschriften zu Gesicht bekommt. Die Er-
klärung dafür ist nicht schwer und wird von Jackson an der Hand
einiger Liniensysteme von wechselnder Neigung gegen die Zeile
erläutert; je schiefer die Striche bei gleicher Gröfse und gleichem
Abstände sind, desto mehr verlieren sie an Deutlichkeit.
57
Was Jackson über den Einfluß der Schreibweise auf die
Körperhaltung sagt, deckt sich in allem Wesentlichen mit dem, was
in dieser Zeitschrift mehrfach besprochen wurde. Es ist erfreulich,
dafs sich der Verfasser dabei auf die Autorität eines berühmten
englischen Chirurgen, Mr. Smith, zu berufen in der Lage ist.
Neu für deutsche Leser erscheint die Beweisführung Jacksons,
wonach Steilschrift sich schneller schreiben läfst und daher für
Eilschrift sich besser eignet, als die Schiefschrift. Bekanntlich ist
die entgegengesetzte Behauptung eine der beliebtesten Waffen unserer
Gegner. Der Autor stützt sich darauf, dafs die Buchstaben der
Schiefschrift bei gleichem Zeilenraum länger sind und dafs der
längere Weg für die Feder auch eine längere Zeit beanspruchen
müsse. Hiergegen liefee sich wohl einwenden, dafs es bei der
Schnelligkeit des Schreibens weniger auf die Länge der Striche, als
auf die Winkel und Bogen, auf die Wendungen der Feder, auf die
Unterbrechung des Striches ankomme. Immerhin haben die Versuche
von Scharff in Flensburg und Bayr in Wien gelehrt, dafs steil-
schreibende Kinder zum mindesten ebenso schnell mit einem gegebenen
Diktat fertig werden, als schiefschreibende desselben Kursus.
Darin, dafs die Steüschrift Raum spart, wird eine geteilte
Meinung nicht bestehen. Jackson berechnet 144 Buchstaben
Steüschrift auf eine Zeile, welche nur 100 Schiefschriftbuchstaben
gleicher Gröfse zu fassen vermag.
Ganz besonderes Gewicht möchte ich dem fachmännischen Urteil
Jacksons über die Vorzüge der Steilschrift beim Unterrichte bei-
messen. Er sagt, es sei weit leichter, den Kindern den Begriff eines
senkrechten Striches, eines gerade liegenden Heftes einzuprägen, als
den eines bestimmten Neigungswinkels, welcher in der Praxis stets
verschieden ausfälle und die Quelle steten Tadels und grofser Er-
schwernis beim Unterrichte bilde.
Das Gesamturteil über die Schiefschrift und Steilschrift sei mit
Jacksons eigenen Worten gegeben: „Wir glauben und wissen, dafs
die Schiefschrift falsch ist, gründlich falsch, ganz und gar falsch, dafs
sie schädlich ist für den Schreiber und für den Leser, dafs wenig
oder nichts zu ihrer Empfehlung und vieles, wenn nicht alles zu
ihrer Verurteilung angeführt werden kann, dafs dagegen die aufrechte
oder senkrechte Schreibweise die denkbar beste ist und in aller und
jeder Hinsicht der schiefen überlegen erscheint. u
Augenarzt Dr. med. Paul Schubert
in Nürnberg.
58
Karl Hinträger, diplomierter Architekt, Bau und Einrichtung
von Pflege- und Erziehungsanstalten für die Jugend des
vorschulpflichtigen Alters in den verschiedenen Lindern.
Vortrag, gehalten in der Wochenversammlung des österreichischen
Ingenieur- und Architektenvereins zu Wien am 16. Jänner 1892.
Mit 1 Taf. Wien, 1892. Karl Grabsbr. (24 S. Gr. 8°. Kr. 50.)
Der Verfasser, der schon seit längerer Zeit auf dem Gebiete
des Schulbauwesens praktisch und litterarisch mit Erfolg thätig ist,
hat durch den obengenannten Vortrag die verdienstliche Aufgabe
gelöst, einem größeren Kreise seiner Berufsgenossen den Zweck
und die Bedeutung derjenigen Pflege- und Erziehungsanstalten vor-
zuführen, welche dazu bestimmt sind, den Kindern in ihren ersten
Lebensjahren und bevor sie, wie dies jetzt in allen Kulturstaaten
Gesetz ist, in die Volksschulen eingewiesen werden, das Elternhaus
zu ersetzen.
Wenn man auch mit dem Autor darüber streiten kann, ob es
sittlich und erzieherisch das erstrebenswerte Ziel wäre, die Pflege
aller Kinder der ärmeren Volksklasse von ihrer Geburt bis zu
ihrem Eintritt in das schulpflichtige Alter für eine Aufgabe des
Staates und der Gemeinden zu erklären, so unterliegt es doch
keinem Zweifel, dafs die Übernahme dieser Pflicht nur zu häufig
im Interesse des körperlichen und geistigen Wohls der Kinder
dringend geboten ist, dafs die vorhandenen Anstalten, namentlich in
deutschen Ländern, nach Zahl und Umfang zur Zeit noch sehr weit
hinter dem unbedingt notwendigen Erfordernis zurückbleiben und
dafs es deshalb höchst nützlich und dankenswert ist, hierauf in
weiteren Kreisen aufmerksam zu machen und namentlich den
Architekten die Mittel und Wege zu zeigen, die zur Erfüllung der
umfassenden Aufgabe dienlich sind.
Der Verfasser hat zu diesem Zwecke besonders die Krippen,
Kinderbewahranstalten und Kindergärten im einzelnen
besprochen, er hat die in Bezug auf bauliche Anordnung,
Bemessung und Einrichtung der Räume zu stellenden Anforderungen
sorgfältig und übersichtlich namhaft gemacht und an einer Reihe
von Beispielen gezeigt, wie die Entwürfe derartiger Anstalten auf
verschiedenartigen Bauplätzen in mehreren Ländern, namentlich
in Deutschland, Österreich, Italien, England, Frankreich, Belgien
uud Holland, behandelt worden sind. Er hat ferner einen Teil der
einschlägigen Litteratur aufgezeichnet und auf diese Weise eine
Arbeit geliefert, die nicht nur den Architekten, sondern auch allen
zur Sache interessierten Verwaltungen, Korporationen und Privat-
personen zu großem Nutzen gereichen wird. Stadtbaurat Behnkk
in Frankfurt a. M.
59
M. K. Hakonson-Hansen, Laerer ved volkeskolerne i Trondhiem.
Grundtraekkene af sundhedslaeren. Sundhedsregler for skoleb0rn
og skoleungdom. Med timetabel og noteringsblade. En liden
bog for aeldre, laerere og b0rnevenner til st0tte i deres virke
for den opvoksende slaegts sunde og naturlige udvikling. [M. K.
HAkONSON-Hansbn, Volksschullehrer in Drontheim. Grund-
ftüge der Gesundhtitslehre. Gesundheitsregeln für Schulkinder und
die Schuljugend. Nebst Stundenplan und Notizblattern. Ein
Büchlein für Eltern, Lehrer und Kinderfreunde zur Unterstützung
ihres Wirkens für die gesunde und naturgemäfse Entwicklung
des heranwachsenden Geschlechts.] Drontheim, 1892. A. Brun.
(32 S. Kl. 8°.)
Das trefflich ausgestattete Büchlein enthält ein empfehlenswertes
Begleitwort des bestbekannten dänischen Schulhygienikers Hertel,
ein kurzes Gedicht aus Bjornstebne Björnsons Werken als
^Motto für die Jugend", eine Vorrede des Verfassers an die Kinder,
die Gesundheitsregeln, welche 14 Seiten einnehmen, ein Nachwort
ftr die Erwachsenen, das Formular eines Stundenplans und endlich
Xotizbl&tter für persönliche hygienische Vorschriften.
Die Gesundheitsregeln umfassen: 1. Thätigkeit und Ruhe
2. Reinlichkeit und Hautpflege 3. Bekleidung 4. Speise und Trank,
Verdauung 5. Atmung und Atmungsorgane 6. Sehen, Auge 7. Hören,
Ohr 8. Körperhaltung beim Sitzen 9. Körperhaltung beim Stehen
10. sonstige Körperhaltungen.
Es ist ja von vornherein naheliegend, bei einer Besprechung
dieses Büchleins an das erste und, soviel Referent weifs, bis jetzt
einzige Muster dieser Art, die wohl den meisten Lesern bekannten
„Gtsundheitsregeln für die Schuljugend" , herausgegeben von der
Hygienesektion des Berliner Lehrervereins, zu denken. Verfasser
hat in der That die dankenswerte Aufgabe übernommen, diese
Gesundheitsregeln für die Kinder seines Landes zu bearbeiten, wobei
freilich manche Punkte anders angeordnet und einige weitere Regeln
beigefugt wurden. So sind von dem Autor statt des ersten Kapitels
(„Pflege des Körpers") des Berliner Lehrervereins die oben auf-
gezählten vier Kapitel aufgestellt worden, was uns besser scheinen
will. Hier und da ist auch eine neue Regel angegeben, wie z. B.
die Warnung vor Übertreibungen bei der Übung des Körpers;
manche dieser Zusätze gehen allerdings vor allem die Eltern an, wie die
Besprechung der richtigen Temperierung des Schlafzimmers; ebenso
and die Kapitel 9 (Stehen, speciell beim Singen) und 10 (Tragen
der Schulrequisiten) neu.
Die Ausstattung des norwegischen Büchleins erscheint weit
luxuriöser, als die des Berliner. Wahrscheinlich ist ersteres auch
60
bedeutend teurer als 10 Pfennige, trotzdem Abbildungen fehlen.
Dem Referenten will es dünken, dafs es sich empfehlen möchte,
noch eine wohlfeile Ausgabe zu veranstalten. Bis zu einem Druck-
bogen könnte durch Weglassung alles dessen, was nicht Text der
Gesundheitsregeln ist, erspart werden. Eine solche wohlfeile
Ausgabe wäre dann den Ärmeren mehr zugänglich. Zugleich liefse
es sich ermöglichen, dafs Behörden oder Kinderfreunde eine gröbere
Anzahl von Exemplaren für bedürftige Kinder bezahlten.
Die ganze Arbeit ist recht fleifsig und sorgsam. Der Verfasser
hat sich damit um die Gesundheitspflege und den hygienischen
Unterricht in Norwegen ein Verdienst erworben.
Oberrealschulprofessor Dr. phil. Leo Burgerstein
in Wien.
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Bei der Redaktion eingegangene Schriften.
Blätter für Knabenhandarbeit Organ des deutschen Vereins für
Knabenhandarbeit und des sächsischen Landesverbandes zur För-
derung des Handfertigkeitsunterrichtes. Herausgegeben von Dr.
W. Götze. Monat 1. 1 Heft. Leipzig, 1892, Frankenstein &
Wagner. J&hrl. M. 2,40.
Elfter Jahresbericht der Knabenarbeitsschule I im StöckachschuJr
gebäude zu Stuttgart. Stuttgart, 1891.
Oiornale di mediana pubblicaf redatto dal Dott. A. MoNTEFUSCO.
63
Monat 1. 1 Heft. Napoli, 1892, Stabilimento tipografico delF
unione. Jähr]. L. 8.
Goktz, Ferd. Vom rechten Turnerleben. Ein Not- und Hilfs-
bflchlein für Turner und solche, die es werden wollen. Leipzig,
1891, Ed. Strauch. Kl. 8°.
Hasse, Ernst. Beiträge zur Geschichte und Statistik des Volksschul-
wesens von GoMis. Erweiterter Sonderabdruck aus dem Verwal-
tungsbericht der Stadt Leipzig auf das Jahr 1889. Leipzig,
1891, Duncker & Humblot. Gr. 8°.
Hebger, Rob. „Spielen und Turnen" oder „Turnen und Spielen" ?
Vortrag, gehalten auf der 17. sächsischen Turnlehrerversammlung
zu Schneeberg. Dtsch. Turn-Ztg., 1892, XLIII, 819—821;
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VI. Jahrgang. 1893. No. 2.
(»riginal-^tbljanblungen.
Zur Gesundheitspflege in den Schalen.
Länge und Breite einer Klasse. — Wieviel
Schüler dürfen in derselben sitzen? — Einfall des
Lichts. — Die Sehnlen in Palermo. — Verminderung
der Zahl der Analphabeten in Sicilien. — Sittliche
und physische Erziehung unseres Volkes. — Unsere
Turnhalle. — Gegenstände des Unterrichts und
Dauer der Lektionen unter Berücksichtigung des
Klimas. — Prüfungen.1
Von
Dr. med. Antonino Carini,
Docent an der Universität in Palermo.
Die Bestimmung der Länge, Breite und Höhe einer
Klasse scheint auf den ersten Blick willkürlich und unabhängig
von jeder hygienischen Norm zu sein. Allein die gröfste Länge
derselben mufs sich nach dem Gesichtspunkte richten, dafs die
Schüler, welche auf der hintersten Bankreihe sitzen, deutlich
alles sehen können, was der Lehrer an die Wandtafel schreibt.
Dabei sind gute Augen der Zöglinge und genügendes Licht
der Schulzimmer vorausgesetzt. Ferner müssen die Buchstaben,
welche der Lehrer schreibt, lesbar sein, d. h. die Gröfse der-
selben muis in Verhältnis stehen zu der Entfernung, in welcher
1 Ans dem Italienischen von Professor der Gelehrtenschule
Dr. LkithIuseb in Hamburg.
8ehu]ge*undhelt*pflege VI. 5
66
sie erkannt werden sollen. Unter den günstigsten Bedingungen,
wo es sich um helle Gegenstände auf schwarzem Grunde oder
um das umgekehrte Verhältnis handelt, unterscheidet ein
normales Auge deutlich, wenn die äulsersten Linien, welche
von dem zu betrachtenden Gegenstande ausgehen, mit dem
Knotenpunkt des Auges einen Winkel von 5 Minuten bilden.
Unter Zugrundelegung dieser Erfahrung wurde die Grölse der
typographischen Zeichen von Snellen1 berechnet. Erismann
glaubt daher nicht zu irren, wenn er empfiehlt, dafs der Seh-
winkel für die auf der hintersten Bank sitzenden Schüler
10 Minuten betragen soll. Berechnen wir die mittlere Gröfee
der Buchstaben, welche an die Wandtafel geschrieben werden,
auf 3 cm, so erhalten wir auf diese Weise 9 m als Maximum
der Länge der Klasse. Auch Varreotrapp und Trölz, die
auf die Unzuträglichkeiten geachtet haben, welche die über-
mässige Entfernung des Katheders von der äulsersten Bank
mit sich bringt, wollen nicht, dafs 9,5 — 10 m überschritten
werden. Ebenso ist die preußische Regierung dagegen, dafe
die Klassenlänge über 11 — 12 m hinausgehe.
Ein anderes Problem, welches sich dem Hygieniker dar-
bietet, besteht darin, zu bestimmen, welche normale Breite eine
Klasse haben soll. Dieselbe muls in der Weise berechnet
werden, dafs, wenn das Licht von links her einfällt, es für die
am weitesten vom Fenster entfernt sitzenden Schüler nicht
unmöglich ist, zu sehen. Dies laust sich allein dadurch erreichen,
daüs die Tiefe der Klasse 7 m nicht übersteigt und dafe
die Fenster die geeignete Form und Gröfee haben, um den
Eintritt einer genügenden Lichtmenge zu garantieren. Wenn
auch die angegebene Ziffer nicht streng wissenschaftlich ist, so
hat doch die Erfahrung gelehrt, dafs sie sich für ein Schul-
zimmer am meisten empfiehlt.
Ziehen wir nun die beiden oben erwähnten Maxima in
Erwägung, d. h. 9 m für die Länge und 7 m für die
1 Hermann Snellen, Pröbebuchstaben zur Bestimmung der Sehschärfe.
Berlin, 1873, Herrn. Peters.
67
Tiefe der Klasse, so ergibt dies ein Verhältnis der Länge zur
Tiefe von ungefähr 3 : 2, welches ja fast allgemein von den
Schulhygienikern empfohlen wird.
Ist es auch wichtig, ein Maximum und ein Minimum der
flöhe zu bestimmen? Im allgemeinen hält man dafür, dafs
in Sälen von bedeutender Höhe die Respirations- und Perspi-
rationsstofFe der dort versammelten Personen sich in den
niedrigsten Schichten befinden. Dies ist jedoch irrtümlich,
denn die Untersuchungen von Pbttbnkofer und Erismann
haben bewiesen, dafs mit der grösseren Höhe der Räume sich
eine wirksamere Rückströmung nach den oberen Schichten ver-
bindet und deshalb eine stärkere Verdünnung der fremden
Stoffe eintritt, die auf diese Weise weniger schädlich werden.
Indessen darf die Höhe nicht übermälsig sein, weil alsdann
eine Resonanz der Stimme des Lehrers stattfinden würde. Das
Minimum derselben soll 4 — 5 m betragen.
Indem wir diese Höhe nicht auiser acht lassen, ebenso-
wenig wie die Grundfläche von rund 70 qm, erhalten wir das
annähernde Maximum des Klassenraumes, welches 315 kbm
beträgt.
Wieviel Schüler darf hiernach eine Ellasse enthalten?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir die Gröfse der
Fläche und des Luftvolumens bestimmen, das jedem Zögling
zukommt. In Rücksicht auf den verhältnismäßig kurzen Aufent-
halt der Kinder in den Schulen, und da kein anderer Grund
för die Verderbnis der Schulluft, als die Respiration und
Perspiration der Schüler vorliegt, können wir in gesundheit-
licher Beziehung annehmen, dafe ein Luftvolumen von 6 bis
7 kbm für den Einzelnen den Klassen die unerläßliche Reinheit
der Luft sichert. Mit anderen Worten: ein Schulzimmer,
welches die oben genannten Dimensionen besitzt, genügt für
die Aufnahme von 40 — 48 Schülern. Man möge indessen
hierbei nicht vergessen, dafs jede Stunde eine Luftmenge ein-
geführt werden muüs, welche dreimal so grofs als das Klassen-
volumen ist.
In einer Klasse von dieser GröJse können wir zweisitzige
5*
68
Bänke aufstellen von einer Länge von 1,20 m und einer Tiefe
von 0,80 m. Dieselben müssen parallel stehen, und zwischen
denselben mufs ein hinreichender Raum für den Durchgang
frei bleiben. Die letzte Bank darf sich nicht zu nahe an der
Mauer befinden, denn das würde den Schüler, besonders zur
Winterzeit, zu Erkältung und Rheumatismus verurteilen wegen
des übermässigen Wärmeverlustes, den die kalte Mauer bewirkt
Auf Grund des bisher Erwähnten ergeben sich demnach
folgende Mause:
Länge des Klassenzimmers.
Platz för das Katheder des Lehrers und die Tafel 3,00 m
Sieben Bänke, parallel gestellt 5,60 „
Raum zwischen der letzten Bank und der Mauer 0,80 „
Summa 9,40 „
Tiefe des Klassenzimmers.
Raum zwischen den Bänken und der Aufsenmauer 1,00 m
Drei zweisitzige Bänke, jede 1,20 m lang 3,60 „
Zwei Durchgänge zwischen den Bänken, jeder von 0,60 m 1,20 „
Raum zwischen den Bänken und der Innenmauer 0,80 „
Summa 6,60 m.
Auf diese Weise erhält man 62,04 qm Grundfläche, d. h.
1,48 qm für jeden Schüler. Wenn wir aufserdem 4,5 m als
beste Höhe festsetzen, so wird der Klassenraum 279 kbm
betragen, so daJs bei 42 Schülern 6,64 kbm auf jeden
entfallen.
Nun würden alle diese Bedingungen nicht genügen, um voll-
ständig den Erfordernissen einer guten Klasse zu entsprechen,
wenn nicht zugleich die Fenster richtig angebracht sind. Bei
der Ausmessung derselben hat man auf die besonderen Bedürf-
nisse der Klasse und auf die Bedingungen, unter denen in
derselben gearbeitet werden soll, zu achten. In vielen Schulen
und Konvikten von Palermo fällt das licht von rechts ein,
was schwere Unzuträglichkeiten veranlagt. Denn hierbei sieht
der Schüler, sobald er schreibt, den Schatten seiner eigenen
Hand oder der Feder auf dem Papier; dieser Schatten wird
69
den Bewegungen der Hand folgen und dem Zögling eine
unangenehme Empfindung in den Augen bereiten, die das
Sehen erschwert und ihn bald zur Einstellung der Arbeit zwingt.
Das von hinten kommende Lieht bringt noch grossere Übel-
stftnde mit sich, da auf dem Blatte oder Buche der Kopf des
Schreibenden als Schatten erscheint. Wenn das Licht von
rechts und links zugleich einfallt, so wird der Schüler über
Schwere im Kopfe, sowie Blendung der Augen klagen und
sehlieJslich gleichfalls die ihm lästige Arbeit aufgeben. Nur
das ausschlieüslich von der linken Seite kommende Licht bietet
keine dieser Unbequemlichkeiten dar. Es darf nicht zu intensiv
sein und mufs doch für die entferntesten Schüler genügen.
Die Gröfse der Fenster hat natürlich im Verhältnis zur Klassen-
grübe zu stehen; denn wenn sie zu grofe sind gegenüber der
Klasse, so wird das licht zu grell sein, im anderen Falle nicht
für alle Schüler ausreichen. Man muHs ferner verhindern, daJi
direkte Sonnenstrahlen während der Unterrichtszeit in das Schul-
zimmer fallen, und dies wird man erreichen, indem man alle
Fenster mit Ausnahme derjenigen nach Norden, Nordosten und
Nordwesten mit Vorhängen oder Läden versieht. Diese Läden
sind auch zu schliefsen, sobald heilse Winde wehen, die bei
uns nicht selten vorkommen; zugleich muis man dann in den
Pausen den Fuüsboden der Klassen mit Wasser besprengen.
Zur Vervollständigung meiner Betrachtung will ich jetzt
auf die Beschaffenheit der Schulgebäude von Palermo hinweisen.
Im allgemeinen entsprechen dieselben nicht den gesundheitlichen
Anforderungen und den Erziehungszwecken, welchen sie dienen
sollen« Besonders die Elementarschulen sind sehr ungesund
und befinden sich in den sohlechtesten Räumlichkeiten, als ob
die Kinder des Volkes nicht auch das Recht hätten, wie die
anderen, gesunde Luft zu atmen, anstatt in einer Atmosphäre
erstickt zu werden, welche nicht Leben, sondern Gift ist.
Viele Schulen liegen inmitten geräuschvoller Straten im Erd-
geechoJs, so daJb sie feucht sind. Vergleicht man indessen den
gegenwärtigen Zustand der Lehranstalten mit dem vor unserer
politischen Wiedergeburt, so laust sich nicht leugnen, dafs
70
unsere Behörde viele Schwierigkeiten hat überwinden müssen,
um würdig für den öffentlichen Unterricht zu sorgen. Und wenn
auch die alten Schulgebäude den hygienischen Ansprüchen
nicht genügen, so steht doch zu hoffen, dafe sich neue, bessere
erheben werden, wozu man jetzt schon einen erfreulichen Anfang
gemacht hat.
Dafe die Regierung zur geistigen Entwiokelung unseres
Volkes nicht wenig beigetragen hat, beweist die Thatsache der
Verminderung der Analphabeten, welche vor 1860 in Palermo
sehr zahlreich waren. Zum Beweise für diese Thatsaohe wollen
wir die letzte statistische Zusammenstellung aus den Ehestands-
registern anführen, die auf eine langsame, aber sichere Abnahme
der Analphabeten hindeutet. Im Durchschnitt kamen hiernach
in Italien im Jahre 1872 auf 100 Erwachsene 66 Analphabeten,
1873 64, 1875 65, 1876 63, 1877 62, 1878 und 1879 je 59,
1880 56, 1881 59, 1882 und 1883 je 57, 1884 56, 1885 55.
Die erfreulichsten Berichte kommen uns aus Piemont, dem
gebildetsten Teile Italiens, zu. Die unerfreulichsten bietet
Sicilien, wo sich die Zahl der Analphabeten von 85% nur auf
76% verminderte, wo jedoch Palermo die bemerkenswerteste
Abnahme zeigt. Wir sprechen nicht von der Statistik vor
1860, denn es würde schmerzlich sein, in jene Zeiten zurück-
zugreifen, wo die Unwissenheit, die Vorurteile und der Aber-
glaube den Schutz einer barbarischen und despotischen Regierung
genossen.
Um diese Vorurteile zu beseitigen, muis die Regierung
daran denken, unsere Schulen zu verbessern, indem sie für die
physische und moralische Erziehung des Volkes sorgt und nicht
nur für die gesunde Einrichtung der Schulräume. Dabei darf
man den Zweck der heutigen Schule nicht vergessen. Die
Primärschule geht darauf aus, eine möglichst kenntnisreiche,
aber vornehmlich gesittete, thätige, der Familie nützliche und
dem Vaterlande ergebene Bevölkerung heranzubilden. Daher
müssen die Lehrer sich nicht nur bemühen, die besten Unter-
i chtsmethoden anzuwenden, sondern auch geschickt sein, die
Schule zur Trägerin sittlicher Güter zu machen. Mögen sie
71
daran denken, daJs die Kinder nicht nur die Mühe und
Anstrengung des Lernens ertragen sollen, sondern dafe der
Schulunterricht sie auch dahin führen soll, später und aus sich
seibist das Werk der eigenen Erziehung zu vollenden. Mögen
sie sich außerdem erinnern, dafs die beste Übung nicht das
mechanische Lernen ohne Verständnis ist, sondern die geistige
Mitwirkung des Schülers, die durch geschicktes Fragen angeregt
wird. Das Suchen nach Wahrheit bildet eine der wichtigsten
Quellen der Teilnahme und Freude am Lernen. Eine solche
Lehrmethode mufs aber zugleich mit einer gesunden physischen
Erziehung verbunden sein. Für letztere genügt nicht die ge-
wöhnliche Gymnastik, Bewegungen der Arme aufwärts, abwärts,
vorwärts und rückwärts, sondern die Glieder müssen auch
kräftig und geschmeidig gemacht werden durch verschiedenartige
Übungen. Dies hat jedoch immer mä&ig und stufenweise zu
geschehen, ohne dals man die jungen Körper zu einer schäd-
lichen Überanstrengung verurteilt.
Unsere Turnhalle in Palermo, deren Fenster aller Hygiene
zum Trotze fortwährend geschlossen sind, müfste den jungen
Leuten bessere Gelegenheit bieten, sich in den körperlichen
Übungen zu vervollkommnen, und zu allen Tagesstunden zu-
gänglich sein. Nur so können dereinst aus unseren Schulen
Männer hervorgehen, die im stände sind, allen Anforderungen
des Lebens zu entsprechen, nur so wird die Entwickelung des
Knaben eine kräftige und vollkommene sein.
Diese Entwickelung darf aber auch durch geistige Überbür-
dung nicht gehemmt werden. Die Unterrichtsgegenstände gehen
in unseren Schulen über das zulässige Mais hinaus. Die Knaben
sind zu sehr mit häuslichen Arbeiten belastet, wie dies die
Eltern oft und nicht mit Unrecht betonen. Durch diese über-
triebene geistige Anspannung wird krankhaften Zuständen des
Gehirns von ernsthafter Bedeutung Thürund Thor geöffnet; gar
oft ruft die Überanstrengung einen kongestiven Zustand des-
selben hervor, und man sieht Knaben, welche eine arithmetische
Aufgabe zu lösen oder einen Aufsatz zu schreiben haben, mit
gerötetem Kopfe dasitzen, indem sie sich schläfrig über die
72
Rechentafel beugen oder die Feder auf das Papier fallen lassen.
Wenn die Lehrer Wülsten, wie sehr die übertriebene Arbeit die
Einbildungskraft erregt, den Willen schwächt und ein Mife-
verhältnis in den geistigen Fähigkeiten erzeugt, sie würden sich
hüten, die Knaben mit Aufgaben zu überbürden, und sie würden
es vermeiden, daJs dieselben sich, kaum nach Hause zurück-
gekehrt, in den Naohmittagsstunden an die Arbeit begeben,
wo gerade die Ruhe Erquiokung nach den geistigen Anstren-
gungen des Tages bieten sollte.
Indessen trotzdem die Eltern die Lehrer darauf aufmerksam
machen, dafs das übertriebene Arbeiten für das Wohl der
Kinder schädlich ist, so gehen sie doch nicht in sich, sondern
verlangen selber Wunderdinge von ihren Söhnen. In gewissen
Schulen und besonders in vielen Privatinstituten, welohe die
Mode und der Fanatismus unserer aristokratischen Familien
bis zum siebenten Himmel erhebt, wirft man die verschieden-
artigsten Disciplinen bunt durcheinander; man treibt dort Kalli-
graphie, Zeichnen, Arithmetik, Geometrie, Italienisch, Französisch,
Deutsch, die Anfangsgründe des Lateinischen, des Griechischen
und der Naturwissenschaften. Alles dieses wird von den
Schülern oft mit groJsem Widerwillen gelernt, oder sie memo-
rieren eine lange Reihe von Versen, bezw. ein Kapitel aus der
biblischen oder vaterländischen Geschichte, indem sie mit solchen
Gedächtnisspielereien, welche kaum einen anderen Namen ver-
dienen, das jammervolle Bild eines schwächlichen, bald ver-
gessenen Wissens darbieten. Wie wahr dies ist, beweist die
Thatsache, daJs diejenigen, welche sich in den Instituten am
meisten hervorthaten, in der Gesellschaft später die unwissend-
sten und ungebildetsten sind, ein seltsamer Gegensatz zu den
Zeiten, in denen sie als Schüler die Siegespalme davontrugen,
weil sie am besten zu memorieren verstanden.
Abgesehen von der Überbürdung des Geistes erwächst
noch eine andere traurige Folge für die Jugend durch die
religiöse Erziehung bei uns. In vielen Schulen macht man zu
starken Gebrauch von den religiösen Vorstellungen; ioh habe
dabei besonders gewisse Privatschulen im Sinne. Die Erzieher
73
erregen durch ihre Erzählungen von dem zukünftigen Leben,
von den Wundern, von den Leiden der Märtyrer zu sehr die
jugendliche Phantasie. Infolgedessen werden die Kinder eine
Beute dee nächtlichen Aufechreckene (pavor nocturnus), ihr
Schlaf ist gestört, und ihre körperlichen Funktionen erfahren
eine Hemmung.
Nicht nur die Zahl der Unterriohtsgegenstände bedarf
der Beform, sehr viel kommt auch auf die Dauer der Schul-
stunden an. Man mufs auf die letzteren ebenso grofse Bäcksicht
nehmen, wie auf die Tage und Monate des Jahres, welche zum
Lernen dienen sollen. Für diejenigen Knaben, welche nicht
wenigstens das Alter von 9 Jahren erreicht haben, sehe ich es
als schädlich an, sie länger als 20 Minuten zur Aufmerksamkeit
zu zwingen, und auch für die Schüler vom 9. bis 14. Jahre
würde ich empfehlen, nioht über V* Stunde mit den einzelnen
Lektionen bei ihnen hinauszugehen. Vom 14. bis zum 18. Jahre
dagegen könnte sich die Unterrichtsdauer für die verschiedenen
Disciplinen bis zu einer vollen Stunde ausdehnen, doch thut
man gut daran, zwischen jede Stunde eine Pause zu legen.
Denn um die Lektionen fruchtbar zu machen, dürfen sie nioht
unmittelbar aufeinander folgen, sondern der Schüler muJs Zeit
zur Assimilierung und Verarbeitung des vorgetragenen Stoffes
erhalten. Ich erinnere mich aus meiner Schülerzeit, dafe die
Schulstunden ohne Unterbrechung aufeinander folgten von
8 Uhr morgens bis 2 Uhr nachmittags, und man kann sich
denken, ob ich Zeit hatte, die schwierigen Schriften des
Aristoteles und die Werke eines Eoraz zu verdauen.
In den Gemeindeelementarschulen geht man in einer Be-
ziehung auch viel zu weit, indem man die von der heifsen
Jahreszeit gezogenen Schranken überschreitet. Die Schulen
setzen ihre Thätigkeit bis zur größten Hitze fort, und die
Ferien beschränken sich zum offenbaren Schaden der Schüler
and Lehrer auf nur 2 Monate. Auch bei uns sind im Hoch-
sommer die ernsten Studien unmöglich, und hier in Sicilien
müßten die Schulen eher, als in den anderen Teilen des König-
reiches der Hitze wegen geschlossen werden.
74
Zum Schlüsse weise ich noch auf die Examina hin. Die-
selben sollten in den Elementarschulen aufgehoben werden, weil
sie nur dazu dienen, einerseits Eitelkeit und Prahlsucht, anderer-
seits Mutlosigkeit in den Herzen der Schüler zu erzeugen. Sogar
Selbstmorde sind dadurch veranlafst worden. Ich erinnere mich
eines jungen Knaben in Palermo, der, weil er nach dem Examen
nicht versetzt worden war, sich vergiftete; der Unglückliche
war der Sohn des Apothekers Gampisi. Derartige Gemütsver-
irrungen infolge von Prüfungen sind im frühesten Alter nicht
selten. Treffend sagt Andral in Bezug auf die Entmutigung
und die Eifersucht der Schüler bei Gelegenheit der Examina:
„Die Knaben sind mehr, als man glauben sollte, Werkzeuge
der Erwachsenen, und aus den nichtigsten Gründen wird sogar
ihre körperliche Wohlfahrt aufs Spiel gesetzt. Die Methode
der Prüfungen ist unvollkommen, und man würde besser thun,
sie aufzuheben und sich mit einem Zeugnis des Lehrers zu
begnügen, dafs der Schüler anstatt auswendig gelernter Stoffe
ein gesundes Urteil und gehörige Denkfähigkeit besitzt. tf
Nur mit solchen Beformen, durch die man die Gegen-
stände des Lernens vermindert, die Dauer der Unterrichts-
stunden regelt und die Examina beseitigt, wird man dazu
gelangen, die intellektuellen Fähigkeiten unseres jungen
Geschlechts zu heben, indem man an Stelle der Vorurteile
und der Unwissenheit eine wahrhaft fruchtbringende Erziehung
setzt.
75
Schulhygienisches ans den Vereinigten Staaten.
Von
Dr. phil. Leo Burgerstein,
Oberrealschulprofessor in Wien.
Der nachahmenswerte reichhaltige „Report of the com-
missioner of education" , welcher zweifellos für die Entwickelung
der öffentlichen Erziehung in den Vereinigten Staaten von
unschätzbarer Bedeutung ist, wurde in dieser Zeitschrift
wiederholt citiert.1 Er zeigt unter der Leitung des Bureaus
durch den Commissioner N. H. R. Dawson wieder weitere
Fortschritte darin, dais die neueren Jahrgänge der Schulhygiene
mehr Aufmerksamkeit schenken, als die vorhergehenden. Es
sei daher erlaubt, etwas ausführlicher darauf einzugehen.
Was zunächst den Unterricht in der Physiologie
und Hygiene mit besonderer Berücksichtigung der Ein-
Wirkungen der Alkoholika, Stimulantia und Narkotika auf
den Menschen betrifft, so legen die Berichte der einzelnen
Staaten dar, mit welcher Energie derselbe meist in sämtlichen
Klassen aller der staatlichen Kontrolle unterworfenen Schulen
eingeführt und betrieben wird. Summarisch sei hier nur
bemerkt, dais ihn die Schulkinder in irgend einem Abschnitte
ihres Schullebens in 24 von den 38 Staaten bereits erhalten.
Mehrfach wird erwähnt, dafs dieser Unterricht einigem Wider-
spruch seitens der Eltern begegnet, aber trotzdem zusehends
festen Fufe fafst und bezüglich seiner Nützlichkeit immer
grössere Würdigung findet. An der Opposition scheint meist
der Umstand schuld zu sein, dais die Eltern zum Ankaufe
des betreffenden Schulbuches für ihre Kinder yeranlafst werden.
Der Frage der Beschaffung bestmöglicher Schulbücher für den
1 I. Jahrg., 1888, No. 3, 8. 95; II. Jahrg., 1889, No. 7, 8. 369—871
HL Jahrg., 1890, No. 10, S. 613—619.
76
neuen Gegenstand wenden, wie ans den Einzelberichten hervor-
geht, die kompetenten Faktoren vielfach grobe Aufmerksamkeit
zu. Eben diese Berichte lassen auch erkennen, dafe die
Statuten mancher Staaten auf die mangelhafte Befolgung der
Vorschriften hinsichtlich des Hygieneunterriohtes die Strafe
der Entlassung für die Lehrpersonen gesetzt, sowie angeordnet
haben, dafs von einem bestimmten, seit mehreren Jahren bereits
überschrittenen Termine an nur solche Lehrer angestellt werden
dürfen, welche ein Lehrbefähigungszeugnis für den Hygiene-
unterricht beigebracht haben.
Der State board of health von New Hampshire hat eine
sanitäre Statistik der Sohulhäuser begonnen; ein Bogen
mit 50 Fragen nebst praktisch eingerichteter Beilage zur
bequemen Einzeichnung der Grundrisse von Schulbauten wurde
ausgeschickt, und Mitteilungen über 1288 Schulhäuser liefen als
Antworten ein. Eine Reihe von Übelständen, welche bei
dieser Gelegenheit zu Tage traten, sind mit Zifferbelegen ver-
öffentlicht worden ; es dürfte dies wohlthätige Folgen haben.
Aus dem Schulgesetz für Oregon vom Jahre 1887 findet
sich eine Reihe von Artikeln angeführt, betreffend örtlichkeit,
Bauplatz, Orientierung, Plan, Gröfse, Wandverkleidung, Aborte,
Lehrmittel, Einrichtung der Schulhäuser.
Von mehreren Stellen wird über Versuche, die Ven-
tilation zu verbessern, berichtet.
Die für die Schuljugend unabweisbare Forderung einer
intensiveren physischen Ausbildung und eines syste-
matischen Betriebes derselben durch entsprechend vorgebildete
Lehrer, besonders in den niederen Schulen, tritt uns gleichfalls
entgegen. Von verschiedenen Stellen wird über Fortschritte
in dieser Hinsicht berichtet. Williams College, Massachusetts,
hat 55000 Dollars für ein „gymnasium" ausgegeben, Trinity
College, Connecticut, baut ein solches, wofür 35000 Dollars
veranschlagt sind. Andererseits ist in den statistischen Tabellen
die Frage, ob die Schule Fürsorge für die körperliche
Ausbildung ihrer Zöglinge getroffen habe, nicht immer
bejaht.
77
Körperliche Züchtigung der Schulkinder wurde in
mehreren Staaten, wo sie bis dahin bestand, abgeschafft
Aus Professor N. J. Bystroffs (St. Petersburg) Beobach-
tungen, Schulkopfschmerz betreffend, erfahren wir, dafs
derselbe bei 11,6% von 7478 Kindern beiderlei Geschlechts
vorkam.
Die Augenfrage erörtern mehrere Berichterstatter. Einer
bemängelt, dafe von den Augenhygienikern gerade 16 Zoll1
als Entfernung der Schrift vom Auge gefordert werden; für
diese bestimmte Zahl seien keine sicheren Anhaltspunkte vor-
handen.
Aus Memphis, Tenessee wird eine Untersuchung der
Augen von 681 Schulkindern gemeldet. Unter diesen
hatten 588 volle Sehschärfe, 90 anomale, davon 60 aus allge-
meinen Ursachen, 30 infolge von Überanstrengung. Die Zahl
der Kurzsichtigen steigt von einem kaum nennenswerten
Prozentsatz bis 15% in der obersten Klasse. Die Bander
gehörten zweierlei Schulen an, einer schlecht gebauten alten
und einer gut gebauten neuen; die Augen Untersuchung ergab
Ar die korrespondierenden Klassen gewaltige Unterschiede in
4er Häufigkeit der Kurzsichtigen zu Gunsten der neuen Schule.
Dr. EL P. Allen, Columbus, Ohio, untersuchte 1886 — 1887
4700 Kinder in 120 Schulen der Stadt an den Augen. Die
Untersuchung geschah während der Schulstunden. Es wurde
der Brechzustand und die Sehschärfe notiert und, wo nötig, die
passende Brille bestimmt. Die Resultate waren folgende:
Unter den 4700 Schulkindern hatten 1175 oder 25% ein
oder zwei fehlerhafte Augen. Beide Augen waren fehlerhaft
bei 936 oder 20%. Die Zahl der Kurzsichtigen stieg von
0% bei den Sechsjährigen bis auf 11,3% bei den Siebzehn-
jährigen. Der ungefähr gleichbleibende Prozentsatz der übrigen
Augenleiden zeigt deren Unabhängigkeit vom Alter und der
Arbeitsleistung der Kinder. Die guten Augen verminderten
1 Wann werden die gebildeten Amerikaner sich endlich bezüglich
HetemaXaes dem Weltverkehre ansohliefsen? D. Ref.
78
sich von 80% bis auf 66,6% in der „senior elass" der „high
school."
Ähnliche Augenprüfungen wurden in den öffentlichen
Schulen von Kansas city und Nevada, Missouri, sowie in den
Staatslehrerbildungsanstalten zu Warrensburg und Kirksville,
Missouri, und in den Staatsuniversitäten von Missouri und
Kansas durch Dr. Flavbl B. Tiffany von Kansas city an-
gestellt. Von dem Genannten wird besonders auf den Wert
rechtzeitiger Beachtung und wenn möglich Korrektion der
Brechungsfehler hingewiesen. Unter den 2040 Untersuchten
waren mit irgend einer Refraktionsanomalie behaftet:
von den 1422 Amerikanern 300 oder 21,1%
„ „ 129 Deutschen
„ „ 26 Franzosen
„ „ 15 Schotten
„ „ 67 Irländern
„ „ 47 Engländern
„ „ 11 Schweden
„ „ 93 Mischlingen
Von den 1162 Mädchen hatten 290 oder 24,9% einen
Brechungsfehler, von den 878 Knaben 168 oder 19,1%. Im
ganzen litten 13 oder 0,6% an Schielen. 94 oder 4,6%
waren myopisch, 202 oder 9,9 % hypermetropisch, 42 oder
2,06% astigmatisch; 99 oder 4,8% hatten Aooommodations-
krampf und 63 oder 3,1 % latente Hypermetropie. Es
fand sich also, daJs die Hypermetropie überwog. Wenn wir
die latenten Hypermetropen und die mit Acoommodations-
krampf — um von den Astigmatikern nicht zu reden, deren
Majorität hypermetropisch war — hinzuzählen, so haben wir
364 Hypermetropen gegen 94 Myopen, d. h. fast viermal mehr
Hypermetropen als Myopen, oder über zweimal soviel, als alle
übrigen an Brechungsfehlern Leidenden zusammengenommen.
Es waren Schulen aller Grade vertreten, aber, ausgenommen
die Kansas state university, ist nirgends ein allmähliches An-
wachsen der Myopie oder anderer Augenleiden zu bemerken.
In sämtlichen Lehranstalten tritt uns ein grösserer Prozentsatz
32
n
24,8.
5
7)
19,2 .
3
n
20,0 „
20
n
27.8 „
8
,
17,0 „
3
n
27,2 „
22
»
23,6 „.
79
der Leiden in den ersten Jahren, dann eine ausgesprochene
Verminderung, darauf wieder ein deutliches Ansteigen entgegen.
Wahrscheinlich treten viele von denen, die nach kurzem Schul-
besuche eine Augenstörung erfahren, aus. Daraus würde sich
die angegebene Bewegung des Prozents erklären. Eine ärztliche
Untersuchung der Schüler zu Beginn jedes Schuljahres dürfte
die Anomalien allmählich vermindern.
Die Amerikaner sind ein „reading people". Welcher
Segen damit verbreitet wird, dafs die Lehrerwelt alljährlich
eine so ausgiebige Übersicht über das Schulwesen in dem ge-
waltigsten Staatenbund der Erde samt dem Besten, was über-
haupt auf diesem Gebiete geleistet wird, erhält, ist klar.
2Us ^erfammUngen ttttb Vereinen.
Die Schularxtfrage in der Berliner Stadtverordneten-
versammlung.
Von
Wilhelm Sibgert,
städtischem Lehrer in Berlin.
Im November v. J. hatte der sozialdemokratische Stadt-
verordnete Stadthagbn in der Berliner Stadtverordnetenver-
sammlung den Antrag gestellt, Einrichtungen zur Unter-
suchung und Überwachung des Gesundheits-
zustandes der Gemeindeschüler zu treffen.
Die Angelegenheit wurde einer Kommission zur Vor-
beratung überwiesen. In dieser hatte der Antragsteller erklärt,
dafe er die Einsetzung einer Kommission wünsche, aus Ärzten,
Lehrern und Laien bestehend, die, unabhängig von der
äehuldeputation, eine dauernde Überwachung des Gesundheits-
zustandes der Gemeindeschüler auszuführen hätte; dafe er
zweitens eine einmalige ärztliche Untersuchung sämtlicher
80
Schulkinder für notwendig halte, um statistische Grundlagen
für weitere Schritte zu * gewinnen ; eventuell seien Schulärzte
anzustellen, die sieh tob Zeit zu Zeit über die hygienischen
Verhältnisse der Schulen und der Schüler zu informieren und
die Abstellung gewisser Übelstände zu bewirken hätten.
Am 10. Dezember stand der Kommissionsbericht auf der
Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung. Die Kom-
mission schlug vor, sowohl den Antrag Stadthaqhn, ab auch
einen anderen, der dahin ging, den Magistrat zu ersuchen, die
Sache der Deputation für öffentliche Gesundheitspflege zur
Vorprüfung zu überweisen, abzulehnen.
Der Referent, Stadtverordneter Direktor Dr. Schwalbe
führte folgendes aus: Die Kommission sei mit dem Stadt-
schulrat Dr. Bertram der Meinung, dafs keine Veranlassung
vorliege, so weitgehende und einschneidende Malsregeln, wie
der Antrag Stadthagen sie verlange, zu beschliefsen. Der
Gesundheitszustand der Schüler befriedige vollauf; die Lehrer
seien im stände, die Kontrolle darüber wirksam zu üben; jeder
Eingriff des Arztes in die inneren Verhältnisse der Schule sei
zurückzuweisen. In verschiedenen Städten Schlesiens hätten
sich die Eltern den Untersuchungen ihrer Kinder durch Arzte
widersetzt. Es würden dadurch zahlreiche Konflikte mit den
Familien der Schüler hervorgerufen. Sorgfältige ärztliche
Untersuchungen seien zeitraubend und kostspielig und für die
Schule störend. Man würde durch derartige Einrichtungen
schlieisüch auf den sooialdemokratischen Standpunkt gelangen.
Stadtschulrat Bertram erklärte den Antrag für ein Miß-
trauensvotum gegen die Schuldeputation. Gerade diese hätte
die meiste Erfahrung über die hygienischen Verhältnisse der
Kinder und ihrer Eltern. Man möge doch daran zurückdenken»
was in den letzten 20 Jahren für die Schule geschehen sei.
Es gehe nicht alles auf einmal. Neue Gedanken erforderten
Erfahrung und Beobachtung. Epidemien hätten sich unter
den Kindern bisher nicht gezeigt. Was würde die Annahme
des Antrages nach au&en hin für einen Eindruck machen!
Die Versammlung ersuchte sohlieMioh den Magistrat, den
81
Antrag der Deputation für öffentliche Gesundheitspflege zur
Vorberatung zu überweisen.
Neuerdings teilte der Magistrat der Versammlung mit,
dafs er sich einen Erfolg davon nicht versprechen könne, da
eine ausreichende Veranlassung zu besonderen Untersuchungen
nicht vorliege.
Eine Versammlung der Hygienesektion des Berliner Lehrer-
vereins, die behufs Besprechung des Antrags Stadthagen ein-
berufen war, nahm nach eingehender Debatte den Antrag ihres
Referenten, Lehrers Siegert, an, wonach sie es für dringend
notwendig erachtet, dala eine aus Ärzten, Verwaltungsbeamten,
Architekten, Ingenieuren, Schulleitern und Lehrern zusammen-
gesetzte Kommission die Verhältnisse sämtlicher Berliner
Schulen nach ihrer hygienischen Seite untersuche, für die
praktische Durchführung anerkannter Forderungen der Schul-
gesundheitspflege, sowie für die Lösung streitiger Fragen Vor*
schlage mache und die Grundsätze feststelle, nach denen eine
zweckentsprechende Mitwirkung der Ärzte bei der Beaufsich-
tigung der Schulen zu erfolgen habe.
Leider hatte der Stadtverordnete Stadthagen seinem An-
trage eine Spitze gegeben, die im Interesse der Sache hätte
vermieden werden sollen, und die in diesem Falle um so
weniger Berechtigung besals, als die Zustände an unseren,
höheren Schulen keineswegs besser sind, als an den Gemeinde-
schulen.
Welche Anschauungen in den Kreisen der Berliner Lehrer
über die Angelegenheit herrschen, darüber gibt ein Artikel
des „Lokalanzeigers" Kunde. Es heifst hier unter
anderem: „Noch erfolgt die Lüftung der Sohulzimmer vielfach
nur zufällig. An zahlreichen Schulen werden die Fenster nach
Schluß des Unterrichts nur selten geöffnet. Am schlimmsten
sind die Luftverhältnisse dort, wo abends Fortbildungsunter-
richt erteilt wird. Die Reinigung der Sohulräume wurde
während der Cholerazeit in den Gemeindeschulen recht zweck-
mässig besorgt. Jetzt ist wieder alles beim alten : wöchentlich
zweimal wird trocken gefegt; Fenster, Paneele, Korridore u. s. w.
Schvrigcsundheitspflege VI. 6
82
werden alle Jahre einmal beim „grofsen Reinmachen" feucht
aufgenommen. Über den Staub in unseren Turnhallen ist sehr
zu klagen. In den Lehrerzimmern der Gemeindeschulen fehlen
trotz aller Bitten immer noch Waschbecken und Handtücher,
so dafe sich Lehrer und Lehrerinnen nicht einmal zur Früh-
stückspause die Hände waschen können. Die Bänke sind nach
ganz altem Muster, fast durchweg fünf sitzig, mit beträchtlicher
Plusdistanz. In keiner Schulklasse finden sich Subsellien von
verschiedener Gröfse. Es fehlt an längeren Pausen nach jeder
Unterrichtsstunde. Während der Frühstückspause müssen die
Kinder in geschlossenem Zuge marschieren. An nicht wenigen
Schulen ist das Wassertrinken selbst an den heifcesten Tagen
verboten. Im Sommer nötigt man sechsjährige Kinder, um
7 Uhr zur Schule zu kommen. Die Unter- und Mittelklassen
sind überfüllt, die Ziele zu hoch. Infolgedessen ist der Drill
UDvermeidlich. Die mittelmäßig und schwach Begabten bleiben
zurück. Nicht selten werden völlig unentwickelte Sünder in
die Schule aufgenommen.14
Das „Berliner Tageblatt" bringt anscheinend aus
Stadtverordnetenkreisen eine Mitteilung über die Behandlung
des Antrags Stadthagen, der wir folgende Sätze entnehmen.
„Die Herren Dr. Schwalbe und Dr. Bertram beschränkten
sich darauf, den gegenwärtigen Zustand als einen vollendeten
zu preisen, so dafs jedwede Änderung in den bestehenden
Einrichtungen unnütz, ja sogar schädlich sei. Und womit
begründete Herr Dr. Schwalbe seine Ansicht? Damit, data
man dann schliefslich auf dem sooialdemokratischen
Standpunkt ankommen würde. Liegt darin eine Wider-
legung der Behauptung, dafs es wünschenswert sei, Einrichtungen
zur Überwachung des Gesundheitszustandes unserer Schuljugend
zu schaffen? Wer sich solchen Forderungen grundsätzlich
entgegenstellt, der verstärkt mittelbar jene Partei, indem er
ihr immer neue Scharen Mifsvergnügter in die Arme treibt.
Der Standpunkt des Berichterstatters und des Magistratsvertreters
ist ein so engherzig bureaukratischer , dafs man ein gewisse
Befremden darüber nicht unterdrücken kann.tt
83
Wie wir hören, wird der Gegenstand nach Neujahr eine
Reihe von Bezirksvereinen beschäftigen, die kaum den An-
schauungen des Magistrats beipflichten dürfteq.
Bemerkungen im österreichischen Abgeordnetenhanse
Aber das Turnen in den Mittelschulen des Landes.
In der 35. Sitzung der XI. Session des österreichischen Hauses
der Abgeordneten fahrte Dr. von Hofmann folgendes aus:
Ich glaube, dafs von einer harmonischen Ausbildung der mensch-
lichen Anlagen und Fähigkeiten in unseren Mittelschulen absolut
sieht die Rede ist. Die Leibesübungen, welche das Gegengewicht
gegen die geistige Anstrengung bilden sollten, sind auf das geradezu
alkrspärlichste Mals beschränkt oder gar nicht vorhanden. Wir
haben im besten Falle zwei Stunden Turnen, aber das Merkwürdige
dabei ist, daß man auch da einen Unterschied gemacht und die
zwei Stunden Turnen an den Realschulen als obligat eingeführt hat,
an den Gymnasien aber nicht. Wenn ich recht unterrichtet bin, so
bestehen bis jetzt nur vier Gymnasien, in welchen der Turnunter-
richt obligatorisch ist. Es berührt dies um so seltsamer, meine
Herren, wenn Sie bedenken, dafs es in dem Programme für den
Unterriebt im Turnen an den Realschulen Österreichs unter anderem
heilst: „Der Turnunterricht ist ein unentbehrlicher Bestandteil der
Erziehung und des Unterrichtes tt , dafs dort weiter gesagt wird:
„Das Turnen hat eine ganz unersetzliche Bedeutung für die Gesund-
heit", ferner: „Der Einfluß des Turnens auf die geistige Ent-
«ickelung ist unschätzbar ". Nun frage ich: Wenn dies so ist —
nd ich unterschreibe jeden dieser Sätze — , warum ist denn für
die Gymnasien, die doch von einer viel gröfseren Anzahl von
Schülern besucht werden, als die Realschulen, das Turnen nicht ebenso
wichtig, wie für die Realschulen? Die Antwort darauf ist allerdings
schwer zu erteilen.
Ich möchte mir bei dieser Gelegenheit anch gestatten, mit
einigen Worten auf die wichtigsten Wünsche unserer Turnlehrer ein-
zugehen. Dieselben gehen zunächst dahin, dafs, sobald es irgend
angeht, wenn möglich schon für das nächste Schuljahr, der Turn-
mterricht wenigstens an demjenigen Gymnasien, an welchen heute
bereits entsprechende Turnräume vorhanden sind, für obligatorisch
erklärt werde. Ich bemerke nebenbei, dafs in Ungarn schon durch das
Mittelschulgesetze vom Jahre 188S das Turnen als obligatorischer
Unterrichtsgegenstand in die Gymnasien eingeführt wurde.
84
Die Abnahme des Erbgrinds unter den französischen
Rekrnten nnd Schulern.
Ans der medizinischen Akademie in Paris.
In der Sitzung der französischen Akademie der Medizin, welche
am 22. November v. J. anter dem Vorsitze des Herrn M. A. Reönauld
stattfand, machte Herr Fkulard Mitteilung über die Abnahme des
Erbgrinds oder Favus unter den Rekruten und Schülern Frankreichs. Er
stützte sich dabei nach „Le Progr. mSd.a auf dieselben Dokumente,
wie Herr Bergeron im Jahre 1860 und er selbst im Jahre 1886.
Von 1841 bis 1849 hatte Herr Bergsron 1000 bis 1100
Rekruten gefunden, welche wegen Favus zurückgestellt wurden. Von
1850 bis 1860 gab es deren nur noch 800. In den Jahren 1873
bis 1885 aber sah Herr Feulard die Zahl auf 300 fallen, nnd von
1887 bis 1891 ist dieselbe sogar auf 192 gesunken. Nichts würde
leichter sein, als diese Krankheit des behaarten Kopfes vollständig
in Frankreich auszurotten. Man brauchte nar die Militärpflichtigen
wegen derselben nicht mehr vom Dienste zu befreien, sondern sie
auszuheben und, nachdem sie in den Lazaretten geheilt, zu den Regi-
mentern zu schicken.
Auch in den Schulen hat die genannte Erkrankung der Haare
abgenommen. Um noch weitere Fortschritte nach dieser Richtung
zu erzielen, würde es sich empfehlen, ebenso wie die Stadtschulen,
auch die Landschulen einer regelmäßigen ärztlichen Inspektion zu
unterwerfen. Dann könnten sämtliche FavusftUe sofort bei ihrem
Auftreten in Behandlung genommen und eine weitere Verbreitung
derselben durch Ansteckung verhindert werden.
kleinere ittttteüuugeu.
Drei Vorkämpfer für die körperliche Ausbildung der
Gymnasiasten. Die „Dtsche. Turnztg." bringt einen Aufsatz von
W. Krampe: „Der LoRiNSERsche Schulstreit", welcher
interessante historische Mitteilungen enthält. Der Verfasser gibt
zunächst den Inhalt der bekannten Arbeit von Medizinalrat Lorinser
„Zum Schutze der Gesundheit in den Schulen" an, welche
1836 in der „Medizinischen Zeitung des Vereins für Heilkunde
in Preufsen" erschien. Es heifst hier unter anderem: „Der
Leib ist bei der vielfach veränderten Lebensweise zarter,
gebrechlicher und von Reizmitteln abhängig geworden, die den Vor-
fahren fremd gewesen sind. Die wesentliche Energie des Lebens
85
ist gesunken, und in dem Mafse, wie die Sinne beweglicher und
die Triebe begierlicher geworden, haben Geist und Körper an Festig-
keit und Widerstand verloren." "Weiter schreibt Lorinser: „Um
diese krankhaften Anlagen des Körpers wie des Geistes zu steigern
und, wo sie noch nicht vorhanden sind, hervorzurufen, dazu gibt es
in der That keine wirksameren Mittel, als diejenigen, welche man
heutzutage auf den meisten deutschen Gymnasien in Anwendung
bringt Diese Mittel bestehen in der Vielheit der Unterrichts-
gegenstände, in der Vielheit der Unterrichtsstunden und in der Viel-
heit der häuslichen Aufgaben. Das erste ist vorzüglich zur Ver-
irrung und Abstumpfung des Geistes geeignet, das zweite hält die
utnrgemäfse Ausbildung des Körpers zurück, und durch das dritte
wird vorgebeugt, dafs diese beiden Wirkungen nicht aufser der
Sdrale wieder aufgehoben werden." Beweise für diese Vorwürfe
werden freilich von Lorinser nicht erbracht. Derselbe führt seine
Behauptungen nur noch etwas weiter aus, wenn er sagt: „Die Er-
scheinung, dafs in den Hervorbringungen des Genies in neuester
Zeit mit sehr wenigen Ausnahmen ein gewisser kränklicher Charakter
von Überspannung und Übersättigung kaum zn verkennen ist und
auch die gründliche Gelehrsamkeit, wie man behauptet, von Tag zu
Tag seltener wird, gehört zu den allgemeinen Lebensäufserungen
unseres Zeitalters ; sie Mit aber zum Teil und besonders auch der
Schule zur Last, die den Menschen, der eine Einheit von Körper
md Geist ist, fast als einen puren Geist von unermeßlicher Kapaci-
Ukt zn betrachten sich angewöhnt hat." Dieser Treibhauskultur,
welche anhaltendes Sitzen fordert, schreibt er das verkümmerte
Aussehen der Jugend und ihren Mangel an Frische und Unbefangen-
heit zu. „Das peinliche Gefühl, welches zu Anfang der sitzenden
Lebensweise sich einstellt, wird freilich in der Folge durch Gewöh-
nung allmählich abgestumpft, in der Jugend aber um so nachteiliger
empfanden, weil hier der Trieb nach Bewegung ungleich stärker und
lebhafter und im Knabenalter jede Faser noch voll Regsamkeit ist.
Indem die nach aufsen strebende organische Thätigkeit zurück-
gehalten und gehemmt wird, kann es nicht fehlen, dafs sie, um-
schlagend, ihre Befriedigung auf einem anderen, aber unrechten
Wege sucht und innerhalb des Organismus sich in krankhaften
Richtungen verirrt. u Zu diesen krankhaften Richtungen rechnet er
den vermehrten Trieb des Blutes in die Organe des Unterleibes,
femer die Störung der Verdauung und Blutbereitung, sodann die
Brustleiden, vorzugsweise bei Jünglingen, deren Lungen von Hause
ns nicht die vollkommensten sind. Dazu gesellt sich die Schwächung
der Sehkraft als ein weit verbreitetes Übel, das zumeist durch zu
anhaltendes, bei Sonnen- und Lampenlicht fortgesetztes Lesen und
86
Schreiben and durch die konsensuellen Wirkungen des Sitzens
hervorgerufen wird. Lorinskr kommt zu dem Ergebnis, dafs es
im allgemeinen mit der Gesundheit der Schüler mifslicher als jemals
bestellt ist, dafs die jetzige Unterrichtsweise zur Entwicklung oder
Hervorbringung von Krankheitsanlagen sehr geeignet und dafs es
meistens schwer, ja oft unmöglich ist, bei diesem Systeme eine
normale und kräftige Ausbildung des Körpers zu erzielen. Er
schliefet seinen Aufsatz mit einem Citat des Philologen und Schul-
manns JAHN, der sich gleichfalls gegen die moderne Schulbildung
und ihre Methode ausgesprochen hatte, und fügt dann noch hinzu:
„Darum ist es gewifis auch der Beachtung der Schulmänner und
Pädagogen wert, ob es nicht bald Zeit sein werde, die Lehrpläne
der deutschen Gymnasien zu vereinfachen und die grobe Lehr-
stundenzahl zu reducieren. Möge die Erfüllung dieses Wunsches,
mit welchem sich der so vieler Eltern und Jugendfreunde vereinigt,
nicht zu lange auf sich warten lassen; dann wird mit dem Geiste
auch der Körper gewinnen, und mit der Gesundheit der Schüler
wird es besser werden. u Der LoRiNBBRsche Aufsatz ist aber keines-
wegs in jener Zeit der einzige Notschrei gewesen, welcher über
die Schulerziehung laut wurde. Schon vor dem Jahre 1836 hatte
es nicht an Stimmen gefehlt, welche eine Beform des Schulwesens
und insonderheit eine Ergänzung der geistigen Erziehung durch
Hinzufügung der körperlichen Übungen laut und vernehmlich forderten.
Es seien hierfür nur zwei Beispiele angeführt. Der Direktor des
Gymnasiums zu Erfurt, Dr. Friedrich Strass, hielt am Geburtstage
des Königs Friedrich Wilhelm III, am 3. August 1828, in der
öffentlichen Sitzung der Königlichen Akademie gemeinnütziger
Wissenschaften daselbst einen Vortrag „über die Notwendig-
keit geordneter Leibesübungen für die Qelehrtenschuienu , aus dem
uns bereits ganz ähnliche Klagen entgegenklingen, wie aus der
LORiNSERschen Schrift. „Es verdient die Frage erwogen zu
werden", heilst es in diesem Vortrag, „ob der jetzt herrschende
Typus in gelehrten und anderen Schulen unbedingt, oder doch
wenigstens für unsere Zeiten zuverlässig der beste sei." Diese
Frage wird entschieden verneint, und zwar deshalb, weil „eine
der beiden Seiten der Jugendbildung, die körperliche Erziehung,
fast ganz übersehen und dem Zufall überlassen bleibt." Was an
körperlicher Übung für die Jugend vorhanden ist, (weite Schulwege,
mechanische Übungen, Tanzstunden, Reiten, Fechten), das sind
„klägliche Trümmer jener herrlichen Gymnastik, welche die Griechen
und Römer der besseren Zeit an Leib und Seele zu tüchtigen und
kräftigen Menschen machte." Der Grund, weshalb dies so ist, liegt
darin, dafs es der Jugend fast überall an Gelegenheit fehlt, sich
87
ohne zu groben Zeitaufwand hinreichende und stärkende Bewegung
zu verschaffen. „Wie höchst wohlthätig würde daher eine Ver-
anstaltung sein, wo die Jugend zu gewissen Stunden mancherlei
zweckmässige Leibesübungen unter Anleitung eines Geübten anstellen
könnte." Solche Veranstaltungen müssen getroffen werden, und der
Redner will die Hoffnung nicht aufgeben, einen wesentlichen Teil
der Jugendbildung in seine Rechte eingesetzt zu sehen, der jetzt —
es ist schmerzlich zu sagen — bei keiner Nation mehr vernach-
lässigt wird, als bei derjenigen, deren ritterliche Kraft in allen Jahr-
hunderten glänzte. Ähnlich, wie mit dem STBASSschen Vortrag,
verhält es sich mit einer kleinen Programmarbeit vom Jahre 1832,
in welcher der Rektor des Gymnasiums zu Salzwedel, Johann
Friedrich Danneil, einige Bemerkungen über Körperbildung durch
die Gymnastik veröffentlicht. Nachdem derselbe eine kurze Nach-
richt über die im Mai 1831 an seiner Schule eingeführten Leibes-
übungen gegeben hat, stellt er folgende Behauptungen zur Prüfung
auf: 1. Gymnasien sind nicht blols Unterrichts-, sondern auch
Erziehungsanstalten; nicht specifisch, sondern nur der Art der
Beaufsichtigung nach unterscheiden sich beide, die Pflicht der Er-
ziehung liegt beiden ob. 2. Der Grundsatz: das Gymnasium soll
die Geisteskräfte des Schülers harmonisch ausbilden, ist demnach
nicht der höchste, sondern erst eine Folge aus dem Princip: das
Gymnasium hat die Pflicht, den ganzen, nicht den halben Menschen
zu erziehen und alle seine Kräfte harmonisch auszubilden. 3. Aus-
bildung des Körpers ist demnach ein notwendiger Gegenstand des
Unterrichts, und der Staat, der die Gymnasien unter seine Aufsicht
genommen, hat nicht blols das Recht, sondern ist verpflichtet, auch
über die körperliche Erziehung allgemeine Grundsätze aufzustellen.
Die Empfehlung der Gymnastik von seiten der vorgesetzten hohen
Behörden erscheint demnach nicht blofs als notwendig, sondern auch
als zeitgemäfs. 4. Bei den Griechen ward die körperliche Aus-
bildung ebenso hoch geachtet, als die geistige. Durch diese har-
monische Ausbildung des ganzen Menschen sind sie körperlich und
geistig unsere ewigen Muster geworden. 5. Der Knabe und Jüng-
ling fühlt von Natur einen starken und fast unüberwindlichen Trieb
zu Leibesübungen, und nur gewaltsam kann dieser Trieb durch ver-
kehrte Erziehung zum Teil, Gottlob nie ganz, unterdrückt werden.
Es ist also der Vernunft angemessen, diesen Trieb zu regeln und
ihm zweckmäßige Befriedigung zu geben. Sind diev aufgestellten
Sätze richtig, so ist auch die Notwendigkeit der Aufnahme der
Gymnastik in den Kreis des Unterrichts zugleich damit ausgesprochen.
Übrigens erregten derartige Äusserungen an höchster Stelle Aufmerk-
samkeit. Lorinsers Schrift wurde dem König Friedrich Wilhelm III
88
vorgelegt; der Monarch fand Gefallen an derselben und richtete
sogleich an den Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-
angelegenheiten von Altenstein folgende Eabinetsordre : „Ich
habe von einem Aufsatz: „Zum Schutze der Gesundheit in
den Schulen" Kenntnis genommen, welcher sich in dem ersten
Stück der diesjährigen „Medizinischen Zeitschrift1' befindet, und mit
dessen Inhalt Ich Mich in der Hauptsache einverstanden erkläre.
Ich empfehle diesen Gegenstand Ihrer besonderen Aufmerksamkeit
und fordere Sie auf, Mir in einem Bericht Ihre Ansicht vorzulegen
und Vorschläge zu machen, wie dem Übelstande zu begegnen sei.
Berlin, 2. Februar 1836."
Ans den Berichten der sächsischen Amtsärzte Aber die
Schulen ihres Bezirkes. Dem »22. Jahresbericht des Landes-
medizinaücollegiums über das Medisinaiwesen im Königreich Sachsen*
entnehmen wir folgende Angaben: Unter den 64 Schulen des
Medizinalbezirks Kamenz weisen 10 noch recht ungünstige Licht-
verhältnisse auf. Von diesen hat die eine Hälfte von drei Seiten,
die andere Hälfte von rechts und links zugleich Licht. An den
Fenstern, welche, wie in der Schule zu Bischheim, hinter den Sitz-
bänken der Kinder liegen, sind zum Schutze gegen Sonne und zu
grelles Licht Rouleaux angebracht, deren Benutzung den Lehrern be-
schrieben, aber nicht immer entsprechend ausgeführt wurde. In
22 Schulen desselben Bezirkes waren Ausstellungen in Bezug auf
Desinfektion und Instandhaltung der Aborte, Lüftung und Reinlich-
keit der Schulzimmer, sowie Art und Regelmäßigkeit des Scheuerns
und Kehrens derselben zu machen gewesen. Weitere Monita be-
zogen sich bei einem Teile der Schulen auf erneute Auscementierung
der Pissoirs, in denen der Cementputz im Urinabführungskanal sich
losgelöst, den raschen Abzug des Harns mechanisch und durch
Lachenbildung verhindert und so bewirkt hatte, dafs der Bau-
untergrund durchtränkt war. Bei anderen Schulen dieses Bezirkes
fehlten in den Schulzimmern die Ventilationsklappen an den oberen
Fensterflügeln oder wurden, wenn sie bestanden, nicht gehörig in
Gebrauch gezogen. Vielfach wurden noch alte Schulbänke benutzt,
deren baldige Beseitigung ein dringender Wunsch des Bezirksarztes
war. Trotzdem dieser Wunsch von der Bezirksschulinspektion bereit-
willigst unterstützt wurde, konnte er doch wegen Armut der be-
treffenden Schulgemeinden nicht zur Ausführung gelangen. Die neu-
erbauten Schulen des Bezirkes haben sämtlich die gesetzlich vor-
geschriebenen Subsellien, und zwar meist mit verschiebbarer Tisch-
platte. Die Öfen der kleinen Schulen wurden noch recht primitiv
vorgefunden. Es waren dies in der Mehrzahl einfache eiserne
Etagenöfen ohne Regulierungsvorrichtungen mit rascher Abgabe hoher
89
Wärmegrade und nachfolgender schneller Erkaltung bei gleichzeitiger
Austrocknung der Zimmerluft. Regulieröfen oder Mantelöfen sind in
den Schulzimmern der kleinen Gemeinden gar nicht, Kachelöfen
mit Verschlafe nur wenige vorhanden. Deshalb ist auch die Er-
zielung und Erhaltung einer gleichmäßigen Temperatur in denselben
ein Ding der Unmöglichkeit. Der Bezirksarzt hat sich vergeblich
bemüht, Remedur in diese Mißstände zu bringen. Die Gemeinden
sind eben zu arm, um ihren Schulen mehr als das Allemotwendigste
zuwenden zu können. — Im Medizinalbezirke Glauchau wurden im
Berichtsjahre 11 Schulrevisionen vorgenommen. Von den revidierten
Schalen waren 2 in den letzten 12 Jahren gebaut, bezw. ein-
gerichtet, die übrigen älter. Die ersteren beiden Schulen boten
nichts zu erinnern, als dafs beide Male der Ventilationsofen in der
Weise verändert war, dafs er nicht mehr erwärmte Luft zuführte.
Bei den übrigen Schulen war folgendes zu monieren: Zweimal waren
die Schulzimmer feucht. Licht von der linken Hand hatten alle
9 Schulen, Licht auch von vorn 6 Schulen, bezw. einzelne Zimmer
derselben, Licht auch von rechts 2 Schulen, Licht auch von hinten sämt-
liche alte Schulen. Unter 2,5 kbm Luftraum kam auf das Kind in
4-Schulen. Rouleaux fehlten in 3 Schulen. In einer Schule konnten die
Doppelfenster nicht geöffnet werden. Aufser ganz kleinen und für ihren
Zweck nicht geeigneten Ventilationsöffnungen an den Fenstern waren
Lttftangsvorrichtungen in den letztgedachten 9 Schulen nicht vorhanden.
Sämtliche Bänke hatten positive Distanz. Die Aborte waren zum gröfeten
Teil unsauber und stellenweise nicht zweckentsprechend. Soweit es ohne
grofsere Bauten möglich war, sind die erwähnten Übelstände beseitigt
worden. — In den Schulen des Medizinalbezirkes Rochlitz ist in
Bezog auf Reinlichkeit unverkennbar mehr Ordnung und Eifer ein-
getreten. Die Zimmer werden öfter gekehrt und gescheuert, die Ab-
orte, welche fast durchgängig gut und zweckmässig angelegt sind,
saaber gehalten, die Gruben sind geräumig, undurchlässig und gut
verschliefebar. Auf entsprechende Lehrerwohnungen ist in gedachtem
Bezirke überall Rücksicht genommen; dieselben befinden sich auf
dem Lande meist in den oberen Stockwerken der Gebäude und sind
so grofs, dafs sie für eine nicht zu zahlreiche Familie stets aus-
reichen. — Im Medizinalbezirke Flöha ergab eine Anfrage bei den
Lehrern, dafs in 8 Schulen des Bezirkes von angestellten Haus-
männern die Heizung, das Kehren und Scheuern ausgeführt wird.
In drei weiteren Schulen besorgt dies eine Frau. In allen anderen
Schulen wird die Heizung von den Lehrern für ein Entgelt, welches
zwischen 75 und 156 Mark schwankt, ausgeführt. Wo dieselbe
von einem Kaiefaktor besorgt wird, wird auch fleißiger und aus-
giebiger gelüftet. Das Kehren der Schulzimmer geschieht zumeist
90
mittelst feuchteter Sägespäne zweimal die Woche ; hiermit wird das
Abwaschen der Subsellien und Geräte verbanden. In der Regel sind
zu diesem Geschäfte Frauen bestellt, nur in vier Orten ist es dem
Lehrer oder seiner Familie übertragen. Dafs die älteren Schal-
mädchen hierzu angehalten werden, findet nur in Gablenz und auch
hier allein beim Kehren der Gänge statt. Das Scheuern der Bäume
wird zweimal jährlich in 5 Schalen, dreimal in 7 Schalen, in
den übrigen viermal vorgenommen. Die Entleerung der Abort-
gruben findet in den ländlichen Schulen alle Sommermonate wenigstens
einmal statt, meistens noch öfter, im Winter hingegen seltener.
Eine Desinfektion der Aborte wird , abgesehen von den Schulen der
Städte, nur in einigen Dörfern vorgenommen. Drei derselben des-
infizieren regelmäßig alle 6 — 8 Wochen, und zwar mit Chlorkalk
und Karbolsäure. — Nicht nur in den alten Schalen des Medizinal-
bezirkes Marienberg sind feuchte Wände and Schimmelbildungen
an denselben bemerkt worden, sondern auch in den neuerbauten,
wie z. B. in Hopfgarten und Lippersdorf. Die Ursache hiervon ist
nicht allein in dem Aufsteigen der Erdfeuchtigkeit zu suchen, sondern
auch in der Härte des Baumaterials, auf welchem sich die Luft-
feuchtigkeit niederschlägt. Da nun die Klassen meistens überfallt
sind und bei der grofsen Zahl der Kinder durch die Hautausdünstung
und die Atmung viel Feuchtigkeit erzeugt wird, so kondensiert sich
dieselbe an den kalten Wänden. Es ist selbst in Schalzimmern,
welche unterkellert waren, solche Wandfeuchtigkeit bemerkt worden.
In den überfüllten Klassen müssen die Bänke oft dicht an die Wand
gerückt werden, und so sind immer eine Anzahl Kinder der
feuchten Kälte ausgesetzt. Zur Abwehr dieser Gesundheitsschädlich"
keit ist der Königlichen Schalinspektion der Vorschlag gemacht
worden, auffallend feuchte Wände, namentlich der Nord-, West-
oder Wetterseite, in ortsüblicher Weise mit Holzverschalung ver-
sehen zu lassen, oder auch im Innern der Klasse eine dichtgefugte
Bretterschranke in etwa 20 cm Entfernung von der Wand auf-
zustellen, oder wenigstens durch Vorhängen einer einfachen Fries-
decke den kühlen Zug von den Wänden her abzuwehren. Die
Kälte der Wand wird oft auch noch dadurch unterhalten dafs sich
in den Klassenzimmern nicht überall Doppelfenster befinden und daß
man unterläfst, die untere Fensterkante, wie es in dortiger Gegend
üblich ist, mit Moos zu verbauen.
Arm- und Bruststärker, Patent Largiadfa». Von der Firma
Georg Engler in Stuttgart ist ein neuer Turnapparat in den
Handel gebracht, welchen der Direktor des Lehrerinnenseminars zu
Strafsburg i. E. Largiadär ebenso einfach wie sinnreich konstruiert
hat. Der Apparat besteht aus zwei gufseisernen, bienenkorbförmigen
91
Gewichten. Jedes dieser Gewichte ist aas 7 Scheiben zusammen-
gesetzt, welche durch eine bequeme Vorrichtung einzeln abgenommen
werden können, so dafs sich die Last von 4 kg stufenweise auf
0,5 kg redocieren läfst. Oben von den Gewichten läuft ein Strick
zunächst durch einen der Länge nach durchbohrten Handgriff und
dann zu einem zweiten Handgriff, an welchem derselbe befestigt ist.
Wie der „Arm- und Brnststärker" benutzt wird, ist aus den nach-
stehenden Abbildungen zn ersehen.
Der Widerstand der Gewichte ist sowohl in horizontaler, wie
in vertikaler Richtung zu überwinden. Auf diese Weise dient der
Apparat zur Kräftigung der Arm-, Brust-, Schulter- und Rücken-
mnskeln, zur Erweiterung des Brustkorbes und Vermehrung der
LungenkapaciUt, zu kompensierenden Übungen durch den Gebranch
angleich schwerer Gewichte bei ungleich entwickelten Oberkörper-
92
hälften and leichten seitlichen Verkrümmangen der Wirbelsäule.
Die Chirurgen rühmen dem „Arm- und Bruststärker" aufserdem
nach, dafs derselbe zu Übungen nach Knochenbrüchen der oberen
Extremität und zur Erweiterung des Brustkorbes nach der Operation
von Brustfellexsudaten verwendet werden kann. Ferner leistet er
gute Dienste in der inneren Medizin bei der Behandlung nervöser
Atembeschwerden, indem die kräftigenden Übungen die Brust-
beklemmungen mildern und eine ähnliche Erleichterung, wie das
Bergsteigen, schaffen. Vor allem aber dürfte sich der Apparat beim
Turnen für gewisse Kinder bewähren. Manche Turnlehrer lassen
ihn mit gutem Erfolge von solchen Schülern gebrauchen, die aus
irgend einem Grunde zu den Übungen am Reck und Barren nicht
herangezogen werden können. Auch erteilen Militärärzte jungen
Leuten, welche sich zum einjährigfreiwilligen Dienst gemeldet haben,
aber wegen ungenügenden Brustumfangs zurückgestellt werden mufsten,
öfter den Rat, sich mit dem „Largiadör" fleifsig zu üben, damit
ihre Brust sich durch diese Gymnastik erweitere. Wieviel der
Apparat in dieser Beziehung zu leisten vermag, zeigen die Angaben
von K. Sbll in Bremen, welcher denselben zur Vermehrung der
Lungenkapacität und Vertiefung der Atmung bei stotternden Schul-
kindern verwendete. Einige Fälle seien hier zahlenmäfsig angeführt :
Brustumfang
Körpergröße in der Brustspielraum
Atempause
A. 15 jähriger Knabe
bei Beginn der Übungen 1,56 m 68 cm 68 — 72 cm
nach 3 Monaten 1,60 „ 70 „ 68—79 „
B. 14jähriger Knabe
bei Beginn der Übungen 1,46 „ 66 „ 65 — 69 „
nadi 2 Monaten 1,48 „ 66 „ 64—71 „
C. 15 jähriges Mädchen
bei Beginn der Übungen 1,64 „ 75 „ 75—78 „
nach 4 Monaten 1,68 „ 76 „ 75—81 „
nach 7 Monaten 1,71 „ 77 „ 75—82 „
D. 16 jähriges Mädchen
bei Beginn der Übungen 1,36,, 67 „ 67—70 „
nach 6 Monaten. . ... 1,42 „ 70 „ 68—76 „.
So haben denn auch verschiedene Autoritäten auf dem Gebiete
des Turnwesens, wie Schulrat Dr. Euler und Professor G. Ecklrr
in Berlin, Wirklicher Rat G. H. Weber in München, Direktor
Alfred Maul in Karlsruhe, den LARQiADÄRschen „Arm- und
Bruststärker" empfohlen. Sie sehen in ihm nicht nur eine dankens-
93
werte Bereicherang der Hilfsmittel mechanischer Heilgymnastik,
sondern glauben auch, dafs er bei streng geregeltem Turnbetriebe
in der Schule, zumal in der Mädchenschule, mit Erfolg Ver-
wendung finden kann. In Übereinstimmung hiermit hat der
Kaiserliche Oberschulrat von Elsafs - Lothringen die Einführung
des Apparates beim Schulturnen für Mädchen durch Erlafs vom
9. November 1885 ausdrücklich genehmigt.
Über die öffentliche Fürsorge für Idioten, so betitelt sich
ein Aufsatz, den Dr. Rubella im „Centrbl. f. Nervhlkde. u. Pisychiafr."
publiziert hat. Eine Idiotenstatistik existiert für Preußen nicht,
jedoch hat eine Zählung der Irren und Idioten- in Württemberg, im
Kanton Zürich, in den russischen Ostseeprovinzen und in Dänemark
mit grofeer Übereinstimmung ergeben, dafs ein Schwachsinniger auf
500 bis 600 Einwohner kommt. Für Schlesien würde das, um ein
Beispiel anzuführen, mehr als 8000 Idioten und Imbecille ausmachen.
Nur ein Bruchteil dieser Gesamtzahl ist der Anstaltspflege bedürftig,
indem nach den Erfahrungen in Württemberg, Hannover u. s. w.
auf 3000 bis 4000 Einwohner ein zu hospitalisierender Idiot kommt.
Eine Verbindung der Fürsorge für Idioten und Epileptiker hat nur
innerhalb eines kleinen Bezirkes ihre Vorzüge, wo dann nur eine
Anstalt notwendig ist; in groben Bezirken scheint es geratener, für
beide Kategorien gesondert zu sorgen. Epileptische Kinder sind am
besten in die Idiotenbildungsanstalt zu schicken. Zur weiteren Ent-
wickelung der Idiotenfürsorge würde eine öffentliche Erziehungsanstalt
rar schwachsinnige Kinder erforderlich sein. Die Idiotenbildungs-
und Erziehungsanstalt kann nur unter ärztlicher Leitung eine natur-
gemäße Organisation ermöglichen. Nur der Kenner der Hirn-
pathologie vermag den Idioten, d. h. den chronisch Hirnkranken,
mit den Folgezuständen seines Leidens zu verstehen, zu leiten und
zu behandeln. Eine Gründung besonderer, für sich bestehender
Idiotenanstalten ist nicht unbedingt erforderlich. Eine Idioten-
anstalt von bescheidenem Umfange läfet sich sehr wohl an die
eine oder andere öffentliche Irrenanstalt anschliefsen, wie dies
z. B. in Dalidorf bei Berlin oder in Bicetre zu Paris der Fall ist.
Absolut bildungsunfähige jugendliche Idioten aber könnten zusammen
mit den Erwachsenen, wie bisher, so auch in Zukunft in den
Pflegeabteilungen der Irrenanstalten versorgt werden.
Schulhygiene in Paris. In Paris, so schreibt die „Wim.
med. Wochenschr." , ist das Problem eines allen Anforderungen ent-
sprechenden Volksschulgebäudes sehr schwer zu lösen. Der Preis
eines Bauplatzes in gewissen Stadtteilen beträgt mehr als 1000
Franken per Q Meter und bildet so oft ein ökonomisches Hindernis,
mit dem die Gemeinde rechnen mufe. Dieselbe hat trotzdem das
94
Möglichste gethan und in allen Vierteln eine grofse Anzahl von
nenen Schulgebäuden errichtet. Da man aber gezwungen war , bei
Neubauten, so gut es eben ging, das Vorhandene zu benutzen, so
konnte man nicht allen hygienischen Anforderungen gerecht werden.
So kam es z. B., dafs sich in der Rue de Claude Bernard Schulen
befinden, die unter dem Niveau der Strafse liegen und derart höchst
prekäre gesundheitliche Verhältnisse darbieten. Aber diese Verhält-
nisse sind natürlich nur vorübergehend. Neue Schulgebäude , gut
verwaltet und hygienisch zweckmäfsig konstruiert, werden allmählich
die alten ersetzen. In den Lyceen und Colleges, wo die Schiller
in Pension leben, haben seit dem Jahre 1878 nur wenige Änderungen
stattgefunden. Das System der grofsen Schlafsäle, in denen nach
Art der Spitäler Bett an Bett stöfst, wird noch immer beibehalten,
da die Absicht, durch Verschlage abgeteilte Schlafräume, wie in der
6cole Monge, herzustellen, noch nicht allgemein durchgeführt ist.
Das für den Bau und die Einrichtung von Seminaren von der
Kommission für Schulbauten ausgearbeitete Reglement stellt folgende
Vorschriften auf : Die Schlafräume sollen nie mehr als 30 Betten
enthalten und durch an den Längswänden angebrachte Fenster be-
leuchtet und ventiliert sein. Die Höhe dieser Fenster mufs mindestens
4 Meter, ihre Breite ungefähr 1,5 Meter betragen. Die Betten der
Zöglinge sind mit einem Zwischenraum von mindestens 1 Meter auf-
zustellen und durch Verschlage oder bewegliche Vorhänge vonein-
ander zu trennen. Die Vorschrift lenkt ferner die Aufmerksamkeit
der ärztlichen Schulinspektoren auf das etwaige Vorhandensein be-
stimmter, besonders infektiöser Krankheiten in der untersuchten Anstalt.
Der inspizierende Arzt hat das Recht, einem von einer ansteckenden
Krankheit befallenen Kinde den Besuch der Schule zu verbieten. Er
ordiniert nötigenfalls gelegentlich der Schulvisitation, braucht aber
kranke Kinder in ihrer Wohnung nicht zu besuchen. Ferner verfügt
er im Falle einer Epidemie die nötigen prophylaktischen Malsregeln,
die Art der Desinfektion und die eventuelle Schliefsung der Schule
für eine bestimmte Zeit. Die auf diesem Wege erzielten Resultate
sind sehr zufriedenstellende. Die Reinlichkeit der städtischen Schulen
ist eine bessere geworden, und die parasitären Krankheiten der
Kopfhaut1 sind bei den Schülern fast ganz verschwunden.
1 Vgl. diese No., S. 84.
95
Sagesgefdii^Uidies»
Internationaler Ärztekongrefs in Rom. Wie die „Biforma
med." berichtet, hielt das Komitee des diesjährigen internationalen
Arztekongresses in Rom am 27. Oktober v. J. eine Versammlung ab, am
aber den Termin für den Beginn desselben zu beraten. Der Vor-
sitzende, Professor Bacoelli, teilte mit, dafs der König versprochen
habe, den Kongrefe zu eröffnen. Auf Antrag des Professor Foa wurde
einstimmig beschlossen, Seine Majestät um Annahme des Ehren-
präsidiums anzugehen. Der Sekretär des Komitees, Professor
Maragliano, bemerkte, dafs auf Wunsch amerikanischer Ärzte
wegen des Kongresses in Chicago der Eröffnungstag auf den
24. September und der Schlafs auf den 1. Oktober anberaumt sei.
Um den Besuch des internationalen Ärztekongresses zu fördern, sind
in den verschiedenen Ländern Nationalkomitees eingesetzt worden.
Aach haben die meisten Eisenbahn- und Dampfschifffahrtgesellschaften
den Mitgliedern desselben ermäßigte Preise für die Hin- und Rück-
fahrt nach Rom bewilligt.
Der deutsche Verein für öffentliche Gesundheitspflege
wird seine nächste Jahresversammlung in der zweiten Hälfte der
Pfingstwoche, vom 25. bis 27. Mai 1893 in Würzburg abhalten.
Die Einführung der Steilschrift in die Schulen macht
sowohl in Deutschland wie in Österreich immer weitere Fortschritte.
Einem von Dr. P. Schreiber im Verein für öffentliche Gesundheits-
pflege zu Magdeburg gehaltenen Vortrage „Über die Steil-
schrift" entnehmen wir, dafs die städtische Schuldeputation daselbst
anf Grund einer Eingabe des Lehrervereins „Diesterweg" an-
geordnet hat, in einigen Klassen dreier verschiedener Schulen mit
dem Steüschriftunterricht zu beginnen. — In Flensburg schreiben,
wie uns Herr Hauptlehrer A. Scharpf mitteilt, dreiviertel der
Schulen senkrecht, von 104 Klassen 73, ungefähr 4000 Kinder.
Eine gleiche Anzahl Steilschreiber dürfte in den übrigen Schulen
Schleswig-Holsteins sich finden. Namentlich in Altona wird von
zwei Klassen der unter Leitung des Rektor Tönsfbldt stehenden
Knabenmittelschule steil geschrieben-, von der trefflichen Körper-
haltung dieser Schüler konnten wir uns selbst überzeugen. — In den
München er Volksschulen sind schon vor einiger Zeit Erhebungen
betreffs eventueller Einführung der Steilschrift oder einer anderen ent-
sprechenden Schriftart gepflogen worden. Der ärztliche Verein daselbst
96
hatte ein Schema hergestellt, das bei diesen Erhebungen zur Ver-
wendung gelangte. Gleichzeitig hat ein hervorragender Augenarzt
die Eintragungen in die Listen an Ort und Stelle überwacht und sich
bezüglich der fraglichen Angelegenheit mit dem Lehrpersonal in
Einvernehmen gesetzt. Das erwähnte Schema war folgendes:
I.
Heftlage
Linke Schulter
vorstehend
Rechte Schulter
vorstehend
Gerader Sitz
parallel zum
Pultrand
Summa
m m
1. Gerade Mitten-
lage
2. Schräge Mitten-i
läge |
3. Gerade Rechts-
lage
4. Schräge Rechts-
lage
Summa
■
.
IL
Heftlage
Linkes Auge
oder Ohr tiefer
stehend
Rechtes Auge
oder Ohr tiefer
stehend
Beide Augen
oder Ohren in
gleicher Höhe
Summa
1. Gerade Mitten-
lage
•
2. Schräge Mitten-
lage
3. Gerade Rechts-
lage
•
4. Schräge Rechts-
lage
Summa
97
— Der Ortsschalrat des IV. Wiener Gemeindebezirkes hat im gesund-
heitlichen Interesse der Schuljugend einstimmig beschlossen, die obliga-
torische Einführung der Steilschrift in sämtliche Schulen der 19
Wiener Gemeindebezirke schon vom nächsten Schuljahre 1892/93
an bei dem Bezirksschulrate der Stadt Wien zu beantragen. Durch
den Ministerialsekretär im k. k. Handelsministerium Dr. ED.
ÜRBANT8CHITSCH war diese Angelegenheit in Anregung gebracht
worden. Zugleich erfahren wir, dafs die Steilschriftfrage auf die
Tagesordnung der Landeslehrerkonferenz gesetzt worden ist. Zum
praktischen Studium dieser Frage waren zwei namhafte Ärzte, unser
geschätzter Mitarbeiter, Herr Professor Dr. H. COHN, und der Orthopäde,
Geheimer Medizinalrat Dr. Mikulicz, in diesem Jahre von Breslau
nach Wien gereist. Dieselben besichtigten mit Erlaubnis der Schul-
behörde die steilschreibenden Klassen der unter Leitung des
Direktor Emanüel Batr stehenden Mädchenschule und zollten dem
durch diese Schreibweise erzielten Erfolge hinsichtlich der Körper-
haltung sowohl vom augenärztlichen, als vom orthopädischen Stand-
punkte vollsten Beifall. — Aus Budapest wird dem „Fest. Lloyd*1
berichtet: Der ungarische Minister des Innern hat in einem Re-
skripte an die Hauptstadt Budapest die Mitteilung von der probe-
weisen Einführung der Steilschrift in den städtischen Schulen zur
Kenntnis genommen und gleichzeitig bekannt gegeben, dafs er zur
Prüfung der Resultate dieses Versuches eine aus den Mitgliedern
Dr. Verkdy (Vorsitzender), Dr. Gebhard, Dr. Sc heermann,
Dr. Dollinger, Dr. Czapodi, Dr. Hoor, Dr. Jüba, Dr. Karmann,
Dr. A. Ki88, Direktor Pöra, Direktor Jenet und Karl Vayda
bestehende Kommission entsendet habe. — Von dem k. k. Landes-
scbnlrat von Mähren wurde nach der „Dtsch. Medztg." beschlossen,
die Steilschrift an den Volks- und Bürgerschulen noch nicht überall
obligatorisch einzuführen. Wohl aber ist dort, wo die Bedingungen
n einer zweckmäfsigen Durchführung vorhanden sind, mit derselben
in der untersten Klasse zu beginnen und, wo sie bereits eingeführt
ist, soll sie beibehalten werden. — Wir benutzen diese Gelegenheit
noch zu einer Berichtigung über die Schrift der Kaiser-
liehen Prinzen in Berlin. Dieselbe ist nicht, wie wir in
So. 7, 1892, berichteten, vollständig senkrechte Schrift. Sie nähert
sieb aber derselben stark an, indem sie einen nur geringen Neigungs-
winkel besitzt. Auch werden beim Unterrichte, den der Seminar-
oberlehrer Fbchner erteilt, die dem Princip der Steilschrift au-
gepafsten Normalschreibhefte von E. Hertbl und A. Lampe1, und
zwar Heft 2, 3 und 4, benutzt.
1 S. diese Zeitschrift, 1892, No. 6, S. 292.
Sefe«lfOTmdh«itspfl«g« VI.
98
Rfickgratsverkrümmüiig nnd Knrzsichtigkeit von Schüle-
rinnen in Köln. Vor einiger Zeit wurde in Köln, wie wir der
„Päd. Warte" entnehmen, eine ärztliche Untersuchung von Schülerinnen
auf Rückgratsverkrüramnng und Kurzsichtigkeit vorgenommen, die
2U folgenden Ergebnissen führte: Von 439 Mädchen waren 337
ohne Rückgrats Verkrümmung ; 92 hatten einen leichten Anfang, der
ohne Schwierigkeit beseitigt werden kann; 3 litten an stärker
entwickelter Verkrümmung, deren Heilung schon Mühe und Aus-
dauer verlangt; bei 7 war das Leiden bereits soweit vorgeschritten,
dafe kaum eine Heilung noch möglich ist. Die Schülerinnen, welche
Verkrümmungen zeigten, wurden auch auf Kurzsichtigkeit untersucht*,
Von den 102 Skoliotischen waren nur 12 myopisch. Diesem Übel
kann also die Ursache der Verkrümmung nicht wohl zugeschrieben
werden. Dagegen gibt die Steigerung der Fälle mit den Schul*
jahren zu denken. Das Ergebnis in den einzelnen Klassen, beziehungs-
weise nach den verschiedenen Schuljahren, war nämlich folgendes:
erstes Schuljahr, VI. Klasse: 72 Schülerinnen, sämtlich ohne
Verkrümmung; zweites Schuljahr, V. Klasse: 63 Schülerinnen, von
denen 59 keine, 4 den Anfang einer Verkrümmung aufwiesen;
drittes Schuljahr, IV. Klasse: 69 Schülerinnen, darunter 13 mit
Verkrümmung und 1 von diesen kurzsichtig; viertes Schuljahr,
III. Klasse: 73 Schülerinnen; von diesen waren 20 mit Rückgrats-
Verkrümmungen, 2 der letzteren mit Kurzsichtigkeit behaftet; fünftes
und sechstes Schuljahr, IIB. Klasse: 53 Schülerinnen, unter denen
13 an Rückgratsverkrümmungen, und zwar 4 an fast unheilbaren
litten, 1 kurzsichtig war; fünftes und sechstes Schuljahr, IIA. Klasse-.
56 Schülerinnen, 22 mit Verkrümmungen der Wirbelsäule, darunter
3 fast unheilbar, 6 kurzsichtig; siebentes und achtes Schuljahr,
I. Klasse: 53 Schülerinnen, 20 mit Rückgratsverkrümmungen, die
3 mal schon stärker entwickelt waren, 2 davon kurzsichtig.
Zwei Erkrankungsfälle infolge von Überbfirdng werden
von J, A. Diggle zu London in „The Hospit. Gas.* mitgeteilt.
Alfred C, ein ungewöhnlich intelligenter Knabe von 4 Jahren
8 Monaten klagte eines Tages beim Frühstück über heftiges Kopf*
weh. Trotz seiner Jugend hatte er die Vorschule bereits 6 Monati
besucht und, da er sehr fleifsig war, die oberste Klasse erreicht In
die höhere Schule konnte er jedoch seines Alters wegen noch nicht
aufgenommen werden. Der Arzt traf ihn im Bett, leicht gerötet,
mit sehr heifsem Kopf und einer Temperatur von 99,2°. Die Zunge
war etwas belegt. Beim Frühstück hatte er Erbrechen gehabt,
seitdem nicht wieder. Die Nacht war unruhig; der Knabe phanta-
sierte und sprach viel von der Schule. Die Temperatur stieg auf
99,4°. Auch die folgende Nacht brachte noch keine Besserung.
99
Am nächsten Morgen jedoch war der Kranke ruhig nnd still, wenn
auch noch leicht erregbar, und hatte volles Bewnfstsein. Am Nach-
mittage aber betrog die Temperatur 100,2°, nnd die Delirien kehrten
wieder, so dafs eine Eisblase auf den Kopf verordnet wurde. Erst
Tom vierten Tage an blieb die Besserung konstant, obwohl der
Kopf noch sehr heifs war, da die Mutter die Eisblase eigenmächtig
Ton demselben entfernt hatte. Der Kleine schlief in der Nacht und
spielte Tags Ober im Bette. Die Temperatur war normal. Am
elften Tage konnte er wieder aufstehen und aus der ärztlichen
Behandlung entlassen werden. Der zweite Fall betraf einen kräftigen,
wilden Jungen, der vor kurzem das 7. Jahr erreicht hatte. Er
bildete zu dem vorigen insofern einen Gegensatz, als er faul und
kein Freund des Unterrichts war, auch in sämtlichen Lehrgegen-
stftuden, mit Ausnahme des Zeichnens, nichts leistete. Bei der
letzten Versetzung war er sitzen geblieben, und der Lehrer hatte
ihn deshalb ziemlich streng, vielleicht etwas zu streng behandelt.
Gerade Tags vor der neuen Prüfung war er von Erbrechen und
heftigem Kopfschmerz befallen worden. Als der Arzt ihn sah,
zeigte er sich schläfrig, aber auch zeitweise aufgeregt. Seit dem
Frühstück, bei welchem er nur sehr wenig genossen hatte, brach
er alle ö Minuten. Sein Kopf war sehr erhitzt, seine Pupillen
verengt, die Temperatur 100°* Am liebsten verbarg er sein Gesicht
in den Kissen. Delirien bestanden nicht, doch klagte der Knabe
«ber 8chmerzen und grofse Abgespanntheit. Kalte Umschläge auf
den Kopf brachten Erleichterung. Am dritten Tage sank die
Temperatur auf 99°, der Kranke blieb stundenlang ruhig, und am
vierten Tage verlangte er im Bette bereits nach seinem Zeichen-
höhe. Von nun an nahm die Genesung ihren ruhigen Fortgang
rad war am sechsten Tage beendigt. Da der eine sehr fleifeige
Knabe zu früh zur Schule geschickt, der andere träge ziemlich
stark beim Unterrichte angestrengt worden war, so fahrt J. A. Digcilb
die Erkrankungen auf ÜberBürdung zurück, zumal die Symptome auf
eine Beteiligung des Gehirns schliefsen liefsen. Er empfiehlt gegen
solche Zustände Bromide und Eisumschläge auf den Kopf.
Versammlung von Schulmännern zur Besprechung der
bklegischen Grundlagen der Pädagogik. Das pädagogische
Sfänzchen des Bezirkslehrervereins Bamberg-Stadt, so schreibt die
„IfctyerY Lehret etg. tf , begann mit dem letzten Schuljahre unter
Leitung des Herrn Seminarlehrers Dr. Stimpfl seinen zweiten
Jshreskurs. Dasselbe hat sich das Studium der Pädagogik und
ihrer Grundwissenschaften zur Aufgabe gestellt. Zur Lösung derselben
finden, wie im Vorjahre, wöchentlich zweimal Versammlungen statt.
Ab dem einen Abende werden die biologischen Grundlagen der
100
Pädagogik, normale Anatomie, Physiologie und Hygiene des Kindes,
an dem anderen die philosophischen Grundlagen, Psychologie des
Kindes und Ethik, sowie ihre pädagogische Anwendung behandelt.
Untersuchung der Zähne von Londoner Schulkindern.
Wie in den Han well schulen,1 so sind jetzt auch in den Sutton-
schulen von London die Zähne der Kinder untersucht und Mit-
teilungen darüber an die Schulbehörde Süd-Londons abgesandt
worden. Danach hatten von 1985 untersuchten Schulkindern nur
527 gesunde Zähne, während 4677 Zähne, nämlich 1686 bleibende
und 2991 Wechselzähne, ärztliche Behandlung nötig hatten. Von
den 1686 bleibenden Zähnen mufsten 1173, von den 2991 Wechsel-
zähnen 2025 gefüllt, die übrigen sämtlich ausgezogen werden. Die
Leitung der Schule würde gut thun, so bemerkt „The BrU.
Med. Journ.", den Rat der zahnärztlichen Gesellschaft von England
zu befolgen und, wie die Hanwellschulen, einen Zahnarzt für die
Kinder anzustellen. Derselbe müfste £ 150 bis £ 160 jährlich
erhalten und dafür die Schule in bestimmten Zwischenräumen
besuchen; aufserdem wären für die erste Einrichtung £ 40 und für
Material £ 10 erforderlich. Auf diese Weise würde manches
örtliche Leiden verhütet und das Allgemeinbefinden gefördert werden,
da die Ernährung nur dann genügend ist, wenn der Kauakt nicht
durch kranke Zähne gestört wird. Es kann für diejenigen, denen
die Fürsorge für Kinder anvertraut ist, nicht oft genug betont
werden, dafe die Wohlthaten einer zahnärztlichen Überwachung die
durch dieselbe entstehenden Kosten bei weitem überwiegen.
Urteil des Reichsgerichts, die Überschreitung des Züch-
tigungsrechtes der Lehrer betreffend. Der als Lehrgehilfe an
der Volksschule zu G. in Württemberg angestellte Angeklagte hat,
wie die „Kath. Schulztg." berichtet, am 19. Februar 1891 dem
noch nicht zehn Jahre alten Schüler Albert F., um ihn wegen fort-
gesetzter Unaufmerksamkeit zu bestrafen, mit einem Stecken zwei
Schläge auf das Gesäfs gegeben, welche dem Knaben einige Tage
dauerndes Schmerzgefühl und Blutunterlaurangen an dem getroffenen
Körperteile verursacht haben. Die hiernach von dem Angeklagten
als Beamten in Ausübung seines Amtes vorgenommene körperliche
Züchtigung hat das Gericht — abgesehen von der Verfügung des
Ministeriums vom 22. Mai 1880 — nicht als die Grenzen eines
maCsvoll und vernünftig geübten Züchtigungsrechtes überschreitend
erachtet. Nach der genannten Verfugung war allerdings der An-
geklagte als unständiger Lehrer nicht befugt, einem Schüler, zumal
einem solchen unter 10 Jahren, Schläge auf das Gesäfs zu geben.
1 S. diese Zeitschrift, 1892, No. 5, S. 233—234.
101
Das Gericht hat aber auch diese Schuldfrage verneint, da nach einer
am 9. Dezember 1884 vom Knitosministerium gegebenen authentischen
Auslegung die Verfügung vom 22. Mai 1880 nur als ein „Wunsch",
ein „Ratschlag44 und nicht als bindend anzusehen sei. Da hiernach
festgestellt worden, der Angeklagte habe die fragliche Züchtigung
nicht rechtswidrig vorgenommen, so sei er freizusprechen gewesen.
Auf Revision der Staatsbehörde gegen diese Freisprechung hat jedoch
das Reichsgericht die Auffassung, als ob die Verfügung vom 22. Mai
1880 nur Ratschläge und Wünsche enthalte, zurückgewiesen und
aasgesprochen, dafs durch jene Verfügung die Grenzen der körper-
lichen Züchtigung festgestellt worden seien. Hiernach war die Frei-»
sprechung des Angeklagten nicht aufrecht zu halten, sondern es
mußte, wie durch Urteil des Reichsgerichts vom 10. Dezember 1891
geschehen ist, wegen rechtswidrig vorgenommener Züchtigung auf
schuldig erkannt werden.
flandfertigkeitsunterricht in Rufsland. Auch in Rufsland
macht der Handfertigkeitsunterricht immer weitere Fortschritte. Mittel-
punkt der betreffenden Bestrebungen ist nach der „Dtsch. Schulelg*
das Petersburger Institut für Lehrer dieses Faches. Von der Regierung
sind demselben 3000 Rubel zur Verfügung gestellt worden. Aufser-
dem wurden an verschiedenen Orten während der Ferienzeit elf
periodische Lehrerkurse abgehalten. Das russische Kriegsministerium
hat beschlossen, den Arbeitsunterricht in alle Kadettenanstalten ein-
zuführen. Zu diesem Zwecke wurde bereits im Sommer 1891 ein
Unterrichtskursus für Offiziere, welche an Kadettencorps kommandiert
sind, veranstaltet. Im ganzen erteilen bis jetzt 116 Anstalten Hand-
arbeitsunterricht, nämlich 4 Lehrerinstitute für Handfertigkeit, 14
Lehrerseminare, 4 Mittelschulen, 16 Kadettencorps, 44 höhere
Bürgerschulen und 34 Elementarschulen.
Mensa academica in Wien. Gegen Ende des vorigen Jahres
wurde einem Berichte der nN. fr. iV.tt zufolge die akademische
Speisehalle in Wien ihrer Bestimmung übergeben, und der alle Er-
wartungen übertreffende Andrang seitens der Studenten bewies, wie
sehr diese Institution dem Bedürfhisse entspricht. Der Frühstücks-
tisch war naturgemäfs weniger stark besucht; hier mag wohl die
eingebürgerte Gewohnheit, in den Kaffeehäusern zu frühstücken, wo
man für verhältnismäßig billige Preise Kaffee und die unentbehrliche
Zeitungslektüre geniefsen kann, die Hauptursache sein. Um so leb-
hafter ging es aber zur Mittagsstunde an der mensa academica zu.
um 12 Uhr war die für 150 Personen berechnete Speisehalle von
einer doppelten Anzahl von Studierenden gefüllt. Dicht gedrängt
«afaen die Mittagsgäste an den Tischen und afsen buchstäblich im
Schweifte ihres Angesichtes ihr Brot. Derjenige, der sich schon im
102
glücklichen Besitze eines Platzes befand, wurde von * mehreren
Dutzend Nachzüglern umlagert, welche mutig ausharrten, um sich
einen freigewordenen Sitz zu erobern, und so ging es mit und ohne
Grazie weiter. Dafs die Bedienung durch die vorläufig wenigstens
ungenügende Zahl der fünf Universitätsdiener eine wenig befriedigende
war, darf nicht wunder nehmen. Auch viele Neugierige, denen man
es auf den ersten Blick ansah, dafs sie ein Diner im Restaurant
vorziehen, wohnten der heutigen „Premiere" bei. Von 12 bis
2 Uhr herrschte im Saale und in der Rathausstrafse vor dem Hanse
No. 6 ein ewiges Ab- und Zufluten der appetitgesegneten Musen-
söhne. Mehrere der Abonnenten, die infolge des Andranges ungeduldig
wurden, suchten die Coupons ihrer Abonnementskarten an den Mann
zu bringen, um sich in der nächsten Bierhalle zu restaurieren.
Trotz aller dieser kleinen Zwischenfälle, ohne welche keine Novität
in Scene geht, bewährte sich die mensa zu vollster Zufriedenheit
aller Besucher. Die Erfahrung wird lehren, ob nicht schon in diesem
Semester an eine Vergröfserung des Lokales gedacht werden mufs.
Kinderheilherberge Bethesda zu Soolbad ßoczalkowitz in
Schlesien. Bei dem häufigen Vorkommen der Skrofulöse unter der
Schuljugend dürfte es von Interesse sein, zu hören, dafs die Kinder-
heilherberge Bethesda zu Soolbad Goczalkowitz im schlesischen Kreise
Plefs erweitert werden soll. Bisher konnten bei den unzureichenden
Mietsräumen nur wenig über 100 Patienten jährlich in 4 Ab«
teilungen aufgenommen werden, so dafs seit der Gründung der Anstalt
im Jahre 1880 760 arme skrofulöse Kinder geheilt oder gebessert
worden sind. Nunmehr aber gedenkt der Vorstand und Stiftungsrat
den Bau eines eigenen Krankenhauses in Angriff zu nehmen, welches
die Aufnahme von mindestens 180 Kindern jährlich ermöglicht.
Die gröfsere Hälfte des Baukapitals ist bereits beschafft, die kleinere
hofft man durch Sammlungen aufzubringen.
ämtltd)e Verfügungen.
Bescheid des Königlich prenfsischen Kriegsministeriums über
die Benutzung der Exerzierplätze zu Jugendspielen.
Berlin, den 9. Mai 1892.
Indem Euer Hochwohlgeboren das Kriegsministerium für die
gefällige Übersendung des Protokolls der ersten Generalversammlung
des Centralausschusses zur Förderung der Jugend- und Volksspiele
in Deutschland seinen ergebensten Dank ausspricht, erwidert es mit
103
Bezug auf die dabei vorgetragene Bitte wegen eventueller Benutzung
der Exerzierplätze, beziehungsweise Exerzierhallen und Reithäuser durch
Spielgesellschaften, dafe eine Benutzung von Exerzierhäusern und Reit-
bahnen aus dienstlichen Rücksichten nicht gestattet werden kann.
Dagegen ist gegen die Benutzung von Exerzierplätzen an Sonn- und
Feiertagen zu dem in Rede stehenden Zweck unter der Voraussetzung
nichts einzuwenden, dafs das betreffende Generalkommando seine
Zustimmung erteilt und • dafs die betreffende Spielgesellschaft sich
verpflichtet, keinerlei Veränderung, wie Löcher u. s.w., an der Oberfläche
des Exerzierplatzes vorzunehmen und für jeden etwa dennoch ent-
stehenden Schaden aufzukommen.
Die Generalkommandos haben die entsprechende Mitteilung er-
halten.
(Gez.) von Kaltbnborn.
An
den Vorsitzenden des Centralausschusses zur Förderung
der Jugend- und Volksspiele in Deutschland.
Grundsätze für die Aufrechterhaltung der Sauberkeit an den
höheren Schulen im Anfsichtsbezirke des Königlichen Provin-
zialschulkollegiums zn Cassel.
§. 1-
Die Reinigung der Klassenzimmer und des Zeichen-
saales erfolgt:
a. wöchentlich mindestens zweimal (am Mittwoch- und Sonn-
abendnachmittag) gründlich durch Auskehren, und zwar, um das
Aufwirbeln des Stanbes zu vermeiden, nachdem der Fufsboden
reichlich mit ausgestreuten nassen Sägespänen oder mit nassem
Torfmull oder nasser Lohe bedeckt worden ist. Zum Anfeuchten ist
warmes Wasser zu verwenden.
Aufserdem sind
b. alljährlich mindestens viermal gründliche Hauptreinigungen
Torzunehmen, und zwar, was auch bei allen übrigen Räumen gilt,
hei geöltem Fufsboden und Parkettfußboden mit warmem Wasser,
Seife und Scheuertuch, bei nicht geöltem Fußboden mit warmem
Wasser, Sand, Seife und Schrubber, bezw. Bürste. Zuvor ist von
den Decken und Wänden, wenn dieselben nicht frisch geweilst,
beziehungsweise gefärbt sind, der Staub abzukehren. Getäfel und
Mobiliar sind mit warmem Wasser und Seife abzuwaschen; ebenso
die Fenster auf der Innen- und Aufsenseite. Auch sind Thürgriffe,
Beschläge u. s. w. sacbgemäfs zu reinigen und zu putzen.
e. Ein Abwischen des Staubes von den Tischen und Bänken,
den Bücherplätzen der Schüler unter den Pulten, von den Schränken
104
u. s. w., sowie die Entfernung des Staubes aus den Ofenkacheln hat
mit feuchten Tüchern, von Aufsenteilen eiserner Öfen mit trockenem
Tuche an jedem Mittwoch und an jedem Sonnabend mit aller Gründ-
lichkeit und Sorgfalt zu erfolgen.
§• 2.
Die Reinigung der Bibliothekräume und des physika-
lischen Kabinetts hat nach den im §. 1 angegebenen Grundsätzen
stattzufinden, und zwar unter Aufsicht des Bibliothekars, beziehungs-
weise der betreffenden Fachlehrer
a. viermal jährlich gründlich (Scheuern),
b. monatlich einmal durch feuchtes Aufziehen.
Bei den Hauptreinigungen sind nicht nur die unter §. 1, b>
2. Absatz erwähnten Verrichtungen vorzunehmen, sondern es bleiben
unter der vorgedachten Aufsicht auch die Apparate zu reinigen;
ferner ist der Staub aus den Fächern der Repositorien mit feuchten
Tüchern auszuwischen, worauf mit einem trockenen Tuche nach-
zuwischen ist.
§. 3.
Flure, Gänge und Treppen sind
a. wöchentlich mindestens einmal gründlich zu waschen, be-
ziehungsweise zu scheuern und
b. an den übrigen Wochentagen mit nassen Sägespänen oder
dergleichen ordentlich zu kehren.
c. Das Abkehren der Decken und Wände, das Abwaschen des
Holzwerks, das Putzen der Fenster, Griffe und Beschläge erfolgt
nach Bedürfnis, namentlich in gründlicher Weise bei den grofsen
Reinigungen des ganzen Anstaltsgebäudes (§. 1, b.).
Die Aula ist wöchentlich mindestens einmal mit nassen Säge-
spänen u. s.w. zu kehren, aufserdem aber mehrere Tage vor jeder Schul-
feier gründlich abzuwaschen. Stühle, Bänke, Büsten, Kronleuchter,
Lampen, nicht minder Heizanlagen, Öfen, Beschläge u.s. w.sind Staubfrei,
beziehungsweise sauber zu erhalten. Nach Bedürfnis, mindestens
vierteljährlich einmal, sind auch die Fenster zu putzen und die Wände
sorgfältig abzukehren.
§. 5.
Die Dielenböden der Turnhallen sind wöchentlich mindestens
einmal gründlich zu scheuern und täglich, d. h. nach jedem Ge-
brauche, mit nassen Sägespänen u. s. w. gründlich auszukehren, wofür
auch nasses Aufziehen angeordnet werden kann.
Bei allen diesen Reinigungen ist der Staub von den Wänden
abzukehren und von den Geräten u. s. w. mit nassen Tüchern, von
105
den Außenseiten eiserner Öfen mit trockenem Tuche abzunehmen.
Alle Tierzehn Tage werden die Fenster geputzt.
§. 6.
Hofraum und Turnplato sind täglich zu reinigen, auch bei
heüsem Wetter während der Schulzeit mit kaltem Wasser zu be-
sprengen.
§• 7.
Vorhänge, beziehungsweise Rouleaux sind in sach-
gemäßer Weise zu reinigen und staubfrei zu erhalten; mindestens
einmal jahrlich sind sie abzunehmen und gründlich zu reinigen,
eventuell zu waschen.
Bemerkung: Nach ärztlichem Gutachten empfehlen sich als
Schutzvorrichtungen gegen Sonnenlicht am meisten Zugvorhänge
von grauer, durchscheinender Leinwand, die an eisernen Stangen
Aber den Fenstern anzubringen sind und zur Seite gezogen werden
können.
§. 8.
Das Reinigen der Schornsteine, der Heizanlagen, be-
ziehungsweise der Öfen hat so oft zu geschehen, dafs eine Be-
lästigung durch Rauch und Rufsteile u. s. w. nicht stattfindet.
§. 9.
Aborte und Pissoirs müssen stets sehr sauber und, soweit
thnnlich, geruchfrei gehalten werden.
Wo Wasserspülungen nicht vorhanden sind, hat in nicht zu
langen Zwischenräumen — mindestens alle Vierteljahr — Abfuhr
der Latrinenstoffe stattzufinden. Auch sind von Zeit zu Zeit Des-
infektionen der Aborte vorzunehmen.
§. 10.
Es ist darauf Bedacht zu nehmen, dafs die Wände und
Decken in den Schulräumen, namentlich in den Klassenzimmern,
wenn nicht alljährlich, so doch ein um das andere Jahr frisch
getüncht werden.
§. 11.
Die Fufsböden sind womöglich jährlich, jedenfalls aber
an nm das andere Jahr mit einem guten Firnisölanstrich zu
versehen.
Bemerkung: Schlechte Fufsböden müssen baldmöglichst
erneuert werden. Dabei ist darauf zu achten, dafs nicht weiches
Holz und zu schmale Bretter zur Verwendung kommen. Weiches
Holz splittert leicht ab und macht einen haltbaren und dauerhaften
Firmsanstrich zur Unmöglichkeit. Dasselbe saugt aufserdem die
Nässe begierig ein und trocknet sehr schwer. Zu schmale, latten-
artige Dielen vermehren unnötigerweise die Ritzen. Am geeignet-
106
sten scheinen eichene Riemenböden zu sein, auf welche sich auch
Schulbänke der neueren erprobten Systeme, wie z. B. die Franken-
thaler Normalschulbank (Lickroth), dauerhaft anschrauben lassen.
§. 12.
Nach dem Gutachten, welches dem Cirkularerlasse des Herrn
Unterrichtsministers vom 11. April 1888, U. IL, No. 8891, bei-
gefügt ist — mitgeteilt durch unsere Cirkularverfügung vom 3. Mai
v. J., S. 1965 — betreffend die Beschaffung zweckent-
sprechender Schulbänke, dürfen behufs der leichteren Reinigung
der Klassen an Schulbänken Tischplatten zum Auf- oder Überklappen
eingerichtet werden.
Im Interesse der Erhaltung der Sauberkeit in den Klassen-
zimmern wird bei Beschaffung neuer Subsellien mit eisernen Gestellen
jene Einrichtung neben den beweglichen Sitzen zur Regel zu
machen sein.
Schulbänke, welche am Boden oder etwas über demselben
Querleisten oder Bretter haben, erschweren das Ausfegen und Feucht-
aufziehen der Klassen.
§. 13.
Die Schüler werden mit Strenge und Konsequenz anzuhalten
sein, vor dem Betreten des Schulgebäudes und der Klassenzimmer
ihre Fufsbekleidung zu reinigen und die Vorschriften zu befolgen,
welche ihnen zur Erhaltung der Reinlichkeit und Ordnung zu
geben sind.
Cassel, den 25. November 1890.
Königliches Provinzialschulkollegium.
(Gez.) Graf zu Eulenburg.
KonkurrenzTorschriften des Wiener Stadtrates zur Erlangung
von Projekten für eine Schulbankkonstruktion auf Grund der
Thesen, welche die vom Wiener Gemeinderate veranlasste
Schulbankexpertise aufgestellt hat.
§. 1-
Zur Erlangung von Projekten für eine Schulbankkon-
struktion nach den von der Schulbankexpertise aufgestellten
Thesen wird von seiten des Wiener Stadtrates eine öffentliche Kon-
kurrenz ausgeschrieben, und ist jedermann im In- und Auslande
berechtigt, ein Projekt hierfür zu überreichen.
§• 2.
Das diesfalls bei dem Wiener Magistrate zu überreichende
Projekt ist sowohl durch Zeichnungen im Maßstäbe von 7& der
natürlichen Gröfse, als auch durch Beschreibung darzustellen. Auch
ist ein Modell in Naturgröfse beizugeben.
107
§. 3.
Nach den von der Schulbankexpertise aufgestellten Thesen soll
die zu konstruierende Schulhank nachstehende Eigenschaften besitzen :
1. Sie mufs so beschaffen sein, dafs die Kinder während des
Unterrichtes in der Bank aufstehen können.
2. Sie soll eine durchlaufende, den normalen Krümmungen der
Wirbelsäule konform gestaltete Rückenlehne haben. Letztere soll die
Eigenschaften der gegenwärtig üblichen senkrecht stehenden Kreuz-
lendenlehne und jene der ehemals verwendeten geneigten hohen
Schulterlehne in sich vereinigen.
Demnach mufs der untere Teil der Lehne bis zur Mitte der
Lendenhöhlung der Wirbelsäule senkrecht stehen und mit einem
Lendenbauschen versehen sein; der obere, mindestens bis zu den
Schulterblättern reichende Schulterteil der Lehne mufs, von dem
prominentesten Punkte des Lendenbauschens angefangen, wenigstens
10 — 15 Grade nach rückwärts geneigt sein.
Diese Lehne ist eine kombinierte Lehne, eine Kreuzlenden-
schulterlehne. Die Sitzfläche soll von vorne nach rückwärts mäfsig
abfallen. In der Regel soll an jeder Bank die zu ihr gehörige
Rückenlehne angebracht sein ; da es aber wegen Raumersparung erfor-
derlich sein kann, dafs die Rückenlehne in Verbindung mit der
Vorderwand der dahinterstehenden Bank gebracht wird, so ist
aofrerdem eine Alternativkonstruktion für die Gestaltung der Vorder-
rad zugleich als Rückenlehne zu projektieren.
3. Die Schulbank soll, wenn die Kinder schreiben, eine
Minnsdistanz haben.
4. Das Schreiben und Freihandzeichnen mufs in der Reklinations-
lage ermöglicht sein.
5. Die Neigung des Pultes soll eine möglichst grofse, mindestens
15 Grade betragende, aber eine solche sein, dais die Hefte und
Bttcher nicht herabrutschen.
6. Beim Sitzen der Kinder sollen deren Füfse auf dem Boden
ruhend sich stützen können.
7. Die Distanz Verschiebung soll womöglich durch Pultbewegung
«rnelt werden.
8. Die Dimensionierung der Bänke ist nach den in beiliegender
Tabelle enthaltenen Mafsen auszuführen.
9. Im übrigen sind die Schulbänke folgendermafsen einzurichten:
Das Sitzbrett ist nach vorne abzurunden und nach rückwärts
leicht auszuschweifen.
Die Tischplatte ist an der höheren Kante mit einer schmalen
Vertiefung zum Hineinlegen der Griffel, Federn etc. zu versehen.
Alle Kanten an jeder Schulbank sind abzurunden. Die Tintengläser
108
sind in die Bank einzulassen und mit einem Verschlufs zn
versehen.
§•4.
Der Preisbewerber mufs ein Patentrecht auf sein Projekt,
respektive die einzelnen Bestandteile desselben für das gesamte
österreichische Reichsgebiet auf mindestens ein Jahr erworben haben,
und hat dies durch Beilage des betreffenden Certifikates und einer
Abschrift der Patentbeschreibung nachzuweisen.
§. 5.
Die Projekte sind spätestens 8 Monate, vom Tage der Eonkurs-
ausschreibung gerechnet, d. i. bis Ende Juni 1893, im Einreichungs-
protokolle des Wiener Magistrates versiegelt und frankiert zu über-
reichen und die einzelnen Zeichnungen und das beizugebende
Modell mit einem und demselben Zeichen oder Motto — ohne
Namensuntersehrift — zu versehen.
Jeder Projektant hat seinem Projekte noch ein versiegeltes Couvert
beizuschliefsen, welches außen mit gleichem Motto oder Zeichen,
wie das Projekt, zu versehen ist und den Namen und die genaue
Adresse des Projektanten, sowie die im §. 4 geforderten Nachweise
zu enthalten hat.
§. 6.
Die Prüfung der einzelnen Projekte wird durch eine von
seiten des Stadtrates einberufene Beurteilungskommission, bestehend
aus Mitgliedern des Gemeinderates, Magistrates, Bezirksschulrates,
Stadtbauamtes, Stadtphysikates und Mitgliedern der Schulbankexpertise
unter dem Vorsitze eines Mitgliedes des Stadtrates vorgenommen
werden.
§•7.
Projekte, welche nicht rechtzeitig eingereicht, oder nicht nach
den Bestimmungen dieser Konkurrenzausschreibung zur Darstellung
gebracht, oder nicht mit den geforderten Nachweisen belegt sind,
werden von der Beurteilung ausgeschlossen.
§.8.
Von denjenigen der eingelaufenen Konkurrenzprojekte, welche
von seiten der Beurteilungskommission zur Ausführung als geeignet
und auch als preiswürdig anerkannt sind, werden die drei besten
durch die Beurteilungskommission mit Preisen prämiiert, und zwar:
das beste Projekt, wenn es den aufgestellten Normen voll-
ständig entspricht, mit 1000 fl. ö. W., das zweitbeste mit 500 fl.
ö. W. und das drittbeste mit 300 fl. ö. W.
Erfüllt jedoch die als beste erkannte Bank die aufgestellten
Normen nicht vollständig, so wird dieselbe mit 500 fl. und die
nächstbeste Bank mit 300 fl. prämiiert.
109
Die zuerkannten Preise werden sofort nach Schlafe der Aus*
Stellung (§. 10) bei der städtischen Hauptkasse in der üblichen
Weise gegen skalamäfsig gestempelte Quittung ausbezahlt.
§.9.
Mit dem Tage der Preiszuerkennung gehen die honorierten
Projekte in das Eigentum der Gemeinde Wien insoweit und insofern
über, dafe die Gemeinde berechtigt ist, für den eigenen Schulbedarf
die Bftnke der prämiierten Konstruktionen — entweder genau nach
den Projekten, oder mit Änderungen — durch sefbstgewählte
Geschäftsleute ausführen zu lassen, ohne hierbei an irgend eine
Verpflichtung gegenüber dem preisgekrönten Projektanten gebunden
xi sein.
Dieses Recht erstreckt sich auf den ganzen, zufolge des Gesetzes
vom 19. Dezember 1890, L.-G.-BJ. vom 20. Dezember 1890, No. 45,
festgestellten Gebietsumfang der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien.
Der Gemeinderat behält sich vor, noch weitere ihm zusagende
Projekte um den Preis von 100 bis 200 fl. anzukaufen.
§. 10.
Die eingesendeten Projekte werden nach der Preiszuerkennung
8 Tage zur allgemeinen Besichtigung ausgestellt.
Die nicht prämiierten und die nicht angekauften Projekte und
Bankmuster sind mindestens 4 Wochen nach geschlossener Aus-
stellung von den sich legitimierenden Eigentümern oder deren Bevoll-
mächtigten in Empfang zu nehmen. Über diese Frist hinaus über-
nimmt die Gemeinde keine Verpflichtung, für die weitere Aufbewahrung
der Projekte und Bankmuster zu sorgen, und kann der betreffende
Projektant die nachträgliche Ausfolgung des Projektes nicht verlangen.
§.11.
Exemplare dieser Preisausschreibung werden in der Hochbau-
abteOung des Stadtbauamtes im neuen Rathause unentgeltlich verab-
folgt und daselbst auch etwa gewünschte Auskünfte erteilt.
Vom Stadtrate der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien.
Personalien
Herr Dr. med. Fr. Dornblüth, praktischer Arzt in Rostock,
hat sich zur Mitarbeit an unserer Zeitschrift bereit erklärt.
Dem Unterstaatssekretär im Königlich preußischen Ministerium
der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, Dr. von
110
Weyrauch in Berlin, ist der rote Adlerorden II. Klasse mit Eichen-
laub verliehen worden.
Der Professor der Hygiene, Dr. Loefpler in Greifewald, hat
das Kommandeurkreuz des Königlich griechischen Erlöserordens, der
Assistent am hygienischen Institute daselbst, Dr. Abel, das silberne
Ritterkreuz desselben Ordens erhalten.
Der ausserordentliche Professor Dr. Finklfr zu Bonn, früher
im Reichsgesundheitsamte, wurde mit dem Offizierkreuz des Sterns
von Rumänien dekoriert.
Dem Mitgliede des Medizinalkollegiums in Koblenz, Medizinal-
rat Dr. Kibcrgaksser, ist der Charakter als Geheimer Medizinal-
rat, dem Kreisphysikus Dr. Schmitz in Malmedy, der verschiedene
hygienische Schriften verfällst hat, der Charakter als Sanitäterat
verliehen worden.
Der Leiter der städtischen Taubstummenschule zu Berlin,
Rektor Bbrndt, erhielt den Titel Direktor.
An Stelle des Herrn Läon Bourgeois ist dem Abgeordneten
Charles Düput das französische Ministerium des öffentlichen
Unterrichts und der schönen Künste übertragen worden«
Unser verehrter Mitarbeiter, der ordentliche Professor der
Augenheilkunde an der Universität Königsberg, Herr Geheimer
Medizinalrat Dr. von Hippel, wurde in gleicher Eigenschaft an
die medizinische Fakultät zu Halle a» S. versetzt.
Der aufserordentliche Professor der Hygiene an der milh&r-
medizinischen Akademie in St. Petersburg, Dr. S. W. SOHlDLOirSKi,
hat die Beförderung zum ordentlichen Professor erhalten.
Unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Privatdocent Dr. Adolf
Baginskt, Direktor der inneren Abteilung des Kaiser und Kaiserin
Friedrich-Krankenhauses in Berlin, wurde zum außerordentlichen
Professor ernannt. Aufser durch zahlreiche wissenschaftliche
Veröffentlichungen hat sich Herr Professor Baginskt besonders
durch sein Handbuch der Schulhygiene und sein Lehrbuch der
Kinderkrankheiten bekannt gemacht.
Der um die Sprachheilkunde und den Unterricht stotternder
Schüler verdiente Dr. E. Bloch habilitierte sich an der Universität
Freiburg i. B. für Ohrenheilkunde.
Dr. Chartier, Hilfsarzt des Lyceums in Nantes, ist an Stelle
des um seinen Abschied eingekommenen Dr. Cochard zum Arzte
dieser Anstalt ernannt worden; zum Nachfolger Dr. Chartiers
wurde Dr. Lerat gewählt.
Dr. Angelo Bolognesi erhielt die Stelle als Hilfsarzt am
Lyceum von Mans, Dr. Jaubert die gleiche Stellung am Lyceum
von Pe>igueux als Nachfolger des verstorbenen Dr. Laoombe.
111
Am 27. Dezember v. J. fand in der Sorbonne vor einer
glänzenden Versammlung, an deren Spitze der Präsident der Republik
and eine groJse Anzahl von Ministern und höheren Würdenträgern
Frankreichs, erschienen waren, die von uns bereits erwähnte Feier
des 70. Geburtstages von Professor Pasteur statt. Nach den
Ansprachen des Unterrichtsministers Dupüy, Joseph Libters, des
ständigen Sekretärs der Akademie Bergeron und anderer liefs
Pasteur durch seinen Sohn eine Ansprache verlesen, in welcher
fer unter anderem der unerschütterlichen Zuversicht Ausdruck gab,
dafs die Wissenschaft und der Friede über die Unwissenheit und
den Krieg triumphieren und die Völker sich untereinander verständigen
würden, nicht um zu zerstören, sondern um aufzurichten. König
Oskar II von Sehweden hatte dem Jubilar das Grofskreuz vom
Orden des heiligen Olaf verliehen, die medizinische Fakultät der
Universität Berlin ihm ein lateinisches Glückwunschschreiben, die
Berliner medizinische Gesellschaft und der Verein für innere Medizin
daselbst das Diplom als Ehrenmitglied übersandt. Von der Universität
Genf war er zum Ehrendoktor der Medizin ernannt worden. Aus-
Wien liefen telegraphische Glückwünsche ein, eine Deputation der
rassischen Ärzte erschien mit einem Gratulationsschreiben und einem
Ehrengeschenke, und seitens eines dänischen Komitees wurde eine
goldene Medaille überreicht.
Dr. P. de Pirtrasanta, Generalsekretär der französischen
hygienischen Gesellschaft; hat am 20. Oktober v. J. in Paris sein
ftnföjQähriges Doktorjubiläum gefeiert.
Am 22. November v. J. wurde zu Jalta in Rufsland die fünf«
n&dzwanzigjährige Jubelfeier der Thätigkeit des Dr. W. N. Dmitrijbw,
Präsidenten der Sanitätskommission der Jaltaschen Abteilung der
Gesellschaft zur Wahrung der Volksgesundheit, festlich begangen.
Es sind gestorben: der Geheime Regierungs- und Provinzial-
sdmlrat Dr. Wbhrmann in Stettin, 74 Jahre alt, am 28. November
v. J., der Professor für Militärhygiene an der Universität Florenz
G. Bon alü mi, der Redakteur August Lammers in Bremen,
Vorsitzender des deutschen Vereins für Knabenhandarbeit, im
62. Lebensjahre und der vielbeschäftigte Kinderarzt Dr. Flbsch zu
Frankfurt a. M.
112
£itteratar.
Besprechungen.
Körpererziehung nnd Schulreform« Von einem rheinische*
Juristen. Hannover-Linden, 1891. Verlagsanstalt von Mauz
& Lange. (30 S. Gr. 8°. JH. 0,50.)
Über 10 Jahre ist es her, seitdem der Amtsrichter £. Hart-
wich durch seine zündende Schrift „ Waran wir leiden" die Bedeutung
der Körpererziehung weiten Kreisen der Nation aufs neue eindring-
lich zu Gemüte führte. Erziehungsfragen von so einschneidender Wichtig-
keit, wie die einer ausreichenden Körpererziehung als Gegengewicht,
sowie als Unterstatzungmittel der geistigen Schulung, entscheiden sich
nicht von heute auf morgen und werden nicht im Handumdrehen
zur vollen Wirksamkeit gebracht. Pflegen wir Deutschen doch über-
haupt solchen Regungen, die mit überlieferten Einrichtungen und
Anschauungen brechen, nur langsam und mit einer gewissen Schwer-
fälligkeit Raum in unserem Denken und Thun zu gönnen. Um so mehr
wird dies der Fall sein in einer Zeit, wo unsere nationale Einigung
uns eine Reihe schwerwiegendster Umwälzungen auf allen Gebieten,
insbesondere des socialen Lebens, gebracht hat, und zudem die
Verteidigung des vaterländischen Besitzstandes die gröfsten Opfer für
eine ausreichend machtvolle Wehrkraft von uns fordert. Zwar ist
die Frage einer rechten Körpererziehung der Jugend auf die Wehr-
tüchtigkeit des Volkes unmittelbar von gröfstem Einflufe, aber die
augenblicklichen Erfordernisse, wie die Zeitlage sie an unsere
Verteidigung stellt, verschlingen die Mittel gänzlich. Für die körper-
liche Ertüchtigung der erst nach Jahren zum Heeresdienst berufenen
Schuljugend bleibt von den grofsen Wehrgeldern nichts übrig. Diese
Angelegenheit wird als eine rein erziehliche der Schule überlassen.
Aber auch, wenn die berufenen Vertreter und Leiter des
Schulwesens grundsätzlich schon damit übereinstimmten, dafs die
Erziehung in der Schule ebensogut wie der Geistes- der Leibes-
bildung sich annehmen müsse und dafs das, was bis heute in
dieser Beziehung geschieht, ganz unzureichend ist, so würde die
Sache damit erst an der Schwelle ihrer thatsächlichen Einführung
stehen. Nur zähe, langjährige Arbeit, sei es in Form praktischer
Versuche und vorbildlicher Einrichtungen, sei es in Gestalt wirk-
samer Anregungen, kann allmählich der Körperpflege ihren vollen
Platz in unserem Erziehungswesen erringen.
113
Und hier ist es doppelt willkommen, wenn nicht nur der
Lehrer vom erzieherischen Boden ans, nicht nur der Arzt auf Grund!
for Gesundheitswissenschaft ihre Stimmen erheben, sondern wenn aueh,
wie in (fieser Schrift, ein einem fernerliegenden Berufskreise angehöriger
Gebildeter das Wort ergreift. Dafs es wieder ein rheinischer
Jurist ist, wollen wir in dankbarer Erinnerung an die erfolgreichen
Anregungen, <fie seiner Zeit E. Hartwich gegeben, als besonders
günstiges Vorzeichen betrachten. Denn unbedingt ist dem Verfasser
zuzugeben, daft in einer für unser ganzes Volksdasein so grmrf»
legenden Frage eine klare Stellungnahme allseitig Recht und Pflicht
ist und „dafs die Frage, wieweit eine körperliche Schulung mit
zw höheren Erziehung gehört, jeder Gebildete ebensogut entscheiden
kann, wie der Fachmann. u
Eicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Und!
dafe für alle Lagen desselben und für jede Art von Berufsarbeit
ein gewisses Mafe von körperlicher Rüstigkeit und Zähigkeit ebenso
notwendig ist, um allen Anforderungen stets und voll zu genügen,
wie eine bestimmte Summe von Kenntnissen und Fertigkeiten, das
ist eine Wahrheit, welche eigentlich jeder an sich selbst spurt
Und doch wie wenige ziehen daraus die unabweislichen Folgerungen
in Bezug auf die Gestaltung der Jugenderziehung!
Darum ist es eine höchst wertvolle Sache, wenn immer wieder
den deutschen Männern und Frauen solche Wahrheiten vor Augen
gef&hrt werden, doppelt wertvoll, wenn dieB in so überzeugender
Sprache, wie in dem vorliegenden Schriftchen, geschieht.
Bei dem Blicke, den der Verfasser darauf wirft, was in anderen
Lindern für die Körpererziehung der Jugend geschieht, sind wir
Deutschen doch etwas sehr zu kurz gekommen. Beispielsweise steht
Frankreich in Bezug auf Leibesübungen der Jugend, abgesehen von
einigen reich ausgestatteten Alumnaten, trotz des anerkennenswerten
Eifers der nach 1871 entstandenen nationalen Gesellschaften und
Verbände doch noch weit hinter den deutschen Einrichtungen zurück.
Bis Turnen ist bei uns biB in die entlegensten Dorfschulen, wenn
auch stellenweise in homöopathischer Verdünnung, eingedrungen. Die
Einrichtungen für das Turnwesen, vor allem aber die Einsicht der
den Turnunterricht erteilenden Lehrer, das ist die Grundlage, auf
welcher sich eine erweiterte und genügende Form der Körpererziehung
in unseren Schulen aufbauen mufs. Mit dieser Grundlage mufs man
rechnen — und kann man auch rechnen.
öffentliche Meinung, Gesetzgebung und Leitung des Erziehungs-
wesens müssen Hand in Hand gehen, soll nachhaltiges erreicht
werden. Über die Schwierigkeit der Aufgabe täusche man sidi
nicht. Wenn, wie der Verfasser will, 4 Stunden Turnen und
Sehalgwnndbeiiipflege VI. 8
114
4 Stunden Spiele das wöchentliche Durchschnittsmafs der der Körper-
erziehung zu widmenden Zeit bilden sollen, dann bedeutet dies einen
beträchtlichen Mehraufwand für Lehrkräfte, Übungs- und Spielplätze,
sowie für Turnhallen, einen Mehraufwand, auf dessen ErSchwingung
durch staatliche und namentlich Gemeindebehörden auch bei dem
besten Willen nur stückweise, von Jahr zu Jahr wird gerechnet
werden können. Ehe solches Ziel erreicht wird, mufs unablässige
freiwillige Arbeit begeisterter Freunde der rechten Jugenderziehung,
Arbeit auf allen einschlägigen Gebieten vorangehen. Hier wird
versucht werden müssen, auf städtische Gemeindevertretungen ein-
zuwirken, dort sind die gesetzgebenden Körperschaften des Reiches
oder des Landes anzurufen. Es handelt sich ferner darum, die
gebildeten Männer und Frauen zur Anteilnahme an dieser wichtigen
Sache zu bewegen, ja aufzurütteln. Endlich ist es ganz besonders
erforderlich, die Lehrer der Jugend für diese Seite der Erziehung
zu gewinnen, ihnen Kenntnis derselben zu übermitteln, ihnen Gelegen-
heit zur eigenen Betätigung zu bieten.
Der Centralausschufs zur Förderung der Volks- und Jugend-
spiele, für welchen der Ertrag dieser anregenden Schrift bestimmt
ißt, hat jene Ziele und Aufgaben zu den seinen gemacht. Und wenn
er vor allen Dingen seine praktische Thätigkeit damit begonnen hat,
durch Spielkurse für Lehrer und Lehrerinnen, die in verschiedenen
SJtädten Deutschlands veranstaltet wurden, zahlreiche Erzieher für
eine erweiterte Körperpflege der Jugend zu erwärmen und anzu-
leiten, so hat er sicherlich seine Aufgabe aufs wirksamste in Angriff
genommen.
Möge die besprochene Schrift recht weite Verbreitung finden.
Sie wird dann sicherlich nicht verfehlen, zahlreiche Anhänger der
guten Sache zuzuführen.
Praktischer Arzt Dr. med. F. A. Schmidt
in Bonn.
Dr. med. A. Kühner, Kreisphysikus in Frankfurt a. M. Der Lehrer
als Wächter der Gesundheit Berlin und Neuwied, 1892.
Louis Heuser. (49 S. Kl. 8°.)
Der Verfasser legt in dem vorliegenden Buche einen sehr ver-
dienstvollen Versuch vor, die Lehre von den modernen Principien
der Schulhygiene in groüsen Zügen darzustellen.
In dem einleitenden Kapitel wird vor allem die Bedeutung
hervorgehoben, welche die hilfsbereite Mitwirkung der Lehrer für
die Ausfuhrung der schulhygienischen Anforderungen hat. Nachdem
Verfasser noch die Frage nach dem Zeitpunkte, wann die Aufnahme
in die Schule erfolgen soll, in objektiver Weise klargelegt hat, er-
115
örtert er die Gefahren, welche das Schulleben für die Gesundheit
der Schulinsassen bedingt, und zieht dabei besonders drei Gruppen
von Einflüssen naher in Betracht:
1. die äußeren, baulichen und technischen Einrichtungen der
Schule,
2. die innere Gestaltung des Unterrichtes und die damit in
direkter Beziehung stehende häusliche Beschäftigung der Kinder,
3. das Zusammenströmen und Zusammenleben einer gröfseren
Anzahl Menschen überhaupt in einem abgeschlossenen Räume. Hier
finden sich die Resultate der bisherigen Forschungen, die einzelnen
kontroversen Fragen und Grundbegriffe in übersichtlicher Weise ge-
ordnet und verarbeitet.
Von specieller Wichtigkeit erscheinen uns besonders zwei Ab-
schnitte, die der Autor ausführlich erörtert, und die gerade den
Lehrer, dessen Zwecken ja diese Arbeit vorzüglich dienen will,
interessieren dürften. Wir meinen einerseits die nachdrückliche
Betonung der Lichtseiten, welche die Schule für Gesundheit
und Leben des heranwachsenden Geschlechtes besitzt, derVorteile,
welche die geordnete Fürsorge für die geistige, moralische und
körperliche Erziehung der Jugend bietet. Andererseits weisen wir
noch auf das Kapitel über die Hygiene der geistigen Be-
schäftigung hin. Dieser Abschnitt, in welchem sich der Verfasser
an den Lehrer, als den Wächter nicht nur der körperlichen, sondern
auch der geistigen Gesundheit des ihm anvertrauten Kindes, wendet,
enthält eine Fülle von Anregungen, die besonders in dem Wirkungs-
kreise der Volksschullehrer die segensreichsten Folgen nach sich zu
ziehen berufen sind.
Weiterhin werden die Ursachen der Entstehung, sowie die Belege
für die Häufigkeit der Geistesstörungen bei Schulkindern angeführt,
und auch auf die in neuerer Zeit bei Schülern konstatierte Zunahme
der Selbstmorde findet sich ein Hinweis. Mit Recht behauptet jedoch
der Verfasser, dafs, was das Elternhaus und die ganze Zeit-
richtung verschuldet, oft dem Einflüsse der Schule zu-
geschrieben wird. Eine Begünstigung der Geistesstörungen durch
den modernen Unterricht hält er um so weniger für festgestellt, als
uns beweisende statistische Angaben aus früheren Jahrhunderten oder
ans uncivilisierten Ländern, die einen Vergleich mit den heutigen
Zuständen ermöglichten, vollständig fehlen. Dagegen finden wir die
mannigfachsten Erziehungsfehler, die gröfstenteils durch die socialen
Verhältnisse bedingt sind, sichtlich auf Grund langjähriger Erfahrung,
angeführt und ihren störenden Einflufs auf die harmonische Ent-
wicklung des kindlichen Charakters dargelegt. Ursache bleibender
Geistesstörungen bilden sie jedoch nur bei erblich belasteten Indi-
en
116
viduen, wie Verfasser auf Qrund der Beobachtungen Ldelkrs nid
GJUBSXXQB&s hervorhebt. Es werden noch die wichtigsten Sym-
ptome beginnender Geistesstörungen, die Notwendigkeit der frühzeitigen
Untersuchung und Behandlung durch einen Irrenarzt und das bei
schwachsinnigen Schalern zu beobachtende Verfahren besprochen
und zur Beherzigung die Worte Kbafft-Ebutos citiert: „Wenn
die Pädagogik ein tieferes Stadium aus dem Menschen
auch unter pathologischen Verhältnissen machte, so
würden manche Fehler und Härten der Erziehung weg-
fallen, manche unpassende Wahl des Lebenslaufes
unterbleiben und damit manche psychische Existenz ge-
rettet werden."
Die von echt wissenschaftlichem Geiste getragene Arbeit sei
allen Lehrern dringend empfohlen.
Praktischer Arzt Dr. med. J. Stbrnfbld
in Temesv&r.
Ln TOix parlie 6t chantfo. Anatomie, Physiologie, pathologie,
hygi&ne et äducation. Revue mensuelle publice par le Docteor
Gheryin, Directeur de Institution des b&gues de Paris. Paris,
1890 — 98. Redaction et administration Avenue Victor-Hugo 82.
(8°. Fr. 10 par an.)
Der Inhalt vorstehender Monatsschrift gehört, streng genommen,
nicht zur Schulgesundheitspflege. Derselbe ist, wie die seit einer
Reihe von Jahren jenseits des Ozeans erscheinende Monatsschrift
The Voice, edited by E. S. Werner, New York, 28 West 23d
Street, der Besprechung alles dessen gewidmet, was auf Stimm-
bildung, Gesang, Redekunst u. s. w. Bezug hat. Bei uns in Deutsch-
land bestehen langst ähnliche Zeitschriften, z. B. Phonetische Studien
von Professor Dr. Viktor, Techmars Internationale Zeitschrift fir
allgemeine Sprachwissenschaft und andere.
Dennoch möchten wir nicht versäumen, auch in diesen Blättern
auf obige Zeitschrift aufmerksam zu machen, und zwar einmal weil
ihr Herausgeber, Dr. Chbrvtn, der verdienstvolle Direktor der weit-
bekannten Stotterheilanstalt in Paris ist, und weil aufserdem die uns
vorliegenden Nummern thatsächlich auch die Hygiene der Stimme
während der Schulzeit in Betracht ziehen. So findet sich z. B. in
Nummer 2, Seite 60, die in Karlsruhe erschienene Schrift von
Ed. Engbl: Über die Stimme der Kinder von 6 Jahren besprochen.
Wir dürfen daher erwarten, dafs das Blatt für die Stimm-
hygiene der Schuljugend wertvolle Beiträge liefern wird.
Direktor der Taubstummenanstalt H. SöDBR
in Hamburg.
117
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VI. Jahrgang. 1893. No. 3.
(Drijittal-]%^anM»n$tn.
HEBUAHN OOHttfl
Lehrbuch der Hygiene des Auges.1
Von
Dr. med. Ernst Pflügbr,
o. Professor der Augenheilkunde an der Universität Bern.
Wenn durch meine kritische Besprechung des Artikels
„Schulkinderaugen" von Professor Dr. H. Cohn in der
2. Auflage der EuLENBURGechen Realencyklopädie, erschienen
in dieser Zeitschrift 1890, No. 12, S. 759—761, mir ein Stück
intellektueller Urheberschaft an dem „Lehrbuch der Hygiene
des Auges" zugesprochen wird, so sehe ich dies als eine
Ehre für mich an.
Von diesem Werke gilt noch mehr der Satz: „Es sollte
jedem Arzte und jedem Schulmanne bekannt werden."
Jeder Arzt kann heutzutage in den Fall kommen, in
schulhygienischen Fragen zu Bäte gezogen zu werden und öffent-
lich darüber mitreden zu müssen. In dem vorliegenden Werke
trifft er das weitschichtige einschlägige Material, über welches
er an der Hochschule nicht eingehend genug unterrichtet werden
konnte, und das er nur zum geringsten Teile in seiner Bibliothek
zerstreut findet, vollständig gesammelt, klar und übersichtlich
geordnet Ein Blick auf das sorgfältig ausgearbeitete Sach-
1 Wien und Leipzig, 1892, Urban und Schwarze nb erg. (XXXII
n. 855 S. Gr. 8°.)
Sehalgenmdheittpflege VI. 9
122
register und Inhaltsverzeichnis zeigt, wie umfangreich der Stoff
geworden, und wie leicht die Orientierung in demselben durch
Cohn gemacht worden ist. Daus eine Unvollkommenheit in
dieser Beziehung zuweilen schwer empfunden wird, lehren
die täglichen Erfahrungen mit dem sonst so vortrefflichen
Lehrbuch der Augenheilkunde von Professor Michel in
"Würzburg.
Das Buch von Cohn sollte in keiner Schulbibliothek fehlen;
es sollte jederzeit von Lehrern, Schulbehörden, Technikern
befragt werden können; durch die klare, einfache Darstellung
und möglichste Vermeidung von Fremdwörtern ist es jedem
Gebildeten zugänglich.
Nicht minder wird dem Ophthalmologen seine Arbeit
durch das Werk erleichtert; er findet alles Nötige darin und
dazu die vollständigsten Litteraturangaben.
Cohn war vor allen Fachgenossen berufen, eine Hygiene
des Auges zu schreiben, denn mit seinen 10 060 untersuchten
Schulkindern, die ihm vielfach schon sind vorgehalten worden,
in dankendem Sinne, wie auch einmal mehr in spöttelnder
Weise, hat er doch den Stein ins Rollen gebracht. Derselbe
ist seither weitergerollt und hat in relativ kurzer Zeit grofee
Strecken durchlaufen. Viele Kollegen haben mitgestofsen und
mitgewälzt, edlen Schweifs vergossen. Es wurde auch viel
Wärme dabei entwickelt. Am eifrigsten aber blieb stets Cohn
selbst, der alle Erscheinungen auf dem angebahnten Gebiete
sorgfältig registrierte und dasselbe unermüdlich durch neue
Originalarbeiten bereicherte.
Nachdem ich somit den Verdiensten des Autors rückhalt-
lose Anerkennung gezollt habe, erwächst mir um so mehr die
Pflicht, in der Beurteilung der einzelnen Fragen vollste
Objektivität walten zu lassen. Namentlich möchte ich in der
Myopiefrage, welche den Löwenanteil des Buches für sich in
Anspruch nimmt, durch den Vermittlungsstandpunkt, auf den
ich je länger je mehr gedrängt werde, weder hüben noch drüben
verletzen, sondern die streitenden Ansichten einander näher zu
bringen suchen.
123
Es kann nicht die Absicht der Besprechung eines Werkes
Ton dem Umfange des vorliegenden sein, auf den Inhalt aller
einzelnen Kapitel näher einzugehen. Ich werde mich begnügen,
denselben nur anzudeuten, und allein bei denjenigen Punkten
stehen bleiben, welche Gelegenheit zur Kritik bieten.
Die ersten fünf Kapitel enthalten Populäres über Anatomie
und Physiologie des Auges.
Kapitel VI handelt von der Augenentzündung der
Neugeborenen. Der Umstand, dafs diese fürchterliche Augen-
krankheit, die gegenwärtig durchschnittlich ein Drittel der
Insassen der Blindenanstalten liefert, dem gebildeten Laien
vorgeführt wird, ist schon an und für sich eine gewisse Vor-
beugungsmafsregel gegen dieselbe.
Der Wunsch Cohns, dafs das CttEDlSsche Verfahren, bei
dem bekanntlich eine zweiprozentige Lösung von salpetersaurem
Silber in die Augen eingeträufelt wird, für alle Neugeborenen
obligatorisch erklärt werden möge, wird wohl ein frommer
bleiben, obschon ich zugestehe, dafs damit die Krankheit am
sichersten verhütet würde. Namentlich in Ländern mit demo-
kratischen Institutionen, wie die Schweiz, hätte der Versuch der
Einführung einer solchen Malsregel wenig Aussicht auf Erfolg.
Den Hebammen soll freilich das Verfahren beigebracht
werden, damit sie überall da, wo verdächtiger Scheidenflufs der
Mutter existiert, dasselbe in Vorschlag und eventuell in Aus-
fährung bringen können. Mütter, welche die Krankheit bei
einem früheren Kinde bereits durchgemacht haben, gehen gerne
auf den Vorschlag ein. Bei Strafe im Unterlassungsfalle sollten
die Hebammen ferner gehalten sein, sobald die Krankheit aus-
bricht, für das Kind ärztliche Behandlung zu verlangen und,
wenn diese von den Eltern verweigert wird, Anzeige bei der
Ortebehörde zu machen, damit zwangsweise das Neugeborene
ärztlich behandelt wird, für arme Familien natürlich kostenfrei.
In solchen Fällen sollte das Kind auoh an eine Augenklinik
abgegeben werden können. Jede derselben mufs Blennorrhoe-
ommer disponibel haben. Besondere Anstalten, wie Hikschberg
sie fordert, sind dazu nicht notwendig. Bei zuverlässiger
9*
124
Antisepsis lassen sich Starpatienten und blennorrhoische Neu-
geborene sehr wohl unter einem Dache behandeln.
Bei frühzeitiger Herbeiziehung des Arztes ist allerdings
die Prognose eine äufserst günstige, ja sichere, wie Cohn und
Horner betonen. Dieser Satz mufs sich aber die Einschränkung
gefallen lassen, dafs er nur für reine Fälle volle Gültigkeit
hat, dafs aber, je mehr die Bindehaut weiüse, derbe, fibrinöse
Einlagerungen zeigt, um so gröüser die Gefahr für die Horn-
haut wird trotz frühester ärztlicher Behandlung. Ferner darf
hier nicht unerwähnt bleiben die Gefahr zu starker antiseptischer
Lösungen, welche zur Reinigung der Bindehäute von ihrem
eitrigen Sekret zur Anwendung kommen ; ich habe schon mehr-
fach einseitige Erblindung und einmal doppelseitigen Hornhaut-
Verlust beobachtet lediglich als Folge zu starker Sublimatlösungen.
Kapitel VII betrifft die skrofulösen Augenentzfln-
dungen. Dieses Kapitel wäre besser überschrieben mit dem.
Namen „Ekzematöse Augenentzündungen", der, wenn
auoh fremdlautend, die Sache richtiger treffen würde, indem
nicht jedes Ekzem als skrofulös bezeichnet werden darf. Das
Ekzem verursacht in Deutschland und in der Schweiz cirka
60 % der Augenerkrankungen, führt relativ wenig totale Er-
blindungen, ungefähr 5 — 6%, herbei, setzt aber in zahllosen
Fällen durch Bildung von Hornhautflecken die Sehschärfe
herab, wird disponierendes Moment zur Kurzsichtigkeit und
bedingt relative Arbeitsunfähigkeit.
Dieser Krankheit sollte die Hygiene in systematischerer
Weise zu begegnen suchen als bisher. Die Frage der Vor-
beugungsmafsregeln ist hier etwas spärlich durch Cohn behandelt
worden. Freilich ist es begreiflich, dafs die Fachgenossen nur
mit einem gewissen Zaudern an diese Aufgabe herantreten,
indem die Ekzemfrage vielfach mit der socialen Frage zusammen-
hängt. Das Ekzem ist eben nicht nur ein Produkt abgeschwächter
Tuberkulose, sondern wesentlich auch ein solches des Pauperis-
mus mit und ohne Tuberkulose als Mittelglied. Ungenügende
Nahrung, ungenügende Wohnungsverhältnisse, ungenügende
Hautkultur und ungenügende Kleidung erzeugen Ekzem der
126
Augen. In Amerika, wo der Arbeiter besser lebt und nament-
lich besser ifet, gibt es weniger Ekzem. Die arbeitende Klasse
und die Regierungen sündigen an den Kinderaugen. Jedenfalls
zäunen die Arbeiter das Pferd beim Schwänze auf, wenn sie
duck den achtstündigen Normalarbeitstag die hygienischen
Verhältnisse ihrer Familien zu verbessern suchen. Die Regie-
roiigen drücken das Niveau der Lebensbedingungen des Arbeiters
durch die nur dem Militarismus huldigende Schutzzollpolitik
herunter und begünstigen dadurch die ekzematösen Augenleiden.
Die Hygiene des Auges hängt hier wesentlich ab von der
Weisheit der Staatsgesetze, den socialen Zuständen, der öffent-
lichen und privaten Wohlthätigkeit im weitesten Sinne. Ferien-
kolonien und Seehospize sind ganz schöne Institutionen, bilden
aber nur vereinzelte Glieder in der grofsen hygienischen Kette.
Verbesserung der Arbeiterwohnungen, Errichtung von Volks-
bädern und Volksküchen, Speisung armer Schulkinder, Ver-
teilung von Schülertuch, hygienische Bildung der Volkssohul-
lehrer, das sind weitere Aufgaben, die noch mehr oder weniger
ihrer Lösung harren.
Zur Therapie des Ekzems sei nur zweierlei bemerkt. Erstens
möchte ich die alkoholischen Abwaschungen der ekzematösen
Kinder, wie sie in der Klinik von Ed. Meyer zu Paris geübt
werden, als einfaches und wirksames Mittel weiter empfehlen.
Zweitens mufs vor den Tuberkulininjektionen kategorisch
gewarnt werden; sie haben mir bei Behandlung von Augen-
tuberkulöse auiser den typischen Reaktionen mit Fieber gar
nichts ergeben, jedenfalls keine Besserung.
Kapitel VIII bezieht sich auf Trachom und verwandte
Bindehautkrankheiten. In einer trachomfreien Gegend
wohnend, muüs ich mich der von Cohn und andern vertretenen
Ansicht, dafs Trachom und Follikulärkatarrh zwei ganz ver-
schiedene Krankheiten sind, rückhaltlos anschließen. Das
Kapitel ist aufserordentlich vollständig in dem hier wesentlich
interessierenden Abschnitt über die Prophylaxe der Krankheit,
weniger in dem der Therapie. Der alt bewährte Kupferstift
arbeitet etwas langsam und mühsam. Für die stark eiternden
126
Formen dürfte Höllensteinlösung doch vorzuziehen sein, und
für die mehr trockenen Formen ist durch Sublimatabreibungen
(1 : 2000 bis 1 : 500) mit Watte ein guter Schritt vorwärts
gethan worden. Letztere Behandlung soll nicht so schmerzhaft
sein, wie die mit dem Kupferstift, und von viel kürzerer Dauer-
In der Sitzung der französischen ophthalmologischen Gesell-
schaft vom vorigen Jahre hatte ich die Fachgenossen eingeladen,
die Abreibungen der Bindehaut mit in Jodtrichlorid (1 : 1000
bis 1 : 400) getauchter Watte zu versuchen, weil diese Substanz
weniger reizt und im lebenden Gewebe eine viel energischere
bakterientötende Wirkung ausübt als Sublimat, dazu ungemein
viel weniger giftig ist als dieses. Herr Dr. L. Coüetoux aus
Nantes, wo Trachom sehr häufig ist, schreibt mir unter dem
5. Oktober 1892, dafe er bei den wenig secernierenden Formen
mit dem Jodtrichlorid sehr gute Erfolge erzielt habe, bessere
als mit Sublimat, und daüs allein bei den stark eiternden
Formen der Höllenstein mehr leiste. Er ist dazu gekommen,
sich auf diese beiden Mittel zu beschränken. Die Abreibungen
mit Charpiewatte, in Sublimat oder Jodtrichlorid getaucht,
können dem Laien besser in die Hand gegeben werden als der
Kupferstift, da man mit denselben eventuell ohne Umwälzung
des oberen Lides seinen Zweck teilweise wenigstens erreicht.
Den Inhalt von Kapitel IX bilden die Augen-
entzündungen bei Pocken. Dieses Kapitel ist gut an-
gebracht. Es fehlt dasselbe in den deutschen Lehrbüchern für
Augenheilkunde fast ganz, weil da, wo die Impfung und
Wiederimpfung gesetzlich geordnet ist, diese Krankheiten nicht
mehr zur Beobachtung kommen, während vor Einführung der
Impfung ein Drittel sämtlicher Blinden Pookenblinde waren.
Es klingt sonderbar, dafs in unseren Tagen, wo die
Immunisation von Mensch und Tier gegen verschiedene Krank-
heiten immer neue theoretische und praktische Erfolge zu ver-
zeichnen hat, es noch Vertreter der Hygiene gibt, die sich als
Impfgegner ausspielen und das Volk aufwiegeln. Dank diesen
Bestrebungen sehen wir in der Schweiz ab und zu wieder ein
häusliches Blatternnarbengesicht und strahlige adhärierende
127
Hornhautnarben. Die Bäume wachsen aber nirgends in den
Himmel, und die Erfahrung lehrt, daJs da, wo eine kleine
Blatternepidemie ausbricht, Impfgegner oft zu den ersten gehören,
die sich und ihre Angehörigen impfen lassen.
Die nächsten zwei Kapitel befassen sich mit den abnormen
Eefraktionszuständen des Auges, der Übersichtigkeit und
der Kurzsiohtigkeit. Merkwürdigerweise fehlt die dritte
und häufigste Refraktionsanomalie, der Astigmatismus,
die ungleiche Krümmung der Hornhaut in den verschiedenen
Meridianen, vollständig. Hier stehen wir vor der größten
Lücke in dem GoHNsohen Buche, die in Zukunft ausgefüllt
werden muis.
Da ich seit bald 10 Jahren die Hornhautkrümmungen
meiner Patienten messe, mag es mir wohl zustehen, ein Wort
über die ungenügende Berücksichtigung des Astigmatismus zu
äuCsern, die sich nicht nur bei Cohn, sondern bis jetzt in der
Mehrzahl der deutschen Augenkliniken findet. Es ist auffallig,
wie kühl sich im grofsen und ganzen die deutschen Ophthalmo-
logen gegenüber der Wohlthat der praktischen Messung der
Hornhautkrümmung nach Javal verhalten haben. In der
Wissenschaft darf es keine nationalen Sympathien oder Anti-
pathien geben. Das Gute ist' gut, woher es auoh komme.
Das jAVAiAohe Verfahren wird zum Durchbruch gelangen.
Wenn es irgendwo heilst: „Wiederholen", „Bessermachen", so
gilt dies ganz besonders von den systematischen Schulkinder-
augenuntersuchungen, die ohne Javal1 als vollständig ungenügend
bezeichnet werden müssen. Es sind hierzu nicht 200000 unter-
suchte Schüler nötig; 10 000 Schüleraugen, genau untersucht,
mit den exakten MaJsen der Hornhautkrümmung und der Orbita
werden uns in der Refraktionslehre gewaltig fördern. An-
finge hierzu sind von meinen Schülern in der Schweiz bereits
gemacht und sehen der Veröffentlichung entgegen.
Kapitel X bezieht sich auf Übersichtigkeit und Ein-
wärtsschielen. Übersichtigkeit geringen Grades mit Seh-
1 Der Name des Autors wird hier auf das Instrument übertragen.
128
schärfe von 1,5 ist der normale Brechzustand des jugendlichen
Auges ; sie ist latent und läfet sieh mit Konvexgläsern subjektiv
nicht nachweisen ohne künstliche Ausschaltung der Accommo-
dation. Wird sie manifest, dann liefert sie einen Beitrag zum
Kapitel der asthenopischen Beschwerden, die in Sehschwäche,
Kopfschmerzen u. s. w. bestehen. Unnötige Schulküiderleiden
und ungerechte Schulkinderstrafen werden duroh alle Momente»
welche Asthenopie verursachen, täglich zahllos ausgelöst. Die
einzige sichere Remedur dagegen sind systematische Augenunter-
suchungen.
In der Frage des Einwärtsschielens hat Cohn den neuesten
Standpunkt derselben zu beleuchten vergessen. Es hat dieselbe
im letzten Jahre eine modern wissenschaftliche Vertiefung
wesentlich durch Hansen Gbut und durch Parinaud erfahren.
Die neue Lehre gewinnt täglich an Boden.
Die Übersichtigkeit ist wohl in oirka 70 % der Fälle die
entferntere Ursache des Einwärtsschielens, die Prädisposition
dazu. Die Zwischenglieder der ursächlichen Kette liegen aber
nicht in den Augenmuskeln selbst, sondern in centralen Vor-
gängen, in der Entwiokelung des Konvergenzcentrums.
Jedes schielende Kind sollte ohne weiteres ärztlich unter-
sucht und behandelt werden. Es bietet häufig nicht nur Interesse
für den Augenarzt, sondern auch für den Neurologen und dein
Hausarzt. Neuropathische Anlage und neuropathisohe Be-
lastung äufcern sich nicht selten früh in der Neigung zum
Schielen. Letzteres fordert daher den Arzt auf, nach einer
solchen Anlage und Belastung zu forschen und im Bejahungs-
falle seine Direktive für die Erziehung der Kinder in Haus
und Schule zu geben.
Die besser situierten Schüler sind an die Spezialisten zu
verweisen, die bedürftigen an die Polikliniken, wo die nötigen
Brillen verordnet, bezw. unentgeltlich geliefert werden, und wo
die Frage einer eventuellen Operation zu entscheiden ist, selbst-
verständlich nur unter der Form eines Rates an die Eltern.
Das seit 1889 erheblich angewachsene Kapitel Kurz-
sichtigkeit (Xl)fafst die Resultate der systematischen, meist
129
an Schulkindern vorgenommenen Augenuntersuchungen
und die darauf basierenden Bemühungen zur Verhütung der
Myopie zusammen, sicher für alle diejenigen, welche die Ent-
wickelung dieser Frage nicht selbst mitgemacht haben, ein ver-
dienstliches Werk. Der Eifer war groß, und die Resultate
sind nicht gering zu schätzen trotz abweichender Ansichten.
So zahlreich aber auch die gewonnenen Thesen sind, an denen
vir festhalten dürfen, so sto&en wir beim genaueren Durch-
mustern des reichen Stoffes, dessen Überblick Cohn so sehr
erleichtert hat, doch auf viel Unfertiges und Unsicheres. Wie
oben angedeutet, sind die Untersuchungen der Sohulkinder-
aogen auf beschränkterer, aber auf um so genauerer Basis zu
wiederholen, wenn wir auf viele noch offene Fragen Antwort
erhalten wollen.
Der Abschnitt über die Verhütungsmafsregeln bietet
des Stoffes die Fülle, jedoch auch noch mancherlei Lücken.
Die zahllos modifizierten Subsellien werden noch ver-
besserten Modelleu Platz machen müssen. Erinnern wir an
die allerneueste, im Buche noch nicht erwähnte Schulbank von
Dr. Schenk in Bern.
Die Beleuchtungsfrage, um die sich Weber und
Cohn sehr verdient gemacht haben, bringt viel Positives. Hier
namentlich ist der Schritt von der Theorie zur Praxis besonders
grois und schwierig.
Betreffs künstlicher Beleuchtung wäre nachzutragen,
daß von Paris aus die zerstreute Abendbeleuchtung nach dem
Principe von Eeibmann, und zwar mit Hilfe von elektrischem
Bogenlicht,1 recht gerühmt wird.
In der Frage der Schrift ist in den letzten Jahren viel
und gut gearbeitet worden. Der Nachweis Cohns, dafs die
gotische Schrift nicht die deutsche Schrift, sondern die Mönohs-
schrift darstellt, von der andere Völker früher als die Deutschen
1 Sie ist auch in Österreich, Deutschland und Bufsland vertreten,
x. B. in Wien, Hamburg und Nishny-Nowgorod, s. diese Zeitschrift 1889,
No.l, S. 17— 19 p 1890, No. 5, S. 296—297; 1891, No. 7, S, 401—404;
▼gl. 1888, No. 10, S. 367-868. D. Red.
130
zu der alten gemeinsamen Lateinschrift zurückgekehrt sind,
wird ersprießlich werden, indem damit der unglückliche nationale
Beigeschmack der Sache entfällt.
In der Stenographieangelegenheit hat sich der
Referent zu den Ansichten Gohns bekehrt.
Mit der Herstellung von hygienischen Schreibtafeln
konkurrieren Fabrikanten verschiedener Länder. Die Licht-
kontrastverhältnisse gleich gesetzt, verdient die Tafel für die
Schulanfänger entschieden den Vorzug, besonders vom Stand-
punkt des Nervenarztes aus.
Die Frage des Bücherdruckes, in der Cohn so frucht-
bar gearbeitet hat, ist theoretisch nicht abgeschlossen. Die
Beiträge zur Psysiologie des Lesens (Sociötä frangaise d' Ophthal-
mologie, Paris, 1892) von Javal und Lamare stellen neue
Punkte in Perspektive.
In Bezug auf die ärztliche Beaufsichtigung der
Schulen bin ich mit Cohn principiell einig. Nur mufe ihr
Programm noch wesentlich vereinfacht werden; es kann dasselbe
auch geschehen unbeschadet der Sache, sobald das Lehrpersonal
etwas mehr hygienisch vorgebildet und interessiert ist. Die
Bestimmung der Körperlänge, eventuell des Körpergewichtes,
läfst sich von den Lehrern besorgen, ebenso die vorläufige
Untersuchung der Seh- und Hörschärfe, sobald dieselben die
nötigen Instruktionen und Messungsapparate erhalten haben.
So können füglich die Normalen ausgeschieden werden, und
der Schularzt hat sioh nur mit den Anormalen zu beschäftigen.
Die Ursache der Myopie, die Theorie der Kausal-
verhältnisse in der Entwickelung des Langbaues des Auges, ist
noch ein unabgeklärtes, viel umstrittenes Gebiet, das weitere
ernste Arbeit verlangt. Von den theoretischen Anschauungen
hierin hängen vielfach die hygienischen Malaregeln ab. Wird
eine ungenügende, einseitige Theorie vertreten, besonders von
Ophthalmologen, so kann der Hygiene wohl Schaden erwachsen.
Daher der Eifer und der Nachdruck, mit dem Cohn v. Hippels
Einwürfe gegen die Einführung von Schulärzten widerlegt.
Cohn zählt sechs Theorien für die Entstehung der Kurz-
181
sichtigkeit auf: die der Erblichkeit, der Accommodation, der
Konvergenz, der Nervenzerrung, des Augenhöhlenbaues und
der Nahearbeit.
Diese Nebeneinanderstellung halte ich nicht für richtig.
Dafe die Nahearbeit unter bestimmten Umständen Kurzsichtig-
keit erzeugt, ist eine Thatsache, die allgemein anerkannt
ist Ebenso wird zugestanden, dafe alle Momente, welche die
Nahearbeit zu einer besonders schwierigen machen, als weitere,
entferntere Ursachen der Myopie anzusehen sind. Unter diesen
mochte ich nochmals, weil von Cohn nicht angeführt, das
Hornhautekzem mit seinen restierenden Trübungen und den
Astigmatismus hervorheben.
Die Theorie hat uns zu sagen, welches die schädigenden
Momente bei der Nahearbeit sind. Ich kann mioh persönlich
keiner der geläufigen Anschauungen voll und ganz anschliefeen;
keine ist die allein seligmachende; in den meisten steckt aber
ein Korn Wahrheit. Die Funktion der Augen ist bei an-
gestrengter Nahearbeit, besonders beim Lesen und Schreiben,
eine äulserst komplexe; sie kann und mufe daher bei abnormen
Forderungen an die Leistung mancherlei Schädigungen erfahren.
Aus dem ganzen Material über die Erblichkeit ist wesent-
lich festzuhalten, dafe nach den Untersuchungen von Kirchner
und meinen eigenen die Familien mit Myopie der Eltern oder
früherer Generationen durchschnittlich cirka 15 % mehr
myopische Kinder aufweisen als diejenigen, bei denen Myopie
bisher nicht vorgekommen ist, vorausgesetzt dafs die Er-
ziehungsverhältnisse der beiden Kategorien von Kindern an-
nähernd die gleichen sind.
Die erbliche Anlage wirkt in der Mehrzahl der Fälle
als disponierendes Moment, das bei der Nahearbeit sich
geltend macht. Fälle von angeborener Kurzsichtigkeit, bei denen
die Nahearbeit gar keine Rolle spielt, gehören zu den relativ
seltenen.
Wie häufig sind nicht die funktionellen, spas-
modischen Myopien mit gerötetem, serös infiltriertem Seh-
nerven und herabgesetzter Sehschärfe, die auf Buhe und Atropin
132
verschwinden und wieder normales Sehvermögen ermöglichen.
Hier ist der Einflufs der Accommodation nicht zu leugnen.
Da& die Konvergenzüheranstrengung für das Auge,
besonders wenn ihm eine gewisse Disposition zur Myopie inne-
wohnt, gleichgültig sei, kann nicht zugestanden werden ; hier-
gegen sprechen vielfache klinische, zum Teil auch anatomische
Thatsachen. Wie grofs der Einflufs der Konvergenz im
einzelnen Falle sein mag, wird schwierig und oft gar nicht zu
entscheiden sein. Die Resultate der operativen Behandlung
des latenten Auswärtsschielens bei progressiver Myopie werden
hier mitzusprechen haben. Das gemeinsame Innervationsoentrum
für Konvergenz und Accommodation bedingt häufig genug einen
circulus vitiosus dieser innig verknüpften Funktionen.
Die Sehnervenzerrungstheorie hat bis jetzt am
wenigsten für sich; die anatomischen Angaben widersprechen
sioh zu sehr.
Die Augenhöhlentheorie von Stilling trat als jüngste
etwas geräuschvoll auf. Stilling hat seiner Theorie dankens-
werte, umfassende und originelle anatomische Untersuchungen,
sowie zahlreiche Messungen an Lebenden zu Grunde gelegt;
er hat sioh hier wieder einmal als echter Gelehrter gezeigt.
Beim Aufbau seiner Theorie ist nun aber alles Menschen-
mögliche von ihm geleistet worden, um dieselbe a priori zu
diskreditieren; sie sollte die allein richtige, die Myopie eine
einfache Bassenfrage sein. Die übrigen Theorien und ihre
hygienischen Schlufsfolgerungen erhielten Hiebe, welche etwas
zu wuchtig ausgefallen sind. Die schöne Entdeckung vom
perspektivischen Phänomen des Conus hat Stilling auf
zu viele Fälle angewendet wissen wollen.
Die Krise in der Schulhygiene, welche ich bei der Be-
sprechung einer der SmLiNGschen Arbeiten vorausgesagt hatte,
hat sioh bewahrheitet. Es kam naturgemäß der Widerspruch.
Die Augenhöhlenmessungen von Schmedt-Rimpler schienen
die Theorie Stillings ganz zu Boden zu werfen, doch nur
für denjenigen, welcher diese Messungen nicht wiederholt hat.
Schmidt-Rimpler hat, wie Stilling auch richtig erwiderte,
133
nicht anthropologische Indices gefunden. Auch die von Kirchner
ermittelten Indices sind durchschnittlich zu hoch. Die Theorie
von Stelling ist in Wahrheit viel besser als ihr Ruf.
Auf die Aufforderung von Stillem} beim internationalen
OphthalmologenkongreJs in Heidelberg 1888 an die Schweiz,
sie möchte bei ihrer gemischten Bevölkerung wertvolles Material
zur Entscheidung der Frage liefern, habe ich in Bern durch
Herrn Dr. W. Eissbn eine Anzahl Gelehrter, Studenten,
Gymnasiasten, Seminaristen und Seminaristinnen untersuchen
lassen. Herr Eissen hatte sich tüchtig an die Arbeit gemacht,
umfassende Untersuchungen und genaue Messungen ausgeführt;
seine Abreise von Bern verhinderte ihn aber an der Verarbeitung
der Resultate. Herr Jankowski ist gegenwärtig mit der teil-
weisen Analyse des Materiales beschäftigt. Dieselbe liefert,
soweit ich sie gegenwärtig übersehe, eine feste Stütze der
SxiLLiNGschen Anschauungen. Die Ghamaeconchie ist das
gewaltigste, aber nicht das einzige und unfehlbare
disponierende Moment für die Myopie. In diesem Sinne
wird die STiLLiNasche Theorie wieder aufleben und zum Durch-
bruche kommen. Neue Messungen sind noch erforderlich.
Nicht beipflichten kann ich, wie ich früher schon ausgesprochen
habe, der Ansicht Stillinob, wonach zwei streng gesonderte
Myopieformen, eine bösartige, die Wassersucht des Auges, und
eine ganz gutartige, die Waohstumsmyopie, voneinander zu
unterscheiden sind. Wir werden voraussichtlich zu mehr als
zwei Arten von Kurzsichtigkeit, sowie zu Misch- und Übergangs-
formen kommen. Ich hoffe, mit diesem Exkurse über die
Theorie der Myopie zu neuen Untersuchungen auf ruhiger ob-
jektiver Basis anzuregen.
Dafs beider Nahearbeit gewisse Bedingungen als erschwerende,
bezw. erleichternde Faktoren mitwirken, beweisen die Uhr-
macher mit ihrer relativ geringen Myopenzahl. Dieselben
arbeiten bei sehr gutem Licht, vielfach mit der Lupe, monokular,
ohne Accommodation und ohne Konvergenz, an allerdings
kleinen, aber meist fixierten Objekten, auf welche das Auge
ruhig eingestellt bleibt, eine ganz andere Thätigkeit als die
134
des Lesens, bei der das Sehorgan in steter Bewegung sich
befindet.
Javal und Lamare haben schon 1877 darauf hingewiesen,
dafs das Auge beim Lesen nicht gleichmäßig längs der Linie
sich fortbewegt, sondern in Sprüngen, dafs es die Linie in eine
Anzahl kleiner Abschnitte teilt, von denen jeder ungefähr
10 Buchstaben enthält. Ferner haben sie gefunden, dafs diese
Sprünge ungefähr dieselbe Anzahl Buchstaben umfassen, ganz
gleich, ob man in 30, 60 oder 100 cm Entfernung liest, dals
also auf verschiedene Distanzen die Exkursionen der Augen
für die einzelnen Sprünge verschieden sind, bei weiterer Ent-
fernung kleiner, bei Annäherung gröfser. Stilling sieht in
diesen kleinen ruokförmigen Bewegungen ein besonders schädigen-
des Moment; daher seine Papierrolle ohne Ende.
Lakdolt — Archive ^Ophthalmologie, 1892 — hat sich
jüngst ebenfalls dem Studium dieser Frage gewidmet und wie
seine französischen Kollegen konstatiert, dals sich die Zahl
der Sprünge beim Lesen der Zeile mit der Lesedistanz sehr
wenig ändert, um so mehr notwendigerweise der Exkursions-
winkel.
Wie wenig spruchreif diese Frage der sprungweisen Augen-
bewegungen beim Lesen ist, geht aus dem Umstände hervor,
dafs aus demselben Hauptresultate mühsamer Beobachtungen
entgegengesetzte SchluMolgerungen gezogen werden. Während
Landolt annimmt, daüs die kleinen Ausschläge bei bedeuten-
derer Distanz das Auge mehr ermüden, als die größeren Winkel
bei Annäherung, dabei aber in unglückliche Kollision mit der
Aocommodation und Konvergenz kommt, sieht Javal mit
Lamare das Heil der Myopen in möglichster Entfernung
derselben von der Schrift, welche zugleich auch die gröfete
Accommodation8abspannung erlaubt. Persönlich sohliefse ich
mich der letzteren Ansicht an.
Hiermit ist ein neues Feld der Augenphysiologie der
Bebauung eröffnet worden, das der Augenhygiene Dienste zu
leisten verspricht. Einzig steht zu fürchten, dals eine neue
Theorie, die Sprungtheorie, aufgestellt werden möchte.
135
In Kapitel XU werden die Augenleiden bei Onanisten
besprochen. Der Gegenstand ist augenärztlich noch wenig
durchgearbeitet. Ganz vermißt werden bis jetzt noch die
Studien mit dem Ermüdungsperimeter.
Taktvolle Berührung der Onanie und ihrer schädlichen
Folgen bei Gelegenheit von hygienischen Vorträgen in den
Mittelschulen dürfte heilsam wirken. Derartige Erörterungen
können richtig nur von einem Arzte ausgeführt werden.
Kapitel XTTT ist den syphilitischen Augenkrank-
heiten gewidmet. Auch dieser Abschnitt der Ophthalmologie
hat trotz der höchst dankenswerten Arbeit von Alexander
noch manche Lücken. Zum Klinischen nur einige kurze
Bemerkungen.
1. Primäraffektion der Lider und reoidi vierende centrale
Netzhautentzündung (v. Graefe) habe ich mehrfach beobachtet.
2. Die Regenbogenhautentzündung tritt nicht nur als
sekundäre Erscheinung auf, sondern nicht selten als tertiäre
in Verbindung mit Aderhaut-, Netzhaut- und Sehnerven-
affektion.
3. Grünen Star, von dem Cohn auf Seite 579 einen
Fall erzählt, habe ich schon bei mehr als 10 Syphilitischen
gesehen.
4. Die interstitielle Hornhautentzündung bei Kindern ist
häufiger hereditär syphilitisch, als aus den von Cohn an-
gefahrten Zahlen hervorzugehen scheint; von Graefe schätzte
die Lues in diesen Fällen auf 5%, Hutchinson auf 100%«
Die Wahrheit liegt hier nicht in der Mitte, sondern viel mehr
auf Seite des englischen Forschers. Ich finde unter meinen
Patienten mit interstitieller Hornhautentzündung bei ungefähr
70—75% hereditär syphilitische Momente.
5. Die syphilitische Pupillen- und Acoommodationslähmung
ist nicht ganz so trostlos, wie Cohn angibt, wenn sie lange
geniig behandelt werden kann.
Bezüglich der Verhütung der Syphilis möchte ich nur auf
zwei Punkte aufmerksam machen,
1. Auch hier könnten von einem Arzte gehaltene Vorträge
136
an Mittelschulen von guter Wirkung sein.1 Daus dabei be-
sonders taktvolles Vorgehen von nöten ist, erscheint wohl
selbstredend.
2. Der Schularzt hat bei seinen sanitären Untersuchungen
auf Nackendrüsen, Knochenaffektionen in der Umgebung der
Augenhöhle, auf Stinknasen und auf die Zähne zu achten.
Jedes Sand mit ausgesprochenen HüTCHINSONsohen Zähnen
verdiente eine prophylaktische Kur. Ob es nicht möglich
wäre, fiir arme Schulkinder in der Mitte des Sohulhalbtages
unentgeltlich Milch zu verabfolgen, der bei den hereditär belasteten
•in Zusatz von Jodkali zeitweise beigegeben werden könnte?
Was die Sehschwache bei Rauchern und Trinkern
(Kapitel XIV) betrifft, so dürften auch hier hygienische Be-
lehrungen über die Folgen des Mifebrauchee von Tabak und
Alkohol in den Mittelschulen, ja auch in den Volksschulen
am Platze sein und könnten an der Hand eines Leitfadens
von den Lehrern erteilt werden.*
Der Staat soll auf Tabak und Alkohol Steuern legen,
dagegen für gute, nikotin- und fuselfreie Präparate sorgen.
Um so weniger sind die staatlichen Verteuerungen der not-
wendigsten Lebensmittel zu rechtfertigen. Die Pfeife und das
Gläschen des armen Mannes dienen häufig genug zum Selbst-
betrug eines ungenügend genährten Körpers. Etwas mehr
Temperenz wird gut sein beim Volke sowohl als bei den
Gebildeten und speciell bei der akademischen Jugend. Wenn
auch nicht jeder Tropfen Alkohol Gift ist, so bin ich doch
überzeugt, dals bei Reduktion des bisherigen Alkoholgenusses
auf 25% die Kraft des Volkes bedeutend zunehmen würde.
Rationelle Bestimmungen gegen die Trunksucht sind schwierig,
aber erforderlich. Die extravaganten Temperenzbestrebungen
gewisser Staaten Nordamerikas bilden die ungesunden Aus-
wüchse fanatischer Hypokrisie.
1 Dafür dürften eher die Universitäten der geeignete Ort sein. D. Red.
* Solcher Unterricht besteht in den Vereinigten Staaten, s. diese
Zeitschrift, 1888, No.3, S. 96; 1893, No.2, S. 75-76. D. Red.
137
Das XV. Kapitel, Augenleiden infolge von
Blendung, enthält interessanten Stoff für den hygienischen
Unterricht seitens des Lehrers und noch mehr zur direkten
praktischen Verwendung in der Schulhygiene.
Ungern vermisse ich hier die Erwähnung der Untersuchungen
Widmakks über die schädigende Einwirkung des
ultravioletten Lichtes auf die Bindehaut, Hornhaut
und Regenbogenhaut, über die Absorption dieses
Lichtes durch die Linse und den dadurch bedingten
Schutz der Netzhaut.
Die Ordnung des reichen in der Litteratur zerstreuten
Materials in den beiden Kapiteln Berufsaugenkrankheiten
(XVI) und Verletzungen des Auges (XV 11) ist eine
dankenswerte Arbeit; sie sollte zu Rat gezogen werden bei
Erlais von Fabrikordnungen und Unfallversicherungsstatuten
und -gesetzen.
Die Schriftsetzer, welche, in Bern wenigstens, vielfach in
schlecht beleuchteten Lokalen arbeiten, ganz im Gegensatz zu
den Uhrmachern im Jura, haben auch Anrecht auf Schutz ihrer
Augen durch ein Fabrikgesetz.
Eine Klarstellung der Frage über die Entschädigungs-
quote bei Verletzungen des Sehorganes wäre hier
zweckmäßig angebracht gewesen; wir denken hierbei an die
verdienstvolle v. ZBHBNDEBsche F orm el und ihre Diskussion.
Oohn hat nur einen Fall von Augenleiden bei Blei-
arbeitern gesehen. Ich erlaube mir hier an den Fall eines
doppelseitigen Sehnervenleidens zu erinnern, den ich bei einem
Schriftgielser beobachtet habe, — Bericht über die Berner
Augenklinik, 1885 — und der mit Glaukom kompliziert war«
Das Kapitel XVHI, Netzhautleiden bei Kindern
blutsverwandter Eltern, bietet Stoff zu öffentlicher Be-
lehrung und für die Gesetzgebung.
Die Frage der Farbenblindheit (Kapitel XIX), welche
eine Reihe von Jahren die Augenärzte in Spannung gehalten
hat, ist glücklicherweise zu einer gewissen Abklärung und
Buhestellung gelangt. Es mufs mir zur Ehre und Befriedigung
SchvlgerandlMitipfleg* VI. 10
138
gereichen, wenn Cohn meine roten Tafeln als die zuverlässigste
Dntersnchnngsmethode bezeichnet. Ich kann nur wiederholen,
was von mir schon früher geäussert worden ist, daJs ich mit
denselben Farbenblindheit bei Ärzten und Gelehrten nach-
gewiesen habe, die mit keiner einzigen der übrigen Methoden
überführt werden konnten. Es ist für den zu Untersuchenden,
sowie für den Untersucher ein höchst angenehmer Umstand,
dafs bei der Prüfung mit meinen Tafeln gar nicht von Farben
gesprochen wird. Nach der Untersuchung der Sehschärfe
wird schnell noch die rote Tafel zum Lesen vorgehalten, und
der Untersuchte weiis häufig absolut nicht, worum es sich
handelt.
Als Kontrolle habe ich mir die Tafeln von Stillino
gewählt, welche Cohn sehr richtig als den Wahlproben weit
überlegen erklärt.
Der Schlufs des verdienstvollen CoHNschen Buches liefert
reichen Stoff zum Nachdenken für Menschenfreunde, Staats-
ökonomen und solche, die über den Unterricht der Arzte in
der Augenheilkunde zu bestimmen haben.
Noch ein letztes Wort über die Ausstattung des be-
sprochenen Werkes. Diese ist brillant, vielleicht zu brillant.
Es ist bei derselben nicht so sehr auf die Myopen Rücksicht
genommen, welche voraussichtlich sehr zahlreich unter den
Lehrern vertreten sein werden, als auf das Durchschnittsauge
und auf die Übersichtigen. Aus den oben angeführten Mit-
teilungen von Javal und Lamabb scheint hervorzugehen,
dafs Myopen durch etwas kleineren Druck weniger ermüdet
werden; sie ziehen denselben auch instinktiv vor. Die Breite
der Buchstaben hätte daher vielleicht etwas kleiner genommen
werden können. Diese Frage ist jedoch noch nicht ganz
spruchreif. Wir müssen es deshalb Cohn danken, dafs er
nach dem Stande der bisherigen Kenntnisse ein möglichst
hygienisches Buch über Augenhygiene uns als Muster zu bieten
bestrebt war.
139
Sollen die Geschwister von Blasernkranken, welche die
Krankheit früher schon Überstanden haben, vom Schul-
besuche ausgeschlossen werden?
Von
Dr. med. Fr. Dornblüth,
praktischem Arzt in Rostock.
Die Masern begegnen einer so allgemeinen Empfänglich-
keit, dafß bei unseren Schul- und Yerkehrsyerhältnissen kaum
einmal jemand davon verschont bleibt. Der Ansteckungsstoff
wird bereits zur Zeit der Vorboten, wo die Masern erst aus
dem Vorkommen anderer Fälle vermutet werden können, von
den Kranken ausgeschieden; er ist sehr flüchtig und durch die
Luft verbreitbar, kann auch durch Gesunde verschleppt werden,
ond einige Atemzüge scheinen zur Ansteckung zu genügen.
Wer also die Krankheit nicht in der Kindheit überstanden
hat, wird sie fast sicher später bekommen. Ein vollständiger
Schutz durch Absperrung ist nicht zu erwarten.
Bei richtigem Verhalten und angemessener Behandlung,
wozu besonders gute, reine und oft erneuerte Luft, Vermeidung
jeder Erhitzung des Kranken durch dichte Betten, durch starkes
Einheizen und Luftabsperrung, dagegen Abkühlung desselben durch
Waschungen und Bäder, sorgsame Schonung und vorsichtige
Abhärtung während und nach der Genesung gehören, sind die
Masern im allgemeinen keine schwere Krankheit. Ernste Fälle
und bösartige Epidemien werden vielleicht eher durch ver-
kehrtes Verhalten oder durch persönliche Anlagen zu Brust-
krankheiten oder anderen Leiden bedingt, als durch grössere
Giftigkeit des Ansteckungsstoffes.
Während Kinder im ersten Lebensjahre für Masern wenig
empfänglich zu sein und sie leicht zu überstehen pflegen, sind
10*
140
solche vom zweiten bis zum fünften Jähre mehr gefohrdet.
Auch von den Entwicklungsjahren an scheint die Krankheit
in der Regel schwerer zn sein und ernstere Folgen, besonders
für die Atmungsorgane, nach sich zn ziehen. Jedenfalls ist
dieselbe in den späteren Schuljahren und darüber hinaus viel
störender als im früheren Schulalter. Demnach dürfte es
geraten sein, Kinder vom zweiten bis fünften Jahre nach Mög-
lichkeit zu schützen, sodann aber der immerhin meistens ver-
geblichen, wenn nicht gar durch Hinausschieben der Krankheit
auf ein späteres Alter unzweckmäßigen Sperre sich zu ent-
halten, wofern nicht persönliche Anlage solche Sperre
wünschenswert macht.
Masernkranke dürfen schon um ihrer selbst willen die
Schule nicht besuchen, bevor nicht ihre Gesundheit vollständig
wiederhergestellt ist, und sollten auch von anderen nicht durch-
maserten Kindern ferngehalten werden, also keine Besuche von
solchen empfangen. Denn man darf die Ansteckung doch
nicht gerade absichtlich herbeiführen, weil ein von einem
leichten Fall angestecktes Kind seihst sehr schwer erkranken
kann. Aus diesem Grunde sollten jüngere Kinder in Klein-
kinderschulen, Kindergärten u. deigl., sowie in Familien nach
Möglichkeit geschützt werden. Man mufe also von den Kindern
im Alter von zwei bis fünf Jahren alle Personen fernhalten,
die ihnen die Masern bringen könnten, d. h. nicht nur Masern-
kranke und Masernverdächtige, sondern auch alle, die mit
Masernkranken in enger Berührung gewesen sind, besondere
die Geschwister solcher, einerlei ob sie Masern gehabt haben
oder nicht. Lehrer und Lehrerinnen, in deren Familien
Masern herrschen, sind in Bezug auf jüngere Kinder wenig-
stens zu der Vorsicht verpflichtet, durch Waschen, Kleider-
wechsel u. dergl. die Übertragung des Ansteckungsstofles so
viel wie möglich zu vermeiden. Nur in dieser Ausdehnung
will ich die Sperrung der Geschwister durchgeführt haben,
und nur so ist das in meiner „Gesundheitspflege der Schul-
jugend", S. 30 Gesagte zu verstehen, womit auch Dr. Krug
einverstanden sein dürfte, dem ich für seine verständnisvolle
141
und freundliche Besprechung meines Baches in dieser Zeit-
schrift1 verbunden bin.
Durchmaserte Geschwister und andere Wohnungsgenossen
Ton Masernkranken aus der eigentlichen Schule auszuschließen,
halte ich nicht für nötig, weil die Schüler, die noch keine
Masern gehabt haben, sie früher oder später doch bekommen,
und weil mit jeder höheren Klasse immer weniger noch nicht
Durchmaserte vorhanden sind. Außerdem ist Verschleppung
der Masern durch Gesunde zwar möglich, kommt aber doch,
wie es acheint, ziemlich selten vor. Zu erwägen bleibt auch,
dafe seltene, in langen Abständen auftretende Epidemien nach
manchen Erfahrungen schlimmer zu sein pflegen, als schneller
aufeinanderfolgende. Der Schutz derjenigen Schüler, welche
wegen ihrer Körperbeschaffenheit, namentlich wegen Anlage
zur Schwindsucht, in höherem Grade durch die Masern
gefehrdet sind, mufe der Familie überlassen werden, die dann
mit ihrem Arzte zu überlegen hätte, ob der Betreffende lieber
für die Dauer der Epidemie aus der Schule wegzunehmen
wäre. Für Kleinkinderschulen scheint mir sogar das Fern-
halten der Kinder von denselben berechtigt, sobald ein Masern-
Mi daselbst vorgekommen ist, und ich würde auch eine Mit-
teilung des Schulvorstandes an die Eltern über das Vorkommen
ansteckender Krankheiten unter den Schulgenossen für zweck -
mäfeig halten. Hier kann sogar völliger Schulschlufs ange-
messen sein, wenn die Epidemie eine sehr starke Ausbreitung
und Heftigkeit zeigen sollte.
1 V. Jahrgang, 1892, No. 12, S. 669-571.
142
Aus tterfamntlttttgeit mtt Vereinen.
Der Lehrgang der Jugendspiele für Mädchen
in Braunschweig.1
Von
Gymnasiallehrer A. Hermann,
Tarninspektor in Braunsohweig.
Es wird für die Leser von Interesse sein und den Teil-
nehmerinnen wie Teilnehmern in Erinnerung bleiben, dab
obiger Lehrgang, welcher vom 7. bis 11. Juni v. J. abgehalten
wurde, nicht allein in Deutschland, sondern überhaupt der
allererste gewesen ist.
Ich hatte dafür die Zeit der Pfingstferien gewählt, um
einmal allen dabei Beteiligten die dazu nötige Urlaubsgewinnung
zu erleichtern, und um sodann für diesen Sommer noch einen
praktischen Gewinn durch Einführung der Spiele bei den
Schülerinnen der Lernenden zu erzielen.
Eröffnet wurde der Lehrgang am 7. Juni in der Aula
des Neuen Gymnasiums durch einen Vortrag über die Geschichte
des Spiels, den Turnplatz und seine Verwendung beim Turnen
und Spielen, über die Spiellitteratur und dergl.
Den praktischen Übungen gingen vormittags wie nach-
mittags einleitende Bemerkungen über die Vorzüge und den
Wert, sowie über die Kegeln der zu übenden Spiele an der
Hand von Zeichnungen voraus. Die Arbeit selbst dabei
war besonders in den ersten Tagen eine ungewöhnlich an-
strengende, weil den meisten der Teilnehmerinnen die Spiel-
sache überhaupt noch gänzlich unbekannt und neu und die
lebhafte Bewegung bei den Spielen ungewohnt war. Die
1 Ein zweiter solcher Lehrgang findet anoh in diesem Jahre
wiederum in der Pfingstwoche, vom 23. bis 27, Mai, in Brannschweig statt.
143
letzteren mufsten mit allen ihren Kegeln und vielfachen
Formen theoretisch verstanden nnd darauf auch praktisch geübt
werden, um, soweit es in der verhältnismäßig kurzen Lern-
zeit anging, eine gewisse Sicherheit in dabei vorkommenden
Leibesbewegungen und technischen Fertigkeiten zu gewinnen.
Erfordern die einfachen Laufspiele, welche, wie Schlaglaufen,
Drittenabschlagen, Diebschlagen, Barlauf u. s. w., ohne irgend
welches Spielgerät vorgenommen werden, Ausdauer im Laufen,
so stellen die Ballspiele keine geringeren Anforderungen an
den Schnelllauf und verlangen dazu noch Gewandtheit und
Sicherheit im Schlagen, Werfen und Fangen des Balles. Und
hierbei kommt als Spielmittel der Ball in seinen verschie-
denen Formen als kleiner Wurf- und Fangball, wie auch als
grolser StoJs-, Schleuder- oder Rollball und daneben dann
noch das Schlagholz oder beim Lawn Tennis und Federball
die Rakete hinzu. Auch das Reifwerfen und -fangen, und
zwar in der eigenartigen neueren Weise, dafs der Reif mit
zwei Stäben geworfen und gefangen wird, wurde als eine vor-
zügliche Schule der Gewandtheit in den Spielbetrieb mit auf-
genommen.
Das alles ist nicht so leicht, es will geübt und fertig
gelernt sein, und letzteres ist zumal nötig, wenn man selber
darin Anleitung geben und mit den Spielen überhaupt die
Mädchen für die Schnelligkeitsübungen, die gesundesten und
forderndsten aller Körperübungen, gewinnen will. Bald merkten
denn auch die Teilnehmerinnen die Wirkung dieser Übungen,
welche in frischer Luft und Sonnenschein, in Gottes freier
Natur allein heilsam und nutzbringend vorgenommen werden
können. Es war keine leichte Aufgabe, am Vormittag von
9 bis 11 Uhr und am Nachmittag von 5 bis 7 Uhr nach der
Anhörung von erklärenden Vorträgen über die Bewegungs-
spiele diese selbst durch Laufen, Werfen, Fangen, Schlagen
mit dem Ballholz oder der Rakete zu üben. Aber es kann
gesagt werden, dais die Teilnehmerinnen — und unter ihnen
waren Turnlehrerinnen, wissenschaftliche Lehrerinnen, Schul-
vorsteherinnen, wie auch Seminaristinnen, also die verschie-
144
densten Altersklassen, vertreten — mit anzuerkennender Aas-
daner und voller Hingabe, ja mit Begeisterung sich ihrer Auf-
gabe gewidmet haben. Der Müdigkeit und dem Muskelschmerz
gegenüber stellte sich ein gesunder Appetit, ein belebender
Schlaf und eine frische Gesichtsfarbe als Lohn ein. So war
denn auch ein frischer Humor bei den geselligen Abend-
zusammenkünften immer wieder aufs neue der Ausdruck des
Erfolges dieses Jugendspiellehrganges. Nicht zum wenigsten
trug auch zu dem schönen Gelingen das herrliche Juni-
wetter bei.
Dafe den Teilnehmerinnen auch die Spiele in ihrer Ans-
übung und Anwendung durch Mädchen selbst vorgeführt
wurden, war notwendig. Am Donnerstag Nachmittag begaben
sie sich zu dem Zwecke nach Wolfenbüttel, um hier in den
Lehranstalten von Fräulein Anna Vorwerk die Schülerinnen
und Seminaristinnen sich bei den Spielen, wie Kreisball,
Wanderball, Schlaglaufen, Drittenabschlagen, Henne und
Habicht, Kreiswurfball, Ball mit Freistätten, Eckball, Grenz-
ball und Barlauf, mit Lust tummeln zu sehen. Am Freitag
Vormittag boten ihnen die Mädchen aus Fräulein Marie Tolles
höherer Privatmädchenschule Gelegenheit, auf dem kleinen
Exerzierplatze die Spiele, nicht durch den immerhin engen
Baum eines Schulhofes begrenzt, unter sehr günstigen Ver-
hältnissen vortrefflioh ausführen zu sehen. Die Schülerinnen
dieser Anstalt zogen in geordnetem Zuge mit ihren Spiel-
geräten zu diesem öffentlichen Platze hinaus, um, unbekümmert
um die Vorübergehenden und Zuschauenden, dort sich beim
frohen Spiel auszuleben. An beiden Schulanstalten war außer-
dem Gelegenheit gegeben, von dem Mädchenturnbetriebe, wie
er sich hier entwickelt hat, Kenntnis zu nehmen.
Der Lehrgang fand am Sonnabend Mittag nach zwei-
stündiger Übung im Lawn Tennis auf dem Schulhofe der
letztgenannten Anstalt seinen Abschluß.
Es nahmen 31 Lehrerinnen und 5 Lehrer an demselben
teil. Von diesen waren 15 Lehrerinnen aus Preufsen, zumeist
aus den angrenzenden preufsisohen Provinzen, aber auch aus der
145
Mark, Ostpreufsen und Rheinland. Je 1 Lehrerin war aus Dessau
und Sondershausen, 14 aus Braunschweig. Von den Herren kamen
3 aus Basel im Auftrage ihrer Regierung, je 1 Herr aus Ellrich und
Schoningen. Sie alle trennten sich von hier mit der gewonnenen
Erkenntnis, dais die Bewegungsspiele auch im Leben unserer
weiblichen Jugend unersetzlich sind, und sie sprachen offen
aus: »Was wir hier gesehen und gelernt haben, wollen wir in
den Mädchenschulen, an welchen wir zu arbeiten haben, mit
den uns zu Gebote stehenden Kräften und Mitteln einzurichten
versuchen".
Wir haben bei dem allen mit Befriedigung wahrgenommen,
dais neuerdings immer mehr die Ängstlichkeit, Weichlichkeit
nnd Schulsteifheit, auf welcher alle Spielfeindschaft beruht,
das Erbe einer philiströsen Vergangenheit, auch bei unseren
Mädchenschulen im Schwinden begriffen ist und die volks-
tümliche Spielfreudigkeit früherer Geschlechter und Jahr-
hunderte wieder neue Blüten zu treiben beginnt. Die Erkennt-
nis tritt immer deutlicher zu Tage, dafs die Mütter, welche
aus Ängstlichkeit ihre Töchter vom Spiel zurückhalten, uod
die Lehrer und Lehrerinnen, die ihre Schülerinnen aus Leistungs-
wetteifer an den Schul- und Hausarbeitstisch fesseln, sich an der
Jugend, an dem, was ihnen das Liebste ist oder sein sollte, arg
versündigen. Der grillenhafte Bürger, der im fröhlichen Treiben
der Jugend auf öffentlichen Plätzen ein polizeiwidriges Benehmen
erblickt und jeden Wiesenplan, jedes Gartengehege mit einem
Stacheldrahtzaun abgesperrt haben • will, und die in ihrem
engen Modekleide versteifte Dame, di» es den Mädchen, zumal
ans den sogenannten besseren Ständen, aus Anstandsrücksichten
nicht erlauben will, im fröhlichen Spiel zu jauchzen, zu laufen,
zu springen, lebensfrisch sich zu drehen und zu schwenken,
sie alle vergehen sich an der Gemeinde und an dem Staate, die
eines gesunden, kräftigen Geschlechts zur Erfüllung ihrer Auf-
gaben bedürfen.
146
Verhandlungen der medizinischen Gesellschaft in Basel
über den Einflufs der Schule anf die körperliche Entwickelnng
der Jugend.
In der medizinischen Gesellschaft zu Basel hielt unser geschätzter
Mitarbeiter, Herr Professor der Anatomie und Entwickelungsgeschichte
Dr. J. Kollmann, einen Vortrag über das obige Thema, den wir
trotz einzelner abweichender Ansichten nach dem vKorrbl. f. Schwe.
Ärzte" wiedergeben.
Die Anforderungen der Schule bringen in den Städten die
Gesundheit des heranwachsenden Geschlechtes in schwere Gefahren.
Es hat der Irrwahn nach und nach ganz Europa erfafst, dafe langes
Sitzen in der Schule dem einzelnen und dadurch den Nationen un-
endliche Reichtümer in den Schote werfe. Dieser Wahn hat sich wie
alles langsam entwickelt, ist aber jetzt grofe und m&chtig geworden.
Millionen sind von ihm durchdrungen. Sie rufen beständig nach
mehr Schulen, nach Schulen am Tage und Schulen bei Nacht. Der
neueste Ruf ist: keine Gassenbuben mehr! Die armen Jungen, die
sich nach der Schulzeit auf den Gassen herumtreiben möchten,
müssen eingefangen und dann noch auf ein paar Stunden an den
Kleistertisch, den Schraubstock, die Drehbank gefesselt werden, „um
in ihnen den Sinn für erwerbende Arbeit bei Zeiten zu wecken".
Die Regierungen folgen dem unaufhörlichen Drängen, und wir
sind noch nicht am Ende. Mafshalten thut endlich not. Unbefangene
sehen die Gefahr; da und dort tönt ein Ruf nach Reformen. Noch
kennt aber niemand den Weg zur Umkehr.
Man übersieht heutzutage so häufig, dafe Jugend etwas Wer-
dendes, etwas sich Fortentwickelndes ist. Alle Organe, welche den
reifen Organismus des Menschen zusammensetzen, sind bei den schul-
pflichtigen Kindern zwar vorhanden, aber noch im Wachsen begriffen,
deshalb zart und weich in ihrer Zusammensetzung. Das gilt vom
Auge, vom Gehirn, von dem -Skelett und den Muskeln, wie von dem
Herzen und seinen Gefftfsen und von den Organen für die Ernäh-
rung. Damit das Ganze gedeihe, braucht das junge Wesen Nah-
rung, Licht, Luft, Bewegung im Freien, Schlaf und geistige Ruhe.
Wie steht es nun in den Städten mit diesen für das Gedeihen un-
erläfslichen Bedürfnissen?
Nahrung wird meist in ausreichender Menge geboten. Die
Wohlthätigkeit sucht die hungernden Kinder selbst in den Schul-
häusern auf. In manchen Fällen wird sogar zu viel geboten,
namentlich in nervenerregenden Getränken. Nothnagel konnte es auf
dem Kongresse für innere Medizin im Jahre 1888 unter dem Bei-
fall der zahlreich versammelten Ärzte als einen Krebsschaden unserer
Zeit bezeichnen, dafs man Kindern Wein und Bier bei Tische regel-
147
mftfsig verabreiche.1 Nicht minder wird in ganz Europa gesündigt
durch starken Thee und Kaffee. Reizmittel passen nicht für Kinder.9
Doch abgesehen davon herrscht an ausreichender Nahrang in den
Städten für die Schuljugend im ganzen kein Mangel. Dasselbe gilt
von dem Licht; vielleicht leisten darin die Schulhäuser schon etwas
zu viel; wenigstens wurde jüngst von kompetenter Seite behauptet,
in den Schulzimmern seien die zu grofsen Fenster nicht ganz un-
schädlich für das Auge. Doch sei dem wie immer, jedenfalls
herrscht kein Lichtmangel.
Dagegen herrscht Mangel an frischer Luft, es fehlt genügende
Bewegung im Freien, es fehlen Schlaf und geistige Ruhe.
Ein erwachsener Mensch braucht in 24 Stunden im Durch-
schnitt 9000 Liter Luft, das macht 150 Eimer. Was ein Mensch
sonst bei guter Ernährung an fester und flüssiger Nahrung braucht,
nimmt durchschnittlich den Raum von drei Litern ein, beträgt also
dem Umfang nach nur den dreitausendsten Teil des Volumens der
Atemluft. Auf dieses erstaunliche Luftbedürfnis gründet sich die
Berechnung der Ventilationseinrichtungen für die Schulzimmer, Ver-
sammlungssäle u. s. w., wie sie namentlich von Pettenkofer an-
gestellt ist.
Wenn nun auch die Ventilation die nötige Luftmenge in die
Schulzimmer liefern sollte, so kommt sie den Kindern doch nicht in
vollem Mafse zu gute, denn die Lunge kann in der gebückten Hal-
tung nicht vollständig gefüllt werden, weil beim Sitzen sich der
Raum für den Brustkorb verkleinert. Es gelangt also nie die er-
forderliche Luftmenge in die Lungen. So bleiben denn diese wich-
tigen Organe schwach und unvollkommen. Das ist ein schon lange
erkannter Nachteil der sitzenden Lebensweise, vor allem des zu
langen Sitzens in der Schule.
Die Bewegung im Freien ist für alle Vorgänge des Stoffwechsels
unentbehrlich. Ich betone Bekanntes, wenn ich zunächst hervorhebe,
dafe die Cirkulation der Säfte durch die Bewegung des Körpers,
durch die der Arme, der Beine und des Rumpfes, unterstützt werden
mute. Dieses Bedürfnis ist namentlich bei der Jugend mächtig, ja
geradezu unwiderstehlich. Daher die flatterhafte Betriebsamkeit, die
Freude an der Bewegung, am Laufen, Springen, Klettern, Werfen,
Schlagen, Stoßen, am Schreien, wodurch ebenfalls der Brustkorb
bewegt wird. Ohne diese Bewegungen werden alle Organe schwäch-
lich entwickelt, die Knochen, die Muskeln und das Herz.
1 Vgl. diese Zeitschrift, 1888, Nr. 8, S. 258—259. D. Red.
1 Siehe auch Pblmann, C. Nervosität und Ersiehung, 3. Auflage.
Bonn, 1888. Bunge, G. Die Alkohol frage, 2. Auflage. Leipzig, 1887 ;
Lehrbuch der physiologischen und pathologischen Chemie. Leipzig, 1887.
148
Trotz dieser alten, schon lange erkannten Wahrheit wird die
Jngend der Städte den ganzen Tag an die Schale nnd abends an
den Schreibtisch gefesselt, denn was an Turnen geboten wird, ist
noch immer einem Medikament in homöopathischer Verdünnung
vergleichbar.
Schlaf nnd geistige Ruhe sind unserer Jngend arg verkümmert
ans verschiedenen Gründen. Die mangelhafte Cirknlation des Blutes
infolge des Stillsitzens und die damit gehinderte Atmung schädigen
das Nervensystem. Die Produkte des Stoffwechsels werden nicht
genügend durch Haut und Lungen ausgeschieden und beeinflussen
das Nervenleben in ungünstiger Weise. Dazu kommen die Schul-
sorgen, die Angst vor Strafe, vor Schande, die beliebten Straf-
aufgaben, Strafklassen u. s. w.
Nüssbaum, der das Leben in München z. B. sehr genau kennt,
erzählt, wie er die Knaben, die schon längst in das Bett gehörten,
noch am Schreibtisch abends um 9 Uhr antrifft; sie halten mit den
kalten Händen den heifsen Kopf, in den nichts mehr hineingebt.
Ähnliches kommt auch anderwärts vor.
Doch um all das kümmern sich die Schulfanatiker Europas
nicht im geringsten. Die Jugend mufs Bildung erringen. „Wir
ventilieren ja Luft in Fülle, und wir bauen Turnhallen aller Orten, tt
so rufen sie befriedigt aus.
Trotzdem werden die sonst frohen Kinder traurig, blafs, hohl-
äugig, sehen schlecht genährt aus, leiden oft an Kopfschmerzen, der
Schlaf wird unruhig, es kommt selbst zu Schlaflosigkeit, zu rasch
auftretender körperlicher und geistiger Ermüdung, der Appetit wird
geringer, Palpitationen des Herzens treten auf, neuralgische Schmerzen
verschiedener Art u. s. w. Neurasthenie nennen die Ärzte diese
Erscheinungen.
Knaben und Mädchen leiden in gleicher Weise, die letzteren
vielleicht sogar mehr. Unter 600 Schülern eines Gymnasiums war
bei 32% das Nervensystem nicht normal, und die Störungen nahmen
von Klasse zu Klasse rasch und beständig zu.1 Unter 310 Mädchen
aus Volksschulen im Alter von 12 bis 13 Jahren krankten 36%
an Blutarmut. Erfolgreich bekämpft wurden die Krankheitserschei-
nungen durch Unterbringung der Mädchen in Privatschulen, wo sie
täglich nur drei Stunden Unterricht erhielten unter Einfügung ent-
sprechender, zum Herumtummeln im Freien benutzter Zwischenpausen.8
Durch die übertriebenen Anforderungen raubt man also dem
heranwachsenden Geschlecht nicht allein die Luft und den Schlaf
1 Erismann, Zeitschrift für Schulgesundheitspflege. Hamburg, 1888,
No. 11, S. 410 f.
* Kunze, Halle a. d. Saale.
149
und die geistige Ruhe, sondern man macht ihm selbst das Blut aus
den Adern schwinden. Jedes dritte Kind, das die Volksschulen der
Städte besucht, ist in der Regel blutarm.
Selbst die Knochen verfallen der Zerstörung. Ärzte, welche
mit den RöckgratsTerkrümmungen sich beschäftigen müssen, erklären
kategorisch: Sollen die Kinder sich körperlich entwickeln, so kann
dies nur geschehen durch das radikale Mittel der Beschränkung der
Sitzzeit in der Schule.1
Asyle werden gebaut, um jene armen Wesen vor gänzlichem
Untergang zu retten, welchen die Schule die Knochen erweicht
und zermalmt.
Von der Beschädigung des Auges soll hier nichts gesagt werden.
Die Zunahme der Kurzsichtigkeit ist ein altes trauriges Lied, das
jeder kennt. Man beruhigt sich bei dem Gedanken, dafs ja die
Kinder in hygienisch konstruierten Schulbänken eingeschraubt sind.
Hat sich eine Familie diese hygienische Bank erstanden, dann können
die Kinder ruhig weiter sitzen bis tief in die Nacht hinein, nun
schadet's ja nichts mehr!
So steckt das Übel jetzt schon in der Familie. Handelte es sich
bei Reformen der Schule nur um die Pädagogen und um die Be-
hörden, da könnte wohl noch die Presse helfen, unterstützt von
Versammlungen, Resolutionen u. dgl. mehr, allein das Übel sitzt
tiefer. Die Eltern sind froh, wenn sie die Kinder so lange als
möglich vom Halse haben; die Opferfreudigkeit selbst der Mütter ist
schon abgeschwächt, sie wollen die Kinder, so lange es geht, los sein,
und die Staaten haben alle der Reihe nach dem vielseitigen Drängen
nachgegeben und die Schule nicht blofs zur Lehranstalt, sondern auch
zu einer Kinderbewahranstalt gemacht. Und schon fängt sie an
such Badeanstalt zu werden. Das alles geschieht in der besten Ab-
sicht, aber gereicht der körperlichen Entwickelung zum Verderben,
weil die Bewegung im Freien aufhört. Man erzieht also auf diese
Weise nur körperliche Krüppel.
Dorfkinder, auch wenn sie in Fabriken arbeiten, entwickeln
sich im allgemeinen günstiger als die Stadtjugend.9 In Bezug auf
harmonische Entwickelung des Körpers, d. h. in Bezug auf das richtige
Verhältnis von Körperlänge, Brustumfang und Gewicht stehen die
Stadtschüler sowohl hinter den Dorfschülern, als auch hinter den
Fabrikkindern zurück.
Das ist ein trauriger Unterschied der Erziehung zwischen Stadt
und Dorf und die schärfste Verurteilung des jetzigen Unterrichts-
Systems in Bezug auf Gesundheit. Trotz guter Nahrung, Wohnung,
1 Bagiksky, Wiener medizinische Wochenschrift, 1888, No. 28.
1 Überzeugende Zahlen bei Ebismanv a. a. 0., S. 408, gesammelt
aus Beobachtungen an 40 000 Kindern beiderlei Geschlechts.
150
Ventilation, prächtiger Schulhausbauten und Turnanstalten entwickelt
sich die Brust bei den Stadtschfllern wesentlich schlechter als bei
den Kindern der Landbevölkerung. Warum? Weil sich die Dorf-
jugend im Freien noch bewegen darf. Der anthropologische Verein
des Grofsherzogtums Baden hat eine umfassende Untersuchung der
"Rekruten seines Landes eingeleitet. Die bisher durch Ammon ge-
fundenen Zahlen lehren, dafs Leute mit sitzender Lebensweise die
schwächste Brustentwickelung haben und gegen die Landwirte und die
im Freien lebenden Handwerker weit zurückstehen. Bei Zöglingen
von Seminarien ist aber die Brustentwickelung noch geringer als bei
Leuten mit sitzender Lebensweise.
Man sieht hieraus, das Gedeihen des Körpers ist mehr von
ausgiebiger Bewegung in frischer Luft abhängig, als von guter Nah-
rung und Wohnung. Ohne Freiheit der Bewegung keine gedeihliche
Entwickelung des menschlichen Körpers. Sonderegger bemerkt in
seinem Gutachten über die Errichtung eines hygienischen Institutes
sehr treffend, die Gesundheit des Volkes sei das Kapital der Ka-
pitale. Die dureh übertriebenes Schulsitzen entstandene Vergeudung
dieses Kapitals wird selbst von den Besten noch kaum beachtet.
Man mute also noch mehr Zahlen aufeinandertürmen. Allmählich
werden es dann endlich alle anerkennen müssen, was von den Lehrern
vielfach bestritten und verneint, von den Ärzten aber immer wieder
betont wird:
1. Das Vorhandensein abnormer Nervenzustände bei 30% der
Stadtschüler in ganz Europa, soweit Untersuchungen vorliegen.
2. Die Zunahme der Neurasthenie mit den Altersjahren der
Stadtschüler. In der untersten Klasse fehlt sie, in den höheren
Klassen sind bei neunzehnjährigen Leuten in Gymnasien schon 66%
nachgewiesen worden. Die Schulbänke haben es erstaunlich weit
gebracht.
Begreift man wohl die medizinische Akademie von Paris, welche
die öffentlichen Gewalten auf die Notwendigkeit lenkt, das Regime
der Schulanstalten den Gesetzen der Gesundheitslehre und den Er-
fordernissen der körperlichen Entwickelung des heranwachsenden Ge-
schlechtes besser anzupassen. Sie dringt
1. auf Vermehrung der dem Schlaf gewidmeten Stunden;
2. auf Verminderung der für die Unterrichts- und Arbeitsstunden
bestimmten Zeit;
3. auf Verwendung eines Teiles derselben für Erholung und Körper-
übungen.
Die oben erwähnten Schulkrankheiten kommen, wie schon er-
wähnt, in ganz Europa vor, die Schweiz nicht ausgenommen. Fank-
151
Häuser1 erw&hnt im Jahre 1880 unter den Schulkrankheiten nicht
nur die Kurzsichtigkeit nach den Zahlen Pflügers in Bern u. a.,
sondern auch Kongestionen nach dem Kopf (Kopfschmerz), nach
Gutllaume im College municipal zu Neuenburg bei 40%, und zwar
bei 51% der Mädchen und 28% der Knaben, ferner den Schul-
kropf, allgemeine Ernährungs- und Verdauungsstörungen, Verkrüm-
mungen der Wirbelsäule u. s. w.
Abhilfe thut überall dringend not. Möchten doch die Behörden
sofort mit einer Kürzung der Schulstunden eingreifen. Vier Stunden
Tormittags sind unter allen Umständen zu viel. Man streiche zunächst
wenigstens die vierte Vormittagsstunde, einige andere Stunden werden
hoffentlich nachfolgen zum Heil der Jugend, die unser Trost und
unser Hoffen ist.
In der Diskussion wird für diesen Vortrag dem Redner der
beste Dank und die Übereinstimmung in vielen wesentlichen Punkten
ausgesprochen.
Professor Hagbnbach rügt namentlich, dafs die Lehrer den
bestehenden hygienischen Vorschriften über Schulaufgaben nicht nach-
kommen, wodurch eine Überbürdung der Schüler an einzelnen Tagen
entsteht. In diesem Punkte könnte die Gesellschaft vielleicht ein-
greifen.
Professor Roth: Der Vortragende hat der Schulbank zu viel
Übles nachgesagt. Auch den Lehrern kann man der Aufgaben wegen
keinen Vorwurf machen, weil sie ein gegebenes Pensum erfüllen
müssen; die begabten Schüler lösen es leicht, die schwachen kaum.
Er findet das Übel in der heutigen ganz verkehrten Mode der Viel-
wisserei. Auch bemerkt er, dafs nach Thoma und Quetelet die
Dorfjugend im zwölften Jahre einige Centimeter kleiner sei als die
Stadtjugend.
Professor Fbhlinq beklagt den körperlichen Rückgang der weib-
lichen Jugend und tadelt die ganz unzweckmäfsige Haltung, zu welcher
die Schülerinnen der hiesigen Töchterschule während der Schulstunden
gezwungen werden.
Dr. Oeri weist nach, dafs das Verhältnis der Dorfjugend zur
Stadtjugend regionär ein wechselndes sei, und betont dann nament-
lich, dafs die moderne Turntyrannei niemals das freie Spiel der
Jugend ersetzen könne.
Dr. Theophil Lotz macht auch auf den Einflufs der Heredität
aufmerksam. Er bringt die moderne Vielwisserei in Beziehung zur
1 Funkhäuser. Über Schulgesundheitspflege, Bern, 1880 und Schwei-
zerische Zeitschrift für Gemeinnützigkeit, 1879.
152
heutigen Demokratie, welche auch auf geistigem Gebiete alle gleich
machen will.
Professor Kollmann gibt die zu einer bestimmten Zeit be-
stehende größere Lange der Stadtjugend zu, erklärt aber, dafs dieser
Gräfte nicht auch der Thoraxumfang und die Entwicklung der
Muskulatur entspreche.
Die übrigen Voten der Herren Hagbnbach, Rütimbyeb, Beck,
Lotz, Obri, Fbhling, Roth, Kollmann drehen sich hauptsächlich
um die Frage, ob und in welcher Weise man gegen die Schäden
der Schule vorgehen könne. Es wird beschlossen, die Angelegenheit
im Auge zu behalten, und Professor Kollmann wird später be-
stimmtere Anträge vorlegen.
Die GründungsversammluBg des Centralvereins für Schul-
schwimme! ii Berlin.
Am Freitag, den 11. November 1892, fand in Berlin die
Gründungsversammlung des Centralvereins für Schulschwimmen
statt, d. h. eines Vereins zur Einführung des Schwimmens in die
Schule. Erschienen waren etwa 50 Herren und Damen, darunter
verschiedene Autoritäten auf den Gebieten des Turnens, Schwimmens,
der Hygiene und Medizin, sowie die Vertreter der Berliner Schwimm-
vereine.
Dr. Keksbbiter wies in einem einleitenden Vortrage „Über
die Lage unserer Jugend vom Standpunkte der Hy-
giene" zunächst nach, dafs die 3 Turnstunden wöchentlich und
die nur während 15 Sommerwochen stattfindenden Turnspiele für
das körperliche Wohl der Schüler nicht genügen, dafs ferner die
Familie aus Mangel an öffentlichen Spiel- und Erholungsplätzen,
sowie an heizbaren Schwimmanstalten, die im Herbst, Winter und
Frühjahr benutzt werden könnten, nicht im stände ist, die geistige
Anstrengung unserer heranwachsenden Jugend durch die nötige kör-
perlicheErholung unschädlich zu machen. Als die geeignetste Leibesübung
neben dem Turnen, nach der schon die Berliner Konferenz Ar das
höhere Schulwesen fragte, erscheine das Schwimmen einmal wegen
seiner groben Vorteile, welche der Vortragende mit denen anderer
Sports verglich, andererseits weil es sich an den Schulen, wo
es schon eingeführt i3t, gut bewährt hat und die Schüler sich danach
drängen.
Aufgaben des Centralvereins für Schulschwimmen
seien zunächst:
1. Staat und Städte zu bitten, das Schwimmen, wenn auch
vorläufig nur versuchsweise und fakultativ, in die Schulen einzuführen.
2. Durch Vorträge Belehrung zu verbreiten über die Vorzüge
153
and den Nutzen des Schwimmens, wie der Hantpflege überhaupt,
för die Gesunderhaltung des Körpers.
3. Eine Centralstelle für Geschenke und Vermächtnisse zur
Erbauung von Schwimmanstalten, sowie für alle Bestrebungen zur
Förderung des Schwimmens zu bilden. Der Centralvferein för
Schwimmen übernimmt die Verwendung und Verwaltung von Zu-
wendungen för Schwimnizwecke.
Dem Vortrage schlofe sich eine lebhafte, den Ausführungen
des Vortrags zustimmende Diskussion, namentlich zwischen den
Herren Schulrat Professor Dt. Eulbä,1 Dr. med. Marcus» und
Schwimmschulbesitzer Auerbach, an. Dann konstituierte sich der
Centrafrerein mit etwa 40 Mitgliedern. Der Vorstand besteht aus
dem Vorsitzenden Dr. Kebsäbiter, dem Schriftführer Lehrer Jaäke1
ofd dem Kassenwart BeichsbankkaJkulator Hibkmann. Diejenigen,
welche sich für Schulschwimmen interessieren, werden gebeten, ihre
Adresse an den Schriftführer Lehrer Janke, Berlin 0., Andreas-
ttntfse 17, zu senden. Der* jährliche Mindestbeitrag fitt Mitglieder
feträgt 1 Mark..
Ä! rinere MUttxinn^tn.
Untersuchungen der Wirbelsäule von 2124 Schulkindern
in München wurden durch Hofrat Dr. Brunner, Universit&ts-
professor Dr. Klaussner, Stabsarzt und Privatdocent Dr. Setdel
in 6 Schulen mit 44 Klassen vorgenommen, und zwar in 10 ersten
Knabenklassen mit 500 Schülern, in 12 zweiten Knabenklassen mit
581 Schülern, in 11 ersten Madchenklassen mit 652 Schülerinnen
und in 11 zweiten Mädchenklassen mit 491 Schülerinnen. In der
„Münch. med. Wochschr." berichtet Dr. Brunner darüber nach-
stehendes: In den 10 ersten Knabenklassen fanden sich bei 36,6o/e
englische Krankheit (Bhachitis), bei 10 % flache Bücken, bei 1 %
seitliche Rückgratverkrümmung (Skoliose), bei 0,4 % hintere Bück-
gratsverkrümmnng (Kyphose), bei 5,8 % Biegung der Lendenwirbel*
säüle nach links oder rechts; in den 11 ersten Mädchenklassen
bei 30,6% Bhachitis, bei 11,8% flache Bücken, bei 1,6%
Skoliose, bei 1 % Kyphose, bei 4,5 % Biegungen der Lenden-
wirbels&ule nach links oder rechts; in den 12 zweiten Knaben-
klassen 30,4% Bhachitis, 10% flache Bücken, 0,8% Skoliose,
1 Unser Mitarbeiter. D. Bed.
Bchvlgerandhcttspfleg* VI H
154
0,2% Kyphose, 6% Biegungen der Lendenwirbelsäule nach links,
oder rechts; in den 11 zweiten Mädchenklassen 25,4%
Rhachitis, 10 % flache Rücken, 2,4 % Skoliose, 0,2 % Kyphose,
3% Biegungen der Lendenwirbels&ule nach links oder rechts. Als
Gesamtergebnis der Untersuchung der Wirbelsäule der 2124
Kinder, Knaben und Mädchen, wurde gefunden: 30,7% Rhachitis,
10 % flache Rücken, 1,4 % Skoliose, 0,4 % Kyphose, 5 %
Biegungen der Lendenwirbels&ule nach links oder rechts. Bei der
Gruppierung der Knaben und Mädchen für sich ergaben sich folgende
Zahlen: 1081 Knaben: 33,5% Rhachitis, 10% flache Rücken,
0,9 % Skoliose, 0,3 % Kyphose, 5, 9 % Biegungen der Lendenwirbel-
säule nach links oder rechts; 1043 Mädchen: 28% Rhachitis,
10,9 % flache Rücken, 2,0 % Skoliose, 0,6 % Kyphose, 3,8 %
Biegungen der Lendenwirbelsäule nach links oder rechts. Im ganzen
und gropsen ergab sich durch die Untersuchung in den zwei ersten
Schulklassen eine sehr grobe Zahl von Kindern, welche noch Zeichen
von früherer rhachitischer Erkrankung ihres Knochenbaues,
namentlich Verschiebungen und Eindrücke des Brustkorbes, an sich
haben, bei den Knaben ein Dritteil (33,5 %) der Gesamtzahl, ja bei den
Knaben der ersten Klasse noch darüber (36,6 %); auffallend weniger
Rhachitis boten die Mädchen der ersten Klassen (30,6 %) und noch
viel weniger die der zweiten Klassen (25,4 %). Der flache
Rücken kam in ziemlich konstanten Zahlen bei Knaben und Mädchen
der ersten und zweiten Klassen bei Yio der Gesamtheit zur Be-
obachtung. Was die Skoliose betrifft, so zeigte sich, dafs sie
schon in den ersten Schulklassen gefunden, also in die Schule mit-
gebracht wird, dass sie bei den Mädchen in erheblich größerer
Anzahl (2 %) zur Beobachtung kommt, als bei den Knaben (0,9 %).
Alle die wahrgenommenen Fälle von Skoliose liefsen aber erkennen,
dafs sie auf rhachitischer Basis beruhen, da immer auch noch
Zeichen von Rhachitis an Brust und langen Röhrenknochen vorhanden
waren. Die Schule selbst hat also an dem Zustandekommen dieser
Verkrümmungen der Wirbelsäule keinen Anteil. Was nun die
Haltung und Stellung der untersuchten Schulkinder anlangt, so
ist zu bemerken, dafs es überhaupt sehr schwer ist, die Mehrzahl
derselben zu einer geraden Haltung zu bringen. Abgesehen von den
in der Minderheit befindlichen völlig gesunden, kräftig gebauten
Kindern mit ungezwungener, schön gerader Körperhaltung, wissen die
meisten nicht eine gute gerade Haltung einzunehmen. Die Mehrheit
der kleinen Knaben und Mädchen stehen mit gespreizten Beinen,
den einen Fu£s vor den anderen gesetzt, mit nach vorne abwärts
geneigtem Becken, vorgestrecktem Bauch, lordotisch eingezogener
Lendengegend, rückwärts gelagertem Brustkorb, nach vorne hängen-
155
dem Kopf, vorgezogenen Schultern und haben kein Verständnis für
eine gerade Haltung. Es sind das meist knochen- und muskel-
sehwache Kinder mit bleicher Hantfarbe, ohne genügendes Unter-
hantfettgewebe, mit Zeichen froherer Rhachitis. Aber selbst kräftig
angelegte, gutgenährte Kinder haben gewöhnlich eine Haltung mit
Neigung und einseitiger Senkung des Beckens, mit Verschiebung der
Schultern, so dafs es beim ersten Blick den Anschein erregt, als ob
sie nicht gerade wären, und erst wenn man sie richtet und aufmerk-
sam macht, nehmen sie eine gute Haltung an. Eine Deformität
der Wirbelsäule ist dann nicht zu konstatieren. Dabei handelt es
sich um eine leichte, oft kaum bemerkbare Einbiegung der Wirbel-
säule im Lendenteile nach links oder rechts, und zwar in doppelt so
großer Anzahl nach links als nach rechts mit entsprechender Schief-
stellung des Rückens und des Schultergürtels. Wenn keine einseitige
Beckensenkung vorliegt, verschwinden diese Deviationen beim Vor-
wärtsbeugen des Rumpfes vollständig. Unter 1081 Knaben wurde
diese Haltungsanomalie konstatiert bei 5,9 %, unter 1043 Mädchen
bei 3,8%, und zwar bei den Knaben der ersten Klasse in 5,8%,
hei den Mädchen der ersten Klasse in 4,5 %, bei den Knaben der
zweiten Klasse in 6,0%, bei den Mädchen der zweiten Klasse in
3,0%. Es ist dieser Nachweis, dafs mehr Knaben eine schlechte
Haltung zeigen als Mädchen, nicht uninteressant; man hat auch
häufig die Gelegenheit zu bemerken, dafs die größeren Knaben,
wenn sie aus ihren Schulen, wie Realschulen oder Gymnasien, kommen,
eine möglichst schlechte, krumme Haltung zeigen, während dagegen
die gleichaltrigen Mädchen meist eine gerade, aufrechte Haltung ein-
nehmen, eine Erscheinung, welche um so auffallender ist, als die
Knaben mehr körperliche Übung pflegen und muskelkraftiger sind.
Diese gute Hältung der Mädchen hängt sicher mit der frühzeitig
verwendeten festeren Rumpfbekleidung zusammen. Zwar geht die
allgemeine Erfahrung dahin, dafe bei den alteren Mädchen viel mehr
seitliche Verkrümmungen der Wirbelsäule vorkommen, als bei den
gleich alten Knaben. Dies hat jedoch unter anderem auch darin
seine Begründung, dafe die Mädchen viel mehr und viel besser
beobachtet werden als die Knaben, schon weil ihre Kleidung die
Formen des Oberkörpers mehr hervortreten läfst, während die Be-
kleidung der Knaben eine losere ist und die Körperform mehr ver-
deckt, und weil Oberhaupt auf gute Haltung bei den Mädchen mehr
gesehen wird. Von den übrigen Befunden ist der Zahl nach das
Vorkommen der Kyphose am häufigsten beobachtet, unter 1081 Knaben
bei 0,3 %, unter 1043 Mädchen bei 0,6 %. Es erscheinen dem-
nach die Mädchen stärker betroffen von entzündlichen Processen der
Wirbelsäule, der tuberkulösen Wirbelkaries, als die Knaben. Dieses
166
Zahlenverhältnis kann jedoch nur als ein zufälliges betrachtet werden,
und können daraus keine weiteren Folgerungen ' gezogen werden.
Zwischen den Knaben und Mädchen der ersten Klassen ist eine
gröbere Differenz vorhanden : 0,4 % und 1 %>, während unter den
Knaben und Mädchen der zweiten Klassen 0,2 % Kyphotiker
getroffen wurden. Weiterhin wurden unter den 2124 Schulkindern
7 gefunden, welche Veränderungen im Hüftgelenk infolge von ent-
zündlichen Vorgängen zeigten. Es sind das gleichfalls Processe,
welche auf einer tuberkulösen Erkrankung der Knochen beruhen, wie
das auch bei der eben angeführten Kyphosenbildung der Fall ist.
Selbstverständlich kann daraus nicht die allgemeine Schlußfolgerung
gezogen werden, dab unter 2124 Kindern immer nur 9 Kyphotiker
und 7 mit Hüftgelenkentzündung zu finden sind. Die Kinder,
welche mit krankhaften Veränderungen der Wirbelsäule oder der
Gelenke in die Schule eintreten, zeigen eben ausgeheilte Processe,
denn dadurch ist ihnen ja der Schulbesuch ermöglicht; die übrigen
an tuberkulösen Knochenkrankheiten Leidenden, und das werden
wohl ungleich viel mehr sein, müssen zu Hasse im Bette liegen.
Dabei ist noch zu bemerken, dafs die Kinder, welche an langwieriges
Knochenkrankheiten zu leiden hatten, erat später in die Schule gehen
konnten und unter die viel jüngeren Genossen in die 1. oder 2. Klasse
eingereiht wurden. Ferner fanden sich noch 2 Knaben mit Klump-
fäfeen, 2 Knaben und 3 Mädchen mit auffallender Veigröfserung der
Schilddrüse (Kropf), 1 Knabe und 1 Mädchen mit Schiefhals und
1 Knabe mit Kinderlähmung. Es wäre ja sehr interessant und
wichtig, eine allgemeine Statistik der verschiedenen Veränderungen
der Knochen und Gelenke bei den Schulkindern zu besitzen. Die
Herstellung einer solchen würde jedoch mit den äufisersten Schwierig-
keiten verknüpft sein, weil bei den nach Tausenden zählenden Schul-
kindern viele und umfassende Untersuchungen notwendig wären, weil
dieselben oftmals unterbrochen und unmöglich gemacht würden durch
Erkrankungen der Kinder, vielleicht auch infolge Widerstrebens der
Eltern. Es wäre aber auch notwendig, dafe solche Untersuchung«!
möglichst centralisiert von wenigen, in genau übereinstimmender
Weise arbeitenden Untersuchern vorgenommen würden, weil sich sonst
Differenzen und Ungenauigkeiten ergeben, welche eine gute Übersicht
nicht zu stände kommen lassen. Für unsere Zwecke war es vorerst
nur darum zu thun, über das Verhalten der Wirbelsäule der Kinder,
welche in die Schule eingetreten waren und zum Teil Schrägschrift,
zum Teil Steilschrift erlernen muteten, Aufechlufs zu erhalten, um
dann weiterhin etwaige Veränderungen, welche durch den Aufenthalt
in der Schule und das viele Sitzen mit verschiedener Körperhaltung
veranlagt wären, feststellen zu können.
15 <•
Der Einflnft des Tabakrauehens auf Knaben ist nach
vIgim. äetf mfane." von einem französischen Forscher, Dboaisnx,
untersucht worden. Unter 27 8chttlern im Alter von 9 — 15 Jahren,
Kelche rauchten, fand er bei 22 Cirkulationsstörungen, Verdauungs-
besehwerden, geistige Erschlaffung und ausgesprochene Vorliehe für
spiritnöse Getränke, hei 8 von diesen aufserdem noch Blutarmut und
bei 3 aussetzenden Puls.
Gefahren des übertriebenen Radfahren«. Neben einer
Aäektioo des Fußgelenkes hei leidenschaftlichen Radfahrern will
ein französischer Arzt, Ragoneau, nach „La France miUt.u leichte
katarrhalische Kehlkopfentzündungen bei Personen beobachtet haben,
die von dieser Fortbewegungsart ubermäfsigen Gebrauch machten.
Der Radfahrer empfindet zuerst ein Gefühl von Trockenheit, von
Prickeln und selbst von Brennen in der Kehle, dann fängt er an
zu husten und einen schleimigen, manchmal mit Blut gestreiften
Auswurf von sich zu geben. Diese krankhaften Erscheinungen treten
nach einer etwas längeren Fahrt, vornehmlich bei lebhafter Gangart,
stärker hervor. Ragonjrau erklärt dies auf folgende Weise: Alle
Baifahrer wissen, wieviel Kraft man anwenden mufs, um eine
Böschung zu überwinden oder um eine gewisse Schnelligkeit auf
einer guten Strafse einzuhalten. Diese Anstrengung ist die Ursache
des ganzen Übels. In der That beugt der Radfahrer den Körper nach
vorn und schadet dadurch der Atmung. Aufserdem erheischt die zum
Gang des Apparates entwickelte Kraft einen beträchtlichen Luft*
verbrauch, daher das Atmen dureh den Mund, da das Atmen durch
die Nase unzureichend wird. Schließlich läfst, um das Bild zu
vollenden, die Schnelligkeit der Bewegung in den Kehlkopf und in
die Lunge eine beträchtliche Menge Luft mit einer ungemeinen
Heftigkeit und einem zu dieser Heftigkeit im Verhältnis stehenden
Druck eindringen. Alle diese Umstände zusammen ergeben das
Resultat, dafs sie den Fahrer der durch den ubermäfsigen Druck
der eingeatmeten Luft vermehrten Gefahr der Mundatmung aussetzen.
Kotgedrungenerweise ist auch die Ausatmung eine vermehrte, so
daft sriiliefalich eine den pathologischen Zustand herbeiführende Über-
treibung der physiologischen Arbeit stattfindet. Ragoneau fugt
hinzu, dafe er neun Fälle dieser Art zu behandeln gehabt und eine
ferhäjfnismäfsig rasche Heilung durch Unterdrückung der Ursache des
Übels und dureh eine dem Wesen desselben angemessene Behandlung
herbeigeführt habe. — Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dafs
Cbjjmlbt und Hüoxtet eine physiologische Untersuchung von vier
Veloeipedisten nach einer Fahrt von 397 Kilometern vorgenommen
und nach „Le Progr. mSd.u dabei folgendes festgestellt haben:
1. Die in der Achselhöhle gemessene Temperatur lag eher unter als
158
über der normalen Grenze. 2. Die Harnstoffausscheidung stand in
umgekehrtem Verhältnis zu dem Grade der Ermüdung. 3. Für ein
durch die Fahrt nicht angegriffenes Individuum war diese Aus-
scheidung ein wenig geringer, als die normale. 4. Von den vier
untersuchten Radfahrern hatten die beiden zuerst angekommenen
Kola (Kokain) genossen, die beiden letzten keinen Gebrauch davon
gemacht. 5. Der zuerst Eingetroffene verdankte seinen Erfolg
wahrscheinlich der angelsächsischen Energie, die durch Alkohol und
Kola unterstützt ward; denn sein junges Alter und seine aufser-
ordenüiche Ermüdung liefsen in ihm nicht den Sieger bei einer
siebzehnstündigen Fahrt mit einer Geschwindigkeit von mehr als
22 Kilometern in der Stunde vermuten.
Ofenheizung in Schulen. Die „Hyg. Bundsch." teilt Ver-
suche über Ofenheizung mit, welche Professor E. von Esmarch
angestellt und in der „Ztsdtr. f. Hyg.u veröffentlicht hat. Bei
diesen Versuchen handelte es sich um Vergleiche des Wertes von
Kachel- und eisernen Öfen. Die erste Reihe der Experimente
wurde in zwei Zimmern des Berliner hygienischen Institutes aus-
geführt, welche in Bezug auf Lage, Raumma&e, Fenster, Thüren
und Nachbarschaft vollkommen gleiche Verhältnisse darboten. In
dem einen stand ein gewöhnlich grofser Kachelofen mit drei
steigenden Zügen und einem Grundzug; die Feuerung hatte einen
Rost, auf dem Steinkohlen sehr gut brannten. An homologer Stelle
des anderen Zimmers befand sich ein eiserner Regulierschachtofen
mit Mantel aus dem Eisenwerk Kaiserslautern. Beide Zimmer waren
den ganzen Winter über bis zum Beginn der Versuche noch nicht
geheizt worden und wiesen demnach auch fast die gleichen Tempe-
raturen auf. Diese wurden am Fufsboden, in Kopfhöhe und an
der Decke mit freihängenden Thermometern gemessen. Die Versuche
fanden an drei aufeinanderfolgenden Tagen mit annähernd gleichen
Resultaten statt. Am ersten Tage wurde der Kachelofen mit 27,5
Kilogramm, der eiserne mit 13,5 Kilogramm Kohlen, am zweiten
und dritten Tage beide Öfen mit der gleichen Menge Kohlen
beschickt. In dem durch den eisernen Ofen geheizten Zimmer stieg
am ersten Tage die Temperatur in Kopfhöhe schon nach einer
Stunde über 10°, zu welcher Zeit der Kachelofen eben erst warm
wurde, weshalb auch die Zimmertemperatur nur um 1° gestiegen
war ; erst nach zweistündiger Heizung machte sich hier eine langsam
fortschreitende Erwärmung des Zimmers bemerkbar, trotzdem bereits
das doppelte Kohlenquantum gegenüber dem eisernen Ofen verfeuert
worden war. Nach fünfstündiger Heizung begann die Temperatur
des Zimmers mit eisernem Ofen wieder abzunehmen, da das Feuer
ausgebrannt war. Auch das Feuer des Kachelofens war herunter-
gebrannt; derselbe erwies sich aber jetzt sehr heifs, seine Wände
159
waren kaum anzufassen. Infolgedessen stieg auch die Zimmer-
temperatur noch kurze Zeit langsam weiter. Es war aber nicht
gelungen, mit dem Kachelofen eine zum Bewohnen genügende
Zimmertemperatur zu erzielen, während dies der eiserne Ofen mit
dem halben Kohlenquantum für mehrere Stunden zu stände gebracht
hatte. In diesem Zimmer war die Temperatur in Kopfhöhe von
2,2° auf 16,2° gestiegen, im Zimmer mit dem Kachelofen aber nur
von 4,6° auf 10°. Weitere Versuche wurden in einem grofsen
Saale ausgeführt, in welchem sich ein gewöhnlicher Berliner Kachel-
ofen mit fünf steigenden Zügen und ein Mantelfallofen befand. Diese
Versuche fanden an zwei verschiedenen Tagen statt, und zwar wurde
zunächst die Wirkung des eisernen Ofens untersucht, nachdem das
Zimmer am Tage vorher nicht geheizt war; es wurde darauf wiederum
ein Tag pausiert und am nächsten Tage der Kachelofen geheizt.
An beiden Versuchstagen kamen je 15 Kilogramm Steinkohlen zum
Verbrauch. Der Heizeffekt beider Öfen war wiederum ein sehr
verschiedener, der des eisernen Ofens bedeutend günstiger als der
des Kachelofens. Sodann berichtet E. von Esmargh über Heiz-
versuche, welche mit einem sogenannten Tite Ischen Ofen ausgeführt
wurden. Dieser besitzt vollkommen das Aussehen eines gewöhnlichen
Kachelofens, im Innern ist er jedoch ganz anders konstruiert. Zu-
nächst hat er einen ziemlich groben und hohen Verbrennungsraum
mit Rost und eiserner Regulierthür. Das Centrum des Ofens ist
von unten bis oben durch einen weiten rechteckigen Kanal ein-
genommen, der mit der Zimmerluft in Verbindung steht und in
welchem dieselbe genau wie in dem Mantel eines eisernen Ofens
cirkulieren kann. Sie wird auf diesem Wege erwärmt durch die
Verbrennungsgase der Feuerung, welche den Gentralkanal in mehr-
fachen Röhren umziehen und dabei sowohl nach innen an die eiserne
Wand des Gentralkanals wie nach außen an die Kachelwand des
Ofens ihre Wärme abgeben. Es ist wohl ohne weiteres klar, dafe
auf diese Weise ein Hauptvorteil des eisernen Ofens, die rasche
Erwärmung, mit den Vorteilen des Kachelofens, der langsamen
Wärmeabgabe und der Wärmeaufispeicherung, verbunden ist. Bei
einem derartigen Ofen stellte der Verfasser nun fest, ob die ihm
eigenartige Konstruktion Vorzüge vor einem gewöhnlichen Kachelofen
bietet, indem er einmal seine reine, nicht künstlich veränderte Wir-
kung ausprobierte und sodann diese mit der Heizwirkung verglich,
welche er erhielt, wenn er den eisernen Luftcirkulationskanal durch
zwei oben und unten angebrachte Klappen verschlofs, somit also den
Ofen in einen gewöhnlichen Kachelofen verwandelte. Wie zu erwarten
war und aus den mitgeteilten Zahlen und Kurven hervorgeht, heizte
der Ofen bei Benutzung des eisernen Centralkanals bedeutend schneller
160
und stärker als bei Verschlufs desselben. Die Erfahrungen, welche
aus den vorliegenden Versuchen gewonnen wurden, dürften auch für
den Schulhygieniker von Interesse sein, da die meisten Unterrichts-
anstalten wohl noch Ofenheizung besitzen.
$agesgcf4$td>Ut$ts.
Programm der deutsche! Ausstellung fqjr im höhere
Schulwesen in Chicago. §.1. Die Ausstellung für das höhere
Schulwesen in Chicago bezweckt, den Besuchern ein zusanmenfasaen-
des und möglichst anschauliches Bild von dem gegenwärtigen Stande,
von den Lehrmitteln und dem Lehrverfahren, sowie von der äufsera
und innern Ausstattung der verschiedenen Gattungen höherer Knaben-
schulen Deutschlands zu geben (Gymnasien, Realgymnasien, Ober-
realschulen, Realschulen, bezw. höhere Bürgerschulen). — §. %. Für
die Ausstellung sind folgende Abteilungen in Aussicht genommen :
1. Schulgeschichte, Schulverfassung und Verwaltung,
a. Eine yon Professor Dr. Rethwisch verfafete Druckschrift über
Deutschlands höheres Schulwesen im neunzehnten Jahrhundert nebst
statistischen Überblicken, b. Samnlung von Sehriften zur Landes-
schalgeschichte, Ortsschulgeschichte, Ansta)tages<£richte. c. Lebens-
bilder berühmter Schulmänner, d. Schriften zur Geschichte 4er
Erziehung und des Unterrichts in neuerer Zeit. e. San*mlung der
für die Schulverfassung und Schulverwaltung gegenwärtig geltenden
Bestimmungen, f. Lehrpläne und Lehraufgaben (tot die höheren
Schulen nebst ErUMerangs- und Ausfuhrujttgsbeatinunangen ; Prüfungs-
ordnungen, g. Die Sammlung der monumenta GermgQjae paedagogica
und die Veröffentlichungen der Gesellschaft für deutsch* Erziehnngs-
und Schulgeschichte. H. Gymnasialpädagogik, a. Sammlung
der bedeutenderen auf die Pädagogik der höheren Lehranstalten
bezüglichen neueren Werke, b. Die Verhandlungen der Pirektoren-
konferenzen und der Dezemberkonferenz. c. Sammlung der für
höhere Lehranstalten bestimmten pädagogischeu Jahresberichte und
Zeitschriften. HI. Unterricht und Unterrichtsmittel, a.
Sammlung von Schriften zur Methodik der einzelnen Unterrichts-
gebiete, b. Sammlung und vergleichende Znsammenstellung der
besten und verbreitetsten Lehr- und Anschauungsmittel für die ver-
schiedenen Unterrichtsgebiete (Bücher, Karten, Atlanten, Bilder,
plastische Nachbildungen, Sammlungen, Apparate): 1. Religion,
2. Deutsch, 3. Lateinisch und Griechisch, 4. Mathematik, 5. Ge-
161
6. Geographie, 7. Französisch und Englisch, 8. Natur-
beschreibung und Naturlehre, 9. Zeichnen und Schreiben, c. Sammlung
von Fachzeitschriften der einzelnen unter b genannten Unterrichts-
zwejge, soweit sie Schulzwecke verfolgen, d. Lehrerbibliotheken
und Schülerbibliothekeo. IV. Einzelne Anstalten und ihr
Betrieb; Schüler arbeiten, a. Saimlnng der Jahresberichte
höherer Schulen Deutschlands von Ostern, bezw. Michaelis 1$92.
b. Sammlung der Jahresberichte (Programme) der letzten 5 Jahre
tqh einer Anzahl typischer höherer Lehranstalten Preufseas.
c Sammlung von Originalschülerarbeiten aller Schularten, Klassen-
Stufen, Unterrichtszweige ans den unter b bezeichneten Anstalten;
Schulerzeichnnngen ans denselben Anstalten; Abiturientenarbeiteu
von Ostern 1892. V. Graphische Darstellungen; Übersichts-
karten, a. Prozentuale Teilnahme der Bevölkerung am Unterricht
der höheren Schulen, b. Verteilung der Lehrgegenstände auf die
einzelnen Schularten und Klassen, c. Karte zur Veranschaulichung
der Verbreitung gymnasialer und realer höherer Lehranstalten im
deutschen Reich. VI. Sammlung von Modellen, Grundrissen,
Bauplänen, Ansichten, Photographien u. s. w. höherer
Lehranstalten und ihrer Einrichtungen. — §. 3. Druck-
werke werden in Einbänden, Bilder, Wandtafeln, Pläne, Ansichten
in Rahmen oder Mappen, sämtliche Gegenstände in gediegener und
geschmackvoller Herrichtung auszustellen sein. Die Herausgabe eines
kurzen Fuhrers ist ins Auge gefaßt. — §. 4. Für die Verpackung
der Ausstellungsgegenstände, rechtzeitige Versendung, Transportver-
sicherung und, soweit es erforderlich erscheint, Feuerversicherung,
Aufstellung und Überwachung an Ort und Stelle, sowie für den
Röcktransport und die Rücklieferung der dargeliehenen Gegenstände
wird Sorge getragen werden. Auch ist die Entsendung eines ge-
meinsamen Kommissars für das höhere und das Volksschulwesen in
Aassicht genommen. — §. 5. Sämtliche Schreiben und Sendungen
and zu richten an das Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und
Medizinalangelegenheiten, Ausstellung för das höhere Schulwesen in
Chicago, Berlin W, Behrenstrafse 72. Die Versendung der Aus-
stellungsgegenstände nach Chicago wird seitens der Sammelstelle
Ünmlichst bis Mitte Februar erfolgen. Gegenstände, welche am
1. März vom Ausgangshafen noch nicht abgegangen sind, finden
nach den für die Weltausstellung geltenden Vorschriften nur in
begründeten Ausnahmefällen in dem Ausstellungsraum noch Aufnahme.
— Wir bemerken hierzu, dafe mit der Vorbereitung dieser Schul-
anssteüung die Herren Realgymnasialdirektor Professor Dr. Schwalbe1,
1 Unier Mitarbeiter. D. Red.
162
Gymnasialdirektor Noetel, Direktor Professor Dr. Waetzoldt and
Professor Dr. Rethwisch, sämtlich in Berlin, beauftragt worden
sind. Auch die „Zeitschrift für Schulgesundheitspflege" ist von dem
preußischen Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-
angelegenheiten für die Ausstellung eingefordert worden.
Vorlesungen Aber Schulgesundheitspflege an der Universität
Giefsen. Im Sommerhalbjahr 1893 wird unser geschätzter Mit-
arbeiter, Herr Geheimer Oberschulrat Professor Dr. Hermann
Schiller in Giefsen, zweimal in der Woche öffentlich und unent-
geltlich über Schulgesundheitspflege lesen.
Todesfälle an Cholera unter den Schulkindern Hamburgs
1892. Nach den Ermittelungen des Medizinalinspektorates sind in
Hamburg während der Epidemie im vorigen Jahre von je 100
Volksschülern an Cholera gestorben:
in den Internaten (Strafschule, Blindenanstalt, Taubstummen-
anstalt, Waisenhaus) 0, 0 °/e
in den Schulen von St. Pauli Süderteil 0,38 „
„ „ „ „ Roterbaum, Eimsbüttel, Winterhnde. 0,48 »
„ „ „ * Uhlenhorst, Barmbeck, Eilbeck, Borg-
felde, Hohenfelde 0,53 „
„ „ „ „ Altstadt Süderteil 0,56 „
„ „ * »St. Pauli Norderteil 0,60 „
„ „ „ „ Altstadt Norderteil 0,64 „
ii n » n St. Georg 0,65 „
„ „ » » Neustadt Norderteil 0,67 n
„ „ » r> Hamm und Hörn 0,68 „
„ „ „ „, Neustadt Süderteil 0,89 „
„ „ „ „ Billwärder Ausschlag, Kotenburgsort. 1,39 „
„ „ „ Steinwärder, Veddel 1,43 w
Dem entsprechend ist die Zahl der Volksschüler während der
Zeit von Mai bis November 1 892 von 68 207 auf 67 615 gefallen,
und zwar befinden sich unter den 592 aus den Schnllisten
verschwundenen Kindern 432, die an Cholera verstorben sind.
Die Erhebung über die höheren Schulen hat ergeben, dafc sie,
soweit sie nicht Stiftungsschulen oder Schulen ähnlichen Charakters
sind, die mehr zu den Volksschulen gehören, verhältnismäßig sehr
von der Seuche verschont wurden. Eine grobe Zahl derselben
blieb vollständig frei. Es bestätigt dies die auch sonst vielfach ge-
wonnene Erfahrung, dafs die besseren Stände ganz außerordentlich
selten von der Cholera befallen werden, und zwar nicht nur die
reichen Leute und ihre Familien, sondern auch ein grober Teil
der sogenannten kleinen Leute, sofern bei ihnen nur Ordnung,
Reinlichkeit und Verständnis für die gebotenen Vorsichtsmaßregeln
•
163
herrscht. Also ein ganz anderes Verhalten als beim Typhus, der
trotz allen Wasserkochens noch nie in Hamburg vor den Wohnungen
der Reichen Halt gemacht hat.
öffentlicher Aufruf zur Unterstützung von Schüler-
Untersuchungen in England. In dieser Zeitschrift 1 ist wiederholt
davon die Rede gewesen, dafs Dr. Francis Warner zahlreiche
Schulkinder Londons in körperlicher und geistiger Beziehung unter-
sucht und sich dabei der Unterstützung der britischen medizinischen
Gesellschaft und des Vereins för Wohlthätigkeitsorganisation zu er-
freuen gehabt hat. Zur weiteren Förderung der Sache hat sich
nun ein Komitee unter dem Vorsitze von Sir Douglas Galton
gebildet und einen diesbezüglichen, von dem früheren Präsidenten
der Königlichen Kommission für die Ausbildung der Blinden und
Taubstummen, Lord Egerton, unterzeichneten Aufruf in der „Times"
veröffentlicht. „The Brit. Med. Journ." hofft, dafs dieser Aufruf
um so mehr Erfolg haben wird, als die bisherigen Untersuchungen
nicht nur in England, sondern auch in Amerika und auf dem Fest-
lande Aufsehen erregt haben und die geplante Erweiterung derselben
sowohl der Pädagogik, wie der öffentlichen Medizin und Philanthropie
zu gute kommen dürfte*
Über die Häufigkeit von Infektionskrankheiten "bei den
Kindern in Österreich. Infektionskrankheiten, welche vorzugsweise
Kinder befallen, kamen in Österreich nach dem „Österr. Samläts-
wes." 1891 in folgendem Verhältnis vor:
lErkrankungsfälle
Todesfälle
Prozentsatz
der Todesfälle
Krupp u. Diphtherie
Masern
40985
26478
123786
28873
8577
10263
7224
4879
20,9
40,2
5,0
16,8
Die häufigste infektiöse Erkrankung waren hiernach die Masern,
nächstdem der Scharlach, die Blattern, der Krupp und die Diphtherie.
Die beiden letzteren dagegen erzeugten die gröfste relative Sterblichkeit;
bei Scharlach und Blattern war dieselbe nur etwa V*> bei Masern
nur Ys so grofs, wie bei Krupp und Diphtherie.
Jugendspiele zu Frankflirt a. M. Man schreibt uns aus
Frankfurt: Seit Jahren spielt die gesamte männliche Jugend hierselbst,
1 1890, No. 12, S. 697—715; 1891, No. 10, 8. 631—635; 1892,
No. 12, 8. 645—547.
n
164
sowohl die höherer wie niederer Schulen, auf einer etwa 40 Morgen
grolsen Wiese, der Hundswiese, nördlich der Stadt. Am 20. Juni
v. J. wurde ein zweiter Spielplatz für Mädchen and Knaben,
südlich der Stadt, mitten im prächtigen Stadtwald, mit Turngeräten
aller Art vom hiesigen Verschönerungsverein der städtischen Schnl-
behörde durch eine ansprechende Feier, bei welcher ungefähr
120 Mädchen und Knaben Reigen, Gesänge und Turnspiele auf-
führten und zum Schlosse ein festliches Mahl einnahmen, übergeben.
Die Leitung der hiesigen Turnspiele ist den Lehrern gegen eine
entsprechende Vergütung übertragen, und zwar kommen etwa 100
Kinder auf einen Lehrer resp. eine Lehrerin. An Spieltagen fallen
die Hausaufgaben für die Mitspielenden fort. Frankfurt bietet
somit seiner Jugend reichliche Gelegenheit zur Pflege des Körpers
in freier Natur.
Befreiung Budapester Velkssehller vem Turnen. In sämt-
lichen Volksschulen der Hauptstadt Budapest, so erfahren wir von
dort, waren zu Beginn des letzten Schuljahres 9719 turnpfiichtige
Kinder eingeschrieben. Von diesen wurden 584 vom Turnen befreit,
und zwar wegen der folgenden Gebrechen und Krankheiten: Knochen-
krankheiten 63, Rhachitis 49, Verkrümmungen der Wirbelsäule 29,
Gelenkleiden 39, Blutarmut 59, Herzfehler 38, allgemeine Körper-
schwäche 81, Lungenkrankheiten 16, Brüche 54, Ohrenleiden 17,
Augenkrankheiten 54, Erkrankungen der Nerven 15, andere Krank*
heiten 73.
Programm der Lehrerbildungsanstalt des deutschen Vereins
für Knabenhandarbeit auf das Jahr 1893. Die vom deutschen
Verein für Knabenhandarbeit in Leipzig begründete Anstalt zur
Bildung von Lehrern des Arbeitsunterrichts wird ihre bisher be-
triebene Thätigkeit auch in diesem Jahre mit einer Anzahl von
Unterrichtskursen fortsetzen. Den Teilnehmern an denselben stehen
je nach ihren Wünschen und Bedürfnissen folgende Fächer zur Wahl:
Papparbeit, Hobelbankarbeit, ländliche Holzarbeit, Holzschnitzerei,
Metallarbeit, ländliche Metallarbeit, Gartenarbeit und Obstbaumpflege,
Unterweisung in den Arbeiten der jüngeren Knaben (Vorstufe des
Hand&rtigkeitsunterrichts), Unterweisung in der beim Herstellen von
physikalischen Apparaten notwendigen Glasbearbeitung. Ausserdem
ist Vorsorge getroffen, dafs Teilnehmer, welche es wünschen, Unter-
richt im Formen von Thon und Plastilina erhalten können. Die
Gesamtleitung fährt im Auftrage des deutschen Vereins für Knaben-
handarbeit der Direktor der Anstalt Dr. W. Götze. Genügende
Beteiligung vorausgesetzt, werden nacheinander folgende Kurse ab-
gehalten werden: A. Früh jahrskursus. Eröffnung am 6. April,
Schlafs am 10. Mai. Bei ausreichender Teilnehmerzahl werden hier
165
Unterriehtsabteüungen gebildet fttr Papparbeit, Hobelbankarbeit,
ländliche Hobrarbeit, Holzschnitzerei, Metallarbeit und für ländliche
Metallarbeit Es steht den Teilnehmern frei, ein einziges Unter-
richtsfach oder deren zwei zu wählen. Geschieht, wie dies bisher
meist der Fall war, . das letztere, so wird auf beide Fächer die
gleiche Zeit verwendet. B. Erster Sommerkursus. Eröffnung
am 26. Juni, Schlafe am 29. Juli. Unterrichtsfächer wie im Früh-
jahrskurse, ausserdem vom 3. bis 29. Juli Unterweisung in den
Arbeiten für jüngere Knaben (FRöBBLeche Beschäftigungsmittel, Papter-
und Kartonarbeiten, Holzarbeiten, Formen). C. Zweiter Sommer-
kursus. Eröffnung am 31. Juli, Schlafs am 2. September.
Unterrichtsfächer wi» im Frühjahrskurse, ausserdem Gartenarbeit und
Obstbaumpflege. D. Herbstkursus. Eröffnung am 4. September,
Sefchüs am 7. Oktober. Unterrichtsfächer wie in Kursus C. Auch
für die Kurse B, C und D gilt die Bestimmung, dafs nicht mehr
als zwei Fächer nebeneinander getrieben werden können. Während
der beiden Sommermonate soll außerdem ein Kursus vorwiegend für
Lehrer an höheren Unterrichtsanstalten, Seminarien u. s. w. stattfinden,
in welchen dieselben Gelegenheit erhalten, die Handarbeit mit
Rflcksicht auf die Herstellung von Anschauungsmitteln und Apparaten
flr den naturkundlichen, geographischen, mathematischen und
physikalischen Unterricht praktisch ausüben zu lernen. Die Dauer
dieses Korsos ist auf 8 Wochen, vom 3. Juli bis 26. August be-
messen, doch ist es auch gestattet, die Ausbildung in diesem Hand-
fertgkeHsunterrichte auf zwei Jahre so zu verteilen, dafs sie in
einem Monatskursus des einen Jahres begonnen und in dem eines
anderen fortgesetzt wird. Dieser Kursus für Lehrer an höheren
Schulen soll von den während des Juli und August stattfindenden
anderen Unterrichtskursen nicht so getrennt werden, dafs Übergänge
zwischen ihnen unthunlich wären, vielmehr bezwecken sie nur, ver-
schiedenen Bedürfnissen durch verschiedenartig gestaltete Lehrgänge
entgegenzukommen. Doch wird als Bestimmung auch hier fest-
gehalten, dafe von einein Teilnehmer nicht mehr als zwei Unter-
richtsfächer nebeneinander getrieben werden können. Nach Schlufs
der Kurse werden den Teilnehmern auf Wunsch Bescheinigungen
ausgestellt, aus denen die Einzelheiten des Besuches der Lehrer-
bildungsanstalt, wie Zeit und Dauer des betreffenden Kursus, Art
der Arbeitsfächer u. s. w., hervorgehen. Zeugnisse über die Fähig-
keit zur Erteilung von Arbeitsunterricht können für jedes einzelne
Fach erworben werden. Sie werden den Teilnehmern aber nur
dann eingehändigt, wenn sie ihren Kursus von Anfang bis zu Ende
regelmäßig besucht, und wenn sie die für das betreffende Arbeits-
fach vorgeschriebene Reihe von Modellen selbständig hergestellt
166
haben. Die Erteilung dieser Zeugnisse ist also nicht davon abhängig,
dafs alle in der Lehrerbildungsanstalt vertretenen Arbeitsfächer von
dem Teilnehmer betrieben worden sind, auch kann die in einem
Jahre durch Betrieb eines Nebenfaches gewonnene Anwartschaft auf
ein Zeugnis in einem späteren Kursus zur Erfüllung gebracht werden.
Neben der eigenen praktischen Arbeit sollen die Teilnehmer auch
die Praxis der Unterrichtserteilung durch geübte Lehrer in den
Knabenkursen der Leipziger Schülerwerkstatt kennen lernen. Außer-
dem wird den Kursteilnehmern durch Vorträge über die Geschichte
und Methodik des Handfertigkeitsunterrichts, sowie über Werkzeug-
und Materialienkunde Einsicht in das Wesen des von ihnen praktisch
betriebenen Arbeitsunterrichts verschafft. Zu gleichem Zwecke steht
ihnen die Benutzung der durch die Freigebigkeit des Königlich
sächsischen Kultusministeriums begründeten Bibliothek der Lehrer-
bildungsanstalt, sowie der Bibliothek, der Sammlung von Vorlagen-
werken und Arbeitsmodellen der Leipziger Schülerwerkstatt frei.
Zur Mitteilung und zum Austausch ihrer Ansichten über schwebende
Fragen des Arbeitsunterrichte wird den Kursteilnehmern an einigen
Diskussionsabenden Gelegenheit gegeben. Das Honorar, welches im
voraus zu erlegen ist, beträgt 60 Mark für jeden fünfwöchigen
Unterrichtskurs und 15 Mark für das Material, wogegen den Teil-
nehmern die von ihnen gefertigten Arbeiten als Modelle für ihren
künftigen Unterricht verbleiben. Die Vermittelung preiswürdiger
Wohnungen hat, wie in früheren Jahren, so auch diesmal Kantor
Zehrfeld, Mühlgasse 4, Tu, freundlichst übernommen. Anmeldungen
zur Teilnahme an den Kursen, ebenso wie alle auf dieselben bezüg-
lichen Anfragen sind zu richten an den Direktor der Lehrerbildungs-
anstalt Dr. W. Götze, Leipzig, Schenkendorfstrasse 61, III. In
den Anmeldungen ist mitzuteilen, für welchen der obengenannten
Kurse sie gelten. Auch ist bei den Anmeldungen Bestimmung über
die Fächerwahl (Haupt- und Nebenfach u.s.w.) zu treffen. Im übrigen
bemerken wir, dafs die Beteiligung nicht blofs deutschen Lehrern
freisteht, sondern dafs auch auswärtige Teilnehmer willkommen sind.
Eine Vorrichtung, um die Schlier zu gerader Haltung
CT ntttigen, ist der Firma A. Herzberg, Berlin, Blumenstrasse
80/81, patentiert worden. Dieselbe besteht aus einem keilförmigen
Ansatz an der Rückwand des Schultornisters, in welchem Federn
angebracht sind, die durch das Anziehen der Tragriemen zusammen-
gepreßt werden. Die zusammengepreßten Federn haben das Be-
streben, sich wieder aufzurichten; sie drücken die Mittel- und die
Rückwand an den oberen Kanten auseinander und verursachen da-
durch die Anspannung der an der Mittelwand befestigten Tragriemen.
Der auf diese Weise verursachte Druck auf die Vorderseite der
167
Schaltern zieht diese nach rückwärts und läfet den Brustkasten voll
heraustreten. Das Kind soll sich so an gerade Haltung gewöhnen.
ämtli^e Derfftgitngeit.
Weisung des k. k. österreichischen Ministerinms des Innern,
bei Bauprojekten Ar Schulen und andere öffentliche Anstalten
das Urteil des Landessanititsrates einzuholen.
In wiederholten Fällen wurden Projekte für öffentliche Anstalten,
insbesondere auch für Schulgebäude und selbst für Humanitätsanstalten,
Ton den Behörden genehmigt und ausgeführt, ohne dafe über die-
selben Torher ein Gutachten der den politischen Behörden zu-
gewiesenen sanitären Fachorgane, bezw. der Landessanitätsräte in
hygienischer Beziehung eingeholt worden wäre.
Aus Anlafe eines speciellen solchen Falles, in welchem das
Projekt für ein öffentliches Gebäude in einem außerordentlich
frequenten Verkehrscentrum ohne vorausgegangene Begutachtung vom
sanitären Standpunkte von einer politischen Landesbehörde genehmigt
worden war, und wegen des bereits rechtskräftig gewordenen Kon-
senses zur Ausfuhrung des Projektes die nachträgliche Einholung
des Gutachtens des Landessanitätsrates gegenstandslos gewesen wäre,
fand sich das Ministerium des Innern veranlaßt, die Unterlassung
der rechtzeitigen sanitären Begutachtung des Projektes auszustellen
und mit dem an diese Landesbehörde ergangenen Erlasse vom
15. April d. J., Z. 7788, die Weisung zu erteilen, dafe in allen
künftigen Fällen, in welchen es sich um Bauanlagen handelt, welche
wegen ihrer Bestimmung zum öffentlichen Verkehre oder als öffent-
liche Anstalten von besonderer Wichtigkeit sind, in Gemäfisheit der
Bestimmungen des § 10 des Gesetzes vom 30. April 1870, R.-G.-B1.
68, auch das Gutachten des Landessanitätsrates im Gegenstande
eingeholt werde.
Erlab des Königlich prenfsisehen Untemehtsministers,
betreffend Sehfilerverbindnngen.
Berlin, den 9. Mai 1892.
Aus mehreren in neuester Zeit zu meiner Kenntnis gebrachten
Fällen der Teilnahme von Schulern höherer Lehranstalten an ver-
botenen Verbindungen hat sich mit Gewißheit ergeben, dafs die
Rädelsführer bei diesem Unwesen bemüht sind, nicht allein in ein-
zelnen Provinzen möglichst viele Schulerverbindungen ins Leben zu
168
rufen, sondern diese auch untereinander in engste Beziehung zu
setzen und von Zeit zu Zeit zu gemeinsamen Festen, sogenannten
Couleursverbandstagen, zu vereinigen.
Indem ich aus den erwähnten Vorkommnissen Anlafs nehme,
dem Königlichen Provinzialschulkollegium die fortgesetzte Überwachung
der seiner Aufsicht unterstellten Anstalten nach dieser Richtung hin
aufs neue dringend zu empfehlen, beauftrage ich dasselbe zugleich,
den Direktoren und Lehrerkollegien die genaueste Beachtung des
Cirkularerlasses vorn 39. Mai 1880 wiederholt einzuschärfen. Um
aber auch die Ekern der Schüler oder deren Stellvertreter, sowie
die städtische* Behörden an die ihnen obliegenden Pflichten zu
erinnern, bestimme ieh hiermit, dafs in den! nächsten Programmen
der höheren Schulen unter der letzten Rubrik „Mitteilungen an die
Eltern" nachstehender Auszug aas dem bezeichneten Erlasse zum
Abdruck gebracht und dafs überdies bei Aufnahme von Schülern von
Tertia an aufwärt* die Eltern oder deren Stellvertreter ausdrücklich
auf die für sie selbst wie für ihre Söhne oder Pflegebefohlenen
verhängnisvollen Folgen der Teilnahme der letzteren an verbotenen
Schulerverbindungen hingewiesen werden.
Auszug aus dem Cirkularerlaase vom 29. Mai 1860.
.... Die Strafen, welche die Schulen verpftehtet sind, ober
Teilnehmer an Verbindungen zu verhängen, treffen in* gleicher oder
gröberer Schwere die Eltern als die Schüler selbst. Es ist zu er-
warten, dafe dieser Gesichtspunkt künftig ebenso, wie etf bisher
öfters geschehen ist, in Gesuchen um Milderung der Strafe wird zur
Geltung gebracht werden, aber es kann demselben eine Berücksich-
tigung nicht in Aussicht gestellt werden. Den Ausschreitungen vor-
zubeugen, welche die Schule, wenn sie eingetreten sind, mit ihren
schwersten Strafen verfolgen mufs, ist Aufgabe der häuslichen Zucht
der Eltern oder ihrer Stellvertreter. In die Zucht des Elternhauses
selbst weiter als durch Rat, Mahnung und Warnung einzugreifen,
liegt ausserhalb des Rechtes und der Pflicht der Schule; und selbst
bei auswärtigen Schülern ist die Schule nicht in der Lage, die un-
mittelbare Aufeicht über ihr häusliches Leben zu führen, sondern
sie hat nur deren Wirksamkeit durch ihre Anordnungen und ihre
Kontrolle zu ergänzen. Seiist die gewissenhaftesten; und auf-
opferndsten Bemühungen der Lehrerkollegien, das Unwesen der
Schülerverbindungen zu unterdrücken, werden nur teilweisen und
unsicheren Erfolg haben, wenn nicht die Erwachsenen in ihrer Ge-
samtheit, insbesondere die Eltern der Schüler, die Personen, welchen
die Aufsicht über auswärtige Schüler anvertraut ist, und die Organe
der Gemeindeverwaltung, durchdrungen von der Überzeugung, dafs
es sich um die sittliche Gesundheit der heranwachsenden Generation
169
handelt, die Schule in ihren Bemühungen rückhaltlos unterstützen.
Noch ungleich gröüser ist der moralische Einfluüs, welchen
Yornehmlich in kleinen und mittleren Städten die Organe der Ge-
meinde auf die Zucht und gute Sitte der Schüler an den höheren
Schulen zu üben vermögen. Wenn die stadtischen Behörden ihre In-
dignation über zuchtloses Treiben der Jugend mit Entschiedenheit
zum Ausdruck und zur Geltung bringen, nnd wenn dieselben und
andere um das Wohl der Jugend besorgte Bürger sich entschließen,
ohne durch Denunciation Bestrafung herbeizuführen, durch warnende
Mitteilung das Lehrerkollegium zu unterstützen, so ist jedenfalls in
Schulorten von mäßigem Umfange mit Sicherheit zu erwarten, dafs
das Leben der Schüler außerhalb der Schule nicht dauernd in Zucht-
losigkeit vorfallen kann.
Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten.
(Gez.) Bosse.
An
sämtliche Königliche Provinzialschulkollegien.
Begeheid des Königlich bayerischen Staatsministeriums
des Innern über die Schliefsung der Schulen beim Ausbruche
ansteckender Krankheiten.
München, den 15. Juli 1892.
Die Ärztekammer von Schwaben und Neuburg hat sich in ein-
gehender Weise mit der Frage der Schliefsung der Schulen beim
Ausbruche ansteckender Krankheiten auf Grund zweier Referate be-
schäftigt und einige Schlufssätze aufgestellt, welche als wissenschaft-
liche und erfahrungsmäfsige Grundlage für die amtsärztliche Begut-
achtung und Beantragung dieser in Hinsicht des geordneten Schul-
betriebes so wichtigen Mafsnahme auf Grund einer einheitlichen im
ganzen Königreiche gültigen oberpolizeilichen Vorschrift zu dienen
hätten.
Bei der Unsicherheit der wissenschaftlichen und empirischen
Voraussetzungen jedoch, sowie bei der individuellen Auffassung des
jeweils mit diesem Gegenstande zu beschäftigenden Amtsarztes in den
verschiedenartig gelagerten Einzelvorkommnissen liegt es weder im
Interesse der Schulgesundheitspflege noch auch des Schulbetriebes,
eine allgemein oberpolizeiliche Vorschrift zu erlassen, es ist vielmehr
sachdienlicher, dafs die Amtsärzte nach ihrer jedesmaligen, dem be-
sonderen Falle entsprechenden Auffassung das Gutachten abgeben
nnd die Schliefsung der Schule in dem Augenblicke beantragen, in
welchem ihnen dieselbe behufs Verhütung der Weiterverbreitung der
eben in einzelnen Fällen auftretenden Krankheit veranlafst erscheint.
Schulgemradhettepflege VI. 12
170
Das Königliche Staatsministerium des Innern vertraut in dieser Be-
ziehung wie bisher der Einsicht und Pflichttreue der Amtsärzte.
(Gez.) FRHR. VON FBILITZ8CH.
Verordnung der Königlichen Regierung zu Liegnitz
wegen des Verfahrens bei der Anmeldung taubstummer Kinder
ffir eine Taubstummenanstalt.
Liegnitz, den 19. April 1892.
Auf Anordnung des Herrn Oberpräsidenten der Provinz Schlesien
vom 2. April d. Js. ist künftig das Verfahren bei der Anmeldung
taubstummer Kinder zur Aufnahme in eine Taubstummenanstalt nach
folgenden Grundsätzen zu regeln:
1. Die Ortsvorstände sind anzuhalten, in die von ihnen aufzu-
stellenden Kachweisungen der in das schulpflichtige Alter eintreten-
den und der zuziehenden schulpflichtigen Kinder auch die taub-
stummen Kinder aufzunehmen.
2. Die Lehrer haben die Richtigkeit dieser Nachweisungen be-
züglich der taubstummen Kinder thunlichst zu prüfen und sodann
ein Verzeichnis sowohl der in das schulpflichtige Alter neu ein-
getretenen und zugezogenen, als auch der sonst noch in ihrem Schul-
bezirke vorhandenen, im schulpflichtigen Alter befindlichen, aber in
eine Taubstummenanstalt noch nicht aufgenommenen taubstummen
Kinder alljährlich bis zu einem bestimmten Termine durch Ver-
mittelung des Lokalschulinspektors dem Kreisschulinspektor einzu-
reichen.
Bei den über 8 Jahre alten taubstummen Kindern ist hierbei
näher anzugeben, aus welchem Grunde dieselben in eine Taubstummen-
anstalt noch nicht aufgenommen sind.
3. Die Kreisschulinspektoren reichen die gesammelten Ver-
zeichnisse bis zu einem bestimmten Termine dem Landrate und in
den Stadtkreisen dem Magistrate, die Landräte und beziehungsweise
die Magistrate reichen dieselben der Königlichen Regierung zur
weiteren Mitteilung an den betreffenden Verein für den Unterricht
und die Erziehung Taubstummer ein, welche Vereine sich sodann
durch Vermittelung der Landräte und beziehungsweise der Magistrate
mit den Eltern oder Vormündern taubstummer Kinder wegen Auf-
nahme der letzteren in eine Taubstummenanstalt in Verbindung
setzen werden.
4. Wenn taubstumme, im schulpflichtigen Alter befindliche
Kinder aus einem Schulbezirke in einen anderen verziehen, so sind
dieselben von dem Lehrer des Abzugsortes dem Lehrer des Anzugs -
ortes zur weiteren Kontrolle zu überweisen.
Liegt der Anzugsort in einem anderen Kreise, so sind dem
171
Landrate dieses Kreises auch die über das betreffende Kind etwa
bereits vorhandenen Akten von dem Landrate des Abzugskreises zu
übersenden.
5. Sämtliche beteiligte Behörden, insbesondere die Landräte
imd in den Stadtkreisen die Magistrate, sind verpflichtet, thunlichst
darauf hinzuwirken, dafs die bildungsfähigen taubstummen Kinder
rechtzeitig, d. h. alsbald nach vollendetem 8. Lebensjahre, einer
Taubstummenanstalt überwiesen werden.
Indem wir vorstehendes zur Kenntnis und Nachachtung bringen,
ersuchen wir unter gleichzeitiger Aufhebung der Cirkularverfuguag
Tom 29. Oktober 1887 ergebenst
a. die Herren Landräte, sowie die Magistrate zu Görlitz und
Liegmtz um gefällige Veranlassung des Erforderlichen, damit
die Aufnahme der taubstummen Kinder in die betreffenden
Nachweisungen seitens der Ortsvorstände ordnungsmäfsig
erfolgt,
b. die Herren Ortsschulinspektoren, dafs sie das von den Lehrern
angefertigte and nach seiner Richtigkeit vorher geprüfte Ver-
zeichnis der taubstummen Kinder alsbald den Herren Kreis-
schulinspektoren vorlegen, die letzteren aber ihrerseits den
Herren Landräten, sowie den Magistraten zu Görlitz und
Liegnitz zur Weiterbeförderung an uns zustellen.
Die Erledigung dieser Angelegenheit ist derartig zu fördern,
dafe die fraglichen Nachweisungen den Herren Kreisschulinspektoren
«am 1. Juni, den Herren Landräten, beziehungsweise den Magistraten
zum 1. Juli und uns zum 1. August jedes Jahres spätestens zugehen.
Wir dürfen vertrauensvoll erwarten, dafs die behördlichen In-
stanzen sich angelegen sein lassen werden, dafür zu sorgen, da(s
taubstumme Kinder, welche das 8. Lebensjahr zurückgelegt haben
und genügend entwickelt und bildungsfähig sind, während des schul-
pflichtigen Alters an einem innerhalb der Provinz gelegenen Orte,
ai welchem sich eine Taubstummenanstalt befindet, untergebracht
werden.
Königliche Regierung,
Abteilung für Kirchen- und Schulwesen,
(Gez.) von Dallwitz.
12*
172
9 er fo Halten.
Dem Sektionschef und Vorsitzenden der Sanitätsabteilung im
k. k. österreichischen Ministerium des Innern Ferdinand Freiherrn
Erb von Rüdtorpfer wurde die Würde eines Geheimen Rates
verliehen.
Geheimrat Rudolf Virchow ist von der schwedischen medi-
zinischen Gesellschaft und von der Gesellschaft der Wissenschaften
in Stockholm zum Ehrenmitgliede ernannt worden.
Das Yicepräsidinm des ungarischen Nationalkomitees zur Förderung
des internationalen Ärztekongresses in Rom wurde unserem verehrten
Mitarbeiter, Herrn Professor der Hygiene Dr. vonFodor in Budapest,
fibertragen.
Es erhielten der Provinzialschulrat Voelker in Danzig den
Charakter als Geheimer Regierungsrat, die Mitglieder des Medizinal-
kollegiums, Medizinalräte Dr. Sendler in Magdeburg und Dr.
Wiebe in Danzig, den Charakter als Geheimer Medizinalrat.
Dem Oberbürgermeister Winterer zu Freiburg i. B. ist
wegen seiner Verdienste um die öffentliche Gesundheitspflege von
der medizinischen Fakultät daselbst das Diplom eines Ehrendoktors
durch Professor Schottelids feierlich fiberreicht worden.
Dr. Johann H. Rauch wird den Vorsitz des für Chicago ge-
planten Kongresses für öffentliche Gesundheitspflege fibernehmen.
Der Herausgeber dieser Zeitschrift ist von dem
Nationalerziehungsrate der Vereinigten Staaten eingeladen worden,
bei dem im Juli d. J. in Chicago stattfindenden pädagogischen
Weltkongresse das Amt eines Ehrenvicepräsidenten zu fibernehmen.
Bei Gelegenheit des diesjährigen Ordensfestes in Berlin wurden
verliehen : der rote Adlerorden IL Klasse mit Eichenlaub und Krone
dem Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamtes Dr. Köhler, der
rote Adlerorden II. Klasse mit Eichenlaub den Geheimen Ober-
regierungsräten und vortragenden Räten im Königlich preußischen
Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten
Dr. Althoff und Persius, der rote Adlerorden HI. Klasse mit
der Schleife den Geheimen Oberregierungsräten und vortragenden
Räten in demselben Ministerium Dr. HÖpfnbr und Naumann, die
Schleife zum roten Adlerorden III. Klasse dem als Mitglied der
Berliner Schulreformkonferenz bekannten Geheimen Sanitätsrat Dr.
173
Graf in Elberfeld, der Adler der Ritter des Königlichen Haas-
ordens Ton Hohenzollern dem Geheimen Regierungs- and Provinzial-
schnlrat Dr. Kruse in Danzig and dem Geheimen Regierangs- and
Schalrat Pabst in Hannover.
Za Offizieren der Ehrenlegion sind ernannt worden: Professor
Elias Mbtschnikoff, Direktor des bakteriologischen Laboratoriums in
Odessa, Dr. Emile Roux, Abteilungsvorstand im Institut Pasteur,
and Dr. LäoN V&drinr, Arzt des Lyceums in Versailles, Mitglied
des dortigen Gesundheitsrates.
Der Arzt der Schale des Ordens der heiligen Katharina,
Staatsrath Russow in St. Petersburg, erhielt den St. Wladimirorden
m. Klasse.
Unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Dr. Heinrich Napias
in Paris, Generalsekretär der Gesellschaft für öffentliche Medizin
und Gewerbehygiene, ist zum Mitglied der Oberkommission für
industrielle Arbeit gewählt worden.
Der bekannte englische Hygieniker und Nachfolger John
Simons, Dr. George Buchanan in London, hat seit dem 1. Juli
v. J. seine Stellung als Mitglied des Local Government Board of
Health im Ministerium des Innern aufgegeben, bei welcher Gelegen-
heit er zum Baronet erhoben wurde; in sein Amt ist Dr. Thorne-
Thornb eingetreten.
Die Leitung des Hamburger Medizinalwesens ist dem bisherigen
Physikus Dr. Reinoke übertragen worden. Zugleich wurde die
Errichtung einer hygienisch-bakteriologischen Staatsanstalt zur Unter-
stützung der Medizinalverwaltung beschlossen; das Direktorat dieser
Anstalt übernimmt Dr. med. Dünbar, ein Schüler Robert Kochs.
Für die neu zu begründende Lehrkanzel der Bakteriologie an
der Universität Kopenhagen soll Dr. med. K. J. Salomonsen aus-
eraehen sein.
Stabsarzt Dr. E. Behring, Assistent am Berliner Institut für
Infektionskrankheiten, hat den Titel Professor erhalten.
Der Privatdocent der Ohrenheilkunde, Dr. Chr. Lemokb in
Rostock, der sich durch seine Arbeit über die Taubstummheit in
Mecklenburg bekannt gemacht hat, wurde zum aufserordentlichen
Professor ernannt.
Dr. Antoine Naüdet ist zum ärztlichen Schulinspektor des
11. Arrondissements von Paris an Stelle des verstorbenen Dr. Delage
gewählt worden.
Der auch um die Schulhygiene verdiente Geheimrat Professor
von Esmaroh in Kiel beging am 9. Januar d. J. unter zahlreichen
Ehrenbezeugungen seinen siebzigsten Geburtstag.
Der Oberturnlehrer an der höheren Mädchenschule in Leipzig
174
F. H. SINGER hat unlängst sein funfuiidzwanzigjfthriges Turnlehrer-
jubiläum gefeiert.
Im Januar d. J. verstarb zu Paris im 71. Lebensjahre der
Senator Dr. med. A. D. Cbevandier, Vicepräsident der französischen
hygienischen Gesellschaft. Als Abgeordneter hat der Genannte unter
anderem für die Vereinfachung des Baecalaureats und gegen die
Überbürdung in Frankreich gekämpft.
Ans Graz wird das im 79. Lebensjahre erfolgte Ableben des
Landessanitätsreferenten, Hofrat Dr. Ferdinand Ritter von Scherbr,
gemeldet.
In Altena verschied der ehemalige Medizinalinspektor des
Hamburgischen Staates, Medizinalrat Dr. C. T. Kraus, nachdem er
einige Zeit vorher seinen Abschied genommen hatte; derselbe war
auch ausserordentliches Mitglied des Kaiserlichen Gesundheitsamtes.
Dr. Ozanne, Arzt des Lyceums in Versailles, Offizier des
öffentlichen Unterrichts und Ritter der Ehrenlegion, ist gestorben.
fitteratttr.
Besprechungen.
Dr. Mangänot, mädecin-inspecteur des Etablissements scolaires de
la vüle de Paris. Leg bains et la natation dang les faolea
primaires eommuialeg de Paria. Paris, 1892. G. Masson.
(24 8. 8°.)
Die Arbeit von Dr. Mangenot über die Bäder und das
Schwimmen der Pariser Elementarschüler ist aufserordentlich lehrreich.
Zur Zeit bestehen in Paris drei Badebassins, in welchen an die
Volksschüler im Jahre 1890 18000 und im Jahre 1891 20000
Bäder verabfolgt wurden.
Das mit Oberlicht versehene Gebäude hat in drei Stockwerken
Kabinen, wohin man auf 6 zu herumlaufenden Galerien führenden
Treppen gelangt. Die Bassins sind aus Gement hergestellt und an
Boden gerifft, um das Ausgleiten zu verhindern; ihre Länge beträgt
60 m, ihre Breite 14,5 m.
Bei dem Eintritt in die Anstalt erhalten die Knaben eine
Badehose und ein Handtuch, die Mädchen einen Badeanzug. Sie
begeben sich darauf in die Kabinen, wo sie sich nicht einschließen
dürfen, um die Überwachung durch den Lehrer nicht unmöglich zu
machen. Yon da gehen sie in den flachsten Teil des Bassins. Es
ist ihnen nicht erlaubt, die durch Stricke bezeichneten Grenzen zu
175
überschreiten. Durch solche Stricke wird das Bassin in 3 Teile
geteilt, von denen der erste eine Tiefe von 0,5 — 1 m, der zweite
von 1 — 1,2 m hat, während der dritte für Schwimmer bestimmt ist.
Sobald die Kinder ins Wasser gelangt sind, müssen sie sich sofort
den ganzen Körper benetzen und sich überhaupt viel Bewegung
machen. Einer jeden Abteilung steht ein Schwimmlehrer vor, um
Schwimmunterricht zu erteilen und nötigenfalls Erkrankten Hilfe
zu leisten.
Nach 20 Minuten verlassen die Kinder auf ein vom Lehrer
gegebenes Zeichen das Bad, um in ihre Kabinen zurückzukehren.
Hier kleiden sie sich schnell wieder an und treten dann in geordnetem
Zuge den Rückmarsch zu ihrer Schule an. Auf diese Weise können
täglich 300 Kinder in der Zeit von 9 — 11 Uhr vormittags ein Bad
erhalten: während die erste Abteilung badet, kleidet sich die andere
in den Kabinen des zweiten Stockwerkes aus ; dann nimmt diese ihr
Bad, und die erste zieht sich an; unterdessen nimmt die dritte
Abteilung von den Kabinen des obersten Stockes Besitz und legt
ihre Kleider ab.
Es befinden sich in Paris mehr als 100000 Schulkinder im
Alter von 6 — 12 Jahren. Aber die kleine Zahl der Badebassins
and die weiten, oft mehrere Kilometer betragenden Entfernungen von
der Schule bilden ein großes Hindernis für eine fleißige Benutzung
der Bäder. Eine Besserung in diesem Zustande könnte eintreten, wenn
man die enorme Menge warmen Wassers ausnutzte, welches, von
städtischen und sonstigen Maschinen geliefert, Tag für Tag unbenutzt
in die Seine abfließt.
Leisten diese Bäder, so fragt Dr. MjlNQENOT, den Dienst, den
man von ihnen zu erwarten berechtigt ist? Sie sollen die Haut von
den abgestorbenen Epidermiszellen, den Sekreten der Schweiß- und
Talgdrüsen, den Staubteilen und allen Unreinlichkeiten, welche die-
selbe bedecken, befreien; sie sollen ferner durch ihre Temperatur
eine tonische Wirkung ausüben und endlich ein Wohlgefallen erzeugen,
welches den Wunsch, schwimmen zu können, wachruft. Die Er-
fahrung hat gezeigt, daß nur dieses letztere durch die Bassinbäder,
wie sie augenblicklich in Paris bestehen, erreicht wird. „Ich konnte
feststellen u, so schreibt Dr. Mangenot, „dafs die Kinder aus dem
Bade fast ebenso schmutzig wieder herauskamen, wie sie herein-
gegangen waren". Was die tonische Wirkung anbetrifft, so ist
dieselbe gleich Null, ja manchmal schlägt sie in das Gegenteil, in
entschiedene Abspannung, um, wenn die Temperatur des Wassers
höher als 20° ist und die Dauer der Bäder 10 Minuten überschreitet,
was namentlich im Sommer öfter der Fall ist. Der Verfasser macht
daher den Vorschlag, dafs die Kinder, bevor sie in das Bad gehen,
176
sich waschen sollen. „Nachdem sie sich ausgekleidet, müfsten sie in
eine feuchte Badestube mit einer Temperatur von 35 — 37° C. ein-
treten, sich hier mit halbflüssiger Seife — 1 Pfund auf 30 Zöglinge
— abreiben und endlich eine warme Dusche nehmen, um Seife und
Schmutz vollständig zu entfernen."
Von anderer Seite wurde, um das gleiche Resultat der Rein-
lichkeit zu erzielen, bei dem Stadtrate von Paris in Vorschlag gebracht,
in den 400 Waschanstalten der Stadt und in sämtlichen 372 Schulen
derselben Duschebäder einzurichten. Auf diese Weise würde dem
Bassin verbleiben, was ihm eigentümlich ist, die tonische Wirkung,
die Erfrischung im Sommer, die gesundheitlich so aufserordentlich
förderliche Übung des Schwimmens.
Es sei uns hier eine kleine Bemerkung gestattet. Wenn es
Sache des Lehrers ist, den Eltern und Schülern die Grundsätze der
Reinlichkeit des Körpers einzuimpfen, so liegt es weniger ihm oder
der Verwaltung, als der Familie ob, diese Grundsätze in die That
»umzusetzen.
Die Erfahrung hat gelehrt, dafe 90% zufällig herausgegriffener
Schüler in 6 halbstündigen Lektionen das Schwimmen erlernen.
Das macht 3 Stunden im ganzen in einer Woche für die Einübung
einer Kunst, die sich niemals vergißt! Zur Aufmunterung sollten
Befähigungszeugnisse an alle Schüler, welche schwimmen können,
erteilt werden. Ausserdem mutete jedes Jahr im Monat August ein
Wettschwimmen zwischen den Schülern desselben Arrondissements
und später zwischen den Siegern sämtlicher Arrondissements stattfinden.
Alle diejenigen, die sich für das körperliche Wohlergehen der
Jugend interessieren, können den Absichten des erfahrenen Pariser
Schularztes nur beistimmen und ihre Verwirklichung in nächster Zeit
fördern helfen.1
Professor der Hygiene Dr. med. Hyacinth Kuborn
in Lüttich.
Dr. Karl Kümmer, Franz Branky und Raimund Hofbauer.
Lesebuch Ar Österreichische allgemeine Volksschulen.
Erster Teil : Steilschriftfibel mit Steilschrift von Emanurl Batr.
Wien, 1892. K. k. Schulbücherverlag. (100 S. 8°. Kr. 26.)
Das Erscheinen dieses Büchleins bezeichnet eine neue Etappe
auf dem Wege, welchen die Schulgesundheitspflege zurückzulegen
hat. Immer mehr Rücksichtnahme findet die Sorge für das leibliche
Wohl der Schulkinder, und nicht nur die äufsere Form der in Ver-
wendung stehenden Schulbücher, sondern auch deren Inhalt pafst
1 Aus dem Französischen. D. Bed.
177
sieh den Vorschriften rationeller Pflege des Körpers überhaupt und
der Sinnesorgane insbesondere an. Aber auch des Umstandes mufs
im Hinblicke auf die vorliegende Fibel anerkennend gedacht werden,
dafe der staatliche Schulbücherverlag in Österreich hinter den For-
derungen der Zeit nicht zurückbleibt, sondern der stets mehr Boden
gewinnenden Steilschrift auch in der Fibel freie Bahn schafft. Die
Steilschrift ist nicht blofs eine Sache der Mode, der heute gehuldigt
und die morgen zum alten Gerumpel geworfen wird, sondern die
berufensten ärztlichen Kapacitäten haben anerkannt und bewiesen,
dafe die senkrechte Schrift nicht nur den Bedingungen, unter denen
das Auge funktioniert, am besten entspricht, sondern auch der
richtigen Sitzhaltung der Kinder ftufserst förderlich ist. Der jetzt
allgemein verbreiteten Schrägschrift dürfte vielfach der Verfall der
Körperhaltung beim Schreiben und damit die Entstehung von Rückgrats-
verkrümmung und Kurzsichtigkeit zuzuschreiben sein. Bekanntlich
waren unter unseren Vorfahren nur wenige kurzsichtig, die gröfsere
Zahl vielmehr weitsichtig, trotzdem gewifs von vielen derselben nicht
behauptet werden kann, dafe sie weniger gelesen oder geschrieben
hätten, als wir heute thun. Die unterlassenen Werke zahlreicher
Gelehrten, die keine Brille brauchten, und deren oft enorme Belesen-
heit liefern uns für diese Ansicht hinreichende Belege. Wer weifs,
ob nicht einer der Hauptgründe dieser Erscheinung in ihrer Schrift
liegen mag, die bis in den Anfang unseres Jahrhunderts hinein
richtige Steilschrift war, ob nicht auch der Schrägschrift mit Schuld
zu geben ist an dem heutzutage so häufigen Vorkommen eines un-
gleichen Grades der Kurzsichtigkeit an den beiden Augen einer und
derselben Person? Die Steilschrift nützt dem Auge auch durch ihre
gröfeere Deutlichkeit bei gleicher Buchstabengröfse und durch ihre
Übersichtlichkeit. Man versuche nur eine sehr schiefliegende Schrift
rasch zu lesen, und man wird bemerken, wie wenig Wörter man
auf einmal mit dem Auge aufzufassen im stände ist, während dies
bei der Steflschrift beinahe ebensoleicht geht, wie bei der Druck-
schrift. Auch sind Beweise dafür vorhanden, dafs die Steilschrift
bei ihrer Aneignung einen günstigen Einfluß auf die äufsere Form
der schriftlichen Arbeiten bei Kindern hervorbringt, die bei schräger
Schrift trotz Anwendung aller Sorgfalt und Mühe nicht zu ent-
sprechender Exaktheit heranzuziehen waren.
Der rechte Nutzen der Steilschrift ist aber nur dann zu er-
warten, wenn das Kind schon vom ersten Augenblicke an, in welchem
es in die Schule eintritt, ausschließlich die Formen dieser Schrift
kennen lernt, d. h. nicht allein selbst steil schreibt, sondern auch in
seiner Fibel die gleichen Schriftformen vorfindet. Nur dann wird
ach sein Auge an die entsprechende Entfernung vom Hefte und sein
178
Körper an richtige Haltung gewöhnen, besonders wenn noch eine
gut konstruierte Schulbank mithilft. Man würde jedoch sehr irren,
wenn man mit der Einführung der Steilschrift und guter Schulbänke
alles gethan zu haben glaubte, was nötig ist. Die Steilschrift bewirkt,
sowie die gute Schulbank, nur, dafo die Kinder richtig sitzen and
sich gut halten können, aber ohne fortwährendes sorgfältiges Achten
des Lehrers auf diese Verhältnisse wird es nie abgehen, denn man
kann auch steil schreibend in einer guten Schulbank miserabel sitzen.
Der einzige und mafsgebende Unterschied ist der, da£s man bei der
Schrägschrift schon nach kurzer Zeit des Schreibens unbedingt eine
schlechte Haltung einnehmen mufs und nur bei kräftigster Anwendung
aller Willenskraft diesem Drange zu widerstehen vermag, während
der Steilschreiber sich blofs an die richtige Haltung einigermaßen
zu gewöhnen braucht, um ganz von selbst ohne jedweden Zwang in
derselben während des . Schreibens zu verharren.
Da die Steilschrift also nicht nur die Schädigung der Gesund*
heit hindert, sondern auch günstig auf dieselbe einwirkt, so ist ein
nicht unbedeutendes Verdienst um unsere Jugend in der Herausgabe
einer Fibel gelegen, welche die Kinder schon mit den ersten Schul-
wochen in diese wertvolle Schriftart einführt.
Die in der vorliegenden Fibel gebrauchte Steilschrift stammt
von einem der besten Schreiblehrer Wiens, dem eifrigsten und er-
folgreichsten Vertreter der senkrechten Schrift, Direktor Emanukl
Batk. Sie zeichnet sich durch Gröfse und Kraft der Buchstaben,
durch Deutlichkeit ihrer charakteristischen Merkmale, sowie durch
Einfachheit und leichte Ausführbarkeit aus. Es ist eine Schrift, die
vermöge der erwähnten Eigenschaften bestens dazu geeignet ist, ins
Volk zu dringen, und die in hygienischer, wie in ästhetischer Be-
ziehung allen diesfalls zu stellenden Anforderungen entspricht. Die
Fibel selbst zeigt aber auch in methodischer Hinsicht wertvolle
Neuerungen. Die Herausgeber begnügten sich nicht damit, blofs
eine der weitverbreiteten Fibeln des Schulbücherverlages mit Steil-
schrift auszustatten, sondern sie brachen auch mit der herkömmlichen
Art und Weise der Lautgewinnung. Sie fuhren nicht, wie es sonst
beim Schreibleseunterrichte meist der Fall ist, sämtliche Kleinbuch-
staben zuerst vor. Nach Gewinnung der wichtigsten Laute ziehen
sie gleich die Grofsbuchstaben heran, wodurch der ganze Lesestoff
an Sprachinhalt gewinnt. Nirgends thun sie der Sprache etwa aus
methodischen Rücksichten Gewalt an. Inhaltslose oder komische
Sätze, die in ähnlichen Erzeugnissen nicht selten sind, kommen in
dieser Steilschriftfibel kaum vor. Mit dem beschränktesten Lesestoff
wissen die Herausgeber bei den Schulkindern Lust und Liebe für
die Sprache zu erwecken. Man lese z. B. die Stelle auf S. 37:
179
9Es ist Winter. Der Jäger und sein Junge, die jagen im Felde
und im Walde. Da eüen die Hasen, da laufen die Rehe, da lauschen
die Hirsche." Zur Belebung der abstrakten Laute und Buchstaben
dienen eine Anzahl Ton Bildern, deren Wert auch darin liegt, dafs
die meisten von den Kindern nachgezeichnet werden können, und dafs
einzelne, z. B. die Vögel auf Seite 18, sogar eine weitergehende
Besprechung zulassen. Hundert Lesestücke helfen die Lesefertigkeit
erhöhen und den kindlichen Anschauungskreis in zweckmäfsiger
Weise erweitern. Für die Freude des Schulkindes ist auch in dieser
Abteilung gesorgt; viele Lieblingsstückchen der deutschen Kinder-
welt finden sich daselbst.
Die vorliegende Fibel ist daher als ein weiterer Fortschritt
nicht nur auf dem Gebiete der Hygiene, sondern auch auf dem der
Didaktik freudigst zu begrüfsen.
Direktor der k. k. Lehrerbildungsanstalt
Josef Guglbr in Wien.
Chr. Ufer, Rektor in Altenburg. Das Wesen des Schwachsinns*
Vortrag, gehalten auf der Versammlung des Thüringischen Vereins
für wissenschaftliche Pädagogik am 8. November 1891 zu Weifeen-
fels. Beitrüge zur pädagogischen Psychopathologie. Langensalza,
1892. Herrn. Beyer & Söhne. (22 S. Kl. 8°. A 0,25).
Der verdiente Pädagog CHR. Ufbr in Altenburg, dem wir
nehrere vortreffliche Schriften über psychische Störungen und ihre
Bedeutung für die Schule verdanken, hat sich in der vorliegenden
Schrift die Aufgabe gestellt, das Wesen des Schwachsinns für
Schulmänner darzustellen, „weil derselbe trotz seiner grofsen Ver-
breitung und trotz seiner hohen Bedeutung in socialer Hinsicht bisher
das Stiefkind der psychologischen Forschung gewesen sei". Es ist
hier nicht möglich, über seine Anschauungen im einzelnen zu be-
richten, nur soviel sei davon mitgeteilt, dafs er alle Erscheinungen
des Schwachsinns auf die „mangelhafte Beschaffenheit der Ganglien-
«flea und Associationsfasern des Gehirns" zurückzuführen sucht.
Wir können nicht umhin, diesen Versuch als einen unglücklichen
ra bezeichnen, da gerade beim Schwachsinn, im Gegensatz zum
Blödsinn, also zu der eigentlichen Idiotie, eine sichere anato-
mische Grundlage zur Erklärung noch nicht herbeigezogen werden
kann. Auf der anderen Seite mufs von der Medizin jeder Versuch
dankbarst anerkannt werden, der in die schwierigen Fragen der
Psychopathologie neues Licht zu bringen vermag, und der auch die
Laien auf die Bedeutung solcher Fragen für die Pädagogik und
das ganze öffentliche und private Leben immer wieder aufmerksam
macht. Gerade beim Schwachsinn ist es ein sehr gewöhnlicher
180
Irrtum, dafs man glaubt, das Wesen desselben bestehe in seinem
Verharren auf einer niedrigen Stufe normaler geistiger Ent-
wickelnng, d. h. in einem einfachen Zurückbleiben, während es sich
in der That um eine krankhafte Beschaffenheit des Gehirns und
ebendeshalb auch des geistigen Lebens, zumal seiner höheren
Funktionen, handelt. Wenn die vorliegende Schrift zur Verbreitung
dieser Betrachtungsweise beiträgt, erfüllt sie schon einen grofeen
Zweck. Praktischer Arzt Dr. med. A. Robmer
in Stuttgart.
Franz Krbunz, Vorstand derLandesturnanstalt in Graz. Bewegungs-
spiele und Wertkämpfe Ar Mittelschulen und verwandte
Lehranstalten. Zum Gebrauche für Lehrer und Schüler. Graz,
1892. Franz Pechel. (240 S. 36 Abbild. 16°.)
Welche Anforderungen hat man an ein gutes Spielbuch zu
stellen? 1. Es soll womöglich nur diejenigen Spielarten enthalten,
welche der Verfasser aus Erfahrung kennt, und die seiner Ansicht
nach aus gesundheitlichen, erziehlichen und praktischen Gründen
weiteren Kreisen empfohlen werden können. 2. Es soll eine wohl-
durchdachte Anordnung zeigen. 3. Es mufs eine knappe, bestimmte
Sprache führen, wie ein Exerzierreglement; vornehmlich gilt das
in Bezug auf die Vorbedingungen für das Spiel und die Regeln.
4. Es hat sich in einer zweckmäßigen äufseren Form darzustellen.
Das Spielbuch ist kein Schulbuch; es dient der Praxis und gehört
in die Tasche des Spielordners, wie das Notizbuch; bei Meinungs-
verschiedenheiten mufs es als corpus iuris zur Hand sein.
Sind diese Forderungen zutreffend, dann wird man dem
KRHUNZschen Büchlein unumwundenes Lob spenden müssen. Der
Verfasser ist den vorgezeichneten Anforderungen im groben und
ganzen völlig gerecht geworden. Es war gewifs keine leichte Auf-
gabe, bei der Fülle des Vorhandenen etwas wirklich Neues zu
schaffen. Das Neue besteht bei der vorliegenden Arbeit weniger in
der gröfseren Fülle des Stoffs — im Gegenteil, der Verfasser hat
sich weise Beschränkung auferlegt — oder in bisher noch nicht
veröffentlichtem Material, sondern zumeist in der praktischen
Behandlung des Gegenstandes. Der tüchtige Praktiker tritt uns
Seite für Seite entgegen. Was gebracht wird, ist brauchbar; auch
das Selbstersonnene hat Hand und Fufs. Geradezu wohlthuend
wirkt die Kürze und Klarheit in allen Teilen des Buchs. Zweck-
m&fsig ist auch die Stoffverteilung. Daft der Verfasser alle Bedürf-
nisse der Schule kennt, verrät z. B. die Beigabe von Scherzspielen,
welche dem mit Festanordnungen betrauten Lehrer gewifs willkommen
sein werden.
181
Der Unterzeichnete nimmt das KREUNZsche Bach sehr gern
zur Hand und empfiehlt es allen Fachgenossen aufs wärmste.
Oberlehrer am Gymnasium H. Wickenhagen
in Rendsburg.
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•rtgtnal-äb^attMititgett.
Luftprüfungen auf Kohlensäure,
ausgeführt in Berliner Gemeindeschulen.
Von
E. GlLLERT,
städtischem Lehrer in Berlin.
(Mit 2 Kurventafeln.)
Die normalen Bestandteile der atmosphärischen Luft sind
bekanntlich Sauerstoff, Stickstoff, Wasser und Kohlensäure,
deren relatives Mischungsverhältnis mit Ausnahme des Wassers
sehr geringen Schwankungen unterliegt. Stets enthält die Luft
noeh einige andere Stoffe, jedoch in so geringer Menge, dafs die-
selben auf unsere Sinne keine Wirkung hervorzubringen vermögen.
Die Luft in Wohn- und Versammlungsräumen, wie
Kirchen, Schulen, Theater, Eisenbahn waggons u. s. w., sollte
»ach immer diese Zusammensetzung haben. Es ist aber all-
gemein bekannt, daüs sie in den meisten Fällen in zweifacher
Beziehung davon abweicht, nämlich indem sie entweder fremde
Stoffe oder die normalen in einem abnormen Mischungs-
verhältnis enthält.
Als das wesentlichste Wahrnehmungsorgan für fremde Be-
etandteile in der Luft dient uns der Geruchssinn. Er zeigt uns
das Vorhandensein von Stoffen an, die durch physikalische
and chemische Mittel sich nicht mehr nachweisen lassen.
Doch sind gewisse Stoffe fast ohne Reiz für den Geruchssinn,
und diese machen sich durch nachteilige Wirkungen auf unsere
Bdmlgerandlieitepflcge VI. 13
186
Respirationswege oder die Schleimhaut der Augen schon in
den geringsten Mengen bemerkbar.
Jede Luft, welche in der erwähnten Weise auf
unseren Geruch, unser Gefühl oder Auge wirkt, be-
zeichnen wir als mit fremden Stoffen verunreinigt.1
Diese zufälligen Beimischungen sind gröfstenteils Bestand-
teile yon Verbrennungsprodukten oder von Ausdünstungen ver-
wesender Körper, und ihre Quelle liegt oft genug im Wohn-
räume selbst oder in dessen Nähe. Nach Pettenkofer kann
hiergegen nur die Reinlichkeit des Hauses mit Erfolg wirken.
Aufgabe der Bewohner ist es, alle diese Stoffe mit einem
nimmermüden Fleife und der peinlichsten Sorgfalt zu entfernen
oder zu verhindern, dafis sie ihren Weg in die Luft der
benutzten Räume nehmen.
Unter der Voraussetzung gröfster Reinlichkeit sind es
vorzugsweise die Ausscheidungen der Lunge und der Haut,
welche die Zusammensetzung der Luft unserer Wohn- und
Versammlungsräume verändern. Hat reine atmosphärische Luft
ihren Weg durch die Lunge gemacht, so besteht sie dem
Volumen naoh aus 79,587% Stickstoff, 16,033% Sauerstoff,
4,380% Kohlensäure, während normale Luft 79,02% Stick-
stoff, 20,94% Sauerstoff, 0,04% Kohlensäure enthält.1 Der
Sauerstoff hat also um ein Fünftel abgenommen, die Kohlen-
säure sich um mehr als das Hundertfache vermehrt. Die aus-
geatmete Luft vermischt sich mit derjenigen des Raumes, in
welchem wir uns befinden, und es ist Aufgabe der Ventilation,
diese Verunreinigungen zu entfernen. Bekanntlich besitzen
unsere Ventilationseinrichtungen nicht die Vollkommenheit, dafs
sie immer ihrem Zwecke ganz entsprechen, und die Luft
der von uns benutzten Räume wird darum selten der freien
atmosphärischen gleichen.
Infolge dessen drängt sich uns die Frage auf: Wie ist
man im stände, den Grad ihrer Verderbnis durch Vergleich
mit der freien Atmosphäre ohne Mitwirkung subjektiver
1 Pettevkofer, Über den Luftwechsel in Wokngebäuden, S. 72.
' Baginsk*, Schulhygiene, S. 89, 88.
187
Empfindungen zn bestimmen? Man kann messen, um wieviel
die Luft infolge der Respiration nnd Perspiration entweder an
Wasser oder an Kohlensäure oder an organischen Substanzen
unter verschiedenen Umständen reicher geworden ist. Da alle
drei Gröfsen stets proportional mit der Anzahl von Menschen
zunehmen, so genügt es, wenn eine derselben zur Vergleichung
ausgewählt wird. Schon vor 34 Jahren hat sich Pettenkofer
für den Kohlensäuregehalt der Luft als Mafsstab entschieden,
und derselbe ist bis jetzt beibehalten, da für einen richtigeren,
den Gehalt der Luft an organischen Stoffen, die Methode
der Messung wohl noch verbesserungsbedürftig ist. Nach den
grundlegenden Untersuchungen des genannten Forschers ist
keine Luft uns behaglich, „welche infolge der Re-
spiration und Perspiration der Menschen mehr als
l°/«o Kohlensäure enthält."1
An die Luft in Wohn- und Versammlungsräumen stellen
wir deshalb folgende Anforderungen:
1. sie mufs frei sein von fremden Stoffen;
2. ihr durch Respiration und Perspiration der Menschen
entstandener Kohlensäuregehalt darf nie mehr als 1 %o betragen.
Auf Anregung des Herrn Stadtschulinspektors Dr. Zwick
habe ich gelegentlich meiner Tageslichtmessungen2 den Kohlen -
Säuregehalt in Berliner Gemeindeschulen während des Unter-
richts, im Sommersemester von 7 — 12 Uhr, im Wintersemester
yon 8 — 1 Uhr, in der Regel in der ersten und letzten Schul-
stande unter wechselnden Verhältnissen bestimmt. Ich unter-
sachte nach der Methode von Dr. Heinrich Wolpert in
Nürnberg8 mit seinem Luftprüfer auf Kohlensäure (Deutsches
Reichspatent No. 44822).
Der Apparat besteht ans einem Glascylinder, in welchem
sich ein luftdicht anschliefsender Kolben verschieben läfst.
1 Pettenkofer a. a. 0., S. 78.
1 S. diese Zeitschrift, 1891, No. 3, S. 149-156. D. Red.
3 Dr. H. Wolpert, Luftprüfungsmethode auf Kohlensäure, Leipzig
and Wissenschaftliche Erläuterungen einer Luftprüfungsmethode auf
Kohlensaure, als Manuskript gedruckt, Nürnberg.
13*
188
Der Kolben hat eine Kohle Führungsstange. An der Aufsen-
seite des Cylinders sind zwei Skalen aufgezeichnet, die eine in
weifser, die andere in roter Schrift; erstere zeigt Kubik-
centimeter, letztere Luftreinheitsgrade an, je nach Malsgabe des
Kohlensäuregehaltes eines abgesperrten Luftvolumens. Auf
500 com abgekochtes destilliertes Wasser plus Weingeist
als Lösungsmittel nimmt man den Inhalt einer Gelatine-
kapsel, welche Phenolphtalein C,0O4Hu und, durch Watte
hiervon getrennt, 100 mg Na9COs + lOH^O oder die äqui-
valente Menge trockenes NatC05 enthält. O20O4H14 löst
sich in Alkohol, Na,COs -f 10 H,0 in Wasser. Die Lösung
mufs vor dem Zutritt von Luft und Licht möglichst geschützt
werden. Dm das Eindringen der Luft durch den Hals einer
Flasche zu verhindern, verschliefet Professor Uffblmank
dieselbe mit einem durch Tränken mit Paraffin für Luft
undurchgängig gemachten Korken und zieht über diesen eine
Doppelkappe von schwarzem Gummi, welche unterhalb des
Halses der Flasche mit einer Gummischnur festgeschnürt wird.
Kautschukstöpsel anzuwenden ist nicht ratsam, da Kautschuk
Kohlensäure absorbiert und bei Berührung mit alkalischen Flüssig -
keiten selbst Anlafe zum Freiwerden von Kohlensäure geben kann , l
Bei Vornahme einer Luftprüfung habe ich im Freien
oder am offenen Fenster den Glascylinder vorher mit 1 com
der erwähnten Reagenslösung ausgespült, dann 2 com derselben
hineingefüllt, den Kolben bis zum Flüssigkeitsspiegel hinab-
gestofsen und während der Untersuchung verhindert, dafe das
abgesperrte Luftvolumen durch die Hand eine Erwärmung
erlitt und die eigene Ausatmungsluft direkt dem Instrument
zuströmte. Die zu untersuchende Luft habe ich immer dem
Lehrzimmer in Kopf höhe der dasselbe besuchenden Kinder
entnommen. Um zu beurteilen, ob die letzten Spuren von Bot
in der Beagenslösung verschwunden waren, wurde hinter dieselbe
eine Milchglasscheibe, das Zifferblatt einer Taschenuhr, gehalten.
1 Pflüger, Zeitschrift für analytische Chemie, Bd. 18, S. 302 ;
ferner Müktz und Aübin, Spring und Roland, angeführt bei Fresenius,
Chemische Analyse, Bd. 2, S. 756.
189
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196
Der yon Pkttenkofer aufgestellte Grenzwert l°/oo 0O2
ist in allen Schulen überschritten. Eine Znsammenstellung
der Ergebnisse enthält folgende Tabelle:
Schale
Künstliche
Ventilation
Zahl der Untersuchungen, bei welohen
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2,1-3,0
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26
18
7
8
1
1
Summa
Bezeichnung der Beiriheit der Luft
nach Wolpebt.
45
gnte
Luft u.
noeh xu-
lässig.
18
6 4
11
schlecht
sehr schlecht
änJserst
schlecht
19
34
31
85
Erklärlich ist der hohe Kohlensäuregehalt in den Lehr-
räumen der 1. Gemeindeschule. Das Schulhaus ist ein altes
Gebäude, liegt mitten im Häusermeer und hat keine Luft-
ableitungskanäle. Immer 2 Lehrräume grenzen mit einer
Längswand aneinander und kommunizieren durch eine doppelte
Verbindungsthür. Mit der anderen Längsseite stoßen sie ent-
weder an die Linienstrafse oder an den Schulhof. Alle Zimmer
werden mittelst Kachelöfen geheizt. Die durch die Wände
erfolgende natürliche Ventilation kann bei einer solchen Haus-
und Zimmeranlage nur einen geringen Erfolg haben. In der
schulfreien Zeit wird für Lufterneuerung gesorgt, weniger
während der Schulstunden. Da von 19 Untersuchungen nur
eine unter 1 %o CO, ergeben hat, mufs der Kohlensäuregehalt
in den Lehrräumen dieses Schulhauses während des Unter-
richtes als ein viel zu hoher bezeichnet werden. Die Anlage
von Luftableitungskanälen in den Klassenzimmern ist unbedingt
notwendig.
In der 166. Gemeindeschule war die Luft viel reiner.
Das Gebäude dieser Schule ist nach neuerem System als lang
gestreckter Bau vor 3 Jahren aufgeführt. Die freie Lage
197
garantiert für gute Luft in seiner nächsten Umgebung und
dafor, dafe der leiseste Luftstrom draufsen der Lufterneuerung
in den Lehrräumen auf dem Wege der natürlichen Ventilation
zu gute kommt. Alle Klassen liegen zur Seite von 3 m
breiten Korridoren. Das Mauerwerk hat Luftkanäle. Die mit
den Heizkörpern verbundenen Ventilationskanäle besitzen zwei
Mündungen, die eine unter der Decke zur Abführung der
stark erwärmten Luft, die andere 0,37 m über dem Fufsboden
zur Absaugung der kalten Luft. Nach Schluüs der Stunden
werden sämtliche Fenster aller Lehrräume geöffnet.
Das Gebäude der 21. und 24. Gemeindesohule besteht
aus einem Hauptgebäude mit 2 Seitenflügeln im Abstände von
32 m. Die künstlichen Ventilationseinrichtungen sind hier
wie in der 166. Gemeindeschule. Nach Schlafs des Unter-
richts hat immer eine genügende Lüftung für jedes Zimmer
stattgefunden.
Wie der Aufenthalt in kohlensäurereioher Luft auf die
Lebensthätigkeit des menschlichen und tierischen Organismus
einwirkt, führt Nowack an1: „Je mehr sich die Kohlensäure
in einer Atmosphäre, in der wir leben, anhäuft, desto schwerer
tritt dieselbe aus dem Blute aus. Das Atmen wird demnach
mit zunehmender Kohlensäure der Luft, in der wir uns be-
finden, zuerst erschwert und schliefelioh aufgehoben, nämlich
dann, wenn der C02gehalt der Atmungsluft so weit erhöht ist,
dafe die Diffusion zwischen äulserer Luft und Lungenluft
aufhört." Die dabei auftretenden subjektiven Symptome
schildert Flügge mit folgenden Worten: „Wohnungsluft von
1,0 — 6,0 %o C02 erzeugt bei vielen Menschen Kopfschmerz,
8chwindel, Übelkeit, und bei dauerndem Aufenthalte in solcher
Luft beobachtet man anämische Symptome oder Disposition
zu Lungenerkrankungen. u s Begünstigt der Aufenthalt in
kohlensäurereioher Luft aber die Entwickelung von Lungen-
1 Nowack, Lehrbuch der Hygiene, S. 113.
* Flügge, Grundriß der Hygiene, 8. 153.
198
leiden, namentlich der weit verbreiteten Tuberkulose1, so ist
diese Thatsache allein schon Grund genug, mit allem Ernst
jenem Übel zu steuern.
Um ein Bild von der COsproduktion für eine Unterrichts-
stunde zu erhalten, erwäge man nur folgendes; es erzeugt:
ein 16jähriger Jüngling 17,4 1 C08 pro Stunde,
„ 17jähriges Mädchen 12,9 „ „ „ „
„ lOjähriger Knabe 10,3 „ „ „ „
„ lOj ähriges Mädchen 9,7 „ „ „ „
„ 9jähriges Mädchen während des Gesangunterrichts
16,7 1 C02 pro Stunde,
„ läjähriger Knabe während des Gesangunterrichts
17,0 1 C08 pro Stunde.8
Zu der Kohlensäure als Atmungsprodukt gesellen sich,
wie erwähnt, noch eine Menge übelriechender Stoffe und
Wasserdampf. Da Lehrpersonen täglich stundenlang den Ein-
flüssen einer solchen Atmosphäre ausgesetzt sind, läfst sich
hieraus eine Erklärung für ihr frühes Altern und Sterben ab-
leiten. Nicht das Unterrichten ist es, welches an ihrer Gesund-
heit intensiv zehrt, sondern die mit Ausscheidungen der Lunge
und der Haut, mit Staub und Kleiderausdünstungen aller Art
verunreinigte Schulstubenluft.
Nachdem ich mich von dem Vorhandensein sehr wechseln-
der Kohlensäuremengen in verschiedenen Lehrräumen überzeugt
hatte, erschien es mir von Bedeutung, die Grenzen zu er-
mitteln, zwischen denen die Kohlensäurezunahme während
einer Unterrichtsstunde schwankt. Am 28. Oktober 1891 fand
ioh in einem im Erdgesohols gelegenen Lehrzimmer, welches
von 46 neun- bis elfjährigen Knaben besucht war, zu Anfang des
Untei richte um 81A Uhr 0,7%o, nach einstündigem Unterricht
bei geschlossenen Fenstern 2,4%o Kohlensäure. An demselben
Tage war der Kohlensäuregehalt in einem im ersten Stockwerk
1 Gegenwärtig erliegt noch jeder siebente Mensch dieser Krankheit ;
in Berlin starben z. B. in der Woche vom 1. bis 7. Mai 1892 596 Personen,
darunter 82 an Lungenschwindsucht und 68 an Lungenentzündung.
1 Flügge, Hygienische üntersuchungsmethodm, S. 497.
199
gelegenen mit 30 zwölf- bis vierzehnjährigen Knaben besetzten
Lehiraum derselben Schale nach 1 Vi stündigem Unterricht von
0,70%o auf 2,25 %o gestiegen. Am 9. September 1891 nahm der
Kohlensäuregehalt in einem Schalzimmer, in welchem sich
28 Knaben befanden, innerhalb 7* Standen am 2,22 %o zu.
Am 17. Mai 1892, einem für Berlin stürmischen Tage, hatte
mein mit 40 durchschnittlich 12 Jahre alten Knaben besetztes
Lehrzimmer zu Beginn des Unterrichts um 7 Uhr <0,70%o
Kohlensäure. Ich unterrichtete bei geschlossenen Fenstern,
die Luftentziehungskanäle funktionierten, und so fand ioh um
78A Uhr < 0,70°/oo, um 81/« Uhr 0,94°/oo und um 9 Uhr
0,97 °/oo Kohlensäure. Der Kohlensäuregehalt hatte trotz
zweistündigen Unterrichts nicht l%o erreicht. Ahnliche
Beobachtungen machte ich an demselben Tage in drei anderen,
verschieden gelegenen Zimmern derselben Schule. Gleichzeitig
konstatierte ich in der 21. Gemeindeschule, dals die Kohlen-
säure in einem von 46 Schülern frequentierten Lehrzimmer
wahrend der Stunde von 11 — 12 Uhr von < 0,70%o nur auf
0,82 Voo gestiegen war und konnte hier in drei anderen Klassen-
zimmern keinen Kohlensäuregehalt von über 0,90 Voo finden,
obgleich überall des kalten stürmischen Wetters wegen bei
geschlossenen Fenstern unterrichtet wurde.
Hieraus ergibt sich: Der Kohlensäuregehalt kann
in einem normal besetzten Lehrraume während
einer Unterrichtsstunde bei geschlossenen Fenstern
um rund 2%o steigen, aber auch unter l%o zurück-
bleiben.
Bemerkt sei hierzu noch, dafs die Kohlensäure in einem
Lehrzimmer bei unterlassener Ventilation wahrscheinlich in
der ersten Unterrichtsstunde am stärksten, in jeder nach-
folgenden Stunde aber infolge der erschwerten Atmung der in
dem Zimmer vorhandenen Personen immer weniger zunimmt.
Man kann rechnen, dafs ein Schüler im Durchschnitt
12 1 Kohlensäure pro Stunde ausatmet; Eulenberg und
Bach1 nehmen 15 1 pro Stunde an. Ist ein Lehrraum
1 Eulenberg und Bach, SchtUgesundheitslehre, S. 269.
200
200 obm grofs und mit 50 Schülern besetzt, so nimmt derselbe
in der genannten Zeit 620 1 Kohlensäure auf, wenn die Lehr-
person selbst 20 1 produoiert. Waren während der Stunde die
Fenster und Thüren geschlossen, so müfste die Untersuchung
über 3%o Kohlensäure ergeben; sie ergibt aber in den
meisten Fällen viel weniger, da auf dem Wege der natürlichen
Ventilation stetig Zimmerluft entweicht und Aufsenluft dafür
eintritt.1
Die GröJse des natürlichen Luftwechsels in geschlossenen
Wohn- und Versammlungsräumen ist von einer Reihe von
Faktoren abhängig, von denen die Geschwindigkeit der
Luftbewegung im Freien, die Temperaturdifferenz zwischen
atmosphärischer und Zimmerluft und die Permeabilität des
Baumaterials die hauptsächlichsten sind. Bei stürmischem
Wetter ist die Luft in rascher Bewegung. Die Untersuchungen
No. 37—47 und No. 65 — 76 zeigen, dafe der Kohlensäure-
gehalt an solchen Tagen in zwei aufeinanderfolgenden Unter-
richtsstunden nicht l°/oo erreichte. An einem windstillen Tage
dagegen, am 10. Mai 1892, ermittelte ich nach vierstündigem
Unterricht in drei Lehrräumen über 4%o Kohlensäure, in einem
vierten, im dritten Stockwerk gelegenen nach viereinhalbstün-
digem Unterricht 5,63 °/©o Kohlensäure und nach fünfstündigem
Unterricht in einem gleichfalls im dritten Stockwerk gelegenen
Klassenzimmer 1,21 %o Kohlensäure, obgleich hier in den
letzten 3 Stunden vorher 6 untere Fensterflügel immer geöffnet
gewesen waren.8 Demnach folgt: Die Kohlensäure-
zunähme eines geschlossenen besetzten Lehrzim-
mers steht zur Geschwindigkeit der Luftbewegung
im Freien in umgekehrter Proportion.
Das Gleiche gilt für das Verhältnis zwischen Kohlensäure-
zunahme und Temperaturdifferenz zwischen Zimmerluft und
freier Luft. Ich habe darüber keine Versuche angestellt, wohl
aber Pettbnkofkr.8 Nach den Untersuchungen und Be-
1 Vgl. Pettphkofer a. a. 0., S. 79.
1 S. die Untersuchungen No. 69—64, 77—78, 81—82, 84.
8 A. a. 0., S. 91.
201
rechnungen desselben betrug die einem Zimmer von ungeAhr
73 ebm Luftkubus dureh die natürliche Ventilation gelieferte
Loftmenge bei 20° 95 obm bei 19° 75 ebm und bei 4° 22
ehm. leb glaube nicht zu irren, wenn ich die Grölse dieses
Luftwechsels nicht allein der Wirkung der Temperatuzdifferenz,
sondern zugleich dem Einflute der Luffcbewegung im Freien
zuschreibe. Diesen Faktor hat Pettsnkofbb nicht in Rechnung
gesogen, obgleich er von der Bedeutung desselben spricht.1
Die natürliche Ventilation wird durch die Poren des
Baumaterials und die zufälligen Spalten der Fenster und
Thfiren ermöglicht. Die Porosität des Baumaterials hat durum
eine hohe sanitäre Bedeutung. Mörtel, Ziegel und Sandstein
verlieren nach den Versuchen von PaTTBUKOTER' ihre Per-
meabilität, sobald eine der freien Flächen hinlänglich mit
Wasser benetzt wird, da letzteres bei der feinen Verteilung so
fest adhiriert, daJs es durch mechanische Kraft von der Luft
nicht verdrängt werden kann. Mit der Verdunstung des Wassers
werden die genannten Materialien wieder, durchgängig f&r die
Luft. Hieraus geht hervor, welchen Einfluis trockene bezw. nasse
Wände auf den natürlichen Luftwechsel in unseren Schulen
haben müssen.
Aus diesen Bettachtungen folgt ferner, dais der natür-
liche Luftwechsel eines geschlossenen, besetzten Lehrammaro
am bedeutendsten ist, wenn die besprochenen Faktoren den
höchsten Grad ihrer hier in Betracht kommenden Eigen-
schaften besitzen. Der natürliche Luftwechsel iat darum in
der kalten Jahreszeit am größten und in der warmen am ge-
ringsten.
Erweist sich die natürliche Ventilation zu gering, so lassen
wir die künstliche in Wirksamkeit treten. Soll diese ihren
Zweck ganz erfüllen, so nrufs sie eine gewisse Leistungsfähigkeit
besitzen. „Die Quantität der durch die Ventilation zu-
zufahrenden Luft mute die Quantität der Luft, welche in
1 A. a. 0., S. 95.
1 k, a. 0., S. 97.
BeholgMvndheitspflege VI. 14
202
der gleichen Zeit ausgeatmet wird, wenigstens in dem Ver-
hältnisse übertreffen, in welchem der Kohlensäuregehalt der
ausgeatmeten Luft grülser ist, als die Differenz zwischen dem
Eohlensfturegehalte der freien Luft und einer Luft, in welcher
der Mensch erfahrungsgemäß auf längere Zeit sich behaglich
und wohl befindet. Nun ist aber der Kohlensäuregehalt der
ausgeatmeten Luft 4% oder 40°/©o und der Kohlensäuregehalt
einer guten Zimmerluft nicht über 0,7 %©. Hieraus ergibt sich
40 40
7r-= — ^-=-=x-t; = 200. Mit Worten ausgedrückt, lautet der
0,7 — 0,0 \)tl
Satz : Wenn ein Mensch oder eine Anzahl von Menschen in einem
geschlossenen Baume atmen, so müssen wir diesem Baume
das 200&ohe Volumen der ausgeatmeten Luft an frischer Luft
in jedem Zeitmomente zufahren, wenn die Luft im Baume
stets gut bleiben soll."1 Atmet ein Mensch stündlich 300 1 Luft
in einem geschlossenen Zimmer aus, so sind demselben hier-
nach 200X300 1 = 60 cbm frischer Luft jede Stunde zu-
zuführen. Legt man diesen Berechnungen den Grenzwert von
40
l%o Kohlensäure zu Grunde, so erhält man « - g = 80 X
1—0,5
300 1 = 24 cbm, und diese Zahl würde hiernach das Minimum
der Leistungsfähigkeit unserer Ventilationsapparate für die Stunde
und Person angeben.
Obgleich in der neueren Zeit beim Bau der Schulhäuser
die Versorgung der Lehrräume mit Luft und Licht sehr in
den Vordergrund getreten ist, kann dieses Ziel durch die im
Gebrauch befindlichen Ventilationseinrichtungen dennoch nicht
erreicht werden. Steigt doch der Kohlensäuregehalt an wind-
stillen Tagen in der warmen Jahreszeit bis über l%o, selbst
wenn bei geöffneten Fenstern unterrichtet wird. Mit Recht
empfiehlt daher Pbttenkofer* das Eintreiben von Luft durch
Maschinen in alle diejenigen Gebäude, welche überhaupt einer
regelmäßigen künstlichen Ventilation bedürfen, wie Kranken-
häuser, Kasernen, Gefängnisse und Schulen. Solange unsere
1 Pkttebkofer a. a. 0., S. 85.
• A. a. 0., S. 128.
203
Lehranstalten nicht in dieser Weise mit frischer Luft gespeist
weiden, wird die Schnlluft, besonders in der warmen Jahres-
zeit, nicht blofe heils, sondern durch Verdunstung des SchweiGses
und Aufnahme der gasförmigen Ausschei4ungen der Lunge
und der Haut, sowie verschiedener Produkte, welche die Hitze
ans den häufig nicht ganz sauberen Kleidern der Schüler treibt,
abelriechend und schädigt dann den ganzen Organismus eben
so sehr, wie gute Luft in derselben Zeit ihm nützen würde.
Die Bander der Armen in dichtbevölkerten Städten mit über-
füllten Wohnungen leiden dabei am meisten.
Da die Luftverschlechterung in einem Lehrraume während
der Schularbeit weder von dem Lehrer noch den Schülern
direkt wahrgenommen, sondern erst durch ihre Wirkungen
empfunden wird, erscheint ee mir ratsam, dafs naoh jeder
Unterrichtsstunde im Sommer und Winter alle Klassenzimmer
durch Öffnung sämtlicher Fenster und der Thür etwa 10 Hinuten
lang gelüftet werden. Die Kinder gehen während dieser Zeit
auf den Hof oder Korridor, kommen dadurch in Bewegung
und bringen in ihren Kleidern bessere Luft mit herein. Während
der Unterrichtsstunden sollten die Korridorfenster offen stehen,
in den Pausen während der Lüftung der Lehrzimmer aber ge-
schlossen werden. Dringend notwendig ist es, dafe eine längere
derartige Lüftung zwischen Vor- und Nachmittagsunterricht
erfolgt; gewöhnlich unterbleibt dieselbe in der kalten Jahres-
zeit ganz. Von der Wirkung einer solchen Lüftung geben
die Untersuchungen No. 35, 36, 61 und 62 Zeugnis.
14*
204
Regelung des Kinderbewahrwesens in Ungarn.
Von
Dr. med. Heinrich Schuschny,
Schularzt und Professor der Hygiene in Budapest.
Das ungarische Parlament hat einen von dem Unterriohts-
minister eingebrachten Gesetzentwurf über das Kinderbewahr-
wesen angenommen, welcher wegen der Eigenartigkeit seiner
Beetimmungen sowohl das Interesse der Kinderfreunde, als
das der Sohulhygieniker in vollem Mafee verdient. Da im
Oktober v. J. auch die nötigen Instruktionen vom Unterriehte-
minister herausgegeben wurden, so steht nunmehr dem Vollzüge
des erwähnten Gesetzes nichts im Wege.
Das Kinderbewahrwesen wurde bisher nur in Frankreich,
und zwar im Jahre 1886 gesetzlich geregelt. In unserem
Nachbarstaate Österreich hat man auf dem Wege ministerieller
Verordnungen (1872) manches verfügt. In Deutschland,
Belgien, Holland und der Schweiz nahm die Gesellschaft das
Kinderbewahrwesen in die Hand. Dnd so war es auch bisher
in Ungarn, wo im Jahre 1828 unter der Ägide und Werk-
tätigen Unterstützung der Gräfin Brunswik der erste „ Engel-
gartenu eröffnet wurde. Seitdem haben sich die Kindergärten
bei uns vermehrt, und heute, vor dem Inslebentreten des
Kinderbewahrgeeetzes, bestehen in Ungarn 880 solche Gärten,
die von ungefähr 73000 Kindern besucht werden.
Unter den Motiven, welche den Gesetzentwurf einleiten,
finden wir eine kleine, auf amtlichen Daten beruhende Brand-
statistik. Im Jahre 1887 entstand erwiesenermaßen durch
Kinder, welche ohne Aufsicht gelassen waren, in 210 Fällen
Feuer; der dadurch verursachte Schaden betrug 460000 Gulden.
Da in der Mehrzahl der BrandfUle (65%) der Urheber des
Feuers nicht ermittelt werden konnte, so dürfte die Schaden-
summe eher zu niedrig gegriffen sein.
205
Es wird unter den Motiven auch der hygienischen Vor-
teile einer Regelung des Kinderbewahrwesens gedacht.
Das Gesetz bezweckt, dafe in den Bewahranßtalten
3—6 Jahre alte gesunde Kinder, die der fortwährenden Auf-
sieht und Fürsorge ihrer Eltern entbehren, unter Obhut oder
auch in Pflege genommen werden. Zugleich sollen dieselben
sieh au Ordnung und Reinlichkeit gewöhnen und in Bezug
auf Geschicklichkeit, Intelligenz und Gemütsentwicklung unter
Auasehlufs eines eigentlichen Volksschulunterrichts gefördert
werden.
Da ein groiser Teil der Bevölkerung Ungarns Ackerbau
betreibt und die erwachsenen Familienmitglieder zur Zeit der
Arbeit Wochen hindurch auf dem Felde beschäftigt sind, so
nrals auch für die Kinder solcher Arbeiter während der
Arbeitszeit Sorge getragen werden. Das Gesetz verfügt, dals für
dieselben entweder „Bewahranstalten" oder „Sommerasyle" er-
richtet werden. Es bestimmt die Raum Verhältnisse dieser Anstalten,
verlangt einen schattigen Spielplatz und verordnet, dafe als
Sommerasyle die in den Sommerferien (1. Juli bis 31. August)
geschlossenen Volksschulen benutzt werden. Es können dort
auch jüngere Kinder als dreijährige — mit Ausschlufs von
Säuglingen — Aufnahme finden. Die -Anstalten sind an
Werktagen von morgens bis abends geöffnet zu halten. Das
Gesetz setzt ferner die Qualifikation und das Gehaltsminimum
der Kindergärtnerinnen und Wärterinnen, welche in den
Sommerasylen anzustellen sind, fest.
Gemeinden, welohe 15000 fl. Staatssteuer bezahlen, sind
zur Erhaltung einer „Bewahranstalt" verpflichtet, Gemeinden
mit einer Steuer von 10 — 15 000 fl. haben ein „ständiges Asyl",
Gemeinden mit einer noch kleineren Steuer ein „Sommerasyl"
in erhalten. Sollten jedoch dazu die Einkünfte der Gemeinde
nicht genügen, so hat dieselbe einen Steuerzuschlag von 3%
zu erheben. Es ist nicht nur dem Staate, sondern auch den
Konfessionen, Vereinen oder Privaten gestattet, Bewahranstalten
zu errichten.
In denselben wird für die Kinder nicht armer Eltern
206
eine geringe Gebühr errichtet, in den Asylen dagegen ist die
Aufnahme unentgeltlich.
Die Aufeicht über diese Anstalten führt ein Aufeichts-
ausschuls, den der Erhalter derselben bestellt. Mitglied dieses
Ausschusses ist der beamtete Arzt, der alle 14 Tage mindestens
einmal, im Notfidle öfter die Anstalt zu besuchen hat. Er
untersucht die Kinder und macht in betreff der Hygiene Vor-
schlage, welche vom Ausschüsse durchzuführen sind. Im
Weigerungsfalle erstattet der Arzt dem Königlichen Schul-
inspektor Bericht.
Der übrige Teil des Gesetzes handelt von den Bildungs-
anstalten für Kindergärtnerinnen und bestimmt den Lehrplan
des Kurses, welcher zweijährig ist. Es findet sich hier auch
die gewife nicht unberechtigte Bestimmung, dafe die Kinder-
gärtnerin der Landessprache mächtig sein müsse oder aber sich
die nötige Kenntnis derselben binnen 3 Jahren anzueignen
habe.
Aus den Instruktionen entnehmen wir, dafe jährlich alle
S — 6jährigen Kinder verzeichnet werden sollen und dafe
Eltern oder Vormünder, die ihre Kleinen ohne die erforderliche
Aufeicht und Pflege lassen, zu bestrafen sind.
Für die Placierung und Einrichtung der Anstalten
werden Pläne und ein Normativ mitgeteilt.
Mit besonderer Sorgfalt sind die Abschnitte behandelt,
welche die Verwaltung der Anstalt, die Aufnahme der
Kinder, die Disoiplin, die Pflege und die geistige Ausbildung
derselben zum Gegenstande haben. Auch wird der Wirkungs-
kreis des Aufeichtsausschusses festgesetzt.
Wenn eine Bewahranstalt oder ein Asyl den gesetzlichen
Anforderungen nicht entspricht, hat der Verwaltungsausschufe
an den Erhalter des betreffenden Instituts drei Mahnungen zu
richten. Falls diese erfolglos bleiben, ordnet der Unterrichts-
minister die Schlie&ung der Anstalt an.
Die Lehrkurse zur Ausbildung von Wärterinnen für
ständige oder Sommerasyle stehen unter der Kontrolle des
Königliohen Sohulinspektors. Nur solche Frauen dürfen die
207
Leitung eines Asyls übernehmen, die einen 6wöchentiiohen
Lehrkursus durchgemacht haben. Bei der Aufnahme in den
Kursus genielsen die Witwen, Gattinnen oder Töchter von
Lehrern den Vorzug.
Es war mir bei dem eng bemessenen Baume unmöglich,
einen vollständigen Auszug der in 5 starken Heften erschienenen
Instruktionen zu bringen. Ich habe nur einige prägnantere
Stellen hervorgehoben, aus welchen zu ersehen ist, dals diese
Instruktionen das Einderbewahrgesetz vollkommen erganzen
und sich dem modernen Geiste desselben anpassen.
So kurz aber auch der Bericht ist, so zeigt derselbe doch,
dafe es dem Königlich ungarischen Unterrichtsminister Grafen
Albin von CsAky vollständig gelungen ist, das Kinderbewahr-
wesen in Ungarn zu regeln und die Hygiene der jüngeren
Kinder um einen bedeutenden Schritt vorwärts zu bringen.
Zugleich ist unsere Regierung mit diesem Gesetze allen anderen
Staaten zuvorgekommen.
2Us Dtrfatnwl««$tii ttnb Dertinttt*
Au der Vereinigung für Schulgesnndheitspflege
des Berliner Lehrervereins.
Von
E. Hertkl,
stadtischem Lehrer in Berlin.
Im verflossenen Jahre beschäftigte sich die Vereinigung
in den drei Sitzungen des Juni, August und Oktober mit der
Frage, welchen Einflufs unsere heutigen Schulverhältnisse auf
die Entwickelung der Sehkraft der Schulkinder ausüben. Die
bezüglichen Referate hielt der Schriftführer E. Hertkl über
folgende Themen: 1. „Anatomie des Auges und seine
208
wichtigsten Krankheiten", 2. „Die Refraktions-
zustände des Auges", 3. „Augenuntersuehungen,
insbesondere in Schulenu. Der Referent unterstützte
seine Ausführungen durch Vorzeigung von Abbildungen und
geeigneten Apparaten. Die Vereinigung nahm folgende Sitze an :
1. Die Schule übt gegenwärtig vielfach einen schädlichen
Einflufs auf die Sehkraft der Jugend aus.
2. Seitens der Sehulhygieniker sind immer von neuem
die Forderungen geltend zu machen, deren Erfüllung jenen
Einflute zu mindern geeignet scheint.
S. Behufs Feststellung der Sehschärfe der Schulkinder
sind dieselben sowohl beim Eintritte in die Schule, als auch
m bestimmten Zwischenräumen während der Schulzeit zu
untersuchen. Für den Lehrer ist 2u dieser Untersuchung die
CoHNsohe Hakentafel1 zu empfehlen.
Der Referent wurde ersucht, einen ausführlichen Aufsatz
über die behandelten Themata in der „Pädagogischen Zeitung"
zu veröffentlichen.
Im Oktober sprach Herr O. Janke über: „Hygienische
Spucknäpfe für Schule und Haus". Diesem Vortrage
lagen folgende Sätze zu Grunde:
1. In den Klassenzimmern, auf den Korridoren und
Treppenabeätzen sind Spucknäpfe in ausreichender Anzahl an
bequem zugänglichen und leicht sichtbaren Orten aufzustellen.
2. Die Spuoknäpfe sollen zweckentsprechend konstruiert sein.
3. Dieselben sind etwa 1 cm hoch mit Wasser zu füllen.
4. Sie müssen täglich entleert und gereinigt werden.
Im November beschäftigte sich die Vereinigung mit dem
Thema: „Das Schlafen der Erzieher und Zöglinge im
gemeinsamen Schlafraume der Erziehungsanstal-
ten". Diese Angelegenheit wird später zur nochmaligen Ver-
handlung kommen.
In derselben Sitzung beleuchtete Herr 0. Janke „Das
Urteil eines Sohulhygienikers über Schule und
1 Breslau, Priebatsoh. X 0,(0.
209
Lehrerstand". Es bandelte sieh um die „Vorträge über
Schulgesundheitspflege" von Professor W. v. Zbhbnder
in München.1 Der Redner wird in der „Pädagogischen
Zeitung" öffentlich zn den genannten Vorträgen Stellung
nehmen.
Im Dezember stand die „Schularzt frage" zur Ver-
handlung. Der Referent, Herr W. Siegert, hatte besonders
die Berliner Verhältnisse im Auge. Er stellte sich weder auf
den Standpunkt, den Professor H. Cohn in seinen vom
hygienischen Kongreß zu Genf 1882 angenommenen Thesen
vertritt, noch unterschrieb er die Forderungen des Wiener
Kongresses vom Jahre 1887. Der Lehrer müsse vielmehr
alleiniger Herr in der Schule sein und bleiben. Eine fort-
gesetzte ärztliche Inspektion sei nicht empfehlenswert. Die
Vereinigung nahm folgende Erklärung einstimmig an: „Die
flygienesektion des Berliner Lehrervereins hält es für dringend
notwendig, dais eine aus Ärzten, Verwaltungsbeamten, Archi-
tekten, Ingenieuren, Schulleitern und Lehrern zusammengesetzte
Kommission die Verhältnisse sämtlicher Berliner Schulen
nach der hygienischen Seite hin untersucht, für die praktische
Durchführung anerkannter Forderungen der Schulhygiene, sowie
ftr die Lösung streitiger Fragen Vorschläge macht und die
Grundsätze feststellt, nach denen eine zweckentsprechende
Mitwirkung der Ärzte bei Beaufsichtigung der Schula zu er-
folgen hat"
Diese Resolution wurde auch in der Versammlung des
Berliner Lehrervereins am 20. Januar d. J. einstimmig an-
genommen.
1 S. diese Zeitschrift, 1892, No. 2, S. 87—90. D. Bed.
210
Antrag auf Anstellung von Schulärzten, eingebracht in der
Stadtverordnetenversammlung von Braunschweig.
Wie Herr Blasiüs * berichtet, empfiehlt die Statatenkommission
den in der letzten Sitzung gestellten Antrag des Herrn Günther
auf Anstellung von Schulärzten zur Annähme.
Schon frtther sei diese Frage in der Versammlung erörtert
worden, indem Herr Nibss vor etwa 8 Jahren beantragt habe,
Schulärzte anzustellen, welcher Antrag aber damals im Sande
verlaufen sei. Um die Versammlung darüber zu orientieren, welche
Funktionen einem Schularzte obliegen würden, wolle er in Kürze
das Arbeitsfeld desselben näher kennzeichnen. Zu den Aufgaben
eines Schularztes würde gehören: bei dem Neubau von Schulen
die Begutachtung des Bauplatzes, die Prüfung des Baugrundes
in physikalischer, chemischer und bakteriologischer Beziehung, die
Messung des Grundwasserstandes, die Untersuchung der Lage in
Bezug auf umliegende Häuser, Fabriken u. s. w. ; die Begut-
achtung des Bauplanes, der Gröfse, Höhe, Tiefe der Zimmer,
der Beleuchtung derselben, der Anlage der Heizung und Ventilation,
der Konstruktion der Subsellien, des Spielplatzes, der Turnhalle, der
Brunnen, bezw. der Trinkwasserversorgung, der Abtritte u. s. w. ;
die hygienische Beaufsichtigung des Baues, der Drai-
nierung des Fundaments, der Anlage der Heiz- und Ventilations-
einrichtungen, die genaue Kontrolle der frische Luft zuführenden
Kanäle u. s. w. ; die Bestimmung, wann das Schulhaus dem
Gebrauche übergeben werden darf, die Untersuchung des
Wassergehaltes der Wände, die Prüfung der Heiz- und Ventilations-
einrichtungen; ein Gutachten dem Schuldirektor gegenüber bei
Feststellung des Lehrplanes (richtige Abwechselung von Stunden,
die den Geist der Schüler in höherem oder geringerem Grade an-
strengen); die Anpassung der Subsellien für jeden einzelnen
Schüler bei Beginn des Schuljahres, bezw. die Verteilung der Schüler
auf die verschiedenen Gruppen der Subsellien in einer Klasse;
die genaue körperliche Untersuchung der Schüler,
welche in die Schule aufgenommen werden, namentlich
derjenigen, die vorher noch nicht in die Schule gegangen sind,
(Gröfee und Gewicht der Kinder, Körperhaltung, Wirbelsäulen-
verkrümmungen, Ernährungszustand, Gesichtsfarbe, Fettpolster, Mus-
kulatur, Zustand der Augen, ob normal oder kurzsichtig, ob schielend
u. s. w. ; besondere Bemerkungen über konstitutionelle Krankheits-
anlagen der Kinder, wie Scrofulose, Tuberkulose, Bhachitis, Syphilis,
Epilepsie, Veitstanz, Stottern); Kinder, die zu schwach befunden
1 Upser Mitarbeiter. D. Red.
211
werden, würden eventuell bis zum 7. oder 8. Lebensjahre zurück-
gestellt werden können durch motiviertes Zeugnis des Schularztes;
die Anmeldung jeder Erkrankung der Schüler an einer
ansteckenden Krankheit, namentlich an Stickhusten, Scharlach,
Diphtheritis, Masern, Typhus, Pocken, Cholera und ägyptischer Augen-
krankheit, um die Weiterverbreitung dieser Krankheiten durch die
Schulen möglichst zu beschränken; die Revision der einzelnen
Klassenzimmer in bestimmten Zwischenräumen, insbesondere während
des Schreib- und Handarbeitsunterrichtes, um das Sitzen und die
Haltung der Schüler, die Beleuchtung, die Luft und Temperatur der
Zimmer zu beobachten; die genaue Kontrolle der Heizungs-,
Yentilations- und Beleuchtungsanlagen, der Trinkwasser-
versorgung und der Aborte.
Pas sei eine Reihe von Thätigkeiten, bei welchen der Schularzt
ratend eintreten könnte, und endlich hätte er noch bei dem Ausbruche
von Epidemien ein wichtiges Gutachten über den Schlufs der
Schulen abzugeben.
Es dürfte nun der Einwand erhoben werden, dafs die Stadt
eine derartige Anstellung von Schulärzten nicht nötig habe, weil ein
vom Staate angestellter Physikus vorhanden sei, welcher von der
Stadt requiriert und zu allen solchen Gutachten herangezogen werden
könne. Das wäre sehr schön, wenn die menschliche Arbeitskraft
nicht zu sehr angestrengt würde, sobald der eine Physikus für eine
Stadt von mehr als 100000 Einwohnern mit allen diesen Sachen
belastet werden sollte. Zu dem Arbeitskreise desselben würden auch
noch andere Gutachten, wie z. B. über die Kanalisation, die Trinkwasser-
versorgung u. s.w. gehören, so dafs, wenn dieses ein Mensch aus-
fuhren sollte, der Tag nicht 24, sondern 60 und mehr Stunden haben
mutete. Dazu trete ferner der Umstand, dafs der Physikus durch
sein Gehalt vom Staate so gestellt sei, dafs er seinen Lebensunterhalt
nicht anders als durch Zuhilfenahme von Privatpraxis bestreiten
könne. Im Herzogtume Braunschweig seien 24 Physici angestellt;
davon entfalle auf die Stadt Braunschweig, welche über ein Viertel
der Einwohnerschaft umfasse, nur einer, während sich die übrigen
23 auf das Land verteilen. Wenn also der eine Physikus allen
Anforderungen — zu welchen auch noch das Impfen, die Ausfertigung
von Todtenscheinen bei plötzlichen Todesfällen, von Gutachten bei
Gericht etc. kommen — genügen solle, so müfste derselbe der Be-
völkerungsziffer nach so viel leisten, als 6 bis 7 Physici im Herzog-
tarne. Daher komme es, dafs man den Physikus mit allen diesen
Sachen gar nicht behelligen dürfe. Die Kommission habe sich deshalb
einstimmig der Ansicht angeschlossen, dafs es wünschenswert sei, den
vorliegenden Antrag dem Magistrate zur Berücksichtigung zu empfehlen.
212
Herr Reiche will darauf aufmerksam machen, dafe bei der
Erbammg und Einrichtung der neuen stadtischen Schulen sehr viele
der von Herrn Blasius angeführten Punkte schon in Betracht gezogen
seien, indem beispielsweise die Lichtverhältnisse, die einzelnen Sub-
sellien n. s. w. unter Zuziehung eines Arztes geprüft wurden. Daher
komme es denn auch, dafe die ans anderen Städten hierher kommen-
den Sachverständigen den hiesigen Einrichtungen immer das höchste
Lob zollen. Auch der Herr Referent habe früher öfter betont, dafs
die hiesigen Schulen den an sie zu stellenden Anforderungen voll
und ganz entsprechen. Wenn man aber Schulärzte einsetzen und
ihnen alle von Harn Blasius hervorgehobenen Funktionen übertragen
wolle, so wurden für die Stadt 10 — 12 solcher Ärzte erforderlich
sein, und das könne er unter den obwaltenden Verhältnissen nicht
för nötig halten.
Herr GOrthbb halt die Forderung von 10 — 12 Schulärzten für
zu hoch gegriffen, da man mit einer weit geringeren Zahl auszukommen
vermöchte. Er wolle aber den Magistrat bitten, die Sache nicht auf
die lange Bank zu schieben oder gar in den Papierkorb wandern zu
lassen, und behalte sich vor, gelegentlich an die Erledigung derselben
zu erinnern.
Herr Niess halt die Bedenken des Herrn Reiche für über-
flüssig, da die erledigten Sachen einer weiteren Begutachtung nicht
mehr bedürfen. Der Herr Referent habe nur den weitesten Umfang
deijenigen Thätigkeit kennzeichnen wollen, welche einem Schularzte
zufallen könnte. Er hoffe, dafe diese Sache schon ins Rollen
kommen werde, sobald sie nur erst einmal angegriffen sei, denn
namentlich die Thätigkeit der Schulärzte bei ansteckenden Krank-
heiten sei nicht zu unterschätzen. Wenn die Kinder rechtzeitig vor
Ansteckungen gewarnt oder von der Schule zurückbehalten würden,
könnte vielleicht manches junge Leben gerettet werden. Es seien
ihm selbst drei Kinder an der Diphtheritis zu Grunde gegangen,
welche sie aus der Schule mitgebracht hätten.
Herr Blasius möchte bemerken, dafe man in der Schulhygiene
auf etwa 2000 Kinder einen Schularzt rechne und demnach fftr die
städtischen Schulen vielleicht 6 Schulärzte erforderlich seien. Im
übrigen habe es ihm durchaus fern gelegen den städtischen Schul-
gebäuden irgend einen Makel anzuhängen, da er als Braunschweiger
stolz auf diese Einrichtungen sei und man sie auch jedem als Muster
hinstellen könne. Hier handle es sich um Neubauten, bei welchen
der Magistrat einen Sachverständigen zur Seite haben solle, an
welchen er sich wenden könne. Das Wichtigste bei der Einrichtung
sei aber die Kontrolle. Man höre so oft, dafs in dem einen Schul-
zimmer die Luft zu trocken, in dem anderen zu heife sei, dafe hier
213
das Lackt zu sehr blende und man dort nicht sehen könne. Für
solche Falle müsse ein Sachverständiger vorhanden sein, an welchen
sich der Schnldirektor wenden könne, und da erscheine am der
Schularzt als die richtige Person, nicht aber ein beliebiger Privatarzt.
Es sei dringend notwendig, dab die Schulen in dieser Weise hygie-
nischen Schatz erhielten. Der Staat zwinge durch Gesetz den Bürger,
seine Kinder in die Schule zu schicken, dafür habe er, bezw. die
Stadt auch die Pflicht, die Gesundheit der Kinder in der Schule zu
schlitzen und zu erhalten.
Herr Reiche bemerkt, dafe vom ärztlichen Vereine schon jetzt
die Bestimmungen entworfen seien, nach denen bei dem Ausbruche
ansteckender Krankheiten in der Schule oder deren N&he die Kinder
fortgeschickt oder von der Schule ferngehalten werden sollen. Diese Vor-
schriften wurden auf das Peinlichste gehandhabt, so dafs die Be-
hauptung, die Kinder hatten sich eine ansteckende Krankheit aus
der Schule mitgebracht, nicht so genau zu erweisen sein dürfte, zumal
da sonst in den Lehrerhäusern die Diphtheritis gar nicht auf-
hören könnte. Es gehe sogar so weit, dafs ein Lehrer von der
Schule fortbleiben müsse, sobald in seinem Hause oder in der Nahe
desselben derartige Krankheiten herrschen.
Der Antrag der Statutenkommission wird darauf angenommen.
Die jtagste Sitenng des tentralaussehugses zur Förderung
der Jugend- und Valksspiele in Deutschland.
Der Ausschuß zur Förderung der Jugend- und Volksspiele in
Deutschland hotte sich für die zwei am 21. und 22. Januar in Berlin
abgehaltenen Sitzungstage in drei Abteilungen gruppiert.
Zunächst wurde von dem Direktor des preufsischen statistischen
Amtes, Geheimem Oberregierungsrat Blenck in Berlin, über den
Stand der bezüglichen Bestrebungen im Jahre 1892
berichtet. Es lag dafür ein reiches, von den deutschen Städten
und den höheren Lehranstalten Deutschlands eingegangenes Material
vorT und es konnte ein sehr erfreulicher Aufschwung der ganzen Be-
wegung konstatiert werden.
Ein interessanter Vortrag des Vorsitzenden, Abgeordneten TON
SchbnckbndOäff, verbreitete sich Aber das Verhältnis dieser
Bewegung zum Turnen und zur Turnerschaft. Es wurden
dabei folgende Gesichtspunkte hervorgehoben. Schon Guts-Muts,
der verdiente Mitbegründer der deutschen Turnkunst, bezeichnete als
zur Herbeiführung einer harmonischen körperlichen Schulung erforderlich
die drei Richtungen Turnen, Spiel und Erziehung zu werkthätiger,
körperlicher Arbeit, die heute unter dem Namen Knabenhandarbeit all-
gemeiner bekannt ist. In der Pflege des Spiels ist indessen in den
214
letzten Decennien ein merklicher Rückgang in Deutschland ein-
getreten. Deshalb nahm der Centralansschufs diese Richtung der
körperlichen Schulung nach einer zehnjährigen Vorarbeit, und zwar
in der Grand anffaasung anf, dafe das Spiel eine Ergänzung des
Turnens bilde. Die Turner und die Förderer der Jugend- und
Volksspiele haben die gleichen edlen Ziele im Auge, nämlich die
Pflege von Gesundheit, Lebensfrische, Arbeitskraft und Freude am
Dasein, sowie die Stärkung der Volks- und Wehrkraft.
Es wurde auch Bericht erstattet Aber die für das Jahr
1893 geplanten Kurse zur Ausbildung von Lehrern und
Lehrerinnen in den Jugend- und Volksspielen. Hiernach
sollen solche Kurse in 17 deutschen Städten stattfinden. Das Nähere
über Zeit der Kurse und Namen der Kursleiter wird später ver-
öffentlicht werden. Im Jahre 1892 wurden in 12 an 7 Orten abgehal-
tenen Unterrichtskursen 312 Lehrer und 194 Lehrerinnen für das Spiel
ausgebildet.
Am zweiten Sitzungstage, an dem auch Vertreter des Unterrichts-
ministeriums und des Militärerziehungswesens erschienen waren, hielten
zwei Ärzte Referate über das Thema: Inwiefern nützen die
Jugend- und Volks spiele der Armee? unter Anschlufs an
die Frage, was das Heer mit Recht von der Schule verlangen
könne.
Es wurde dabei von Geheimrat Dr. Graf in Elberfeld nachstehendes
ausgeführt. Die wesentlichsten Mängel, welche in gesundheit-
licher Hinsicht, besonders auf den höheren Schulen, zur Erscheinung
gekommen sind, bestehen in allgemeiner Körperschwäche, nervösen
Herzfehlern und Kurzsichtigkeit; gegen sie alle haben die Jugend-
spiele eine vortreffliche Wirkung. Im weiteren wurde die Frage
aufgeworfen, ob nicht die direkte militärische Erziehung in der
Schule ein weit besseres Mittel zur Erreichung körperlicher Kräfti-
gung sei. Dieses Ideal sei bereits von Fichtb, Gneisenaü, E. M.
Arndt und in seiner ersten Periode auch von Guts-Muts em-
pfohlen, von dem letzteren aber später abgelehnt worden, wie auch
Jahn und andere sich verneinend aussprachen. Der Referent gab
seine Meinung dahin kund, dafs nur die allgemeine Kräftigung und
harmonische Entwickelung des ganzen Körpers, nicht aber ein be-
stimmter technisch-militärischer Unterricht die von der Schule zu
fordernde Vorbildung für den Militärdienst bilde.
Der Mitbericbterstatter, Dr. F. A. Schmidt in Bonn, äusserte
sich folgendermaßen: Die Mittel zur Erhöhung der Wehrtüchtigkeit
kommen in gleicher Weise der Arbeitskraft und Arbeitstüchtigkeit
des Volkes im Frieden zu gute, dies um so mehr, als sie keinen be-
sonderen militärischen Charakter haben sollen, sondern in den Rahmen
215
allgemeiner Leibesübungen fallen. Die dem Heeresdienst voran-
gehende Altersperiode der Reifeentwickelnng vom 14. bis zum 20.
Jahre ist körperlich vor allem dadurch charakterisiert, dafs das
Wachstum von Lungen und Herz gegenüber dem Wachstum der
anderen Organe und dem gesamten Längenwachstum weitaus in den
Vordergrund tritt. Die Übungen, welche für diese Lebenszeit ganz
besonderen Wert haben, sind daher diejenigen, welche die Entwickelung
der Atem- und der Blutkreislauforgane vorzugsweise fördern. Gesunde
alisdauernde Lungen und ungestörte Herzthätigkeit sind auch die erste
und notwendigste körperliche Grundlage für die volle Marsch- und Feld-
dienstfähigkeit Herz und Lungen werden aber vor allem geübt
durch diejenigen Bewegungsformen, welche reichliche rhythmische
Bewegung grober Muskelmassen, ohne einzelne Muskeln zu über-
müden, veranlassen; das sind Marschlauf, Bergsteigen, Schwimmen
und, besonders anregend und zuträglich in Form der Bewegungsspiele,
der Lauf. Die allgemeinste Verbreitung dieser Übungen ist daher
ftr die Dienstfahigkeit und Wehrtüchtigkeit der Jugend von aller-
größter Bedeutung. In erster Linie ist es die städtische Jugend,
die, in Werkstube, Fabriksaal und Schreibstube beschäftigt, der aus-
reichenden Bewegung im Freien entbehrend, hierzu herangeholt werden
muls. Die in Deutschland kürzlich eingeführte Sonntagsruhe bietet
die zu solchen Spielen und Leibesübungen nötige Zeit und Gele-
genheit.
Direktor Raydt aus Lauenburg a. £. berichtete über die
Bildung von Vereinen für Leibesübungen in freier
Luft Derselbe sprach sich dahin aus, dafs freilich bei der
FftBe von Vereinen der Gründung eines neuen leicht ein Vorurteil
entgegengebracht würde, dafe aber der Centralausschufs in manchen
Fallen doch dazu raten müfste, um die Leibesübungen in freier
Luft allmählich in Deutschland zur Volkssitte zu machen. Solche
Vereine hätten die Pflege der Jugend- und Volksspiele, außerdem
das Baden, Schwimmen, Rudern, Wandern, Radfahren, Schlittschuh-
laufen und ähnliche Übungen in die Hand zu nehmen. Die Bildung
und Beschaffenheit dieser Vereine wurde im einzelnen besprochen
und die Meinung des Centralausschusses dahin abgegeben, dafs die
Gründung derselben je nach den lokalen Verhältnissen wünschens-
wert sei.
Schulrat Platen aus Magdeburg referierte über „die Sonntags-
ruhe und die Volksspiele". Er führte aus, ein wie grofser
Segen aus dem neuen deutschen Gesetze, betreffend die Sonntags-
ruhe, in religiöser, geistiger und sittlicher Beziehung für das Volk
erwachsen werde, wie alle materiellen Schädigungen, welche teilweise
mit demselben verbunden seien, reichlich aufgewogen würden durch
216
die Fülle von idealen Gütern, die dasselbe ermögliche. Es wurde
anerkannt, dafo die Alteren Leute sicher einen guten Gebrauch von
der Sonntagsruhe machen würden durch Pflege des Umgangs in der
Familie, Erholung auf Spaziergängen, Lesen von guten Büchern,
Besuch des Gottesdienstes u. s. w. Redner bestritt aber nicht, dafo
der noch unreifen Jugend damit ein Geschenk gemacht wurde, dessen
Verwendung nicht überall die richtige sein werde, so daft nach
dieser Richtung eine noch nicht zu übersehende Gefahr vorbanden
sei. Da gelte es, Hilfe zu bringen. Diese könnten weder Polizei
noch Gesetzgebung leisten, es müfsten vielmehr die Erwachsenen
eintreten. Die Kirche mühe sich bereits im Dienste der heran-
wachsenden Jugend. Die Volksspiele seien aber weiter zu ver-
breiten, denn sie bildeten ein wirksames Gegenmittel gegen etwaige
Verirrungen der Jugend. Gelinge es, die jungen Leute auf die Spiel-
plätze zu bringen, so werde erzielt werden, was das Gesetz nicht
erreichen könne, Verhütung sittlicher Schäden, Hebung der Jugend
in körperlicher, geistiger und sittlicher Hinsicht.
Der Ausschuß erkannte die Richtigkeit des Gesagten im groben
und ganzen an, besprach die Wege, auf denen die Volksspiele ein-
zuführen seien, und beschloß, gerade diesem Teile seiner Thitigkeit
künftig besondere Pflege zuzuwenden.
Den letzten Vortrag bildete ein Referat des Professor Dr. Koch
aus Braunschweig über die Einrichtung von Wettspiel-
kämpfen, welches in folgenden Sätzen gipfelte: 1. Die Wettspiele
sind besonders geeignet, das Interesse der Spielenden selbst und der
Zuschauer zu steigern. 2. Es ist wünschenswert, daß bei den
Turnfesten regelmässig Wettspiele in mustergültiger Weise vorgeführt
werden. 3. Auch bei Volksfesten sollen geeignete Wettspiele ihren
stehenden Platz haben. 4. Besonders zweckmäßig ist es, bei
Schulfesten Wettspiele zu veranstalten. 5. Der Centralauggchttfs möge
an möglichst vielen Orten Anregung zur Veranstaltung von Wett-
spielen geben.
In den Schlußworten betonte der Vorsitzende: die zahlreichen
Anregungen, welche diesmal in den Versammlungen gegeben wären,
würden sicher zur weiteren, gedeihlichen Entwickelung der Be-
strebungen für die Förderung der Jugend- und Volksspiele dienen;
mehr und mehr gehe der Centralausschuss von der blofs theore-
tischen Propaganda zur praktischen Arbeit über.
217
kleinere Mitttüun$tn .
Zur Entwicklung der Schalbankfrage in Prag liefert
Bezirksarzt Dr. Em. Lokat einen interessanten Beitrag in dem VII.
und YiU. Jahresbericht des dortigen Stadtphysikates. Danach finden
sich in den Prager Schalen drei Arten Sabsellien: 1. alte fünfsitzige
vollständig festen Systems mit grofser positiver Distanz, 2. fünfsitzige
nach Kunze-Schildbach mit verschiebbarem Schreibpnlt and einer
positiven Distanz bis zu 2 cm bei aufgezogenem Pult; dieselben
besitzen eine senkrechte Rückenlehne, gebildet durch die hintere
Bank, 3. zweisitzige Bänke mit überlegbarem Schreibpult, senkrechter
Rackenlehne and einer positiven Distanz von 0 bis 3 cm. Der Zahl
nach sind die unter 1 genannten Bänke die häufigsten, dann folgen
die unter 2 und zuletzt die unter 3 angeführten. In allen diesen
Sabsellien safeen die Kinder beim Unterrichte mit senkrecht gehaltenem
Rumpfe, durch die Lehne nur unterhalb der Lenden gestützt, and
neigten beim Schreiben wegen der grofsen Entfernung des Schreib-
pultes vom Körper den Rumpf vor. Dem Stadtphysikus Dr. Zähor
lag nun vor allem daran, in den Prager Schulen Versuche mit den
zum Sitzen in der Reklinationslage eingerichteten oder mit Neigung
nach rückwärts versehenen Sabsellien anzustellen, d. i. solchen Bänken,
welche hohe, bis zu den Schulterblättern reichende und nach rück-
wärts geneigte Lehnen besitzen, ausserdem aber eine grofse Minus-
distanz zum Schreiben haben. Wurde doch diese Art des Sitzens
nach den neusten Forschungen von Professor Dr. Lorenz in Wien l
und Dr. Schenk in Bern2 als die einzig richtige anerkannt, da
sie ein natürliches Sitzen für längere Zeit ermöglicht und so die
Entstehung von Skoliose und Myopie am besten verhindert. Ferner sollte
ein für allemal das beliebige Sitzanweisen in den Schulbänken, ohne
dafe vorher die Körperlänge der Kinder gemessen worden war, auf-
hören, d. h. es sollten Bänke nach bestimmten Gröfsenmustern ein-
geführt werden und die Schüler hier je nach der Körperlänge Platz
finden. Schliefslich wurde verlangt, dafs anstatt der fünfsitzige n
Sabsellien zwei- oder dreisitzige zur Einführung kämen. Die schwie-
rigste Aufgabe bei der Durchführung dieser Verbesserungen war,
1 8. diese Zeitschrift, 1888, No. 3, S. 102 ; 1889, No. 10, S. 546 bis
547. D. Red.
1 8. diese Zeitschrift, 1888, No. 9, S. 314; 1889, No. 5, S. 230. D. Red.
Sehulgeraiidheitipfleff« VI. |5
218
dafs die Subsellien, welche zum Sitzen in der Reklination eingerichtet
werden sollten, derart konstruiert werden muteten, dafs ihre Dimension,
Form und ganze Modificierung dem Sitzen in der genannten Lage
genau entsprach. Diese Dimensionen mufsten erst durch Messungen
der Kinder und praktische Versuche ermittelt werden. Es wurde
daher die Körperlange von 3330 Schulkindern, Knaben und Mädchen,
zugleich aber auch vermittelst einer besonders konstruierten beweg-
lichen Bank die Mafce bestimmt, welche den einzelnen Teilen des
kindlichen Körpers entsprechen. Auf diese Weise ergab sich neben-
stehende Tabelle, in der sämtliche Dimensionen sich auf Centimeter
beziehen. Zur Begründung dieser Zahlen sei noch bemerkt: 1. Das
Schreibpult muls eine erhebliche Neigung haben, und zwar mindestens
17 °; bei noch gröfserer Neigung desselben erzielt man auch eine
bessere Körperhaltung in der Reklination. Ohne besondere Aufforde-
rung dazu schrieben alle Kinder in der Reklination dann, wenn
das Schreibpult eine Neigung von 30° erhielt. Eine so starke Nei-
gung ist, soweit bekannt, bisher blofe an der Schulbank von Dr.
Schenk und Ingenieur Stauffbr durchgeführt. 2. Die Lehne muls
zwar anch geneigt, allein der Neigungswinkel auf jeden Fall geringer
sein, als der Neigunsgswinkel des Pultes, denn erst jener Winkel,
welcher die Differenz zwischen dem Neigungswinkel der Lehne and
der Neigung des Schreibpultes bildet, ist der eigentliche Neigungs-
winkel des Schreibpultes zum Körper des Kindes. 3. Der Sitz, der
keiner besonderen Aushöhlung bedarf, sei nach rückwärts geneigt,
ähnlich wie das Scbreibpult, aber nicht in einem so groben Winkel.
Die Neigung des Sitzes hat den Zweck, zn verhüten, da£s der
Körper des Schülers an der geneigten Fläche der Lehne beim
gleichzeitigen Rutschen desselben auf dem Sitze nach vorne gleite.
4. Die Lehne soll von den Hüften bis zu den Schultern reichen
und kann aus einem flachen Brette bestehen. 5. Die Differenz muls
derart sein, dafe das Kind leicht den Ellenbogen auf das Schreibpult
legen kann, ohne sich vorbeugen zu müssen. 6. Die Distanz muls
dem Schüler die Möglichkeit gewähren, beim Stehen in der Bank
genügend Raum zu finden, andererseits aber beim Sitzen in derselben
das Pult zum Schreiben so nahe am Körper zu haben, dafe er auf
dasselbe leicht die Arme legen kann. Überhaupt soll die vertikale
Linie, die vom inneren Rande des Schreibpultes zum Sitze fuhrt,
den letzteren in einem Punkte durchschneiden, welcher der Vereini-
gung der beiden Sitzknorren möglichst nahe liegt, ohne dafs aber
hierbei der Körper des Schülers durch die vordere Kante des
Schreibpultes beengt wäre. Jedenfalls darf die negative Distanz
niemals weniger als 10 cm betragen. 7. Damit der Körper frei
und gegen das Schreibpult nicht angedrückt sei, mufs hinter dem
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Sitze, zwischen diesem und der Lehne ein kleiner Raum für die
Sitzmuskeln und die Kleider geschaffen werden. Weil die Lehne
erst bei den Lendenwirbeln beginnt, ist anfserdem auch ein senk-
rechter freier Raum von der Lehne bis zum Sitze vorhanden.
8. Keine zum Sitzen in der Reklination konstruierte Bank kann eines
Fufsgestells entbehren. Weil der Sitz nach rückwärts geneigt ist,
würden die Füfse des Kindes beim Ausruhen auf der Erde in einem
scharfen Winkel gebogen sein, was ein Hindernis für den Blut-
kreislauf nicht blofs in den Füfsen, sondern auch im Unterschenkel
wäre, da das Sitzbrett scharf in die Kniebeuge einschneiden würde.
Es ist daher notwendig, den Fufe behufs Bildung eines rechten
Winkels im Fufsgelenk beim Sitzen etwas nach vorn und in die
Höhe zu richten, was am besten durch ein gehörig konstruiertes
und hinreichend breites Fufsbrett geschieht. Es blieb sodann noch
die Lösung der Frage übrig, wie diese Tabellen praktisch zu ver-
werten, d. h. welche Schulbanknummern und wieviele von denselben
für die einzelnen Klassen erforderlich seien, wofür natürlich die
Körpermessungen der Schüler den Ausschlag gaben. Dabei stellte
sich heraus, dafs in der ersten Klasse der Volksschule die meisten
Kinder für Nummer HI geeignet waren, ferner daß die Höhengrenzen
hinab bis zu Nummer I und hinauf bis zu Nummer V reichten. Für die
zweite Klasse wurde No. IV am meisten gebraucht, die äufsersten
Nummern waren hier II und VI, und entsprechend stiegen die
Nummern auch in den höheren Klassen, indem nötig waren für die
dritte Klasse IH, V, VII, für die vierte Klasse IV, VI, VHI, für
die fünfte V, VH, VIH, für die sechste der Bürgerschule VI, VHI,
IX, für die siebente VH, VHI, X und für die achte VHI, IX, XL
Wenn für alle Klassen zwei- und dreisitzige Bänke beschafft werden,
die man der Raumersparnis wegen auch aneinander stellen kann,
so lassen sich so zahlreiche Kombinationen herstellen, dafs jedes
Kind ein seinem Wüchse angemessenes Subsellium erhält. Allerdings
ist dann erforderlich, für jede Bank eine besondere Lehne zu kon-
struieren, da die durch die hintere Bank gebildete Lehne bei
hintereinandergestellten Nummern verschiedener Gröfse oft unzweck-
m&fsig wäre.
Die Entstehung der Schulkurzsichtigkeit wird von Regiments-
arzt Dr. K. Hoor, Docenten an der Universität Budapest, im
„Militärarzt" erörtert. Verfasser glaubt, dafs in betreff der in
Rede stehenden Frage zu wenig Gewicht auf die Vererbung
gelegt und den schädlichen Einflüssen der Schule eine zu grofse
Bedeutung beigemessen werde. Er hat in den vergangenen zwei
Jahren 123 myopische Wehrpflichtige, bezw. Rekruten untersucht,
von denen er 87 für seine tabellarische Zusammenstellung verwendete.
221
Unter diesen 87 Myopen war bei 49 ein schädlicher Einfluß der
Nahearbeit oder des Stadiums unbedingt auszuschließen ; dagegen
konnte Vererbung in 37 Fällen ziemlich sicher nachgewiesen werden.
Die schwersten Komplikationen wurden gerade bei solchen festgestellt,
deren Myopie als Schul- oder Arbeitsmyopie nicht aufgefafst werden
konnte. Aus dem Umstände, dafe mehr als die Hälfte der Myopen
nicht Schul- oder Arbeitsmyopen waren und dafe andererseits bei
mehr als einem Drittel derselben Vererbung nachzuweisen war, schliefst
Hoor, dafe diese Fälle auf Vererbung zu beziehen seien und dafs
für die geringere Zahl von Kurzsichtigen, welche Schulen besuchten,
der Beweis durchaus nicht erbracht sei, dais sie es infolge ihrer
Studien geworden sind. Bei 14 Kurzsichtigen seiner Privatambulanz
war er ebenfalls im stände, in 11 Fällen Erblichkeit nachzuweisen,
wahrend Nahearbeit als Ursache der Myopie in 6 Fällen aus*
geschlossen werden konnte. Unter 1157 Schulkindern, die er unter-
sachte, fanden sich 29 Kurzsichtige, zumeist mit Myopie zwischen
0,5 und 1,5 Dioptrien; darunter waren aber auch Myopen von 3,
6, 8, 10 und 12 Dioptrien. Die höchsten Grade hatten nur halbe
Sehschärfe und schwere Komplikationen. Diese Kinder standen aber
im Alter von 7 — 10 Jahren und besuchten erst 2 oder 3 Jahre die
Schule. Auch in diesen Fällen mufste daher an Vererbung gedacht
werden. Der Verfasser bezeichnet derartige Fälle als diejenigen,
welche den Durchschnittsgrad der Myopie in den oberen Klassen so
hoch gestalten, da anzunehmen ist, data diese Myopien sich zu den
höchsten Graden entwickeln und nach fortgesetztem Studium im
18. — 19. Lebensjahre bei der Assentierung als Fälle hingestellt
werden, die durch das Studium so hochgradig geworden sind. Gewifs
hätten dieselben aber auch, wenn ihre Augen durch Nahearbeit gar
nicht in Anspruch genommen worden wären, einen derartigen Grad
von Kurzsichtigkeit erreicht. Auch bei mehreren Individuen, deren
eines Auge durch Schielstellung vom Sehakte vollkommen ausgeschlossen
war, konnte Hoor einen raschen Fortschritt der vorhandenen Myopie
dieses Auges feststellen. Nach seiner Ansicht erreicht ein Auge mit
ererbter Anlage zu hochgradiger Kurzsichtigkeit den höchsten Grad,
selbst wenn es zu Nahearbeit nicht herangezogen wird. Ist die
ererbte Disposition nur für mittlere Grade der Myopie vorhanden,
so wird das Auge in mittlerem Grade kurzsichtig, gleichgültig, ob
es zur Nahearbeit herangezogen wird oder nicht. In solchen Fällen
kam aber dauernde Nahearbeit, namentlich unter den bekannten
SfAnlsrhädlkhkeiten, das Auge rascher an die Grenzen dieser Kurz«
suutigkeit bringen. In Beziehung auf das Letzterwähnte hält HoOE
die Maferegetn, welche auf Verhinderung der Arbeits- od Schul-
konsktatigkeit hinzielea, ftr durchaus gerechtfertigt.
222
Gesundheitsschädliche BescUftigugsmittel in Kinder-
girtei. In der „Wochschr. f. emhäü. Jugderehg. u. VolksbOdgS
richtet eine Kindergärtnerin folgende beherzigenswerte Mahnung an
ihre Kolleginnen: So sehr ich die edlen Gedanken Feöbblö be-
wundere und schätze, so erlaube ich mir doch im Interesse der uns
anvertrauten Kleinen, ein Wort gegen eine in das FnöBELsche System
eingereihte Beschäftigung zu richten. Es ist das Ausstechen. Meines
Wissens hat man sich noch nie öffentlich dagegen ausgesprochen, und
doch mms jede aufmerksame Kindergärtnerin eingestehen, dafs das
Ausstechen nicht nur die Augen sehr anstrengt, sondern auch die
Nerven in hohem Mafse erregt. Fröbkl weist auf die Genauigkeit,
Sorgfalt und Sauberkeit hin, an die sich das Kind gewöhnen soll
beim Ausstechen. Weiter sagt er, die Phantasie und Ausdauer
werden dadurch genährt und geübt, die Willenskraft und die Sinne
fürs Praktische gestärkt und die Freude an Geschaffenem gepflegt.
Das lälst sich ja alles nicht bestreiten, und doch ist der Schaden,
der durch das Ausstechen vielfach entsteht, weit bedeutender als
jene Vorzüge, die wir mit andern geeigneten Beschäftigungen auch
erreichen können. Erstens ist es das durch diese Thätigkeit ver-
anlagte krumme Sitzen, das die Kinder ermüdet. Zweitens wird
durch das fortwährende Richten des Auges auf die feinen Linien,
denen nachgestochen werden mufs, dasselbe geschwächt; dies kann
ein unheilbares Übel zur Folge haben. Dann sind die spitzen Nadeln
gar gefährliche Werkzeuge, denn wie schnell hat eines sich selbst
oder den Nachbarn verletzt, da es für die* Kindergärtnerinnen
unmöglich ist, jedes Kind immer im Auge zu behalten. Der Zweck
des Ausstechens wird beim Zeichnen ebenso gut erreicht; ist doch
ersteres nichts als ein Zeichnen mit Punkten. Man kann das Aus-
stechen daher fuglich weglassen, ohne Besorgnis, irgend eine im
Kinde schlummernde Fähigkeit vernachlässigt zu haben. Schonen
wir unsere Kleinen, und helfen wir ihnen, ihr köstlichstes Gut, die
Augen, fürs spätere Leben gesund und kräftig zu erhalten!
Zar Heilung des Stotterns bei Schulkindern macht Dr.
E. Winokleb Bemerkungen in der „Wien. med. Wochschr." Unter
14 Stotterern, die durch eine sonst gute Behandlung eines Sprach-
lehrers nicht gebessert werden konnten, fand Verfasser 8 mit voll-
ständiger Verstopfung der Nase durch hochgradige adenoide Vege-
tationen, 1 mit Verlegung der Nase durch seitliche Verbiegung der
Nasenscheidewand und mit sehr behinderter Nasenatmung, 2 mit
polypenartigen Schwellungen der unteren und mittleren Nasenmuscheln,
3 mit Wucherung der Mandeln. Eine genaue Inspektion hätte nach
der Ansicht Winoklers, die derselbe durch Mitteilung von 6 ander-
weitigen Krankengeschichten erhärtet, die Kinder vor den fruchtlosen
223
Übungen bewahren können. Jeder Stotternde ist demnach vor Beginn
des Unterrichts einer gründlichen Untersuchung der Brost- und Hals-
organe, sowie der Nase zu unterwerfen. Finden sich Veränderungen,
welche die nasale Atmung behindern, so müssen diese vor jeder
weiteren Behandlung beseitigt werden. Ebenso sind vergrößerte Gaumen-
mandeln, Rachen- und Kehlkopfkatarrhe zunächst zu berücksichtigen.
Schwächliche Kinder bedürfen einer Kräftigung des Organismus, alle
Stotternden überhaupt eines geregelten und guten Allgemeinbefindens.
Die specielle Behandlung ist eine symptomatische: bei Atmungs-
st&rung ausgiebige Atem- und Stimmgymnastik, erst dann, d. h nach
ungefähr 4 — 6 Wochen, dürfen die gegen die Sprachparoxysmen ge-
richteten Sprach- und Leseübungen beginnen. Die Wahl der Methode
richtet sich nach den jedesmal hervortretenden Symptomen.
Über die Verbreitung ansteckender Krankheiten durch
Milchgenufs und die dagegen zu ergreifenden sanitätspolizeilichen
Madsregeln teilt die »Ztschr. /*. Nahrgsmittuntschg. u. Hyg.u
einen Bericht des Dr. Petersen in Kiel mit. Derselbe kommt
unter Berücksichtigung der einschlägigen Litteratur zu dem Ergeb-
nisse, dafe die Milch sowohl im tuberkulösen Euter, als auch von
anfeen durch Berührung mit kranken Personen, infektiösen Gegen-
ständen und Stoffen, ferner durch Luft und Wasser Keime ansteckender
Krankheiten in sich aufnehmen kann. Die Keime finden in derselben
einen geeigneten Nährboden, auf dem sie sich leicht weiter entwickeln.
Durch Aufkochen der Milch werden sie zum Teile, durch Sterilisieren
aDe getötet. Tuberkulose, Cholera, Typhus, Maul- und Klauen-
seuche werden sicher, Milzbrand und Scharlach wahrscheinlich durch
Milchgenufs verbreitet Dagegen ist die Weiterverbreitung nicht
unzweifelhaft erwiesen bei der Diphtherie, der Lungenentzündung
und den Masern, sowie bei den übrigen Infektionskrankheiten und
Zoonosen. Aufgabe der Sanitätspolizei ist es, das Publikum gegen
die Gefahr zu schützen, einmal durch öffentliche Belehrung, die
Milch nur gekocht zu geniefeen, dann aber besonders durch streng
durchgeführte Milchkontrolle, die nicht nur auf dem Markte aus-
geübt werden, sondern schon an der Produktionsstelle ihren Anfang
nehmen mufs. In den sogenannten „Milchstationen" für Schulkinder
sollte demnach nur gekochte Milch verabreicht werden.
Gefahren für Kinder, welche Gegenstände ans Cellnloid
tragen« Plötzliche Entzündung eines Haarkammes aus Cellnloid-
Substanz entstand, wie „Le motwern. hyg.u berichtet, bei einem
Mädchen, welches etwa eine Stunde lang nahe bei einem Ofen,
der zum Glühendmachen von Bügeleisen brannte, seine Schul-
aufgaben machte. Das Kind befand sich etwa 50 bis 60 Genti-
meter von dem Ofen entfernt. Erfahrungsgemäfs bilden sich um
224
solche stark geheizten Öfen hemm manchmal überhitzte Luftschichten,
selbst auf gröfeere Entfernung. Der Verfasser der betreffenden
Mitteilung, L. Faucher, nimmt daher die Gelegenheit wahr, bei
der leichten Brennbarkeit des Celluloids auf die dadurch entstehenden
Gefahren aufmerksam zu machen und zur Vorsicht bei dem Gebrauch
dieser Masse zu mahnen. Diese Vorsicht sollten auch Knaben be-
obachten, welche Halskragen oder Handmanschetten aus Celluloid
tragen.
Saje<)efd)t4tliil)e0*
Pädagogischer Weltkongrefs in Chicago« In Verbindung
mit der diesjährigen Weltausstellung in Chicago wird eine Reihe
internationaler Kongresse, darunter auch ein solcher für Erziehung,
abgehalten werden. Derselbe findet in der Woche vom 24. bis
30. Juli statt, und zwar sind für die allgemeinen Sitzungen die
Abende des 25. und 28« Juli, für die Sektionssitzungen die Vor-
und Nachmittage des 26., 27. und 28. Juli in Aussicht genommen.
Unter den Sektionen befindet sich auch eine solche für körperliche
Erziehung, für Experimentalpsychologie, für Handfertigkeitsunterricht
und für Kindergärten. Die betreffenden Vorsitzenden sind: Direktor
Edward M. Hartwell in Boston, Rektor der Clark Universität
6. Stanley Hall in Worcester, Professor am technologischen
Institute John D. Runklb in Boston und Frau J. L. Hughbs in
Toronto. Aus der grofsen Zahl der zur Besprechung gelangenden
Themata heben wir nur folgende hervor: Welche Reformen sind
beim Bau und der Einrichtung neuer Schulgeb&ude anzustreben,
welche hygienischen Rücksichten dabei zu nehmen? Das beste System
der Gymnastik. Die Stellung und Hauptaufgabe des gymnastischen
Unterrichts in Schulen und Colleges. Welche hygienisch-statistischen
Untersuchungen sollen jahrlich an Schülern angestellt werden? Ist
eine ärztliche Inspektion der Schulen wünschenswert? Sollen diejenigen,
welche die physische Erziehung überwachen, Doktoren der Medizin
sein? Die Notwendigkeit, bei der körperlichen Ausbildung und
Gesundheitspflege die vitalen Organe ebenso gut wie die Muskeln
im Auge zu behalten. Wenn die Muskeln sich durch die Übung
des Willens entwickeln, in welcher Weise werden die vitalen Organe
mit ihrer unwillkürlichen Thätigkeit am besten ausgebildet? Soll
der Elementarunterricht mit dem Kindergarten beginnen? Ist die
FnöBELsche Methode . auch nach dem Besuche des Kindergartens
225
noch beizubehalten ? Wie können Kindergarten und Elementarschale
organisch miteinander verbünden werden? Worin besteht der
erziehliche Wert des Handfertigkeitsunterrichts? Welches ist der
beste Lehrgang fflr eine Handfertigkeitsschule? Vergleich zwischen
dem französischen, deutschen, schwedischen und amerikanischen
Handfertigkeitssystem und den damit erzielten Erfolgen. In welchem
Alter sollen Kinder mit dem Handfertigkeitsunterricht beginnen?
Nähere Auskunft über alle den „Pädagogischen Weltkongreß
betreffenden Fragen erteilt W. T. Harris, Commissioner of
edncadon of the United States, Washington, District of Columbia,
L . S. A.
Eine Epidemie von hysterischen Krämpfen in einer sohle-
stechen Dorfschule. Unter dieser Überschrift macht Professor Dr.
L. Hirt in der „Berl. Klin. Wochsehr." Mitteilung über eine eigen-
tümliche Massenerkrankung, welche sich in der Schule zu Grob-Tinz
bei Liegnitz gegen Mitte des vorigen Jahres zugetragen hat. Der erste
Fall ereignete sich am 28. Juni, an welchem Tage ein zehnjähriges
Madchen ohne jede nachweisbare Veranlassung zunächst mit der
rechten Hand, dann allmählich mit der gesamten Körpermuskulatur
zu zittern anfing, ein Zustand, der etwa eine halbe Stunde anhielt
und ohne alle Folgen vorüberging. Am nächsten Tage trat das
Zittern schon bei mehreren Mädchen auf, ganz in analoger Weise, indem
es gleichfalls 7* — 1 Stunde währte. Dabei waren es nicht die
Nachbarinnen, welche erkrankten, sondern Kinder, die mehrere
Bänke voneinander getrennt saCsen. Die Zitterattacken kehrten
nun regelmäßig täglich wieder und dauerten immer länger, so dafe
der Schulunterricht, da die befallenen Mädchen nicht schreiben
konnten, zu leiden begann. In viel höherem Maise aber ward dies
der Fall, als eines Tages zu Anfang Juli eins der zitternden
Midchen von Krämpfen befallen wurde und unter die Bank stürzte.
Obwohl der Lehrer dieses Kind, welches während der Krämpfe das
Bewußtsein nicht verlor, sofort aus der Klasse entfernte, so traten
doch bald mehrere neue Krampfanfälle bei bis dahin gesunden
Mädchen auf, und am 19. Juli betrug die Zahl der Erkrankten
bereits 20. In der Zeit etwa vom 14. — 20. Juli gestaltete sich
der Unterricht für Lehrer und Schulkinder gleichmäfsig aufregend
«ad gewährte dem medizinischen Beschauer ein sehr merkwürdiges
Bild. Fast auf jeder Bank traten Krampfanfälle auf, die Konvul-
sionen ergriffen die ganze Körpermuskulatur, die Mädchen stürzten
unter die Bänke und muteten von den in der Klasse befindlichen
Knaben hinaustransportiert werden, wo dann die Anfälle nach ver-
schieden langer, zwischen 1A und 1 Stunde schwankender Dauer
allmählich verschwanden. Dabei ist noch besonders hervorzuheben,
226
dafe auf dem Höhenpunkt der Epidemie von den 20 erkrankten
Mädchen 8 während der Krämpfe das Bewußtsein verloren und nach
dem Erwachen von dem Geschehenen absolut nichts mehr wufsten.
Der Eintritt der Sommerferien am 27. Juli machte der Sache,
nachdem 38 Mädchen bereits am 20. vom Unterrichte befreit
worden waren, ein vorläufiges Ende. Die 32 Knaben, welche in
derselben Klasse unterrichtet wurden, hatten vom 20. — 27. Juli
noch Schule. Die Ferien dauerten bis zum 19. August. Der
Wiederbeginn der Schulstunden führte alle Kinder von neuem zu-
sammen. Man nahm den Unterricht wieder auf, und von Zittern
war keine Rede mehr. Dagegen klagten mehrere Kinder Ober
heftige Kopfschmerzen, welche so stark waren, dafs man die
Mädchen — es waren wiederum nur weibliche Kranke — nach
Hause schicken mufste. Während der Dauer der Herbstferien
jedoch schwanden auch die Kopfschmerzen ohne besondere ärztliche
Hilfe, und bei Wiederbeginn des Unterrichts am 20. Oktober war
„die alte Spannkraft und Frische und die Fröhlichkeit am Lernen
bei sämtlichen Kindern in voDem Umfange wiedergekehrt". Zwei
Mädchen boten insofern eine Komplikation, als sie zwar auch an
hysterischen Krämpfen gelitten hatten, sich aber schon auf dem
Wege der Besserung befanden, als ein neues krankmachendes
Moment auf sie einwirkte, nämlich der Schreck. Eine von ihnen
wurde in der Nacht jäh aus dem Schlafe durch eine Feuersbrunst
geweckt, die andere von einem wütenden Hunde angefallen. Als
Professor Hibt das erstere zwölfjährige Mädchen Ende September
sah, liefs es nichts anderes Abnormes erkennen, als eine hochgradige
Schwäche beider Beine. Es vermochte, wenn man es aufrichtete,
nicht zu stehen, sondern knickte mit den Beinen zusammen; ebenso
war es absolut unmöglich, dasselbe zu einem Schritte zu bringen;
weinend erklärte das Kind, es könne nicht laufen, und man mutete
es thaisächlich ununterbrochen tragen. Dabei war die Empfindung
am ganzen Körper völlig normal. Wenige Minuten nach Beendigung
der Untersuchung durchlief ein konvulsivisches Zittern den ganzen
Körper der Patientin, die Muskeln wurden brettartig hart, die
Atmung war beschleunigt und unregelmäßig , und es entwickelten
sich, indem Schaum vor den Mund trat, klonische und tonische
Krämpfe bei völligem Verluste des Bewußtseins. Bald wurde das
Kind auf dem Sofa auf- und niedergeschleudert, der Körper
krümmte sich bogenförmig, und deutlich traten nunmehr Hailucina-
tionen ängstlichen und schmerzlichen Inhalts auf, wobei das Mädchen
sich unter der Steppdecke verbarg und Zeichen hochgradiger Furcht
erkennen liefs. Endlich folgten allgemeine Delirien ; sie sah schwarze
Männer, gegen welche sie eindringlich um Schutz bat. Alles dieses
227
dauerte zusammen etwa 7a Stunde, dann brach allgemeiner Schweift
ans. Wie zu Anfang des Anfalles, so trat auch jetzt noch einmal
das Zittern auf, darauf wurde das Kind ruhiger und schlief endlich
ein. Diese Krämpfe kehrten nach Aussage der Mutter täglich drei-
mal zu bestimmter Stunde wieder. In der Zwischenzeit war das
Madchen durchaus munter und vergnügt. Einen ähnlichen Charakter
zeigten auch die Anfälle bei der zweiterwähnten, gleichfalls zwölf-
jährigen Patientin. Der einzige Unterschied war, dafs dieselbe sich
in der Hallucinationsperiode besonders vor Hunden fürchtete und
während der Anfälle wiederholt 2 — 3 Minuten lang wie ein Hund
bellte und winselte. Das Bellen erfolgte so heftig, daft man es bis
auf die Strafte hinab hörte. Aufterdem wiederholten sich die
Krämpfe nur einmal täglich, und zwar immer gegen Abend. Professor
HIBT sieht in der geschilderten Schulepidemie hysterische Erkran-
kungen, wenn auch gerade das Zittern ohne weitere Begleiterschei-
nungen nicht zu den häufigen Vorkommnissen bei Hysterie gehört.
Dagegen sind Konvulsionen und selbst Bewufttlosigkeit bei derselben
keine Seltenheit. Die beiden zuletzt beschriebenen komplizierten
Fälle sind als Schreckneurosen aufzufassen. Daft von den 38 Schul-
mädchen nur 20 erkrankten, während die übrigen 18 verschont
blieben, beruht auf individueller Prädisposition. Da von den 32
Knaben auch nicht ein einziger befallen wurde, obgleich sonst Hysterie
bei Knaben ziemlich häufig ist, so scheint, wenigstens unter gewissen
Verhältnissen, die Neigung des weiblichen Geschlechts zu Hysterie
erheblich gröfter als die des männlichen zu sein. Was die Art,
wie die Weiterverbreitung der Krankheit unter den Kindern er-
folgte, betrifft, so spielte das Ansehen des Vorganges dabei jeden-
falls eine Hauptrolle. In den Zuschauenden entstand ein Trieb zur
Nachahmung und, diesem Folge gebend, machten sie das Gesehene
nach. Es handelte sich also um Autosuggestion. Ähnlich verhält
es sich mit der Imitation des Veitstanzes. Jeder Arzt und man
kann sagen jeder Lehrer weift, dafs, wenn sich in einer Klasse ein
FaD von Veitstanz befindet, diesem gewöhnlich mehrere zu folgen
pflegen. Man dringt daher mit Recht auf die Entfernung des er-
krankten Kindes aus der Schule, um zu verhüten, daft die Nach-
ahmung ihre schädlichen Folgen entwickele. Daft die Schullokali-
täten in der Ätiologie keine Rolle spielten, geht schon daraus hervor,
daft auch kleine Kinder, welche die Schule noch gar nicht besuchten,
erkrankten, lediglich, weil sie dem Ausbruche der Krämpfe bei
anderen beigewohnt hatten; auch kamen Anfälle während der
grofeen Schulferien vor. Aufterdem war das betreffende Schulzimmer
sehr geräumig und gut ventiliert, hatte auch seinem Zwecke schon
Jahrzehnte gedient, ohne daft jemals eine ähnliche Erkrankung vor-
228
gekommen war. Den Grund für die erste Erkrankung dürfte die
im Juni v. J. herrschende grofee Hitze, die am 24. Juni zu
enormer Höhe stieg, mitgelegt haben. Den erkrankten Kindern
war von dem behandelnden Arzte Brom, und zwar in ziemlich
grofsen Gaben verabreicht worden. Das Zittern wurde dadurch
nicht wesentlich geändert, dagegen erwies es sich gegen die Krampf-
anfalle mit and ohne Bewufstsein insofern erfolgreich, als dieselben
sowohl bezüglich der Daner als auch der Häufigkeit ihres Auftretens
günstig beeinflufst wurden. Die Wirkung steigerte sich, als mit der
Verabfolgung des Broms eine Art psychischer Therapie verbanden
wurde, welche darin bestand, dafs man den Kindern eindringlich
versicherte, nach dem Gebrauche der Pulver könne ein Unwohlsein
nicht mehr eintreten; Professor Hirt sieht diese psychische Therapie
geradezu als die Hauptsache an. Bei den beiden komplizierten Fällen
erwies sich die Suggestion mit einem mäfeigen Grade hypnotischer
Beeinflussung wieder einmal von ausgezeichneter Wirkung. Professor
Hirt wartete die Beendigung eines Anfalles ab, liefe das aufgeregte
Kind sich völlig beruhigen und beeinflulste es dann durch Verbal-
suggestion unter Zuhilfenahme streichender Bewegungen in der Weise,
dafs es in den 3 Minuten regungslos mit geschlossenen Augen
dalag und die Zeichen jenes Schlafes darbot, den man als „Charme"
bezeichnet. In diesem Zustande wurde den zwei Mädchen, einer
nach der anderen, in verschiedenen Zimmern wiederholt suggeriert,
dafs sie nunmehr ohne Schwierigkeit laufen könnten. Nach 10
Minuten wurden die Kinder geweckt und — es war keine Spar
von Bewegungsstörung zu erkennen. Die Mädchen sprangen vor
Freude ausgelassen umher und machten mit ihren Angehörigen
zunächst einen Spaziergang auf den Straften. Als sie zurückgekehrt
waren, wurde die zweite Beeinflussung, betreffend das Wiederauf-
treten der Krämpfe, vorgenommen. Gleichfalls im „Charme" er-
hielten sie die eindringliche Versicherung , dafe die Krämpfe jetzt
nicht mehr wiederkommen könnten. Das Resultat war sehr gunstig.
Das erste Kind, welches die Anfälle dreimal täglich gehabt hatte,
blieb nach der Suggestion völlig davon frei, und in dem Wohl-
befinden ist keine Änderung eingetreten. Bei dem zweiten Kinde
sind die Anfalle noch zweimal andeutungsweise, d. h. viel kurzer
und viel weniger intensiv aufgetreten; seitdem ist es gleichfalls
ganz gesund. Verfasser zieht zuletzt noch die in Biberach beob-
achtete Schulepidemie1 zum Vergleiche heran und schliefst mit den
Worten: „Immerhin sind die hierher gehörigen Beobachtungen von
grofcer Wichtigkeit, weil sie nicht blofe das Interesse des Nerven-
1 8. diese Zeitschrift, 1892, No. 12, S. 566—557. D. Bed.
229
arztes, sondern auch des Hygienikers auf sich za ziehen vermögen.
Denn wenn auch gerade in dem geschilderten Falle den hygienischen
Anforderungen, welche man an das Schullokal stellen mute, voll und
ganz genügt war, so liefs sich dies von der Biberacher Schule nicht
behaupten. Hier lag die Schulhygiene gar sehr im Argen, und
Verbesserungen, die nach dieser Richtung hin vorgenommen wurden,
wirkten auf den Gang der „psychischen Seuche" sehr günstig ein.
Das Auftreten von „Schulepidemien" wird gewifs dazu dienen, der
Hygiene der Klassenzimmer nicht blofs von medizinischer Seite
immer neue Aufmerksamkeit zuzuwenden."
Gegen den fitarmäfsigen Alkoholgennfs der akademischen
Jagend sind am 17., 24. und 31. Januar, sowie am 7. Februar
<L J. eine Reihe von Vorträgen in Bern gehalten worden. Professor
VON Spbtb behandelt edas Thema: „Aus den Erfahrungen eines
Irrenarztes", Professor Gaule dasjenige: „Lebensgenufs ohne
Alkohol", während Professor Obttli über „Das Gewissen und
den Alkohol", Professor Hilty über „Die Aufgabe der aka-
demischen Jugend im Kampfe gegen den Alkoholismus"
sprach. Ähnliche Vorträge dürften sich auch für andere Universi-
täten empfehlen.
SeUnfg dreier Lehrerseminare wegen Influenza. Nach
einem Telegramm der „7. Z." vom 28. Januar d. J. wurde auf
Anweisung des belgischen Unterrichtsministers die Lehrerbildungs-
anstalt in Gent geschlossen, weil über die Hälfte der Zöglinge an
Influenza schwer erkrankt war. Dasselbe geschah zu Schneeberg
im Erzgebirge, wo von 120 Seminaristen 71 an Influenza danieder-
lagen. Ebenso ist das Waldenburger Schullehrerseminar, in welchem
tot einiger Zeit der wegen Ausbruch der Influenza ausgesetzte
Unterricht wieder begonnen hatte, infolge neuen Auftretens der
Krankheit abermals geschlossen worden; von 130 Seminaristen waren
im Februar über 100 erkrankt.
Schulhygienische Aufgaben bei der ersten Dienstprüfung
der Seminaristen im Saulgau. Im Dezember v. J. fand die erste
Dienstprüfung zukünftiger Lehrer im Saulgau Württembergs statt.
Dabei mufsten folgende Fragen aus der Schulgesundheitslehre schrift-
lich beantwortet werden: 1. Welches sind die hauptsächlichsten
Einrichtungen für Ventilation der Schulzimmer, und in welcher Weise
sollen dieselben Verwendung finden? 2. Warum konstruiert man
Snbsellien mit beweglichen Teilen? 3. Welches sind die besten Vorsichts-
maßregeln, um der Verbreitung ansteckender Kinderkrankheiten in
der Schule vorzubeugen?
Bedürftige und schlecht genährte Schulkinder in der
Schweiz. Als ein ungemein erschwerender und tief eingreifender
230
Übelstand in unseren Schalen, so schreiben die „Schwe. BL f.
Gsdhtspfl", mufs die mangelhafte Pflege und Entwickelnng eines
groben Teiles unserer Schuljugend bezeichnet werden. Die ungenügende
leibliche Pflege geht mit der Bedürftigkeit der Eltern meist Hand
in Hand. In den Sekundärschulen des Kantons Zürich wurde eine
Untersuchung veranstaltet über die Zahl der Schüler bedürftiger und
von der Armenpflege unterstützter Eltern. Dabei stellte sich heraus,
dafs 3% der Schüler Kinder Almosen genießender und 32% Kinder
bedürftiger Eltern waren. Ähnlich wurde durch eine Statistik von
Chatelanat konstatiert, dafe im Durchschnitt im Kanton Bern 11%
ganz schlecht genährte Schulkinder die Schule besuchen. In
einzelnen Gemeinden steigt der Prozentsatz sogar auf 17%, und in
einer Gemeinde in der Nähe der Bundesstadt gibt ein Lehrer die
Zahl der bedürftigen Schulkinder seiner Klasse auf 60% an. Der
grofsen Armut breiter Schichten unserer Bevölkerung sind haupt-
sachlich auch die vielen Schulvers&umnisse zuzuschreiben; denn das
Magenbedürfnis schlägt alle anderen Bedürfnisse, die geistigen vorab,
aus dem Felde. Es gibt im bernischen Jura Gemeinden, welche
einen durchschnittlichen Schulbesuch von nur 55 — 60% aufweisen.
Sei es wirkliche, sei es vermeintliche Hilfe, welche die Kinder den
Eltern leisten sollen, letztere schicken sie nur zur Schule, wenn es
ihnen behagt, und dann oft in welchem physischen, geistigen und sitt-
lichen Zustande !
änttltdie Derfttgttngeit.
Erlafs des Königlich preufsischen Unterrichtsministers,
betreffend die Errichtung von Abschlußklassen Ar zurück-
gebliebene Schüler.
Berlin, den 27. Oktober 1892.
Den Ausführungen des Berichtes der Königlichen Regierung
vom 17. Juni vermag ich, insofern damit die Einrichtung sogenannter
Abschlufsklassen für zurückgebliebene Schulkinder gerechtfertigt werden
soll, nicht zuzustimmen. Es ist allerdings nicht zu bezweifeln, dafs
manche Kinder, sei es infolge von Kränklichkeit, mangelhafter häus-
licher Aufsicht, geringer Begabung oder aus sonstigen Gründen,
auch bei der gröisten Sorgfalt seitens ihrer Lehrer innerhalb des
schulpflichtigen Alters nicht bis in die oberste Klasse mehrkiassiger
Schulen gebracht werden können und dafs die Zahl solcher Kinder
231
mn so größer ist, je mehr aufsteigende Klassen vorhanden sind.
Gleichwohl fahrt die fortschreitende Entwickelung des Schulwesens
immer mehr zur Gründung vielklassiger Schulen, und die Schul-
Terwaltung läfst auch mehr als sechsklassige Schulen zu. Es ist
daher zwar notwendig, dafs auch auf das Bildungsbedürfnis der
hinter den normal fortschreitenden Kindern Zurückbleibenden Rücksicht
genommen wird; daß hierzu aber die in verschiedenen Orten ein«
gerichteten Abschlußklassen das geeignete Mittel wären, kann nicht
anerkannt werden.
In der Einrichtung solcher Klassen liegt vielmehr eine doppelte
Gefahr für die Schule. Zunächst wird die Lehr- und Lernarbeit
durch dieselbe gestört. Nicht nur erhalten die Kinder, welche der
Abschlußklasse zugeführt worden, einen unvollständigen oder lücken-
haften Unterricht, welcher gar zu leicht in ein mechanisches
Gedächtniswerk ausartet, sondern es lassen sich auch die Lehrer der
Unter- und Mittelstufe, wo die Kinder noch ungetrennt unterrichtet
werden, leicht verleiten, wenn auch nicht die zurückbleibenden Kinder
zu vernachlässigen, so doch mit den begabteren die Ziele zu über-
spannen, weil sie sich durch die schwächeren nicht aufhalten zu
lassen brauchen. Schwerer noch fallen erziehliche Bedenken ins
Gewicht. Die Schüler, welche den Abschlufsklassen überwiesen
werden, sind nur zum kleinsten Teile wegen Unfleifs zurückgeblieben.
Die Mehrzahl derselben ist durch Krankheit oder durch ihre häus-
lichen Verhältnisse ohne ihre Schuld zurückgeblieben; es befinden
sich unter ihnen Sonder, welche durch die Treue, mit welcher sie
den Eltern beim Broterwerbe helfen, anderen Kindern zum Muster
dienen könnten. Gleichwohl werden sie durch die Überweisung an
die Abschlufsklassen aus der Gemeinschaft ihrer Mitschüler, mit
welchen sie jahrelang vereinigt waren, herausgerissen und gelten in
deren Augen und infolge davon bald in ihren eigenen als Schüler
zweiter Ordnung. Diese Empfindung wirkt entmutigend, nicht selten
sogar verbitternd auf sie, und so erklärt es sich, daß sie auch in
ihrem Betragen nachlassen und daß, wie die Erfahrung lehrt, die
Führung der Kinder in den Abschlußklassen vielfach zu Tadel
Anlaß gibt. Auch hat sich gezeigt, dafs die derartigen Abschluß-
klassen zugewiesenen Kinder hierdurch in ihrem späteren Fort-
kommen gehindert werden, insofern Lehrherren u. s. w. den anderen
Kindern den Vorzug geben. Nach verschiedenen Richtungen hin
scheinen daher durch die Abschlufsklassen wichtige Rücksichten von
socialer Bedeutung gefährdet zu werden.
Zu dem vorliegenden Zwecke bedarf es aber einer besonderen,
außerhalb der normalen Schule stehenden Einrichtung überhaupt
nicht. Die für die Entwickelung und die Lehrpläne der Volks-
232
schalen geltenden allgemeinen Bestimmungen vom 15. Oktober 1872
gestatten nicht nur, sondern erfordern, dafc bei Schalen, die mit
mehr als einer Klasse für die Oberstufe versehen sind, der Lehrstoff
so festgesetzt werde, daß» jede folgende Klasse die Lehrgegenstände
der vorhergehenden lediglich zu erweitern und zu vertiefen hat.
Eine notwendige Ergänzung des Lehrstoffes darf niemals einer folgen-
den Klasse der Oberstufe vorbehalten bleiben. Ein Blick auf das
der Mittelstufe vorgeschriebene Lehrziel läfet erkennen, dafs das
Kind schon auf dieser Stufe in den notwendigsten Kenntnissen und
Fertigkeiten einen gewissen, für das Leben brauchbaren Abschlufs
erhalten soll. Diesem Grundsätze entspricht es nicht, wenn die
Kinder nicht einen angemessenen Abschlufs in ihren Kenntnissen
bei jeder der auf die Mittelschule noch folgenden Klassen erhalten
sollen.
Da ich annehme, dafs diese Auffassung den Schuleinrichtungen
in den meisten Orten des dortigen Regierungsbezirkes bereits jetzt
zu Grande liegt, sehe ich von weiteren Ausführungen ab. Wo dies
nicht der Fall ist, sind neue Lehrpläne mit konzentrischer An-
ordnung der Lehrstoffe für die aufeinanderfolgenden Klassen der
Oberstufe so frühzeitig aufzustellen, dafs dieselben mit dem Beginn
des nächsten Schuljahres bei Fortfall der sogenannten Abschluß-
klassen zur Durchfuhrung gebracht werden können. Sollte die
gleichzeitige Auflösung dieser Klassen wider Erwarten irgendwo auf
besondere Schwierigkeiten treffen, so erwarte ich Bericht.
Die Königliche Regierung wolle hiernach rechtzeitig das Er-
forderliche anordnen, ihre Randverfügung vom 27. März d. J.
aufser Kraft setzen und von den getroffenen Mafsnahmen mir Anzeige
machen.
Verfügung des k. k. Landesschnlrates in Mähren, Versuche
mit Steilschrift in den Volks- und Bürgerschalen anzustellen»
Brunn, 2. September 1892.
Nach Anhörung der beiden Abteilungen der Landeslehrer-
konferenz findet der k. k. Landesschulrat die obligatorische Ein-
fährung der Steilschrift an sämtlichen Volks- und Bürgerschulen
noch nicht für angezeigt.
Es sind jedoch die hygienischen und schulpraktischen Gründe,
welche für dieselbe sprechen, so schwerwiegend, dafs weitere Ver-
suche auf breitester Basis notwendig erscheinen. Es wird daher ge-
stattet, dafs die hinsichtlich der Steilschrift von den einzelnen
Bezirkslehrerkonferenzen gefafsten Beschlüsse in der Weise durch-
geführt werden, dafs dort, wo die Konferenz die allgemeine Ein-
führung der Steilschrift beschloß, an allen Schulen, wo im Lehren
233
und in den anderen Verhältnissen die Bedingungen für eine zweck-
mäßige Durchführung des Versuches gegeben sind, mit der Steil-
schrift in der ersten Klasse begonnen werde; diejenigen höheren
Klassen, an welchen dieselbe im Vorjahre eingeführt wurde, haben
sie fortzusetzen. Wo die allgemeine Einführung nicht beschlossen
wurde, sind die mit h. o. Erlasse vom 3. August 1891, Z. 7815,
angeordneten Versuche mit Einsehlufs der ersten Klassen auf breitester
Basis fortzusetzen. Als Fibel ist an deutschen Schulen, in denen
die Steilschrift geübt werden soll, die im k. k. Schulbücherverlage
erschienene Steilschriftfibel * zu verwenden , deren Schriftformen
überhaupt die Grundlage zu bilden haben. Der k. k. Landesschul-
rat wird eine detaillierte Instruktion über den Vorgang beim Steil-
schreiben erlassen , deren genaue Beachtung die k. k. Bezirksschul-
inspektoren zu überwachen haben. Die k. k. Bezirksschulräte haben
allsogleich das Erforderliche zu veranlassen.
Sehnlgesundheitliches aas der neuen Schulordnung
der Stadt St. Gallen.
Die neue Schulordnung der Stadt St. Gallen enthält unter
anderem folgende Bestimmungen, betreffend Schulgesundheitspflege:
Disciplin: Nach jeder Schulstunde tritt eine Pause von 10
Minuten und um 10 Uhr eine solche von 15 Minuten ein. Am
Vormittage sind sämtliche Primarschüler 5 Minuten vor 12 Uhr zu
entlassen.
Ein Zurückbleiben der Schüler während der Mittagszeit ist auf
allen Schulstufen untersagt. Die Stunde von 1 bis 2 Uhr darf nicht
Ar Unterrichtserteilung in Anspruch genommen werden.
Sämtliche Schüler sollen reinlich und ordentlich gekleidet zur
Schule kommen. Unsaubere oder Nachlässige werden verwarnt,
den Eltern angezeigt und im Wiederholungsfalle nach Hause geschickt.
Derartige Absenzen sind als unentschuldigt anzusehen.
In Bezug auf die Anwendung körperlicher Züchtigungen
werden folgende Grundsätze aufgestellt:
a. An den Mädchenschulen sind körperliche Züchtigungen
unstatthaft.
b. An den Knabenschulen ist die Anwendung körperlicher Strafen
mit Ausnahme der sogenannten Tazen untersagt. Diese
dürfen jedoch nur für ernstere sittliche Vergehen (Lüge,
Diebstahl, fortgesetzte Widersetzlichkeit u. s. w.), niemals
aber wegen Unfleifs oder ungenügender Leistungen angewendet
werden.
1 3. diese Zeitschrift, 1893, No. 3, S. 176-179. D. Bad.
SchiUfetttndheltspflefe VI. 1$
284
c. Die Strafen sollen übrigens mit Hab und erst nach voran-
gegangener fruchtloser Ermahnung und Verwarnung, nicht im
Afiekte erteflt werden.
d. Von jeder körperlichen Züchtigung ist im Tagebuch motivierte
Notiz in nehmen.
Es ist untersagt, Schaler auf die Gänge hinaus zu stellen oder
sie nach der Schule ohne Aufeicht sitzen zu lassen.
Hausaufgaben: Hierüber gelten folgende Vorschriften:
a. In den unteren Klassen der Primarschulen (I— HI) dürfen
keine Hansaufgaben gegeben werden. In den oberen Klassen
haben sich dieselben vorzuglich auf Memorierübungen zu
beschranken, welche auf Freihalbtage oder Feiertage zu ver-
legen sind.
Den Handarbeitsschulen der Mädchen von der ersten
bis zur letzten Schulstufe ist verboten, Hausaufgaben zu
erteilen. Es dürfen also in der Schule begonnene Arbeiten
nicht zur Fertigstellung nach Hause mitgegeben werden.
b. Die Losung der Aufgaben soll an Werktagen höchstens eine
Stunde, an Sonn- und Feiertagen (? D. Red.) höchstens
zwei Standen Zeit erfordern.
c. Strafaulgaben dürfen von einem Tag auf den anderen, nicht
aber über die Mittagszeit gegeben werden.
d. Für die Ferien oder über die Mittagszeit Hausaufgaben zu
erteilen, ist untersagt.
e. Ebenso ist es unzulässig, gegen das Examen hin das Mab
der Aufgaben irgendwie auszudehnen.
f. Diejenigen Lehrer an den Primarschulen, welche nicht das
obligatorische Maximum von 33 Stunden per Woche zu
geben haben, sind verpflichtet, für die schwächsten Schüler
ihrer Klasse wöchentlich mindestens eine Nachhilfestunde zu
halten, in welcher die Kinder möglichst individuell behandelt
werden sollen. Diese Nachhilfestunden sind im Stundenplan
vorzumerken, dürfen aber unter keinen Umständen den
Charakter von Strafstunden erhalten oder gegen das Examen
hin vermehrt werden.
g. An den Realschulen ist die Erteilung von Hausaufgaben
zunächst in den Sprachfilchern gestattet. In Mathematik
und Realien dagegen sollen keine schriftlichen Aufgaben
gestellt werden. Aufgaben, welche die Kalligraphie, das
Zeichnen oder den Gesang betreffen, sind unzulässig.
h. Diejenigen Lehrer, welchen Aufgaben zu geben eingeräumt
ist, haben sich miteinander über die Beanspruchung der
285
Schiller zu verständigen, damit für diese keine Überbürdung
entsteht.
i. Klagen wegen Überanstrengung der Schüler mit Hausaufgaben
sind beim Präsidenten des Schulrates anzubringen, welcher
Untersuchung walten läfet und das Nötige verfingt.
Gesundheitspflege: Die Schüler sind nach ihrer Grobe auf
die für sie passenden ß&nke zu verteilen. Für Kurzsichtige und
Schwerhörige sind die vordersten Plätze anzuweisen.
Das Tragen von Oberkleidern, wie Schleifen, Überröcke, Puls-
wärmer u. s. w., ist im Schulzimmer unbedingt verboten.
Die Temperatur in den Schulzimmern soll während der Heiz-
periode nicht unter 16° C. (12° R.) und nicht über 18° C. (14° R.)
betragen.
Die Lehrer müssen für genügende Lüftung der Lokale sorgen.
Von Übelständen in Bezug auf Heizungs- und Yentilationseinrichtungen
haben sie sofort dem Vorsteher zu Händen der Verwaltungskommission
Anzeige zu machen.
Wenn im Sommer im Laufe des Vormittags die Temperatur in
den Schulzimmern auf 27° C. (21—22° R.) steigt und über Hittag
anhält, so dürfen an der Primarschule Klassenspaziergänge an Stelle
des Unterrichts treten.
Die Lehrer sollen ein wachsames Auge auf epidemische Kinder-
krankheiten halten und ihre Wahrnehmungen, wenn immer nötig,
dem Bezirkspbysikat mitteilen. Kinder, die an Scharlach gelitten
haben, dürfen nur auf ärztliches Zeugnis hin wieder in die Schule
aufgenommen werden.
Im übrigen gelten die sanitätspolizeilichen Vorschriften.
Der Besuch der Eisbahnen ist der Schuljugend nur von 10 bis
12 Uhr vormittags und von 1 Uhr mittags bis zu einbrechender
Dunkelheit gestattet.
Der Besuch des Eisfeldes bei abendlicher Beleuchtung ist Schülern
nur dann erlaubt, wenn sie unter elterlicher Begleitung erscheinen.
Alles Rauchen ist denselben strengstens untersagt, ebenso aller
Wirtshausbesuch ohne elterliche Begleitung.
Amtlicher Fragebogen, bezüglich der Schulgebäude
in Uruguay.
Unter dem 31. August v. J. sind von der technischen Ab-
teilung der Generaldirektion des öffentlichen Unterrichts in Monte-
video folgende Fragen an die ihr unterstellten Schulen gerichtet
worden :
Schule Grades, gelegen in , Departement
1. Zeit der Gründung der Schule.
16*
236
2. Besitzt dieselbe augenblicklich noch denselben Rang wie damals?
3. Sind das Terrain und das Gebäude öffentliches oder Privat-
eigentum?
4. Ist der Grund und Boden gepachtet oder unentgeltlich überlassen?
5. Wurde das Gebäude ausdrücklich für Schulzwecke errichtet?
6. Ist es zweckentsprechend, oder lä&t es zu wünschen übrig?
7. Aus welchem Material bestehen die Mauern?
8. Material der Dächer.
9. Werden die Klassenzimmer durch besondere Ventilationsvor-
richtungen oder nur durch die Fenster und Thüren gelüftet?
10. Reicht die Ventilation aus?
11. Macht sich ein übler Geruch in den Klassen bemerkbar?
12. Ursachen des schlechten Geruches.
13. Hat der Lehrer bei den Kindern Schwindel, Kopfschmerzen
oder Nasenbluten beobachtet ? Wie oft treten diese Beschwerden
im Jahre auf? Zu welchen Zeiten besonders? Kommen sie
mehr bei den Kindern unter oder über 10 Jahren vor?
14. Bestehen Heizvorrichtungen in den Klassen?
15. Beeinträchtigt die Kälte im Winter den Unterricht in den
Lehrräumen?
16. Wird derselbe im Sommer durch grofse Hitze erschwert? In
welchen Monaten und zu welchen Stunden hauptsächlich?
17. Zahl der offenen Höfe.
18. Ihr Gesamtareal.
19. Material ihres Bodens.
20. Zahl der gedeckten Höfe.
21. Ihr Gesamtflächenraum.
22. Sind dieselben mit Glas oder einem anderen Materiale gedeckt?
23. Woraus besteht der Frisboden?
24. Zahl der Aborte.
25. In welchem Zustand befinden sich dieselben?
26. Ist hinreichend Wasser vorhanden?
27. Liegt irgend einem Diener die Reinigung der Klassen ob, oder
wird dieselbe durch die Schüler besorgt?
28. Wie viel wird in ersterem Falle jährlich für die Reinigung
gezahlt, und erfolgt die Zahlung aus öffentlichen Mitteln?
29. Befindet sich die Lehrerwohnung in demselben Gebäude wie
die Schule, oder ist sie davon getrennt?
30. Im ersteren Falle, ist sie hinreichend bequem?
31. Im anderen Falle, wie weit ist sie von der Schule entfernt?
32. Liegt irgend ein anderes Gebäude näher bei der Schule?
33. Werden die Klassenräume noch zu einem anderen Zweck als
dem Unterricht benutzt?
237
34. Wenn der Lehrer Privatunterricht in der Schule erteilt, wie-
viel Schüler hat er dabei, und in welchen Stunden findet dieser
Unterricht statt?
yerfottalutt
Es erhielten: der Königlich preufsische Staatsminister und
Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten
Dr. 6088B den roten Adlerorden I. Klasse mit Eichenlaub, die
Geheimen Regierangs- und Provinzialschulräte Haupt zu Merseburg
und Polte zu Posen den roten Adlerorden III. Klasse mit der
Schleife, unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Professor der Augen-
heilkunde Dr. E. Fuchs in Wien, das Kommandeurkreuz des
griechischen Erlöserordens und der Provinzialschulrat Henning in
Coblenz den roten Adlerorden IV. Klasse.
Obersanitätsrat Hofrat Professor Dr. Anton Dräsche in
Wien wurde anläßlich seines vierzigjährigen Doktorjubiläums zum
Ehrenbürger von Yöslau ernannt.
Dem gelehrten Philologen, Herrn Avakümo witsch , ist das
serbische Unterrichtsministerium Übertragen worden.
Zum Rektor der Universität Tomsk wurde an Stelle Professor
Wkukis der Professor der Hygiene Dr. A. Ssudakow gewählt.
Professor Dr. Fürbringkr in Berlin und Professor Dr. Adam-
kbwicz in Wien sind zu Mitgliedern des Ehrenkomitees der in diesem
Jahre in London stattfindenden hygienischen Ausstellung ernannt
worden.
Der als wissenschaftlicher Assistent zum Institut für Infektions-
krankheiten nach Berlin kommandierte Stabsarzt Dr. BriegEr wurde
zum Professor befördert.
Dr. Chanteme8se und Dr. Charbin sind zu Mitgliedern des
beratenden Komitees für öffentliche Gesundheitspflege in Frankreich
ai Stelle der ausgeschiedenen Herren Pasteüb und Peter ernannt
worden; Herrn Pastextb wurde das Diplom als Ehrenpräsident
überreicht.
Der Professor der Hygiene S. Schidlowski, welcher bei der
Wahl des gelehrten Sekretärs der militär - medizinischen Akademie
in St Petersburg die gröfste Stimmenzahl erhielt, hat den Posten
ausgeschlagen.
Dr. Paul Andberey wurde zum ärztlichen Schulinspektor des
11. Arrondissements von Paris an Stelle des zu einem anderen
238
Amte berufenen Dr. Tbapbhabd ernannt, Dr. Dabassb, Hilfeatzt
am Lyceum von Mont-dfr-Manan, zum Arzte dieser Anstalt Ar den
▼erstorbenen Dr. M. F. Dufau, Dr. Dabaignbt, früher Assistent
am Krankenhanse von Bordeaux, zum Hilfsarzt am Lyceum von
Mont-de-Marsan als Nachfolger des Dr. Dabassb.
Dr. Fbiedbich Plbhh, vormaliger Assistent von Professor
Gabbtnbb am hygienischen Institute in Jena, geht im Auftrage der
deutschen Reichsregierung nach Kamerun, um dort ein Laboratorium
für das mikroskopische Studium des Wechselfiebers zu errichten.
Dr. Tbbsin, froher Hilfsarbeiter am Institut Pfcsteur, ist mit
einer hygienischen Studienreise nach Hinterindien beauftragt worden.
Der Direktor des Reichsgesundheitsamtes, Geheimrat Dr. Köhlr,
der zur Wiederherstellung seiner Gesundheit in Mentone weilt, wird
wfthrend seiner Abwesenheit von Geheimrat Professor Dr. Sbll
vertreten.
Generalsuperintendent a. D. Dr. theoL Gobschbn in Harburg,
wahrscheinlich der Älteste deutsche Turner und zugleich der einzige
noch lebende Turner aus der Zeit der Hasenhaide, vollendete am
20. Februar d. J. in voller körperlicher und geistiger Rüstigkeit
seinen 90. Geburtstag.
Es sind verstorben: am 25. Dezember v. J. zu Wien der um
das Schulturnen Österreichs hochverdiente Reichsrats- und Landtags-
abgeordnete Professor Dr. Hubbbt Fuss im 40. Lebensjahre, am
6. Januar d. J. in Helsingfors der ehemalige Professor und General-
direktor des finnländiscben Medizinalwesens Staatsrat Dr. FBLK
von Wellbbrand, am 8. Januar in Wien der praktische Arzt
Dr. Ludwig Sbbgbb, einer der Hauptvertreter der Gymnartik in
Österreich, am 13. Januar in Weimar der auf dem Gebiete der
Kindergartenerziehung bekannte Stiftslehrer Fbibdbich Sbidbl, am
15. Januar in Breslau der Geheime Regierungsrat Schulrat Eismann,
55 Jahre alt, am 31. Januar in Stutgart der Hofrat Kabl Rbnz,
eine Autorität als Taubstummenerzieher, im 58. Lebensjahre und am
5. Februar der Vicepräsident des Gesundheitsrates Dr. Albbbt
Tovssaint in M6zfores.
fitteratttr.
Besprechungen.
Dr. Fbibdbich Renk, o. 6. Professor und Direktor des hygienischen
Institutes, z. Z. Dekan der medizinischen Fakultät in Halle a. S.
289
Über die Uistliehe Belenohtung Ten Hftrsilen. Beilage zu
dem Preisverkündigungsprognmine der Universität Halle- Witten-
berg. Halle, 1892. (24 S. 10 Taf. 4°.)
Verfasser, rühmlichst bekannt durch seine Münchener Unter-
suchungen über den Glanz der Glühlampen, setzte die von mir
in den Auditorien der Breslauer Universität 1885 begonnenen
Prüfungen über künstliche Beleuchtung1 in Halle fort.
Der erste Teil seiner Arbeit bringt zunächst die bekannten
Zahlen über die hohe Luftverderbnis durch Gas und über das Fehlen
der letzteren bei elektrischem Licht. Verfasser beklagt mit Recht,
daft der Plan, die Universität Halle mit elektrischem Licht zu ver-
sehen, aufgegeben wurde. Dann bespricht er die gegenwärtige
Beleuchtung der Auditorien. Auch er ist meiner Ansicht, dafs es
sich Ar hygienische Zwecke nicht um die Helligkeit der Flammen
selber handeln kann, sondern mehr um die Helligkeit, die auf dem
Tische und an der Wandtafel vorhanden ist. Er verweist auf die in
meinem Buche „über den Beleuchtungswert der Lampen-
glocken" * mitgeteilten Messungen, nach denen ein Platz, der nur
1 Meterkerze (MK) Licht zeigte, durch einen Papierschirm 23,
durch einen Müchglasschinn 30, durch einen weife lackierten Metatt-
schirm 64 und durch einen halbkugeligen Reflektor sogar 260 ME
Helligkeit erhalten könne. Renk erwähnt ferner, dafs meine
Messungen zu dem Resultate geführt haben, dafs die geringste
Beleuchtung eines Arbeitsplatzes 10 MK betragen müsse und daß
gegen dieses Resultat von keiner Seite Einsprüche erhoben worden
aöea; er legt also seinen Ansprüchen auf genügende Beleuchtung
eieaMs 10 MK als Minimum zu Grunde.
Auch in Halle fand er, wie ich in Breslau, in allen Hörsälen
■agenfigende Beleuchtung; er zeichnet die Lichtmengen auf den
Sobsellien in den Grundrissen der Auditorien ein, wie ich es
»gegeben habe. In sämtlichen Sälen gab es, wie hier, Plätze mit
weniger als 10 MK Helligkeit; in einigen blieb dieselbe sogar anf
allen Plätzen unter 10 MK; auch eine ganz ungleiche Verteilung
des Lichts zeigte sich oft auf derselben Bade, so dafe z. B. die
Nachbarpiätze 8, 12, 45, 74, 16, 11 MK hatten. Das Verhältnis
w&re noch viel ungünstiger gewesen, wenn die Messungen bei
Anwesenheit der Studenten gemacht worden wären, da afedann der
Schatten der Schreibenden oder der Vordermänner, wie ich geaetgt
habe, das licht auf dem Buche um 50°/o und mehr verringert
haben würde.
1 VrgL meinen Aufrats in der Berl kUn. Wochensckr., 1886, No. 61.
t vn-^A-^ 1886
240
Im hygienischen Hörsaal brannten 4 Butzkelampen — Regenerativ-
brenner mit der Flamme nach unten — welche mattierte Flach-
halbkngeln trogen. Die mittlere Helligkeit war 9,8 MK und die
Differenz zwischen hellstem und dunkelstem Platze nur 4,6 MK.
In vielen Sälen genügte das Licht selbst den billigsten
Anforderungen nicht. Auch die Temperatur nahm in einer Stunde
um 4 — 9° C. zu; die Wärmestrahlung war unter den Lampen mit
polierten Schirmen sehr lftstig, ebenso unter den Wenhamlampen,
selbst wenn sie 2 m Ober dem Kopfe hingen. Die Kohlens&ure-
menge, welche nach Pettbnkofer nur l%o betragen darf, stieg
in den Hörsälen nach einer Stunde auf 2 — 3%o; nur im hygie-
nischen Hörsäle, wo die Regenerationsflammen die Verbrennungsgase
nach oben führten, blieb der Gehalt der Luft an Kohlensäure
normal.
Im zweiten Teile der Arbeit berichtet Renk Aber neue Ver-
suche, die er gemacht hat, um eine gleichmäfsigere Beleuchtung
selbst mit Gasflammen zu erzielen und die Schatten zu mildern.
Er erwähnt die Messungen von Bübnofp und Ebismann in Moskau,
welche auf dem Schreibheft 8,2 MK, im Kopfschatten 4,6 (also
44% Verringerung), im Halbschatten der schreibenden Hand nur
2,6 und im vollen Schatten derselben nur 1,5 MK (also 82%
Lichtverringerung) fanden. Auch wird das Auge durch das Hinein-
blicken in die Flamme oder das daneben Vorbeisehen geblendet
und erhält störende Nachbilder. Da man nun nicht wie bei Tage
das Licht nur von links einfallen lassen kann, so muß man wenigstens
die direkten Lichtstrahlen vermeiden und das diffuse Tageslicht
nachzuahmen suchen. Erismann versuchte dies 1888, indem er
Reflektoren unter der Lampe anbrachte, die das Licht nach der
hellen Decke warfen, von der es wieder auf die Tische fiel. In
dieser Zeitschrift, 1888, No. 10, S. 356 ist die Arbeit von Eris-
mann enthalten, der durch seine Anwendung das Licht gleichmäfsiger
verteilt fand.
Renk lernte in Leipzig im Bureau der allgemeinen Elek-
tricit&tsgesellschaft eine ähnliche indirekte Beleuchtung kennen,
bei der das Licht durch Metallreflektoren auch nach der Decke
geworfen wurde. Schatten fehlten ganz, und selbst, wenn man sich,
mit dem Gesichte nach der Wand gerichtet, so aufstellte, dafs der
eigene Körper die Lampe abdeckte, lieb sich auf einem zwischen
Körper und Wand gehaltenen Buche doch kein Schatten entwerfen.
Renk versuchte nun auch bei den Butzkelampen einen nach
oben offenen, trichterförmigen Reflektor mit einem Öffnungswinkel
von 120°. Die untere Hälfte des Zimmers erschien, wie gar nicht
anders zu erwarten stand, sehr dunkel, zumal die Subsellien und
241
der Experimentiertisch schwarz gestrichen waren. Aach war auf
den Tischen die mittlere Helligkeit von 21 MK auf 7 MK herab-
gegangen, also unter die erwähnten 10 MK, aber Schatten fehlten.
Er versuchte nun Verbesserungen der indirekten Beleuchtung
1. durch Erhöhung der Leuchtkraft der Flammen, 2. durch weiüsen
Anstrich von Bänken, Tischen, Thttren, Fenstern und durch weifse
Vorhänge. Dadurch stieg die direkte Helligkeit auf 27 MK und
die indirekte auf 10 ME; aber immer waren noch 60% Lichtverlust
zu beklagen.
Nun wandte er 3. durchsichtige Reflektoren an aus Papier,
die 12,8 ME, und später solche aus überfangenem Glase, die
17,4 MK Helligkeit gaben. Freilich fehlten noch immer 35%
Licht, aber dasselbe war besser verteilt; der Unterschied zwischen
den einzelnen Plätzen betrug nur 5 ME. Indessen bei den Glas-
reflektoren kamen auch wieder Schatten, wenn auch schwächere.
Doch wurden die Wandtafelreflexe verringert, und die Erwärmung
unter den Lampen war geringer. Wenn die mittlere Helligkeit beim
direkten Lichte 100 betrug, so hatte sie also beim Metallschirm
40, beim Papierschirm 47 und beim Glasschirm 65 ergeben.
Trotz dieses Lichtverlustes rühmt Renk die Beleuchtung wegen
der Verhinderung der Blendung, wegen der gleichmäßigeren Ver-
teilung des Lichtes, wegen der Verhütung der störenden Schatten
und der lästigen Wärmestrahlung.
Die Untersuchungen des Verfassers sind gewiss sehr dankenswert.
Die nach einem ähnlichen Principe von Hrabowski konstruierten
neuen Reflektoren, über welche ich in der hygienischen Sektion der
schlesischen Gesellschaft am 6. Januar d. J. berichtet habe, lösen
freilieh das Problem noch vollkommener.
Professor der Augenheilkunde
Dr. med. et phil. Hermann Cohn in Breslau.
Dr. Stephan Csapodi und Dr. Sieqmund von Gerlöczy. Gesund-
heitslehre. Für die Volksschulen yerfafst. Nach der zweiten,
vom k. k. ungarischen Unterrichtsministerium approbierten unga-
rischen Ausgabe. Budapest, 1891. Robert Lampeische Hof-
buchhandlung. (60 S. 8°. Er. 24.)
Das Schriftchen bespricht in 4 Kapiteln zunächst die Organe
und Funktionen des menschlichen Körpers, speciell die Bewegung,
das Empfinden, die Haut, den Blutumlauf, die Atmung und die
Verdauung. Dann folgt, was auf die Gesundheit des Leibes wirkt,
wie Klima, Luft, Boden, Wohnung, Ernährung, Arbeit, Kleidung,
was wir zu thun haben, wenn uns Unglück, Krankheiten und
Unfälle treffen, endlich Pflege und Erziehung des Körpers, wobei
242
die Beschäftigung, die Bewegung, die Rohe und der Schlaf, die
Zerstreuung, die Reinlichkeit, die Pflege der Sinne und die Kranken-
pflege in Betracht gezogen werden.
Das Werk ist nach der vom ungarischen Untemdttsministerium
approbierten Ausgabe bearbeitet.
Für deutsche 8chulen erscheint es völlig unbrauchbar. Jede
Seite bietet mehr oder weniger zahlreiche Belage für dieses anschei-
nend harte Urteil. Hier nur einige Proben, wie sie mir gerade
in die Feder kommen: „Den Sonnenstich bekommen diejenigen, die
in der Sonnenhitze arbeiten oder zu Fufs gehen * (S. 49). „Dann
müssen wir seinen (des Erstickten) Hund auspreisen, zwischen seine
Zähne ein Stück Holz legen, damit sein Mund offen bleibe. Dann
müssen wir seine Zunge mit einem Tuch herausziehen und beginnen
das künstliche Atmen. Wir müssen nämlich hinter seinem Kopf
niederknieen, seine beiden Ellbogen anfassen und dieselben über den
Kopf ziehen und dann wieder an seinen Körper drücken. Dies
müssen wir so lange thun, bis er wieder zu Atem kommt" (S. 49).
„Das gesunde Gebäude hangt aber nicht nur vom Boden, sondern
auch von den Wunden ab" (S. 19). „Auch das Kinn bewegt sich
an beiden Seiten in je einem Gelenk (S. 5). „Die Nase dient
eigentlich zum Atmen* (S. 8). „Bei sehr niedrigem Wärmegrade
erfrieren unsere Glieder ; bei der überaus groben Wanne der Sonne
hingegen bekommen wir den Sonnenstich" (S. 16). „Wir benützen
die Milch verschiedener Tiere, zumeist nehmen wir aber Kuhmilch
zu uns, die zur Ernährung kleiner Kinder besonders geeignet ist*
(S. 29). „Im Fleisch ausländischer Schweine kann auch die Trichine
vorkommen" (S. 29).
Diese Beispiele, von denen manche wohl auf mangelhafte Kenntnis
des Deutschen zurückzuführen sind, dürften*genügen.
Städtischer Lehrer Wilhelm Siegebt in Berlin.
Dr. Woldbhar Götze, Direktor der Lehrerbildungsanstalt des
deutschen Vereins! für Knabenhandarbeit. Katechismus des
Knabennandarbeitsunterricht8. Ein Handbuch des erziehlichen
Arbeitsunterrichts. Mit 69 Abbild. Leipzig, 1892. J. J. Weber
(245 S. Kl. 8. Gbd. M. 3).
Die „Illustrierten Katechismen" der Verlagsfirma J. J. Weber in
Leipzig, welche in gedrängter Kürze eine möglichst gründliche und
vielseitige Belehrung aus dem Gebiete der Wissenschaften, Künste
und Gewerbe darbieten, haben sich langst allgemeiner Anerkennung
zu erfreuen. Hat es doch die Firma verstanden, für ihre verschiedenen
Aufgaben in den meisten Fallen die anerkannt tüchtigsten Kräfte an
gewinnen, welche dann das ihnen gestellte Thema so zu behandeln
243
wu&ten, dafa der gebotene Stoff nicht nur die betreffenden Fach-
texte, sondern «ich die Laien im hohen Grade interessierte, Aach
Ar das vorliegende Werk ist in dem Verfasser der richtige Mann
gewonnen worden. Steht doch Dr. Oötzb der Theorie, der Praxis
oad der Agitation auf diesem Unterrichtsgebiete gleich nahe durch seine
fielfachen Studien, seine Steltang als Leiter eines Handfertigkeits-
tttnmaro nnd seine Beziehungen zum deutschen Verein für Knaben-
haadarbeit. So hat er denn ein Buch geschaffen, das sowohl den-
jenigen anzuregen nnd in mancher Hinsicht zu unterrichten weiß,
der als Lehrer praktisch auf diesem Gebiete thätig ist, ah auch
demjenigen Auskunft gibt, der sich in den Inhalt und den Umfang
dieser wichtigen Erziehungsangelegenheit erst Einsicht verschaffen will.
In gedrängter Kürze spricht sich Verfasser Über folgende Themata
au : das Wesen des Handarbeitsunterrichts ; Grunde für den Arbeits-
Unterricht; Einwände gegen den Arbeitsunterricht; Geschichte des
Arbeitsunterrichts; die Entwickelung der heutigen Bewegung des
Arbeitsunterrichts in Deutschland; die praktische Ausgestaltung der
Ideen von der Erziehung zur Arbeit; die Praxis des Arbeitsunter-
richte ; Beziehungen des Arbeitsunterrichts zu Haus, Handwerk und
Schule; Stellung des Arbeitsunterrichts in besonderen Unterrichts-
ustalten; Arbeitsunterricht im Auslande; Ausblicke in die Zukunft
des Arbeitsunterrichts; allgemeine Litteratur Aber den Arbeitsunter-
richt.
Dr. Götze Äußert sich in der Vorrede: „Sein (des Verfassers)
höchstes Ziel wäre erreicht, wenn er Freunde unter der Lehrerschaft
gewönne, wenn er sie überzeugte, dafe es sich um ein wertvolles
Erziehungsmittel handelt, dafe es uns keineswegs darauf ankommt,
den Knaben vorschnell eine gewisse Routine in den Arbeiten des
Gewerbes beizubringen, dafe wir nicht blofc die notwendige Erziehung
des Auges und der Hand betreiben und die Knaben nicht allein zu
gröberer Geschicklichkeit und Anstelligkeit führen wollen, sondern
dafi wir die körperliche Arbeit in ihrer organischen Verbindung mit
der geistigen Thätigkeit als ein Mittel für die volle, harmonische
Erziehung des Kindes betrachten, indem wir sie in den Dienst der
formalen Geistesbildung stellen". Mit der gleichen begeisterten
Empfindung für sein Unterrichtsgebiet, wie sie sich hier in der Vor*
rede wiederspiegelt, behandelt der Autor die verschiedenen Abschnitte
seines Werkes, doch erscheint er etwas zaghaft in seinen Planen auf
die Eroberung der Schule, die sich in dem Abschnitte „Ausblicke
in die Zukunft" kundgeben.
Gewiß sind es vor allem die geschlossenen Erziehungs-
anstalten, die zuerst an die Einführung ausgedehnter praktischer
Beschäftigung ihrer Zöglinge denken müssen, gewifs ist es von
244
Wichtigkeit, dafs auch die Jugend auf dem Lande in modifizierter
Weise mit dem Arbeitsunterrichte bekannt gemacht werde; das
alles bringt uns bei dem starren Festhalten unserer Schulbehörden
an dem Althergebrachten aber immer noch nicht dem zu er-
strebenden Ziele näher, diesen Unterricht zu einem allgemeinen zu
machen. Das, scheint mir, dürfen wir uns nicht verhehlen, und
das mufe im Interesse der Sache immer und immer wieder hervor-
gehoben werden, dafs unseren deutschen Schülerwerkstätten z. Z. noch
die erforderlichen Geldmittel fehlen und dafs sie ferner in ihrer
methodischen Entwickelang durch die Verschiedenheit im Alter und
in der Vorbildung ihrer Schüler, sowie durch den steten Wechsel
des Schülerbestandes gehemmt werden. Viel ist allerdings schon
geschehen, aber besser würde es noch um die Ausbildung der
Methode stehen, wenn eine Schülerwerkstätte sich einer beliebigen
Lehranstalt anschließen und im Zusammenhang mit ihr arbeiten
könnte, also bei fakultativer Einführung des Handfertigkeitsunterrichts
in die Schule.
Die Erkenntnis, dafs in unserem Unterrichtswesen mancher
Ballast über Bord geworfen werden rnuüs, ist wohl eine ziemlich
allgemein gewordene; zu bedauern ist nur, dafs sich keine Be-
hörde, keine Anstalt findet, die nun endlich einmal anfängt, auf
dasjenige „Wissen" Verzicht zu leisten, „das niemals in das Wesen
des Zöglings eingeht, sondern wie Spreu verfliegt. u
Ob es nun der von Schbbbr in Worms angeregten Bewegung, die
den Handfertigkeitsunterricht in Verbindung mit dem Schulunterricht
setzen will, dabei aber nach meiner Meinung in ihrer Methode und in der
Wahl ihrer Arbeitsaufgaben einseitig vorgeht, oder ob esden selbständigen
Schülerwerkstätten gelingen wird, sich soviel Ansehen zu verschaffen,
dafs sie die Schule erobern, ist zur Zeit noch nicht zu entscheiden.
Jedenfalls aber müfsten auch die Anhänger der Schülerwerkstatt
energisch versuchen, in gewissen Arten von Schulen ihren Unterrichts-
zweig zu einem fakultativen zu gestalten. Warum will man denn
erst abwarten, dafs das Ausland die Früchte des Arbeitsunterrichts
erntet und uns gegenüber dadurch in Vorteil kommt, ehe wir ans
aufraffen, auch endlich das längst in der Theorie Erkannte in die
Praxis umzusetzen0 In socialen Dingen pflegen wir ja leider ge-
wöhnlich erst durch Schaden klug zu werden. Hoffen wir, und das
gewifs mit dem Verfasser des vorliegenden Werkes, dafs das er-
wähnte Sprichwort in diesem Falle nicht an uns Deutschen zur
Wahrheit wird.
Lehrer Georg Völlers in Hamburg.
245
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Mfdjrift fSr 5d)nlBffuni|dtep)Irjt
VI. Jahrgang. 1893. No. 5.
ttrtginal-äbljatiMttiigeit.
Die Gymnastik als Hilftmittel der physischen Erziehung.
Nach einem Vortrage,
gehalten in öffentlicher Sitzung der physiko-medizinischen Gesellschaft
an der Kaiserlichen Universität an Moskau.1
Von
Dr. med. N. Hagmann,
Privatdocenten der Orthopädie in Moskau.
Die physische Ausbildung des heranwachsenden Geschlechts
ist für Staat und Gesellschaft eine wichtige Aufgabe, an
deren Lösung die einzelneu Nationen schon lange ernstlich
arbeiten, weil die Wohlfahrt und Stärke des Staates in der
gesunden Entwickelung der kommenden Generation begründet
liegt In letzter Zeit ist die Frage einer zweckmäßigen
körperlichen Erziehung auch bei uns in Rußland gewissermaßen
Modesache geworden. Nicht nur die still wirkende Wissen-
schaft beschäftigt sich mit diesem Thema, auoh die Tagespresse
ventiliert dasselbe von verschiedenen Gesichtspunkten aus.
Dabei macht sich hin und wieder das Bestreben naoh Eman-
eipation vom Einflüsse des Westens bemerkbar, der doch auch
in der vorliegenden Frage unser Lehrmeister gewesen ist.
Bort existierten schon längst bedeutende Werke hervorragender
Denker und Gelehrter über die physische Entwickelung des
1 Ans dem Bussischen von Dr. med. A. Hipfius, Kinderarzt in Moskau.
S«h«]g«*tradheitepflege VI. 17
250
menschlichen Organismus, während in unserem Vaterlande
dieser Gegenstand erst in der jüngsten Vergangenheit behandelt
worden ist.
Die Zeit liegt durchaus nicht fern, wo bei uns mit eintritt
der kalten Witterung die Kinder nicht an die freie Luft
geschickt wurden und somit zu einer fast halbjährigen Zimmer-
haft verurteilt waren. Es geschah nichts, um ihre körperliche
Entwickelung in rationeller Weise zu fördern. Man könnte
glauben, dafe bei dem Mangel an Sohulen, wie er in RuMand
besteht, die Jugend sich selbst überlassen blieb und einer
besonderen Pflege ihrer Gesundheit daher nicht bedurfte. Für
die Bänder der Land- und Dorfbevölkerung mag eine solche
Auffassung auch eine gewisse Berechtigung haben. In mensohen-
überfüllten Grofsstädten jedoch ist die Rücksicht auf die
physische Entwickelung des jungen Geschlechtes schon
längst ein unabweisbares Bedürfnis geworden. Wenn man sich
nun auch dieser Erkenntnis keineswegs verschliefst, so ist
doch zur Bethätigung derselben bei uns bisher nur wenig und
auch dann oft nur zum Scheine geschehen. Die laxe Stellung-
nahme der Lehranstalten gegenüber der körperlichen Erziehung
beeinflußte die letztere auch zu Hause in ungünstiger Weise.
Hier kein Verständnis, dort keine strikte Forderung ; was Wunder,
dafe weder infolge häuslicher Initiative, noch auf Grund autori-
tativer Anregung seitens der Schule irgend etwas zur Lösung
der Frage geschah. So existieren beispielsweise in einer so
grofeen Stadt, wie Moskau, bis jetzt weder öffentliche Spiel-
plätze, noch Turnhallen; das wenige, welches wir Privatunter-
nehmungen verdanken, könnte höchstens den Bedürfnissen einer
Provinzialstadt, nicht aber denen einer Residenz genügen.
Wie oberflächlich und rein formell das Verhalten unserer
Krön- und Privatschulen zur körperlichen Ausbildung der
lernenden Jugend bisher gewesen ist, mögen folgende Daten
illustrieren. Noch zu Anfang dieses Jahrhunderts waren in
den Unterrichtsanstalten keinerlei Turngeräte vorhanden, und
es war schon viel wert, dafs die Aufstellung von Kletter-
gerüsten gestattet wurde, welche in den Zwischenstunden
251
den Schülern zur Benutzung freistanden. In den dreißiger
Jahren wurde zum Zwecke der Einführung der sogenannten
.deutschen" Gymnastik ein besonderer Turnlehrer für die
Militärschulen nach Petersburg berufen. Ähnlich verfuhren
mehrere Bürgerschulen, die bei dem Mangel an fachmännisch
gebildeten Turnlehrern den Turnunterricht verabschiedeten
Unteroffizieren übertrugen. Trotzdem das Unzulängliche dieses
Vorgehens bald erkannt wurde, geschah doch nichts, um
dem Niedergange des Turnens entgegenzuarbeiten, und das-
selbe beschränkte sich während unserer Schulzeit gegen Ende
der fünfziger Jahre lediglich auf Marschübungen. In den
sechziger Jahren wurde der gymnastische Unterricht aufs neue
in den Schulen eingeführt, doch mit der Bestimmung, dafe
ihm eine halbe Stunde der sogenannten „langen Rekreation"
gewidmet sein sollte. Er fiel somit in die Frühstückspause
und in die einzige Erholungszeit der Schüler zwischen fünf
Lehrstunden. Nicht günstiger lagen die Verhältnisse in den
Madchenschulen. Hier wurde der Turnunterricht auf die
freien Abendstunden verlegt, und in dieser zu späten
Tageszeit (8, sogar 9 Uhr abends) fehlte es natürlich den schon
ermüdeten und ruhebedürftigen Schülerinnen an der erforder-
lichen körperlichen und geistigen Frische.
Die Steigerung der pädagogischen Anforderungen hatte
eine Erweiterung des Lehrprogrammes zur Folge, und nun er-
hoben sich Klagen über Ermüdung und Schwäche der
lernenden Jugend, Erscheinungen, welche von den Ärzten in
ursächlichen Zusammenhang mit der Vernachlässigung der phy-
sischen Erziehung gebracht wurden. Dieser Hinweis bewirkte
die Gleichstellung der Gymnastik mit den wissenschaftlichen
Disciplinen. Für jede Schulklasse wurden Gymnastikstunden
in vermehrter Anzahl dem Lehrplane eingefügt, auch programm-
mäfeige Sohulspaziergänge angeordnet und in einigen Schulen
sogar besondere Turnhallen und Spielplätze eingerichtet.
Damit war ein hoflhungverheifsender Anfang gemacht, und
man konnte sich gute Erfolge auf der eingeschlagenen Bahn
versprechen. Da traten jedoch gegen alles Erwarten dieselben
17*
252
Ärzte, die noch wenige Jahre vorher so warm für die obli-
gatorische Einführung der Schulgymnastik plaidiert hatten, als
Gegner der bei derselben unentbehrlichen Apparate auf,
und neuerdings ist in einer pädagogischen Zeitschrift sogar ein
Artikel unter der Überschrift: „Über die Schädlichkeit der
Gymnastik" erschienen.
Die Thatsache, dafs unter den Vertretern gerade der hier
kompetenten Medizin Meinungsverschiedenheiten herrseben,
muifl unsere Schulmänner um so mehr in ein Dilemma bringen,
als die Gymnastik bei uns noch nicht derartige Erfolge hat
zeitigen können, daJs ihr eine allgemeine Anerkennung gesichert
wäre. Noch schädlicher muis jene Thatsache auf das gröbere
Publikum einwirken , denn bei der Indolenz des russischen
Charakters bedarf es ohnehin eines gründlichen AnstoJses,
z. B. der Erkrankung des Kindes, um die Aufmerksamkeit
der Eltern auf die körperliche Entwickeking desselben zu
lenken. Nun ist ein willkommener Vorwand gegeben, die
kaum beregte Frage wieder ruhen zu lassen; die Gymnastik
soll ja schädlich seinl
Unserer Ansicht nach haben zwei Momente jene Meinungs-
differenz über den Wert des Turnens bedingt. Erstens ist die
hohe Bedeutung desselben nicht genügend erkannt und ge-
würdigt worden, und zweitens haben bei der außerordentlichen
Armut der russischen medizinischen Litteratur an Arbeiten
über physische Erziehung zwei Werke eine ominöse Bedeutung
gewonnen, nämlich Lbshaft: „Lehrbuch der physischen Er-
ziehung des Kindes im Schulatter" und Lagrange: „Die Hygiene
der körperlichen Übungen in der Kindheit und Jugend".1 ja
beiden Werken wird die Wirkung der gymnastischen Apparate
kritisch beleuchtet und für ein gewisses Alter und gewisse
Verbältnisse als irrationell, ja nachteilig bezeichnet. Lbshaft
geht sogar so weit, die Turnapparate vollständig beseitigen
zu wollen.
1 Im Rassische übersetzt vom „Ernehungsbotenuf Westmk tfOf-
pitanya.
253
Hierzu kommt noch eine ganz falsche Auffassung von
dem Wesen der Gymnastik ; wird sie doch noch vielfach, und
leider nicht nur von der grofsen Menge, mit jenen Akrobaten -
kfinsten, etwa am Seil, Trapez oder Barren, identificiert, welche
uns im Cirkus vorgeführt werden.
Es bedarf wohl kaum einer längeren Ausführung, dafs
eine derartige Auffassung falsch ist und dafs das Wesen der
Gymnastik in der rationellen Anwendung aller jener Momente
liegt, welche, dem Alter, der Leistungsfähigkeit und
der individuellen Anlage entsprechend, die unge-
hinderte harmonische Entwickelung des menschlichen
Organismus zu fördern im stände sind. Schon die Etymologie
des Wortes „ Gymnastik tf deutet auf die Richtigkeit dieser
Anschauung hin.
Lbshaft hat vollkommen recht mit der These, dals im
alten Griechenland die körperliche Erziehung der Jugend eine
geradezu ideale Vollkommenheit erlangt hatte. Zur Begründung
dieses Urteils sei mir ein kurzer Überblick über die Geschichte
der Gymnastik gestattet.
Die griechischen und römischen Krieger standen dem
Feinde Mann gegen Mann gegenüber. Bei dieser Kampfesweise
handelte es sich vor allem um körperliche Kraft und
Gewandtheit, der Intellekt kam erst in zweiter Linie in
Betracht. Darum lag der Schwerpunkt der körperlichen
Schulung im L a u f und Wurf. Hieran schlössen sich Übungen
im Ringen, Faustkampf, Springen, Reiten u. s. w., ferner
Gladiatorenkämpfe, Kampfübungen zu Wasser und zu Lande,
Kämpfe mit wilden Tieren (venatio, pugna ferarum), Kriegs-
spiele, wie „ludi seviralestt und „Indus Trojae", und schließlich
die olympischen und pythischen Spiele, welche letzteren ganz
besonders geeignet waren, eine hohe Entwickelung körperlicher
Kraft und Gewandtheit zu fördern.
Anders stand es im Mittelalter. Hier sehen wir bei dem
Stieben nach geistiger Vervollkommnung die Pflege des Körpers,
wenn auch keineswegs vollständig, so doch mehr und mehr
in Vergessenheit geraten. Nichtsdestoweniger tauchte schon
254
damals die Anschauung auf, dafs die Vernachlässigung des
Leibes die Entwickelung der Jugend ungünstig beeinflusse,
und das Bedürfnis nach Abhilfe fand im 15. Jahrhundert
seinen Vertreter in Vegius.1 Auch Luther1 trat für obli-
gatorische Einfuhrung des Turnens und Fechtens in den
Schulen ein.
In der darauffolgenden Zeit werden schon Mittel und
Wege angegeben, um die Leibesübungen wieder zu Ehren
zu bringen, so bei Babelais (16. Jahrhundert) in semer
Dichtung „Gargantua" , welche die physische Erziehung eines
Knaben zum Gegenstande hat.* Ferner betont Rousseau, indem
er die Erziehung der Mädchen bespricht, dafs diese in ähn-
licher Weise gegen äuJsere Einflüsse abgehärtet werden müßten,
wie die Knaben, wobei jedoch auf ihre zartere Konstitution
Rücksicht zu nehmen sei. Die Vorkämpfer für unsere moderne
Gymnastik, Guts-Muts4 und dessen Schüler Vieth, arbeiteten
eine ganze Reihe methodischer Leibesübungen aus und em-
pfahlen in ihren Schriften das Klettern, Balancieren u. s. w.
Der Vater unserer Turnkunst aber ist bekanntlich Jahn,
weloher im Jahre 1810 einen Schülerkreis um sich scharte,
um die Jugend zur Vaterlandsverteidigung tüchtiger zu
machen. Die von ihm geleiteten Übungen wurden im Freien
ausgeführt und trugen anfangs den Charakter eines Sports ; mit
dem beständigen Wachstum der Schülerzahl aber gewann das
Turnen als solches mehr und mehr Boden in Gesellschaft und
Schule. Jahn hat den größten Teil der noch jetzt üblichen
Turnapparate erfunden, sein Buch über das Turnen6 ist in
die meisten europäischen Sprachen übersetzt, und seine Gym-
nastik, die „deutsche" genannt, herrscht bis zum heutigen
1 Lfshaft, Leitfaden für die physische Erziehimg. Petersburg, 1888,
S. 69 (Russisch).
f Leshaft, I, S. 70.
s Lebhaft, I, S. 78—83.
4 Guts-Muts, Friedrich, Turnbuch für die Sohne des Vaterlandes.
Frankfurt a. M, 1817.
5 Jahn, Ludwig, Beutsehe Turnkunst Berlin, 1847.
!
255
Tage ziemlich unverändert in Deutschland. Seine Lehren
fanden in Frankreich durch Amaurose, in der Schweiz und
Italien durch Clias und in Dänemark durch Nachtigall
Weiterverbreitung.
Die deutsche Jugend nahm die neue Lehre begeistert auf
und beteiligte sich so rege an der Gymnastik, dafa den Turn-
vereinen politische Tendenzen untergelegt wurden. Das Miß-
trauen der Regierung und ihrer Vertreter war damit geweckt;
so dafis es auf Antrag eines gewissen Massmann am 14. Ok-
tober 1817 zu einer öffentlichen Verbrennung der Schriften
über das Turnen kommen konnte. Die Ermordung Kotzsbubs
hatte die Aufhebung aller Turnvereine und Jahns Festungs-
haft zur Folge; erst das Jahr 1846 befreite diesen von der
über ihn verhängten Polizeiaufsicht.
Fast gleichzeitig mit Jahn wirkte im Norden Europas
Lingg, der Begründer der schwedischen Heilgymnastik. Von
demselben nationalen Streben beseelt, wie Jahn, machte er
das Studium und die Einführung des Turnens zu seiner
Lebensaufgabe. Nach Absolvierung der theologischen Fakultät
auf der Universität Upsala im Jahre 1813 gelang es dem
allgemein geachteten Dichter, die Konzession zur Errichtung
eines „Centralinstituts für Gymnastik" in Stockholm auszu-
wirken. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Linggs Kenntnis
der altchinesischen Schriften des Coneuoius von wesentlichem
Einflüsse auf sein System der Gymnastik gewesen.
Während Jahn das Hauptgewicht auf Turnapparate legt
and in erster Linie die körperliohe Entwicklung der Knaben
nach dem 14. Lebensjahre sich zum Ziele setzt, kommt Linggs
Gymnastik den Kindern aller Altersstufen ohne Rücksicht auf
das Geschlecht zu gute. Bei dem System des letzteren dienen
die wesentlich vereinfachten Turngeräte nur als Mittel zum
Zweck. Riege, Barren, Trapez und Drehseil sind ausgeschlossen,
denn nach Lingg mufs der Kraftaufwand einer in Thätigkeit
gesetzten Muskelgruppe weniger durch Apparate, als duroh
richtige Körperstellung des Turnenden unterstützt werden.
Daher sind hier die Freiübungen mit ihren verschieden-
1
266
artigen Ausfallstellungen vorherrschend, ebenso die sogenannten
Doppelbewegongen mit Widerstand.
Ans diesem flüchtigen Überblicke ist ersichtlich, daß die
schwedische Gymnastik systematischer ist, indem sie dem
Alter und der Konstitation des Individuums methodisch an-
gepafst werden kann. Lmaos Princip „Lieber zu wenig,
als zu viela kommt, wie schon angedeutet, auch bei der
Benutzung der Turngeräte voll zur Geltung. Im Kindesalter
dienen sie mehr dem Vergnügen und beschränken sich haupt-
sächlich auf einfache Klettergerüste, während der reiferen
Jugend eine gröfsere Auswahl von Geräten geboten ist; die
dem Turner durch die Apparate gestellten Aufgaben werden
in allmählicher Stufenfolge schwieriger und dienen daher
gleichzeitig zur Kontrolle der physischen Leistungsfähigkeit.
Nach Linogs Tode im Jahre 1839 übernahmen dessen
Schüler das Erbe ihres Meisters und haben dem „Central-
institut für Gymnastik u eine solche Bedeutung verschafft, dafs
es nicht nur für ganz Schweden, sondern auch für das Ausland
technisch und wissenschaftlich geschulte Turnlehrer heranbildet.
Die LiNGGsohe Methode ist in allen Staats- und Privatlehranstalten
Schwedens obligatorisch eingeführt. Als Turnlehrer fungieren
vornehmlich aktive Offiziere, welche die erforderliche Fach-
bildung in jenem Centralinstitute erhalten haben. Deutsch-
land schickte den Major Rothstein nach Stockholm, um die
schwedische Gymnastik an Ort und Stelle zu studieren. Die
Vorzüge dieser Methode voll anerkennend/ plaidierte Rothstein
für deren Einfuhrung in die deutschen Schulen. Seine Ab-
handlungen über pädagogische Gymnastik1 nehmen noch heute
eine hervorragende Stelle in der Faohlitteratur ein.
Ein noch eifrigerer, ja begeisterter Vorkämpfer für das
schwedische System ist Nbumann,* dessen umfangreiches Werk
1 BoTHSTinf, Die Gymnastik nach dem System des schwedischen
Gymnasiarchen Lingg. Berlin, 1859. Derselbe, Die gymnastischen Frei-
übungen. Berlin, 1861.
* A. Nbuvann, Lehrbuch der Leibesübungen des Menschen. 4 Bde.
257
hauptsächlich der Heilgymnastik gewidmet ist. Spiess1 behält
neben den Freiübungen das Turnen an Geräten bei, verbindet
mithin beide Systeme, wobei er die Übungen je nach den
rerechiedenen Altersklassen modifiziert. Letzteres System,
kombiniert mit den KLOSSschen* Principien, ist für alle deut-
schen Schulen malsgebend.
Frankreich ist dem Beispiele Deutschlands gefolgt. Die
Sehulgymnastik wird dort nach Spiess, vielfach auch nach
Jahn gehandhabt, denn, wie Lagrange mitteilt, legt man das
Hauptgewicht auf das Turnen an Geräten. Die allgemeine
Vorliebe der Franzosen für letztere dokumentiert sich auch
darin, dafs fast in jeder Wohnung Turnapparate, zum mindesten
Ringe oder Trapeze, sich vorfinden und dafs in Frankreich
die Herstellung von Turngeräten fabrikmäßig betrieben wird.
Die Schul Verhältnisse Englands bedingen einen anderen
Modus der physischen Erziehung. In den Unterrichtsanstalten,
die meist Internate sind, kommt auf 22 — 25 wissenschaftliche
Lehrstunden wöchentlich eine gleiche Anzahl Freistunden, die
dem Sport, dem Spiel und der Ausübung verschiedener Hand-
werke gewidmet sind. Jede besser eingerichtete Schule verfügt
über eigene Turnhallen und Spielplätze, und wöchentlich* sind
2—3 Stunden ausschliefslioh für das Turnen bestimmt, das nach
dem schwedischen Systeme ausgeübt wird.
Wie schon erwähnt, ist bei uns in Rufs 1 and die körper-
liehe Ausbildung seitens der Schule bisher äußerst mangelhaft
betrieben. Wurde auch hin und wieder geturnt, so geschah es
doch blofe nach der Schablone oder nach dem Gutdünken des
Lehrers. Selbst in den Militärschulen fand die Gymnastik
bot geringe Förderung. Einige recht mittelmäßige Hand-
bücher über das Turnen ist alles, was unsere Fachlitteratur
bisher aufzuweisen hatte, und daher ist für Rufsland Professor
Lkhafts Abhandlung von epochemachender Bedeutung ge-
worden. Zum Direktor einer Turnlehranstalt ernannt, widmete
1 Adolf Spiess, Bas Turnen in den Freiübungen für beide Gt-
wWofeer. Basel, 1867.
* H. Klos8, Die weibliche Turnkunst Leipzig, 1855.
258
der Genannte sich voll Hingabe seinem Berufe, konnte es
aber nicht verhindern, daJGs seine Schule schon nach kaum
zweijährigem Bestehen wieder einging.
Leshafts Schriften sind für jeden, der sich für das
Turnen interessiert, durch ihren wissenschaftlichen Ernst
empfehlenswert. Ausführlich ist die historische Seite behandelt.
Alle Methoden sind genau beleuchtet und richtig kritisiert.
Als Anatom von Fach legt er seiner Beurteilung einen
anatomischen Satz zu Grunde, n&mlioh den, dals die eine
aktive Kraft ausübenden Organe ebenso, wie die sie be-
herrschenden bewußten Gehirncentren, paarig sind.
Diese Organe haben eine verschiedene Bestimmung.
Während die unteren Extremitäten zur Stütze und Fortbewe-
gung des Körpers dienen, vermitteln die oberen die Beziehungen
zur Außenwelt. Die Ausbildung beider mnJs daher gleich-
falls eine verschiedene sein. Bei den gymnastischen Exercitien
dürfen z. B. die oberen Extremitäten nie als Stütze des
Rumpfes verwandt werden, und es sind daher alle Apparate,
bei denen Übungen mit den Stützpunkten in den oberen
Extremitäten vorwalten, eo ipso zu verwerfen. Da Lebhaft
die altgriechische Erziehungsweise zum Vorbilde für unsere
moderne Gymnastik nimmt, betont er in erster Linie Lauf-
und Wurfbewegungen, hauptsächlich also Ballspiele und ähn-
liche Übungen, überhaupt alle Spiele im Freien. Bei der
Gegenüberstellung der einzelnen Systeme kommt er zu dem
naheliegenden Schlüsse, dals unter allen besprochenen das
schwedische das konsequenteste und rationellste sei. Auf
Seite 231 schildert derselbe eine „Turnstunde nach LlNoe"
in der Jakobischule und schliefst mit den Worten: „Nicht
eine einzige dieser Übungen bedingte einen forcierten Kraft-
aufwand, so dafs am Schlüsse der Stunde keine der Schülerinnen
Ermüdung oder gar Erschlaffung zeigte."
Die im Jahre 1889 erschienene „Hygiene der Körper-
Übungen^1 von Lagbange, nach des Verfassers eigenen Worten
1 P. Lagranok, Hygüne des exereices du oorpe. Paris, 1889.
259
eine Fortsetzung, bezw. praktische Erläuterung seiner früheren
Werke/ ist allerdings frisch und spannend geschrieben, steht
aber an wissenschaftlicher Tiefe dem Werke Leshafts weit
nach. Denn Lagranges Deduktionen sind nicht objektiv,
vielfach paradox und entsprechen oft keineswegs den Prämissen.
Zwar betont derselbe mit vollem Rechte die Notwendigkeit,
das Turnen dem Alter und Geschlechte der Jugend anzu-
passen und für kleinere Kinder die Übungen an Geräten,
weil für das Kindesalter nicht anwendbar, ja schädlich, aus-
zuschließen, doch ist dieser Gedanke, wie wir gesehen haben,
nicht neu.
Lagrangb teilt die Turnübungen in natürliche (hygie-
nische) und künstliche (athletische) ein. Zu den letzteren
zählt er alle Übungen an Turnapparaten und verwirft daher
diese für das frühere Kindeealter, während er sie bei Kindern
über 14 Jahre für zulässig und sogar für vorzüglich zur
Entwickelung eines kräftigen Muskelsystems hält.
Fafst man nur die in der deutschen Gymnastik üblichen
Geräte, wie Hinge, Barren, Trapez, ins Auge, so könnte man
Lagbahge schließlich recht geben, wenn er diese Art des
Turnens eine künstliche nennt. Dieselbe Bezeichnung aber
auch auf das schwedisohe System anwenden zu wollen, bewiese,
dals die LAGRANGBsche Einteilung selbst eine gekünstelte ist.
Bei der Beschreibung der Übungen an den einzelnen Turn-
spparaten werde ich diese meine Behauptung begründen.
Obgleich Lagrangb ferner die Freiübungen als solche für
methodisch und zweckentsprechend hält und ihnen volle Anerken-
nung zollt (S. 49), sucht er doch gleichzeitig zu beweisen, dafs sie
äusserst langweilig seien, weil sie den Kindern nicht die erfor-
derliche Anregung zu bieten vermögen, „da die bei derartigem
Turnen zu beobachtende Disciplin und Aufmerksamkeit die
ohnehin übermüdete Gehirnthätigkeit noch mehr alteriere, statt
sie zur Buhe kommen zu lassen. tf Bei einer solchen Stellung-
nahme ist es erklärlich, dafs nur die Spiele in den Augen des
1 F. Lageavqe, Physiologie des txercice* du corps. Paris, 1888.
260
Verfassers Gnade finden als einzige methodische Grundlage
für die natürlichen (hygienischen) Bewegungen.
Dabei abstrahiert Lagrange gänzlich von irgend einem
bestimmten Programm, wie wir es z. B. bei Leshaft finden,
als ob es möglich wäre, die brennende Frage der physischen
Erziehung durch Spiele allein ihrer Lösung näher zu bringen.
Gerade die zwei oben oitierten Werke Lagranges haben
meiner Ansicht nach durch ihre blendende Diktion und geist-
reiche, wenn auch nicht immer logische Beweisführung einen
Teil unserer Ärzte soweit beeinflufst, daJs diese nun auch
ihrerseits jene Schlagworte, wie: „Das Turnen ist irrationell"
oder „Die Gymnastik ist schädlich", nachbetend auf ihr Panier
geschrieben haben.
Meine jüngeren Kollegen vor ähnlicher Übereilung zu
warnen, ist der Zweck dieser Zeilen. Eine mehr als zwanzig-
jährige orthopädische Praxis hat in mir die Überzeugung ge-
festigt, dafs eine vernünftige und methodische Übung
des Muskelsystems dieses letztere und damit den
Gesamtorganismus unbedingt auf das heilsamste
fördert Ich kann nur tief bedauern, daJs hierüber nicht
eine Stimme herrscht, denn bei unseren eigenartigen klima-
tischen und socialen Verhältnissen mufs eine Gegenströmung auf
die ohnehin noch nicht recht in Flufe geratene Angelegenheit
der physischen Erziehung den denkbar ungünstigsten Einfluß
üben, und das gerade jetzt, wo die Erkenntnis des Nutzens
und der hohen Bedeutung körperlicher Übung allmählich
wenigstens soviel Boden gewonnen hat, dafs das Turnen
an verschiedenen Stellen eingeführt wurde und nun bald
durch seine praktischen Resultate für sich selbst hätte
plaidieren können. Denn der Gymnastik genügt nicht die
Theorie allein, und sei sie noch so geistreich ausgeklügelt,
sie ist eine durchaus praktische Wissenschaft Langjährige
Erfahrung allein ist im stände, nachzuweisen, dafs jene un-
erwünschten Erscheinungen, die von den Gegnern des Turnens
dem Princip zur Last gelegt werden, lediglich von der un-
rationellen Anwendung dieses Principes herrühren.
261
Kor die Einwürfe, die gegen die schwedische Gym-
nastik erhoben worden sind, will ich zu widerlegen suchen.
Halte ich diese Methode auch nicht für unanfechtbar, so hat
sie sich doch immerhin auf durchaus gesunder Basis ent-
wickelt, verfolgt ein richtiges Ziel und kann unseren
Lebensbedingungen in Schule und Haus erfolgreich angepafst
werden.
1. „Die Gymnastik", so sagt man, „sei unrationell,
weil ihr die anatomisch- physiologische Grundlage
fehle".
Weil die Bewegungsorgane des Menschen schon durch
ihren Bau auf ihre verschiedene Zweckbestimmung hinweisen,
sind nach Leshaft, wie wir oben zeigten, alle Übungen, bei
welchen die oberen Extremitäten als Stütze des Rumpfes
dienen, verwerflich. Denn diese würden durch derartige
Übungen auf Kosten ihrer natürlichen Gewandtheit gekräftigt.
Diesem Hauptargumente Leshafts gegen die Gymnastik
kann ich nur bedingt zustimmen. Könnte ich doch Fälle in
Menge anführen, wo trotz ungewöhnlicher Entwickelung der
Muskelkraft, etwa der Hände, diese letzteren die ihnen eigene
Gewandtheit nicht nur nicht einbüfsten, sondern sogar noch
erstaunlich steigerten. " Es sei nur auf den Akrobaten und
Jongleur hingewiesen, bei dem ungewöhnliche Kraft der Hände
vereint ist mit überraschender Geschicklichkeit derselben.
Niemand hat ferner den Beweis zu liefern versucht, dab eine
starke Muskelentwickelung des Schultergürtels das Zeichnen oder
Schreiben ungünstig beeinflusse.
Auch sind Beispiele, in denen die oberen Extremitäten zur
Stütze des Rumpfes bezw. der unteren Gliedmafsen dienen, im
gewöhnlichen Leben nicht selten. Fassen wir das Kind in
seinem ersten Lebensjahre ins Auge. Beim Kriechen und
Aufstehen desselben haben die oberen Extremitäten die ganze
9
Last des Rumpfes zu tragen ohne nachweisbar sohädliche Folgen»
AuJserdem gibt es manche Spiele, bei denen sich dieselbe
Erscheinung konstatieren läüst. Auch die griechische Gym-
nastik, welche Leshaft die „klassische" nennt, weist unter
262
anderem eine Sprungübung auf, bei welcher den stützenden
Händen das gesamte Körpergewicht zugemutet wird.
Es kommt hier eben alles auf das Hauptziel der Päda-
gogik, die harmonische Entwickelung an. Kraft und Gewandt-
heit dürfen nicht einseitig geübt, sondern müssen gemeinschaft-
lich herangebildet werden. Ich führe mit Leshaft als Beispiel
den Affen an, bei dem die unteren Extremitäten nach dem
Typus der oberen gebaut sind, und der mit Hilfe der-
selben ebenso gewandt läuft und springt, wie greift und
schleudert. Dieselbe Aufgabe hat man bei den Übungen des
menschlichen Körpers im Auge zu behalten. Die Gliedmaßen
müssen gleichzeitig stark, d. h. fest in den Gelenken und
gewandt, d. h. leicht beweglich sein. Um sie zu stärken, sind
gewisse Übungen, um sie gelenkig zu machen, andere erforderlich.
In Bezug auf Freiübungen stellt Leshaft die Behauptung
auf, dafs sie nicht anatomisch-physiologisch begründet, sondern
nur empirisch ausgearbeitet sind. Wenn wir dem auch zu-
stimmen mögen, so sind wir deswegen doch nicht zu der Behaup-
tung berechtigt, dafs sie wertlos seien. Die Methoden der
Freiübungen sind ebenso wie die Kegeln der schwedischen
Gymnastik von ernsten Denkern in Vorschlag gebracht worden
und haben sich nun schon ein Jahrhundert hindurch praktisch
bewährt. Es dürfte in unserer Zeit richtiger sein, diesem
empirischen Verfahren eine wissenschaftliche Grundlage zu
geben. Sehen wir doch ähnliches auoh in der Medizin: die
Krankheit wird mit diesem oder jenem Mittel erfahrungs-
gemäß behandelt, und oft findet sich erst sehr viel später die
theoretische Erklärung für den Erfolg des klinischen Handelns.
Im Gegensatz zu Leshaft erklärt übrigens Lagrange die
Freiübungen rundweg für zweckentsprechend und rationell.
2. „Die Gymnastik unserer Zeit", so heifst es
weiter, „sei unsystematisch, man könne sie für die
methodische Entwickelung des Körpers nicht ver-
werten. Die Übungen an den Geräten erforderten
eine derartige Kraftanstrengung, wie sie bei vielen
schwachen Kindern nicht zulässig sei."
263
Diese Auffabung beweißt nur eine ungenügende Bekannt-
schaft mit den Apparaten der schwedischen Gymnastik. Dort
gibt es längst nicht mehr Barren, Ringe und Trapeze. Die
bei den Schweden üblichen Gerätschaften sind auch für
schwache Kinder sehr wohl zu brauchen, wie ich bei der
näheren Betrachtung derselben nachzuweisen hoffe. Was
ferner den Vorwurf der Systemlosigkeit für das schwedische
Turnen betrifft, so können die Ordnungs- und Freiübungen,
wenn sie konsequent und mit Sachkenntnis ausgeführt werden,
auch den strengsten Systematiker befriedigen. Man hat stets
mit den einfachsten und leichtesten Übungen zu beginnen und
stufenweise zu den komplieierteren und schwereren über-
zugehen.
3. „Die Gymnastik sei langweilig", behaupten
Lag&angb und die übrigen Gegner des Turnens. Um das zu
beweisen, greifen sie zu folgendem Kunstgriff: sie beschreiben
auf der einen Seite das begeisterte Spiel der Kinder in freier
Luft, auf der anderen Seite eine lange Reihe von gymnastischen
Bewegungen unter der Leitung eines apathischen Lehrers in
engem, dumpfem Räume. Eine derartige Beweisführung kann
nicht überzeugend sein, denn man vermag mit gleichem Rechte
auch das Gegenteil darzuthun. Ich will nicht daran zweifeln,
dafe diejenigen die Wahrheit reden, welche die Schüler in
einer Turnstunde ermüdet und gelangweilt gesehen haben,
bitte aber auch mir zu glauben, dafe dieses durch die Zeit
und Umgebung, hauptsächlich aber durch die ungenügende
Sachkenntnis und Thatkraft des Lehrers bedingt war. Leshaft
beschreibt eine Turnstunde in einer schwedischen Volksschule
und sagt, dafs die Kinder durchaus nicht gelangweilt oder
ermüdet, sondern im Gegenteil belebt erschienen und eine
erhöhte Atmungsfrequenz aufwiesen. Ich selbst kann noch
mehr sagen. Nach einer regelrecht geleiteten Turnstunde in
entsprechender Umgebung sind die Kinder stets frisch und
lebhaft; ihre Wangen sind hochgerötet, und ihre Augen blitzen
gerade so, wie Lagrange es nach regelrecht geleiteten Spielen
beschreibt. Auch ich habe Turnstunden in schwedischen
264
Schulen beigewohnt und muls bezeugen, dafs dieselben nicht
nnr für die Turnenden selbst, sondern auch für die Zuschauer
ein wahres Vergnügen waren. In Moskau haben wir Schulen,
in denen die Gymnastik die Lieblingsbeschäftigung der Schüler
bildet und der Ausschlafe von der Turnstunde als Strafe an-
gesehen wird. Dasselbe gilt für meine Gymnastikschule. Es
gibt in der schwedischen Gymnastik eine ganze Reihe von
sogenannten Vergnügungsübungen, die zum Zweck haben,
Heiterkeit und Lachen zu erregen und dadurch, wenn nötig,
die Klasse aufzufrischen. Ich wiederhole, dafs alles darauf
ankommt, wie man die Sache anfafst. Für kleine Kinder
dürfen die Turnstunden nur Spiel sein, dessen Beigabe in
einigen Übungen und wenigen Geräten besteht. In vorgerück-
terem Alter sind systematische Leistungen erforderlich, und den
Schülern muJs Interesse für gewisse, ihren Kräften entsprechende
gymnastische Aufgaben eingeflöfst werden. Auf diese Weise
gelingt es auch ganz von selbst, die Aufmerksamkeit der
Jugend zu fesseln.
4. „Die auf Kommando auszuführenden gym-
nastischen Übungen böten nach geistiger Arbeit
keine Erholung, sondern ermüdeten erst recht und
seien eigentlich nur im stände, die Muskulatur zu
kräftigen." Die Behauptung, dafs das Gehirn beim Turnen
ermatte, ist zuerst von Lagrange aufgestellt worden, wahr-
scheinlich nur, weil er Turnstunden unter den ungünstigsten
Verhältnissen besucht hatte. Die meisten Autoren, sowie alle
diejenigen, welche mit der Sache praktisch vertraut sind,
sprechen sich jedoch dahin aus, daJs nach geistiger Arbeit
körperliche Bewegung das beste Mittel ist, um das ermüdete
Gehirn wieder aufzufrischen. Dies labt sioh ja auch sehr wohl
verstehen. Die Bewegungen werden vorherrschend von den
Extremitäten ausgeführt und rufen eine gröJsere Blutzufohr
nach denselben hervor; zugleich verstärken sie den Atmungs-
prooefe und bedingen so eine Bereicherung des Blutes an Sauer-
stoff. Sie haben daher einerseits den Abfluüs des ungenügend
oxydierten Blutes vom Gehirn, andererseits die Auffrischung
265
des Gehirns durch eine energischere Oxydation des Blutes
zur Folge.
Was die Ansicht anbetrifft, dafe durch das Turnen nur
die Muskulatur gestärkt werde, so brauchen wir uns kaum
lange bei derselben aufzuhalten. Dubois-Reymond hat gezeigt,
dafe jede körperliche Übung die nervösen Centralorgane an
ein zweckmässiges Dirigieren, die Muskeln aber daran gewöhnt,
möglichst leicht und schnell den vom Gentrum gegebenen
Impulsen zu gehorchen. Er weist klar und deutlioh nach,
dafe bei geläufigem Vortrag eines Musikstückes, beim Zeichnen
und Malen das Gehirn entsprechend beteiligt ist und mit der
technischen Vervollkommnung des Ausfuhrenden sich auch
selbst vervollkommnet. Daraus folgt unzweifelhaft, dafs in
den Centralorganen zwei Eunktionssphären getrennt sind, die
psychisch-intellektuelle und die motorische, und dafe sie sich
antagonistisch zu einander verhalten. Indem wir die eine
zur Bethätigung bringen, geben wir der anderen Ruhe.
Die Behauptung, dafe die Entwickelung der Muskulatur
noch nicht eine Kräftigung der Gesundheit bedeute, ist noch
von niemandem bewiesen worden; und dafs zur Arbeitsleistung
des Muskels nicht auch Kraft notwendig sei, ist die persönliche
Meinung Lbshafts, die, soviel ich weife, von keinem anderen
geteilt wird. Die Erfahrung lehrt vielmehr, dals, wenn die
Muskulatur sich kräftigt, alle vitalen Funktionen sich heben,
mithin die Gesundheit des Betreffenden gebessert wird.
Schon die alten Physiologen haben nachgewiesen, dals die
Entwickelung der Muskeln auch dem Wachstum der dazu
gehörigen Knochen und sogar der benachbarten Organe zu
gute kommt. Umgekehrt bedingt eine schwache und schlaffe
Muskulatur eine Hemmung im Wüchse der Knochen und
der Nachbarorgane (Fiok, Gudden). So kommt es, dafe die
Kinder bei Mangel an körperlicher Übung mager sind und in
die Länge wachsen, bei regelrechter physischer Ausbildung
dagegen zunehmen und breiter werden.
5. „Die gymnastischen Übungen erreichen nicht
ihr Ziel, da sie in engen Bäumen stattfinden, wo die
BdnlgMimdbettqrfltfe VI. IS
386
Turner Staub und verdorbene Luft einatmen, so dafß
die wohlthuende Wirkung der beschleunigten Respi-
ration verloren geht und keine genügende Oxydation
des Blutes erfolgt." Dieser Einwand ist ohne Zweifel
insofern berechtigt, als unter den genannten Bedingungen dss
Turnen allerdings seinen Zweck nicht erreicht. Ist hieran aber
die Gymnastik an sich schuld? Unter gleichen Umständen
müssen doch wohl auch die Spiele ihren Zweck verfehlen.
Schafft dem Turner ein zweckentsprechendes Lokal, beseitigt
den Staub und sorgt für gute Ventilation, .und er wird gesunde
Luft atmen.
6. Lebhaft weist den Gebrauch von Turngeräten
ganz zurück, Lagrange läfst dieselben bei Er-
wachsenen und bei kräftigen Schülern zu. Der entere
hält sie, wie gesagt, vom anatomischen Standpunkte für
irrationell, nach der Meinung Lagrangbs sind sie zu anstrengend.
Wenn der letztere hierbei jene Gymnastik im Auge hat, die zu
Beginn dieses Jahrhunderts durch Amaurose in Frankreich
eingeführt wurde, so haben seine Angriffe eine gewisse Berech-
tigung. Noch mehr müssen wir ihm beipflichten, wenn er
sich gegen die Apparate wendet, welche so vielfach in Gärten
und Kinderzimmern hängen, wie Trapeze, Ringe und Strick-
leitern, da ein unvernünftiger, nicht ärztlich kontrollierter
Gebrauch derselben den Kindern in der That ernstlich schaden
kann. Bei rationeller Anwendung leisten jedoch die Turn-
geräte der physischen Entwicklung hohen Vorschub. Dieß
ist z. B. in der schwedischen Gymnastik der Fall, wo das
Gerätturnen eine Nebenrolle spielt und mehr zur Aufmunterung
dient. Der Umstand, dafis der Turner einen Fortschritt seiner
Gewandtheit mit Hilfe der Geräte konstatieren kann und an
diesen seinen Erfolgen Freude hat, gehört, wie Lebhaft selbst
zugibt, mit zu den stärksten Triebfedern seiner weiteren Aus-
bildung.
Bei den sonstigen Einwendungen gegen die Gymnastik,
die den Charakter rein persönlicher Ansichten tragen, will
ich nicht länger verweilen. Hierher gehört die Behauptung,
267
das Turnen habe keinen Einfluß auf die Entwiokelnng des
kindlichen Brüßtkorbes. Die tägliche klinische Beobachtung
widerlegt dies aufs glänzendste. Ganz wunderbar erscheint auch
Lag&angks Erklärung, dafe gymnastische Übungen vermehrten
Blutznflufe zu den Epiphysen der Knochen hervorrufen und da-
durch zu Erkrankungen Anlafe geben können. Wie wäre daß
wohl zu verstehen ? Durch Spiele wird eine stärkere Blutzufuhr
zu den Lungen erzeugt, was durchaus erwünscht ist, da hier-
durch die Ernährung sich hebt. Eine verstärkte Blutzufahr
zu den Epiphysen dagegen soll zu Erkrankungen disponieren.
Das wäre doch nur möglich, wenn gleichzeitig Kontusionen
stattgefunden hätten, für die jedoch die Gymnastik an sich
nicht verantwortlich ist.
Wenn ich die Vorzüge der schwedischen Gymnastik
als Hilfemittel der physischen Erziehung betone, so bin ich
doch weit entfernt davon, den Nutzen und die Bedeutung der
Spiele für denselben Zweck in Abrede stellen zu wollen. Ich
meine im Gegenteil, dafe das beste Princip der körperlichen Aus-
bildung das altklassische ist und dafe die Spiele der Kinder
eine vortreffliche Stütze dieses Prinoipes bilden. Bei unseren
Lebensbedingungen und klimatischen Verhältnissen jedoch
stofeen dieselben auf vielfache Schwierigkeiten. Die Spiele
sollen in freier Luft oder in besonders dazu hergerichteten
Bäumen stattfinden. Nun haben wir fast sieben Monate des
Jahres, in denen das Spielen im Freien kaum möglich ist.
Das Beschaffen grofeer Räumlichkeiten zu Spielzwecken aber
ist noch teurer, als die Errichtung von Turnsälen, und daher
bei dem kümmerlichen Budget unserer Schulen meist unaus-
führbar. Auch dürfen wir nicht vergessen, dafe die Spiele
als etwas Unsystematisches und schwer Disciplinierbares wohl
außh von unseren Pädagogen in den Schulen nicht immer
sympathisch aufgenommen werden dürften. Dasselbe gilt für
die verschiedenen Arten des Sports, wie Schlittschuhlaufen,
Bootfehren, Reiten, Badfahren, deren Bedeutung für die
körperliche Entwickelung den Spielen gleichgestellt werden mufe.
Mit dem Gesagten habe ich nicht beweisen wollen, dafe die
18*
268
Gymnastik, wie sie jetzt in unseren Schulen betrieben wird, den
Ansprüchen genügt und auch wirklich günstige Eesultate erzielt.
Ich bin durchaus vom strikten Gregenteil überzeugt, und gerade
das Müsverhältnis, welches zwischen der physischen Aus-
bildung und geistigen Arbeit besteht, hat die Erscheinung
hervorgerufen, dafs die Kinder unserer Zeit aufgehört haben,
Kinder zu sein, dafs sie das fröhliche Spielen vermeiden.
Es läJjst sich daraus jedoch nicht der Sohlufa ziehen, dafs die
Gymnastik die Wurzel des Übels sei. Niemand wird daran
zweifeln, dafs ein Schüler, der die allernahrhaftesten Speisen
erhält, aber nur zweimal wöchentlich, während er die übrigen
fünf Tage fasten mufs, durch Hunger geschwächt und einem
zunehmenden Siechtum anheimfallen wird. Ebenso sind zwei
Turnstunden in der Woche bei dem Mangel an sonstigen
körperlichen Übungen für eine gedeihliche physische Ent-
wiokelung mehr als ungenügend. Diese beiden Stunden werden
zudem beliebig gewählt, meist in der Art, dafs die übrigen
Unterriohtsgegen8tände keine Beeinträchtigung dadurch erfahren.
Die Turnübungen finden gewöhnlich nach den wissenschaft-
lichen Lektionen oder in der grofsen Erholungspause statt.
Die Abteilungen der Turnenden sind ohne .Rücksicht auf Alter
und Kraft der Schüler zusammengesetzt. Der Turnunterricht
wird in Korridoren oder in engen, schlecht ventilierten Bäumen
und noch dazu von Personen erteilt, die sehr oft für ihre
Aufgabe vollkommen ungesohult sind. Es gibt bei uns
kein Programm für das Turnen, und daher werden herkömm-
liche Verfahren geübt, die man mit vollem Rechte schablonen-
haft nennen darf, und die nur Langeweile und Unlust zu er-
zeugen im stände sind. Ja in vielen Schulen, namentlich in
Privatanstalten, besteht der Turnunterricht eigentlich nur dem
Namen nach auf höheren Befehl. Die Turnlehrer beziehen
ein durchaus klägliches Gehalt und versäumen denselben daher,
so oft sie nur können.
Und doch trotz all dieser ungünstigen Bedingungen und
trotz des schlechten Resultates, welches wir zu verzeichnen
haben, dürfen wir nicht folgern, dafs die ganze Arbeit von
269
Jahrhunderten über den Hänfen geworfen und nnn etwas
anderes begonnen werden müsse. Wir besitzen auch jetzt
Schulen, in denen ungeachtet der angefahrten Umstände die
Gymnastik erfolgreich betrieben wird. Ich meine daher, dafs
wir vor allem die bestehenden Fehler und Irrtümer verbessern
und selbst unter den gegebenen Verhältnissen uns bemühen
müssen, die physische Erziehung der heranwachsenden Jugend
richtig zu leiten. Es gilt vorerst, ein Turnprogramm zu ent-
werfen, das den Mitteln unserer Lehranstalten entspricht und
der ftufiseren Ordnung, wie dem inneren Leben derselben
angepafet ist. Unsere klimatischen und sonstigen Verhältnisse
nähern uns am meisten unseren Nachbarn, den Schweden.
Wenn wir ihre Methode der körperlichen Erziehung annehmen,
werden wir gewife nicht schlechtere Erfolge erzielen, als sie
selbst. Wer schwedische Schulknaben und überhaupt die
schwedische Jugend kennen gelernt hat, wird bestätigen, dafs
dieselbe durchaus frisch, lebendig und munter ist.
In seinen Grundzügen muJs das Programm des Turn-
unterrichts ungefähr folgende Stufen aufweisen:
für kleine Kinder und für Schüler der unteren Klassen
Spiele, besonders Ballspiele, freie Ordnungsübungen, Gerät-
schaften für primitive Übungen;
für die mittleren Klassen bis zu 15 Jahren Ordnungs-
übungen, Turnen an Geräten, Ausflüge, gemeinsame Spiele,
Ballschule, Wettlauf;
für die oberen Klassen militärische Gymnastik, athletische
Übungen an Apparaten, gesellschaftliche und gymnastische
Spiele, Laufen, Fechten.
Als notwendige Zugabe sind für Freistunden und Feier-
tage hinzuzufügen Schlittschuhlaufen, Rudern, Badfahren,
Reiten, Spiele im allgemeinen, Handarbeit.
Auf Grund des Gesagten stelle ich folgende Thesen auf:
1. Regelrechtes Turnen nach der schwedischen Methode
mit richtiger Anwendung von Gerätschaften ist ein gutes
Hilfemittel der physischen Erziehung; in Schulen ist es allen
anderen Systemen vorzuziehen.
270
2. Für körperliche Übungen und Turnen müssen besondere
Stunden inmitten der Lehrstunden festgesetzt werden, und
zwar, abgesehen von den gewöhnliehen Pansen, mindestens
6 Standen wöchentlich.
3. Für Turnzwecke stehe ein groJser, gut ventilierbarer Saal
zur Verfügung; im Notfalle kann der sogenannte Aktussaal
(die Aula) dazu benutzt werden.
4. Zur Ausübung regelrechter Gymnastik ist ein dem
Alter, der Kraft und dem Wüchse der Schüler entsprechendes
Programm erforderlich.
5. Für die sachkundige Leitung des Turnunterrichts sind
Lehrer mit specieller Vorbildung anzustellen, deren Mühe-
waltung angemessen honoriert werden muls.
6. Der Turnunterricht, sowie die Auswahl der Schüler
für die einzelnen Übungen muls unter beständiger Kontrolle
eines Schularztes oder eines Arztes stehen, der zu diesem
Zwecke für alle Schulen berufen wird.
7. Die Stadt- und Gemeindeverwaltungen sollten durch
den Bau von Squares und besonderen Spielplätzen, sowie von
Turnhallen der physischen Erziehung der Jugend Vorschub
leisten.
Zum Schlüsse wende ich mich an die Herren Pädagogen
mit der Bitte, einiges von ihren wissenschaftlichen Lehr-
stunden den Zwecken der körperlichen Ausbildung abzu-
treten. Ich kann versichern, dafs die geistigen Fortschritte
und die Kenntnisse der Schüler dadurch keinen Schaden
erleiden, sondern nur gewinnen werden. Es sei hier nur
an den Ausspruch Rousseaus erinnert: „Wenn Sie den
Geist Ihres Schülers bilden wollen, so entwickeln
Sie vor allem seinen Körper, üben Sie die Kräfte,
die er verwerten soll, machen Sie ihn stark und
gesund, damit er klug und weise werde. tt
271
Spanische Ferienkolonien.
Von
BBRTHA WlLHELMI DB DlVILA
in Granada.
Die von dem Direktor des pädagogischen Museums in
Madrid, Herrn Oossio, ins Leben gerufene Ferienkolonie zu
San Vicente de la Barquera am Golf von Biscaya und die
dort erzielten glänzenden Erfolge liefoen in mir im Sommer .1890
den Wnnseh rege werden, auch hier in dem sonnigen Anda-
lusien diese grolse Wohltbat armen kränkelnden Kindern an-
gedeihen zu lassen. Ich reichte daher der „Sociedad Eoonö*
miea de Amigos del Paistt eine Schrift ein, worin die Möglich-
keit, Billigkeit und vollständige Einrichtung einer Oranadiner
Ferienkolonie dargelegt war, worauf die Gesellschaft deren
Ausführung besohlols und mich mit der Leitung derselben
betraute.
Aus den 9 Knaben- und 9 Mädchenvolksschulen Granadas
wurde von zwei Ärzten je das bedürftigste Kind ausgewählt
und eine anthropologische Tabelle über dasselbe aufgenommen.
Am 1. August begaben wir uns in zwei Wagen, Herr Oastillo
als Leiter der Knaben und ich nebst zwei Köchinnen, sowie
meinen beiden Kindern als zahlenden Kolonisten, mit unseren
18 Schutzbefohlenen nach der 14 Meilen entfernten, 9000 Ein-
wohner zahlenden Küstenstadt Almuftecar.
Der auf zwei ins Meer vorspringenden Hügeln malerisch
gelegene Ort bot Air uns durch die üppige, last tropische
Vegetation seiner beiden vom Rio Seoo und Rio Verde
durchquerten Ebenen, durch die Billigkeit und Güte der Lebens-
mittel, die Freundlichkeit der BewohneT, die Sicherheit des
Bades und das uns von dem Gemeinderate bereitwilligst über«
lasNne Gebäude der zwei Knabenschulen alle nur erdenk-
272
liehen Vorzüge und Annehmlichkeiten. Das genannte Gebäude
krönte nebst der Kirche den einen Hügel, und hatten wir
gegenüber auf dem anderen das alte, von dereinstiger Römer-
nnd Araberherrsohaft zengende Schloß, uns zn Füßen die
blendend weifte Stadt mit ihren Gärten, Terrassen, ihrer von
Palmen eingefaßten Promenade nnd weiterhin, bis in unabseh-
bare Ferne erglänzend, die tiefblauen Fluten des Mittelmeeres.
Die Schulen bestanden aus zwei sehr geräumigen, getrennten
Sälen, die als Schlafzimmer dienten, einem kleinen Zimmer zur
Aufbewahrung der Koffer und einem ausgedehnten, von
schattigen Laubengängen umfaßten Garten, dessen eine Längs-
seite mittelst Segeltuch und Bohrmatten zu einem weiten, luftigen
Speisesaal, dessen eine Sohmalseite mit dem Brunnen zum ge-
meinsamen, wechselweise benutzten Waschzimmer eingerichtet
war. In einem Fischerhäuschen gegenüber waren Küche, Speise-
kammer und beide Köchinnen untergebracht. Bei der ganzen
Einrichtung wurde streng darauf gesehen, daft äufserste Ein-
fachheit und Beschränkung auf das notwendigste mit größter
Ordnung und Reinlichkeit wetteiferten. Unsere Kinder sollten
nicht verzärtelt, nicht an höhere Ansprüche, sondern vor
allem an edlere Lebensführung gewöhnt werden, und mufs
ich voll Genugthuung die Bereitwilligkeit und Freudigkeit
bestätigen, mit denen sie sich den neuen Verhältnissen an-
paßten.
Den Tag teilten wir folgendermaßen ein: Um 5 Uhr
standen alle auf, und, während die Mädchen sich den ganzen
Körper mit Seife wuschen, — wir übertrieben etwas die Sorge
für Reinlichkeit, um bei den so sehr vernachlässigten Kindern
einigen dauernden Erfolg zu erzielen, — machten die Knaben
ihre Betten, kehrten und begossen den Garten. Darauf kamen
diese selbst mit ihrer Toilette an die Reihe, und die Mädchen
ordneten ihre Haare und Betten. Sofort wurde Chokolade
mit Brötchen und einer Anzahl der äußerst nahrhaften, hier
sehr beliebten Kaktusfeigen genossen. Nach einem kurzen
Spaziergange nahmen wir unser Bad und kehrten dann nach
Hause zurück, wo zwei der Mädchen wechselweise die Bein
273
h<ung der Säle besorgten, während alle anderen Kinder
entweder ihr Tagebuch schrieben, oder die, welche nicht
schreiben konnten, Kleider ausbesserten; letzteren las ich dabei
etwas vor oder besprach mit ihnen allerlei.
Um 1 Uhr wurde zu Mittag gegessen, wobei wieder zwei
Mädchen die von mir vorgelegten Speisen verteilten und, selbst
mitassend, den Tisch besorgten. Herr Castillo reichte Wein
und Brot und ein Knabe Trinkwasser. Wir suchten gute,
nahrhafte und reichliche Kost zu geben, gewährten aber
nichts, was Verlangen nach feineren Speisen erwecken konnte.
Dadurch, dafe wir alles -selbst thaten und keinerlei fremde
Bedienung benutzten,, stärkten wir das Gefühl der Zusammen-
gehörigkeit und der Pflicht des einzelnen gegen die Gesamtheit.
Nach Tisch, während der heifeesten Stunden, wurde Siesta
gehalten. Darauf spielten die Kinder, jedes frei nach seiner
Neigung. Die Knaben zogen Bewegungsspiele, die Mädchen
Spiele, bei denen sie salsen, vor. Auch nähten und häkelten
die Mädchen oder schmückten sich mit Blumen. Sobald es
die Temperatur erlaubte, zogen wir in die reizende Umgegend
hinaus. Auf diesen Spaziergängen wurde, soweit es anging,
Anschauungsunterricht getrieben und der Sinn der Kinder für
Naturschönheiten geweckt, dabei zugleich gespielt, gelaufen,
gesungen und stets die Initiative angespornt. Mehrere schöne
Kahnfahrten, davon eine den ganzen Tag unter Feigenbäumen
an einsamer Bucht, ein nach Fischerart bei loderndem Feuer
an mondbeglänztem Strande bereitetes Nachtmahl werden
Leitern und Zöglingen unvergeßliche Erinnerungen bleiben.
Um 8 Uhr kamen wir meist zum Nachtessen nach Hause, um
9 Uhr gingen alle zur Buhe.
An Leib und Seele gestärkt, traten wir am 31. August
die Rückreise an. In einem Berichte gab ich ausführlich
Rechenschaft über diese erste Ferienkolonie.
Im Sommer 1891 wurde die zweite Ferienkolonie von
sechs Freunden, die sich für das Wohl der armen Kinder
interessierten, veranstaltet. Leider konnte weder Herr Castillo
noch ich selbst diesmal teilnehmen. So gingen denn 18 Knaben
274
und Mädchen unter der Führung von Fräulein CufflUUBLA
und Herrn Barranoo wieder mich Ahnufteoar, wo sowohl
Einrichtung als Lebensführung dieselben blieben, wie im Jahre
vorher. DreifsigTage verweilten sie dort. Frftnlein Cünilmra
rerfalste den Rechenschaftsbericht.
Im Juni 1892 bildeten wir die „Sooiedad de Colonias
Escolares", die es sich zur Angabe stellt, in jeder Weise
fördernd auf das Wohl bedürftiger kränklicher Kinder su
wirken, in erster Linie aber das Werk der Ferienkolonien
hier fortzusetzen. Am 1. August wurde von dieser Gesell-
schaft die dritte Ferienkolonie unter der Leitung des Herrn
Castillö und des Frttulein Cunillhra mit 19 Kindern aber-
mals nach Almufiäcar gesandt. Diesmal redigierte Herr Castillö
den eingehenden Bericht.
Die Kosten der drei Ferienkolonien beliefen sich für
jeden Zögling per Tag bei der ersten auf 1 Franc 93 Centimes,
bei der zweiten auf 2 Francs 66 Centimes, bei der dritten auf
2 Francs 54 Centimes, worin die Ausgaben für die Einrichtung
der Schulen und das nötige Mobiliar nicht einbegriffen sind.
Die bei den Kindern in Bezug auf ihr körperliches Be-
finden erzielten Resultate waren durchaus befriedigende.
Die Durohschnittszunahme des Gewichtes betrug:
im Jahre 1890 1900 g bei den Knaben, 2166 g bei den Mftdehen,
„ „ 1891 1600 „ „ „ „ 1960 „ „ „ „
„ ^ 1892 1375 „ „ „ „ 2204 „ „ „ „ .
Die gröfete Gewichtszunahme erzielte:
im Jahre 1890 ein Knabe mit 3600 g, ein Madchen mit 3760 g,
„ „ 1891 „ „ » 3000 „ „ „ „ 3600 „
„ „ 1892 „ „ „ 2250 „ „ „ „ 4760 „ .
Die kleinste Gewichtszunahme zeigte:
im Jahre 1890 ein Knabe mit 1000 g, ein Mädchen mit 1000 g,
„ „ 1891 „ „ „ 600 „ „ „ „ 1000 „
„ „ 1892 „ w „ 750 „ „ „ „ 600 „ .
Ein Knabe der dritten Ferienkolonie verlor 250 g ea
Gewicht, und ein Mildchen derselben Kolonie hatte nicht an
Körperlänge zugenommen.
275
Als Durchsehnittswaohstum ergaben sich 1890 7 7» mm.
Krankheitsfelle kamen nicht vor.
Auch die erziehlichen Resultate waren sehr gut, die
intellektuellen Fortschritte dagegen der geistigen Vernaohv
lässigung der Blinder wegen höchst unbedeutend.
Nach den hier gemachten Erfahrungen müssen wir aufs
wärmste die gemischten, aus Knaben und Mädchen bestehenden
Ferienkolonien empfehlen. Uns ist aus dem Zusammenleben
beider Geschlechter keinerlei Unannehmlichkeit erwachsen. Wir
haben im Gegenteil bemerkt, dafe ihr gegenseitiger Einflufs
ein durchaus günstiger war, obwohl die Frühreife der Kinder
südlicher Länder und auch ihre gröfsere Verwahrlosung hier
und da Unzuträglichkeiten befürchten liefsen. Letztere haben
sich aber, wie ich erwartete, nicht im geringsten eingestellt.
Zum Schlüsse möchte ich noch darauf hinweisen, dafs
in Bezug auf Wachstum und Gewichtszunahme die Mädchen
weit bedeutendere Erfolge als die Knaben erzielten. Ihr
Nahrungsbedürfhis in dem für ihre Entwiokelung so wichtigen
Alter von 9 bis 12 Jahren scheint deshalb auoh gröüser zu
sein, und es sollte daher mehr Sorge hierin für die Mütter der
künftigen Generation getragen werden.
Die „Sociedad de Colonias Eeeolaree" hat diesen Winter
auch, durch das wegen Teuerung der Lebensmittel gesteigerte
Elend bewogen, die Verteilung von Brot und Suppe in den
Volksschulen an die bedürftigsten Blinder begonnen. In den
Monaten Januar und Februar wurden in zwei Mädchenschulen
1850 Portionen verabreicht. Als Vorbild diente uns die „Soupe
scolaire" des „Cercle Le Progrte" in Brüssel und, was die Stadt
Paris in dieser Beziehung für ihre Elementarschulen thut.
276
2Us Herfa«t«ltttt0en »»* ttereinett.
Die wissenschaftlich-industrielle Ausstellung in Kasan.
Gegenstände ans dem Oebiete der Schulhygiene
und der körperlichen Erziehung.
Bericht,
verlesen in der „Gesellschaft zur Wahrung der Volksgesundheit ".
Von
Wirklichem Staatsrat Dr. med. Alexander von Wirenius,
Arzt des Wedenskisehen klassischen Gymnasiums
und Direktor des Kinderasyls der Großfürstin Alexandra Nicolaewska
in St. Petersburg.
Die wissenschaftlich-industrielle Ausstellung in Kasan gab
uns die Möglichkeit, das Wolga-Kamagebiet sowohl in indu-
strieller, wie überhaupt in kulturhistorischer Hinsicht kennen
zu lernen. Die Sektion für Unterriohtswesen zeichnete sich
unter der Leitung des bekannten Professors N. A. Ossokin
besonders durch ihre Reichhaltigkeit aus und bot nicht wenig
Bemerkenswertes für einen jeden, der sich für die Bildung
und Erziehung des russischen Volkes interessiert.
Personen, die, entfernt vom Orte der Ausstellung, jene
Gegenden nur aus Büchern oder Zeitungsberichten kannten,
erschien dieselbe als eine Begebenheit, welche ernstliche
Berücksichtigung verdient. Man konnte sich nicht vorstellen,
dafe ein Gebiet, welches weitab von den beiden Centren
russischer Civilisation, zudem ausserhalb des Eisenbahnnetzes
und daher des Verkehrs mit Europa liegt, Resultate seiner
Wirksamkeit aufwies, die belehrend ftür jeden genannt werden
dürfen. Namentlich in der Abteilung für das Unterriohts-
wesen wetteiferten die höheren und niederen Lehranstalten in
der Menge der ausgestellten Plane und Modelle, der statistischen
277
Tabellen and der verschiedenartigsten Arbeiten auf dem Gebiete
der Kunst und des Handwerks miteinander.
Da wir unseren Besuch der Ausstellung mit der Absicht
unternahmen, die ausgestellten Gegenstände auf dem Gebiete
der Schulhygiene und der körperlichen Erziehung näher kennen
zu lernen, so durften wir keinenfalls auf ein reiches Material
ge&fet sein, denn diese Specialitäten stehen bis jetzt in Rufeland
auf einer sehr niedrigen Entwickelungsstufe und finden
ftufeerst wenig Entgegenkommen. Wir mufsten uns vielmehr
damit begnügen, wenn wir bei den Vertretern des Unterrichts-
ressorts Interesse an der Hygiene und das Bewufetsein antreffen
würden, wie wichtig und unumgänglich nötig es ist, bei der
Erziehung den Anforderungen dieser Wissenschaft zu genügen.
Will dieselbe doch die Gesundheit der Kinder zur Zeit ihres
Schulbesuches wahren, um sie aufs beste zum künftigen Dienste
in Staat und Gesellschaft zu befähigen. Das ist auch der
Grand, weshalb wir jeden Versuch, diese oder jene hygienische
Verbesserung in den Schulen einzufahren, freudig begrüfeen,
in Anbetracht dessen, dafe eine gelungene Neuerung das Unter-
pfand weiterer Fortschritte auf demselben Gebiete zu sein
pflegt Aber auch abgesehen von neuen Erfindungen, wäre es
schließlich schon wünschenswert, wenn wir das Gute, das sich
anderswo bereits fertig vorfindet, in unser Schulleben auf-
nehmen und zum Nutzen der lernenden Jugend verwenden
wollten. Sagt doch Göthb mit Recht:
„Selbst erfinden ist schön; doch glücklich yon andren Gefondnes
Fröhlich erkannt und geschätzt, nennst Du das weniger Dein?"
In der That macht die Ausstellung in Kasan, wenigstens
in ihrer Abteilung für das Schulwesen, den Eindruck, dafe
jene Gegend unausgesetzt thätig ist, dafe sie eifrig und mit
Lust arbeitet, um nicht nur hinter den anderen nicht zurück-
zubleiben, sondern selbst über das Niveau der allgemeinen
Volksbildung hinauszukommen. An den ausgestellten Gegen-
standen konnte man hinlänglich die Einzelheiten der Schul-
etnrichtungenund des Unterrichtes in den verschiedenen Fächern
278
kennen lernen. Am reichhaltigsten waren die Schulen ans
den Gouvernements von Kasan, Wjatka und Perm vertreten.
Wir müssen darauf aufmerksam machen, dafe bei den
bescheidenen Mitteln unserer Gemeinden die Sohulgebäude in
den meisten Fällen auch minimalen Anforderungen der Hygiene
kaum genügen. Es ist daher nicht eu verwundern, dafe man
sich in den Lehranstalten des Wolga-Kamagebietes damit begnügt,
wenn die Klassenzimmer hinlänglich geräumig und hell sind,
wenn sie ein eigenes Vorzimmer und einen Hausflur besitzen,
ohne an besondere Rekreationsräume, an zeitgemäße Heizungs-
und Ventilationseinrichtungen zu denken. Aus Ersparnisrück-
sichten sucht man beim Aufführen der Gebäude statt gebrannter
Ziegel nur Holz, ja selbst nur Lehm und Samansche Ziegel,
welehe aus einem Gemenge von Häckerling und Erde bestehen,
zu verwenden. Die KreiaLandscbaft von Kasan hat z. B. das
Modell eines Schulgebäudes aus solchen Ziegeln ausgestellt. Von
auieen und von innen ist das Haus mit Cement bekleidet und
trägt ein Betondach. Dieses Material kommt recht billig zu
stehen, und die Erfahrung lehrt, dafe ein derartiges Gebäude
sich drei Jahre leidlich hält. Allerdings könnte man theoretisch
eine geringere Dauerhaftigkeit annehmen, die Praxis bestätigt
jedoch diese Befürchtung nicht, und die Samanschen Ziegel
bürgern sich daher in gewisser Weise in ärmeren Gegenden ein.
Im Gouvernement Kasan wurden bis jetzt die Schul-
gebäude, wie fast überall in Rufeland, aus Holz gebaut und
erhielten ein Dach aus gehobelten Brettern. Seit dem Jahre
1887 jedoch begann man feuerfeste Schulen aus Samanschen
Ziegeln zu errichten und sie mit Teppichmatten aus Stroh zu
decken, nach Art der Meierei der Realschule zu Krassnon-
fimsk, „Es wurde ermittelt", so heilst es in dem Berichte
der Landschaftsverwaltung, „dafe die aus Samanschen Ziegeln
aufgeführten Gebäude sich in jeder Beziehung als bequem
erweisen, dafe aber die Dächer aus Strohmatten nicht dauer-
haft sind, da sie leicht Regen wasser durchlassen". Am vorteil-
haftesten zeigten sich Eisendächer, trotzdem sie verhältnis-
mäßig teuer sind, und die Landschaftsverwaltung begann
279
daher diese ftlr Bauten aus Samanschen Ziegeln zu empfehlen.
Man mute die zahlreichen Verpflichtungen einer russischen
Kreialandschaft kennen, um nicht über die bescheidenen Ein-
richtungen unserer Schulen und die Einschränkung derselben in
ihren alltäglichen Bedürfnissen zu staunen. Und dennoch wird
ein jeder Unbefangene gestehen, dais die Pädagogik und Schul-
hygiene auch unter den ungünstigsten Bedingungen im Ver-
laufe der letzten Deoennien aufserordenÜioh grofse Fortschritte
bei uns gemacht haben.
Nicht nur in den niederen, sondern auch in den mittleren
Lehranstalten Rufslands finden sieh andererseits vielfache
ÜWtretm^n der hygienischen Geeetee, and di« Verwaltung
versucht vergebens gegen finanzielle und andere Schwierig-
keiten beim Bau und Instandhalten der Schulen anzukämpfen.
Wir dürfen es nicht verschweigen, dais der grö&te Teil selbst
der besten Unterrichtsanstalten aus den Mitteln von Wohlthätern
eibaut ist, dais viele Anstalten, die seit Jahrzehnten bestehen,
in Gebäuden untergebracht sind, welche von Privatpersonen ge-
schenkt oder von den Erben der Hausbesitzer um einen billigen
Preis erstanden wurden, dais ferner zahlreiche Schulen sich in
gemieteten Häusern, ja sogar in Mietswohnungen befinden.
Aber selbst in reichen Lehranstalten, denen sowohl Geldmittel,
als auch die Dienstleistungen verschiedener Specialisten zu
Gebote stehen, werden dennoch nicht geringfügige Verstöfee
gegen die Schulhygiene angetroffen.
(Fortsetzung in No. 6.)
Die 8teilschriftfrage vor den bayerischen Ärztekammern.
Die „Münch. med, Wochenschr." enthält das Protokoll der
XXI. Sitzung der Ärztekammer von Unterfranken, welche am
31. Oktober v. J. in Würzburg stattfand. Wir entnehmen dem-
selben, dafs der Vorsitzende Dr. ROdbr beantragte:
„Die Königliche Regierung wolle in geneigte Erwähnung ziehen
ob es nicht auf Grand der Untersuchungen von Dr. Seggel, Dr. Mayer,
280
Dr. Schubert und anderen angezeigt erscheine, die Schrägschrift in
den Schalen zu verbieten."
Den nächsten Anlafe zu diesem Antrage haben dem Vorsitzenden
die überaas günstigen Erfolge gegeben, von welchen die Einführung der
Steilschrift in der Würzbarger Stadtschale, and zwar in der Klasse
des Lehrers Ruckrrt, begleitet war. Die Knaben dieser Klasse, dem
dritten Schaljahre angehörend, werden seit einem Jahre and zwei
Monaten mit magistratlicher Genehmigung in Steilschrift geübt, und
schon jetzt nach verhältnismäßig kurzer Zeit zeigen sich die Vor-
teile derselben augenscheinlich. Die Haltung der Kinder beim
Schreiben ist fast durchweg eine tadellose, die beiden Augen sind
in ganz gleichmäßiger Weise beschäftigt. Bei mehreren Schülern,
die an Kurzsichtigkeit litten, hat sich dieselbe, wie der Augenarzt
Dr. BIuxblbik nachgewiesen, wesentlich gebessert, und zwar hob
sich der Abstand der Augen von der Schrift, der früher 10 — 12 cm
betrug, auf 30 — 35 cm. Die Steilschrift wird ebenso rasch, ja
noch schneller geschrieben, als die schräge, da die Ober- und Unter-
längen kürzer sind, als bei Schrägschrift. Die Schrift selbst gestaltet
sich deutlich, ästhetisch schön und dem Auge wohlthuend. Sobald
der steilschreibende Schüler eine Zeile zur Hälfte oder zu zwei
Dritteln geschrieben hat, rückt er die Tafel oder das Heft leicht
nach links und bringt die Schreibfläche wieder in die normale Lage.
Die Steilschrift gewährt auch für richtige Körperhaltung beim An-
fertigen der Hausaufgaben eine gewisse Garantie, welche bei der
Schrägschrift niemals zu erreichen ist. Der Übergang von der
Steilschrift zur Schrägschrift bietet zu keiner Zeit wesentliche
Schwierigkeit
Von Privatdocent Dr. Hoffa sind bereits im vorigen Jahre in
genannter Schule an 60 Schülern während des Schreibens mit dem
ScHENKschen Apparate nach siebenmonatlicher Übung der Steilschrift
Untersuchungen vorgenommen worden, welche das Ergebnis hatten,
dab 81,6% ganz gut und nur 18,4% minder gut safsen, während
die Messungen bei schrägschreibenden Schülern anderer Klassen
ergaben, dafc nur 26,2% der Schreibenden gute, dagegen 73,8%
schlechte Haltung zeigten.
Herr Rückbrt hat seine Erfahrungen in einer Broschüre »Die
Stetisehrift des deutschen und lateinischen Alphabets und der Ziffern,
bearbeitet nach pädagogischen und hygienischen Gbundsätoen",
Würzburg, 1892, Verlag von Julius Staudinger, niedergelegt;
diese Schrift wird der Kammer unterbreitet und verdienter Beachtung
empfohlen.
Gleichzeitig hat Herr Rückbrt einen Halter für Bücher mit
einer Klammer angegeben, welche vorne an der Schulbank befestigt wird
281
und es ermöglicht, Gedrucktes u. s. w. in einem geeigneten Winkel dem
Schüler gerade gegenüber aufzustellen, so dafs auch beim Abschreiben
ans einem Buche ins Heft oder auf die Tafel eine regelrechte
Haltung des Schreibenden gesichert bleibt.
Um auch im Hanse eine solche zu erzielen, hat Herr
Ruckxrt ein Schreibbrett konstruiert, das auf jeden Tisch gestellt
und in jede gewünschte Höhe, und zwar unter einem Winkel von
5—6°, gebracht werden kann. Er geht hierbei von dem gewüs
richtigen Grundsatze aus, dafs das Schreiben auf horinzotalen Flächen
verwerflich sei, weil es zu schlechter Körperhaltung veranlasse.
Buchhalter und Schreibbrett sind durch Fleischer & Co. in
Frankfurt a/M. zu beziehen, der Buchhalter zum Preise von 2,50
Ms 3,50 Mk., das Schreibbrett ohne Buchhalter zu Mk. 4,50, mit
Bachhalter zu 6—9 Mk.
Herr Hohn befürchtet von dieser Einrichtung, sie könne von
den Schülern zur Spielerei verwendet werden.
Der Vorsitzende entgegnet, dafs dies allerdings vielleicht im
Anfange vorkommen könne, jedoch voraussichtlich bald aufhören
werde, sobald der Reiz der Neuheit vorüber sei.
Derselbe fügt hinzu, dafs er ein großes persönliches Interesse
an dieser Frage habe, da er lebhaft wünsche, dafs die Vorteile der
Steilschrift seinen eigenen Kindern recht bald zu teil werden
mochten.
Zugleich ersucht er die Kammermitglieder, nach Schlufs der
Sitzung sich persönlich von der Richtigkeit des Dargelegten an Ort
und Stelle zu überzeugen. Den grofcen hygienischen Vorzügen
gegenüber dürften die gegen die Steilschrift etwa noch geltend
gemachten kalligraphischen Bedenken nicht mehr länger Stand halten.
Die Kammer machte den Antrag einstimmig zu dem ihrigen.
Abweichend hiervon waren die Ansichten, welche die Ärzte-
kammer Ton Schwaben und Neuburg in ihrer am 31. Oktober v. J.
xu Augsburg gehaltenen Sitzung vertrat.
Der Vorsitzende Dr. Schaubbr referierte über die der Ein-
führung der Steilschrift günstigen Resultate der Münchener Kom-
mission, bestehend aus den Herren Medizinalrat Dr. Aub, Ober-
stabsarzt Dr. Seggel, Privatdocent Dr. Oellbr, Hofrat Dr. Brunner,
Universitätsprofessor Dr. Klaussner, Privatdocent Dr. Setdel, und
erinnerte an die Arbeiten der mittelfränkischen Ärztekammer, bei
denen namentlich Dr. Schubert in Nürnberg und Dr. Mater in
Fürth beteiligt gewesen sind. Zugleich berichtete er über die das vor-
liegende Thema betreffenden Verhandlungen in der ophthalmologischen
Versammlung zu Heidelberg 1891, bei denen aufser Dr. Schubert
Professor Dr. Berlin aus Rostock und Professor Dr* Pflügbr aus
BclralfOTUidhcitfpflefe VI. 19
282
Bern daß Wort ergriffen, und wies auf den Steilschriftauisats von
Professor Dr. von ZbhBNDBR in München in seinen Vorträgen
über Schulgesundheitepflege (1891), sowie auf den von dem Augen-
ärzte Dr. Nieden zu Bochum in der westphfllischen Ärztekammer
am 29. April 1892 gehaltenen Vortrag Aber senkrechte Schrift hin.
Die Photographien, welche steil- und schiefschreibende Kinder
in der Schule darstellen und die Vorteile der Steüsobrift in
das schönste Licht stellen, aber fast etwas zu viel zu beweisen
scheinen (? D. Red.), wurden von den Delegierten besichtigt.
Referent erkannte das Verdienst aller derjenigen, welche die
Schriftfrage mit so hervorragender Gründlichkeit und Ausdauer
bearbeitet und dadurch bewirkt haben, dafe die so bedenkliche
Rechtslage des Heftes beim Schreiben grö&tenteils verlassen wurde,
vollkommen an, neigte sich aber der Ansicht derjenigen zu, welche
in der graden Körperhaltung des Schülers, in der ungefähren Mitten-
lage des Heftes, so dafe der linke Rand desselben der lütte des
Körpers entspricht, in der sorgfältigeren Beaufsichtigung der Körper-
haltung und der Heftlage durch den Lehrer und insbesondere in
der Verminderung der Schreibstunden ein wichtigeres Mittel sehen,
um einer Zunahme der Myopie und Skoliose vorzubeugen, als in
der graden oder schrägen Lage des Heftes und in der Richtung der
Schrift. Nachdem die Fortsetzung der Beobachtungen über Stefl-
und Schiefschrift in einer genügenden Anzahl von Schulen gesichert
ist, die bisherigen Resultate aber, so günstig dieselben auch sind,
doch noch nicht zu so weitgehenden Schlußfolgerungen bezüglich der
Entstehung der Kurzsichtigkeit und der Skoliose berechtigen, um
die Steilschrift nunmehr in allen Schulen an Stelle der Schiefachrift
einzufahren, glaubte Referent, es liege für die schwäbische Ärzte-
kammer keine Veranlassung vor, selbstthätig in die Agitation für
Einführung der Steilschrift einzutreten, hielt es aber für dringend
notwendig, überall, wo sich die Gelegenheit hierzu bietet, daftr
einzutreten, dafe die Lehrer mit ausdauerndem Eifer die
schreibenden Kinder zu grader Körperhaltung und Mittenlage des
Heftes anhalten und dafe der Schreibunterricht auf ein mögliebst ge-
ringes Zeitmafe reduciert werde.
Die Kammer stimmte diesen Ausführungen einhellig bei.
Nachschrift der Redaktion.
Wir sind anderer Ansicht. Es scheint uns ein Widerspruch
darin zu liegen, dafe einerseits die günstigen Resultate der Steil-
schrift anerkannt werden, andererseits die Agitation für Einführung
derselben abgelehnt wird. Letzteres ist zwar damit motiviert, daß
der Beweis für eine durch die Steilschrift bewirkte Abnahme von
283
Korzsichtigkeit und Rückgratsverkrümmung bisher nicht erbracht worden
sei, allein dieser Beweis dürfte überhaupt nicht zu führen sein. Für die
Entstehung der Myopie und Skoliose wirken so viele Ursachen mit
— Erblichkeit, Beleuchtung, Bücherdruck, Neigung der Schrift,
Schulbänke, häusliche Verhältnisse — , dafe der Einflute eines ein-
zelnen dieser Faktoren kaum ermittelt werden kann. Wir müssen
uns damit begnügen, dafe die steilschreibenden Kinder nicht nur
grader, als die schrägschreibenden sitzen, sondern auch eine gröfsere
Entfernung der Augen von der Schreibfederspitze innehalten, was
rar Rückgrat und Sehorgan nur von Vorteil sein kann. Im ein-
zelnen erlauben wir uns zu den Ausführungen des Herrn Referenten
noch zu bemerken, dafe, wenn derselbe auf grade Körperhaltung des
Schülers und sorgfältige Beaufsichtigung derselben durch den Lehrer
das gröfete Gewicht legt, sich diese seine Forderungen bei
Steüscbrift viel eher, als bei Schrägschrift erfüllen lassen. Auch ver-
stehen wir nicht, wie er für eine Lage des Heftes eintreten kann,
bei welcher der linke Rand desselben sich der Mitte des Körpers
gegenüber befindet, während er doch eine jede Rechtslage im
übrigen entschieden verwirft.
Scharlachepidemie in einer französischen Gewerbeschule.
Mitteilung des beratenden Komitees für öffentliche Gesundheits-
pflege in Frankreich.
Das beratende Komitee für öffentliche Gesundheitspflege in
Frankreich hielt am 27. Februar d. J. unter dem Vorsitze des Pro-
fessor Bbouardbl eine Sitzung ab.
Herr Heinrich Monod referierte Ober den derzeitigen
Gesundheitszustand. In der Gewerbeschule zu Bar-sur-Seine im
Departement Aube ist eine Scharlachepidemie ausgebrochen. Die Schüler
wurden entlassen, und die Schule blieb 2 Monate geschlossen.
Man desinfizierte die Lehrräume mittelst Räucherungen mit schwef-
liger Säure und Zerstäubungen von Sublimatlösung. Als die Schüler
zurückkehrten, stellte sich trotzdem die Krankheit von neuem ein.
Der Bürgermeister erbat sich daher einen Dampfapparat zur Des-
infektion der Betten, für welche die getroffenen Maßnahmen sich
als unzureichend erwiesen hatten. Ein solcher Dampfapparat ist
denn auch durch die Sanitätsverwaltung von Paris nach Bar-sur-Seine
gesandt worden und scheint gute Dienste geleistet zu haben.
Wenigstens bat „Le Progr. mdd.u, dem wir diese Mitteilung ent-
nehmen, über die Epidemie nachher nichts weiter berichtet.
19«
284
kleinere JtitteUuttgett.
Die körperliche und geistige Arbeit im Gleichgewichte.
Über dieses Thema schreibt Geheimrat Professor von NUSSBAUM in
München: Wenn ich meine Erfahrungen, die ich mir in einer
29jährigen ärztlichen Praxis sammelte, überdenke, so habe ich nur
wenige Kranke in die Hände bekommen, welche durch Über-
anstrengung ihrer Knochen und Muskeln krank geworden waren;
viele handelte sehr ernst Leidende hingegen beobachtete ich, welche
durch anhaltende geistige Arbeit sich eine Krankheit zugezogen
hatten, und es war oft recht schwer, hier wieder vollständige
Genesung zu bringen. Es wurde mir der ganz bestimmte Eindruck,
dafs des Menschen Körperbau nicht für den Studiertisch, sondern
für körperliche Arbeit geschaffen ist. Am gesundesten und heitersten
sah ich jene bleiben, welche Felder und Gärten bearbeiteten, welche
säeten und ernteten und sich den größten Teil des Tages in frischer
Luft bewegten. Immer schmeckt solchen Menschen ihre höchst ein-
fache Nahrung, fast nie hört man von Verdauungsstörungen, von
Trägheit des Unterleibes, Kopfkongestionen, oder gar von nervöser
Aufregung. Wie ganz anders findet man das körperliche Befinden
bei Beamten, Gelehrten und Künstlern; oft haben diese heifsen
Kopf und kalte Füfse, oft träge Verdauung, unthätigen Darm.
Wenige gibt es unter ihnen, welche nicht über fortwährende Nerven-
erregung klagen. Das Gefühl der Behaglichkeit, des Wohlbefindens
wird in diesen Ständen immer seltener. Wir wissen, dafs jedes
Organ, welches benutzt wird, blutreicher wird, dafs sich seine Adern
erweitern; und wenn bereits erwiesen ist, dafs durch einen
arbeitenden Muskel viel mehr Blut läuft als durch einen ruhenden,
so gilt ganz bestimmt das gleiche beim Gehirn. Wird das Gehirn
blutreicher, so kann dies nur auf Kosten anderer Organe geschehen.
Deshalb werden Arme und Füfse blutarm und kühl, wenn das
Gehirn von Blut strotzt. Je mehr aber dies Centralorgan belastet
und je blutärmer die Peripherie wird, desto unbehaglicher ist
unser Befinden. Je früher ferner solche Mifsverhältnisse ün
menschlichen Körper auftreten, je jünger das Individuum ist, desto
verderblicher sind die Folgen dieses mangelnden Gleichgewichts.
Ist einmal der Körper ganz fertig, sind seine Gewebe bereits
festere geworden , so sind auch alle Membranen, alle Gefäß-
285
häute nicht mehr so leicht ausdehnbar, wie bei ganz jungen, zarten
Naturen. Deshalb leistet der fertige Mann viel mehr Widerstand,
als der Jüngling und das Kind. Kommt es schon beim Kinde zu
solchen Mißverhältnissen, so ist der Schaden ein unverkennbarer
und bleibender und eine Rückbildung zum gesunden Gleichgewichte
nur durch Opfer an Zeit und Geld möglich, die selten gebracht
werden können. Soll ich es mit klaren Worten sagen, so mufs ich
behaupten, dafs die ganze Zukunft eines Menschen eine unbehagliche
werden kann, wenn sich die angedeuteten Überreizungen schon im
kindlichen Alter einbürgerten. Es ist durch und durch eine fehler-
hafte Beobachtung, wenn man glaubt, dafs ein neunjähriges Knäbchen
in 7 bis 8 Stunden täglich mehr lernt, als in 4 bis 5 Stunden.
Ich habe sehr oft das Experiment gemacht und einem Kinde an
einem Vakanzmorgen, nachdem es gut geschlafen, eine Stunde im
Garten herumgelaufen, etwas ausgeruht und etwas genossen hatte,
das in einer Viertelstunde eingelernt, was das arme Kind am Vor-
abende trotz zehnmaligem Vorlesen nach einer Stunde noch nicht
merken konnte, nachdem es während des Tages 7 Stunden gesessen
hatte und mit heifsem Kopfe, blöden Augen, müde und erschlafft
heimgekommen war. Man spricht immer von Überbürdung, der
eine versteht dieses, der andere jenes darunter. Einer meint, die
Lehrgegenstände trügen die Schuld, ein anderer glaubt, die Lehr-
methode. 0 nein! Beides ist unschuldig und bringt die Über-
bftrdung nicht. Man gehe abends 9 Uhr in die Familie; dort findet
man, was Überbürdung ist. Der Vater ist fort in seine Gesell-
schaft und unterhält sich gut, die Mutter und Töchter haben einen
kleinen Kreis von Freundinnen bei sich und erheitern sich; das
neunjährige Knäbchen, das nun in das Bett gehört, sitzt allein am
Schreibtisch und hält mit seinen kalten Händchen den heüsen Kopf,
in den es nicht mehr hineinbringt, was es morgen früh 8 Uhr wissen
soll. Manchmal fällt eine Thräne aufs Buch, und das, was den
kleinen Mann freuen soll, sein Studium, das ist ihm eine Marter.
Das ist die Überbürdung, wenn vom Abend bis zum Morgen Auf-
gaben gelöst werden müssen, welche vielleicht nur von dem talent-
vollsten Zehntel der Schüler ohne Beeinträchtigung des absolut not-
wendigen Schlafes bezwungen werden können ; das heilst das Gehirn
Turnieren, nervös machen. Man frage die Väter und Mütter, ob
dies nicht Wahrheit ist, ob die armen Kinder nicht bis 9 und
10 Uhr am Schreibtische sitzen, früh 5 Uhr schon wieder aufstehen,
weil sie abends absolut nichts mehr auffaßten. Leider aber wird es
dann morgens zu schnell 8 Uhr, die Aufgabe ist nur halb fertig,
die Strafe folgt auf dem Fufs und bringt für heute noch mehr Arbeit.
Schon in den letzten Klassen der deutschen Schule, aber vorzüglich
286
in Latein-, Gewerbeschalen, Gymnasien, höheren Töchterschulen und
Instituten kann man die erzählten Mifsstände überall finden. Kinder
gehören nach 9 Uhr in das Bett, und vor 5 Uhr lasse man sie ja
nicht aufstehen, sonst ruht ihr Gehirn nicht genügend aus. Ein
Bauer, ein Tagelöhner reicht bekanntlich leicht mit 5 Standen
Schlaf; aber wer Kopfarbeit leistet, soll mindestens 7 bis 8 Stunden
schlafen; Kinder noch mehr. Ich halte das gegenwärtige Princip,
ein Kind den ganzen Tag zu beschäftigen, für ein recht gutes;
allein ein großer Teil der Zeit sei der körperlichen Ausbildung
gewidmet, wenn möglich in frischer Luft. Es war ein guter Anfang,
das Turnen obligatorisch zu machen; allein ich möchte die gegen-
wärtige Dosis dieser herrlichen Arznei eine nahezu homöopathische
nennen, die nur wenig nützen durfte. Ich bin fest überzeugt, dafs
die Zukunft lehren wird, dafs man täglich stundenlang körperliche
Übungen mit geistiger Arbeit wechseln lassen mufs, wenn ein Kind gesund
bleiben soll. Ich bin ebenso überzeugt, dafe das Lernen viel leichter
geht, wenn der Körper mehr gekräftigt wird, wenn die geistige
Spannung nicht so viele Stunden beträgt, wie jetzt fast in allen Lehr-
anstalten. Mit Ausnahme einzelner hervorragend talentierter Kinder
tritt bei den meisten jetzt schon nachmittags, aber fast immer abends
eine stumpfe, müde Hirnfunktion ein, womit sie nur sehr wenig
mehr fassen, höchstens nach langer Marter mechanisch einlernen,
ohne den Sinn zu überdenken. Diese meine Überzeugung wurde
ganz besonders auch durch Erfahrungen in mehreren hohen Familien
bestätigt, wo man schwächliche Kinder auf meinen Rat bis zum
8. und 9. Jahre ganz frei aufwachsen liefs, sich nur mühte, ihren
Körper durch langen Aufenthalt und Arbeiten in gesunder Luft zu
stärken, und höchstens spielend vom Hofmeister der älteren Knaben
hie und da eine von jenen selbst erbetene kurze Lektion geben
liefs. Als diese Kinder im 10. Jahre das Lernen mit Lust und
Liebe anfingen, ging es so schnell vorwärts, dafs sie im 16. Jahre
so ausgebildet waren, wie es ihre älteren Brüder um diese Zeit
gewesen waren, nur, dafs ihnen das Lernen Freude machte und ihr
Körper nebenbei kräftig war, während bei den älteren Brüdern das
Zanken und Strafen vom 6. Jahre an nicht mehr aufgehört hatte
und ihr Körper ein schwächlicher geblieben war. Das Besame*
meiner Erfahrung geht also dahin, dafs die Zukunft den Körper der
Kinder durch Spiele und Arbeiten im Freien zum Lernen vorbereiten
und während des Lernens die Ausbildung des Körpers energisch
befördern wird, damit die Belastung des Gehirns, welche bei
tausenden zur Ursache ihres unbehaglichen Befindens wird, ver-
hindert werde. Trotz dieser Zeitopfer darf man aber keine geringeren
Lernergebnisse befürchten. Hingegen wird das Lernen, das jetzt
287
vielen eine Marter ist, den meisten Freude machen; und es wird
nicht schon in der Kindheit der Grundstein zu der jetzt so sehr
überhandnehmendem und unglücklich machenden Nervenerregung
gelegt werden. Man haut bekanntlich keinen Baum mit einem
Streiche um. Die Einführung des Turnens war der erste glückliche
Griff zum Besseren. Man wird nun alsbald die staubigen Turn-*
hallen mit der freien Luft vertauschen und eine eingreifende
Änderung der Schulordnung anstreben müssen, aber ich bin der
festen Überzeugung, daüs man es nie bereuen wird.
Rundschreiben des Zürcher Stadtarztes, betreffend den
AiMthlvfs nrfektifo erkrankter Kinder und ihrer Geschwister
T« der Schule. ' Ein Cirkular des Zürcher Stadtarztes teilt nach
den *Sckw*. Blatt, f. G-sdhtepflg." mit, dafs eine in Bälde erscheinende
Verordnung, die den Ärzten nach Fertigstellung sofort zugesandt
werden soll, den Ausschluß* derjenigen Kinder vom Schulbesuch
regeln werde, in deren Familie ansteckende Krankheiten herrschen.
Vor allem werden in Betracht kommen Scharlach und Diphtherie
und, wenn die Schwere und Ausdehnung der Erkrankungen es
erheischen, auch Masern und Keuchhusten. Vorläufig wird sich
indes die Gesundheitsbehörde darauf beschränken, den Ausschluß
nur derjenigen schulpflichtigen Kinder zu verfügen, in deren Familie
eine der beiden erstgenannten Krankheiten ärztlich konstatiert worden
ist. Sollen derartig ausgeschlossene Kinder wieder zum Schulbesuche
zugelassen werden, so ist eine unabweisliche Bedingung, dafs vom
behandelnden Arzte die Heilung bezw. Evakuation des Kranken
bescheinigt werde. Zu diesem Zwecke wird nach Eingang der
tatliehen Anzeige dem Vorstande der betroffenen Haushaltung, falls
ihr schulpflichtige Kinder angehören, zugleich mit der Verfügung
über deren Schulausschlufs ein Formular zugestellt mit der Auf-
forderung, dasselbe nach eingetretener Heilung oder Evakuation
durch den behandelnden Arzt unterzeichnen zu lassen und dem
Chef des Sanitätscorps ungesäumt zuzuschicken. Vor Eingang dieser
festlich unterzeichneten Anzeige wird ein durch die Gesundheits-
behörde vom Schulbesuch ausgeschlossenes Kind zum Unterrichte
rieht wieder zugelassen. Um unnötig lange dauernden Ausschluß,
nmentüch der gesund gebliebenen schulpflichtigen Geschwister des
Erkrankten, zu vermeiden, werden die Ärzte im Cirkular ersucht,
darauf zu halten, dafs denselben vom Haushaltungsvorstand sofort
nach der Heilung oder Evakuation das betreffende Formular zur Unter-
zeichnung vorgelegt werde.
Winke Aber körperliche Eukrhung junger Midchen
erteilt Direktor Dr. WAtzoldt in dem Programm der von ihm
gerieten Königlichen Elisabethschule zu Berlin. Es taust dort:
288
Die häuslichen Aufgaben sind so bemessen, dafe einer fleifirigen
Schülerin überall reichlicn Zeit bleiben mute, der Mutter zur Hand
zu gehen und sich, wie ihr Alter es verlangt, körperlich zu bewegen.
Es empfiehlt sich darauf zu halten, dafs die Schülerin zu fest be-
stimmter Stunde an bestimmtem Orte möglichst ohne Unterbrechung
ihre Schularbeiten erledige. Dann aber soll ihr auch, soweit als
thunlich, die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, zu spielen und sich
zu tummeln, gegeben werden. Nie sollte einem Mädchen erlaubt
sein, unmittelbar nach dem Essen zu arbeiten, jedenfalls nicht noch
nach der Abendmahlzeit. Der körperlichen Kräftigung kann die
Schule, die nur über zwei wöchentliche Turnstunden für jede Klasse
verfügt und eines geeigneten Raumes zum Spiel und Tummeln leider
entbehrt, nicht in genügendem Mafse sich widmen. Die .nervöse
Unstetigkeit, die Unfähigkeit zu ernsthafter Arbeit erklärt sich bei
manchen Mädchen aus dem übertriebenen Zwange des Stillsitzens
und dem Mangel an körperlicher Thätigkeit im Hause oder in freier
Luft. Durch spätes Wachen, durch verfrühte Teilnahme an den
Vergnügungen Erwachsener, durch unbeaufsichtigte, zerfahrene Lek-
türe wird der Zerstreutheit und Mattigkeit Vorschub geleistet. Zur
Besserung dieser Übelstände ist die Schule in einer Gro&stadt nur
im stände, wenn sie sicher auf die kräftige Mithilfe der Eltern,
namentlich der Mütter, rechnen darf.
Die zahnärztliche Hygiene in der Schule. Unter diesem Titel
veröffentlicht Dr.BRUNSMANN in der „Dtsch. Monatsschr. f.Zahnhlkde."
einen Vortrag, welchen er im zahnärztlichen Verein für Nieder-
sachsen gehalten hat. Verfasser empfiehlt, schon in der Schule
gelegentlich des naturwissenschaftlichen Unterrichts die Kinder auf
die Wichtigkeit der Zahnpflege aufmerksam zu machen. Es müfste
zu diesem Ende in den Lehrerbibliotheken das nötige litterarische
Material zur Information für den Lehrer vorhanden sein, so dafe
derselbe die mit einer Vernachlässigung der Zahnpflege verknüpften
Gefahren den Schülern auf wissenschaftlicher Grundlage klar machen
kann. Als Ideal der Hygiene sieht Dr. Brunsmann die periodische
Untersuchung der Zähne sämtlicher Schulkinder durch Zahnärzte an.
Da diese Untersuchung aber vorläufig wohl ein frommer Wunsch
bleiben wird, so stellt er folgende Sätze zur Beachtung und even-
tuellen Bekanntgebung ,auf: 1. Die Pflege der Zähne, d. h. vorerst
das Reinigen derselben, mufs schon im dritten Lebensjahre beginnen.
2. Die Milchzähne müssen ebensogut wie die bleibenden, wenn sie
hohl werden, gefüllt werden, wenn auch nicht mit so dauerhaftem
Material. 3. Eine regelmäßige Revision durch einen Schularzt
ist vom vierten Jahre an vorzunehmen, denn 4. jede intensire
Störung im Kauakte durch schmerzende Zähne hat auf den kind-
289
liehen Organismus einen schädlicheren Einflute, als auf den des
Erwachsenen. 5. Der sechsjährige Mahlzahn ist möglichst bis zum
elften Jahre zn erhalten. 6. Von da an ist es besser, ihn
loszuziehen, wenn er hohl wird. 7. Bei schmalem Kiefer ist er,
anch wenn er gesund ist, baldmöglichst zu entfernen. 8. Das Hohl-
oder Kariöswerden der Zähne kann durch tägliches sorgfältiges
Beinigen, wenn anch nicht ganz verhütet, so doch erheblich ver-
langsamt werden. 9. Der Zahnfrafs besteht darin, dafs zunächst durch
Sänrebildung im Munde der Schmelz, von aufeen anfangend, entkalkt
wird, dann Mikroorganismen in ihn eindringen und ihn und das
darunterliegende Zahnbein zum Zerfall bringen, bis schliefslich die
Pulpa zu Grunde geht. 10. Darum bediene man sich bei der
Zahnpflege aulser der Zahnbürste und des Zahnstochers nur solcher
Mittel, welche die Säuren neutralisieren und unschädlich machen.
11. Alle Geheimmittel sind zu verwerfen, wie auch alle scharfen
Mittel. 12. Je eher ein hohl gewordener Zahn in Behandlung
kommt, d. h. gefüllt wird, desto mehr Aussicht auf dauernde Er-
haltung ist vorhanden. 13. Die Erhaltung der Zähne hat nicht nur
ästhetischen Wert, sondern ist auch für die Sprache und vor allem
für die Verdauung von gröfster Wichtigkeit. 14. Bei eingetretenem
Zahnmangel warte man nicht zu lange mit dem Ersatz. 15. Diese
and ähnliche Thesen sind so viel wie möglich zu verbreiten und
den Kindern in den Schulen schon beizubringen, damit dem ver-
derblichen Zahnfrafe nach Kräften entgegengearbeitet wird — zum
gröberen Wohlbefinden des einzelnen, zum Besten der Familie und
der Nachkommenschaft, zur Stärkung des ganzen Menschengeschlechts.
Weicher Boden für Turnhallen. Unter dieser Überschrift
teilt die „Dtsch. Tumetg." folgendes mit: Der Turnverein München
tarnte von 1862 — 89 in einer Turnhalle, deren Boden zu zwei
Dritteilen aas Dielen, zu einem Dritteil aus Lohe bestand. Letztere
zeigte entweder starke Staubentwickelung, verbunden mit Unreinlich-
keit, oder im Gegenteil grofse Feuchtigkeit und Schlüpfrigkeit. Als
sehr günstiges Bodenmaterial erwies sich nachstehende Mischung:
3 Kubikmeter Sägespäne aus weichem Fichtenholz, V* Kubikmeter
feiner Fluls-, sogenannter Schwemmsand, 25 Kilogramm rohes Viehsalz.
Die Verbindung mit Sand verleiht den Sägespänen eine gewisse
Schwere, während die hygroskopische Eigenschaft des Salzes den-
selben Feuchtigkeit gibt und Ungeziefer fern *hält. Der Turnverein
München ist mit diesem Material, das in einer 4 cm tiefen Schicht
den Boden bedeckt, nach jeder Richtung hin zufrieden. Denn die
Herstellung kommt sehr billig zu stehen, und die Dauerhaftigkeit ist
eine weit grO&ere als bei Lohe. Ferner ist bei genügender Befeuchtung
des Bodens der Staub zwar nicht völlig beseitigt, aber auf ein
290
Minimum beschrankt, und endlich sind bei der grofsen Weichheit
des Materials Unfälle fast ganz ausgeschlossen. Bei Herstellung des
Bodens ist darauf zu sehen, dafa langfaserige Fichtenkleie,
am besten Abfalle von Stammen, die auf einer Vollgattewage
geschnitten sind, zur Verwendung kommen. Anfserdem müssen die
Stoffe sorfUtig vermischt, der Boden vor jedem Gebrauche maisig,
am besten mittelst eines sogenannten Zerstäubers, mit Wasser
bespritzt und gut mit dem Rechen geebnet werden. In längeren
Zwischenräumen ist der Boden je nach Erfordernis umzugraben.
Durch zeitweise Ergänzung mit neuem Material bleibt derselbe, selbst
wenn er, wie in der Münchener Turnhalle, taglich benutzt wird, lange
Zeit verwendbar.
Herings Univenalgestell für Sehulbilder und Wandkarten.
Bekanntlich verlangt die Hygiene von Bildern und Karten, welche
in der Schule benutzt werden, dafs sie selbst von den am ent-
ferntesten sitzenden Kindern bei normaler Sehscharfe erkannt werden
können. Zu diesem Zwecke müssen die Details der Zeichnung nicht
nur eine genügende OrOfse besitzen, sondern die Wandkarten und
Bilder auch glatt ausgebreitet und sicher befestigt sein, damit durch
Falten und Unebenheiten keine störenden Schatten entstehen. Diesen
Anforderungen entspricht das durch nachstehende Abbildungen veran-
schaulichte Universalgestell, welches von dem Lehrer Hering zu
291
Auerbach i. V. konstruiert worden ist. Der Halter eignet sieh
für Karten jeder Form mit Mittel* oder Seitenösen in beliebiger
Entfernung und für Bilder jeder Art, mögen dieselben unaufgezogen,
gebrochen oder gerollt sein. Zugleich können die Demonstrations-
objekte eine Breite bis zu 175 cm und eine Höhe bis zu 120 cm
haben. Dabei ist die Handhabung des Gestells sehr einfach und
erfordert wenig Zeit. Hervorgehoben sei endlich noch, dais der
dauerhaft ausgeführte Apparat das teure Aufziehen erspart und die
Aufbewahrung erleichtert. Das Königlich sächsische Ministerium
und verschiedene Direktoren und Lehrer haben denselben denn
auch empfohlen.
Ahiminramgriffe] , aus Aluminiummetall hergestellt, fangen
nach der „Dtsch. Sckiüetg." jetzt an, sich in den Schulen Stuttgarts
einzubürgern. Sie werden um den Preis von 15 — 20 Pfennigen in
den Papier- und Schreibmaterialienhandlungen verkauft. Voraussicht-
lich haben diese Griffel eine Zukunft, denn es schreibt sich nicht
nnr ganz bequem damit, sondern ihre Instandhaltung ist auch höchst
einfach, da sie bei sehr unbedeutender Abnutzung monatelang spitz
und daher zum Schreiben brauchbar bleiben.
Saiesgef^i^tltctyes.
Der internationale Kongrefs flir Hygiene und Demographie
il Budapest 1894. Die Kommission zur Vorbereitung des im
nftchsten Jahre in Budapest stattfindenden internationalen Kongresses
för Hygiene und Demographie stellte die Organisation desselben, wie
folgt, fest: Seiner Majestät dem König soll durch eine vom haupt-
städtischen Municipalausschufee zu entsendende Deputation die Bitte
um Übernahme des Protektorates des Kongresses unterbreitet werden.
Seine Majestät sollen ferner gebeten werden, als Protektorstellvertreter
ein Mitglied des allerhöchsten Herrscherhauses designieren zu woDen.
Das Präsidium des Kongresses sei dem Grafen Stbfan KIrolyi
anzubieten. Zum zweiten Präsidenten wurde Professor Dr. JosHP
vok Fodor, zum Generalsekretär Professor Dr. Koloman Müllar
gewählt. Die ständige Organisationskommission erhielt folgende
Zusammensetzung: Präsident: Bürgermeister Kammermayrr; Vice-
prSsidenten : Vicebfirgermeister Gbrlöczt und Magistratsrat Habs&~
haue»; Mitglieder: die Vertreter der einzelnen Ministerien, des
gemeinsamen Kriegsministeriums, der wissenschaftlichen Anstalten,
292
Körperschaften und Vereine, der ärztlichen und naturwissenschaft-
lichen Gesellschaften, der Universitäten, der Apothekervereine, und
zwar auch ans der Provinz. Die Organisationskommission zerfällt in
folgende 4, eventuell 5 Sektionen: a) für Hygiene, b) für Demo-
graphie, c) für Empfang und Feierlichkeiten, d) für die Ausstellung,
wenn eine solche veranstaltet werden sollte, und e) für finanzielle
Angelegenheiten. Die Vorbereitungskommission wird beauftragt, das
Verzeichnis jener in- und ausländischen Persönlichkeiten, welche zu
Ehrenpräsidenten gewählt werden sollen, vorzulegen. Die Sekretäre
des Kongresses werden sein: Dr. Sigmund Gbrlöczt, Dr. Otto
Pbbtik, Dr. Gustav Dirner, Dr. Samuel Low, Zoltän RIth,
Gustav Thierring, Michael Kaellinger und Eduard Tock.
Das Exekutivkomitee soll aus den Präsidenten, Vicepräsidenten
und Schriftführern der einzelnen Sektionen bestehen. Der Kongreis
findet in der ersten Hälfte des Monats September 1894 statt. Da
bis dahin auch die neuen grofsen Spitalbauten und das definitive
Wasserwerk fertiggestellt sein werden, so dürften die Kongreis-
besucher manches Interessante in der ungarischen Hauptstadt finden.
Mitteleuropäische Zeit und Beginn des Unterrichts am
Morgen. Die Einführung der mitteleuropäischen Zeit im Verkehrs-
leben, so wird der „Köln. Ztg" geschrieben, bietet eine gute
Gelegenheit zur Einführung angemessener Schulzeiten. Der Beginn
des Unterrichts um 8 Uhr morgens im Sommer wie im Winter
entspricht nicht den Verhältnissen unserer Zone und der Grofsstadt.
Er fällt im Sommer zu spät und im Winter zu früh. Die Vor-
datierung der Uhr um eine halbe Stunde sollte dazu benutzt werden,
um die Schulen im Sommer um 7 Uhr, d. i. um 71/* Uhr der
astronomischen Zeit, und im Winter um 8 Uhr, d. i. um 8 7» Uhr
nach bisheriger Rechnung, beginnen zu lassen. Im Sommerhalbjahr
wird dadurch ein Teil der Morgenfrische für den Unterricht ge-
wonnen, im Winter dagegen die Dunkelheit, die morgens, zumal
bei trüber Witterung, in den Klassenzimmern herrscht, entsprechend
abgekürzt.
Typhusepidemie in einem französischen Waisenhause.
In dem Landwaisenhause zu Grezes bei Laissac ist eine Typhus-
epidemie ausgebrochen, die nach einem Berichte des „Rrogr- f*töu
am 14. Januar d. J. noch heftig wütete. Die Zahl der Kranken
hatte zugenommen und betrug in der letzten Woche 45. Von dem
Präfekten wurde deshalb ein Gesuch um Unterstützung an den
Minister des Inneren gerichtet, der den Dr. Thoinot aus Paris
sandte, um die Lage zu prüfen und soriel als möglich der Krankheit
Einhalt zu thun. Der genannte Arzt führt die letztere auf die
schlechten äufseren Verhältnisse der Anstalt zurück und hat dahex
293
sofort zu energischen Desinfektionsmafsregeln geraten. Das Waisen-
haus in Grazes ist ein Ton Nonnen gegründetes und geleitetes
Privatinstitut, das sich durch milde Gaben erhfilt. Seine Kasse
ist augenblicklich leer. Von dem Präfekten sind deshalb 5000
Franken für dieselbe bei dem Minister des Innern erbeten worden.
Zar Frage nach der Ehelosigkeit der Lehrer, die be-
kanntlich auch hygienische Bedentang hat, insofern Unverheiratete
durchschnittlich eine kürzere Lebensdauer als Verheiratete haben,
bemerkte vor einiger Zeit der prenfsische Kultusminister: Es pflegt
dem Lehrerstande nachgerühmt zu werden, dafe er vor anderen
seine Angehörigen in die Lage setze, frühzeitig zu heiraten, und
von der anderen Seite, selbst von Behörden, wird gegen die
Lehrer nicht selten der Tadel erhoben, dafs sie zu leichtfertig und vor
der Zeit an die Gründung einer Familie dächten. Nun, meine
Herren, die Schulstatistik gibt auch über diese Verhältnisse Auf-
schluß, und es ist gewifs sehr nützlich, wenn das Ergebnis einmal
bekannt wird. Von den Lehrern, die in einem Lebensalter bis zu
25 Jahren standen, waren 9814 ledig und nur 591 verheiratet;
Ton den Lehrern zwischen 25 und 30 Jahren waren 6906 ledig
und 7132 verheiratet, und von insgesamt 62272 Lehrern waren
20077 unverheiratet. Diese Zahlen sprechen keineswegs dafür,
daß die Lehrer leichtsinnig zu früh zur Ehe schreiten. Im Gegen-
teil, man könnte daraus schließen, dafs es im Interesse der Schule
wünschenswerter wäre, wenn ein höherer Prozentsatz der Lehrer
sich verheiratete; denn darüber kann kein Zweifel sein, daß ein
Lehrer, der selbst Vater von Kindern ist, geeigneter ist, die Stelle
des Vaters in der Schule zu vertreten, als ein anderer.
Der Erbgrind unter den Schulkindern in Algier nnd
Tniis1 ist eine sehr häufige Erscheinung. Während des Schuljahres
1891 — 92 wurden von dem ärztlichen Schulinspektor Dr. GÄMT
67 Knaben und 12 Mädchen wegen Favus aus den Schulen
entfernt. Diese Ziffer bleibt hinter der Wirklichkeit jedoch zurück,
indem sich zahlreiche Kinder der Untersuchung entziehen. Die
Schulbevölkerung umfafst zwar 5956 Köpfe, 3458 Knaben und
2498 Mädchen, aber viele derselben fehlen beim Unterrichte; die
Madchen werden in den Familien zurückgehalten, die Knaben vaga-
bondieren auf den Strafsen. Aufserdem besucht ein grofeer Teil
die sogenannten freien Schulen, und diese sind gar nicht zur Unter-
suchung gelangt. Von den 79 an Favus Erkrankten waren 2 fran-
zösischer Herkunft, 6 spanischer, 1 italienischer, 45 gehörten ein-
geborenen israelitischen, 25 eingeborenen muselmännischen Familien
1 Vgl. diese Zeitschrift, 1893, No. 2, S. 84.
294
an. Wie man sieht, grassiert der Erbgrind besonders unter den
eingeborenen Kindern, was bei den elenden hygienischen Verhältnissen,
unter welchen die Bevölkerung lebt, leicht erklärlich ist. Und dabei
handelt es sich hier nur um die Stadt Algier selbst; im Innern
des Landes sieht es noch viel trauriger aus.
Der Verein rar Heilung stotternder Volkssckiler in
Hamburg sieht jetzt auf das fünfte Jahr seines Bestehens zurück.
Der erste Unterrichtskursus wurde im September 1888 begonnen,
der jüngste im März 1893 geschlossen. Innerhalb dieses Zeitraums
hat der Verein in 6 Abteilungen zusammen 617 Schüler unter-
richten lassen. Die dadurch entstandenen Ausgaben betrugen
1 1 634 A, also 18,85 Jd für jeden Schüler, während die Ein-
nahmen sich auf 12060 iL beliefen. Was die erzielten Erfolge
betrifft, so zeigten sich von 205 Schülern, welche während der
letzten 18 Monate durch 7 Vereinslehrer unterrichtet wurden,
nach dem Urteil
der Eltern der Klassenlehrer der Vereinslehrer
geheilt 106 77 118 = 57%
54 57 45 = 22%
36 43 40 = 20%
7 10 2= 1%
2 18 — —
sehr gebessert . . .
gebessert ......
erfolglos unterrichtet
Ergebnis unermittelt
Mehr als 550 Knaben und Mädchen sind bisher in ihren zukünftigen
Lebensberuf eingetreten, ohne durch Stottern oder Stammeln am
Fortkommen weiter behindert zu sein. Auch die am 16. März d. J.
im Saal des neuen Logenhauses abgehaltene öffentliche Prüfung
legte ein erfreuliches Zeugnis von den gewonnenen Resultaten ab.
Es wurden 6 Knabenkurse und 1 Mädchenkursus durch die Lehrer
BOTTERBROD, SöHRENS, BAHNSEN, DREWS, HABBBCK, KÖBNEB
und Thbut unter der Oberleitung unseres Mitarbeiters, des Direktors
der Taubstummenanstalt Södeb, vorgeführt. Unter den 70 Knaben
und 60 Mädchen bemerkten wir nur 6, bei denen noch Spuren des
früheren Übels sich zeigten. Alle übrigen waren im stände, eine
freie Unterhaltung fliefsend zu führen und selbst schwierige Sätze
ohne Anstofc zu sprechen. Ebenso tadellos lasen sie und trugen
längere Gedichte, zum Teil in dialogischer Form, ohne zu stocken,
vor. Bemerkenswert ist, dafs die Unterrichtenden keinen besonderen
Kursus für Sprachlehrer durchgemacht, sondern nur von Direktor
Söder einige Anleitung in Konferenzen empfangen haben. DaGs dem
Verein, dessen Vorstand zur Zeit aus den Herren W. RüMP,
A. G. Reimers, H. Södeb, W. Welzien und J. J. H. Lüder
besteht, noch ein reiches Feld der Thätigkeit übrig bleibt, beweist
295
letzte im Januar dieses Jahres veranstaltete Umfrage, nach der
zur Zeit in den Hamburger Volksschulen noch 498 Knaben und
156 Mädchen, zusammen 624 Schulkinder, mit Sprachgebrechen
befinden. Von diesen sind geboren
im Jahre Knaben Madchen Znsammen
1877 1 0 1
1878 35 8 48
1879 58 19 77
1880 59 20 79
1881 60 33 93
1882 76 20 96
1883 76 22 98
1884 54 16 70
1885 46 15 60
1886 . . . . . . 4 3 7_
Summa . 468 156 624.
Für die fortschreitende Entwicklung, in welcher der Stotter-
unterricht gegenwärtig begriffen ist, hat die vorstehende Zusammen-
stellung grofee Bedeutung. Die mittleren Jahrgänge zeigen gegen
die ersten eine verhältnismäfsig hohe Ziffer, weil von dem Verein
ans verschiedenen Gründen immer die ältesten Schüler zum Unter-
richt zuerst herangezogen wurden, derselbe also hier schon hilfe-
bringend eingreifen konnte. In den jüngsten Jahrgängen haben sich
aber die Sprachgebrechen noch nicht so weit entwickelt, dafs sie
allezeit deutlich wahrnehmbar sind ; anch fehlt hier noch der verderb-
liche Einflufe der Nachahmung, dem so viele erliegen. Überzeugend
jedoch ergibt sich die ja auch von allen Fachmännern anerkannte
8eUufefolgerung, dafs die Schule allein nie in der Lage sein wird,
flpraehgebrechen zu verhindern, wirksam zu bekämpfen, oder gar
nr Heilung zu bringen, sondern dafs sie hierzu der energischen
Unterstützung seitens des Elternhauses bedarf.
Zur Aagenentatndiuig in den Armenschnlen Londons.1
Dr. Stbphekson hat den dritten Jahresbericht über die infektiösen
Aageakrankheiten in den Armenschulen Central-Londons veröffentlicht,
den „The Brit Med. J<mm.u folgendes entnimmt: In den Jahren
1889 und 1890 waren besondere Schulgebäude für die Aufnahme
«ad Isolierung solcher Kinder errichtet worden, welche mit anstecken-
de Augenleiden behaftet waren. Die Zahl dieser Schulen ist jetzt
zi grob, so dafs sich von 15 nur noch 8 in Benutzung befinden.
Es mnb dies als ein erfreuliches Resultat der sorgfältigen Isolierung
1 Vgl diese Zeitschrift, 1892, No. 12, S. 558-669.
296
und Behandlung der Kranken angesehen werden. Während der
12 Monate von Juni 1891 bis dahin 1892 wurden ans den öffent-
lichen Schulen nur 34 Kinder in die Schulen für Augenkranke auf-
genommen, wogegen in den beiden vorhergehenden Jahren die ent-
sprechende Ziffer 65, beziehungsweise 186 war. Von den erwähnten
34 Schülern litten blofe 15 an granulöser Bindehautentzündung,
diesen Begriff im weitesten Sinne des Wortes genommen. Hervor-
gehoben zu werden verdient auch, dafs von den 163 Kindern, welche
aus den Isolierschulen in die öffentlichen Schulen zurückversetzt
wurden, 158 gesund blieben und nur 5 von neuem an den Augen
erkrankten. Diese Rückfälle fuhrt Dr. Stbphbkson auf atmosphärische
Einflüsse zurück, indem er sehr sorgfältige meteorologische Beob-
achtungen mitteilt. Zugleich weist er auf die interessante That-
sache hin, dafs, wenn man von Frieseln und Frostbeulen absieht, die
Zahl der AUgemeinerkrankungen in den Isolierschulen geringer, als
in den öffentlichen Schulen war.
Der städtische Schulgarten in Köln, der im vorigen Jahre
als der erste daselbst eröffnet worden ist, hat nach den „JPomm. BL"
einen Flachenraum von 6 Morgen, wovon etwa 2 Morgen zur
Baumschule benutzt sind. In der Mitte des Gartens steht ein
kleines Samenhaus, um das in mehreren Kreisen Anzuchtbeete liegen.
Vier Hauptwege bilden ebensoviele Abteilungen, wovon die erste die
wild wachsenden Pflanzen für den botanischen Unterricht, die zweite
die Gemüse, Getreide und sonstigen Kulturpflanzen, die dritte die
bekanntesten Ziergewftchse, die vierte die medizinischen und Gift-
pflanzen enthält. Zu beiden Seiten der Wege sind kleine Rabatten
angelegt, auf denen sich eine Auswahl von Pflanzen zur Ansicht
befindet, während die Anzucht im grofsen auf ausgedehnteren Feldern
betrieben wird. Längs der Wege sind auch die einheimischen
Wald- und Obstbäume angepflanzt. Ein kleiner Sumpf enthält die
Sumpfpflanzen. Sämtliche Volksschulen der Stadt und die höheren
Schulen erhalten die für den Unterricht in der Botanik nötigen
Pflanzen, und zwar erstere einmal, letztere zweimal wöchentlich je 3
bis 4 Arten. Im ganzen kommen in der Woche 20000 bis 50000
Exemplare zur Verteilung, wobei seitens der Verwaltung jedesmal
mitgeteilt wird, welche Pflanzen in der nächsten Woche ausgegeben
werden.
Vorführung des deutschen Schulturnens in Milwavkee
und Chicago« In Milwaukee ist der Turnunterricht unter Anleitung
von geprüften deutschen Turnlehrern seit Jahren für die beiden
oberen Klassen der öffentlichen Schulen obligatorisch und vor Jahres-
frist auch auf die zwei nächsthöchsten Klassen ausgedehnt worden, so
dafs derselbe jetzt mehr als 8000 Schulern, Mädchen und Knaben,
297
regelmäfsig zu gute kommt. Diese Schar wird nun, wie die
„Tägl. Bundsch." mitteilt, an einem oder an zwei Tagen des
nächsten Bundesturnfestes zu Milwaukee in turnerischen Freiübungen,
deren Einübung schon begonnen hat, vorgeführt werden. Der
technische Leiter, Turnlehrer Georg Brosius, will mit 6000 Kindern
in Aufmärschen und Fahnenreigen, zusammen und getrennt, den er-
zieherischen Wert des deutschen Turnunterrichts zeigen. Später
soll dann das ganze jugendliche Heer der Milwaukeer Turner nach
Chicago übergeführt werden, um dort auf der Ausstellungswiese vor
den Besuchern gleichfalls ein Bild deutschen Turnens zu entrollen.
Milchverteilnng an bedürftige Kinder in einer Leipziger
Bezirksschnle. In Leipzig hat der ostvorstädtische Bezirksverein
wahrend des abgelaufenen Winters den ärmeren Kindern der
7. Bezirksschule täglich Milch zum Frühstück verabreichen lassen.
Wie die „IUustr. Zätg." berichtet, galt es zunächst, die der Wohl-
that bedürftigen Kinder auszuwählen, Weshalb der Schularzt eine
genaue Untersuchung der Zöglinge der genannten Anstalt vornahm.
Dabei stellte sich heraus, daft 126 Knaben und 74 Mädchen
ungenügend ernährt waren. Die Verteilung des Frühstücks überliefe
man dem Direktor der Schule. Morgens kurz vor 10 Uhr wurden
die auf dem Korridor versammelten Kinder zum Empfang der
Milch in 2 geräumige Lehrzimmer, von denen das eine für die
Knaben, das andere für die Mädchen bestimmt war, geführt. Hier
waren auf Tafeln die Flaschen mit der sorgfältig untersuchten
MBch aufgestellt und' wurden dann unter Aufsicht eines Lehrers
verteilt. Fehlte eines der empfangsberechtigten Kinder, so waren
sofort „Reserveleute" zur Stelle. Bei aller Ordnung herrschte in
dieser Frühstückspause durchaus Ungezwungenheit. Auch sonst hat
sich die Einrichtung in jeder Beziehung vortrefflich bewährt.
Der Verein zur Förderung der Jngendspiele in Prag,
welcher sich im Januar d. J. konstituierte, hofft schon in Frühjahr
mit Spielen beginnen zu können. Der Stadtrat bewilligte zu diesem
Zwecke 1000 fl. Inzwischen werden geeignete Plätze gesucht und
die nötigen Spielgeräte angeschafft. Im April fand ein Kursus zur
Ausbildung der Spielleiter statt. Vorsitzender des Vereins ist der
Räses des allgemeinen Turnverbandes für Böhmen, Abgeordneter
Stadtrat Dr. J. Podlipny.
9dnlg«randh«ltfpfl6f* VI. 20
298
ämtlidie flerförjitttgtn.
Erlafs des Königlieh preussischen Ministers
der geistlichen, Unterrichts- und Mediunalsngelegenheiten,
betreffend Haushaltungsunterricht für Mädchen.
Berlin, den 18. Januar 1893.
Auf den Bericht vom 4. April v. Js., betreffend die Einführung
des Hanshaltangsnnterricht8 für die erste Klasse der Mädclienvolks-
schule in N., erwidere ich der Königlichen Regierung bei Rückgabe
der Anlagen, dafs ich grundsätzlich mit der Königlichen Regierung
darin einverstanden bin, dafs eine wesentliche Kürzung des Schul-
unterrichtes im letzten Schuljahre auch beim Unterrichte der Mädchen
grofee Bedenken hat. Das letzte Schuljahr, in welchem der Lehrer,
wo es gut um die Schule steht, Hand in Hand mit dem einsegnenden
Geistlichen in dem empfänglichen Gemüte des jungen Mädchens die
religiös-sittliche Gesinnung befestigen soll, ohne welche es nicht
gefahrlos in das Leben hinaustreten darf, ist für die Schule besonders
wichtig. Wo äufsere Verhältnisse die Lehr- und Lernarbeit auf-
gehalten haben, bietet das letzte Schuljahr die Möglichkeit, den
Kindern wenigstens die unentbehrlichsten Kenntnisse und Fertig-
keiten zu gewähren; wo aber, wie in N., normale Schulverhältnisse
vorhanden sind, verzichtet der Lehrer den dreizehnjährigen Mädchen
gegenüber auf die Aneignung neuen Lehrstoffes und strebt nur dar-
nach, das bisher Gelernte ergänzend, erläuternd zum freien Eigen-
tume des Kindes zu machen, dasselbe zur Selbsttätigkeit zu erziehen
und dadurch auch für die Erwerbsfähigkeit, deren die Mädchen
ebenso dringend bedürfen, wie die Knaben, die Grundlage zu
geben.
Ich kann daher dem ursprünglichen Antrage des Magistrats
zu N., Mädchen, welche die Haushaltungsschule besuchen, vom
Unterrichte in der Volksschule zu entbinden, keine Folge geben.
Die entsprechende Einrichtung würde nicht nur für die betreffenden
Mädchen eine das Mals überschreitende Kürzung des Unterrichts
zur Folge haben, sondern auch auf den Unterricht der anderen
Kinder störend wirken.
Um aber den Wünschen des Magistrates, soweit es ohne
Schaden für die Schule angängig ist, entgegenzukommen und
299
eine Überbürdimg der Mädchen zu verhindern, welche die Haas-
haltungsschule besuchen, will ich mit Rücksicht auf den guten
Stand dieser Anstalt und der Volksschule zu N. dem Vorschlage
meines Kommissars, dafs die Stundenzahl der ersten Mädchenklasse
um zwei Stunden wöchentlich zu Gunsten der Haushaltungsschule
gekürzt und die häusliche Arbeit auf ein Mindestmafs zurückgeführt
werde, zustimmen.
Indem ich Abschrift des Protokolles über die von meinem Herrn
Kommissar, Wirklichen Geheimen Oberregierungsrat Dr. Schneider,
bewirkte Revision der Mädchenschule in N. beifüge, veranlasse ich
die Königliche Regierung, hiernach die erforderlichen Anordnungen
zu treffen.
An
die Königliche Regierung zu N.
Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten.
(Gez.) Bosse.
Verbot jeu klein gedruckter Klassikertexte
durch das k. k. österreichische Unterrichtsministerium.
Das österreichische Unterrichtsministerium hat an sämtliche
Landesschulbehörden folgenden Erlafs, betreffend die Verwendung
typographisch schlecht ausgestatteter Klassikertexte an den Mittel-
schulen, gerichtet:
Es ist zu meiner Kenntnis gelangt, dafs bei der Schullektüre
klassischer Schriften der fremden Sprachen, sowie der Muttersprache
Testaosgaben verwendet werden, die infolge ihrer mangelhaften typo-
graphischen Ausstattung auf die Sehkraft der Schüler schädlich
wirken. Dies veranlaßt mich, die Landesschulinspektoren, sowie
die Direktoren der Mittelschulen aufzufordern, strenge darüber zu
wachen, dafe die in Verwendung kommenden Lehrtexte und Lehr-
mittel, welche der Approbation des Ministeriums für Kultus und
Unterricht nicht bedürfen, ihrer typographischen Ausstattung nach
den Forderungen der rationellen Schulhygiene entsprechen, nament-
lich aber nicht weiter zu dulden, dafs Klassikerausgaben, wie die
bei Philipp Reclam in Leipzig erschienenen oder die unter dem
Namen Meyers Volksbücher bekannten, ebenso die in der Kollektion
Friedberg & Mode erscheinenden französischen und englischen Klassiker-
texte u. dergl. bei der Schullektüre verwendet oder auch nur für
häusliche Lektüre empfohlen werden. Im Sinne meines Erlasses
vom 2. April 1887 sind Klassikerausgaben der bezeichneten Art
auch aus den Schülerbibliotheken, falls sie sich in denselben noch
vorfinden sollten, unverzüglich zu entfernen und durch den Anforde-
rungen der Schulhygiene entsprechende Ausgaben zu ersetzen.
20*
800
Verordnung des französischen Ministers des Unterrichte und
der sehtaen Künste, betreffend die Gesundheitspflege in den
französischen Primarschulen.
Der Gesundheitsrat des Departements ist immer durch den
Akademieinspektor Ober die Einrichtung und die sanitären Verhält-
nisse der für private Elementarschulen bestimmten Räumlichkeiten,
bevor diese eröffnet werden, zu befragen. Im Falle einer Epidemie
bestimmt der Pr&fekt auf Vorschlag des Akademieinspektors und
nach Anhörung des Bürgermeisters und des Gesundheitsrates des
Departements, welche sanitären Malsregeln in den Öffentlichen und
privaten Elementarschulen getroffen werden sollen; auch verfügt
derselbe, wenn nötig, den zeitweisen Schlufs der Schulen. Beloh-
nungen, bestehend in Medaillen aus vergoldetem Silber, Silber oder
Bronze, sollen an diejenigen öffentlichen Lehrer und Lehrerinnen ver-
teilt werden, welche die vollständigsten Statistiken über die Impfling
der Schulkinder zusammengestellt und Oberhaupt die gröfsten An-
strengungen für die Verbreitung der Vaccination und Revaccination
gemacht haben.
Verfügung des k. k. Bezirksschulrates tob Wien
wegen Aufnahme einer Statistik der verwahrlosten Schulkinder.
An
die Leitungen sämtlicher allgemeiner Volks- und Bürgerschulen
in Wien.
Zur Erledigung der vorliegenden Anträge auf Errichtung von
Eorrektionshäu8ern für verwahrloste Kinder erscheint es notwendig, die
Anzahl derjenigen schulpflichtigen Knaben und Mädchen zu konsta-
tieren, welche nach Ansicht der Schulleitungen und Lehrerkonferenzen
zur Aufnahme in eine Besserungsanstalt geeignet erscheinen.
In der Anlage werden demnach der Schulleitung 5 Exemplare
eines Fragebogens mit dem Auftrage zugemittelt, in der nächsten
ordentlichen, eventuell in einer einzuberufenden aufserordentlicben
Lokallehrerkonferenz über das Vorhandensein solcher verwahrlosten
Kinder an der Anstalt zu beraten, sich jedoch dabei vor Augen zu
halten, dafs nur thatsächlich verwahrloste und nur durch
Unterbringung in eigenen Korrektionsanstalten voraus-
sichtlich zu bessernde Kinder namhaft zu machen sind.
Für jedes der so bezeichneten Kinder ist ein Fragebogen in allen
seinen Rubriken genau auszufüllen, und sind diese Fragebogen sohin
bis längstens 1. Februar 1893 dem Bezirksschulrate zu übermitteln.
Wien, den 14. Dezember 1892.
Der Vorsitzende-Stellvertreter,
(gez.) Dr. Schindler.
801
Fragebogen.
1. Name and Geburtsdaten (Zeit, Ort und Land) des an der
Anstalt eingeschulten Kindes, dessen Abgabe in eine
Besserungsanstalt (Korrektionsanstalt) nach dem Urteile
der Lokallehrerkonferenz dringend wünschenswert er-
scheint.
2. Zuständigkeit des betreffenden Kindes (Ort und Land).
3. Name, Wohnort, Stand und Alter der filtern (Vater und
Mutter), eventuell des Stellvertreters derselben.
4. Bisheriges Verhalten des Kindes in der Schule, Charakter-
anlage desselben.
5. Wahrnehmungen über das bisherige Verhalten des Kindes
aufs er der Schule, soweit solche von den Lehrpersonen
gemacht werden konnten.
6. Wurde das Kind bereits polizeilich oder gerichtlich
beanstandet, eventuell wann und warum?
7. Genaue Angabe der besonderen Momente, welche nach der
Ansicht der Lokallehrerkonferenz die Abgabe des Kindes
in eine Korrektionsanstalt dringend wünschenswert
erscheinen lassen.
8. Sind die Eltern voraussichtlich in der Lage, im Falle der
Abgabe des Kindes in eine Korrektionsanstalt die Kosten
(jährlich etwa 175 — 250 fl.) ganz oder teilweise zu
bezahlen?
9. Etwaige besondere Bemerkungen der Lokallehrerkonferenz
oder der Schulleitung.
Schule ,
Wien, am Schulleiter.
Personalien.
Herr Dr. Hubert Wingerath, Direktor an der Realschule
bei St. Johann zu Strasburg i. E., ist unter die Mitarbeiter unserer
Zeitschrift eingetreten.
Der Direktor für öffentliche Gesundheitspflege im französischen
Ministerium des Innern Monod wurde an Stelle des zum ordent-
lichen Staatsrat ernannten Herrn Lagarde zum aufserordentlichen
Staatsrat befördert.
Unser verehrter Mitarbeiter, Herr Geheimer Begierungsrat
Professor Hase an der technischen Hochschule in Hannover, erhielt
302
das Komthurkreuz II. Klasse des sächsisch -ernestinischen Haus-
ordens.
Dem in den Ruhestand getretenen Ministerialrat Dr. Ludwig
MABKU80V8ZKY in Budapest, der für die Schulhygiene vielfach reges
Interesse an den Tag gelegt hat, ist der Titel eines Universitäts-
professors honoris causa verliehen worden.
Unserem geschätzten Mitarbeiter, Herrn Professor der Augen-
heilkunde Dr. Hermann Cohn in Breslau, wurde das Amt feines
Ehrenviceprftsidenten bei dem pädagogischen Weltkongresse in Chicago
übertragen.
Dem Bezirksschulinspektor Schulrat Müllbr in Schwarzenberg
ist das Ritterkreuz I. Klasse des Königlich sächsischen Albrecht-
ordens verliehen worden«
Die Kreisschulinspektoren Hbckert und Dr. Grabow in
Bromberg, sowie Pbnsky in Schneidemühl erhielten den Charakter
als Schulrat mit dem Range der Räte vierter Klasse.
Dr. Karl Wassmannsdorff in Heidelberg ist zum Mitgliede
des Ausschusses für Leibeserziehung, der sich anläßlich der Welt-
ausstellung in Chicago versammelt, ernannt worden.
Unser verehrter Mitarbeiter, Herr Bezirksschulinspektor Professor
Dr. K. Ribger in Wien, wurde zum k. k. Landesschulinspektor gewählt.
Dem Direktor des Gymnasium3 und Realgymnasiums in Burg-
steinfurt Dr. Boutbrwek ist das Amt als Provinzialschulrat in
Stettin übertragen worden.
Dr. M. Mac£ wurde zum Professor der Hygiene an der
Universität Nancy ernannt.
Es haben sich habilitiert: Dr. E. Cramrr als Privatdocent für
Hygiene in Heidelberg, Dr. Heider in gleicher Eigenschaft an der
Universität Wien und Dr. Karl HAgler als Privatdocent der
Bakteriologie in Basel.
Dr. Qu£hen ist zum ärztlichen Inspektor der Schulen des
XI. Arrondissements von Paris an Stelle Dr. Cornilleaus, der sein
Amt niedergelegt hat, gewählt worden.
Dr. Pivion wurde zum Arzt der Gewerbeschule für junge
Mädchen in Paris, nie Bouret 46, ernannt, Dr. Dareau, früher
Hilfsarzt des Lyceums in Pau, zum Ehrenarzt dieser Anstalt; die
Stelle Dr. Dareaus erhielt Dr. Monod.
Dr. Meünier ist als Nachfolger des verstorbenen Dr. Sainton
Hilfsarzt des Lyceums in Tours geworden.
Am 1. April d. J. ist Direktor Dr. Vogt vom Friedrichsr
gymnasium zu Kassel in den Ruhestand getreten ; sein Amt hat unse-
geschätzter Mitarbeiter, Herr Direktor Dr. Heussner vom Wilhelms-
gymnasium daselbst übernommen.
303
Am 16. Februar d. J. ist der stellvertretende Vorsitzende des
deutschen Vereins für Knabenhandarbeit Karl Grunow, erster
Direktor des Kunstgewerbemuseums zu Berlin, im fast vollendeten
70. Lebensjahre gestorben.
In St. Petersburg verschied am 26. Februar der Ordinator des
Elisabethkinderhospitals, Wirklicher Staatsrat Dr. Friedrich Karlo-
witsoh Arnheim.
Aus Dresden kommt die Nachricht von dem am 10. Januar
im Alter von 82 Jahren erfolgten Ableben der verdienten Förderin
der Fröbelschen Kindergärten, Freifrau von Marenholtz, geb.
von Bülow.
Der Arzt des Lyceums Lamartine Dr. Aim£ Aubbrt in Macon
ist, 72 Jahre alt, einer längeren Krankheit erlegen.
litteratitr.
Besprechungen.
Dr. Karl Richter, Kreisphysikus in Grofs- Wartenberg. Grundrifs
der Sehulgestmdheitepflege für Lehrer, Schulleiter, Schul-
aufsichtsbeamte und angehende Schulärzte. Mit besonderer
Berücksichtigung der Verhältnisse ländlicher Volksschulen. Berlin,
1893. H. Kornfeld. (92 S. 3 Abbild. Kl. 8°. M. 1,80.)
Das Büchlein enthält in 10 Kapiteln eine bei aller Kürze des
Ausdrucks erschöpfende Darstellung der wichtigsten Regeln der Schul-
gerandheitspflege. Seine Daseinsberechtigung liegt darin, dafe das
Gute und Nützliche nicht oft genug gesagt werden kann. Nicht oft
genug, soll anders die Schule als wesentlich kommunale Institution
rar Selbstverwaltung, zur Selbsttätigkeit auf gesundheitlichem
GeMete angeregt und befähigt werden. Denn weniger durch
prohibitive oder peremtorische Maferegeln der Gesundheitspolizei
kann die Schule ihre Aufgabe lösen, gesunde Geschlechter zu erziehen,
als durch langsame und stetige, von eigenem Verständnis
getragene Arbeit.
Dieses Verständnis für die Schulgesundheitspflege will auch der
Herr Verfasser fördern. Deshalb teilt er, nachdem er im I. Abschnitte
seines Buches über die Bedeutung von Licht, Luft und Wärme für
die Lehranstalten gehandelt hat, im IL Abschnitte einiges aus der
Ursachenlehre der Schulkinderkrankheiten mit. Daran knüpft er
folgerichtig in einem III. Hauptabschnitte Ausführungen über die
304
Bekämpfung der krankheiterzeugenden Einflösse der Schule. Hierbei
spricht er in mehreren Kapiteln über den Bau des Schulhauses, die
Einrichtung desselben, den Betrieb der Schulen, Aber die besonderen
Waffen im Kampfe gegen die Schulkinderkrankheiten und endlich
auch über die Desinfektion der Schulen.
Nach dem Dafürhalten des Berichterstatters hätte es vielleicht
einer weniger nachdrücklichen Betonung bedurft, dafs reichlicher Luft-
wechsel in den Schulstuben nicht von ausschlaggebender Bedeutung
ist, als es seitens des Herrn Verfassers auf S. 9 ff. geschieht.
Erfahrungsgemäß ist die Neigung des Zuvielthuns in dieser Richtung
seltener anzutreffen und weniger folgenschwer, als die gegenteilige.
Erwähnt doch auch der Autor selbst im Verlauf seiner Erörterungen
der unzureichenden Lüftung als eines die Bleichsucht mitverursachenden
Faktors. Wenn es in dieser Beziehung in den ländlichen Wohnungen
oft noch recht schlecht bestellt ist, so sollte es gerade aus diesem
Grunde in der Schule besser sein, zumal die Kinder in letzterer ja
auch ununterbrochener verweilen als im Elternhause.
Der Herr Verfasser will weiter (S. 43) für ländliche Schul-
anlagen den Ziegelrohbau dem Putzbau vorziehen und empfiehlt doch
auf der nächsten Seite allgemein äuiseren Verputz der Mauern oder
Ölfarbenanstrich zum Schutze gegen die Luftfeuchtigkeit.
Der S. 75 empfohlenen Aufstellung mit Sublimatlösung gefüllter
Speibecken in den Schulstuben als Schutzmittel gegen die Verbreitung
der Tuberkulose wird man auch nur sehr bedingter Weise zustimmen
dürfen. Mit der blofsen Anbringung solcher, womöglich noch aufs
unzweckmäfsigste geformten Gefäfse ist es selbstverständlich nicht
gethan. Die Benutzung derselben aber begegnet Grenzen in der
Schulzucht und will überdies sachverständig überwacht sein, soll ,
anders statt Nutzen nicht Schaden entstehen. Das gilt besonders,
wenn man statt Wasser Sublimatlösung zur Füllung benutzt.
Erwiesenermaßen tuberkulöse Kinder sollte man vielmehr vom Besuch
der öffentlichen Schule ausschließen und mit anderen an hartnäckigem
Husten Leidenden ebenso verfahren, solange sie Auswurf zeigen.
Diese Notwendigkeit wird selten eintreten, hat aber dann sicheren
Erfolg für sich. Recht häufig ist das Spucken nur eine üble, auf
unzulänglicher oder fehlender Erziehung beruhende Angewöhnung»
und da bringe man die Kinder davon zurück.
Die S. 86 verlangte Absperrung von Thüren und Fenstern der
zu desinfizierenden Räume, „damit keine Krankheitskeime ins Freie
gewirbelt werden", erscheint vom praktischen Standpunkte aus ent-
behrlich. Endlich vermiist man in der Desinfektionsanweisung eine
Vorschrift, was mit den Betten geschehen soll.
Von diesen kleinen Ausstellungen abgesehen, ist das Büchlein
306
trefflich angelegt and wird von den beteiligten Kreisen mit Nutzen
gelesen werden.
Kreisphysikas Dr. med. Rbimann in Neumünster.
£. Hasseckb, Königlicher Baurat. Die Schulheizung, ihre
Mängel und deren Beseitigung. Hit 32 Abbild. Berlin, 1893.
Wilhelm Ernst & Sohn. (46 S. Gr. 8°. M. 4.)
In der anregenden Schrift werden zunächst die Mängel ver-
schiedener Heizungsanlagen in den Schulen zu Hamburg, Berlin,
Leipzig, Frankfurt a. M. und Kopenhagen einer eingehenden Be-
sprechung unterworfen und die Mittel behandelt, welche zu deren
Abhilfe verwandt worden sind. Sodann wendet sich der Verfasser
gegen den Grundsatz, Räume durch Zuführung solcher Luft zu heizen,
welche auf hohe Wärmegrade gebracht ist. Die Luft, welche auf
60° C. und mehr erhitzt wird, erleidet hierdurch eine Einbufse an
ihrer Güte, abgesehen davon, dafe durch fehlerhafte Anlage oder
unsachgemäße Bedienung eine Destillation des in ihr enthaltenen
Staubes erfolgt oder dieselbe auf ihrem Wege von der Heizkammer
in das Klassenzimmer durch gas-, bezw. staubförmige Verun-
reinigungen verdorben wird. Es würde richtiger sein, sie nur so
weit zu erwärmen, wie es für Lüftungszwecke notwendig ist, und
dann sehr grofse Luftmengen in die Räume zu führen. Der Ver-
fasser hält eine Temperatur der einzuleitenden Luft von etwa 30° C.
für die zuträglichste.
Für die Heizung ist es nach den Ausführungen dieser Schrift
richtiger, die strahlende Wärme zu benutzen und namentlich die
Umfassungswände des zu beheizenden Raumes auf Temperaturen von
15 bis 18° C. zu erhalten. In sachgemäfser Weise führt der Ver-
fasser aus, wie unangenehm der Aufenthalt in Zimmern wirkt, deren
Luft hohe Wärmegrade besitzt, während die freistehenden Umfassungs-
mauern infolge ihrer niederen Temperatur dem Körper Wärme
entziehen. Es ist daher die Aufgabe des Technikers, eher um-
gekehrte Verhältnisse herbeizuführen, da bei genügend hohen Tem-
peraturen der Wandflächen und Gegenstände des Raumes die Zu-
führung etwas kühlerer Luft Geist und Körper frisch erhält. Die
Außenwände der Schulgebäude müssen demnach aus schlechten
Wärmeleitern hergestellt und durch „ruhende" Luftschichten inner-
halb der Wände die Wärmeverhältnisse derselben möglichst günstig
gestaltet werden. Sodann soll man Heizungseinrichtungen zur Ver-
wendung bringen, welche die Anordnung von Heizflächen oder
Heizkörpern am Fufse der freistehenden Aufsenwände gestatten, und
besonders die Fensterbrüstungen mit diesen versehen, da durch die
306
Fensterflächen, zumal bei einfacher Einglasung derselben, die be-
deutendsten W&rmeverluste entstehen.
Der Verfasser bespricht weiter die einzelnen Heizungsarten
und deren Verbesserungen nach obigen Grundsätzen. Namentlich
wird die Gasheizung als ungemein geeignet für Schulzwecke em-
pfohlen und klargelegt, wie die Einrichtungen hierfür beschaffen sein
müssen, um gleichzeitig eine richtige Erwärmung des Raumes und
eine gute Luftbeschaffenheit in demselben herbeizufuhren. Bemerkens-
wert ist der Gedanke, in älteren mit Luftheizung versehenen Schul-
gebäuden diese Heizung nur für die weniger kalte Jahreszeit zu
benutzen, während für die kältesten Wintermonate durch Gasheiz-
körper der Fehlbetrag an Wärme geliefert wird, wobei die ein-
geführte Luft nie höher als auf 30° C. erwärmt zu werden braucht
Dagegen dürfte es doch recht fraglich sein, ob der Gedanke
des Autors je Anklang finden wird, auf künstliche Lüftung ganz
zu verzichten und ausschliefslich durch öffnen der Fenster während
der Zwischenpausen die Güte der Zimmerluft zu erhalten. Wenn
auch zugegeben werden kann, dafs eine solche Lüftung der Zu-
führung von überhitzter staubhaltiger Luft entschieden vorzuziehen
ist, so ist doch die Technik weit genug fortgeschritten, um eine
ununterbrochene Lufterneuerung zu gestatten, ohne dafs dadurch
die gute Beschaffenheit der Luft leidet.
Ferner bedürfen manche Behauptungen der wissenschaftlichen
Begründung, da sie oft recht weittragend sind.
Im allgemeinen bietet aber die Schrift viele gute, anregende
Gedanken und wird gewifs wesentlich dazu beitragen, daCs Ver-
besserungen auf diesem Gebiete stattfinden, die noch in so hohem
Grade wünschenswert sind.
Docent an der technischen Hochschule
Chr. Nussbaum in Hannover.
Christian Schneider, Seminarlehrer in Xanten, und Franz
Dietrich, Lehrer in Frankfurt a. M. Die deutsche Normal-
schrift. Vereinsbroschüre des deutschen Normalschriftvereins.
1. Heft. Xanten, 1889. Selbstverlag. (40 S. Kl. 8°. M. 0,30.)
Über die in diesem Hefte enthaltenen zwei Aufsätze von Franz
Dietrich sei hier, soweit der Raum es gestattet, folgendes an-
geführt:
In dem ersten Aufsatze: Die deutsche Schrift und ihre Beform
spricht sich der Verfasser dahin aus, dafs es nur selten ein Kind
nach acht Schuljahren zu einer fliefsenden Schrift bringt. Was es in
dem Schönschreibunterrichte erlernt hat, ist nicht zum festen, un-
verlierbaren Eigentum geworden. Bleibt der abgehende Schüler
307
nicht auch ferner in der Ausübung der Schreibkunst, so mufs er
das schöne Schreiben wieder yerlernen. Ähnliches dürfte aber auch
bei anderen Fertigkeiten aus leicht begreiflichen Gründen der Fall sein.
Weiter heilst es: Schauobjekte auf Schülerausstellungen, als
da sind Hefte, Probeschriften, Geschäftsaufsätze u. s. w., sollten
nicht als Endziel der Schule betrachtet werden, sondern vielmehr
die praktischen Schriftstücke des gemeinen Volkes, Briefe u. dergl.
Rätselhaft erscheint es dem Referenten, wie der Verfasser aus
solchen praktischen Schriftstücken entnimmt, dafs die Schüler das
Schreiben bei der allgemeinen 7— 8jährigen Schulpflicht schlechter
und unvollkommener erlernen, als dies in Wirklichkeit der Fall ist.
Als Ursache führt derselbe Kellners Worte an, dafs das Kind die
Gesetze, welche aus dem Wesen der Sache selbst, aus der Hand-
lang des Schreibens und aus dem Charakter der Schrift, entnommen
sind, nicht kennt. Wir wollen auf diese Ursache nicht näher ein-
gehen, sondern nur hinzufügen, dafs auch andere Faktoren den
angefahrten Übelstand herbeiführen können. Dahin gehören z. B.
unrichtige Federhaltung, wozu der im ersten Schuljahre verwendete
Griffel das seinige beiträgt, geringe Übung in dem Gebrauch der
Finger- und Handgelenke, die zuweilen noch vorkommende Ungleich-
heit der Buchstabenformen in den einzelnen Klassen einer und der-
selben Anstalt, das zu lange Verweilen des Schreibens in den vier-,
bezw. einlinigen Heften, wodurch gewisse Scheinerfolge erzielt werden.
Dazu gehört femer die Schrägschrift überhaupt, da bei derselben der
Neigungswinkel der Grund- oder Schattenstriche zur Zeile stets ein
schwankender ist, indem die Schüler ihr Schreibheft nicht immer
in demselben Winkel geneigt vor sich liegen haben, die geringe
Übung im Schnellschreiben und im praktischen Schreiben ohne
Lineament, der Gebrauch von zweierlei im Charakter einander ent-
gegengesetzten Schriftformen, von denen die Kurrentschrift nach
den Ausführungen ärztlicher Autoritäten den Hand- und Finger-
gelenken nicht angepafst ist.
Nach Vorführung der leitenden Grundsätze einer praktischen
Schrift, wonach dieselbe bekanntlich deutlich, flüchtig und schön sein
soll, bezeichnet der Autor unsere bisherige deutsche Kurrentschrift
als eine geometrische, ans willkürlichen Zeichen zusammengesetzte, von
der keine Besserung auf dem Schreibgebiete zu erwarten ist. Zugleich
erklärt derselbe die sogenannten „wider die Hand laufenden" Züge, die
einen Auslauf von rechts nach links nehmen, z. B. ^cJ5^£J2£S&
als solche, welche nicht nur eine Verzögerung beim Schreiben, sondern
auch häßliche Unregelmäßigkeiten veranlassen. Hierauf bespricht
er das Längenverhältnis unserer deutschen Kurrentschrift und
charakterisiert dasselbe unter Hinweis auf die Druckschrift als un-
308
richtig, unnatürlich, widersinnig, da auf den Hauptraum, in welchem
sich nicht nur die wichtigsten, sondern auch bei weitem die meisten
Lautzeichen, namentlich die Vokale, befinden, nur V&, bezw. lh des
Schriftraumes kommt.1
Direktor Emanüel Bayr in Wien.
Franz Dietrich, Lehrer in Frankfurt a. M. Deutsche Symbol-
Normal-Hand- und Kurzschrift. Frankfurt a. M., 1889. Selbst-
Terlag. (24 S. Kl. 8°. iL 1.)
In dem zweiten Aufsatz bespricht derselbe Autor die von ihm
zur Abhilfe der besprochenen Übelstände aufgestellte „Normalschrift".
Wie verhält es sich nun mit dieser? Der Schriftraum zur Einübung
der Lautzeichen hat 4 Teile, wovon auf den Hauptbildungsraum
2 Teile, auf den oberen und unteren Bildungsraum je 1 Teil
kommen. In der Handschrift wird der Hauptbildungsraum einteilig.
Vom ersten Schreibunterricht wird verlangt, dafs er ein äußerst
strenger Zeichenunterricht sei, bei dem folgende Schriftelemente
geübt werden müssen: 1. Der Stammstrich oder verdickte Abstrich,
der die Zeile in einem Winkel von 90—76° trifft. Dietrichs
Normalschrift kann demnach sowohl senkrecht, als nach vorn (rechts)
oder nach hinten (links) geneigt sein. Ihrer Richtung ist also ein
Spielraum von 14° -f- 14° gelassen. Hierzu sei bemerkt, dafe wir
uns auf Grund der Theorie und Praxis nur für eine aufrechte Schrift,
bei welcher die Grund- oder Schattenstriche mit der Zeile einen
Winkel von 90° bilden, aussprechen können.8 2. Die Bildungslinie
(Schleife u. s. w.). 3. Die Verzierung, nämlich die einmal oder
mehrmals gewundene Spirale, welche, von dem Stammstrich nach
oben links oder rechts verlaufend, den Großbuchstaben bildet.
4. Der dünne Bindestrich, welcher die einzelnen Schriftzeichen zu
Silben und Wörtern vereinigt. 5. Die Lese- und Schreibzeichei.
Zu Anfang und Ende eines jeden Wortes fällt der unnütze
Binde- oder Aufstrich weg. In der Normalschrift als Zeichnung
sind die Stamm- oder Schattenstriche bei &*»>,&tf'a' u. s. w.
unten nicht abgerundet. Dafs dies erst in der geläufigen Handschrift
erfolgen soll, halten wir nicht für zweckmäfsig. Ebenso wenig sind
wir mit der Forderung einverstanden, dafs der erste Abstrich eines
Buchstabens, z. B. bei ^##^ verdickt, die weiteren fein darzustellen
sind, wodurch der Unterschied zwischen verdicktem Stammstrich und
1 Bei der Lateinschrift jedoch lU.
* Vgl. Dr. med. Paul Schubert, über Heftlage und Schrifi-
richiung im Jahrgang 1889, No. 2 dieser Zeitschrift; Separatabdruck
hiervon im Verlage von Leopold Voss in Hamburg.
309
dtoner Büdungslinie in der Kurrentschrift wieder verschwindet. Die
Form einzelner Bachstaben konnte auch eine bessere sein. Die
offene Schleife bei *^K^^**y% u. s. w. bereitet bei der Ausführung
kleiner Schrift, wie sie z. B. in dem Werkchen auf Tafel 7 vor-
gefahrt wird, gewifs Schwierigkeiten.
Im allgemeinen bietet die fleifsige Arbeit des Verfassers aber
Anregung bezüglich einer Reform der Schrift, und daher lohnt es
sich, von derselben Einsicht zu nehmen.
Direktor Emanubl Batb in Wien.
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TL Jahrgang. 1893. No. 6.
(gkigtnal-äbljaitMttngett.
Über den Einflufs behinderter Nasenatmung
auf die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder.
Von
Dr. med. Victor Lange,
Specialarzt für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten in Kopenhagen.
Den Lesern dieser Zeitschrift wird es, besonders durch
mehrere Aufsätze von Dr. Bresgen in Prankfurt a. M.,1
bekannt sein, dafs eine behinderte Nasenatmung auf die körper-
liche und geistige Entwicklung der Kinder oft einen recht
schädlichen Ein flu fs ausübt. Unter den verschiedenen krank-
haften Zuständen, welche die Respiration durch die Nase
behindern, ja unmöglich machen, möchte ich vor allem auf
die auffallende Häufigkeit eines Leidens im Nasenrachenräume
aoferksam machen. Obschon ich bereits früher sowohl in der
dänischen, als in der deutschen Presse8 über die gleich zu
beschreibende Krankheit etwas veröffentlicht habe, so behandle
ich diese Frage doch um so lieber noch einmal, als sie auch
für die Pädagogen eine grofse Bedeutung hat. Es bietet sich
ja in der Schule vielfach Gelegenheit, verschiedene Gebrechen
bei den Sandern zu beobachten, und die Lehrer haben es oft
viel mehr, als man von vornherein glauben möchte, in ihrer
1 S. Jahrgang 1889, No. 10, S. 607—522; 1889, No. 6, S. 281—285;
1890, No. 10, S. 575—681.
* Berlin. kUn. Wochtnschr., 1893, No. 6.
Scbtlgtiud)i«tt*pfleff« VI. 21
314
Gewalt, für eine rechtzeitige ärztliche Behandlung ihrer Zög-
linge Sorge zu tragen. Bei unserer Krankheit sind wir
aulserdem in der glücklichen Lage, dafe dieselbe in fest allen
Fällen anch von Laien erkannt werden kann und dafe jeder-
mann, auch ohne medizinische Kenntnisse zu besitzen, leicht
verstehen wird, wovon hier die Rede ist. Nur ein paar ana-
tomische Bemerkungen will ich vorausschicken.
Wenn man einen senkrechten Schnitt durch die Mitte des
menschlichen Kopfes legt, so sieht man, dafe sich hinter der
Nasenhöhle ein kleiner Raum befindet, der nach vorne mit
der Nase durch die hinteren Nasenöffnungen und nach unten
mit dem Rachen in direkter Verbindung steht. Ein durch
die Nase eingeführtes dünnes Instrument, z. B. eine Sonde,
trifft auf die hintere Wand dieses Raumes, und schiebt man
eine krumme Sonde durch den Mund hinter das Zäpfchen
hinauf, so gelangt man mit ihr in dieselbe Höhle. Wegen dieser
Lage und der Verbindung sowohl mit der Nase, als auch mit
dem Rachen wird jener kleine Raum Nasenrachenraum genannt.
Im unverletzten Kopfe hat derselbe eine würfelformige Gestalt,
und seine Gröfse entspricht bei Erwachsenen ungefähr der-
jenigen einer kleinen Walnufe. An den Seitenwänden dieser
Höhle liegen die Mündungen der sogenannten Eustachischen
Röhren, die eine Verbindung zwischen dem Nasenrachenräume
und den Trommelhöhlen darstellen; die Bedeutung dieser
Röhren wird später hervorgehoben werden.
Auf dem Boden des Nasenrachenraumes befindet sich
unter normalen Verhältnissen ein drüsenartiges Gewebe, das,
was die Form anbetrifft, eine gewisse Ähnlichkeit mit den
beiden Halsmandeln (Tonsillen) hat, weshalb dasselbe auch die
dritte Mandel oder Rachenmandel (tonsilla pharyngea) genannt
wird. Diese Mandel kann, ganz wie es bei den Halsmandeln
der Fall ist, recht oft bedeutend vergrößert erscheinen. Wegen
ihrer Lage hinter den oberen Teilen der hinteren Nasen-
öffhungen (Choanen) wird eine Vergröfserung derselben den
Luftdurchtritt durch die Nase erschweren; ja in einzelnen
Fällen findet man sogar eine fast vollständige Verlegung der
315
Choenen, so daDs die Nasenatmung so gut wie gänzlich auf-
gehoben ist. Selten aber besteht eine solche Vergrößerung der
.Rachenmandel allein. Am häufigsten trifft man gleichzeitig
eine Vermehrung des im Nasenrachenräume auch normal vor-
kommenden adenoiden Gewebes. Dasselbe liegt besonders an
der hinteren Wand des Raumes unregelmäßig zerstreut. Es
ist etwas lose aufgebaut, außerordentlich ge&fsreioh und wegen
dieser Eigenschaften Gröfsenveränderungen unterworfen. Populär
dürfte man wohl von einem schwammigen Gefüge sprechen;
die Veigleiohung mit einem Schwämme illustriert vielleicht
auch am besten die Eigenschaft des Gewebes, je nach der
Blntfällung bald gröfser, bald kleiner zu werden.
Auf eine solche Vermehrung des adenoiden Gewebes und
die davon abhängigen krankhaften Erscheinungen hat besonders
mein Landsmann, Dr. med. Wilhelm Meyer, schon vor
20 Jahren die Aufmerksamkeit der Ärzte gelenkt. Von ihm
stammt auch der Name der Krankheit „adenoide Vegetationen"
oder „adenoide Wucherungen" her.
Überall in der civilisierten Welt ist dieselbe bekannt, und
grofß ist die Zahl der Operationen, welche alljährlich gemacht
werden, um die damit behafteten Kinder von einem tief ein-
greifenden Leiden zu befreien. Dr. Meters Entdeckung wird
von allen Seiten als eine epochemachende und segensreiche
geschätzt. Wenn man bedenkt, dafs die adenoiden Vegetationen
einen so bedeutenden Umfang erreichen können, dafs sie die
Scheidewand zwischen den Nasenöffhungen beinahe berühren
und dafs der den Nasenrachenraum untersuchende Finger eine
mit Geschwülsten überall erfüllte Höhle vorfindet, dann ist es
kein Wunder, dafs Kinder mit der genannten Krankheit an
einer mangelhaften Respiration durch die Nase
leiden.
Betrachtet man ein solches Kind mit adenoiden Vege-
tationen, so wird man fast augenblicklich bemerken, dalüs
dasselbe mit offenem Munde atmet. Die Nasenatmung ist
jedenfalls, wenn überhaupt, nur für einzelne Augenblicke
möglich, und man mufs dem Kinde recht geben, wenn es be-
21»
316
hauptet: „ich bin auber stände, anders Atem zu holen."
Namentlich während des Schlafes sieht man immer und immer
den offenstehenden Mund und hört zugleich nicht selten ein
lautes Sohnarchen. Mitunter leiden diese Kinder auch an
momentanem Lufthunger; sie springen plötzlich auf, schreien,
sind ängstlich und schlafen im ganzen unruhig. Die Eltern
erzählen oft, dals dieselben, besonders die ganz kleinen, von
krampfartigen Zuständen befallen werden, was auch jeder be-
schäftigte Arzt wird beobachtet haben. Es liegt auf der Hand,
dals die Ernährung unter diesen Verhältnissen sinkt, und so
sieht man die Betroffenen nicht selten ein blasses Aussehen
haben. Sie entwickeln sich körperlich langsam, der Brustkorb
hat meist eine flache Form, es besteht eine ausgesprochene
Neigung zu Katarrhen. Zu der mangelhaften Ernährung trägt
vor allem auch der Umstand bei, dafs dem Blute eine un-
genügende Menge Sauerstoff zugeführt wird, was mit der ober-
flächlichen Atmung durch den Mund zusammenhängt.
Der Typus eines Kindes mit adenoiden Vegetationen ist
durchaus charakteristisch, und ein jeder, der einmal darauf
aufmerksam gemacht worden ist, wird die Angehörigen dieser
Gruppe ohne Mühe erkennen. Wegen des fast immer offen-
stehenden Mundes bekommt das Kind einen beschränkten
Ausdruck im Gesichte, die Züge sind schlaff, es fehlt fast
jede Spur von Leben darin, ja in ausgesprochenen Fällen maus
derjenige, der mit den Verhältnissen nicht vertraut ist, an-
nehmen, dafs es sich um einen Blödsinnigen handelt. Um den
Lesern einige möglichst treue Bilder solcher Individuen zu geben,
habe ich 4 Photographien aus meiner Sammlung entnommen
und lasse eine Reproduktion derselben nebenstehend folgen.
Es versteht sich von selbst, dals es Unterschiede im Aus-
sehen der Kinder mit adenoiden Wucherungen gibt, indessen
sind diese so unbedeutend, dals man davon absehen kann.
Der ganzen Gruppe bleibt immer etwas gemeinsames, die
Betreffenden bilden eine charakteristische „Familie" und lassen
sich leicht überall, auch auf der Strafse, erkennen. Nur
möchte ich hervorheben, dals nicht jedes Kind mit dem ab-
317
gebildeten Gesichtsausdrucke gerade an adenoiden Vegetationen
za leiden braucht. Man trifft nämlich ähnlich aussehende
Kinder, die keine Spur der Krankheit darbieten, and wo nur
eine ärztliche Untersuchung im stände ist, über den Grund
dieses Aussehens Auskunft zu geben. Aus den Abbildungen
wird man sehr leicht erkennen, dals die Kinder durch die
Nase nicht atmen können. Weniger deutlich treten die
«Waffen Züge hervor. Dagegen hat der Blick etwas fragendes,
mähendes, ganz so wie bei Schwerhörigen, welche die Worte
mit den Augen statt mit den Ohren zu erfassen suchen.
318
Wir kommen jetzt zu einem zweiten Punkte. Wer
wüfste nicht aus eigener Erfahrung, dals die Aussprache der
Nasallaute durch Verstopfung der Nase, z. B. hei einem ge-
wöhnlichen Schnupfen, bedeutend erschwert wird? Dieselbe
Wirkung hat auch eine Ausfüllung des Nasenrachenraumes
mit Wucherungen. In der That sprechen die Kinder mit
adenoiden Vegetationen, wie man sagt, „durch die
Nase"; außerdem ist ihre Sprache klanglos oder, wie Dr.
Meyer sich ausdrückt, „todf. Auch diese Erscheinung fällt
dem Laien gleich auf, und in der Schule wie im Hause macht
man dem Kinde oft den Vorwurf, dals es in seiner Aussprache
nachlässig, sei. Man darf aber nicht vergessen, dals die
schwankenden Gröfsenverhältnisse der Geschwulstmasse eine
bald schlechtere, bald bessere Aussprache bewirken.
Als ein drittes, und zwar sehr wichtiges Symptom unseres
Leidens mufs ein mangelhaftes Gehör hervorgehoben
werden. Wie oben bemerkt, besteht eine Verbindung zwischen
dem Nasenrachenräume und den Trommelhöhlen durch die
Eustachischen Röhren. Durch die Schluckbewegungen und
das Putzen der Nase werden diese Röhren momentan geöffnet
und so die Trommelhöhlen ventiliert, d. h. es wird eine gewisse
Quantität Luft in das Mittelohr gepumpt. Wenn es sich nicht
so verhielte, würde der äufsere Luftdruck vom Gehörgange
aus das Trommelfell eindrücken, und die Folgen hiervon
würden Schwerhörigkeit, subjektive Gehörempfindungen, ja
mitunter selbst Schmerzen sein. Einem solchen einseitigen*
Drucke arbeitet die periodische Lüftung der Trommelhöhlen
durch die Eustachischen Röhren entgegen. Es ist also un-
schwer zu verstehen, dals ein jeder krankhafter Zustand im
Nasenrachenräume, welcher die Mündungen dieser Röhren
verlegt, auf das Gehör einen nachteiligen Einflufs üben mufs.
Das thun besonders die adenoiden Vegetationen. In der That
sehen wir, dals ein Kind mit der genannten Krankheit nicht
nur in der Regel ein mangelhaftes Gehör hat, sondern auch
an wechselnder Schwerhörigkeit leidet. Eben auf dieses
letztere Moment ist besonderes Gewicht zu legen. Es muJs
319
nämlich auffallen, wenn das Kind eines Tages gut hört und
am nächsten Tage mit seinem unaufhörlichen „Wie gefällig?"
die Geduld der Lehrer und Eltern auf eine harte Probe stellt.
Auf diese Weise wird man sehr leicht dasselbe falsch be-
urteilen und Unaufmerksamkeit bei demselben annehmen.
Erst nachdem man den wahren Grund des Mifsverhältnisses
kennen gelernt hat, begreift man, daJs ein solches armes Kind
wegen seines Gebrechens unschuldig ist.
Es wurde oben erwähnt, dals die Krankheit überall in
der civilisierten Welt vorkommt. Zahlreiche Ärzte haben
denn auch in verschiedenen Ländern Schuluntersuchungen
angestellt und dabei recht viele schwerhörige Kinder gefunden,
deren Leiden in erster Linie auf mangelhafte Respiration
durch die Nase und Nasenverstopfung zurückzuführen war.
Bevor man diesen Zusammenhang kannte, sprach man gewöhn-
lich von Skrofulöse und unterwarf solche Kinder einer anti-
skrofulösen Behandlung. Heutzutage weifs man jedoch,
dafs die adenoiden Vegetationen eine operative Behandlung
erfordern, und oft genug bietet sich Gelegenheit zu sehen, wie
heilbringend eine gut ausgeführte Operation für die Kinder ist
und welchen mächtigen Aufschwung sowohl die geistige, als
die körperliche Entwickelung derselben danach nimmt.
Die letzten Jahre haben viel dazu beigetragen, verschie-
dene diese Krankheit betreffende Fragen aufzuklären. Ich
möchte die Aufmerksamkeit besonders auf einen interessanten
Vortrag von Dr. med. Max Scheffer in Bremen lenken,
welchen derselbe auf der dortigen Versammlung deutscher
Naturforscher und Ärzte im Jahre 1890 gehalten hat. Seine
Erfahrungen stützten sich auf die Beobachtung von 1000 Fällen
adenoider Vegetationen. Eine ähnliche Zahl liegt diesem
Artikel zu Grunde. Den Zusammenhang zwischen adenoiden
Vegetationen und Stottern haben mehrere Verfasser, z. B. Dr.
Kapemann in Danzig und Dr. Winkler in Bremen, nach-
gewiesen.
Hier mufs auch erwähnt werden, dafs Professor Guyb in
Amsterdam auf ein Symptom der besprochenen Krankheit auf-
320
merksam gemacht hat, welches er als „aprosexia nasalisu
bezeichnet; er versteht darunter den Mangel an Fähigkeit, die
Gedanken bei einem Gegenstande festzuhalten. Es unterliegt
keinem Zweifel, dafs dieses Symptom viel häufiger vorkommt,
als man noch heute annimmt. Eine Erklärung für dasselbe
ist leicht gegeben. Fühlen wir doch alle einen unangenehmen
Druck in der Stirne und eine gewisse Unlust zu geistiger
Arbeit, wenn uns ein gewöhnlicher Schnupfen den Luftdurch-
tritt durch die Nase versperrt. Ebenso bewirkt der Verschlafe
der hinteren Naseuöfihungen durch adenoide Wucherungen
Kopfschmerz, erschwert den Gedankengang und schwächt das
Gedächtnis. Werden diese Wucherungen entfernt, so schwindet
die aprosexia nasalis, und namentlich bei Kindern tritt oft
eine vollständige geistige Umwandlung ein. Das Lernen macht
ihnen keine Schwierigkeiten mehr, ihr Gedächtnis wird stärker,
und sie beginnen wieder Freude am Unterrichte zu haben.
Auf dieselbe Erscheinung hat auch der bereits im Eingang
erwähnte Dr. Bresgen hingewiesen und au den preußischen
Kultusminister die Bitte gerichtet, er wolle die Lehrer an-
weisen, auf freie Durchgängigkeit der Nase für die Atmungs-
luft bei den Schulkindern zu achten, auch die Hör&higkeit
derselben genau zu überwachen.1 Ausserdem hat der Genannte
nach dem Vorgänge anderer Arzte den Vorschlag gemacht,
dafs medizinische Schulinspektoren angestellt werden, zu deren
Aufgaben auch gehören würde, geistig zurückgebliebenen
Schülern, welche durch den Mund atmen, besondere Aufmerk-
samkeit zuzuwenden. Daus die Einführung einer solchen
Kontrolle vieles für sich hat, darüber dürfte bei den meisten
Übereinstimmung herrschen. Inwieweit jedoch die vorgeschlagene
Form glücklich sei oder nicht, darüber will ich mir hier kein
Urteil erlauben.
Jedenfalls aber darf man allen, welche bemüht sind, das
Los der Kinder mit behinderter Nasenatmung zu bessern, nur
dankbar sein und hoffen, dafs eine nicht zu ferne Zukunft die
S. diese Zeitschrift, 1889, No. 5, S. 233.
321
praktische Lösung dieser Frage bringen wird. Viel wird dazu
beitragen, wenn die Pädagogen von ärztlicher Seite immer
wieder darauf hingewiesen werden, dafs mangelhafte
Respiration durch die Nase, unklare, klanglose Aus-
sprache, schlechtes, häufig wechselndes Gehör und
die Unfähigkeit, längere Zeit aufmerksam zu sein,
oft von adenoiden Vegetationen im Nasenrachenräume
herrühren.
Wie befreien wir unsere Schuljugend
vom Nachmittagsunterrichte?
Von
Philipp Zimmermann,
städtischem Lehrer in Frankfurt a. M.
Die offiziellen Stundenpläne identifizieren schon vom ersten
Schuljahre an Unterrichtslektion mit Zeitstunde derart, dafs
an 3 oder 4 Vormittagsstunden auch 3, beziehungsweise 4
Unterrichtslektionen stattfinden. Ob dieses Zusammenfallen
von Zeitötunde und Lektion auf irgend einem psychologischen
Stadium des Kindes beruht, dürfte sehr zu bezweifeln sein.
Denn der berufsmäßige Pädagoge denkt in seinem Eifer weit
mehr an das Klassenpensum und die Revisionen durch seine
Vorgesetzten, als an die Eigentümlichkeit seiner Schüler, nur
eine bestimmte Zeit in gespannter Aufmerksamkeit verharren
zu können. Die Frage: „Wie lange kann ein Schüler von 8,
10 oder 12 Jahren einem und demselben Gegenstande mit
hinreichender Teilnahme folgen?" müfste von den Biologen
und Physiologen auf Grund angestellter Experimente zuerst
beantwortet werden,1 ehe wir alle uns zu Gebote stehenden
1 Vgl. Leo Buboerstein: Die Arbeitskurve einer Schulstunde
in dieser Zeitschrift, 1891, No. 9, S. 543—662 und No. 10, S. 607—627.
D. Red.
322
Mittel, wie Wechsel der Unterrichtsformen, Lehrton, Veran-
schaulichung u. s. w., ausnutzen, um die Kinder möglichst
andauernd in unwillkürlicher Aufmerksamkeit zu erhalten.
Was es aber helfet, 40 bis 50 Minuten lang mit völliger Hin-
gabe einem Gegenstände zu folgen, das können wir leicht an
uns selbst beobachten, wenn uns ein guter Redner zu packen
versteht und wir 3A Stunden lang „ganz Ohr" bei seinem
Vortrage sind. Wir Erwachsenen fühlen uns hinterher meist
erschöpft; wie viel mehr mufs dies bei erst werdenden Menschen,
bei unserer Jugend, nach Ablauf einer Unterrichtsstunde der
Fall sein!
Von diesen Erwägungen ausgehend, unterrichte ich seit
zwei Jahren meine Schüler, die sich jetzt im dritten Schul-
jähre befinden, in halbstündigen und oft noch kürzeren Lek-
tionen, so dafs ich in 3 Vormittagsstunden bequem 5 bis 6
verschiedene Lektionen erteilen kann, und ich mache die merk-
würdige Erfahrung dabei, dafs man z. B. in 6 halbstündigen
wöchentlichen Rechenlektionen mehr erreicht, als in 4 Voll-
stunden per Woche. Desgleichen werden die Schüler durch
6 halbstündige Leseübungen mehr gefördert, als in 4 vollen
Lesestunden, und 6 halbe Stunden wöchentlichen Religions-
unterrichts entsprechen genau 4 ganzen. Es scheint dies auf
den ersten Blick ein falsches Rechenexempel zu sein, aber die
Erfahrung bestätigt seine Richtigkeit. Jeder psychologisch
gebildete Pädagoge wird mir zugeben, dafs anhaltende geistige
Thätigkeit ermüdet, der Wechsel aber erfrischt, dafe somit der
Erfolg unseres Unterrichts weit weniger verbürgt wird durch
zu langes Verweilen bei demselben Gegenstande, als durch
häufigere Wiederholung eines kürzeren Pensums mit sich
steigernder Intensität. Wenn wir also in 18 wöchentlichen
Vormittagsstunden SO bis 32 Unterrichtslektionen zu geben
vermögen, dann bleiben die Nachmittage für Turnen, Gesang,
Spiel, Klassenwanderungen, Handfertigkeitunterricht u. s. w.
frei und der alten Forderung wird genügt: „Der Vormittag
dem Geiste, der Nachmittag dem Körper und dem Gemüte!*1
1 Siehe E. Hartwig: Woran wir leiden, Düsseldorf, 1882.
323
Namentlich die rein theoretischen oder abstrakten Lehrgegen-
stunde dürften durch eine Teilung in halbstündige Pensen
insofern gewinnen, als sie in häufigeren und kleineren
Dosen dem kindlichen Geiste verabfolgt und somit leichter
geistig verdaut werden.
Ich trug diesen meinen Gedanken, der nicht etwa aus
pädagogischer Neuerungssucht hervorgegangen, sondern das
Resultat eingehender Beobachtung meiner eigenen 5 Kinder,
sowie der mir anvertrauten Schuljugend ist, Herrn Professor
W. Prbyer in Berlin vor. Der bekannte Biologe stimmte
meiner Idee durchaus bei und will Kinder vom Schulbeginne
bis zum 14. oder 16. Lebensjahre nur 10, 15, 20 oder höch-
stens 25 Minuten in einem fort geistig beschäftigt wissen. In
ranz ähnlichem Sinne haben sich mehrere Mitarbeiter dieses
Blattes, wie Professor Dr. J. Kollmann in Basel, Realgym-
nasialdirektor Dr. Th. Bach in Berlin und Professor Dr. L.
Bubgerstein in Wien, ausgesprochen.
Hierdurch ermutigt, lege ich umstehenden Lektionsplan
den Lesern dieser Zeitschrift vor und bitte sie, falls sie im
praktischen Schuldienste stehen, denselben mit einer Klasse zu
erproben. Derselbe ist gewiis verbesserungsbedürftig, schon
insofern, als man nach der dritten halben Stunde wohl vor-
teilhafter eine gröfsere Frühstücks- und Erholungspause und
zwischen die halbstündigen Lektionen nur eine kleinere Pause
von 5 Minuten legt. Während dieser 5 Minuten wird gelüftet,
die Kinder befriedigen in dringenden Fällen ihre natürlichen
Bedürfnisse, und es kann noch eine Gruppe Freiübungen zur
Kräftigung des Rückens und des Brustkorbes im Saale vor-
genommen werden. Schuldirigenten mit langjähriger Erfahrung
werden ferner die Anordnung der einzelnen Lektionen gewifs
geschickter vornehmen, als ich es vermochte, und auch sonst
vielleicht noch dieses und jenes zu tadeln finden. Aber von der
Richtigkeit der dem Stundenplane zu Grunde liegenden Idee werde
ich von Tag zu Tag mehr überzeugt, weil sie sich der natür-
lichen Leistungsfähigkeit des Kindes, sowie dessen ganzem
Wesen mehr anpafst, als Pläne mit vollständigen Lektionen.
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325
Ich verweise dieserhalb auf Comenius, Did. Mag., Cap. 15,
12 und 13 und Cap. 29, 10. Der schönste Gewinn aber, der
durch diese Neuerung erzielt werden würde, erstreckt sich auf
eine rein erziehliche Schuleinrichtung. Denn indem keine
Klasse mehr wöchentliche Unterrichtszeit hätte, als das wöchent-
liche Stundenmals einer Lehrkraft beträgt, könnte für unsere
Volks- und Mittelschulen das Klassenlehrersystem streng durch-
geführt werden, ein Segen, der von den Schulbehörden der
Groisstädte leider vielfach unterschätzt wird.
Von der finanziellen Ersparnis, welche der Stundenplan
bietet, will ich hier als von einer reinen Verwaltungsange-
legenheit nicht reden.
Ich gebe mich der Hoffnung hin, durch meinen Plan eine
Seihe von Kollegen zum Nachdenken, Beobachten und zu
Versuchen anzuregen, denen weder Voreingenommenheit ein
schnelles Grab gräbt, noch allzu kühner Enthusiasmus und ein
gewisser Übereifer schadet. Die Hygiene des Unterrichts ist
ein Gebiet, das mit Vorsicht und grofser Sachlichkeit behandelt
werden muis. Das Ziel stecke uns Comenius, die Mittel und
Wege biete uns Pestalozzi — dann werden wir die uns zur
Erziehung übergebene Jugend einer harmonischen Bildung
des Geistes und des Körpers entgegenführen.
326
ätts tterfanmlttitgtit attb Umtuen.
Die wissenschaftlich-industrielle Austeilung in Kasan.
Gegenstande ans dem Gebiete der Schulhygiene
und der körperlichen Ersiehung.
Bericht,
verlesen in der „Gesellschaft zur Wahrung der Volksgeeundheit".
Von
Wirklichem Staatsrat Dr. med. Alexander von Wibenius,
Arzt des WedenskiBohen klassischen Gymnasiums
und Direktor des Einderasyls der Groisfurstin Alexandra Nicolaewska
in St Petersburg.
(Fortsetzung.)
In der Absicht, möglichst anschaulich die fortschreitenden
Verbesserungen in der inneren Einrichtung der Schulen vor-
zuführen, hatte die Kreisverwaltung von Kasan eine ganze
Reihe von Plänen und photographischen Aufnahmen verschie-
dener Schulgebäude des Bezirkes ausgestellt. In der That
konnte man sich an der Hand dieser Abbildungen davon über-
zeugen, dafs die Schuleinrichtungen, wenn auch in geringem
Mause, so doch bestimmt mehr und mehr sich vervollkommnen.
Anfangs wurden die Unterrichtsgebäude, wie in dem Berichte
auch dargelegt ist, in der Weise hergestellt, dafs das Klassen-
zimmer und die Wohnung des Lehrers nur durch einen
Korridor, der nicht geheizt werden konnte, getrennt waren.
Hierauf führte man die Verbesserung ein, dafs im Korridor
ein besonderer Kaum für die Nächtigenden abgeteilt wurde,
in welchem aufserdem die Schüler ihre Oberkleider für die
Schulstunden ablegen konnten. Später wurde der ganze
Korridor in ein Vorzimmer für die Klasse umgewandelt, wobei
327
natürlich auch die Notwendigkeit eintrat, denselben zn heizen.
Allein die Unbequemlichkeit dieser Einrichtung zeigte sich
darin, dafe das Klassenzimmer und die Wohnung des Lehrers
einen gemeinsamen Eingang vom Korridor aus hatten. Denn
aus dem Klassenzimmer gelangte die herausströmende schlechte
Luft in die Wohnung des Lehrers, und ausserdem wurde der
Korridor, besonders bei verheirateten Lehrern, natürlicherweise
mit allerlei Hausgerät vollgestellt. Aus diesem Grunde hielt
es die Kreisverwaltung für unumgänglich, die Zimmer des
Lehrers von der Klasse zu isolieren. Der warme Korridor
als Vorzimmer und Schlafstätte wurde nun mit der Ellasse
vereinigt, während die Lehrerwohnung einen besonderen Ein-
gang mit einem kalten Hausflur erhielt. Schliefslioh liefe die
Kreisverwaltung einen nach ihrer Meinung besseren Plan für
Schulgebäude ausarbeiten: die Wohnräume des Lehrers und
die Klasse befinden sich hier in zwei besonderen Häusern,
welche miteinander durch einen Hausflur verbunden sind.
Die Modeile und Pläne von Schulen auf der Kasanschen
Ausstellung dienen zum Beweise dafür, dafe die Klassenräume
nur einen geringen Umfang besitzen, dafe bei denselben die
Korridore nicht selten fehlen — von Rekreationsräumen schon
gar nicht zu sprechen — , dafe ferner die Thüren und Fenster
von ungenügender Gröfse und die Wohnungen der Lehrer
winzig klein sind. Alle diese Mifsstände lassen sich leicht
durch den Mangel an Geldmitteln beim Bau der Schulen
erklären.
Andererseits aber beweist das Vorhandensein eines leid-
lichen Fundamentes und eines geräumigen Hausflurs, die
zweckmäfeige Verteilung von Luft und Licht und die Ein-
richtung der Schulgeräte in den meisten dieser Unterrichts-
anstalten, dafe die Gründer und Leiter derselben offenbar den
Wunsch hegen, den berechtigten Anforderungen der Hygiene
und der Architektur so viel wie möglich zu genügen. Fast
in allen Schulen erhalten die Klassenzimmer das Licht von
der linken Seite, bisweilen zugleich von hinten; auch das
Verhältnis der Fensterfläche zu der Fläche des Fufebodens
328
zeigt in den meisten Fällen keine Übertretung der hygienischen
Gesetze. Ebenso entsprechen die Subsellien in der Regel den
Modellen, welche von der neueren Hygiene als Muster hin-
gestellt werden. Gewöhnlich finden sich unbewegliche Tische
und Bänke Air mehrere Schüler, seltener, in wohlhabenderen
Anstalten, solche mit verstellbaren Bestandteilen und endlich
sogar selbstthätig veränderliche Bänke und Tische. Die Schulen
wetteiferten geradezu in der Ausstellung ihrer Subsellien. Die
charakteristischen Merkmale derselben waren überall ziemlich
die gleichen. So z. B. erwies sich die Distanz beinahe bei
allen Schultischen als Null und war selten negativ. Auch
die Differenz zwischen Tisch und Bank und die Höhe der
letzteren waren gröfstenteils richtig berechnet. Die von uns
vermessenen Details entsprachen einem Wüchse der Schüler
von 120, 130, 150 und sogar 160 cm, d. h. demjenigen der
älteren Zöglinge einer Elementarschule oder auch der meisten
Schüler mittlerer Lehranstalten.
Besondere Berücksichtigung verdienen folgende Schultische :
Das Lehrerseminar in Kasan hatte aus seiner Werkstatt ein
zweisitziges Subsellium ausgestellt, dessen Tischplatte der Länge
nach in drei Teile geteilt war; der mittlere dieser Teile konnte
herausgehoben und das Innere des Tisches so als Schublade
benutzt werden. Diese Einrichtung ist übrigens eher originell,
als praktisch zu nennen, da infolge der komplizierten Her-
stellung und des hohen Preises die Tische sich mehr zum
Privatgebrauch in wohlhabenden Familien, als zur Benutzung
in Schulen eignen dürften.
Neu ist ebenfalls ein von der Inspektion in Jelabusch
angegebener Sohultisch. Er ist für drei Schüler eingerichtet
und dadurch gekennzeichnet, dab die Tischplatte des Mittel-
platzes nach vorne beweglich ist, wodurch der Schüler die
Möglichkeit erhält, aufzustehen und stehend zu antworten.
Ein von der Kulibinschen Handwerkerschule in Nishny-
Nowgorod ausgestellter Tisch, der eine bewegliche Bank mit
Strohsitzen hat, ist zwar sehr hübsch gearbeitet, eignet sich
jedoch wenig zur praktischen Verwendung in der Schule.
Bemerkenswert durch seine Wohlfeilheit (27* BW.) ist
Tisch des Bauern Michael Pehächih ans den Troitzaohen
Bwrk des Kreises Wjatte. Derselbe ist fttr drei Schüler
berechnet und miürt in der Länge 140 cm, d. h. weniger ab
0,5 m für jeden Schüler, was unzureichend ist, in der Breite
S8em. Da dieser Tisch seiner Dübrenz (23 om) und der Höbe
der Bank (43 om) nach fttr einen Wuchs von 160 om bestimmt
ist, so mala natürlioh die Breite der Tischplatte als zu gering
beseiohnet werden. Im übrigen ist das Subsellinm fest und
haltbar aus Föhrenholz gefertigt und gestrichen, so dafo in
Bezug auf Wohlfeilheit ihm wohl kein Sohultisoh der Welt
den Vorrang- ablaufen kann. Bei dieser Gelegenheit wollen
wir bemerken, dafs überhaupt die Preise der Schulmöbel auf
der Ausstellung auleerordentlich niedrig angesetzt waren, so dafs
asa unwillkürlich auf den Gedanken kam, das Material und
der Arbeitslohn seien nicht richtig taxiert worden.
Von zahlreichen Schultisohen verschiedener Systeme waren
such Modelle- en miniature ausgestellt, so z. B. seitens der
Inspektion in Jelabuseh, doch boten eie durchaus nichts be-
sonderes, das ein erhöhtes Interesse hätte beanspruchen können.
Im allgemeinen darf man in betreff der Tische und Bänke
Ar die Klassenzimmer sagen, dafs die Sohuladministration des
Wolga-Eamagebietes mit Ernst diese Frage behandelt und dafs
wohl in nicht allzuferner Zeit, wenn auch nicht alle, so doch
dis meisten Sobulen mit passenden Subsellien versehen sein
weiden.
Wenn man auf der Ausstellung einer ganzen Anzahl
Gegenstände aus den Landschaftssohulen begegnete, so mulfete
«an unwillkürlich bedauern, daJs Exponate von den Lehr«
anstaiten der Kaiserin Marie und des Ministeriums der 'Volks*
anfklftrung fast gänzlioh fehlten. In Kasan gibt es ja nicht
wenige Schulen, welche wohl im stände wären, mancherlei
Gegenstände von sich auf die Ausstellung zu senden, Dinge,
die sowohl interessant, als auch lehrreioh für das Publikum
rind und, was die Hauptsache ist, über den wirklichen Stand
dieser Anstalten in pädagogischer und sanitärer Hinsicht Ans-
8ehnIfMit»dh«Uspfl6fe VI. 22
330
kunft geben können. So existiert dort b. B. die prachtvolle
Realschule mit allen nur wünschenswerten hygienischen Ein-
richtungen, das in jeder Hinsicht vollkommene, freilich noch
im. Bau begriffene weibliche Gymnasium der heiligen Xenija,
das Alezander- Asyl* das erste und zweite Gymnasium, - die*
auch der Beachtung wert sind, und endlich das dritte Gtym*
nasium, welches eine, ganz eigentümliche Lage hat, indem -es»
zwisohen Gärten versteckt, vollständig isoliert und unberührt
von dem Geräusche der GroHsstadt liegt und dadurch sehr an:
aufserstädtische Internate erinnert. Von allen diesen Liehr-
und Erziehungsanstalten wären Modelle oder auch nur Plfiüö
höchst erwünscht gewesen» von den genaueren Details ihrer
Einrichtungen gar nicht zu reden.
Wir können nicht umhin zu bemerken, dafs die Lehr-
anstalten in Kasan uns bei ihrer Besichtigung ein ganz be-
sonderes Vergnügen bereitet haben. Die geräumigen Klassen-
zimmer und anderen grolsen Bäume der Schulen, die Fülle
von Licht, die besondere Aufmerksamkeit der . Verwaltung in.
Bezug auf Reinlichkeit und Ordnung u. s. w. mulste auf jeden
Hygieniker einen angenehmen Eindruck machen. Eine schwache
Seite der Anstalten, welche übrigens einerseits in der unvoll-
kommenen Ausbildung der Technik begründet liegt, andererseits
ihren Ursprung in den hohen Preisen für passende Ventilations*
einriohtungen hat, ist die nicht ganz befriedigende Reinheit der
Luft in den benutzten Klassenzimmern. Als Entschuldigung'
kann ja der Umstand gelten, dafs die Mehrzahl der Schulen
auf dein Erdenrunde an diesem Übel leidet, jedoch muis man
natürlich zugeben, dals dadurch durchaus keine Erleichterung
für diejenigen geschaffen wird, welche in diesen Bäumen äu
atmen gezwungen sind.
(Fortsetzung in Nq. 7.)
Über künstliche Beleuchtung, insbesondere für Zeiche*-
.. und HOrsäle.
Ais der schlesischen Gesellschaft fBr vaterländische Kultniv
In der Sitäung der. hygienischen Sektion der schlesischen Ge-
sellschaft am 6. Januar d. J. hielt unser geschätzter Mitarbeiter, Herr
Professor Dr. HbbmannCohn, einen Vortrag überkünstiicheBeleuchtung
mit Vorzeigung der neuen HBABOWSEischen Reflektoren für Zeichen«
und Hörsäle.
Redner stellte: nach der „Schles. Ztg,u folgende hygienische
Forderungen an das künstliche Licht: es darf 1. nicht erhitzen,
2. nicht zacken, 3. nicht unzureichend sein und 4* nicht blenden.
Er schilderte die Nachteile, welche die Luft durch Gas und
Petroleum erfährt; bei einer Helligkeit von 100 Kerzen geben diese
21.40, resp. 800 g Wasser gegenüber 0 g bei elektrischem
Lichte und 1300 resp. 950 1 Kohlensäure gegenüber 0 1 bei
elektrischem Lichte ab. Während eine brauchbare Luft nach
PmxNKonR nur lp/oo Kohlensäure enthalten darf,. fand Rbxk in
den Hörsälen zu Halle bei Gaslicht 2 bis 3°/oo, obgleich gar keine
Zuhörer anwesend waren. Dagegen nahm die Kohlensäure an Menge
noch nicht um 0,2%o zu im hygienischen Institute zu Halle, wo
ner fiegeoerativlampen brannten, bei denen die Gase fortgeleitet
werden.
Der Vortragende fand bei Gaslicht im Auditorium I der Uni*
yerrität Breslau nach einer Stunde 26,8° C, eine für Schüler und
Lehrer gleich ermattende Temperatur. Wenham- und Bifpzkb-
lampen verderben zwar die Luft nicht, sind aber wegen der Hitze*
aoastrahlung beim Arbeiten unerträglich. Heilse Flammen bewirken
eine zu schnelle Verdunstung der Feuchtigkeit der Bindebaut, es
tritt ein Gefühl von Trockenheit im Auge ein; der Kopf wird warm,,
md es entsteht Kopfschmerz, der am weiteren Arbeiten hindert. Dior
Redner fand bei Messungen, die er mit Thermometern und Thermo*
Aulen gemeinsam mit dem Direktor der Gasanstalt Schheidbr
Tornahm, dafs die Erhöhung der Temperatur nach 10 Minuten in
einer Distanz von 20. cm von einer Gasflamme doppelt so grofa ist,
als 20 cm von einer gleich hellen Glühlampe entfernt Die
Empfindlichkeit des Auges gegen Wärme ist übrigens sehr verschieden«
Der Vortragende untersuchte vor 25 Jahren 132 Schriftsetzer und
erfuhr bei einer Abstimmung, dafs nur 60 öl oder Petroleum dem
heüsen Gase vorzogen. Dagegen sprachen sich von 72 Uhrmachern,
die ihre Lupenarbeit in 25, selbst in 18 cm Entfernung von der
Flamme vornehmen müssen, 64 für öl und Petroleum aus. Gewifs
kann man die Hitzewirkung verringern, wenn man die Flammen
höher über dem Kopfe anbringt; allein bekanntlich nimmt die
22«
Helligkeit nicht, wie die Entfernung, Müden wie des Quadrat der
Entfernung ab. Zweifellos verdient also das elektrische Licht wegen
seiner Kühle den Vortag.
Das Lacht soll nicht sacken. Früher flatterte das Gas in offenen
Flammen in alten Schalen, Erst 1866 werden in der Unfvenitat
tytinder und Schinne angeschafft. Im Elisabethgymnasiuni and
anderen Sehnten waren noch vor 8 Jahren viele offene Flammen
vorhanden. Wenn eine Flamme zuckt, so wechselt ihre Intensität
sehr schnell; unsere Netzhaut ist für diese Unterschiede kochst
empfindlich, was jeder weift, der an einem von der Sonne beleuchteten
Staketemaune vorüber gegangen ist. Die Arbeit ist hei zuckendes
Flammen auf die Daner unmöglich. Nur die Albokarbonflamme
nackt nicht, da das Oas deich die Naphthalindampfe an speeifiaehem
Gewicht sunimmt. Sie gibt ein sehr schönes Licht; allein erst
nach einer Viertelstunde wird sie hell, auch mufs sie oft reguliert
werden, da sie sonst rufst. Daher ist sie leider Air Hörsäle und
Schalen nicht verwendbar. Das Zocken war vor sehn Jahren, als
der Redner beim hygienischen Kongreis in Berlin das Referat über
Beleuchtung vortrug, noch ein großer Fehler der elektrischen Be-
leuchtung. Allein die Fortsehritte der Technik sind seitdem so
grofs gewesen, daft bei Glühlampen gar keine, bei Bogenlampen
nur noch selten Zuckungen vorkommen. Bei Akkumulatoren, denen
doch die Zukunft gehört, werden sie gewiis gans ausbleiben.
Das licht sott nicht unzureichend sein. Der Vortragende be-
spricht zunächst die verschiedenen Arbeiten, die von Tobias Maymr
1764, von Aubhbt 1860, von Alwdetottc, von 8oH8, von Cabp
und von ihm selbst geliefert worden sind, um den Zusammenhang
von Lichtintensitat und Sehschärfe tu ergrunden. Die Resultate
differieren jedoch so sehr, dafe von einem Gesetse noch keine Rede
sein kam. Fest stellt nur, daft bei Abnahme der Beleuchtung die
Sehscharfe ebenfalls abnimmt. Man mufs sich der Arbeit um so
mehr nahem, je geringer die Beleuchtung wird. Diese Annäherung
ruft bei vielen Menschen, namentlich bei Schulkindern, KnrzsichtigkeH
hervor oder vermehrt den Grad derselben, wie ans den im Jahre
1866 veröffentlichten Untersuchungen des Vortragenden hervorgeht,
welche jetzt an 300 000 Kindern in der ganzen oivüsierten Welt
bestätigt worden sind. Man hat natürlich verschiedene Theorien
.aufgestellt, um die Ursache der Verlängerung der Augenaxe behn
Nabebhck, welche eben die Kurzsichtigkeit zur Folge hat, iu erklären ;
die Erblichkeit, die Accommodation, die Konvergenz der Augen würfe
beschuldigt. Eine der traurigsten, weil folgenschwersten Verirrungea
aber war das vor 5 Jahren mit grober Emphase verkündigte so-
genannte „Naturgesetz" von Stiluno, weiches lautete: „Niedrige
Augenhöhle ist die Bedingimg für Kurzsichtigkeit, höbe Augenhöhle
for Üherßiohtigkeit. " Die Myopie sei also not feine Rassenfrage.
Die yom Vortragenden begonnene Opposition gegen diese Hypothese
wurde von vielen Autoren nnterstfltit, und die gänzlich* Haltlosigkeit
der 8TiiiUKG8chen Ansicht ist jetzt ton Sohmjdt - Rimplhr,
Kirobnbr, Sbogbl, Fizia und anderen erwiesen. , Eben ist eine
Arbeit tob Bymbza in Doipat erschienen, welche nachweist, dais
die Esthen, welche besonders niedrige Augenhöhlen und sehr breite
Gesichter haben, nicht allein nicht mehr, sondern sogar noch weniger
Myopen zeigen, als andere Baasen. Die STiLLlNösche Lehre hatte,
wie Redner bemerkt, den Nachteil, dab durch sie die hygienischen
Verbesserongen der Unterrichtsr&iime unnötig erschienen, da nicht
die Naharbeit, sondern der Bau der Augenhöhle die Myopie ver*
schnlden sollte. Jetast; wo Stillinos Theorie begraben ist, wird
man daher doppelt eifrig für die hygienischen Vervollkommnungen
der Sehnten sorgen müssen. Wahrend die Sehschärfe sinkt bei
schlechter Beleuchtung, wird sie nach den Untersuchungen, die der
Vortragende im physikalischen Kabinet der Universität vorgenommen
hat, erh/&ht, namentlich für Farben, durch elektrisches Licht
Hiervon konnten sich die Anwesenden durch Betrachtung einer
farbigen Kreideaeichnung bei Bogenlicht aberzeugen.
Wir müssen für hygienische Zwecke das lieht rasch messen
kennen. Der Vortragende zeigt ; das LAMBERTsche und das
BUHfiHNsche Photometer vor, sowie das neue, sehr geistreich er-
sonnene LuMMER-BBODBUMsche Prisma, das man scherzweise auch
den „idealen Fettfleck44 genannt hat. Letzteres ist jetzt in dem vor-
trefflichen Photometer von Lbonhard Wbbeb angebracht. Mit
WXBBBa Instrument kann man in einer Sekunda die Helligkeit
einee Arbeitsplätze« bestimmen* Es ist das Verdienst dieses Ge-
lehrten, tot 8 Jahren bereite den Begriff der Metericerze (MK)
angeführt zu nahen. Unter einer Meterkerze versteht er die Hellig*
keit einer Flftche, welche in der Entfernung von einem Meter einer
Konnalkerze gegenüber aufgestellt ist. Für die Hygieniker handelt
es sich nicht darum, wie- hell es oben in einer Flamme, sondern wie
hell es auf dem Arbeitetische äst» und dies kann nun leicht in
Heterkerzea angegeben werden. Die Frage jedoch, welches Minimum
der Beleuchtung des Arbeitsplatzes von der . Augenhygiene noch
festattet werden kann, war schwer au entscheiden. Der Vortragende
■achte zur Feststellung (fieser Zahl Versuche Ober die Schnelligkeit,
nat welcher bei .verschiedenen Beleuchtungen die Petitschrift der
Zeitungen in ein. Meter Entfernung laut gelesen wird. Am. Faustet
W etwa 800 MX Tageöhcht liest das gesunde Auge durchschnitt*
tiefe 16 Zeilen, ebenso hei 60 ME ktnsüichen Lichts. Bei 2 MK
354
werden aar 6 Zeile», bei 4 MK 8 Zeilen, bei 8 ME 10 Zeilen,
bei 10 ME 12 Zeilen, also V* so viel als bei gutem Tageslicht,
gelesen. Gate Beleuchtung würde also bei 50 MK stattfinden. Als
Minimum schlug der Vortragende vor 8 Jahren 10 Meterkerien
vor, eine Zahl, die jetzt allgemein angenommen ist. Diese nötigen
10 MK sind aber kaum unter- einer Gasflamme zu finden, wohl aber
unter Glocken und Schinnen, die freilich, wie der Vortragende in
seiner Schrift „Über den Beleuchtungswert der Lampen-
glocken" gezeigt hat, nur die Pütze dicht unter der Flamme hin-
reichend beleuchten, die ferneren Platze aber dunkel lassen.
Wenigstens ergaben seine Messungen in den Universitätshörsälen,
dafs viele Platze nur 1 — 2 ME statt 10 ME zeigten, und dabei
ist noch gar nicht der Schatten der schreibenden Hand und des
Körpers mit in Rechnung gezogen. Ähnliche Verhältnisse fand
neuerdings Renk in HaQe. Wie es in dieser Beziehung mit der
Gasbeleuchtung in den Schulen steht, weife der Vortragende, wie er
bemerkt, nicht. Es seien Schulärzte, welche photömetrieren könnten,
nötig, um die Kuratoren zunächst von der Helligkeit auf den Tischen
in den Abendschulen in Kenntnis zu setzen; da aber im Winter
auch in den Morgenstunden Gas gebrannt wird, so seien die anderen
Schulen ebenfalls auf diesen Punkt zu prüfen. Em Schularzt ohne
Photometer gleiche einem Arzt ohne Fieberthermometer. Die neueste
Technik habe sich nun auch bemüht, durch geeignete Reflektoren
eine bessere Lichtverteilung auf den Tischen -zu erzielen und zugleich
die Blendling durch die Flammen abzuschneiden.
Das Licht soll nicht blenden. Bekanntlich wurden früher die
Verbrecher durch Vorhalten eines glühenden Beckens geblendet!
Direktes Sonnenlicht, in Tieraugen geleitet, ruft eine Gerinnung des
Eiweifses in der Netzhaut und Zerstörung der Sehzellen hervor.
Eben solche Zerstörungen wurden nach Beobachtungen von Sonnen-
finsternissen bei vielen Personen beobachtet; auch der Blitz kann
grauen Star und Vertrocknung des Sehnerven hervorrufen. Bei
Heizern, Glasbläsern, Schmieden, Eisengießern, wache der Wirkung
des blendenden Lichtes viel ausgesetzt sind, wurde oft Entzündung
und Vertrocknung der Sehnerven beobachtet. Der Vertragende be-
handelte an letzterer einen Schlosser, der in einer Zuckerfabrik
jahrelang allnächtlich ohne sehwarzes Glas das elektrische Bogetalicht
zu regulieren hatte. Nachtblindheit, Entzündung und Schwellung
der Bindehaut, Lichtscheu, Lidkrampf und enge Pupillen wurden in
anderen ähnlichen Fällen beobachtet, ebenso wie nach Schnee»
blendung. Heute wird kaum jemand Nachteil vom Bogenlicht haben,
da dasselbe automatisch reguliert wird. Verschiedene Personen sind
freilich gegen elektrisches Licht verschieden empfindlich. So- hört
S35
häufig Klage* tfber Blendung durch die sehr niedrig vor den
Schaufenstern hängenden Bogenlampen in Alabasterglocken, während
"andere wieder die Bogenlampen auf dem Ringe in Breslau für zu
hoch und zu weit entfernt halten, da auf dem Bürgersteige der
Hauptseiten des Ringes nicht genug Licht sei. Jedenfalls müssen
die Flammen selbst dem Auge entzogen werden. Allein alle Glocken
nehmen % bis V» des Lichtes fort. Man bemühte sich daher
neuerdings, die Flammen zu verhüllen und doch mit möglichst wenig
Lichtverlust das licht besser zu- verteilen. Erismann in Moskau
versuchte im Jahre 1888, da er gefunden hatte, dafe der Schatten
des Kopfes des Schreibenden fest die Hälfte, der Schatten der Hand
fast % des Lichtes raubt, undurchsichtige Schirme unterhalb der
Lampen in einem Schulzimmer anzubringen und das Licht nach der
weifsen Decke zu reflektieren, von wo es diffus herabkam. Allein
dadurch wurde unten eine solche Finsternis erzielt, dafs die Tische
nur noch sechs Meterkerzen ' hatten. Renk unternahm im vorigen
Jahre ebenfalls, unter den Regenerativbrennern trichterförmige Metall-
reflektoren mit einem Öffnungswinkel von 120° anzubringen, deren
licht nach der Decke ging. Dabei betrug der* Iichtverlust auf den
Tischen aber 60%, die Helligkeitsunterschiede an den verschiedenen
Plätzen waren jedoch unbedeutend geworden. Ein Papiersohirin
minderte den Lichtverlust auf 53%, ein Schirm von überfangenem
Glase auf 35%, lieb aber wieder bedeutende Differenzen auf den
einzelnen Plätzen entstehen; auch traten wieder dunklere Schatten auf.
Die neueste Errungenschaft sind die interessanten Reflektoren
des Ingenieurs Hrabowski in Berlin, welche demonstriert werden;
1. Der Oberlichtreflektor. Das* Patent dafür besitzen Siemens und
Halses; der Preis beträgt 100—120 Mk. Hrabowski studierte
die eigentümliche Verteilung des Lichtes von Bogenlampen; er fand
die Menge Licht, die unter einem Winkel von mehr als 20° über
der Horizontalen nach oben geht, ganz unbedeutend, ebenso die;
welche mehr als 70° unter der Horizontalen ausgesendet wird, wefl
da die Kohlenschatten stören. Die Lichtmenge aber, welche von
25 bis 45° ausstrahlt, beträgt 42%. Nun konstruierte HrabowbkI
den Reflektor so, dafs über eine sehr grofse, weifs gestrichene
konkave Decke, die fest mit der Bogenlampe verbunden ist, ein
Drahtgestell gestülpt wird, welches mit weUsein Stoff Aberzogen ist'.
An dieser Decke hängt ein verstellbarer prismatischer Glasring; der
die Flamme umgibt, und unter der Flamme eine Blende aus Opal-
glas. Die Lichtstrahlen, die von oben bis zu 25° Neigung kommen^
werden direkt von dem konischen Reflektor aufgefangen und nach
«nten geworfen, sie enthalten 40% des Lichts," diejenigen von 26
tfe 46* müssen den Gläsring durchlaufen und werden von ihm auf
aae
den Mantel von weilten Stoff reflektiert «ad du» hinabgeworlsa;
die Strahle* tob 46-70« treffen caf die Opalglasbieade, «ehern
zum Teil naeh unten durch, zom Teil abermals aaeh dem Reflektor
und gelingen dann auf dea Boden, Im Gtosring gehen 10% Lieht
verloren; trotzdem trifft noch inst V» dea Lichtes den Reflektcr.
So entsteht im Hörsaale «nd aaf den Tischen ein sehr gleich-
mütiges diffuses Licht, die Flamme ist vollkommen verdeckt, die
Schatten sind bedeutend heller. Einige Measnngen, die der Vor*
tragende vornahm, ergaben, dafo in der lütte unter dem Beflektor
bei 68 Volt und 15 Ampere 66 Meterkerzen auf dem Tische waren.
Unter einer einfachen Bogenlampe ohne Beflektor fand er nur
17 Kerzen. Im Schatten einer die Decke tragenden Säule waren
ohne Reflektor nur 1,6 MK, mit Beflektor aber 2,8 MK. In ei]
Entfernung von etwa 6 Metern von der Lampe zeigte sich
Beleuchtung trotz dea Reflektors ebenso hell als ohne Beflektor, ae
data keine Verdunkelung durch den Apparat in der Ferne eintrat;
also ein grober Fortschritt gegenaber den Versacken von Eubmavh
and Renk.
2. Der Seiteulkhtreflektor. Das Patent hat die allgemeine
Elelrtricitfttagesellschaft erworben; der Preis ist 200—260 Mk. Der
Apparat besteht ans zwei schräg an der Wand und excentriach za
einander atigeordneten Reflektoren. Der Haoptreflektor hat die
Grobe eines Atetierfeneters. Der kleinere, in dessen Mitte sich der
Brennpunkt befindet, besteht ans verschiedenem transparenten Material.
Die Hälfte dea Lichts geht naeh einmaliger Befiektioa vom Haopt-
reflektor auf die zu beleuchtenden Objekte, die andere Hälfte,
weiche auf den kleineren Reflektor flült, wird teils durchgelassen,
teils wieder nach dem groben zurückgeworfen. Durch Einlegung
transparenter Glasscheiben kann die Helligkeit dieser 8tdlea beliebig
verändert werden, so dab der Künstler oder Lehrer sich selbst die
Schatten beliebig hart oder weich zu gestalten im atande ist. Dan
licht ist diffus and blendet nicht, es ist moderationstiüiig and
glejchmftfgiger verteilt als das Tageslicht. Denn während es am
Fenster lOOmal heller ist als an einer 10 Meter gegenüberliegenden
Waad, worden bei diese» Beflektor in 2 Meter Entfernung 11,6 MK,
bei 10 Meter aber 1,3 MK, also nor 9mal weniger Licht gefunden.
Der Apparat wird in Berlin im Kunstgewerbemuseum, in der techni-
schen Hochschule und in der Handwerkersehale bereits benutzt und
ist in der That für Zeichensäle sehr so empfehlen, wohl' auch ffer
Bildergalerien. Dr. HhlDORn in Berlin hat auch bei 12 Minetee
Expositionszeit sehr gute Photographien mit diesem Beflektor auf-
genommen, welche vorgelegt werden. Der Oberlichtreflektor ist gewib
für alle Hörsäle und für Konzertsäle, in denen die Logenbesncher
durch die Bogenlampen geblendet werden, zu empfehlen.
387
Das elektrische Licht, so falst der Vortragende seine Aus-
führungen schliesslich zusammen, ist jedem anderen vorzuziehen, weil
es nicht erhitzt, kaum zuckt, nicht blendet, sehr hell ist und gleich-
milkig verteilt werden kann. Möchten die Techniker nur Methoden
finden, um es billiger zu liefern!
Der Arbeitsunterricht vor der Lehrerkonferenz
des Gymnasiums und Realgymnasiums in Görlitz.
In einer Konferenz des Lehrerkollegiums vom Görlitzer
Gymnasium und Realgymnasium wurden nach einem Referate des
Oberlehrers Dr. von DBB Yelde über die dem Kollegium zur Äuße-
rung zugegangene Denkschrift des „Deutschen Vereins für Knaben-
bandarbeit" folgende vom Referenten aufgestellte Thesen zur Mit-
teilung an den genannten Terein einstimmig angenommen:
1. Die erziehliche Bedeutung eines geordneten Handarbeits-
unterrichts für Knaben wird anerkannt
2. Die Erteilung solchen Unterrichts durch Pädagogen, welche
sich die entsprechenden Fertigkeiten angeeignet haben, ist
der durch Handwerksmeister vorzuziehen.
3. Kein Knabe darf seitens der Schule zur Teilnahme am
Handarbeitsunterricht gezwungen werden.
4. Abgesehen von geschlossenen Erziehungsanstalten (Internaten),
ist der Handarbeitsunterricht nicht in den Schulorganismus
einzufügen, sondern besonderen Einrichtungen (Handfertigkeits-
schulen) zu überlassen.
5. Von jeder Anstalt, deren Schüler die Handfertigkeitsschule
besuchen, ist zur Verwaltung derselben der Direktor oder
ein Lehrer zuzuziehen, um eine bestfindige Verbindung
zwischen der Erziehungsanstalt und der Arbeitsschule zu
, ermöglichen,
6. Für die Schüler der höheren Lehranstalten ist der Arbeits-
unterricht in die spaten Stunden schulfreier Nachmittage
zu legen.
•7. Die Behandlung der Schüler im Arbeitsunterricht mnft
eine derartige sein, dafe. sie darin hauptsächlich eine
Erholung, niemals einen lästigen Zwang fühlen.
8. Die Schule selbst kann zur Förderung des erziehlichen
Arbeitsunterrichtes mitwirken, wenn im physikalischen,
mathematischen, geographischen Unterricht, vielleicht auch
in anderen Fächern, wo es sich um Herstellung von
Anschauungsniitteln handelt, die Schüler, welche Anlage
und Neigung dazu zeigen, zur Anfertigung derselben
angeregt werden.
388
kleinere JUitttilttttgett.
Ober das Vorkommen von Spiegelschrift, besonders im
Kindesalter, sind Untersuchungen von Dr. C ah en -Brach yor-
genommen und im „Dtsch. Arch. f. klin. Med." veröffentlicht worden.
Dieselben fanden an Knaben und Mädchen der Elisabethvolksschule
in Graz statt. Verfasser forderte die Kinder auf, mit der linken
Hand von der Mitte der Tafel aus ihren Namen und die Zahlenreihe
von 1 — 9 auf dieselbe zu schreiben; die Kleineren schrieben ein-
fachere Wörter. Die von manchen vorgebrachte Entgegnung, mit
der linken Hand sei ihnen das Schreiben unmöglich, liefe sich fast
stets durch Zureden überwinden. Freilich muteten die Kinder des
ersten Jahreskurses, welche zumeist im 7. und 8. Lebensjahre
standen und Aber die Anfangsgründe des Schreibens noch nicht
hinausgekommen waren, ihre ganze Aufmerksamkeit aufbieten, um
mit der ungewohnten Aufgabe zu stände zu kommen. Die nach-
folgende Tabelle, welche eine Übersicht über Zahl und Prozentsatz
der Spiegelschrift schreibenden Kinder in den einzelnen Klassen gibt,
begreift nur solche Spiegelschriftler, welche bis auf eine oder wenige
Zahlen alle Schriftzeichen retrograd entwarfen, während andererseits
zu den Normalschreibern auch diejenigen gerechnet wurden, welche
bei einer oder der anderen Ziffer oder Buchstabenfigur in die vom
Körper wegfahrende Spiegelschrift verfielen.
• I. Klasse (unterrte)
n. „
in. „
IV. „
v. *
VT. „ (oberite).
Schn-
itt
46
67
49
49
55
61
Spie-
ۥ1-
Mhrift-
ler
20
7
7
s
5
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Pro-
sent-
Mtl
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rlnnan
43
11
14
6
9
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50
48
53
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60
Sple-
fel-
•chrtft-
lar
29
11
4
4
3
6
50 | 15 | 322 I 57
43
22
8
8
7
10
Spie-
«•1-
Mhrift-
ler
113
117
97
102
99
121
49
18
11
7
8
14
Pro-
ienC-
43
15
11
7
8
12
Summa 327
18 | 649
107 | 16,5.
Wie die vorstehende Zusammenstellung lehrt, fand sich die
Spiegelschrift in der untersten Klasse bei nahezu der Hälfte der
S39
Kinder, am dann unter rascher Abnahme des Prozentsatzes etwa
▼on der m. Klasse ab ziemlich gleichbleibend nur etwa bei ein
Zehntel derselben vorzukommen; und zwar war das Verhältnis an-
nähernd das gleiche bei Knaben und Mädchen. Wenn schon die
grofte Verbreitung der Spiegelschrift bei den jüngsten Schulkindern
« Ton vornherein unwahrscheinlich machte, dafs sie stets, wie
Soltmann angibt,1 „den Spiegel einer kranken . Seele* darstelle,
so sprach auch die genauere Untersuchung der Spiegelschriftler da-
gegen. Es stellte sich nämlich dabei heraus, dafs dieselben in der
L Klasse nur zum geringen Teile die von Soltmann hervor-
gehobenen psychopathischen Merkmale aufwiesen, vielmehr meistens
von solchen frei erschienen. Grade diese Intakten waren es freilich,
deren Reihe sich mit zunehmendem Lebensalter und gleichzeitigem
Aufsteigen in der Schule mehr und mehr lichtete, so dafs in den
Westen Jahrgängen das Kontingent der Spiegelschriftler sich fast
lediglich ans geistig abnormen Kindern zusammensetzte. Zum Teil
deuteten äuüsere anatomische Eigentümlichkeiten, wie Turmschädel,
waseerkopfaiüge Form oder Asymmetrie des Kopfes, hohes Gaumen-
gewölbe, unregelmäßige Zahnreihen, auf Entwicklungsstörungen des
Centralnervensystems hin, oder es lag geradezu eine ausgesprochene
vor. Besonders auffällig war auch die Thafsache,
dafs bei den Spiögelschrifttern, zumal denen der oberen Klassen,
sieh Angabe der Lehrer die Minderbegabten weit stärker vertreten
waren, als dies bei den Normalschreibern der Fall war. Einzelne
letegrade Schreiber waren sehr schwachsichtig oder schwerhörig,
gewöhnlich schon seit langer Zeit; andere hatten Erscheinungen von
Epilepsie, Veitstanz, Neurasthenie. So genügte zuweilen schon der
tiefte Anlab des Hervorrufens vom Sitzplatze, um bei den leicht
erregbaren Kindern Zittern und Stottern zu erzeugen. Verhältnis-
■äfeig häufig trat grade bei Mädchen ein im Gegensatz zu ihrer
intellektuellen Befähigung stehender Mangel an Selbstbeherrschung
herror. Zerstreut und unruhig, gaben sie oft durch Schwatzen und
Laden während des Unterrichts zu Tadel Anlafs. Bei ihren Mit»
tcaülerinnen waren sie wegen ihrer Streitsucht und Launenhaftigkeit
inbeliebt. Wenn es nun auch unmöglich war, auf Grund der an-
gefthrten psychischen Besonderheiten eine scharfe Grenze zwischen
gesunden und kranken Spiegelschriftlern zu ziehen, so Aufs doch
liederholt werden, dafs etwa nach Ablauf des 10. Lebensjahres
mr solche Kinder in die Spiegelschrift gerieten, für welche der
SoLTMAUNsche Satz von der pathologischen Bedeutung derselben
woü zutraf. Es liegt somit kein Grund vor, in der Spiegelschrift
1 S. die** Z&itschrift, 1891, No. 9, 3. 562—588.
340
ursprünglich etwas änderet, alt eine physiologische Erscheinung
so erblicken, zu welcher en Kind mos so mehr hinneigt, je Jünger
es ist Erst durch das Beharren tbcr das erste LebenqjahraefaoC
hinaus genannt jene Schreibart eine Bedentang in dem Sinne
8ox/DMAWfts, wonach dieselbe den Spiegel einer kranken Seele
darstellt Damit stimmt Oberein, dafis die im allgemeinen weniger
intelligenten Taubstummen verbaltnismäfeig häufig mit der Linken
Abduktionsschrift schrieben. So finden sich tinter 77 Zöglingen
der Gräser Taubstummenanstalt, welche meist zwischen dem 12. und
15. Lebenqahre standen, 27, d. h. 35% solcher Sehreibklnsller,
während die entsprechende Altersstufe der Elisabethschüler nur etwa
10% aufwies. Vielfach möchte dieses abweichende Verhältnis zurück-
zuführen sein auf eine verkümmerte Anlage oder eine spätere
Schädigung des nervösen Centralorgans, z. B. durch Zangengeburt,
Fall n. 8. w. Wenigstens deuteten hieranf Mißbildungen des Schädels
und das geringe Auffassungsvermögen der betreffenden Kinder hin.
In Übereinstimmung mit dem von 8oltmakw Beobachteten schrieben
ebenlies solche vorzugsweise Spiegelschrift, welche durch frühzeitige
Entstehung oder hohen Grad der Taubheit hinter ihren ihrigen
Leidensgenossen zurückgeblieben waren.
Der Schularzt betitelt sich eine Studie, welche Stadtarzt
Dr. A. SP»» zu Frankfurt a. M. in der „Bisch. Vierie^aMrssdtr.
f. öffü. G$dkUpflg* veröffentlicht Das stärkere Heranziehen von
Ärzten zur Schulaufsicht Meise sich nach ihm in folgender Wene
erreichen: 1. In jeder Königlichen Regierung hat in der Abteilung
Ar das Schulwesen ein Arzt Sita und Stimme, der seine ganze
Thätigkeit ausschließlich dem Schulwesen widmet und der die Schulen
seines Bezirkes in derselben Weise regelmäßigen Inspektionen unter-
zieht, wie dies jetzt seitens des Regierungsschulrats geschieht. Dieser
Arzt hätte den Titel Regierungsschularzt und müfoe pekuniär
so gestellt sein, dafe ihm Privatpraxis verboten würde. 2. Der
Regienmgs8chularzt mufe das Phjsikatsezamen und eine spedeUe
Prüfung in Schulhygiene hostenden oder sonstwie seine Vertrautheit
mit diesem Kapitel der Hygiene nachgewiesen haben. 3. Der
Regierungsschularzt ist Mitglied der Abteilung für das Schulwesen
hei der Regierung, beteiligt sich an all deren Beratungen und hat
speciell die sanitären Fragen zu bearbeiten. 4. Der Regierungs-
schularzt hat keinerlei exekutive Gewalt, sondern berichtet stets ther
seine Wahrnehmungen an die Regierungsschdbehürde, welche die
Ausführung veranla&t. 5. Den Inspektionen des Regierungtsdnd-
arztes sind nicht unterstellt die Öffentlichen städtischen Schalen
derjenigen größeren Gemeinden, die einen eigenen Ortssohnkrst
haben, nachdem dieser Schularzt seitens der Regierang anerkannt
341
woeden ist. 6. Der Ortsschularzt trascht kein beamteter Arzt zu
sei», er muis aber vor der Regierung in genügend erscheinender
Weise Min Vertrautsein mit der Schulhygiene nachweisen. 7. Dieser
Ortaadnlarrt nafa in der Ortseehaikommission Sitz and Stimme
haben, an den Amtlichem Beratungen der Schulkommission teilnehmen
«od im ifcr die sanitären Fragen bearbeiten, also namentlich mit-
wirken bei der Wahl des Platzes für eine neu zu erbauende Schale,
bei dem Ben mnd der ganzen Einrichtung derselben, speeiall bei der
Umtimimuifl der GröTse and Beleuchtung der Klassenzimmer, bei der
Aeewahl und Aufstellung richtiger SubseHien, bei de* Heiz- und
Ltftazngsanlagcn, bei der Herstellung der Aborte, der Tarnhallen,
bei der Sicherung guten Trinkwassers, genügender Gelegenheit zur
Bewegung im Freien u. s. w., ferner bei Erlais von Vorschriften,
betreffend Heizung, Lüftung, Reinhaltung der Schulräume, bei der
Anschaffung der Lehrmittel u. s. w. 8. Der Schularzt hat außerdem
Inspektionen der einzelnen Scamleu seines Bezirks vor-
i, die Durchführung aller sanitären Vorschriften zu über-
wachen, hygienische Mifsstände zur Kenntnis der Sdralbehöide oder
der Schuldirektoren zu bringen and deren Beseitigung zu beantragen,
hei epidemischen Erkrankungen unter den Schülern die erforderlichen
Mamregein zu veranlassen und überhaupt in alten sanitären Fragen
den Direkteren und Lehrern als Ratgeber zur Seite zu stehen.
9. Der Schularzt wird in einer seiner Thätigkeit entsprechenden
Weise honoriert 10. Für gröbere Gemeinwesen empfiehlt es sieh,
dm Schalarzt auch die zahlreichen anderen bei der städtischen
Verwaltung voikoanmenden hygienischen Arbeiten zu übertragen und
so statt seiner einen Stadtarzt anzustellen.
Geiatige Störungen bei Kindern werden von Dr. Sara
Wilt in der „New York. med. Monafewkr." besprochen. Da»
enaelben in der That bei Kindern verkommen, ist schon lange
bekannt. So mnd Bbrehan in den Akten der Brannsehweiger
Irrenanstalt vom Jahre 1760 Mitteilungen aber ein einähriges
ttdehen, das wegen Melancholie zur Kur eingeschickt worden war.
Ebenso erzählt GUDHf e in seinen vermischten Schriften aus dem
Jahre 1790 von dem neunmonatlichen Sohn einer blödsinnigen
Matter, welcher an Toteochteanfällen litt. Ja vor mehr als 1400
Jahren betont Coblius Aubmxanüs in seinem Buche „De morbis
sentit d ckronicis" das seltene Vorkommen der Manie hei Knaben
ii folgendem: „Generator antem mania frequentius in juvenibusac
att&ÜB aetatibos, diföcile in senibus atque difficitius in pueris.a
Äsch erst der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts gebohrt das
Verdienst, die Geisteskrankheiten d*B Kindes richtig gewürdigt zu
haben, und zwar verdanken wir dies insbesondere Männern, wie
842
Ch. Wbst, BbbkhaK, H. Wbker und Muguibr. Die statistischen
Angaben über die Häufigkeit der Geistesstörungen im Kindesalter
schwanken bei den einzelnen Autoren bedeutend, entsprechend der
Grenze, welche diesem Alter gesetzt wird. Jedenfalls aber steht es
fest, dafs Geisteskrankheiten in den ersten 10 Jahren, abgesehen
vom Blödsinn, sehr selten sind. Emminghaus fand auf 10000
Einwohner zwischen dem 1. bis 5. Jahre 0,18, zwischen dem 6.
bis 10. Jahre 0,69 und zwischen dem IL bis 15. Jahre 1,46 Irre,'
während Deboüttevillb unter den von 1827 bis 1834 in Saint-
Ton aufgenommenen Geisteskranken 0,9% zwischen 5 und 9 Jahren,
3,5% zwischen 10 und 14 und 20% zwischen 15 und 20 Jahren
konstatierte. Turkham endlich ermittelte bei einer Zahl von
21 3S3 Geisteskranken nur 8 noch nicht 10 Jahre alte Kinder,
wobei freilich die Blödsinnigen, welche weitaus zahlreicher sind,
nicht mitgerechnet wurden. Denn die häufigste Geistesstörung im
Kindesalter ist der Idiotismus, sei er angeboren und auf ungenügender
•Entwicklung des Gehirns beruhend, sei er erworben und das Endresultat
einer anderen vorausgegangenen geistigen Erkrankung. Dann folgen
der Häufigkeit nach die maniakalischen Erregungszustände und. die
Manie, während die Melancholie verhältnismässig sehr selten ist und
erst im späteren Kindesalter auftritt. Es ist aber wohl anzunehmen,
da& Geisteskrankheiten bei Kindern häufiger vorkommen, als ans
den eben mitgeteilten statistischen Angaben erhellt. Bedenkt man,
dals keine Psychose in der Kindheit mit dem vollständigen Sym-
ptomenkomplex als ein einheitliches Krankheitsbild, wie bei Er»
wachsenen, auftritt, so begreift sich leicht, dafs die Anzeichen eines
geistig erkrankten Kindes manchmal als grobe Unart oder boahafte
Anlage gedeutet werden und erst das Endprodukt, der Idiotismus,
eine richtige Beurteilung findet. Als ursächliches Moment für das
Zustandekommen von geistigen Störungen im Kindesalter kommen
neben der Erblichkeit, namentlich von mütterlicher Seite her, Kopf-
verletzungen während der Geburt oder auch später in Betracht,
ferner akute Erkrankungen und abnorme Entwicklungszustände des
Gehirns, Sonnenstich, Schreck und Infektionkrankheiten, von denen
in erster Linie Typhoid, Lungenentzündung und Gelenkrheumatismus,
in zweiter Masern, Scharlach und Diphtherie zu nennen sind.
Eine neue Schulkrankheit. In der „Manch, med. Wochscbr."
schreibt Dr. Wbbthbimbbb: Zum Kapitel der Schulkrankheitea
möchten wir auf den bisher noch wenig beachteten vomitus ner-
vös us hinweisen. Es ist ein nicht allzuseltenes Vorkommnis, dals
Kinder, namentlich solche von neurasthenischer Anlage, während der
Morgenstunden in der Schule von Übelkeit und Erbrechen befallet
werden, eine Erscheinung, die bei mehr oder minder regelmäßiger
343
Wiederkehr in manchen Fällen monatelang fortdauert, bisweilen mit
habituellem Kopfschmerz verbunden ist, oft aber auch ohne diesen
sich einstellt Die Kinder bieten .dabei keinerlei Verdauungsstörungen
dar, und das Erbrechen hört vollständig zur Zeit der Schulferien auf.
* Was us die Pocken in England, namentlich bezfiglieh
der Jagend, lehren. Der 18. Jahresbericht der englischen
Gesundheitsbehörde enthält auch interessante Mitteilungen über
einige während der großen Pockenepidemie von 1887 — 88 in der
Fabrikstadt Sheffield gemachte Beobachtungen und Erfahrungen.
Dieselben beziehen sich auf nicht weniger als 6088 Pockenerkrankungs*
fidle mit 590 Gestorbenen, über welche alle der Berichterstatter,
ncm Teil durch Nachfrage von Haus zu. Haus, möglichst eingehende
Auskunft sich verschafft hat. Was das Verhältnis der Pockenkranken
zu den Geimpften betrifft, so schickt der Referent voraus, dafe
die Einwohner von Sheffield den Vorschriften der Impfgesetze
durchschnittlich ebenso gut nachgekommen waren, wie die Einwohner
der übrigen englischen Städte. Während im Jahre 1862 noch 13
oder 14% aller Schulkinder ungeimpft befunden wurden, hat eine
entsprechende Untersuchung im Jahre 1888 ergeben, daß kaum
1% derselben ungeimpft waren., Im ganzen mufs man annehmen,
dak 2 °/o der gesamten Bevölkerung sich nicht hatten impfen lassen.
Diese 2% verhielten sich nach dem Ausdrucke des Berichterstatters den
Pocken gegenüber wie Leute des 17. und 18. Jahrhunderts, also
Leute ans. einer Zeit ohne Impfschutz, unter einer dem 19. Jahr-
hundert ungehörigen Bevölkerung. Es wurden nämlich von den
Poeken befallen unter je 1000 geimpften Kindern bis zu 10 Jahren
5, anter ebenso vielen ungeimpften Kindern bis zu 10 Jahren 101.
Die Pockensterbliehkeit unter den geimpften Kindern dieses Altera
betrug 0,09 %<s unter den ungeimpften 44 %o. Weiter hat der
Berichterstatter die Erkrankungs- und Sterblichkeitsverhältnisse der
Kinder bis zu 10 Jahren in verseuchten Häusern untersucht. Von*
je 1000 in pockenverseuchten. Häusern lebenden geimpften Kindern
erkrankten 78 und starb 1, von der gleichen Anzahl ungeimpfter
Inder erkrankten 869 und starben 381. Unter den erwähnten
ungünstigen Verhältnissen hatten also geimpfte Kinder gegenüber den
angeimpften eine 11 mal geringere Gefahr, an den Pocken zu er-
kranken, und eine 381 mal kleinere Gefahr, an den Pocken zu
sterben. Etwas anders gestalten sich die Verhältnisse für Personen
im Alter von mehr als 10 Jahren. Von je 1000 Individuen dieses
Ahers, welche zweimal geimpft waren, erkrankten 3, starben 0,08,
von je 1000, welche einmal geimpft waren, erkrankten 19, starb 1,
tob ebenso vielen, welche ungeimpft waren, erkrankten 94, starben
51. In den. Häusern, welche bereits von den Pocken befallen
wäre», erkrankte«, becw. starben ron je 1000 Personen der Alters-
klasse über 10 Jahren, sofern sie geimpft waren, 261, bezw. 14,
sofern sie ungeimpft waren, 686, bezw. 371. Hiernach hatten
auch iltere Perionen, wenn sie geimpft wann, in den pocken-
wseaehteu Häusern eine geringere Gefahr, zu erkranken, und ein
weit schwächeres Risiko, an den Pocken zu sterben, als ungeimpfte.
Bemerkenswert sind auch die an dem Haaspersonal der Poeken-
krankenhäoser gesammelten Erfahrungen. Von 18 Personen, welche
schon froher die Pocken aberstanden hatten, erkrankte niemand,
von 62 einmal in der Kindheit Geimpften wurden 6 befallen und
starb 1, von den übrigen 81, die erfolgreich wiedergeimpft waren,
erkrankte keiner. An den in betreff ihres Impfznstandes leicht
kontrollierbaren Angehörigen dreier Berufaweige wurden folgende
Beobachtungen gemacht: Dem Militär aller Chargen gehörten in
Sheffield 880 Personen an, welche nominell • alle wiedergeimpft
waren. Hiervon erkrankten 12 und starb 1, und zwar waren nach
Mitteilung des zuständigen Militärarztes alle 12 «folglos wieder-
geimpft Ton den 872 Potizehnannschaften der Stadt, welche den
Kachweis einer stattgehabten Wiederimpfung bei der Anstellung
nicht beizubringen haben, erkrankten 10 Konstabier an den Pocken,
diese 10 waren nur einmal geimpft, aber noch nicht wiedergeimpft
worden. Unter den 290 Beamten des Sheffielder Postamts, welche
alle bei ihrer Anstellung wiedergeimpft worden waren, ist niemand
von der Seuche befallen worden. Während aus den vorstehend
kurz mitgeteilten Thatsachen der sehr erhebliche ßchutz gegen
Pockenerkrankungen, zumal schwere Formen, den die erfolgreiche
Impfung gewährt, aufs deutlichste erhellt, ist in Sheffield eine
andere Erfahrung gemacht worden, welche einen ungünstigen
Einflufs der Pockenspitäler auf ihre nächste Umgebung zeigt Im
Mai und Juni 1887 war- die Epidemie ausgebrochen und abhald
das Pockenspital inmitten der Stadt belegt. In den ersten 14 Tagen
des Mionate Juli kamen darauf 60 neue Pockenflffle, überwiegend
aus Häusern in der Nachbarschaft des Hospital«, zur Anmeldung.
In einer Entfernung vom Krankenhause von 0 — 1000 Puls waren
betroffen l,75°/e der Häuser, in 1000—2000 Fufe 0,50%, «
2000—8000 Fuft 0,14%, in 8000-4000 Fuf b 0,05%, weitemb
0,02%. Ob eine Verbreitung des Pockengiftes durch die Ldt
oder durch persönlichen Verkehr stattfand, war nicht zu ermitteln.
Verfasser läEst die Frage offen, ob nicht dieses central gdegeae
Spital während der Epidemie mehr Schaden, als Nutzen gebracht
habe. Zum Schlüsse wird erwähnt, dab in den letzten drei Jahren
nicht auf einem einzigen Totenscheine aus Sheffield irgend ein
Zusammenhang der Todesursache mit einer stattgehabten Impfong
vermerkt ist.
S4B
W.JLV
Btkteritlogische Unters*chiing des Dorpater Universit*t#-
kitwiggwaasers. Wie schon froher,1 so ist auch in den Sommer-
monaten 1892 das Wasser der Uairersitätsleitung in Dorpat, und
zwar von W. KotziN untersucht worden. Nach der „Hyg.
Jbmdsch*" logt derselbe bei der Begutachtung eines Wassers den
Hauptwert auf die bakteriologische Prüfung, verlangt jedoch) dafe
womöglich auch die chemische Analyse gemacht werde. Die Anzahl
der Keime im Brunnenwasser schwankte zwischen 3 und 20 in
1 ccm. Kotzin konnte feststellen, dafs Bakterien» die in der
Pumpe, bezw. im Bohr an einer geschnürten Stelle sich entwickelt
hatten, durch kräftiges Pumpen entfernt werden und dem Wasser
tich beimischen. Ein neu erbauter artesischer Brunnen zeigte
0—4 Keime in 1 com, ein Brunnen, der zur Speisung der psychiatri-
schen Klinik mit Gebrauchswasser diente, 167—2780 und ein
Brennen, der nur zum Beinigen der Wäsche Wasser lieferte, 63
bis 196. Letzterer hatte also besseres Wasser, als der zum Trinken
bestimmte Brunnen. Aus den weiteren Zahlen, die der Verfasser
angibt, ersieht man, dafs das Dorpater Univeraitätaleitungswasser
vorzüglich genannt werden darf.
Das Sckulsanatorinm in Heran unter Leitung des Dr, phil.
Fritz Petermann besteht seit Anfang des Jahres 1889. Dasselbe
befindet sich in der „Villa Fürstenstein" am Südabhange des Küchel-
berges, etwa 30 Meter über der Thalsohle und der Stadt und ist
Ton dem Mittelpunkte der letzteren in 5 Minuten zu erreichen.
Bis Haus liegt isoliert, von Weingarten rings umgeben. Gegen
Nord- und Ostwinde ist es durch Berge vollständig geschützt Yor
demselben befindet sich ein nach Süden offener Spiel- und Turnplatz.
Der Lehrplan ist derjenige eines deutschen Realgymnasiums, doch wird
tnf Wunsch auch jeder andere Unterricht erteilt. Die Schüler
tmen täglich, und zwar dank dem milden Klima auch in den
Wintennonaten meist im Freien. Im Sommer werden sie regel-
mäßig in das städtische Schwimmbad geführt. Außerdem sind die
nahen Höhen das Ziel kürzerer oder längerer Wanderungen. Yen
den seit 1889 in das Schulsanatorium eingetretenen Pensionären
litten 3 im Alter Ton 9, 11 und 12 Jahren an Ktaperschwäohe
tad Skrofulöse. Schon nach einigen Monaten erholten sie sich und
kehrten später gekräftigt in ihre Heimat zurüok. Ein 16 Jahre
«her Pensionär war lungenleidend und körperlich sehr herab-
gakommeiL Während seines liermonatlichen Aufenthaltes in der
Anstalt kam das Leiden mim Stillstand, die Kräfte hoben sich
bedeutend, das Körpergewicht nahm um 9,5 kg au. Entgegen dem
1 8. die* Zeitschrift, 1893, No. 7, 8. 325.
SetmlfMondheitopflege Tl. 23
346
arztlichen Rate kehrte er zu seinen Eltern zurück und erlag hier
der Schwindsucht. Ein anderer im Alter von 13 Jahren litt an
Lnngenemphy8em, starkem Asthma und Verdauungsstörungen. Nach
sechsmonatlichem Aufenthalte war er von den fast taglichen Asthma-
anfallen befreit und weilt seitdem frisch und gesund in der Anstalt.
Eine neue Schulbank, die in ihrer Konstruktion den ver-
schiedenen Beschäftigungen des Schulers Rechnung trägt, wurde von
Lehrer S. Wojcihchowski in Kosten konstruiert. Der Sitz der-
selben ißt ein Einzelsitz und besteht aus zwei unter einem spitzen
Winkel zu einander geneigten Flächen, welche durch zwei etwas vom
Rande abstehende Zwischenstücke miteinander verbunden sind. In
den Zwischenstücken sind eiserne Lager angebracht, durch welche
eine eiserne Axe läuft. Um diese ist der Sitz drehbar. Derselbe
läfst sich so in drei verschiedene Lagen bringen: in die Lesestellung
(Plusdistanz), in die Schreibstellung (Minusdistanz) und in eine
mittlere Stellung, welche das Aufstehen des Schülers ermöglicht.
Hierbei drückt derselbe mit den Kniekehlen den Sitz in diese
Stellung. Die Schreibstellung zwingt ihn zugleich, grade zu sitzen;
dadurch, dafs die Achse im Sitze excentrisch angebracht ist, rückt
letzterer bei dieser Stellung tiefer, so dafs der schreibende Schüler
die Arme bequem auflegen kann.
&n)e0)efd)i4tlid)es
Internationale medizinische nnd hygienische Ausstellung
in Rem. Gleichzeitig mit dem XI. internationalen Ärztekongresse
in Rom wird daselbst eine medizinische und hygienische Ausstellung
vom 15. September bis 15. Oktober d. J. stattfinden. Präsident derselben
ist unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Generaldirektor Professor
Dr. Pagliani in Rom. Als Ausstellungsraum ist das grofse Kunst-
gebäude in der Via nazionale in Aussicht genommen. Anfragen und
Anmeldungen sind an Professor Pagliani, Ministerium des Innern
in Rom, zu richten.
Doccnten der Schulhygiene an den Lehrerinnenbildungs-
ansütlten in Österreich« Der österreichische Kultusminister hat,
wie die „Neuet" berichtet, mit Erteilung des Unterrichtes in der
Schulhygiene an den Lehrerinnenbildungsanstalten vom Schuljahre
1892 — 93 an folgende Docenten betraut: in Wien den k. k. Ober-
sanitätsrat und aufserordentlichen Universitätsprofessor, Stabsarzt
347
Dr. Florian Kratschmer; im k. k. Civilmädchenpensionate zu
Wien den Assistenten am hygienischen Institute daselbst Dr. Adolf
Heider ; in Linz den k. k, Statthaltereikoncipisten Dr. Emil Mecraus;
in Innsbruck den praktischen Arzt Dr. August Lieber; in Krems
den k. k. Sanitätsreferenten Dr. Edwin Poda ; in Graz den Gerichts-
arzt Dr. Karl KautzneR; in Laibach den k. k. Regierungsrat
Dr. Friedrich Heerbacher ; in Ragusa den k. k. Bezirksarzt
Dr. Marcellus Wendziloviä ; in Prag mit deutscher Unterrichts-
sprache den k. k. Bezirksarzt im Königlichen Weinberge Dr. Nathan
Schwarzkopf, mit böhmischer Sprache den k. k. Statthalterei-
koncipisten Dr. Josef Cernt; in Brunn mit deutscher Sprache den
Assistenten im Sanitätsdepartement der k. k. Statthaltern Dr. Ernst
Dworak, mit böhmischer Sprache den Privatarzt Dr. Franz Kuthan-
in Troppau den k. k. Sanitätsassistenten Dr. Emanuel HaiN; in
Lemberg den Magister der Chirurgie Eduard Madejsky; in
Krakau den k. k. Bezirksarzt und Privatdocenten an der Universität
Dr. Kaaimtr GrabowsKy; in Przemysl den k. k. Bezirksarzt
Br. Ferdinand Cassina; in Czemowitz den Bezirksarzt und
Sanitäterat Dr. Abalbert Kasprztski.
Einige neuere Urteile über die Steilschrift. Die medi-
zinische Sachverständigenkommission, welche seiner Zeit von dem
Statthalter Feldmarschall von Manteuffel zur Begutachtung des
Elsals-Lothringenschen Schulwesens eingesetzt worden war, hatte in
der Schriftfrage ihr Urteil mit den Worten abgegeben: „Wir sind
für Beibehaltung der üblichen Schrägschrift". Auf dieses Urteil
haben sich die Gegner der Steilschrift vielfach berufen. Nun aber
stammt dasselbe aus dem Jahre 1883, also aus einer Zeit, wo die
grundlegenden Untersuchungen von Dr. Schubert, Dr. Mater,
Dr. Schenk u. a. über die Steilschrift noch gar nicht veröffentlicht
waren. Wie der Urheber des obigen Satzes, der Professor der
Augenheilkunde Dr. Laqueür in Strafsburg, jetzt über die Frage
denkt, erhellt aus nachstehendem an den Hauptlehrer Soharfp
gerichteten Briefe, den wir den »Flensb. Nachr." entnehmen:
„Strafeburg, den 12. Oktober 1892. Hochgeehrter Herr! Indem ich
Ihnen für die freundliche Übersendung der Nummer der „Mensburger
Nachrichten" , wie der übrigen Drucksachen meinen besten Dank aus-
spreche, beehre ich mich, Ihnen auf Ihre Anfrage folgendes zu erwidern.
Sie dürfen auch mich zu den Bekehrten zählen. Aller-
dings habe ich mich vor etwa 10 Jahren aus theoretischen Gründen
ftr die Schrägschrift mit mittlerer Heftlage ausgesprochen und bin
auch heute noch der Meinung, dafs sie für die Augen nicht an-
strengender ist als die Steilschrift und hinsichtlich der Armmuskulatur
sogar gewisse Vorzüge vor dieser besitzt. Allein was nützen
23*
348
alle theoretischen Erwägungen, wenn die Thatsachen
so laut und beredt für die senkrechten Schriftzfige
sprechen, wie die Beobachtungen an den bayrischen Schulkindern?
Wenn ich daher auch nicht versprechen kann, für meine Person
jetzt noch in meinem sechsten Lebenadecenninm zur Steilschrift
überzugehen, so möchte ich doch nicht dazu beitragen,
die Einführung dieser Schreibweise bei den jüngeren
Generationen zu erschweren, nachdem bewiesen ist,
dafs sie eine bessere Körperhaltung verbürgt Indem ich
Ihnen gern gestatte, Ton meiner Erklärung den Ihnen geeignet
scheinenden Gebranch zu machen, bin ich mit vorzüglicher Hoch-
achtung Ihr ergebenster Professor Dr. Laqubuk, Direktor der
Univeraititsaug6nklinik.u Die hier erwähnten Beobachtungen an bay-
rischen Schulkindern sind im vorigen Jahre in München, Nürnberg
und Fürth von Ärzten angestellt worden. Das Resultat derselben
war, dab bei senkrechter Schrift mindestens doppelt so viele Schüler
gut saban, als bei schräger Schrift und dab die Steilschreiber mit ihren
Augen 6 bis 7 cm weiter von der schreibenden Federspitze entfernt
blieben, als die Schrftgschreiber. — Ein anderes Urteil über die
Steilschrift geht uns von Herrn Lehrer Ph. Ztmkkrmawk in
Frankfurt a. M. zu. Derselbe schreibt uns: Heine Erfahrungen, die
ich seit 2 Jahren mit den Erfolgen der Steilschrift in einer Auf-
nahmeklasse mache, sprechen mit aller Entschiedenheit für, aber
nicht gegen die senkrechte Schrift. Ihre Vorzüge sind: 1. Grad-
richtung des Kürpers, 2. bequemere und naturgem&be Haltung der
Feder, 3. erhebliche Erleichterung der Disciplin und somit 4. Scho-
nung der Lehrerlnnge, 5. leichtere Aneignung der Buchstabenferman,
weil das Kind seinen ersten Zeichen stets eine senkrechte Stellung
gibt, 6. gröbere Deutlichkeit und infolgedessen leichtere Leserlich-
keit der Schrift. Alle diese bereits von anderen gemachten Beob-
achtungen haben sich voll und ganz bestätigt, und die greifbaren
Resultate sind hinter den gehegten Erwartungen auch nicht um einen
Deut zurückgeblieben. Und wenn im ersten oder zweiten Schul-
jahre die Haltung noch etwas zu wünschen übrig l&bt, so trügt nicht
die Steilschrift die Schuld hieran, sondern der Kleinen schwacher
Bücken, der eben zu früh durch den Schreibunterricht zu einer der
anstrengendsten Leistungen verurteilt wird. Es steht daher bei mir
auch die Überzeugung fest, dab wir nach 10 Jahren mit unseren
A-B-C-Schfltzen im ersten Schuljahre nicht mehr schreiben werden,
wie dies unter anderen Professor Dr. von Zihbndir in seinen
„Vorträgen über Schulgesundheitspflege" fordert. — Weitere
günstige Erfolge der Steilschrift werden aus Haderaleben in Holstein
berichtet. In dem dortigen Lehrerseminar wurde auf Anordnung
349
der Behörde seit einem halben Jahre in der dritten Klasse die
senkrechte Schrift nach den SCHARFFschen Heften versuchsweise
geübt. Das Ergebnis ist, wie die „Neu. Bahn." berichten, ein so
günstiges gewesen, dafa das Proyinzialschnlkollegium infolge einer
Eingabe die Einführung der senkrechten Schrift für alle Klassen ge-
nehmigt hat. — Dagegen soll nach derselben Quelle eine auf Ver-
anlassung des Königlich württembergischen Ministeriums des Innern
berufene Kommission, aus Schulmännern, Augenärzten und Medizinal-
beamten bestehend, das Ergebnis ihrer ausführlichen Darlegungen,
wie folgt, zusammengefaßt haben: „Wir stehen nicht an, mit Be-
stimmtheit zu behaupten, dafs die rechtsschiefe Schrift, also die heut-
zutage übliche, bei schräger Mittenlage des Heftes und leicht geneigter
Tischplatte die den anatomischen Verhältnissen der Hand und des
Annes, wie den Bewegungsgesetzen der Augen am meisten ent-
sprechende und daher die physiologische Schrift ist." Über dieses
sagebliche Gutachten sind nähere Erkundigungen von uns eingezogen
worden, und Herr Medizinalrat Dr. Rbmbold in Stuttgart hat die Güte
gehabt, uns nachstehende Antwort zugehen zu lassen: „Im württem-
bergischen Ministerium des Innern ist in letzter Zeit über grade
oder schräge Schrift nicht das mindeste verhandelt worden, ins-
besondere ist das diesem Ministerium untergeordnete Medizinal-
kollegium seit 1884 mit der Frage nicht mehr beschäftigt gewesen.
Die Notiz ist also eine irrige, es müfste denn sein, dafs im Kultus-
ministerium ausschließlich von Schulmännern über die Sache verhandelt
worden wäre. Doch ist mir das sehr unwahrscheinlich, da ich in
diesem Falle gewiüs Gelegenheit gehabt hätte, von den Verhandlungen
etwas zu erfahren." Übrigens haben auch die „Neu. Bahn" die
Nachricht inzwischen widerrufen.
Über die Studenten Japans in köperlicher Beziehung
berichtet Professor Hirschberg auf Grund eigener Anschauung.
Die Studierenden wohnen innerhalb des Bereiches der Universität
oad erhalten für billiges Geld gute Verpflegung. Auf Lehren und
Lernen wird viel Zeit verwendet. Doch sind auch die Ferien so
reich bemessen, wie bei uns. Die jungen Leute werden sehr streng
gehalten: sie dürfen auf dem Zimmer weder Tabak rauchen, noch
alkoholische Getränke geniefsen und müssen an den Wochentagen
abends um 8 Uhr zu Hause sein. Es wird sehr früh aufgestanden.
So hält ein Professor seine Sprechstunden für Augenkranke schon
früh um 5 Uhr ab. Auf Leibesübungen legen die Studenten wenig
Wert. Man sieht unter ihnen viele Kranke und Jünglinge von
urtester Muskulatur. Schwindsucht und Kurzsichtigkeit sind sehr
verbreitet. Indes sind die Japaner keineswegs ein schwächliches
Volk. Die Bauern pflegen mit schweren Lasten zur Stadt zu ziehen,
360
da sie wenig Zugtiere besitzen. Mit der Sänfte laufen die Träger
1 bis 2 Stunden und zeigen demgemäfs eine prächtige Entwickelung
der Atemmuskulatur, die jedem Bildhauer zum Modell dienen kann,
ähnlich wie beim farnesischen Herkules. An den Landungsplätzen
sieht man die Fischer mit Geschick und Riesenkraft die Schiffe an
den Tauen befestigen. Aber die Studenten sind leider sehr schwach.
Um so freudiger ist es deshalb zu begrü&en, dafs sich vor kurzem
in Tokio ein akademischer Turnverein aufgethan hat.
Kriminalität der Jugendlichen. Da Kriminalität und körper-
liche Verwahrlosung sehr häufig Hand in Hand gehen, so teilen wir
aus der Schrift des bekannten Amtsrichters Dr. Asohroff in Berlin:
„Die Behandlung der verwahrlosten und verbrecherischen Jugend
und Vorschläge zur Reform* nachstehendes mit. Die Gesamtzahl
der wegen Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze verurteilten
Jugendlichen ist von 30 719 im Jahre 1882, dem ersten Erhebungs-
jahre unserer Reichskriminalstatistik, auf 36 790 im Jahre 1889
gestiegen, also um 19,76 %, während die Zahl aller Verurteilten
in diesem Zeiträume sich nur um 12,02% erhöht hat. Die starke
Steigerung der Kriminalität der Jugendlichen tritt noch schärfer
hervor, wenn man die Zahl der bestraften Jugendlichen in Verhältnis
bringt zu der Zahl der Gesamtbevölkerung: auf 10000 Deutsche
im Alter von 12 bis 18 Jahren entfallen im Jahre 1882 56,7, im
Jahre 1889 64,2 Verurteilte. Es ist dabei daran zu erinnern, dafe
die Reichskriminalstatistik nur die wegen Verbrechen und Vergehen
gegen Reichsgesetze Verurteilten zählt, dafs also die groüse Zahl der
Übertretungen und die Vergehen gegen Landesgesetze ganz aufser
Betracht bleiben. Nach einer im statistischen Amt vorgenommenen
Schätzung betragen die in der Reichskriminalstatistik gezählten Delikte
nur etwa ein Viertel aller abgeurteilten strafbaren Handlungen. Im
Jahre 1890 hat sich nach den in der Septembernummer der „Monats-
hefte eur Statistik des deutschen Reiches" veröffentlichten vorläufigen
Ergebnissen der Stand der Kriminalität der Jugendlichen weiter
verschlechtert. Die Zahl der verurteilten Jugendlichen ist auf 40905,
also gegenüber der schon mitgeteilten Zahl für 1889 um weitere
10% gestiegen; es kommen jetzt auf 10000 der Bevölkerung
zwischen 12 und 18 Jahren 72,5 Bestrafte. Diese Verschlechterung
ist eine viel gröbere, als die ebenfalls zu konstatierende Ver-
schlechterung der allgemeinen Kriminalität, welche im Jahre 1890
gegen 1889 nur um 3,2% zugenommen hat. Die bestraften Jugend-
lichen betragen jetzt von der Gesamtzahl aller Verurteilten 10,7%,
während sich ihre Zahl im Jahre 1882 nur auf 9,4%, im Jahre
1883 nur auf 9,1% belief. Die Handlungen, wegen deren Jugend-
liche zur Bestrafung gelangten, sind vorzugsweise solche, welche sich
351
als Delikte gegen das Vermögen charakterisieren lassen. In diese
Kategorie fallen im Jahre 1880 31 131 Verurteilungen von Jugend-
lichen, darunter 18286 wegen einfachen Diebstahls, 3027 wegen
schweren Diebstahls und 970 wegen Diebstahls im wiederholten
Buckfalle. Noch betrübender wird das durch die Reichskriminal-
statistik enthüllte Bild durch die Thatsaohe, dafs sich die Ver-
mehrung der Kriminalität vorzugsweise auf die alleijüngste Klasse,
auf Kinder im Alter von 12 bis 15 Jahren, erstreckt. Die Zahl
der in diesem Alter stehenden Verurteilten hat sich von 1883 bis
1889 um 86,4% gesteigert, während die Zahl der bestraften Jugend-
lichen im Alter von 15 bis 18 Jahren sich in dem gleichen Zeit-
räume nur um 20,94% erhöht hat. Unter den bestraften Jugend-
lichen befanden sich im Jahre 1889 5590, das sind 15%, welche
bereits vorbestraft waren, und unter diesen Vorbestraften verübten
*/s die neue Strafthat binnen Jahresfrist seit Verbüfeung der Vorstrafe.
Die Schulgebäude des Kreises Isenhagen in der Lflne-
bnrger Heide werden von Physikus Dr. Max Langerhans in der
„ZeUschr. f. MeäUtbeamt." folgendermaßen geschildert: Was die
Bauart der älteren und Ältesten Schulhäuser betrifft, so lehnt
sich dieselbe eng an den Typus des niedersächsischen Bauernhauses
an, welches als Behausung für Mensch und Vieh seit Jahrhunderten
nach demselben Plane errichtet wird. Durch ein weites, in der
Giebelwand gelegenes Scheunenthor betritt man die „Diele", wo
gedroschen und das Vieh gefuttert, aber auch auf dem mächtigen
Herd ohne Schornstein gekocht wird. Neben dem Herd liegen
zwei Thuren, von denen die eine rechts in die Wohnstube des
Lehrers, die andere links in die Schulstube fuhrt, beides ein paar
weite, aber niedrige Räume mit vielen Fenstern, deren kleine blei-
gefafete Scheiben nur wenig Licht einlassen. In dem Lehrerzimmer
flfflt vor allem die „Butze" auf, ein Mittelding zwischen Alkoven
und Wandschrank, welches als Nachtlager für die ganze Familie
dient Nur für etwaige erwachsene Töchter oder für die Magd
findet sich wohl eine winzige Kammer neben der Diele. Auch die
Neubauten von Schulen sind, wenn man von den allerletzten
Jahren absieht, nur Variationen über das Grundthema des nieder-
sftchsischen Bauernhauses. Durchweg ist nicht die Schulstube, sondern
die „Diele" als Mittelpunkt des Baues gedacht. Erst in jüngster
Zeit wird jeder Bauplan dem Regierangs- und Medizinalrat zur
Beurteilung vorgelegt, und dementsprechend sind die neuesten
Schnlbauten, da der Lüneburger Bauer mit Geld nicht zu kargen
Pfcgt> geradezu mustergültig. Unter den hygienischen Mißständen
der filteren Schulbauten ist hervorzuheben, dafs sich Gerüche aus
dem Kuhstall und ungezählte Fliegenschwärme in dem Schulzimmer
352
beftterklich machen, ja dafs stellenweise die Wand desselben tob
dem unmittelbar daranstoCsenden Schweinestall ans durchfeuchtet
und übelriechend ist. Schwierig ist nur die Frage, wie diesen
Übelstanden abgeholfen werden soll. Denn da die Vereinigung von
Mensch und Vieh unter einem Dache ein durch Jahrhundertelange
Gewohnheit geheiligter Brauch, da ferner der Gesundheitszustand
durchweg gut und die Sterblichkeit sehr gering ist, so würden die
Leute es als eine ungeheuerliche Bedrückung empfinden, wenn sie
nun auf einmal alle ihre sonst noch baulich ganz guten Schulhinser
abschaffen sollten. Dr. Lahöbbhans ißt auch nicht der Ansicht,
dato die Vereinigung von Schulstnbe und Lehrerwohnung mit Stauung
und Scheune unter einem Dache principiell durchaus zu verwerfen
sei. Es lassen sich vielmehr Einrichtungen treffen und sind in
einer Reihe von Fallen ^tatsächlich getroffen worden, welche alle
gesundheitliehen Gefahren ausschliefsen. Zu diesen Einrichtungen
gehört, dafe die Scheunendiele die Stallungen von den Wohnräumen
vollständig scheidet. Eine etwaige Durchtränkung des Bodens unter
den Wohnzimmern mit Jauche aus den Viehställen, welche bei rich-
tiger Anlage der letzteren allerdings überhaupt nicht vorkommen
darf, ist durch den festen Lehmschlag der Diele ausgeschlossen.
Da auch die Wände des Hauses eine vollständige Unterbrechung
durch die grofsen Öffnungen für die beiden Dielenthore zeigen, so
haben die beiden Abteilungen des Gebäudes anfter dem Dache
kaum noch etwas gemein. Wollte man in engem Anschlufs an die
bekannten fünf preufsischen Musterentwürfe für ländliche Schulen1
die landwirtschaftlichen Räume gänzlich aus dem Schulhause ver-
bannen, so würde dies nur einen Rückschritt bedeuten. Denn wenn
man ein eigenes Gebäude für Stall und Scheune errichtet, so findet
dies naturgemäfs seine Stelle dem Schulgebäude gegenüber auf der
anderen Seite des Hofes, der dann in seiner Mitte den Dünger-
haufen enthält, gerade unter den Fenstern der Lehrerwohnung oder
gar der Schulstube. Auch kann bei den geringen Dimensionen des
Hofes der Brunnen gar leicht mit dem Düngerhaufen, dem Küchen-
ausflufs oder der Abortgrube in gefährliche Kollision geraten.
Dagegen hat die Trennung der Wohn- und Stallräume durch die
Diele den Vorteil, dafs die Thüren der Viehställe mit den davor
lagernden Düngermassen, die nun doch einmal ein notwendiges Übel
bilden, in der gröfeten überhaupt zu erreichenden Entfernung von
Sehulstube, Küche und Wohnräumen des Lehrers ihre Stätte finden.
Es ist daher durchaus nicht erforderlich, dafe man, lediglich einer
gewissen Uniformierungslust zu liebe, da, wo die Anlage von Vieh-
1 S. diese Zeitschrift, 1888, No. 11, 8. 488—448. • D. Red.
363
Italien unter einem Dache mit dem Schulhause dem Landesbraach
entspricht, dies principiell und in jedem Falle untersagt.
Kurse zur Ausbildung tob Lehrern und Lehrerinnen in
dem Jngendspielen. Der Centralausschuis zur Förderung der
Jugend- und Volksspiele in Deutschland veröffentlicht die von ihm
far das laufende Jahr festgesetzten Kurse zur Ausbildung von
Lehrern und Lehrerinnen. Die Zahl der Kurse ist gegen das Vorjahr
verdoppelt worden, und es schliefst sich gegenwärtig auch Süd- und
Westdeutschland dieser Thfttigkeit an. Spielkurse für Lehrer werden
abgehalten: vom 28. Kai bis 3. Juni in Bonn von Dr. med. F. A.
Schmidt, vom 5. bis 10. Juni in Berlin von Professor Eckleb,
S.W. Friedrichsstrafee 229, vom 5. bis 11. Juni in München von
Stadtschulrat Dr. Rohmieder, vom 26. Juni bis 2. Juli in Koburg
von Sehulrat Hbckbnhayn, vom 27. August bis 2. September in
Fraalriurt a. M. von Turninspektor Weidenbusch, vom 27. August
bis 2. September in Görlitz von Gymnasialdirektor Dr. £itner, vom
27. August bis 2« September in Magdeburg von Stadtschulrat
Plaxkü, vom 17. bis 23. September in Reichenbach in Schlesien
Ton Realgymnasialdirektor Dr. Weck, im ersten Teil des Sommers
in Stuttgart von Professor Kessler, im Monat August in Karlsruhe
von Direktor Maul, endlich in Posen von dem Magistrat. Kurse
ftr Lehrerinnen werden geleitet: vom 26. bis 28. Juni in Magde-
burg von Gymnasialturnlehrer Kohlraüsoh, vom 3. bis 6. Juli in
Berlin von Professor Eckler, S.W. Friedrichsstrafse 229, vom 3.
bis 8. Juli in Breslau von Oberturnlehrer Krampe, an noch fest-
zusetzendem Termin in Rendsburg von Gymnasialoberlehrer Wickbn-
haöbk, im Herbst in Barmen von Oberturnlehrer Schröter. Die
Kurse' selbst sind kostenfrei. Die Anmeldung für dieselben mufs
mindestens drei Wochen vor Beginn derselben bei den vorgenannten
Stellen bewirkt sein.
Ferienhert für bedürftige Gymnasialschttler Wiens. Unter
dem Vorsitze de9 Präsidenten der k. Akademie der Wissenschaften
Alfred Rittbr von Arnrth und dem stellvertretenden Vorsitze
des Geheimen Rats Alois Czbdik Freiherrn von Bründblsberg,
sowie des Professors Dr. Leopold Schrötter Ritter von Kristelli
besteht in Wien ein Verein, welcher 9ich die Aufgabe gestellt hat,
bedtrfiige Gymnasialschuler in Steg am Hallstätter See wahrend der
Sonmerferien unterzubringen und zu verpflegen.1 Die dortige Pflege-
stitte entspricht allen billigen Anforderungen. Im zweiten Stockwerke
des solid gebauten Hauptgebäudes bietet ein luftiger Schlafsaal sämt-
lichem Zöglingen und dem die Aufsicht fuhrenden Pr&fekten Raum.
1 Vgl. diese Zeitschrift, 1890, No. 10, S. 606—607. D. Red.
1
354
Zwei sehr praktisch eingerichtete Nebenräume gestatten ein rasches
Reinigen und Ankleiden der Knaben. Durch ein paar Treppen ist
unter allen Umständen die Möglichkeit, schnell ins Freie zu ge-
langen, gesichert. Das erste Stockwerk samt grober gedeckter
Veranda enthalt ausreichende Räume zum Aufenthalte während
schlechten Wetters, ferner das Schreibzimmer, das Lesezimmer, das
Musikzimmer, die Wohnung des Präfekten und ein glücklicherweise
nur wenig benutztes Krankenzimmer. Zu ebener Erde endlich be-
finden sich neben den nötigen Wirtschaftsräumen die Küche und
ein so grober Speisesaal, dafe er auch noch als Spielsaal verwendet
werden kann. In der sehr zweckmäßig eingerichteten Schifishütte
liegen drei Giggs, welche dem Vereine von der Marinesektion des
k. u. k. Kriegsministeriums überlassen worden sind, unmittelbar
daneben, vom See abgetrennt, die alle Sicherheit darbietende
Schwimmschule. Der grofee Spielplatz ist im letzten Jahre noch
weiter verbessert worden, und die Anpflanzungen gedeihen dort
gut. In diese Pflegestätte worden nun im letzten Jahre unter
der Leitung des Gymnasialsupplenten A. Hantschbl als Präfekten
und des vom Marineministerium beurlaubten k. u. k. Torpedo-
meisters J. Baumoartnbr als Subpräfekten 42 Schüler aas ver-
schiedenen Gymnasien Wiens aufgenommen. Was das Leben im
Ferienhorte selbst anbelangt, so mufs das Ergebnis infolge der ungemein
günstigen Witterung als ein besonders glückliches bezeichnet werden.
Es war den Gymnasiasten vergönnt, die meiste Zeit im Freien zu-
zubringen. Von körperlichen Übungen wurde das Turnen soweit
geübt, als es die vorhandenen Geräte gestatteten. Das Exerzieren
bereitete den Knaben nicht nur grobe Freude, sondern hatte auch
einen wesentlichen Einflnfs auf die Art ihres Auftretens. Die er-
freulichsten Fortschritte aber machten sich im Rudern bemerkbar.
Es war geradezu überraschend, welche Exaktheit die jungen Leute,
welche noch nie ein Ruder in der Hand gehabt hatten, schon nach
kurzer Zeit unter der Leitung des Torpedomeisters zeigten. Beim
Schwimmen bildeten sich 8 Knaben zu tüchtigen Freischwimmen!
aus, und 5 konnten nahezu freigesprochen werden. Die Spiele
wurden von dem Präfekten Hantschel geleitet, welcher sich durch
Studienreisen in Deutschland eine reiche Erfahrung auf diesem
Gebiete erworben hatte. Die Schüler spielten nicht nur mit Freude,
sondern auch mit solchem Ernste, dafe man dreist behaupten darf,
ein jeder könne ohne weiteres als Spielleiter fungieren. Auf letz-
teren Punkt möchten wir die Direktoren höherer Lehranstalten noch
besonders aufmerksam machen, da sich daraus manche Vorteile fllr
die Schule ziehen lassen dürften. Außerdem wurde jede Gelegen-
heit zu kleineren oder gröfseren Ausflügen in die herrliche Umgebung
355
benutzt, wobei namentlich eine Exkursion nach der Zwieselalpe einen
mächtigen Eindruck auf die Jagend hinterliefs. Ein gro&es Verdienst
des Prftfekten Hantschbl war es, die Schüler möglichst viel Musik
treiben zu lassen. Von den 42 konnten 26, da 16 ohne Stimme
oder musikalisches Gehör waren, im zwei- und vierstimmigen Ge-
sänge unterrichtet werden. Auch die Übungen im Vortrage wurden
nicht vernachlässigt, und bei schlechtem Wetter fand die Bibliothek
und die Lehrmittelsammlung fleifeige Benutzung. Die Zunahme an
Körpergewicht betrug bei der reichlichen und guten Kost im Durch-
schnitte 3,6 kg gegen 3,5 im Jahre 1891, 3,6 im Jahre 1890,
3,3 im Jahre 1889 und 2,8 im Jahre 1888. Am 24. September
v. J. wurde die Kolonie geschlossen, nachdem sie vom 15. Juli an
bestanden und besten Erfolg gehabt hatte.
ämtlidje Derfngttttgett.
Lautsprache oder Gebärdensprache beim Taubstummen-
unterrichte?
Ebie Antwort des Königlich preufsischen Kultusministers.
Berlin, den 17. September 1892.
Seine Majestät der Kaiser und König haben die von Ew. Hoch-
wohlgeboren in Gemeinschaft mit anderen Taubstummen eingereichte
Immediatvorstellung vom 24. November 1891 mir zur Prüfung und
zu Ihrer Bescheidung zugehen zu lassen geruht.
Ich habe mich der befohlenen Prüfung mit derjenigen ein-
gehenden Gründlichkeit unterzogen, welche durch die Wichtigkeit
der Sache geboten ist, und welche das Interesse nicht nur der
Taubstummen, sondern der gesamten bürgerlichen Gesellschaft er-
fordert. Auch habe ich diese Prüfung auf den Zustand des Taub-
stammenbildungswesens in den au&erpreufsischen Staaten Europas
erstreckt. In dieser Beziehung haben sich, wie ich vorausschicke,
die Angaben in der obenbezeichneten Immediatvorstellung und in
den an meinen Herrn Amtsvorgänger gerichteten Eingaben vom
21. November v. Js. und 15. Februar d. Js. nicht bestätigt. Es
hat sich vielmehr herausgestellt, dafs mit fast verschwindenden Aus-
nahmen überall die Lautsprache die einzige Unterrichtssprache und
der einzige Lehrgegenstand ist und dafs die Gebärdensprache auch
außerhalb der preufsischen Lehranstalten nur in dem Ma&e und
Umfange zur Anwendung kommt, wie in den preufsischen Anstalten.
356
Ew. Hochwohlgeboren scheinen Ton der Voraussetzung
gehen, dafs die Anwendung der natürlichen Gebärde in unteren
Anstalten grundsätzlich und allgemein ausgeschlossen sei. Dies ist
nicht der Fall. Wie die natürliche Gebärde selbst im Unterrichte
vollsinniger Kinder unentbehrlich ist, so hat sie auch im Unter-
richte der Tiersinnigen Kinder ihre Stelle. Sie ist das Mittel,
durch welches der Lehrer den Weg zu Geist und Herz der Kinder
so lange sucht, bis diese gelernt haben, Laute und Worte zu
sprechen, und ebenso begleitet verständiger und mafovoller Gebranch
der natürlichen Gebärde, selbstverständlich in stetig sich verän-
derndem Umfange, den Unterricht. Ew. Hochwohlgeboren kann es
nicht unbekannt sein, dafs die sogenannte Artikulations- oder auch
deutsche Methode in den preußischen Anstalten gepflegt worden ist,
seit die Unterrichtsverwaltung überhaupt die Sorge für die taub-
stummen Kinder in die Hand genommen hat. Ebensowenig kann
es Ihnen entgangen sein, dafs eine nicht geringe Zahl hervorragend
begabter Männer zum Teil unter Opfern mit selten wiederkehrender
Hingebung alle ihre Kräfte daran gesetzt hat, diese Methode zu
vervollkommnen. Was in dieser Beziehung in Mailand, in Byhea
bei Basel, in Zürich, sowie in Frankfurt a. M. und in den Anstalten
der Provinz Hannover noch vor deren Vereinigung mit der
preußischen Monarchie erreicht worden ist, ist bekannt. Gerade
diese Erfolge haben dazu mitgewirkt, dafs der Taubstummenlehrer-
kongreis zu Mailand im Jahre 1881 sich einmütig für den ans-
schliefslichen Gebrauch der Lautsprache bei dem Taubstummen-
unterrichte erklärte, und ich möchte nicht unbemerkt lassen, dafe
dieser Beschlufs für mich um so höhere Bedeutung hat, als er
nicht etwa durch den Einfluß preußischer Taubstummenlehrer
herbeigeführt worden ist. Es haben sich vielmehr bei diesem
Beschlüsse 83 Italiener, 56 Franzosen, 9 Engländer, 5 Amerikaner,
3 Schweden, 1 Belgier und nur 1 deutscher Taubstummenlehrer
beteiligt.
Was die Sache selbst angeht, so handelt es sich beim Unter-
richte und bei der Ausbildung der Taubstummen, wie der vier-
sinnigen Kinder überhaupt, darum, ihnen ihr Unglück so wenig
empfindlich, ihre Lage so leicht wie möglich zu machen und, was
darin einbegriffen ist, sie zu religiös-sittlichen, erwerbsfähigen
Menschen zu erziehen und zu verhüten, dafe sie der Familie, in
welcher sie geboren sind, der Kirche, welcher sie angehören, dem
Staatsverbande, auf dessen Schutz sie Anspruch haben, durch den
Mangel der Sprache entfremdet oder gar von ihnen dauernd losgelöst
werden.
Während die Gebärdensprache, welche bedeutsamen Ergebnisse
357
durch dieselbe allerdings nur in vereinzelten Fällen auch erreicht
worden sein mögen, stets dahin führen muß, dafs die Taubstummen
eine in sich geschlossene, durch nichts mit der übrigen Gesellschaft
verbundene Gemeinschaft bilden, versucht es die Lautsprachmethode,
deren Beseitigung Ew. Hoch wohlgeboren bitten, den Taubstummen
Himmelsgabe der Sprache nicht, wie Sie vorauszusetzen scheinen,
ak ein mechanisch angeeignetes, sondern als ein freies Eigentum
wiederzugeben. Indem sie dies thut, stellt sie das taube, nicht
»ehr stamme, sondern redende Kind wieder mitten in seine Familie
und befähigt den erwachsenen Taubstummen, sich in seiner Kirchen-
gemeinschaft» im Staate und in der bürgerlichen Gesellschaft zu bethätigen.
Die Annahme Ew. Hochwohlgeboren, dab dies Ziel, welches
hier gesteckt ist, nur vereinzelt erreicht werde, trifft durchaus nicht
xn, wie wiederholte, regelmä&ig wiederkehrende und gründliche
Revisionen unserer Anstalten ergeben haben. Ich nehme keinen
Aistand, auszusprechen, dafs der Taubstummenunterricht noch sorg-
fältiger Pflege bedarf, um die ihm gestellten Aufgaben immer voll-
sündiger zu erfüllen und namentlich, um den Kindern ausnahmslos
die gewonnene Sprache zum unverlierbaren Eigentume zu machen.
Ich nehme aber auch gern Gelegenheit, zu bezeugen, dafs die Leiter
«ad Lehrer unserer Taubstummenanstalten auf ihre Arbeiten ein
hohes Mab von Fleifs, Ausdauer und Geduld verwenden, welches
immer reichere und schönere Erfolge von ihrer mühevollen und
segensreichen Arbeit erhoffen l&fct.
Ew. Hochwohlgeboren haben in ihren Vorstellungen wiederholt
davon gesprochen, dafs die Lautsprachmethode ihre Ergebnisse
überhaupt nur durch die Anwendung der schärfsten Disciplinarmittel
«reiche. Dies hat mir Veranlassung gegeben, auch nach dieser
Seite hin Ermittelungen anzustellen. Zu meiner Befriedigung haben
och dabei die vorgebrachten Klagen Aber unverständige und harte
Anwendung des Züchtigungsrechte überall als unbegründet erwiesen.
Am allerwenigsten hat sich ein Zusammenhang überspannter
8trenge in der Schulzucht mit der Lautsprachmethode herausgestellt.
In Gegenteil hat der einzige, jahrzehntelang zurückliegende Fall
liebloser Behandlung der taubstummen Kinder eine Anstalt und eine
Zeit getroffen, wo die Gebärdensprache in Übung war, und gerade
der gegenwärtige Leiter dieser Anstalt, welcher dort die Lautsprache
eingeführt hat, wird von entlassenen und gegenwärtigen Schülern
wqgen seines liebevollen Verhaltens gegen sie gerühmt.
Auf Grund der eingehendsten Ermittelungen hat sich hiernach
«geben, dafo keine Veranlassung vorliegt, in der gegenwärtigen Art
des Taubstummenunterrichts eine Änderung eintreten zu lassen.
Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten.
(gez.) Bosse.
358
Rundschreiben der englischen Regierung,
betreffend den Ansschlnfs von Kindern ans der Schule
wegen Infektionskrankheiten.
Die Regierungsbehörde von England hat kürzlich ein längeres
Rundschreiben erlassen, dem „The Sanitarian" folgenden Auszug
entnimmt:
1. Die Krankheiten, um deren willen Schulen geschlossen oder
Kinder ans denselben entfernt werden müssen, sind die von Person
zu Person übertragbaren, n&mlich Scharlach, Masern, Diphtherie;
Keuchhusten, Blattern und Röteln. Seltener kommen Typhus und
Diarrhoe in Betracht, welche sich hauptsächlich infolge Ortlicher
Verhältnisse, wie infizierte Aborte, in Schulen verbreiten.
2. Als allgemeiner Grundsatz gilt, dafs alle infektiös erkrankten
Kinder vom Unterrichte auszuschliefsen sind, mag die Ansteckung
anderer Schüler durch sie einen leichteren oder schwereren Charakter
annehmen.
3. Was Mumps und Hautkrankheiten anbetrifft, so sind die
Schulinteressen hier mehr als bei den übrigen unter 1 erwähnten
Infektionskrankheiten in Betracht zu ziehen. Sollten die enteren
jedoch dadurch, dafs man den Kindern zur Schule zu gehen erlaubt,
sich weiter verbreiten, so würde der Nachteil für Schüler und Schule
gröfser sein, als wenn man die infizierten Kinder vom Unterrichte
ausschliefst.
4. Der Schulschluls ist für die Sanitätsbehörden immer ein
ernster Schritt und sollte außer bei tatsächlichen Epidemien nur
selten und nur dann verfügt werden, wenn keine Möglichkeit vor-
handen ist, die Verbreitung der Krankheit auf anderem Wege zu
verhüten. Die Feststellung der Thatsache, dafs einzelne Schüler an
einer Infektionskrankheit leiden, bildet keinen ausreichenden Grand
für den Schulschluls. Aber wenn in einer grofsen Mehrzahl von
Familien der erste Fall ein Schulkind betrifft, diese Familien ausser-
dem noch weit getrennt leben und nur ihre Kinder in dieselbe
Schule schicken, dann muls die letztere geschlossen werden; es hat
dies namentlich dann zu geschehen, wenn die erkrankten Kinder
nachweislich die Schule besucht haben.
5. Der Medizinalbeamte sollte dem Lehrer eines infizierten
Schulkindes möglichst schnell Nachricht geben und dieses die ganze
Zeit, welche der Beamte bestimmt, von der Schule fern gehalten
werden. Andererseits haben auch die Lehrpersonen Fälle von an-
steckenden Krankheiten den Gesundheitsbehörden unverzüglich zu
melden, welchen Namen sie auch für die Krankheit gebrauchen
mögen. Zugleich müssen dieselben in Zeiten von Epidemien auf
Symptome, wie Fieberschauer, Kopfweh, Mattigkeit, Erbrechen,
369
Hautausschlag, Halsschmerz, sorgfältig achten; bei Scharlach- oder
Diphtberieepidemien ist jeder Halsschmerz verdächtig und sollte den
Ausschlufs des Schülers bewirken, bis der Arzt eine bestimmte Er-
klärung abgegeben hat.
6. Gelingt es nicht, die Verbreitung einer Epidemie, namentlich
onter den Schulkindern, zu verhüten, so erfordert dies fortgesetzte
Achtsamkeit auf unerkannte, milde Fälle, und die Schule mufe auch
ferner geschlossen bleiben.
7. Bei der Entscheidung über den Schulschlufs kommt auch
der Verkehr der Schüler aufserhalb der Schule in Betracht. In
kleinen Dörfern läfet sich derselbe leicht kontrollieren, in Städten
dagegen, wo dies nicht möglich ist, kann durch den Schulschlufs
bisweilen mehr Schaden als Nutzen entstehen.
8. Alle Anordnungen, welche sich auf den Schulschlufs beziehen,
sollten den Schulleitern schriftlich mitgeteilt, die Gründe angegeben
und die Dauer natürlich so kurz wie möglich bestimmt werden.
Läfet sich ein längerer Schlufs der Schule, als ursprünglich fest-
gesetzt war, nicht vermeiden, so mufs der Schulvorsteher davon
rechtzeitig Nachricht erhalten.
Verfügung des k. k. niederösterreichischen Landesschulrates
vom 21. April 1892, Z. 3258, betreffend die Einrichtung und
Pflege von Schulgärten.
Um einen gleichmäfsigen Vorgang bezüglich der Einrichtung
und Pflege der Schulgärten zu erzielen, hat sich der k. k. nieder-
österreichische Landesschulrat über eine Anregung des Landesobstbau-
▼ereins für Niederösterreich und nach Einvernehmung des Central-
ausschusses der k. k. Landwirtschaftsgesellschaft in Wien bestimmt
gefunden, eine Instruktion über die Einrichtung und Pflege der
8ehulgärten zu erlassen.
Der Bezirksschulrat wird beauftragt, diese Instruktion, von
welcher drei Exemplare angeschlossen werden, zur Kenntnis der
unterstehenden Schulgemeinden und Schulleitungen zu bringen und
die Beobachtung derselben durch den k. k. Bezirksschulinspektor
überwachen zu lassen, da die wohlgeordnete Einrichtung und Ver-
wertung der Schulgärten für die Zwecke der Schule und des Unter-
richtes von grofsem Werte erscheint.
Instruktion, betreffend die Einrichtung und Pflege
von Schulgärten.
Die Anlage des Schulgartens hat sich nach den örtlichen Ver-
hältnissen zu richten. Die Pflege desselben hängt hauptsächlich von
der Individualität, von dem Verhältnisse und der Berufeliebe des
860
Schnlgärtners ab; es läfet sich demnach eine allgemeine Nora in
dieser Hinsicht kaum festsetzen; doch erscheint es notwendig, einige
allgemeine Geeichtepunkte festzustellen, die bei Einrichtung eines
Schulgartens mafsgebend sein sollen:
1. Der Schulgarten ist zunächst Tom allgemeinen, erziehlichen
Gesichtspunkte zu betrachten.
2. Er darf weder aussddiefsüch Baumschule, noch botanischer,
noch Gemüse- oder Blumengarten sein, er mufe sich vielmehr,
auf möglichst einfachen Grundprincipien falzend, den lokalen
Bedürfnissen eng anschlie&en.
Jeder vollständige Schulgarten soll nachstehende Bestand-
teile haben:
1. Eine Abteilung für Obstbau \
2. a. in Weinbaugegenden eine Abteilung ftr Bebenkultur;
b. in Waldgegenden eine Abteilung ftr Waldkultur;
3. eine Abteilung ftr Gemüsebau;
4. eine Abteilung ftr landwirtschaftliche Versuchszwecke und
5. eine Bienenhtttte mit Bienen.
Die GrOfee des Schulgartens richtet sich nach den Ortlichen
Verhältnissen; in der Regel werden 3 — 5 Ar vollständig genügen.
Der Schulgarten ist vor der Bepflanzung zu rigolen und einwizännen.
Die Lage und Bodenbeschaffenheit mub derart sein, dsis derselbe
seinen Zweck auch wirklich erfülle. Der Platz ftr den Schulgarten
soll so gewählt werden, dab in nächster Nähe desselben dem Be-
dürfnisse an Wasser Rechnung getragen werden kann.
Für die Beistellung des erforderlichen Düngers und der zur
Bearbeitung des Schulgartens nötigen Werkzeuge hat der Ortsschalrat
zu sorgen.
I. Obstbau.
In dem Schulgarten sollen zur allgemeinen Anpflanzung best«
geeignete Obstsorten gepflegt und der allgemeinen Verbreitung zu-
geführt werden.
Um Verständnis und Liebe ftr den Obstbau zu erzielen and
hierdurch dem Baumfrevel am besten zu steuern, leite der Lehrer
die Schulkinder an:
a. Obstkerne auszusäen, die Wildlinge zu puderen und diese
in die Baumschule zu pflanzen;
b. die Veredlung nach den gebräuchlichsten Veredlungsmethoden
vorzunehmen;
c. einen kronebildenden Baum zu erziehen; endlich
d. den erwachsenen Baum an den Standort zu pflanzen and
ihn zu pflegen*
361
Der Unterricht im Schulgarten ist derart einzurichten, dafa
Kinder vom fünften Schuljahre an wenigstens eine Stande wöchentlich,
und zwar anfser der Unterrichtszeit herangezogen werden.
Es ist selbstverständlich, dafs nicht eine ganze Schulklasse oder
Abteilung im Schulgarten Verwendung finden kann, sondern dafs
abwechselnd eine kleine Gruppe von Schülern zu den Belehrungen
und Arbeiten heranzuziehen sein wird. In welchem Umfange die
Schulkinder an den vorbezeichneten Arbeiten selbst mit Hand
anlegen, hängt von der Individualität des Lehrers und der Schul-
kinder selbst ab.
Schliefst sich der naturkundliche Unterricht an einen gut und
ortsgemäfe eingerichteten Schulgarten an, so kann der Lehrer in den
Sommermonaten nach Mafsgabe der Witterung und der Bedürfhisse
des Unterrichtes mit den Schülern der Obergruppe, beziehungsweise
den einzelnen Klassen der Bürgerschule wöchentlich eine Natur-
geschichtsstunde im Schulgarten abhalten, vorausgesetzt, dafs dieser
bereits entsprechend eingerichtet ist.
Mit Rücksicht auf den beschränkten Raum des Schulgartens
sotten in der Regel Zwergbäume, und zwar nur einfache Baumformen
gepflanzt werden.
Gesträuchpartien, wie Quitten, Mispeln, Haselnüsse, Wachsäpfel,
Ostheimer Weichsel, können in schattigen Ecken des Gartens, die
Beerensträucher, Johannis- und Stachelbeeren, wie auch Erdbeeren
auf den Rabatten längst der Wege zwischen dem Zwergobste und
zor Begrenzung des Gemüselandes Platz finden.
H. a. Abteilung für Rebenbau.
In Weinbaugegenden soll im Schulgarten ein Sortiment anerkannt
guter Rebensorten in möglichst starken Stöcken vertreten sein, um
an denselben die wichtigsten Erziehungsarten und Schnitte vorzeigen
iu können. Es ist jedoch bei der Rebenanpflanzung mehr auf die
Güte und Eignung, als auf die Menge der Sorten Rücksicht zu
nehmen, damit solche den Schülern genau bekannt und von ihnen im
gegebenen Falle anderen minder guten Sorten vorgezogen werden.
IL b. Abteilung für Waldbau.
In Waldgegenden empfiehlt es sich, im Schulgarten die Nadel-
und Laubhölzer aus Samen zu ziehen und hierbei auf die Kultur
der Wälder (Aufforsten von Hutweiden) hinzuwirken.
HL Abteilung für Gemüsebau.
Bei der Benutzung des Gartenteiles soll auf die Samenzucht
der leicht zu ziehenden Gemüsearten (Salat, Kraut, Kohlrüben, gelbe
Rübe, Petersilienwurzel, Sellerie, Rüben, Bohnen, Erbsen u. s. w.)
Scfaulgesnndheltspflege VI. 24
362
Rücksicht genommen werden, wobei ein kleines Mistbeet (1 — 3 Fenster)
vorzügliche Dienste leistet.
Es müssen bewährte und geschätzte Gemüsesorten kultiviert
werden, um auf diese Weise ihre Verbreitung in der Gegend an-
zubahnen.
Wie in der Abteilung für Obstbau die Arbeiten von den
größeren Knaben, so sollen die in der Gemüseabteilung vorzunehmenden
Arbeiten vorzugsweise von den größeren Schulmädchen, vom fünften
Schuljahre angefangen, ausgeführt werden. Die Bepflanzung des
Randes mit blühenden Gewächsen soll mit Geschmack geschehen.
IV. Abteilung für landwirtschaftliche Versuchszwecke.
Dieselbe hat aus einer Anzahl von Beeten zu bestehen, die
vorzugsweise für den Anbau erprobter Kulturpflanzen oder von neuen
Spielarten bereits verbreiteter Gewächse zu verwenden sind.
Ein kleiner, und zwar nicht allgemein zugänglicher Raum soll,
wo dies nur möglich, dazu verwendet werden, um auf demselben
heimische Giftpflanzen, sowie die für den Hausgebrauch wichtigen
gewerblichen und medizinischen Pflanzen zu kultivieren. Da jede
Giftpflanze ihren besonderen Habitus hat, der sich nur durch wieder-
holte Betrachtung der Pflanze in den verschiedenen Stadien der
Entwicklung dem Gedächtnisse einprägt, so ist die Anpflanzung der
Giftpflanzen für den Unterricht besonders eifrig zu verwerten.
Womöglich sollen auch für den eigenen Gebrauch im Schul-
garten einige Stücke guter Korbweidensorten gepflanzt werden.
An Orten, wo ein landwirtschaftlicher Lehrkurs im Sinne des
§ 10 R.-V.-G. und der Ministerialverordnung vom 10. April 1885
besteht, hat der Schulgarten den Fortbildungsunterricht zu unterstützen.
Der Fruchtwechsel darf im Schulgarten nicht außer acht gelassen
werden.
V. Bienenstand.
Da die Bienenzucht nicht blofs für sich und für die Fruchtbarkeit
der Obstbäume, sondern auch vom erziehlichen Gesichtspunkte von
besonderer Wichtigkeit ist, so soll auch im Schulgarten, womöglich
an einer günstigen Stelle, eine Bienenhütte aufgestellt werden.
Auf die Pflege des Schulgartens mufs jederzeit die größt-
mögliche Mühe und Sorgfalt verwendet werden. Mag der Schul-
garten was immer für eine Größe und Einrichtung haben, so muß
stets das Hauptaugenmerk darauf gerichtet sein, daß der Garten
nett und sauber gehalten und daß alle Kulturen sachlich richtig
und zweckentsprechend betrieben werden, damit der Schulgarten
seinem Zwecke vollkommen genügen kann.
363
tUber das Erträgnis des Schalgartens ist ein Übereinkommen
zwischen Ortsschulrat und Schulleitung zu treffen, jedoch bedingt das
erziehliche Moment und der Zweck des Schulgartens, dafs Sämereien,
Gemüse, Früchte und dergleichen, Edelreiser, sowie die erzogenen
Obstbäume an fleißige Schüler abgegeben, eventuell der Gemeinde
ganz unentgeltlich oder doch zu mäßigen Preisen zur Verfügung
gestellt werden.
Der Bezirksschulrat hat darüber zu wachen, dafs bei einem
Dienstwechsel des Schulleiters der Schulgarten nicht geschädigt,
sondern im guten Zustande dem Nachfolger übergeben werde. Das
Eigentum des abtretenden Schulleiters ist erforderlichen Falles ab-
zulösen, jedoch darf der bepflanzte Schulgarten vom abtretenden
Lehrer unter keinen Umständen geräumt, beziehungsweise ausverkauft
werden.
yerfonalien.
Dem Geheimen Oberregierungsrat Bayer, vortragenden Rat im
Königlich preußischen Kultusministerium, ist der rote Adlerorden
IL Klasse mit Eichenlaub verliehen worden.
Denselben Orden erhielt der Geheime Begierungsrat Dr. Schultz,
bisher Provinzialschulrat in Münster, bei seinem Übertritt in den
Ruhestand; das dortige Provinzialschulkollegium ernannte ihn zum
Ehrenmitgliede.
Am 21. März erfolgte in Cambridge die feierliche Verleihung
des Ehrendoktorats der Naturwissenschaften seitens der Universität
an Geheimrat Professor Dr. B. ViRCHOW; zugleich hat die Uni-
versität Oxford demselben die Würde eines Doktors des Civilrechts
verliehen.
Der Geheime Medizinalrat Professor Dr. Robert Koch in
Berlin wurde von der Königlich schwedischen Akademie der Wissen-
schaften zum auswärtigen Mitgliede gewählt.
Dem Vorsitzenden des beratenden Komitees für öffentliche
Gesundheitspflege in Frankreich, Professor Brouardel, ist die
goldene Medaille für seinen Eifer bei der Bekämpfung der Cholera
im Jahre 1892 verliehen worden.
Unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Professor der Hygiene Dr.
üpfelmann in Bostock, hat den Titel eines Honorarprofessors der
dortigen Universität erhalten.
24*
364
Dem Provinzialschulrat Wendland in Hannover, dem Stadt-
schulrat Professor Dr. Bertram in Berlin und unserem verehrten
Mitarbeiter, Herrn Direktor des Realgymnasiums Dr. Ed. Schaum«
bürg in Krefeld, ist der Charakter als Geheimer Regierungsrat
▼erliehen worden.
Unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Gymnasialdirektor a. D.
Dr. Yogt in Kassel, wurde mit dem Kreuz der Ritter des König-
lichen Hausordens von Hohenzollern dekoriert.
Zu Ehrenvicepräsidenten der Abteilung für körperliche Erziehung
des pädagogischen Weltkongresses in Chicago sind von unseren Mit-
arbeitern ernannt worden die Herren: Professor Dr. Leo Bürgbrstkin
in Wien, Dr. med. F. A. Schmidt in Bonn und Universitätslehrer
Jaro Pawel in Wien ; der letztere erhielt zugleich die Aufforderung,
auf dem Kongresse einen Vortrag über „Revival of Greek
Gymnastics in Germanytt zu halten.
Unserem verehrten Mitarbeiter, Herrn Direktor der Albmus-
schule Ratdt in Lauenburg a. E., ist das Prädikat Professor bei-
gelegt worden.
Das Yicepräsidium des obersten Rates für den Öffentlichen Unter-
richt in Frankreich wurde Herrn Berthelot, das Sekretariat Herrn
Liard übertragen.
Der Regienmgs- und Schulrat Bodr in Magdeburg ist zum
Provinzialschulrat in Königsberg i. Pr., der Gymnasialdirektor Dr.
Hechelmann in Paderborn zum Provinzialschulrat in Münster
ernannt worden.
Dr. Cyrus Edson hat das Amt eines Gesundheitsinspektors
der Stadt New York erhalten.
Der Seminardirektor Dr. Waschow zu Rosenberg in Ober-
Schlesien wurde zum Regierungs- und Schulrat bei der Regierung in
Bromberg befördert.
Zum außerordentlichen Professor der Hygiene an der Universität
Krakau ist der Chef des städtischen hygienischen Laboratoriums in
Warschau, Odo Bujwid, ernannt worden.
Stabsarzt Dr. Kürth, Hilfsarbeiter beim Reichsgesundheitsamt
in Berlin, wird die Leitung des neu begründeten Staatslaboratoriums
für Bakteriologie in Bremen übernehmen.
Dr. Fournier, Hilfsarzt des Lyceums in Angonleme, ist an
Stelle des verstorbenen Dr. Machenaud zum Arzte dieser Anstalt
gewählt worden ; für Dr. Fournier wurde Dr. GlLSON zum Hilfe-
arzt ernannt.
Dr. Pasqüale hat sich an der medizinischen Fakultät in Neapel
als Privatdocent für Hygiene habilitiert.
Am 30. Juni d. J. feiert der Geheimrat und Professor der
365
Hygiene Dr. Max von Pettbnkofeb sein fünfzigjähriges Doktor-
Jubiläum.
Der Geheime Oberregierungsrat Bayer, vortragender Bat in
der 2. Abteilung für die Unterrichtsangelegenheiten des preufsischen
Kultusministeriums , ist wegen andauernder Kränklichkeit am
1. April d. J. in den Ruhestand getreten. Zu seiner Vertretung
wurde schon im vorigen Jahre der Provinzialschulrat und jetzige
Geheime Regierungsrat Vater aus Königsberg i. Pr. berufen.
Den 21. April starb in Abbazia im Alter von 77 Jahren Dr.
Ludwig Markusovszky, pensionierter Ministerialrat und Ehren-
professor der Budapester und Klausenburger Universität. Derselbe
war Referent für medizinische Angelegenheiten im ungarischen
Unterrichtsministerium und hat sich als solcher auch um die Schul-
hygiene Verdienste erworben.
In New York verschied Dr. E. H. Jones, Professor der
Hygiene am Woman's Medical College of the New York Infirmary.
Aus Blasewitz bei Dresden kommt die Nachricht von dem am
1. April im Alter von 81 Jahren erfolgten Ableben des „sächsischen
Turnvaters" Otto Leonhard Hrübnrr.
litteratur.
Besprechungen.
E. Hoffmann, Seminarlehrer in Rheydt. Lehrbuch der Sehul-
gesundheitspflege für Lehrer und Seminaristen. Langen-
salza, 1891. Hermann Beyer & Söhne. (VI. 118 S. 8°. M. 1,60,
gebd. M. 2,40.)
Dieses Büchlein ist ein populäres, fafslich und klar geschriebenes
Lehrbuch der Schulgesundheitspflege. Es behandelt in Kürze folgende
Kapitel :
I. Die Luft, deren Wichtigkeit für den Menschen; die An-
forderungen an die Atemluft, die Verschlechterung der Luft im
Schulzimmer und die Mittel, dieselbe im normalen Zustande zu
erhalten.
II. Das Licht, Beschaffenheit der Fenster und Anforderungen
an die Versorgung des Schulzimmers mit genügendem Licht; Pflege
und Schutz der Augen, Kurzsichtigkeit und deren Ursachen, Mafs-
uahmen der Schule zur Verhütung derselben.
III. Wärme, Erzeugung derselben im Organismus und Er-
haltung einer angemessenen Temperatur; zweckmäfsige Bekleidung.
366
IV. Reinlichkeit der Schulräume, der Schuleinrichtungen
und der Kinder.
Y. Die Schalbank und ihre Fehler, Beschaffenheit einer
guten Schulbank.
VI. Die äufsere Haltung der Schüler in der Schulstunde.
VII. Den Unterrichts betrieb, Stundenplan, Ruhepausen,
Hintanhaltung der Überbürdung.
VHI. Körperliche Strafen*
IX. Leibesübungen in ihrer Bedeutung für die Gesundheits-
pflege und
X. Gesundheitslehre als Unterrichtsstoff für die
Volksschule.
Wenn der Verfasser in der Vorrede sagt, dafs es ihm darauf
ankam, „in recht anschaulicher und ausführlicher Weise zu schildern,
wie sich das Walten und Wirken des Lehrers für die Schul-
gesundheitspflege in der Praxis zu gestalten hat", so ist ihm dies
völlig gelungen. Die hervorgehobenen Übelstände sind thatsächlich
aus dem Schulleben gegriffen, wie z. B. das Strafabschreiben, die
nachlässige Behandlung der Schultafel, der Schmutz an der Beschuhung
der Kinder, die schlechte Haltung der Schüler beim Schreiben u. s. w.
Die Benachteiligung der Gesundheit durch derartige beklagenswerte
Erscheinungen wird so sachgemäfs besprochen, dafs wir im Interesse
der Schuljugend die ernstliche Beherzigung dieser Unterweisungen
seitens der Lehrerschaft nicht blofs der Volks-, sondern auch der
höheren Schulen lebhaft wünschen.
Die Erklärung der Organe des menschlichen Körpers und der
physiologischen Vorgänge in denselben, ebenso die Darstellung der
hygienischen Erkenntnisse sind verständlich und korrekt von dem
Verfasser gegeben. Nur einige wenige Stellen finden sich in dem
Buche, bei welchen eine präcisere Fassung erwünscht erschiene.
Dahin gehört auf Seite 4 der Satz: „Der Brustkorb kann
durch Hebung und Senkung der Zwischenrippenmuskeln in seinem
Rauminhalt vergrößert und beschränkt werden."
Ferner auf Seite 14: „Die Forderungen gehen dahin, dafs die
Breite der Schulklasse höchstens der eineinhalbfachen Entfernung
des oberen Fensterrandes von unten (?) gleichkommen soll."
Weiter auf Seite 26: Es soll „verhütet" werden, „dafs
möglichst wenig Schmutz in die Schulräume hineingebracht werde".
Die Behauptung auf Seite 56, dafs beim Schreiben der Kopf
zuweilen so weit gesenkt werde, „dafs die Fläche der Stirne tiefer
zu liegen kommt, als das Kinn", möchten wir doch nicht für eine
auf thatsächliche Beobachtungen zurückzuführende halten.
Dafs die „gerade Medianlage des Heftes" ziemlich allgemein
367
„aufgegeben* sei (Seite 58), können wir nicht bestätigen ; im Gegen-
teil, sie wird mehr und mehr eingeführt.
Derlei kleine Mängel sollen jedoch den Wert des Baches nicht
schmälern; die Bemerkungen bezwecken nur, der Revision bei einer
neuen Auflage zu dienen.
So wünschen wir denn auch, daß dasselbe einen grofsen Leser-
kreis unter den Lehrern sich erwerbe und dazu beitrage, dafs
Jener didaktische Materialismus, der ein absolviertes, vielleicht nur
gedächtnismäCsig angeeignetes Stoffquantum zum Maisstabe der Arbeit
und des in der Schule aufgewendeten Fleifses des Lehrers macht",
immer seltener werde und einer tiefer angelegten pädagogischen
Thätigkeit weiche.
Zum Schlüsse bringt der Verfasser die wichtigsten Gebote der
Gesundheitspflege, wie sie die Hygienesektion des Berliner Lehrer-
vereins zusammengestellt hat, ferner als Anhang No. 1 „Erläute-
rungen zu fünf Entwarfen für einfache ländliche Schul-
gebäude" und als Anhang No. 2 „Anordnungen zur Verhütung
der Übertragung ansteckender Krankheiten durch die
Schulen".
Durch diese Zugaben hat der Inhalt des Buches gewifs eine für
Lehrer und Schulorgane sehr willkommene Bereicherung erfahren.
E. k. Ministerialrat im Unterrichtsministerium
Dr. phil. Matthias Ritter von Wrbtschko in Wien.
Dr. Hübbrt Wingbrath, Direktor an der Realschule bei St. Johann
in Strafeburg i. E. Kurzsichtigkeit und Schule. Berlin, 1890.
Friedberg & Mode (56 S. 8°) und Dr. Hübbrt Wingbrath.
Nochmals Kurzsichtigkeit und Schule. Berlin, 1893. Fried-
berg & Mode. (48 S. 8°.)
Wir freuen uns, wiederum über zwei kleine Broschüren berichten
so können, welche die für das Volkswohl so wichtige Frage von
dem Einflufs der Schule auf die Entstehung und das Wachstum der
Kurzsichtigkeit in gewandter und ansprechender Weise behandeln.
Sind wir auch nicht in der Lage, allen Behauptungen und Schlufs-
folgerungen des Verfassers beizustimmen, der sich bemüht, die Schule
von dem Vorwurf frei zu sprechen, der Ausbreitung der Kurz-
sichtigkeit Vorschub zu leisten, so räumen wir doch gerne ein,
dafe er auch die hygienische Seite der Frage berücksichtigt und
in der grofsen, ganze Bibliotheken füllenden Fachliteratur nicht nur
ungewöhnliche Kenntnisse entwickelt, sondern dieselben auch für
seine Zwecke zu gebrauchen versteht. Freilich ist der Autor, was
wir bedauern, um seinen Behauptungen Beweiskraft zu geben, über
ophthalmologisch wichtige Fragen an manchen Stellen zu gleichgültig
868
und cavali&rement hinweggegangen und hat seine wissenschaftlichen
Widersacher in oft nicht gerechtfertigter Weise zurückgewiesen.
Trotzdem können wir die beiden Schriftchen jedem, der sich für die
Materie interessiert, angelegentlich empfehlen, da sie ebenso warm
empfanden, wie klar nnd übersichtlich geschrieben sind.
In der ersten, sieben Kapitel umfassenden Broschüre weist der
Verfasser zunächst die von Cohn angeregten Befürchtungen zurück,
der vor allem die Schule mit ihren Einrichtungen für die grofee
Verbreitung der Eurzsichtigkeit verantwortlich macht. Dondbbs
hatte früher schon die Gefahren der Myopie sowohl für die Zukunft
des Einzelindividuums, wie für das allgemeine Volkswohl erkannt
Gestützt auf dessen Autorität hätte Cohn aber bei seinen Massen-
untersuchungen die angeborene, auf Verlängerung des Bulbus be-
ruhende Eurzsichtigkeit mit der zweiten Form zusammengeworfen,
bei welcher jene anatomische Veränderung fehle. Während die
entere in den meisten Fällen zur Erblindung führe, sei die letztere
als eine ungefährliche, oft sogar nützliche Nahearbeits-, beziehungs-
weise Anpassungsmyopie anzusehen, welche lediglich die Folge
unserer kulturellen Entwickelung bilde und, wenn letztere nicht in
Frage gestellt werden solle, mit in den Kauf genommen werden
müsse. Sie nehme in der Zeit der Entwickelung des Körpers, wo
zudem noch grofse Anforderungen an das Auge der Schüler gestellt
würden, zu, ohne jedoch jemals hohe Grade zu erreichen, und
werde, wie von Hippel nachgewiesen, mit dem 20. bis 25. Lebens-
jahre stationär.
Nachdem der Verfasser in dem dritten Kapitel auf die Mangel-
haftigkeit der bisherigen, die Kurzsichtigkeit der Schuljugend be-
treffenden Statistik hingewiesen, setzt er in dem vierten und fünften
Kapitel in durchaus beherzigenswerter und folgerichtiger Weise aus-
einander, wie Schule und Haus Hand in Hand gehen müssen, um
das heranwachsende Geschlecht bei seiner angestrengten, aber unum-
gänglich notwendigen Nahearbeit vor dem Überhandnehmen jener
Anpassungsmyopie zu bewahren.
Bevor man jedoch Mittel gegen sie vorschlage, müsse man die
Ursachen kennen, denen dieselbe ihre Entstehung verdanke, und so
führt der Autor im sechsten Kapitel die ZEHBNDERsche Dispositions-
lehre von der zarten und nachgiebigen Beschaffenheit der Umhüllungs-
membranen des Auges an. Besonders ausführlich aber geht er auf
die Ansicht Stillings ein, der dem vom oberen schiefen Augen*
muskel (Trochlearis) ausgeübten Muskeldruck die Hauptschuld beimiist:
je nach der Lage der Trochlea, durch welche die Trochlearissehne
hindurchgeht, und je nach der Höhe der Augenhöhle sei der Druck
des Muskels auf den Augapfel ein stärkerer oder schwächerer; die
369
Frage müsse deshalb als eine solche der Rasseneigentümlichkeit auf-
gefaßt und in erster Linie vom anthropologischen und ethnologischen
Standpunkte ans beantwortet werden. Der STiLLiNGschen Ansicht
schliefet sich der Verfasser an; er hat vollkommen recht, wenn er
behauptet, dafs dieselbe einleuchtend and auch für jeden Laien
fafelich sei — nur schade, dafs die Untersuchungen und Messungen
Sullinqs eine allgemeine Bestätigung und Anerkennung yon kom-
petenter Seite noch nicht haben finden können.
Sei nun diese auf Vererbung beruhende Rassendisposition einmal
vorhanden, so werde die Myopie auch bei den besten hygienischen
Einrichtungen von Schule und Haus eintreten müssen. Es bedürfe
deshalb, wie der Autor im siebenten Kapitel näher ausführt, nicht
des von Cohn so energisch geforderten und mit autoritativer Macht-
vollkommenheit ausgestatteten Schularztes, sondern die Angelegenheit
müsse vom rein pädagogischen Standpunkte aus behandelt werden.
Wingkrath fordert zunächst die Beibehaltung des Nachmittags^
Unterrichts und sodann Verminderung der schriftlichen Aufsätze mit
vollständiger Verwerfung der fremdländischen. Dagegen glaubt der-
selbe der Extemporalien als Pädagoge nicht entbehren zu können;
wie er es indessen anstellen will, um dieselben „des nervenaufregenden,
wildabhetzenden und gesundheitsgefährlichen Charakters zu ent-
kleiden", darüber bleibt er uns die Antwort schuldig.
Doch alles das seien nur Palliativ- und Verlegenheitsmittel; die
Hauptsache liege in einer vollständigen Umwälzung des höheren
Schulwesens, in der Aufhebung des Monopols der staatlichen Be-
rechtigungen für das humanistische Gymnasium und in der Forderung
der Gleichberechtigung der Realgymnasien mit den Gymnasien. Das
wäre also des Pudels Kern! Dadurch, dafs den humanistischen Gym-
nasien ihre bevorrechtigte Stellung genommen würde und man die
Realgymnasien sich gleichmäßig mit enteren entwickeln liefse, wären
die Eltern eher in der Lage, ihren weniger befähigten Söhnen die
geeignete Schule auszuwählen, die Klagen über Überbürdung der
Schüler würden verstummen, die Anforderungen an die Nahearbeit nach-
lassen und damit die Anpassungsmyopie sich verringern. Wir können
es uns nicht versagen, an den Herrn Verfasser die Frage zu richten,
ob er denn glaube, dafe die Beschäftigung mit den lateinischen und
griechischen Klassikern der Ausbreitung der Kurzsichtigkeit mehr
Vorschub leiste, als die mit den englischen und französischen Schrift-
Steuern?!
Über die zweite Broschüre desselben Autors können wir uns
kürzer fassen, da sie wesentlich neues nicht bringt, in ihrem ersten
Teile polemisierend gegen die Widersacher des Verfassers auftritt,
370
während sie in der zweiten Hälfte sich vorwiegend mit der auf
Vererbung beruhenden Anlage zur Myopie beschäftigt.
Da die unschädliche Anpassungsmyopie, wie bemerkt, lediglich
als ein Produkt der durch unsere kulturelle Entwicklung notwen-
digerweise gesteigerten Nahearbeit und der erblichen Disposition
angesehen werden muß, so glaubt der Verfasser nicht an einen
wesentlichen Einflute der noch so zweckmäßig konstruierten Sub-
sellien, hält nichts von der Einführung der Stenographie oder von
der Anwendung der Steil- an Stelle der Schrägschrift. Ob bei der
Nahearbeit mehr die Konvergenz oder die Accommodation, ob die
Sehnervenzerrung oder der Druck des Trochlearis nachteilig wirke,
will Autor seinerseits nicht entscheiden; für ihn ist indessen die
SrcLLiNGsche Theorie die plausibelste und verständlichste.
Die Disposition zur Myopie sei nun, wie Galbzowski, Mbykr,
Mauthner und Book nachgewiesen haben, in den bei weitem
meisten Fällen angeboren (70%); indessen herrsche bei den Autoren
auch Ober das Wesen der angeborenen Disposition noch nicht Einig-
keit. Verfasser selber acceptiert auch hierbei wieder die SxnxiNG-
schen Angaben, dafs nämlich bei einem Orbitalindex von < 85
Niedrigkeit der Augenhöhle (Chamäkonchie) und damit Anlage zur
Kurzsichtigkeit, bei einem Orbitalindex von > 85 Höhe der Augen-
höhle (Hypsikonchie) und damit Emmetropie oder Disposition zur
Hypermetropie bestehe. Weiss, Kirchner, Schmidt - Rimpler
u. a. fanden indessen bei weitem andere Werte als Stilling, und
vor allem wurde gegen die STiLLiNGsche Hypothese die Aniso-
metropie ins Feld geführt, bei der man dann ja verschiedene Indices
der Orbitae finden müsse, was aber von niemandem bisher konsta-
tiert worden ist. Mit grofsem Geschick und anerkennenswerter
Sachkenntnis verwendet dagegen der Verfasser die Befunde von
Bock, Cohbn, Romano, Seggbl, welche im ganzen Aber 6000
Messungen den 650 Messungen von Schmidt-Rimplkr gegenüber-
stellen, und welche die STiLLiNGschen Angaben über das Abhängig-
keitsverhältnis der Myopie von den Orbitalindices vollauf bestätigen.
Da nun die erbliche Anlage in mehr als 70% vorhanden, die
Nahearbeit, soll anders der Jugend ein gewisses Mab von Kenntnissen
und Bildung zu teil werden, nicht zu umgehen sei, so müsse letztere
auf einen möglichst niedrigen Umfang beschränkt werden, um die
Myopie nicht unverhältnismäßig zu steigern. Der Verfasser wieder-
holt daher, dafs die Frage nicht vom hygienischen, sondern vom
schulmännischen Standpunkte aus gelöst werden müsse, und verwirft
von neuem den von Cohn und anderen geforderten Schularzt,
während er demselben wohl eine beratende Stimme im Schulvorstande
zugesteht. Aufser den oben bereits formulierten, die Schulen der
371
realen Richtung betreffenden Wünschen erstrebt der Pädagoge daher
noch eine bessere sociale und materielle Stellang für die Lehrer:
nur wenn diese in der Lage wären, sich selber eine Familie zu
gründen, würden sie, als die berufenen Vertreter der Eltern, das
Interesse und die Liebe für die Schüler in sich wachsen sehen und
dadurch befähigt werden, ihr Augenmerk in hervorragender Weise
den leiblichen Bedürfnissen der ihnen anvertrauten Zöglinge zu widmen.
Es wird heutzutage selbst der eingefleischteste Freund huma-
nistischer Bildung nicht leugnen, dafs unsere höheren Schulen noch
in mancher Beziehung einer Reorganisation bedürfen, und niemand
wird es dem Pädagogen verargen, wenn er für eine Verbesserung
der materiellen Lage seiner Kollegen energisch eintritt. Wir müssen
aber auch andererseits mit aller Entschiedenheit fordern, dals bei
allen das körperliche Wohl der Jugend betreffenden Fragen der
Mediziner seine Stimme mit in die Wagschale lege und dafe der
Kontrolle der hier einschlägigen hygienischen Vorschriften durch
Arzte in erster Linie Rechnung getragen werde. Einer solchen
Kontrolle ist in dieser Zeitschrift schon so häufig und in so sach-
verständiger Weise Erwähnung gethan, dals wir es uns versagen
müssen, nochmals auf dieselbe näher einzugehen. Dagegen wollen
wir wiederholt betonen, dafs wir im Gegensatz zu dem Herrn Ver-
fasser diese Frage als eine fundamentale der Schulhygiene ansehen.
Augenar/t Dr. med. Alexander
in Aachen.
Böngärfi, Jlxos 6s K&rpXti, Bela. Ajs illöiräs [Johann
BOnqärfi und Bäla KXrpAti. Die St eil schritt]. Budapest,
1892. Robert Lampel. (212 S. 8°.)
Seitdem Dr. Gsapodi und Professor Dolunger die Steilschrift-
frage in Ungarn angeregt haben, beschäftigen sich die hygienischen
and insbesondere die pädagogischen Zeitschriften unseres Vaterlandes
mit derselben. Beinahe alle Verfasser der betreffenden Abhandlungen
sprechen sich für die obligatorische Einführung der senkrechten
Schrift in den Schulen aus.
Auch das vorliegende Buch tritt für dieselbe ein, und zwar
gelangen die Verfasser zu dem Schlüsse, dafs die Steilschrift viele
hygienische Vorteile in sich berge, deren Aufzählung die Leser
dieser Zeitschrift dem Referenten erlassen werden. Böngerfi und
KIrpIti erteilen Ratschläge für den Lehrer, der in der Dierckx-
flchen Schrift unterrichten will. Zugleich veranschaulichen sie durch
Zinkographien die Körperhaltung der Schüler sowohl während der
Steilschrift, als während der jetzt üblichen Schrägschrift. Diese
Illustrationen werden durch Schriftproben ergänzt.
372
Hervorheben müssen wir noch das anziehend geschriebene
Vorwort des Universit&tsprofessors Dr. Josef von Fodor.
Aufserdem enthält das Werk eine Abhandlung des bekannten
Vorkämpfers für die Steilschrift Dr. Paul Schubert in Nürnberg.
Das mit vieler Sachkenntnis geschriebene Buch wird zur Ver-
breitung der Steilschrift in Ungarn wesentlich beitragen.
Schularzt und Professor der Hygiene
Dr. med. Heinrich Schüschny in Budapest.
H. Rowland Wakefield, Science Demonstrator to the Swansea
School Board. An Elementary Textbook of Hygiene. Blacirie's
Science Textbooks. London, 1892. Blackie and Son. (212 S.
12°. Sh. 2.)
Das kleine Buch ist, wie wir aus der Vorrede erfahren, flür
den Unterricht der Schüler in der Hygiene bestimmt und entspricht
seinem Zwecke. Die Auswahl des Stoffes verrät pädagogisches
Geschick, und der Inhalt erscheint im allgemeinen korrekt, indem
nur einzelne unbedeutende Irrtümer vorkommen. Auch die Sprache
ist klar und bündig, und nur einige Male hat der Ausdruck unter
der Kürze gelitten; da jedoch das Lehrbuch durch die mündliche
Unterweisung ergänzt werden soll, so dürfte dieser Fehler nicht
besonders ins Gewicht fallen. Das nach englischer Art gut aus-
gestattete Werk kann also empfohlen werden.
L. Kotelmann.
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Bmieisens Lodrette skrift (Steäsknft). ForeWng fremstiUet i 1 hefte
med kort anvisning [Banielsens senkrechte Schrift (Steilschrift).
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<irtgtu<tt-;Ätil)a*Mttftgett.
Di« Myopiefrage mit besonderer Rücksicht auf die Schule.
Von
Dr. med. J. Stelling,
Professor der Augenheilkunde ap der Umvenit&t StraJsburg i. E.
I.
r, welcher die Bntwickelung
der KtLr^ohtigkeitsfrage in den loteten Jahren aufmerksam
▼erfolgt hat, durfte es sehineriioh entgangen sein, daü die von
mir aufgestellte Lehre von der flttfatahung der Myopie anftngt
dniehzudringen, soviel dieselbe aueh, wie dae immer bei einer
neien Lehre an geschehen pflegt, anfangs bekämpft worden ist
Nach dieser Lehre entsteht diejenige Form der Myopie,
welche man als Schullrarzsiohtigkeit zu bezeichnen pflegt, dureh
Wachstum unter Muskeldruek und ist nicht als eine krankhafte
Alteration, sondern als eine Fonnverä&derung unter abnormen
Verhältnissen aufzufassen. Die Entstehung dieser Art von
Myopie ist nicht bedingt durch die ungünstigen Verhältnisse,
«ntor denen in unseren Schulen Nahearbeit geleistet wird,
Madern durch die Nahearbeit an und für sich bei der Frttezistenn
tber besonderen Anlage zur Kurasichtigkeit. Diese letztere
nrafa im Knochenbau der Augenhöhle gesucht werden.
Die hauptsächlichste hygienische Schlußfolgerung, die aus
dieser Lehre zu ziehen ist, ist nioht etwa die, daß es über-
Steig sei, sich überhaupt um die Entwickelung der Myopie
Sehvlgtmnidheltipflege VI. 25
378
in den Schulen zu kümmern, sondern vielmehr die, den zu
erstrebenden hygienischen Mafsregeln einen festen, wissenschaftlich
begründeten Boden zu verschaffen. Es ist dies bisher nicht der
Fall gewesen, da man eingestandenermaßen vom eigentlichen
Wesen der Myopie nichts wulste und die bisher entwickelten
Theorien in der Kegel nichts anderes waren als allgemeine
Redewendungen, welche gewisse klinische Beobachtungen zum
Ausdrucke brachten. Dies gilt ganz besonders von der Accommo-
dations-, wie von der Konvergenzhypothese.
Von allen meinen Gegnern wulste anfänglich kein einziger
irgend etwas Nennenswertes gegen meine Lehre vorzubringen,
es mufste sogar ein jeder offen zugestehen, dals sie einfach
und leicht verständlich sei. Erst nachdem ich das Gesetz auf-
gestellt hatte, dals die Anlage zur Kurzsichtigkeit im allgemeinen
in der Chamäkonchie, dem niedrigen Augenhöhlenbau, zu suchen
sei, fand sich eine Anzahl von Autoren, welche die Wahrheit
der von mir behaupteten Thatsachen leugneten und damit
meinen eifrigsten Widersacher, meinen im übrigen hoch-
geschätzten Kollegen Professor H. Cohn, veranlagten, öffentlich
meine gänzliche Niederlage zu verkünden. Cohn dürfte aber
selbst nachgerade einsehen, dals er etwas zu früh triumphiert hat
Schmidt- Rimpleb, mein hauptsächlichster Gegner, fassend
auf einer Reihe von Kontrolluntersuchungen, leugnete schlechtweg
das von mir formulierte Gesetz, nach welchem die Myopie in
der Regel mit niedrigem, die Emmetropie mit hohem Bau der
Augenhöhle zusammen vorkommt.
Hierauf traten nacheinander Weiss und sein Schüler
Bär, Kirchner und zuletzt Rymsza1, ein Schüler Rählmanns
in Dorpat, gegen mich auf.
Diese Autoren befinden sich mir gegenüber in einer bereits
entschieden ungünstigen Lage. Sie fanden nämlich insgesamt
das Thatsächliche an dem von mir gefundenen Gesetze
bestätigt. Ihre Gegnerschaft ist demnach eine rein theoretische.
1 Vergleichende Untersuchungen über den Zusammenhang zwischen
den Befraktionszuständen des Auges und dem Schädelbau. Dorpat, 1892.
Inauguraldissertation.
379
Da sie mich nicht durch die Thatsaohe, die sie selbst haben
zugeben müssen, widerlegen können, so versuchen sie dies auf
dem Wege des Raisonnements. Dies letztere Mit jedoch
meist nicht sehr glücklich aus.
Ich habe an anderen Orten ausführlich die gegen mich
gerichteten Angriffe widerlegt. Daher will ich mich hier
darauf beschränken, nur an zwei umstände zu erinnern. Erstens
daran, dafe meine Gegner durchweg ein sehr schlecht gewähltes
anthropologisches Material benutzt haben, und zweitens, dafs
die von ihnen gefundenen Zahlenwerte auf das unzweideutigste
beweisen, dafe ihre Messungen unrichtig sind. Um so schwerer
feilt ins Gewicht, dafe dennoch das von mir an einem aus-
gesuchten anthropologischen Material gefundene Gesetz überall
auch in den Sohlufsresultaten meiner Gegner hervortritt, einzig
die von Schmidt-Rimpler ausgenommen.
Zwei andere Gregner, Fizia und Heknheiser, kann ich
einfach beiseite lassen, weil sie überhaupt keine bestimmten
Ergebnisse, in Zahlen ausgedrückt, mitgeteilt haben.
Inzwischen haben Seggel, RomanoCatania und Pflüger
groJae Reihen von Messungen angestellt, welche das Thatsächliche
des Gesetzes im ganzen Umfange mit anthropologisch richtigen
Durchschnittswerten bestätigen.
Von den drei letztgenannten Autoren steht Romano-Catania
vollständig auf dem Boden meiner ganzen Lehre, Seggel
und Pflüger geben die Richtigkeit derselben mit Einschränkungen
zu. Während jedoch Seggel in der Chamäkonchie nur ein sehr
häufiges und besonders prädisponierendes Moment der Myopie
erblickt, welches sich durch Erblichkeit göltend macht, sieht
Pflügbr schon den mächtigsten, wenngleich nicht den einzigen
Faktor' darin.
Überblickt man die Resultate der bisher angestellten
Angenhöhlenmessungen im ganzen, so hat sich, wenn ich meine
eigenen Messungen einschließlich der von 0. Cohen mit rund
5000 dazu zähle, bis jetzt an etwa 15000 Messungen das
Gesetz vom Zusammenhang der Refraktion mit dem Schädel-
nnd Augenhöhlenbau bestätigt. Rechnet man alle Messungen
26*
380
znsammen, bei denen flieh das Gesetz nieht bestätigt hat,
selbst die von Fizia und Hhrnheibbb, die ihre Resultate gar
nicht mit Ziffern belegt haben, sondern nur die Anzahl der über-
haupt gemachten Messungen mitteilen, eingeschlossen, so belaufen
sich diese noch nicht auf den dritten Teil der erstgenannten
Summe.
Die negativen Befunde beweisen zudem den positiven
gegenüber gar nichts. Denn, wie ich anderweitig auseinander-
gesetzt habe, kann und mufis es in Gegenden, in denen die
Myopie häufig ist, vorkommen, dals der gesetzmäßige Unter-
schied schwindet und das Resultat nur Vergleichswert beanspruchen
darf. Dies trifft besonders für Sohmidt-RimpIiEBs Material zu,
da im Frankfurter Gymnasium bereits in Sexta sich 83*/o Kurz-
sichtige fanden. Die Ergebnisse der von BAb und Kmcrarm
ausgeführten Messungen bekräftigen um so mehr die Gültigkeit
des Gesetzes von dem Zusammenhang dar Refraktion mit dem
Schädelbau, als ihr Material das denkbar schlechteste gewesen
ist, und beide Autoren den grofoen Fehler begangen haben,
wachsende Individuen bis in die untersten SohuHdassen zu
untersuchen. Auch das von Sboml verwandte Material ist
nieht einwandfrei, da es Mittelschüler und Soldaten, welche
nur Elementarsohulbildung hatten, in viel zu greiser Menge
umfafet. SneaBL hat indessen durch sorgfältige Differenzierung
diesen Fehler aussugleiehen gesucht. Ein wirklich brauchbares
Material haben aulber mir nur 0. Cohen, Romaito*Oat*»ia
und Pflüobr benutet.
Einen Anspruch aufrichtig ausgeführte Messungen,
die mit den anthropologisch feststehenden Grenzwerten
stimmen, haben nur Sbggbl und die drei zulettt ge-
nannten Autoren. Die meinigen mit eingerechnet,
belaufen sich diese Messungen aber bereits auf 10 000
bis 12 000. Dies ist — auch ohne die Messungen
von Bin, Kaohnbb u. s. w., welche doch zahlenmäßig rm&
widerspruchslos gezeigt haben, dafe im Durchschnitt die myopische
Augenhöhle niedriger ist als die emntetropisehe, — eine so
grofse Zahl, dass der Beweis der Richtigkeit des
381
formulierten Gesetzes zweifellos damit als erbracht
anzusehen ist.
n.
Die Streitfragen, die jetzt noch übrig bleiben, drehen sich
demnach nicht mehr um Thatsachen, sondern nur noch um
rein theoretische Dinge. Seggel und Pelüger machen mir
nftmlich übereinstimmend Einseitigkeit zum Vorwurf. Sie
erkennen zwar das Gesetz vom Zusammenhang zwischen Augen-
hfthlenbau und Myopie vollständig an und sehen in der Ohamä-
konchie der erste ein sehr häufiges, der zweite das mächtigste
prädisponierende Moment für die Entstehung der Kurzsichtigkeit,
allein sie sagen, ich erblicke in der Chamäkonchie und dem
davon abhängigen Verlaufe des oberen schrägen Augenmuskels
die einzige Ursache der Myopie und lasse die übrigen aufaer
acht. Diese seien aber zweifellos zu berücksichtigen, und
«war führen sie besonders die Accommodation, die Konvergenz
und die Insufficienz der inneren Augenmuskeln an. Ich muüs
dem Vorwurf, den mir meine geschätzten Facbgenossen machen,
hier einen anderen entgegensetzen, nämlich den, dafs sie meine
Schriften nicht so gründlich studiert haben, als dies für mich
ersprießlich gewesen wäre. Ich habe nämlich auf alle Momente,
die inBetracht kommen können, eingehend Rücksicht genommen
und anatomische Untersuchungen darüber ausgeführt. Ich darf
sogar kühn behaupten, dais diese Untersuchungen überhaupt
eist klargestellt haben, inwiefern die Konvergenz, die Accommo-
dation und die Insufficienz der inneren Augenmuskeln bei der
Entstehung der Myopie wirken, während man bisher ganz aulser
stände war, sich davon eine nur einigermaßen deutliche Vor-
stellung zu machen. Die klinische Erfahrung wies darauf hin,
dato jene Momente, deren wichtigste die Konvergenz und die
Accommodation sind, in Rechnung gezogen werden müssen.
Allein alle Versuche, auf diese Momente eine Theorie von
der Entstehung der Kurzsichtigkeit zu gründen, scheiterten an
unlösbaren Widersprüchen, und, wenn man von Konvergenztheorie
oder von Aooommodationstheorie spricht, so sind das im wesentlichen
nichts als blofse Worte.
382
Ich habe nun im Gegensatz zu den sogenannten Konvergenz-
theoretikern, zu denen in erster Linie Schmidt-Bjmplbr gehört,
wirklich anatomische Untersuchungen über den Einflufs der
Kontraktion der inneren Augenmuskeln angestellt. Dabei habe
ich ausfuhrlich gezeigt, wie sowohl bezüglich der Zerrung des
Sehnerven, als auch der Kompression des Augapfels die Wirkung
des ausschlaggebenden Muskels, des Obliquus superior, durch
die Kontraktionen des Bectus internus verstärkt wird und
wie namentlich die vorwiegende Erweiterung der temporalen
Bulbushälfte des kurzsichtigen Auges auf die Konvergenz
zurückzuführen ist.
Das Moment der Konvergenz ist also zwar ein unter-
geordnetes, welches erst durch das Hauptmoment, nämlich die
Wirkung des Obliquus superior, überhaupt zur Geltung kommen
kann, allein immerhin sehr wichtig und als solches von mir
in der eingehendsten Weise berücksichtigt worden. Während
die Konvergenztheorie durchaus auiser stände gewesen ist,
eine genügende Erläuterung darüber zu geben, inwiefern die
Konvergenz mit der Myopie etwas zu thun habe, wiewohl die
klinische Erfahrung doch darauf hinweist, bietet die hier
vertretene Anschauung die vollständige Erklärung dafür, dafe
die Konvergenz mit der aktiven Kontraktion des Internus und
der passiven des Externus eine Bolle spielen mufs, und
illustriert auch auf das befriedigendste die Art derselben.
An eine derartige Unterordnung der Konvergenz unter
das Hauptmoment, wie ich sie ausgeführt habe, haben meine
Gegner nicht gedacht. Selbst Seggel und Pflüger wollen
die beiden Momente allem Anscheine nach noch gesondert be-
trachtet wissen. Sie vergessen dabei den sehr einfachen
Umstand, dafs bei den Bewegungen des Auges, wie sie beim
Lesen und Schreiben stattfinden, immer alle Muskeln gleich-
zeitig thätig sind, wenn zum Teil auch nur durch passive
Spannung. DerBectus internus und derObliquus superior
wirken aber immer gleichzeitig durch aktive Spannung,
es ist daher unmöglich, die beiden Momente vonein-
ander zu trennen. Durch das Zusammenwirken und die
383
Abhängigkeit der Konvergenz oder vielmehr ihre Unterordnung
unter das Hauptmoment, den Obliquusdruck, ist aber auch der
Widerspruch gelöst, der auf klinischem Gebiete hervortritt.
Denn einerseits weisen die klinischen Beobachtungen auf einen
gewissen Einfluß der Konvergenz hin, andererseits hat sich
gezeigt, daJs gerade die Beschäftigungen, welche die Konvergenz
vorzugsweise in Anspruch nehmen, zur Entstehung der Kurz-
sichtigkeit nicht disponieren.
Auüser dem Druck der Interni sind auch die Externi
beschuldigt worden, zur Entwiokelung der Myopie beizutragen,
ohne daJs man jedoch eine genügende Erklärung für ihre
Wirkung zu geben vermochte. Ich selbst habe aber wiederum
gezeigt, in welcher Weise der Druck der Externi auf die
Verlängerung des Augapfels wirken mufs, wie ich auch den
noch übrigen Augenmuskeln genügend Rechnung getragen habe.
Soweit überhaupt die äusseren Augenmuskeln in Frage kommen
können, habe ich ihren Einflufs untersucht und ihren G-esamt-
drnck, den aktiven, sowie den passiven, untergeordnet unter
den Hauptfaktor, welcher die Richtung des Gesamtdruckes
bedingt, nämlich den Verlauf des Obliquus superior. Pflüger
sagt, die Ohamäkonchie sei das mächtigste Moment für die
Erzeugung der Kurzsichtigkeit, aber nicht das einzige. Seinem
eigenen Wortlaut nach müssen die anderen Momente also weniger
mächtig sein. Diesen Ausspruch unterschreibe ich vollkommen,
nur mit der näheren Erklärung, daJs die andern Momente, die
untergeordneten, allein mit und durch das Hauptmoment zur
Geltung kommen.
Die Konvergenz ist immer der am meisten betonte Faktor
sowohl vor als nach der Aufstellung meiner Theorie gewesen.
Man sieht, wie schliefslich durch mich im Gegensätze zu den
Konvergenztheoretikern, welche auüser den geraden inneren und
äulseren Augenmuskeln die übrigen, die doch gleichzeitig wirken,
vollständig auiser acht liefsen, eine wirklich genügende Er-
klärung des Einflusses der Konvergenz gegeben ist. Der
Widerspruch zwischen den klinischen Thatsachen
unter sich und den anatomischen, wie physio-
t i
884
logischen ist vollständig gehoben durch die Unter-
ordnung der Wirkung der Internus- und Externus-
kontraktion unter den Druck der Obliqui.
Das zweite Moment, welches nach Seggbl und Pflügbb
nächst der Konvergenz in Betracht kommt, ist die Accommodation,
von der dieselben glauben, dafs sie jedenfalls einen grofsen
Einflufs ausübe. Eine wirkliche Deutung dafür zu geben, wieso
durch die Accommodation eine Verlängerung des Auges im
myopischen Sinne entstehen könne, sind sie jedoch aufser
stände.
Die Accommodationstheorie als solche ist so ziemlich von
allen Augenärzten aufgegeben. Die klinische Erfahrung weist
aber immer darauf hin, dafe die Anpassung des Auges für
die Nähe doch eine Bolle spiele. Welcher Art aber diese
Rolle sei, dafür liegt in meiner Lehre eine sehr leichte und
befriedigende Erklärung. Wenn nämlich bei der Nahearbeit
zu stark accommodiert wird, so müssen die Augen dem fixierten
Objekte zu sehr angenähert werden, damit wachsen die
Exkursionen des Auges beim Sehen von oben nach
unten. Hierdurch nimmt aber der Muskeldruck,
insbesondere derjenige der Obliqui, jedoch auch der
derßectizu. Somit sind auch hier alle Widersprüche gelöst;
durch die Unterordnung der Accommodation unter den wichtigsten
Punkt, den Muskeldruck, ist eine direkte kausale Beziehung
zwischen den drei Momenten, Obliquusdruok, Konvergenz,
Accommodation, hergestellt. Dem berechtigten Anspruch
des Klinikers, welchem bisher die Anatomie und Physiologie
die notwendige Erklärung nicht liefern konnte, ist damit volle
Genüge gethan.
Seggel will die Insufficienz der inneren Augenmuskeln
als eine besondere Ursache bei der Entstehung der Kurz-
sichtigkeit angesehen wissen. Er fuJst dabei auf ganz richtigen
klinischen Beobachtungen. Nach den bekannten Gesetzen der
relativen Aocommodationsbreite reduciert sich die Wirkung der
Insufficienz der Interni auf die einer zu starken Accommodation
und damit wieder auf das Hauptmoment, den Muskeldruck.
385
Ich gestehe offen meine Verwunderung, dais man einen solchen
einfachen Zusammenhang nicht längst eingesehen hat.
Hornhautflecke beeinflussen ebenfalls, wie jeder Kliniker
weifs, das Zustandekommen von Myopie. Auf welche Art,
hegt am Tage. Sie bedingen eine zu starke Annäherung an
das fixierte Objekt und damit verstärkten Muskeldruok mit
oder ohne gleichzeitige vermehrte Aooommodation.
Einfache schlechte Kopf- und Körperhaltung wirkt, wie
leicht begreiflich ist, auf genau dieselbe Weise.
Pflüger rechnet auch Astigmatismus zu den Ursachen
der Myopie. Die Wirkungsweise dieses Refraktionsfehlers
würde sich genau ebenso bequem erklären, wie die der bisher
angeführten Momente. Ich kann jedoch Pflüger nicht bei-
stimmen, indem ich durch ophthalmometrische Untersuchungen
nachgewiesen zu haben glaube, dais der Astigmatismus Folge
des Muskeldruokes ist. Diese Differenz ist jedoch, wie man
sieht, für meine Lehre von keiner Bedeutung.
Die Sehnervenzerrung, einen angeblich weiteren Faktor,
welcher bei der Genese der Myopie in Betracht gezogen werden
kann, habe ich anatomisch sehr genau studiert und klargelegt.
Die durch den Zug des Obliquus, verstärkt durch gleich-
zeitige Internuskontraktion (Konvergenz), bewirkte Zerrung des
Sehnervenansatzes ist die Ursache der Gonusbildung.
Endlich hängt mit der Sichelbildung auoh der behinderte
Blutrückflufs zusammen. Auf letzteren weisen gewisse oph-
thalmoskopische Beobachtungen hin, welche auf Sehnerven-
Hyperämie sohlieisen lassen. Diese Dinge finden in meiner
Lehre eine leichte und vollständige Erklärung. Wenn ein
wachsendes Organ unter Muskeldruok und Muskelzerrung
deformiert wird, so ist damit die Gelegenheit zu gewissen,
insbesondere lokalen, Unregelmäßigkeiten in der Blutoirkulation
hinreichend gegeben.
Überblickt man alles Vorgebrachte, so erhellt, dais die
von mir aufgestellte Lehre von der Entstehung der Kurz-
sichtigkeit erstens alle klinischen und anatomischen Erscheinungen
vollständig erklärt, zweitens zwar als Hauptursache . den vom
386
Augenhöhlenbau abhängigen Verlauf des oberen schiefen Augen-
muskels statuiert, alle anderen überhaupt denkbaren und bis
jetzt von den Augenärzten als möglich hingestellten Ursachen
aber nicht nur berücksichtigt, sondern auch durch richtige
Unterordnung unter die Hauptursaohe in ihrer Wirkungsweise
verständlich macht.
Wenn man alle soeben aufgeführten Momente einfach
nebeneinanderstellen will, so erklärt ein einzelnes gar nichts,
und eine solche Nebeneinanderstellung verstöfst gegen das
Gesetz der Kausalität, denn wesentlich verschiedene Ursachen
können nicht ein und die nämliche Wirkung haben. Cohn
sagt: „Bei der Dehnung des Augapfels wirken vermutlich
Accommodationsmuskel, Konvergenz, Trochlearis, Kopf beugung
mit behindertem Blutrückfluis, Nervenzerrung und Erblichkeit
zusammen. u Er kann in meiner Lehre für diesen Ausspruch
den schönsten Beweis finden. Der Unterschied zwischen
unseren Anschauungen ist einzig der, da&CoHN, ohne irgend
einen Beweis zu liefern, diese sämtlichen Momente als gleich-
wertig ansieht und gar nicht zu erklären im stände ist, wie
dieselben denn wirken. Meine Lehre jedoch ordnet diese
Momente, auf anatomischen und physiologischen Gesetzen
faisend und alle klinischen Erfahrungen berücksichtigend,
einander ursächlich unter und erklärt jede Einzelwirkung im
Verhältnis zum Hauptmomente.
ni.
Alles, was ich bis hierher über die Kurzsichtigkeit gesagt
habe, bezog sich ausschliesslich auf die sogenannte Schulmyopie.
Ich betrachte, auf zahlreiche anatomische Untersuchungen
gestützt, diese Schulmyopie als eine durch Wachstum unter
Muskeldruck entstandene Formveränderung, als eine unschuldige
Deformation des Auges, die wohl Beschwerden verursachen,
auch die Sehschärfe gelegentlich durch Sehnervenzerrung etwas
beeinträchtigen kann, aber keinerlei wirklich krankhafte Ver-
änderungen bedingt und nach vollendetem Körperwachstum
nicht weiter fortschreitet. Diese Form entsteht ausschließlich
387
infolge anhaltender Nahearbeit, speeiell des Lesens und Schreibens,
nnter den Bedingungen, die im vorhergehenden besprochen
worden sind.
Unabhängig von diesen Bedingungen und unabhängig von
der Nahearbeit und der Schule treten nun Fälle von Kurz-
sichtigkeit auf, welche zweifellos auf einer schweren Krankheit,
auf einer pathologischen Dehnung des Auges, beruhen. loh
selbst in Übereinstimmung mit Tscherning, v. Hippel, Landolt
und anderen sehe in dieser Art von Myopie eine ganz besondere
Form, welche mit der durch die Nahearbeit entstandenen Kurz-
sichtigkeit gar nichts gemein hat. Cohn, Schmtdt-Rimpler
und andere dagegen wollen von einer solchen Trennung in
verschiedene Formen noch immer nichts wissen, auch Seggel
wehrt sich soviel als möglich dagegen, und Pflüger, der nach
einem vermittelnden Standpunkte sucht, möchte ebenfalls Über-
gangsformen zwischen der Schulmyopie und der deletären
Myopie statuiert sehen.
Der Unterschied^ welcher in ätiologischer, anatomischer
und klinischer Hinsicht zwischen der gewöhnlichen Schulmyopie
und der hochgradigen deletären Kurzsichtigkeit besteht, ist ein
so aufserordentlicher, und die gemeinsamen Merkmale sind so
gering und so wenig hervortretend, dafe der Versuch, diese
beiden Formen von einer einzigen Ursache abhängig zu machen
und als eine einzige Krankheit in verschiedenen Stadien der
Ausbildung zu betrachten, notwendig mißglücken muis. Das
einzig Positive, welches die ophthalmologischen Schulhygieniker
zu gunsten ihrer Ansicht anführen können, sind gewisse Ähn-
lichkeiten des schwach kurzsichtigen und des hochgradig kurz-
sichtigen Auges, nämlich die Kurzsichtigkeit selbst und die
Siehelform des Conus. Allein diese Argumentation läuft auf
nichts anderes hinaus, als wenn man die Behauptung aufstellen
wollte, dab Schnupfen und Typhus im Grunde dieselbe Krank-
heit seien und es zwischen beiden Übergangsformen gebe, weil
bei beiden Affektionen Fieber und Katarrh vorkommt.
Es ist statistisch nachgewiesen, dafs die hochgradige Myopie
«ich völlig unabhängig von dem Einflüsse der Nahearbeit ent-
388
wickelt; sie mufs also eine andere Ursache haben als die
Schulmyopie. Die Sohulhygieniker aber sagen, es fänden sich
auch unter den der Nahearbeit unterworfenen Augen solche
hochgradig myopischen, und solange der Beweis nicht geliefert
sei, dais die eine Form nie in die andere übergehe, könne
man auch von der Schulmyopie nicht behaupten, dais sie keine
Krankheit sei, dais nicht unter dem Einflüsse der Nahearbeit
auch die hochgradige Myopie sich zu entwickeln vermöge.
Diese ganze Argumentation steht auf sehr schwachen
Füisen. Unter den mit Nahearbeit viel beschäftigten Schülern
finden sich natürlich auch einzelne hochgradige Myopen, allein
die Thatsache, dais diese durch alle Klassen zerstreut sind,
sowie die statistisch festgestellte, dais die hochgradige Myopie
sehr häufig gerade bei Individuen vorkommt, die niemals
anstrengende Nahearbeit geleistet haben, beweist, dais dies
Zusammentreffen ein rein zufälliges ist. Die obige Behauptung
ist ausserdem eine affirmative und kann nicht dadurch begründet
werden, dais man den Beweis des Gegenteils verlangt, denn
„affirmanti inoumbit probatio". Die anatomische Untersuchung
hat bis jetzt keine Übergangsformen ergeben, im Gegenteil
weisen ihre Resultate mit Bestimmtheit darauf hin, dais es
keine geben kann, was auch sehr genau zu den klinischen und
den ätiologischen Daten stimmt. Es ist daher äusserst un-
logisch, wenn Cohn trotzdem zur Bekräftigung seiner Be-
hauptung verlangt, man solle ihm das Gegenteil beweisen,
anstatt selbst den Beweis für die von ihm vertretene Ansicht
zu liefern. Letzteres könnte, wenn überhaupt, nur auf ana-
tomischem Wege geschehen. Es ist aber auffällig, dais dieser
von Cohn und seinen Anhängern nicht betreten worden ist.
Die Theorie des Wachstums unter Muskeldruck erklärt
nur die Entstehung der Schulkurzsiohtigkeit, nicht die der
hochgradigen Myopie, welche nachgewiesenermaßen nicht die-
selbe Ursache besitzen kann, weil sie der Hauptsache nach
gerade bei Individuen beobachtet wird, welche keinerlei Schul-
arbeit zu leisten haben. Während nun das Wachstum unter
Muskeldruck sämtliche Erscheinungen der Schulmyopie in
38»
befriedigender Weise deutet, tritt für die hochgradige Myopie
die gebieterische Notwendigkeit auf, ein anderes ätiologisches
Moment zu suchen. Die Sohulhygieniker, welche Anhinger
Co BKS sind, verneinen dies, sie wollen durch den Einflois der
Nahearbeit alles erklären. Über das Wie? schweigen sie freilich
gründlich. Sie bewegen sich lediglich auf dialektischem Gebiet :
Man soll nicht einseitig sein, es gibt nicht eine einzige, sondern
viele Ursachen, welche Myopie erzengen können; dann existiert
aber wieder nur eine einzige Form der Myopie in verschiedenen
Graden der Entwiokelung und nur eine einaige gemeinschaft-
liche Uraaohe, die Nahearbeit unter ungunstigen Verhältnissen.
Mir scheint es ein starker Verstofa gegen das Kausalitätsgesetz,
fiir zwei ganz getrennte Erscheinungen eine einzige Ursache
und dann wieder für eine einzige Erscheinung wesentlich ver-
schiedene Ursachen statuieren zu wollen. Unseren Beobach-
tungen entsprechend und den Gesetzen unseres Verstandes,
nach denen doch für uns überhaupt nur Forschung möglich
ist, folgend, müssen wir vessohiedene Erscheinungen, als
Wirkungen aufgefafet, auch verschiedenen Ursachen unterordnen.
In Bezug auf die eine Erscheinung, die Schulmyopie, sind wir
ganz logisch auf eine bestimmte Ursache gestoben, in Bezug
auf die andere, die hochgradige Myopie, mufs naturgemaJs nach
einer anderen gesucht werden.
Von all den Faktoren, welche bisher von den Ophthal*
■wiegen als bei der Genese der Myopie möglicherweise
wudosam in Betracht gezogen und welche sämtlich oben be-
sprechen worden sind, kann nicht ein einziger auch nur mit
einiger Wahrscheinlichkeit für die Entstehung dieser schweren
Form herangezogen werden; sie sind vielmehr nur auf die
Aifedtskuraeichtigkeit zu beziehen. Die von einigen Antonen
immer noch festgehaltene gegenteilige Ansicht steht in einem
su offenbaren Widerspruch mit allen anatomischen und physio-
logischen Thatsachen, vor allem mit dereinen, dab diedeletttm
Myopie schon entweder angeboren, oder, was so ziemlich
dasselbe ist, bereits in früher Kindheit vorkommt. Wie aber
eine solche ernste Erkrankung, eine pathologische Dehnung,
390
eine Augen Wassersucht sich während der ersten Kinderjahre
infolge von Muskeldruok, Aocommodationsthätigkeit oder ge-
hindertem Blutrückflufs aus dem Auge heim Nahesehen oder
gar während der Fötalzeit entwickeln könne, ist nimmermehr
zu erklären. Für ein derartiges schweres Leiden mufs viel-
mehr auch eine entsprechend schwer wirkende Ursache vor-
handen sein.
Ich glaube nun, dafe es gar nicht so schwierig ist, wenn
ich alle Beobachtungen, welche andere Autoren, sowie ich selbst
in dieser Beziehung gemacht habe, unter einen einheitlichen Ge-
sichtspunkt bringe, dieser Ursache auf die Spur zu kommen.
Meiner Überzeugung nach ist die deletäre Myopie
unter diejenigen krankhaften Organentartungen zu
rechnen, welche an Individuen zum Vorschein
kommen, die aus Verwandtenehen stammen, sie ist,
kurz gesagt, ein Produkt der Inzucht. Eine derartige
Ansicht ist, soviel mir bekannt, noch nirgends formell aus-
gesprochen worden und wird zunächst unter meinen Fachgenossen
natürlich auffallen. Dies soll mich jedoch nicht hindern, meine
Gründe aufzuführen.
Die deletäre Myopie ist zunächst häufig in Verbindung
mit Kretinismus konstatiert worden. Ausführliche Beobach-
tungen hierüber hat Dr. Kerschbaumer l mitgeteilt, welche die
gebührende Berücksichtigung, wie mir scheint, bisher nicht ge-
funden haben. Nach seinen Erfahrungen finden sich im
Herzogtum Salzburg auf tausend Einwohner zwei bis drei Fälle
von angeborener Myopie. In dieser Gegend ist ferner nach
demselben Autor die hochgradige Myopie häufig mit Retinitis
pigmentosa kompliziert, und die Bezirke, aus denen derartige
Kranke stammen, zeichnen sich „insgesamt dadurch aus, dafe
bei mitunter nicht unbeträchtlicher Auswanderung die Ein-
wanderung in dieselben fast oder gleich Null ist und dafs
deren Einwohner mit Kropf, Taubstummheit und Kretinismus
schwer belastet erscheinen."
1 Die Blinden des Herzogtums Sahburg u. 8. w. Wiesbaden, 1886,
S. 49-60.
391
Mir ist ferner durch mündliche Mitteilungen von Professor
Rbtmond in Turin bekannt, da& in einem savoyischen Gebirgs-
thale in der Nähe von Ohambäry eine kretinenhafte Be-
völkerung existiert, die zugleich fast ohne Ausnahme hoch-
gradig myopisch ist.
Die Komplikation der hochgradigen Myopie mit Retinitis
pigmentosa bei sonst wohlgebildeten Individuen ist auch von
Magnus und Wider1 festgestellt worden.
Nun sind Taubstummheit, Kretinismus, Retinitis pig-
mentosa Gebrechen, welche ohne Zweifel auf Inzucht in ver-
schiedenem Grade zurückzuführen sind. Mir scheint daher der
Schlafe sehr naheliegend, dafe auch die mit diesem Gebrechen
sogleich vorkommende hochgradige Myopie denselben gemein-
schaftlichen Ursprung habe. Ja noch mehr, dafs Mifsbildungen
des Auges, z. B. Kolobom der Iris, Mikrophthalmus, Folgen
von Inzucht sind, weife jeder Tierarzt.
Taubstummheit und Kretinismus kann man als die
schlimmsten Folgen der Inzucht ansehen, welche am häufigsten
in kleinen Seitengebirgsthälern anzutreffen sind, wo die Be-
völkerung eine äuiserst geringe ist und keine Einwanderung,
welche frisches Blut zuführt, stattfindet. Trifft man nun diese
beiden degenerativen Zustände mit deletärer Myopie verbunden
an, so liegt die Vermutung nahe, dals die letztere ebenfalls
der Inzucht ihre Entstehung, verdanke. Ja, es wird dies selbst
dann der Fall sein, wenn die hochgradige Kurzsichtigkeit nur
mit Retinitis pigmentosa kompliziert ist oder auch ohne die-
selbe häufig vorkommt. Dafs sie für sich allein ohne weitere
schlimme Komplikationen auftritt, könnte sehr wohl darauf zu
beziehen sein, daft sie in Provinzen häufig sich findet, in
denen, weil die Bevölkerung eine zahlreichere ist, die Inzucht
nicht so intensiv betrieben wird, wie in engen, abgelegenen
Gebirgsthälern mit einer minimalen, stagnierenden Bevölkerung.
Für die Wahrscheinlichkeit dieser Erklärung lassen sich
1 Vgl. auch Kebschbaumbr a. a. 0.
892
die nachstehenden Beobachtungen anfahren. Säggel 1 macht die
Bemerkung, dals die hochgradige Myopie mit ausgedehnten
Veränderungen des Augenhintergrundes, also die deletäie Form,
in den Familien der hohen bayerischen Aristokratie häufig sei.
Ich glaube, dals dies den Einflufe der Inzuoht beweist, welche
unter dem hohen Adel mit allen schlimmen Folgen an der
Tagesordnung ist
Ferner ist mir durch die mundliehe Mitteilung eines be-
freundeten Kollegen, Dr. H. v. Hofmakk in Baden-Baden,
folgende hierher gehörige interessante Thatsaehe bekannt ge-
worden. In der Gegend von Baden-Baien liegt ein Dorf mit
protestantischer Bevölkerung, das rings von Ortschaften mit
katholischer Einwohnerschaft umgeben ist. Wegen der
JUligions Verschiedenheit finden in diesem Dorfe seit
Jahrhunderten Familienheiraten häufig statt, und
gerade in demselben ist die deletftre Myopie auf-
fallend häufig.
Letzteres gilt auch vom Elsafe; hier stellt die angeborene
hochgradige Kurwohtigkeit wenigstens twti Prosent sämtlicher
Augenkrankheiten. Dagegen ist unter der eleawsohen Be-
völkerung die Sohulkurssiohtigkeit gegen andere deutsche
Provinzen eine gans auffallend geringe. Es liegt in diesem Ver-
hältnis wieder ein sehr deutlicher Beweis dafür, dals die beiden
Formen gar nichts mit einander au thun und eine gana ver-
schiedene Dmaehe haben. Die auffallende Häufigkeit
der deletären Form dürfte aber wiederum mit des
sahlreiohen Familien hei raten im Elsafs zusammen-
hangen.
1 Gräfes Archiv f. Ophthal, XXXVI, 2, S. 26. Seggel meint,
ophthalmoskopisch die hochgradige angeborene Myopie von der erworbenen
dadurch unterscheiden zu können, dals bei Jener die Papilla optica schief
gestellt sei» bei dieser nicht Dies SahiefgestaUtsein der Papille beweist
indessen nichts, als dals die temporale Hälfte des Auges stärker ausgedehnt
ist als die nasale. Ich habe aber anatomisch nachgewiesen, dafs
bei der deletären Form derlfyopie sowohl das eine, wie das
andere vorkommt, während bei der nicht krankhaften Form
stets die temporale Hälfte die gedehntere sein mufs.
393
Es ißt anzunehmen, dafe die Vererbung einen groben
Einfluß ausübt, und zwar indem nicht, wie bei der Schul-
myopie, nur die Disposition, sondern der organische Fehler
selbst, einmal durch Inzucht hervorgebracht, sich vom Vater
oder der Mutter weiter überträgt, selbst wenn die Kinder in
der folgenden Generation keine Verwandtenehen mehr ein-
gehen.
Wie dem aber auch sein mag, ob diese Ansicht sich be-
wahrheite oder nicht, so gehört die bösartige Myopie in
das Gebiet der Volkshygiene und nicht in das der
Schulhygiene. Auch ist denkbar, dafs hiereinmal der Staat
durch Gesetze, welche die Verwandtenheiraten einschränken,
durch volkswirtschaftliche Maisregeln, welche den Verkehr
mehr und mehr erschliefsen und damit die Inzucht bekämpfen,
wirksam eingreift und dafs auf solche Weise ein wirklich
furchtbares Übel, welches nicht etwa, wie die unschuldigere
Schulmyopie, im wesentlichen nur die höheren Stände trifft,
sondern gerade mehr auf den niederen Volksklassen lastet, all-
mählich ausgerottet wird.
Es gibt aufoer diesen beiden Hauptformen von Myopie
noch andere Abarten, welche senilen Veränderungen ihre Ent-
stehung Verdanken. Ich habe am geeigneten Orte darauf hin-
gewiesen. Mit der Schul- oder Volhshygiene haben diese
Formen nichts zu schaffen, sie besitzen lediglich ärztliches,
speoiell pathologisches Interesse.
Die hier vorgetragene Lehre stellt daher eine ganze Reihe
verschiedener Formen von Kurzsiohtigkeit auf, von denen jede
ihre besondere Ursache hat, ist deshalb weit entfernt davon,
einseitig zu sein.
Trotzdem wehren sich die Gegner derselben und selbst
Sboöbl und Pflüger noch lebhaft dagegen. Teils neigen sie
dahin, eine einzige Form mit verschiedenen Ursachen an-
zunehmen, teils dahin, zwischen den extremen Fällen zahl-
reiche Übergangsformen zu statuieren.
Ich kann auch nioht einmal die Existenz von Übergangs-
formen zugeben. Alle anatomischen, physiologischen, klinischen
SehidgwondheltipfUg« VI. 26
394
Thatsachen weisen so unzweifelhaft auf das Vorhandensein
verschiedener Formen der Kurzsichtigkeit mit verschiedenen
Ursachen hin, dals die Meinung, es gehe Übergänge zwischen
der Schulmyopie und der delet&ren Myopie, mit den positiven
Befunden nicht vereinbar ist. Es gibt nur Mischformen, und
diese habe ich anatomisch nachweisen können.1
Sbgoel fuhrt zur Begründung seiner Ansicht, dab es
dennoch Übergangsformen gebe, eine Anzahl ophthalmoskopischer
Befunde an.
Sie sind richtig und sorgfältig ausgeführt, lassen sich aber
ohne Mühe dahin deuten, dals Sbgobl es mit Augen zu thun
hatte, die der zweiten, der bösartigen Form angehörten, bei
denen jedoch die krankhafte Entartung keinen sehr hohen
Grad erreicht hatte. Die klinische Erfahrung zeigt oft genug,
dals auch solche Augen sich lange halten; die bösartige Myopie
führt in sehr vielen Fällen zur Erblindung, allein nicht in
allen; ein guter Prozentsatz hält sich immerhin bis in ein
vorgerücktes Alter, und jeder beschäftigte Augenarzt hat in
solchen Fällen mehr als einmal mit gutem Erfolge die Operation
des grauen Stars ausgeführt.
Um es also noch einmal kurz zu wiederholen* so nimmt
die hier verteidigte Lehre eine Anzahl verschiedener Formen
von Myopie an mit wesentlich verschiedenen Ursachen ohne
Übergangsformen. Die Auffassung meiner Gegner statuiert
dagegen bald eine einzige Form mit verschiedenen Ursachen,
bald verschiedene Formen mit einer einzigen Ursache. Als
letztere wird die Nahearbeit angesehen, bei der aber wieder
mehrere Faktoren in gleicher Weise wirken. Ich habe jedoch,
wie ich glaube, gezeigt, dals diese Faktoren nur in Unterordnung
unter den einen Hauptfaktor thätig sind, dals die Wirkung aller
1 Diese Mischform zeigt sich an hochgradig kurzsichtigen kranken
Augen, welche unter dem Ein Auf s des Muskeldrucks die myopische Form
erhalten haben, während andere derartige Augen zwar in allen Durch-
messern vergröfsert sind, allein nicht die Form des myopischen, sondern
die des hypermetropischen zeigen.
395
dieser Faktoren sieh allein auf die eine Form der Kurzsichtig-
keit, auf die Schulmyopie, bezieht, dafs für die anderen Formen,
wie die Erscheinung derselben wesentlich verschieden ist, auch
ganz andere Ursachen angenommen werden müssen.
Im Grunde genommen, sind die noch bestehenden Diffe-
renzen gar nicht mehr so sehr groJs. Es ist allgemein, auch
von Schmidt-Bjmplbb, zugegeben, dafs der größte Teil der
Myopien einen bestimmten Grad nicht überschreitet, dals die
Arbeitskurzsichtigkeit in der Segel unschädlich ist und nur
ein kleiner Prozentsatz yon damit behafteten Schülern wirklich
krankhafte hochgradige Veränderungen der Augen erwirbt. Es
wird ferner neuerdings zugestanden, dafs die Chamäkonchie als
des mächtigste ätiologische Moment der Kurzsichtigkeit an-
zusehen ist.
Mir scheint demnach, dals selbst für die fanatischsten augen-
ärztlichen Schulhygieniker gar kein zureichender Grund vor-
handen ist, meine Lehre so energisch zu bekämpfen. Im Interesse
der Schulhygiene dürfte dies ganz und gar nicht liegen. H. 0 oh n
könnte meiner Meinung nach sich die Ergebnisse meiner Unter-
suchung ganz in seinem Sinne zu nutze machen. Er brauchte
nur etwa folgendes zu sagen: „Wenn die neueren Unter-
suchungen richtig sind, so würden wir, was bis jetzt nicht
der Fall gewesen ist, über das Wesen der Arbeitsmyopie
klarere Vorstellungen uns machen können. Es handelt sich
dabei zwar nicht um eine eigentliche Krankheit, wohl aber
um die Deformation unseres edelsten Organes unter Muskel-
zerrung und Muskeldruck bei der Nahearbeit. Wir würden
dann auch über die Bedingungen mehr im klaren sein, unter
denen diese schädlichen Einflüsse sich geltend machen. Damit
wäre die Möglichkeit einer rationellen Bekämpfung der Schul-
kurzsichtigkeit erheblich näher gerückt, Ärzte wie Päda-
gogen hätten es leichter, die Mittel zu ihrer Verringerung
aufzusuchen und zu allgemeiner Anwendung zu bringen.
Was aber vollends die schlimmen Formen der Myopie
angeht, so ist es eine der wichtigsten Aufgaben der Volks-
hygiene, ihren Ursachen nachzuspüren, in der angegebenen
26*
396
Richtung ausführliche Statistiken anzustellen und dann auf
entsprechende staatliche Maisnahmen zu dringen. In erster
Linie wäre hier festzustellen, ob nicht, wie es den Anschein hat,
die hochgradige Myopie mit Kretinismus und demnach mit
Inzucht in Zusammenhang steht."
loh für meinen Teil könnte ein solches Programm, ohne
mit irgend einem meiner Sätze in Widerspruch zu geraten,
unterzeichnen. Jedoch würde ich hinzufügen, dafis man sich
dem Kampfe gegen die Schulmyopie ohne übertriebene
Ängstlichkeit, die durchaus ungerechtfertigt ist,
widmen und seine Erwartungen nicht zu hoch
spanne n möge. Diese Art von Myopie läJst sich beschränken,
aber nicht aus der Welt schaffen.
Weiteres über hygienische Untersuchungen in einer Anzahl
höherer Schulen Norwegens.1
Von
M. K. HJLkonson-Hansbn,
Lehrer der Naturwissenschaften in Drontheim.*
Nachdem der Storthing die nötigen Mittel bewilligt hatte,
wurde, der Königlichen Resolution vom 3. September 1890
entsprechend, eine Kommission zur Revision der Bestimmungen
über das höhere Schulwesen eingesetzt. Diese Kommission
bestand aus den Herren Expeditionschef D. F. Knttdsen als Vor-
sitzendem, Professor Dr. theol. A. Chb. Bang, Schuldirektor
O. E. Holck, Rektor C. W. Ludw. Hörn, Oberlehrer H.
1 Vgl. diese Zeitschrift, 1892, No. 4, S. 180.
* Nach dem Norwegischen bearbeitet von Oberrealschalprofessor
Dr. Leo Buroebstbiv in Wien.
397
Horst, Rektor E. Schreiner, Professor Dr. med. E. Schönberg
und Schulleiter P. Voss.
Der vorläufige „Entwurf einer geänderten Verordnung be-
züglich des höheren Schulwesens" liegt nun vor und weist die
Thatsache auf, dals auch die in Norwegen beabsichtigte Beform
des höheren Unterrichts nicht ohne Rücksicht auf eine ver-
besserte Gesundheitspflege in den Knabenschulen geplant werden
konnte. Die Kommission bemerkt diesbezüglich unter anderem :
In dem Departementsvortrag wird darüber geklagt, dals die
Schüler der höheren Lehranstalten durch die viele Sitzarbeit,
welche von ihnen verlangt wird, in ihrer normalen Entwickelung
gehemmt werden, und demgemäß gefordert, dafs die Schule
durch entsprechende körperliche Übung direkt für das leibliche
Wohl ihrer Zöglinge sorge. In dieser Hinsicht hat die Kom-
mission Aufklärung auf Grund der vorgenommenen Unter-
suchungen zu gewinnen gesucht. Volle Sicherheit dafür, dafs
die Bestimmungen über die Gesundheitspflege in den Schulen
durchgeführt werden, würde man erst durch eine staatliche
hygienische Beaufsichtigung der letzteren erhalten. Die
ärztlichen Kommissionsmitglieder sind der Ansicht, dals
eine solche Aufsicht durch Schulärzte gesetzlich einzuführen
sei, wobei deren Aufgaben aufgezählt werden ; diese Schulärzte
sollen, wie die Lehrer, angestellt und bezahlt werden. Die
Kommission schlofs sich diesen Vorschlägen an und sprach
die Hoffnung aus, dafs man auf diese Weise über den gesund-
heitsschädlichen Einflute der Schule ins Reine kommen werde,
ebenso wie über die Forderungen, welche dieselbe an die
Arbeitskraft der Kinder stellen dürfe.
Durch die vorgeschlagene Lehrstoffverteilung wird die
Schularbeit der natürlichen Entwickelung der Kinder besser
angepafst. Ebenso werden Änderungen bezüglich der leicht
mit Überbürdung verknüpften Prüfungen empfohlen.
Der Unterricht soll auf den Vormittag beschränkt werden,
wobei die Schulzeit für alle Fächer, die Fertigkeiten ein-
geschlossen, 6 aufeinanderfolgende Stunden nicht überschreiten
darf, die erste zu 55 Minuten, die übrigen zu je 45 Minuten.
398
Zwischen je 2 aufeinanderfolgenden Lektionen werden 5, 10,
20, 10, 10, zusammen 55 Minuten, freigegeben. Die ganze
Unterrichtszeit beträgt also 5 Stunden 30 Minuten. Von dieser
Zeit wird an jedem Vormittag eine Schulstunde zu Turnen
oder Handfertigkeit verwendet, auf den höheren Stufen zu
Gesang für die am Singen teilnehmenden Schüler. Die Kom-
mission denkt sich den Unterricht um 8,30 oder 9 Uhr früh
beginnend und um 2 Uhr oder etwas später sohlielsend. Die
naheliegenden Gründe für diese Normalzeiteinteilung werden
angeführt.
Die von Amts wegen während der letzten Jahre in ver-
schiedenen Schulen angeordneten Versuche, dasselbe Lehrziel
bei verkürzter Sohulzeit zu erreichen, haben gelehrt, dafe der
Verlust an Zeit durch die größere Kraft und lebendigere Teil-
nahme der Sohüler eingebracht werden könne.
Turnen und Spiel sollen täglich und möglichst in freier
Luft betrieben werden. Auch der Slöjd wird, wenn passende
Vorkehrungen dafür getroffen sind, zur gesunden Entwickelung
beitragen. Bezüglich der sogenannten „militärischen Übungen"
möge das Fechten gepflegt, sowie vorbereitendes Schiefoen
vorgenommen werden.
Nach eingehenderer Besprechung der Slöjdfrage kommt die
Kommission zu dem Schlüsse, Holzslöjd als obligatorisches Fach
in sämtliche Klassen der Mittelschulen aufzunehmen, und zwar
mit 3 Wochenstunden in der ersten bis dritten, mit 2 Wochen-
stunden in der vierten Klasse. Derart kämen auf Tarnen, Spiel
und Slöjd in jeder Klasse 6 Stunden die Woche oder 1 den
Tag. Sollte bei den Knaben das Interesse für Handarbeit
weiter anhalten, so kann man dieselbe im Gymnasium fort-
setzen. In der Mittelschule verspricht die Übung der Hand-
fertigkeit dem Anwachsen des „gebildeten Proletariates" ent-
gegenzuarbeiten. Der Unterricht im Slöjd soll mit einer
Prüfung am Ende der Mittelschule abschließen.
Es fingt sich nun, ob die physische Widerstandskraft der
Mädchen dieselbe sei, wie die der Knaben, oder ob man bei
der Bestimmung der täglichen Schulzeit und der Länge der
399
Korse eine bestimmte Rücksicht auf das Geschlecht nehmen
müsse. Jedenfalls scheinen die Mädchen, soweit sich die
Kommission hierüber orientieren konnte, in gewissen Jahren
weniger kräftig zu sein als die Knaben. Es wird diesbezüglich
hingewiesen auf das „Gutachten über Schwedens höhere
Mädchenschulen, abgegeben am 19. Januar 1888 von
dem eingesetzten Komitee."1 Übrigens meint die Kom-
mission, dafc hier eine anders geartete hygienische Erziehung
eine grolse Veränderung herbeiführen werde. Wie jedoch die
Dinge jetzt stehen, möchte sie sich nicht dafür erklären, dafs
man den Mädchen dieselbe Arbeitsleistung, wie den Knaben,
auferlege. Namentlich ist sie für Erleichterungen in den Töchter-
schulen während der Pubertätszeit, jedoch in der Form, dafis
die Entwickelung des Pflichtgefühls hierbei nicht Schaden leide.
Gleichzeitig soll bezüglich der Kleidung und Lebensweise der
Schülerinnen ein kräftiger Appell an das Elternhaus gerichtet
werden. Die Unterrichtsdauer, welche bei den Knaben
5Va Stunden ausmacht, darf bei den Mädchen nur 5 Stunden
betragen, worin auch die Zeit für Pausen und körperliche
Übungen schon eingerechnet ist.
Die Kommission gelangt schließlich zu dem Resultate,
daft selbständige Untersuchungen anzustellen wären. Diese
werden nach folgendem Schema, für jedes Kind eins, vor-
genommen. Auf einem Fragebogen steht aufsen vorne:
Name geboren den 18 . .
Klasse Schule
Innen sind umstehende Fragen gestellt.
Über die specielle Durchführung dieser Untersuchungen
schreibt der Kultusminister an den Rektor der Kathedralschule
zn Christiania in Anlehnung an einen im 1)Morgenblatta vom
12. Dezember 1891 durch den Adjunkten der Kathedralschule,
K. Lassen, veröffentlichten Aufruf folgendes:
„Das Verständnis der Bedeutung normaler physischer Aus-
bildung für die psychische Entwickelung ist so durchgedrungen,
1 S. diese Zeitschrift, 1889, No. 12, 8. 635-650.
l"*
400
■
2. Sohnlhalbjahr 1891
1. Schalhalbjahr 1892
Durchschnittliche tägliche
Schulzeit, einschliefslich
Gesang, Tarnen und Pausen
Wieviel Stunden wöchentlich
Gesang und Turnen?
Gesamtdauer der Pausen
pro Tag
Im Durchschnitt täglich für
die Schule zu Hause
verwendete Arbeitszeit
Unterricht
aufser der
Schule
in welchem
Fache?
wieviel Stunden
wöchentlich ?
Unterm cht
am • . Dezember
1891
am . . Mai
1892
am . . Auguit
1892
Länge des Bandes in cm
Gewicht des Kindes in g
Ist das Kind gesund?
° ta
5S
1. Skrofeln
4m
2. Blutmangel, Bleichsucht
"3 0
3. Nervosität, Nervenleiden
«•8
-«0
4. häufigerem Kopfschmerz
5. häufigerem Nasenbluten
• **
— •
a"
1"°
St
6. Verdauungsstörungen,
chronischen Leiden des
Verdauungsapparates
7. einem chronischen
Brustleiden
Hat das 1
oder leid
8. Bückgratsverkrümmung
9. anderen chronischen
Krankheiten
In welchem Alter stellte sich
die Menstruation das erste Mal
ein ? Wie ist dieselbe verlaufen?
Wie
nisc
sow<
verhält si
heBeschaffei
sit sie das Sc
it, mittelmäf
ch die hygie
iheit der Schule,
hulkind betrifft
sig, schlecht)?
\
\
ll
401
Aufsen rückwärts enthält der Bogen die nachstehenden Fragen
des Vaters
der Mutter
Waren die Eltern immer
gesund und kraftig? Waren sie
sohwächlich, von schlechter
Gesundheit?
LebeoMtelloag
Hat jemand von den Eltern
an einer der unter 1—9 oben
angeführten oder einer anderen
ernsten Krankheit gelitten und,
wenn ja, wann?
War das Schulkind, bevor es
zur Schule ging, gesund und
Toll entwickelt, oder schwäch-
lich, zart, kränkelnd?
Hat das Schulkind an Masern,
Keuchhusten, Scharlach, Diph-
therie oder einer anderen In-
fektionskrankheit gelitten und
wann? Falls das Kmd an einer
solchen Krankheit zur Zeit des
Schulbesuchs litt, hat es die
Ansteckung in der Schule be-
kommen ?
Hat das Schulkind eine andere
ernste oder langwierige Krank-
heit überstanden, ehe es zur
Schule kam, und, wenn ja, wann ?
Wie ist die hygienische Be-
schaffenheit des E 1 1 e r n h a u s e s,
soweit sie das Kind betrifft
(gut, mittelmäßig, schlecht)?
Ist anzunehmen, dafs der unter
1—9 genannte Kränklichkeits-
zustand des Schulkindes in Ver-
bindung steht mit dem Kränk-
Uchkeitszustand der Eltern bzw.
einem früheren Kränklichkeits-
zustand des Schulkindes, oder
kann angenommen werden, dafs
Haus oder Schule daran Schuld
tragen?
am .... 189 . .
Alter
Arzt.
402
dals man nirgends eine Revision des modernen Sohulplanes
vornimmt, ohne sich auf Untersuchungen über den Einflute
des Schullebens und der Schularbeit auf den Gesundheits-
zustand der Schüler zu stützen. Wenn man hier nicht
ohne weiteres die in anderen Ländern angestellten Unter-
suchungen zu Grunde legte, so hat dies seinen Grund in den
besonderen klimatischen und hygienischen Zuständen bei uns
und in der Kritik, welche die früheren Arbeiten erfahren haben,
weshalb man zum Teil neue Wege betrat. Wem die Schuld
an der Kränklichkeit der Schuljugend zuzuweisen sei, war
z. B. nicht erwiesen. Die Kommission hat daher diese Auf-
gabe einbezogen, obwohl es fraglich ist, ob dieselbe gelöst
werden kann. Sie wendet den Ursachen der Leidenszustände
ihr Augenmerk zu und meint, sich auf eine begrenzte Anzahl
von Schulen und innerhalb derselben auf bestimmte Klassen
(Schulbesucher von 12 — 16 Jahren) beschränken zu müssen.
Zugleich ist sie der Ansiebt, dals die bezüglichen Unter-
suchungen von Ärzten auszuführen sind, die vom Departement
bestellt und aus der Staatskasse besoldet werden.
In den über den Fragebogen gehaltenen Konferenzen wurde
namentlich von den Ärzten darauf hingewiesen, dafs die Fragen,
betreffend das Elternhaus, schwerlich befriedigend beantwortet
werden dürften, und dals, wenn dies auch in einzelnen Fällen
eintreten sollte, die erhaltene Auskunft dooh von geringer Be-
deutung sein würde. Man meinte indessen, dafs, obgleich sich die
bezüglichen Angaben nicht abzwingen beißen, sie doch zu
haben sein würden, falls die Öffentlichkeit gehörig über die
Angelegenheit aufgeklärt wäre, bei welcher Schule und Haus
in gleich hohem Grade interessiert sind. Es wurde ferner das
Zugeständnis gemacht, dals die Fragen auf Wunsch der Eltern
auch vom Hausarzte beantwortet werden könnten.
Die Schemata sollen weder Lehrern noch Schülern Mühe
machen; diese haben blofe die Fragen über Schularbeitszeit,
Pausen u. dgl. zu erledigen. Die ganze Untersuchung ist
wesentlich eine ärztliche. Der Schule wird zu der Beant-
wortung ausgiebig Zeit gelassen. Für den Lehier ist es oft
403
wichtig, die Umstände zu kennen, unter welchen ein Schul-
kind su Hause arbeitet. Die bezüglichen persönlichen Ver-
hältnisse dürfen natürlich nicht in die Öffentlichkeit gebracht
werden. Die Längen- und Gewichtsfeststellung durch den
Arzt wird allerdings eine Unterbrechung im Unterrichte herbei-
fahren, allein man weife aus Erfahrung, wie gering diese ist.
Die ganze körperliche Untersuchung hat an einer Mädchen-
schule erfahrungsgemftfs durchschnittlich 10 Minuten pro Kind
in Anspruch genommen ; für Knaben wird eine noch kürzere
Zeit als notwendig erachtet. Die Mitteilungen über den Gesund-
heitszustand der Eltern liegen ganz außerhalb der Sphäre der
8chule.
Christiania, den 14. Dezember 1891.
(Gez.) Wexelsen.
(Gez.) D. P. Knudsen."
aus DerfamntlttitQett tttib Vereinen*
Die wissenschaftlich-industrielle Ausstellung in Kasan.
Gegenstände aus dem Gebiete der Schulhygiene
und der körperlichen Erziehung.
Bericht,
yerlesen in der „Gesellschaft zur Wahrung der Volksgesundheit".
Von
Wirklichem Staatsrat Dr. med. Alexander von Wirenius,
Arzt des Wedenskischen klassischen Gymnasiums
und Direktor des Kinderasyls der Grofafüratin Alexandra Nicolaewska
in St. Petersburg.
(Fortsetzung.)
Einen Specialisten der Schulhygiene mußte naturgemäfs
besonders die Frage interessieren, wie die Schule sich beim
Unterrichte im Lesen, Schreiben und den anderen Fächern
404
zu den Forderungen der Gesundheitslehre verhält. In der
beachtenswerten Schrift von W. Ljüstrizky: „Geschichte der
ältesten Vorbereitungsanstalt in Kasan* (1888) wird der ver-
schiedenen Bücher und Leitfäden Erwähnung gethan, welche
in der im Jahre 1806 eröffneten jAGODiNSchen Schule in
Gebrauch waren, und unter ihnen auch ein Werk von
Dbgbrando angeführt : „Normaücurs für Anfänger im Lehrfach
oder Hüfsbuch zur physischen und sittlichen Erziehung der
Jugend, herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften
im Jahre 183 8U. In diesem Werke finden sich sehr richtige
Ideen in Bezug auf die Wahrung der Gesundheit der Schul-
kinder entwickelt. Unter anderem erhält der Lehrer den Bat,
darauf zu achten, daJß die Kinder in allem Ordnung beobachten
und sich daran gewöhnen, Gesicht und Hände zu waschen,
ihre Kleider sauber zu halten und alles, was ihrer Gesundheit
nachteilig sein könnte, zu vermeiden. An denselben wird ferner
die Anforderung gestellt, soviel als möglich dem Bedürfnis
des kindlichen Organismus nach Bewegung und Ausbildung
der Muskeln Genüge zu leisten ; nach den Worten des Autors
würde die Schule einem Grabe gleichen, wenn die Lehrer mit
allen Mitteln dahin streben wollten, die Schüler zu einer an-
dauernden Unbeweglichkeit zu zwingen. Die Unterrichts-
personen mülsten darauf achten, dafs die Kinder sich gerade
hielten, nicht gebückt oder schief säfsen und während der
Erholungspausen in Reih und Glied verschiedene Freiübungen
ausführten. Die Sorge für die körperliche Ausbildung der
Zöglinge, die Übung ihrer Sinnesorgane, besonders ihres Ge-
sichts und Gehörs, und das Beibringen einiger hygienischer
Regeln gehöre ebenfalls zu den Pflichten des Lehrers.
Es sind also bereits 50 Jahre seit jener Zeit verflossen,
wo die Pädagogen anfingen, Gesetze zur Wahrung der Gesund-
heit der lernenden Jugend aufzustellen, und zwar sind diese
Gesetze derart, dafs auch gegenwärtig jeder Erzieher, dem das
Wohl seiner Pflegebefohlenen am Herzen liegt, sie ohne Zögern
anerkennen wird.
Noch in unseren Tagen ist der Streit über den päda-
405
gogischen Nutzen des Unterrichtes im Singen und Zeichnen
nicht entschieden, und dennoch schreibt bereits der oben-
erwähnte Degeeando: „Das Zeichnen bietet den Kindern
durchaus keine einseitige Beschäftigung dar; es ist eine all-
gemeine Übung, die alle Fähigkeiten beansprucht, und unent-
behrlich für die Bildung des Auges. Für ein Kind, das
aufmerksam zu beobachten versteht, ist jeder Gegenstand be-
lehrend, und jedes Ding entwickelt allmählich seinen Verstand."
„Was ferner das Singen anbetrifft, so gibt es den Lungen
Bewegung und stärkt die Brust des Kindes, folglich gehört
der Gesangunterricht zur physischen Erziehung. u Wie das alles
einfach und verständlich klingt!
Dennoch war bis jetzt der Unterricht im Zeichnen sogar in
den mittleren Lehranstalten bei uns nicht obligatorisch, und
Singstunden wurden nur im Verlaufe einiger Schuljahre erteilt.
Gegenwärtig jedoch sind Singen und Zeichnen überall in das
Programm der Elementarschulen aufgenommen, und allmählich
beginnt man auch die Handarbeit in dieselben einzuführen.
Davon konnte man sich an den zahlreich ausgestellten Arbeiten
der Elementarschüler von Kasan und anderer nahe gelegener
Gouvernements überzeugen. Allerdings hat, den Exponaten
nach zu urteilen, der Zeichnenunterricht, wie in den meisten
Lehranstalten, so auch hier verschiedene hygienische Mängel
aufzuweisen. Trotzdem aber macht sich ein gewisser Fort-
schritt im ganzen bemerkbar, in Einzelheiten erkennt man
sogar schon ein vollständig rationelles Vorgehen. So sieht man
zuweilen bereits das Bestreben, sich aus den Fesseln der
Routine zu befreien, das für die Augen so schädliche Quadrat-
netz wegzulassen oder wenigstens den Malsstab desselben zu
veigröfsern, endlich sich ganz dem Zeichnen nach der Natur
zuzuwenden.
Was den Unterricht im Schreiben anbetrifft, so waren auf
diesem Gebiete zahlreiche Arbeiten von Zöglingen der Elementar-
schulen ausgestellt. Man darf nicht vergessen, dafs die Schrift
frage noch nicht völlig gelöst ist, dafs noch entgegengesetzte An-
sichten von den Fachmännern, die sich speoiell damit beschäftigt
406
haben, verfochten werden. Auf der Kasansohen Ausstellung
waren fast alle Hefte der Schüler mit schräger Handschrift
geschrieben, nnd nnr sehr wenige zeigten senkrechte Schrift-
züge oder hielten die Mitte zwischen schrägen nnd senkrechten.
Man kann daher annehmen, dais in den dortigen Schulen die
Schrägschrift geübt wird mit allen Eigentümlichkeiten dieser
Schriftart in Bezug auf Körperhaltung des Schülers und das
Halten der Feder. Wir müssen übrigens bemerken, dafs in
den Lehranstalten bis jetzt noch keine festen Regeln für das
Schönschreiben aufgestellt sind und dais fast jeder Lehrer der
Kalligraphie seine eigene Methode in Anwendung bringt. In
dieser Beziehung wundern wir uns, dais die Herren Pädagogen,
da ja alle Kinder der Welt gleichen Körperbau haben, nicht
die Notwendigkeit einsehen, für sämtliche Schulen dieselben
Schreibregein einzuführen, anstatt diese so wichtige An-
gelegenheit dem Gutdünken eines jeden beliebigen Schreib-
lehrers zu überlassen. Zu bedauern ist auch, dais man beim
Unterrichte im Schreiben mehr auf schöne Handschrift, als
auf Schnelligkeit und Bequemlichkeit der Ausführung sieht,
dais man also die wesentlichen Forderungen der im Leben so
nötigen Schnellschrift verkennt. Schließlich spielt das Quadrat-
netz selbst hier noch eine grolse Bolle, und man ist schon
zufrieden, wenn einige Lehrer ein gröberes Netz zulassen, sei
es auch nur für die ersten Unterrichtsjahre.
(Schlaf» in No. 9.)
Zur Oeschlechtertrennung in den Primarschulen
vom hygienischen Standpunkte.
Verhandlungen des* medizinisch -pharmaceuti sehen Bezirks-
vereins Bern.
In der dritten Sitzung des abgelaufenen Wintersemesters
behandelte der medizinisch-pharmaceutische Bezirksverein Bern nach
dem „Korrspdebl. f. Schweiß. Aret" die Frage der Geschlechter-
trennung in den Primarschulen unter besonderer Rücksichtnahme
auf die Gesundheitspflege.
407
Das einleitende Referat hatte Dr. Ost übernommen. Weder
die erweiterte Kommission der kantonalen ärztlichen Gesellschaft,
noch die stadtbernische Sanitätskommission, so fahrte derselbe ans,
hat das Princip der Geschlechtermischong, wie es in § 20 des neuesten
Entwurfes des Primarschnlgesetzes aasgesprochen ist, irgendwie bean-
standet Sehen wir ans ferner nm in den Üblichen Lehrbüchern
über Schulgesundheitspflege, so finden wir nirgends eine Angabe,
welche die Trennung der Geschlechter ans sanitären Gründen
befürwortet. Wir dürfen daher wohl annehmen, dafs für diese Frage
der gesundheitliche Gesichtspunkt nicht ma&gebend ist und kaum in
Betracht fällt. Ebensowenig sind die gegen die Geschlechter-
mischung erhobenen pädagogischen und moralischen Bedenken
begründet. Im Gegenteil übt die Vereinigung von Knaben und Mädchen
in den Primarschulen sowohl in erziehlicher Beziehung, wie nament-
lich bezüglich der normalen Entwickelung des Charakters einen
wohltbätigen Einflute auf die Schuljugend aus.
Professor Gisabd1 konstatierte, dafs in betreff dieser Angelegen-
heit in den verschiedenen Ländern sehr verschiedene Normen gelten.
Der mehr katholische Süden Europas trennt die Geschlechter scharf,
der mehr protestantische Norden weniger. England und Nord-
amerika wiederum kennen gar keine Trennung. In Deutschland
gibt es sowohl Befürworter, wie Gegner derselben. Vom rein
hygienischen Standpunkte, mit dem wir es hier in erster Linie zu
thun haben, ließen sich als mögliche Gefahren annehmen, dafs in
gemischten Schulen das Schamgefühl der Mädchen durch die Roheit
der Knaben leiden könnte, dafs sie z. B. sich genieren würden zur
rechten Zeit hinauszugehen, dafs ferner auf die etwaige Alteration
des Nervensystems während der Periode nicht Rücksicht ge-
nommen werden könnte, wie bei getrennten Klassen, dafs endlich
direkt unsittliche Handlungen unter Schulkindern beiderlei Geschlechtes
vorkommen könnten. Es ist aber zu entgegnen, dafs Knaben und
Mädchen außerhalb der Schule doch vielfach, und zwar bei mangel-
hafter oder ganz fehlender Überwachung, zusammen sind, dafs sie
von dort etwaige schlechte Sitten mitbringen, dafs dagegen die
Schule, wo die Aufsicht eine gute ist, für solche Sitten nicht ver-
antwortlich gemacht werden darf. Fälle gröberer UnsitÜichkeit
zwischen Schulkindern sind dem Redner nicht bekannt. Vom rein
hygienischen Standpunkte aus lassen sich im allgemeinen keine
erheblichen Gründe für oder wider gemischte Schulen anführen.
Will man pädagogische Rücksichten in Betracht ziehen, so spricht
vieles für eine Geschlechtertrennung von einer gewissen Stufe an,
die je nach lokalen Verhältnissen zu bestimmen wäre.
1 Unser Mitarbeiter. D. Red.
408
Professor Strasser ist auf dem Lande in gemischter Schule
aufgewachsen und hält diese für Landverhältnisse für entschieden
vorteilhafter, oh auch für Stadtverhältnisse, ist ihm fraglich. Da
kommen ja die Mädchen schon während der letzten Schuljahre in
die Menstruationszeit und hahen dabei oft den Rat einer Lehrerin
nötig. Es dürfte also wenigstens eine Geschlechtertrennung vom
14. Jahre an am Platze sein.
Auch Dr. Schmed hat eine gemischte Schule durchlaufen und
nachher als Arzt in paritätischer Gegend viele Jahre hindurch
sowohl gemischte Schulen bei den Protestanten, als auch solche mit
Geschlechtertrennung bei den Katholiken genau kennen und beur-
teilen gelernt. Seine Erfahrungen sprechen entschieden zu Gunsten
der gemischten Schule. Auch betrafen die zwei einzigen Fälle von
Gravidität schulpflichtiger Mädchen, die ihm zur Kenntnis gekommen,
solche der getrennten Schule. Für die ersten Schuljahre tritt er
somit entschieden für Vereinigung der Geschlechter ein. Es ist auch
direkt ein Vorteil, wenn die Mädchen frühe lernen, falsche über-
triebene Schamhaftigkeit abzulegen.
Ebenso erklärt Dr. Dumont nach seinen mehljährigen Er-
fahrungen als Mitglied einer Primarschulkommission, dafs hygienisch
nichts gegen die Mischung der Geschlechter einzuwenden sei.
Dieselbe Ansicht vertritt Dr. Dubois.
Die Verbreitung der ägyptischen Augenkrankheit
in den Dorfschulen Livlands.
Aus einem Vortrage,
gehalten auf dem IV. livländischen Arztetage.
Dr. Axel Oehrn hat vor einiger Zeit auf dem IV. livländi-
schen Ärztetage in Wenden einen Vortrag „Zur Trachom Statistik
in Li vi and" gehalten, dem das „Centrbl. f. prakt. Aughücde.*
unter anderem folgendes entnimmt:
Es wurden 190 Schulen in 35 Kirchspielen und 2 Städten,
Fellin und Pernau, mit 11 310 Schülern im Alter von 8 — 18 Jahren
untersucht. Die meisten Kinder, nämlich 2303, entfallen auf den
Walkschen Kreis, weiter folgen Dorpat mit 2160, Wenden mit 1738,
Werro mit 1447, Wolmar mit 1285, Fellin mit 951, Riga mit
812 und Pernau mit 614 Kindern. Von diesen wurde bei 1996,
also 17,6°/o, ägyptische Augenkrankheit (Trachom) konstatiert.
Fassen wir die Verteilung dieser Zahlen auf die einzelnen Kreise
ins Auge, so weist der Rigasche Kreis den geringsten Prozentsatz
auf, nämlich nur 3,6%. Daran schliefst sich Pernau mit 5,0%,
Wolmar mit 8,7%, Wenden mit 16,2%, Walk mit 19,5%, Werro
409
Bit 23,0%, Dorpat mit 23,6% und Fellin mit 25,7%. ösel ist
nicht berücksichtigt , weil es dort keinen einzigen Landarzt gibt.
Nach Ausführung einiger Korrekturen, die Dr. Oehen moti-
viert, erhält man nachstehende Reihe fftr die Häufigkeit des Trachoms
in den livländischen Dorfschulen: Riga 3,6%, Wenden 6,09%,
Weimar 8,7%, Walk 19,6%, Werro 23,0%, Dorpat 23,6%,
FeDin 25,7%.
Entsprechend früheren Erfahrungen zeigt sich ein deutlicher
Unterschied zwischen dem südlichen lettischen und dem nördlichen
ethnischen Teile Livlands. In ersterem erwiesen sich 11,4% der
utersuchten Schulkinder trachomkrank, in letzterem 23,8%, also
■ehr als doppelt soviel. Die Verbreitung des Trachoms nimmt
von Süden nach Norden gleichmäßig zu, nur der Walkschc Kreis
zeigt gegenüber dem Wolmarschen einen starken Sprung von 8,7%
auf 19,5%.
Dieser unterschied zwischen dem esthnischen und dem lettischen
Livland findet bis zu einem gewissen Grade in kulturellen und
eoädökonemisdhen Differenzen seine Erklärung. Sowohl in Bezug
auf Bildung als auf Wohlhabenheit sind die Letten den Esthen ent-
schieden Toraus: die Wohnungen sind hygienisch besser, das Be-
dürfnis nach ärztlicher Hilfe ist allgemeiner, die Mittel, sich die-
selbe zu verschaffen, sind reichlicher — alles Umstände, die auf eine
Verringerung der ägyptischen Augenkrankheit gewifs Einflute ausüben.
Andererseits mögen zur Erklärung dieses Unterschiedes auch die
namentlich von Adelmann betonten Verschiedenheiten im anatomi-
schen Bau der Augenhöhlen bei Letten und Esthen beitragen.
Von den 11310 untersuchten Kindern waren 6337 Knaben
und 4973 Mädchen, davon trachomkrank 1118 Knaben und
878 Mädchen, also je 17,6%. Während demnach unter der Schul-
hevö&erung sich beide Geschlechter ganz gleichmäßig ergriffen zeigten,
ist für Erwachsene sowohl von froheren Untersuchern, als auch von
Obhbn ein ganz beträchtlicher Unterschied zu Ungunsten des weib-
lichen Geschlechts gefunden worden. Es dürfte dies auf der ver-
schiedenen Lebensweise und Beschäftigung der Geschlechter beruhen,
welche im schulpflichtigen Alter noch nicht zur Geltung kommen.
Esther hat allerdings auch für das jugendliche Alter einen Unter-
schied nachweisen können, doch erscheint derselbe zu gering —
60% gegen 64% — , um als ausreichender Gegenbeweis gelten zu
können.
Von Dr. Obhrn ist dann weiter die Trachomfrequenz für die
einzelnen Lebensjahre vom 8. bis zum 18. berechnet worden. Mit
13% im 8. Jahre beginnend, steigt dieselbe ziemlich regelmäßig
an, um im 13. und 14. Jahre mit 19,5% und 19,8% das Maximum
SchalfwnndhelUpflege VI. 27
410
zu erreichen und dann wieder mit geringen Schwankungen abzu-
nehmen. Ganz analoge Verhältnisse hat Reyhbr gefunden.
Die Kurve für die Knaben allein hat im allgemeinen denselben
Verlauf, nur ist das Maximum auf das 14. und 15. Lebensjahr ver-
schoben.
Ganz unregelm&fsig verläuft sie bei den Mädchen. Das Maximum
fällt hier auf das 10. Lebensjahr, drei erhebliche Steigerungen auf
das 13., 16. und 18. Jahr.
Weiter hat Dr. Obhbn zu ermitteln gesucht, wie viele der
untersuchten Kinder Komplikationen von seiten der Hornhaut auf-
wiesen, und es stellte sich heraus, dafs das bei 3,3% aller an
Trachom Erkrankten der Fall war, fflr dieses jugendliche Alter
gewife eine hohe Zahl. Auch hier zeigte sich ein deutlicher Unter-
schied zwischen dem esthnischen und dem lettischen Livland. In
ersterem hatten 4,8% Hornhauterkrankungen, in letzterem dagegen
nur 1,62%. In drei lettischen Kreisen, Riga, Wenden und Walk,
wurden überhaupt keine Hornhautaffektionen gefunden, während die-
selben in allen esthnischen Kreisen vorhanden waren. Wie zu erwarten
stand, steigt die Anzahl der Hornhauterkrankungen mit zunehmendem
Alter von etwa 2% im 8. bis auf 9% im 18. Lebensjahre. Beide
Geschlechter zeigen in dieser Beziehung ein ganz gleiches Ver-
halten.
VII. Hauptversammlung
des deutschen Vereins für Rnabenhandarbeit.
Am 26. Mai d. J. wurde zu Leipzig im Saale des Vereins
für Volkswohl die VII. Hauptversammlung des deutschen Vereins Air
Knabenhandarbeit von dem Vorsitzenden, Landtagsabgeordneten VON
Schenckendorff, mit warmen Worten des Nachrufs für die seit
der letzten Versammlung durch den Tod abberufenen Vorstands-
mitglieder, A. LAMMERS-Bremen und C. GRüNOW-Berlin, eröffnet.
Die Anwesenden ehrten die Dahingeschiedenen durch Erheben von
den Sitzen. Die Lücken im Vorstande sind durch Landesrat
Schmeddinö in Münster und Professor zur Strassen in Leipzig
ausgefüllt. Professor Dr. BiEDERMANN-Leipzig wurde für seine
hohen Verdienste um die Forderung der Handfertigkeitssache zum
Ehrenvorsitzenden des Vereins gewählt. Mit Worten des Dankes
und der Versicherung, für diesen Unterricht, als ein notwendiges
und hochwichtiges Erziehungsmittel, auch fernerhin eintreten zu
wollen, nahm derselbe das Amt an«
Von dem ersten österreichischen Handarbeitskongreis, der gleich-
zeitig mit der Leipziger Versammlung in Wien tagte, war ein tele-
graphischer Grufs eingelaufen.
411
Vorher hatte Professor Dr. Marshall im zoologischen Institute
der Universität einen Vortrag über „Die Entwickelung der
Hand in ihrem Einflufs auf den menschlichen Geist" ge-
halten. In klarer, anschaulicher Weise wies er auf Grund wissen-
schaftlicher Forschung und mit Unterstützung Ton Zeichnungen
und Präparaten nach, dafs die Hand das wichtigste Organ des
Menschen, das Instrument aller Instrumente sei, welches ihn weit
Aber alle anderen Geschöpfe erhebe, und dafs die Ausbildung der-
selben eng mit dem geistigen Fortschritt der Menschheit zusammen-
hänge. Da die Bestrebungen für Knabenhandarbeit in hervorragender
Weise geeignet seien, die Entwickelung der menschlichen Hand und
damit nicht blofs die Vervollkommnung des einzelnen Individuums,
sondern auch der ganzen menschlichen Gesellschaft zu fördern, so
müsse jeder Wohlmeinende diese Bewegung unterstützen. Mit leb-
hafter Zustimmung wurden diese überzeugenden Ausfuhrungen auf-
genommen.
An Stelle des am Erscheinen verhinderten Professors Dr. Lange
aus Königsberg übernahm Lehrer Hebtel aus Zwickau den Vortrag:
„Inwieweit kann der Handfertigkeitsunterricht zur Ge-
schmacksbildung der deutschen Jugend beitragen?" Re-
ferent beantwortete diese Frage in dem Sinne, dafs der Handarbeits-
unterricht Vorzüge und Mängel des Materials kennen und für die
künstlerische Verwertung benutzen lehre, dais er ferner Hand-
geschicklichkeit erzeuge und Verständnis für die Beziehungen zwischen
Material und Arbeitsprodukt vermittele, dafs er endlich geeignet
sei, in Verbindung mit dem Zeichenunterricht zu treten und dessen
geschmackbildenden Wert zu erhöhen. Als Ergänzung fügte der
Bednar hinzu, dafs die Geschmacksbildung durch den Handfertigkeits-
unterricht auch deshalb gehoben werde, weil dieser berufen sei, die
Vorbedingungen des Schönen zu pflegen, die Naturprodukte in Bezug
auf ihren Bau kennen zu lehren, über die Bildung der Grundform
gewerblicher Produkte Aufklärung zu geben nnd das Verständnis für
die Formensprache des Ornamentes und ihre richtige Anwendung zu
vermitteln.
In der nachfolgenden Besprechung begrüfste es der Abgeordnete
von Schenckendorfp, dafs nun auch Vertreter der Wissenschaft
sich des Handfertigkeitsunterrichtes annehmen und seine Wichtigkeit
auf Grund gelehrter Forschung nachzuweisen suchen. Direktor
Nömbrath betonte, dafs die Anwendung des Ornamentes als Ver-
zierung beim Handfertigkeitsunterrichte methodisch durchgebildet
werden müsse. Professor zur Strassen hob die Notwendigkeit
hervor, die Form eines Gegenstandes auch dem Wesen und dem
Zwecke desselben anzupassen, wie das schon bei den alten Völkern
27»
412
der Fall gewesen sei* Lehrer KALB-Gera hält die planm&feige
Geachmacksbädung durch Beachtung der Kunstgesetze bei An-
fertigung amch der einfachsten Gegenstände Ar notwendig. Zuletzt
wies der Referent noch darauf hin, dafs gerade das Formen in Thon
recht geeignet sei, den Kunstsinn zu entwickeln.
Der Schatzmeuter, Direktor NÖGGBÄATB-Hirschberg, gab dann
einen Bericht über die finanzielle Lage des Vereins. In den Vor-
stand wurden 9 der 10 ausgelosten Mitglieder wieder- und Schal-
inspektor SofflOLBR-Worms, Schnlrat Polack- Wortes, Schulinspektor
Dr. SPBINGER-Neurode und Geheimer Begierongsrat BÖHMBRT-Dresden
neugewfthlt. Als Eongreisort ftr das nächste Jahr ward einstimmig
Danzig bestimmt, dessen Verein mit warmen und herzlichen Worten
hierzu eingeladen hatte. Mit einem Hinweis auf die Bedeutung
Leipzigs für die Handfertigkeitsbestrebungen, auf die dortigen wohl
organisierten Schfilerwerkstttten, auf die Lehrerbildungsanstalt des
deutschen Vereins für Knabenhandarbeit, sowie auf die gastfreund-
liche Aufnahme der Versammlung durch die alle gemeinnützigen Be-
strebungen unterstatzende, echt deutsche Stadt Leipzig schleife der
Vorsitzende TON Schbnckendobjv die Generalversammlung.
Bemerkungen in der VI. Generalversammlung
der Badegesellschaft zu Stuttgart
über die Benutzung des dortigen Schwimmbades durch Schüler.
In der VI. Generalversammlung der Stuttgarter Badegesellschaft
gab Rektor Schumann als Vertreter der Realschulen nach dem
„Beobacht." seiner Freude darüber Ausdruck, dab das Baden in
allen Kreisen Eingang gefunden habe, und erklärte sich bereit, das
„Klassenbaden" in jeder Weise zu unterstützen. Professor Wnsn-
mann, in Vertretung des Oberstudienrats von Dillmann, hob
hervor, dafis das Klassenbaden der Realgymnasiasten die höchste
Zahl 3677 erreicht habe, obschon der Schülerstand ein geringerer
als der in der Realanstalt sei. Hierauf berichtete Herr Lbo Vbttsr,
in Berlin sei ein Verein zur Forderung obligatorischen Schul-
badens gebildet worden.1 Er bat, dals die Professoren, vereint mit
anderen Kollegen, einstehen möchten für die Freilassung gewisser
Stunden zum Zweck des Klassenbadens unter Aufsicht der Lehrer
und glaubte bestimmt versichern zu können, da£s die Schule sich
damit den besonderen Dank der Eltern verdienen werde.
1 S. «st* ZdUckrift, 1898, No. 3, S. 152—158.
418
Aleisere JttUteiUttgeti.
Dts Paulinum des Rauhen Hauses in Hamburg, eine
Mwtentittto für erneu gesunden Geist in einem gesunden
Ktrper» Als ich vor einigen Jahren, so schreibt unser verehrter
Mitarbeiter, Herr Direktor BL Raydt, von einer Schulstudienreise
durch Schottland und England zurückkehrte und in meinem Buche
„Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper!" die dortigen
höheren Knabenlehranstalten mit den unsrigen verglich, sprach ieh
die Ansicht aus, dafs es Überaus wertvoll wäre, wenn irgendwo im
deutschen Reiche an geeigneter Stelle eine deutsch-englische Muster*
schale entstünde. Wenn sich in einer solchen deutsche Idealität,
deutsches Gemütsleben, deutsche wissenschaftliche Gründlichkeit mit
englischer Charakterbildung und kräftiger körperlicher wie geistiger
Erziehung verbände, so könnte, meinte ich, damit eine Musteranstalt
fftr alle Länder geschaffen werden. Dieser Wunsch ist nicht in Er«
f&llung gegangen. Wohl aber habe ich eine deutsche Anstalt kennen
gelernt, welche, ohne einen irgendwie specifisch englischen Anstrich
zu haben, die Vorzüge der deutschen und englischen Erziehung in
sich vereinigt, das ist das Paulinum des Rauhen Hauses in Hamburg-
Horn. Bei der Ausbildung dieser Anstalt hat Direktor Wichern
in konsequenter Durchführung an folgenden drei Principien festge-
halten. Erstens bedürfen die Knaben täglich einer kräftigen Be-
wegung in freier Luft als Erholung von geistiger Anstrengung, auf
dafs „die Lungen sich weiten und die Wangen sich röten" ; zweitens
mufs „neben der mehr ideell gerichteten Schularbeit der Sinn fürs
Praktische schon in dem Knaben erzogen werden", und drittens
„sollen die zur Erholung gebotenen Beschäftigungen dem Knaben
lieb sein, seinem Gemüt eine Befriedigung und seiner Phantasie ein
Feld zu reger Betätigung geben. a Um diese Principien in die
Wirklichkeit zu übersetzen, dienen Turnen und Exerzieren, kleinere
und gröfsere Wanderfahrten, Baden und Rudern im Sommer, Schlitt-
schuhlaufen im Winter, körperliche Spiele in freier Luft zu jeder
Jahreszeit und endlich Beschäftigung im Schulgarten und in den
verschiedenen Zweigen der Knabenhandarbeit. Auf meine Bitte
wurde mir die ganze Schule im Gewehrexerzieren vorgeführt. Die
Übungen kamen exakt und, was mehr ist, offenbar mit Lust und
Liebe zur Ausführung. Gelegentlich macht das Paulinum auch
414
Übungsmärsche mit Gewehr and Felddienstübangen auf Berg und
Heide. Man ist ja Aber den Wert solcher Gewehrexerzitien ver-
schiedener Ansicht, and ich will mich hier eines Urteils darüber
enthalten. Das eine mufs ich aber doch hervorheben, dafs eine
deutsch-patriotische Begeisterung sich durch diese Gewehrübungen
der Pauliner hindurchzieht, die eine grobe Bedeutung hat. Das
regelmässige Schultarnen wird alljährlich am Sedantage, wie es
meines Erachtens überall sein sollte, von einem Tarnfeste gekrönt.
Über eine solche Feier berichten die „Marksteine" folgendermaßen:
„Stab- and Freiübungen machen heute den Anfang. Kommando
folgt auf Kommando. Wie die Jangen ihre Glieder biegen, recken,
strecken! Nun folgt mit festem Tritt and Takt Marschübung und
Reigenlauf. Plötzlich ertönt das Kommando: „halt", „ an die Geräte
— marsch marsch" ; dass Wettturnen beginnt. Wird sonst auch
riegenweise getarnt, heute wird zunächst familienweise am den Preis
gekämpft. Jeder eifert, dafs seine Familie den Preis erringe.
Darauf treten die besten Tarner aas sämtlichen Familien zum Wett-
kampf vor. Am Barren, am Reck, am Pferde, im Sprang wagt
es einer gegen den anderen. Endlich wird Waffenstillstand geboten.
Der Tarnlehrer mit den Familienleitern tritt zu einer Beratung zu-
sammen, welches heute die WürdigBten waren, und nun werden die
Preise verkündet. Laut aber erschallt der Beifallsruf der Familien-
genossen, wenn ihr Ältester vortritt, am ein Bild, eine Büste, ein
Spiel zu empfangen. Dann folgen die Einzelpreise in Gestalt
schwarz-weiis-roter Schleifen. Nor einer, der sich besondere Ver-
dienste um das Turnen und seine Pflege unter den Kameraden er-
worben hat, erhält einen mächtigen Eichenkranz. Solcher Sieges-
preis gilt hoch vor allen anderen, and des Siegers Name wird treu
bewahrt von Geschlecht zu Geschlecht. Des Feierns ist noch kein
Ende. Rege Gemüter, die auch am Abend noch feiern wollten, hatten
ein vaterländisches Festspiel eingeübt, das sie, nachdem die Sonne
geschieden, zur Ausfahrung brachten. Zu aller Freude gelang es
ihnen auf das Beste, and nun konnte jeder hochbefriedigt, aber
auch müde vom Turnen, Hören und Sehen der Rahe pflegen. a
Über die Wanderfahrten des Paolinoms möchte ich ebenfalls das
Rauhe Haus selber sprechen lassen: „Alljährlich, wenn's in Feld und
Wald am schönsten ist, legen wir Papier und Tintenfafe, Feder und
Zirkel beiseite, stellen französische und englische Schriftsteller zur
von Herzen gegönnten Ruhe aufs Bücherbrett, und hinaas geht's in
die weite, weite Welt, in die verlassenen Räume aber zieht das
Regiment von Besen, Bürste und Seife ein, glücklich, seine Herr-
schaft einmal für einige Tage ungestört behaupten zu können.
„Brüder, auf durch die Welt!" jubelt die frohe Schar, denn
415
„Über Reisen kein Vergnügen", und mehr noch als Herr Urian
unseres Wandsbecker Nachbarn Claudius hätten wir zu erzählen von
den Reisen, die wir gethan, von der stillen Fahrt über das leuch-
tende Meer von Kiel nach Alsen und jener Sturmfahrt nach Trave-
mftnde, wo „mit grimm'gem Unverstand Wellen sich bewegten" und
nur wenige Heldenseelen der feindlichen Gewalt der Elemente nicht
erlagen, von der Gastfreundschaft in der Mühle zu Wismar, wo
selbst der Appetit unserer Jungen die Gaben nicht zu bewältigen
vermochte (und was das sagen will, mufs man erlebt haben), und
wo das den Gästen geopferte fetteste der weifezahnigen Schweine
den klassisch gebildeten Sekundaner direkt in homerische Zeiten ver-
setzte, von dem Marsch durch's öde Land, wo's viele Steine gab
und wenig Brot, und wo mancher verzagt wäre, hätten sich nicht
Herz und Auge weiden dürfen an dem saftigen Schinken, der an
langer Stange verheißungsvoll in der Mitte des Zuges getragen
wurde, von dem hellen Liederklang, mit dem wir die fürstlichen
Freunde unseres Hauses in Schwerin begrüfsen und nicht weniger
die alten Männlein und Weiblein im Lübecker Heiligengeistspital
erquicken durften, und von den Kirchenkonzerten im hohen Dom zu
Flensburg und im schlichten Dorfkirchlein zu Gottorf, von der
Morgenandacht bei der Waldquelle am Ratzeburger See und von
dem „Nun danket alle Gott", das von Düppels Höhen,, wie einst
an jenem blutigen Tage, mit Posaunenschall weit hinausklang über
das meerumschlungene deutsche Land. Und doch bleibt das Schönste
vom Schönen die Rückkehr in die alten Räume und das alte Leben,
das nach der kurzen Wanderung durch die Fremde uns doppelt
traut und heimatlich anmutet, und behaglich streckt man sich auf
dem gewohnten Lager mit einem glücklichen ,Gottlob, wieder daheim,
daheim im lieben Rauhen Haus4." Wo sich Gelegenheit dazu bietet,
wie z. B. bei einer Wanderfahrt durch den Harz oder ins Riesen-
gebirge und den Teutoburger Wald, werden diese Märsche auch dem
Unterrichte in geographischer, historischer und naturwissenschaftlicher
Beziehung nutzbar gemacht; im besonderen dienen hierzu kleinere
„Ausflüge zu belehrenden Zwecken". Solche waren beispielsweise
die Besichtigung einer Glasfabrik in dem benachbarten Ottensen,
einer grofsen Schiffswerft auf Wilhelmsburg, eines Dampfers der
Hamburg- Amerikanischen Packetfahrtaktiengesellschaft, Besteigung des
Turmes der Michaeliskirche, Gänge durch den zoologischen und
botanischen Garten Hamburgs, Besichtigung der Wasserwerke, der
Museen u. s. w. Die Erfahrung mit derartigen Ausflügen, welche
das Alumnatsleben in angenehmster Weise unterbrechen, hat gezeigt,
dals dieselben ihren dreifachen Zweck ausgezeichnet erfüllen, dais
sie nämlich einmal zur körperlichen Erfrischung der Knaben dienen,
416
dafs sie zweitens den Geist bilden im Einklang mit dem groben
gewerblichen und Handelalebem unseres Volkes und dafs sie drittem
das Gemüt und die Phantasie der Schüler in wohltuendster Art an-
regen. Im Sommer dient ein nahe bei der Anstalt vorbeiflielsender
kleiner Flufe, die Bille, den Knaben zum Baden, Schwimmen und
Sudern. Für letztere in Deutschland leider noch viel zu wenig
geübte Bewegung, welche so ganz besonders im stände ist, Gesundheit,
Jugendlust und Manneskraft zu fordern, stehen den alteren Schülern
des Pauhnums mehrere Ruderboote zur Verfügung. Munterer
Gesang, welcher im Takte den Ruderschlag begleitet, belebt das
schöne und heilsame Vergnügen. Im Winter bietet die Bille mit
ihren vielen durch das Land sich hinziehenden Gräben eine gute
Eisbahn zum Schlittschuhlaufen, der besten Jugendvergnügung m
kalter Zeit. Von den Spielen in freier Luft hat sich zunächst auch
hier, wie an so vielen anderen deutschen Schulen, „Fufsball" einen
herrschenden Platz erobert. Ein Spielplatz, rings von Bäumen und
Gebüsch umgeben, bietet auf dem eigenen Gebiete des Rauhen
Hauses den Paulinern einen leicht erreichbaren, schattigen und vor
rauhen Winden geschützten Tummelplatz. In zwei Parteien zu je
15 Mann geteilt, treiben die Knaben das kräftige Spiel mit grofeem
Eifer, und wahrlich, auch dem Zuschauer pocht das Herz freudig in
der Brust, wenn er den von den flinken Jungen gestofsenen riesigen
Ball bald hoch durch die Luft sausen, bald über den Boden hin
getrieben sieht, bis er endlich unter einem besonders starken Stoft
durch das gegnerische Mal hindurchfliegt, mit lautem Jubel begreifst
von der siegenden Schar. Aufser Fu&ball werden hauptsächlich
Schlagball und Barlauf gespielt, aufserdem von den Kleinen Urbar
und Fang'schon. Direktor und Lehrer sind einig über die guten
Wirkungen der körperlichen Spiele in freier Luft. Als solch«
werden genannt „freier, offener Sinn, jugendlich heiteres Wesen,
Ausdauer und Tapferkeit44. Ferner fördert nach den dortigen Er-
fahrungen das Spiel „den unbefangenen Verkehr zwischen Lehrern
und Schülern, Offenheit und Vertrauen, die beiden Tugenden, über
deren Fehlen sonst in der Schülerwelt viel geklagt wird, weil sich
Lehrer und Schüler häufig zu fern und fremd gegenüberstehen. *
Die harmonische Ausbildung des Kindes wird aber durch Unterricht,
Turnen, Jugendspiele und sonstige Leibesübungen noch nicht voll-
ständig erreicht, es fehlt hierbei die Ausbildung der Sinne durch die
Handarbeit. Direktor Wichbrn ist meines Wissens der erste im
neuen deutschen Reich gewesen, welcher dieser Erkenntnis praktische
Anwendung in der Schule gegeben hat. Im Anschlufs an die Be-
strebungen des dänischen Rittmeisters Klauson-Kaas wurden in
den siebziger Jahren mancherlei Beschäftigungen für die Ausnutzung
417
der schulfreien Zeit, wie Tischlerei und Holzschnitzen, Buch- und
Bfirstenbinden, Fournieren und Flechten, eingeführt. In der weiteren
Eatwickelung sind einige von den KLAUBON-KAABschen „Hansfleiß"-
arbeiten fortgefallen. Dafür sind in Übereinstimmung mit den
Bestrebongen der Herren von Sohenokbndosff - Görlitz and
Dr. W. Gobtze- Leipzig, den eigentlichen Begründern der erzieh-
lichen Knabenhandarbeit in Deutschland, mehr künstlerische Übungen
eingetreten. Ganz besonders hat der „Kerbschnitt" seine erste
Heimatstfitte im Rauhen Hanse gefanden and von dort aas sich
weithin Aber Deutschland verbreitet. Außerdem beschäftigen sich die
Schaler des Paulinums mit Aquarellmalerei, Modellieren und Metall-
arbeiten mannigfacher Art. Den Besuchern der Hamburger Industrie-
ausstellung von 1889 wird das nachher von der Jury mit der silber-
nen Medaille prämiierte Zimmer des Banhen Hauses in Erinnerung
sein, in welchem wahrhaft künstlerische und außerordentlich fleißige
Schülerleistungen die frohe Verwunderung Sachkundiger erregten.
Außer diesen mehr künstlerischen Handarbeiten wird im Paulinum
die Arbeit im Schulgarten gepflegt. Jeder Zögling hat ein eigenes
Beet, für welches namentlich die kleineren Knaben meist mit
rührender Liebe sorgen. Außer dem gesundheitlichen Vorteile dürfte
hier die treffliche erziehliche Wirkung von Nutzen sein, welche die
Pflege der Pflanzen auf das Gemüt auch des wilden Knaben unstreit-
bar ausübt. Die Pflege des Gemüts wird überhaupt, als einer über-
aus wichtigen Seite der Erziehung, im Paulinum die größte Sorgfalt
gewidmet. Mit Bücksicht hierauf finden wir im dortigen Schulleben
eine besonders starke Pflege der Musik und Kunst. Ihren Gipfel-
punkt finden diese Bestrebungen in den „fröhlichen Abenden",
welche durch Aufführungen, Deklamationen und musikalische Vor-
trüge zu erhebenden Momenten im Leben der Schule werden«
Hierdurch, wie durch die heiteren Spiele in freier Luft, die Buder-
and Wanderfahrten und was sonst dahin gehört, kommt in das
Schalleben Freude und Frohsinn hinein, ohne welche das Menschen-
reis so wenig gedeihen kann, wie eine Blume ohne Sonnenschein.
Die eigentliche Grundlage des Paulinums liegt aber, das sei zum
Schluß bemerkt, tiefer als alles vorher Besprochene. Ohne daß
viel Worte darüber gemacht werden, fühlt der aufmerksame Beob-
achter den Geist christlicher Liebe, welcher das ganze Schulleben
erleuchtend und erwärmend durchstrahlt. Das ist aber auch der
einzige Boden, auf welchen die Erziehung unserer Zeit sich gründen
maß. Auf diesem kann allein in Wahrheit erwachsen „Ein gesunder
Geist in einem gesunden Körper".
Zur Überbürdung der amerikanischen Schüler schreibt ein
Volksschullehrer New Yorks im vSunu : Das Drillen und Vollstopfen
418
fügt dem kindlichen Geiste einen von Jahr zu Jahr bemerkbarer
werdenden gesundheitlichen Schaden zu. Der Unterricht beginnt um
9 Uhr morgens und endigt um 3 Uhr nachmittags. Während dieser
Zeit werden die Kinder von einem Unterrichtsgegenstand zum anderen
gejagt, wodurch der stärkste Mensch nervenschwach werden mufs.
Bedenkt man, dafs die Zeit nach der Schule nicht der Erholung
überlassen bleibt, sondern dazu benutzt werden muls, häusliche Auf-
gaben anzufertigen, bedenkt man weiter, dafs das Lernen 7 bis 8 Jahre
dauert, so braucht man sich nicht über das heutige nervenschwache
Geschlecht zu wundern. Die Kinder werden angefüllt mit einer
Menge von Begriffen aus Sprachkunde, Religion, Rechnen, Länder-
kunde, Weltgeschichte u. s. w. und häufen alles mögliche Verstandene
und Unverstandene in ihrem Kopfe auf. Eines aber lernen sie nicht,
und man kann es auch später nicht von ihnen erwarten, ebenso-
wenig wie auf einem Distelstrauch Rosen wachsen können : sie lernen
nicht denken. Die Erfolge des Einpaukens bleiben auch weit hinter
der Erwartung zurück. Woher kommt es, dafs so wenig günstige
Erfolge erzielt werden? Weil von der einfachen Volksschule bis
hinauf zu den Hochschulen kein geistiges Leben geweckt wird, weil
die Kinder überbürdet sind. Die Art dieses Lernens hat ihren Grund
in den öffentlichen Prüfungen, von denen nicht nur das Fortkommen
der Schüler, sondern auch das des Lehrers abhängt. Wie die von
allen Seiten getadelte Lehrweise beseitigt werden könne, lädst sich
schwer sagen. Trotzdem aber sollten die Lehrer der Frage mit
Energie näher treten und nicht ruhen noch rasten, bis etwas Besseres
an die Stelle der jetzigen Art des Unterrichts gesetzt sei.
Die Area Celsi und der Schulbesuch. Über dieses Thema
hat sich Professor Ollivier in Paris geäussert. Er geht von der
Thatsache aus, dafs die Schulbehörden den Dermatologen voraus-
geeilt seien, indem sie die Kontagiosität der Alopecia circumscripta
als bewiesen und zweifellos annehmen, so zwar, dafs heute jedes
Kind mitleidslos vom Schulbesuche ausgeschlossen wird, welches
kahle Flecke auf dem Kopfe aufweist. Ollivier ist nun der Ansicht,
dafs weder die Frage der Ansteckung noch die der Ursache der
Area Celsi genügend gelöst sei, um eine so harte Mafsregel zu
rechtfertigen. Er untersucht die Frage der Kontagiosität nach seinen
eigenen Beobachtungen und kommt zu dem Schlüsse, dafs eine solche
der Alopecia circumscripta nicht anzunehmen sei. Der Autor hat
unter anderem Kinder, die mit dieser Krankheit behaftet waren, unter
sonstige Kranke gelegt, ohne dafs ein einziger derselben sich infiziert
hätte. Bei den Versuchen, bei denen es gelang, Mäuse zu enthaaren,
hält Ollivier die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen, dafs man bei
Infektion derselben eine Mycosis tonsurans überimpft habe. Wohl
419
aber konstatierte er in 30 von 100 Fällen als offenbare Ursache
des Leidens deutlich nachweisbare nervöse Einflüsse, beruhend auf
Verwundung, Gemütsbewegung, Schrecken, Sorge und Kummer, geistiger
Überarbeitung, nervöser Taubheit, Veitstanz, allgemeiner Lähmung u. s.w.
Jenmi Experimenten mit den Mäusen stehen die von M. Jöseph-
Berlin an Kaninchen ausgeführten1 gegenüber. Er erzeugte an diesen
ohne jede Infektion und Impfung eine deutliche Area Celsi, indem
er den hinteren Ast des 2. Gervikalnerven dicht hinter dem Ganglion
durchschnitt. Vom 5. bis 6. Tage an entwickelte sich bei 5 in
dieser Weise operierten Tieren an der Grenze der Ohr- und Kopf-
haut ein runder oder ovaler, von Haaren entblöfster Fleck, in dessen
Nachbarschaft etwas später ähnliche Flecke auftauchten. Hiernach
kann man mit vollem Recht diese Läsion der Alopecia circumscripta
gleichstellen und den Schlufs ziehen, dafs es sich dabei um trophische
Störungen handelt. OLUYIBR hat daher Kindern, trotzdem sie mit
dem Leiden behaftet waren, Zeugnisse ausgestellt, wonach sie zum
Schulbesuch zugelassen wurden, und es ist ihm bisher kein Fall einer
Ansteckung von Mitschülern durch solche Kinder bekannt geworden.
Fehler der Sprachorgane bei Schulkindern. Wie die
„Schwz. Bl. f. Gsdhtspfl." schreiben, haben in Berlin angestellte
Ermittelungen der Schulbehörde über Fehler der Sprachorgane bei
Schülern ergeben, dafs die Zahl der Kinder, welche stottern oder
andere Störungen in der Sprachbildung aufweisen, sehr erheblich ist.
Diese Thatsache hat zur Anordnung von Nachforschungen darüber
geführt, worin die Ursache dieser Übel zu suchen sei. Gleichzeitig
sind die Lehrerkollegien beauftragt worden, zu berichten, ob und mit
welchen Mitteln man in den zuständigen Schulbezirken dieselben zu
bekämpfen versucht habe. Diese Anregungen dürften dazu führen,
da£s neben den schon gangbaren fachwissenschaftlichen Untersuchungen
über die Sehkraft der Schüler noch entsprechende Ermittelungen
über den Zustand ihrer Sprachorgane angestellt werden. Soviel uns
bekannt ist, existieren bis jetzt in den schweizerischen Schulen
keinerlei Feststellungen über das Vorkommen von Sprachfehlern
unter der Jugend. Es wäre aber von Interesse, zu erfahren, in
welchem Umfange dieselben in der Schweiz verbreitet sind, und
sollten daher bezügliche Erhebungen vorgenommen werden. Für
deren Ausführung würden sich am besten im Verein mit den
Lehrern die Schulärzte eignen, wenn dieses so wertvolle Institut
bei uns nur mehr verbreitet wäre. Es wird eine der Hauptaufgaben
fortgeschrittener Gesundheitspflege bilden, in die sanitäre Überwachung
der Schulen, sowohl der niederen wie der höheren, ein besseres
1 Monatshefte f. prakt. Dermal 1886, S. 483.
420
System als bisher hineinzubringen und sachverständigere Organe dafftr
zu bestellen, als sie die mancherorts damit betranten Gesundhefts-
kommissionen darsteHen. Diesen sind die Anforderungen rationeller
Sorge für die Gesondheit der Schaler oft ganz ungenügend bekannt
Verbeugung des Trunks durch die Sehuleu. Der deutsche
Verein gegen den Mifsbrauch geistiger Getränke hat soeben an sämt-
liche höchste Unterrichtsbehörden der deutschen Staaten eine Bitte
um Förderung seiner Bestrebungen durch die Volks-, Mittel- und
Hochschulen gerichtet. Er beklagt darin, dafs der gröDste Teil der
Erwachsenen Aber den wahren Wert der geistigen Getränke und Ober
das vielfache Elend, das der Trunk auch in Deutschland hervorruft,
schlecht unterrichtet sei; dafs sich die Erwachsenen oft auch reckt
unempfänglich gegen die ihnen gebotene Belehrung über diese Dinge
erweisen, weil sie sich in ihrer bisherigen Lebensweise nicht beun-
ruhigen lassen wollen. Die Volksschüler, Seminaristen, Realschuler,
Gymnasiasten und Studenten werden dagegen unbefangener und
bereitwilliger eine solche Aufklärung annehmen, und für diese hat sie
wohl auch den meisten Wert, da dieselben in dem Aher oder kurz
vor dem Alter stehen, in dem sich ihre Lebensgewohnheiten bilden.
In den meisten germanischen Ländern geschieht bereits Erhebliches
für den Mäfeigkeitsunterricht der Jugend, teils durch freie Vereine,
teils durch gesetzliche Schuleinrichtungen.1 Vorbildlich wird uns
jedoch weniges davon sein können» Dagegen sind die besonnenen
Vorschläge, die der genannte Verein macht, wohl der Erwägung
wert. Er wünscht erstens Abhaltung von Vorlesungen an den
Universitäten über den Alkoholismus, seine Gefahren, seine Ursachen
und seine Bekämpfung. Er denkt dabei besonders an einstündige
Publika, vorgetragen von Docenten, die der Sache ein besonderes
Interesse zuwenden, seien es nun Mediziner oder Nationalökonomen
oder andere Gelehrte. Weiter werden vorgeschlagen einige Vor-
träge oder Unterrichtsstunden darüber in den Lehrerbildungsanstalten,
das Gleiche in Gymnasien, Real- und anderen Mittelschulen, Ver-
handlungen über den Gegenstand in amtlichen Lehrerkonferenzen,
Einstellung geeigneter Schriften in die Lehrer- und Schülerbibliotheken,
außerdem in allen Schulen häufig wiederkehrende kurze Besprechungen
einzelner Schäden des Trunks in den verschiedensten Unterrichte-
stunden, sobald sich die Gelegenheit bietet, Einfügung zweckdien-
licher Lesestücke in die Lesebücher und entsprechender Rechen-
aufgaben in die Rechenbücher, endlich Hinweis auf die Bestrebungen
des deutschen Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, der
sich übrigens bereit erklärt hat, jedem Lehrer eine Anzahl Schriften
S. diese Zeitschrift 1890. No. 5. S. 297; 1892, No. 10, 8.459.
421
ttber die Mä&igkeitssache auf Wonach nientgeltlich zu übersenden,
wenn er sich an Dr. W. Böde in Hildesheim wendet.
Ober die Schreibweise liBk&fcändiger Kiuder. Ein im
Alter tob 8 Jahren stehender Knabe, so berichtet Lbichtbnstbrn
in der „Duck. med. Wochschr.", wurde im 8. Lebensmonate plötzlich
von Krämpfen befallen, an welche sich eine Lähmung der rechten
Kftrperhälfte anschlofs. Auch hatte der Kranke von da an fort-
gesetzt unter epileptischen Konvulsionen zu leiden. Auffallend war die
denselben eigentümliche Schreibweise, beziehungsweise Schreib-
richtung. Der wegen seiner rechtsseitigen Lähmung linkshändige
Kmabe legte die Schiefertafel nicht in der gewöhnlichen Weise vor
sich, sondern drehte sie um 40°, so dafs die Längsseite derselben
▼ob oben nach unten verlief, und schrieb nun, in der rechten oberen
Ecke der Tafel beginnend, in senkrechter Richtung von oben nach
unten. Dagegen las er stets bei normaler Haltung des Buches.
Auch wenn er von ihm selbst Geschriebenes lesen sollte, drehte er
sofort die Tafel in die normale Richtung und las von links nach
rechts. Er hatte ganz von selbst herausgefunden, dafs ihm das
Schreiben in der geschilderten Weise schneller und besser von der
Hand ging als in der gewöhnlichen Richtung. Nach der Erklärung
van Lbiohtbnstbrn besitzt nämlich unsere psychophysische
Organisation ein Widerstreben, mit der linken Hand in der Horizon-
talen adduktiv, d. h. zum Körper hin, zu schreiben. Nachdem die
Aufmerksamkeit des Verfassers auf dieses Phänomen gelenkt war,
fand er dieselbe Schreibrichtung bei einem Schreiber von Profession,
dam vor kurzem der rechte Oberarm amputiert war, und der deshalb
das Schreiben mit der linken Hand erlernt hatte. Seine Schreib-
linie bildete mit der Senkrechten einen Winkel von 35°, mit der
Horizontalen einen solchen von 56°. Eine Umfrage in sämtlichen
Volksschulen Kölns ergab das Vorhandensein von 8 linkshändigen
Kindern. Von diesen schrieben 4 in der gebräuchlichen horizontalen
Richtung, jedoch durchgängig sehr mühsam, 4 in vertikaler Richtung
tob oben nach unten. Es wäre gut, so schliefet Lbiohtbnstbrn,
wann die Lehrer mit der Thatsache bekannt gemacht wurden,
dafe sie ihren zur Linkshändigkeit gezwungenen Schülern durch An-
kitung zu der geschilderten „Senkschrift" eine bedeutende Er-
leichterung gewähren.
Die Einrichtung des Schulgartens in Mannheim wird vom
9ljehrerkemu ioigendermaften beschrieben. Der Garten ist Eigen-
I tun der Stadt und wurde von dieser ins Leben gerufen. Die eine
Hälfte desselben dient zur Anpflanzung von Bäumen und Ziersträuchern.
Ein von der Stadt besoldeter Gärtner hat die nötigen Arbeiten aus-
! anfahren u*d zu überwachen. An Wochentagen ist der Schulgarten
422
yon morgens 6 Uhr bis 11 7* and von 1 bis abends 7 Uhr geöffnet.
Familienweise stehen die Pflanzen entweder einzeln oder auch ein
ganzes Beet derselben Art nebeneinander. An einer Stelle blühen
in sandiger Heideerde die auf derselben gedeihenden Pflanzen. An
einer anderen Stelle ist schwarzbrauner Moorboden für die ihm
eigenen Gewächse aufgeschüttet. Fetter, tiefgründiger Hamas gestattet
hier den Anbau yon allerlei Garten- and Handelspflanzen. Dort ist
ein Teich mit einer Anzahl Wassergewächsen bedeckt; er endet in
einen ebenfalls dicht bepflanzten Sumpf. Daneben erhebt sich ein
kleiner Hügel, der an seinem Abfall ein dichtes Wäldchen yon ver-
schiedenen Sträuchern and Bäumen trägt, anter deren Schatten die
das Sonnenlicht fliehenden Gewächse gedeihen. Fast in der Mitte
des Gartens befindet sich auf einem freien Platze eine grofse Laube
zum Unterrichte einer ganzen Klasse im Freien. Über sämtliche
Gewächse des Schalgartens liegt ein gedrucktes Verzeichnis tot.
Badeordnung ffir die Benutzung der Schulbäder in
Zfirich-Unterstrafs. In dem neuen Schulhause zu Zürich-Unter-
strafs sind Brausebäder eingerichtet worden. Dem Vorsitzenden der
dortigen Primarschulpflege, Dr. med. NIF, der sich um das Zustande-
kommen dieser Bäder sehr verdient gemacht hat, verdanken die
„Schwß. Bl. f. Gsdht&pfl." die nachstehende Badeordnung: I. All-
gemeines. 1. Die Brausebäder im neuen Schulhause Unterstrafs
sind unentgeltlich und stehen in den offiziellen Badestunden allen
Primär-, Sekundär- und Ergänzungsschülern zur Verfügung. 2. Das
Baden geschieht in regelmäfsiger Ordnung, vorläufig so, dafs jeder
Schüler alle 2 bis 3 Wochen Gelegenheit zum Baden erhält.
3. Das Baden ist freiwillig; immerhin wird die Lehrerschaft nicht
unterlassen, die Kinder auf dessen Nützlichkeit aufmerksam zu
machen. 4. Augenscheinlich kranke, namentlich mit Fallsucht be-
haftete Kinder sind vom Baden fern zu halten. 5. Das Baden
geschieht vormittags. Kein Kind darf vor Ablauf einer Stande im
Winter, einer halben Stunde im Sommer nach dem Bade das Haas
verlassen; Zuwiderhandelnde sind zu bestrafen, im Bückfalle mit
zeitweiligem Verbot des Badens. 6. Beginnen oder enden die
Ferien inmitten einer Woche, so wird an den übrig bleibenden
Tagen jener Woche nicht gebadet. 7. Die Oberaufsicht übt
ein Lehrer aus, der jeweilen mit Beginn des Sommersemesters auf
Vorschlag des Lehrerkonventes von der Schulpflege auf ein Jahr
gewählt wird. 8. Die Benutzung der Badeeinrichtung aufser den
offiziellen Badestunden ist nur auf schriftliche Erlaubnis seitens des
Präsidenten der Primarschulpflege gestattet. II. Reihenfolge des
Badens. 9. Das Brausebad wird zweimal jede Woche in Betrieb
gesetzt. Die erste Woche erscheinen die Knaben, die zweite Woche
423
die Mädchen deijenigen Klassen, welche im neuen Schulhause Unter-
richt genie&en; die dritte Woche kommen die Knaben und Mädchen
der Ergänzungsscbule and deijenigen Abteiinngen, die im alten
Sdralhaase untergebracht sind, an die Reihe. Der Unterricht für letztere
mala an den betreffenden Vormittagen im neuen Schalhanse erteilt
werden. 10. Das Baden beginnt im Sommer um 7 Vi, im Winter
am 87s Uhr und soll spätestens um 10, bezw. um 11 Uhr beendet
sein. Alle 10, bei den Mädchen und kleinen Knaben alle 15
Minuten stellt sich eine geschlossene Abteilung von 12 Kindern
zum Baden. 11. Der das Bad dirigierende Lehrer empfängt am
Vorabend des Badens von jedem Klassenlehrer die betreffenden
Zahlen, er stellt ein Schema der Reihenfolge der Badenden auf und
sorgt Ar Mitteilung an die Lehrerschaft und den Wärter. 12. In zu
vereinbarender Reihenfolge überzeugen sich die Lehrer, dafs das
Baden seitens des Wärters richtig geleitet und die Disciplin genügend
gehandhabt wird. 13. Der die Oberaufsicht führende Lehrer sorgt
durch specielle Einladung dafor, dafs beim Baden der Mädchen und
event. auch bei demjenigen der kleinen Knaben jeweilen zwei Mit-
glieder des Frauenkomitees der Primär- oder Sekundärschule an-
wesend sind. Weitere Hilfe leisten nötigenfalls Mädchen der
Sekundärschule. Für diese gilt selbstverständlich § 5 in verschärftem
Mafse. 14. Es ist dafür zu sorgen, dafs jeder Schüler einige Tage
zum voraus wisse, wann ihn die Reihe zum Baden trifft. III. Art
des Badens. 15. Die aus 12 Kindern bestehende Abteilung
bezieht den Ankleideraum erst nach vollständiger Räumung des-
selben durch die vorhergehende Sektion. Die Knaben der Real-,
Sekundär- und Ergänzungsschule versehen sich mit Badehosen, die
sie von Hause mitbringen; die Mädchen bekleiden sich mit
Schürzen und Badehauben, die sie als Eigentum mitbringen oder
von der Schule leihweise erhalten; vollständige Badekostüme werden
nicht geduldet. 16. Sind alle zum Baden bereit, so treten sie der
Reihe nach, zu zweien geordnet, in den mittleren Gang des Bade-
ranmes. Sie begeben sich dann unter die Brause, wenn der Wärter
die Badetemperatur auf 35—37° C. eingestellt hat und „Jetzt"
kommandiert. Die Kinder bewegen sich langsam unter der Brause,
und zwar so, dab dieselbe möglichst wenig den Kopf trifft. Nach
einer halben Minute wird die Dusche abgestellt, die Kinder stellen
sich wieder in den mittleren Gang und erhalten Seife, mit der sie
Hals, Brust und Glieder tüchtig einseifen. Nach 2 Minuten tritt
die Brause wieder in Thätigkeit. Beträgt die Temperatur 35 bis
37° C., so befiehlt der Wärter „Jetzt". Die Kinder treten wieder
unter die Dusche, reiben sich gründlich ab und lassen sich allseitig
bespülen; den unteren Gliedmafsen soll besondere Aufmerksamkeit
424
geschenkt werden. Nach l1/» Minuten wird die Wassertemperatur
langsam auf 22—20° C. erniedrigt und nach 5 Sekunden die
Dnsche abgestellt. Die Kinder treten wieder in die Mitte und
begeben sich in den Ankleideraum. Wer kein Handtuch mitgebracht
hat, erhalt ein solches leihweise von der Schule. Es ist darauf zu
achten, dafis das Ans- und Ankleiden rasch und ohne Lärm geschehe.
17. Nasse Badewäsche darf nicht in die Lehrzimmer mitgenommen
werden; dieselbe ist nach Verlassen der Baderäumlichkeiten in
den Gängen zu belassen. IV. Specielle Pflichten des Wärters.
18. Die ßader&amlichkeiten sind stets in sauberem Zustande zu
halten, nach dem Baden gründlich zu lüften und zu trocknen. Vor
dem Baden sollen dieselben allseitig geschlossen und auf 18° R.
erwärmt sein. Das Wasser des Reservoirs darf nicht über 40° G.
erhitzt werden. Die hintere Hausthflre ist an dem betreffenden
Vormittage geschlossen zu halten. 19. Das Baden der Knaben
besorgt der Wärter, beim Baden der kleinen Knaben hat ihm nötigen-
falls die Frau behülflich zu sein; das Baden der Mädchen besorgt
die Frau des Warters. 20. Beide haben sich strenge an diese
Vorschriften zu halten. Besonders haben sie Obacht zu geben, daß
die Wassertemperatur die richtige sei, die kalte Dusche am Schlüsse
nicht vergessen werde und dafe die Kinder nicht lärmen und Unfug
treiben. Jedes wichtige Vergehen eines Schülers ist dem betreffenden
Lehrer zur Ahndung mitzuteilen. 21. Beide haben sich den An-
ordnungen des für das Baden verantwortlichen Lehrers zu fugen
und demselben sofort Anzeige zu machen, falls sich in der Hand-
habung der Badeeinrichtung oder sonstwie Schwierigkeiten ergeben.
22. Die der Schule gehörende Badewäsche (Schurzen und Hand-
tücher) ist nach dem Gebrauche von der Wärterfamilie unverzüglich
zu waschen; die notige Seife wird von der Schule geliefert.
Preisgekrönter Entwurf su einem Realgymnasium in
Gera. Über diesen Entwurf, der von dem Architekten Thümb in
Dresden herrührt, macht die „Bisch. Baugig. u nähere Mitteanngen.
Das zur Verfugung stehende, an drei Strafeen grenzende Gebäude
Hegt mit keiner derselben in gleicher Höhe. Die Absicht, einen
freien und geräumigen Spiel- und Turnplatz zu schaffen, den Schal-
räumen die vorteilhafteste Gestalt, Beleuchtung und Lage in der
Sichtung von N.O. und N.W. zu geben, aber auch in der Gesamt-
einteilung die geringste bebaute Fläche zu erhalten, führte zu der
angenommenen Grundrifsform. Durch ZurAcklegung der Hauptfront
von der Strafeengrenze um 10 m wurde eine gunstige Gesamt-
wirkung erzielt und ein bequemer Zugang zum Haupteingang durch
eine Rampenanlage geschaffen. Das Schulgebäude gliedert sich in
einen Mittelbau zur Aufnahme der geräumigen Aula und in die zu
425
beiden Seiten anstoßenden Klassenbauten. Der 3 m breite Mittel-
korridor erhält Licht von zwei Seiten und von den beiden an den
Mittelbau angrenzenden Treppenhäusern. Da die Turnhalle in dem
Schulgebäude untergebracht werden sollte, wurde dies bestimmend
für die ganze Grundrifsanordnung; die Halle liegt im Mittelbau mit
der Langseite am Spielplatz, ist 18:9 m grofs und hat 6,6 m Höhe.
Das Laboratorium mit Nebenraum ist, hell erleuchtet, im linken
Flügel des Kellergeschosses gelegen. Daselbst befindet sich aufser-
dem die Schuldienerwohnung, sowie die Niederdruckdampfheizung.
Die unteren Klassen liegen teils im Erd-, teils im ersten Ober-
geschoß, die höheren im ersten und zweiten Obergeschoß gleich-
artig nebeneinander. Naturaliensammlung und Schuldienerstube sind
im Erdgeschoß untergebracht, Zimmer für den Direktor, für die
Akten, Konferenzzimmer und Bibliothek im ersten Stock. Die
Aula liegt im zweiten Stock, wo sich auch der Zeichensaal nebst
Modellraum, die Kombinationsklasse, das physikalische Kabinett
und der Karzer befinden. Garderobenständer von 40 cm Tiefe,
sowie Schirmständer sind von Eisen mit drahtbesponnenen Thüren,
um eine Ausdünstung zu ermöglichen, in deu breiten Flurgängen
vorgesehen. Die zwei Haupttreppen führen bis ins zweite Ober-
geschoß. Das Abortgebäude ist abgesondert gelegen und durch
überdeckte Gänge mit dem Hauptgebäude verbunden. Der Spiel-
platz hat 800 qm, der Turnplatz 500 qm Grundfläche. Die
Aula ist 18 m lang, 9 m breit und 6 m hoch. Der Zeichen-
saal hat als Maße 15:6 m und liegt mit der Langseite nach N.W.
Die Kombinationsklasse ist 10 m lang und 9,25 m tief mit
ansteigenden Bankreihen. Das physikalische Kabinett besitzt eine
Größe von 7,75:9,25 m. Beide Räume liegen nach Osten. Die
Außenseiten des Gebäudes bestehen aus Ziegelverblendung mit
Sandstein.
Über Schulheizung mit Gasöfen haben H. Buntk und
Bubschell Untersuchungen angestellt und die Resultate im „Joum.
f. ChubeleuchL* veröffentlicht. Die Genannten wurden durch ver-
schiedene hygienische Bedenken gegen Anwendung von Gasöfen,
besonders in Schulzimmern, veranlaßt, den Kohlensäuregehalt der
Zimmerluft und die Verunreinigung der letzteren durch Austritt von
Verbrennungsprodukten des Leuchtgases zu ermitteln und ferner den
Nutzeffekt der einzelnen Gasöfen festzustellen. Die Versuche, zu
denen 11 Öfen verschiedener Konstruktion aus 7 verschiedenen
Fabriken benutzt wurden, ergaben, daß nur in 2 Fällen während
vierstündiger Heizung der Kohlensäuregehalt der Zimmerluft um
2,7 bezw. 0,9% erhöht wurde, während in allen übrigen Fällen
keine nachweisbare Menge von Verbrennungsprodukten in das Zimmer
8ehnlg««andheitfpfleg6 VI. 28
426
eingetreten war. Nicht ein äbujgas Mai trat vifcroad dnr Hetaang
unangenehmer, ¥en un>voll«tftndjgar Verbrennung fcerrübnender -Gerach
auf. Die Wärmeaasnutzing 4er «verschiedenen Gasöfen schwankte
zwischen 29,4 und 88,7%, betrag aber bei 8 von daa 11
prüften Öfen mehr als 60% der erzeugten Wärme.
f agesgef^idMiidjt*.
Vm. internationaler JLoagrefa für Hygiene and Dem*-
graphie in Budapest 1894« Die beiden Abteilungen für Hygiene
und Demographie des genannten Kongresses weiden folgende
Sektionen umfassen: I. Abteilung* Hygiene: L Ätiologie der
Epidemien (Bakteriologie); 2. Verhütung der Epidemien; Ä. Ge-
werbehygieae; 4. a. Hygiene des Kindeaattera, b. SohiAhygiene;
5. Nahraogsmittelhygiene; 6. a. Hygiene der öffentlichen Gebäude«
b. Wohnungshygiene; 7. Hygiene d«r Städte; 8. a. Eisenbahn- und
Schiffahrtshygiene, b. Touristenwesen; 9. &. Militärsanitätewesen,
b. Rotes Kreuz, c. Erste Hü& hei plötzlichen Unglücksfällen;
10. Hygiene der Bäder; 11. Staataareneikunde; 12. Veterinftrwesaa;
13. Pharmacie. H. Abteilung. Demographie: 1. Geschichte
der Demographie; 2. Anitoopometrie; 3. Technik der Demographie;
4. Demographie der Urproduzenfcen; 5. 'Gewerbeasfeeiter; 6. Demo-
graphie der gro&en Städte; 7. Statistik der körperlichen und geistigen
Defekte. Die vorbereitenden Komitees der einzelnen Sektionen
sind gegenwärtig mit der Znsammenstellung jener Fragen beschäftigt,
deren Beratung sie in erster Reihe für erwünscht halten; sie werden
dann gleich an die betreffenden Fachmänner die Aufforderung
richten, die Abhaltung der bezeichneten Vorträge zu übernehmen;
diese Aufforderungen sollen schon in einigen Tagen an die bezüglichen
Gelehrten abgeschickt werden.
Uaterrachiingen über den Zastand der Augen in den
Schulen von Lausanne. Unter dieser Überschrift veröffentlicht
Dr. Eperon, Privatdooent der Augenheilkunde an der Universität
Lausanne, einen Aufsatz, dem wir folgendes entnehmen: Der Ge-
nannte untersuchte in den Primärschulen der Stadt 2149 Kinder,
1075 Mädchen und 1074 Knaben, von denen die ereteren 8 — 15,
die letzteren 8 — 14 Jahre alt waren. Bei den Mädchen fanden
sich 27 % Ametropen, bei den Knaben 21 %. Die Ametropie ver-
teilte sieb in nachstehender Weise:
437
Mädchen Knaben
Myopie 6,8% 5,4°/«
Hypermetropie 2,7 „ 1,5 „
Myopischer Astigmatismus 2,4 „ 0,7 „
Hypermetropischer Astigmatismus . 8,6 » 10,0 „
Gemischter Astigmatismus 0,5 „ 0,2 „
Unregelmäßiger Astigmatismus 5,6 „ 2,6 „.
In einem kantonalen College zeigten von 209 Untersuchten im Alter
Ton HVt — 16% Jahren 24% anomale Brechkraft, nämlich 15,3%
Kurzsichtigkeit and 3,3% hypermetropischen Astigmatismus. Unter
den 258 13 — 18 Jahre alten Schülern einer Gewerbeschule waren
23% nicht nomalnchtig, und von diesen 13,5% Myopen, 4%
Myopische Astigmatiker. Ferner wurde in einer städtischen höheren
Töchterschule, deren 266 Schülerinnen 10 — 18 Jahre zählten, bei
82,5% Ametropie, nd zwar bei 10% Myopie «nd bei 6% hyper-
metropischer Astigmatismus, festgestellt. Die wadtiändischen Seminare
endlich wiesen folgende Zahlen auf: unter 149 Knaben 16%
Anormale, davon 8% Myopen, unter 239 Mädchen im Alter von
15 — 16 Jahren 24% Anormale, davon 13% Myopen. Verfasser
gelangt zu folgenden Schlofesätzen : 1. Ungefähr ein Viertel unserer
Schüler zeigen Refraktionsanomalien, deren Korrektion zum wenigsten
wünschenswert ist. 2. Die Kurzsichtigkeit findet sich weniger häufig
bei uns als in den meisten anderen Ländern; der mittlere Grad
derselben ist dagegen ebensohoch, wenn nicht höher als anderswo.
3. "Was die Häufigkeit der Myopie anbetrifft, so sind die Schüler
romanischer Herkunft nicht so selten befallen, wie man gewöhnlich
annimmt. 4. Der regelmässige Astigmatismus kommt sehr oft in
unseren Schulen vor, wahrscheinlich ebenso oft wie anderwärts. Fremde
Untersuchungen lassen sich freilich wenig zur Vergleichung heran-
ziehen, indem man, wie bereits von Randall gezeigt worden
ist, den Astigmatismus bisher ziemlich vernachlässigt hat. Eine Ver-
ringerung der Fälle von regelmässigem Astigmatismus durch gewisse
gesundheitliche Maßnahmen in Schule und Haus ist unwahrscheinlich,
da diese Anomalie nicht von Überanstrengung der Augen unter
ungünstigen hygienischen Verhältnissen herrührt. Die Hypothese,
wonach der Astigmatismus durch den Druck der äufseren Augen-
muskeln erzeugt wird, bleibt erst noch zu beweisen. 5. Der von
skrofulöser Hornhautentzündung herrührende unregelmäßige Astig-
matismus ist in unseren Primärschulen sehr verbreitet. Es erhellt
hieraus, dafs für die Verbesserung der hygienischen Zustände bei
der ärmeren Bevölkerung unserer Stadt noch recht viel zu thun
übrig bleibt; auch müssen die Eltern noch mehr belehrt werden, da
es den Kindern bei Augenentzündungen oft an der einfachsten Ftir-
28*
428
sorge fehlt. 6. Die Kurzsichtigkeit labt sich mit Rücksicht auf die
Erblichkeit, vielleicht auch auf die Schädelbüdung in einer gewissen
Zahl von Fallen nicht vermeiden. Dennoch glaube ich, dafe der
gegenwärtige Prozentsatz unserer myopischen Schüler noch verringert
werden kann, indem man die Schuleinrichtungen, insbesondere die
Sub8ellien und Bücher, verbessert, Unterrichtsreformen einführt, den
Gebrauch der Steilschrift verbreitet und die Schüler, welche Gesichts-
fehler haben, sorgfältig überwacht. Es ist dies vor allem bei den
jungen M&dchen erforderlich, die später gröbere Gefahren als die
Knaben von der Myopie zu befürchten haben.
Schulärzte in Sachsen. Auf Anordnung des Königlich säch-
sischen Kultusministeriums sind die Schulvorstände durch die Bezirks-
schulinspektoren aufgefordert worden, die Anstellung von Schulärzten
allgemein ins Auge zu fassen.
Adenoide Vegetationen im Nasenrachenräume von Kindern
ist der Titel eines Aufsatzes, den Dr. T. H. Halsted vor einiger Zeit
im „Med. Eec.u veröffentlicht hat. Die Untersuchungen des Ver-
fassers erstreckten sich auf 114 Schwachbegabte Kinder und
154 Waisen, welche sich sämtlich in Asylen befanden. Von den
ersteren zeigten 20,1%, von den letzteren 26% adenoide Vege-
tationen im Nasenrachenräume. Unter der Gesamtzahl kamen solche
Vegetationen ohne Komplikationen vor bei 63, Vegetationen in Ge-
meinschaft mit vergröberten Mandeln bei 32, in Verbindung mit
irgend einer Verstopfung der Nase bei 29.
Einfahrung des Unterrichts in der Schulhygiene an den
bayrischen Lehrerbildungsanstalten. Zur Revision des Normativs
über die Lehrerbildung in Bayern wurde in das Kultusministerium
eine Kommission einberufen, welche vom 28. Februar bis 10. März d. J.
in München tagte. Wie die „Bayr. Lehrerttg." berichtet, soll
gemäfs den Verhandlungen der genannten Kommission der Unterricht
in der Schulhygiene demjenigen in der Pädagogik einverleibt werden.
Der Kultusminister Dr. von Müller stellte in Aussicht, den Ge-
heimrat Dr. med. von Kerschensteiner zur Bearbeitung eines schul-
hygienischen Lehrplanes zu veranlassen. Demzufolge wurden für
die Unterweisung des zweiten Seminarkurses in der Pädagogik statt
der bisherigen 4 jetzt 6 Wochenstunden angesetzt.
Sanitäre Verbesserungen in Wellington College. Vor
einiger Zeit kamen in Wellington College, einem der angesehensten
Internate Londons, Fälle von Infektionskrankheiten, namentlich von
Diphtherie, vor,1 welche den Verdacht erregten, dafs die gesund-
heitlichen Verhältnisse der Anstalt mangelhaft seien. Eine Unter-
1 S. diese Zeitschrift, 1892, No. 6, S. 279—281.
429
suchung bestätigte diesen Verdacht, and es wurden daher weitgehende
Maisregeln zur Abhilfe getroffen. Dem Berichte, welchen Herr
Rogers Fibld hierüber dem Kuratorium erstattet und dieses den
Eltern mitgeteilt hat, entnimmt „The Brit. Med. Jaurn.u, dafs das
ganze Drainagesystem erneuert worden ist und dafs das Schmutz-
wasser, nachdem sich die Senkstoffe abgesetzt haben, jetzt über
Rieselfelder geleitet wird. Auch die Röhren für das Regenwasser
sind zum Teil renoviert und sämtlich wasserdicht hergestellt worden,
so dafe Fundamente und Wände nicht mehr durchfeuchtet werden
können. Endlich hat der Grund und Boden rings um die Schule
eine gründliche Prämierung erfahren, und die Baustelle und die
Spielplätze bleiben daher selbst bei nassem Wetter vollständig trocken.
Die ans einer tiefen Quelle gespeiste Wasserleitung liefert ein Trink-
wasser von außerordentlicher organischer Reinheit, doch mufs das-
selbe filtriert werden, um einen Eisenniederschlag zu entfernen. Die
Filtrationsmethode ist verbessert und damit jede Möglichkeit einer
Verunreinigung während der Filtration ausgeschlossen. Das gereinigte
Wasser gelangt zu häuslichen Zwecken und zum Trinken in sämt-
liche Häuser, während eine Hilfsleitung Wasser den Seen und ober-
flächlichen Quellen entnimmt und zur Spülung der Klosetts, wie zur
Besprengung der Gärten dient. Da das Ausströmen von Leuchtgas
eine Quelle der Luftverunreinigung bildet, so sind sämtliche Gas-
röhren untersucht und zu einem grofsen Teile durch neue ersetzt
worden. In dem Krankenhause der Anstalt gelangte ein verbessertes
Heiz- und Lüftungssystem, sowie ein Desinfektionsapparat mit Dampf
zur Einführung. Auf Grund aller dieser Neuerungen kommt RogSrs
Field zu dem Schlüsse, dafs Wellington College, was die Voll-
ständigkeit und Trefflichkeit seiner sanitären Einrichtungen betrifft,
augenblicklich zu den besten öffentlichen Schulen Englands gehört.
Diphtherie und Schule. Unter diesem Titel veröffentlicht
Dr. Langfeldt einen Aufsatz in „D. ärztl. Praktik." Bekanntlich
nimmt man an, dafs der Erdboden einen Einflufs auf die Entstehung
der Diphtherie nicht hat. In der Regel wird die Infektion durch
die Wohnung erzeugt. Beispielsweise starben in einem Dorfe bei
Schweinfurt 1883 drei Kinder des hoch unter dem Kirchturmdache
wohnenden Glöckners in einer Woche an Diphtherie, während sonst
diese Seuche nicht in der Gegend herrschte. Das kleine Zimmer
wurde desinfiziert, die Wände abgekratzt und getüncht und der Fufs-
boden gescheuert. Trotzdem erkrankte 14 Tage darauf die ganze
Familie eines armen Ortsbürgers, der dort eingezogen war, an der
Diphtherie. Emmerich nimmt an, dafs in diesem Falle die
Infektion von den Zwischendecken ausgegangen sei. Wie bekannt,
tritt unter dem Einflufs der eigenartigen Wohnungen die Seuche ganz
430
aafeerordentlich bösartig in den Holzhäusern des Schwaxzwaldee auf,
trotz der Höhenlage und trotz des steinigen sterilen Untergrundes.
Neben dem Wohlbaus mu6 in erster Linie die Setale als Infektions-
quelle angesehen werden. Denn hier leben bei Epidemien täglich frisch
Erkrankte, die noch umherzugehen vermögen, erst eben Genesene, welche
noch Ansteckangsstoff an sich tragen, und Gesunde mehrere Standen
nebeneinander. Dem bisher Gesagten widerspricht nicht, dafe die
Häufigkeit der Diphtherie mit der Jahreszeit fällt nnd steigt, wie ja
die Sterblichkeit an derselben in Deutschland mit typischer Regelmäßig-
keit wechselt. Am gröfeten ist die Todeszahl in den Monaten, in
welchen sich die Menschen am meisten in geheizten Raunen auf-
halten, da hier der Erzenger der Diphtherie, der LÖFFLERsche
Bacillus, sein ungehindertes Wachstum findet. Im Sommer dagegen,
wo mehr gelüftet wird und die Bewohner einen grö&eren Teil des
Tages im Freien zubringen, nimmt die Sterblichkeit ab. Die von
Dr. Lanqpbldt besprochene Epidemie wütete vom 1. Mai 1892
bis zum 4. März 1893 in einem abgelegenen Dorfe. Bei einer
Gesamtzahl ron 145 Kindern in 68 Haushaltungen wurden 130
befallen, und 37 oder 29,5% starben. Was speciell die Schulkinder
anbetrifft, so fehlten von 82 nur 2 beim Unterrichte. Von den übrigen
80 erkrankten 76, also 95%; es starben hiervon 9, somit 9,25°/o.
Eine Desinfektion der Wohnung wurde fast in keinem Falk vor-
genommen, und die Beerdigung ging stets mit vollem Gepränge vor
sich nach Abhaltung eines stark besuchten Totenmahles, entsprechend
althergebrachter ländlicher Sitte. Erklärt sich schon hieraus, dafe
die Diphtherie von Haus zu Haus fortschritt und nur 6 Wohnungen des
Dorfes verschont liefe, so darf doch auch der nachteilige Einflufa
des Schulbesuches nicht unbeachtet bleiben. In dem einzigen Schul-
zimmer wurden vormittags 51 Kinder, nachmittags 23, und zwar
Knaben und Mädchen gemeinschaftlich, unterrichtet. Von 38 erkrankten
Kindern der Vormittagsschule zeigten 22, mithin 57,9% ursächliche
Beziehungen der gegenseitigen Nachbarschaft und der Erkrankungs-
zeit. Unter 24 erkrankten Kindern der Nachmittagsschule dagegen
traf diese Beziehung nur in 9 Fällen zu, somit bei 37,3%. Dafs
der LÖFVLBBsche Bacillus an den Plätzen gehaftet habe, ist nicht
erweislich. Denn es ist kein Nachmittagskind in denselben Tagen
erkrankt, in welchen ein Vormittagskind ergriffen wurde, welches
täglich morgens den gleichen Sitzplatz inne gehabt hatte. Dafe die
Nachmittagskinder einen geringeren krankmachenden Einflufs auf-
einander als die Vormittagskinder übten, läfet verschiedene Erkläringen
zu. Die ersteren sausen zum Teil viel weiter auseinander und nur 2
auf einer Bank. Aber auch, wo das nicht der Fall war, liefe
der geringere Körperumfang dieser jüngeren Kinder einen weiteren
431
Sau »wischen den* Nachbarn;* die körperliche Berührung war
atao eine geringere. Auiberdem kann vormittags die Ansteckungs-
gefahr grober sein, als am Nachmittage. Denn ein längerer ent-
lastender Aufenthalt in freier Luft nach dem nächtlichen Verbfoiben
im durchseuchten Hause ist den Yormittagakindern nicht geboten,
nie den Nachmittagsschülern. Schulferien waren vom 20. bis
SO. Juni, vom 1. bw 17. August und Tom 17. September bis
15. Oktober. Denselben ist es wohl zuzuschreiben, dafs im Juli
und August ein Sterbefall Oberhaupt nicht vorkam. Als man aber
im Schuizinnner mit der Winterheizung* begonnen hatte, mehrten sich
schnell die Erkrankungsfälle, und schon wenige Tage nach Anfang
des Unterrichts im Oktober war die Zahl der fehlenden Kinder
bedeutender als je zuvor. Bemerkenswert ist auch, dafs in den
Sommermonaten bis zum 1. September die Krankheit durch Neben-
einandersitzen von Schülern kaum erzeugt sein dürfte. Die Seuche
scheint um diese Zeit mehr durch die schlecht ventilierten Wohnungen
als durch das fortwährend gut gelüftete Schulzimmer verbreitet zu sein.
Ifai' lefcrer als Opfer regetarianfeeher Lebensweise, in
der »Sckles. Ztg.u steht, für manche eine Warnung vor fanatischer
Anwendung ausschlief such vegetarianischer Diät, folgende Todes-
anzeige: „In Mentone verschied, der pfleglich liebenden Hand in
seinen letzten Lebensstunden entbehrend, mein lieber Schwager, der
Oberlehrer Dr. Paul Krüger. Er starb in seinem 38. Lebens-
jahre vorzeitig an Entkräftung als ein Opfer seiner unerschütter-
lichen Überzeugung von der Richtigkeit rein vegetarianischer Lebens-
weise. F. Konbad, Kulturingenieur. u Hierzu sei bemerkt, dais
Tegetarianer auch mehr als solche, welche von gemischter Kost
leben, zu Schlaganfällen neigen. Es treten nämlich bei denselben
Öfter Hirnblutungen ein, weil der in den Pflanzen reichlich vor-
handene Kalk sich in den Geftfswandungen ablagert und diese
brüchig und leicht zerreifslich macht.
Untersuchungen der Zähne von Schulkindern in Frank-
fort a. M. Angeregt durch das in unserer Zeitschrift mitgeteilte
Torgehen der Londoner Schulbehörde1, die vor ehrigen Monaten
auch 4 Schulzahnärzte angestellt hat, veranlagte unser Mitarbeiter,
Herr Lehrer Ph. Zimmermann in Frankfurt a. M., einen approbierten
Zahnarzt, die Zähne der von ihm unterrichteten Volksschüler einer
Untersuchung zu unterziehen. Das Ergebnis derselben ist ebenso
interessant, wie leider auch ungünstig. Es wurden 62 Schüler, die
grösstenteils im 9. Lebensjahre standen und dem 3. Schuljahre
angehorten, mit zusammen 1488 Zähnen, nämlich 733 Milchzähnen
1 Jahrgang V, 1892, No. 5, 8. 238—234.
432
und 755 bleibenden Zähnen, geprüft. Von den 733 Milchzähnen
mnfsten 342 als kariös bezeichnet werden, 39 fehlten; von den
755 bleibenden Zähnen waren 120 kariös und 10 fehlten. Ein
normales Gebiis hatten von 62 Schülern 58, ein anormales 4.
Regelrechte Zahnbildung fand sich nur bei 49 Kindern, Zähne mit
mangelhafter Ablagerung des Sclimelzes zeigten 13. Unter sämt-
lichen 62 Knaben besafsen blofs 2 einen vollständig intakten Zahn-
apparat.
Schwere Erkrankung eines Knaben infolge eines Viper-
bisses. Das „Korr.-Bl. f. Schieß. Ärete* berichtet über nachstehenden
Fall: Der dreizehnjährige Otto H. wurde in der Nähe der Ruine
Falkenstein unweit Baisthal beim Holzsuchen von einer Juraviper
auf der Bückseite des zweiten Gliedes des rechten Mittelfingers ge-
bissen. Der Arzt fand den Knaben zwei Stunden nach dem Unfälle
in seinem Bette mit blassem Gesichte, bläulichen Lippen, ganz teil-
nahmlos, über unerträgliche Schmerzen und Krämpfe im Unterleib
klagend ; zugleich bestand fortwährendes Erbrechen. Die Biiswunden
waren gut sichtbar, Finger und Handrücken bis über das Handgelenk
stark geschwollen, jedoch nicht besonders gerötet. Die Behandlung
bestand in einem sofortigen Einschnitt über den ganzen Handrücken
bis ins gesunde Gewebe, wodurch reichliches Bluten hervorgerufen
wurde, ferner in Ätzung der Wunden mit Liquor Ammonii caustici.
Innerlich wurde Cognac und Liquor Ammonü anisati verabreicht.
Am folgenden Morgen war das Allgemeinbefinden bis auf etwas
Mattigkeit normal, die Schwellung fast verschwunden. Die Wunde
klaffte gehörig, zeigte aber in der Folge geringe Neigung zur Heilung
und vernarbte sehr langsam. Patient genas jedoch vollständig. Da£s
er seine Wiederherstellung der ärztlichen Behandlung verdankte,
zeigt ein ähnlicher Fall : Ein jüngerer Knabe starb am vierten Tage
nach einem gleichen Schlangenbisse, nachdem erst ein Heilkünstler
und dann ein Buch über populäre Medizin zu Rate gezogen
worden war.
Über Turnunterricht und Jugendspiele an den höheren
Schulen Prenfsens sind von der Unterrichtsverwaltung Erhebungen
angestellt worden, welche nach dem „Reichsanzeig." folgendes ergeben
haben: Die 522 höheren Lehranstalten, die unter der Aufsicht der
12 Provinzialschulkollegien stehen, wurden zur Zeit der Umfrage mit
Ausschlufs der Vorschulklassen von insgesamt 140 285 Schülern
besucht. Von diesen waren 9070, also nicht ganz 6,5% vom
Turnunterricht überhaupt befreit, und zwar 6891 auf Grund
eines ärztlichen Zeugnisses, 2188 aus anderen Gründen, während
1612, also 1,1 % an einzelnen Übungsarten nicht teilnahmen. In
den einzelnen Provinzen stellt sich der Prozentsatz der vom Turnen
433
überhaupt befreiten Schüler folgendermafsen: Hannover 3,6, Hessen-
Nassau 4,7, Schleswig-Holstein 5, Ostpreußen 5,3 Schlesien 6,
Posen 6,2, Brandenbarg 6,7, Rheinprovinz 6,9, Pommern 7,1,
Sachsen 7,2, Westfalen 8,5, Westprenfsen 9,7. Der Prozentsatz der
an einzelnen Übungsarten nicht teilnehmenden Schüler bleibt in fünf
Provinzen unter 1 und steht in den sieben anderen zwischen 1 und
1,5. im ganzen zeigt dies Ergebnis gegenüber den in den Jahren
1882 und 1890 ermittelten Zahlen einen nicht geringen Fortschritt;
dafe aber im einzelnen in dieser Beziehung noch manches zu wünschen
übrig bleibt, wird durch die Thatsache erwiesen, dafs an einer Reihe
von höheren Lehranstalten, besonders in den grofsen Städten, die
Zahlen der nicht turnenden Schüler noch immer zu hoch sind und
zu denen anderer Schulen, sogar an demselben Orte, in keinem rich-
tigen Verhältnisse stehen; so gehen sie neben verschwindend kleinen
Zahlen in Sachsen in einer Anstalt bis zu 21,8%, in der Rhein-
provinz bis zu 22,7%) in Westprenfsen bis zu 26,5%, in Berlin
bis zu 30%, in Westfalen bis zu 32,4%. Allerdings bereiten in
den meisten dieser Fälle die örtlichen Verhältnisse der Teilnahme
entfernt wohnender Schüler am Turnunterrichte besondere Schwierig-
keiten, deren Überwindung zu erstreben bleibt. Für das Turnen im
Freien stehen bei 289 Anstalten Turnplätze zur Verfügung, von
denen etwa die Hälfte unmittelbar bei dem Schulhause liegt; bei
207 Anstalten können dazu Schulhöfe benutzt werden, deren Gröfse
und Ausstattung freilich mehrfach nur die Vornahme einzelner
Übungsgruppen gestattet. Die Möglichkeit, den Turnunterricht,
wie es bei günstigem Wetter in der Regel geschehen soll, im Freien
abzuhalten, ist bei etwa 5% der Anstalten noch nicht gewonnen.
Die Zahl der Turnhallen hat sich seit dem Jahre 1882 erheblich
gehoben. Zur Zeit kann bei 472 höheren Lehranstalten in einer
Halle geturnt werden; allerdings entsprechen von diesen Hallen
viele nur bescheidenen Ansprüchen, manche auch überhaupt nicht
mehr den gesteigerten Anforderungen der neuen Lehrpläne, bei
deren Vorschrift, daß jeder Schüler wöchentlich drei Turnstunden
haben soll, es unter Umständen unvermeidlich werden kann, dafs die
Turnhalle auch von zwei Abteilungen gleichzeitig benutzt wird. Von
diesen 472 Anstalten haben 309 eigene Turnhallen, und zwar 282
solche in unmittelbarer Nähe des Schulhauses, dagegen müssen sich
163 in die Benutzung der Turnhalle mit anderen Schulen teilen,
und bei 128 von ihnen bereitet deren entfernte Lage noch besondere
Schwierigkeiten für den gesamten Unterrichtsbetrieb. Bei der geringeren
Hälfte der Anstalten, die über eine Turnhalle noch nicht verfügen,
wird im Winter in einem anderweitigen geschlossenen Räume geturnt;
ganz ausfallen mufs aber der Turnunterricht im Winter noch an 26
434
meist kleineren öffentlichen höheren Schulen, von denen allein lO
auf die Kfceinprovinz kommen. Die Zahl der Instalten ohne Winter-
turnen belief sich im Jahre 1862 noch auf etwa 80. Während an
den Wfi Anstalten im Sommer d. J. insgesamt 5479 getrennt zu
unterrichtende Schulklassen bestanden, waren au* den 131206 am
Turnen teilnehmenden Schülern im ganzen 2923 Turnabteüungen
von sehr verschiedener Stärke gebildet, auf die, von den besonderen
Yorturnerstunden abgesehen, 7638 wöchentliche Turnstunden kamen.
Die jetzt vorschriftsmäfsigen drei wöchentlichen Turnstunden Ar afie
Schuler waren bereits bei 364 Anstalten eingerichtet, wahrend 159
damit noch im Rückstände sich befanden. Auch den in den neuen
Lehrplänen hinsichtlich der Gestaltung des Turnunterricht» auf der
Unter- und Mittelstufe einerseits und der Zulässigkeit des Biegen-
turnen* auf der Oberstufe andererseits enthaltenen Vorschriften konnte
aus Äusseren Gründen bisher nur zum Teil entsprochen werden ; eine
gleichmäßige Regelung des Turnbetriebes in dieser Beziehung wird
dem nächsten Schuljahre vorzubehalten sein. Mit Turnunterricht
betraut sind zur Zeit etwa 1240 Lehrer, gegen ungefthr 870 im Jahre
1882 und 1080 im Jahre 1890; eine ganz genaue Angabe ist des-
halb unmöglich, weil in gröfseren Städten mehrfach dieselben Lehrer
an mehreren Anstalten Turnunterricht zu erteilen haben und so die-
selben Personen an verschiedenen Stellen unter den Turnlehrern
mitgezählt wurden. Von der Gesamtzahl der Turnunterricht er-
teilenden Lehrer waren 1064 Lehrer der Anstalt selbst, 974 mit
akademischer, 390 mit seminaristischer Bildung, während die übrigen,
etwa 170, als dem Lehrkörper nicht angehörige Hilfskräfte bezeichnet
werden. Ein besonderes Zeugnis über ihre Vorbildung für den
Turnunterricht, sei es durch Teilnahme an einem Kursus der Turn-
lehrerbildungsanstalt, sei es durch Ablegung der Turnlehrerprttfung,
besitzen von den erstgenannten 1064 Lehrern 701, von den letzt-
genannten Turnlehrern etwa sechs Siebentel. Die Zahl der akademisch
gebildeten Lehrer, die auch Turnunterricht erteilen, ist kn Laufe
der Jahre zwar nicht gleichmäfsig in den verschiedenen Prorinaen,
aber im ganzen recht erheblich gestiegen, und obwohl neuerdings
wieder infolge der neuen Lehrpläne hier und dort auch Lehrer mit
Turnunterricht betraut worden sind, die ein Turnlehrerzeugnis bisher
noch nicht erworben haben, ist doch der Prozentsatz solcher von
41,3 im Jahre 1882 jetzt schon auf 31,1 zurückgegangen. Es darf
gehofft werden, dafe die Einrichtung von halbjährigen Kursen zur
Ausbildung von Turnlehrern aufser in Berlin auch in Halle, Breslau,
Königsberg i. Pr. und Bonn darin noch weitere Fortschritte herbei-
führen wird. Für den Betrieb von Jugendsprelen sind bei ctor
überwiegenden Mehrzahl der Anstalten besondere Stunden angesetzt ;
435
mt in dea Provinzen Posen, West- und Ostpreufsen sind in An-
halten mit derartigen Einrichtungen noch in der Minderheit. Die
Pflege der Jagendspiele ist aber an den einzelnen Schalen, was die
Zahl der ihr gewidmeten Stunden, die für diese seitens der Schale
getroffenem Anordnungen, die Beteiligung der Schüler nach Zahl und
Alter anlangt, so verschieden, dafe darüber eine zusammenfassende
Angabe zw Zeit noch nicht möglich ist. Thatsache ist, dafe er-
fieenhclerweise der hohe Wert der Bewegungsspiele fttr die Erfrischung
wd Kräftigung der Jugend immer mehr anerkannt wird. Gelegen-
heit, das Schwimmen zu erlernen und zu üben, haben die Schüler
von 457 Anstalten. Data Lehrer der Schule selbst den Schwimm-
unterricht erteilen, ist freilich verhältnismässig selten, wohl aber
bestehen bei 73 Anstalten zu den diesem Zwecke dienenden Ein-
richtungen irgend welche bestimmte Beziehungen. Für die Schüler
von 66 Anstalten ist leider durch die örtlichen Verhältnisse die
Möglichkeit, das Schwimmen zu erlernen oder zu üben, ausgeschlossen.
Was schließlich die Vereinigungen von Schülern zur Pflege
des Turnens, des Turnspieles und verwandter Leibes-
übungen betrifft, so bestehen solche mehr in den westlichen als
in den östlichen Provinzen. Nach den Angaben, die darüber von
den einzelnen Anstalten gemacht worden sind, waren im ganzen 78
SdAlerturnvereine vorhanden, aus deren Mitgliedern meist die Vor-
turner Ar das Biegenturnen genommen wurden und die dadurch auch
mr den gesamten Turnbetrieb der betreffenden Anstalt nutzbar gemacht
werden konnten. An 12 Anstalten bestanden Rudervereine, an
einigen 20 Vereinigungen für Bewegungsspiele, darunter 17 zur
Pflege des Fußballspiels.
Sekülerfcerbergen im Riesengebirge. Durch den Riesen-
gehirgsverein ist im vorigen Sommer der erste Versuch mit der
Einrichtung von Schülerherbergen in Brückenberg und Petersdorf
gemacht worden. Die Zahl der Besucher betrug nach der „Päd.
Wart." in Brückenberg 129, in Petersdorf 131. Die meisten
Frequentanten stellten Breslau und Dresden.
Zar Forderung der körperlichen Ausbildung an den
Müteteehnlen Österreichs. Die „Neu. Fr. Pr.u schreibt: Behufs
teilweiser Bestreitung der Kosten für die körperliche Erholung und
Ausbildung der Schüler wird die Aumahmetaxe, respektive Einschreib-
gebühr für Schüler an den Landesmittelschulen Österreichs vom
Schuljahr 1893/94 an von 1 fl. auf 2 fl. erhöht. Der Landes-
aosaehufe ist ermächtigt, mittellose Schüler von der Entrichtung dieser
Gebühr zu befreien und den aus der Erhöhung der jahrlichen Ein-
schreibgebühr sich ergebenden Mehrbetrag fttr obige Zwecke zu
verwenden.
436
Rudern der Realschüler in Lanenbnrg a. E. in dein
jüngsten Jahresberichte der Albinusschule zu Lauenburg schreibt der
bekannte Direktor Raydt : Für eine der gesundesten Leibesübungen
halt der Unterzeichnete das Rudern auf Strom und See. Wird
doch bei den regelmässigen Ruderbewegungen die Lunge zu kräftigster
Tiefatmung angeregt und kann dadurch die kohlensäurehaltige Stuben-
luft aus- und die ozonreiche Wasserluft reichlich einatmen. Bietet
nun die Elbe gute Gelegenheit zum Rudern, so war doch in Lauen-
burg kein geeignetes Ruderboot vorhanden. Es galt, ein solches zu
beschaffen, und fand der Unterzeichnete ohne sonderliche Mühe eine
Anzahl Bürger, welehe zu diesem Zweck jeder den nicht unerheb-
lichen Beitrag von 50 Mark zahlten. Das Boot wurde auf der
hiesigen Schiffswerft des Herrn Hitzler gebaut. Es ist in jeder
Weise gut ausgefallen und macht der tüchtigen Firma, welche das-
selbe nach eigenen Zeichnungen konstruierte und genau den Ver-
hältnissen des Eibstroms anpafete, alle Ehre. Das eiserne Boot
besitzt Luftkasten, deren Volumen so berechnet ist, dafe das-
selbe, auch wenn es ganz voll Wasser schlagen sollte, nicht unter-
gehen kann. Um aber jeden Unglücksfall möglichst zu verhüten,
werden nur solche Schüler zum Rudern zugelassen, welche sich
vor dem Direktor als gute Schwimmer ausgewiesen haben. Das
Boot wird gewöhnlich von 6 Mann gerudert und kann dann noch
6 Personen Ablösungsmannschaft aufnehmen; es rudert sich sehr
leicht, wenngleich es kein eigentliches Rennboot ist, welches hier
für die Elbe nicht pafst. Das Rudern macht den Schülern viel
Vergnügen, so dafe dieselben sich nur ungern ablösen lassen. Das Boot
wurde am 1. Juli eingeweiht und erhielt nach dem Gründer unserer
Schule den Namen „Albinus". Gewifs wird der schmucke und
doch kräftig gebaute „Albinus" noch manchen Schülergenerationen zur
gesunden Lust und Freude gereichen.
Gründung eines Slffjdvereins in Ungarn« Aus Budapest
wird uns geschrieben : Behufs Gründung eines Handfertigkeitsvereins
versammelten sich am 10. März d. J. in einem Beratungssaale des
ungarischen Abgeordnetenhauses auf Einladung des Munkacser
griechisch-katholischen Bischofs Julius FirczXk zahlreiche Ab-
geordnete, Schulmänner, Schriftsteller u. s. w. , welche nach den
Ausführungen des Professors Paul Guttenberg beschlossen, einen
Slöjdverein ins Leben zu rufen. Es wurde, um die Konstituierung
des Vereins vorzubereiten, ein engeres Komitee gewählt.
Ferienkolonien in Prag. Der Verein für böhmische Ferien-
kolonien in Prag hat auch im Laufe des vorigen Sommers 300 Kinder
zur Erholung in ländliche Kolonien geschickt. Während der zehn
Jahre seines Bestehens wurde mehr als 3000 Kindern diese Gunst
437
ra tefl, obwohl der Verein, ohne jede staatliche Unterstützung, nur
auf Mitgliederbeitrftge und milde Gaben angewiesen ist. Die Räume
für die betreffenden Kolonien werden meistens von adeligen Guts-
besitzern in unbewohnten Schlössern und Landhäusern erbeten.
Mehrere Schüler, namentlich Mittelschüler, fanden auch in Familien
und Badeorten Unterkunft. Im Laufe des vorigen Sommers be-
standen fünf gemeinschaftliche Kolonien, davon zwei mit wiederholter
Frequenz. Die Teilnehmer waren Schüler und Schülerinnen im
Alter von 6 bis 17 Jahren. Nach ärztlichen Untersuchungen be-
fanden sich darunter 24 Kinder, denen 5 kg am Normalgewicht fehlten,
26, die um 6 kg, 30, die um 7 kg und 32, die um mehr als
7 kg weniger als das Normalgewicht hatten ; 55 waren lungenkrank
und 127 blutarm. Der Zuwachs an Gewicht betrug durchschnittlich
bis zu 3 kg.
Ein Arbeitstisch, der zugleich als Barren und Beck
benutzt werden kann, ist von Bernhard Hagen in Berlin, Neue
Winterfeldtstrafee 4, konstruiert und unter No. 66750 für das
deutsche Beich patentiert worden. Der Apparat, den der Erfinder
nach dem bekannten Turnvater „Jahntisch" benannt hat, ist als
Tisch, Schreibpult und Barren verwendbar. Damit auch ein Turnen
im Hang ermöglicht wird, kann noch eine erhöhte Reckvorrichtung
auf dem Barren angebracht werden. Die Konstruktion des „Jahn-
tisches" ist sehr dauerhaft und stabil, so dafs keine Gefahr irgend
einer Verletzung besteht. Das Verstellen geschieht in einfachster
Weise und kürzester Zeit. Die Gröfsenverhältnisse sind für Kinder
zweckentsprechend. Der Preis des aus Buchenholz gearbeiteten
Apparates beträgt mit Reckvorrichtung 25 Mark.
änttli4)e Verfügungen.
Erlafs des Königlich preußischen Unterrichtsministers
cur Verhütung von Unglücksfällen bei Schülern.
Berlin, den 21. September 1892.
Vor kurzem hat sich auf einer Gymnasialbadeanstalt der er-
schütternde Vorfall ereignet, dafis ein, Schüler beim Spielen mit einer
Salonpistole von einem Kameraden seiner Klasse erschossen und so
einem jungen hoffnungsreichen Leben vor der Zeit ein jähes Ende
bereitet wurde.
Das Königliche Provinziaischulkollegium weise ich an, den
Anstaltsleitern seines Aufsichtsbezirkes aufzugeben, dafs sie bei Mit-
438
teilung dieses schmerzlichen Ereignisses der ihrer Leitung anvertrauten
Schuljugend in ernster tmd naehdrüklicher Wannng vorstellen, nie
unheilvolle Folgen ein frühzeitige«, unbesonnenes Führen von 8chuÄ-
waffien nach sich ziehen kann «id wie noch Über das Leben des
zurückgebliebenen unglücklichen Mitschülers för alle Zeit ein dflnUuw
Schatten gehreitet sein mnis.
Gleichzeitig ist nher anch feefeusfcetten, dafs Schüler, die, ml
es in der Schule oder heim Turnen und Spielen, auf der Badeanstalt
oder auf gemeinsamen Ausflügen, kurz wo die Schule für «ine an-
gemessene Beaufsichtigung verantwortlich ist, im Besitze vom gefthr*
liehen Waffen, insbesondere von Pistolen und Revolvern, betroffen
werden, mindestens mit der Androhung der Verweisung von der
Anstalt, im Wiederholungsfälle aber unnachsidhtiieh mit Verweisung
zu bestrafen sind.
Der Minister der geistlichen ete. Angelegenheiten.
(Gez.) Bosse.
An sämtliche Königliche Provinrialschuikoikgieii*
Empfehlung des Auerseken GnsgttMidites Ar ftffentlicke
Gebäude, Auditorien, Laboratorien n. a. w. durek das Kfaiglaek
preifsiseke Ministerium der geistlichem, Unterrichta-
nnd Medirinalnngefegenheiten.
Durch mannigfache Vorzüge vor anderen Beleuektungsarten hat
in Jüngster Zeit das Gasglühlicht — sogenanntes Aunnaches Licht —
die aligemeine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt. Zur näheren In-
formation über dasselbe und namentlich zur Bildung eines Drtoia
darüber, ob und in welchen Grenzen es sich zur Verwendimg in
öffentlichen Gebäuden, Auditorien, Laboratorien, Kliniken etc. eignet,
sind deshalb mehrfach Versuche angestellt worden, namentlich hat
anch die physikalisch-technische Reichsanstalt Untersuchungen und
Messungen an dem gedachten Lichte vorgenommen. Dabei und bei
der praktischen Verwendung des Lichtes für verschiedene Zwecke
hat sich herausgestellt: Gasglühlicht hat bei 120 1 stündlichem Gas-
verbrauch 60 Normalkerzen Lichtstärke; ein gewöhnlicher Gas-
Argandbrenner dagegen nur SO Normalkerzen, dabei aber einen
höheren Gasbedarf von 200 1. Es ist also bei Gasglühlicht dem
Gas- Argandbrenner gegenüber die fünffache Ausnutzung des Gases
und bei erheblich geringerem Gasverbranch die dreifache LichtstM&e
gewonnen.
Aufsar der sich hiernach ergebenden Kostenersparnis, bezw. der
bedeutend höheren Leuchtkraft sind noch weitere sehr beacbtugB-
werte Vorteile des Gasglühlichts erwiesen.
Da der netzförmige Glühkörper das brennende Gas von allen
430
Seiten ummantelt, so ist^ein Entweichen unvollständig verbrannte» Gases
maieden, es entsteht .kein Blaken und keine Bu&ohlagerung .u. b. w.,
die bei gewöhnlichen Brennern sehr bald eintretende Beschmntzung
der Becken nnd Treten fl&Ut fort, die Zimmerinft bleibt rein und
der Gesundheit zuträglich. Erläuternd sei bemerkt., dafs nicht da»
verbrennende Gas selbst die Lichtquelle abgibt, sondern <dafs das
brennende Gas daza benutzt wird, ein mit reinem Toriumoxyd
getränktes Banmwollengewebe , den sogenannten Strumpf, in
dauernde Weifsglühhitze zu versetzen, so dafs dieser glühende Ge-
webestrumpf mit seiner viel energischeren Leuchtkraft den eigent-
lichen Leuchtkörper abgibt.
Sehr bemerkenswert ist das gleachmä&ige ruhige Leuchten nnd
besonders die geringe, eine Überhitzung ausscfalielsende Wärme-
entwickelung des Gaslichtes, sowie der Umstand, dafs dasselbe,
ähnlich wie das elektrische Bogenlicht, durch seine weilse Färbung
alle Ablagen Farben deutlich unterscheiden läfst, was bei Operationen
und Untersuchungen von Wichtigkeit sein dürfte.
Die durch Auswechselung des ungefähr 2 Mk. kostenden Gewebe-
strumpfes und des Cylinders etc. entstehenden Unterhaltungskosten
haben in letzter Zeit infolge verbesserter Aufhängevorrichtung und
dadurch erreichter längerer Dauer des eigentlichen Leuchtkörpers
erhebliche Einschränkungen erfahren. Der im Anfange hervor-
getretene Übelstand, dafe der Strumpf bei der geringsten Berührung
in sich zusammenfiel, ist bald beseitigt worden. Der Leuchtkörper
bleibt infolge der jetzt bestehenden centralen Aufhängung desselben
— gegenüber der früheren seitlichen — bei einigermafsen vor-
sichtiger Behandlung der Lampen ziemlich lange brauchbar; eine
Berührung desselben mab allerdings vermieden werden. Die in
einigen wissenschaftlichen Instituten angebrachten Lampen bewähren
sich auch nach dieser Einrichtung sehr gut und haben nur selten
des Ersatzes zerstörter Leuchtkörper bedurft. Auch zum Mikro-
photographieren nnd zum Mikroskopieren hat sich das Licht als sehr
verwendbar erwiesen, obwohl bei Arbeiten mit dem Mikroskope bei
der Nähe, in welche der Leuchtkörper zu diesem gebracht werden
xnu£sy die Gefahr einer Berührung besonders grofs ist.
Die Auswechselung des Strumpfes wird hier in der Begel durch
Arbeiter einer Specialfirma ausgeführt, kann aber nötigenfalls auch
durch andere Personen besorgt werden.
Nach alledem kann das Gasglühlicht zur Verbesserung der Gas-
beleuchtung in Universitätsinstituten, Kliniken etc. durchaus em-
pfohlen werden; in den meisten Fällen wird dasselbe auch einen
angemessenen Ersatz für elektrische Beleuchtung gewähren und
letztere entbehrlich machen.
440
Ew. Hochwohlgeboren ersuche ich hiernach ergebenst, gefälligst
in geeigneten Fällen sich die Einführung des Gasglühlichtes angelegen
sein zu lassen. Die hierdurch entstehenden Kosten können ans
laufenden Mitteln der einzelnen Institute bestritten werden, sofern
damit nach und nach Torgegangen wird.
Berlin, den 27. März 1893.
Der Minister der geistlichen,
Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten.
(gez.) Bosse.
An sämtliche Universitätskuratoren etc.
Vorschriften des Königlich preufsischen Kultusministers über
das Ausfallen des Unterrichtes bei grofser Hitze.
Berlin, den 24. August 1892.
Die Königliche Regierung veranlasse ich festzustellen,
1. in wie vielen höheren Mädchen-, Mittel- und städtischen
Volksschulen Ihres Bezirkes in diesem Sommer wegen ttber-
grofser Hitze eine Kürzung des Schulunterrichtes statt-
gefunden hat, und
2. in wie vielen Schulen vorbezeichneter Art dies nicht der
Fall gewesen ist.
Das Ergebnis ist in übersichtliche, nach Kreisen geordnete
Tabellen aufzunehmen, welche mir binnen 14 Tagen pünktlich vor-
zulegen sind.
Dabei nehme ich Gelegenheit, die Aufmerksamkeit der König-
lichen Regierung wiederholt auf die hier in Rede stehende An-
gelegenheit zu lenken.
Mit Rücksicht auf die grofse Verschiedenheit in den Verhält-
nissen an den einzelnen hierbei in Betracht kommenden Schulen bin
ich nicht in der Lage, eine allgemeine, gleichmäßig bindende Ver-
fügung von hier aus zu erlassen. Ich beauftrage vielmehr die
Königliche Regierung, für die höheren Mädchenschulen, Mittelschulen
und sonstigen gröfseren Schulkörper Ihres Aufsichtsbezirkes die ent-
sprechenden Bestimmungen selbst zu geben. Für die einfacheren,
namentlich für die Landschulen, wird es Sache der Kreisschul-
inspektoren sein, unter Genehmigung der Königlichen Regierung die
erforderlichen Anordnungen zu treffen. Hierbei ist festzuhalten:
1. Wenn das hundertteilige Thermometer um 10 Uhr vor-
mittags im Schatten 25 Grad zeigt, darf der Schulunterricht
in keinem Falle über vier aufeinanderfolgende Stunden
ausgedehnt, und ebensowenig darf den Kindern an solchen
Tagen ein zweimaliger Gang zur Schule zugemutet werden.
2. Auch bei geringerer Temperatur ist eine Kürzung der
441
Unterrichtszeit notwendig, wenn die Sobulzimmer zu niedrig
oder zn eng, bezw. die Schulklassen überfüllt sind.
3. Auch wenn die betreffende Schulklasse während der vollen
Zeit unterrichtet wird, müssen Kinder, welche einen weiten
schattenlosen Schulweg haben, von einem zweimaligen Gange
zur Schule an demselben Tage befreit werden.
4. Es bleibt zu erwägen, ob bei Schulen, welche geräumige,
schattige Spielplätze haben , unter Umständen der lehrplanmäfsige
Unterricht durch Jugendspiele unterbrochen werden kann.
5. Die Entscheidung über Ausfall und Kürzung des Schul-
unterrichts in jedem einzelnen Falle trifft bei gröfseren
Schulkörpern der Vorsteher der Schule (Direktor, Rektor),
bei kleineren der Ortsschulinspektor und, wenn ein solcher
nicht am Orte ist, der Schulvorstand.
An die sämtlichen Königlichen Regierungen der Monarchie.
Abschrift erhält das Königliche Provinzialschulkollegium zur
Kenntnis und gleichmäfsigen Beachtung hinsichtlich der dem König-
lichen Provinzialschulkollegium unterstellten Schullehrerseminare,
höheren Mädchenschulen, Taubstummen- und Blindenanstalten.
Der Minister der geistlichen u. s. w. Angelegenheiten.
I. V.
(Gez.) von Weyrauch.
An die sämtlichen Königlichen Provinzialschulkollegien der Monarchie.
Verfügung des k. k. niederösterreichischen Landesschulrates
vom 13. Juli 1892, Z. 5671, betreffend die Beschäftigungs-
mittel Ar Kindergärten, VolkskindergHrten und
Kinderbewahranstalten.
Vielfache Bedenken, welche sowohl vom sanitären als vom
pädagogischen Standpunkte gegen manche in den Kindergärten,
Volkskindergärten und Bewahranstalten eingeführten Beschäftigungs-
mittel laut geworden sind, nicht minder aber auch die häufig ge-
machte Wahrnehmung, dafs in vielen dieser Anstalten das Haupt-
gewicht auf möglichst effektvolle Arbeitsleistungen der Kinder behufs
Veranstaltung von öffentlichen Ausstellungen gelegt und hierdurch die
eigentliche Aufgabe der Kindergartenerziehung in den Hintergrund
gedrängt wird, haben den k. k. niederösterreichischen Landesschulrat
veranlagst, die vom Vereine* für Kindergärten und Kinderbewahr-
anstalten in Österreich vorgelegte Sammlung von Beschäftigungs-
mitteln einer sorgfältigen Revision zu unterziehen und auf Grund
der von berufenen Faktoren, sowie von sämtlichen Bezirksschul-
inspektoren des Wiener Schulbezirkes eingeholten Gutachten folgendes
anzuordnen:
8eholgmiuidhettspfl«f« VT. 29
442
Von den in den Kindergarten, Volkskindergärten und Bewahr-
anstalten gebräuchlichen Beschäftigungen sind Ballspiel, Bauen, Legen
mit Täfelchen, mit Stäbchen, mit Ringen und mit rundlichen Körpern
(wie Steinchen, Schneckenhäuschen, Muscheln, Lärchen-, Tannen und
Erlenzapfen, Eichelnäpfchen, Buchnüssen, Mais und Kürbiskernen),
Zeichnen, Kettensclmtiren, Falten und Thonformen allgemein zulässig.
Dagegen sind Legen mit Verschränkspänen, Ausschneiden und
Stäbchenstecken nur unter der Bedingung gestattet, daß sie mit einer
kleinen Zahl der entwickelteren Zöglinge vorgenommen werden, da£s
ausreichendes Licht vorhanden ist und den Kindern die notwendige
Aufsicht und Unterstützung seitens der Kindergärtnerin gewährt
werden kann.
Andere Beschäftigungen können versuchsweise auf ein Jahr mit
Bewilligung des Bezirksschulrates innerhalb seines Wirkungskreises,
über diese Zeit hinaus mit Bewilligung des Landesschulrates zur
Durchführung gelangen.
Unbedingt verboten sind Ausstechen, Samenklauben, Verschnüren,
Fadenspiel und Perlenauffassen.
Diese Anordnung bat auf die Spiele (Bewegungs- und Nach-
ahmungsspiele, Spiele mit Steckenpferden, Treibreifen, Sandformen,
Gartengeräten für Kinder u. s. w.) keinen Bezug.
Die Beschäftigungspläne der Kindergärten, Volkskindergärten
und Bewahranstalten sind unter Beachtung dieser Anordnung umzu-
arbeiten und zu Beginn des Schuljahres 1892/93 dem Bezirks-
schulräte zur Genehmigung vorzulegen.
Damit die Beschäftigungsmittel ihrer Größe nach im allgemeinen
dem metrischen Längenmaße entsprechen, ohne an Handlichkeit ein-
zubüfsen, und in ihrer Beschaffenheit Nachteile für die Gesundheit
der Kinder ausschließen, wird angeordnet:
Die Gummibälle sollen einen Durchmesser von 5 oder 10 cm
haben und ungefärbt sein; die Wollbälle für die Hand der Kinder-
gärtnerin sollen in den wichtigsten Farben und mit einem Durch-
messer von Vs cm hergestellt sein.
Als Baukasten sollen der 1. und 2. FRÖBBLsche Baukasten
(Wiener Ausgabe), in welchem jeder Würfel 37s cm Kantenlänge
hat, und der 1. und 2. Wiener Baukasten mit derselben Würfel-
gröfse in Verwendung kommen.
Als Legetäfelchen sind ganze und diagonal halbierte Quadrat-
täfelchen von 37s cm Seitenlänge, in verschiedenem Farbstoff gebeizt,
doch nicht lackiert, zu verwenden.
Die Yerschränkspäne sollen 20 cm lang, 1 cm breit und bei-
läufig 2 mm dick und in verschiedenem Farbstoff gebeizt sein oder
die natürliche Holzfarbe haben.
443
Die Stäbchen zum Stäbchenlegen und Stäbchenstecken sollen
flacbrund oder vierkantig in der Länge einer Würfelkante des
1. Wiener Baukastens von 31/« cm oder eines Vielfachen dieser
Länge hergestellt sein.
Die ganzen und halben Ringe sollen ans genügend starkem,
verzinntem oder vernickeltem Eisendrahte angefertigt sein und im
Durchmesser 31/» oder 6*/s cm messen. Die Enden der Halbringe
müssen abgerundet sein.
Die Faltblätter sollen ans ungeglänztem, ein- und zweifarbigem
Papiere hergestellt und 1 cm1 groft sein. Abfärbendes Papier darf
nicht verwendet werden.
Die Flechtblätter und Flechtstreifen sollen ans halbsteifem, ver-
schieden gefärbtem Papier und der Form nach quadratisch oder
rechteckig sein. Beim quadratischen Flechtblatte soll der Flecht-
raum um die Kantenlänge eines Würfels des 1. Wiener Baukastens
(31/s cm) verlängert sein. Die Flechtstreifen sollen 1 — 2 cm breit
sein. Abfärbendes Papier darf nicht verwendet werden.
Die Ausnähblätter sollen aus steifem, hellgefärbtem, doch un-
geglänztem Papier in der Größe der Flechtblätter hergestellt sein
und die auszunähende Form, soweit als erforderlich, vorgezeichnet
und durchstochen enthalten; die Stichweite hat gewöhnlich 1 cm zu
betragen; nur wo es zur Deutlichkeit der Form unbedingt geboten
erscheint, darf ausnahmsweise zur Stichweite von 5 mm herabgegangen
werden.
Die Ausnähnadel soll grofs sein und eine abgestumpfte Spitze
haben; abfärbendes Papier und abfärbende Wolle darf nicht in Ver-
wendung genommen werden. Letzteres gilt auch für das Material
zum Kettenschnüren.
Die Schiefertafel soll einen schmalen Holzrahmen mit ab-
gerundeten Ecken besitzen; der Schiefer soll dunkel (nicht grau) sein
und weder Punkte noch ein Liniennetz haben. Der Schieferstift soll
sehr weich und in Holz gefafst sein. Das Zeichenpapier soll weifs
und rauh, der Bleistift weich (No. 2) sein.
Die Schere zum Ausschneiden soll abgerundete Spitzen haben;
das Ausschneideblatt soll dünn, ungeglänzt, weife oder gefärbt und
1 dm* groüs sein; es kann die auszuschneidende Form durch Zeich-
nung oder Druck angezeigt enthalten.
Das Thonbrettchen soll dünn und glatt sein und abgerundete
Ecken haben.
Die Anwendung des ModeUiermessers mit abgestumpfter Klinge
ist nur einzelnen größeren Kindern bei entsprechender Aufsicht zu
gestatten.
Um der Verbreitung ansteckender Krankheiten durch den Ge-
29*
444
brauch der Beschäftigungsmittel vorzubeugen, wird angeordnet, dafe
die Körperchen zum Legen (Steinchen, Muscheln etc.), die Bausteine,
Täfelchen, die Verschränkspäne, die Stäbchen, das Thonbrett, das
Modelliermesser, die Zeichentafel, der Zeichenstift, die Schere und
die Ringe wöchentlich einmal tüchtig gewaschen, bei Auftreten
ansteckender Einderkrankheiten desinfiziert werden und dafs die
Näh-, Falt-, Flecht- und Ausschneideblätter und das Material zum
Kettenschnüren nur einmal zur Verwendung kommen.
Die gleiche Sorgfalt ist den Spielmitteln (Bällen, Blechformen,
Gartengeräten, Steckenpferden, Reifen u. s. w.) zuzuwenden.
flerfottalien.
Dem Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamtes Dr. Köhler
in Berlin wurde der rote Adlerorden II. Klasse mit Eichenlaub und
Krone verliehen.
Bei dem Königlich preußischen Ministerium der geistlichen,
Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten sind die Geheimen Re-
gierungsräte und vortragenden Räte Hegel und Wever zu Geheimen
Oberregierungsräten befördert worden.
Der Ministerialrat und Sanitätsreferent im k. k. österreichischen
Ministerium des Innern Dr. Emanuel KüSY ist in den Ritterstand
erhoben worden.
Den k. k. Landessanitätsreferenten Dr. Ludwig Ritter von
Karajan in Wien, Dr. Josef Mebunowioz in Lemberg and
Dr. Ignaz Pelo in Prag wurde der Orden der eisernen Krone
III. Klasse verliehen.
Dem Stadtphysikus von Wien Dr. Emil Kammerer ist der
Titel Regierungsrat beigelegt worden.
Unser verehrter Mitarbeiter, Herr Oberrealschuldirektor a. D.
Dr. Nobggerath zu Hirschberg in Schlesien, erhielt den roten
Adlerorden m. Klasse mit der Schleife.
Mit dem Ritterkreuz I. Klasse des Königlich sächsischen Ver-
dienstordens sind der Rektor der Fürsten- und Landesschule zu
Grimma, Professor Dr. Kurt Gehlert, sowie die Bezirksschal-
inspektoren, Schulrat Karl Gotth. Dachselt in Chemnitz und
Schulrat Ernst E. Lohse in Zwickau, dekoriert worden.
Dr. Adolf Jolles in Wien erhielt in Anerkennung erfolgreich
durchgeführter hygienischer Untersuchungen das Ritterkreuz des
Daniloordens.
445
Unserem geschätzten Mitarbeiter, Herrn Bezirksarzt Dr. Yincenz
Bbbchler Rittsr von Tboseowitz in Leitmeritz, ist das goldene
Verdienstkreuz mit der Krone verliehen worden.
Den Kreisschulinspektoren Faust in Neisse, Dr. Hüppb in
Kosel und Czygan in Falkenberg wurde der Charakter als Schulrat
beigelegt.
Unser verehrter Mitarbeiter, Herr Oberlehrer am Realgymnasium
in Altana, Dr. Mbhmel, hat die Amtsbezeichnung Professor er-
halten.
Der erste Lehrer an der städtischen TaubBtummenschule in
Berlin Albert Gutzmann wurde zum Yiceprftsidenten der Ab-
teilung für körperliche Erziehung bei dem pädagogischen Welt-
kongresse in Chicago ernannt und ersucht, einen Aufsatz über die
physische Ausbildung der Taubstummen an das Komitee des Kon-
gresses einzusenden.
Kreisschulinspektor Schulrat Tarony zu Königsberg i. Pr.
ist zum Provinzialschulrat daselbst gewählt worden.
Der aufserordentliche Professor in der medizinischen Fakultät
zu Berlin und Direktor der städtischen Irrenheilanstalt in Lichten-
berg Dr. Moeli ist als ordentliches Mitglied in die wissenschaft-
liche Deputation für das Medizinalwesen eingetreten.
Unser geschätzter Mitarbeiter, der im österreichischen Ministerium
des Innern in Verwendung stehende Bezirksarzt I. Klasse Dr. August
Netolitzky, wurde zum k. k. Ministerialvicesekretär befördert.
Der Geheime Oberschulrat Soldau in Darmstadt und Direktor
Professor Dr. Ritter in Rudolstadt sind zu Mitgliedern der deutschen
Reichsschulkommission ernannt worden.
Dr. Pillon hat bis zum Ende des Schuljahres 1892—93 die
Leitung des hygienischen Laboratoriums bei der medizinischen
Fakultät in Nancy übernommen.
Der inspizierende Amtsarzt in Steiermark, k. k. Bezirksarzt
I. Klasse Dr. August Schneditz, wurde zur Dienstleistung im
Sanitätsdepartement des österreichischen Ministeriums des Innern ein-
berufen.
Der Neffe Professor Pasteurs A. Loir ist zum Direktor
des neugegründeten bakteriologischen Institutes in Sydney ernannt
worden.
Die Stelle eines ordinierenden Arztes und Vorstandes einer
okulistischen Abteilung der Wiener k. k. Krankenanstalten wurde
dem bisherigen Leiter der Augenabteilung im Krankenhause Wieden,
Primarärzte Dr. Hans Adler, der zu unseren Mitarbeitern zählt,
übertragen.
Dr. med. Dblvaille in Bayonne, gleichfalls unser Mitarbeiter,
446
ist von der französischen Regierang mit einer Mission nach Belgien
und Holland betrant worden, um die schulhygienischen Verhältnisse
daselbst zu studieren.
Unser verehrter Mitarbeiter, Herr Professor der Augenheilkunde
Dr. Hebmann Cohn, begeht am 24. Juli das fünfundzwanzigjährige
Jubiläum seiner akademischen Lehrthätigkeit in Breslau. Wir bringen
dem hochverdienten Vorkämpfer der Schulhygiene unsere angelegent-
lichsten Glückwünsche zu seinem Ehrentage dar.
Wie aus Paris gemeldet wird, hat sich der Zustand Professor
Pasteurs, der seit längerer Zeit an organischer Herzschwäche leidet,
verschlimmert; man hegt ernste Befürchtungen für das Leben des
greisen Gelehrten.
Am 16. Mai starb der Geheime Regierung«- und vortragende
Rat im Königlich preufsischen Kultusministerium, Professor Dr.
Konrad Schottmüller, 51 Jahre alt.
Der um den Taubstummenunterricht verdiente Hofrat Karl
Renz in Stuttgart ist am 27. Januar einer Lungenentzündung er-
legen.
Am 7. April verschied in Riga der Veteran unter den Ärzten
dieser Stadt, Staatsrat Dr. Wilhelm von Reichard, im 83. Lebens-
jahre; der Heimgegangene fungierte auch an mehreren dortigen
Schulen als Arzt.
fitteratur.
Besprechungen.
Dr. Adriano Garbini. Evoluzione della voce nella infiraria.
Memoria, letta il 3. Juglio 1892 all' Accademia d'Agricoltura,
Arti e Commercio di Verona. Con 10 tab. Verona, 1892.
Stabilimento tipo-lit. G. Franchini. (53 S. 8°.)
Der Verfasser bestrebt sich, eine in der medizinischen sowohl
als in der musikalischen Litteratur herrschende Lücke auszufüllen.
Über die Entwickelung der Stimme im zarten Kindesalter sind die
bisher bekannt gewordenen spärlichen Angaben so gut wie wertlos
und einander vollständig widersprechend.
Zum Teil durch Beobachtungen von Säuglingen, zum Teil durch
Studien, die in den in Verona eingebürgerten FRÖBELschen Kinder-
gärten angestellt wurden, suchte Dr. Garbini die Stimme des
Kindes in sprachlicher und namentlich in musikalischer Beziehung
näher kennen zu lernen. Seine Mitteilungen umfassen die ersten
447
Natarlaute der Säuglinge und sodann die Entwickelung der kindlichen
Stimme bis zum sechsten Lebensjahre einschließlich. Er versucht
die natürlichen Grenzen des Stimmumfanges für diese Zeit fest-
zustellen. Ferner bestimmt er, wann zuerst das Kind musikalische
Töne zu reproduzieren im stände ist. Die Qualität dieser Töne
wurde näher untersucht, und endlich gelangt die Frage zur Be-
sprechung, innerhalb welcher Grenzen der kleinen Kindern erteilte
Gesangunterricht einen für die Entwickelung der Stimme und des
musikalischen Gehörs heilsamen Einflufs ausüben könne.
Der Autor geht von der Voraussetzung aus, dafs der Neu-
geborene taub, zum wenigsten für Schalleindrücke unempfindlich sei.
Die frühesten wimmernden Töne, die der Säugling von sich gibt,
sind nur reflektorisch hervorgerufen und durch die neuen ihn um-
gebenden physikalischen Einflüsse bedingt. Die sich noch während
der ersten Jahre geltend machende Schwierigkeit, musikalische Laute
mit der Stimme richtig und sicher nachzuahmen, liegt einerseits in
der mangelhaften Entwickelung des Kehlkopfes, besonders der Stimm-
bänder, andererseits in der ungenügend ausgebildeten Funktions-
fähigkeit der zwischen Hörcentren, Sprachcentren und motorischen
Centren gelegenen centralen Verbindungsbahnen. Um dem Verfasser
in seinen Auseinandersetzungen folgen zu können, ist es nötig, einige
Definitionen desselben vorauszuschicken:
1. Modali tä vocale bezeichnet nach ihm die Qualität der
Stimme, ob Bruststimme, Kopfstimme oder musikalisch nicht voll-
wertige Töne vorliegen.
2. Unter limiti vocali possibili, „äufserste erreichbare
Grenzen der Stimme", versteht er jeweilen die höchsten und tiefsten
Töne, welche von den Kindern eines bestimmten Alters gesungen
werden können. Dieselben wurden ohne Rücksicht auf Register oder
auf das Geschlecht der Kinder bestimmt.
3. Estenzione fisiologica bedeutet den Umfang der Töne,
die zwischen derjenigen Note des Brustregisters und derjenigen des
Kopiregisters gelegen sind, welche von dem Kinde am vollsten,
kräftigsten und in zwangloser Weise gesungen werden können. Der
für den Gesangunterricht verwendbare Stimmumfang darf etwas größer
als der erwähnte physiologische Stimmumfang angesehen werden.
4. Potenzialitä delle varie note gibt an, wieviele der
examinierten Zöglinge jede einzelne innerhalb ihres Stimmumfanges
liegende Note musikalisch richtig singen konnten. Diejenigen Töne,
welche von der relativ größten Anzahl der untersuchten Kinder ge-
sungen werden, haben die stärkste „potenzialitä", welchen Ausdruck
man etwa mit „Machtfülle" übersetzen könnte. Dieselbe wurde für
die einzelnen Töne der verschiedenen Register bestimmt.
448
5. Bezüglich der Register unterscheidet der Autor außer der
Bruststimme und der Kopf- oder Falsettstimme noch die voce di
passagio oder Übergangsstimme, worunter er die zwischen Brust-
und Kopfstimme gelegenen, bald mehr der einen, bald mehr der
anderen sich qualitativ annähernden Töne begreift. Wohl zu unter-
scheiden sind von den letzteren einerseits die voci incerte, d. i.
Töne, die musikalisch nicht ganz richtig sind, weil sie ihrer
Schwingungszahl nach entweder etwas höher oder etwas tiefer liegen
als diejenigen, welche das Kind singen sollte, andererseits die voci
variabili, d. h. solche Töne, welche das gleiche Kind bald richtig,
bald falsch hervorzubringen pflegt.
6. Valutazione vocale bedeutet die tabellarisch geordnete
Zusammenstellung aller von einem einzelnen Kinde gesungenen Töne,
mit Festsetzung derjenigen Töne, welche es entweder musikalisch
richtig oder ungenau singt, sowie derjenigen, die mit Brnststimme,
mit Kopfstimme oder mit Übergangsstimme gesungen werden.
Die limiti possibili nehmen mit jedem Lebensjahre zu. Mit
dem dritten Jahre können fast alle Kinder (11 von 15 examinierten)
das mix und das fal musikalisch genau singen: -fa — —j—. Mit
:||I
i
dem sechsten Lebensjahre liegen bereits die Grenzen der Stimme
zwischen la und mi*.
Die Prüfungen des Autors erstrecken sich über ungefähr
400 Kinder, die er meistens in Beobachtungsreihen von je 50 In-
dividuen gruppierte.
Die Ergebnisse seiner Untersuchungen fafst er folgendermaßen
zusammen:
I. Bei Neugeborenen wimmernde, auf reflektorischem Wege er-
zeugte Töne ohne individuelle Klangfarbe, deren Höhe zwischen fa*
und fa* schwankt. Diese Töne sind schwach und von sehr kurzer
Dauer; sie können ungefähr 60 mal in der Minute wiederholt werden.
IL Während der ersten 2 Monate unartikuliertes Schreien.
Es beginnt sich eine eigentliche Stimme zu bilden. Dieselbe hat
eine nasale, allen Individuen gemeinsame Klangfarbe. Ihre Höhe
liegt zwischen /a2 und /as. Die Töne sind stärker geworden und
von längerer Dauer. Jeder derselben kann ungefähr 40 mal in der
Minute wiederholt werden.
HI. Vom 2. bis zum 8. Monate kommen artikulierte Laute
zum Vorschein. Die Stimme erscheint kräftiger, ihre Klang-
farbe ist aber noch nicht individuell differenziert. Ihre Höhe liegt
zwischen do* und do*. Die Dauer der Laute ist eine längere, es
finden ungefähr 27 Wiederholungen in der Minute statt.
449
IV. Tom 8. bis zum 18. Monate zeigen sich rasche Fort-
schritte in der Differenzierung der Töne. Dieselben werden
moduliert, die Klangfarbe individuell. Die Stärke des Tones pflegt
geringer zu sein als vorher. Die Töne variieren zwischen do% und do3.
V. Vom 18. bis zum 24. Monat hat sich der Kehlkopf stärker
entwickelt. Die Qualität der Töne wird bestimmter, die Höhe der-
selben ist geringer geworden. Einige Noten werden, wenn auch
unsicher, nachgeahmt. Das Kind beginnt in musikalischen Tönen
„vor sich her zu plaudern". Die Höhe dieser Töne liegt zwischen
st1 und mi*.
VI. Zwischen dem 2. und 3. Lebensjahre kann man zum
ersten Male von einer eigentlichen Stimmausdehnung reden, deren
äußerste Grenzen in rel und lal gelegen sind. Mi1 und fal werden
musikalisch richtig gesungen. Es beginnen sich zwei Register zu
differenzieren. Die Intensität des Schreiens nimmt ab, während die
Kraft der gesungenen Töne zunimmt. Die Klangfarbe wird immer
mehr individualisiert, und man bemerkt zum ersten Male eine durch
das Geschlecht bedingte Verschiedenheit derselben. Das gesungene
Geplauder verwandelt sich allmählich in rhythmische Sätze mit
musikalischen Anklängen. Einige musikalische Takte können, wenn
auch schwer und ungenau, nachgeahmt werden.
VII. Vom 3. bis 6. Lebensjahre ist die Ausdehnung der
Stimme wohl begrenzt. Dieselbe liegt iwischen la und rt% für
die Knaben und sol und mi* für die Mädchen. Der physiologische
Umfang der Stimme umfafst für die Mädchen 4, für die Knaben
5 Töne. Es besteht ein deutlich wahrnehmbarer Unterschied zwischen
beiden Registern und der sogenannten Übergangsstimme. Liedchen
und ihre Melodien können genau wiederholt werden. Das musika-
lische Gehör ist wohl ausgebildet, auch die Fähigkeit zum musikalisch
richtigen Anstimmen vorhanden.
Aus diesen Beobachtungen zieht der Autor folgende praktisch
wichtigen Schlüsse:
a. Ein für die Praxis, d. h. für musikalische Übungen ver-
wendbarer Stimmumfang fängt erst mit dem 4. Lebensjahre an
und umfa&t ohne Unterschied des Geschlechtes 5 Töne für drei-
jährige, 6 Töne für vierjährige und 8 Töne für fünfjährige Kinder.
Für gemischte Chöre, die aus drei- bis sechsjährigen Kindern be-
stehen, 1>eträgt im Durchschnitt der praktisch brauchbare Stimm-
umfang 5 Töne. Werden gemischte Chöre aus fünf- bis sechs-
jährigen Kindern gebildet, so soll der zu den Übungen verwendete
Stimmumfang anfangs 6 Töne und nach einer Ausbildung von
8 Monaten 8 Töne umfassen.
b. Gemischte Chöre können aus Kindern von 3 bis 5 Jahren
450
oder von 4 bis 6 Jahren zusammengesetzt werden. Es wäre aber
nicht zulässig, dreijährige mit fün^ährigen zusammensingen zu lassen,
aufser wenn das Liedchen seinem Umfange nach für die kleinsten,
also für die drei-, bezw. vierjährigen pauste.
c. Der Gesang der Kinder soll immer maisig lant sein, um die
Unsicherheit in der Angabe des Tones zu vermeiden, um die Stimme
allmählich auszubilden und um die Peremption der verschiedenen an-
gestimmten Töne zu erleichtern.
d. Die Gesangübungen vergrößern den Stimmumfang, machen
ungenaue Töne sicher und gewöhnen die Stimmen der Kinder har-
monisch aneinander.
e. Die Lehrerinnen, welche eine Sopranstimme haben, müssen
sehr acht geben, dafs ihnen die Kinder in der Angabe der höheren
Töne nicht folgen, was dieselben bei dem ihnen eigentümlichen Nach-
ahmungstriebe zu thun geneigt sind. Die Kinder würden sich auf
diese Weise die Stimmbänder nur verderben.
f. Während des Singens soll niemals das re' erreicht werden,
weil es zu hoch ist, und nur selten das $i und das la, welche zu
sehr ermüden.
g. Die gröfste Tonstärke wird man mit den Tönen mi1 und
fa1 erzielen, die kleinste mit si1 und do*. Der bedeutendste har-
monische Effekt, bei welchem von der Tonstärke abgesehen wird,
ist in den tieferen Tönen zu suchen. Die gröfste Intensität der
einzelnen Töne im Gegensatze zur gröfsten Tonstärke, welche durch
das Zusammenwirken der meisten Stimmen erzeugt wird, erhält man
mit den höheren Tönen la1, sil, do*.
h. Bei den zweistimmigen Chören darf man nicht vergessen,
die Kinder immer so zu verteilen, dafs man der zweiten Stimme
diejenigen zuweist, welche die tieferen Töne mit gröfserer Leichtig-
keit zu singen pflegen. Da diese tiefen Töne an und für sich eine
geringere Schallwirkung haben als die hohen, so wird man, um zu
verhindern, dafs die zweite Stimme von der ersten verdeckt werde,
der letzteren eine relativ kleinere Anzahl von Individuen zuweisen,
z. B. ein Drittel, wenn es sich um gleichaltrige, ein Fünftel, wenn
es sich um Kinder verschiedenen Alters handelt. Der soeben erwähnte
Unterschied wird dadurch bedingt, dafs die Stimme von f&nQährigen
Kindern viel stärker ist als diejenige von vier- und dreijährigen.
Mit diesem Versuche, eine Physiologie der Stimme des kind-
lichen Alters zu begründen und die für den Gesangunterricht kleiner
Kinder zu beachtenden Regeln festzustellen, hat Dr. Gakbent sich
an eine ebenso schwierige als dankenswerte Aufgabe gewagt. Ein
grofses Verdienst gebührt ihm schon deshalb, weil er die Notwendig-
keit betont, den Stimmumfang der verschiedenen Lebensalter zu
451
kennen und den Gesangunterricht den natürlichen Grenzen der kind-
liehen Stimme anzupassen. Gegen diese Regel scheint bisher viel
gesündigt zu sein; „poveri bambini!" dürfen auch wir mit dem
Verfasser ausrufen.
Ein Gesangunterricht, welcher die natürliche Leistungsfähigkeit
der kindlichen Organe berücksichtigt, wird stets die Stimme kräf-
tigen und das musikalische Gehör des Kindes verbessern, während
ein der Stimme angethaner Zwang den zarten, noch mangelhaft ent-
wickelten Stimmbändern unfehlbar Schaden zufügt.
Vom laryngologischen Standpunkte wären Mitteilungen über
Kehlkopfbefunde von Interesse gewesen; namentlich wäre es wichtig,
das Verhalten der Stimmbänder während der sogenannten „note
di passag io" kennen zu lernen, eine Aufgabe, die man bei der
Untersuchung fünf- bis sechsjähriger Kinder wohl lösen könnte.
Sehr anregend sind auch die Beobachtungen über die Natur-
laute kleiner Kinder. Es wäre nicht uninteressant, zu erfahren, ob
dieselben sich in den verschiedenen Ländern annähernd gleich oder
verschieden verhalten. Derartige Untersuchungen dürften insbesondere
musikalisch gebildeten Familienvätern oder Familienmüttern aufs
wärmste empfohlen sein.
Privatdocent Dr. med. A. Schwbndt in Basel.
Dr. Psblia, Augenarzt in Krefeld. Leitfaden der Hygiene des
Alges. Mit 32 Abbild. Hamburg und Leipzig, 1893. Leopold
Voss. (135 S. 8°. JH. 2.)
Die Behandhing der Krankheiten wird stets eine nur dem
Arzte zukommende Aufgabe sein, die Gesundheitspflege ist eine
gemeinsame Angelegenheit des Arztes und des Laien. Als Hygieniker
mufs der Arzt auf wissenschaftlicher Basis in Gemeinschaft mit den
hierzu berufenen Faktoren die Grundprincipien der Gesundheitslehre
feststellen, und der Gesetzgeber wird, soweit es in Beiner Macht
liegt, diesen Principien allseitig Geltung verschaffen. Über dieses
Gebiet hinaus aber kann der Mediziner nur belehrend einwirken, sei
es durch sein Wort gegenüber kleineren Kreisen, sei es durch die
8chrift gegenüber der Menge seiner Mitmenschen.
Gemeinverständlich geschriebene Bücher über Gesundheitslehre,
von einem ernsten Manne nicht für buchhändlerische Spekulationen
verfafst, werden daher stets willkommene Erscheinungen sein, und
zu diesen dürfen wir auch die vorliegende Schrift des in augen-
ärztlichen Kreisen wohlbekannten Verfassers rechnen.
Nach einer kurzen anatomisch-physiologischen Einleitung behandelt
dieselbe je nach der Bedeutung der betreffenden Partie mehr oder
minder ausführlich eine Anzahl der wichtigsten Augenkrankheiten in
452
klarer, leicht verständlicher Weise; so die eiterige Bindehaut-
entzündung der Neugeborenen und der Erwachsenen, den Bindehant-
katarrh, das Trachom; ganz besonders eingehend die Kurzsichtig-
keit, knapper die übrigen Brechungsfehler des Auges; ferner die
Augenerkrankungen bei Skrofulöse, Blattern und Syphilis; die Augen-
verletzungen; die Schwachsichtigkeit infolge chronischer Vergiftungen
mit Alkohol, Schwefelkohlenstoff, Blei oder Tabak; endlich die
Überblendungen der Netzbaut. Alles, was in dem Buche steht, ist
richtig und mit Berücksichtigung der neuesten Forschungen in klarer,
leicht fafslicher Weise dargestellt.
Wenn wir etwas tadeln sollen, so wäre es der Umstand, dafs
Dr. Peblia, der, wie die anatomische Einleitung zeigt, sein Buch
doch für Laien schrieb, zu viele medizinische Kunstausdrücke benutzt
Durch die Erklärung und Verdeutschung mancher derselben, sowie
die Hinweglassung anderer würde die Gemeinverständlichkeit ent-
schieden gewinnen. Vielleicht wird in einer zweiten Auflage diesem
Wunsche Rechnung getragen.
Professor der Augenheilkunde Dr. med. August Rittee von Reuss
in Wien.
A. Wunderlich, Lehrer in Nürnberg. Wegweiser für Eltern
und Lehrer bei Einffthrung der Steilschrift. Gotha, 1893.
E. F. Thienemann. (16 S. 8°. M. 0,40.)
Diese kleine Broschüre gehört unstreitig zu dem Besten, was
auf dem Gebiete der Steilschriftlitteratur bis jetzt erschienen ist,
weil sie in gedrängter Kürze sowohl das Wesen der Heftlage im
allgemeinen, wie das der Steilschrift im besonderen erörtert und an
der Hand der von den hervorragendsten Steilßchriftvertretern, wie
Schubert, W. Mayer, Hoffa, Seggel, gewonnenen Messungs-
ergebnisse in sachlicher und überzeugender Art bei Eltern und
Lehrern Verständnis für die Steilschriftbewegung erweckt. Auch
die angegebenen Liniaturweiten finden meine volle Zustimmung mit
Ausnahme derjenigen für das dritte Schuljahr, deren Mittelräume
mir zu eng vorkommen. Sagt doch der Verfasser selber auf Seite 12,
„es sei eine Vergrößerung der kleinen Buchstaben auf Kosten der
langen und halblangen anzustreben ", und besteht doch gerade hierin
nicht zum wenigsten der der Steilschrift nachgerühmte Vorzug der
Deutlichkeit und leichten Leserlichkeit. Die der kleinen Schrift bei-
gegebenen Photographien sind sachlich und getreu und tragen zum
Verständnis des Für und Wider der Frage gewifs bei. Wir wünschen
daher dem Heftchen angesichts des niedrigen Preises die weiteste
Verbreitung; es wird mancher unserer Gegner dadurch überzeugt
werden. Städtischer Lehrer Philipp Zimmermann
in Frankfurt a. M.
453
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IfHf^rift fit 5*nljffitn^fit^f§f.
VI. Jahrgang. 1893. BTo. 9.
tot\%xu*l-7ibtiauliun$tn.
Zur Myopiefrage.
Von
H. ScHMIDT-ßlMPLER,
Professor der Augenheilkunde in Göttingen.
Nur ungern habe ich mich entschlossen, den Behauptungen
Sttllings in seinem letztveröffentlichten Aufsatz1 betreffs des
jetzigen Standes der Myopiefrage entgegenzutreten; ich würde
es unterlassen haben, wenn ich denselben in einem ophthalmo-
logischen Journal begegnet wäre. Da aber die Leser dieser
Zeitschrift trotz ihres hohen Interesses an der Sache zum
graben Teil nicht in der Lage sind, das wissenschaftliche
augenärztliche Material an der Quelle zu studieren, halte ich
es doch fiir nötig, ihnen durch Anführung der Aussprüche der
Untersucher Gelegenheit zu geben, selbst zu sehen, inwieweit
das STiLLiNGsche Gesetz Bestätigung gefunden hat oder nicht.
Mein verehrter Gegner stützt sich besonders auf Seggel,
Pflüger und Romano.
Seggbl (München, 1890) schreibt auf Grund von 1628
Messungen: „Findet nun schon zufolge dem Vorausgehenden
das STiLUNGsche Gesetz durch meine Messungen keine Stütze,
so scheint es durch die Berechnung des durchschnittlichen
Index der Myopen einerseits, der Niohtmyopen andererseits
noch mehr widerlegt." Das ist also dasselbe, was ioh bei
1 Dirne ZeUtckrift, 1898, Na 7 und 8, S. 377-896.
458
ungefähr 1300 Messungen gefunden habe. Allerdings kommt dann
Seggel später — durch eine, wie mir seheint, nicht berechtigte
Zusammenstellung anderen Materials und durch sehr angreifbare
Deutungen — zu dem Schlufs: „Immerhin möchte ich als
Ergebnis meiner Untersuchungen den Nachweis der Abhängigkeit
der Myopie vom Orbitalbau nur so aufgefaßt wissen, dals
niedere Orbita nicht aus schlief sliohe Ursache, sondern nur
ein häufiges und insbesondere begünstigendes Moment ftr
die Entstehung der Kurzsichtigkeit ist. Ich möchte überhaupt
der Ansicht entgegentreten, dafs die Kurzsichtigkeit nur eine
bestimmte und allgemein gültige Ursache hat.a
Auch Pflüger gibt die Richtigkeit der SnLUNGschen
Lehre nur „mit Einschränkungen" zu.
Ganz auf dem Boden derselben steht allerdings Romano, der
früher in Strasburg gearbeitet hat. Aber wie klein sind seine
Zahlen! Er hat 350 Sicilianer untersucht mit 15% Myopen.
Nun die Gegner aufser mir.
Weiss und Bär (1889) schreiben: „Die STiLLnrGsche
Behauptung, dafs ein niederer Orbitalindex zur Myopie
disponiere, findet in den mitgeteilten Messungswerten keine
Bestätigung.1*
Kirchner (1889) sagt auf Grund von 2776 Messungen:
„Also die größere Anzahl niederer Orbitalindices hatten nicht
die myopischen, sondern die hyperopischen Augen, ... so dafe
wir wohl berechtigt sind, den Ausspruch Stillings, dals die
Chamäkonchie die Bedingung der Myopie sei, für irrig zu
erklären", und weiter: „Ich glaube daher berechtigt zu sein,
Stellings weitere Behauptung, dals man aus dem niederen
Orbitalindex eines jungen Knaben die künftige Myopie voraus-
sagen könne, gleichfalls für nicht zutreffend zu erklären."
Fizia (1890), der das Gymnasium in Teschen untersuchte,
berichtet: „Die Resultate meiner Orbitalmessungen fielen aber
im allgemeinen nicht zu gunsten der Theorie Stellings aus.tt
Rymsza (1890) untersuchte 911 Esthen und kommt zu
dem Schluß: „Sämtliche Zahlenreihen scheinen mir einen
schlagenden Beweis zu liefern, der dazu berechtigt, die Rich-
tigkeit des Naturgesetzes im STiLLiNGsehen Sinne bezüglich
■
I
459
der Formation des Gesichtsschädels und der Augenhöhle bei
den verschiedenen Refraktionszuständen zu beanstanden. u
Endlich hat J. Hbkrnhetsbr (1892) in Prag 3400 Orbitae
gemessen. Das Resultat ist: „loh kann daher auf Grund
meiner Erfahrung mich dahin aussprechen: Das von Stilling
aufgestellte Gesetz: „die niedrige Orbita begünstigt
das Zustandekommen der Myopie" ist für die hiesige
Bevölkerung nicht anwendbar."
Wenn trotz dieser Ergebnisse Stilling in seinem letzten
Aufsatz erklärt, dafs die von ihm aufgestellte Lehre anfange
durchzudringen, und „dafs der Beweis der Richtigkeit des
formulierten Gesetzes zweifellos als erbracht anzusehen sei",
so kann ich nach dem Angeführten die Beurteilung dieser
ihm eigentümlichen Ansicht getrost den Lesern überlassen;
sie werden finden, dafs gerade das Gegenteil richtig ist: das
SnLLlNGsche Gesetz ist von der überwiegenden Zahl der
Untersucher nicht bestätigt worden. Es gibt bis jetzt kein
Naturgesetz, bei welchem in dieser Art die Ausnahmen die
Regel bilden. Zudem hat Stilling früher selbst einmal
gesagt: „wenn die erhaltenen Unterschiede nicht im ganzen
groüg sind, so beweist -auch die ganze Sache nichts. u
Aber selbst wenn die Thatsache, dalis bei Myopen in weit
überwiegender Zahl und mit auffallenden Differenzen niedere
Orbitalindices sich finden, bewiesen wäre, so ist, wie ich an
anderer Stelle ausgeführt habe, damit noch bei weitem nicht
der kausale Zusammenhang zwischen Chamäkonohie und Kurz-
sichtigkeit festgestellt.
Der Vorwurf, welchen Stilling denen, die zu anderen
Resultaten kommen, mit Vorliebe zu machen pflegt, dafs sie
nämlich schlecht gemessen oder schlechtes Untersuchungs-
material gehabt hätten, ist von mir in Übereinstimmung mit
meinen Unglücksge&hrten ebenfalls schon eingehend und, wie
auch Seggel zugibt, überzeugend zurückgewiesen worden.
Auf die folgenden Ausführungen Stillings, welche, wie
nicht andere zu erwarten, mancherlei Beachtenswertes enthalten,
30*
460
einzugehen, habe ich hier keine Veranlassung. Nur möchte
ich darauf hinweisen, dafs die neueste Theorie dieses gedanken-
reichen Autors, wonach die deletäre Myopie aus Verwandtenehen
hervorgehen soll, zu ihrer sicheren Begründung einer groben
Reihe exakt ausgeführter Untersuchungen bedürfte. Nach
meinen bisherigen Erfahrungen mufs ich mich leider auch ihr
gegenüber fürs erste etwas skeptisch verhalten.
Mit welchem Alter soll die allgemeine Schulpflicht
beginnen?
Von
Otto Janke,
städtischem Lehrer in Berlin.
Indem seitens des Staates der Zwang, während eines
bestimmten Alters die Kinder zur Schule zu schicken, aus-
gesprochen wurde, mutete auch die Frage : Mit welchem Alter
soll die allgemeine Schulpflicht beginnen? zur Entscheidung
kommen. Es wird darum auch in allen diesbezüglichen Ge-
* setzen, bezw. Verordnungen ein bestimmtes Alter für den
Beginn des Schulbesuches angegeben. Aber eine Einheit
bezüglich dieses Punktes ist weder in der Vergangenheit, noch
in der Gegenwart erzielt worden.
Für Preufsen1 findet sich die erste amtliche Festsetzung
1 Schneider und v. Bbbmbn, Das Volksschukoesen im preußischen
Staate. Berlin, 1886.
Claüsnitzsb, Geschichte des preußischen Unterrichtsgesetzes.
Berlin, 1891.
Die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Unterrichtswesens in Preufsen.
Vom Jahre 1817 bis 1868. Berlin, 1868.
Centralblait für die gesamte UnterrichtsverwaUung. Berlin, 1867 ff.
461
über dem Beginn der Schulpflicht in den „Principia regu-
lativa, nach welchen das Landschulwesen im König-
reich Preufsen eingerichtet werden soll. Vom
1. August 1736." Es heilst hier in § 1: „Jedes Schulkind
ä 5 bis 12 Jahren inkl. giebt dem Schillmeister jährlich, es
gehe zur Schule oder nicht, 15 gr. prfs. oder 4 ggr.M Der
Zwang des Sohulgeldzahlens schlofs für die Eltern das Recht
ein, ihre Kinder vom 5. Jahre an zur Schule zu schicken.
Die Pflicht, dies nun auch wirklich zu thun, ist in den
Principia regulatiya an keiner Stelle ausgesprochen.
Das „Königlich Preufsisohe General-Landschul-
Beglement vom 12. August 1763" verordnete: „Alle
unsere ünterthanen sollen ihre Kinder, Knaben und Mädchen,
wo nicht eher, doch höchstens vom 5. Jahre ihres Alters in
die Schule schicken."
Von neuem wurden die Verhältnisse der Schulpflicht durch
das am 5. Februar 1794 veröffentlichte „Allgemeine Land-
recht für die Preufsischen Staaten" geregelt, welches
in Teil II, Titel Xu, § 43 bestimmt: „Jeder Einwohner,
welcher den nötigen Unterricht für seine Kinder in seinem
Hause nicht besorgen kann oder will, ist schuldig, dieselben
nach zurückgelegtem 5. Jahre zur Schule zu schicken/ Und
§ 44 lautet: „Nur unter Genehmigung der Obrigkeit und des
geistliehen Schulvoretehers kann ein Kind länger von der
Schule zurückgehalten werden."
Trotzdem durch § 43 dieses Gesetzes ein gleichmäßiges
Verfahren geschaffen war, wurde doch im § 44 den einzelnen
Schulaufsichtebehörden das Recht zugestanden, in Fällen des
Bedürfnisses den Zeitpunkt für den Beginn der Schulpflicht
zu verändern. Von dieser Befugnis haben die genannten Be-
hörden denn auch vielfach Gebrauch gemacht, so dafs nicht
dut in den einzelnen Provinzen, sondern sogar in den Be-
gierungsbezirken derselben Provinz verschiedene Festsetzungen
über den Zeitpunkt für den Beginn der Schulpflicht vorhanden
sind. Es herrscht zur Zeit eine solche Unklarheit in den
betreffenden Bestimmungen, eine solche Mannigfaltigkeit der-
462
selben, da£s es schwierig ist, sich ein richtiges Bild dieser
Materie zu verschaffen.
Im Laufe der Zeit hat sich aber eine Verschiebung
des Lebensalters für den Eintritt in die Schule voll-
zogen. Die ältesten Verordnungen setzten diesen Zeitpunkt
für das vollendete 5. Lebensjahr fest; ja es mutete sogar eine
Verfügung erlassen werden (Regierung zu Düsseldorf vom
30. Oktober 1825), dafs Sander vor vollendetem 5. Jahre nicht
die Schule besuchen dürften. Die spateren Verordnungen
wühlen dagegen zumeist das vollendete 6. Jahr. In der Gegen-
wart ist selbst das Bestreben erkennbar, einen noch späteren
Zeitpunkt für den Beginn der Schulpflicht zu bestimmen. Diesem
Bestreben wurde Ausdruck gegeben durch einen Antrag im
preußischen Abgeordnetenhause, »in Erwägung zu ziehen, ob
nicht der Anfangspunkt des obligatorischen Schul-
unterrichts hinauszuschieben sei". Es ist dies für
mich die Veranlassung geworden, mich eingehend mit der Frage
nach dem geeignetsten Zeitpunkte des Schulbeginnes zu be-
schäftigen.
Um allen bei der Bestimmung dieses Zeitpunktes in
Betracht kommenden Gründen gerecht zu werden, mufs der
Beginn der Schulpflicht in hygienischer, pädagogischer
und volkswirtschaftlicher Beziehung betrachtet werden.
Nur wer diese Beziehungen sämtlich ins Auge fa&t, kann ein
Urteil fällen, das Anspruch auf allgemeine Geltung hat.
Die Aufgabe dieser Zeilen soll es jedoch nur sein, die
hygienischen Momente, die bei der Festsetzung dieses wichtigen
Zeitabschnittes heranzuziehen sind, in Kürze vorzuführen.
Um beurteilen zu können, inwieweit der Termin für
den Beginn der Schulpflicht den Gesetzen der Gesundheits-
lehre entspricht, müssen wir das Verhalten der körperlichen
Entwiokelung in den Jahren, die für den Anfang des Schul-
besuches landesüblich sind, feststellen. Eine richtige An-
schauung von der Gesamtentwickelung des Körpers
werden wir aber nur dann gewinnen, wenn wir dessen ein-
zelne Masse und wowomöglich auch das Wachstum der ver-
463
schiede nen Körperorgane zu bestimmen vermögen. Für
diesen Zweck müssen wir die Entwickelung des Kindes
von der Geburt an verfolgen. Aber die bezügliche Litterator
versagt hier leider nur zu oft. Am besten ist noch die
kindliche Entwickelung im ersten Lebensjahre beobachtet.
Für die folgende Zeit, besonders für das Alter vom 2. bis
6. Jahre, sind die Ermittelungen bis jetzt nicht so umfassend,
als wünschenswert ist. Die Zeit des schulpflichtigen Alters
dagegen weist in einzelnen Ländern schon recht wertvolle und
umfangreiche Untersuchungen auf, so in Schweden, Dänemark,
Kordamerika und England; nur Deutschland ist weit,
sehr weit zurückgeblieben.
Es ist eine von der medizinischen Wissenschaft allgemein
geteilte Anschauung, dals Körperlänge, Körpergewicht,
Körperkraft und Brustumfang einen zuverlässigen Mals-
stab für die Entwickelung des menschlichen Körpers bilden.
Auf diese Verhältnisse muis sich zunächst unser Augenmerk
richten. Es standen von den Messungen, die für unsere Zwecke
verwendbar sind, folgende zur Verfügung: die von Quetblbt
in Brüssel, Bowditoh in Boston, Pagliani in Turin, der
Kommission in Dänemark, der Kommission in Schweden,
von Roberts in London, Landsberger in Posen, Carstädt
in Breslau, Oppenheimer in München.1
Nun ist es aber nicht angängig, einen Durchschnitt
aller Untersuchungsergebnisse zu geben; denn nicht
nur in den einzelnen Ländern, sondern auch in jeder Ge-
meinde, die sich durch veränderte Lebensverhältnisse von den
nachbarlichen unterscheidet, entwickeln sich die Kinder an
1 Quetelet, AnthroponUtrie etc. Bruxelles, 1870.
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für Anthropologie, Bd. XVII.
Molbsohotts Untersuchungen etc. Xu, 1, 1878.
464
Länge, Gewicht, Kraft und Brustumfang verschieden. Es ist
daher auch nicht zulässig, jene bisher bekannten allgemeinen
Resultate zur Bestimmung des Entwickelungsstandpunktes
eines jeden beliebigen Individuums zu verwenden. Dieses
Umstandes wegen kommt es zunächst darauf an, durch um-
fangreiche Messungen und Wägungen bestimmte Malse fibr
jeden Ort zu gewinnen. Sind diese Ma&e einmal bekannt, so
können sie auf lange Zeit hinaus als Norm gelten, um zu
beurteilen, wieweit der Körper des Individuums dem „Durch-
schnittsmenschen" entspricht.
Was lehren uns nun die bisher bekannt gewordenen Dnter-
suchungsergebnisse zur Entscheidung unserer Frage?
1. Länge. In den einzelnen Ländern hat man verschiedene
Werte für die absolute Grölse konstatiert. So sind z. B.
die Kinder in Nordamerika, Dänemark und Schweden am
Grölse den Kindern der übrigen Nationen Überlegen. In ihrem
6. und 7. Lebensjahre sind sie 6 bis 10 cm länger, als ihre
gleichaltrigen Genossen anderer Länder. Es ist an dieser
Stelle nicht möglich, die von den einzelnen Autoren gefundenen
Zahlen der absoluten Länge mitzuteilen. Wichtiger aber als
die Kenntnis der absoluten Grölse ist es, die Zunahm« an
Länge in den einzelnen Lebensjahren zu kennen. Der
Längenzuwachs, der im 1. Lebensjahre ein sehr bedeutender
ist (19 cm), beträgt im 2. Jahre nur etwa die Hälfte (9 cm).
Von da an wird das Längenwachstum allmählich langsamer,
d. h. die jährliche Zunahme erfolgt in Werten, die mit jedem
Jahre geringer werden. Die Jahre, welche für den Beginn dar
Schulpflicht von Bedeutung sind, das 6., 7. und 8., bieten in
Hbbtsl, Neue Untersuchungen über den allgemeinen Gesundheits-
zustand der Schüler etc. Zeitschrift ffir Sohulgeswdheitspflsge, 1688.
Carstadt, Über das Wachstum der Knaben vom 6. bis emm
16. Lebensjahre. Zeitschrift für Schulgesundheitepflege, 1888.
Ärztliches Outachten über das Eknnenuwnehukeestn Eisafih
Lothringens. Strasburg, 1884.
Oppenheimbb, Über die Wachstumsverh&lnmse des Korpers und
seiner Organe. Dissertation. München, 1888.
465
Bezug auf die Längenznnahme in der ganzen Entwiokelungs-
reihe keine bemerkenswerten Momente. Das Wachstum ist ein
völlig gleichmäßiges; denn alle Untersuchungen haben an-
nähernd dieselben Gräften ergeben ; auch ist im Verhältnis zu
den übrigen Jahren weder eine stärkere, noch eine geringere
Längenzunahme nachweisbar. Es zeigen somit nach dieser
Riahfamg weder das 6., noch das 7. oder 8. Lebensjahr irgend
eine auch nur einigermaßen hervortretende Eigentümlichkeit,
die uns den Zeitpunkt für den Beginn der Schulpflicht er-
kennen Heise.
2. Gewicht. Die Resultate der einzelnen Untersuchungen
bilden Reihen, die fast übereinstimmend verlaufen, ein Um-
stand, der auf eine ziemlich gleichmäßige Entwiekelung der
Sander in den verschiedenen Ländern schliefsen labt. Im
allgemeinen lassen sich aber bezüglich des Körpergewichtes
zwei Gruppen unterscheiden, indem in Nordamerika, Däne-
mark und Schweden um 2 bis 5 kg gröfeere Mittelgewichte
gefanden wurden, als in Belgien, Italien und Deutschland.
Nach der bedeutenden Gewichtszunahme im ersten Lebensjahre
folgt eine Periode langsamen Wachstums, in der die jährliche
Zunahme annähernd gleich ist. Das Alter vom 6. bis 8. Jahre
zeigt also auch in Bezug auf das Ansteigen des Körpergewichtes
keine charakteristischen Erscheinungen.
3« Körperkraft. Da Skelett und Muskulatur die wesent-
lichen Träger der Körperkraft sind, so ist es zur Bestimmung
des richtigen Zeitpunktes für den Beginn der Schulpflicht
wünschenswert, zu erfahren, wie sich das Wachstum der
Knochen und Muskeln in den einzelnen Perioden der Ent-
wiekelung verhält, um damit einen Anhalt für die Zunahme
der körperlichen Kraft zu gewinnen. Zu diesem Punkte
ftulsert sich die medizinische Sachverständigenkommission für
die Beurteilung des Schulwesens in Elsafs-Lothringen:1 „Es
würde sich sehr lohnen, genaue vergleichende Messungen der
1 Ärztliches Gutachten über das Elementarschulwesen Jbteaß-
Lothringern. Strasburg, 1884.
466
Körperkraft in den verschiedenen Jahren des schulpflichtigen
Alters anzustellen. Die dynamometrischen Instrumente (Kraft-
messer), die in den Elliniken gebraucht werden, lieJsen sich
mit einigen den kindlichen Verhältnissen entsprechenden Ab-
änderungen gut dazu verwenden. Die auf solche Weise
gewonnenen MaJse hätten einen ungleich höheren Wert für
alle zur körperlichen Entwiokelung in Beziehung stehenden
Fragen ab die durch Gewichtsbestimmung gewonnenen. a Leider
besitzen wir über die G-röfse der Körperkraft bisher noch
keine für unsere Zwecke verwendbaren Ermittelungen.
Auch die his togenetisohen V e rhältnisse der Kn ochen
und Muskeln können, soweit sie für die einzelnen Lebens-
jahre festgestellt sind, zu einer bestimmten Entscheidung über
den geeignetsten Zeitpunkt des Schuleintritts keine Verwertung
finden. Das Skelett ist auch nach dem 7. Lebensjahre noch
längere Zeit sehr unvollkommen entwickelt, aber es hat doch
mit diesem Jahre in seinen Hauptteilen eine gewisse Festigkeit
gewonnen. Auoh die Ausbildung der Weich teile ist in
gleicher Weise vorgeschritten. Im 7. Lebensjahre beginnt
gewöhnlich der Durchbruch der ersten bleibenden Zähne,
und es formieren sich auch die Bestandteile derjenigen, welche
nach und nach im Laufe der folgenden Jahre hervortreten.
Diese Thatsache unter anderen fuhrt die Königlich Preußische
Wissenschaftliche Deputation für das Medizinalwesen1 als Grund
für einen späteren Beginn der Schulpflicht an. Indessen, was
im 7. Lebensjahre sich vollzieht, erfolgt auoh in den darauf-
folgenden, nämlich Bildung und Durchbruch der bleibenden
Zähne. Wie wenig aber die zweite Zahnung die Entwicklung
des kindlichen Körpers beeinflußt, ist allgemein bekannt, da
bei gesunden Kindern dieser Vorgang kaum eine Störung im
Allgemeinbefinden hervorruft.
Obwohl unser Wissen von dem Stande der Körperkraft,
der Beschaffenheit der Knochen und Muskeln in der jetzt
üblichen Zeit des Anfanges der Schulpflicht ein sehr mangel-
1 Ccntrctfblatt fi*r die gesamte Untemchtsverwaltung, 1884.
467
haftes ist, so läfet sich doch erkennen, daüs das 7. und
8. Lebensjahr in dieser Beziehung gleich wenig bevorzugt
sind; man kann daher mit Rücksicht hierauf aueh keine Ent-
scheidung treffen, ob die Schulpflicht erst mit dem vollendeten
7., oder schon mit Ablauf des 6. Lebensjahres beginnen soll.
4. Brustumfang. Von Wichtigkeit für die Beurteilung
unserer Frage wäre auch die Ermittelung des Brustumfanges
und der Gröfse der Brustausdehnung in den bezeichneten
Jahren. Je gröfser das Brustmais, je kräftiger die Erweiterung
des Brustkorbes und die davon abhängige Lungenausdehnung
ist, desto weniger werden die Schädlichkeiten zu langen Schul-
sitzens den gesamten Organismus zu beeinträchtigen im
stände sein. Aus den wenigen Untersuchungen, die in dieser
Richtung vorliegen, hat sich ergeben, dafe die Zunahme des
Brustumfanges eine stetige und gleichmäßige ist. Vom 2. Lebens-
jahre an vergröfsert sich derselbe durchschnittlich um 2 cm
pro Jahr. Weder das 7. nooh das 8. Lebensjahr zeigt irgend
welchen besonderen Abschnitt in der Entwickelung; also ist
auch hier wiederum kein Merkmal gegeben, eins dieser Jahre
als das geeignetste für den Anfang der Schulpflicht anzu-
sehen.
5. Gehirn. Die Hauptwerkstätte des kindlichen Orga-
nismus, welche für die mit dem Unterrichte verbundenen
Tätigkeiten direkt in Anspruch genommen wird, ist das
Gehirn. Das mittlere Gewicht desselben steigt fortgesetzt an,
jedoch vermindert sich der Zuwachs innerhalb jedes folgenden
Lebensjahres. Das Gehirn wächst in der frühsten Kindheit
am mächtigsten ; im ersten Lebensjahre, wo sein Gewicht sich
mehr als verdoppelt, nimmt es am meisten zu. Beträchtlich
vergröbert es sich auch, obwohl in abnehmendem Maise, noch
bis zum 7. Lebensjahre, in welchem sein Gewicht sich mehr als
verdreifacht hat. Das Hirngewicht eines ausgewachsenen
Menschen verhält sich zu dem eines Neugeborenen aber nur
wie 1 zu 3,7; daher ist das Gehirn bis zum 7. Jahre schon
seiner normalen Gröise ziemlich nahe gekommen. Während
die Gewichtszunahme in den ersten sieben Lebensjahren
468
ungefähr 880 g ausmacht, wie Kobkbt Botd 1 durch Wägungen
von mehr als 2000 Gehirnen gefunden hat, betragt sie in den
nächsten sieben Jahren nur 61 g. Für das 6. Lebensjahr
berechnet sich dieselbe auf etwa 40— 45 g, für das 7. auf
25—30 g und für das 8. auf 20 g. Das Oehirngewicht eines
Sechsjährigen mit ca. 1140 g und das eines Siebenjährigen
mit ca. 1170g weicht verhältnismäfsig nicht stärker von dem
Gewicht des völlig ausgewachsenen Gehirns ab, als das Gehirn-
gewicht eines Vierzehnjährigen mit seinen ca. 1230 g. Es
labt sich hieraus wohl kein Grund entnehmen, der für
den Beginn der Schulpflicht mit dem 6. oder 7.
Lebensjahre entscheidend wäre. Vor dem 6. Jahre
aber ist das Gehirn noch in lebhafter Entwickelung begriffen
und seine Gewichtszunahme eine bedeutende; dieses Umetandee
wegen würde es nicht ratsam sein, die Schulpflicht
schon vor Ablauf des 6. Lebensjahres beginnen zu
lassen.
6. Auge. Nächst dem Gehirn ist das Auge das wichtigste
Oigan, das durch den Betrieb des Unterrichtes bethätigt wird.
Es entsteht nun auch hierbei wieder die Frage, ob dasselbe
im 7. oder 8. Lebensjahre schon soweit entwickelt ist, daüs es die
ihm in der Schule zugemuteten Anstrengungen ohne Schädigung
ertragen kann. Von allen Organen des Neugeborenen besitzt
das Auge die weitgehendste Ausbildung. Mit dem Schul-
besuche treten jedoch die Bedingungen ein, durch welche die
Kurzsiohtigkeit, das am stärksten verbreitete Augenleiden
unserer Schulkinder, hervorgerufen wird. Mag man nun eine
Theorie für die Entstehung der Myopie annehmen« welche
man will, immer ist es die geringe Widerstandsfähigkeit des
Auges oder einzelner Teile desselben, wodurch die Bedingungen
für die Entstehung dieses Brechungsfehlere gegeben werden.
Die Deformation des Augapfels wird um so leichter möglich
sein, je weniger entwickelt derselbe ist. Diese Thatsache
1 Robert Botd, Ärztliches Gutachten Über da» JElemmtarechuheeem
Ekaß-Lrthringene. Strasburg, 1884.
46»
erheischt gröfste Vorsicht in der Feststellung des Zeitpunktes,
wo man mit dem Schulbesuch dem kindlichen Auge an-
strengende und andauernde Arbeit zumutet.
Aber die in so reicher Anzahl ausgeführten Untersuchungen
über das Vorkommen, den Grad und die Ursachen der Myopie
können für unsere Zwecke nicht benutzt werden, weil Kinder der
ersten Schuljahre nur in sehr geringer Zahl geprüft worden sind.
Die Preufeische Wissenschaftliche Deputation für das Medizinal-
wesen1 meint: „Gerade die Zeit bis zum 10. oder 11. Lebens-
jahre ist es auch, wo jene Veränderung des Augapfels, welche
die KrazBiehtigkeit hervorbringt, am häufigsten angelegt oder
entwickelt wird.a Ohne dafs ich mir eine Kritik dieses Gut-
achtens in irgend einer Weise gestatten möchte, will ich nur
die Thatsaehe konstatieren, dals die Ergebnisse der neuesten
Untersuchungen sich wenig mit jener Ansicht in Überein-
stimmung befinden. Dr. Kirchner* zieht nämlich aus seinen
Ermittelungen folgenden Schlafe: „Erst vom 14. bis 15. Jahre
ab, dem Begnra der Pubertätsentwickelung, steigt die Zahl
der Kurzsichtigen bedeutender, als vorher. In den jungen
Jahren scheinen es wesentlich äufsere Verhältnisse zu sein,
durch welche die Entstehung der Myopie begünstigt wird,
während sich von dem Eintritt der Pubertät ab imWaohstum
bedingte, innere Momente geltend machen." Auch die
Untersuchungen Sohmidt-Bimplbrs8 konstatieren ein bedeutendes
Ansteigen der Zahl der Myopen im 13. und 14. Lebensjahre.
So deutet nichts auf einen wesentlichen Unterschied der Ent-
wieketang- des Auges im 7. und 8. Lebensjahre hin. Wir
sind daher unter Berücksichtigung dieses XTmstandes abermals
nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen,
ob das 7. oder 8. Lebensjahr das günstigste für den
Anfang der Schulpflicht ist.
Indem wir in der Entwiekehmg des kindliche» Körpers
1 CentraJblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung, 1884.
* RmcHraa, Uwtertaohungen über die Entstehung derKurwiohtigkeit.
Zeitschrift für Hygiene, 1889, Bd. VII.
* SüHMiDT-RiMPLiB, Die ScbulkurzsichHgkeit Leipiig, 1890.
470
Länge, Gewicht, Körperkraft, Brustumfang, Wachstum des
Gehirns und des Auges nacheinander betrachtet haben,
sind wir zu dem Resultate gekommen, daJs, soweit jene
Entwickelung bekannt ist, kein Jahr als für den
Eintritt in die Schule besonders geeigneter Zeit-
punkt markiert ist, so dafs in dieser Beziehung
auch keine Bedenken gegen den Beginn der Schul-
pflicht mit dem vollendeten 6. Lebensjahre vorliegen.
Die Forderungen der Ärzte in Bezug auf den Anfang
des Sohulbesuches lauten verschieden, indem sie das vollendete
6., 7. und 8. Jahr dafür empfehlen. Die einzelnen anatomischen
und physiologischen Thatsachen werden von ihnen je nach
Bedürfnis zur Begründung oder Bekämpfung derselben For-
derung gebraucht, ja es herrscht auch über die Verwertung
allgemein anerkannter Entwiokelungsmomente für die Ent-
scheidung unserer Frage durchaus keine Einigkeit. Während
von einer Seite die Schädlichkeit des Schulbesuches mit voll-
endetem 6. Lebensjahre nicht lebhaft genug dargestellt werden
kann, wird von anderer Seite behauptet, dafe von derartigen
Schäden nur wenig oder gar nichts zu bemerken sei. So
schreibt z. B. die oben erwähnte medizinische Sachverständigen-
kommission:1 „Ebensowenig wie die allgemeine Erfahrung
von Fehlern, Gebrechen oder dauernden Schwächezuständen
zu berichten weife, die der Volksschule zur Last zu legen
wären, sind die Mitglieder unserer Kommission in der Lage,
eine solche Anklage gegen dieselbe zu erheben, die den
gesetzlichen Beginn der Schulpflicht im 7. Lebensjahre als
bedenklich erscheinen liefse." Dagegen erklärt der ärztliche
Verein zu Bochum in der „Denkschrift über die SchuUiber-
bürdungsfrage" :* „Wir Ärzte sind zu häufig in die Lage
gekommen, die Ellagen, namentlich der Mütter, über geistige
und körperliche Erschöpfung der kleinen Kinder infolge von
Anstrengungen in der Schule und durch die häuslichen
1 Ärztliches Gutachten über das Elementarschulwesen Ebafs-
Lothringens. Strafsburg, 1884.
* Centralblatt für allgemeine Gesundheitspflege. Bonn, 1883.
471
Arbeiten hören und bestätigen zu müssen. Der Ehrgeiz junger
Lehrer, die jüngste Sehulklasse möglichst weit zu fordern,
bedingt unserer Erfahrung gemäfs am häufigsten die Gebrechen
der Schüler unterster Stufe. tf
Man muJß Dr. Engblhorn1 zustimmen, wenn er schreibt:
„Vom ärztlichen Gesichtspunkte eine allgemein gültige Regel
ftr die Zeit der Schulpflicht aufzustellen, sind wir nicht in
der Lage. Es ist vollkommen unmöglich, in dem Prozesse
der körperlichen Entwicklung, welcher ein stetig zunehmender
ist, gerade den Augenblick zu bestimmen, in welchem der
Beginn des Schulbesuches ohne Nachteil für die Gesundheit
stattfinden soll." In gleicher Weise äuJsert sich Dr. Bbmbold-.9
„Für die besondere Frage, ob der Beginn der Schulpflicht
in das 7. oder 8. Lebensjahr zu verlegen sei, sind die von
der Preuüsischen Wissenschaftlichen Deputation angeführten
Gründe nicht entscheidend, weil die gleichen Verhältnisse
nicht blofs im 7., sondern auch noch im 8., 9. und 10. Lebens-
jahre vorliegen." Und Dr. Baginsky3 erklärt: „Soviel wir
den kindlichen Organismus auch studieren mögen, wir finden
weder an dem lebenden, noch auch an dem toten, rein
anatomisch betrachteten irgend welche wahrhaft wissenschaft-
liche Handhabe, welche uns den Grenzpunkt markiert, von
welchem an die energische Förderung geistiger Kräfte durch
uns in der Schule zu gestatten sei. Wo lehrt die Erfahrung,
dafs, ganz allgemein genommen, der Beginn des Unterrichts
von dem 7. Lebensjahre bei der groben Mehrzahl der Schul-
kinder an und für sich schädlich gewesen sei und dauernd
schlimme Folgen gehabt habe? Man kann in gewisser Be-
ziehung mit denjenigen Ärzten übereinstimmen, welche meinen,
dafe sie nicht mehr kompetent sind, einen allgemeinen Termin
Air den Schulbesuch einzusetzen, als die Pädagogen. u
Was aber für das normal entwickelte Kind als zulässig
und keineswegs gesundheitsschädlich gilt, ist unter Umständen
1 Ehgelhork, Schulgesundheitspflege. Stuttgart, 1888.
1 Bbmbold, Schulgesundheitspflege. Tübingen.
3 Baginsky, Handbuch der Schulhygiene. Stuttgart, 1883.
472
nicht ebenso unschädlich bei Kindern, die in der natürlichen
Entwickelang zurückgeblieben sind, bezw. unter dem Einflüsse
gewisser Krankheitszustände stehen. Das filr die Allgemeinheit
geltende Gesetz mufe daher auch Ausnahmen zulassen.
In den meisten derartigen Fällen wird eine auf Vi bis 1 Jahr
ausgedehnte Befreiung vom Schulunterrichte ausreichend sein,
das Kind in seiner Entwicklung soweit zu fordern, event.
vorhandene Krankheiten soweit zu beseitigen, dals nun ohne
Gefährdung der Gesundheit die Schule besucht werden kann.
Diese Ausnahmen lassen sich kurz in folgender Weise charakter-
isieren:
1. Kinder, welche in ihrer gesamten körperlichen Ent-
wicklung weit hinter den Durchschnittsmaben zurück-
stehen;
2. Kinder, die mit Tuberkulose oder schwer«! Formen
von Bhachitis, bezw. Skrofulöse behaftet sind oder
noch unter deren Folgen zu laden haben;
3. Kinder solcher Eltern, bei denen Lungenschwindsucht
oder ernste Geistes- und Nervenkrankheiten bestehen;
4. Kinder, die wegen Gebrechen dauernd oder zeitweise
vom Besuch der öffentlichen Schule auszuschließen sind.
Werden derartige exceptionelle Fälle berück-
sichtigt, so läfst sich gegen den Beginn der Schul-
pflicht mit dem vollendeten 6. Lebensjahre vom
hygienischen Standpunkte nichts Begründetes ein-
wenden.
473
Ein neuer Ersatz für die bisherigen Geradehalte r.
Mitteitang von
Dr. med. Friedrich Hosch,
Augenarzt in Basel.
(MÜ 3 Abbildungen.)
unter den dankenswerten Bemühungen, welche darauf ab*
sielen, der Entstehung von Kurzsichtigkeit und Rückgrats*
Verkrümmungen während der Schulzeit zu steuern, gebührt ohne
Zweifel der erste Rang der Verbesserung der Schulbänke und
der Einführung der Steilschrift.
Aber wenn auch alle Verhältnisse möglichst günstig ge-
staltet sind, werden immer noch einzelne Schüler — es handelt
sich dabei namentlich um angehende Myopen, bezw. Hyper-
metropen mit Accommodationskrampf — übrig bleiben, welche
lieh stark vorbeugen und die Augen dem zu betrachtenden
Objekte viel mehr annähern, als notwendig ist. Man kann
bekanntlich selbst auf dem allerbesten Subsellium schlecht
sitzen, und auch die Steilschrift bietet nur eine relative, nicht
eine absolute Gewähr für eine gute Körperhaltung.
Dazu kommt noch, dafs wohl während der Schulzeit unter
der fortwährenden Kontrolle des Lehrers der rationelle Sitz
seinen Zweck erfüllen mag, dafs es aber bei den häuslichen
Arbeiten an einem solchen Sitz und einer solchen Überwachung
in der grofsen Mehrzahl der Fälle fehlt.
Aus diesem Grunde, zum Teil auch um das alte irrationelle
Schulmobiliar ausnützen zu können, hat man seit Jahren
sogenannte Geradehalter konstruiert, Apparate, welche, an den
Schultischen angebracht, die Kinder zwingen sollen, eine ganz
bestimmte Kopistellung innezuhalten.
Von vorneherein zu verwerfen sind alle diejenigen Ein-
richtungen, welche einen schädlichen Druck auf die Brost ausüben.
SehnlgMondheitapfleee VI. 31
474
Es kommen demnach nur noch die Stützen in Betracht,
welche entweder das Kinn aufnehmen oder die Stirn fixieren,
also vor allem die bekannte verstellbare Schreib- und Lese-
stütze yon SOnxbckeh, das KALLMANNsehe Durchsichtsstativ
und dessen Modifikationen von Dürr1 und Staffel. Wer aber
ausgedehntere praktische Versuche mit diesen Geradehalten!
gemacht hat, wird bald zu der Überzeugung gelangt sein, dafa
sie, soviel sie anfangs zu versprechen schienen, in der Folge
doch nur sehr wenig leisteten. Abgesehen von der nach einigem
Gebrauche nicht mehr ganz zuverlässigen Mechanik, erzeugt
die SONNBCKENsche Stütze recht bald einen schmerzhaften
Druck am Kinn, welchem das Band durch seitliches Ver-
schieben oder Drehen des Kopfes auszuweichen sucht. Damit
wird natürlich die gerade Haltung aufgegeben. Beim Kall-
MANNschen, resp. DüRRschen Stativ ist allerdings ein solcher
Druck ausgeschlossen, eine richtige Kopfhaltung jedoch immer
noch nicht in genügender Weise gesichert.
Durch Vermittlung eines befreundeten Kollegen ist mir
nun in letzter Zeit ein Ersatz für die bisherigen Geradehalter
zur Begutachtung zugekommen, welcher auf einem vollständig
neuen Prinzipe beruht und nach meiner Ansicht geeignet ist,
die bisher gebrauchten Apparate in vorteilhaftester Weise zu
ersetzen. Derselbe ist erdacht von einem hiesigen Primär-
lehrer, Herrn Müller, und bezweckt, im kritischen Momente,
d. h. wenn die Neigung des Kopfes eine zu starke werden
will, eine vollständige Verdepkung der Augen herbeizuführen.
Diese wird erzielt durch zwei miteinander verbundene
Klappen aus dünnem, festem Kartonpapier, Celluloid, Alu-
minium oder irgend einem anderen leichten Material (k h in
Abbildung 1). Nähert sich nämlich der Kopf des Schülers zu
sehr dem Schultische, so bewegen sich die Klappen nach unten,
und die Augen werden von denselben verdeckt. Um wieder
sehen zu können, mufs der Betreffende seinen Kopf aufrichten,
wobei dann die Klappen wieder nach oben umschlagen.
1 S. diese Zeitschrift, 1889, No. 6, S. 267—273.
475
Das Zu- and Aufschließen der Klappen wird bewerk-
stelligt durch das Gewicht g. Sobald der Kopf sich soweit
neigt, daJä dies Gewicht über den Stützpunkt « hinaus zu
liegen kommt, fällt dasselbe nach vorn, wodurch die Klappen
die oben angegebene Bewegung machen.
Abbildung I.
Damit nnn — es ist dies selbstverständlich ein sehr
wichtiger Punkt — die Bewegung der Klappen und damit die
Verdeckung der Augen nicht immer bei derselben Kopfneignng
erfolge, sondern den individuellen Verhältnissen angepaßt
werden könne, ist auf der linken Seite ein Laufgewicht l an-
gebracht. Befindet sich dieses in der Mitte des Schrauben-
gewindes sw, so hält es den Klappen das Gleichgewicht. Die
Brille ist dann so gestellt, wie sie der richtigen Körperhaltung
des Normalsichtigen entspricht. Wird das Laufgewicht nach
vorn geschraubt, so schließen sich die Klappen früher, wird
es rückwärts geschraubt, später.
81"
476
Die punktierten Linien in Abbildung I sollen andeuten, dafa
hinter der beschriebenen Vorrichtung auch eine gewöhnliche
Brille getragen werden kann. Sehr leicht Heften «oh aber
auch an der Querstange Singe zur Aufnahme von etwa
wünschenswerte» Korraktionsglaaem anbringen, so dafa dann
eine besondere Brille nicht mehr nötig wäre.
Wie sich der geschilderte Apparat, wenn er auf- bezw.
heruntergeschlagen ist, ausnimmt, wird durch die Abbildungen
II und HI veranschaulicht.
Derselbe, in der Schweiz und in Deutschland patentiert,
ist zu beziehen bei G. Iberg, Optiker, Freie Strafe« 60,
Basel.
477
ä«« fcerftiitmlttftf e» tut) Vereinen,
Die wissenschaftlich-industrielle Ausstellung in Kasan.
Gegenstände ans dem Gebiete der Schulhygiene
und der körperlichen Erziehung.
Berieht,
verlesen in der „Gesellschaft zur Wahrung der Volksgesundheit ".
Von
Wirklichem Staatsrat Dr. med. Alexander von Wirenius,
Arzt des Wedenskisohen klassischen Gymnasiums
und Direktor des Einderasyls der Großfürstin Alexandra Nicolaewska
in St. Petersburg.
(Schlufs.)
Nicht weniger Interesse erweckten die ausgestellten Hand-
arbeiten sowohl aus Knaben- als aus Mädchenschulen ver-
schiedener Ressorts.
In die Knabenschulen ist der Handfertigkeitsunterricht
eben erst eingeführt» so dafe man nicht hoffen durfte, etwas
Originelles auf diesem Gebiete zu finden. Die Tischler- und
Drechslerarbeiten rührten meistenteils aus Gewerbeschulen und
mittleren Lehranstalten her. Wir wollen nicht näher auf diese
Sache eingehen, tot allem deshalb nicht, weil die pädagogische
und hygienische Bedeutung der Handarbeit in der Schule,
besonders der Elementarschule, wissenschaftlich noch nicht ge-
nügend begründet ist, und weil auch die Praxis noch keine
schwerwiegenden Grunde dafür oder dagegen aufweisen kann.
Zweckentsprechender wird es sein, wenn wir die Hand-
arbeiten der Mädchen genauer besprechen, da dieselben in den
weiblichen Lehr- und Erziehungsanstalten seit jeher betrieben
werden und bereits über pädagogische und sanitäre Resultate
478
verfügen. Ein Fortschritt im Handarbeitsunterricht ist auch,
im Verlauf der letzten Jahre bemerkbar, und die Beweise
dafür finden wir auf der Ausstellung in Kasan. Trotzdem
bestehen auf diesem Gebiete nioht wenige Mängel und sogar
Verhältnisse, die für die lernenden Mädchen höchst un-
günstig sind.
Wir wollen nicht von den Nähmaschinen reden, welche
die Gesundheit schädigen und selbst unmittelbare Erkrankungen
gewisser Organe veranlassen, weil diese Maschinen zum Glück
in der Schule nicht so häufig und nicht so anhaltend gebraucht
werden, wie in den Werkstätten der Damenmagazine und in
den Wohnungen der Nähterinnen und Schneiderinnen. Allein
wir treffen ausserdem bei dem Handarbeitsunterricht noch
folgende ungünstige Einzelheiten an. In den meisten Fällen
sind die Arbeitsräume eng, die Tische unzweckmäßig und so
aufgestellt, dafe das Tageslicht nicht voll auf die Arbeit feilt,
wie denn auch die Beleuchtung am Abend zu wünschen übrig
läfet. Zudem ist die Arbeitszeit viel zu lang, die Mädchen
machen sich keine Bewegung und haben wenig oder gar nicht
Gelegenheit, an die frische Luft zu kommen. Auch werden
sie mit zu feinen Handarbeiten beschäftigt.
Alles dieses greift die Organe des Gesichts, der Respiration
und der Blutbewegung, überhaupt den ganzen Körper aufs
äufeerste an, und die Schule schickt auf diese Weise ihre Zög-
linge als schwache und kranke Individuen in den erbarmungs-
losen Kampf ums Dasein. Wir wollen durchaus nioht die
ausgestellten weiblichen Arbeiten auf der Kasanschen Aus-
stellung besonders tadeln; es sind dieselben, wie auf allen
anderen Ausstellungen. Doch möchten wir wenigstens betonen,
dafe sich die hygienische Lage der mit Handarbeit be-
schäftigten Schülerinnen, wie der Handarbeiterinnen überhaupt
im Verlauf der letzten 10 Jahre kaum merklich gebessert hat.
Auch die weiblichen Handarbeiten auf der Ausstellung in
Kasan weisen ernstlich auf die Notwendigkeit hin, dafe die
Hygieniker mit voller Strenge und Energie selbst die kleinsten
Details einer rationellen Einrichtung des Schulunterrichts in
479
diesem Gegenstände überwachen; entgegengesetzten Falles droht
der Fortschritt auf dem Gebiete der weiblichen Arbeit allen
denjenigen, die sich damit beschäftigen, mehr oder weniger mit
den Schrecken der Entartung.
Auf der Kasanflehen Ausstellung sahen wir Arbeiten
der weiblichen Lehranstalten, die jede Konkurrenz mit den
Erzeugnissen aus den Werkstätten der Nähterinnen und
Schneiderinnen aushalten. Besonders zeichnete sich ein Zelt
aus, das von der Gewerbeschule der Frau L. P. Schummkow
eingerichtet und mit vielen Gegenständen ausgestattet war.
Die genannte Anstalt ist in drei Stufen geteilt. In der
jüngsten Abteilung lernen die Mädchen das Stricken, das
Nähen, das Sticken von Kindersachen und das Weben von
Teppichen. Die zweite Abteilung ist diejenige für Weifs-
nähterinnen; der Unterricht im Weilsnähen beginnt mit dem
Verfertigen der Ausstattung eines neugeborenen Kindes, weil
diese Art von Arbeit sich besonders zum Erlernen der Nähterei
eignet. Die dritte und oberste Abteilung ist für Schneiderei
bestimmt.
In diese Schule werden Mädchen von 10 Jahren auf-
genommen, in die Abteilung für Schneiderei und Fußbekleidung
jedoch nur solche von 15 Jahren.
Alle drei Abteilungen hatten ihre Erzeugnisse ausgestellt;
besonders interessierten uns jedoch zwei Serien von Arbeiten,
die Ausstattung eines neugeborenen Kindes, genau nach dem
Buche von W. N. Schuck „Mutter und Kind" ausgeführt,
nur mit mehreren wesentlichen Vervollkommnungen ver-
sehen, und ferner einige Fufsbekleidungsstüoke, bei deren
Anfertigung die Hinweisungen beachtet waren, welche Dr.
Jakowlew in seiner Dissertation über Fußbekleidung in
Bezug auf den Bau des Fufses gegeben hat. Überhaupt
zeichnet sich die Administration der SoHUMMKOWsohen Anstalt
durch reges Interesse für das von ihr gepflegte Unterrichts-
gebiet aus, und man bemerkte überall das Bestreben, dasselbe
auf eine den Anforderungen der Zeit entsprechende Stufe zu
stellen.
480
Zum Schlafe wollen wir noch hervorheben, dafe
wissenschaftlich-industrielle Ausstellung in Kasan auf uns dea
allererfireuliehsten Eindruck gemacht hat, sowohl durch ihre
Gegenstände, die aufeerordentlich viel Interessantes und Be-
lehrendes aus allen Zweigen der Kultur des Wolga-Kama-
gebietes darboten, als auch hauptsächlich durch die Begeisterung
und völlige Solidarität der Interessen bei den zahlreichen Aue-
stellern. Denn diese alle strebten einmütig dem gesteckte*
Ziele zu, das Publikum und die Regierung mit den Frichten
ihrer mühsamen Th&tigkeit zum Nutzen und Heil ihrer Heimat
bekannt zu machen.
Wie sorgt die hökere Mädchenschule
ftr die körperliche Ausbildung Ihrer Zöglinge?
Aus den Verhandlungen
der dreisehnten Hauptversammlung des deutschen Verein*
für das höhere M&dchensehulweeen in KieL
Von
L. KOTKLMAKH.
Der deutsche Verein für das höhere Mädchenschulweeen
tagte vom 23. bis 27. Mai d. J. unter dem Vorsitze unseres
geschätzten Mitarbeiters, Herrn Direktor Dr. O. Sommer, in
Kiel. Den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildete die
Frage: Wie sorgt die höhere Mädchenschule für die
körperliche Ausbildung ihrer Zöglinge? Die Bericht-
erstatterin, Fräulein Bbrtha von dbr Lack, Lehrerin der
städtischen Charlottenschule in Berlin, fährte nach einest
Autoreferate folgendes aus:
Bis vor zwei Jahrzehnten ungefikhr schien die körperliche
Ausbildung der Zöglinge der höheren Mädchenschule kaum in
481
Betracht zu kommen; die Schule war eben nur eine Bildungs-
anstalt des Geistes» Erst die Entwickelnng der deutschen
Medizin zu der modernen Richtung der Pflege der Volks-
Wohlfahrt und öffentlichen Gesundheit zog auch die Töchter-
schule in die neue hygienische Strömung mächtig hinein.
Pflicht der Schule ist es, dem Körper und Geist, die in un-
lösbarer Wechselwirkung zu einander stehen, gieichmäfsig
gerecht zu werden.
Eine ganze Litteratur1 beschäftigt sich mit den An-
forderungen, welche die Hygiene an die äu&eren Einrichtungen
der Lehranstalten zu stellen hat. Wie segensvoll auch die Er-
füllung aller dieser Forderungen in Bezug auf den Bauplatz, das
Schulgebäude, den Spielplatz, die Regenhalle, die Reinigung
und Lüftung der Klassen sein mag, die Praxis des Lebens wird
doch notgedrungen dieselbe mehr oder weniger beeinträchtigen.
Dnerlälslich aber erscheint, dals nur durch Atteste des Hausarztes
als vollkommen gesund und kräftig beglaubigte Mädchen der
öffentlichen Schule anvertraut werden. Denn die Ansprüohe,
welche der moderne Unterricht an die geistigen Fähigkeiten
der Schülerinnen stellen mufs, sind in der That aufser-
ordentlich grols. Die Schule legt sicherlich den Grund zur
Überreizung der Nerven, wenn nicht durch die äufserste Vorsicht
der Lehrenden, durch möglichste Beschränkung des Stoffes und
durch Geist und Leben gebende Methode Erleichterung gewährt
wird.
Eine zweite unerläfsliohe Bedingung ist die, dals der der
KindesnaturwiderstrebendeZwang desStillsitzens und Schweigens
in und aufser den Lehrstunden möglichst unschädlich gemacht
werde. Häufiger Wechsel der Körperhaltung innerhalb der
Stunden, Aufstehen bei jeder Antwort, Chorsprechen und Chor-
lesen sind in dieser Beziehung zu empfehlen. Möglichst freie
Bewegung in allen Pausen je nach den lokalen Verhältnissen,
regelmäßiger Turnunterricht mit Betonung des Gerätturnens,
1 Vgl. die Bchulhygienischen Werke von Bagixsky, Eulenberg-Bach,
Jahu, sowie die Zeitschrift für Schulgmtndheitspflege von Dr. Kotbl-
MAFN.
482
wo möglich im Freien während des Sommers, werden weiter
zur Förderung der körperlichen Ausbildung beitragen. Die
segensreichste Einrichtung aber wäre die Einführung obligato-
rischer Turnspiele, wie sie seit Jahren an der höheren Mädchen-
schule zu Braunschweig betrieben werden. Auch andere Schulen
haben Turnspiele eingerichtet. So hat Referentin solche 10 Jahre
lang aus eigener Initiative an der Charlottenschule zu Berlin
im Winter und Sommer geleitet, und an allen städtischen
höheren Mädchenschulen Berlins werden dieselben jetzt während
des Sommers betrieben, wobei der Verein für Jugendspiele für
öffentliche Spielplätze sorgt. Doch alles dies ist nur fakultativ.
Die obligatorische Einführung des Turnspieles in den Lehrplan
der Mädohenschulen aber ist das sicherste Mittel, Körper und
Geist der Schülerinnen zu kräftigen und die unumgänglichen
Schädigungen der Studienzeit wieder gut zu machen. Besonders
müssen die Braunschweiger Spielstunden empfohlen werden,
und es ist zu beklagen, dafs die Raum Verhältnisse der gröberen
Städte eine Nachahmung derselben vielfach erschweren, wenn
nicht unmöglich machen. Diese bis in das letzte Schuljahr
hinein obligatorisch betriebenen Turnspiele, die durch keine
Landpartien oder botanischen Ausflüge ersetzt werden können,
würden den Geist der Fröhlichkeit, bei dem die Jugend am
besten gedeiht, in die notwendigerweise etwas ernsten Mauern
der Schule einziehen lassen. Sie würden vielleicht auch die
erschreckend überhandnehmende Frühreife der Mädchen, die
kaum noch spielen können, aufhalten. Si votre enfant n'aime
plus le jeu, craignez qu'il ne devienne vioieux.
Ein dritter Faktor zur Förderung der körperlichen Aus-
bildung unserer Mädchen aber wäre der direkte und indirekte
Einflute der Schule durch Wort und Schrift auf das Haus.
Peinlichste Sauberkeit, einfache Kost und Kleidung, Fernhalten
aller Nervenreizungen durch Übermals von Vergnügungen,
Lektüre und Reisen sind Wünsche, welche die Schule be-
ständig dem Hause gegenüber zu betonen hat. Mens sana in
corpore sano hiefs es früher. Sollte nicht auch corpus sanum,
si mens sana, gelten ? Die Schule muJs den Eltern die Mahnung
483
ans Herz legen: „Beschleunigt die Reife Eurer Kinder
nicht, suchet vielmehr in dem rastlosen Treiben der Gegenwart
ihre Entwicklung zu verlangsamen und sie vor jedem Zuviel
der Anregung zu schützen." Alle Bemühungen seitens der
Schule, den Körper zu pflegen und das Nervenleben zu schonen,
müssen erfolglos bleiben, wenn Mädchen während des zarten
Schulalters ein Leben fuhren, in welchem die strenge Geistes-
arbeit der Schule durch Nervenreizungen allerArt im Familien-
leben verschärft und somit dem sich entwickelnden Körper und
Geist eine Last aufgebürdet wird, an der jetzt so viele Er-
wachsene zu Grunde gehen.
Die Berichterstatterin hatte ihren Ausführungen folgende
Leitsätze zu Grunde gelegt:
1. Die Hauptaufgabe der Schule ist allerdings die Aus-
bildung des Geistes. Da indessen Körper und Geist
in unablässiger Wechselwirkung stehen, so hat die
Schule die Verpflichtung, die körperliche Pflege, welche
Familie und Haus dem Kinde angedeihen lassen, nach
jeder Richtung hin möglichst zu fördern.
2. Die Schule hat es sich demnach vor allen Dingen an-
gelegen sein zu lassen, allen äufseren Anforderungen
der modernen wissenschaftlichen Hygiene nach Kräften
gerecht zu werden.
3. Als die körperliche Bildung direkt fördernde Schul-
einrichtungen sind zu empfehlen: möglichst viele
körperliche Bewegung in- und auiserhalb der Stunden
und Einfügung obligater, im Freien auszuführender
Turnspiele in den Lehrplan.
4. Von hoher Bedeutung ist, dafs die Schule durch eine
den Geist befreiende und den Körper nicht einzwän-
gende Unterrichtsmethode auch die Schulstunde selbst
für die harmonische Ausbildung von Geist und Körper
fruchtbar macht.
5. Alle ihr zu Gebote stehenden Mittel soll die höhere
Mädchenschule anwenden, um das Haus zu bestimmen,
von den Kindern jeden die Nerven reizenden und
484
somit den ganzen Körper schädigenden Einfalls fern-
zuhalten, damit dadurch die von ihr angestrebten
Erfolge nicht beeinträchtigt werden.
Eine Abstimmung aber die einzelnen Thesen wurde nieht
beliebt. Die Versammlung dankte vielmehr der Bednerin,
indem sie erklärte, dais der Vortrag nebst den leitenden Grund-
sätzen im allgemeinen ihre vollste Zustimmung und Billigung
gefunden habe.
(Fortsetcung in No. 10.)
Der Berliner Realschttlminnerverein über die Sehularztfrage.
Im Realschulmäanerverein Berlins sprach nach der „Charlotibg.
Zig.u Dr. med. W. Feilchenfeld Aber die Schularztfrage.
Die moderne Richtung in der Medizin, so fahrte er aus, die
neben der Behandlung schon bestehender Krankheiten ganz be-
sonders die Erforschung der Krankheitsursachen und deren Beseitigung
erstrebt, sowie die Einführung des Schulzwanges mausten mit Not-
wendigkeit zu einer Schulhygiene fuhren. Diese lehrt, dab manchen
Schulkrankheiten durch ärztliche Schulanfsicht vorgebeugt werden
kann. Nun gibt es zwar eine grofse Reihe schulhygienischer Ver-
fügungen in allen Kulturstaaten, aber fast überall, wo nicht Schul-
ärzte Aber ihre Ausfahrung wachen, stehen sie eigentlich nur auf
dem Papiere. Auch die Pädagogen, welche sich früher gegen die
Einführung von Schulärzten sträubten, wünschen dieselbe jetzt
vielfach. Überall, wo solche Ärzte angestellt sind, zeigen sich bereits
Erfolge. Der Redner ging sodann die verschiedenen Staaten ausserhalb
und innerhalb Deutschlands in Bezug auf ihre Leistungen auf diesem
Gebiete durch und betonte dabei die hervorragenden Einrichtungen
in den grofsen Städten Belgiens, Frankreichs und Ungarns. Er
findet, daft Preufsen hierin hinter den meisten anderen Ländern
zurückgeblieben ist und dafo sich die Behörden Berlins der Schul-
arztfrage ganz besonders. feindlich gezeigt haben.
Zum Schlüsse stellte der Vortragende folgende Forderungen
auf: 1. Einsetzung von Kommissionen, bestehend aus Ärzten, Archi-
tekten und Pädagogen, behufs genauer Untersuchung der Schulen.
2. Aufnahme einer Prüfung in der Schulhygiene in das pädagogische
485
Examen. 3. Einführung von Vorlesungen über Schulgesundheitepflege
ftr Mediziner und Philologen an allen Universitäten und Seminarien.
4. Anstellung eines Schulärzte* für je cirea 5000 Schüler, welcher
halbjährlich genaue Fragebogen ausgefüllt an die vorgesetzte Behörde
zu senden hat. 5. Ernennung eines Reichsschularztes im Ministerium.
6. Aufnahme eines Schularztes in jede Schulbehörde.
Die lebhafte und eingehende Debatte, welche sich an den
Vortrag knüpfte, ergab die einmütige Zustimmung der Versammlung
zu der 3. und 6. These, nämlich: Einführung von Vorlesungen über
Schulhygiene für Mediziner und Philologen an allen Universitäten und
Seminarien; Aufnahme eines Arztes in jede Schulbehörde.
Desinfektion in Schulen.
Urteile von Londoner Schulärzten.
In der Jahresversammlung des Vereins der Schulärzte Londons,
welche unter dem Vorsitze von Dr. W. Howship Diokinson in den
Räumen der dortigen medizinischen Gesellschaft stattfand, hielt Dr.
H. Franklin Parsons einen Vortrag: „Praktische Desinfektion
der Schulen, speciell der Kinder, der Kleidung und des
Gebäudes."
In der eingehenden Diskussion, welche sich an den Vortrag
anschlofs, wurde auf die hohe Bedeutung frischer Luft und reich-
lichen Lichtes als Desinfektionsmittel hingewiesen und zugleich der
freigebigste Gebrauch von heifeem Wasser und Seife empfohlen. Für
die Desinfektion trockener Bäume schien sich trotz des abfälligen
Urteils Robert Kochs Schwefeldioxyd besonderer Gunst zu erfreuen,
vorausgesetzt, dafs eine hinreichende Menge Schwefel und diese in
gehöriger Weise zur Verbrennung gelange.
Einige Redner hoben die Notwendigkeit hervor, auf scheinbar
unbedeutende Dinge zu achten, namentlich wurden Stiefel, Bücher,
Taschenuhren u. dergl. als Gegenstände angeführt, welche leicht eine
Ansteckung bewirken, aber unter gewöhnlichen Umständen außer-
ordentlich schwer zu desinfizieren sind. Der den antibakteriellen
Einreibungen bei Scharlachfieber gewöhnlich zugeschriebene Wert
begegnete mehrfachen Zweifeln. Dagegen waren die meisten darin
einig, dafs die Beschaffung eines wirksamen Desinfektionsapparates,
insbesondere für kleinere Schulen, wünschenswert sei, wenn dieselbe
auch manchen Schwierigkeiten begegne; der Vorzug feuchter Wärme
der trockenen gegenüber wurde dabei allgemein anerkannt.
Hierauf bemerkte der Vorsitzende, dafs er die Einreibungen mit
Salbe bei Scharlach längst aufgegeben habe; es sei ihm erschienen,
als ob Albuminurie bei solchen Einreibungen häufiger vorkomme.
Zugleich gab er der Ansicht Ausdruck, dafs Scharlachpatienten
486
während der ersten Periode der Krankheit, wo das Exanthem sich
zeige und seinen Höhenpunkt erreiche, am meisten ansteckten, nicht
aber, wie man gewöhnlich annehme, während der Zeit der Ab-
schuppung.
Zum Schlüsse wurde der Vorstand deS Vereines beauftragt, eine
genaue Desinfektionsordnung für Schulen zu entwerfen.
kleinere Jtütetlutt$ttt.
Gesundheitspflege Ar die Lehrer, so betitelt sich ein Auf-
satz in dem „Päd. Wochbl.", welcher folgendermafsen lautet: Seit
ungefähr 10 Jahren ist ein reges Leben erwacht, das sich mit
der Schulgesundheitspflege beschäftigt. Ungezählte Vorschläge sind
gemacht worden, damit dem heranwachsenden Geschlecht in der
Schule alle Vorteile der neueren ärztlichen Wissenschaft zu gute
kommen. Bei allen diesen so wohlgemeinten Bestrebungen vergiist
man ganz, dafs eine wahre Reform gar nicht erzielt werden kann
ohne die Lehrer. Zunächst schaffe man gesunde Lehrer, Erzieher,
die an Leib und Seele frisch sind und diese Frische auch der ihr
anvertrauten Schar der Unmündigen beizubringen vermögen. Daran
fehlt es, an kerngesunden Lehrern. Wohl sind sie seltener geworden,
die Originale unter den Gymnasialprofessoren, jene spindeldürren,
ausgehungerten Gestalten, die Figuren ohne Kraft und Mark, welche
in ungezählten bildlichen und schriftlichen Darstellungen seit Jahr-
hunderten verspottet und gegeißelt worden sind; wohl hat auch
besonders das Reserveoffiziertum den höheren Lehrerstand in
Bezug auf die körperliche Haltung günstig beeinflußt, aber auch jetzt
noch ist der Typus des höheren Lehrers ein Bild, dem kraftstrotzende
Männlichkeit, selbstbewufstes Auftreten, blühende Gesundheit, ur-
wüchsiges Behagen fehlen, kurz die Eigenschaften, die viele der
herrschenden Stände, von reicheren Landwirten, Förstern, Seeleuten
gar nicht zu reden, auszeichnen. Das Gesicht so manches Gelehrten,
sagt Schopenhauer treffend, trägt von seinen vielen Studien keine
anderen Spuren, als die der Erschöpfung und Abnutzung durch über-
mäßige, erzwungene Anstrengung des Gedächtnisses zu widernatür-
licher Anhäufung toter Begriffe. Da gibt es nur ein Mittel, das
retten kann. Die einseitige geistige Thätigkeit hat die Leute herunter-
gebracht, man zwinge sie zu vernünftiger körperlicher Beschäf-
tigung. Nur in dem richtigen Wechsel von geistiger und körperlicher
Anstrengung ruht das Heil. Viele pflegen zwar den Körper, aber
487
in ganz verkehrter Art. Sie rennen spazieren, traben im Freien
hemm, um zu Kräften zn kommen, aber das ist ein viel zu dürf-
tiges und schwaches Mittel. Das, was Tolstoi und ändert verlangt
haben, das ist das Erlösende: Der im Lehrerbernfe müde gewordene
widme zur Abwechselung nnd Erholung sich produktiver körperlicher
Arbeit, nicht zerstreuenden Spielereien, sondern wohlüberlegter Be-
schäftigung mit seinen Händen, um etwas Nützliches, Brauchbares
zu schaffen. Der eine mag tischlern, der andere schmieden, der
dritte Gartenbau treiben, jeder nach seinem Belieben, aber ein be-
stimmter Plan mufe inne gehalten werden. Was ist in unseren
verschiedenen Sanatorien, die den durch Überreizung verdorbenen
höheren Ständen Heilung bringen, das Geheimnis des Erfolges? Die
körperliche Beschäftigung der Hilfesuchenden. Nun, dieses Mittel
kann sich jeder schliesslich im Hause verschaffen und noch etwas
Besseres. Viel mehr als bei den Spielereien, als da sind: eine
Anzahl Schritte zurücklegen, Stabübungen, turnerische Bewegungen,
wird das körperliche und seelische Wohl befördert durch produktive
Arbeit. Wer nach geschehener geistiger Anstrengung ein Stück Land
umgräbt, Gemüsebau treibt, Tischlerarbeiten verrichtet und dergleichen
und dabei etwas Nützliches schafft, das ihm oder seinen Mitmenschen
Vorteile bringt, der erringt sich eine Befriedigung, eine Genugtuung,
die viel höher sind, als sie blo&e Spielereien erzeugen, der gewinnt
neue Kräfte, der sinkt nicht herab zum ausgetrockneten Pedanten,
welcher sich und seinen Schülern das Leben schwer macht durch
einseitige Betonung hohlen Formelkrams. Die Lehrer, die einseitig
geistig thätig sind, verlieren alle Fühlung mit dem wahren Menschen-
tum, verlernen das erste, was der Erzieher thun soll, sich nämlich
auf den Standpunkt des Unmündigen zu versetzen, und stellen an
ihre Schüler Anforderungen, die alles Mafs übersteigen. — Wir
haben den Ausführungen des mit etwas grellen Farben malenden
Herrn Verfassers gerne Raum gegeben, möchten aber doch be-
zweifeln, dafs die Beschäftigung in einer staubigen Tischlerei oder
einer rauchigen Schmiede der Gesundheit zuträglicher als ein Spazier-
gang oder gar Turnen in freier Luft sei. Gartenarbeit zu treiben
aber sind die meisten Lehrer schon deshalb nicht im stände, weil
sie über keinen Garten verfügen. Aufserdem darf auch nicht über-
sehen werden, dafs man nach schwerer Arbeit mit der Hand hinterher
aafter stände ist, die Feder zu führen.
• Schulhygienisches ans dem Königreich Sachsen. In dem
vor einiger Zeit erschienenen 23. Jahresberichte des Landesmedizinal -
kollegiums über das Medizinalwesen im Königreich Sachsen auf das
Jahr 1891 heilst es: Zwei im Medizinalbezirke Glauchau neu er-
richtete Schulen, die eine in Hohndorf, die andere in Oberlungwitz,
488
sind in jeder Weise vorzüglich, ja luxuriös gebaut, zeichnen sich
durch grofee Korridore aus, haben Dampfniederdruckheizung und
gute Ventilationseinrichtungen. In Oberlungwitz bezogen die
zufahrenden Luftkanäle ihre Luft aus dem Keller. Ursprünglich
waren sie durch die Mauer hindurch projektiert worden; bei der
Ausführung glaubte man aber, dafs dies schlecht aussehen würde,
liefs sie im Keller selbst aufhören und setzte an ihre Ausmündungs-
stelle ein Fenster. Der Übelstand ist dann beseitigt worden. In
der neuen Schule zu Oberlungwitz haben die Schulbänke Plusdistanz
yon 0,5 bis 2 cm und sind für zwölf- bis achtzehnjährige Kinder
hergestellt, passen also nur für die oberste Klasse. — Hinsichtlich
dreier Schulen in Freiberg sagt der Bezirksarzt, dafs die Beleuch-
tungsverhältnisse für die meisten Klassen ganz unzureichende seien,
so dafs die Sehkraft der Kinder, namentlich der entfernt vom Fenster
sitzenden, geschwächt werde und nach der- Mitteilung eines Lehrers
33% Kurzsichtige in seiner Klasse säüsen. Die Ventilationseinrich-
tungen fehlten so gut wie gänzlich, und wo solche eingerichtet waren,
erwiesen sie sich als unzweckmäßig, ja sogar dadurch, dafe sie
verdorbene Luft dem Innern zuführten, als gesundheitsschädlich.
Die Schulbänke entsprachen zum gröfeten Teil nicht den Vorschriften
weder in Bezug auf die Masse, noch die Konstruktion (Einschnitte
zum Aufstehen). Die Beheizung durch Kachel- oder eiserne Öfen
war eine mangelhafte, da Mäntel zum Abhalten der strahlenden
Hitze überall fehlten und die Ofenvorsetzer in keiner Weise genügten.
Die Abortanlagen besafsen zum Teil eine zu geringe Höhe, nicht
hinreichend Luft und Licht und standen in direkter Verbindung mit
den Vorsälen, so dafs übel riechende Gase in diese und von da aus
in die Schulzimmer eindrangen; es geschah dies ganz besonders
durch die Luftzuführungskanäle, welche als saugende Öffnungen an-
gesehen werden müssen. Der Fufsboden in den Hausfluren wie in
einzelnen Klassen erwies sich undicht, liefs Feuchtigkeit eindringet
und gab Keime aller Art ab, die sich im Zimmer verbreiteten und
so die Luft verdarben oder sonst gesundheitsschädlich wirkten. Was
die Lage der Lehrgebäude betrifft, so waren diese, ganz besonders
die Petrischale, nur durch schmale Strafeen von den gegenüber-
liegenden Häusern getrennt, und es fehlte ihnen daher an Helligkeit
und guter Luft; auch gewährten sie mit Ausnahme der Knaben-
bürgerschule im Herderschen Hause den Kindern keinen genügenden
Raum, in welchem sie sich während der Pausen hätten erholen
können. — In der Schule zu Jugel im Medizinalbezirk Schwarzen-
berg wucherte der Schwamm sowohl in der Schulstube als auch in
der Wohnung des Lehrers. In dem Schulzimmer war die eine
Wand ganz durchnäßt durch die yon der Abortgrube aufsteigende
489
Feuchtigkeit. Aufserdem hatte sich eine Ecke des Schulgebäudes
derartig gesenkt, dafs die Mauer grofse Risse zeigte von der Gröfse,
dafs man den Arm hineinlegen konnte. Auf Antrag des Bezirks-
arztes beschlofs die arme Gemeinde den Neubau einer Schule. —
Eine Untersuchung der Schuler der Bürgerschule und der Bezirks-
schulen zu Glauchau auf Kurzsichtigkeit und Schwerhörigkeit ergab,
dafe sich unter den Kindern der ersten 2 Schuljahre in der Bürger-
schule fast doppelt so viele Kurzsichtige befanden, als in den Be-
zirksschulen. In letzteren steigt die Zahl der Myopen rasch, um
im 3. bis 4. Schuljahre bereits das Maximum von 5% zu erreichen;
yon da an nehmen die Kurzsichtigen nicht mehr wesentlich zu,
während in der Bürgerschule im 3. und 4. Schuljahre ebensoviel
Kinder kurzsichtig sind, als in den Bezirksschulen, dann aber das
Verhältnis rasch steigt, so dafe im 5. bis 6. Schuljahre 10% der
Kinder an Myopie leiden. Die oberen Klassen zeigen dann wieder
eine geringe Abnahme.
Häusliche Arbeitszeit der Schüler der k. k. Staatsober*
realschnle in Taschen. Dem uns freundlichst übersandten Jahres-
berichte der genannten Anstalt für 1891 — 92 entnehmen wir, dais
Erhebungen in Bezug auf die häusliche Zeiteinteilung der Schüler
vorgenommen wurden. Letztere stellten vom 1. bis 30. November
die Zeit des Aufstehens, Arbeitens, Spazierengehens, Badens, Schlafens,
Unwohlseins u. s. w. in gedruckten Tabellen zusammen und entwarfen
damit ein Bild ihrer Lebensweise. Die häusliche Arbeitsdauer eines
Schülers für die einzelnen Lehrgegenstände betrug durchschnittlich
in Minuten:
KJatM
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! *
1
I
•3
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Summe
IA.
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13
13
13
10
24
27
13
19
20
17
20
28
26
19
29
20
17
26
5
13
12
20
33
27
22
12
14
14
17
21
27
21
26
44
16
20
18
27
13
26
12
11
15
33
9
10
7
10
6
10
3
9
6
3
9
10
6
Stunde 32 Min.
IB.
17
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6
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VI.
9
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VII.
14
3
n 30 n
Scholfesnadheittpflefe VI.
32
490
Die Zeiteinteilungstabellen führten zu einer ziemlich genauen Kenntnis
der Schaler und ihrer häuslichen Verhältnisse. Sie zeigten, dafs
einzelne in den unteren und die Mehrzahl in den oberen Klassen
bis 11, ja bis 12 Uhr nachts und darüber hinaus arbeiteten; date
in einigen Wohnungen die Lüftung vernachlässigt wurde; dafe manche
Schüler eine regelmäßige Körperbewegung unterliefsen und die Haut-
pflege verabsäumten. Schlechte Lüftung der Wohnung und Mangel
an Bewegung trafen in mehreren Fällen mit Kopfweh und Nasen-
bluten der Betreffenden zusammen. Über die in den Tabellen zum
Ausdruck gebrachten Zustände wurde in einer Konferenz verhandelt
und sodann von den Klassenvorständen dahin gewirkt, die Schüler
zu einer der Gesundheitslehre entsprechenden Lebensführung zu ver-
anlassen. Zu diesem Zwecke konnten die Gesundheitsregeln für die
Schuljugend, herausgegeben von der Hygienesektion des Berliner
Lehrervereines,1 empfohlen werden.
Über das Lebens- und Dienstalter der Volksschullehrer
in Preufgen entnehmen wir der „Stat. Korr" folgende auf der
Schulstatistik von 1891 beruhende Angaben: Auf 63 237 Stellen
für vollbeschäftigte Lehrer und 8494 Stellen für vollbeschäftigte
Lehrerinnen entfallen 5691 in Ruhestand versetzte Lehrer und
400 in Ruhestand versetzte Lehrerinnen. Auf 11,11 Lehrer und
21,24 Lehrerinnen kommen eine ausgediente Kraft; in den Städten
entfällt auf je 17,45 und auf dem Lande auf 9,11 Lehrkräfte, im
ganzen Staate auf 11,78 Lehrkräfte ein Ruhegehaltempfänger. Von
den Lehrern im Dienste waren 54,8% (auf dem Lande 56,6]
unter 35 Jahren alt, 27,6% (25,2) 35—50 Jahre, 15,1 (15,5)
50—65 Jahre und 2,5 (2,7) über 65 Jahre; von den Lehrerinnen
63,2% (auf dem Lande 69,5) unter 35 Jahren, 29,7 (23,9) 35 bis
50 Jahre, 6,7 (6,1) 50—65 Jahre und 0,14(0,5) über 60 Jahre.
Was das Dienstalter betrifft, so standen im Durchschnitt aller Lehrer
aus Stadt und Land im Dienstalter von 5 Jahren und darunter 22,4%,
von 5—10 Jahren 20,8%, von 10—15 Jahren 15,4%, von 15 bis
20 Jahren 10,4 %, von 20—30 Jahren 16,0, von 30—40 Jahren
10,6, von 40—50 Jahren 4,0 und über 50 Jahren 0,4%. Bei
den Lehrerinnen waren die Altersstufen folgendermafsen verteilt:
0—5 Jahre 29,8 %, 5—10 Jahre 25,2, 10—15 20,9, 15—20
11,6, 20—30 9,1, 30—40 2,8, 40—50 0,5 und über 50 Jahre
0,05%. Über das Dienst- und Lebensalter zur Zeit der Pen-
sionierung liegen Nachrichten nur für die nach dem 1. April 1886
pensionierten, am 1. April 1890 vorhandenen 3901 Lehrer und
1 S. diese Zeitschrift 1890, No. 3, S. 162—164; No. 6, S. 361—352.
D. Red.
491
200 Lehrerinnen vor: die Lehrer waren durchschnittlich mit einem
Lebensalter von 64 Jahren 5 Monaten und einem Dienstalter von
41 Jahren 5 Monaten ausgeschieden, die Lehrerinnen mit einem
Lebensalter von 50 Jahren und einem Dienstalter von 24 Jahren.
Sind gute Turner schlechte Schüler? Diese Frage hat
Dr. S. Schwabz aus den Zeugnisbüchern der Altonaer Reallehr-
anstalt zu beantworten gesucht und die gewonnenen Resultate in
der „Zeiischr. f. Tum- u. Jgdspl." mitgeteilt. Bei einem ganz
allgemeinen Vergleich ergab sich, dafs bei 171 oder 34,6% der
tarnenden Schuler die Leistungen im Turnen und den wissenschaft-
lichen Fachern übereinstimmten; bei 250 oder 50,6% fand sich ein
geringer Unterschied, während nur bei 71 oder 14,8% die Lei-
stungen im Turnen und den wissenschaftlichen Fächern im geraden
Gegensatz standen. Wird aber nicht wenigstens die Auszeichnung
auf dem einen Gebiete meist mit Unzulänglichkeit auf dem anderen
erkauft? Diese Frage beantwortet der Verfasser an der Hand von
vier Tabellen dahin, dafs von den guten Schülern reichlich zweimal
soviel auch im Turnen Hervorragendes leisteten, als in demselben
hinter den Forderungen zurückblieben. Auch unter den guten
Turnern gab es immer noch mehr gute, als ungenügende Schüler,
unter den schlechten Turnern immerhin zwei Fünftel mehr, die auch
in der Klasse zurückblieben, als solche, die dafür dort Gutes leisteten.
Nur die eine der vier Tabellen zeigt ein umgekehrtes Verhältnis der
Leistungen im Turnen und in den wissenschaftlichen Fächern. Ein
weiterer Unterschied besteht zwischen den einzelnen Klassen. Während
die unteren Klassen überwiegend viele Beispiele für den Satz von den
guten Turnern und schlechten Schülern aufweisen, zeigt er sich für die
mittleren und namentlich oberen Klassen um so weniger richtig.
Es ist, als ob die Schule allmählich jene einseitig Begabten aus-
schiede und dem Ideal einer gleichmäfsigen Bildung von Körper und
Geist näher käme. Zum Schlüsse fordert Dr. Schwarz zu ähnlichen
Erhebungen an anderen Schulen auf: „Erst wenn von mehr An-
stalten das Material vorliegt, kann man die Frage im allgemeinen
beantworten, wieweit die gleichmäßige Bildung von Körper und (reist
auf unseren höheren Schulen erreicht wird und wieweit sie erreicht
werden kann.u
Ist das Fufsballspiel gefährlich? Über diese Frage schreibt
J. H. "WORTMANN in der »Ztschr. f. Turn. u. Jgdspl*: Beim „Rugby"
werden in England hauptsächlich solche Spieler verwendet, die für
Geld spielen und auf deren Spiel grofse Wetten gesetzt werden
können. Diese meist kräftigen Arbeiterkreisen angehörenden Pro-
fessionisten gestatten sich beim „Rugby" alle nur erdenklichen
Roheiten; bei diesem Spiele ist das Aufnehmen des Balles sowohl
32*
492
als des Spielers gestattet, und der Spieler fafst beispielsweise den
mit dem Ball entfliehenden Gegner mit vollen Fäusten und wirft
ihn wuchtig zu Boden, gleichgültig ob er Hals oder Beine bricht.
Beim „Association44 ist zwar das Aufnehmen des Balles und Mannes
nicht gestattet, wohl aber das Niederrennen, und in letzterem leisten
solche berüchtigten Sportsmen, wie die oben geschilderten, das denkbar
Roheste. Die Spiele der feineren englischen Klubs und Schulen
dagegen zeichnen sich nicht durch Roheit und demgemäß auch
nicht durch haarsträubende Unfälle aus. Und unsere deutschen?
Wir haben in unserer Praxis ungefähr 200000 Schüler und Turner
im Fufsballspielen unterrichtet und zu unserer Freude keinen
nennenswerten Unfall erlebt. Also frisch heran an den Ball! —
Unsere Nachrichten über das Fufsballspiel in englischen Schulen
lauten freilich anders. So wird unserem verehrten Mitarbeiter, Herrn
Direktor Dr. Winöbrath in Strafsburg, von einem ihm seit 25
Jahren befreundeten englischen General geschrieben: „Fufsbaü ist
sogar ein gefährliches Spiel. Bei der letzten Partie, wo 11 Schüler
auf jeder Seite waren, brach einer ein Bein, ein zweiter eine Rippe,
und mein Sohn Eduard verrenkte sich die Schulter. Mag es auch
nicht immer so schlimm zugehen, auf alle Fälle pflegt das Hand-
gemenge dabei sehr hitzig zu sein."
Matte schwarte und weifse Gksschvlwandtafelii. Die
Glasschulwandtafeln der Fabrik Anton N. Bouvt in Amsterdam,
Heerengracht 625, bestehen aus massiv schwarzem Glase, d. h. das
Glas ist schon in der Masse schwarz gefärbt. Die eine Fläche,
eventuell auch die andere, ist matt geschliffen. Das gibt ihnen
einen Vorzug vor den sogenannten Düsseldorfer Glaswandtafeln und
ihren Nachahmungen, die aus gewöhnlichem matten Glase bestehen
und auf der Rückseite mit schwarzem Lack überzogen sind ; denn dieser
kann reifsen oder abplatzen, während die ersteren gar keiner Unter-
haltungskosten bedürfen. Sie werden zum Beschreiben auf einer
Seite, also als an die Wand zu hängende Tafeln, aber auch zur zwei-
seitigen Benutzung, d. h. im Ständer zum Drehen der Tafel, geliefert.
Auch weifse Schulwandtafeln gelangen in der genannten Fabrik zur
Herstellung, doch dürften die schwarzen empfehlenswerter sein. Die
bisher mit den Tafeln gemachten Erfahrungen, so urteilt die „Päd.
Warte", müsset als sehr günstige bezeichnet werden. Auch vom
hygienischen Standpunkte aus werden dieselben empfohlen. Sie sind
in jeder beliebigen Gröfise zu beziehen und kosten: schwarze, eine
Seite matt, JK. 27,50 für den Quadratmeter, schwarze, beide Seiten
matt, M. 29,20; weifse, eine Seite matt, M. 37,50, weifse, beide
Seiten matt, JK. 39,20 pro Quadratmeter.
493
Eine Brille für farbenblinde Schüler wird in der „Zischt.
d. Ver. dtsch. Zeichenlehr." besprochen. Sie beruht auf dem Princip,
dafs für ein farbenblindes Ange diejenigen Farben, welche es unter
normalen Verhältnissen nicht erkennt, weil sie ihm nur gleichmäfsig
dunkel vorkommen, dann unterscheidbar werden, wenn sie ihm ver-
schieden hell erscheinen. Diese verschiedene Helligkeit kann nun
dadurch erzielt werden, dafs ein farbiges Glas die Helligkeit der
einen Farbe starker absorbiert, als die der anderen. Ein Augenarzt
versah daher drei rotgrflnblinde Patienten mit purpurfarbigen Gl&sern.
Mit einer solchen Brille erscheint das Grün dunkler, als das Rot.
Da purpurfarbige Gläser von den Fabriken bis jetzt nicht hergestellt
werden, so mußte zu dem Aushilfsmittel gegriffen werden, Glycerin-
gelatine, die mit Anüin gefärbt war, in flüssigem Zustande zwischen
zwei Glasplatten zu fassen und letztere in ein Brillengestell einzu-
setzen. — Übrigens lernen Farbenblinde nicht selten durch anhaltende
Übung, auch ohne Brille die Farben an ihrer verschiedenen Helligkeit
zu unterscheiden.
SagtsgefdH^Ut^t**
Die schulhygienische Sektion des VIII. internationalen
Kongresses Ar Hygiene and Demographie in Budapest wählte,
wie man uns von dort schreibt, zum Präsidenten Professor Dr.
Julius Dollinger, zu Ehrenpräsidenten Staatssekretär Dr. Albert
von Bbrzeyiczy, Seminardirektor Wilhelm SzuffIn, Docent
Dr. Moritz K£rm1n, Magistratsrat Julius Rözsavölgyi und
Schulinspektor Dr. Karl von Ver£dt. Sekretäre wurden Docent
Dr. Stephan Csapodi, Bürgerschulprofessor B£la KIrpäthy,
Operateur Dr. Camillo Kollär und unser geschätzter Mitarbeiter,
Schularzt Professor Dr. Heinrich Schusohnt. Letzterer ward
zugleich zum Referenten der schulhygienischen Sektion ernannt.
Die 65. Versammlung der Gesellschaft deutscher Natur-
forscher nnd Ärzte findet vom 11. bis 15. September d. J. in
Nürnberg statt. Es sind 32 Abteilungen gebildet, von denen die
23. Hygiene und Medizinalpolizei umfafst. Einführender dieser Ab-
teilung ist Hofrat Dr. Stich, Schriftführer praktischer Arzt Dr.
GOLDßCHMiDT. Unter den angemeldeten Vorträgen befinden sich
aach zwei schulhygienische, nämlich Professor Dr. Koch1- Braun-
1 Unser Mitarbeiter. D. Red.
494
schweig: Die Entwickelang des Jagendspieles in Deutsch-
land and Seminarlehrer Dr.STlMPFL ^Bamberg : Die Beziehungen
der Physiologie zur Pädagogik. Von sonstigen hygienischen
Vorträgen fahren wir noch an : Geheimrat Obermedizinalrat Dr. VON
KERSCHENSTBINBR-Mflnchen: Die Hygiene der Treppen and des
Treppenhauses, Professor Dr. Wolpe et ^Nürnberg: Über Bestimmung
der Luftfeuchtigkeit mit Hilfe der Wage and Geheimer Medizinalrat
Dr. Kbieger -Strafeburg i. £. : Theoretische Bemerkungen Aber die
Desinfektion durch Wasserdampf.
Zwei Gegner der Steilschrift. C. Stellwao von Cariok
macht in der „Aüg. Wien. med. Ztg.u darauf aufmerksam, dafs bei
der Frage, ob Schrägschrift oder Steilschrift, die historische, ent-
wickelung8geschichtliche Seite der Sache ganz auüser acht gelassen
sei. Während die Steilschrift des früheren Mittelalters als Schrift
nicht in Betracht kommt, weil sie mehr gemalt als geschrieben
wurde (? D. Red.), zeigt sich deutlich, dafs, je mehr das Schreiben
eine in weiteren Kreisen geübte Fertigkeit wurde, bei den Völkern,
die von links nach rechts schrieben, die Schrägschrift in Gebrauch
kam. Dagegen hat sich bei den Nationen, die von rechts nach
links schrieben, durchweg die Steilschrift eingebürgert. Ferner
haben alle Linkshändigen, die wie wir von links nach rechts schreiben,
eine steile oder gar nach links überfallende Schrift, auch wenn sie,
vorher des Gebrauches der rechten Hand mächtig, eine nach rechts
geneigte Schrägschrift besafsen. Für diese auffallende Überein-
stimmung sacht Verfasser einen besonderen Grund and findet ihn
darin, dafs es anatomisch notwendig ist, die Schrägschrift zu schreiben,
weil nur dadurch der Grundsatz erfüllt werde, „beim Schreiben
möglichst wenige Muskeln mit thunlichst geringer Kraftanstrengung
in Thäügkeit zu setzen, um die potentielle Energie derselben in
kleinsten Quoten auszunutzen und so die Thäügkeit zu Dauerarbeiten
zu steigern. u Er begründet das damit, dafs beim Schreiben der Ell-
bogen als fixer Mittelpunkt der vielen Kreisbogen gilt, welche die
Spitze der Feder beschreiben mofs, um die Striche auf eine gerade
Linie zu setzen. Da die Schattenstriche nun nur durch Streckung
and Beugung der ersten drei Finger hergestellt werden, so steht
die Ebene, in der sich die Federspitze bewegt, senkrecht auf der
Ebene, die man sich durch die Querachse des schreibenden Hand-
gelenkes gelegt denkt. Diese letztere schneidet das Papier in
schräger Richtung von links oben nach rechts unten; die darauf
senkrechte Ebene mufs also von rechts oben nach links unten ver-
laufen, d. h. die Schrift der von links nach rechts Schreibenden
1 Unser Mitarbeiter. D. Red.
495
mufe eine Schiefschrift mit nach rechts geneigten Buchstaben sein.
Verfasser begründet auch die Steilschrift der von rechts nach links
schreibenden Völker auf analoge Weise. Durch die Steilschrift
der Ton links nach rechts Schreibenden würde ein beträchtliches
Hehr an Muskelarbeit geleistet werden, denn es würde, um durch
Beugen und Strecken der drei ersten Finger die Schattenstriche
herzustellen, nötig sein, das Handgelenk aus seiner schrägen Ebene
der wagerechten zu nähern ; dazu sind eine Reihe von Muskeln not-
wendig, ebenso wie auch zu der erforderlichen stärkeren Streckung
der Hand in senkrechter Richtung, wobei der Ulnarrand der Hand
von seiner Unterlage abgehoben werden mufe. Stellwag von
Cabion hat selbst als Notenschreiber von Jugend auf die Steil-
schrift geübt und berichtet von häufiger Ermüdung und peinlichen
Schmerzen in den Einwärtsdrehern und Einwärtsstreckern der Hand.
— Die von uns eingezogenen Erkundigungen stimmen mit dieser
Angabe freilich nicht überein. Vielmehr haben uns alle Steilschreiber
versichert, dafs sie nicht nur ebenso schnell, sondern auch ebenso
anhaltend steil, wie früher schräg, schreiben, ohne irgend welche
besondere Ermüdung oder gar Schmerz zu empfinden. Eine Reihe
diesbezüglicher Gutachten werden wir in kurzem mitteilen. — Ein
zweiter Gegner der Steilschrift ist auch heute noch Professor Berlin
in Rostock, früher in Stuttgart; derselbe schreibt der „HYankf.
Schutetg." : „Ich stehe vollkommen auf meinem früheren Standpunkte
und bin in der Lage, infolge fortgesetzter physiologischer Unter-
suchungen und historischer Studien über die Entwicklung der
deutschen Schrift weitere und, wie ich glaube, überzeugende Beweise
für die Superiorität der Schrägschrift beizubringen. Als ich im
Jahre 1889 einem Rufe an die hiesige Universität folgte, hatte ich
ein beträchtliches in Stuttgart gesammeltes Material zu einer Arbeit
über die Entwickdung der Schrägschrift beisammen. Durch die
Übersiedelung hierher, die Übernahme ganz neuer Verpflichtungen,
den Bau einer neuen Augenklinik u. s. w. wurde meine Arbeitskraft
in einem Grade in Anspruch genommen, dafs ich aufser stände war,
die geplante Ausarbeitung zu vollenden. Ich hoffe jedoch, dafs ich
Zeit gewinnen werde, die Sache in den bevorstehenden Osterferien,
oder wenigstens im Laufe des Sommers zu vollenden. Ich bin fest
überzeugt, dafs die augenblickliche Agitation für die Steilschrift
ebenso resultatlos verlaufen wird, wie die früher schon wiederholt
dagewesenen. tt Die Mitteilungen Professor Berlins müssen hiernach
noch abgewartet werden, da dieselben unseres Wissens bisher nicht
veröffentlicht sind.
Die erste russische Hygieneausstellung in St. Petersburg
ist, wie wir erfahren, vor kurzem eröffnet worden. Die Anregung
496
dazu ging von der dortigen Gesellschaft znr Wahrung der Volks-
gesondheit ans. Das Protektorat hat Grofsfürst Paul, der jüngere
Binder des Kaisers, übernommen. Die Ausstellung ist in der
Michaelmanege , dem riesigen Exerzierhanse der Petersburger
Garnison, untergebracht. Aniser verschiedenen sogenannten ge-
mischten Sektionen enthalt dieselbe eine Reihe selbständiger Ab-
teilungen, so von den Städten Jalta, Odessa, Kiew und Warschan.
Die Stadt Petersburg hat unter anderem eine Specialabteilung für Schul-
hygiene eingerichtet. Wie seiner Zeit in Berlin, beabsichtigt man
nach Schlufs der Ausstellung ein hygienisches Museum in St. Peters-
burg zu gründen.
Schulanfang im Begierungsbezirk Schleswig während
des kommenden Winterhalbjahrs. Die Königliche Regierung zu
Schleswig beabsichtigt in Veranlassung des Reichsgesetzes vom
12. März d. J., betreffend die Einführung einer einheitlichen Zeit-
bestimmung, anzuordnen, dafs im Winterhalbjahr an allen Schulen,
welche ihrem Geschäftsbereich angehören, während der Zeit vom
15. November bis zum 15. Februar, beide Tage eingeschlossen, der
Unterricht eine halbe Stunde später als bisher zu beginnen hat.
Dagegen soll die Bestimmung der Dauer des Vormittagsunterrichtes
und des Beginnes und Schlusses des Nachmittagsunterrichts den
Schulaufsichtsbehörden unter Berücksichtigung der Verhältnisse ihres
Aufsichtsbezirkes überlassen werden.
Das englische Komitee znr Untersuchung des körper-
lichen nnd geistigen Verhaltens der Schulkinder hat, wie
Dr. Francis Warner in „The Brit. med. Joum." mitteilt, neuer-
dings nachstehende Resultate gewonnen: Zwischen Knaben und
Mädchen bestehen konstitutionelle Unterschiede. Bei ersteren finden
sich mehr Fälle von unregelmäfsiger Entwickelung, Gehirnstörungen
und Geistesschwäche, während die Mädchen in gröfserer Anzahl blaß,
zart und blutarm sind. Kleine Schädel kommen gleichfalls häufiger
bei Mädchen vor und sind in der Hälfte der Fälle mit Geistes-
schwäche kompliziert; am meisten trifft man sie in Industrieschulen
und gewissen Distrikten Londons, namentlich Strand und City, wo
sich grofse Häuserblocks oder Warenlager befinden. Ungenügende
Ernährung scheint in der Regel mit mangelhafter Entwickelung ver-
bunden zu sein ; solche Kinder neigen zu Nervenleiden und Schwach-
sinn und fehlen oft beim Unterricht; sie sind am zahlreichsten in
den Armen- und Besserungsschulen. Die Zöglinge in den Tages-
schulen erfreuen sich einer kräftigeren Gesundheit als diejenigen in
den Alumnaten. Augenentzündungen herrschen ziemlich stark in
manchen Tagesschulen. Zwischen englischen, irischen und jüdischen
Lehranstalten wurden Unterschiede in Bezug auf das körperliche
Verhalten der Schüler festgestellt.
497
Preisausschreiben für Lehrer zur Förderung der Mäfsig-
keit seitens der Schule. Der deutsche Verein gegen den Mifs-
brauch geistiger Getränke stellt folgende Preisfrage: »Was kann
die Schale und besonders der Lehrer zur Förderung der
Mäfsigkeitssache thun?" Zur Bewerbung sind alle Volksschul-
lehrer des Reiches eingeladen. Der Preis beträgt 300 Mark, doch
ist den Preisrichtern gestattet, denselben nach Befinden zu teilen.
Es wird eine kürzere Arbeit gewünscht, die sich zur Massen-
verbreitung eignet. Die preisgekrönten Arbeiten werden Eigentum
des Vereins. Die Arbeiten, die bis zum 15. Februar 1894 ein-
zuliefern sind, haben nicht den Namen des Verfassers, sondern ein
Motto zu tragen ; in einem Umschlage, der das gleiche Motto trägt,
ist die Adresse des Verfassers zu verschliefen. Das Preisrichteramt
haben übernommen die Herren Abgeordneter F. L. Sbyffabdt in
Crefeld, Lehrer und Redakteur Hblmckb in Magdeburg, Schul-
direktor 0. Pachb in Leipzig-Lindenan, Generalsekretär J. Tbws
in Berlin und der Geschäftsführer des genannten Vereins, Dr. W.
Bode in Hildesheim, an den die Arbeiten einzusenden sind. Der
Preis wird am 15. April nächsten Jahres erteilt.
Zur Wiederimpfung in den französischen Schulen. „Le
Progr. mtä." berichtet: Die Pariser Akademie der Medizin hat auf
Antrag des Herrn Hervieü an den Minister des öffentlichen Unter-
richts eine Eingabe gerichtet, welche die Verteilung von 300 Me-
daillen an diejenigen Lehrer und Lehrerinnen empfiehlt, die die
Wiederimpfung der mehr als 10 Jahre alten Kinder in den Schulen
am eifrigsten fördern. Diese Eingabe ist dem obersten Erziehungs-
rate zugestellt worden, um sein Urteil darüber abzugeben und wegen
Verleihung der Medaillen Vorschläge zu machen.
Eine Pockenepidemie in Greenwich, verbreitet durch die
Schule. Seit mehr als 3 Monaten herrscht in Greenwich eine heftige
Pockenepidemie, über deren Verlauf der Gesundheitsbeamte Dr. Hartt
dem „BriL Med. J<nmt.u berichtet. Wir entnehmen diesem Berichte,
dafe ein am 26. Februar erkranktes Kind mehrere andere Kinder in
der Schule ansteckte. Da keiner dieser Fälle angezeigt wurde, so
verbreiteten sich die Pocken vom 19. bis 25. März noch bei 14
anderen Schulkindern, die mit den ersteren in Berührung gekommen
waren, und von da aus fast über die ganze Stadt. Man ersieht
hieraus, wie gefährlich unerkannte Blatternerkrankungen unter Schul-
kindern sind.
Schfilerinnenreise auf den Semmering. Die „Dtsch. Ztg.u
schreibt: Der Lehrkörper der städtischen Volksschule für Mädchen
in Wien VI, Kopernikusgasse 15, hatte beschlossen, Schülerinnen-
reisen zur Belebung des geographischen Unterrichtes anzustreben.
498
Durch das Entgegenkommen der Generaldirektion der Südbahn liefe
sich am 8. Juli d. J. ein Ausflog mit den oberen Klassen der ge-
nannten Schule auf den Semmering veranstalten. Die in Gruppen ein-
geteilten Schülerinnen wurden von den beaufsichtigenden Lehrpersonen
auf die geographischen Verhältnisse, die geschichtlichen Beziehungen
und auf den kunstvollen Bau der Gebirgsbahn aufmerksam gemacht
und zeigten für alles das lebhafteste Interesse. Einige Kinder hatten
Karten, verfolgten darauf die Fahrt, andere zeichneten die Stationen
ein und machten sich hierbei die verschiedensten Notizen. Die Ver-
pflegung im „Hfttel Semmering" war gut und billig. An Geist und
Leib erfrischt kehrten die Mfidchen von der ungetrübt verlaufenen
Reise zurück.
Die Ruderwettfahrt zwischen den Vertretern der Univer-
sitäten Oxford nnd Cambridge hat bei herrlichstem Wetter unter
ungeheurer Teilnahme der Bevölkerung auf der oberen Themse bei
Puttney in der Nähe von London stattgefunden und mit dem Siege
Oxfords geendet. Hunderttausende von Menschen hielten nach der
„Voss. Ztg.u die Ufer schwarz besetzt, während eine ganze Dampfer-
flottille am Ziel den Sieger erwartete. Die Mannschaft von Oxford
war den Cambridgern an Kraft überlegen, letztere ruderten aber
gleichmäßiger und eleganter. Beide Boote gingen nur um eine halbe
Länge getrennt über die Bahn, so dafs das Ergebnis ftufserst un-
gewüs erschien und mit grofser Spannung erwartet wurde. Als Cam-
bridge den Kampf als verloren ansehen mufste, stoppte es ab, wodurch
Oxford mit 21/* Bootslängen siegte. Die etwas über eine deutsche
Meile lange Bahn wurde in 18 Minuten und 47 Sekunden durch-
messen, die schnellste bis jetzt erzielte Geschwindigkeit. Das heutige
Rennen war das fünfzigste der Universitätsmannschaften; 27 derselben
sind bisher von Oxford, 22 von Cambridge gewonnen worden; ein
Rennen im Jahre 1877 blieb unentschieden.
Schulschlufs in Orleans wegen Masern. Dem vProgr. med.*
entnehmen wir, dafs infolge einer Masernepidemie vor einiger Zeit
sämtliche Schulen Orleans', sowohl die Externate, wie die Internate,
durch Verfügung des Präfekten geschlossen worden sind.
Schwimmunterricht der Schuljugend in der Schweiz.
Die „Schwz. Bl. f. G-sdhtspflg." schreiben: Es ist von Interesse,
festzustellen, dafs, wie es die Schulpflege der Altstadt Zürich
schon in früheren Jahren gethan hat, so auch der rührige Vorstand
des Schulwesens im erweiterten Zürich dem Schwimmunterrichte fnr
die städtische Jugend seine Aufmerksamkeit widmet. Zunächst wurde
vor kurzem eine statistische Erhebung über die Zahl der des Schwimmen*
kundigen und unkundigen Schüler an den städtischen Sekundärschulen
veranstaltet. Das Resultat war folgendes:
499
Krall Gesamtx&hl der Total Schwimmer Total Klohteehwimmer Total
Schüler
Schaler-
Knaben Mtdchen
Knaben Mtdchen
I
298
■imcn
383
681
119
205
324
179
178
357
II
88
86
174
30
40
70
58
46
104
in
370
237
607
145
45
190
225
192
417
IV
136
122
258
36
32
68
100
90
190
V
334
311
645
143
133
276
191
178
369
Total 1226 1139 2365 473 455 928 753 684 1437.
Zu diesen Zahlen und zu der ganzen belangvollen Angelegenheit
überhaupt bemerkte ein Rundschreiben des Schulvorstandes vom 23. Juni
d. J. : Im Hinblick auf die in unserer Stadt vorhandene Gelegenheit
zum Baden und Schwimmen mufs die grofse Zahl der Nichtschwimmer,
insbesondere unter den Knaben, auffallen. Da das Schwimmen die
Gesundheit und Gewandtheit wesentlich zu fördern geeignet ist, hat
man dasselbe an verschiedenen Orten als speciellen Zweig des Turnens
in das Schulprogramm aufgenommen; so sind z. B. in Winterthur
seit vielen Jahren die besten Erfahrungen damit gemacht worden.
Auch im Kreise I der nunmehrigen Stadt Zürich, die Altstadt
umfassend, wurden Schwimmkurse abgehalten, welche von gutem
Erfolge begleitet waren. Um diese Versuche auf das ganze Stadt-
gebiet auszudehnen, hat sich der Schulvorstand in Verbindung gesetzt
mit den Organen des Gesundheitswesens und mit der vom Lehrer-
konvent bestellten Turnkommission. Die getroffene Verständigung
geht nun dahin, dafö in der laufenden Badesaison sämtlichen ersten
Klassen der Sekundärschule, 430 Knaben und 361 Mädchen, zur
kostenlosen Erlernung des Schwimmens Gelegenheit geboten werde.
Jahresversammlung des Vereins fftr Kinderheilstätten an
den deutschen Seeküsten. Der unter dem Protektorate der
Kaiserin Friedrich stehende „Verein für Kinderheilstätten an den
deutschen Seeküsten" hielt vor einiger Zeit in Berlin unter dem
Vorsitze des Präsidenten Rösinö seine Jahresversammlung ab. Der
Verein hat im letzten Jahre 1133 kranke und erholungsbedürftige
Kinder in seine Hospize entsendet, 44 weniger, als im Vorjahre,
wegen gewisser durch die Cholera gebotener Beschränkungen, dagegen
immer noch 64 mehr, als im Jahre 1890. Gestorben sind nur 3,
bei 18 stellte sich eine Besserung nicht ein, die weitaus überwiegende
Mehrzahl der Kranken konnte aber vollständig geheilt oder doch
wesentlich gebessert die Heimreise antreten. In Norderney fanden
289 Knaben, 333 Mädchen und aufserdem 43 Pensionäre, zusammen
665 Kinder, Aufnahme. Die Ausgaben betrugen 95943 Jü Das
Friedrich-Franz-Hospiz zu Müritz in Mecklenburg hatte 222 Kinder
zu verpflegen. Die Ausgaben beliefen sich auf 17 896 Jü In
500
Wyck auf FOhr weilten 163 Kinder, darunter allein 70 ans Berlin.
Die Gesamtausgaben betrugen 12805 iL In Zoppot endlich
wurden 83 Kinder aufgenommen. Ausgaben erwuchsen hier in
einer Höhe von 6295 M. Recht gut bewährt hat sich die in
Norderney eingerichtete Winterpflege, die 89 Kindern zu teil wurde.
Die Gesamtausgaben des Vereins erreichten die Höhe von 161 783 X,
ihnen standen 167 527 M. Einnahmen gegenüber. Die Kinder
hatten 10 bis 20 Ä für die Woche, die Pensionäre 4,50 bis 7 JL
für den Tag zu zahlen; 13744 Ji. wurden auf Freistellen verwendet
Der Kassenbestand hat sich von 16581 auf 22326 Ji erhöht, die
Bilanz schliefst mit 889115 M. gegen 870797 M. im Vorfahre.
Ungefähr 800000 M. beträgt allein der Wert der Hospize mit
ihren Einrichtungen. Die Zahl der Mitglieder beläuft sich zur Zeit
auf 550. Dem Hauptverein stehen vier Zweigvereine zur Seite. Der
Dresdener Zweigverein sandte 62 Kinder nach Norderney, der
Braunschweiger 19 ebendorthin, der Oldenburger widmete sich vor-
wiegend der Überwachung der Transporte. Der recht thätige
Berliner Frauenhilfsverein, der 21876 iL Einnahme hatte, sandte
201 Kinder aus.
Berliner Ferienkolonien. Das Berliner Komitee konnte it
diesem Sommer 3000 Kinder in Ferienkolonien entsenden. Der
Anfang wurde im Jahre 1880 mit 108 Kindern gemacht. Die
Auswahl aus 8000 bedürftigen Knaben und Mädchen war nicht
leicht. Noch in den letzten acht Tagen, so schreibt der nB. L.-Au>
hat man die Zahl der Halbkolonisten um 80 vermehren können.
Die Freistellen sind von 130 auf 160 gestiegen. Für die glatte
Beförderung der Massen waren umfassende Malsregeln getroffen.
Auf dem Stettiner Bahnhof allein gingen 800 Kinder ab. Die
Eisenbahnverwaltung hatte für dieselben durch Plakate bezeichnete
Wagen reserviert. Ein Oberordner war für jeden Bahnhof bestellt,
für jede Kolonie ein besonderer Ordner. Jede Gruppe hatte ihr
Banner, jedes Kind eine Karte von bestimmter Farbe am Bat.
Diejenigen, welche einzeln, von Wohlthätern aufgenommen) reisten,
wurden von Vertrauenspersonen des Komitees auf den verschiedenen
Stationen empfangen.
601
ämtlii^e Dtrföguugen
Erlafs des Königlich prenfsischen Unterriehtsministers,
betreffend Schuleinrichtongen für schwachsinnige Kinder.
Berlin, den 14. November 1892.
Im dortigen Bezirke finden sich an verschiedenen Orten neben
den Volksschulen und abgesehen von den in meinem Erlasse vom
27. v. Mts.1 — U. HI. A. 1924 — bezeichneten Schulklassen für
minder begabte, aber sonst normale Kinder, noch Schulanstalten für
solche schwachsinnige Kinder, die zwar nicht so hilflos sind, um in
Internaten untergebracht werden zu müssen, die aber doch für das
Leben und die Arbeit in der Volksschule als zweifellos angeeignet
erscheinen. Derartige, nicht mit Idiotenklassen zn verwechselnde
Schulen unterliegen an sich nicht den in dem erwähnten Erlasse
hinsichtlich der sogenannten Abschlußklassen hervorgehobenen Bedenken,
vorausgesetzt, dafs bei ihnen nach einem besonderen Lehrplane und
nach geeigneten Methoden verfahren wird, und dafs die Aufnahme
der Kinder in dieselben nur auf Grund einer ganz zuverlässigen
Prüfung unter ärztlicher Beteiligung erfolgt.
Um einerseits die Verbreitung und Wirksamkeit derartiger
Anstalten übersehen zu können, andererseits in der Lage zu sein,
ungeeignete Schuleinrichtungen zu beseitigen oder deren Abänderung
herbeizuführen, wünsche ich von der Königlichen Regierung darüber
Auskunft zu erhalten, welche öffentlichen wie privaten Schulen für
nicht normal begabte Kinder schulpflichtigen Alters im dortigen
Bezirke vorhanden sind. Bei jeder dieser Schulen ist anzugeben,
wieviele Lehrkräfte, Klassen und Schüler in den einzelnen Klassen
— thats&chlich und in maximo — sie z&hlt, unter welchen Vor-
aussetzungen die Aufnahme und Entlassung der Kinder erfolgt, in-
wieweit Trennung der Geschlechter besteht, unter welchen Bedingungen
die Lehrkräfte angestellt werden, in welchen Punkten Unterricht
und Disciplin von denen der Volksschule abweichen, insbesondere,
wie Lehr- und Stundenplan beschaffen, welche Lehrziele den einzelnen
Klassen gesteckt sind, und welche Lehrmittel, Lernbücher u. s. w.
gebraucht werden.
Die nach meinem Erlasse vom 27. v. Mts. zu beseitigenden
1 S. diese Zeitschrift, 1893, No. 4, S. 230—232. D. Red.
502
sogenannten Abschlufsklassen sind nicht mehr mit zu berücksichtigen,
ebenso sind Internatsschulen für Idioten hier aniser acht zu lassen.
Im übrigen sollen durch die obigen Anhaltspunkte sonstige Mit-
teilungen über die in Rede stehenden Schulen nicht ausgeschlossen
sein, wie ausserdem auch eine gutachtliche Äußerung der Königlichen
Regierung darüber erwünscht ist.
Dem hiernach zu erstattenden Berichte sehe ich bis zum
1. März k. Js. entgegen.
An
die Königliche Regierung zu N.
Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten.
Im Auftrage: (gez.) Kügler.
Geteilte oder ungeteilte Schulzeit in den Hamburger
Volksschulen ?
Bescheid des Senates an die Bürgerschaft.
Hamburg, den 28. Januar 1893.
Das Ersuchen der Bürgerschaft um Wiedereinführung der ge-
teilten Schulzeit hat der Senat durch die Sektion der Oberschul-
behörde für das Volksschulwesen begutachten lassen. Nach deren
Bericht hat sie zunächst im vorigen Sommer durch die Steuer-
behörde eine Umfrage bei sämtlichen Eltern der zur Zeit die Volks-
schulen mit ungeteilter Schulzeit besuchenden Kinder danach ver-
anlagst, ob dieselben oder wenigstens einer von ihnen in der Lage
sei, in der Zeit von 12 bis V/t Uhr gemeinsam mit den Kindern
das Mittagessen einzunehmen, sowie ob dieselben für ihre Kinder
eine Abänderung der bisherigen ungeteilten Schulzeit in eine geteilte,
die Mittagsstunden von 12 bis 2 Uhr freilassende, wünschten. Der
Erfolg ist gewesen, dafe nahezu 12000 Familien ein gemeinsames
Mittagessen mit den Kindern zwischen 12 und 2 Uhr für unmöglich
erklärt, überhaupt 14109 mit 25277 Kindern aber die Beibehaltung
der bisherigen ungeteilten Schulzeit gewünscht haben, während
15745 Eltern mit 27483 Kindern sich für die Wiedereinführung
der geteilten Schulzeit ausgesprochen haben.
Die Oberschulbehörde ist mit Recht der Ansicht, dafs bei dem
geringen Unterschiede der Zahlen der unter allen Umständen mit
Vorsicht aufzunehmende Wunsch der Eltern nicht der entscheidende
Grund für Änderung einer seit Jahren bestehenden Einrichtung sein
könne. Allerdings haben sich in einzelnen Schulbezirken, namentlich
im Süderteil der Neustadt, gröfsere Majoritäten für die geteilte
Schulzeit ergeben, demgegenüber hat sich aber in anderen Bezirken,
z. B. in der Altstadt, die Mehrzahl für Beibehaltung der ungeteilten
Schulzeit ausgesprochen. Es liegt nahe, ob nicht dementsprechend
503
wenigstens in einzelnen Schulbezirken zur geteilten Schalzeit zurück-
zukehren wäre. Die Oberschulbehörde hat sich jedoch nach ein-
gehender Prüfung dahin ausgesprochen, dafs nach der ganzen
Organisation des hiesigen Volksschulwesens eine verschiedene Be-
handlung zweier unmittelbar aneinander grenzender Schulbezirke bei
dem häufigen Wohnungswechsel der Familien von dem einen in den
anderen und den damit verbundenen Umschulungen, sowie bei dem
Umstände, dafs mehrfach Schulen für einen Bezirk in einem anderen
Bezirke liegen, ohne schwere Schädigung des ganzen Schulwesens
nicht ausfuhrbar sei. Ebenso hat die Oberschulbehörde eine An-
ordnung, wonach in einem Schulbezirke gleichzeitig Schulen mit un-
geteilter und geteilter Schulzeit eingerichtet würden, auf das ent-
schiedenste widerraten.
Die Entscheidung, welche Schulzeit hinfort mafsgebend sein
soll, wird daher nur von einem weiteren pädagogischen und schul-
technischen Standpunkte aus getroffen werden können. Die Ober-
schulbehörde hat darüber das anliegende Gutachten des Schulrates
eingezogen und sich mit demselben dahin ausgesprochen, dafs,
nachdem einmal seit Jahren die ungeteilte Schulzeit eingeführt sei,
zur Zeit kein hinreichender Grund vorliege, hierin eine Änderung
vorzunehmen.
Der Senat kann das Gewicht der hierfür geltend gemachten
Gründe nicht anerkennen und bedauert daher, dem Wunsche der
Bürgerschaft keine Folge geben zu können, mufs die Feststellung
der Schulzeit, welche durch § 33 des Unterrichtsgesetzes der Ober-
schulbehörde übertragen ist, vielmehr auch ferner deren pflicht-
mä&igem Ermessen überlassen.
Das Gutachten lautet:
Gründe
gegen und für die ungeteilte, resp. geteilte Schulzeit
I. Pädagogische Gründe.
1. Gegen die ungeteilte Schulzeit wird vom pädagogisch-
medizinischen Standpunkte in erster Reihe geltend gemacht, dafe ein
täglicher fünf- bis sechsstündiger ununterbrochener Unterricht die
leiblichen und geistigen Kräfte der Schulkinder in hohem Mafse
schädige, da bei einem Kinde in der Entwickelungsperiode vom 6.
bis 14. Lebensjahre eine derartige Anspannung seiner Kräfte in der
Regel körperliche Ermattung infolge des langen Aufenthaltes in
Klassenräumen, frühzeitiges Aufhören des Interesses am Unterrichte
und nervöse Überreizung zur Folge habe. Im allgemeinen kann ich
diese Behauptung nur für eine zutreffende erklären. Wenn in der
504
That Schulkinder täglich ununterbrochen fünf bis sechs Stunden
unterrichtet worden, dürften die vorgenannten Folgen in den meisten
Fällen eintreten. In unseren Volksschulen mit ungeteilter Schulzeit
ist aber Fürsorge getroffen, dafs diese schlimmen Folgen bei ge-
sunden Kindern nicht eintreten.
Die Kinder des
1. Schuljahres (7. Lebensjahr) haben täglich 4 Standen Schulzeit,
2. „ (8. Lebensjahr) haben an 4 Wochentagen 4 und an
2 Wochentagen 5 Stunden Schulzeit,
3. „ (9. Lebensjahr) haben an 2 Wochentagen 4 und an
4 Wochentagen 5 Stunden Schulzeit,
4. bis 8. Schuljahres (10. bis 14. Lebensjahr) haben an 4 Wochen-
tagen 5 und an 2 Wochentagen 6 Stunden Schulzeit
Diese Schulzeit ist aber auf allen Stufen nicht wirkliche Unter-
richtszeit, sondern in jede Stunde Schulzeit fällt nur eine dreiviertel-
stündige Unterrichtszeit, während die übrigbleibende Viertelstunde
zur Bewegung und Erholung der Kinder auf dem Spielplatze oder
bei schlechtem Wetter in der Turnhalle, resp. auf dem Korridor
unter Aufsicht der Lehrer benutzt wird. Hierdurch reduziert sich
die Schulzeit als eigentliche Unterrichtszeit für das
1. Schuljahr auf 3 Stunden täglich,
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an 4 Tagen und
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3.
4.-8.
Eine weitere wohlthätige Folge dieser Einrichtung ist die frische
Luftzufuhr in die Klassenzimmer während der Zwischenpausen.
Wird in die Unterrichtsgegenstände die richtige Abwechslung
hineingebracht, indem die das reine Denken in Anspruch nehmenden
Fächer durch technische, mehr auf Übung beruhende Fächer, wie
Turnen, Schreiben, Zeichnen und Singen, unterbrochen werden, so
wirkt eine solche ungeteilte Schulzeit weder abspannend, noch
schwächend, wie dies vielfache Beobachtungen in den letzten Unter-
richtsstunden ganz zweifellos bewiesen.
Ich kann daher bei dieser Einrichtung dem hauptsächlichsten
pädagogischen Einwand gegen die ungeteilte Schulzeit nicht die
Bedeutung beilegen, die er sonst wohl in Anspruch nehmen könnte.
Übrigens mufs noch hervorgehoben werden, dafs ebenfalls vom
pädagogisch-medizinischen Standpunkte gegen einen Unterricht nach
eben beendeter Mahlzeit vielfache Bedenken geäussert worden sind,
und dafs die Erfahrung lehrt, dafs bei geteilter Schulzeit der Nach-
506
mittagBunterricht im wesentlichen für leichtere and technische Fächer
in Benutzung genommen werden mufs, da die Apperceptionsftttigkeit
der Kinder im allgemeinen unmittelbar nach dem Mittagessen eine
geringere ist.
Eines ist in Bezog auf die körperliche Pflege der Kinder bei
ungeteilter Schulzeit allerdings notwendig, ein Frühstücksbrot. Unsere
Schulkinder bringen ein solches fast ohne Ausnahme, oft recht
reichlich, mit Wo es fehlt, maus es ans anderen Mitteln beschafft werden.
Bei geteilter Schulzeit erscheint übrigens dieses Frühstücksbrot
am Vormittage auch nötig.
2. Gegen die ungeteilte Schulzeit wird als zweiter pädagogischer
Grund geltend gemacht, daüs bei derselben die Kinder eine zu
grofse Zeit des Tages ohne Aufsicht und Leitung der Schule sind,
w&hrend bei geteilter Schulzeit wenigstens an den Tier Haupttagen
der Woche tot* und nachmittags eine Einwirkung der Schule auf
die Kinder stattfinde.
Es trifft dies fast nur für die Sommermonate zu, in denen der
Unterricht um 8 Uhr beginnt und eine Anzahl Kinder schon von
12 Uhr ab, andere von 1, resp. 2 Uhr ab ganz schulfrei sind.
Diese Schulfreiheit führt da, wo keine Hausaufeicht ist, zu un-
nützem Herumtreiben der Kinder auf den Strafsen und zu vielfachem
Unfug etc. Diesem Übelstande suchen die Knabenhorte, Hand-
fertigkeitsunterricht und Jugendspiele abzuhelfen, weshalb diese Be-
strebungen die gröfcte Beachtung und Unterstützung verdienen. Es
kann aber nicht behauptet werden, dafs diese Übelstftnde durch die
geteilte Schulzeit wesentlich geändert werden. Am Mittwoch und
Sonnabend Nachmittag sind die Kinder ganz frei und an den
anderen Tagen von 4 Uhr ab. Fehlt da die häusliche Zucht und
Aufsicht, so ist der Übelstand derselbe; auch die Schuljugend der
geteilten Schulzeit hat dann Zeit genug, sich herumzutreiben. Ganz
besonders schlimm steht es bei geteilter Schulzeit da, wo die Kinder
in der Mittagszeit weder zu essen bekommen, noch beaufsichtigt
werden. Solche Kinder stofsen sich dann von 12 bis 2 Uhr erst
recht auf den Strafsen herum. Nun gibt es aber nach der Statistik
rund 12000 Familien, die mit ihren Kindern zwischen 12 und
2 Uhr nicht speisen können, was im höchsten Grade bedenklich ist.
Ich kann daher auch diesen Grund gegen die ungeteilte Schul-
zeit als einen durchschlagenden nicht gelten lassen.
H. Schultechnische Gründe.
a. In Bezug auf die Schüler.
1. Für die ungeteilte Schulzeit spricht der Umstand, dafe in
4en Wintennonaten November bis Februar bei einer Unterrichtszeit
SdudgerandhtlUpfleffe TT. 33
506
von 9 bis 1, resp. 2 oder 3 Uhr gerade die Zeit benutzt wird, in
der die natürlichen Lichtverhältnisse die einzig günstigen sind.
Weder die Stunde von 8 bis 9 Uhr vormittags noch die von 3 bis
4 Uhr nachmittags kann in den genannten Monaten als eine für
den Unterricht günstige bezeichnet werden. Künstliches Licht in
allen Schulklassen einzuführen, erscheint mir aber weder vom
sanitären noch finanziellen Standpunkte empfehlenswert.
2. Für die ungeteilte Schulzeit spricht ferner die Ersparung
zweier Schulwege für die Schüler. In Gegenden lebhaften Verkehrs
ist das Herausströmen der Schulkinder um 12 Uhr und das Wieder-
hineinkommen um 2 Uhr nicht ohne manche Bedenken. Besonders
leiden aber Kinder mit mangelhafter Fußbekleidung bei eintretendem
schlechten Wetter unter solchen Schulgängen. Freilich kann diesem
Grunde ein irgend erhebliches Gewicht nicht beigelegt werden, da
auch schon bei den zwei bei ungeteilter Schulzeit notwendigen Schul-
gängen dieselben Übelstände eintreten können.
3. Nur in beschränktem Umfange spricht für die ungeteilte
Schulzeit der Umstand, dafe in einzelnen Schulbezirken, namentlich
im zweiten, die Wege der Kinder zu den Schulen zu weite sind
(bis 30 Minuten), dafe die Mittagszeit denselben nur eine über-
mäfeige Anstrengung zumutet.
b. In Bezug auf die Lehrer.
Unsere Volksschullehrer müssen bei ihren Gehaltsverhältnissen
Wohnungen in billigen Vororten, wie Barmbeck, Eilbeck und Eims-
büttel, mieten. In der inneren Stadt, St. Pauli, St. Georg, Bill-
wärder Ausschlag sind für dieselben geeignete Wohnungen nicht zu
erschwingen. Dieser Umstand würde einen grofsen Teil der Lehrer-
schaft nötigen, bei geteilter Schulzeit von 12 bis 2 Uhr entweder
im Schulhause zu bleiben oder sich anderswo in der Nähe der
Schulen aufzuhalten. Viele würden auch den Versuch machen, in
dieser Zwischenzeit in Privatschulen Unterricht zu geben, nicht zum
Vorteil des öffentlichen Nachmittagsunterrichts.
Die Mehrzahl der Lehrer der St. Pauli- Volksschulen wohnt ans
dem vorgenannten Grunde in Altona.
III. Sociale Gründe.
1. Für die geteilte Schulzeit spricht zweifellos, dafs es ein
grofser Segen für die Kinder ist, wenn sie in wohl geordnetem
Hausstande mit ihren Eltern gemeinsam zu Mittag essen können.
Ich mufs aber besonders betonen „in wohl geordnetem Hausstände44.
Das ist ja gottlob! bei einer groben Zahl kleinerer Beamten, Hand-
werker und Arbeiter noch der Fall, aber leider nicht bei allen.
507
Was Kinder bei Tisch mitunter von ihren Eltern hören, ist ent-
setzlich. Das,' was in der Schule gelehrt wird, namentlich die
religiösen Stoffe und die Persönlichkeiten der Lehrer selbst, werden
vielfach in roher Weise verspottet und beschimpft. Man kann
wirklich nicht behaupten, dafs überall da, wo in den 15000 Fa-
milien Eltern und Kinder gemeinsam zu Mittag essen können, dies
immer ein Segen für die letzteren ist. Was soll aber in den
12000 Familien, die nicht mit ihren Kindern in der Zeit von 12
bis 2 Uhr essen können, mit den letzteren geschehen? Entweder
nehmen sich derselben gute Kachbarn an, oder sie kommen nach-
mittags hungrig und matt zur Schule und können erst recht nichts
leisten.
Trotz dieser Bedenken spricht dieser Grund am meisten für
die geteilte Schulzeit.
2. Für die geteilte Schulzeit wird angeführt, dafs dieselbe in
etwas die Ausnutzung der Kinder zum Mitverdienen hindere, da
dieselben an den Haupttagen erst nach 4 Uhr benutzt werden
könnten. Dies ist wohl richtig, aber von geringer Bedeutung, da
die schädlichste Ausnutzung der kindlichen Arbeitskraft in den
Morgenstunden vor 8 Uhr vormittags beim Brot-, Milch- und
Zeitnngstragen und in den späten Abendstunden beim Kegel-
aufsetzen stattfindet, eine Ausnutzung, die durch die geteilte Schul-
zeit durchaus nicht behindert wird.
Schlufsbemerkung.
Ich könnte mich nach dem Gesagten aus pädagogischen, schul-
technischen und socialen Gründen für eine Aufhebung der ungeteilten
Schulzeit im ganzen oder in einzelnen Schulbezirken nur ent-
scheiden, wenn eine grofse Majorität der Eltern durchaus dafür wäre.
Gegen die Einrichtung von Schulen mit geteilter und ungeteilter
Schulzeit in den einzelnen Bezirken mufs ich mich ganz entschieden
aussprechen, da dadurch eine völlige Verwirrung der bestehenden
Schulorganismen und eine ebenso grofse Unsicherheit für die Or-
ganisation in der Zukunft herbeigeführt würde.
(Gez.) Mahraun.
Belehrungen des Wiener Stadtphysikates Aber das Verhalten
der Schüler beim Baden.
Der Amtsarzt der Stadt Wien hat die nachfolgenden Ver-
haltungsmafsregeln beim Baden in sämtlichen Volks- und Bürger-
schulen seines Bezirkes den Schülern zur Kenntnis gebracht:
Da das Bad zur Erfrischung und gleichzeitig zur Reinigung
der Körperoberfläche dient, soll jedermann, so oft die Gelegenheit
33*
•.
508
hierzu gegeben ist, bade». Nur Krankheiten machen das Baden
von der Erklärung eines Arztes abhangig; insbesondere werden
Hautausschlage die Einholung Ärztlichen Rates notwendig machen.
Damit ist nicht geaagt, dafs jedermann in kaltem Wasser baden
soll; empfindlichen Personen sind lauwarme Bäder anzuempfehlen,
dar Gebrauch heiiser Bader dagegen ist der Jugend zu widerraten.
Kalte Bäder unter 15° C. oder 12° R. sollen nicht benutzt werden,
und soll die Temperatur der Luft immer eine höhere, als die des
Badewassers sein. Zarte Individuen und Anfänger werden eine
höhere Temperatur, also ungefähr 20° C. oder 16° *R., benutzen,
nicht zu lange, d. h. nicht über eine Viertelstunde im Wasser ver-
weilen. Das Auftreten eines intensiven, bei Bewegungen im Wasser
nicht schwindenden Kältegefühls soll immer als Mulinnng gelten, das
Bad zu unterbrechen. Ein Krankheitsgefühl ist stets als ein Hindernis
für das Baden anzusehen. Der Schüler vermeide es, körperlich
erschöpft in das Bad zu kommen, treibe sich tot dem Bade nicht
herum, laufe nicht schnell zur Badeanstalt und turne auch nicht Tor
dem Bade und in demselben. Er haste nicht mit dem Auskleiden
und begebe sich nicht früher in das Wasser, als bis der Körper
abgekühlt ist.
Das Einnehmen von Nahrung unmittelbar vor dem Baden ist
zu unterlassen, es soll daher auch nicht gleich nach dem Mittags-
mahle gebadet werden. Im Bade ist der Körper nur, insoweit es
der Anstand erfordert, zu bedecken; es soll daher aulser der
Schwimmhose oder dem Schwimmkleide nichts ins Bad mitgenommen
werden. Es ist vor dem Bade auf die Badewftsche Rücksicht zu
nehmen; jeder Badende soll nur die für ihn bestimmte Wische
benutzen« welche nach Erfordernis gewechselt werden mufo. Bei
Benutzung der eigenen Wasche ist darauf zu achten, dafe diese
nicht feucht bleibe, daher werde die Badewftsche nach deren Gebrauch
gut ausgebreitet aufgehängt, dafs sie rasch trockne und die Ansiedelung
von Schimmelpilzen in derselben verhindert werde, da durch solche
Hautkrankheiten veranlagst werden können. Jede Verunreinigung
des Badewassers ist verboten.
Es ist vorteilhafter, den vorher abgekühlten Körper auf einmal,
als Glied für Glied in das Wasser zu tauchen; ersteres wird auch
durch Benutzung einer Brause erreicht. Der Mifsbrauch höher
temperierter Brausen ist zu vermeiden. Jedes ungezogene Betragen
im Wasser ist nicht gestattet; insbesondere wird das Erschrecken
der Mitbadenden durch Überfallen von rückwärts, Bespritzen, gewalt-
sames Untertauchen verboten. Stellt sich Unwohlsein welcher Art
immer im Bade ein, so verlasse man das letztere sofort; das fort-
wahrende Springen ins Wasser, insbesondere von bedeutender Höhe,
509
ist zu ▼ermeiden. Bohren im Obre, wenn nach dem Bade sich
Sansen einstellt, unterbleibe; das Ohr ist nur durch Neigen des
Kopfes mittelst der Badewäsche zu trocknen und bei anhaltender
Störung ein Arzt zu befragen. Bei länger dauerndem Kältegefühl
nach dem Bade reibe man den Körper mit den Wäschestücken,
kleide sich schnell an und mache rasche Bewegungen. Nach dem
Bade ist es zweckmäfsig, besonders wenn der Weg nach Hanse ein
weiter, etwas Nahrang zu sich zu nehmen, weshalb es angezeigt
erseheint, eine Semmel oder ein Stuck Brot von Hanse mitzunehmen.
Unangenehme Empfindungen nach dem ersten Bade sollen von
der späteren Wiederholung des Badens nicht abhalten, dagegen als
eine Mahnung angesehen werden, vor eingetretener Gewöhnung
kürzere Zeit im Bade zu verweilen. Nur schwimmkundige und
kräftige Personen können, wenn keine Hilfe eines Erwachsenen zu
beschaffen ist, Ertrinkenden beispringen, weshalb das Tauchen zu
üben ist; es kann aber ein jeder durch rechtzeitiges geschicktes
Zuwerfen eines Rettungsseiles, Korkringes u. dergl. dem Unglücklichen
beistehen. Es is nicht erlaubt, aus dem Wasser Gezogene zu
stürzen, um das Wasser herauszubefördern; die Teilnahme an Wieder-
belebungsversuchen wird man bei Anwesenheit von Erwachsenen
diesen überlassen und dann allenfalls durch Herbeiholung eines
Arztes, trockener Decken u. s. w. sich nützlich erweisen. Die Wahr-
nehmung, dafs mit Ausschlägen behaftete Individuen das Bad benutzen,
ist sogleich dem Bademeister bekanntzugeben.
flerfonalten
Der Ministerialdirektor im Königlich preußischen Ministerium
der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten, Direktor
der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen, Dr. Bartsch,
ist in den erblichen Adelsstand erhoben worden.
Professor Pasteur in Paris wurde von der Akademie der
Wissenschaften in Wien zum Ehrenmitgliede ernannt.
Unserem geschätzten Mitarbeiter, Herrn Professor an der tech-
nischen Hochschule in Berlin Hermann Rietschel, ist der Charakter
als Geheimer Regierungsrat verliehen worden.
Den gleichen Charakter erhielt der Provinzialschulrat Wendland
beim Provinzialschulkollegium zu Hannover.
Unserem verehrten Mitarbeiter, Herrn Geheimen Sanitätsrat
Dr. Wallichs in Altona, ist der rote Adlerorden IV. Klasse ver-
liehen worden.
510
Der gleichfalls zu unseren Mitarbeitern zählende Herr Kommunal-
arzt Axel Hsrtbl in Kopenhagen, Dr. Wassmannsdorf in Heidel-
berg, Professor Dr. RüHL in Stettin und Dr. Goetz in Leipzig
haben die Aufforderung erhalten, in die Reihe der Vicepräsidenten
der Abteilung für leibliche Erziehung des pädagogischen Welt-
kongresses in Chicago einzutreten.
Unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Oberlehrer Wickenhagen
in Rendsburg, wurde wegen seiner Verdienste um das Schulturnen
und die Jugendspiele mit dem Kronenorden IV. Klasse dekoriert.
Der k. k. österreichische Minister für Kultus und Unterricht
hat den Professor an der Universität Wien Dr. A. Politzer zum
fachmännischen Delegierten für die medizinisch-hygienische Ausstellung
in Chicago ernannt-, der Genannte hat sich anfangs August nach
Amerika begeben.
Die durch den Tod Professor Cantanis erledigte Stelle eines
Mitgliedes des Provinzialgesundheitsrates von Neapel wurde dem
Direktor des dortigen hygienischen Institutes, Professor de Giaxa,
angeboten, derselbe hat jedoch die Berufung abgelehnt.
Der Gymnasialdirektor Dr. Heohblmann in Paderborn ist zum
ProTinzialschulrat ernannt und dem Provinzialschulkollegium in Munster
überwiesen worden.
Dr. Girodb, Dr. Dbschamps und Dr. Wübtz wurden zu Mit-
gliedern des beratenden Komitees für öffentliche Gesundheitspflege
in Frankreich ernannt.
Das Amt eines Regierungs- und Schulrates haben erhalten:
Seminardirektor Schulrat Snot bei der Regierung in Gumbinnen,
Kreisschulinspektor Tarony bei der Regierung zu Königsberg i. Pr.T
Kreisschulinspektor Jbvetzky bei der Regierung in Magdeburg und
Kreisschulinspektor Dr. Riemenschneider bei der Regierung in
Arnsberg.
Der Privatdocent und Assistent am hygienischen Institute in
Breslau Dr. H. Bitter wurde zum Leiter des neuerrichteten hygie-
nischen Institutes in Alexandria berufen.
Dr. M. J. P. Poüget in Paris ist zum Arzt der Schule „Diderot"
ernannt worden.
Dr. Gaütrbz, Hilfsarzt am Lyceum von Clermont, wurde für
den verstorbenen Dr. Ledru zum Arzt dieser Anstalt gewählt; die
Stelle des Dr. Gautrez erhielt Dr. Planchard.
Der österreichische Unterrichtsminister hat die Zulassung des
Dr. Adolf Heider als Privatdocenten für Hygiene an der Wiener
medizinischen Fakultät genehmigt.
Dem Stabsarzt Dr. Davids wurde die Assistentenstelle am hygie-
nischen Institute der Universität Berlin übertragen.
511
Unser verehrter Mitarbeiter, Herr Professor Dr. Hermann Cohn
in Breslau, ist ans Anlafa seines fünfundzwanzigjährigen Docenten-
jnbiläums durch mannigfache Ovationen gefeiert worden. Der aka-
demische Gesangverein „Leopoldina" brachte ein Ständchen, die Stu-
dierenden Oberreichten eine prachtvoll ausgestattete Glückwunsch-
adresse, und der akademisch-litterarische Verein der Universität
begrüßte den Jubilar durch eine Deputation, während die Assistenz-
ärzte ein Album mit Photographien überreichten. Bei dem Festmahl
hob der Wirkliche Geheime Oberregierungsrat und Regierungspräsident
Freiherr Juncker von Ober-Conreut die schulhygienischen Be-
strebungen Professor Cohns in anerkennendster Weise hervor und
erklärte zugleich die Bereitwilligkeit der Behörden, den Vorschlägen
desselben nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.
Am 1. Juli d. J. fand die Feier des fünfzigjährigen Doktorjubiläums
des Geheimrats Professor Dr. von Pettenkofer in München statt.
Aus diesem Anlaßt nahm der Jubilar im festlich geschmückten Rathaus-
saale die ihm von den deutschen Universitäten, ärztlichen Körper-
schaften, den bayerischen Behörden mündlich und schriftlich dar-
gebrachten Glückwünsche, Adressen und Dipleme entgegen. Kaiserin
AueuSTA Victoria hatte einen telegraphischen Glückwunsch gesandt,
auch von Herzog Karl Theodor in Bayern, dem Statthalter
von Elsafs-Lothringen Fürsten zu Hohenlohe, dem Staatssekretär
Dr. von Bötticher, dem preußischen Kultusminister Dr. Bosse,
dem Oberpräsidenten Dr. von Gossler, sowie den Universitäten
Edinburg, Kasan, Kiew, Utrecht und der Akademie in Petersburg
waren Glückwunschtelegramme eingelaufen. München widmete dem
Jubilar die goldene Bürgermedaille. Außerdem erhielt derselbe den
roten Adlerorden II. Klasse mit Stern und das Komthurkreuz des
Civilyerdienstordens der bayerischen Krone. Die k. k. Gesellschaft
der Ärzte in Wien und der Verein deutscher Ärzte in Prag ernannten
ihn zu ihrem Ehrenmitgliede. Von der Studentenschaft war ein Fest-
kommers veranstaltet worden.
Geheimer Medizinalrat Professor Dr. Henoch wird wegen vor-
gerückten Alters von seiner Lehrtätigkeit an der Universität Berlin
zurücktreten und zugleich die Leitung der Klinik für Kinderkrankheiten
niederlegen.
Es sind verstorben: in Belgrad der einstige Chef des Sanitäts-
wesens in Serbien, Professor Dr. Mbdowtc, in Rom Dr. Fel. Baroffio,
Generalarzt und Mitglied des obersten Gesundheitsrates, in Leipzig
der bekannte Professor der Pädagogik, Geheimer Hofrat Dr. Karl
Masius, in Upsala unser verehrter Mitarbeiter, Professor Dr. Nils
Gustav Kjellberg, einer der hervorragendsten Irrenärzte Schwedens,
in Magdeburg Geheimer Regierungsrat A. Schulz, früher Mitglied
512
des Provinzialschnlkollegiums daselbst, in Berlin Sanitätsrat Dr. Patji*
Guttmann, Privatdocent an der Universität und Direktor des städ-
tischen Krankenhauses zu Moabit, dessen Rat in hygienischen An-
gelegenheiten von nah und fern oft eingeholt wurde.
fttteratur.
Besprechungen.
Dr. Combe, mädecin des 6coles. Extrait du rappert prfoeatf
par la municipaliti an conseil comuunal pour Fannie 189L
Direction des äcoles de Lausanne. Service m6dical. Lausanne,
1892. Imprimerie Luden Vincent. (51 S. 8°.)
Der Verfasser gibt einen sehr eingehenden Bericht über die
Oesundheitsverh<nisse der Schulkinder in Lausanne und in einigen
der Schulverwaltung mitunterstellten Dörfern.
Er teilt zunächst mit, dafs unter den etwa 3650 Schulkindern
1569 Erkrankungsfälle vorkamen, und zwar die meisten im Januar,
und bespricht dann die einzelnen in Betracht kommenden Leiden.
Ausführlich wird Aber die ansteckenden Krankheiten berichtet. Die
Hasern haben stark geherrscht und 444 Kinder befallen, an Scharlach-
lieber litten 24 leicht, an Varicellen 19, an Keuchhusten 72, besonders
im Dorfe Vennes, an Ziegenpeter (Parotitis) 64 und an Erysipel in
gutartiger Weise 4 Kinder. Die Influenza trat mit 131 Fallen auf
— gegen 196 im Jahre 1890 und 1840 im Jahre 1889 — und
der Typhus mit 14 nicht schweren Erkrankungen.
Zu den nicht kontagiösen Krankheiten rechnet Dr. GOMBB die
Halsentzündungen mit 180 Kranken, die Diphtherie mit 3 geheilten
Kranken, einige Unterleibsleiden mit einem tödlich verlaufenen Fall
von Perityphlitis, die Luftröhrenentzündungen mit 171, die Lungen-
entzündungen mit 12, die Brustfellentzündungen mit 8 und die
Tuberkulose mit 4 Fällen. Herzfehler kamen 4 vor ohne besondere
Beschwerden, deren Trager vom Turnen befreit wurden, Ohrenleiden
23, Rheumatismusftlle 33 und Erscheinungen von Blutarmut 114.
Unter den Krankheiten des Nervensystems stehen obenan die Kopf-
schmerzen, derentwegen 62 Kinder zeitweilig von der Schule dispensiert
waren, 3 mal kam Epilepsie, lmal Veitstann, 2 mal Hirnhautentzündung
mit tödlichem Verlaufe vor. Hautkrankheiten wurden 61 beobachte!,
worunter ein Fall von Kratze, chirurgische Krankheiten 184, meist
kleine Wunden, aber auch 9 Frakturen. Es ist nicht gesagt, ob
einige von diesen Verletzungen in der Schule entstanden waren.
513
Dr. Combb hält fftr Schulkinder seit einigen Monaten eine Art
Ton Poliklinik im Rathanse ab, zn welcher die Stadt unentgeltlich
die Medikamente liefert. Wir wollen wünschen, dafe ihm diese gewifo
wohlthätige Einriehtang nicht über den Kopf wachse.
Der Bericht beschäftigt sich ferner eingebend mit einer durch
einen fehlerhaften Ofen entstandenen Kohlenoxydvergiftung in Klasse
4b der Schule von Vülamont, welche durch den Nachweis des Gases
in der Luft seitens eines Chemikers bestätigt wurde. Die Kinder
boten folgende bei manchen 14 Tage anhaltenden Symptome dar:
Schmerz in Stirn und Schlafen, Schwere im Kopfe, Schwindel, Ohren-
sausen, Gedächtnisschwäche, Stumpfheit, teils Schlaflosigkeit, teils
Schlafsucht, Brustschmerzen, Mattigkeit der Beine, ▼erminderte Knie-
scheibenreflexe, belegte Zunge, Übelkeit, Diarrhoe, bleiches Aussehen.
Besondere Sorgfalt ward dem Zustande der Augen gewidmet,
und zwar wurden unter Assistenz eines Augenarztes in diesem Schul-
jahre die brechenden Medien der Kinder untersucht. Dabei fanden
sich zugleich 108 Augenkrankheiten, meist skrofulöse Entzündungen,
ferner 80 Fälle von Schielen und mehrere von grauem Star.
Den wichtigsten Teil bildet indessen das Resultat der erwähnten
genaueren Untersuchung der Brechkraft und Sehschärfe von 2150
Kindern, Dieselbe erstreckte sich auf Myopie, Hypermetropie,
myopischen, hypermetropischen, gemischten und unregelmäßigen
Astigmatismus und gewinnt noch besonderes Interesse durch den
Vergleich nicht nur der Stadtkinder mit den Dorfkindern, sondern
auch der französischen mit den deutschen Kindern, deren Zahlen-
Terhältnis 1651 : 655 oder 2,5 : 1 war.
Die speciellen Ergebnisse dieser Untersuchung sind folgende:
Abnorme Augen wurden in der Stadt 26%, auf dem Lande
19%, bei den Knaben 21%, bei den Mädchen 27% ermittelt.
Auch in den einzelnen Schulen zeigten sich Verschiedenheiten. In der
Schule von St. Roch kamen z. B. 27%, in der Schule von Vülamont
21% Ametropien zur Beobachtung; als Ursache der Ametropien
in St. Roch glaubt Verfasser die mangelhafte Tagesbeleuchtung zu
erkennen. In 3 Dorfschulen, wo es besonders viele Augenschwache
gab, wurden ebenfalls fehlerhaft angelegte Fenster gefunden.
Für die verschiedenen Arten der Brechungsfehler sind folgende
Verhältnisse angegeben:
1. Myopie kam vor bei im ganzen 5,8%, und zwar bei 5,4%
der Knaben und bei 6% der Mädchen, in der That eine sehr mäfinge
Zahl. Nach dem Wohnorte geordnet, stammten diese Myopen zu
2,2% aus den Dörfern und zu 7% aus der Stadt, nach der
Nationalität zu 4% von der französisch redenden Bevölkerung
(Vaudois) und zu 7,7% von der deutschen. Ähnlich hat Professor
514
rLüGBR bei der Augenuntersuchung yon mehreren Hundert Lehrern
24% Myopen bei den deutschen und nur 14% bei den französischen
Schweizern gefunden.
Dr. Combb nimmt hiernach eine grölsere hereditäre Anlage zu
diesem Brechungsfehler bei der deutschen Bevölkerung an.
Die Kurzsichtigkeit wurde von Klasse zu Klasse häufiger.
Nach den in Lausanne gemachten Erfahrungen empfiehlt der
Autor, die Fenster womöglich an zwei Seiten, und zwar linker Hand
und hinter den Schülern, anzubringen.1
Im übrigen rät er zur Einfuhrung der Steilschrift, wenigstens
für die unteren Klassen.
2. Hypermetropie. Es fanden sich 2,3% Hypermetropen,
2,6% in der Stadt, 1,4% auf dem Lande, 1,5% bei den Knaben
und 2,7% bei den Mädchen; sie waren am häufigsten in den
unteren Klassen.
3. Astigmatismus. Hier wurden ermittelt myopische Astig-
matiker 1,5%, nämlich in der Stadt 1,7%, auf dem Lande 0,7%,
ferner bei den Knaben 0,6%, bei den Mädchen 2,4%, also bei
letzteren wieder wesentlich mehr. Hypermetropischer Astigmatismus
kam vor bei 9,4% sämtlicher Kinder, und zwar gleichmäßig in
Stadt und Land, bei den Knaben jedoch etwas häufiger (10%), als bei
den Mädchen, bei allen abnehmend in den höheren Klassen. Gemischter
Astigmatismus ward nur bei 0,3% der Kinder konstatiert, unregel-
mäßiger Astigmatismus dagegen bei 4,3%, gleich verbreitet in Stadt
und Land, aber sehr ungleich bei den Geschlechtern, nämlich 5,6%
bei den Mädchen und 2,6% bei den Knaben.
Man kann nicht umhin, die Arbeit Dr. Combks als eine sehr
verdienstvolle zu bezeichnen.
Hofrat Dr. med. W. Kbug,
städtischer Schularzt in Dresden.
Dr. med. Julius Lang, praktischer Arzt in Berlin. Die Forde-
rungen der Schulhygiene. Sammlung gemeinnütziger und
volksbildender Vorträge. Heft 4. Berlin, 1893. Richard Lesser.
(36 S. 8°. A 0,60.)
Angesichts der reichlichen, rein fachlichen, wie populär-wissen-
schaftlichen Litteratur, welche uns Aber das umfangreiche Gebiet der
Schulhygiene zur Verfügung steht, taucht bei Besprechung des vor-
liegenden Vortrages unwillkürlich die Frage auf, ob derselbe einem
bestehenden Bedürfnisse entspricht.
1 Das dürfte den Lehrern, die dann gerade in das Licht sehen, nicht
angenehm sein. Der Ref.
515
Wenn auch nicht behauptet werden kann, dafe die Arbeit
eine fühlbare Lücke ausfallt, so müssen wir dieselbe doch insofern
willkommen heifsen, als sie für die breiten Schichten des Volkes
bestimmt ist. Denn nur dann steht eine gedeihliche Entwickehmg
der äufeeren und inneren Einrichtungen der Schule zu erwarten,
wenn die Kenntnis der Schulhygiene in ihren gröbsten Umrissen
Gemeingut vieler geworden, wenn die Eltern der schulbesuchenden
Kinder darüber unterrichtet sind, einen wie tiefen Einflufs die Ge-
sundheitsstörungen ausüben, welche eine schlecht eingerichtete Schule
bei der geringen Widerstandsfähigkeit des kindlichen Organismus
hervorrufen kann.
In klarer, übersichtlicher Weise behandelt der Verfasser im
ersten Abschnitt das Schulhaus vom Standpunkt der Gesundheits-
lehre. Mit der Besprechung des Baugrundes beginnend, geht er
über auf die Erörterung der allgemeinen Einrichtungen des Schul-
zimmers — Höhe, Länge, Tiefe, Verhältnis der Fensterfläche zur
Bodenfläche — der Ventilation, Heizung und Beleuchtung, der
Schulbank und der Schulutensilien und liefert so ein erschöpfendes
Bild, wie eine Musterschule beschaffen sein soll.
Der zweite Abschnitt ist der Schilderung der Schulkrankheiten
gewidmet, unter denen wir die Kurzsichtigkeit, die Rückgratsver-
krummungen, die Ernährungsstörungen, den Schulkopfschmerz, die
Geistesstörungen und im Anhange dazu das Stottern angeführt finden.
Verfasser gehört zweifellos nicht zu denjenigen, welche die Schule
zum Sündenbock stempeln und für die Entstehung der genannten
Leiden allein verantwortlich machen. Dennoch wäre es wünschens-
wert gewesen, entschiedener auszusprechen, dafs die Ursache der
unter Schülern auftretenden Geistesstörungen nicht in der Schule,
sondern vor allem in unserem nach Erwerb und Genufs jagenden
Zeitalter zu suchen ist.
Im dritten Abschnitte, der die Unterrichtsmethode vom Stand-
punkte der Gesundheitslehre zum Vorwurfe hat, bewegt sich der
Autor mit .grofeer Vorsicht und beschränkt sich auf beherzigenswerte
Winke, ohne dem Pädagogen zu nahe zu treten. Vor allem betont
er die Notwendigkeit der Erteilung von Unterricht in der Gesund-
heitslehre im Anschlufs an die übrigen Lektionen und die damit im
ursächlichen Zusammenhange stehende Ausbildung des Lehrkörpers in
der Hygiene, plaidiert für Verlegung des Schwergewichtes des Unter-
richtes auf die Schulstunden, sowie für möglichste Einschränkung
der Hausarbeiten und streift die Meinungsverschiedenheiten über die
Art der Schulstrafen, deren Festsetzung meiner Ansicht nach, unter
der Voraussetzung, dafe die Lehranstalt hygienisch geleitet wird,
jedenfalls dem Lehrer überlassen bleiben mufs. Zugleich empfiehlt
516
er die Einführung der Steilschrift in die Schulen, deren Besprechung
wohl passender im Znsammenhang init der als Schulkrankheit an-
gefahrten Kurz8ichtigkeit und Rückgrateverkrümmung hätte Plati
finden sollen. Selbstverständlich hat Verfasser auch die Erörterung
der Pflege der Leibesübungen und der Jugendspiele als Bildnngs-
mittel des Körpers und Charakters nicht vergessen.
Zum Schlüsse spricht er seine Meinung dahin ans, dafe die
Thätigkeit des Schularztes nur einen beratenden Charakter haben,
die Entscheidung über hygienische Maisnahmen aber in der Hand
der Schulbehörde liegen müsse, was sicherlich in Lehrer* und Ärzte-
kreisen Billigung finden wird.
Im grofcen und ganzen hat somit der Autor seine Aufgabe
glücklich gelöst, und es steht zu erwarten, dafs seine Arbeit toi
guter Wirkung sein wird.
Oberarzt des Hermannstädter Eomitates
Dr. med. Süssmann in Hermannstadt.
W. Winkler, Haupüehrer in Schreiberhan. Deutsches Lehrer*
heim in Schreiberhau, Riesengebirge. Im Auftrage des Vor-
standes des schlesischen ProvinziaHehrervereins bearbeitet. Biele-
feld, 1892. A. Helmichs Buchhandlung. (26 S. 8°. M. 0,20.)
Wer heutzutage in einer öffentlichen Stellung th&tig und des
gröfsten Teil des Tages innerhalb der Tier Mauern eines Bureau,
einer Schule u. s. w. geistig und körperlich angespannt ist, der
bedarf, um seine Gesundheit und Geistesfrische möglichst lange zs
erhalten, alljährlich einer längeren Ruhe und Erholung fern von
seinem Dienstorte. Es ist das eine Forderung der Natur, ein
Gebot der Notwendigkeit, dessen Übertretung sich nicht blofe an
dem einzelnen Individuum, sondern an dem ganzen staatlichen
Organismus schwer zu rächen pflegt.
Wenn nun auch jedem Beamten und Lehrer eine gewisse Zeit
zum Ausspannen zugemessen ist, so bleibt es doch für manche!
eine schwierige Frage: „Wo und wie kann ich meinen Urlaub,
bezw. meine Ferien am besten und angenehmsten verbringen ?K Ja,
wer viel Zeit und Geld zur Verfügung hat, der sucht eine Sommer-
frische in den Alpen oder ein Bad an der Nordsee auf, wandert
auch wohl noch weiter, um die Sorgen und Muhen des Alltags-
lebens für einige Zeit abzuschütteln. Was aber soll der Lehrer
thun, der zumeist auf ein bescheidenes Einkommen angewiesen ist,
einer ausgiebigen Sommerfrische aber gerade am meisten bedarf?
Wo kann insbesondere die Lehrerwelt Ostdeutschlands einen an-
genehmen und billigen Sommeraufenthalt finden?
Diese Frage hat der Hauptlehrer W.Winklbr in Schreiberhao,
517
der zu den Mitbegründern des Riesengebirgsvereins zählt und die
dortige Ortsgruppe leitet, einer glücklichen Lösung näher gebracht,
ßein Plan, in Schreiberhau am Fnfse des herrlichen, sagen-
berflhmten Biesengebirges ein Lehrerheim zn gründen, fand nicht
nur auf der ProTinziaUehreirersammlnng in Sagan im Jahre 1886
allseitige Zustimmung, sondern wurde anch von dem ersten preufsi-
schen Lehrertage in Magdeburg (1890) aufs freudigste begrüßt. Ein
im Oktober 1891 von dem Vorstände des schlesischen Provinzial-
lehrervereins an die deutschen Lehrer ergangener Aufruf zu frei-
willigen Sammlungen hatte den Erfolg, dafs in verhältnismäßig kurzer
Zeit gegen 8000 Mark zu obigem Zwecke eingingen.
Um diesem menschenfreundlichen Gedanken in den weitesten
Kreisen Beachtung und dem Unternehmen, das noch der Vollendung
harrt, weitere Unterstützung zu verschaffen, wurde die vorliegende,
mit Wärme und Begeisterung abgefaßte Schrift veröffentlicht. Die-
selbe enthält folgende Abschnitte: 1. Wie der Gedanke zur
Gründung eines Lehrerheims entstand. 2. Der Aufruf und sein
Erfolg. 3. Was das Lehrerheim will. 4. Inwiefern eignet sich
Schreiberhau zur Gründung eines Lehrerheims? 5. Besitzstand und
Verwaltung. 6. Geber und Gaben. 7. Schlußwort.
Bei der groben Wichtigkeit des geplanten Werkes verdient
die Schrift in der That allgemeine Berücksichtigung, ihr Zweck
volle Anerkennung und kräftige Förderung. Nachdem zur Erbauung
von Schutzhütten auf den Gipfeln der Alpen bedeutende Spenden
gemacht worden sind, wird die Opferwilligkeit der Deutschen sicher-
lieh auch zur Errichtung eines bescheiden«! Sommerheims für die
erholungsbedürftigen Lehrer, welche selten oder nie in der Lage
sind, nach den fernen Alpen zu wandern, gern ihr Scherflein bei-
tragen.
Allen aber, die nach der Erstehung des Lehrerheims in
Schreiberhau dorthin ihre Schritte lenken und dort die notwendige
Erholung suchen, möge der mächtige Herr des Riesengebirges, der
noch immer gütig waltende Berggeist Rübezahl, den kostbaren Schatz
fester Gesundheit und das schöne Kleinod unzerstörbarer Berufe-
freudigkeit mit auf den Heimweg geben t
Professor am k. k. Staatsobergymnasium S. Schiässlinq in Mies.
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Tramonte, 8. Conferenze igieniche, tenute nella sola eommmak
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Wbndt, F. M. Grundrifs der pädagogischen Pathologie. Kath.
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Jritfdmft fit Sdjnlgffuu^fitöpllfjf.
- : — .j . , .s. i ' ■ ■• ... a " . ... . i. ■ : , i — — *
VI. Jahrgang. 1893. No. 10.
Äriginal-^lb^attblttngen.
Die Lichtverh<nisse in den Schulen der Stadt Halle a. S.
Von
Dr. med. K. Likbrecht,
Augenarzt in Halle a. S.
Seitdem das Interesse für eine wirksame Schulhygiene
erwacht ist, hat sich dasselbe auch ganz besonders der Be-
leuchtung der Klassenzimmer, speoiell der Arbeitsplätze in
denselben, zugewendet, und es verdient dieser Gegenstand mit
vollem Rechte ernste Würdigung. Denn eine ungenügende Be-
leuchtung ist mit einer beträchtlichen Schädigung der Gesund*
heit und des Gedeihens der Kinder verbunden. Es sei hier
der Einflufs des Lichtes nur in zwei allgemeinen Punkten
hervorgehoben.
Erstens wird bei guter Beleuchtung der Klassenzimmer
die für die Atmung so wichtige gründliche Reinigung
derselben, die Beseitigung alles des Staubes und Schmutzes,
wie er sich in liohtsohwachen Ecken anzuhäufen pflegt, leichter
als sonst erfolgen. Dafs in den Schulen die Klassenreinigung
noch sehr viel zu wünschen übrig läfst, wird wohl jeder zugeben,
welcher weife, daJs in den meisten derselben ein trockenes Aus-
kehren nur zweimal die Woche, ein Scheuernder Zimmer in der
Regel nur alle halben Jahre einmal stattfindet. Ziehen wir
ferner in Betracht, dafs diese Reinigung sämtlicher Ellassen
Mittwochs und Sonnabends von meist nur zwei Personen aus-
Sebnlgerandhettspflege VI. 34
522
geführt und dafs beim Staubkehren blofs ein Fenster oder
Fensterflügel geöffnet wird, so darf man sich über die Wirk-
samkeit einer solchen Reinigung keinen Illusionen hingeben.
Dieselbe wird zum Teil nur in einer Translocierung des Staubes
von den Fufeböden und Bänken in die Furchen der ersteren und
die zahlreichen Ecken und Winkel der Schulstube bestehen.
Gegen diesen Müsstand hilft nur eine Vermehrung des Dienst-
personals und tägliche Kontrolle von Seiten der Lehrer. Diese
Kontrolle aber darf nicht durch eine ungenügende Beleuchtung
der Klassenzimmer erschwert werden.
Eng mit dem erwähnten Punkte hängt der zweite zu-
sammen. Wir wissen seit einiger Zeit, dafs helles Tages-
licht einen au fs er ordentlich hemmenden Ei nflufs auf
die Weiterentwiokelung und Lebensfähigkeit zahl-
reicher Bakterien ausübt. Beinkulturen der meisten
pathogenen Bakterien entwickeln sich bei Tages- und bei
Sonnenlichte nicht weiter, sondern sterben leicht ab. Diese
Thatsache ist zweifellos der Prüfung wert in Bezug auf Weiter-
verbreitung der Tuberkulose, des Typhus, der Diphtherie,
vielleicht auch der Masern und des Scharlachs in den Schulen.
Auch für die ansteckende granulöse Bindehautentzündung,
welche mit Vorliebe einzelne Ellassen einer Schule befellt,
wäre nach dieser Richtung hin eine Untersuchung von Interesse.
Nach unseren jetzigen Erfahrungen ist es nämlich wahrscheinlich,
dals eingeschleppte Infektionsträger in einem schlechtbeleuchteten,
mit dunklen Ecken ausgestatteten Zimmer längere Zeit ihre
Wirksamkeit bewahren und damit immer wieder der Ausgangs-
punkt von neuen Erkrankungen werden, während dieselben
Bakterien in ausreichend hellen, womöglich am Tage eine Zeit
lang von Sonnenstrahlen getroffenen Zimmern rasch zu Grande
gehen.
Die nachweisbare Hauptschädigung einer ungenügenden
Beleuchtung der Arbeitsplätze aber besteht in der Entwickelung
von Bückgrats- und Rippenverkrümmungen infolge
schlechten Sitzens der Kinder und vor allem in der Ent-
stehung von Kurzsiohtigkeit.
523
Noch sind wir nicht über sämtliche ursächlichen Momente
dieses Brechungsfehlers der Augen vollkommen orientiert, obgleich
schon eine Untersuchungsreihe von weit über 100000 Schülern,
ferner von zahlreichen Soldaten und Studenten vorliegt, aber
folgende Sätze, welche H. Cohn auf Grund seiner Unter-
suchungen aufgestellt hat, sind von allen anderen Beobachtern
bestätigt worden:
1. Die Kurzsichtigkeit nimmt an Häufigkeit zu mit den
Anforderungen der Unterrichtsanstalten. Sie wächst
konstant von den Dorfschulen nach den städtischen
Elementarschulen, Sekundärschulen, Realschulen und
Gymnasien hin.
2. Die Zahl der Kurzsichtigen steigt in den einzelnen
Schulen von Klasse zu Klasse.
3. In den oberen Klassen und höheren Sohulen kommen
stärkere Kurzsichtigkeitsgrade vor, als in den unteren
Klassen und niederen Schulen.
Es ist hiernach der ungünstige Einflute der Schule auf
das kindliche Auge sicher gestellt.
Die durch den Unterricht erworbene Kurzsichtigkeit hält
sich in den meisten Fällen in einer gewissen Grenze im Gegen-
satz zu der angeborenen, deletären Myopie. Letztere nimmt
stetig zu, oft bis zu den höchsten Graden, und endet dann
sehr häufig mit der Vernichtung eines oder beider Augen oder
wenigstens mit schwerer Schädigung derselben.
Aber auch eine Kurzsichtigkeit geringeren Grades bis zu
6 Dioptrien, wie sie durch unzweckmäßige Beleuchtung bei der
Arbeit in der Kindheit entsteht, kann keineswegs als bedeutungslos
gelten. Beweis dafür ist, dafs mit Zunahme der Myopie in der
Regel auch die Sehschärfe, also die Leistung des Auges, abnimmt.
Nach den Untersuchungen von Oberstabsarzt Seggel in München
war bei normalem Bau des Auges die Sehschärfe gleich gf ,
d. h. ein Probeobjekt von bestimmter Grftise (XX) wurde in
22 m Entfernung noch scharf gesehen (#=ff)- B®i Kurz-
sichtigkeit von 5 — 6 Dioptrien dagegen konnte dasselbe Objekt
nach Korrektion der ersteren nur noch in 13 m Entfernung
34*
524
gesehen werden (£=£!)• Ferner findet man in Augen
mit den erwähnten Graden von Myopie fast ausnahmslos
pathologische Veränderungen an den Augenhäuten, welche
meistens nicht abgeschlossen sind, sondern sich mit den
Jahren ausdehnen und den Grund fiir die Herabsetzung der
Sehschärfe bilden. Ziehen wir weiter in Betracht, dafe ein-
zelne Berufsarten den Kurzsichtigen völlig verschlossen sind,
dafs die Zahl der Rekruten, welche wegen höhergradiger
Myopie vom Militärdienste zurückgewiesen werden müssen,
eine stets gröfeere wird,1 so kann sich wohl keiner der Über-
zeugung verschliefsen, dafe der Staat, welcher den Schulzwang
eingeführt hat, auch verpflichtet ist, mit allen Mitteln diejenigen
Momente in der Schule zu beseitigen, welche Kurzsichtigkeit
hervorzurufen vermögen, falls solche nur genügend erkannt sind.
Dies ist aber der Fall. Wir wissen nämlich, dafe alles,
was das Kind nötigt, die Augen dauernd zu nahe an das Buch
oder die sonstige Arbeit heranzubringen, zur Myopie disponiert
Mag man einer Theorie über die Entstehung derselben huldigen,
welcher man will, sie alle führen in letzter Linie zurück auf
eine zu grofse und gleichzeitig zu anhaltende Annäherung des
Auges an den Beschäftigungsgegenstand.
. Welche Umstände zwingen nun die Augen in eine solche
Stellung? Sie können sehr verschiedener Art sein. Es ist,
abgesehen von bestehender Schwachsichtigkeit, zu berücksichtigen
der Buchdruck, die Schriftform, die Länge der Zeilen, das
Schreibmaterial, die Heftlage (Schrägschrift oder Steilschrift), ganz
besonders aber die Konstruktion der Schulbänke. So wichtig alle
diese Funkte sind, es ist hier nicht meine Aufgabe, auf dieselben
näher einzugehen. Aber dem Bedauern mufs ich doch Ausdruck
geben, dafs selbst bei der Einrichtung neuer Schulen auf all-
gemein anerkannte Forderungen der Schulgesundheitspflege so
1 Es steht mir nur die Angabe von Dr. Bircher. zur Verfügung
über die Schweizer Rekruten, welche wegen Kurzsichtigkeit vom Militär-
dienste befreit wurden. Dies waren
1875: 1876: 1878: 1879: 1880: 1881: 1882: 1883: 1884:
11 14 19 23 25 25 31 29 34.
525
wenig Gewicht gelegt wird. Noch immer werden die alten
Bftnke mit sogenannter Plusdistanz, deren Schädlichkeit für
die Körperhaltung von vielen ärztlichen Autoritäten nach-
gewiesen ist, aufs neue angeschafft. Ob dabei der Geldpunkt
oder pädagogische Rücksichten die Hauptrolle spielen, will ich
nicht entscheiden. Aber wenn es gilt, direkt nachweisbare
Schädigungen der Gesundheit von den Kindern fernzuhalten,
dann müssen derartige Bedenken verstummen, selbst wenn sie
nicht so geringfügiger Natur wären, wie sie es in der That
sind. Es wird in dieser, wie in vielen anderen Fragen, erst
Wandel geschafft werden, wenn, was in Belgien, Schweden,
Ungarn, Frankreich und der Sohweiz bereits geschehen ist,
die Anstellung von besonderen Schulärzten zur Durchführung
kommt, und zwar von Schulärzten, die nicht nur regelmäfsige
Untersuchungen der Kinder in Bezug auf Körpergröße, Körper-
gewicht, Kurzsichtigkeit, Farbensinn, Schwerhörigkeit, Rück-
gratsverkrümmungen, Infektionskrankheiten vorzunehmen und
die Befunde zu notieren haben, sondern welche auch mit einer
gewissen Machtbefugnis bekleidet sind, hervorragende hygienische
Müsstände zu beseitigen. Wir sind überzeugt, dafs der Ruf
nach ärztlichen Sohulinspektoren mit jedem Jahrzehnt ein
dringenderer werden und erst nach Einführung derselben ver-
stummen wird.
loh habe mir jedoch zum Ziele gesetzt, einen Punkt
näher zu erörtern, welcher sicher mit das wichtigste Moment
zur Verhütung der Kurzsichtigkeit darstellt, nämlich eine
ausreichende Beleuchtung der Arbeitsplätze in den Schulen.
Nur bei einer solchen wird es dem Schüler möglich sein, ohne
Anstrengung die betreffende Nahearbeit in zweckmäfsiger Ent-
fernung vom Auge zu verrichten.
Der Wert einer ausreichenden Beleuchtung für die Arbeits-
plätze ist schon durch zahlreiche Untersuchungen festgestellt
worden. Vor allem sind hier diejenigen von H. Cohn zu
erwähnen. Er hat durch mühsame Forschung das geringste
Mafia der Helligkeit für einen Arbeitsplatz bestimmt und ins-
besondere den genial konstruierten Liohtmessungsapparaten von
Professor L. Weber allgemeinen Eingang verschafft.
526
Methode der Liohtmessung.
Früher verlangte H. Cohn, dafs auf jeden Quadratfufe
Bodenfläche eines Schulzimmers 30 Quadratzoll Fensterfläohe
kommen, damit das Lioht für die Schüler ausreiche. Das
Unzulängliche einer solchen Forderung war aber leicht
einzusehen; denn bei dieser Art der Zumessung von Licht
wurde keinerlei Rücksicht auf die Umgebung des Schul-
hauses genommen. Es erschien gleichgültig, ob dasselbe frei
stand oder von hohen Gebäuden umgeben war, ob durch die
Fenster direktes Himmelslicht oder nur reflektiertes eindrang.
Mit der steigenden Erkenntnis nun, dafe der Wert der Be-
leuchtung eines Zimmers ganz vorwiegend abhängt von der
direkten Beleuchtung durch diffuses Himmelslicht, dafe indirektes,
von Gebäuden, Wänden u. s. w. reflektiertes Licht im Vergleich
zu dem direkten relativ wenig in Betracht kommt, mutete nach
einem anderen Mafsstab zur Beurteilung der Helligkeit eines
Platzes gesucht werden. Diese Aufgabe ist in glänzender
Weise von Professor L. Weber in Breslau gelöst worden.
Er hat zwei Apparate konstruiert, welche allen Ansprüchen
in Bezug auf Lichtmessung genügen.
Zunächst führen wir sein Photometer an. Es ist hier
nicht der Ort, dasselbe näher zu beschreiben, nur soviel sei
gesagt, dafs wir dadurch in den Stand gesetzt werden auszu-
sagen, mit wieviel Normalkerzenstärke ein bestimmter Platz
zu einem gegebenen Zeitpunkte bei irgend welcher Beleuchtungs-
art erhellt wird. Mag derselbe von direktem oder reflektiertem
Himmelslicht oder von beidem, von Lampen-, Qua- oder elek-
trischem Lioht erleuchtet sein, durch den Apparat erfahren wir
in jedem Falle: die Helligkeit dieses Platzes ist gleich der-
jenigen von so und so viel Normalkerzen in 1 m Entfernung.
Dieses Instrument, so wertvoll dasselbe ist und so vielfach
es benutzt wird für vergleichende Untersuchungen der Stärke
der gebräuchlichen Lichtarten, ist trotzdem nicht zu verwenden
für die Ermittelung der Helligkeit der Arbeitsplätze in den
Schulen, und zwar aus folgenden Gründen. Es wäre die Auf-
gabe, sämtliche Plätze einer oder mehrerer Schulen mit diesem
527
Apparate zu untersuchen, eine außerordentlich anstrengende und
zeitraubende. Aber selbst wenn sich jemand derselben unterziehen
wollte, so ist doch zu berücksichtigen, dals jeder Platz an
einem bestimmten Tage, zu einer bestimmten Tageszeit unter-
sucht wird, dals die nächste Stunde, der nächste Tag andere
Beleuchtung schafft, dals demnach die für die einzelnen Plätze
gewonnenen Resultate wegen der verschiedenen Zeit der Unter-
suchung nicht direkt miteinander verglichen werden können.
Durch Benutzung dieses Photometers wurde übrigens als Mindest-
mals der Beleuchtung eines Platzes eine Lichtstärke von
10 Normalkerzen in 1 m Entfernung festgestellt
Den erwähnten Übelständen hilft ein anderer Apparat von
Professor L. Weber ab, der sogenannte Baumwinkelmesser.1
Denkt man sich von einem Punkte in einem Zimmer alle
möglichen Strahlen nach den Fensterrahmen, Firsten der gegen-
überstehenden Häuser u. s. w. gezogen, so schneidet die Ver-
längerung derselben dasjenige Stück Himmel heraus, von dem
der Punkt direktes Tageslicht erhält. Das herausgeschnittene
Stück hat Weber mit dem Namen Baumwinkel bezeichnet.
Diesen Baumwinkel als leuchtende Fläche projioiert nun eine
Linse auf eine runde Holzscheibe, welche mit einem in Quadrate
von 2 mm Seitenlänge eingeteilten Papiere bedeckt ist. Die
Linse ist an einem Stabe, welcher in der Holzscheibe recht-
winkelig befestigt ist, verschiebbar, so dals man stets ein scharfes
Bild des Baumwinkels auf der Scheibe erhalten kann. Holz-
scheibe nebst Stab sind um eine Achse drehbar, wodurch es
möglich wird, das Bild des Baumwinkels auf die Mitte der
Scheibe fallen zu lassen. Der Winkel, um den die Holzscheibe
gedreht wird, kann an einem graduierten Halbbogen abgelesen
werden und bezeichnet den Einfallswinkel, unter welchem die
Lichtstrahlen auf den untersuchten Platz fallen.
Nach Weber gilt nun die Gleichung:
h = w . sin a,
1 Vgl. diese Zeitschrift, 1889, No. 11, S. 572 ff., woselbst sich auch
eine Abbildung des Baumwinkelmessers findet. D. Red.
528
wobei h die Helligkeit ist, m der Raumwinkel und z. a dar
Einfallswinkel des Lichtes. Als geringster zulässiger Raum-
winkel für einen Arbeitsplatz bei senkrechter Beleuchtung
wurden 50 Quadratgrade gefunden. Bei nicht senkrecht ein-
fallendem Lichte maus der Einfallswinkel desselben als sinus a
mit in Rechnung gezogen werden.
Es wird also mit diesem Apparate in ziemlich voll-
kommener Weise das einen Platz direkt beleuchtende Himmels-
lioht gemessen, während das von Gebäuden, Wänden u. s. w.
reflektierte Licht, welches doch auch zur Erhellung eines
Platzes beiträgt, unberücksichtigt bleibt. H. Cohn hat deshalb
vergleichende Untersuchungen für Plätze mit Beleuchtung durch
direktes Himmelslicht und gleichzeitig durch reflektiertes lacht
zuerst mittelst des Raum Winkelmessers, welcher die Menge des
direkten Lichtes angibt, dann mittelst des Photometers, welches
beides, das direkte und indirekte Licht, milst, angestellt. Dabei
hat sich ergeben:
1. An Plätzen, auf welche gar kein Himmelslicht fällt,
deren Raumwinkel also = 0 ist, beträgt die Helligkeit
an trüben Tagen nur 1 — 3 Meterkerzen. Dieses Licht
wird demnach allein durch die reflektierenden Wände
u. s. w. geliefert (ungenügende Beleuchtung).
2. Ist der Raumwinkel an einem Platze kleiner als
50 Quadratgrade, so ist die Helligkeit an trüben
Tagen geringer als 10 Meterkerzen, also ebenfalls noch
ungenügend.
3. Ist der Raumwinkel grölser als 50 Quadratgrade, so ist
die Helligkeit auch an trüben Tagen grölser als
10 Meterkerzen und daher genügend.
Es beweisen diese Untersuchungen, welche von anderer
Seite bestätigt worden sind, dafs der Raumwinkelmesser auch
in Ansehung des indirekten Lichtes doch ein brauchbares
Instrument für Schulen ist.
Auf Grund dieser Erwägungen habe ich mich ebenfalls
des Raumwinkelmessers bedient, um die Beleuchtung der
Klassenplätze in den hiesigen Schulen zu bestimmen. Die
529
Plätze wurden, wo überhaupt eine Untersuchung angängig war,
einzeln untersucht. Dabei habe ich stets möglichst günstige
Verhältnisse hergestellt, also hauptsächlich die Fenstervorhänge
vollständig zur Seite oder nach oben gezogen, weshalb die
Resultate nicht immer ganz den thatsächlichen Verhältnissen
entsprechen, sondern etwas günstiger ausgefallen sind. An
Plätzen, bei welchen ein Teil des Raumwinkels durch Blätter-
gezweig versperrt und dadurch eine genaue Zählung der
Quadratgrade unmöglich war, bin ich schätzungsweise verfahren.
Bevor ich an die Mitteilung der Ergebnisse meiner Messungen
gehe, liegt es mir indessen noch ob, diejenigen Punkte zu er-
örtern, welche von wesentlichem Einflüsse auf die Beleuchtungs-
stärke sind, nämlich die Himmelsrichtung der Klassenzimmer,
die Umgebung des Schulhauses, die Bauart der Schulen, die
Fenster und die Vorhänge derselben.
Die Lage der Klassenzimmer in Bezug
auf die Himmelsrichtung.
In den hier bestehenden Schulen finden wir die Achsen-
Stellung der einzelnen Gebäude aufserordentlich verschieden.
Am meisten bevorzugt sind die Haupthimmelsrichtungen Norden-
Süden, Osten- Westen; aber auch die nordwestlich-südöstliche
und die nordöstlich-südwestliche Stellung ist vertreten. Dem-
gemäfs sind auch die Klassen nach allen diesen Richtungen
hin gelegen.
Nach Norden und Süden liegen die Klassenzimmer der
Volksschulen in der Lessing-SchillerstraCse und in der Hermann-
strafse, diejenigen der Bürgerschule in der Grofeen Steinstrafse,
letztere mit einer geringen Drehung südsüdöstlich -nordnord-
westlich, ein Teil der Klassenzimmer des städtischen Gym-
nasiums und der städtischen Realschule und außerdem die
sämtlichen Unterrichtsräume der FfiANCEEschen Stiftungen, mit
Ausnahme der Klassen der Latina im Mittelbau.
Nach Westen und Osten gehen die Klassenzimmer der
Bügerschule an der Dreyhaupt - OleariusstraJse, die Zimmer
im Mittelbau der Volksschule an der Taubenstrafse, diejenigen
628
wobei h die He' /^znenade, der Volks-
Einfallswinkel •' ^. 0 * ffitin& im Mittelbau der
winke! für e ^ ^ lA*^£^^ Gymnasiums in
wurden 50 C
&Uendem I k>*%**^fl* j Sädoetm sehen die Klassen der
mit in Ber ^ *J^<^aIe in den beiden Flügeln, nach
Es * ^i^^ß^ letzteren Sohule im Mittelbau,
kommen* t******* fSdweeten die Klassen der Knabenbtirger-
wüefct» ^J ^ ^^^denheit der gewählten Himmelsrichtungen
Platz, ^*^^elhaft, dafe hygienische Paktoren in den
J?1?7 ****** wenig m Betracht gezogen sind. Dies wird
^*** ^euiM erklärlich, als eine gro&e Zahl neugebauter
™ #■** *"***&* Entrichtung schon bestehender Straten ein-
*" **Ä^!jrf^ ohne ^ vor der Wfthl deS 0rteS aUe S681111*"
^ J**5?* ftotferungen genügend berücksichtigt waren. Aufeer-
beittiebf*^ ^ gQ weniger ^ert anf die Himmelsrichtung
(Js* -jf^enrinuner deshalb gelegt zu sein, weil sich die An-
^^^öberdie günstigste Lage der Zimmer noch vielfach
s^^keistehen. Es wird dieser Zwiespalt am besten illustriert
gBß& ,£e Ergebnisse, welche die Professoren Knaufe in Heidel-
&&* od Vogt in Bern erhalten haben, als sie rechnerisch und
b*tf ^enteil die Frage nach der passendsten Himmelsrichtung
ört^^kenhausbauten zu lösen versuchten. Der erstere empfahl
&* ngt-westliche, der zweite gerade entgegengesetzt die süd-nörd-
&* ^ohsenstellung der Gebäude als die geeignetste.
I1 yar Krankenhäuser liegen nun allerdings die Verhältnisse
• ] verwickelter, als für Schulen. Bei letzteren kommen
hiopisäohlioh nur die Klassenzimmer in Betracht und für diese
«wiederum zwei Forderungen: erstens sollen dieselben gesund
nad zweitens ausreichend hell sein. Für Arbeitszimmer suchen
wir uns gewöhnlich nach Norden gelegene Bäume aus, und
2War in Bezug auf günstige Liohtverhältnisse mit Recht. Es
ist in einem solchen Zimmer nicht nötig, irgend welche Vor-
hänge anzubringen, weil dasselbe von den Sonnenstrahlen nicht
getroffen wird. Das Licht bleibt während der Tagesstunden
531
ein relativ gleichmäßiges und, sobald von vornherein für eine
ausgiebige Lichtquelle gesorgt ist, kann dieselbe auch stets
voll ausgenutzt werden. Es fragt sich nun, ob eine solche
nördliche Lage der Klassenzimmer gesundheitsschädliche Folgen
haben könnte. Wenn das Gebäude frei und womöglich etwas
hoch steht, wenn der Untergrund und die Mauern trocken
sind, wenn für ausreichende Reinigung und Lüftung gesorgt
wird, die Heizung eine gute ist, so erscheint eine gesundheits-
schädliche Wirkung so gelegener Zimmer während der Schul-
stunden ausgeschlossen. Aber da die oben erwähnten Be-
dingungen nicht überall zutreffen, da es ferner feststeht,
dafe die Sonnenstrahlen mit ihrer erwärmenden, ventilierenden,
belebenden und desinfizierenden Kraft viele hygienische Miß-
stände im Innern des Hauses bessern können, so wird man
nur notgedrungen auf diese von der Natur gegebene Hilfe ver-
zichten. Diejenige Lage der Klassenzimmer würde demnach die
beste sein, welche gestattet, einerseits dafs das Sonnenlicht während
einiger Stunden am Tage, und zwar möglichst während schul-
freier Stunden, in die Klassen hineinscheint, andererseits dafs
in den Schulstunden eine volle Ausnutzung des gegebenen
Lichtes stattfinden kann. Da jetzt die letzteren in der Haupt-
sache auf den Vormittag fallen, so ist meines Brachtens als
die beste Aohsenstellung die nordöstlich-südwestliche anzusehen.
Bei den lokalen Verhältnissen in gröfseren Städten wird
es freilich meistens ein frommer Wunsch bleiben, die Schul-
gebäude gerade in derjenigen Himmelsrichtung aufzuführen,
welche man für die hygienisch richtigste hält. Es finden bei
uns die Schulbauten, die Aufenthaltsorte der Kinder in ihren
Entwicklungsjahren, noch nicht diejenige Berücksichtigung,
welche sie verdienen. Wir sind noch weit davon entfernt, den
Wunsch erfüllt zu sehen, welchen A. Weber vor einigen
Jahren ausgesprochen hat: Man nehme sich die Schweiz zum
Muster, wo die Schule stets das schönste und bestgelegene
Gebäude des Ortes ist. In den meisten Fällen ist bei uns die
Wahlkommission auf eine kleine Anzahl Bauplätze für die
Schule angewiesen. Es gilt dann wenigstens, den günstigsten
532
von diesen auch in Bezug auf gesundheitliche Verhältnisse aus-
zuwählen und die letzteren nicht anderen geringwertigeren
Interessen zn opfern. Dazu ist erforderlich, dals jeder Schul-
hausplatz vor der Erwerbung des in Aussicht genommenen
Grundstückes von geeigneter ärztlicher Seite schriftlich begut-
achtet wird. Bei dieser Begutachtung aber muls als eine der
ersten Forderungen berücksichtigt werden, dafs es keinem
Arbeitsplatz der Schule an ausreichendem Lichte fehlt. Welche
Punkte, abgesehen von der Lage des Gebäudes, dabei sonst
noch in Betracht kommen, soll in folgendem dargelegt werden.
Die Umgebung des Schulhauses.
Das Schulhaus muls möglichst frei liegen. Das nötige
direkte Himmelslicht für die Klassen darf nicht durch nahe-
stehende Gebäude, Bäume und dergl. abgesperrt werden. Leider
ist eine völlig freie Lage in der inneren Stadt nicht stets
möglich, wenngleich immer das Augenmerk darauf zu richten
ist. Auf jeden Fall vermeide man aber, Schulbauten in die
Front schon bestehender Straisen einzufügen, da die letzteren
dafür bei uns in der Regel zu schmal sind. Professor Adolf Vogt
in Bern verlangt auf Grund seiner Experimente, dals in unseren
Breitengraden sich die Höhe der Häuser zur Breite der Straften,
und zwar meridionaler, d. h. von Norden nach Süden gerichteter,
wie 1:2, 4, äquatorialer, d. h. von Osten nach Westen ge-
richteter, wie 1:4, 12 verhalte, wenn auch die Zimmer des
Erdgeschosses ausreichendes Tages- und Sonnenlicht empfangen
sollen. Diese Forderungen der Gesundheitspflege werden wohl
in unseren größeren Städten, namentlich ihren inneren Teilen,
nicht immer zu erfüllen sein. Aber für ein Sohulgebäude,
welches notgedrungen in eine Strafse gelegt werden mufe, ist
als Mindestmafs der Entfernung von den gegen-
überliegenden Häusern unter allen Umständen das
Anderthalbfache der Höhe der letzteren zu verlangen.
Jede Schule, welche näher an die gegenüberliegenden Häuser
herangerückt ist, sollte gleich von vornherein als ungenügend
in ihrer Beleuchtung erachtet werden.
533
Trotzdem treffen wir die getadelten Verhältnisse bei einer
ganzen Reihe hiesiger Schulen, älterer und jüngerer, an. Da ist
zuerst das Waisenhans mit seinen beiden langen Flügeln, welche
zwischen sich einen Hof fassen, der an einzelnen Stellen nicht
viel breiter ist, als die begrenzenden Gebäude hoch sind.
Anch die Bürgerschule in der Charlottenstra&e liegt in einer
im Verhältnis zu den gegenüberliegenden Häusern viel zu
schmalen Strafse. Die Folge ist eine mangelhafte Beleuchtung
der im Erdgeschois befindlichen Zimmer, wie wir dies unten
Daher ausführen werden. Ähnlich steht es mit der Volksschule
an der Schillerstralse, wenngleich die Strafse hier sohon etwas
breiter ist. Dafs in der Gartengasse, nach welcher eine Front
der städtischen höheren Mädchenschule liegt, gestattet worden
ist, in ungefähr 6 m Entfernung derselben gegenüber Häuser
aufzuführen, welche das Schulgebäude an Höhe zum Teil
noch übertreffen, maus Verwunderung erregen. Ebenso erhalten
im städtischen Gymnasium die unteren Klassenzimmer nach
der HedwigstraJbe nicht genügendes direktes Himmelslicht
wegen der Höhe der gegenüberstehenden Häuser. Unzweck-
mäßig erscheint auch der neue Bau der Vorschule im Garten
dee städtischen Gymnasiums, da nach Süden die hohen Häuser
der Hedwigstrafse, nach Osten die vorstehenden Bäume und
nach Westen das gegenüberliegende Gymnasium den Zutritt
des Lichtes zu sehr beeinträchtigen. Vollkommen frei dagegen
und deshalb in ihren Lichtverhältnissen auch durchaus aus-
reichend liegt die Volksschule in der Liebenauerstrafse und
ferner die Bürgerschule in der groisen Steinstaube. * Ebenso
hat die Volksschule in der Taubenstrafse mit Ausnahme der
geringen Front nach dieser Strafse eine helle freie Lage. In
der Knaben- und Mädchenschule der Hermannstrafse sind die
Lichtverhältnisse des Erdgeschosses dadurch sehr verbessert
worden, dafs das letztere recht hoch gelegt ist, eine Einrichtung,
1 Auch die Neue Volksschule im Glauchaer Viertel steht frei und
besitzt gute Lichtverhältnisse. Dieselbe ist bei dieser Zusammenstellung
nicht berücksichtigt worden, da sie zur Zeit noch unfertig war.
534
welche wir schon oben für Soholgebände in ähnlicher Lage
empfohlen haben.
Ein zweiter für die Beleuchtung des Schulhauses wich-
tiger Punkt sind die in seiner Nähe befindlichen Bäume. Es
kann durch dieselben, wenn sie dichtbelaubt sind und in un-
mittelbarer Nähe des Hauses stehen, diesem selbst bei freier
Lage so viel Licht entzogen werden, dafe eine wirkliche
Dämmerung den ganzen Tag über in den betreffenden Klassen
herrscht. Zahlreiche Beispiele dafür bringen die unten folgenden
Ausführungen. Am besten jedooh wird dieser Übelstand
illustriert durch einen Blick auf die im Erdgeschofe gelegenen
Klassen der alten Volksschule auf der Neuen Promenade. Es
gibt hier Klassen, deren Plätze allesamt nur durch Blatt-
gezweig fallendes reflektiertes Licht empfangen, so dafe die
Beleuchtung selbst in den Mittagsstunden eines hellen Sommer-
tages noch ungenügend ist. Ähnlich liegen die Verhältnisse in
einigen Klassen der in den Fr anoke sehen Stiftungen be-
findlichen höheren Mädchenschule und an verschiedenen anderen
Stellen. Abhilfe thut hier dringend not, und zwar entweder
durch Abhauen der Bäume, oder durch Verlegen der Klassen-
zimmer in andere Räumlichkeiten. So könnten die parterre
gelegenen Klassen der Volksschule an der Promenade in den
höheren Stockwerken, welche zur Zeit sonstigen Zwecken
dienen, untergebracht werden. In anderen Sohulen liefeen sieh
die dunkelsten Klassen als Aufbewahrungs-, Konferenzzimmer
oder dergl. verwenden, oder sie müfeten leer stehen bleiben.
Ist eine solche Umwandlung nicht möglich, so kann Besserung
nur durch einen baldigen Neubau, welcher mit den hygienischen
Forderungen in Einklang steht, geschaffen werden.
Die Bauart der Sohulen.
Am besten eignet sich für Unterrichtsanstalten ein Längs-
gebäude mit Klassenzimmern nach beiden Seiten heraus. Die
meisten Schulen sind jedoch so gebaut, dafe sioh an einen
Mittelbau rechtwinkelig mehr oder weniger lange Seitenflügel
anschließen, welche den Schulhof zwischen sich fassen. Dabei
535
ergibt sich für die Liohtverhältnisse nun folgendes: Die nach
dem Hofe nahe am Mittelbau gelegenen Klassen der Seiten-
gebäude im Erdgesohofs und ersten Stockwerk sind in der
Kegel zu dunkel, und zwar um so mehr, je länger die Seiten-
gebäude sind, lind je geringer der Abstand zwischen beiden ist.
Zuweilen verdüstert diese Zimmer auch noch ein Vorbau,
welcher am Mittelgebäude nach dem Hofe zu angebracht ist.
Ferner erhalten bei etwas längeren Seitengebäuden die Ellassen
des Erdgeschosses in ihren hinteren, vom Fenster abliegenden
Plätzen zu wenig Licht, weil dasselbe durch das gegenüber-
liegende Seitengebäude abgeschnitten wird. Auf zweckmäfsige
Weise ist dieser Übelstand vermieden worden im städtischen
Gymnasium, indem die Flurgänge der einzelnen Stockwerke
des Seitengebäudes nach dem Hofe zu, die Klassenzimmer dagegen
nach der freien Seite hin gelegt sind. Sehr empfehlen würde
sich nach meiner Meinung bei längeren Flügeln und bei der
Notwendigkeit, in jedem nach beiden Seiten hin Klassenzimmer
unterzubringen, die Bauart, dafs sich die Flügel stumpfwinkelig
an den Mittelbau ansetzten. Dadurch, dals die beiden Hof-
seiten derselben nicht mehr parallel stehen, sondern ihre Front
mehr nach der vierten, freien Seite hinwenden, werden die Licht-
verhältnisse um vieles besser werden. Bei parallelem Bau der
Seitengebäude soll der Abstand zwischen beiden mindestens so
grofs sein, als ihre Höhe zusammen beträgt. Die Fenster
müssen in den untersten Stockwerken möglichst nahe an die
Decke heranreichen. In den Gebäuden, welche bereits dunkle
Eckzimmer nach dem Hofe zu besitzen, sind die letzteren, wie
das auch schon in einigen Schulen geschieht, als Aufbewahrungs-
zimmer und dergl. zu benutzen, resp. ganz leer zu lassen.
Die Fenster.
Wie schon oben ausgeführt ist, war zuerst als einziger
Malsstab für die Güte der Beleuchtung das Verhältnis der
Fenster- zur Bodenfläche des Zimmers herangezogen worden.
Wenn auch diesem Malsstab mancherlei Mängel bei nicht frei-
stehenden Häusern anhaften, so wird er in Ermangelung eines
536
besseren doch seine Berechtigung für den Baumeister behalten,
welcher bei Aufstellung seines Bauplanes einen konkreten
Anhalt für die Bemessung der Gröfse der Fenster haben will.
Nach Stüdtmann1 sind bisher folgende Grundsätze von
mafsgebender Seite hierfür aufgestellt worden. In Preu&en
soll nach einem Gutachten der Königlichen technischen Bau-
deputation sich die Fensterfläche zur Bodenfläche verhalten
wie 1:5. In Sachsen, Württemberg, Niederösterreich wurde
1:6 bei vollkommen freiliegenden Gebäuden, 1 : 4, wenn die
Helligkeit durch Nachbargebäude beschränkt wird, gefordert.
Stüdtmann gibt an, dafe als Verhältnis der Fensterfläche zur
Bodenfläche gefunden wurde:
in den Schulen von Hannover 1:6 bis 1 : 10
in der Krefelder Volksschule 1:5
in den Berliner Schulen 1:7 bis 1 : 9
in Frankfurt a. M 1 : 8,7 bis 1 : 10.
In Halle sind die Zahlen nach meinen Untersuchungen
folgende :
Mädohenbürgersohule Gro&e Stein-
strafse 1 : 5,4
Volksschule Taubenstrafse 1 : 6,5
Städtische höhere Mädchenschule . . 1 : 5,8
1:7 2 kleinere Zimmer
1 : 8 Zeichensaal
1 : 20 Reserveklasse und
Handarbeitsklasse
Knabenbürgerschule Charlottenstrafse 1:7 l.u. 2. Stockwerk
1 : 8 Erdgeschoß
Volksschule Lessing-Schillerstraise ..1:8
Stadtgymnasium und Städtische Real-
schule 1:8
in den Klassen, in welchen die
oberen Scheiben durch hölzerne
Jalousien verdeckt sind 1 : 12
1 Archiv /l Hygiene, 1890, Bd. XI.
537
Vorschule des Stadtgymnasiums ... 1 ; 10 bis 1 : 11
Bürgerschule für Mädchen Drey-
haupt-Oleariuestrafse 1:9
Knaben- und Mädchenschule Neue
Promenade 1 : 9,5 bis 1 : 11
Frau cke sehe Stiftungen 1:8 \ _. , .
1:9 J ErSebnlßse
Q - I aus einzelnen
1 " ' \ Klassen der
1 " l verschiedenen
< \»^ l Schulen.
1 : äü j
Vergleichen wir die Resultate aus den Halleschen Schulen
mit denen der anderen angeführten Unterrichtsanstalten, so
ergibt sich, dafs im allgemeinen die neueren hier erbauten
Schulen in Bezug auf die relative Ghröfse der Fenster nicht
schlechter, als jene Anstalten gestellt sind, dafs wir jedoch in
Halle noch alte Schulgebäude mit zahlreichen Klassen besitzen,
welche auch nicht im entferntesten das notwendige Mafs von
Fensterfläche aufweisen. Überraschen mufs es aber, dafs von
allen den in jüngster Zeit erbauten Schulen, auch in anderen
Städten, kaum eine einzige eine so gro&e Fensterfläche erreicht,
wie sie von der Königlichen technischen Baudeputation fest-
gesetzt ist.
Im besonderen hat man bei der Anlage der Fenster
folgendes zu beachten. Die gemauerten Fensteröffnungen sollen
Rechtecke bilden. In dieser Form werden die oberen Fenster-
scheiben, durch welche das beste, ja im Erdgesohofs für viele
Plätze das einzige direkte Himmelslicht kommt, demselben die
grölste Glasfläche darbieten. Schon ein kleiner runder Fenster-
bogen, wie wir ihn meistens vorfinden, wird die lichtspendende
Fläche mehr oder weniger verringern. Wo aber die Beleuch-
tungsverhältnisse überhaupt nicht günstig liegen, wo das Himmels-
licht nur durch die obersten Fensterscheiben direkt einfallen kann,
ist jeder auch noch so kleine Zuwachs in der G-röfse derselben
wertvoll, um so mehr, als die Erhellung eines Platzes durch
steil auffallendes Licht eine viel stärkere, als diejenige durch
Sehnlgwuidhftltepflege VI. 35
538
schräg einfallendes ist Statt dessen sehen wir in einzelnen
Schulen, wie in den Bürgerschulen der Olearins- und der
Charlottenstrafee, welche nicht gerade durch Überflufs an Licht
sich auszeichnen, in den untersten Stockwerken Fenster mit
hohen Spitz- und Bundbögen, deren höchster Punkt noch einen
Fufs unterhalb der Decke liegt. Der für das Glas bestimmte
Baum in diesen Bögen ist anfordern noch durch zahlreiche runde
und gerade Stäbe und Leisten soweit vermindert, dafe die
schon an und für sich stark lichtbeeinträchtigende Bogenfläche
vielleicht nur zur Hälfte als lichtdurchlässig bezeichnet weiden
kann. Diese Fenster sind also unzweckmässig angelegt, und
es ist ihnen hauptsächlich die Schuld beizumessen, dafs eine
gröfeere Anzahl von Plätzen in den betreffenden Ellassen schlecht
mit Licht versorgt wird.
Die Fenster sollen ferner möglichst nahe bis an die Decke
heraufreichen, namentlich dort, wo man nach Lage des Gebäudes
vermuten kann, dafs die Beleuchtung in den Klassen nicht
eine durchaus genügende sein wird. Wir finden in den
hiesigen Sohulgebäuden in der Höhenlage der Fenster grofee
Unterschiede. Der obere Band derselben liegt ganz nahe an
der Decke in vielen Klassenzimmern der FnANCKBsohen Stif-
tungen, und es ist nur diesem Umstände zu danken, dafe die
Liohtverhältnisse dort in den unteren Stockwerken nicht noch
schlechter sind, als wir sie zur Zeit vorfinden. In einem
anderen Schulgebäude dagegen, in der alten Volksschule an der
Promenade, befindet sich der obere Band der Fenster etwa
3 Fufs unterhalb der Decke. Nehmen wir dazu noch die
Fensterrahmen und den gewöhnlich einen Fuls tief herab-
hängenden Fenstervorhang, so kann das Himmelslicht erst
4 Fuls unterhalb der Decke in das Zimmer eintreten. Die
genannte Volksschule mü&te unter diesen Umständen schon ein
gänzlich freiliegendes Gebäude, nicht aber von entfernteren
Häusern und nahestehenden Bäumen umgeben sein, wenn die
Beleuchtung noch eine genügende sein sollte. In den neueren
Schulhäusern treffen wir den oberen Band der Fenster, resp.
bei den Bögen deren höchsten Punkt 1 bis 2 Fuls unterhalb
539
der Decke. Wo es aber die Lichtverhältnisse fordern, sollten
auch diese Entfernungen nicht eingehalten werden, sondern die
Fenster direkt an der Decke beginnen.
Die Pfeiler der Schulzimmer müssen nicht zu breit sein.
Eine Breite von 1 m dürfte das Maximum des Zulässigen dar-
stellen.
Weiter sollen sich keine tiefen dunklen Ecken in den
Klassen befinden, gleicherweise im Hinblick auf Vermeidung
von Unreinlichkeit, wie von unzulänglicher Beleuchtung.
Die Fensterwände seien nach aufeen und innen abgeschrägt,
insbesondere sollte das am oberen Bande nach aufsen der
Fall sein. Wir finden diese Forderung in den hiesigen Schulen
nicht beobachtet, öfter ist nur das äuüsere untere Fensterbrett
abgeschrägt, was natürlich zur Erhellung des Zimmers sehr un-
wesentlich beiträgt.
Die Fensterscheiben sollen möglichst grofs sein, die
Fensterstäbe möglichst dünn. Denn die Lichtverminderung
durch Fensterkreuze und Stäbe kann sehr beträchtliche Di-
mensionen annehmen. In den neueren Schulen erscheinen die
Fenster aus 6 — 8 Scheiben zusammengesetzt. In den Francke-
schen Stiftungen dagegen sind noch Fenster vorhanden, welche
bei nicht beträchtlicher Gxöfse 24 Scheiben besitzen. Es ver-
ringert sich dadurch der Raumwinkel des Fensters oft um ein
Viertel.
Schutz der Arbeitsplätze vor auffallendem
Sonnenlichte und gegen Blendung.
Der Schutz gegen Sonnenlioht wird an den verschiedenen
Schulen auf verschiedenartige, jedoch wenig vollkommene Weise
zu erreichen gesucht, so daüs eine allgemein befriedigende
Lösung dieser Frage noch aussteht. Die alten Rollvorhänge,
welche sich um eine in der Fensteröffnung befindliche runde
Drehstange auf- und abwickeln, sind glücklicherweise in den
neueren Schulen ganz beseitigt. Der Hauptübelstand bei diesen
Roll vorhängen ist der, daüs dieselben stets einen Teil der
oberen Fensterscheiben oder, was man meistens sieht, die
35*
&40
zwei oberen Scheiben verdecken, ferner dato dieselben beständig
in Unordnung sind nnd dafs gewöhnlieh, auch wenn sie ganz
herabgelassen werden, sich seitlich noch belästigende Licht-
streifen durchstehlen. Wir finden dieselben trotzdem in den
FnANOKBsohen Stiftungen und in der Volksschule an der Neuen
Promenade. Leider sind gerade diese Schulen die ungünstigsten
in Bezug auf Beleuchtung, so dals sie eine Verkümmerung
des spärlichen Lichtes gar nicht vertragen können. Hierin Ver-
besserung zu schaffen, würde ein leicht zu erreichendes und
doch grofses Verdienst sein.
Am nächsten stehen diesen Rollvorhängen die außerhalb
des gemauerten Fensters angebrachten, ebenfalls von oben nach
unten herabzulassenden Vorhänge. Dieselben sind insofern
zweckmäßiger, als es wenigstens möglich ist, sie bis über die
oberen Fensterscheiben hinaus aufzuziehen, und als dieselben
auch seitlich das Fenster überragen. Wir treffen dieselben in
der Mädohenbürgersohule der großen Steinstrafee, in der
städtischen höheren Mädchenschule, in der städtischen Real-
Bohule und in den meisten Klassen des städtischen Gym-
nasiums an.
Besser noch sind Vorhänge, welche sich seitlich verschieben
lassen. Sie verdecken nicht das Oberlicht, erscheinen aber
freilich dafür mit mancherlei anderen Mängeln behaftet, wenn
sie nicht sorgfältig hergestellt sind.
Es würde sich nach meiner Ansicht folgende Art von
Zugvorhängen am meisten empfehlen. Die oberen Fenster-
scheiben erhalten einen besonderen, seitlich verschiebbaren
Vorhang, welcher je nach Bedürfnis beliebig weit über die-
selben herübergezogen werden kann. Aulser diesem hat noch
jeder der beiden unteren Fensterflügel seinen eigenen seitlichen
Zugvorhang. Die Vorhänge sind innerhalb der gemauerten
Fensteröffnung angebracht, die Leitschnüre liegen also direkt
auf dem hölzernen Fensterrahmen. Bei einer solchen Ein-
richtung kann je nach Bedürfnis derjenige Teil des Fensten
einzeln verdeckt werden, durch welchen gerade das Sonnen-
licht ins Zimmer eindringt.
541
Weiter finden wir in einigen Klassen des städtischen
Gymnasiums nach der Hedwigstrafse heraus hölzerne Zug-
jalousien aus verstellbaren Brettchen. Gerade für diese Klassen
ist die Wahl als eine recht unzweokmäfsige zu bezeichnen.
Die Fenster haben nämlich oben Rundbogen. Um nun die
hölzernen Jalousien, welche oben geradlinig begrenzt sind, an-
bringen zu können, ist zuerst der Rundbogen und damit auch
schon ein Teil der oberen Fensterscheiben mit Holz ver-
schlagen, daran aber dann die hölzerne Jalousie befestigt worden,
welche, heraufgezogen, die obersten Scheiben gänzlich verdeckt.
Nehmen wir die übrigen wenig günstigen Lichtverhältnisse an
dieser Stelle hinzu, so darf es nicht wunder nehmen, dafe die
Rsumwinkelmessungen in den betreffenden Klassen eine sehr
geringe Helligkeit ergaben.
Eine sonderbare Art von Schutzmitteln gegen die Sonne
besitzt noch das Realgymnasium der FaANCKEschen Stiftungen
in den nach Süden gelegenen Klassen, welche die groJse
Mehrzahl bilden, da nur eine einzige Klasse und der Zeiohen-
8aal nach Norden gerichtet ist. In diesen Klassen sind nämlich
hölzerne Läden, je zwei für ein Fenster, innen im Fensterrahmen
angebracht, welche schräge von innen oben nach au&en unten
verlaufende Schlitze zeigen, damit das abgeblendete Licht
durch Reflexion eindringen kann. Sobald daher die Sonne in
das Zimmer scheint, müssen alsbald ein, zwei oder auch sämt-
liche Läden geschlossen werden, und in dem so allerdingt
gänzlich gegen Sonnenlicht geschützten, dafür aber halbdunklen
Räume arbeiten die Schüler dann weiter.
Bei den jetzigen Einrichtungen kommt sehr viel auf die
beständige Aufsicht und Sorgfalt des Lehrers an. Ist die-
selbe mit der nötigen Einsicht und Sachkenntnis gepaart
so kann mancherlei von den jetzigen Mängeln verbessert,
mancher Schaden an der Gesundheit der Kinder verhütet
werden.
(Fortsetzung and Schlaft in No. 11.)
542
Das Volksschulwesen Breslau im Schuljahre 1891/92
mit besonderer Bücksicht auf die Gesundheitspflege,
Von
G. Kynast,
städtischem Lehrer in Breslau.
Nach den amtlichen Berichten der beiden städtischen
Sohulinspektoren wurden die Breslauer Volksschulen im Schul-
jahre 1891/92 von S8778 Schülern in 469 Klassen besucht.
Am 30. April 1892 betrug die Zahl der Schulkinder bereits
S9575 in 482 Klassen.
Obwohl die Stadt seit länger als einem Jahrzehnt aulser*
gewöhnliche Aufwendungen für Schulhausbauten macht, so
reichten doch die 35 Sohulhäuser nicht hin, sämtliche
Klassen aufzunehmen ; 133 Ellassen waren daher in Mietsräumen
untergebracht, und einige Schulen mufsten wegen Raummangel
zum Halbtagsunterricht ihre Zuflucht nehmen.
Während die neueren Schulhäuser, soviel es angeht, in
einiger Entfernung von der Strafee erbaut sind, stehen die
alten meist hart an belebten Verkehrswegen und haben infolge-
dessen Mangel an Licht und Buhe.
Um den Lichtmangel zu beseitigen oder doch wenigstens
zu mindern, sind in mehreren Schulhäusern die Fenster ver-
mehrt, resp. vergrößert worden; bei einigen Klassenzimmern
sollen aufserdem Tagesliohtreflektoren zur Anwendung gelangen.
Das Strafsengeräusch hat man durch die Anlage von
Holzpflaster zu mildern gesucht.
Die grolsen Sohulgebäude besitzen durchweg Central-
heizanlagen (Luftheizung, Warmwasserheizung), die zn
berechtigten Klagen der Lehrer vielfach Veranlassung gaben.
Es sind nunmehr Anordnungen getroffen worden, dais jede
Centralheizanlage im Sommer einer Revision unterworfen und
543
das Heizgeschäft während des Winters unter sachverständiger
Eontrolle gehalten wird.
Um eine bessere Reinigung der Sohulhänser herbei-
zuführen, wurde Dr. med. Simon als Decernent für Sohulgesund-
heitspflege veranlagst, eine diesbezügliche Geschäfteanweisung für
die Rektoren und Lehrer vom hygienischen Standpunkte auszu-
arbeiten, an die sich eine Anweisung für die Schuldiener an-
schließen soll. In dieser Anweisung ist die tägliche Reinigung
der Schulzimmer nach voraufgegangener feuchter Behandlung
mit Sand, Sägespänen u. dergl. vorgesehen.
Bei ansteckenden Krankheiten wird die Desinfektion
der infizierten Räume durch amtlich angestellte Desinfektoren
schnell und wirksam ausgeführt; eine besondere Instruktion
regelt die Thätigkeit derselben.
Die in vielen Klassen noch vorhandenen alten Cohn-
PABOWschen Klapppulte sind beseitigt und meist durch zwei-
sitzige Bänke mit fester Nulldistanz ersetzt worden;
die evangelischen Schulen z. B. haben 746 derartige Subsellien
erhalten.
Die hygienische Fürsorge erstreckte sich aber nicht allein
auf die Schulhäuser und deren äufsere und innere Einrichtungen,
sondern auch auf die Schüler. Namentlich die stotternden
Kinder hatten sich einer erhöhten Fürsorge zu erfreuen. Um
eine gröfoere Anzahl von Lehrern mit dem Heilverfahren beim
Stottern bekannt zu machen, hat die Schulverwaltung im ver-
gangenen Schuljahre für theoretische Vorträge gesorgt, welche
von dem Professor der Kinderheilkunde Dr. Soltmann und
dem in Berlin durch die Herren Gützmann vorgebildeten
Lehrer K. Fisoheb gehalten wurden.1 Nur in 13 von 62 evange-
lischen Schulen fanden sich keine mit Sprachgebrechen
behafteten Kinder; die übrigen 49 wiesen 184 Stotterer auf.
Damit während der wärmeren Jahreszeit den Volksschülern
die Benutzung von Fl ufsb ädern möglich sei, sind 15062
Badekarten unentgeltlich und 13165 zum Preise von 5 Pfennigen
ausgegeben worden.
1 Vgl diese Zeitschrift, 1892, No. 1, S. 31. D. Red.
v,
544
Die Teilnahme an Schwimmkursen zu ermäßigten
Preisen ist 94 Schülern gestattet worden. Anfordern hat der
Breslaner Schwimmverein einer Anzahl von Schülern Frei-
karten behufs Erlernung des Schwimmens zukommen lassen.
Ein Göttinger Schulbad ist in zwei Schulhäusern ein-
gerichtet und wird ausschließlich von den in diesen Häusern
befindlichen Schulkindern benutzt Das Baden ist fakultativ und
findet nur mäfsigen Anklang ; eine Mädchenschule z. B. weist
nur 36% Badende auf.
Zum Schlittschuhlaufen auf der innerhalb der Stadt be-
findlichen Eisbahn wurden 2392 Karten unentgeltlich an
Volksschüler verteilt.
Außer diesen lediglich von der städtischen Schulbehörde
getroffenen hygienischen Maisnahmen kamen den Kindern noch
andere Einrichtungen zu gute, die auf dem WohHhätigkeitssinn
der Bürgerschaft beruhen ; hierher gehören die Ferienkolonien,
die Jugendhorte und die Versorgung armer Schulkinder mit
warmem Frühstück.
Das Komitee für Ferienkolonien sandte 16 Kolonien
mit 258 Kindern auf je 20 Tage in gesund gelegene, wald-
reiche Orte der Provinz aus. Als Leite fungierten Lehrer,
resp. Lehrerinnen. Der Erfolg ist ein recht befriedigender
gewesen.
Um die Knaben während der schulfreien Nachmittage vor
Verwahrlosung zu bewahren und ihnen zu passender Beschäfti-
gung Gelegenheit und Anleitung zu geben, sind zwei Jugend-
horte eingerichtet worden, welche von 230 Schülern besucht
wurden. Der Besuch umfa&te mit Ausschluß der Sonn- und
Festtage die Zeit von 4 — 7 Uhr nachmittags im Sommer und
von 4 — 6 Dhr nachmittags im Winter. Die Thätigkeit während
dieser Stunden begann mit dem Anfertigen der Schularbeiten.
Darauf folgten bei günstigem Wetter im Freien Turn- und
Erholungsspiele , freiwillige Arbeit in den botanischen Schul-
gärten, Spaziergänge und Baden. Bei ungünstiger Witterung
wurden im Zimmer nach freier Wahl betrieben: Zimmeispiele,
Papparbeiten, Laubsägearbeiten, Bätseiraten, Erzählen von
•
545
Märchen und Sagen oder von geschichtlichen Begebenheiten aus
der Breslauer, sohlesischen und preußischen Geschichte.
Auf Anregung des Vereins Breslauer evangelischer Lehrer
ist Stadtschulrat Dr. Pfundtnbr seit Jahren bemüht, armen
Schulkindern während der Wintermonate warmes Frühstück
zu verschaffen. In der Zeit vom 1. Dezember 1891 bis
12. März 1892 wurden bedürftigen Kindern aus 47 evange-
lischen und 30 katholischen Schulen 57 215 Portionen
Semmel mit 1 Tasse Milch oder Kaffee verabreicht. Die
Kosten hierfür haben teils aus städtischen Mitteln, teils durch
Bürgervereine und Privatpersonen Deckung gefunden.
Aus dem Angeführten möge der Leser selbst beurteilen,
ob Stadtschulinspektor Dr. Krebbel berechtigt war, in seinem
Berichte zu schreiben: „Die städtische Verwaltung darf sich
getrost das Zeugnis geben, die Einrichtungen und die Über-
wachung der Schulen so geordnet zu haben, dals nicht nur
das denselben gesund übergebene Kind in denselben gesund
erhalten wird, sondern dals auch das schwächliche, kurz-
sichtige und schwerhörige Kind seine besondere individuelle
Behandlung erfährt. tt
546
2tns Derfatn»ltttt0eit ttn) Aminen.
Wie sorgt die höhere Mädchenschule
für die körperliche Ausbildung ihrer Zöglinge?
Aus den Verhandlungen
der dreisehnten Hauptversammlung des deutschen Vereins
Ar das höhere Mädchenschulwesen in Kiel.
Von
L. KOTBLMANN.
(Fortsetzung.)
Als Mitberichterstatter über denselben Gegenstand nahm
hierauf der Herausgeber dieser Zeitschrift das Wort.
Unter den verschiedenen Sohulkategorien, so führte derselbe
aus, gibt es keine, für welche die Gesundheitspflege eine so gro&e
Bedeutung bat, wie für die höhere Töchterschule. Zunächst schon
deshalb, weil das Mädchen im allgemeinen schwächer entwickelt
ist, als der Knabe und daher einer sorgfältigeren Rücksichtnahme
auf seine Gesundheit bedarf. Zu dieser geringeren Körper-
entwickelung aber kommt noch, dais gerade die Zöglinge der
höheren Töchterschulen in Haus und Schule hygienisch be-
sonders ungünstig gestellt sind. Das Mädchen der Volksschule
tummelt sich auf Strafsen und Plätzen, es läuft frei umher in
Sonne und Wind. Dem Mädchen der höheren Schule dagegen
wird seine Freiheit durch die Sitte eingeschränkt. Auf der
Strafte zu spielen, schickt sich nicht für dasselbe, und so sitzt
es daheim bei seinem Zimmerspielzeug, oder es versenkt sich,
wenn es älter geworden, mit hochgeröteten Wangen in einen
Roman. Aulserdem aber lassen auch die hygienischen Ver-
hältnisse der höheren Töchterschulen in mehr als einer Be-
ziehung zu wünschen übrig. Denn die meisten derselben sind
547
Privatanstalten und befinden sich in Häusern, welche zu Wohn-,
nicht zu Sohulzweoken erbaut worden sind. Es fehlt daher den
Zimmern nieht selten an Baum, Luft und Licht reichen nicht
immer aus, ein Turnsaal ist nicht vorhanden. Unter diesen Um-
ständen war es gewifs ein glücklicher Gedanke, die Frage:
„Wie sorgt die höhere Mädchenschule für die
körperliche Ausbildung ihrer Zöglinge?" zum Gegen-
stande der heutigen Tagesordnung zu machen.
I.
Wenn ersthin bemerkt wurde, dafs das Mädchen im all-
gemeinen schwächer entwickelt ist als der Knabe, so gilt dies
auch in Bezug auf die Akropolis des menschlichen Geistes,
das Gehirn. Der englische Irrenarzt Sir James Crichton-
Bbownb hat durch 1600 Wägungen festgestellt, dafs sowohl
das absolute wie das relative Hirngewicht des Mannes gröfser
ist, als dasjenige der Frau. Ein weiterer Unterschied zwischen
dem männlichen und weiblichen Gehirne liegt in dem speci-
fischen Gewichte. Während die sogenannte weifee Marksubstanz
bei Mann und Frau das gleiche specifische Gewicht hat, ist
dasjenige der grauen Rindensubstanz, in welcher die geistigen
Prozesse vor sich gehen, bei den Männern grölser, als bei den
Frauen. Da nun diese Unterschiede zu jeder Periode des
Lebens, also auch während der Schulzeit, bestehen, so tadelt
Dr. Crichton-Bbowne, dafs die jungen Mädchen in den höheren
Töchterschulen Englands fast die gleiche Ausbildung wie die
Knaben erhalten. Infolgedessen müisten dieselben am späten
Nachmittage oder Abend, wenn ihr Gehirn bereits erschöpft,
noch 2 bis 3 Stunden zu Hause arbeiten, und das Resultat
hiervon sei, dafs eine beträchtliche Anzahl während des
Quartales erkranke.
Als erstes Symptom der Überarbeitung stellen sich ge-
wöhnlich Kopfschmerzen ein. Von 187 Schülerinnen der
höheren Stände, welche Criohton-Browne untersuchte, litten
137 an Kopfweh, also mehr als zwei Drittel. Ähnliche Beob-
achtungen sind auch in den höheren Mädchenschulen Däne-
548
marks und Schwedens gemacht worden. Ebenso belichtet
Dr. Treichler, dafs in Darmstadt und Nürnberg ungefähr ein
Drittel der Schülerinnen über Kopfschmerz klagten, und auch
der Nervenarzt Dr. Friedmann in Mannheim weist auf den
Kopfschmerz als ein fast ausnahmsloses Symptom der viel-
berufenen Schulnervosität, insbesondere bei jungen Mädchen, hin.
Mit dem Kopfweh ist häufig Nasenbluten verbunden. Es
wird dies leicht erklärlich, da bei angestrengter geistiger Thfttig-
keit ein vermehrter Zufluis des Blutes nach dem Gehirne
stattfindet. In den schwedischen höheren Töchterschulen stieg
das Nasenbluten von 2% bei den Achtjährigen bis auf 9%
bei den Siebzehnjährigen. Fast genau dieselben Zahlen wurden
in einer höheren Mädchenschule Hamburgs ermittelt.
Zu dem Kopfweh und Nasenbluten tritt in ernsteren
Fällen eine mehr oder minder starke Beeinträchtigung dar
geistigen Leistungsfähigkeit hinzu. Die Mädchen können nicht
mehr aufmerken, sie müssen länger als sonst bei der Arbeit
sitzen, sie verstehen nicht, was sie lesen; zugleich sind sie
schlaff, unentschlossen, launenhaft, reizbar. Solche Fälle von
Nervosität sind in den höheren Töchterschulen Schwedens
durchschnittlich bei 4 bis 5% der Schülerinnen festgestellt
worden.
Wo aber erbliohe Anlage bei einem jungen Mädchen
besteht, oder wo es in aufregender Umgebung lebt, da kann
es selbst zu Veitstanz bei demselben kommen. Dr. Stuboss
hat über 223 Fälle dieses Leidens berichtet, von denen 23 aue-
sohliefslioh auf Sohulsohädlichkeiten zurückzuführen waren.
Es handelte sich zumeist um gedrückte Stimmung, veranlagt
durch zu langen oder zu anstrengenden Unterricht, um Angst
vor dem Examen, um Furcht vor Strafe seitens des Lehren
oder der Lehrerin.
Auch hysterische Epidemien sind als Folge von Über-
anstrengung in Mädchenschulen beobachtet worden. Die jüngste
diesbezügliche Mitteilung stammt aus der katholischen Töchter-
schule in Biberaoh. Nachdem hier ein Mädchen von einen
schlafähnlichen Zustande ergriffen worden war, gerieten nach-
549
einander 13 andere in eine so tiefe Somnolenz. dab sie durch
Schütteln und Zurufen, ja selbst durch Nadelstiche nicht geweckt
Verden konnten. Während des Schlafes begannen sie Unter-
haltungen, verfielen in Krämpfe oder gingen träumend im
Zimmer umher. Die Befallenen waren zart und bleichsüohtig
und daher den Anforderungen des Unterrichts nicht gewachsen.
Finden sich schon derartige Epidemien sehr selten, so erst
recht Geisteskrankheiten junger Mädchen, welche auf Über-
btirdung in der Schule zurückzuführen sind. Freilich neigt
das weibliche Gesohlecht mehr als das männliche zu Psychosen,
allein bei Kindern treten geistige Störungen außerordentlich
selten auf. Wenn daher der Irrenanstaltsdirektor Hasse yor
etwa einem Jahrzehnt die Behauptung aufstellte, daJfl die
Geisteskrankheiten bei Kindern infolge von Schulüberbürdung
zunehmen, so ist dieser Satz nicht bestätigt worden. Vielmehr
hat eine Umfrage des preußischen Kultusministers bei allen
ihm unterstellten Irrenanstalten ergeben, dafs Überbtirdungs-
psychosen auch bei der heutigen Jugend nicht häufig sind, ja
einzelne Irrenärzte erklärten geradezu, eine ernste geistige Thätig-
keit bilde den besten Schutz gegen psychische Leiden.
Trotzdem wird sich die höhere Töchterschule mit allem
Ernste die Frage vorlegen müssen, ob sie nicht zu hohe An-
forderungen an ihre Zöglinge stellt. Ein solcher Vorwurf ist
ihr schon oft gemacht worden. Bereits Heinrich Heine
spöttelt:
„Alte Mumien, ausgestopfte
Pharaonen von Ägypten,
Merowinger Schattenkönige,
Ungepuderte Perücken,
Auch die Zopfraonarchen Chinas,
Porzellanpagodenkaiser,
Alles lernen sie auswendig,
Kluge Mädchen."
Von den neueren aber hat Eduard Hartmann den Aus-
spruch gethan: „Der letzte handgreifliche Grund dessen, dafe
unsere Frauen ganz verschroben sind, ist in den überspannten
550
Anforderungen der höheren Töchterschulen zu suchen. u Eine
thatsächliohe Unterlage für diese Behauptung ist freilich bis
jetzt nicht vorhanden. Höchstens dürfen wir von vereinzelten
Überbürdungsfollen reden, die nicht der höheren Töchterschule
als solcher, sondern nur dieser oder jener Lehrperson, hier
und da auch einmal einer einzelnen Anstalt zur Last zu
legen sind.
Dennoch sei hier wenigstens auf zwei Punkte hin-
gewiesen, durch welche die Schule sich leicht an dem Gehirn
ihrer Zöglinge versündigen kann. Der eine ist eine über-
mässige Verkürzung der Schlafzeit. Im allgemeinen darf man
sagen, dals sechs- bis neunjährige Schülerinnen 11, zehn- bis
elfjährige 107«, zwölf- bis dreizehnjährige 10, vierzehnjährige 91/»,
fünfzehn- bis sechzehnjährige 9 und siebzehn- bis achtzehn-
jährige 87> Stunden Schlaf nötig haben. Die wirkliche
Schlafzeit aber beträgt bei den meisten 7« bis 1 Stunde
weniger. Nun ist hieran in der Regel allerdings das Eltern-
haus schuld, allein andererseits wissen wir durch genaue Er-
mittelungen, dals es Schulen gibt, deren ältere Schülerinnen
blofs 5 Stunden Schlaf genossen. Von eben diesen Schulen
aber hat sich auch nachweisen lassen, dals sie zu viele und
zu schwierige Hausaufgaben stellten oder den Unterricht zu
früh am Morgen, namentlich im Winter, begannen.
Aufser einer Verkürzung der Schafzeit ist auoh eine jede
nervöse Erregung der jungen Mädchen durch den Unterricht zu
vermeiden, wenn anders ihr Gehirn nioht Schaden leiden soll.
In erster Linie kommen hier die Ellassen-, die Versetzungs-
und Abgangsprüfungen in Betracht. Dieselben sollten nach
Häufigkeit und Umfang soviel als möglich eingeschränkt werden,
zumal die Lehrer und Lehrerinnen ohnedies mit den Leistungen
ihrer Zöglinge durch eine längere Unterrichtszeit hinreichend
vertraut sind. Aber auch, wo das Examen die harmlosere
Form einer Klassenarbeit annimmt, darf nicht dadurch gefehlt
werden, dals mehrere Arbeiten dieser Art sich auf einen Tag
zusammendrängen. Die jungen Mädchen lernen dazu alles
Mögliche auswendig, von dem sie glauben, dafs es etwa vor-
551
kommen könnte, nnd der Erfolg ist daher eher eine Ab-
stumpfung, als eine Schulung des Geistes.
(Schlafs in No. 11.)
über körperliche Uberbürdung in der Wachstumsperiode.
Mitteilungen in der französischen Gesellschaft zur Förderung
der Wissenschaften.
Wie „Le Brogr. mdd." berichtet, fand die jüngste Versammlung
der französichen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften vom
5. bis 9. August in Besan^on statt. Am ersten Verhandlungstage
führte Herr Legendre über Zufälle, welche durch übertriebene
Sportübungen in der Wachstumsperiode entstehen, folgendes aus:
Die physische Ausbildung spielt ohne Zweifel eine wichtige
Rolle in der Erziehung, aber sie darf nicht auf die Spitze getrieben
werden. Nicht selten richtet man jedoch Wettkämpfe in körper-
lichen Übungen ein, welche den Ehrgeiz der Schüler aufs höchste
erregen und zu unerhörten Anstrengungen führen. Es kommen heut-
zutage Fälle von körperlicher Überbürdung vor, die unbestreit-
barer, als diejenigen von geistiger Überarbeitung sind, soviel Tinte
man auch auf letztere verschwendet hat. Einen vernünftigen Zweck
könnte eine solche physische Überanstrengung nur dann haben, wenn
man sich nach Spartanerart der schwächlichen Kinder entledigen
wollte. Gerade während der Wachstumsperiode, vom 12. bis 16.
Lebensjahre ist dieselbe weit mehr, als im späteren Alter zu fürchten.
Die Störungen, welche dabei am meisten hervortreten, betreffen
das Herz, indem Herzklopfen ziemlich häufig sich zeigt. Zuerst tritt
dasselbe nach einer anstrengenden Leistung auf, dann auch nach
leichteren Übungen und zuletzt ohne jeden besonderen Anlafs. Um
es zum Schwinden zu bringen, ist eine längere Zeit der Ruhe
erforderlich. Zuweilen stellt sich auch eine vorübergehende Asystolie
ein, die auf einer akuten Erweiterung des rechten Herzens beruht.
Man sieht Knaben, um beim Wettlauf zu siegen, überhitzt und
erschöpft am Ziel niedersinken, wie dies einst mit dem Kämpfer
von Marathon geschah. Bei einem Schüler mit Erweiterung der
Venen trat nach einer Wettfahrt mit dem Zweirad Schwellung der
Füise nebst ödem und Taubsein der Beine ein. Das Nasenbluten,
das ohnehin bei skrofulösen Kindern so vielfach vorkommt, nimmt
an Häufigkeit und Heftigkeit infolge von körperlicher Überanstrengung
552
zu. Bei einem beleibten jüngeren Individuum entstand nach Über-
müdung dieser Art unter der Haut der linken Hüftgegend ein Biut-
ergufs. Endlich entwickeln sich häufig Verdauungsstörungen, da
nach langen Wettläufen unverhältnismäfsig grofee Mengen von
Getränken genossen werden. Auch Kopfschmerz und Schlaflosigkeit
sind zur Beobachtung gelangt. Die vornübergeneigte Haltung, welche
beim Zweiradfahren so häufig eingenommen wird, ruft bei manchen
eine Verkrümmung der Wirbelsäule nach hinten hervor.
Man sollte daher die körperlichen Übungen bei den Schülern
zwar fortsetzen, aber die Wettkämpfe auf das richtige Mals ein-
schränken. Zugleich würde es sich empfehlen, in gewissen Fällen
den Arzt zu Rate zu ziehen; denn nur er ist im stände, die Art
der Übungen zu bezeichnen, die von zarten und blutarmen Kindern
mit Nutzen betrieben werden können.
Herr Boughard weist darauf hin, dafs zwar die Tierzüchter
sorgfaltig eine jede Überanstrengung junger Tiere vermeiden, dafs
dies aber bei der Schuljugend nicht immer der Fall ist. Er wünscht,
man möge diese Frage für das nächste Jahr auf die Tagesordnung
setzen.
Dieser Vorschlag wurde einstimmig angenommen.
Verhandlungen des Berliner Lehrervereins, die hygienischen
Verhältnisse der dortigen Schulen betreffend.
Eine eingehende Beleuchtung der gesundheitlichen Verhältnisse
in 'den Schulen Berlins lieferten die jüngsten Verhandlungen des
dortigen Lehrervereins, über welche das „Berl. Tagbl." nachstehendes
berichtet.
Der Vortragende, Lehrer W. Siegbrt,1 hatte sowohl an den
baulichen Anlagen und der Ausstattung der Schullokale, als auch
an den inneren Schulzuständen manche Ausstellung zu machen.
Die Kleinheit der Schulhöfe, die geringe Breite der Treppen
und Flure, die Beschränktheit der Ausgänge verkümmern den Ge-
meindeschülern vor allem die Pausen. Das Herumführen der
Kinder in Reih und Glied kann als eine dem kindlichen Bedürfnis
entsprechende Erholung nicht gelten. Engherzige Pedanterie und
übergroße Besorgnis vor Unglücksfällen verschlimmern die Sache
noch. Redner stellt die Unterrichtsgebäude der besseren schwedischen
und schweizerischen Schulhäuser dem gegenüber und kommt zu
dem Ergebnis, dafs die Schulbauten mit denselben Geldmitteln er-
heblich praktischer sich gestalten liefsen.
Die Heizung hat in letzter Zeit Fortschritte gemacht. Die
1 Unser Mitarbeiter. D. Red.
553
oftbeklagte Luftheizung ist vielfach durch die bessere Wasserheizung
ersetzt worden. Letztere leidet aber an dem Mangel, daf seine gut
funktionierende Ventilation damit schwer zu verbinden ist, ein Grund,
weswegen man den neueren, im hiesigen hygienischen Institut
erprobten Ofenheizungen den Vorzug geben mufs.
Die Lüftung ist in vielen Anstalten vor allem deswegen nicht
genügend, weil das öffnen der Fenster nicht immer in der vor-
geschriebenen Weise erfolgt. Besonders mangelhaft sind häufig die
Lokale gelüftet, in denen am Abend Fortbfldungsunterricht erteilt
wird. Einderepidemien, namentlich Scharlach und Masern, wurden
nachweislich durch schlecht gelüftete Schulzimmer verbreitet und in
zahlreiche Familien weiter getragen.
Die Schulbank ist an vielen körperlichen Erkrankungen,
vor allem an Schiefwuchs und Kurzsichtigkeit, schuld. Das Berliner
Schulbanksystem ist ein ganz veraltetes, welches der Beseitigung
dringend bedarf. In Wien ist nach den Vorschlägen einer Sach-
verständigenkommission durch ein Preisausschreiben Veranlassung
zur Herstellung einer Schulbank gegeben worden, welche allen modernen
Anforderungen entspricht.1 Ein gleiches Vorgehen würde in Berlin
am Platze sein.
Die Reinigung unserer Schulzimmer erfolgt nicht täglich,
sondern nur wöchentlich zweimal. Wände, Paneele, Schränke u. s. w.
werden selten oder gar nicht vom Staube befreit. Eine gründliche
Reinigung der Fenster geschieht nur jährlich zweimal.
Die Frequenz der Schulklassen ist auch in Berlin noch
gröfeer, als es vom schulhygienischen Standpunkte aus gebilligt
werden kann. Die fortgeschrittenen Schweizer Kantone, die nordischen
Länder und Frankreich gehen über 30 und 40 Schüler pro Klasse
wenig hinaus. Die Aufnahme körperlich und geistig nicht genügend
entwickelter sechsjähriger Kinder kann von der Schule zur Zeit nicht
verweigert werden. Für die Kräftigung der Jugend, namentlich der
Mädchen, fehlt es an geeigneten Spielplätzen.
Durch eine sachgemäß geordnete Mitwirkung der Ärzte
würden, wie der Redner ausführte, alle diese und viele andere
Übelstände schneller abgestellt werden. Die Kosten für einen
Schularzt kämen nicht in Betracht. Verfehlte Heizanlagen, Er-
krankungen von Lehrern u. s. w. seien kostspieliger, als eine ver-
nünftige ärztliche Schulaufsicht. Verwahrung sei indessen einzulegen
gegen die weitgehenden Ansprüche mancher Mediziner auf dem
Schulgebiete. Der Schularzt dürfe nicht, mit bureaukratischer Gewalt
ausgerüstet, in die innere Schularbeit eingreifen. Neben der ärat-
1 S. diese Zeitschrift, 1893, No. 2, S. 106-109. D. Red,
Mml*tsia*h«ttfpfl*ff« VI. 36
564
liehen Mitarbeit bei der Vervollkommnung der Schuleinrichtungen
komme es vor allem darauf an, dafs die Lehrerbildung nach der
hygienischen Seite ergänzt werde, damit der Lehrer mit dem Geiste
auch den Körper des Kindes verständnisvoll pflegen und schonen
könne.
In der lebhaften Besprechung des Vortrages wurden noch
mannigfache hygienische Mißstände in den hiesigen Schulen zur
Sprache gebracht. Die Versammlung stimmte alsdann der folgenden
vom Vortragenden aufgestellten Forderung zu:
„Der Berliner Lehrerverein hält es für notwendig, daCs eine
aus Ärzten, Verwaltungsbeamten, Architekten, Ingenieuren, Schul-
leitern und Lehrern zusammengesetzte Kommission die Verhältnisse
sämtlicher Berliner Schulen nach der hygienischen Seite hin prüft,
für die praktische Durchführung anerkannter Forderungen der Schul-
hygiene, sowie für die Lösung streitiger Fragen Vorschläge macht
und die Grundsätze feststellt, nach denen eine zweckentsprechende
Mitwirkung der Ärzte bei der Beaufsichtigung der Schulen zu er-
folgen hat." *
filtittere Mxtttilun%tn.
Die mitteleuropäische Zeit und die Schule, unter diesem
Titel veröffentlicht Stabsarzt Dr. Martin Kirchner zu Hannover in
der „Hyg. Rundsch." folgenden Aufsatz: Die aus Verkehrs- und
militärischen Rücksichten gebotene Einfuhrung der mitteleuropäischen
Zeit verdient die ernsteste Würdigung seitens des Schulhygienikers.
Die mitteleuropäische Zeit ist bekanntlich diejenige des 15° öst-
licher Länge, der z. B. die Orte Stargard, Görlitz, Gatania auf
Sicilien u. s. w. trifft, und geht gegenüber der Ortszeit eines jeden
Ortes um viermal so viele Minuten vor, bezw. nach, als die Anzahl
der Längengrade beträgt, welche der Ort westlich, bezw. östlich vom
15. Längengrade liegt. Wieviel das beträgt, ist daher leicht zu
berechnen. Nach mitteleuropäischer Zeit ist es 8 Uhr morgens, wenn
nach Ortszeit die Uhr zeigen wurde : in Königsberg 8 Uhr 22 Minuten,
in Hannover 7 Uhr 39 Minuten, in Köln 7 Uhr 28 Minuten, in Metz
7 Uhr 24 Minuten. Da aber die Sonne sich an die mitteleuro-
päische Zeit nicht kehrt und das physiologische Leben des Menschen,
besonders das Schlafbedürfnis, vom Auf- und Untergang der Sonne
1 Vgl. diese Zeitschrift, 1893, No. 4, S. 209. D. Bed.
555
wesentlich beeinflufst wird, so müssen durch eine derartige Verlegung
der Zeitrechnung gewisse Schwierigkeiten entstehen, welche sich
namentlich in der Schule über kurz oder lang störend bemerklich
machen werden. Die Gesichtspunkte, welche für die Schule in Frage
kommen, sind folgende: in allen westlich des 15. Längengrades He-
genden Orten findet der Beginn des Unterrichts früher statt, als
vor Einführung der mitteleuropäischen Zeit. Infolgedessen wird
der Schlaf der Schulkinder am Morgen um die entsprechende Zeit
abgekürzt, und die zum Sehen erforderliche Helligkeit tritt ent-
sprechend später ein; letzteres wird sich nur in den Wintermonaten
störend geltend machen. In den Orten östlich vom 15. Längengrade
dagegen wird die Schule nach Einführung der mitteleuropäischen
Zeit später geschlossen, als ehedem. Es tritt also der Zeitpunkt
mangelhafter Tagesbeleuchtung in den Schulen während des Nach-
mittagsunterrichts entsprechend früher und für eine längere Zeitdauer
ein, als bei der Ortszeit. Eine eingehende Besprechung dieser Ver-
hältnisse und womöglich baldige Abhilfe der sich ergebenden Unzu-
träglichkeiten halte ich daher für dringend angezeigt. Der Unterschied
zwischen der Ortszeit Hannover und der mitteleuropäischen Zeit
beträgt 21 Minuten. Mithin beginnt die Schule hier im Winter um
7 Uhr 39 Minuten, im Sommer um 6 Uhr 39 Minuten morgens;
die Kinder müssen also, wenn man eine Stunde für das Anziehen,
das Frühstück und den Schulweg rechnet, um 6 Uhr 39 Minuten,
bezw. 5 Uhr 39 Minuten aufstehen. Kinder bedürfen im allgemeinen,
namentlich in den jüngeren Jahren vor der Pubertät, bedeutend mehr
Schlaf als Erwachsene, sie kommen mit den für diese erforderlichen
6 — 7 Stunden nicht aus, sondern haben 9 — 10 Stunden nötig.
Nimmt man nur 9 Stunden an, so müssen sie, um so zeitig auf-
stehen zu können, wie notwendig ist, bereits um 9 Uhr 39 Minuten
im Winter und um 8 Uhr 39 Minuten im Sommer zu Bett gehen.
Dies ist für den Winter eine gerade passende Zeit, für den Sommer
aber entschieden zu früh, denn es ist dann meist noch zu hell, als
dafs die Kinder bald einschlafen könnten.1 Geht doch die Sonne vom
19. bis 30. Juni erst um 8 Uhr 24 Minuten, in der Zeit vom 24. Mai
bis zum 24. Juli aber erst nach 8 Uhr unter. Der Schulanfang um
7 Uhr (Ortszeit für Hannover 6 Uhr 39 Minuten) ist also zu früh,
und sollte die Schule in Zukunft auch im Sommer nicht vor 8 Uhr
beginnen. Gegen den Schulanfang um 8 Uhr im Winter sprechen
andere Gründe. Die Sonne geht in der Zeit vom 8. Dezember bis
20. Januar, also an 48 Tagen des Jahres, um bezw. nach 8 Uhr
morgens auf; nach mitteleuropäischer Zeit ist dies vom 23. November
1 Die Helligkeit läfst sich durch Vorhänge leicht beseitigen. D. Red.
36*
656
bis 4. Februar, also an 74 Tagen, d. h. während des gröfsten Teils
des Winterhalbjahres, der Fall. Bekanntlich vergeht zwischen dem
Sonnenaufgang und dem Zeitpunkt, wo der Himmel ein genügend
helles Licht zurückstrahlt, um jedem Platz in den Schulzimmern die
von Cohn mit Recht geforderte Lichtfülle von mindestens 10 Meter-
kerzen zu gewähren, ein Zeitraum, der um so größer ist, je tiefer
der höchste Tagesstand ist, welchen die Sonne überhaupt erreicht.
Schon bei der Ortszeit wird es häufig 9 Uhr, ehe die Klassenzimmer
so hell 6ind, dafe die Schüler ohne Gefahr für ihr Auge lesen und
schreiben können. Die Einführung der mitteleuropäischen Zeit drängt
daher darauf hin, den Unterricht im Winter nicht schon um 8 Uhr,
sondern später beginnen zu lassen, und zwar um 9 Uhr. Es hat
an Vorschlägen, die Schulzeit der mitteleuropäischen Zeit anzupassen,
nicht gefehlt, da niemand, der sich die Mühe gibt, darüber nachzu-
denken, dafür sein kann, es beim alten zu lassen. Das einfachste
wäre es, sich beim Schulunterrichte nicht nach der mitteleuropäischen,
sondern nach der Ortszeit zu richten und denselben z. B. in Han-
nover von 8 bis 1 Uhr auf 8 Uhr 21 Minuten bis 1 Uhr 21 Minuten
zu verlegen. Dies würde jedoch zu vielfachen Störungen im bürger-
lichen Leben führen. Letzteres wäre nicht weniger der Fall, wenn
man genau eine halbe Stunde wählte, die Schulzeit also von 8 Uhr
30 Minuten bis 1 Uhr 30 Minuten dauern liefse. Am wenigsten
zu billigen ist ein hier in Hannover gemachter Vorschlag, den Unter-
richt im Sommer von 7 Uhr 30 Minuten bis 12 Uhr, im Winter
von 8 Uhr 30 Minuten bis 1 Uhr danern zu lassen und die dadurch
verloren gehende halbe Stunde durch entsprechende Verkürzung der
Pausen wieder einzubringen. Dieser Punkt ist so wichtig, dafe ich
dabei einen Augenblick verweilen möchte. Die Gewährung an*
gemessener Pausen wird von allen Schulhygienikern für höchst notwendig
gehalten, einmal um den durch das Sitzen erlahmten Muskeln Gele-
genheit zur Thätigkeit zu gewähren, dann um die geistige Spannung
der Kinder wieder erstarken zu lassen. Die Beobachtungen Burqbr-
stbins sind in dieser Beziehung besonders lehrreich, der ja auf dem
VH. internationalen Kongresse für Hygiene und Demographie in
London überzeugend nachwies, dafe die Aufmerksamkeit der Kinder
in dem letzten Teile der Unterrichtszeit in ziemlich Steuer Kurve
abfällt. Nehmen wir mit Baginsky an, dafs die Dauer der Pausen
etwa 20% der Unterrichtszeit, bei 5 Stunden Lehrzeit also 60 Minuten,
betragen solle, so würde dieselbe bei Befolgung jener Vorschläge
auf 30 Minuten gekürzt werden müssen, was im Interesse der Schüler
im höchsten Grade beklagenswert sein würde. Wir müssen, worauf
auch HAkonbon-Hansen erneut hingewiesen hat, an einem Vor-
mittage eine große Pause zum Frühstücken und je eine kleinere zwischen
557
2 Unterrichtsstunden verlangen, welche nach meiner Ansicht 24, bezw.
12 Minuten dauern seilten, damit die Kinder eich in der Zeit geistig
und körperlich wirklich erholen, ihr Frühstück in Rohe Terzehren
und ihre körperlichen Bedürfnisse verrichten können. Gegen eine
Behebung der Inkonvenienzen, welche die mitteleuropaische Zeit mit
sich bringt, durch Verkürzung der Pansen mufs ich mich daher sehr
energisch erklaren, und glaube ich, hierbei auf die Zustimmung aller
Hygieniker und einsichtigen Schulmanner zahlen zu dürfen. Am
zweckmäßigsten wfire es meines Erachtens, wenn man da, wo der
fünfstündige Vormittagsunterricht besteht, denselben im Sommer in
die Zeit von 8 bis 1 Uhr legte, im Winter aber abschaffte und statt
dessen einen Vor- und Nachmittagsunterricht von 9 bis 12 und
von 2 bis 4 Uhr einführte. Denn die Verlegung des fünf-
stündigen Unterrichts auf 9 bis 2 Uhr würde für die Mehrzahl der
bürgerlichen Haushaltungen, welche ihre Essenszeit zwischen 1 — 2 Uhr
nachmittags haben,1 mit Unzuträglichkeiten verbunden sein. Die Gründe,
welche gegen die zweiteilige Unterrichtszeit angeführt werden, Bind
mir wohlbekannt, und ist der dabei notwendige zweimalige Schul-
weg von Bedeutung. Der eine Grund aber, der gegen den Nach-
mittagsunterricht im Winter spricht, dafs es nämlich in der Stunde
von 3 bis 4 Uhr meist schon zu dunkel ist, fällt bei der mittel-
europäischen Zeit fort. Die Sonne geht um, bezw. vor 4 Uhr unter
in der Zeit vom 18. November bis zum 5. Januar; nach mittel-
europäischer Zeit ist aber dies hier in Hannover überhaupt nicht der
Fall, denn selbst an den Tagen des frühesten Sonnenuntergangs, am
12. und 18. Dezember, findet derselbe erst um 4 Uhr 5 Minuten
statt. Der Nachmittagsunterricht von 2 bis 4 Uhr ist also, wenigstens
ans Lichtrücksichten, nicht unstatthaft. Letzteres gilt allerdings nur
für Orte, welche westlich vom 15. Längengrade liegen. In allen
Orten östlich desselben, in denen also die mitteleuropäische Zeit
hinter der Ortszeit zurückbleibt, geht die Sonne früher unter, als
nach der mitteleuropäischen Zeit zu erwarten Wäre. In Königsberg
z. B. ist es bereits 4 Uhr 22 Minuten, wenn die jetzige Uhr 4 zeigt;
dort geht also die Sonne in der Zeit vom 4. November bis zum
19. Januar, d. h. an 77 Tagen, eher unter, als der Nachmittags-
unterricht von 2 bis 4 Uhr endigen würde. Demnach glaube ich
überzeugend nachgewiesen zu haben, daft die Einfuhrung der mittel-
europäischen Zeit eine Verlegung des Schulunterrichts nach sich
1 Die Zeit des Mittagsessens ist in den verschiedenen Städten sehr
verschieden ; in Hamburg z. B. fallt sie für die meisten Familien auf
die Stunden von 4—6 Uhr nachmittags, in Berlin speist man vielfach
um 3 Uhr zu Mittag. D. Red.
558
ziehen mute. Die Gründe dafür liegen in der Rücksicht auf den
den Kindern zn gewährenden Schlaf und auf die Tagesbeleuchtung
in den Schulzimmern. Der Einwurf, dafis eine schlechte Tages-
beleuchtung durch künstliche Beleuchtung ersetzt werden könnte, wird
hoffentlich nicht ernstlich gemacht werden, da in der Verwerfung der
letzteren für die Schulen wohl alle Hygieniker einig sind. Zur
Beseitigung dieser Übelstände möchte ich empfehlen, in allen Orten
östlich des 15. Längengrades den Schulbeginn um 8 Uhr im Winter
und 7 Uhr im Sommer zu belassen, den Nachmittagsunterricht aber
abzuschaffen; in allen Orten westlich des 15. Längengrades dagegen
den Beginn des Unterrichts auf 9 Uhr im Winter und 8 Uhr im
Sommer zu verlegen und im Winter einen zweiteiligen Unterricht
von 9 bis 12 und von 2 bis 4 Uhr,1 im Sommer aber einen un-
geteilten Unterricht von 8 bis 1 Uhr allgemein einzuführen. Werden
diese Vorschläge befolgt, dann wird die mitteleuropäische Zeit ihre
allseitig anerkannten sonstigen Vorzüge in vollem Umfange geltend
machen, ohne die Schuljugend, die Hoffnung des Vaterlandes, in
ihrem Gedeihen zu beeinträchtigen. Doch würde ich schon eine
Belohnung darin sehen, wenn durch diese Zeilen in berufenen Kreisen
eine Anregung zu eingehender Erwägung dieser meines Erachtens
höchst wichtigen Frage gegeben wäre.
Physiologische Untersuchungen von Schulkindern in
>n sind nach „Med. Newsu zu dem Zwecke angestellt
worden, den Einfluß der Nationalität, der Dichtigkeit der Bevölkerung,
der Schulhygiene und des Systems der physischen Erziehung auf den
Körper, namentlich die Körperlänge und das Körpergewicht, kennen
zu lernen. Besondere Berücksichtigung fand dabei auch das Nervensystem,
indem Dr. Mao-Donald die Kinder mit dem Aesthesiometer, Dynamo-
meter, Baraesthesiometer und Thermaesthesiometer auf ihre Kraft und
Empfindlichkeit für bestimmte Eindrücke prüfte.
Die Anstellung von Schulzahnärzten in Deutschland wird
von R. Kuhns in der „Dtseh. Monatsschr. f. ZahrMkde.a gefordert.
Abgesehen von den schlaflosen Nächten, die durch Zahnschmerz
verursacht werden und gerade den jugendlichen Körper ermatten
und zur Schularbeit unfähig machen, können schlechte Zähne für
eine ganze Reihe von Berufsarten verhängnisvoll werden. Verfasser
kennt einen Postbeamten, der entlassen wurde, weil er sich wegen
der schlechten Beschaffenheit seines Gebisses dem Publikum nicht
verständlich machen konnte. Die Laufbahn der Sänger und der
Schauspieler ist jungen Leuten mit krankhaftem Gebüs fast voll-
1 Wo erst nach 2 Uhr zu Mittag gegessen wird, geben wir dem
ungeteilten Unterrichte auoh im Winter den Vorzug. D. Red.
I
559
ständig verschlossen; Musiker für Blasinstrumente benötigen in ganz
hervorragender Weise ihrer Vorderzähne. Thatsache ist, dafe in
Kadettenanstalten die Zähne der Zöglinge regelmäßig untersucht
werden, weil die Militärbehörde den Wert eines gesunden Gebisses
und dessen Einfluß auf die Stimmbildung für einen Offizier zu
schätzen weift. Der Autor denkt sich die Thätigkeit der Schul-
zahnärzte etwa in folgender Weise. Jährlich viermal untersucht ein
geprüfter Zahnarzt die Zöglinge der ihm überwiesenen Schule an
den Zähnen und schickt an die Eltern einen Bericht Aber den
Zustand des Gebisses, wenn eine Behandlung nötig erscheint. Manche
Eltern werden dann vorziehen, sich an ihren Hauszahnarzt zu
wenden, andere aber gern den Schulzahnarzt konsultieren, zumal
dadurch die Behandlung billiger, vielleicht sogar kostenfrei werden
würde, falls der Staat, die Gemeinde oder die Schule selbst die
Mittel zur zahnärztlichen Behandlung aufbrächten, was für Volks-
schulen jedenfalls zu erstreben wäre. — Niemand, so bemerken wir hierzu,
wird an der hohen Bedeutung eines gesunden Gebisses, insbesondere
auch für die Verdauung, zweifeln, und die Schule thut daher gewÜs
gut, bei passender Gelegenheit auf diesen Punkt hinzuweisen. Allein
die prophylaktische und therapeutische Fürsorge für die Zähne der
Kinder ist Sache der Eltern, nicht der Unterrichtsanstalten, die
konsequenterweise sonst auch Schulaugenärzte, Schulohrenärzte, Schul-
kehlkopfärzte u. s. w. anstellen muteten.
Gegen den nbermäfsigen Biergenufs in akademisch ge-
bildeten Kreisen äufsert sich E. von Hartmann: „Der deutsche
Volkscharakter ist mit zwei Grundfehlern behaftet, mit einem ab-
strakten Idealismus, der ihn unpraktisch macht, und als Gegenstück
dazu mit einer sinnlichen Genußsucht, die ihn durch Unmäfsigkeit
hindert, seinen Idealen treu zu bleiben. Obwohl das deutsche
Volk das bildungsfähigste aller Völker ist, so ist doch die allgemeine
Bildung seiner höheren Stände in einem erschreckenden Rückgang
begriffen, weil der Bierkonsum der studierenden Jugend weder Zeit
noch Nüchternheit mehr läftt, um mehr zu lernen, als die gesteigerten
Ansprüche der Berufsbildung erfordern. Noch immer sind die deutschen
Jünglinge in der wahrhaft barbarischen Anschauung befangen, als
ob Mäßigkeit ein Zeichen unmännlicher Schwäche, Unmäfsigkeit aber
ein würdiger Gegenstand der Renommage sei." F. Paulsen aber
sagt in seinem System der Ethik: „Die Bierseligkeit des akademischen
und nicht akademischen Philistertums, welche in Deutschland so ver-
breitet ist, und der Kultus des Bauches in der reichen und vornehmen
Welt verwüsten das Leben nicht minder, als der Branntweingenufc.
Kann jemand, der tagaus tagein, morgens und abends stundenlang
bei stumpfsinnigem, hundertmal wiedergekäutem Geschwätz oder ödem
560
Sfcatspiel in dem Tabaksqualm der Bierkneipen sitzt, um endlich
einen leeren, dumpfen Kopf nach Hanse zn tragen, kann ein solcher
irgend etwas Ernstes und Graftes mit Ausdauer und Eifer treiben?"
Ähnlich rät GUSTAV Freytaö in den Erinnerungen ans seinem Leben
dem jungen Geschlechte „das einfache, häusliche und ehrbare Leben"
an, wie es in den sechziger Jahren in seinem Leipziger Kreise üblich
war. „Es ist ein übler Brauch, wenn der Mann den Abend im
Klub oder in Restaurationen verlebt. Gegenüber der Yerschlemmnng,
welche in unser Tagesleben eindringt, ist es Zeit, daran zu mahnen,
daft alle diese reichlichen Zuthaten zu dem Leben ein unnützer Ballast
sind, der da, wo er zur Herrschaft kommt, den Menschen nicht
heraufhebt, sondern hinabdrückt, der unserer Jugend die Gründung
eines eigenen Haushaltes erschwert und uns am meisten da schadigt,
wo wir anderen seither überlegen waren, in der Zucht und Ordnung
des Familienlebens/ M. von Pettenkofer endlich hält „den frei-
willigen Wirtshauszwang für weit gesundheitsschädlicher, als den vom
8taate geschaffenen Schulzwang" — ein Ausspruch, den auch hier
und da ein junger Lehrer beherzigen könnte.
Zur Verbreitung der Diphtherie dmrch die Schule. „The
Samt. Inspect" berichtet: In Detroit, Michigan, herrschte eine
heftige Diphtherieepidemie unter den Schulkindern, welche auf eigen-
tümliche Weise entstanden war. Nach Schlafs der Schule wurden
täglich sämtliche Bleifedern in einem Kasten aufbewahrt und am
nächsten Morgen wieder an die Schüler verteilt. Die Krankheit
verbreitete sich dadurch, dafe die Kinder, wie dies häufig geschieht,
die Bleifedern in den Mund nahmen. Auf diese Weise konnte ein
diphtherisches Schulkind viele andere anstecken. Es ist daher in
dieser Beziehung Vorsicht zu beobachten und die erwähnte Schul-
sitte womöglich abzuschaffen.
Milchstationen für arme Schulkinder. Die »Schweiz. Bl.
f. Gsdktspfl." berichten, dafs in St. Gallen eine besondere Schul-
armenkommission seit einigen Jahren während der Sommerferien
sogenannte Milchstationen für bedürftige Schulkinder errichtet. Die
Mittel für dies humane Unternehmen werden durch freiwillige Beiträge
gewonnen. Im letzten Jahre wurden auf 5 Stationen an 270 Kinder
3000 Liter Milch und 2600 Pfund Brot mit einem Kostenaufwand
von 1075 Franken verteilt. Jedes Kind erhielt je 3 Deciliter
Milch und 7* Pfund Brot, was erfahrungsgemäß für die vollständige
Sättigung desselben morgens und abends ausreicht. Der Erfolg
für Kräftigung der meist den ärmsten Familien angehörigen Schul-
kinder war um so durchschlagender, als auch die Ferien ihr Teil
zur Erholung beitrugen. Es verdient diese Einrichtung für schlecht
genährte und infolge ungenügender Bluterzeugung zu Krankheiten
661
aller Art disponierte Kinder jedenfalls die aufmerksamste Würdigung
der Schulhygieniker. Hat doch der jüngst verstorbene 6. Kjbllberö
gezeigt, dafe gerade bei Blutarmut das kindliche Gehirn sehr wenig
leistungs- und widerstandsfähig ist.
Safesgeftfyt^tltifye*.
Der XI. internationale medizinische Kongrefs in Rom
und die damit verbundene medizinisch-hygienische Ausstellung wurden
auf den Monat April 1894 verschoben. Die Ausdehnung, welche
die Cholera in Frankreich, Italien, Österreich, Ungarn und Rufsland
gewonnen hat, so dafe manche Regierungen sich veranlaßt sahen,
den Ärzten das Verlassen ihrer Wohnsitze zu untersagen, die Gut-
achten der berühmtesten italienischen und ausländischen Specialisten,
die den Aufschub befürworteten, zahlreiche Briefe eingeschriebener
Mitglieder, welche ankündigten, im September nicht nach Rom
kommen zu können, nötigten das Exekutivkomitee, den Kongrefs auf
eine Jahreszeit zu verlegen, wahrend welcher erfahrungsgemäß die
Ansteckungsherde erloschen sind oder wenigstens schlummern.
Akute psychische Epidemie in einer Mädchenschule. Die
Mitteilungen von Palmer1 und Hirt* über psychische Schulepide-
mien veranlagten unseren verehrten Mitarbeiter, Herrn Medizinalrat
Dr. S. Rembold in Stuttgart, in der „Berl. Min. Wochschr." eben-
falls über eine hysterische Epidemie zu berichten, welche er in der
Römerschule zu Stuttgart im Januar v. J. beobachtete. Auf die
Nachricht hin, dafs in der genannten Schule ganz plötzlich eine
grofee Anzahl von Kindern heftig erkrankt seien, begab sich Verfasser
dorthin und fand ein eigentümliches Bild, indem sich durch die
halbe Länge des Korridors aus der Thür des Schulzimmers heraus
und zur Thür des Zeichensaales hinein ein Zug aufgeregter, lebhaft
gestikulierender, lärmender Mädchen im Alter voi 9 bis 12 Jahren
bewegte. Sie waren zu zweien oder dreien gruppiert, je eine von
einer anderen geführt oder von zwei anderen geschleppt. Die Ge-
schleppten hingen meist völlig erschlafft in den Armen ihrer Gefähr-
tinnen, den Kopf auf die Brust gesenkt, die Beine auf dem Fufe-
hoden nachschleifend. Im Zeichensaal safsen ungefähr 40 Mädchen
auf den Schulbänken herum, die einen scheinbar völlig bewußtlos,
1 S. diese Zeitschrift, 1892, No. 12, S. 556—567. D. Red.
* S. diese Zeitschrift, 1898, No. 4, S. 225-229. D. Red.
562
mit geschlossenen Augen and schlaff herabhängenden Gliedern, von
Mitschülerinnen mit Mflhe aufrecht erhalten, die anderen laut weinend
und krampfhaft schluchzend, am ganzen Leibe heftig zitternd, der
Best in staunendem Schrecken die plötzlich erkrankten Genossinnen
anstarrend. Nachdem die letzteren in ihre Klasse zurückgeschickt
und die aufgeregten Lehrer und Schulkinder beschwichtigt waren,
auch den Auftrag erhalten hatten, den Unterricht wieder aufzunehmen,
wurden die 25 heulenden und zitternden Kinder unter beruhigendem
Zuspruch an die geöffneten Fenster gestellt und zum tiefen Einatmen
der frischen Luft aufgefordert mit der Zusage, dafs hierdurch in
Kurze das Unwohlsein gehoben sein wurde. Bei zehn auf dem Fufc-
boden liegenden Mädchen war dies nicht möglich, da sie das Bfld
des tiefsten Schlafes darboten ; das Aussehen war sehr blafe, die Atmung
tief und ruhig, die Muskulatur schlaff, das Auge geschlossen, der
Puls etwas schwach, aber von normaler Frequenz. Charakteristisch
erschien bei mehreren die zitternde Bewegung des oberen Augenlides,
wie man sie bei hypnotischen Versuchen häufig sieht. Beim Eröffnen
der Lider floh das Auge nach oben, bei späterem Einstellen desselben
reagierte die Pupille auf Licht. Anrufen und Schütteln blieb ohne
jeden Eindruck. Beim Versuch des Aufhebens blieben die meisten schlaff
im Arme hängen, nur zwei wurden dabei steif im Nacken und Bücken.
Alle aber blieben scheinbar in gleicher Weise bewußtlos. Der Reihe
nach erhielt jedes Mädchen ins Gesicht V* Liter Wasser gespritzt,
und zugleich wurde ihm energisch befohlen, sofort aufzustehen und die
Dummheiten zu unterlassen. Dieses Heilmittel war von augenblicklichem
Erfolg. Halb erstaunt, halb beschämt fuhren die Mädchen vom Boden
auf und eilten an das Fenster bis auf die zwei oben erwähnten Kinder,
welche Steifheit gezeigt hatten ; bei diesen wurde eine Wiederholung
des Anspritzens nötig unter der Androhung, dafs dasselbe nicht eher
aufhören werde, als bis das thörichte Benehmen beendet sei. Die
Befallenen gehörten mit einer Ausnahme alle einer Klasse von
9 bis 10jährigen, durchweg aus den unteren Ständen stammenden
und vielfach schlecht genährten Mädchen an. Sie waren morgens am
8 Uhr 7* Stunde in der Kirche gewesen und dann in die Schale
geführt worden, welche allen hygienischen Anforderungen entspricht
und keine Überfüllung zeigt. Gleich nach Beginn des Unterrichts
war dann ein Kind ohne Ursache bewufstlos über die Bank gefallen
und nun in kürzester Zeit eine ziemliche Anzahl ebenfalls, im ganzen
etwa ein Drittel der Klasse. Um nicht noch weitere Veranlassung
zum Nachahmen der Anfälle zu geben, wurden keine sonstigen Nach-
forschungen angestellt und der Unterricht mit den Schülerinnen am
Nachmittag wieder aufgenommen. Verfasser erinnert an die Ähn-
lichkeit der geschilderten Scenen mit denjenigen bei öffentlichen
563
Impfterminen, wo beim Anblick eines Impfschnittes oder Bluttropfens
ein Kind in Ohnmacht fällt und sofort ein paar andere gleichfalls
ohnmächtig werden, ein Zustand, der als Autosuggestion aufzufassen ist.
Besonders bemerkt zu werden verdient, dafs sich die Epidemie nicht,
wie die von Palmbb und Hirt beschriebenen, allmählich entwickelte,
sondern ganz akut auftrat.
Hygienischer Unterricht Ar Lehramtskandidaten in Italien.
Am Instituto di studii superiori in Florenz hatten sich vor einiger
Zeit sftmüiche Professoren und Assistenten für den hygienischen Unter-
richt an den italienischen Universitäten versammelt, um über gemein-
same wissenschaftliche, wie Standesinteressen zu beraten. Es han-
delte sich vor allem darum, eine einheitliche Richtung für den
Unterricht inderOesundheitspflege festzustellen. Aufserdem wurde der
Vorschlag besprochen und angenommen, den hygienischen Unterricht
auch auf die Studierenden der technischen Hochschulen, pharmazeu-
tischen Fachschulen, der juristischen Fakultäten und auf die Lehr-
amtskandidaten auszudehnen. Für die Durchführung dieser Be-
schlüsse wirkt ein Komitee, dessen Präsident Professor Sobmani ist.
Vergiftung in einer englischen Distriktschule. »The Brit.
Med. Joum." enthält einen Aufsatz des ärztlichen Schulinspektors
George C. Bell : „Bericht über Vergiftungsfälle in der Forest
Gate IHslriktschule" , dem wir folgendes entnehmen. Am 23. Juni
d. J. wurde dem Genannten gemeldet, dafe gegen 30 Schulknaben
an Erbrechen litten. Er fand dieselben im Bett, über Stirndruck,
Erbrechen, Schmerz in der Magengegend und in einzelnen Fällen
auch über Durchfall klagend. Bei 10 war die Temperatur auf 101°
gestiegen, und diese hatten eine ziemlich trockene, braune Zunge
und einen Puls von 100 — 120 Schlägen. Die übrigen besafsen
normale Temperatur, eine reine Zunge und einen Puls von ungefähr
80 Schlägen. In 3 Fällen war das Erbrechen sehr heftig, doch
bestand kein Kollaps. Zu gleicher Zeit waren 20 Mädchen erkrankt,
aber offenbar weniger ernst als die Knaben. Im Laufe des 23. Juni
wurden noch 30 Kinder leicht befallen. Am 24. Juni folgten
dagegen 25 weitere Erkrankungen bedenklicher Art, indem 10 der-
selben Kollapserscheinungen zeigten. Von den 15 Erkrankungen
des 25. Juni waren 2 ernst, dann traten am 26. Juni 8, am
27. Juni 7 leichte Fälle auf und von da an 2 — 3 Tage lang einige
gewöhnliche Sommerdiarrhöen. Zwei der erkrankten Kinder starben,
alle übrigen genasen und kehrten zu ihrer gewohnten Arbeit zurück.
Die Diät der Schule hatte an den beiden Tagen vor der Erkrankung
aus folgendem bestanden. Am Mittwoch Frühstück: Thee, Kakao,
in Milch gekocht, Milch und Wasser, dazu Brot mit Butter oder
Sirup; Mittagsessen: kaltes gesalzenes Fleisch, Brot und Wasser.
564
Am Donnerstag Frühstück wie tags zuvor. Mittagsessen für die
Knaben und Madchen über 7 Jahren: Suppe, ans dem gesalzenen
Ochsenfleisch des vorhergehenden Tages und d$n Knochen vom
gestrigen Mittagsmahl der Beamten nebst Mehl, Zwiebeln und Wasser ;
für die kleinen Kinder: Brotpudding. Von letzteren erkrankte kein
einziges; ebenso keins von den im Krankenhaus befindlichen, welche
nur Suppe genossen hatten. Das Fleisch wird täglich aus London
geschickt, von dem Direktor besichtigt und hat sich, soweit Auge
und Nase dies beurteilen können, stets tadellos gezeigt. Auch hatte
der Direktor einen Teil des gesalzenen Fleisches für seine Tafel
benutzt, ohne irgend welchen Nachteil davon zu verspüren. Danach
ist die Vergiftungsursache bis jetzt noch nicht sicher festgestellt;
Aufklftrung wird erst die chemische Untersuchung der Eingeweide
der beiden Verstorbenen bringen, welche zur Zeit des Berichtes
noch nicht abgeschlossen war.
Ober die Körperpflege im Falkrealgymnasium zu Berlin
schreibt unser verehrter Mitarbeiter, Herr Direktor Dr. Tfl. Bach,
in dem Programme seiner Anstalt: Den Zögling der Volksschule
mag man als einen Schüler betrachten, der eben seiner gesetzlichen
Schuldienstpflicht genügt, aber neben den Arbeiten in der Schule
und für die Schule noch allerlei Thätigkeiten in Hans, Flur und
Feld übernehmen mnfs. Der Zögling einer höheren Lehranstalt
mufs sich als Schüler von Beruf betrachten, und er mnfs von seinem
Berufe recht erfüllt sein, will er ihm völlig genügen. Alle anderen
Thätigkeiten, alle Abhaltungen, Zerstreuungen, Genüsse wirken störend
auf diesen Beruf. Aber wie der Mann, wenn er es auch noch so
ernst mit seinem Berufe nimmt, doch auch noch andere Lebens-
pflichten zu erfüllen hat, und wie er, je angestrengter und hin-
gebender er in seinem Berufe arbeitet, desto mehr der Erholung
bedarf, sei es in behaglicher Ruhe oder in entgegengesetzter Th&tig-
keit, ebenso ist der Schüler doch nicht ausschliesslich Schüler, und
je eifriger er sich als solcher der Kopfarbeit und Sitzarbeit hingibt,
desto mehr ist er der Erfrischung bedürftig durch Handarbeit,
Gliederthfitigkeit, Bewegung in frischer Luft und freie Geselligkeit
Die Art und das Mals solchen Ausgleiches zu bestimmen, ist in erster
Linie Sache des Hauses. Aber auch die Schule bietet gern dara
Gelegenheit, wo und wie sie kann. Seit Ostern 1887 ist im Falk-
realgymnasium die erste Schülerwerkstätte des unter dem Protektorat
der Kaiserin Friedrich stehenden Berliner Hauptvereins für Knaben-
handarbeit eingerichtet. Der Prospekt des Vereins besagt: „Die
Arbeit in der Schülerwerkst&tte will die praktischen Fähigkeiten
des Geistes zur volleren Entwicklung bringen, sowie den außer-
ordentlich regen Trieb der Knabennatur, zu gestalten, zu schaffen
565
und sich praktisch thfltig zu erweisen, befriedigen. Sie gewöhnt
schon früh an stete nützliche Beschäftigung in den Mufse-
standen, weckt in dem Knaben das Interesse und das Verständnis
für die werkthätige Arbeit der Hand und ist zugleich eins der ge-
eignetsten Mittel, den Knaben nach der Anstrengung des Geistes
wieder zu erfrischen und für neue Lernarbeit aufnahmefähig zu
machen." Die Unterrichtsfächer in der Schülerwerkstätte sind:
1. Erste Vorstufe: Papier-, Karton- und Stäbchenarbeiten für
Knaben vom 8. Lebensjahre ab. 2. Zweite Vorstufe: Leichte Holz-
arbeiten für Knaben vom 10. Lebensjahre ab. 3. Papparbeit für
Knaben vom 11. Lebensjahre ab. 4. Holzschnitzerei (Kerbschnitt)
für Knaben vom 12. Lebensjahre ab. 5. Hobelbankarbeit für Knaben
vom 12. Lebensjahre ab. Jeder Schfller darf nur an einem Fache
teilnehmen. Unterrichtszeit: Mittwochs und Sonnabends, bei Be-
dürfnis auch an anderen Tagen, von 3 Uhr ab je l1/» Stunden.
Die Unterrichtskosten betragen vierteljährlich für Schulgeld, Material
und Benutung der Werkzeuge 5 Mark für die Unterrichtsfächer
l-*-4, 6 Mark für die Hobelbankabteilung. Es ist unter Umständen
aber auch Ermäßigung, beziehungsweise Erlab des Unterrichtsgeldes
möglich. Das freiwillige Abendturnen findet a. für die Primaner,
Sekundaner und Obertertianer jeden Dienstag von 5 bis 6 7* Uhr,
b. für die Untertertianer, Quartaner, Quintaner und Sextaner jeden
Mittwoch von 31/« bis 5 Uhr statt. Der Halbjahresbeitrag für
Spielgerätschaften u. s. w. beträgt 50 Pf. Die Einlösung der
Mitgliedskarte verpflichtet zu regelmässigem Besuche, beziehungsweise
Entschuldigung des Ausbleibens bei dem leitenden Lehrer. Den
Konfirmanden der Tertia, Freischülern und anderen, die sich beim
Direktor darum bewerben, wird die unentgeltliche Teilnahme ge-
stattet Bei günstigem Wetter werden jeden Sonnabend für alle
Schfller der Anstalt von 5 bis 7 Uhr Bewegungsspiele auf dem
Tempelhofer Felde veranstaltet. Im Interesse der Frische und
Gesundheit, Gewandtheit und Kraft der Schüler ist eine möglichst
zahlreiche und regelmäßige Teilnahme zu wünschen. Alle loben
die Einrichtung, aber oft werden gerade diejenigen ferngehalten oder
halten sich selbst fern, welchen die Teilnahme am heilsamsten wäre ;
und will es in der Schule nicht recht gehen, so tritt alsbald ein
Fernbleiben oder Fernhalten von diesen Übungen und Spielen ein,
während das häusliche Arbeitsleben in anderer Weise und an anderer
Seite einer planmäßigeren Ordnung und Konzentration bedürfte. Es
mufs wiederholt hervorgehoben werden, dafe viele unserer tüchtigsten
und arbeitsfreudigsten Schüler ihre ganze Schulzeit hindurch zu den
regelmäßigsten und fröhlichsten Abendturnern gehört, dafe wir
wackere Abiturienten entlassen haben, die 9 Jahre hindurch solche
566
freiwillige Turner und Vorturner gewesen sind. Möge ihr preis-
würdiges Beispiel recht zahlreiche Nachahmer finden!
Todesfall in Rugby College infolge eines Wettlaufes, In
Rugby College spielten die Schüler „Hase und Hund" und machten
dabei einen Wettlauf von 4 englischen Meilen. Die Folge davon
war, dafis ein Schüler der groben Anstrengung erlag. „The Samt
Inspect" hebt bei dieser Gelegenheit hervor, dafe man nie Knaben
an einem Laufe sollte teilnehmen lassen, bei dem es auf Schnelligkeit
und Ausdauer ankommt, bevor nicht ihr Herz und ihre Lunge
untersucht und gesund befunden wären.
Eine Gesellschaft fftr Öffentliche Schulgärten in Wien hat
sich kürzlich konstituiert. Die vielen außer der Schulzeit sich selbst
überlassenen Kinder der Armen sollen Statten erhalten, welche den-
selben nicht nur einen gesundheitsfördernden Aufenthalt im Freien,
sondern auch entsprechende Aufsicht, Pflege und Beschäftigung ge-
währen.
Die Lehrerbildungsanstalt des deutschen Vereins für
Knabenhandarbeit zu Leipzig hatte in ihrem letzten Kurse bis
zum 24. Juli 68 Teilnehmer, von denen 37 dem deutschen Reiche
und 31 dem Auslande angehörten. Die 37 deutschen Lehrer ver-
teilten sich folgendermaßen: 23 waren aus Freufsen, 5 aus dem
Königreich Sachsen, 4 aus dem Grofsherzogtum Hessen, 2 ans
Sachsen- Weimar, 2 aus Anhalt und 1 aus Baden. Von den 31 Aus-
ländern kamen 24 aus England und Schottland, 4 aus Norwegen,
2 aus der Schweiz, 1 aus Frankreich. Am zweiten Sommerkursus
werden 86 gleichzeitig Arbeitende teilnehmen, die höchste bis jetzt
erreichte Zahl, darunter 20 vom bulgarischen Unterrichtsministerium
entsendete Schulmänner. Was die Wahl der von den Kursisten
betriebenen Fächer anlangt, so waren am meisten die Werkstätten
für Papparbeit und Holzschnitzerei besetzt. Danach kam die Hobel-
bankarbeit, deren hoher Wert für die Ausarbeitung der Muskeln
nicht zu verkennen ist. Der Kursus für Metallarbeit war dank der
Beteiligung der englischen Lehrer in flottem Gange; sie wissen die
Bedeutung dieses Arbeitsfaches für die Erziehung der jugendlichen
Körperkräfte, wie es scheint, besser zu schätzen, als unsere Lands-
leute. Sehr erfreulich war auch die Beteiligung an den Arbeiten
der sogenannten Vorstufe, jener Yermittelung zwischen der Beschäftigung
im Kindergarten und derjenigen in der eigentlichen Schülerwerkstatt.
Zu den namentlich für Lehrer an höheren Schulen berechneten Unter*
richtskursen, welche die Elemente der Handarbeit mit Rücksicht auf
die Herstellung von Anschauungsmitteln für den physikalischen, mathe-
matischen und naturkundlichen Unterricht methodisch zusammenfassen,
hatten sich leider nicht genug Teilnehmer gemeldet. Alles in allem
567
genommen, herrscht auf dem Gebiete der erziehlichen Knabenhand-
arbeit ein so kräftiges, frisch pulsierendes Leben, dafs an ein Zurück-
gehen oder Unterliegen dieser Bestrebungen nicht wohl mehr gedacht
werden kann.
Schlittschuhlaufen und Schwimmen der Realschüler in
Strafsburg i. E. Während des Winters 1892—93 haben an der
Realschule bei St Johann zu Strafsburg i. E. von den 237 Schülern
der Klassen von Quarta aufwärts im ganzen 223, also 94%, das
Schlittschuhlaufen betrieben, und ist zu diesem Zwecke für sämtliche
Realklassen von Quarta aufwärts, acht-, bezw. neun- oder zehnmal
eine Turnstunde freigegeben worden. An den Schwimmübungen
nahmen im letzten Sommer von 415 Schülern der Realklassen 200,
also rund 48,2% teil, während die übrigen 215, also 51,8%,
wenigstens regelmäfsig baden gingen.
Das Seehospiz für arme skrofulöse Kinder Italiens in
Porto d'Anzio ist aus kleinen Anfängen hervorgegangen, hat sich
aber, obgleich noch jungen Datums, kräftig entwickelt. Dem Komitee
des Hospizes, das 1867 nur 6 Kinder hinausschicken konnte, war
es 1885 schon möglich, 700 dieser Wohlthat teilhaftig zu machen.
Es besitzt jetzt ein Vermögen von über 140000 Lire und den Palast
Albani am Strande des 3 Stunden von Rom entfernten Porto d'Anzio.
Da dies Gebäude für seine Zwecke nicht mehr ausreichend war, so
ist es in den letzten Jahren durch seitliche Anbauten vergröbert und
zugleich bequemer und entsprechender eingerichtet worden.
ämtli^t Derfücjttncjen.
Gesnndheitsregeln für die Schuljugend,
aufgestellt von der Unterrichtsbchördc im Haag.1
Der Chef für die Angelegenheiten des öffentlichen Unterrichts
im Haag, Dr. J. Th. Mouton, hat vor kurzem an die Leiter der
städtischen Schulen ein von den Doktoren der Medizin M. J. BouviN,
C. J. L. Fbith, J. H. M. Gerards und J. G. J. van Oppenraay
verfafstes Rundschreiben folgenden Inhalts versandt.
1 Vgl. die Gesandheiteregeln des Berliner Lehrervereins in dieser
Zeischrift, 1890, No. 3, S. 162—164; No. 6, S. 361-852. D. Red.
668
Schulhygiene.
Pflege der Ohren.
1. Sorge, daft die Ohren nicht stark erschüttert werden ; schlage
nicht dagegen, schreie nicht hinein und küsse sie nicht.
2. Bohre niemals mit einem spitzen Gegenstande, wie einer
Feder, einem Griffel, einer Stricknadel in die Ohren; stopfe
nichts hinein, auch keine Watte, noch viel weniger Watte, die
in Kölner Wasser, Harlemer öl oder dergleichen getaucht ist
3. Beinige die Ohrmuschel und das Äußere Ohr so weit, als dn
hineinsehen kannst, benutze aber dabei das Seifenwasser mit
Vorsicht und trockne die nassen Stellen gehörig ab.
4. Ist etwas ins Ohr eingedrungen, so rühre nicht daran,
sondern gehe möglichst schnell zum Arzt. Ist ein lebendes
Insekt hineingekrochen, so tröpfle, bis derselbe kommt, warmes
Olivenöl ein.
5. Glaube ja nicht, dafe ein Ohr, welches an Eiterflufs leidet,
ungefährlich oder wohl gar vorteilhaft sei. Lab dir vielmehr
sobald als möglich Bat deswegen von einem Arzte erteilen.
Pflege der Nase.
1. Halte die Nase immer rein. Bedenke, dafs der Hund zum
Essen und zum Sprechen dient, die Nase zum Atmen. Schnaube
niemals mit einem trompetenartigen Tone aus, sondern stets
erst die eine, dann die andere Nasenhälfte.
2. Wenn du nicht jederzeit, z. B. nicht beim Gehen, Laufen,
Sprechen, Schlafen gehörig Atem durch die Nase holen kannst,
so lafs untersuchen, woran das liegt.
3. Sorge, dafs die Kinder von den ersten Monaten an immer den
Mund geschlossen halten. Wenn sie mit hintenübergeneigtem
Kopfe und offenem Munde in der Wiege liegen, so ordne die
Kissen derart, daü das Kinn ein wenig auf die Brust herabsinkt
Bewirkt dies nach wenigen Wochen keine Besserung, so rufe
den Arzt.
Pflege der Atmungsorgane.
1. Atme mit geschlossenem Munde.
2. Sorge, dafe du keine staubige oder verdordene Luft ein-
atmest; vermeide es, Staub in einem Zimmer oder im Freien
aufzuwirbeln.
3. Spucke nicht in dein Taschentuch oder auf den Fufsboden.
569
4. Arbeite im Sommer möglichst böi offenen Fenstern. Im Winter
lüfte dein Zimmer bei gutem Wetter mehrmals täglich, indem
dn Thttren und Fenster aufmachst.
5. Setze dich nicht der Zugluft ans, namentlich dann nicht, wenn
da sehr erhitzt bist.
6. Achte darauf, dafs dein Schlafzimmer soviel als möglich
frische Luft enthalte; bedenke, du bringst dort einen grofsen
Teil deines Lebens zu, ruhst dort von den Mühen des
Tages aus und mufst dort neue Kräfte sammeln für den
folgenden Tag.
7. Presse nie die Brust oder den Unterleib gegen einen Gegen-
stand an.
8. Bewege dich während deiner Erholungszeit viel in freier Luft.
Pflege der Augen.
1. Lies, schreibe und arbeite nicht in der Dämmerung oder bei
schlechter Beleuchtung.
2. Wähle bei Tage deinen Arbeitsplatz immer so, dafs du noch
ein Stück Himmel sehen kannst und das Fenster zur Linken
hast. Die Sonnenstrahlen dürfen nicht auf deine Arbeit fallen.
3. Bedecke die Lampe nicht mit einem dunklen oder grellfarbigen
Schirme. Stelle sie etwas links in einer Entfernung von
höchstens 0,5 m vor dich hin. Es schadet immer den
Augen, bei flackerndem Lichte zu arbeiten und, während man
in einem Wagen, in der Eisenbahn oder im Bette sich be-
findet, zu lesen. Die Lampe, bei der du arbeitest oder liest,
muis stets mit Cylinder und Porzellanglocke versehen sein.
4. Schreibe mit tiefschwarzer Tinte auf deutlichen Linien. Benutze
keine Linienblätter, sondern gewöhne dich bald daran, ohne
Linien zu schreiben.
5. Fühlst du Ermüdung in den Augen, so höre zu arbeiten auf
und sieh einige Zeit zum Fenster hinaus, indem du dich
ausruhst.
6. Schone deine Augen noch einige Zeit nach einer schweren
Krankheit.
7. Ist dir Staub oder ein anderer Fremdkörper ins Auge ge-
flogen, so reibe dasselbe nicht; bewege nur den Finger sanft
über das Lid in der Richtung nach der Nase zu; geht der
Körper auf diese Weise nicht heraus, so wende dich an
den Arzt.
8. Wenn du nicht gut siehst oder sonst an den Augen leidest,
so frage einen Arzt um Rat; er allein kann entscheiden, ob
du eine Brille brauchst, ob du sie immer oder nur beim
8ehu]gwii2uUieUfpfl«ff« Tl. 37
570
Lesen und Schreiben tragen mufet, und welche Nummer am
besten für dich pafst.
Wie soll man zu Hanse beim Arbeiten sitzen?
1. Das Fenster oder die Lampe müssen sich zur Linken be-
finden.
2. Wenn du schreibst, schiebe den Stuhl so weit unter den
Tisch, dafe sich der vordere Rand des Sitzes 2 — 5 cm unter
der Tischplatte befindet. Halte den Oberkörper aufrecht, so
dafis die Brust den Tischrand nicht berührt.
3. Der Stuhl soll so hoch sein, dafs sich der Tisch in gleicher
Höhe mit den Ellenbogen befindet. Ist der Stuhl, wie dies
häufig vorkommt, zu niedrig, so lege ein Kissen darauf.
4. Setze die Füfse auf den Boden oder benutze eine Fufsbank,
wenn sie denselben nicht erreichen.
5. Schlage die Beine weder mit den Knien, noch mit den
Knöcheln übereinander; auch ziehe die Füfse nicht unter den
Stuhl zurück.
6. Setze dich grade auf den Stuhl, lehne den Rücken an die
Lehne, nicht die Brust an den Tisch, und neige den Kopf
nicht zu weit vor.
7. Lege die Vorderarme in der Höhe der Ellenbogen auf den
Tisch, halte das Papier mit der linken Hand fest und schiebe
es um so weiter nach oben, je tiefer du unten mit der Schrift
vorrückst.
8. Das Papier befinde sich in der Mitte vor der Brust ein wenig
nach rechts hin.
9. Wenn du liest, rücke den Stuhl etwas vom Tische zurück und
halte das Buch mit beiden H&nden fest. Dasselbe mufs immer
auf dem Tische ein wenig geneigt sein, so dafs der obere
Rand höher als der untere ist.
10. Die Entfernung des Auges von der Schrift soll wenigstens
35 cm betragen.
11. Die Mädchen haben dafür Sorge zu tragen, dafs sich ihre Röcke
gleichmäfsig auf dem Sitz verteilen; letztere dürfen daher
vor dem Niedersetzen nicht nach rechts oder links verschoben
werden.
Allgemeine Körperpflege.
1. Frische Luft und Sonne sind für die Erhaltung der Gesund-
heit unerläfslich; man mufs ihnen daher möglichst freien
Zutritt zu der Wohnung gewähren.
571
2. Härte dich ab, indem da dir täglich den ganzen Körper mit
kaltem Wasser wäschst. Nimm womöglich jede Woche ein
warmes Bad zur Reinigung.
3. Bade dich während der heißen Jahreszeit in offenem Wasser,
zumal wenn es von der Sonne durchwärmt ist. Bleibe
höchstens 10 Minuten darin, reibe dir gut die Haut ab und
erwärme dich dann durch einen Spaziergang in nicht zu engen
Kleidern. Wenn es angeht, setze den Körper nach dem Bade
der frischen Luft und den Sonnenstrahlen aus, vorausgesetzt,
dafe das Wetter windstill und nicht zu kalt ist.
4. Halte Mund und Rachen rein, indem du dieselben morgens,
abends und nach jeder Mahlzeit spülst und gurgelst.
5. Bewege dich viel in freier Luft.
6. Kleide dich nicht zu warm; der Kopf sei nur leicht, der Hals
gar nicht bedeckt.
7. Schnüre einzelne Körperteile nicht zu fest, z. B. mit Korsetts,
Gürteln oder Strumpfbändern, ein.
8. Die Schuhsohlen müssen genau nach dem Fufs geformt sein.
Hohe Absätze sind schädlich; richtiger trägt man breite und
niedrige.
9. Behalte niemals nasse Strümpfe, Stiefel oder Kleider an,
sondern ersetze sie sobald als möglich durch trockene.
10. Sei mftfcig im Essen und Trinken; vermeide verdorbene oder
unverdauliche Speisen, sowie Näschereien; namentlich kleine
Kinder sollen letztere nicht geniefsen; gewöhne dich, einfach
und nur dreimal am Tage zu essen ; brauche keine Reizmittel,
wie viel Salz, Tabak, Liköre; ifs kein rohes Fleisch und kein
unreifes Obst.
11. Gehe früh zu Bette und stehe früh wieder auf. Störe deine
Nachtruhe nicht, indem du vor dem Zubettegehen anstrengende
geistige oder körperliche Arbeit verrichtest.
Cirknlarverfügnngderk.k. Statthaltern in Tirol und Vorarlberg
vom 11. Juli 1893, Z. 16849, wegen Mafsnahmen gegen
Verbreitung ansteckender Krankheiten durch Mitglieder
geistlicher Orden, welche sich der Krankenpflege und dem
Unterrichte widmen.
In einer Gemeinde des Verwaltungsgebietes ereignete es sich
heuer, dafs die Leiterin eines Kindergartens, welche bei den barm-
herzigen Schwestern in Kost und Wohnung stand, an Blattern
erkrankte, weil sie trotz der angeordneten Absperrungsmafsregeln
das Isolierzimmer von Blatternkranken betrat und sich dort infizierte.
Dieser Umstand lälst vermuten, dafs die mit dem Unterrichte
37*
672
der Kinder beschäftigten Ordensschwestern anch zur Krankenpflege,
ja vielleicht selbst zur Pflege infektiös Kranker verwendet werden,
sowie dafe die dem Unterrichte der Kinder sich widmenden Schwestern
mit den die Krankenpflege bei Infektionskranken besorgenden Ordens-
mitgliedern in einem stetigen unmittelbaren Kontakte stehen, was mit
Bücksicht auf die öffentliche und besonders auf die Schulgesundheits-
pflege durchaus unzulässig wäre.
Die politischen Behörden erster Instanz werden hiermit auf
den erwähnten sanitären Mifsstand aufmerksam gemacht und beauf-
tragt, über dessen Bestehen bei den öffentlichen, bezw. privaten und
Gemeindekrankenanstalten genaue Erhebungen zu pflegen, mit allem
Nachdrucke auf die Abstellung dieses Miüsbrauches, falls ein solcher
vorkommen sollte, zu dringen und über das Ergebnis dieser Erhebungen
und das eventuell diesfalls Verfügte bis längstens 15. August 1. J.
eingehend zu berichten, sowie auch sicherzustellen, ob die mit der
Krankenpflege bei Blatternkranken beschäftigten Ordenamitglieder,
wenn sie nicht die natürlichen Blattern überstanden haben, einer
erfolgreichen Revaccination unterzogen wurden.
Ans dem
Erlafs des Königlich preufsischen Unterrichteministers
Aber die Einführung neuer Lehr-, Lese- und Übungsbücher
für höhere Lehranstalten.
Für die Auswahl neuer Schulbücher seitens der Lehrerkollegien
und für die Prüfung und Vorschläge seitens der Provinzialschul-
kollegien sind folgende Gesichtspunkte genau zu beachten:
1. Die vorzuschlagenden Schulbücher u. s. w. müssen nach
Papier, Druck und Ausstattung allen schultechnischen und hygienischen
Anforderungen entsprechen. In letzterer Beziehung verweise ich
insbesondere auf Eulenberg und Bach, Schulgesundheitslehre, S. 224 ff.
Obschon die Ausgaben der Schulschriftsteller einer Genehmigung
nicht unterliegen, so wird doch das Königliche Provinzialschol-
kollegkun auch diesen in Bezug auf die bezeichneten Gesichtspunkte
besondere Aufmerksamkeit zu widmen haben.
Der Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten.
(gez.) Bosse.
An sämtliche Königliche Provinzialschulkollegien.
573
fletfottöüett.
Dem Direktor des Luisenstädtischen Realgymnasiums zu Berlin,
Professor Dr. Foss, ist die Krone zum Königlich preuisischen roten
Adlerorden III. Klasse mit der Schleife und Schwertern am Ringe,
derselbe Orden IV. Klasse dem Regierungs- und Schulrat Dr.
Rretschmer in Königsberg i. Pr. und dem Direktor des Gymnasiums
zu St. Maria-Magdalena in Breslau, Professor Dr. Möller, ver-
liehen worden.
Der Bezirksschulinspektor Schulrat Ed. Kögler in Dermbach
erhielt das Ritterkreuz I. Klasse des Grofsherzoglich sächsischen
Hausordens der Wachsamkeit oder vom weifsen Falken.
Den Seminardirektoren Jos. Droboschke in Zülz und Dr.
Wilh. Sommer in Paderborn, sowie dem Kreisschulinspektor Hop-
stein in Euskirchen wurde der Charakter als Schulrat erteilt.
Zu außerordentlichen Mitgliedern des Kaiserlichen Gesundheits-
amtes sind ernannt worden der o. Professor der Chemie Dr.
Emil Fischer in Berlin, Medizinalrat Dr. E. Reincke in Hamburg
und Apotheker Dr. Th. Schacht in Berlin.
Für die durch den Tod Professor A. Paltaues erledigte Lehr-
kanzel der gerichtlichen Medizin an der Universität Prag ist in
erster Stelle unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Professor Kratter
in Graz, in Vorschlag gebracht worden.
Professor Dr. L. Brieger in Berlin beabsichtigt von der Leitung
der Krankenabteilung des KocHschen Instituts für Infektionskrank-
heiten, die er seit dessen Begründung gefuhrt hat, zurückzutreten.
Für den Professor der Hygiene Dr. Hueppe, der seine Stelle
als Mitglied des Landessanitätsrates niedergelegt hat, wurde unser
verehrter Mitarbeiter, Herr Sanitätsrat Dr. Theobor Altschul in
Prag, vom Landesausschusse in den Landessanitätsrat berufen«
Dr. Hildebrandt ist zum außerordentlichen Professor der
Kinderheilkunde an der Universität Lund ernannt worden.
Der bekannte Hygieniker, Geheimer Medizinalrat Professor
Dr. Finkblnburg in Bonn, beging am 16. August die Feier seines
vierzigjährigen Doktorjubüäums.
Die medizinische Fakultät zu Halle hat dem als Verfasser des
„Struwwelpeter" bekannten Geheimen Sanitätsrat Dr. Heinrich Hoff-
mann in Frankfurt a. M. das vor sechzig Jahren erteilte Doktor-
diplom erneuert.
574
Der Regierungs- und Schulrat Dr. Schonen in Köln ist ge-
storben.
In Berlin verschied am 18. Juni der städtische Schalinspektor
Dr. Max Rüge, 40 Jahre alt.
Ans Dresden wird das am 4. August im 82. Lebensjahre
erfolgte Ableben des Hofrats J. Fh. Jenckb gemeldet, der sich
auf dem Gebiete des Taubstummenunterrichts grofse Verdienste er-
worben hat.
litteratnr.
Besprechungen.
Dr. C. A. Köhler, Obermedizinalrat und Königlicher Landesanstalts-
direktor a. D. Die Schulgesundheitspflege. Ferner Über
Wesen und Behandlung des kindlichen Schwachsinns. Zwei
Vorträge. Ravensburg, 1892. Otto Maier. (40 S. 8°.)
1h dem ersten in der Hanptlehrerkonferenz des Schulbezirkes
Oschatz gehaltenen Vortrage bespricht der Verfasser in kurzen ge-
drängten Sätzen nach einer historischen Einleitung den Begriff der
Schulgesundheitspflege, die Aufgaben derselben und ihre Erfolge im
Oschatzer Bezirke. Unter den Aufgaben der Schulhygiene wird
besonders abgehandelt die gesundheitliche Einrichtung des Schul-
gebäudes, des Schulzimmers, die Hygiene des Unterrichts und die
Verhütung der Schulkrankheiten. Bei der Schilderung der Erfolge
der Schulgesundheitspflege stützt sich der Autor auf die Resultate einer
Umfrage, welche im Oschatzer Bezirke durch die Schulvorstände und
Schulinspektoren mittelst Fragebogen gehalten wurde und sich bezog aut
Lage des Schulhauses, Baugrund, Grundwasser, Unterkellerung, Grobe
der Schulzimmer, Ventilation, Heizung, Tages- und Abendbeleuchtung,
Subsellien und Aborte. Die Ergebnisse sind in ähnlicher Weise
zusammengestellt, wie ich sie 1880 for die Schulen des Herzogtums
Braunschweig in der „ VicrUfydhrsschrift fQr öffentliche Gesundheits-
pflege", Bd. Xn, S. 743 und Bd. XIII, S. 417 mitgeteilt habe.
Besonders macht der Verfasser darauf aufmerksam, daCs der Wasch-
raum außerhalb des Schulgebäudes angelegt werden soll und dafe es,
um den Lehrer beim Sprechen vor Überanstrengung zu bewahren
und den Schülern das Verständnis des Gesprochenen zu erleichtern,
ausserordentlich vorteilhaft ist, hinter dem Katheder in der flachen
Rückwand eine konkave Nische anzubringen, damit die Schallwellen
direkt zu den Schülern geleitet werden und nicht erst von der
575
Decke, den Seitenwänden und dem Fußboden indirekt dorthin
gelangen.
Der Verfasser hat es verstanden, anf 20 Oktavseiten die wich-
tigsten Gninds&tze der Schulhygiene kurz und bündig auseinander-
zusetzen.
Der zweite Vortrag, gleichfalls in der Hanptlehrerkonferenz zu
Oschatz gehalten, beschäftigt sich mit dem Wesen und der Behandlung
des kindlichen Schwachsinns. Nach kurzer Schilderung des Begriffes,
der Ursachen — z. B. Schädelabnormitäten — , der Arten, typischen
Formen und Komplikationen des Blödsinns spricht der Autor von dem
Wachstum und der Lebensdauer der Idioten, der Heilung ihres Leidens
und den Aufgaben, welche uns bei der Fürsorge für dieselben zufallen.
Hanpterfordernis ist Behandlung der Idioten in Anstalten, um sie einer-
seits vor falscher Beurteilung, vor Verhöhnung u. s. w. zu schützen,
andererseits zu pflegen und zu erziehen. Bei dem Unterrichte ist der
Anschauungs-, Turn- und Beschäftigungsunterricht der wichtigste. Die
Nachhilfeschulen, Schulen für Schwachbefähigte, die in vielen Städten
für solche Kinder geschaffen sind, welche man noch in der
Familie glaubt belassen zu können, hält der Autor für ein unzuläng-
liches Surrogat, weil die mangelhafte, unzweckmäßige Pflege und
Erziehung im häuslichen Kreise fortbesteht. Hier in Braunschweig,
wo wir seit vielen Jahren Klassen für Schwachbefähigte eingerichtet
haben, sind wir mit den Resultaten derselben ausserordentlich zufrieden.
Auch Verfasser scheint die günstigen Erfolge solcher Klassen schliefs-
lich anzuerkennen, indem er in These 5 sagt: „Für Schwachsinnige
oder Schwachbefähigte sind die Nachhilfeschulen geeignet." Was
die Leitung der Idiotenanstalten betrifft, so weist Autor dieselbe
dem Psychiater zu, erklärt sich aber auch mit einer Hand in Hand
gehenden Direktion durch Arzt und Pädagogen einverstanden. Dafs
Anstalten auch unter der Leitung von Theologen vortrefflich gedeihen
können, sieht man an derjenigen zu Eckerode im Braunschweigischen,
die, von Pastor Stützer durch milde Beiträge gegründet, jetzt
unter der trefflichen Direktion von Probst Palmer mit Staatszuschüssen
neben milden Beiträgen durch eigenes Vermögen weiterbesteht, leider
bisher noch ohne einen dauernd in der Anstalt selbst wohnenden
und wirkenden Arzt.
Auch dieser zweite Vortrag des Verfassers sei der Lektüre der
Leser unserer Zeitschrift warm empfohlen.
Professor der Hygiene an der technischen Hochschule
Dr. med. R. Blasius in Brannschweig.
Dr. Georg MOlleb, praktischer Arzt und Orthopäde in Berlin.
Die Widerstandsgymnastik für Schule und Hans. Eine
576
Anleitung zur Erhaltung und Kräftigung der Gesundheit. Allgemeia-
verst&ndlich für jedermann. Mit 50 Abbild. Leipzig, 1892.
C. L. Hirschfeld. (63 S. 8°. Gbd. A 1 ,60.)
Das Buch enthalt in den drei Abschnitten mit den Überschriften:
IL Ausgangsstellungen, III. Bewegungen und IV. Übungen
eine Auswahl von Widerstandsübungen, welche bei „gesunden, wenn
auch schwächlichen Kindern und Erwachsenen" geeignet sind, „den
Körper zu kräftigen und gesund zu erhalten" ; daran reiht sich eine
Anleitung zur Ausfuhrung derselben.
Über erstere soll hier ein Urteil nicht abgegeben werden. An
letzterer ist anzuerkennen, dafs sie durchweg in einer Sprache ge-
schrieben ist, die auch der Laie zu verstehen vermag. In einzelnen
Ausdrücken hätte der Verfasser vielleicht noch etwas mehr Bücksicht
auf den „jedermann" nehmen können, für den das Buch bestimmt
ist, so, wo er vom „Fixieren" eines Gliedes spricht, von „Kegel-
mänteln", welche die Arme, bezw. Beine beschreiben sollen. Ich
will nicht mit demselben darüber rechten, dafe er Ausdrücke, die
in Deutschland Heimatrecht erworben haben und flunderttausenden
bekannt sind, durch andere ersetzt, welche weniger die Sache be-
zeichnen und zum Teil von recht zweifelhafter Sprachrichtigkeit sind.
Man vergleiche : Flügel-stehend für Stellung mit Hüftstütz der Hände,
Reck-stehend für Vorhebhalte der Arme, Streck-stehend für Hoch-
hebhalte der Arme. In Zusammensetzungen kommen Bildungen wie
die folgende vor: L. Beck- r. Streck-schlieis- r. schraub-stehend.
Wieweit der Verfasser mit allen diesen Dingen „eine empfind-
liche Lücke in der Gesundheitspflege ausfüllt", möge dahingestellt
bleiben.
Aber hervorgehoben zu werden verdienen die beiden Wörter
„für Schule" auf dem Titelblatt und diejenigen Stellen des Textes,
welche mit Bücksicht auf diese Bestimmung des Buches geschrieben
sind. Letztere finden sich teils in den Abschnitten I (Einführung)
undV(Schlufsbemerkungen), teils zerstreut in den schon genannten*
Der Verfasser gibt sich „der Hoffnung hin, dab früher oder
später die Widerstandsgymnastik ihren Einzug auch in die Schule
halten wird, um die jetzt übliche Turnerei zwar nicht zu verdrängen,
so doch zu ergänzen". Er will täglich zweimal „gymnasticieren"
lassen. „Die Übungen des Rumpfes, besonders die mit liegender
Ausgangsstellung, . . . sind von ungeheurem Wert. . . ., für Schul-
kinder sind sie geradezu unentbehrlich. Wenn diese Übungen in den
Schulen werden täglich ausgeführt werden, erst dann" u. s. w.
Dabei verlangt der Verfasser, wie das auch selbstverständlich
erscheint, für jeden Übenden einen „Gymnasten, der es versteht,
den Widerstand dem Alter und den Körperkräften des Übenden
577
anzupassen und allmählich zu steigern. Einzelne Übungen er-
fordern zwei Helfer, und zwar gerade einige der für unentbehrlich
erklärten Rumpfübungen mit „liegender" Ausgangsstellung. Diese
sollen „auf einer ebenen Unterlage, am besten auf einer gepolsterten
Bank" ausgeführt werden; für die „sitzende" Grundstellung ist eine
Bank nötig, deren Höhe genau der Länge der Unterschenkel gleich-
kommt, und för die „halbsitzende" eine solche, deren Höhe gleich
ist der Entfernung vom Sitzknorren bis zum Fufsboden.
Man denke sich diese Forderungen ausgeführt in einer Schul-
klasse, die 50, 60, 70 Knaben oder Mädchen zählt. Die einfache
Zusammenstellung derselben wird mich der Mühe überheben, an ihnen
Kritik zu üben. Sie beweisen einen solchen Grad Ton Naivetät in
der Auffassung von Schulverhältnissen und Schularbeit, dsis die Be-
fürchtung, es könne irgendwo von berufener Seite der Versuch
gemacht werden, obigen Wünschen nachzukommen, ausgeschlossen
erscheint. Wenn der Mann Schularzt würde!
Nach dem Vorstehenden kann ich mich kurz fassen betreffs
dessen, was der Verfasser über unser gegenwärtiges Turnen sagt.
Er verlangt von einer „rationellen Gymnastik" die Erfüllung folgender
Bedingungen :
1. Die Bewegungen müssen durch wirkliche Zusammenziehung
der Muskeln, nicht durch die eigene Schwere des zu übenden
Körperteils ausgeführt werden.
2. Die Muskeln, besonders die Antagonisten, müssen eine
gleichmäßige Arbeit leisten.
3. Die Anforderung an die Leistungsfähigkeit der Muskeln
mufs gleichmäfsig und allmählich gesteigert werden.
Diesen Forderungen, so behauptet er, werde die „heute übliche
Gymnastik" nicht gerecht, ja sie könne dieselben gar nicht erfüllen.
Den letzteren Satz, der noch weiter erläutert wird durch den
anderen : „mit den Gerätübungen sei eine allmähliche Erhöhung der
Leistungsfähigkeit nicht zu erreichen, weil bei denselben als zu
leistende Arbeit immer das ziemlich gleichbleibende Körpergewicht
in Betracht komme", kann nur jemand aufstellen, der von unserem
deutschen Turnen nicht mehr als eine sehr oberflächliche Kenntnis hat.
Für die Schule ist nach meinem Urteil das Buch Dr. Müllers
bedeutungslos. Derselbe mag ein vorzüglicher Orthopäde sein, als
Schulhygieniker ist er unmöglich ernst zu nehmen. Ob er wohl
von der litterarischen Fehde Kenntnis hat, die sich an die Be-
strebungen Rothstbins knüpfte, das deutsche Turnen durch die
schwedische Gymnastik zu ersetzen?
Rektor der II. Knabenmittelschule G. TöNSFBLpT in Altena.
578
Dr. W. Praüsnitz, Privatdocent an der Universität und der tech-
nischen Hochschule Münchens. Grundlage der Hygiene. Für
Studierende an Universitäten und technischen Hochschulen, Ärzte,
Architekten und Ingenieare. Mit 137 Originalahhildnngen. München
nnd Leipzig, 1892. J. F. Lehmann. (442 S. El. 8°. iL 6,50.)
Verfasser ist durch die Verlagsbuchhandlung aufgefordert worden,
eine wissenschaftliche Hygiene in möglichster Kürze zu schreiben,
dieser Aufforderung aber erst nachgekommen, nachdem ihm von
autoritativer Seite das vorhandene Bedürfnis bestätigt war. In der
That erscheint das Werk, mit dem Handbuch der Hygiene von
Pbttenkofer und Ziemssen oder den hygienischen Lehrbüchern
von Flügge, Rübner, Rosbnthal und Gärtner verglichen, stark
zusammengedrängt, ohne deshalb jedoch Wichtiges zu übergehen.
Nach einer kurzen Einleitung, in welcher der Begriff und die
Bedeutung der Hygiene zur Besprechung gelangen, werden nach-
einander folgende Kapitel abgehandelt: Mikroorganismen, Luft,
Kleidung, Bäder, Boden, Wasser, Wohnung, Heizung, Ventilation,
Beleuchtung, Abtallstoffe, Leichenbestattung, Krankenhäuser, Schul-
hygiene, Ernährung, Infektionskrankheiten und Gewerbehygiene.
Es sei uns gestattet, nur auf die Schulgesundheitspflege näher
einzugehen, bei der sich der Verfasser namentlich an Rembold anschließt.
Er weist zunächst auf die durch den Schulbesuch entstehenden
Gefahren hin und teilt dieselben in solche, welche durch den
Aufenthalt und solche, welche durch die Beschäftigung in der
Schule hervorgerufen werden. Zu den ersteren gehört nach ihm
vor allem die Verbreitung der Infektionskrankheiten. Wenn er hier
für eine möglichst späte Wiederzulassung zum Schulbesuch nach
beendeter Erkrankung eintritt, so vermögen wir dem nur mit Ein-
schränkung beizustimmen. Denn neben der Hygiene hat auch die
Pädagogik Anspruch auf Berücksichtigung; im Interesse der letzteren
aber ist es gelegen, dafs die Schüler sobald als möglich wieder
am Unterrichte teilnehmen. Wir halten es daher für genügend,
wenn die von den meisten Ländern gesetzlich festgestellte Frist für
den Wiedereintritt infektiös erkrankt gewesener Kinder in die Schule
innegehalten wird. Aus pädagogischen Gründen können wir ferner
nicht der, wie von vielen Seiten, so auch von dem Verfasser
geforderten Aufstellung einer genügenden Anzahl von Spucknäpfen
für tuberkulöse Schüler in der Schule beipflichten. Durch die
Benutzung derselben würde der Unterricht fortgesetzt gestört werden,
ganz abgesehen davon, dafe in gröfseren Lehranstalten Zeit und
Kraft des Schuldieners für die Reinigung jener Näpfe nicht aus-
reichend wären. , Kinder, deren Auswurf Tuberkelbacillen enthält,
sollten vielmehr von der Schule ausgeschlossen werden, und zwar
579
mflbte die Entscheidung hierüber dem Schalarzte und, wo ein solcher
nicht vorhanden, dem beamteten Arzte zustehen.
Der Verfasser geht dann zu den Gesundheitsschädigungen Aber,
welche von der Beschäftigung in der Schule herrühren, wobei er
mit Recht hervorhebt, dafs die hygienischen Verhältnisse im Eltern-
hause oft viel ungünstiger, als in den öffentlichen Lehranstalten sind.
Unter den Schädigungen durch die Schularbeit werden in erster
Linie diejenigen der Augen angeführt. Nach den von H. Gohn
veröffentlichten Zahlen kommt die Kurzsichtigkeit am seltensten in
den Dorfschulen vor, häufiger in den städtischen Elementarschulen,
noch öfter in den höheren Töchter- und Mittelschulen, während sie
in den Gymnasien und Realgymnasien am verbreitetsten ist. Ebenso
wissen wir, dafs dieselbe mit den steigenden Klassen und den
wachsenden Lebens- und Schuljahren zunimmt. Die Ursachen dieser
Zunahme sind nach Prausnitz noch nicht ganz sicher festgestellt,
er begnügt sich in dieser Beziehung mit dem allgemeinen Hinweis
auf die Anstrengung der Augen beim Lesen und Schreiben. Zur
Bekämpfung der Myopie werden ausreichende Beleuchtung der Klassen-
zimmer und deutlicher Druck der Schulbücher empfohlen. Vielleicht
wäre hier auch eine Bemerkung über die Nachteile einer schlechten
Handschrift, wie man sie nicht so selten bei Schülern antrifft, am
Platze gewesen. Was im übrigen das Schreiben anlangt, so verwirft
Verfasser zwar eine übertriebene Rechtslage und Schräglage des
Heftes, hält es aber noch nicht für sicher, ob überhaupt Rechts-
und Schräglage mit Schiefschrift im Gegensatz zu gerader Mittellage
mit Steilschrift größeren Nachteil bedingen. Hiergegen ist jedoch
zu bemerken, dals die Rechtslage von allen Schulhygienikern ein-
mütig bekämpft wird und die schräge Mittellage nur noch verein-
zelte Anhänger unter denselben besitzt. Namentlich die Unter-
suchungsergebnisse der in München und Zürich zur Prüfung der
Schrägschrift und Steilschrift und ihres Einflusses auf Auge und
Rückgrat eingesetzten Kommissionen haben der Steilschrift neue
Freunde zugeführt. Der Autor gesteht denn auch selbst mit aner-
kennenswertem Freimute zu: „Jedenfalls scheint aus den bisherigen
Resultaten hervorzugehen, dafs bei Einführung der Steilschrift die
Haltung der Kinder eine bessere ist."
Die senkrechte Schrift aber wird nur dann gesundheitliche
Schäden verhüten, wenn zugleich die Subsellien richtig konstruiert
sind. Es gelangen daher noch die hygienischen Anforderungen an
diese, namentlich an Höhe und Breite der Schulbank, Höhe der
Lehne, horizontale und vertikale Entfernung des Tisches von der
Bank zur Besprechung. Auf die Erklärung der Ausdrücke Plas-
mid Minusdistanz folgt die Erörterung der Frage, wie die letztere
580
in die entere verwandelt werden kann« Am zweckm&fsigsten
geschieht dies nach dem Verfasser so, dab beim Aufstehen der Sitz
von selbst nach hinten klappt, beim Sitzen aber durch die Schwere
des Körpers wieder nach vorn gebracht wird. Nach rückwärts
verschiebbare Sitze oder zum Umklappen eingerichtete Tischplatten
erscheinen ihm weniger praktisch. Für eine spätere Auflage dürfte
es sich empfehlen, auch auf die neueste, außerordentlich einfache
Schulbank von Rammikger und Stettbn in Tauberbischofsheim
hinzuweisen. Die Sitzplatte ist hier der Länge nach in zwei durch
starke Leinewand, wie durch ein Scharnier verbundene Hälften
geteilt. Beide Hälften bilden beim Sitzen eine horizontale Ebene
mit Minusdistanz. Erhebt sich jedoch der Schüler, so werden die-
selben durch den Druck der Kniekehlen wie ein spitzes Dach
aufgerichtet, und an Stelle der negativen entsteht eine positive
Distanz. Störende Geräusche und ein etwaniges Einklemmen von
Körperteilen beim Niedersetzen oder Aufstehen sind dabei in
keiner 'Weise zu fürchten.
Wir haben uns diese wenigen kritischen Bemerkungen erlaubt,
nicht, um zu tadeln, sondern nur, um unser warmes Interesse für
das vorliegende, der Münchener Schule durchaus würdige Werk zu
zeigen. Die Gedrängtheit des Stoffes, die Klarheit der Darstellung,
die Anschaulichkeit der Zeichnungen machen dasselbe namentlich für
Studierende und solche, die einen kurzen Überblick über die Gesamt-
hygiene wünschen, empfehlenswert. Auch der Preis ist trotz der
trefflichen Ausstattung ein mäfsiger. Möge dem Buche daher eine
glückliche Fahrt durch die Hochflut litterarischer Produktion
beschieden sein! L. Kotblmann.
H. ZiBscHi, Rektor. J. Dorns deutsche Fibel, umgearbeitet
und mit Steilschrift versehen. 7. Aufl. Breslau, 1892. Franz
Görlich. (50 S. Kl. 8°.)
Sehr häufig erhielten wir die Anfrage, ob nicht eine Fibel mit
Steilschrift, in welcher die in Preufsen eingeführte Rechtschreibung
vertreten ist, zu bekommen wäre. Wir können daher die Heraus-
gabe dieser Fibel, wodurch wieder ein Hemmnis für die Verbreitung
jener Schriftart beseitigt wurde, nur mit Freude begrüfsen, um so mehr,
als die in derselben enthaltene Steilschrift zeigt, wie sehr sich der
Verfasser bemüht hat, den Anforderungen der Schule zu entsprechen.
Für die Güte des Inhaltes spricht namentlich das Erscheinen
des Buches in 7. Auflage. Als Beigabe zu demselben ist noch
das Bild eines steilschreibenden Schülers mit korrekter Körperhal-
tung, sowie eine kurze Anführung der Regeln für Steilschrift zu
erwähnen.
581
Den Berufegenossen sei daher diese Fibel, welche so eingerichtet
ist, dafe sie für die reine und die gemischte Schreiblesemethode zu
verwenden ist, hiermit empfohlen.
Direktor Emanüel Batr in Wien.
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3fitftf)tift fit 5d|uljirfunbl)fitöpflröf.
VL Jahrgang. 1893. No. 11.
<g>rtgtnal-äbt)aitMtttigett*
Nochmals zur
Erwiderung an Herrn Professor Schmidt-Rimpler.
Von
Dr. med, J. Stilling,
Professor der Augenheilkunde an der Universität Strasburg i. E.
In seinem im vorletzten Hefte dieser Zeitschrifl erschienenen,
gegen mich gerichteten Artikel sucht mein geschätzter Kollege
und Gregner Schmidt-Rimpler sich und seine Leser zu über-
zeugen, die von mir aufgestellte Behauptung bezüglich des
Zusammenhanges zwischen Orbitalbau und Kurzsichtigkeit sei
falsch. Ich habe erklärt, daJs die bisher angestellten Kontroll-
messungen das von mir gefundene Gesetz bestätigt hätten,
Herr Kollege Schmidt-Rimpler sagt, das Gegenteil sei richtig.
Ich gebe daher auf Seite 586 statt einer ausführlichen Ver-
teidigung, deren ich, wie mir scheint, durchaus nicht bedarf,
zunächst die Generaltabelle I der bisher ausgeführten Mes-
sungen, welche für jeden unbefangenen Leser das von mir
entdeckte Gesetz, dafs die myopische Augenhöhle durchschnittlich
einen kleineren Index zeigt als die emmetropische, überall mit
gro&er Deutlichkeit erkennen läfst.
Während Tabelle I die Gesamtdurchschnittsindices der
verschiedenen Autoren gibt, welche diese bei Emmetropie und
Myopie gefanden haben, sind in den senkrechten Kolonnen
Sefanlgeftmdhettspfle^e VI. 38
586
von Tabelle II auf Seite 587 die Durchschnittsindices für die
einzelnen Klassen der untersuchten Schulen angeführt.
Tabelle I.
Autoren
In<
d
Emmetropie
lex
er
Myopie
Angensahl
Material
Weiss
95,9
93,1
500
(nicht gans)
Gymnasiasten
Kirchner
93,6
92,7
2778
Gymnasiasten
Rymsza
91,2
89,2
609
Gymnasiasten
»
88,6
88,2
168
Seminaristen
n
88,3
87,5
124
Klinische Patienten
Seggel
87,0
84,3
1400
(rund)
Mittelschaler1
Pflüger
89,9
83,0
1000
(nmd)
Studenten, Professoren,
Gymnasiasten, Seminaristen.
Die gröfseren Reihen von Kirchner, Rymsza und Seggel
zeigen danach das Gesetz sogar klassenweise, mit im ganzen
nur 4 Ausnahmen auf 33 Doppelzahlen.
Die Einzelheiten der Arbeit Pflügers bin ich nicht be-
rechtigt, hier mitzuteilen, da ich ihm nicht vorgreifen will.
Dieselbe erscheint in Kürze, wenn sie inzwischen nicht schon
veröffentlicht ist. Indessen darf ich wohl anführen, dals ich
diese Einzelheiten kenne und dafs sie sehr schlagend die
Richtigkeit des Gesetzes erweisen, was übrigens Pflüger in
dieser Zeitschrift3 bereits selbst hervorgehoben hat.
1 Die ersten Reihen Seggelb sind hier nicht mitangefahrt, weil er
erst aus der dritten, an besserem Material gewonnenen definitive Schlüsse
gezogen hat. Sollte mein verehrter Gegner darauf noch einmal zurück-
kommen wollen, so werde ich mit Leichtigkeit zeigen, dafs selbst dort
die gesetzmäßigen Unterschiede von Seggel gefunden sind.
1 Jahrg. VI, 1893, No. 3, 8. 132-133.
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I
£
Cd
1
I
1
1
a
1
i
4
i
i
588
Die Zahlen Romano-Catanias habe ich, um meinem
gesehätzten Gegner einen Gefallen zu erweisen, hier nicht
mit aufgeführt.
Übrigens hat dieser Autor, den Schmidt-Bimpler als
Schüler von mir im Verdacht hat, in verba magistri zu schwören,
nicht, wie Schmidt angibt, 350 Sicilianer gemessen, sondern
350 albanesische Seminaristen und aufserdem 400 Professoren
und Studenten der Universität Palermo, also im ganzen
1500 Messungen ausgeführt, mehr als Schmidt selbst aufweist.
Warum übrigens 350 Albanesen mit richtig vorgenommenen
Messungen weniger beweisen sollen als 360 schlesische Gym-
nasiasten Fizias,1 der seine Resultate überhaupt nicht zahlen-
mäfsig angegeben hat, vermag ich nicht einzusehen.
Die Lichtverh<nisse in den Schalen der Stadt Halle a. S.
Von
Dr. med. K. Liebrecht,
Augenarzt in Halle a. S.
(Fortsetzung und Schlafs.)
Resultate der Untersuchungen in den einzelnen Schulen.
1. Die städtische höhere Mädchenschule
an der Alten Promenade.
Das Schulgebäude besteht aus einem Mittelbau und zwei
Flügeln, welche den Hof zwischen sich fassen. Die Achsen-
stellung des Mittelbaues ist von SO. nach NW., diejenige der
Flügel von NO. nach SW. Die Klassenzimmer liegen zum
gröfsten Teile in den beiden Flügeln, und zwar hier allesamt
1 Ich habe mich inzwischen an Herrn Fizia mit der Bitte gewandt,
mir seine Zahlen mitzuteilen. Er hat mir geantwortet, dato er dazu
nicht im stände sei.
589
nach dem Hofe zu. In dem Mittelbau befindet sich unten
der durch das ganze Gebäude gehende Turnsaal, im ersten
Stockwerk nach der Gartengasse hinaus der Zeichensaal
nebst einem Klassenzimmer; ferner liegen noch in einem
Anbau, die Fenster nach der Gartengasse gerichtet, zwei lang-
gestreckte Klassen, von denen die im Erdgeschofs als Hand-
arbeitsklasse, die im ersten Stockwerk als Reserveklasse be-
nutzt wird.
Der Zeichensaal besitzt 5 Fenster; die unteren Scheiben
derselben sind mattiert, um Störungen des Unterrichts zu ver-
meiden. Es sind 9 Tische aufgestellt zu je 5 Plätzen, so dafs
im ganzen 45 Plätze sich finden. Von diesen haben 14 un-
genügendes Licht, und zwar derart, dafs der schlechtest
beleuchtete Platz nur 20 Quadratgrade Raumwinkel aufweist,
während er 128 haben müfste. Die übrigen Plätze erreichen
allerdings das Mindestmafs der Beleuchtung. Sobald jedoch ein
Rouleau nur einen FuJs weit von oben herabhängt oder wegen
Blendung herabgelassen werden mufs, nimmt die Zahl der
ungenügend erhellten Plätze beträchtlich zu, da das Himmels-
licht nur durch die obersten Scheiben, bezw. die oberen Hälften
derselben dorthin gelangt. Es entspricht demnach dieser Saal
seiner Bestimmung um so weniger, als gerade das Zeichnen
eine Beschäftigung ist, welche ganz besondere Ansprüche an
das Auge stellt. Letztere dürfen wir durch schlechte Beleuch-
tung nicht verschärfen.
Neben dem Zeichensaale liegt, ebenfalls nach der Garten-
gasse hinaus, noch ein Schulzimmer VHIb, welches beinahe
ebenso ungünstige Lichtverhältnisse darbietet. Es sind hier
von 28 Plätzen 10 unbrauchbar.
Diese schlechten Resultate rühren davon her, dafs nach-
träglich gestattet worden ist, in einer Entfernung von wenigen
Metern dem Schulhause gegenüber in der Gartengasse Häuser
von einer Höhe aufzuführen, welche notwendigerweise das
Licht der Schulklassen stark beschränken mufste.
In den beiden Flügeln finden wir in den Klassen des
Erdgeschosses ebenfalls mangelhafte Beleuchtung. In dem
590
nach SO. liegenden Flügel sind von 36 Plätzen der Klasse Vlla
12 ungenügend erhellt. Statt 134 Qnadratgrade Raumwinkel
weist der schlechtest beleuchtete Platz deren nur 13 auf.
Auch in Klasse IX b sind die 6 von den Fenstern am ent-
ferntesten liegenden Plätze zu dunkel. Besonders ungünstig
aber erscheinen die Lichtverhältnisse in Klasse Villa, da
hier von 30 Plätzen 10 nicht genügen.
Die Ellassen des ersten und zweiten Stockwerkes sind
ausreichend hell.
Obwohl die Schulzimmer dieses Flügels während der
Unterrichtsstunden vom Sonnenlicht nicht direkt getroffen
werden, so hat sich doch der Gebrauch von Zuggardinen als
notwendig herausgestellt, da die sonnenbeschienene Wand des
gegenüberliegenden Flügels häufig zu Blendung Veranlassung
gibt. Dieser Umstand ist natürlich den Lichtverhältnissen der
hier befindlichen Klassen nicht günstig.
In dem nach NW. gerichteten Flügel haben von den 3
im Erdgeschofs gelegenen Zimmern 2 ungenügendes Licht,
indem in Xa von 42 Plätzen 14, in IX a 3 Plätze zu
dunkel sind.
Dagegen ist die Beleuchtung der Klassen des ersten und
zweiten Stockwerks ausreichend.
Die ungenügende Helligkeit in den Erdgeschossen der
beiden Flügel rührt davon her, daJs bei seiner beträchtlichen
Höhe der eine Flügel dem andern das Licht raubt.
Als durchaus unbrauchbar für jeglichen Unterricht, ins-
besondere aber für Handarbeitsstunden, sind die beiden Klassen
im Anbau an der Oartengasse zu bezeichnen. Trotzdem dient
das Zimmer im Erdgeschofs als Aushilfeklasse, dasjenige des
ersten Stockes zum Unterrichte in Handarbeiten. In dem
ersteren stehen 24 Bänke zu je 3 Plätzen. Von diesen Bänken
haben 7 mit 21 Plätzen gar kein Himmelslicht, die übrigen
Arbeitsplätze bis auf 5 ungenügendes. Ähnlich liegen die
Lichtverhältnisse in der entsprechenden Klasse des ersten
Stockwerkes.
Abgesehen von diesen 2 Klassen und dem Zeichensaale,
591
welche sämtlich nur zeitweise benutzt werden, sind . also von
den 536 Plätzen der in Bede stehenden Schule 65 oder 12%
zu dunkel.
2. Die Mädchenbürgerschule in der Grofsen
Steinstrafse.
Das Schulgebäude bildet einen Längsbau, dessen Achse
annähernd von Osten nach Westen geht; das östliche Ende
ist etwas nach Norden, das westliche etwas nach Süden
gerichtet. Die Klassen liegen an den Längsseiten nach Süden
und Norden, mit einer der Achsenstellung des Gebäudes ent-
sprechenden geringen Drehung nach Osten und Westen.
Das Haus besitzt im ganzen eine freie Lage. Die Licht-
verhältnisse sind befriedigend. Von den 1767 Schülerinnen
hat keine auf ihrem Arbeitsplatze bei heraufgezogenen Vor-
hängen ungenügendes Licht. Die Klassen nach Norden
erhalten während der Schulstunden kein Sonnenlicht, dagegen
die nach Süden solches reichlich. Es wird die Sonne durch
von oben nach unten gehende Fenstervorhänge abgeblendet,
wobei wiederum der Übelstand zu Tage tritt, daJüs, sobald nur
eines oder wenige Kinder von den Strahlen getroffen werden,
auch der Vorhang vollständig herabgelassen werden mufs.
3. Die Bürgerschule in der Dreyhaupt-
Oleariusstrafse.
Das Schulgebäude besteht aus einem Mittelbau, dessen
Achse von Osten nach Westen verläuft, und zwei sich an diesen
nach Norden hin senkrecht ansetzenden Flügeln. In letzteren
liegen die Klassen.
Der östliche Flügel hat im allgemeinen genügende Beleuch-
tung. Nur in dem nach Westen, also nach dem Hofe zu,
gelegenen Zimmer No. VII sind von 60 Plätzen 10 zu dunkel.
Im westlichen Flügel finden sich schlechtere Lichtverhält-
nisse. In Zimmer No. I, welches im Winkel zwischen Mittel-
bau und Flügel im Erdgeschofs liegt, erweisen sich von
16 Bänken 7 als ungenügend hell, desgleichen die Hälfte der
592
8. Bank. Mit anderen Worten, von 64 Platzen sind 30 zu
dunkel. Die Mehrzahl der übrigen Plätze erreicht nur gerade
das Minimum des notwendigen direkten Himmelslichtes.
Zimmer No. VI, welches sich über No. I, also ebenfalls im
Winkel zwischen Mittelbau und Flügel befindet, weist ebenso
bedenkliche Verhältnisse auf. Es stehen darin 16 Bänke, 8 in
einer Reihe hintereinander an den Fenstern entlang, 8 in
einer zweiten Reihe weiter vom Lichte entfernt. Von den
letzteren sind 5 auf allen ihren Plätzen zu dunkel, die übrigen
3 auf der Hälfte derselben. Ebenso werden von den an den
Fenstern stehenden Bänken 2 ganz, 2 zur Hälfte ungenügend
beleuchtet. In dieser Klasse sind also von 64 Plätzen 38 für
Arbeitsplätze als unbrauchbar zu bezeichnen. Gleichfalls im
ersten Stocke liegt Zimmer No. XIII, in welchem 6 Plätze
zu dunkel sind.
Von den 593 Schülern des westlichen Flügels haben
90= 15% eine schlechte Beleuchtung ihrer Arbeitsplätze, von
den 984 Schülerinnen des östlichen Flügels an der Olearius-
stra&e nur 10 = 1 %•
Die Ursache der unzureichenden Helligkeit ist darin
zu suchen, dafs auch hier die Flügel zu hoch sind — aufiser
dem Erdgeschofs noch 3 Stockwerke — , dafs die Fenster des
Erdgeschosses Spitzbogen besitzen und dafs die Zimmer No. I
und VI zu tief im Winkel zwischen den hohen Flügeln und
dem Mittelgebäude liegen.
4. Die Volksschule in der Lessing-Sohillerstrafse.
Das Schulgebäude ist vor zwei Jahren erbaut. Es besteht
aus einem Mittelbau, der die Turnhalle in sich birgt, und zwei
sich rechtwinkelig nach Osten daran anschliefsenden Flügeln
mit den Klassenzimmern. Der eine Flügel liegt südlich, der
andere nördlich. Zwischen beiden befindet sich der Hof.
Die Klassenzimmer gehen nach Norden und Süden.
Die 6 Klassenzimmer des Südflügels nach Süden heraus
haben gutes Licht und sind gegen die Sonne durch seitliche
Zugvorhänge geschützt. Von den 6 Klassenzimmern des Süd-
593
flügels nach Norden, also nach dem Hofe zu, besitzen die in
den oberen 2 Stockwerken befindlichen gleichfalls genügende Be-
leuchtung. Was dagegen die im Erdgeschofs gelegenen Zimmer
betrifft, so sind in No. II von 64 Plätzen 4 zn dunkel, in
No. I, welches im Winkel direkt am Mittelgebäude liegt,
von 64 Plätzen 18.
Der Nordflüge] dieser Schule dient als Mädchenschule.
Er liegt mit der Südfront nach dem Hofe zu, mit der Nord-
front nach der Schillerstraüse. Im Erdgeschofs der Nordfront
haben in Klasse No. I von 64 Plätzen 28 keine ausreichende
Beleuchtung; 6 Plätze, die am weitesten entfernt von den
Fenstern sind, erhalten überhaupt kein direktes Himmelslicht.
In Klasse No. II, ebenfalls nach Norden im Erdgeschofs
gelegen, sind von 64 Plätzen 28 zu dunkel. Die Klassen des
ersten und zweiten Stockwerkes dieses Flügels, und zwar sowohl
die nach Norden, als die nach Süden gerichteten haben gute
Lichtverhältnisse. Dagegen sind in Zimmer No. III, welches
im Erdgeschofs nach Süden liegt, von 64 Plätzen 14, in
Zimmer No. IV von 64 Plätzen 25 ungenügend erhellt. Das
letztere ist das an den Mittelbau angrenzende Zimmer. Die
Beleuchtung verschlechtert sich, sobald hier wegen Blendung
durch Sonnenlicht die seitlichen Zugvorhänge zugezogen werden.
Von den 1399 Schülern der Schule haben 117 oder
8,4% keine ausreichende Beleuchtung ihrer Arbeitsplätze.
Diese für ein erst vor zwei Jahren erbautes Unterrichtsgebäude
wenig erfreulichen Zustände rühren her teils von den hohen
gegenüberliegenden Häusern der Schillerstrafse, teils von den
sich gegenseitig das Licht raubenden langen Flügeln. Es ist
dieser Platz für ein so grofses Sohulgebäude entschieden zu klein.
Dazu kommt noch, daüs die Fenster desselben erst mehr als
2 Fufs unterhalb der Decke beginnen.
5. Die Knabenbürgerschule
an der Ecke der Charlotten- und Augustastrafse.
Die Klassenzimmer dieses 1885 errichteten Schulgebäudes
liegen zur Hälfte gegen Norden nach der Charlottenstrafse
594
heraus, zur Hälfte gegen Süden nach dem Hofe zu. Letzterer
ist zwar nicht sehr breit, jedoch wird das Licht auf dieser Seite
durch keine höheren Nebengebäude abgeschnitten. Es findet
sich daher auch in allen Zimmern nach dem Hofe hinaus gute
Beleuchtung, und selbst einzelne Bäume desselben, welche vor
den unteren Fenstern ihre Kronen erheben, schwächen das Licht
nicht zu sehr, besonders da hier 4 Fenster demselben Eingang
in das Zimmer gewähren.
Anders liegen die Verhältnisse in den nordöstlichen
Klassenzimmern nach der Charlottenstrafse hinaus. Die Häuser,
welche hier der Schule gegenüberstehen, besitzen eine grölsere
Höhe, als die Breite der Straße beträgt. Infolgedessen ist die
Beleuchtung der im Erdgeschoß liegenden Klassen eine durch-
aus unzureichende. Verstärkt wird dieser Mangel noch durch
die Art der Fenster. Es befinden sich nämlich hier in jeder
Klasse 2 grofse Fenster mit Rundbogen, deren höchster
Punkt mehr als 1 Fufe unterhalb der Decke zurückbleibt. Die
Fensterrahmen sind zum Teil sehr breit, und das ganze Fenster
ist durch 21 Stäbe und Rundhölzer in 16 Scheibenöflhungen
geteilt. Jeder Stab raubt natürlich einen Teil des Himmels-
lichtes, und so ist das nachstehende Beleuchtungsresultat der ein-
zelnen Plätze leicht erklärlich. Die Zimmer haben je 16 Bänke
und durchschnittlich 50 Arbeitsplätze. In No. VIII sind von
den 50 Plätzen 10, in No. VII von 50 Plätzen 15 nicht
genügend hell; ja 10 Plätze erhalten überhaupt kein direktes
Himmelslicht, sondern sind auf reflektiertes angewiesen. In
No. VI steht die Sache ebenso schlimm. Von 50 Plätzen
beziehen hier 16 nur diffuses Himmelslicht und 9 ungenügendes.
Auch in No. Y fehlt es 9 Plätzen an direktem Licht, während
17 Plätze unzureichend beleuchtet sind.
In den letzten 3 Zimmern haben also sämtliche 8 Bänke,
welche die vom Fenster entfernte zweite Reihe bilden, unge-
nügendes Himmelslicht oder entbehren dasselbe gänzlich.
Auch im ersten Stockwerke fehlt es einer nicht geringen
Anzahl von Plätzen an ausreichender Beleuchtung. Dieser
Mangel hätte ganz oder zum grofsen Teil vermieden werden
595
können, wenn die Fenster statt 2 Fuls unterhalb der Decke
unmittelbar unter derselben begonnen hatten. Gerade da, wo
jeder Centimeter, um den das Fenster höher hinaufreicht, einen
ganzen Streifen Himmelslicht oberhalb der gegenüberliegenden
Dächer in die Zimmer, und zwar nach den hinteren Plätzen
dringen läßt, ist das Verlegen des oberen Fensterrandes bis
2 Fufs unter die Decke ein Fehler. Die Fenster sind aber
wenigstens viereckig und besitzen seitliche Zugvorhänge.
Im ersten Stockwerke empfangen in No. XIH 2 Plätze
kein direktes Himmelslioht, 16 Plätze ungenügendes, in No. XIV
6 Plätze kein Himmelslicht, 15 Plätze ungenügendes, in No. XVI
1 Platz kein Himmelslicht, 16 Plätze ungenügendes, in No. XVEH
3 Platze ungenügendes Licht.
Die Klassen des zweiten Stockwerkes sind hinreichend hell.
Von den 1250 Schülern der Schule haben auf ihren
Arbeitsplätzen
ungenügendes Licht 9 % 1 1 „ 0 /
kein Himmelslicht 4% i
ausreichendes Licht 87 °/o.
6. Die Knaben- und Mädchenschule
an der Neuen Promenade.
Die Achse des Sohulgebäudes erstreckt sich von Norden
nach Süden. Ein kleiner Anbau am südlichen Ende hat die
Richtung von Osten nach Westen. Im letzteren befindet sich
nur ein Klassenzimmer, No. XXIV, im ersten Stockwerke.
Dasselbe erhält von zwei Seiten, von Norden und Süden,
Licht und ist dadurch recht gut beleuchtet, besser als alle
anderen Klassen dieser Schule.
Die Lichtverhältnisse der übrigen Lehrzimmer sind im
Durchschnitt sehr mangelhaft, ein Resultat, das durch ver-
schiedene Umstände herbeigeführt wird. Wie schon er-
wähnt, werden die meisten der im Erdgeschofs und im ersten
Stockwerk gelegenen Zimmer verdunkelt durch die nahe am
Hause stehenden dicht belaubten Bäume, und zwar sowohl
von der Strafse, als von dem Hofe aus. Es herrscht in
596
denselben im Sommer eine beständige Dämmerung, so dafe
selbst die den Fenstern nahe gelegenen Plätze zu dunkel
sind. Im zweiten Stockwerk, welches ausreichendes Licht für
alle Arbeitsplätze bieten würde, befinden sich leider nur
2 Klassen, der übrige Raum dient anderen Zwecken. Aufser
der Verdunkelung durch die Bäume kommen noch andere
Faktoren in Betracht, welche gleichfalls zum Teil schon oben
erörtert sind. Die Fenster beginnen ausserordentlich tief unter-
halb der Decke, die alten Zugrouleaux sind in beständiger
Unordnung und hängen zu weit in den Fenstern herab. Ferner
sind die nach innen einspringenden Wände etwa 7* m dick,
und doch hat eine Abschrägung derselben weder nach aufeen
noch nach innen stattgefunden. Nur in einer ganz dunklen,
nach dem Hofe zu gelegenen Klasse, No. IX, hat die Über-
zeugung yon den allzu schlechten Lichtverhältnissen dahin
geführt, dafs die Fensterwände nach innen abgeschrägt worden
sind, ohne dafs jedoch bei der Lage des Zimmers diese
Abschrägung einen wesentlichen Nutzen gebracht hätte. Nehmen
wir nun noch die geringe Fensterfläche im Vergleich zur Boden-
fläche hinzu, so kann es nicht Wunder nehmen, dafs das
Resultat der Lichtmessung ein recht ungünstiges ist. Die
Zahlen, welche hier für die einzelnen Klassen folgen, sind
zum großen Teile schätzungsweise gewonnen, weil eine Be-
stimmung des Raumwinkels der Bäume wegen unmöglich war.
Wo eine Messung stattfinden konnte, wurde dieselbe ausgeführt.
Was die im Erdgeschoß gelegenen Zimmer betrifft, so
haben in No. II von 54 Plätzen 24, in No. IV 30 Plätze
keine ausreichende Beleuchtung. In No. VII mit 54 Plätzen
und in No. XXIX mit 24 Plätzen sind im Sommer alle
Plätze unzulänglich mit Licht versehen. In No. IX besitzen
die 2 ersten Plätze jeder der 8 Bänke Helligkeit genug, die
übrigen nicht. Im Winter bei entlaubten Bäumen verbessern
sich die Lichtverhältnisse entschieden, jedoch bleiben immerhin
auch dann noch die letzten Plätze jeder Bank zu dunkel. Die
Bänke sind hier unzweckmäfsigerweise über einen Meter vom
Fenster entfernt aufgestellt. No. X ist eine Eckklasse mit
597
5 Fenstern. Zwei von den letzteren liegen linkerseits von den
Plätzen, eines schräg links vorn, zwei Fenster, und zwar
gerade diejenigen, welche wegen Mangel an vorstehenden
Bäumen das beste Licht geben, lassen dasselbe von vorn her
auf die Arbeitsplätze fallen. Die Kinder sitzen also der
Hauptlichtquelle mit dem Gesichte entgegen. Diese Anord-
nung der Bänke ist eine unzweckmäfsige. Abgesehen hiervon,
ist auch das Zimmer in seinen hintersten Plätzen zu dunkel.
Nach dem Hofe heraus liegt No. IX, welches zur Zeit
als Klassenzimmer nicht benutzt wird. Es ist aber auch als
solches durchaus unbrauchbar, da wegen Vorbaues eines grofsen
Hauses auf den 8 langen Bänken nur 9 Plätze genügendes
Licht haben, während 6 gar kein direktes Himmelslioht
empfangen. In No. VIII sind die in der zweiten Reihe vom
Fenster entfernter stehenden Bänke auf 24 Plätzen unzureichend
beleuchtet, da auch hier Bäume mit ihrem Laube das ins
Zimmer dringende Licht vermindern. Wie in No. VIII liegen
die Verhältnisse in No. VI, No. III und No. I. Auch in
diesen Klassen sind die Hälfte der Plätze wegen ihrer zu
geringen Helligkeit als unbrauchbar zu bezeichnen.
Im ersten Stockwerk besitzen die Zimmer nach dem Hofe
heraus im allgemeinen gutes Licht, so die Klassen No. XII, XIV,
XVI, XVIII, XX. Nur No. XXII, welches über der vorhin
besprochenen No. IX liegt, hat auf 8 Plätzen unzureichende
Beleuchtung. Nach vorn heraus im ersten Stockwerk erscheinen
die Verhältnisse schlechter als nach hinten heraus. Hell
genug sind noch No. XIH und XV, während No. XVII und
XXI auf einem Drittel, No. XIX auf zwei Dritteln der
Plätze kein hinreichendes Licht erhalten. No. XXIII liegt
über der Klasse No. X und weist dieselben Übelstände wie
diese auf, nämlich von vorn den Kindern ins Gesicht strah-
lendes Licht, so daJs dieselben nach Katheder und Tafel in
dasselbe sehen müssen; ferner reicht die Beleuchtung nicht
völlig aus.
Im zweiten Stockwerke befinden sich noch 2 Klassen mit
genügender Beleuchtung.
598
Es haben nach diesen Untersuchungen von 1447 Arbeits-
plätzen 405 unzulängliches Licht, 10 erhalten überhaupt kein
direktes Himmelslicht. Das macht zusammen 29% sämtlicher
Plätze.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dafs die Messungen in
der Sommerzeit während der Belaubung der Bäume angestellt
sind und dais sich die Beleuchtung im Winter etwas bessern
wird. Andererseits mufs man aber in Berücksichtigung ziehen,
dafs dieselbe im Winterhalbjahr an und für sich eine schlech-
tere ist und dais untersucht worden ist mit Beseitigung aller
den Lichteinfall störenden Umstände, insbesondere nach völligem
Heraufziehen sämtlicher Rouleaux.
7. Das Stadtgymnasium
und die städtische Realschule nebst der Vorschule
des Stadtgymnasiums.
Das alte Hauptgebäude besteht aus einem Mittelbau
und zwei sich senkrecht an diesen ansetzenden Flügeln. Der
Mittelbau hat im wesentlichen die Sichtung von Süden nach
Norden, die Flügel diejenige von Osten nach Westen. Das
Gebäude grenzt nach Norden an die Luisenstrafee, nach Osten
an den Schulhof, nach Süden an die Hedwigstrafse, nach
Westen an einen mit Anlagen versehenen Platz, an den sich
weiterhin die Sophienstrafee anschließt. In der südlichen
gröfseren Hälfte des Gebäudes liegen die Bäume des Gymnasiums,
in der nördlichen die der Realschule.
In der Realschule haben die Klassen allesamt ausreichendes
Licht. Es sind nördliche Zimmer nach dem Hofe, nach der
Sophienstrafse, die meisten nach der Luisenstralse heraus.
Letztere Strafse ist zwar schmal, aber die gegenüberliegenden
Häuser sind nicht sehr hoch, so dafs der Raumwinkel ein
genügender bleibt.
Im Gymnasium müssen die Lichtverhältnisse auch im
ganzen als befriedigend bezeichnet werden. Nur 2 Zimmer
leiden an Dunkelheit, wozu sehr viel die schon oben beschriebene
599
unzweckmäßige Art der Jalousien beiträgt. Es sind dies die
im Erdgeschofs gegen Süden nach der Hedwigstralse heraus-
liegenden Klassen M VI und M II. Vor den Fenstern stehen
hier dichtbelaubte Bäume, gegenüber erheben sich hohe Häuser,
und das Erdgeschoß des Gymnasiums nach dieser Seite liegt
im Vergleiche zu der Hedwigstralse recht tief. In M VI
findet sich auf den 7 von den Fenstern entfernter stehenden
Bänken kein ausreichend heller Platz, und die Hälfte der
noch übrigen Arbeitsplätze ist ebenfalls zu dunkel. In M II,
wo nur 10 Bänke stehen, haben 3 derselben ungünstiges Licht.
Abgesehen von diesen Plätzen, ist noch in O V für die
2 Bänke, welche als dritte Bankreihe, vom Fenster aus
gerechnet, aufgestellt sind, der Baumwinkel ein zu geringer.
Im ersten Stockwerk sind in Ia, ebenfalls nach der
Hedwigstralse zu gelegen und ebenfalls mit Holzjalousien an
den Fenstern versehen, die erste Bank teilweise, die letzte auf
allen ihren Plätzen ungenügend beleuchtet.
Die übrigen Klassen erweisen sich hinreichend hell.
Von den 559 Schülern des Gymnasiums haben danach
41 zu dunkle Arbeitsplätze = 7,3°/o.
Das neue Gebäude im Hofe des städtischen Gymnasiums
besitzt einen dem Hauptgebäude parallel verlaufenden Mittelbau
und zwei kleinere sich rechtwinklig an denselben anschliefsende,
nach dem Hauptgebäude gerichtete Flügel. Im Erdgeschois
desselben liegen die Klassenräume, und zwar rechts die der
Vorschule des Gymnasiums, links einige Klassenzimmer und
der Zeichensaal der Realschule.
Man mufs im Hinblick auf die Beleuchtung der Bank-
plätze, wie die Verhältnisse jetzt liegen, die Wahl dieses
Bauplatzes und auch in manchen Beziehungen die Bauart als
wenig glücklich bezeichnen. Die Lage des Schulhauses ist
insofern ungünstig, als nach Westen das hohe Gymnasialgebäude
mit den naheherantretenden Flügeln gegenübersteht und zu
wenig Himmelslicht in die betreffenden Klassen dringen läfst,
als ferner auch gegen Süden, nach der Hedwigstralse zu,
ziemlich hohe Gebäude gegenüberliegen, während sich hier
600
dicht vor den Fenstern im Hofe die Kronen von Bäumen
erheben. Ebenso versperren nach Osten und Norden dicht-
belaubte nahestehende Bäume dem Lichte den Zutritt. Nehmen
wir nun noch hinzu, dals die Fensterfläohe sich zur Boden-
fläohe wie 1 : 10, bezw. wie 1 : 11 verhält, dals die Fenster-
pfeiler eine Breite von 1,50 bis 1,70 cm besitzen, dals in
verschiedenen Ellassen die Fenster sehr ungleich verteilt sind,
so dafs tiefe dunkle Ecken mit schlecht beleuchteten Arbeits-
plätzen entstehen, so kann man nicht umhin zu erklären, dafs
bei der Anlage dieser zum grofsen Teile von den jüngsten
Schülern benutzten Klassen viel zu wenig Rücksicht auf die
erforderliche Helligkeit genommen worden ist.
Im einzelnen hat in der Vorschule des Gymnasiums die nach
Norden gerichtete Klasse M I von 48 Plätzen 12, die Klasse
0 III und 0 II nach Süden hinaus jede 10 Plätze mit schlechter
Beleuchtung. Das Klassenzimmer 0 I ist genügend hell,
M III hat 5 zu dunkle Plätze.
Von den 191 Schülern sitzen 37 auf nicht hinreichend
erhellten Arbeitsplätzen, d. i. 19%.
Die Klassen der Realschule, welche in der linken Hälfte
dieses Gebäudes liegen, sind allesamt zu dunkel, hauptsächlich
wegen der an allen drei Seiten nahestehenden Bäume. Zahlen-
mäßig lälst sich diese Verdunkelung für die einzelnen Plätze
durch die bei der Untersuchung geübte Methode nicht nach-
weisen, aber es erscheint durchaus notwendig, dals für die
Verbesserung der Lichtverhältnisse hier etwas geschehe.
8. Die Volksschule für Knaben und Mädchen
in der Taubenstrafse.
Das Schulgebäude hat einen groisen Mittelbau, der von
Süden nach Norden verläuft und an den auf jedem Ende nach
Osten hin ein kleiner Flügel angebaut ist. Nach derselben
Himmelsrichtung, zwischen den Flügeln beginnend, liegt auch
der geräumige, mit Bäumen bepflanzte Schulhof. Nach Süden
stofsen (Jurten an das Schulhaus, nach "Westen erstreckt sich
601
ein breiter freier Platz vor demselben. Nor nach Norden
grenzt der eine Flügel des Gebäudes an eine ziemlieh enge
Strafse, die Taubenstrafse.
Die Lichtverhältnisse in dieser Schule sind gemäfe ihrer
Lage im ganzen gute. Beanstandet werden müssen die nach
Norden, nach der Taubenstrafse, im Erdgeschoß gelegenen
Zimmer wegen der geringen Beleuchtung, welche die zweite
vom Fenster entfernt stehende Bankreihe erhält. Es sind dies
die Ellassen No. I, wo 23 Plätze von 49 einen zu geringen
Raumwinkel aufweisen, und No. VI, wo die Hälfte der Plätze
unzureichendes und teilweise ganz ungenügendes Licht erhält.
Auch in diesen Klassenzimmern hätte durch Höherlegen der
Fenster, welche etwa 2 Fufs unterhalb der Decke und noch
dazu mit einem Bogen beginnen, viel Licht gewonnen werden
können. Die Häuser, welche in der Taubenstrafse dem
Schulgebäude gegenüberstehen, sind nicht hoch. Da dieselben
alt und unscheinbar sind, so wäre es leicht möglich, dafs an
deren Stelle Neubauten aufgeführt werden. Es würden dann
die 2 genannten Klassen gänzlich unbrauchbar werden.
Ferner empfangen noch 3 Klassen infolge ihrer Lage
zu wenig direktes Himmelslicht. Es sind diejenigen, welche
in den Flügeln nach dem Hofe hinaus dem Hauptgebäude
anliegen. Auch hier raubt ein Flügel dem anderen das Licht.
Von diesen Klassen liegen No. V und XI im nördlichen,
No. XXXTT im südlichen Flügel. In No. V und XI haben
die 2 resp. 3 hintersten Bänke ganz ungenügendes Licht und
anfordern auch noch je 2 Plätze auf den Bänken, welche
von den Fenstern entfernt stehen. Letzteres trifft auch in
No. XXXVII zu.
Die sämtlichen übrigen 31 Klassen sind ausreichend oder
selbst reichlich mit Licht versehen.
Die Zuggardinen waren alle gut im stände und hoch bis
an die Decke aufgezogen, so dals sie den Lichteinfall nicht
beeinträchtigten.
Von den 2100 Arbeitsplätzen sind 110 = 5% wegen un-
genügender Beleuchtung zu beanstanden.
Seholg«muidh«itfpfl«g6 VI. 39
602
9. Die Knaben- und Mädchenschule
in der Liebenauerstrafse.
Die Schulen bilden zwei getrennte Gebäude zu je 12
Klassen. Das eine ist für die Mädchen, das andere für die
Knaben bestimmt. Beide Sohulhäuser liegen oben auf der
Höhe, ringsherum frei, insbesondere nach den beiden Rich-
tungen zu, wohin die Klassenzimmer gelegen sind, nach Osten
und Westen. Infolge dieser Lage sind die Lichtverhftlt-
nisse sehr gute. Jeder Platz hat mehr als den kleinsten
zulässigen Baumwinkel. Ausserdem beginnen hier auch die
Fenster näher an der Decke, als in allen übrigen neueren
Schulen, etwa einen Fufs tief unter derselben.
Im Knabengebäude befinden sich tiberall seitliche Zug-
vorhänge, desgleichen im Mädchengebäude nach der Westseite
hin. Dagegen sind an der Ostseite des letzteren Vorhänge,
die von oben nach unten verlaufen, angebracht. Dafe diese
auch hier störend wirken, beweist der Umstand, dals zur Zeit
der UnterBuchung Versuche mit seitlichen Zugvorhängen, welche
nur die zwei unteren Fensterflügel decken, gemacht wurden.
10. Die Knaben- und Mädchensohule
in der Hermannstrafse.
Die Schule, vor 15 Jahren erbaut, bildet nur einen
Längsbau mit der Achsenrichtung von Osten nach Westen.
Die Klassenzimmer liegen teils nach Süden, nach der Hermann-
strafte zu, teils nach Norden, nach einem breiten Schulhofe
heraus. Sowohl in den südlich, wie in den nördlich ge-
richteten Bäumen sind die Lichtverhältnisse durchweg ge-
nügende, in den letzteren sogar gute. Sämtliche 24 Klassen
mit zur Zeit 1402 Arbeitsplätzen erscheinen hinreichend hell.
In der Hermannstrafse liegen zwar die Häuser der anderen
Strafsenseite gegenüber, aber dieselben sind nicht sehr hoch.
Außerdem ist die Strafse ungefähr einundeinhalbmal so breit,
als die Höhe der Häuser beträgt, und das Erdgeschoß des
Schulhauses ziemlich hoch gelegt, ein Verfahren, welches
4
t
603
sich bei allen in Strafsen liegenden Schulen ausserordentlich,
empfiehlt.
11. Die Schulen der Franckeschen Stiftungen.
Diese Schulen liegen zum grofeen Teile in den Gebäuden,
welche den langen Mittelhof der Stiftungen begrenzen. Es
sind dies der Hauptmittelbau, die beiden langen, rechtwinklig
sich an denselben anschliessenden Flügel und das Pädagogium,
welches den Hof nach Osten hin abschließt. Im Haupt-
mittelbau befindet sich die Mehrzahl der Klassen der Latina,
12 an Zahl, und zwar nach Westen nach dem Franckeplatz
hinaus; die übrigen Klassen dieser Schule liegen in dem
nach Osten gelegenen Flügel des Pädagogiums. In dem linken
langen Seitenflügel, dessen eine Front nach dem Hofe, dessen
andere, die nördliche, nach der Promenade zu gelegen ist, sind
die Freischule, eine Klasse der Vorschule, 2 Klassen des
LehrerinneDseminars, die Knaben- und Mädchenbürgerschule
untergebracht. In dem rechten Seitenflügel, dessen Nordseite
nach dem Hofe, dessen Südseite nach dem Waisenhausgarten
gerichtet ist, liegen nahe am Hauptgebäude in den oberen
Stockwerken 5 Klassen der Vorschule, weiterhin, nahe am
Pädagogium, in einem niedrigen Bau die Klassen der höheren
Mädchenschule. Zwei Klassen der letzteren haben in einem
vom Pädagogium seitlich stehenden Gebäude Unterkunft ge-
fanden. Aufser diesen vielfach ineinander geschobenen Schulen
besteht noch das Realgymnasium, welches einen abseits nach
Süden gelegenen, im Jahre 1852 errichteten Längsbau mit der
Achsenrichtung von Osten nach Westen einnimmt.
Die sämtlichen Schulen mit Ausnahme des Real-
gymnasiums sind noch zu Lebzeiten Franckes gebaut worden.
Im wesentlichen haben daher sowohl die Schulgebäude als die
Klassen noch dasselbe Aussehen, wie vor fast 200 Jahren.
An denselben sind die Wandlungen der Ansiohten über die
Bauart, die Einrichtung, die hygienischen Erfordernisse der
Unterrichtsanstalten fast spurlos vorübergegangen.
Es kann deshalb nicht Wunder nehmen, dafs auch die
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Lichtverhältnisse, welche ebenfalls sieb nur wenig seit der Er-
bauung der Schulen geändert haben, den heutigen Anforderungen
in einer grofsen Anzahl von Klassen selbst nicht annähernd
entsprechen. Die Fenster sind viel zu klein, und das Ein-
dringen des Lichtes wird noch dadurch erschwert, dafe dieselben
keine grösseren Glasflächen besitzen, sondern durch Leisten in zahl-
reiche kleine Scheiben geteilt sind. Man zählt in diesen Fenstern,
welche an G-rölse von denen eines gewöhnlichen Privathauses
der Neuzeit übertroffen werden, 8 — 24 Scheiben, deren Ein-
fassungsleisten natürlich einen Teil des Himmelslichtes rauben
und so in ganz beträchtlicher Weise den Raumwinkel ver-
ringern. Dazu kommen noch die grauen Zugrouleaux, welche
in den Fensteröffnungen selbst angebracht sind und auch beim
besten Willen nicht soweit hinaufgezogen werden können, dafe
sie nicht einen Teil der oberen Fensterscheiben verdecken,
während sie gewöhnlich die letzteren ganz verdunkeln. Diese
alten unpraktischen Bordeaux finden wir in den meisten Unter-
richtsräumen noch vor, nur die Klassen der höheren Mädchen-
schule, der Latina im Mittelbau und des Realgymnasiums sind da-
von beireit worden. Da die Zimmer nicht sehr tief, sondern mehr
langgestreckt sind, und da nur 2 oder 3 kleine Fenster die-
selben erhellen, so besitzen die Pfeiler zwischen den letzteren
eine aufser ordentliche Breite, welche 1,6 m und darüber beträgt.
Die Plätze an diesen Pfeilern sind deshalb auch regelmäßig
zu dunkel.
Zweierlei Umstände verhüten, dafs die Lichtverhältnisse
nicht noch sohlechter, als in der That sind. Erstens ist die
Mehrzahl der Ellassen in die oberen Stockwerke verlegt, wo-
durch die Menge und die Art des einfallenden Himmelslichtes
wesentlich gebessert wird, und zweitens befindet sich der obere
Fensterrand direkt an oder wenig unterhalb der Zimmerdecke.
Die Fenster sind hier meistens höher nach oben hinauf an-
gebracht, als in allen neueren Schulen.
Über die Resultate der Lichtmessungen in den einzelnen
Schulen der Franckeschen Stiftungen ist folgendes zu bemerken.
Die 12 Klassen der Latina im Hauptgebäude liegen im
605
ersten und zweiten Stockwerk und haben bei hoohgezogenen
Fenstervorhängen auf allen Plätzen genügende Beleuchtung.
Die 7 übrigen Klassen dieser Schale befinden sich in dem
dritten Stockwerk des Flügels, welcher sich nach Osten hin
an das Mittelgebäude des Pädagogiums anschliefst. Die hier
gelegenen Zimmer gehen zum Teil nach Norden, zum Teil
nach Süden. Die Klassen nach Süden heraus, ebenso wie
0 II b nach Norden heraus haben ausreichendes Licht. Die
beiden anderen Klassen nach Norden sind dadurch schlechter
gestellt, dals sich die Kronen von Pappeln vor den Fenstern
ausbreiten. Selbst wenn in diesen Zimmern zweokmäfsiger-
weise die Bänke bis dicht an die Fenster herangestellt werden,
genügt das Licht doch nicht ganz. Insbesondere sind die
Plätze hinter den Pfeilern entschieden zu dunkel. Genauere
Messungen des Baumwinkels waren hier wegen der erwähnten
Baumwipfel nicht möglich.
Das Bealgymnasium liegt rechts vom Eingang, schon
in den Gartenplatz hinaus, mit der Achsenrichtung von Osten
nach Westen. Die Klassenzimmer sind meistens nach Süden
gerichtet, nur Ya im Erdgesohofs und der Zeichensaal im
zweiten Stockwerk gehen nach Norden. An den Fenstern
der Südseite sind, wie bereits oben erwähnt, die Fenster-
laden unpraktisch, besonders da sie wegen des hellen Sonnen-
lichtes während der Mehrzahl der Schulstunden benutzt werden
müssen. Vor den Fenstern des Erdgeschosses im Süden er-
heben sich Bäume, welche die Klassen verdunkeln, so dals
schätzungsweise in Vb ein Drittel, in VIb die Hälfte der
Plätze ungenügendes Licht empfängt. Es würde sich empfehlen,
diese beiden Klassen nach Norden und dafür Aufbewahrungs-
räume, Konferenzzimmer und dergl. nach Süden zu verlegen.
Die höhere Mädohenschule. Die Lichtverhältnisse
dieser Schule sind ungenügende. Nach dem Hofe zu erhebt
sich gegenüber das 4 Stock hohe linke Seitengebäude, und
zwar in einer Entfernung, welche bedeutend kleiner ist, als
seine Höhe. Nach Süden, nach dem Waisenhausgarten hin,
stehen nahe am Hause dichtbelaubte Bäume, welche die Zimmer
606
so weit verdunkeln, dals in Klasse VII, desgleichen in Klasse V
überhaupt kein Platz während der Sommerzeit schätzungsweise
genügendes Licht hat und dafs im Zeichensaal, ebenfalls nach
Süden gelegen, zwei Drittel der Plätze zu dunkel sind. Die
größte Helligkeit von allen Ellassen hat noch die Klasse I dadurch,
dafs sie die ganze Breite des Gebäudes einnimmt und sowohl
von rechts als links licht erhält. Zwar zeigt sich der Raum-
winkel auch in diesem Zimmer für eine Anzahl von Plätzen
zu gering, jedoch ist der Einfluß der Beleuchtung von zwei
Seiten, welche überhaupt als eine recht zweckmässige empfohlen
werden kann, durch stärkere Wirkung des reflektierten Lichtes
augenscheinlich ein so bedeutender, daJfa auch die Plätze mit
nicht ausreichendem Baumwinkel genügend hell sind. Da-
gegen zeigen die übrigen nach Norden liegenden Blassen eine
ganz ungenügende Beleuchtung der Arbeitsplätze. Die Hälfte
derselben hat überhaupt kein direktes Himmelslicht, das dritte
Viertel ist unzureichend hell, und nur die unmittelbar am Fenster
gelegenen Plätze werden hinlänglich beleuchtet. Diese Resul-
tate erhält man gleichmäßig in den Blassen IV, VIII, VI
und V. Rechnet man selbst zu dem vorhandenen Raumwinkel
das von der nach Süden gerichteten Wand des gegenüber-
liegenden Seitengebäudes reflektierte Licht hinzu, so bleiben
doch die Helligkeitsverhältnisse derartige, dals vom hygienischen
Standpunkte eine Verlegung der Schule dringend geboten er-
scheint.1 Zwei Lehrzimmer der höheren Mädchenschule
liegen im ersten Stockwerk eines isolierten Gebäudes nahe am
Pädagogium, mit der einen Front nach diesem, mit der anderen
nach dem Garten gerichtet. Es sind dies die Klassen No. X
und No. IX. In No. X erhalten die hintersten Bänke kein
genügendes, ja 3 Plätze gar kein direktes Himmelslioht.
No. IX empfängt während der Vormittagsstunden, in denen
hier nur unterrichtet wird, ausreichende Beleuchtung.
1 Aus einem Aufsätze des verstorbenen Direktors der Franckeschen
Stiftungen, Dr. 0. Fkick, veröffentlicht in der Festschrift /&r die
64. Natwforschervcr sammhing, 1891, geht hervor, dals ein Neubau für
die höhere Mädchenschule in Vorbereitung ist.
607
Von den zur Zeit vorhandenen 255 Schülerinnen haben
88 = 34,5% ungenügendes Licht,
55 = 21,5% kein direktes Himmelslicht,
142 = 44% ausreichendes Licht.
Die Vorschule liegt hauptsächlich im rechten Flügel
über dem gemeinsamen Speisesaale nahe am Mittelgebäude.
Hier befinden sich 5 Klassen, und zwar sind 3 davon nach
Norden, nach dem Hauptschulhofe, 2 nach Süden gerichtet.
Von den 3 Klassen, welche nach Norden liegen, hat die zweite
Parallelklasse 10, die zweite Klasse 12 ungenügend beleuchtete
Plätze. In der dritten Klasse ist die Beleuchtung ausreichend.
Ebenso findet sich in den 2 Klassen nach Süden genügendes
Licht. Nur je 2 Plätze an den bis 2,20 m breiten Fenster-
pfeilern sind zu dunkel. Eine Klasse der Vorschule liegt im
Erdgeschoß des linken Seitengebäudes ebenfalls nach dem
Hofe. Hier erhält die zweite, von den Fenstern entfernter
stehende Reihe von Bänken auf allen ihren Plätzen un-
zureichendes Licht.
Die Vorschule scheint zur Zeit schwach besucht zu sein,
denn für die 170 Arbeitsplätze sind nur 129 Schüler vor-
handen. Von den 170 Bankplätzen haben 50 = 30% einen
zu geringen Raumwinkel.
Viel schlimmer erweisen sich die Verhältnisse in der
Freischule, von welcher 3 Klassen nach dem Hofe zu nahe
der Ecke, welche das Hauptgebäude mit dem Seitengebäude
bildet, liegen, während eine Klasse die Fenster nach Norden hat.
Nach Süden hin befindet sich die erste Mädchenklasse.
8 Plätze erhalten hier überhaupt kein Himmelslicht, 30 un-
genügendes, und nur 10 Plätze direkt am Fenster erfreuen
sich einer befriedigenden Lichtmenge.
In der zweiten Mädchenklasse empfangt ein Drittel sämt-
licher Plätze überhaupt kein direktes Himmelslicht, ein Drittel
ungenügendes und nur ein Drittel ausreichendes.
In der ersten Knabenklasse hat sogar die Hälfte der Sohüler
auschlielslich indirektes, ein Viertel derselben ungenügendes
und allein ein Viertel befriedigendes Licht.
608
fn der zweiten Knabenklasse, welche nach Norden liegt,
sind 10 Plätze ebenfalls zu dunkel.
Demnach haben von den 155 Kindern, 82 Schülerinnen
und 73 Schülern, 40 = 26% überhaupt kein direktes Himmels-
licht auf ihren Arbeitsplätzen, 55 = 36% ungenügendes und
nur 60 = 38% ausreichendes Licht.
Die Räumlichkeiten, in denen jetzt die Freischule sich
befindet, sind nach diesen Ergebnissen als für Klassenzwecke
durchaus unbrauchbar und für die Gesundheit der Kinder
schädlich zu bezeichnen.
Dasselbe Urteil verdienen auch noch verschiedene Klassen
der Knabenbürgersohule, welche gleichfalls im Erd-
geschoß und ersten Stockwerk des linken Seitengebäudes
liegen.
Im Erdgeschoß nach Süden, nach dem Hofe zu, befindet
sich Klasse VIII. Die nahe am Fenster stehende Bankreibe
erhält hier ausreichendes Licht. Von der zweiten Reihe
haben 4 ßänke auf allen Plätzen, die anderen 3 auf der Hälfte
derselben einen zu geringen Raumwinkel. Nach derselben
Seite liegt Klasse V. Es empfangen hier zwei Fünftel aller
Plätze überhaupt keine Beleuchtung durch direktes Himmels-
licht, zwei weitere Fünftel ungenügende und nur ein Fünftel
ausreichende.
Nach Norden im Erdgeschoß liegen Klasse V, VI und Vli.
In der ersteren haben 8 vom Fenster entfernt und 3 hinter
den breiten Fensterpfeilern sitzende Schüler zu dunkele Ar-
beitsplätze. In Klasse VI sind 10 Plätze hauptsächlich dadurch
zu wenig erhellt, dafe die zweite Reihe der Bänke bis an die
den Fenstern gegenüberliegende Wand gerückt ist mit ganz
unnötiger Verbreiterung des Ganges zwischen den beiden Bank-
reihen In No. VII ist die Beleuchtung ausreichend.
Im ersten Stockwerk erweisen sich die nach Norden liegenden
Klassen II, IV und die Parallelklasse VII hinreichend hell,
desgleichen der Zeichensaal, der von Norden und Süden
zugleich Licht erhält. Dagegen tritt nach dem Hofe, nach
Süden zu auch noch im ersten Stockwerk der lichtbeschränkende
i
609
Einflufs der gegenüberliegenden hohen Gebäude stark hervor.
So sind in Klasse I und HI je 10 Plätze, in der Parallel-
klasse III 8 Plätze zu dunkel. In der Parallelklasse IV haben
von 42 Plätzen 21 überhaupt keinen Raumwinkel, 7 Plätze
einen zu geringen, und nur 14 genügen den Anforderungen.
Ebenso liegen die Verhältnisse in Klasse VI, wo unter
45 Schülern 24 von ihren Plätzen aus den Himmel überhaupt
nicht sehen können, 7 einen zu geringen Baumwinkel besitzen.
Nach diesen Messungen erhalten von den 450 Schülern
der Knabenbürgerschule auf ihren Plätzen
63 kein Himmelslicht = 14%,
95 ungenügendes Licht = 21%,
292 ausreichendes Licht = 65%.
Weit besser in ihren Lichtverhältnissen erscheinen die
Bäume der Mädchenbürgerschule, und zwar aus dem
Grunde, weil dieselben 2, 3 und 4 Treppen hoch liegen.
Die Klassen nach Norden sind sämtlich hell genug. Von
den nach Süden gelegenen sind in Klasse HI 11 Plätze, in
Ellasse I die Plätze der 6 hintersten Bänke zu dunkel.
Auch die 2 Klassen des Lehrerinnenseminars, die
eine nach Norden, die andere nach Süden, ebenfalls in diesem
Flügel gelegen, sind hinreichend hell.
Wir haben also keine erfreulichen Lichtverhältnisse für
die Mehrzahl der Schulen der Franckeschen Stiftungen gefunden,
und auch in anderen sanitären Beziehungen dürften die jetzigen
Gebäude und Einrichtungen der Anstalt weit hinter den An-
forderungen der Sohulgesundheitspflege zurückbleiben. Es
müfste daher als ein segensreicher Fortschritt bezeichnet werden,
wenn an malsgebender Stelle der Entschluß gefafet würde,
neue Gebäude für die einzelnen Schulen zu errichten. Platz
dafür ist ja hinreichend vorhanden in den weiten Gartenanlagen
und Plätzen, welche die Verwaltung der Stiftungen mit grolser
Festigkeit und Einsicht den verschiedenen Anerbietungen von
Seiten der Stadt gegenüber festgehalten hat. Das Ziel, die
vielen Tausende von Kindern, welche jahrein, jahraus den
Unterricht an dieser hervorragenden, altberühmten Anstalt
610
empfangen, unter Bedingungen zu setzen, dafe sie durch, die
Schule in ihrer Gesundheit nicht beeinträchtigt werden, in
zahlreichen Fällen sogar einen gesünderen Aufenthalt daselbst
finden, als in ihrer Familienstätte, ist ein so hohes, dafe man
dasselbe gegenüber den anderen von den Stiftungen erstrebten
niemals aus den Augen verlieren darf.
2Us flerfammUttgett tt«t herein tu.
Wie sorgt die höhere Mädchenschule
Ar die körperliche Ausbildung ihrer Zöglinge?
Aus den Verhandlungen
der dreisehnten Hauptversammlung des deutschen Vereins
Ar das höhere Mädchenschulwesen in Kiel.
Von
L. KOTELMANN.
(Schlaft.)
n.
Wie für das Gehirn, so hat die höhere Töchterschule
auch noch für ein anderes Organ ihrer Zöglinge Sorge zu
tragen, das mit demselben aufs engste zusammenhängt. Dieses
Organ ist das Auge und die Gefahr, welche ihm droht, die
Sohulkurzsichtigkeit. Da nach dem OoHNschen Gesetze die
Myopie am seltensten in den niederen Schulen, öfter in den
Mittelschulen und am häufigsten in den höheren Schulen vor-
kommt, so nehmen die Mädchenschulen in dieser Besiehung
eine Mittelstellung ein. In der höheren Töchterschule zu
Wiesbaden fanden sich z. B. 20% Kurzsichtige, während in
den Gymnasien und Realgymnasien die Zahl derselben fast
doppelt so groJß ist. Übrigens steigt auch in den höheren
Mädchenschulen die Kurzsichtigkeit sowohl der Häufigkeit, wie
611
dem Grade nach mit den oberen Klassen und den wachsenden
Lebens- und Schuljahren an.
In jüngster Zeit ist nun mehrfach, vor allem von päda-
gogischer Seite, die Behauptung aufgestellt worden, dafs die
Myopie nichts Schlimmes oder gar Gefährliches sei, ja man
hat sie geradezu für eine nützliche Anpassung an die Be-
schäftigung in der Nähe erklärt. Dieser Anschauung vermag
ich jedoch nicht beizustimmen. Ganz abgesehen davon, dafs
eine Brille, wie sie Kurzsichtige für die Ferne tragen müssen,
einem jungen Mädchen gewifs nicht zur Zierde gereicht, ist
die Sehschärfe der Myopen auch um so geringer, je höher der
Grad ihrer Kurzsichtigkeit ist. Dazu kommt noch, dafs das
kurzsichtige Auge gewissen ernsten Gefahren ausgesetzt ist.
Bei den höheren Graden treten nicht selten Netzhautblutungen
oder Netzhautablösungen, bisweilen auch grüner oder grauer
Star ein, wodurch das Sehvermögen fast immer mehr oder
weniger leidet, hin und wieder selbst vollständig verloren
geht.
Auch die höhere Töchterschule wird daher in den Kampf
gegen die Kurzsichtigkeit mit aller Entschiedenheit eintreten
müssen. Freilich gibt es eine Reihe die Entstehung der
Myopie begünstigender Faktoren, auf welche die Schule gar
keinen Einfiufs besitzt. Hierher gehört zunächst die erbliche
Anlage zu diesem Brechungsfehler. In einer Anzahl von
amerikanischen höheren Töchterschulen hat Dowling gefunden,
dafs bei 8, bezw. 10, 12, 16% der kurzsichtigen Mädchen die
Myopie auf Vererbung zurückzuführen war, und in Über-
einstimmung damit erklärt Professor Pflüger in Bern die erb-
liche Anlage für das mächtigste disponierende Moment der
Kurzsichtigkeit. Ein anderer Grund für die Entstehung der-
selben, mit dem die Schule nicht das Geringste zu schaffen
hat, liegt in der Basse des Kindes. Nach Stbphenson kommt
Kurzsichtigkeit bei jüdischen Mädchen fast dreieinhalbmal so
oft, als bei christlichen vor. Ferner haben sich in Amerika
die Kinder deutscher Herkunft häufiger myopisch gezeigt, als
diejenigen englischer oder irischer Abstammung, und das gleiche
612
Verhältnis scheint; zwischen der germanischen und romanischen
Jngend zum Nachteil der ersteren zu bestehen.
Wenn also die Schule schon ans diesen Gründen durchaus
nicht für alle Fälle von Myopie verantwortlich gemacht werden
kann, so lälst sich doch auf der anderen Seite nicht leugnen,
dafs die Kurzsichtigkeit fast immer während der Schulzeit ent-
steht und dafs die Schule dabei einen wichtigen Einfluß
ausübt. Dieser Einflufs ist in der von ihr geforderten Nahe-
arbeit zu suohen, wie sie namentlich beim Lesen, Schreiben
und den weiblichen Handarbeiten stattfindet. Dafs es in der
That die Nahearbeit ist, welche die Kurzsichtigkeit erzeugt,
geht schon daraus hervor, dafe sich die letztere bei allen
Kulturvölkern, dagegen so gut wie niemals bei den Natur-
völkern findet.
Die höhere Töchterschule wird daher die Beschäftigung
in der Nähe bei ihren Schülerinnen so viel als möglich ein-
schränken müssen. In dieser Beziehung würde sich vor allem
eine Verkürzung der Unterrichtszeit zu gunsten des Turnens,
der Jugendspiele, des Ruderns, des Schlittschuhlaufens, kurz
aller Arten von körperlicher Bewegung, empfehlen. Bisher
pflegt in unseren Schulen, wenn wir von den Pausen absehen,
eine Lektion mit einer astronomischen Stunde zusammen-
zufallen. Mag dieser Brauch auch durch die Jahrhunderte
geheiligt sein, so spricht doch nicht der geringste physiologische
oder psychologische Grund für denselben. Im Gegenteil, die
interessanten Versuche Professor Burgersteins haben gezeigt, dato
die Leistungsfähigkeit zwölf- bis dreizehnjähriger Kinder bereits
nach 30 Minuten sowohl in quantitativer als in qualitativer
Beziehung beträchtlich abnimmt. Von verschiedenen Seiten ist
daher mit Recht der Vorschlag gemacht worden, jüngere Schüler
und Schülerinnen nicht in ganzstündigen, sondern in halb-
stündigen Lektionen zu unterrichten, und die dabei erzielten
Erfolge sind außerordentlich günstig gewesen. In 6 halb-
stündigen Rechenlektionen wurde z. B. mehr, als in 4 Voll-
stunden per "Woche erreicht.
Von grofsem Vorteil für die Augen der Schülerinnen
613
würde ferner die Einführung der Steilschrift in den Schulen
sein, die zugleich einer besseren Körperhaltung der Mädchen
und damit einer Verringerung der bei diesen so häufigen Rück-
gratsverkrümmungen zu statten käme. Die Untersuchungen
von Mater, Schubert, Hoffa, Seggel und Sohulthess haben
nämlich ergeben, dafe bei senkrechter Schrift sowohl die Kopf-
ais die Rumpfhaltung der Kinder eine günstigere, als bei
schräger Schrift unter im übrigen gleichen Verhältnissen ist;
die Zahl der absolut gerade Sitzenden erwies sich bei Steil-
schrift sogar mehr als doppelt so grofs, nämlich 25% gegen 11%.
Außerdem aber betrug die Entfernung der Augen von dem
Hefte, bezw. der Federspitze bei der Steilschrift durchschnittlich
5,6 cm mehr, als bei der Schrägschrift, ein für die Verringerung
der Kurzsichtigkeit gewifs nicht zu unterschätzender Vorzug.
Kommt die senkrechte Schrift aufser den Augen auch
dem Bückgrat der Schülerinnen zu gute, so laust die Anstellung
von Schulärzten eine heilsame Wirkung in noch weiterem
Sinne erhoffen. Zu den Aufgaben derselben würde gehören:
bei Neubauten von Unterrichtsanstalten die Begutachtung des
Bauplatzes, des Bauplanes und der Bauausführung in gesund-
heitlicher Beziehung, bei älteren Bauten die Überwachung der
Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungsanlagen, der Trinkwasser-
versorgung, der Beinlichkeit der Klassen und Turnsäle, die
Verteilung der Schülerinnen ihrer Gröfse entsprechend in die
passenden Bänke, die körperliche Untersuchung Neueintretender,
um zu Schwache vorläufig zurückweisen zu können, in Zeiten
von Epidemien die Ausschliefsung Erkrankter oder Verdäch-
tiger, ferner die Beobachtung der Haltung, insbesondere beim
Schreib- und Handarbeitsunterrichte, endlich die Prüfung
Kurzsichtiger, Schwerhöriger und Schwachbegabter. Schul-
ärzte mit solchen oder ähnlichen Funktionen bestehen bereits
in einer Reihe von Ländern, wie Frankreich, Belgien, Eng-
land, Norwegen und Ungarn. In Deutschland dagegen hat
diese Institution bis jetzt noch wenig Eingang gefunden,
obgleich sich immer mehr Stimmen dafür erheben.
Alle Thätigkeit der Schulärzte aber wird so lange unzu-
614
reichend sein, ab nicht auch die Lehrer und Lehrerinnen
hygienische Kenntnisse und vor allen Dingen hygienisches
Interesse besitzen. Um dieses Ziel zu erreichen, müfsten die
zukünftigen Kandidaten des höheren Schulamts Vorlesungen
über Schulhygiene hören, wie solche bereits zweimal wöchentlich
an den Universitäten Leipzig, Gießen und Bern gehalten
werden. Auch die Mitglieder der pädagogischen Universitäts-
seminare, sowie die Probekandidaten sollton theoretisch und
praktisch in die Schulgesundheitspflege eingeführt werden«
Ebenso darf dieselbe in dem Lehrplan der Lehrer- und
Lehrerinnenseminare nicht fehlen, wie denn beispielsweise in
Österreich an sämtlichen Lehrerinnenbildungsanstalten hygieni-
scher Unterricht durch Arzte erteilt wird. Um endlich auch
die älteren Lehrer und Lehrerinnen mit dem Gegenstände
vertraut zu machen, empfiehlt es sich, sohulhygienisohe Themata
mündlich in Konferenzen zu besprechen oder schriftlich in
Anstaltsprogrammen abzuhandeln.
So ausgebildete Lehrer und Lehrerinnen würden dann
auch im stände sein, ihre Zöglinge in den Elementen der
Hygiene zu unterrichten. Nicht als ob dadurch der Stunden-
plan der höheren Töchterschulen weiter belastet und den
Klagen über Überbürdung neue Nahrung geboten werden solle.
Der hygienische Unterricht lälst sioh vielmehr ohne Schwierig-
keit in die physikalischen, chemischen und naturbeschreibenden
Lektionen einfügen, zumal es an geeigneten Handbüchern zu
diesem Zwecke nicht fehlt. Für Lehrer würden wir die Vor-
lesungen über öffentliche und private Gesundheitspflege von
Rosenthal oder Flügge empfehlen, auch die mehr populäre
Hygiene von Schmitz, für Schülerinnen den Katechismus der
Gesundheitslehre von Trzoska, die Gesundheitspflege für
Schulen von Scholz und den kleinen Gesundheitsspiegel von
Mohaupt.
Wenn Sie auf diese Weise, so schloß der Vortragende,
die Gesundheit und körperliche Ausbildung Ihrer Zöglinge ein
jeder an seinem Teile fördern helfen, so dürfen wir hoffen,
dem Ziele aller Pädagogik, der harmonischen Ausbildung von
615
Geist und Leib, immer .näher zu kommen. Nachdem der
Körper infolge der herrschenden theologischen Anschauung
des Mittelalters länger als ein Jahrtausend verachtet gewesen,
ist er durch Renaissance und Reformation, vor allem aber
durch die Fortschritte der modernen Naturwissenschaften,
wieder in gleiche Rechte mit dem Geiste eingesetzt worden.
Diese Gleichberechtigung aber soll auch in der Schule herrschen.
„Wir erziehen nicht einen Geist, und wir erziehen nicht einen
Leib, tf sagt Montesquieu, „sondern wir erziehen einen Menschen. u
Was indessen für eine jede Erziehung gilt, das gilt doppelt
und dreifach für diejenige des weiblichen Geschlechtes.
Immer lauter ertönt in unseren Tagen der Notschrei: „Was
wird aus unseren Töchtern ?u und immer mehr werden auch
die jungen Mädohen der höheren Stände in den harten Kampf
ums Dasein gedrängt. In diesem Kampfe aber gilt das Recht
des Stärkeren, und schon mehr als eine zarte Konstitution ist
allein um ihrer Zartheit willen in demselben erlegen. Aber
nicht nur gesunde Jungfrauen, auch gesunde Frauen thun uns
not. Nichts trauriger als eine immer kränkelnde, immer
nervöse, immer badereisende Gattin, und nichts beglückender
als eine solche, der einst Cornelius Scipio an der via Appia
in Rom die Grabschrift setzen liefs: „Ihre Schönheit und
Frische kam ihrer Tugend gleich." Und fordert nicht auch
das Vaterland gesunde Mütter von uns? „Ich suche nach
Soldaten, wir wollen eine starke Generation haben," so hat
der Kaiser gesprochen. Eine starke Generation aber wird nur
von gesunden Müttern geboren, und nicht ohne Grund hat
deshalb jener Preulsenkönig die kräftigsten Frauen seines
Reiches mit seinen Gardegrenadieren vermählt.
Lassen Sie uns daher alle Priester und Priesterinnen
der Hygiea sein, lassen Sie uns in der Gesundheitspflege nicht
nur eine Wissenschaft, sondern auch eine Tugend sehen, und
lassen Sie uns des Wortes Sbnegas stets eingedenk bleiben:
„Non est vivere, sed valere vita, nicht leben heilst leben,
sondern gesund sein — das heilst leben!"
Die von dem Redner aufgestellten Leitsätze lauteten :
616
1. Die Anstellung von Schulärzten für die höhere Mädchen-
schule ißt wünschenswert, doch darf die einheitliche
Schulleitung dadurch nicht gefährdet werden.
2. Es empfiehlt sich, die Steilsohrift in die genannten
Schulen einzuführen, zumal da Rückgratsverkrüm-
mungen bei Mädchen häufiger, als bei Knaben vor-
kommen.
3. In dem naturwissenschaftlichen Unterrichte der höheren
Mädchenschule sind auch die Grundzüge der Gesund-
heitspflege unter besonderer Berücksichtigung des
weiblichen Berufes zu lehren.
Yon diesen Thesen wurde die zweite und dritte unver-
ändert, die erste in folgender Fassung angenommen : Die Ein-
richtung behördlich angestellter Ärzte, die über die gesund-
heitsmäfsige Beschaffenheit des Schulbaus und. der Schulräume
zu wachen und in allen übrigen sohulhygienisohen Fragen der
Schulleitung auf deren Ersuchen Bat und Beistand zu gewähren
haben, ist auch für die höheren Mädchenschulen wünschenswert.
Die Forderungen der Schulgesundheitspflege
an die Unterrichtspansen.
Vortrag,
gehalten im Münchener Turnlehrenrerein.
Von
Fa. Ed. Stützer,
städtischem Lehrer in München.
Im Frühjahr 1891 gewannen die Reformbestrehungen auf
dem Gebiete der Schule auch in Bayern greifbare Gestalt,
freilich zunächst nur an den Mittelschulen. Diese erhielten
durch ministeriellen Erlais nach jeder Unterrichtsstunde eine
617
Pause von 10 Minuten. Die Volksschulen, auch die der
Hauptstadt, blieben von dieser zeitgemäfsen Bewegung un-
berührt.
Der Münchener Turnlehrerverein beauftragte mich daher,
über die Frage: „Welche Forderungen stellt die Schul-
gesundheitspflege an die Unterrichtspausen?u einen
Vortrag zu halten.
Um demselben eine möglichst breite Unterlage zu geben,
wandte ich mich an die größeren Städte Deutschlands mit
Fragebögen. In diesen war um Auskunft gebeten über die
Zahl und Dauer der Pausen, den Ort, wo diese verbracht
werden, und die Beschäftigung der Schüler an diesem Orte.
Die Antworten wurden mit gröfster Bereitwilligkeit erteilt, und
so konnte ich ein umfassendes Bild der Unterrichtspausen in
den Städten Berlin, Wien, Dresden, Frankfurt a. M., Leipzig,
Braunschweig und Mannheim entwerfen.
Den Inhalt meines Vortrages fafste ich in folgende Leit-
sätze zusammen:
1. In allen Klassen ist nach jeder ersten Stunde des Vor-
und Nachmittagsunterrichts eine Pause von 5 Minuten,
nach jeder zweiten und dritten Stunde eine solche von
15 Minuten zu halten.
2. In den Pausen verlassen die Schüler das Zimmer;
vom Standpunkte der Schulgesundheitspflege ist es
dringend wünschenswert, daJs dieselben, wenn die ört-
lichen und zeitlichen Verhältnisse, sowie die Witterung
es gestatten, ins Freie gehen.
3. Im Freien sollen die Thätigkeiten möglichst das Ge-
präge der Freiheit und Freiwilligkeit tragen.
Die Schulgesundheitspflege empfiehlt angemessene
körperliche Bewegung, wie Gehen im Um- und Gegen-
zuge, von Schülern selbst gewählte Spiele.
4 Die Pausen müssen zu gründlicher Lüftung der
Schulsäle benutzt werden, soweit nicht durch neueste
Heizungs- und Lüftungseinrichtungen andauernd gute
Luft geschaffen ist.
8chnlg«ii!ndheittpfleg« VI. 40
618
Die vier Leitsätze fanden im Münchener Turnlehrervereine
einstimmige Annahme. Man beechlois, Hand in Hand mit
dem Bezirkslehrerverein München eine diesbezügliche Eingabe
an die hiesige Schalbehörde zn machen. Dieselbe ist fertig-
gestellt and kommt demnächst in den Einlauf der Schal«
kommission.
Gasheiznng für die Uhlandschule in Frankfurt a. H.
Gutachten des städtischen Gesundheitsrates daselbst.
Der stadtische Gesundheitsrat von Frankfurt a. M. beschäftigte
sich nach dem „Journ. f. G-asbd. u. Wasserversorg* in seiner letzten
Sitzung mit der Heizung fttr die neu zu erbauende Uhlandschule.
Die Baudeputation hatte Gasofenheizung vorgeschlagen. Eine Kom-
mission des Gesundheitsrates nahm daher in einer der dortigen
Schulen Versuche mit einem von den Warsteiner Hüttenwerken
bezogenen Gasofen vor, die in jeder Beziehung befriedigend ausfielen.
Zugleich zog sie von auswärts Erkundigungen ein, speciell von
Karlsruhe, wo man seit nunmehr 5 Jahren die Gasheizung in Schulen
und Krankenhäusern mehr und mehr eingeführt hat, so dafe jetzt
bereits in über 200 öffentlichen Gebäuden diese Heizungsart besteht.
Auch von hier wurden sehr gute Resultate berichtet. In einem Schreiben
des Rektors der städtischen Schulen von Karlsruhe heilst es am
Schlufs, die Gasheizung gelte auf Grund mehrjähriger Erfahrungen
so sehr als die vorzüglichste der vorhandenen Heizeinrichtungen,
dafs sie für jedes neu zu erbauende Schulhaus von Seiten der Schul-
kommission als selbstverständlich vorausgesetzt werde.
Auf Grund eines eingehenden, vom Stadtarzt verfaßten Kom-
missionsberichtes erklärte der Gesundheitsrat daher einstimmig,
dafs der für den Neubau der Uhlandschule vorgesehenen Gasheizung
sanitäre Bedenken nicht entgegenstehen und deren Ausführung für
die Schule zu empfehlen sei.
619
kleinere Jtitteilititjeit.
Aufregende Privatlektflre der Schülerinnen. Der Direktor
der städtischen höheren Mädchenschule zu Braunschweig, Dr. Sommer,
bringt in dem letzten Jahresberichte seiner Anstalt folgende be-
herzigenswerte Worte an die Eltern über die Privatlektüre der
Mädchen: Es wird den Eltern bekannt sein, dafs die Schule,
um ihren Schülerinnen Gelegenheit zum Lesen wirklich guter Bücher
zu geben, für jede der mittleren und oberen Klassen eine kleine
Bibliothek angeschafft hat, deren Benutzung den Schülerinnen für
ein vierteljährliches Lesegeld von 25 Pf. frei steht. Diese Bücher
enthalten nun nicht etwa, wie vielleicht manche Eltern argwöhnen,
nüchterne, lehrhafte Geschichten, welche den Zweck verfolgen, das
unterrichtliche Werk des Lehrers fortzusetzen, also etwa Natur-
geschichtliches, Geographisches u. s. w. ; in diesem Falle würde man
sich gar nicht wundern, wenn die Schülerinnen nur mit einer ge-
wissen Scheu sich derartigen Büchern näherten. Wir bieten aller-
dings nicht spannende Romane, nicht Schilderungen wunderbarer
Abenteuer, bei denen das Wunderbarste ist, dafs der Held stets
siegreich ans denselben hervorgeht, sondern kräftige Hausmannskost,
eine anregende Nahrung für Eopf und Gemüt unserer Zöglinge.
Während nun die mittleren Klassen stets gern von dieser Lese-
gelegenheit Gebrauch machen, nimmt nach oben hin die Zahl der
Lieserinnen stetig ab. Wenn man die Schülerinnen der oberen
Klassen nach der Ursache dieser auffallenden Erscheinung befragt,
so wird nicht etwa, wie man leicht annehmen möchte, die über-
große Arbeitslast angegeben — in der That dürfen sich unsere
Schülerinnen nicht über Überbürdung beklagen — , sondern sie
erklären in der Regel nach vielfachem Sträuben und Zögern, sie
hätten keine sonderliche Neigung mehr zum Lesen derartiger Bücher.
Eine solche Antwort gibt zu denken. Wenn ein Kind, das die
Eltern bis dahin durch seinen gesunden Hunger erfreut hat, sich
plötzlich gegen die Kost der Mittags- und Abendtafel ablehnend
▼erhält, so ist die Besorgnis gerechtfertigt, dafs dasselbe entweder
krank ist oder sich heimlich auf andere Weise den Appetit stillt.
Ebenso steht es mit der geistigen Nahrung. Jedes Kind liest gern
Bücher unterhaltender Art; verhält es sich gegen dieselben gleich-
gültig, so folgt daraus, dafs der geistige Magen durch Aufnahme
40*
620
anderer Kost empfindlich geschädigt ist. Und in der That, man
braucht nur die Kinder zu fragen, um zu erfahren, dafs sie in der
Regel im Hause überreiche Gelegenheit haben, ihren Lesehunger
auf andere Weise zu befriedigen. Mit lebhafter Spannung werden
die Geschichten verfolgt, welche die Feuilletons der Zeitungen
bringen; ein besonders festlicher Tag ist der, an dem die Lese-
mappe mit ihren verschiedenen Zeitschriften ins Haus gebracht wird;
die Romane, welche von der Mutter oder von der erwachsenen
Schwester gelesen werden, sind gewöhnlich auch ihnen nicht un-
zugänglich, und endlich steht vielen der Bücherschrank der Eltern
zur freien Benutzung. Was Wunder daher, dafe solche Mädchen
kein Interesse mehr haben an den Büchern, welche ihnen die Schule
bietet; diese sind ihnen zu fade, zu hausbacken, zu wenig gewürzt
mit allerlei pikanten Abenteuern, als dafs sie ihrem Geschmacke
jetzt noch genügen könnten. Das sind in der That Zustände der
bedenklichsten Art. Wenn der Mensch Bücher liest, die er ent-
weder gar nicht oder nur teilweise versteht, so gewöhnt er sich an
ein gedankenloses, oberflächliches, flüchtiges Aufnehmen des Dar-
gebotenen; er überschlägt alle Betrachtungen, alle Schilderungen und
tieferen Darlegungen der Gemütszustände der Helden; mit klopfendem
Herzen, hochroten Wangen verfolgt er atemlos nur die Entwickelung,
die Handlung selbst, um möglichst bald am Ende des Stückes an-
zulangen und alsdann mit Befriedigung zu erfahren, dafs die von
Anfang an füreinander bestimmten Helden des Romans sich finden
und so für all das erfahrene Ungemach belohnt werden. Daraus
ergibt sich schon von selbst als weiterer Nachteil ungeeigneter
Lektüre, dafs die Einbildungskraft der ohnehin nervös erregten
Leserin überreizt, dafs dieselbe zugleich aber auch, indem Ver-
hältnisse und gesellschaftliche Zustände zur Veranschaulichung ge-
langen, die den Mädchen besser noch auf lange Zeit verborgen
blieben, auf bedenkliche Wege geführt wird, die zu einer Körper
und Geist in gleicher Weise gefährdenden Frühreife führen müssen.
Es kann daher das Haus nicht dringend genug gebeten werden, die
Privatlektüre der Töchter aufs sorgsamste zu überwachen und ins-
besondere alle die Schriften von ihnen fern zu halten, die lediglich
für Erwachsene bestimmt sind. Jedenfalls sollte die Mutter ihrem
Kinde nur ein Buch in die Hand geben, das sie selbst zuvor ge-
lesen oder von dessen Charakter sie sich die zuverlässigste Kunde
verschafft hat. Es ist unglaublich, mit welchem Leichtsinn auch
heute noch in dieser Beziehung verfahren wird, wie man sich bei
der Auswahl von Geschenken zu Geburtstagen, zu Weihnachten, ja
sogar zur Konfirmation oft lediglich durch das Urteil des Buch-
händlers bestimmen läßt, der doch unmöglich alle die bei ihm aus-
621
liegenden Werke genau kennen kann, oder durch das irgend einer
anderen Persönlichkeit, die vielleicht wieder von anderen gehört hat,
dafe das Buch nicht schlecht sei, oder durch den Wunsch des Kindes
seihst. Der durch solches Verfahren angerichtete Schaden läfet sich
leider in den meisten Fällen nicht nachweisen, eben weil innere
Vorgänge, wie bereits oben dargelegt, sich leicht der Beobachtung
entziehen; aber es kommt doch vor, dafs die Folgen hier und da
zu Tage treten. So wurde vor einiger Zeit dem Direktor von
einigen Muttern darüber geklagt, dafe ihre kleinen, kaum zehnjährigen
Töchter schon Fragen besprächen und erörterten, die ihnen auf
Jahre noch fernliegen mfifsten. Bei näherem Nachforschen stellte
sich heraus, dafs die Quelle dieses Wissens ein Buch war, welches
eins dieser Kinder zum Geschenk erhalten hatte, ein Märchenbuch,
das der Vater nicht für nötig gehalten hatte, sich vorher näher an-
zusehen, weil er der Meinung gewesen war, dafs alle derartigen
Erzählungen sich für Kinder eigneten; er wnfete eben nicht, dafs
das mit den aus dem Orient stammenden Märchen nicht immer der
Fall ist.
Die physische Grundlage von Frühreife und Zurfick-
gebliebenheit bei Schulkindern wurde von W. Townsend Portsr
studiert, der darüber in den „Trcmsact. ofthe Acad. of Science of 8t
Louis" berichtet. Verfasser stellte Messungen an der Schuljugend an ;
Körpergewicht, Körperlänge, Höhe und Breite des Kopfes, vitale
Lungenkapacität, Sehschärfe und viele andere Daten wurden an
33500 Knaben und Mädchen ermittelt. Die Besultate gelangten in
Kurven zur Darstellung. Aus denselben ersieht man, dafs frühreife
Kinder schwerer und zurückgebliebene leichter als Durchschnitts-
kinder desselben Alters sind. Für Mädchen hat dieses Gesetz jedoch
keine Gültigkeit.
Die Durchschnittszahl der Schüler in den Volksschul-
klassen der grttfseren Städte Preufsens. Die Schuldeputation
von Berlin hat vor einiger Zeit bestimmt, dafe in den unteren
Klassen der Elementarschulen nicht mehr als 70 Schüler, in den
oberen nicht mehr als 60 sitzen sollen. Die nachstehende Tabelle,
welche wir der »Pädag. Ztg.u entnehmen, gibt die mittlere Zahl
der Kinder in den Volksschulklassen der gröfeeren Städte Preufsens
für das Jahr 1891 an:
Zahl der Zahl der Zahl der Schüler
Schüler Klassen pro Ellasse
Königsberg 11391 182 63
Danzig 12289 204 60
Charlottenburg 7115 140 51
Frankfurt a. 0. 4929 94 52
622
Zahl der
Zahl der
Zahl der Sohüler
Schüler
Klassen
pro Klaue
Stettin
11109
227
49
Posen
5725
105
55
Breslau
39260
672
58
Liegnitz
5217
84
62
Magdeburg
26580
480
55
Halle
13006
226
57
Erfurt
5150
88
58
Altana
18614
278
67
Eiel
7280
132
55
Hannover
15898
263
60
Monster
5899
72
82
Dortmund
16228
240
68
Bochum
9854
127
78
Kassel
7251
135
54
Frankfurt a. M.
12902
244
53
Krefeld
17854
282
63
Duisburg
10326
148
67
Essen
12941
173
76
Düsseldorf
20312
300
68
Elberfeld
19570
320
61
Barmen
18 926
283
67
Köln
39433
628
63
Aachen
13944
227
61
Berlin
175620
3206
55.
Danach liegen die Verhältnisse am günstigsten in Stettin, wo
nur 49 Schüler anf eine Klasse kommen, am ungünstigsten in
Münster, wo sich durchschnittlich 82 in einer solchen befinden.
Soll der Koch- nnd Haushaltunggunterricht in Fort-
bildungsschulen für Mädchen oder in der Volksschule erteilt
werden? Unter dieser Überschrift veröffentlicht das »Org. f. d.
Centriver ., betr. d. Wohl d. arbtd. Klass.u nachstehenden Aufsatz: Die
Frage, ob überhaupt den Mädchen schulmäfsiger Koch- und Haushaltungs-
unterricht erteilt werden soll, findet bei denen, die sich nur einiger-
mafsen ernstlich damit beschäftigen und auf Grund praktischer Er-
fahrungen aus dem Volksleben selbst ihr Urteil bilden, in immer weiter
gehenden Kreisen eine bejahende Antwort. Es fehlt den Eltern Zeit und
Verständnis, ihren Kindern hierin die nötige Anleitung zu geben und.
was daraus folgt im wirtschaftlichen Leben unseres Volkes, dafür
findet jeder, der nur den guten Willen dazu hat, zahlreiche Belege.
Wer als Volksschullehrer nicht blofe sein Klassen- und Studierzimmer
als Arbeitsfeld betrachtet, muüs die Notwendigkeit eines Haushaltungs-
623
Unterrichtes anerkennen. Wer aber noch Zweifel darüber hegen sollte,
der frage einmal bei den Ärzten an, die das häusliche Leben unseres
Volkes kennen zu lernen genötigt sind, wie dies von keinem sonstigen
Berufe behauptet werden kann. Anders aber verhalt es sich noch
mit der Frage : in welchem Alter sollen die Mädchen diesen Unter-
richt erhalten? Soll er mit der Volksschule für die Schulerinnen des
8. Schuljahres verbunden, oder sollen hierzu Fortbildungsschulen für
konfirmierte Mädchen eingerichtet werden? Ein grober Teil Volks-
schullehrer, Rektoren und mit der Schulaufsicht Beauftragte neigen
sich letzterer Ansicht zu und wehren entschieden dem Koch- und
Haushaltungsunterrichte den Eingang in die ihnen lieb gewordene
Form der Volksschule von heute. Die Gründe, die sie hierfür ins
Feld führen, lauten: Die Schulmädchen sind noch zu jung für den
Kochunterricht, finden zu Hause keine Gelegenheit, diese Kenntnisse
zu verwerten, besitzen folglich kein Interesse dafür, und da sie auch
nach ihrer Schulzeit keine Verwendung dafür haben, werden sie das
Gelernte bis zu der Zeit, wenn sie es brauchen, wieder vergessen.
Was aber ganz besonders zu fürchten ist, die Schülerinnen werden
dadurch von den übrigen Unterrichtsgegenständen abgelenkt. Die
Vertreter obiger Ansicht meinen daher, die Schule thue vollständig
ihre Pflicht, wenn sie im naturkundlichen Unterricht die Fragen,
welche den hauswirtschaftlichen Unterricht betreffen, in den Kreis
ihrer Besprechungen ziehe. Sind nun aber jene Gründe in der
That ausschlaggebender Natur? Abgesehen davon, dafs wir keine
obligatorischen Fortbildungsschulen für Mädchen haben und die
Einführung solcher auf groise wirtschaftliche Schwierigkeiten stofsen
würde, stimmen wir aus rein sachlichen Gründen dafür, diesen
Unterricht mit der Volksschule zu verbinden. Die letztere hat es
mit erziehendem Unterrichte zu thun, alle ihre Veranstaltungen be-
zwecken die Bildung des Charakters. Zur Bildung des Frauen-
charakters gehört aber wesentlich der Sinn für häusliche, wirtschaft-
liche Thätigkeit im Rahmen eines stillen, zufriedenen und glücklichen
Familienheims. Der Haushaltungsunterricht mit seinen praktischen
Übungen im Kochen ist nun wie kein anderer Unterrichtsgegenstand
geeignet, einen solchen Charakter zu bilden. Dazu ist es aber im
nachschulpflichtigen Alter zu spät. Das Mädchen von 15 und 16 Jahren
kann sich wohl nützliche Kenntnisse im Kochen u. s. w. aneignen,
dafs aber dieser Unterricht grundlegend werde für dessen Charakter,
wird niemand behaupten wollen. In dem genannten Alter, wo
dasselbe schon im öffentlichen Leben steht, gehen ihm zu viel andere
Gedanken durch den Kopf, so dafe es verhindert wird, sich mit
vollem Interesse diesem Unterrichte hinzugeben. Man mufe das Eisen
schmieden, solange es warm ist, das gilt auch hier in ganz be-
624
sonderem Mafse. Die Erfahrung bestätigt dies auffallend. Wo die
Mädchen im 8. Schuljahre Kochunterricht erhielten, haben die Mütter
versichert, dafs es eine wahre Freude sei, zu sehen, wie ihre Töchter
sich seitdem im elterlichen Hanse wesentlich anders zeigten.
Sie legten ein Interesse für die hauswirtschaftliche Arbeit, einen
Fleifs und ein Geschick an den Tag, belehrten die Eltern so genau über
wichtige Fragen der Ernährung u. s. w., dafs die letzteren dadurch
ganz überrascht wurden. Mädchen, die vorher von den Müttern zu
häuslichen Verrichtungen nicht gebraucht werden konnten, versorgten
jetzt vielfach, insbesondere an schulfreien Tagen, selbständig die ganze
wirtschaftliche Thätigkeit. In dieser Weise haben sich sämtliche
Mütter der 48 Schülerinnen der Kochschule zu Plauen in Sachsen
schriftlich ausgesprochen und dem Leiter derselben den aufrichtigsten
Dank für die Einrichtung - dargebracht. Gleichzeitig hat dieser
Unterricht einen günstigen Einflufs auf das Elternhaus ausgeübt, was
ebenfalls nicht möglich wäre, wenn die Mädchen ihn erst im nachschul-
pflichtigen Alter erhielten. Im schulpflichtigen Alter erteilt, wirkt
er bestimmend für das ganze spätere Leben. Sämtliche Schülerinnen
suchen auch nach der Konfirmation, zum Teil als Hausmädchen, ihre
wirtschaftlichen Kenntnisse zu vervollkommnen, sie bleiben dadurch dem
Familienleben erhalten. Damit wird aber auch jener Grund hinfällig,
dafs die vierzehnjährigen Mädchen für den hauswirtschaftlichen Unter-
richt zu jung seien. Sie sind, das ist durch die Erfahrung bestätigt,
vollkommen kräftig und fähig, diese Arbeiten auszuführen, und oft
müssen im Elternhause viel jüngere Kinder solche verrichten. Dafs
aber der Kochunterricht die anderen Unterrichtsfächer der Schule nach-
teilig beeinflusse, wird ganz ohne allen Grund behauptet. Das
Gegenteil ist der Fall. Durch die ernste Arbeit in der Kochschule
— und man mufs gesehen haben, wie sie hier arbeiten, um ein
richtiges Urteil zu gewinnen — werden auch die Mädchen ernster,
gesitteter, gereifter, in ihrer Thätigkeit umsichtiger und gewandter.
Das ist der Vorteil eines charakterbildenden Unterrichtes, er geht in
alle Handlungen über. Wer die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen
Ausbildung der Mädchen anerkennt, mufs daher auch dafür sein, dafs
dieser Unterricht obligatorisch mit der Volksschule verbunden wird ; nur
dadurch kann ein nachhaltiger Erfolg erzielt werden, nur dann können
die Opfer, welche dieser Unterricht erheischt, ihre tausendfältigen Zinsen
tragen. Von einem Erfolge in obligatorischen Fortbildungschulen —
und die Geldopfer würden hier noch gröfser sein — wird man kaum
reden können. Das Ansehen der Volksschule würde aber um ein
Beträchtliches steigen, wenn sie durch Erteilung dieses Unterrichtes
ihre Aufgabe erweiterte und so für das wirtschaftliche und gesund-
heitliche Wohl des Volkes in erhöhtem Mafse beizutragen fähig würde.
n
625
Düsseldorfer Sommerpflegen Ar kränkliche Kinder. In
den elf Jahren des Bestehens der Düsseldorfer Sommerpflegen für
kränkliche Kinder wurden, wie der „Knabh." angibt, verpflegt:
£L in ländlichen Kolonien 2018 Kinder,
b. in Soolbädern 655
c. in Milchkuranstalten 3840
Zusammen . . 6513 Kinder.
Die mit sämtlichen Koloniewirten 1891 vereinbarten Pflegesätze
betrogen, wie in froherer Zeit, gleichmäßig pro Kind u. Tag Mark 1 ,20,
für die begleitenden Lehrer pro Tag „ 2,50,
„ „ „ Lehrerinnen „ „ „ 2,00,
„ „ Wartefrauen „ „ „ 1,50.
Aufgeldern wurden verausgabt:
im Viktoriastifte zu Kreuznach für dreifsigtägige
Kur, einschliefslich Bäder und ärztliche Behand-
lung, pro Kind Mark 45,00,
im Soolbad Alstaden für eine achtundzwanzigtägige
Kur, einschliefslich Bäder und ärztliche Behand-
lung, pro Kind „ 31,00.
Über die Lage der Turnstunden äußert sich unser ver-
ehrter Mitarbeiter, Herr Dr. med. F. A. SCHMIDT: Fflr das Schul-
turnen ist besonders wichtig die Beeinflussung der Fähigkeit zu
willkürlichen Bewegungen durch angestrengte geistige Thätigkeit.
Auf Grund von Untersuchungen, namentlich des Physiologen Mosso
in Turin, wissen wir, dafe nach mehrstündiger geistiger Arbeit nicht
nur das Gehirn, das Centralorgan, sondern auch Nerv und Muskel,
die Endorgane, für die Leistung von Leibesübungen geschwächt sind.
Es ist dies wichtig für die Frage, auf welche Zeit im Stundenplan
die Turnstunden zu verlegen sind. Denn wir lernen daraus, dafs eine
nach einer Reihe von geistig anstrengenden Lektionen liegende
Turnstunde nicht so zu systematischen Leibesübungen geschickte
Schüler vorfindet, als dies der Fall ist, wenn derselben keine
oder nur 1 — 2 Schulstunden vorangingen. Im ersteren Falle ist es
nötig, um das Nervensystem der Schüler nicht allzusehr zu belasten,
den Turnübungen einen mehr erholenden Charakter zu geben, also
Übungsarten zu bevorzugen, welche eine möglichst geringe Anspannung
der Nerventhätigkeit und doch ein ausgiebig wirksames Mafs von
Muskelthätigkeit gewähren. Dies sind vor allem die halbauto-
matischen Thätigkeiten, wie Marschieren, Laufen, Springen,
und für die jüngeren Schüler einfache Bewegungsspiele. Da wir
aber im Interesse des Turnens und der Erziehung der Bewegungs-
organe durchaus nicht auf die wertvollen Übungen, welche sichere
Beherrschung der Muskulatur, Geschicklichkeit, Gewandtheit, Schnellig-
626
keit, Schlagfertigkeit, Geistesgegenwart bezwecken, verzichten wollen,
so ist es nötig, dafs wenigstens ein Teil der Turnstunden so Hegt,
dafs die Schüler frisch zum Turnen kommen, und daüs wir ihnen
dann mit Erfolg und ohne Schädigung alles das zumuten können,
was sich in den anderen ungünstig gelegenen Turnstunden verbot.
Zur Zeit der Versetzungsprüfungen sollte überhaupt kein systematisches«
auch geistig anstrengendes Turnen stattfinden, sondern demselben
nur ein erholender Charakter — Spiele, kleine Wanderungen —
gegeben werden.
Sa$f5$efd)t(t|tlt^es.
Ein Verein für die gesundheitsgemftfse Erziehung unserer
Jugend ist nach dem „Lok.- Anzeig." zu Berlin in Bildung begriffen.
Derselbe will die verschiedenen Bestrebungen auf diesem Gebiete
zusammenfassen und wirksamer gestalten. Eine vorberatende Ver-
sammlung, meist aus Lehrern und Ärzten bestehend, tagte zu diesem
Zwecke vor einiger Zeit in Schultheis' Restaurant. Lehrer Jankb1
legte die Ziele des neu zu gründenden Vereins dar, der, um den
vielbeklagten Mißständen im öffentlichen und häuslichen Erziehungs-
wesen allmählich abzuhelfen, auf die Mitarbeit aller Klassen und
Stände rechnet. Nicht nur auf die Schule gedenkt derselbe seinen
Einflute geltend zu machen, sondern vor allem auch auf das Hans
durch belehrende und anregende Vorträge, Besprechungen, Flug-
schriften u. s. w. Das Schulwesen soll von den untersten Stufen
bis zu den höheren in den Kreis der Vereinsarbeit gezogen werden.
Kinderhorte, Ferienkolonieen, Jugendspiele, Schwimmen, kurz alle
Bestrebungen für gesundheitsgemäfse Erziehung werden hier ihren
Mittelpunkt finden. In der sich anschließenden Debatte erklärten
sich sämtliche Redner mit dem Grundgedanken einverstanden. Einige
Sprecher, wie Dr. med. Jagusiel und Turnwart Schröbr, wünschten
indes die vorläufige Beschränkung der Vereinsthätigkeit auf die
Volksschule. Lehrer Siegert trat dem entgegen, da auch an den
höheren Schulen noch vieles im argen liege. Geheimer Sanitätsrat
Dr. Baer warnte davor, das Erziehungswerk des Vereins auf die
ärmeren Volksklassen zu beschränken, das könne nur Mifstrauen
wecken. Die Arbeiter seien zur Mitwirkung heranzuziehen, einige
ihrer Vertreter womöglich in den Vorstand des Vereins aufzunehmen.
1 Unser Hitarbeiter. D. Red.
627
Die Versammlung beschlofs die Niedersetzung eines Ausschusses zur
Entwertung der Statuten und eines Aufrufes« Der Ausschufs, dem
das Recht der Selbstzuwahl erteilt wurde, und der demnächst eine
Versammlung zur Konstituierung des Vereins einberufen soll, besteht
ans den Herren Jankb, Dr. Jaousiel, Sugjbrt,1 Dr. Sommerfeld
und Frau Professor Angerstein. Zur Mitarbeit haben sich außer-
dem bereit erklart: Frau Direktor Schrader, Professor Dr. Anger-
stein,1 Geheimer Sanitätsrat Dr. Barr, Oberlehrer Dr. Bkeslich,
Professor Egklbr, Schulrat Professor Dr. Euler,1 Schulvorsteher
Grimm, Taubstummenlehrer A. Gutzmann, Dr. med. H. Gützmann,1
Dr. med. Hartmann, Lehrer Hertel,1 Dr. med. Jul. Löwenthal,
Oberlehrer Dr. Ebeseriter,1 Professor Maas, Direktor Professor
Dr. Schwalbe,1 Eisenbahndirektor a. D. Sohrader, Erziehungs-
inspektor Piper, Dr. med. Schbier, Turnwart Sohröer, Dr. med.
Treitel und Dr. med. Wurm.
Gehörprüfnngen von Schulkindern in Luzern sind durch
Dr. G. Nager im Jahre 1892 — 93 vorgenommen worden. Solche
Prüfungen können zwei verschiedene Zwecke verfolgen: 1. die
Erforschung allgemeiner statistischer Thatsachen, vor allem der nicht
blofe medizinisch wichtigen Frage nach der normalen Hörweite des
Kindes, sowie nach der Häufigkeit von Kinderkrankheiten, welche die
Hörschärfe beeinflussen. Es ist eine längst bekannte Erscheinung,
dafe gerade Kinder oft Ohrenleiden unterworfen sind, von denen
freilich ein guter Teil nur vorübergehender Natur ist. Dieses hängt
zusammen mit den räumlich beengten Verhältnissen der kindlichen
Nasen- und Rachenhöhle und ihrer Verbindungen mit der Pauken«
höhle durch die Eustachische Röhre, ferner mit der im jugendlichen
Alter sehr häufigen Vergrößerung der Mandeln, nämlich der allgemeiner
bekannten Gaumen- und der sogenannten dritten oder Rachenmandel.
Bei den im Kindesalter oft eintretenden Katarrhen, sowie infolge der
meisten Infektionskrankheiten, wie Masern, Scharlach, Keuchhusten und
Influenza, schwillt die Schleimhaut an und bringt durch Abschluß
der Luft im Mittelohre Schwerhörigkeit geringeren oder höheren
Grades zu stände. Da diese Störungen meistens doppelseitig auf-
treten, so ist klar, welche hohe Bedeutung dieselben für das Schul-
kind und dessen Fortschritte im Unterrichte haben müssen. Ver-
hängnisvoll für solche schwerhörigen Kinder im Vergleich zu ihren
augenleidenden Genossen ist der Umstand, dafs das Gebrechen häufig
genug von der Umgebung, selbst den weniger aufmerksamen Eltern
und dem durch eine übergroße Schülerzahl sonst genug in Anspruch
genommenen Lehrer übersehen oder noch öfter als Zerstreutheit und
1 Unser Mitarbeiter. D. Red.
628
Launenhaftigkeit erklärt und dementsprechend auch gerügt wird;
denn einerseits ist äufserlich, im Vergleiche zu manchen Sehstörungen
(rote Augen, Schielen u. s. w.), hier nichts Auffälliges vorhanden,
andererseits schwankt der Grad der Schwerhörigkeit nach dem
Wetter ziemlich bedeutend. 2. Ein etwa von den jetzt bekannten
normalen Verhältniszahlen abweichendes Resultat weist auf wichtige
lokale Eigentümlichkeiten hin, die zu kennen im hohen Interesse
des betreffenden Lehrpersonales liegt. Es bilden diese Schulunter-
suchungen also zugleich eine Art von Kontrolle für das Vorhandensein
normaler Zustände. Die Abweichungen werden zum Teil durch das Klima,
zum Teil durch ungünstige Einflüsse des Schullebens oder durch die
socialen Verhältnisse bedingt und verlangen als Ausdruck von Mifs-
ständen genaueres Studium der Ursachen, sowie der Mittel zu ihrer
Beseitigung. Seit den ersten im Jahre 1878 durch Dr. V. Reichabd
in Riga vorgenommenen Hörprüfungen bei Schulkindern sind in
Deutschland, und zwar zunächst in Stuttgart, ferner in Dänemark, Frank-
reich, England, Schweden, Rußland und Nordamerika zahlreiche ähnliche
Untersuchungen vorgenommen worden, bis die 1885 von Professor
Fb. Bezold in München veröffentlichte klassische Studie: „Schul-
Untersuchungen über das kindliche Gehörorgan11 ein an 1918
Kindern gesammeltes statistisches Material allseitig verarbeitet
und auch die Prüfungsmethode zu einer wohl für lange Zeit an-
verändert bleibenden gemacht hat. Einzig von den Schweizern ist
nach dieser Richtung hin noch nichts geschehen, oder wenigstens
nichts veröffentlicht worden. Es ist dies um so auffallender, als
dieselben sonst sich eines regen Interesses für schulgesundheitliche
Fragen rühmen dürfen. Wir erinnern nur an die FAHRNERschen
Schulbankstudien, an die Arbeiten von Dr. Guillaumb in seiner
„Hygiene scolairea, an die BlONschen Ferienkolonien, die Schulluft-
analysen von Brbiting, die Sehprüfungen bei Schulkindern von
Hornrr und Pplügbr, die KocHBRsche Schulkropfstatistik, die
Bemühungen des Basler Vereins für Verbreitung des Handfertigkeits-
unterrichtes u. s. f. Gerade die Beantwortung dieser zweiten Frage
nach den lokalen Einflüssen erscheint von Wichtigkeit für die
Schulen von Luzern. Denn einerseits ist der genius loci daselbst ein
recht feuchter und daher sehr günstig für die Erzeugung von akuten
und chronischen Katarrhen, andererseits war dem Dr. Nager schon
selber das ungemein häufige Auftreten von Ohrenkrankheiten in der
dortigen Kinderwelt aufgefallen. Durch das Ergebnis der von ihm
im Laufe des letzten Jahres an 1386 Schulkindern vorgenommenen
Gehörprüfungen wurde dieser Verdacht vollauf bestätigt. Seine
Gehöruntersuchungen stellte Dr. Nager nach der Methode von
Professor Bezold mit der Flüstersprache, aber unter ausschliefst
629
licher Benutzung von Zahlen an. Im Vergleich zu dem älteren
und jetzt noch viel bei den Laien geübten Prüflingsverfahren mittelst
der Taschenuhr ist das neuere viel zuverlässiger, ganz besonders bei
Kindern, indem diese durch jeweiliges Wiederholen der zugeflüsterten
Zahl beweisen müssen, ob und wieweit sie richtig gehört haben.
Dabei wird selbstverständlich nur je ein Ohr auf einmal untersucht,
d. h. das andere durch Zuhalten vom Hören ausgeschlossen. Auch
die Mithilfe des Gesichtes, die ja bei Schwerhörigen eine wichtige
Rolle spielt, macht man durch Abwenden des Kopfes unmöglich. Es
wird immer eine zweistellige Zahl gewählt, z. B. 16, 97, 41 und
dabei besondere Rücksicht genommen auf die für alle erfahrungs-
gemäfs schwer verständlichen Zahlen 7, 6 und 5, welche oft mit-
einander verwechselt werden, sowie auch auf 9 und 1 als erste, -zig
und -zehn als Schlufssilben. Erst wo auch diese schwierigeren
Doppelzahlen sämtlich bei mehrmaliger Probe richtig nachgesagt werden,
nimmt man die betreffende Distanz als Hörgrenze an. Zur Erzielung
einer möglichst gleichen Intensität der Flüstersprache soll nur nach
geschehener Ausatmung gesprochen werden, also mit gleichmäßigem
geringen Luftdrücke in der Lunge und im nämlichen Zeitmafse
des Sprechens. Für diese Schallstärke ist bei ganz ruhiger Um-
gebung nach zahlreichen Versuchen eine Hörweite von 20 Metern
für normal Hörende — und dazu gehören vor allem die Kinder —
eher noch zu gering bemessen. Bei Hörprüfungen, die während
der Tageszeit in gröfseren Ortschaften, also nicht bei absoluter Ruhe,
vorgenommen werden, sieht man eine Hörweite von 16 Metern als
Norm an. Die Resultate der NAGBRschen Gehörprüfungen sind nun
folgende: Bei der Untersuchung wurden alle, die auf beiden Ohren
noch über 8 Meter entfernt Flüstersprache verstanden, von den
schlechter Hörenden getrennt. Die Ziffern dieser zweiten Klasse mit
sehr verschiedengradiger Schwerhörigkeit waren 40 — 41% für Knaben
und Mädchen der Primär- und Sekundärschule zusammen. Für die
Mädchenschulen allein erwiesen sich die Ergebnisse etwas besser,
nämlich 38 — 39%. Die Zahl der Luzernischen Schulkinder, welche
auf einem Ohr weniger als einen Meter weit hörten, betrug 80
oder gegen 3%. . 28 Kinder, 13 Knaben und 15 Mädchen, hörten
Flüsterzahlen auf beiden Ohren nur noch innerhalb 2 Meter Ent-
fernung. Als höchst schwerhörig wurden 33 gefunden, 22 Knaben
und 11 Mädchen; für diese lag die doppelseitige gröfste Hör-
weite unter 60 Gentimeter. Dr. Nager bemerkt hierzu : Dafs diese
letzte und, wenn nicht besondere Intelligenz besteht, auch die zweit-
letzte Klasse nicht zum Besuche der gewöhnlichen Schule zuzulassen
ist, erscheint selbstverständlich, besonders bei jüngeren Schulkindern.
Wie sehr die Schwerhörigkeit das Lernen erschwert, war bei den
630
Luzernischen Schülern und Schülerinnen mit schlechtem Gehör auch
an den mangelhaften Fortschrittsnoten nachzuweisen. Bezüglich
der Ursachen der Schwerhörigkeit bei den untersuchten Kindern
konnte Dr. Nager folgendes feststellen. Die mittelst Ohrenspiegels
kontrollierten Fälle von Ohrenflu£s (Trommelfelleiterung) betragen nnr
16. Die Folgezustände eines solchen Flusses, Narben am Trommelfell
und dergl., wurden in 117 Fällen oder bei 4 — 5% gefunden. Beide
Krankheitsklassen gehören zu den häufigsten Ursachen von mittlerer
und auch höherer Schwerhörigkeit, bieten aber keine Aussicht auf
Besserung, wie dies bei den im Kindesalter besonders häufigen
katarrhalischen Formen der Fall ist. Als eine gar nicht seltene,
glücklicherweise harmlosere Ursache der Schwerhörigkeit wurden
auch Ohrenschmalzpfröpfe notiert, und zwar in zwei Kolonnen, je
nachdem der Propf nur mäfeig grofe war, oder den ganzen Gehör*
gang gegen die Luft, mithin auch gegen die Schallwellen abschloß.
Die Prozentzahl für beide Arten zusammen stellte sich auf 16 — 17.
Fälle von Fremdkörpern im äußeren Gehörgange, von denen
die Inhaber selbst keine Ahnung hatten, sind bei der Unter-
suchung zweimal vorgekommen. Ein Knabe hatte in jedem Ohre
zwei grofoe, offenbar zu verschiedenen Zeiten eingelegte Watte-
pfropfe, nach deren Entfernung die Hörweite von 1 — 2 Meter auf
17 Meter stieg. Ein anderer trug fest eingekeilt die vordere be-
wegliche Metallhülse eines Federhalters, welche glücklicherweise
einige Millimeter herwärts vom Trommelfell stecken geblieben war,
daher ohne Verletzung desselben entfernt werden konnte. Am Schlüsse
seiner verdienstlichen Arbeit äufsert sich Dr. Nageb bezüglich der
Ursachen des schlechten Gehörs bei Schulkindern und deren möglichster
Verhütung folgendermafsen : Wenn wir nun nach den Ursachen der
in einer solchen Häufigkeit an unseren Schulen nachgewiesenen,
besonders mittelgradigen Schwerhörigkeit forschen, so müssen wir
1 . solche unterscheiden, welche aufserhalb des Bereiches der Schule
und 2. solche, welche innerhalb desselben liegen. Unter den ersteren
spielen die klimatischen Einflüsse eine grofse Rolle. Wichtiger
vielleicht noch ist nach allgemeiner Erfahrung die nachteilige Wirkung
einer unreinen, namentlich Rauch und Staubteile enthaltenden Luft,
welche die Schleimhäute beständig mechanisch reizt. In dieser
Beziehung ist leider oft der Beruf des Vaters, z. B. wenn er Bäcker
oder Wirt ist, von Bedeutung. Ebenso einflußreich sind auch häusliche
Mißverhältnisse und sociales Elend, welche Vernachlässigung, be-
sonders der kleineren Kinder, zur Zeit des beginnenden Ohren-
leidens, sowie der Rekonvalescenz von Katarrhen und Infektions-
krankheiten zur Folge haben. Innerhalb der Schule machen sich
die nämlichen ungünstigen Einflüsse, Staub und überhitzte Luft, jetzt
631
noch in verschiedenen, vor allem unseren älteren Klassenzimmern
recht deutlich bemerkbar. Hier könnte durch rationelles Kehren,
d. h. feuchtes Aufnehmen des Staubes Tom Fufsboden und den
SchulbÄnken, durch strenges Verbannen von Kopfbedeckungen und
Mänteln aus dem Schulzimmer ebenso vieles gebessert werden, wie
durch das Ersetzen der alten tannenen Ladenböden durch Parkett.
Gar nicht so selten scheint mir ferner bei unserem Lehrpersonal,
und zwar oft bei dem für seine Aufgabe am meisten begeisterten,
ein unnötig lautes Sprechen zur Gewohnheit geworden zu sein, was
auch die kindliche Gehörscharfe abstumpft. Das Gleiche gilt gewift
auch von dem besonders in den unteren Klassen üblichen chormäfeig
lauten Hersagen von Sätzen, Zahlenreihen u. s. w. durch die Kinder«
Sehr nachahmungswert und im grofsen Interesse aller in einem Schul*
lokale arbeitenden Kehlköpfe, Ohren und Gehirnnerven erscheint die
nationale Gewohnheit der Engländer, nicht nur zu Hause, sondern auch
in der Öffentlichkeit, in der Kirche und im Parlamente, eher leiser,
aber, sehr deutlich und, wo besonderer Nachdruck erfordert wird,
um so langsamer zu sprechen. Durch Übung, d. h. durch ein
methodisches genaues Aufmerken auf schwächere Sinneseindrücke
können wir unser Gehör ebensogut wie unser Gesicht innerhalb
gewisser Grenzen verschärfen, und die Überzeugung, dafs da in
unseren Schulen ohne Überanstrengung der Jugend noch manches
zu thun bleibe, haben wohl die meisten der unseren Hörprüfungen
beiwohnenden Lehrer gewonnen. Ebenso habe ich mich in anderer
Richtung oft freuen können, zu sehen, dafs bei im Unterrichte zurück-
bleibenden Kindern durch die Gehöruntersuchung als eigentliche
Ursache des vermeintlichen Unfleifses eine Hörschwäche sich heraus*
stellte und somit den Betreffenden erst jetzt volle Gerechtigkeit zu
teil wurde.
Der italienische Unterrichtsminister gegen die Über-
bfirdung. Der Minister des öffentlichen Unterrichts in Italien
Martini hat nach vThe Semit Inspect.11 eine Warnung vor geistiger
Überanstrengung der Schuljugend erlassen. Nach seiner Ansicht
kann es grade in Italien sehr leicht zu diesem Übelstande kommen,
da man hier augenblicklich bemüht ist, das Unterrichtswesen auf
gleiche Höhe mit den übrigen Ländern zu bringen. „Wir ver-
gessen", so schreibt er, „die rechte Einteilung der Arbeit. In
unseren Lehranstalten wird zu viel aufgenommen und zu wenig
verdaut. Die Sekundärschulen sollten mehr den Geist anregen und
die Seele mit der Liebe zur Kultur erfüllen. Unsere Programme
sind erweitert worden, aber die Entwickelung des Gehirns ist nicht
pari passu fortgeschritten. Während der Erwachsene den Acht*
stundentag fordert, verlangen wir von unseren zehnjährigen Knaben
eine viel längere und anstrengendere Arbeitszeit. u
632
Verbot des Wirtahausbesuchs für Volks- und Fortbildungs-
schäler in Hessen. Bei der hessischen Ständekammer ist folgender
Antrag eingegangen: Die Ständekammer wolle die Regierang ersuchen,
für das ganze Land ein gleichheitlich geregeltes Verbot des
Besuchs von Wirtshäusern und Tanzbelustigungen seitens der Schüler
der Volks- und Fortbildungsschulen gesetzlich herbeizuführen. Die
Begründung erblickt die Ursache der zunehmenden Verrohung der
Jugend hauptsächlich in dem allzufrühen, auch in gesundheitlicher
Beziehung so nachteiligen Besuche der Wirtshäuser und Tanz-
belustigungen und verweist auf das in Bayern nach dem Polizei-
strafgesetzbuch von 1871 bestehende Verbot. In Baden sei in
ähnlicher Weise vorgegangen worden. Den Besuch von Tanz-
belustigungen unbedingt, das heilst auch in Begleitung der Eltern
zu verbieten, ist dort den Bezirksämtern überlassen.
Znr Speisung und Bekleidung armer Schulkinder schreiben
die „Schwz. El. f. Gsdhtspflg* : In Berlin existiert ein besonderer
Verein zur Speisung armer Schulkinder. Derselbe liels während des
verflossenen Winters in den städtischen Gemeindeschulen regelmässig
jeden Tag 6 — 7000 hungernden Kindern das fehlende Frühstück
reichen. In Kiel ist es die Gesellschaft freiwilliger Armenfreunde,
welche täglich 440 Kinder aus den ärmeren Bevölkerungsklassen mit
warmer Morgenkost, Milchsuppe und Brötchen, speist. In Dresden
sorgt der Verein gegen Armennot und Bettelei für Schulsuppen von
Neujahr bis Ostern. In Graz wirkt ein Verein, welcher sich die
Bekleidung dürftiger Kinder zur Aufgabe stellt. Er zählt 1951
Mitglieder, nahm am 16. November 1892 die Bekleidung von 400
würdigen und dürftigen Knaben vor und hat seit seinem Bestehen
über 7000 Kinder mit Kleidern ausgestattet. In Bern wurde eine
Zähringertuchstiftung gegründet, welche sich gleichfalls die Bekleidung
armer Schüler und Schülerinnen zum Zweck gesetzt hat. Ferner
hat man im Kanton Bern auch in diesem Winter, wie an so vielen
Orten der Schweiz, die Speisung armer Schulkinder vorgenommen.
Burgdorf setzte beispielsweise für Verabreichung der Schüler-
suppe 1000 Fr. aufs Budget. Die Gemeinde Jegistorf sammelte
für Austeilung von Schuhwerk und Strümpfen an bedürftige Kinder
Fr. 245. In der Ortschaft Schupfen erhielten arme Schulkinder
mittags 7a Liter Milch und 200 Gramm Brot; für diese Speisung
wurden 500 Fr. auf Kosten der Schulgemeinde verausgabt.
Hygienische Fürsorge für die Kindergärten in Berlin.
Nach der „Voss. Zig.u bedarf jeder Berliner Kindergarten einer
Konzession seitens der städtischen Schulbehörde und untersteht der
Schulaufsicht genau so, wie die städtischen Schulen. Ferner muis
die von dem behandelnden Arzte pflichtgemäfs zu erstattende Anzeige
633
einer daselbst aufgetretenen ansteckenden Krankheit an die Sanitäts-
behörde auch die Angabe des Eindergartens enthalten, den das er-
krankte Kind besucht, um so einer etwa drohenden Verbreitung
der Krankheit vorbeugen zu können. Die Vereinsvolkskindergärten
im Osten besitzen gesunde Wohnräume mit einer kleinen Garten-
anlage und werden täglich auf das sorgfältigste gereinigt und gelüftet.
Die dort versorgten Kinder, welche ausschließlich armen Familien
angehören, zeigen denn auch ein frisches, gesundes Aussehen.
Weniger günstig dürften freilich die Verhältnisse in manchen Privat-
kindergärten liegen.
ämtlt^e Verfügungen.
Erlafs des Grofsherzoglich badischen Ministeriums des Innern,
die Ausschlief sang epileptischer Kinder von dem Besuche der
Volksschulen betreffend.
Karlsruhe, den 16. Juni 1893.
Im Hinblick darauf, dafs die Anstalt für epileptische Kinder
in Kork seit dem 30. November v. J. besteht und deren Einrichtungen,
wie sich bei einer kürzlich durch den diesseitigen Medizinalreferenten
vorgenommenen Besichtigung ergeben hat, ihrem Zwecke entsprechen,
hat der Grofsherzogliche Oberschulrat die Grofsherzoglichen Kreis-
schulräte angewiesen, künftighin mit gröfserer Strenge auf den Aus-
schlufs epileptischer Kinder von der Volksschule Bedacht zu nehmen,
da die Teilnahme solcher Kinder an dem Unterricht mit mannig-
fachen Nachteilen für das Wohlbefinden und den Unterricht der
übrigen Schüler verbunden ist.
Die Grofsherzoglichen Kreisschulräte werden deshalb in allen
Fällen, in welchen bei Visitationen oder sonstiger Gelegenheit der
Besuch der Volksschule durch ein epileptisches Kind zu ihrer Kenntnis
gelangt, zum Zwecke der Beschlußfassung über die Entbindung,
bezw. Ausschliefsung dieses Kindes vom Schulbesuche auf Grund des
§ 3, Absatz 2 des Gesetzes über den Elementarunterricht vom
30. Mai 1892 Vorlage an den Grofsherzoglichen Oberschulrat
erstatten.
Einer Anregung Grofsherzoglichen Oberschulrats entsprechend,
werden auch die Grofsherzoglichen Bezirksärzte hiermit angewiesen,
bei ihren Schulbesuchen darauf Bedacht zu nehmen, dafs sie von
dem Vorhandensein epileptischer Kinder Kenntnis erhalten. Zu-
8chalgerandh«ltspflege VI. 41
634
treffenden Falles ist von dem Sachverhalt dem Grofsherzoglichen
Bezirksamte zur weiteren Vorkehr, Anzeige zu erstatten.
An sämtliche Grofsherzoglichen Bezirksärzte.
Rundschreiben der k. k. schlesischen Landesregierung vom
6. April 1893, Z. 4331, an alle unterstehenden Behörden
bezüglich der Schtilerimpfungen und Vaecinationsausweise.
Wiewohl mit dem hieramtlichen Erlasse vom 5. Mai v. J.,
Z. 2528, angeordnet wurde, dafe das Ergebnis der Schülerimpfungen
sowohl im Impfjournale als in dem statistischen Impfungsausweise,
und zwar in ersterem unter namentlicher Anfuhrung der Impflinge,
in letzterem durch Ersichtlichmachung des summarischen Resultates,
also getrennt von den auf Grund der Matrikenauszüge und Gemeinde-
ausweise vorgenommenen Impfungen, zur Darstellung gelangen solle,
war dies nur bei wenigen der für das Jahr 1892 vorgelegten Impf-
elaborate der Fall.
Um jeden Zweifel darüber zu benehmen, in welcher Art die
Nachweisung über die Schülerimpfungen erfolgen soll, wird hiermit
angeordnet, dafs dieselben fortan sowohl in dem Impfjournale ab
auch in den statistischen Ausweisen der Impfärzte, und zwar getrennt
von den übrigen Impfungen und mit besonderer Aufschrift, vor-
zumerken sind.
In letzteren hat dies derart zu geschehen, dafe zuerst das für
jeden einzelnen Impfsammelplatz entfallende Ergebnis der nach
den Matrikenauszügen und den Gemeindeausweisen vorgenommenen
Impfungen, beziehungsweise der an freiwillig zum Impfsammelplatze
gebrachten Kindern ausgeführten Yaccinationen eingetragen wird,
worauf die Summe aller dieser Einzeldaten anzusetzen ist.
Darunter sind in gleicher Weise die auf die Schülerimpfungen
bezugnehmenden Ziffern anzuführen, doch ist bei jedem Impfsammel-
platze die Zahl der Erstimpfungen von jenen der Revaccinationen
auseinanderzuhalten, so dafs also das Ergebnis der Schülerimpfungen
unter Umständen bei einzelnen Sammelplätzen in zwei Kolonnen
auszuweisen sein wird.
Bei der Gesamtsumme der Schülerimpfongen ist zuerst das
summarische Resultat der Erstimpfungen, sodann jenes der Re-
vaccinationen anzuführen, worauf die Summe beider zu folgen hat
In ähnlicher Weise ist bei der Verfassung der summarischen
Ausweise nur mit dem Unterschiede vorzugehen, dafs hier noch das
summarische Ergebnis beider Kategorien von Impfungen anzusetzen
ist, welches mit den in den Teilbericht, lit. 0., des Jahres-
sanitätsberichtes aufzunehmenden Ziffernansätzen in Übereinstimmung
sein mufs.
635
Um nicht neue Irrungen aufkommen zu lassen, sind die Impf-
ärzte darauf aufmerksam zu machen, dafe im Sinne des h. o. Er-
lasses vom 29. Juli 1891, Z. 9781, als revacciniert nur jene
Schulkinder auszuweisen sind, bei welchen es zur Wiederholung der
bereits vor 10 Jahren durchgeführten Erstimpfung kam.
RflcksichÜich der wiederholt aufgeworfenen Frage, wer den
Impfzustand der Schüler zu konstatieren habe, wird bemerkt, dato
dies in jenen Gemeinden, welche Domicile von Impfärzten sind,
unschwer von diesen besorgt werden kann und gewüs um so williger
geschehen wird, da, vom laufenden Jahre angefangen, eine Entlohnung
der Ortsimpfungen stattfindet. In allen übrigen Fällen muis es den
Schulleitern überlassen werden, alle in die Schule eintretenden oder
bereits eingetretenen Kinder, bei welchen sich nicht deutliche Impf-
narben nachweisen lassen, in die Verzeichnisse der impfpfiichtigen
Schüler aufzunehmen.
Bezüglich der Nachweisungen über die anläßlich des Herrschens
Ton Blattern vorgenommenen Bevaccinationen und Notimpfungen der
Ungeimpften wird auf den hieramtlichen Erlais vom 14. September
1885, Z. 15543, verwiesen, nach welchem die Notimpfungen in dem
vorgeschriebenen ImpQournale, die Bevaccinationen in einem ab-
gesonderten Ausweise ersichtlich zu machen sind, welcher dem Haupt-
impfberichte beizuschlieisen ist.
Soweit derlei Impfungen von Ärzten vorgenommen werden,
welche nicht als öffentliche Impfarzte fungieren, sind die von den-
selben zu verfassenden vorerwähnten Nachweisungen zu sammeln,
dem Impfoperate der politischen Behörde beizuschlieisen und in dem
Impfberichte unter Anführung der entsprechenden ziffermäfeigen
Daten zu besprechen. Um dieselben möglichst vollkommen und
verläßlich zu gewinnen, sind die benannten Nachweisungen von den
Epidemieärzten alsbald nach Abschluß der Epidemie einzuholen.
Zur Klärung des noch immer verworrenen Begriffes der Renitenz
ist auf den h. a. Erlais vom 28. April 1891 , Z. 4363, aufmerksam
zu machen, welcher in Verbindung mit dem eingangs erwähnten
h. o. Erlasse vom 5. Mai 1892 die genügende Handhabe bietet,
um den betreffs der Vorlage und des Inhaltes der Matrikenauszüge
und des Verhaltens mancher Gemeindevorstände beobachteten Un-
zukömmlichkeiten wirksam entgegenzutreten.
Gleichzeitig erhllt die k. k. Bezirkshauptmannschaft anbei die
erforderliche Anzahl von Impfstoffbezugsanweisungen, von welchen
ein allenfalls erforderlicher Mehrbedarf hieramts anzusprechen ist.
Schliefslich wird in Erinnerung gebracht, dafs Impfoperate, in
welchen im Sinne der mit dem hierortigen Erlasse vom 5. Mai v. J.,
Z. 5696, hinausgegebenen Instruktion für die Impfärzte die Bestätigung
41*
636
über den Zeitpunkt und den Umfang der Impfstoffbestellung oder
Abbestellung mangelt, behufs diesfälliger Ergänzung unbedingt zurück-
zuweisen und dafs überhaupt nur in der vorgeschriebenen Weise
abgefaßte Impfelaborate zur hierortigen Vorlage zu bringen sind.
Gutachten des Stadtphysikates in Wien Aber den Antrag
der Direktion des dortigen Pädagogiums auf Erteilung von
Unterricht in der Hygiene an Lehrer.
Die Erfolge auf dem Gebiete der Hygiene werden so lange
keine genügenden sein, als nicht in der Bevölkerung selbst das
Verständnis hierfür gesichert und somit die Zahl derjenigen vermehrt
wird, welche den Satzungen der Gesundheitspflege in immer gröberen
Gesellschaftskreisen Geltung verschaffen und auch den Sinn für die
Unterstützung der Bestrebungen der öffentlichen Sanitätspflege, bezw. der
Sanitätsverordnungen wecken und fördern. Insofern durch den vor-
liegenden Antrag diesem Wunsche Rechnung getragen wird, mufs
demselben daher das wärmste Interesse entgegengebracht werden.
Die Hygiene als Wissenschaft hat im letzten Decennium bereits
so grofse Fortschritte gemacht und eine solche Fülle von Publikationen
zu Tage gefördert, dafs sich die Notwendigkeit herausstellte, wie
auf anderen wissenschaftlichen Gebieten, bestimmte einzelne Zweige
zu bearbeiten und auf diese Weise den speciellen Bedürfnissen mancher
Gesellschaftsklassen zu entsprechen (Gewerbehygiene, Nahrungsmittel-
hygiene, Schulhygiene etc.).
Dem vorliegenden Antrage zufolge soll nun eine Einrichtung
geschaffen werden, durch welche der Lehrer befähigter würde, die
Bedürfnisse der Schuljugend vom Standpunkte der Hygiene aus zu
erfassen und die Bestrebungen der Amtsärzte zu unterstützen.
Es ist wohl nicht notwendig, den Umfang dieser Aufgabe genau
festzustellen, immerhin dürfte es jedoch erwünscht sein, die einzelnen
Abschnitte der betreffenden Lehre, welche nunmehr in der Fort-
bildungsschule für Lehrer vorgetragen werden soll, anzudeuten, womit
jedoch selbstverständlich dem künftigen Docenten dieses Faches
keine eigentliche Direktive für die Bearbeitung des Stoffes gegeben
werden soll.
Die Vorträge über Schulhygiene für Lehrer werden somit folgende
Abschnitte zu umfassen haben:
1. Das Schulgebäude im allgemeinen, mit Berücksichtigung der
einzelnen Einrichtungen desselben. Hierbei wird namentlich der
Ventilation, Heizung und Beleuchtung ein besonderes Augenmerk
zugewendet werden müssen.
2. Die Erhaltung des Gesundheitswohles der Schuljugend (Einflufe
der Ernährung, Kleidung, physischen und geistigen Übung, der Rein-
637
haltang des Körpers, der Subsellien and der natürlichen und künst-
lichen Beleuchtung).
3. Das Verhalten der Lehrer gegenüber schwächlichen und kränk-
lichen Kindern (Störung des Gesichte- und Gehörsinnes, Verkrümmung
der Wirbelsäule und Krankheitsanlagen).
4. Schutz der Schule vor ansteckenden Krankheiten.
Es ist wohl einleuchtend, dafs derjenige, welcher nach der
angedeuteten Richtung hin für das Wohl der Schuljugend förderliche
Grundsätze in sich aufgenommen hat, auch bestrebt sein wird, den-
selben überall Geltung zu verschaffen und somit die Satzungen der
Hygiene aus dem Gebiete der Theorie auf das der Praxis und der
fruchtbaren Weiterverbreitung zu übertragen.
Das Stadtphysikat kann demnach die Absicht, die heranzubildenden
Lehrer auch mit den Forderungen der Schulhygiene rechtzeitig vertraut
zu machen, als eine zeitgemäfse und nützliche erklären und die
Durchfuhrung derselben wärmstens empfehlen.1
JJerfottuiien.
Herr Dr. Friedrich Koldewey, Rektor der Stadtschule in
Königslutter, hat sich zur Mitarbeit an unserer Zeitschrift bereit
erklärt.
Unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Geheimer Medizinalrat Pro-
fessor Dr. H. Schmidt-Rimpler in Göttingen, wurde zum General-
arzt H. Klasse befördert.
Dem Medizinalreferenten im Ministerium für Elsafs-Lothringen,
Geheimen Medizinalrat Dr. Krieger zu Strafsburg i. £., ist der
Bang der Räte HI. Klasse verliehen worden.
Der Direktor des Kinderhospitals in Stettin Dr. Steffen wurde
zum Geheimen Sanitätsrat ernannt.
Den Kreisschulinspektoren Dr. Wessig zu Kleve, Dr. FüCHTE
zu Essen und Dr. Jeltsoh zu Elberfeld ist der Charakter als
Schulrat mit dem Range der Räte IV. Klasse verliehen worden.
1 In der Sitzung des Wiener Stadtrates vom 6. September d. J.
wurde auf Antrag des Vieebürgermeisters Dr. Gbübl die Abhaltung eines
Kurses über Schulhygiene am dortigen Pädagogium unserem verehrten
Mitarbeiter, Herrn Professor Dr. Lbo Burgerstkut, als Docenten über-
tragen. D. Red.
638
Unser verehrter Mitarbeiter, Herr Direktor Dr. Heubsnbr am
Friedrichsgymnasium in Kassel, erhielt das Ritterkreuz I. Klasse
des sftchsischen Haasordens der Wachsamkeit oder vom weüsen Falken.
Dem Regierangs- nnd Schnlrat Bübgen in Koblenz ist der
rote Adlerorden HI. Klasse mit der Schleife, dem Rektor der Landes-
schule Pforta, Professor Dr. Volrmann, die Krone zum roten Adler-
orden IV. Klasse, den Regierangs- and Schalraten Dr. Rovenhaghn
in Düsseldorf and Dr. Schlemmer zu Strafsburg i. £., sowie dem
Seminardirektor Dr. Jüngling in Stade der rote Adlerorden
IV. Klasse verliehen worden.
Die Wahl unseres verehrten Mitarbeiters, Herrn Geheimen Re-
gierungsrats Professor Reetschel, zum Rektor der technischen Hoch-
schale in Berlin für die Amtsperiode vom 1. Juli 1893 bis dahin
1894 wurde vom König bestätigt.
Dr. A. Solavo hat sich als Privatdocent fftr Hygiene in Turin,
Dr. A. Czernt als Privatdocent fftr Kinderheilkunde an der deutschen
Universität in Prag habilitiert.
Der Statthaltereirat Dr. von Karajan in Wien feierte im
Oktober d. J. das Jubiläum seiner fünfundzwanzigjährigen Wirksam-
keit als Landessanitätsreferent fftr Niederösterreich.
Der Geheime Regierungsrat, Regierungs- und Schulrat Dr.
Schneider zu Schleswig, ist in den Ruhestand getreten ; aus diesem
Anlafs wurde demselben der Adler der Komture des Königlichen
Hausordens von Hohenzollern verliehen.
Es sind gestorben: am 20. August in Berlin der Wirkliche Ge-
heime Oberregierungsrat a. D. Gustav Adolf Waetzoldt, früher
vortragender Rat im Unterrichtsministerium und Direktor der König-
lichen Turnlehrerbildungsanstalt daselbst, in St. Petersburg der Wirk-
liche Staatsrat Dr. Christian Dencker, der längere Zeit am Kinder-
hospital des Nikolaiwaiseninstituts als Arzt thätig war, in Köln der
Regierungs- und Schulrat Dr. Schönen und zu Neustadt in West-
preufsen der Schulrat Konsalie.
«iittrainr.
Besprechungen.
Dr. Franz Keebsling und Egmont Pfalz, Lehrer an der ver-
einigten Rats- und Wendlerschen Freischule in Leipzig. Ctoratd-
heitslehre im Anschlufs an Bau nnd Leben des menschlichei
Körpers. Wiederholungsbuch der Naturgeschichte. In 6 Kursen
639
für gegliederte Volks« und höhere Mädchenschulen. Kursus 5
und 6. Braunschweig, 1893. Appelhans und Pfenningstorff. (50 S.
8°. M. 0,40.)
Die für Schüler bestimmten Leitfäden Aber Bau und Leben
des menschlichen Körpers, die in den letzten Jahren erschienen sind,
zeichnen sich dadurch aus, dafs das Hauptgewicht auf die Gesund-
heitslehre gelegt und aus der Anatomie und Physiologie nur soviel
aufgenommen wird, als zum Verständnis der hygienischen Belehrungen
unbedingt erforderlich ist. Dieser Standpunkt mufste sich mit Not-
wendigkeit aus den Verhältnissen entwickeln, mit denen bei diesem
Unterrichtsgegenstande zu rechnen war. Mag die Anatomie und
Physiologie auch ein noch so interessantes und in gewisser Beziehung
nützliches Wissen darstellen, mag der formale Bildungswert dieser
Gebiete auch noch so allgemein anerkannt sein, für die Schule wird
die Gesundheitslehre, dieses fast ausschliefslich der nackten Nützlich-
keit dienende Wissen, im Vordergrunde stehen müssen, um so mehr,
als die Zeit, die diesem Lehrgegenstande gewidmet werden kann,
äußerst beschränkt, der zu behandelnde Stoff aber sehr umfangreich
ist. Die Schwierigkeit einer solchen Darstellung der Gesundheits-
lehre liegt im wesentlichen darin, das richtige Mafs in der Auswahl
anatomischer und physiologischer Kenntnisse zu treffen.
Den geschilderten Grundsätzen entsprechend ist das Büchlein
von Kiessling und Pfalz abgefafst. In Bezug auf die Gesundheits-
regeln kann die Auswahl als eine recht zweckmäfsige bezeichnet
werden; aber betreffs des grundlegenden Wissens aus Anatomie und
Physiologie ist die Beschränkung in einzelnen Abschnitten doch zu
weit getrieben, so dafs die hygienischen Lehren in der Luft schweben
und mangels gehöriger Begründung nicht überzeugend wirken.
Aber noch ein zweites Princip ist es, durch welches das vor-
liegende Buch charakterisiert wird. Die Darstellung geht von den
Lebensfunktionen aus und gibt im Anschlufs daran die Beschreibung
der betreffenden Organe. Dementsprechend ist die Anlage des
Schriftchens eine wesentlich andere, als bei den meisten der vor-
handenen Leitfäden. Seine drei Hauptabschnitte handeln von der
Ernährung, von der Bewegung und vom Wahrnehmen und Denken.
Der hierher gehörende Stoff gliedert sich in kürzere Kapitel, deren
Überschriften beispielsweise bei dem zweiten Abschnitte lauten: Die
aufrechte Haltung, das Gehen, die Arbeit, Rückblick auf die
Bewegungswerkzeuge.
Die Schreibweise ist einfach und für Kinder leicht verständlich.
Jedoch könnte auf Form und Inhalt mehr Sorgfalt verwendet werden.
So heilst es z. B. Seite 5: Durch wurmförmige Krümmungen und
Bewegungen des Magens wird der kugelige Speiseklumpen umher-
640
gereut; Seite 18: Das Blut wird durch einen besonderen Apparat
im Körper urohergeleitet ; Seite 19: Milch ist sehr nahrhaft und
billig, doch darf sie nicht abgeschöpft sein. Zu dem letzteren
Satze ist zu bemerken, dafs auch entrahmte Milch wegen ihres
beträchtlichen Eiweifsgehaltes und wegen ihres billigen Preises ein
gutes Volksnahrungsmittel bildet. Auf Seite 34 lesen wir: Die
Lehne (der Schulbank) mu£s so niedrig sein, dafs man die beiden
nach hinten gezogenen Ellenbogen auf die obere Kante derselben
auflegen kann. Jetzt wird aber bekanntlich eine Kreuzrücken-
lehne empfohlen.
In dem Büchlein finden sich 35 größtenteils gute Abbildungen.
Dieselben sind ausführlicheren Werken entnommen. Denn darauf
deuten die vielen überflüssigen Ziffern und Buchstaben hin, die den
einzelnen Teilen der Zeichnungen beigefügt sind, und die hier
nirgends weder Erklärung noch Benennung finden. Auch sind wohl
die Abbildungen einer Reihe von Gewürzpflanzen vollkommen über-
flüssig, wenn im Text nicht einmal ihr Name genannt wird.
Städtischer Lehrer Otto Jahre
in Berlin.
Dr. Krug in Dresden. Die hygienischen Beziehungen von Heft-
lage, Schriftrichtung und Haltung der Kinder beim Schreiben.
Vortrag, gehalten im Bezirksverein Dresden-Stadt. Sonder-
abdruck aus dem Korrespondenzblatt der sächsischen ärztlichen
Kreis- und Bezirksvereine, Lü. Band, No. 3 und 4, 1892.
Dresden, 1892. (8 S. 4°.)
Verfasser hat in einem Vortrage vor dem Bezirksvereine Dresden-
Stadt die Hörer mit einer kurz gefaxten Geschichte der „Steil- oder
Schief schriftfrage u bekannt gemacht von Ellinger und Gross bis
Berlin-Rembold und Schubert, von den anfangs schüchternen
theoretischen Begründungen der Vorzüge der steilen Schrift bis zu
den jetzt sich vollziehenden umfassenden praktischen Übungen der-
selben in den Schulen vieler Städte.
Seine eigenen Untersuchungen und Erfahrungen sollen vor
allem zur Kontrolle dienen, ob in der That das Sitzen in der
Schule, speciell beim Schreiben, an Störungen des Sehens und der
Körperhaltung schuld sei. In betreff der Augenschädigung hält er
sich an die zahlreichen Arbeiten der Ophthalmologen, welche den un-
günstigen Einflute der Schule beweisen. Hinsichtlich der Ver-
krümmungen der Wirbelsäule hat er sich durch Schuluntersuchungen
ein eigenes Material geschaffen.
Er fand bei 190 Knaben 6 linksseitige und 5 rechtsseitige
Skoliosen, bei 222 Mädchen 20 linksseitige, 10 rechtsseitige und
641
5 doppelte. Im Princip decken sich diese Befunde mit denen des
Referenten vom Jahre 1882, indem sie das Vorwiegen der Ver-
legungen nach links beweisen. Der weit niedrigere Prozentsatz von
Rückgratsverkrümmungen in Dresden liefse eine Kritik erst zu, wenn
bekannt wäre, welche Messungsmethode angewandt worden ist.
7 Skoliosen entstanden bei 11- bis 13jährigen Mädchen
innerhalb zweier Jahre zwischen der ersten und zweiten Unter-
suchung.
Von Kindern, die mit entblöfstem Rücken schrieben, fand sich
bei einem Drittel die Wirbelsäule nach links verbogen.
Die Beobachtung der verschiedenen Haltungen der Sander beim
Schreiben und die Übereinstimmung derselben mit den Befunden an
der Wirbelsäule führten den Verfasser, wie schon 1882 den Re-
ferenten, zu der Annahme eines Zusammenhanges zwischen Schreib-
haltung und Körperverkrümmung, unbeschadet selbstverständlich
des Einflusses noch anderer Schädlichkeiten.
Warum der Arzt in der Praxis mehr rechtsseitige Skoliosen
sieht, möchte Verfasser etwas kompliziert daraus erklären, dafs bei
der linken Lendenskoliose die beim Schreiben notwendige Drehung
der Schultern nach rechts einer Verschlimmerung direkt entgegen-
wirke, während bei der rechtsseitigen dieses Moment fehle. Es scheint
aber die Prämisse doch nicht sicher erwiesen. Der Arzt beobachtet
meistens Doppelskoliosen, ohne dann die primäre bestimmen zu
können. Von den einseitigen überwiegen in der Sprechstunde des
Referenten weitaus die linken.
Daus leichte Haltungsanomalien sich wieder zurückbilden können
und nur bei fortgesetzten Schädigungen zunehmen, ist gewiß richtig.
Theoretisch bekehrt, ging Verfasser in die Schulen und sah
schreiben. Das Material lieferten 19 schiefschreibende Klassen in
Dresden und 20 steilschreibende in Wien bei dem unermüdlichen
Streiter für die Steilschrift, Emanuel Batr. Als Resultat ergab
sich, wie bei allen schon bekannt gegebenen gleichen Untersuchungen,
bei der Schiefschrift ein Chaos von schlechten Haltungen mit
stärkerer Annäherung der Augen an die Schrift, bei der Steilschrift
eine beträchtliche Majorität tadelloser Haltungen bei gröberer Ent-
fernung des Kopfes von dem Hefte.
So kommt Verfasser zu der Schlußfolgerung, dafs die Steil-
schrift den theoretischen Anforderungen betreffe der Richtung von
Zeile und Grundstrich entspreche, dafs sie eine bessere Haltung, vor
allem mit gestütztem Kreuz, ermögliche, dafs bei ihr das Kind die
Hausarbeiten eher bei geradem Sitzen ausführe und dafs endlich dem
Lehrer die Schularbeit dadurch erleichtert werde. Dabei nehmen
die Kinder weniger Sitzraum ein, ermüden nicht so leicht, haben
642
kürzere Buchstaben zu schreiben, und die Konstruktion der Schul-
bänke ist nicht mehr so wichtig.
Wir freuen uns, einen neuen Mitkämpfer in Dr. KRUG gefunden
zu haben, der auf eigenem Wege zu denselben Resultaten gelangt
ist, wie ein jeder, welcher der Steilschriftfrage ernstlich näher tritt.
Praktischer Arzt Dr. med. Wilhelm Mater in Fürth.
Dr. med. F. A. Schmidt. Die Leibesübungen nach ihrem
körperlichen Übungswert dargestellt. Ein Grundrifs der
Physiologie des Turnens für Turnlehrer, Turnwarte und Freunde
der Leibesübungen. Mit 2 Übersichtstafeln. Leipzig, 1893.
R. Voigtländer. (84 S. 8°. M. 1,60.)
Der Verfasser hat mit der Schaffung und Herausgabe dieses
Buches das Schrifttum auf dem Gebiete der Leibesübungen ganz
wesentlich bereichert, denn bislang hatten wir, abgesehen von einigen
Aufsätzen und Vorträgen über „Gesundheitliche Forderungen
an den Turnunterricht" von Schmidt, überhaupt nichts Ähn-
liches in so eingehender und gründlicher Darstellung. Hier findet
sich nun in scharfer wissenschaftlicher Begründung und Ausgestaltang
klar und allgemein verständlich ausgeführt, was aufser der Kenntnis
des Übungsstoffes, dem Lehrgeschick und der eigenen technischen
Fertigkeit nicht allein den Lehrern und Lehrerinnen des Schulturnens,
Bondern auch den Leitern des Vereinstumens zu wissen unumgänglich
notwendig ist.
In einer kurzen Einleitung spricht sich der Verfasser zunächst
über den Grund der Leibesbewegung und den Bewegungszweck
aus. Von dem allein richtigen Grundsatze ausgehend, dafs der ganze
Mensch mehr ist, als nur ein aus Knochen, Gelenken und Muskeln
bestehendes Wesen, weist er darauf hin, dafs bei der Leibesübung
auch das Nervensystem, der Wille und die mit der Muskelarbeit
aufs innigste verknüpften Thätigkeiten der Atmung, des Kreislaufes
und des Stoffwechsels in Frage kommen. Mit der Feststellung dieses
Grundsatzes verwirft er die Erschöpfung der Übungsmöglich-
keiten als grundlegendes Princip, also, genau besehen, die
Konsequenzen der SPiESSschen Turnschule und die vielfachen Ver-
irrungen unseres sogenannten modernen Vereinsturnwesens.
Mit vollstem Rechte hebt der Autor hervor, dafs auf der
Grundlage einer natürlichen gesundheitlichen Körperübung die viel-
gerühmte Gymnastik der Griechen beruhte, an welche vor 100 Jahren
Guts Muths anknüpfte und auf welcher Otto Jäger seine Turn-
schule aufgebaut hat.
Der erste Abschnitt handelt „über die Arten der Leibes-
übungen und ihren Übungswert". Dieser Abschnitt, der
643
gröbere Teil der Schrift überhaupt, prüft in klarer und sehr über-
sichtlicher Weise die beiden grofsen Gruppen der Bewegungsarten,
die Kraft- und Geschicklichkeitsübungen und die Schnellig*
keits- und Dauerübungen, auf ihre physiologische Bedeutung hin.
Zwei Sonderarten von Übungsformen, die nach der Richtung
der Hirn- und Nervengymnastik von jenen grofsen Gruppen abweichen,
die Aufmerksamkeitsübungen (Ordnungsübungen und Reigen)
und die Schlagfertigkeitsübungen (Ringen, Fechten, feinere
Lauf- und Ballspiele), werden am Schlüsse dieses Abschnittes einer
Betrachtung unterzogen. Während Verfasser den Aufmerksamkeits-
übungen nur im geringen Grade einen Wert für die Ausbildung des
Leibes beimifst, will er den lokalisierten Kraft- und Geschicklich-
keitsübungen (Fechten), den allgemeinen Kraftübungen (Ringen) und
den Schnelligkeitsübungen (Spiele) eine bevorzugte Stellung angewiesen
wissen.
Im zweiten Abschnitte wird „das Übungsbedürfnis in den
verschiedenen Lebensaltern" besprochen. Hier zeigt Schmidt,
welche Einwirkungen der einzelnen Übungsarten für die verschiedenen
Lebensalter fruchtbringend sind, und wie demgemäß der Übungs-
stoff zu verteilen ist. Er unterscheidet für diesen Zweck: 1. die
Jahre der Kindheit, a. vom 6. bis 9., b. vom 9. bis 14. Lebens-
jahre ; 2. die Jahre der Entwickelung vom 14. bis 20. Lebensjahre ;
3. die Jahre des Überganges vom Jüngling zum Manne in seiner
Tollkraft vom 20. bis 30. Jahre; 4. die Jahre der Vollkraft des
Mannes vom 30. bis 40. Jahre und endlich die Jahre der Über-
reife des Mannes vom 40. bis 60. Lebensjahre.
Was in diesem Abschnitte über den Übungsstoff und die Art
und Weise der Verarbeitung desselben für die verschiedenen Lebens-
stufen gesagt wird, ist in klarer und überzeugender Weise ge-
schrieben.
Höchst instruktiv sind die beigegebenen Tafeln. Die erste stellt
den Wert unserer Leibesübungen dar, und die zweite gibt eine
Übersicht der für die verschiedenen Lebensalter zweckmäfsigen Übungen.
Beide Tafeln führen die in der Schrift entwickelten Grundsätze
gewissermaßen in Form einer praktischen Gebrauchsanweisung vor.
Wir halten die vorliegende Schrift deshalb für so aufserordent-
lich wichtig, weil sie ein Mediziner und Physiologe, der zugleich
ein erfahrener praktischer Turner ist, verfafst hat. Sie wird den
Turnsystematikern und Turnmethodikern der zumeist in deutschen
Landen geläufigen Betriebsweise des Turnens in Schulen wie Vereinen
wohl manches Achselzucken entlocken, aber auch, und das hoffen und
wissen wir, vielfach das richtige Verständnis finden zum Wohle unseres
aufwachsenden Geschlechtes und zum Heile unserer deutschen Turnkunst.
644
Wir empfehlen die Arbeit, deren Ertrag dem Centralausschnfs
für Jngend- und Volksspiele in Deutschland zur Verfügung gestellt
ist, den weitesten Kreisen.
Tnrninspektor Gymnasiallehrer August Hebmann
in Braunschweig.
SL0JB8AGEN I Danmark. 7de Aarsberetning fra „Dansk Sl0jd-
forening" [Handfertigkeitsangelegenheiten in Dänemark. 7.
Jahresbericht des „Dänischen Handfertigkeitsvereins"]. Kopen-
hagen, 1893. L. A. J0rgensen. (88 S. Kl. 8°.)
Wie schon in früheren Referaten von mir hervorgehoben ist»
bildet die Ausbildung tüchtiger Lehrer eine Hauptaufgabe des dänischen
Handfertigkeitsvereins. Im Jahre 1892 wurden auf der Slojdschule in
Kopenhagen in drei verschiedenen Kursen 71 Männer und 37 Frauen,
fast alle frühere Lehrer oder Lehrerinnen, unterrichtet. Auf der
Slojdschule zu Askov in Jütland erhielten außerdem noch 7 Männer
und 2 Frauen nach dem schwedischen System Unterweisung.
Bei den drei Kursen in Kopenhagen war der Klassenuntenicht
allgemein durchgeführt zur vollen Zufriedenheit sämtlicher Teilnehmer.
Grofses Gewicht wurde auf korrekte Arbeitsstellungen gelegt, ebenso
auf die Taktarbeit, bei welcher alle Arbeitenden Säge und Hobel
in einem bestimmten Takte bewegen. Die Einübung, sowie die
Sicherheit in der Werkzeugbenutzung wird namentlich Anfängern
durch die Taktarbeit merklich erleichtert, was die Erfahrung von
Jahr zu Jahr immer entschiedener bestätigt.
Der Slojdunterricht findet jetzt in 89 Schulen statt und ver-
breitet sich auch mehr und mehr in den ländlichen Volksschulen
trotz der groüsen Schwierigkeiten, welche hier zu überwinden sind.
Der Bericht enthält weiter noch eine ausführliche Darstellung des
unermüdlichen Slojdschulvorstehers Axel Mikkblsen über den
erziehlichen Wert der verschiedenen Werkzeugübungen. Es wird, so
sagt er, allgemein anerkannt, dafe einige Übungen mehr grundlegend,
andere mehr abschliefsend sind, einige gesundheitsfördernd, andere
gesundheitsschädlich, einige unterhaltend, andere langweilig für die
Kinder.
Herr Mikkblsen hat auch einen Versuch gemacht, die ver-
schiedenen Säge-, Hobel- und sonstigen Übungen näher zu analysieren.
Er hat mit Hilfe von Gewichten die Kraft gemessen, welche gebraucht
wurde, um diese Werkzeuge durch ein Stückchen Holz von bestimmter
Breite und Dicke zu führen, ferner ermittelt, wie grols die Muskel-
kraft war, mit welcher die Hand das Werkzeug umfaüste u. s. w. Auf
Grund einer sehr groüsen Anzahl von Versuchen sind Durchschnitts-
zahlen berechnet und für jedes Werkzeug in tabellarischer Form
645
mitgeteilt worden. Welche Bedeutung diese Berechnungen in
praktischer Beziehung für die Beurteilung der verschiedenen Übungen
gewinnen werden, l&fst sich zur Zeit noch nicht mit Sicherheit sagen.
Jedenfalls bilden sie einen interessanten und energischen Anfang,
gröbere Klarheit in die Sache zu bringen.
Endlich findet sich in dem Berichte noch eine kurze Be-
sprechung des zweiten deutschen Kongresses für erziehliche Hand-
arbeit, sowie ein kleines Referat über einen Kursus bei Professor
Kumpä, den Herr Mikkblsen selber durchgemacht hat.
Kommunaler Kreisarzt Axel Hebtel
in Kopenhagen.
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VI. Jahrgang. 1893. No. 12
®rt0tttal-äbl|a!i)ltt!t$eit<
Ober die körperliche Entwicklung der Knaben
in den Mittelschulen Moskau*.
Von
Dr. med. N. Sack,
Kinderarzt in Moskau.1
Die letzten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts haben sieh
durch einen so mächtigen Aufschwung der Litteratur über
Schule und Schüler ausgezeichnet, dais man heutzutage
schwerlich einen intelligenten Menschen finden wird, der sich
nicht für das Schicksal unserer Unterrichtsanstalten und ihrer
Zöglinge, namentlich auch in sanitärer Beziehung, interessierte.
Die Schulmänner sind den Ärzten und Hygienikern bei deren
Bestrebungen zum Teil entgegengekommen; sie bemühen sich,
bis zu einem gewissen Grade die Forderungen der Schule mit
denen der Gesundheitspflege in Einklang zu bringen. Und wenn
auch noch nicht alle Repräsentanten der pädagogischen Welt
davon überzeugt sind, dafs unsere Lehranstalten in ihrer
gegenwärtigen Gestalt den Anforderungen der Hygiene wenig
Genüge leisten, dafs vielmehr die Gesundheit der Schüler in
zahlreichen Fällen ein Opfer des jetzigen Schulsystems wird,
so kommt das meiner Ansicht nach teilweise daher, dafs die
Ärzte und Hygieniker bis jetzt wenig statistische, durch ihre
■
1 Ausführlicheres hierüber in meinem gleichnamigen, russisch ge-
schriebenen Buche. Moskau, 1892.
SehnlfCfandheitspflcge VI. 42
650
Resultate in die Augen springende Daten angeführt haben,
welche einen jeden von der Wahrheit der von ihnen ver-
teidigten Sache überzeugen könnten.
Unzweifelhaft war nur bewiesen worden, dafs das Sehorgan
durch den Schulbesuch leidet (Cohn, Erismann u. a.). Ferner
haben die bemerkenswerten Arbeiten von A. Hertel in Kopen-
hagen, A. Key in Stockholm und L. Kotelmann in Hamburg
zur Feststellung der Gesundheitsverhältnisse und der körper-
lichen Entwicklung der Schuljugend den Grundstein gelegt.
Nur solche Untersuchungen, die an grolsen Mengen von
Schülern und streng planmä&ig vorgenommen werden, ver-
mögen zu zeigen, ob der Gesundheitszustand derselben wirklich
derart ist, dafs er der Gesellschaft und dem Staate Befürch-
tungen einflößen muis; nur solche Untersuchungen können
für alle überzeugend sein.
Nach dem Gesagten ist einleuchtend, wie wichtig die
Forschungen sind, welche bezwecken, die Gesundheit und
physische Entwicklung der Schüler zu beleuchten und die
erhaltenen Resultate mit den an solchen Kindern gewonnenen
zu vergleichen, die, wie Bauernkinder, jugendliche Fabrik-
arbeiter u. a., nicht die Schule besuchen. Da ich mir
die Aufgabe gestellt hatte, die diesbezüglichen Lücken in der
russischen Litteratur nach Möglichkeit auszufüllen, so habe ich
mein Material in 12 Gymnasien und Realschulen Moskaus
gesammelt, indem ich mehr als 6800 Beobachtungen anstellte.
Bestimmt wurden Körperlänge und Brustumfang der Schüler,
ihre Brustdurchmesser (diameter costalis et sternovertebralis)
und endlich ihr Gewicht. Zugleich sammelte ich die genausten
Daten über die Nationalität derselben, über Stand und Gewerbe
ihrer Eltern, über die Zahl ihrer Schuljahre, über ihre Fort-
schritte in der Schule und über ihre Lebensbedingungen im
Elternhause. Auf diese Weise erhielt ioh die Möglichkeit,
den Einflufs eines jeden der genannten Faktoren auf den
im Wachstum begriffenen Organismus zu bestimmen, und ich
bin dabei in der That zu einigen sehr wichtigen Resultaten
gelangt. Es muls hinzugefügt werden, dafs die Schüler zwei
651
Jahre, nämlich 1889 und 1890, der Reihe nach untersucht
wurden, und zwar in denselben Monaten, vom September bis
zum Dezember, und nach ein und demselben Programme.
Dadurch war ich im stände, mir ein Urteil über den indi-
viduellen Gang der körperlichen Entwicklung bei einem jeden
von ihnen zu bilden.
Ohne mich auf Einzelheiten, wie die angewandten Unter-
sniehungsmethoden, die Art der Bearbeitung des reichhaltigen
[Materials, einzulassen, will ich direkt zur Beschreibung der
wichtigsten Thatsaehen und Schluisfolgerungen übergehen.
Leider kann ich vorderhand nur die Resultate meiner
Untersuchung über den Wuchs und den Brustumfang der
Schüler mitteilen; was die Brustdurchmesser und das Gewicht
anbetrifft, so ist das gesammelte Material noch nicht vollständig
bearbeitet.
Die Körperlänge der Schüler gibt uns Tabelle I auf Seite 652,
in welcher zum Vergleiche auch die Körperlänge von jugend-
lichen Fabrikarbeitern und Bauernkindern des Moskausehen
Gouvernements angeführt ist; aulserdem enthält dieselbe An-
gaben über den Wuchs der die städtischen Elementarschulen
besuchenden Kinder. Bei der Beurteilung dieser Zahlen ist
in Betracht zu ziehen, dafs die Gymnasiasten meistens den
vermögenden und privilegierten Gesellschaftsklassen angehören,
was bei den Elementarschülern im allgemeinen nicht der
Fall ist.
Aus der umstehenden Tabelle I kann man ersehen, dafs
die Gymnasialsohüler ihre Altersgenossen in den
niederen Schulen und besonders die jugendlichen
Fabrikarbeiter und Bauernkinder an Körperlänge
weit übertreffen, bisweilen um mehr als 14 cm. Ferner
bemerkt man im Fortschritt dieser Länge eine Periode
verstärkten Zuwachses vom 12. bis 16. Lebensjahre,
wobei die Fabrikarbeiter und die Bauernkinder sich anscheinend
um 2 Jahre später als die Stadtkinder entwickeln, nämlich
vom 14. bis 18. Lebensjahre. Die Existenz einer solchen
Periode haben auch Bowditch in Amerika, Roberts in Eng-
42*
652
land, Erismann in Eufsland und Kotblmann in Deutschland
klar nachgewiesen.1 Durch alle diese Forseher ist unzweifel-
haft festgestellt worden, daüs die Knaben ungefthr im 13.,
die Mädchen im 11. Jahre schnell in die Höhe zu schießen
anfangen. Die betreffende Periode dauert 2 — 4 Jahre.
Tabelle I.
Körperlänge der Knaben in cm.
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20—22
Zahl der
11?
r
124,8
130,3
133,8
138,0
142,5
147,8
155,6
161,4
165,7
168,1
169,4
170,2
169,7(*)
6659
*4
*-6
33
I
120,5
124,2
128,6
131,9
135,6
140,5
145,5
5418
llh
120,1
122,4
126,3
129,9
134,4
137,7
141,2
146,7
153,2
158,6
161,8
163,6
164,4
22285
117,8
121,2
126,7
130,8
133,7
136,7
542
Jährliche« Wachstum der KSrperUtag*.
S
8-
9-
10-
11-
12-
13-
14-
15-
16-
17-
18-
19-
20-
21-
-9
-10
-11
-12
-13
-14
-15
-16
-17
-18
-19*
-20
-21
-22
5,5
3,5
4,2
4,5
5,8
7,8
5,8
M
2,4
1,3
1,0
0,6
0,4
0,2
u
4>
1-8
0
3,8
4,3
3,3
3,7
4,»
5,0
2,2
3,9
3,6
4,6
3,3
8,6
6,S
«.&
6,4
8,2
1,8
0,8
0,1
0,2
4»
3,&
5,5
2,9
3,0
Interessant ist, dafs nach meinen Untersuchungen die
Kinder der Israeliten, die sich im allgemeinen durch geringeren
Wuchs auszeichnen, eine kürzere, aber dafür um so energischere
1 Die Periode des verstärkten Wachses geht nach den Unter-
suchungen von Bowditch, Pagliani u. a, unmittelbar der geschlechtlichen
Reife voraus.
* Von da an weiter nach der individuellen Methode, d. i. nach
Messungen an denselben Schülern in den Jahren 1889 und 1890.
663
Periode verstärkten Längenwachstums zeigen. Von dem
Gesagten kann man sich durch Tabelle IE überzeugen,
deiznfolge die Schüler hebräisoher Abstammung in der That
eine Periode vermehrten Wachstums von nur 2 Jahren, nämlich
vom 12. bis zum 14. Lebensjahre, aufweisen, während diese
Periode bei den übrigen Knaben sich auf 4 Jahre erstreckt*
Weiter unten werden wir sehen, dafs dieselbe Erscheinung
auch in Bezug auf den Brustumfang beobachtet worden ist.
Tabelle IL
Jährliches Wachstum der Körperlänge
bei russischen und hebräischen Schülern.
Alter
In Jahren
Bässen
Hebräer
9
10
11
12
13
14
15
16
17
2,9
4.1
5,2
7,8
5,9
M
2,4
1,4
2,7
4,0
3,8
7,1
9,8
3,9
3,7
2,1
0,5
Zahl der
Messungen
6701
396
Offenbar muJfe die verdoppelte Energie in der Entwicklung
des Organismus sich bald erschöpfen, und darum ist diese
Periode bedeutend kürzer bei den israelitischen, als bei den
übrigen Kindern.
Hervorgehoben zu werden verdient ferner, dafe nach
meinen Untersuchungen die Söhne der vermögenden
Familien gröfser sind und sich schneller entwickeln,
als diejenigen ärmerer Eltern. Die Kinder der Hand-
werker und Arbeiter waren von kleinerem Wüchse, als die-
jenigen der Kauf leute und der bevorzugten Klassen überhaupt.
654
Diejenigen Schüler, welche in den Lehrgegenständen
geringe Fortschritte machten, zeigten sich kleiner, als diejenigen,
welche gute Fortschritte machten.
Weiter ergab sich, daüs gleichaltrige Schüler sich durch
um so höheren Wuchs auszeichnen, je größer die Anzahl der
Jahre ist, welche sie in der Schule zugebracht haben, mit
anderen Worten, dafs der Schulbesuch das Längen-
wachstum des Körpers beschleunigt. Diese Er-
scheinung tritt übrigens, wie Tabelle IH zeigt, nur bis zum
16. Jahre hervor.
Tabelle m.
Die Körperlänge gleichaltriger Schüler in ihrer
Abhängigkeit von der Dauer des Schulbesuchs.
© b
S
9 h
Alter
In Jahren
3 ©
jjj
Körperläng
der Schfilej
in em
Zahl der
Messungea
Alter
in Jahren
Jahre des
Schulbesuch
Körperläng
der 8ehttlei
In em
Zahl der
Messungen
(
0
133,5
341
1
154,3
58
10
1
135,3
73
2
152,9
69
l
2
134,2
13
14
3
154,0
143
0
137,0
243
4
155,9
225
11
1
137,9
316
5
157,1
184
2
140,8
61
6
158,8
49
3
139,5
32
1
158,8
42
0
137,9
95
2
160,6
36
1
143,4
231
3
158,1
82
12 -
2
143,0
241
15
4
161,0
124
3
142,3
146
5
162,4
224
4
145,9
44
6
161,9
155
1
144,9
56
7
165,5
53
2
145,8
111
2
164,8
48
13
3
148,5
177
3
164,4
42
4
148,8
212
4
164,4
107
5
151,5
33
16 -
5
6
7
166,2
166,0
166,1
153
266
146
8
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655
Ich halte es für unmöglich, die erwähnte Thatsache dadurch
zu erklären, dafs größere Kinder früher in die Schule geschickt
werden, als kleinere desselben Alters, weil ja als bestimmendes
Moment für den Zeitpunkt des Eintrittes in die Schule das
Alter und nicht die Körperlänge des Kindes gilt, und weil
die niederen Ellassen unserer Mittelschulen in der That von
Schülern sehr kleinen Wuchses überfüllt sind.
Was die Entwicklung des Brustkorbes der Schüler betrifft,
so kann man aus Tabelle IV auf Seite 656 sich davon überzeugen,
dafs der Brustumfang der Moskauer Gymnasiasten
absolut gröfser ist, als derjenige der jugendlichen
Fabrikarbeiter nach Erismann, besonders im Alter von
13 — 18 Jahren. Auffallend erscheint aber, dafs die Bauern-
kinder in den Volksschulen des Moskauer Gouvernements und
ebenso die Zöglinge des Findelhauses in Moskau einen gröfseren
Brustumfang besitzen, als die Gymnasialschüler, wenigstens
bis zum 13. Lebensjahre.1
Aus der zugleich den jährlichen Zuwachs des Brust-
umfanges enthaltenden Tabelle IV läfst sich ferner ersehen,
dafs im Alter vom 13. bis zum 14. Jahre die Periode
einer verstärkten, 4 — 5 Jahre anhaltenden Brust-
korbausbildung beginnt. Diese Periode fängt bei den
Fabrikarbeitern um ein Jahr später an und endet auch um
ein Jahr später, als bei unseren Gymnasiasten, während bei
der Körperlänge sich der Eintritt des gröfseren Waohstums
um zwei Jahre bei den Fabrikkindern verzögert.
Ein Vergleich meiner Zahlen mit denen anderer Beobachter
hat mir gezeigt, dafs im allgemeinen der Brustumfang
der Schüler von Gymnasien und Realschulen in
Rufsland sehr schlecht entwickelt ist.
Außerdem ergab sich, dafs bessere Lebensverhältnisse
der Kinder auch eine gröfsere Brustperipherie
1 Bauernkinder des Nowgorodsohen Gouvernements und Fabrik-
arbeiter de« Klinschen Kreises haben nach Gbiasxoff, besw. Erismann
gleichfalls eine besser entwickelte Brust bis zum 13. Jahre, als die
Gymnasiasten.
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657
derselben bedingen. Der absolute Brustumfang der Kinder
ans Familien, welche sich mit Landwirtschaft oder mit Handel
beschäftigen, war stärker entwickelt, als derjenige der Kinder
yon Handwerkern n. dergl.
Für den Brustkorb der Israeliten wurden kleinere Mafee,
als für den ihrer Altersgenossen anderer Abstammung gefunden.
Was die relative GröJse des Brustumfangs der Schüler
anlangt, d. i. sein Verhältnis zur Körperlänge, so bin ich zu
sehr betrübenden Resultaten gelangt. Bekanntlich wird als
Maßstab für eine befriedigende Entwicklung des Organismus
fast allgemein angenommen, dais die Peripherie des Thorax
die Hälfte der Körperlänge betragen mufs. Einige Beobachter
haben freilich Zweifel an der Tauglichkeit dieses Kriteriums
ausgesprochen, jedoch vermag ich denselben nicht beizustimmen.
Die betreffenden Ansichten von Toldt, Jansen u. a. werden
nämlich durch die Zahlen von Chatelanat über die körper-
liche Entwicklung der österreichischen Soldaten und durch
die russischen Arbeiten von Subvillo, Stoljaroff und Sub-
kowsky widerlegt. So bin ich auf Grund eigener und fremder
Untersuchungen zu dem Schlüsse gelangt, dais, wenn auoh in
einzelnen Fällen ein Zusammentreffen von schlechter Gesund-
heit mit einem günstigen Verhältnis des Brustumfangs zur
Körperlänge und. umgekehrt möglich ist, doch bei einem
Urteil über die physische Entwicklung ganzer Gruppen von
Individuen und beim Vergleiche verschiedener Gruppen unter-
einander dieses Verhältnis fast als der einzig sichere
und objektive Mafsstab erscheint.
In der umstehenden Tabelle V ist das Verhältnis des Brust-
umfanges zur Körperlänge bei unseren Schülern und bei
ßauernkindem angegeben.
Die Untersuchungen verschiedener Autoren haben gelehrt,
dais der Brustumfang des Neugeborenen die Hälfte seiner
Körperlänge um beinahe 7 cm und mehr übertrifft, dafs aber
im Laufe der Zeit dieses Verhältnis sich allmählich zu
Ungunsten des Brustumfanges verändert, indem der Wuchs
des Körpers in die Höhe denjenigen in die Breite stark über-
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659
holt, so dafs im 10. Lebensjahre, selten später, der Brust-
umfang der Hälfte der Körperlänge gleichkommt und weiterhin
sogar hinter derselben zurückbleibt. Dieser Zustand dauert
einige Jahre fort, der Brustumfang wird immer kleiner und
kleiner im Vergleich zur Körperhöhe, bis endlich eine Periode
verstärkter Entwicklung desselben eintritt. Der Brustumfang
fangt an sich der Hälfte der Körperlänge wieder zu nähern,
und in einem bestimmten Jahre, je nachdem die Bedingungen
für seine Entwicklung mehr oder weniger günstig sind, wird
er zunächst der Hälfte der Körperlänge gleich, um schliefslich
dieselbe bis zu einem gewissen Grade zu übertreffen. Diese
gesetzmäßigen Schwankungen des Verhältnisses zwischen den
beiden oben genannten Grölsen können nach meiner Ansicht
zum sicheren Malsstab für den günstigen oder ungünstigen Gang
der Ausbildung der Brust und der in ihr eingeschlossenen, für
Leben und Gesundheit so aufserordentlich wichtigen Atmungs-
und Kreislauforgane dienen.
Aus der nebenstehenden Tabelle V ersieht man, dafs die
Moskauer Gymnasiasten eine relativ schlechter entwickelte Brust
aufweisen, als die den Volksschulen angehörenden Bauernkinder
und die jugendlichen Tagearbeiter in den Fabriken des
Moskauer Gouvernements und der Stadt Moskau. Auffallend
ist auch, dafe die Baumwollenspinner in den Fabriken des
genannten Gouvernements, die sich nach Erismann durch
ungünstige Lebensverhältnisse und schlechte Körperentwicklung
unter den Arbeitern auszeichnen, bis zum 16. Jahre einen
verhältnismäßig weit gröfseren Brustumfang besitzen, als
die Gymnasialschüler. Derselbe kommt bei den letzteren der
Hälfte der Körperhöhe erst im 20. Lebensjahre gleich, d. h.
um einige Jahre später, als bei den jungen Fabrikarbeitern, bei
denen dies ungefähr im 17. Jahre der Fall ist; eine Aus-
nahme bilden nur die Baumwollenspinner. Die Bauernkinder in
Bonza und Soligalitsoh, ebenso die Zöglinge des Findelhauses
in Moskau haben durchschnittlich, wenigstens im Alter von
8 bis 13 Jahren, einen Brustumfang, welcher die Hälfte der
Körperlänge weit übertrifft.
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660
Aber auch im späteren Lebensalter, nach dem 20. Jahre«
weisen bei weitem nicht alle Schüler einen hinlänglich ent-
wickelten Brustkorb auf. Die nachstehende Tabelle enthält den
Prozentsatz der Individuen im Alter von 20 bis 21 Jahren,
welche einen kleineren Brustumfang, als die Hälfte der Körper-
länge besitzen und also nach dem russischen Beglement zum
Militärdienste untauglich sind.1
Tabelle VI.
Die Zahl der Individuen im Alter von 20—21 Jahren, deren
halbe Körperhohe gröfser ist, als der Brustumfang.
1. Für die gesamte Bevölkerung Rufslands (Um, Skboirbtp) etwa 20,0%
2. „ „ „ „ des Kreises Elin (Erismahw) 21,7
3. „ „ Rekruten in der Schweiz (Schweizerische Statistik,
62. u. 68. Lieferung) 26,0
4. „ „ Fabrikarbeiter in Centralrufsland (Erismann) 26,8 „
5. „ „ Rekruten in Österreich (Chatelanat) 84,4 „
6. n „ Spinner u. s. w. in der Schweiz 38,0 „
7. „ „ Gymnasialschüler in Moskau (Sack) 42,2 „
8 „ n „ „ Dorpat (Stböhmberg) 50,0 n
Ans dieser Zusammenstellung geht hervor, dals sich unter
den Schülern der Gymnasien und Realschulen in Moskau ungefehr
42,2%, in Dorpat sogar 50% zum Militärdienste Un-
tauglicher finden, ausschließlich wegen mangel-
hafter Entwicklung der Brust. Wenn man aber ferner in
Betracht zieht, dafs die oberen Ellassen dieser Lehranstalten
einen sehr bedeutenden Prozentsatz Kurzsichtiger enthalten,
und wenn man aufserdem noch die anderen Momente berück-
sichtigt, welche als Hindernis zum Eintritt in das Heer dienen
können, so muüs man annehmen, daJjs die Zahl der Dienst-
unfähigen unter den Gymnasiasten und Realschülern 50% bei
weitem übersteigt.9
1 Letzteres verlangt sogar, dafs der Brustumfang der Rekruten die
Hälfte ihres Wuchses um 2—2,5 cm übertreffen soll.
1 S. darüber auch die interessanten Zahlen in dieser Zeitschrift, 1892,
No. 2, S. 70—73.
661
Aufmerksamkeit verdienen, wie ich glaube, auch meine
Feststellungen über den Charakter des von mir gesammelten
Materials in statistischer Hinsicht. Indem ich bei meiner
Arbeit die von Qubtelkt,1 Thoma* und Stibda' zur Bear-
beitung statistischer Daten empfohlenen Methoden benutzte,
kam ich zu interessanten Schlüssen, von denen ich die wich-
tigsten hier anfahren will.
Erstens fand ich, dais mein Material sich durch Einheit-
lichkeit auszeichnet und deshalb sich außerordentlich «u
statistischen Schlußfolgerungen eignet.
Ferner hat die von Thoma empfohlene Untersuchungs-
methode fftr die Zahl der individuellen Abweichungen der
Beobachtungen von der Norm vermittelst des vorher gefundenen
wahrscheinlichen Wertes dieser Abweichungen mir die Mög-
lichkeit gegeben, eine sehr interessante Eigentümlichkeit in
der körperlichen Entwicklung der von mir untersuchten
Kinder zu finden. Ich konnte nämlich nachweisen, daJs
unter den Schülern in jedem Lebensalter es mehr
solcher gibt, deren Körperhöhe die Norm übertrifft,
als solcher, deren Körperhöhe sich unter der Norm
befindet, und umgekehrt, dafs es bedeutend weniger
Kinder gibt, deren Brustumfang die Norm über-
trifft, als solcher, deren Brustumfang hinter der-
selben zurückbleibt. Kurz, ich habe konstatiert, dafs in
den Lebensbedingungen der Schüler Umstände existieren,
welche dem verstärkten Wuchs in die Höhe günstig,
der Entwicklung des Brustkorbes und der Lungen
aber ungünstig sind.
Welches sind diese Umstände? Die Thatsaohe, dafs der
Wuchs der Städter denjenigen der Landbewohner übertrifft,
die schon von Qüetblet und anderen ermittelt worden ist,
1 Qüetelkt. Sur Vhomme. Paris, 1835 und Anthropomitrie.
Bruxelles, 1870.
1 Thoma. Untersuchungen über die Größe des menschlichen Körpers.
Leipzig, 1882.
• Stiedül. Archiv für Anthropologie, 1882, Bd. XIV.
662
kann nicht allein ans der besseren ökonomischen Lage der
enteren erklärt werden. Der Übelstand, dais dem Stadtkinde
systematisch frische Lnffc und Licht geraubt wird, was so
charakteristisch für die Lebensbedingungen desselben ist, mute eine
dem bekannten Faktum aus der Pflanzenwelt analoge Erscheinung
hervorrufen. Pflanzen, welche im Dunkeln aufwachsen, ziehen
sich weit mehr in die Länge, als ihre in der Sonne aufge-
wachsenen Schwestern, aber sie haben einen dünneren Stamm
und schwächere Zweige.
Dafs aber das beschleunigte Wachstum in die
Höhe in sanitärer Hinsicht eine verdächtige Er-
scheinung darbietet, dafür kann ich mich auf zahlreiche
Autoren .berufen. Nach den Untersuchungen von Professor
Lesshapt in St. Petersburg 1 und Dr. Subkowsky in Polozk *
zeichneten sich unter den gleichaltrigen Schülern der Lehr-
anstalten diejenigen, welche einen höheren Wuchs aufwiesen,
durch grölsere Kränklichkeit und schwächere allgemeine Ent-
wicklung des Organismus aus. Nach Bernstein8 sind über-
mittelgrofse Leute stark zu ernsten Lungenerkrankungen geneigt.
Dr. Metnne4 hat gezeigt, dais Grenadiere, welche sich durch
höheren Wuchs hervorthun, auch einen gröberen Prozentsatz
von Erkrankungen an Tuberkulose stellen. Larrey5 und
andere behaupten geradezu, dafs grofse Körperlänge eher ein
Zeichen von schwacher Gesundheit, als von Kraft sei. Endlich
hat Busch6 ebenfalls gefunden, dafs Krankheiten der Brust-
organe am häufigsten bei hochgewachsenen Soldaten vorkommen.
Alle diese einstimmigen Angaben bestätigen, dais der
abnorm beschleunigte Längenwuchs der Kinder keine wünschens-
werte Erscheinung ist, besonders wenn sie sich auf den
1 Sdorowje, 1879—1880, No. 127—131. (Rum.)
1 Der sanitäre Zustand des Müitargymnasiums in Polozk. Disser-
tation. St. Petersburg, 1879. (Russ.)
9 Citiert bei Erismann, S. 54; 8. das Literaturverzeichnis am
Schlüsse des Artikels.
4 Citiert bei Jahsbn. fitude danthropomitrie medicale. Bruxelles, 1882.
6 Desgl.
6 Gröfse, Gewicht und Brustumfang von Soldaten. Berlin, 1878.
663
Durchschnittswuchs einer ganzen Gruppe von Kindern bezieht.
Bei solchen Individuen nehmen die Lungen eine verlängerte,
oft cylindrische oder abgeflachte Gestalt an, die für deren
Lüftung sehr ungünstig ist. Eine derartige Brustform wird
von vielen angesehenen Klinikern, wie Niemeyer, Kühle,
Eichhorst u. a., als zu ernstlichen Lungenerkrankungen,
namentlich Tuberkulose, prädisponierend angesehen.
Ohne auf die Einzelheiten der Frage einzugehen, inwieweit
an diesen traurigen Erscheinungen die häusliche Erziehung
der Kinder Schuld ist, inwieweit die Verantwortung auf
die heutige Schule mit ihrem Unterrichtssystem Mit, will ich
zum Schluß nur betonen, dafs man keine Mühe scheuen darf,
um den Kindern und Jünglingen eine gesunde Erziehung
angedeihen zu lassen. Die einzige Möglichkeit zur Lösung
dieser aufserordentlich wichtigen Frage finde ich, abgesehen
von der hygienischen Belehrung des Elternhauses, in der
Revision der jetzigen Lehrprogramme, in der Verkürzung und
Vereinfachung des Unterrichts, in der Vermehrung der Stunden,
welche die Kinder in frischer Luft zubringen, speciell in der
systematischen Einführung von Spielen und anderen Übungen
im Freien in den Stundenplan.
Litteratur.
Erismann. Untersuchungen über die körperliche Entwicklung der
Fabrikarbeiter in CentralruXsland. Brauns Archiv für sociale Gesetz-
gebung u. i. w. Tübingen, 1889.
Chatblanat. Militärstatistisohes aus Österreich. Berner Zeitschrift
für schweizerische Statistik. Bern, 1875.
Michailoff. Über die physische Entwicklung u. s. w. in den
Dorfschulen von Roma. Moskau, 1887. (Russ.)
Schbakkoff. Über den Einflufe der Dorfschule auf die körperliche
Entwicklung der Kinder. Wiestnik der gerichtlichen Medizin. St. Peters-
burg, 1889, No. 4.
Bowdtich. The growth of children. Eighth annual Report of the
State Board of Health of Massachusetts. Boston, 1877.
Bowditch. XXII. annual Report etc. Boston, 1891. Sonderabdruck.
Vergl. auch die oben angeführten Arbeiten von Thoma, Stueda,
Toldt, Busch, Jansen u. s. w.
664
Ärztlicher Bericht
das Schuljahr 1892 — 93 an der Staatsoberrealschule
in Temesv&r.
Von
Dr. med. Eugen Tauffer,
Schularzt und Professor der Hygiene in Temesvär.
1. Einleitung.
Ich habe nun das sechste Jahr meiner schulärztlichen Thätig-
keit vollendet und war somit in der Lage, die Schüler der
VI. Klasse vom Momente ihres Eintrittes in obige Anstalt bis
zum heutigen Tage im Verlaufe ihrer Entwicklung und ihres
körperlichen Fortschrittes zu verfolgen. Es wäre mir daher
möglich! aus den Daten meiner Protokolle und auf Grund
häufigen persönlichen Verkehres mit den Sohülern ein
Urteil abzugeben über die Wirkung der von mir durch-
geführten Vorschriften unserer schulärztlichen Institution.
Da jedoch der wirkliche Erfolg dieser Einrichtung, wie bei
jeder Neuerung, erst nach einem entsprechend langen Zeit-
raum hervortritt, so beschränke ich mich, wie in meinem
vorjährigen Berichte, auch diesmal wieder auf die blo&e
Rekapitulation der von mir geleisteten Arbeit.
Ich übergehe die Anordnungen, welche die Hygiene des
Schulgebäudes betreffen, da diese im engen Zusammenhange
mit der ökonomischen Verwaltung der Anstalt steht, demnach
einen Gegenstand des Direktionsberichtes bildet und daselbst
eine kompetente Behandlung erfahren wird. Es kann dies
um so eher geschehen, als heuer in dem Gebäude der Schule
und ihrem Territorium durch meine Initiative oder meinen
Beirat keine bedeutenderen hygienischen Veränderungen aus-
geführt sind.
665
2. Der Unterricht in der Gesundheitslehre.
Dieser Unterricht begann am 12. September 1892, und
zwar wieder in der VII. Klasse. Hierbei richtete der Direktor
an die Schüler eine ermunternde Ansprache, in welcher er
hervorhob, dafs der Gegenstand nicht obligatorisch sei, daher
jeder sich Meldende seine Pflicht, als freiwillig übernommene,
mit doppeltem Eifer zu erfüllen habe. Ich konstatiere mit
Freude und einigem Stolze, dafs sich alle Schüler der Klasse
dazu meldeten.
Den Erfolg des Unterrichtes bestätigen die durch den
Königlichen Oberdirektor des Schulbezirkes Cornelius Nätafa-
lusst ausgedrückte Zufriedenheit, die im Klassenbuche ent-
haltenen Noten und das durchaus erfreuliche Resultat der am
17. Mai 1893 abgehaltenen Prüfung, die unter dem Vorsitze
des Professors Joseph Holtzmann und in Gegenwart des
Professors Johann Gaspar stattfand.
3. Die ärztliche Untersuchung der Schuljugend.
Ich begann die ärztliche Untersuchung der gesamten
Schüler am 13. September 1892 und beendete dieselbe bei
täglich zwei- bis dreistündiger Arbeit am 22. desselben Monates.
Hierbei richtete ich besondere Aufmerksamkeit auf jene
Knaben, die in den vorhergegangenen Jahren an einem Körper-
fehler gelitten hatten. Da, wo ich mich von der Befolgung
meiner früheren Ratschläge überzeugen konnte, notierte ich
dies mit Worten der Anerkennung, andererseits merkte ich aber
auch diejenigen Fälle an, in welchen Vernachlässigung oder
absichtliche Versäumnis meiner Ermahnungen stattgefunden hatte.
Einen Schüler mutete ich wegen ägyptischer Augen-
entzündung durch die Direktion für unbestimmte Zeit vom
Schulbesuche ausschliefsen.
4. Die praktische Anwendung der Resultate der schul-
ärztlichen Untersuchung in den einzelnen Klassen.
Nach Schlufs der ärztlichen Untersuchung wurden die
kurz- und schwachsichtigen Schüler in ein Verzeichnis einge-
8ehulgM!iiidhelttpfle?e VI. 43
666
tragen, ebenso diejenigen, bei denen eine Verkrümmung der
Wirbelsäule oder eine Anlage zu dieser Deformität nach-
weisbar war. Dieses Verzeichnis übergab dann die Direktion
den einzelnen Klassenvorständen mit dem Auftrage, die kurz-
sichtigen Schüler, je nachdem es geboten erschien, in die
ersten, respektive die übrigen nahe bei der Schultafel befind-
lichen Bänke zu setzen, die ganze Klasse aber wiederholt
zu grader und aufrechter Körperhaltung zu ermahnen. Die
erwähnten Ausweise wurden an das erste Blatt des Klassen-
buches geheftet und so die Aufmerksamkeit der Lehrer in
dieser Richtung ununterbrochen rege gehalten.
5. Bevaocination der Schüler gegen die Pocken.
Im Laufe der ärztlichen Untersuchung wurden auch die
Revaocinationspflichtigen notiert. Von diesen stellten sich
12 Schüler freiwillig zur Wiederimpfung, und wurden von
denselben je 2 Kronen für letztere eingefordert. 3 Schüler
leisteten ihrer Impfpflicht im Elternhause Genüge, worüber sie
Zeugnisse bei der Direktion vorlegten. Bei der am 16. Mai
vorgenommenen Kontrolle konstatierte ich in 11 Fällen vollen
Erfolg. Die Pusteln verursachten nur einmal eine stärkere,
mit Fieber einhergehende Alteration des Befindens, während
im übrigen die Geimpften ungestört die Schule besuchen
konnten.
6. Die Mitteilung der Ergebnisse der ärztlichen
Untersuchung an die Eltern, bezw. Pfleger.
Nachdem die Eltern durch die Zeitungen rechtzeitig ver-
ständigt waren, hielt ich mich vom 14. bis einschließlich zum
19. November 1892 täglich von 12—1 Uhr mittags im
Bibliothekssaale auf, um den Vätern, resp. deren Vertretern
über die im Laufe der ärztlichen Untersuchung gesammelten
Erfahrungen Aufklärung zu erteilen.
Leider mufs ich auch diesmal wieder hervorheben, dafs
dieselben diese Wohlthat der Schule nicht genügend zu
würdigen wußten. Ich würde mich über diese Indolenz
667
leichter hinwegsetzen, wenn ich erfahren hätte, daJs die Eltern
nach meinerseits erfolgter Ermahnung der Schüler den Bat
ihrer Hansärzte eingeholt und die nötigen SohutzmaJsregeln in
Angriff genommen hätten. Zu meinem Bedauern aber war
auch hiervon keine Spur wahrzunehmen.
Nur die Belehrung, welche der heranwachsenden Generation
in den Grundsätzen der Hygiene zu teil wird, verleiht uns
die Hoffnung, das Interesse des groüsen Publikums werde sich
doch noch einmal diesem hochwichtigen Gegenstande zuwenden.
Und dafe dieses Interesse, gleichzeitig mit dem Bestreben, die
Öffentlichen Gesundheitsverhältnisse überhaupt zu verbessern,
auch bei unserer Bevölkerung bereits Boden gewonnen hat,
beweisen die immer zahlreicher werdenden Klagen über
beobachtete hygienische Mängel und Unterlassungen auf ver-
schiedenen Gebieten.
7. Schutzmafsregeln zur Zeit der Choleraepidemie.
Am 12. und 13. Oktober 1892 ging ich von Klasse zu
Klasse und verteilte mit einem erklärenden Vortrage die durch
den städtischen Magistrat in Druck gegebenen Schutzmab-
regeln gegen die Cholera.
8. Die ärztliche Inspektion der Schüler
während der Lehrstunden.
Ich besuchte im Laufe des Jahres mehrmals die einzelnen
Klassen während des Unterrichtes, teils um die Haltung der
Schüler bei den verschiedenen Schulbeschäftigungen zu beob-
achten, teils um aus der Lehrmethode der Professoren das für
mich Wichtige kennen zu lernen.
Die auf die Schüler Bezug habenden Wahrnehmungen
und Erfahrungen wurden dann mit den einzelnen Lehrern
erörtert, meine Vorschläge mit gewohnter Zuvorkommenheit
angenommen und so manche zweckmäfsigen Anordnungen
erreicht.
43*
668
9. Teilnahme an den Sitzungen des Lehrkörpers.
Infolge Einladung der Direktion nahm ich sowohl an den
periodischen Kontrollkonferenzen, wie auch an jenen Sitzungen
des Lehrerkollegiums teil, die aus Anlafs des Besuches des
Bezirksoberdirektors stattfanden. Hierbei hatte ich wiederholt
Gelegenheit, schulhygienische Fragen Vorbringen zu können.
10. Ärztliche Zeugnisse.
Das zur Befreiung vom Turnunterrichte nötige Zeugnis
wurde 12 Schülern ausgestellt. Hierfür kam eine Taxe von
1 fl. ö. W. zur Erhebung.
Aufserdem erhielten aus Anlals des 1893 in Budapest
stattfindenden Landesturnfestes 4 Schüler der oberen Klasse
Gesundheitsatteste, um an dem Wettlaufen teilnehmen zu dürfen.
Zu anderen Zwecken wurden ärztliche Zeugnisse einem
Schüler und dem Sohuldiener erteilt.
11. Ärztliche Behandlung.
Meine privatärztliche Thätigkeit im Anschlüsse an meine
amtliche Stellung in der Schule wurde von 3 Schülern und
dem Schuldiener in Anspruch genommen.
12. Schlufs.
Wenn ich das, was ich als Schularzt im letzten Jahre
geleistet habe, überblicke, so fühle und weife ich, dafe ich die
Anforderungen des ministeriellen Statutes in ihrer Gesamtheit
nicht annähernd erfüllen konnte. Doch sei mir gestattet, zu
meiner Entschuldigung auf den Eingangspassus meines Berichtes
zu verweisen, wo ich die Notwendigkeit genügender Zeit und
Erfahrung zur Erreichung greifbarer Erfolge betonte.
Das mit grofser Sachkenntnis und auf Grund vielseitigen
Studiums verfafste Statut trägt nach meiner bescheidenen
Meinung dennoch die Merkmale mangelnder praktischer Er-
fahrungen an sich.
Die Sammlung dieser Erfahrungen und die Gewinnung
669
einer verwertbaren Form für dieselben bleibt uns, die wir die
Tagearbeiter auf diesem Felde sind, vorbehalten. Wir müssen
die groben Ideen sozusagen in kleine Münze umsetzen, aber
auch diese wieder zur Erreichung großer Erfolge sammeln.
ans flerfammluttgen nnb Vereinen.
Sitzungen der Kommission für Schulgesundheitspflege
in Nürnberg.
Von
Dr. phil. G. AüTENRIETH,
Rektor des humanistischen Gymnasiums in Nürnberg.
Aus den durch Dr. Paul Schubert vom 5. Dezember 1890
bis 8. April 1892 abgehaltenen Sitzungen über Steilschrift
erwuchs mittelst Ernennungen des Vereins für öffentliche
Gesundheitspflege obengenannte Kommission, welche zunächst
20 Mitglieder zählte. Diese bestanden aus 8 Ärzten, 1 städtischen
Schulrat, 5Leitern und Professoren von Mittelschulen, 3 Magistrats-
räten, dem Vorstand des Bezirkslehrervereins, 1 Schulinspektor
und 1 Lehrer. Vorsitzender der Kommission ist der durch
Eifer und Umsicht rühmlich bekannte Augen- und Ohrenarzt
Dr. Paul Schubert.
In der
I. Sitzung am 3. Mai 1892
wies der Genannte zunächst hin auf die Ziele der Kommission,
insbesondere auf die prophylaktischen Aufgaben derselben auf
verschiedenen Gebieten der Schulgesundheitspflege. Zur Er-
füllung dieser Aufgaben dienen Aufdrucke auf Hefte und
Lesebücher der Schüler, Popularisierung schulhygienischer
Fragen durch Flugschriften, nach Bedarf auch Einberufung
670
besonderer Versammlungen. Die nötigen Geldmittel müssen
in der Hauptsache durch Sammlungen und Geschenke aufge-
bracht werden. Über letzteren Punkt liefs eine nachfolgende
Debatte keinen Zweifel aufkommen, wenn auch durch den
Vorsitzenden des Vereins für öffentliche Gesundheitspflege eine
kleine Summe als Beitrag in Aussicht gestellt werden konnte.
Ein besonderer Antrag lag vor von Dr. Baueb im An-
schluß an seinen im November 1891 im Hauptvereine ge-
haltenen Vortrag über Aprosexia nasalis bei Schulkindern,
infolgedessen er auf breitester Grundlage Untersuchungen der
Schüler vornehmen zu können wünschte und um Unterstützung
seines Antrags beim Stadtmagistrat bat. Der Vorsitzende
stimmte diesem Antrage zu und wünschte vor allem den
Vortrag veröffentlicht zu sehen. Ein anwesender Gymnasial-
rektor stellte seine unteren Klassen, vorbehaltlich der Ein-
willigung der Eltern, zur Verfügung. Medizinalrat Merkel
möchte nicht, dals die Kommission den Weg öffentlicher
Preüsberiohte einschlage. Bezirkslehrervereinsvorstand Darr
empfiehlt dazu die Fachpresse (bayerische Lehrerzeitung). Er
befürwortete auch Einrichtung besonderer Klassen für zurück-
gebliebene Bänder und eine Erörterung dieser Frage durch die
Kommission. Für beide Angelegenheiten wurde übrigens das
Semester als schon zu weit vorgerückt betrachtet, und man
verschob daher die Ausführung auf den Schulbeginn im Herbste.
Ein Antrag von Dr. Deuerlbin, in hiesiger Stadt Heil
kurse für Stotterer nach dem System GuTZMANN-Berlin einzu-
richten, wurde zunächst vom Stadtschulrat Glauninö dahin
beantwortet, dafs einige hiesige Lehrer nach diesem System
geschult seien, dafs jedoch nach Mitteilungen an den Magistrat
ein starker Müserfolg zu verzeichnen sei. Medizinalrat Mkrkkl
ist erstaunt, dafs die bisherigen Versuche erst in der obersten
Klasse vorgenommen wurden; das ganze Verfahren erscheine
ihm etwas übereilt und noch nicht spruchreif, weshalb er erst
genauere Nachweise und statistische Mitteilungen zur Unter-
stützung eines solchen Antrags abwarten wolle. Wegen vor-
gerückter Zeit wurde die Sache vertagt.
671
IL Sitzung am 22. November 1892.
Der Vorsitzende legt eine Reihe von Einlaufen vor: über
Schulbäder, Subsellien, Lese* und Schreibpulte nebst Prospekten,
F&ets Essai sur l'hygi&ne scolaire, die neuen Steilschrifthefte
und -tafeln von hier, ferner Steilschriftfibeln aus Prag, Wien,
Breslau, Frohsdorf und eine vom Vereinsmitglied Wunderlich
dahier umgearbeitete ScHUMBACHsche Fibel, Beiträge zur
Schriftfrage von Professor Lukas in Salzburg und von Professor
von Fodor in Budapest, sowie Jacksons System of upright
penmanship.
Hierauf hält Dr. Dbueblein seinen Vortrag über die
Einrichtung von Kursen für Stotterer hierselbst. Die Debatte
weist auf verschiedene Schwierigkeiten hin, zunächst Mangel
an einem passenden Lokal, der allerdings durch Verlegung dieses
Unterrichts aufser dem gewöhnlichen Rahmen der Schulstunden
sich beseitigen Heise. Auf Befragen, ob nicht die durch
Gentner in München ausgebildeten Lehrer fähig seien, das
Stottern zu heilen, bezweifelt der Vortragende die genügende
Schulung derselben. Demnach würde eine geeignetere Aus-
bildung anzustreben und ins städtische Budget eine hinreichende
Summe hierfür einzustellen sein, was aber mindestens Jahres-
frist erfordere und daher jetzt nicht als Grundlage genommen
werden könne. Dr. Pauschingbb erklärt, man dürfe höchstens
bis zum nächsten Semester warten, da es etwa 117 Stotterer
gebe. Obermedizinalrat Dr. Merkel hält die Sache für rein
organisatorisch, Stadtschulrat Glauning lediglich für eine
Geldfrage; beide wünschen Beschleunigung. Inspektor Hof-
mann möchte aber zuerst alle Lehrer, die bei Gentneb waren,
über ihre Leistungen vernehmen, was jedoch der Antragsteller
als zwecklos ansieht, indem ihm überhaupt die Berliner Aus-
bildung der Stotterlehrer als die beste gilt. Der Vorsitzende
hebt dies auch als die Ansicht des Geheimen Obermedizinalrats
Dr. von Kebschensteineb in München hervor. Der städtische
Schulrat spricht gegenüber andern Anträgen die Ansicht aus,
d&fs wohl nur die in Bayern geschulten Lehrer auf Anstellung
672
rechnen könnten. Weitere Debatten ergaben, dafs in bayerischen
Städten noch keine Stottererknrse bestehen, weil eben Gentnkr
noch keine Lehrer gebildet habe, einzelne anch den Eindruck
hätten, als verschweige er manches, während Dr. Gützmakk
als Arzt eine Klinik errichtet habe und zusammen mit seinem
Vater, einem Taubstummenlehrer, streng wissenschaftlich arbeite.
Zuletzt beschlofs man, eine Eingabe an die städtischen Be-
hörden unter Beischlufs des vorhandenen Materials mit der
Bitte zu richten, Kurse für Stotterer einrichten zu lassen.
Man werde dann ohnedies der G-ENTNEBschen Methode näher
treten und gegebenen Falls von ihr absehen müssen. Jeden-
falls seien immer je 2 Lehrer für einen Kurs auszubilden und
dieser selbst nicht in die Ferien zu verlegen. Dann könnte
anch noch die letzte Klasse dieses Jahres mit beigezogen
werden, indem auf einen Kurs etwa 10 Schüler gerechnet
würden.
Heilung von Kurzsichtigkeit bei Schülern durch Suggestion.
Ans dem Verein deutscher Ärzte in Prag.
Der Verein deutscher Ärzte in Prag hielt vor einiger Zeit eine
Sitzung ab, in welcher Professor Dr. Schnabel nach der „Wien.
med. Wochenschr." folgendes vortrug:
Alljährlich kommen auf der Prager Universitätsaugenklinik ein-
zelne Fälle von Sehstörung bei Knaben im Alter von 10 — 16 Jahren
zur Beobachtung, welche darin bestehen, dafs dieselben plötzlich,
nachdem sie früher ganz gut gesehen hatten, nicht bis zur Schultafel
sehen und so dem Unterrichte nicht folgen können. Es ist dyna-
mische Myopie vorhanden; denn die Sehstörung schwindet beim
Vorsetzen von Konkavgläsem, trotzdem die Untersuchung mit dem
Augenspiegel Emmetropie nachweist.
Man erklärte diesen Zustand bisher durch die Annahme eines
Accommodationskrampfes, welcher immer dann eintrete, wenn die
Sehthätigkeit beabsichtigt werde und mit dem Schwinden dieser Ab-
sicht selbst aufhöre. Unumstöfslich sicher wurde die Sache jedoch
noch nie bewiesen.
Auch bei der Nahearbeit, beim Lesen und Schreiben, helfen
sich solche Kinder nur mühselig fort. Sie geben dem Buch und
dem eigenen Körper die wunderlichsten Stellungen, grimassieren
673
fortwährend, sind äufserst unruhig und launenhaft. Man mufste
nicht nur Krampf des Ciliarmuskels, sondern auch eine ungleich
starke Kontraktion desselben in seinen verschiedenen Teilen an-
nehmen.
Im Jahre 1884 machte Professor Schnabel zum ersten Male
bei einem Individuum, welches eine funktionelle Myopie von 4 Di-
optrien darbot, die Beobachtung, dafs der ganze Zustand durch das
Vorsetzen eines Planglases wie mit einem Schlage behoben werden
konnte. Seither wurden solche Fälle in grofser Zahl und immer
mit dem gleichen Resultate beobachtet. Der Zustand hatte eine
gewisse Ähnlichkeit mit der hysterischen Amblyopie. Auch hier
kommen Patienten vor, die plötzlich eine hochgradig herab-
gesetzte Sehschärfe, herabgesetzten Licht- und Farbensinn und ein
konzentrisch bis auf wenige Grade eingeschränktes Gesichtsfeld dar-
bieten, und bei welchen alle diese Symptome durch das Vorsetzen
eines Planglases leicht zum Verschwinden gebracht werden. Den-
selben Erfolg kann man erzielen durch ein schwaches Konvex- oder
Konkavglas, ein Stereoskop und bei genügend geschickt ausgeführter
Täuschung auch — durch ein leeres Brillengestell. Die Vorstellung,
dafs ein Brillenglas den Kranken Heilung bringen müsse, ist bei
ihnen so mächtig, dafs dasselbe diese Heilung durch Suggestion
auch thatsächlich bewirkt. Die Knaben sehen in der Schule eine
Reihe ihrer Mitschüler kurzsichtig werden und durch Brillen Hilfe
für ihre Kurzsichtigkeit finden. Diese Vorgänge führen zu der irrigen
Vorstellung, dafs sie die Leistungsfähigkeit ihrer eigenen Augen für
verändert halten.
In den Mädchenschulen wurde diese Suggestionsmyopie nie
beobachtet, weil für das weibliche Geschlecht das Tragen von Augen-
gläsern im Gegensatze zu der männlichen Jugend als etwas Verun-
staltendes angesehen und gerne vermieden wird. Gerade in letzter
Zeit konnte Professor Schnabel jedoch auch zwei Fälle bei jungen
Mädchen im Pubertätsalter beobachten, von denen das eine sogar
die Erscheinung der Alterssichtigkeit infolge von Suggestion darbot.
Die Betreffende war Galvaniseurin und sah, dafs ihre Mutter ohne
Brille in der Nähe nicht arbeiten konnte. Sie entlieh daher die
Konvexbrille ihrer Mutter und behauptete, dafs sie nur mit dieser
gut bei der Nahearbeit sehe. Als sie klinisch untersucht wurde,
liefs sich ihre Sehstörung durch ein einfaches Planglas beheben.
Auch Erwachsene können von diesem Leiden ergriffen werden.
Ein Mann erlitt eine Verletzung des linken Auges durch einen Eisen-
splitter, und die Ärzte erweckten die nicht unbegründete Besorgnis
in ihm, dafs auch das andere Auge erkranken könne. Obgleich keine
objektive Veranlassung vorlag, hielt er fortan seine Sehkraft für
674
geschwächt und das Tragen einer Brille für notwendig. Diese brachte
denn auch, wenn auch nur in Gestalt von Plangläsern, alles in
Ordnung.
Wie lange sollen die Schulkinder bei Infektionskrankheiten
isoliert werden?
Beschlüsse der Pariser Akademie der Medizin«
Die Pariser Akademie der Medizin hat sich ans Anlafis der
letzten in Paris herrschenden Epidemien mit einer Revision der
gegenwärtig für die dortigen Schulen geltenden Vorschriften bezüg-
lich der Isolierung der Kinder bei ansteckenden Krankheiten be-
schäftigt. Eine zu diesem Zwecke berufene Kommission stellte eine
Denkschrift Ober die einschlägigen Punkte zusammen. Die Schlüsse,
zu welchen die Kommission gelangte, sind folgende:
1. Die Dauer der Isolierung, welche die an einer kontagiösen
Krankheit leidenden Schüler durchmachen müssen, beträgt
40 Tage bei Scharlach, Pocken, Windpocken und Diph-
therie,
2. 16 Tage bei Masern und Yarioloiden.
3. Bei Keuchhusten soll die Isolierung noch 3 Wochen
nach dem vollkommenen Verschwinden der charakteristischen
Hustenstöfee fortgesetzt werden.
Nachstehende hygienische Maisnahmen müssen an dem Rekonvales-
centen vor der Wiederaufnahme des regclmäfsigen Schulbesuchs aus-
geführt werden : Nasen-, Mund- und Rachendusche mit antiseptischen
Flüssigkeiten, Seifenbäder, allgemeine Abreibungen, Waschungen
der Kopfhaut, Sterilisation der Kleider, welche der Schüler bei
Ausbruch der Krankheit getragen hat, mittelst strömenden Wasser-
dampfes. Weiterhin ist anzuordnen, daß das Krankenzimmer sorg-
fältig gelüftet, Wände und Möbel mit l%o Sublimatlösung ab-
gewaschen, Wäschestücke und Gardinen mittelst strömenden Wasser-
dampfes desinfiziert werden. Schulkinder, welche an irgend einer
der oben angegebenen Krankheiten gelitten haben, dürfen erst dann
wieder zum Schulbesuche zugelassen werden, wenn sie sich nach-
gewiesenermafsen den von der Behörde angeordneten Desinfeküons-
mafsregeln vollständig unterworfen haben.
Errichtung besonderer Schulklassen für Schwachsinnige.
Vom Thüringer StMtetage.
( Obiges Thema besprach Stadtschulrat Dr. Vorbrodt aus Erfurt
auf dem im September d. J. in Ilmenau abgehaltenen Thüringer
Städtetage. Die Hygiene, so führte derselbe aus, ist das Schmerzens-
kind der Städte, da die bezüglichen Anforderungen, wie Einrichtung
675
der Schulhäuser u. 8. w., über das Mals der zu Gebote stehenden
Mittel meist weit hinausgehen. Die Opfer für schwachsinnige Kinder
sollten aber unter keinen Umständen als zu grofs erscheinen. Be-
sondere Anstalten für sie zu errichten, wie für Idioten und Blöd-
sinnige, ist ihrer gro&en Zahl wegen nicht angängig; es würden
dadurch den Gemeinden auch unerschwingliche Kosten erwachsen.
Gleichwohl lädst sich in bester Weise für sie sorgen. In kleinen
Orten, wo vereinzelt ein schwachsinniges Kind vorhanden ist, kann
der Lehrer schon viel Gutes wirken, wenn er ein solches Kind in
seinem Garten oder seiner Landwirtschaft beschäftigt und dabei sich
bemüht, einen fortgesetzten systematischen Einflufs in erziehlicher
und belehrender Richtung auf dasselbe zu üben. In gröberen Orten
aber, wo Imbezille in stärkerer Anzahl vorhanden sind, müssen
Hilfsklassen bei den Volksschulen für sie geschaffen werden.
Referent berichtete sodann über die von ihm geleitete Schwach-
8innigenschule in Erfurt, die sich in wünschenswerter Weise bewährt
und namentlich auf dem Gebiete der Disciplin und der moralischen
Einwirkung die denkbar besten Erfolge erzielt habe.
Nach den „Blatt, f. soc. Prax.u nahm der Städtetag folgende
Resolution an: Seitens des Städtetages wird die Errichtung von
besonderen Hilfsklassen für Schwachsinnige aufs Dringendste befür-
wortet und empfohlen.
kleinere M\ttt\luu$tu .
Über den Einflufs des Geschlechtes in der Erziehung, so ist
ein Vortrag überschrieben, welchen der englische Irrenarzt Sir James
Crichton-Browne vor einiger Zeit in der Medical Society of
London gehalten hat. Der Genannte konnte durch 1600 Wägungen
feststellen, dafs das männliche Gehirn durchschnittlich 127 g schwerer,
als das weibliche ist. Das hat nun freilich insofern nichts Über-
raschendes, als der Mann überhaupt ein größeres Gewicht als die
Frau besitzt. Allein auch wenn man den kleineren Körperbau der
letzteren in Betracht zieht, behält das männliche Gehirn noch immer
ein Übergewicht von 29 g. Mit anderen Worten: nicht nur das
absolute, sondern auch das relative Hirngewicht des Mannes ist
gröfeer als dasjenige der Frau. Gegen diesen Satz Criohton-
Browkbs hat sich ein wahrer Sturm der Lady Doctors in England
und Amerika erhoben. Toller Entrüstung wiesen sie darauf hin,
dafs seine Wägungen in Irrenanstalten vorgenommen seien, und dafs
676
man nicht berechtigt sei, von kranken auf gesunde Gehirne zu
schliefsen. Dr. Crichton-Browne aber verteidigte sich siegreich,
indem er hervorhob, dafs die männlichen Irren besonders an Lähmungs-
blödsinn, an Hirnerweichung, kurz an solchen Krankheiten sterben,
bei denen eine Verringerung des Gehirngewichtes eintritt, wahrend
die geisteskranken Frauen anderen Organerkrankungen zu unterliegen
pflegen, welche ohne Einflufs auf die Ernährung und das Gewicht
des Gehirns sind. Nun ist freilich das Hirngewicht allein nicht von
ausschlaggebender Bedeutung für die geistigen Fähigkeiten der be-
treffenden Person. Cuvtbr und Beethovbn hatten allerdings mäch-
tige Schädel von über 1800 ccm, Kant einen solchen von 1740 ccm
Rauminhalt, allein die Hirne von Dante und Liebig wogen
weniger als die mancher Austrabeger. Es kommt eben auch auf
den Bau und die innere Organisation der Gehirnteile, insbesondere der
Ganglienzellen, der Nerven mit ihren Achsencylindern, an, obgleich
Genaueres über den Einflufs dieses Baus auf die geistigen
Fähigkeiten noch nicht bekannt ist. Jedenfalls aber werden wir
annehmen dürfen, dafs bei gleicher Organisation das schwerere Gehirn
das leistungsfähigere ist, wie denn auch die europäischen Völker mit
dem kubischen Inhalt ihrer Schädel obenan stehen, während die
Neger, Australier und Nubier in dieser Beziehung die unterste Stelle
einnehmen. Ein zweiter Unterschied zwischen dem männlichen und
weiblichen Gehirne, auf den Dr. Crichton-Browne hinwies, liegt
in dem specifischen Gewichte. Während die sogenannte weifse Mark-
substanz bei Mann und Frau das gleiche specifische Gewicht hat, ist
dasjenige der grauen Rindensubstanz, in welcher die geistigen Prozesse
vor sich gehen, bei den Männern gröfser als bei den Frauen; das
Verhältnis beträgt 1037 : 1034. Die graue Substanz des weiblichen
Gehirns mufs also weniger reich, als die des männlichen ernährt und
entwickelt sein. In Übereinstimmung damit steht, dafs, wie gleich-
falls Browne und sein Schüler Martin gezeigt hat, die Carotis
interna, eine am Halse verlaufende grofte Schlagader, welche das
vordere und mittlere Gehirn mit Blut versorgt, bei den Männern
stärker ist, als bei den Frauen, die Vertebrararterien dagegen und
ihre Fortsetzung, die Basilaris, welche die Hinterhauptslappen des
Gehirnes versorgen, bei den Frauen stärker, als bei den Männern.
Bei dem männlichen Geschlechte wird also diejenige Region des
Hirnes am reichlichsten ernährt, an welche der Wille, die Erkenntnis,
die ideomotorischen Prozesse gebunden sind, bei dem weiblichen
Geschlechte der hintere Teil des Gehirnes, in welchem die sensorischen
Funktionen vor sich gehen. Diese Unterschiede zwischen dem männ-
lichen und weiblichen Gehirne bestehen nun zu jeder Periode des
Lebens, also auch in der Kindheit, ja sie treten besonders bedeutsam
677
während der Pubertätszeit hervor, wo die Erziehung sehr energische
Anforderungen stellt. Dr. Crichton-Browne tadelt daher, dafs
die jungen Mädchen in den höheren Töchterschulen Englands fast
dieselbe Ausbildung, wie die Knaben, erhalten. Infolgedessen
müfsten dieselben am späten Nachmittage oder Abend, wenn ihr
Gehirn bereits erschöpft sei, noch zwei bis drei Stunden zu Hause
arbeiten, und das Resultat hiervon sei, dafs eine beträchtliche Anzahl
während des Quartales erkranke und nicht weiter könne. Als erstes
Symptom der Überarbeitung stellen sich gewöhnlich Kopfschmerzen
ein. Yon 187 Schülerinnen der höheren Stände, welche Crichton-
Browhb untersuchte, litten 137 an Kopfweh, also mehr als zwei
Drittel. Ähnliche Beobachtungen sind bekanntlich auch in den
höheren Mädchenschulen Dänemarks und Schwedens gemacht worden.
Hygienische Ratschläge für die Hausarbeit der Schüler.
Der uns freundlichst übersandte Jahresbericht der Realschule bei
St. Johann zu Strafsburg i. E. über das Schuljahr 1892 — 93 enthält
unter den Mitteilungen an die Schüler und deren Eltern folgenden
Abschnitt: Da die Schüler den bei weitem größten Teil des Tages
der Schulaufsicht entzogen und der Obhut der Eltern oder der Ver-
treter derselben überlassen sind, so erlauben wir uns, diesen zum
Zwecke der thunlichsten Verminderung der Schädlichkeiten der Nah-
arbeit den Rat zu geben, doch darauf achten und dafür sorgen zu
wollen, 1. dais die Kinder beim Lesen und Schreiben, indem sie
abwechselnd sitzen und stehen, die Füfse mit der ganzen Sohle auf
dem Boden, den Oberkörper ganz gerade und das Buch oder Heft
30 — 35 cm von den Augen entfernt halten; 2. dais sie bei den
Arbeiten sich so setzen oder stellen, dafs das Licht yon links oder
Ton hinten (? D. Red.) auf das Buch oder Heft falle ; 3. dafs sie
die häuslichen Arbeiten nicht in der Dämmerung oder bei dürftiger
künstlicher Beleuchtung anfertigen; 4. dais sie eine Brille nur nach
Anweisung eines Augenarztes wählen.
Schulgesundheitspflege und Stundenplan, so betitelt sich
ein von Dr. med. K. Grus in „ V. Fels z. Meeru veröffentlichter
Aufsatz, welcher die Frage der Zusammenlegung des Schulunterrichtes
auf den Vormittag, sowie im Anschlüsse daran diejenige der zweck-
mässigen Verwertung der Freipausen behandelt. Wir geben denselben
hier im Auszuge wieder, obgleich wir uns mit dem Verfasser nicht
überall in Einverständnis befinden. In den grofsen Städten hört man
die ungeteilte Schulzeit besonders deshalb preisen, weil die Schulwege
für viele Kinder so weit seien, dafs sie dieselben in der Mittagspause
von 12 — 2 Uhr nicht zweimal zurücklegen und auch noch in Ruhe
speisen könnten. Dabei ist nur zweierlei vergessen. Zunächst ist
zu bemerken, dafs gerade in den hier in Betracht kommenden grofsen
678
Städten die Schulen aller Arten so verteilt sind, dafe die Schulwege
für die einzelnen Kinder keine allzngrofsen zu sein brauchen. Alleil
die Eltern versteifen sich hftufig darauf, ihre Bander in eine be-
stimmte Schule zu senden, liege diese auch eine Stande oder gar
noch weiter entfernt. Zweifellos haben sie dazu ein natürliches Recht.
Aber alsdann müssen sie daraus auch die weitere Folge ziehen, dafc
sie ihre Kinder durch irgend eine Einrichtung, sei es Fahrgelegen-
heit, sei es Einmietung in der Nähe der Schule, in eine natürliche
Entfernung von dieser versetzen. Es sind also immer besondere
Verhältnisse, welche zu Grunde liegen, wenn ein Kind einen aus-
nahmsweise weiten Schulweg zu machen hat. Hierfür aber ist niemals
die Schule, sondern stets nur das Elternhaus verantwortlich zu machen,
weshalb auch nur dieses die Folgen tragen mufs. Von Seiten der
Freunde der neuen Einrichtung wird aber hauptsächlich die gesund-
heitliche Eigenschaft derselben hervorgehoben. Es kann keinem
Zweifel unterliegen, dafs einerseits bei gefülltem Magen die geistige
Thätigkeit einer grofeen Trägheit unterliegt, andererseits nach voller
Mahlzeit das Sitzen, wenn es zu einer Zusammenpressung des Unter-
leibes führt, eine Behinderung der Verdauung nach sich zieht. Sehen
wir uns den ersteren Fall auf seine Möglichkeiten etwas genauer an.
Nehmen wir zunächst die grofeen Städte, so ist von vorneherein die
erfreuliche Wahrnehmung festzustellen, dafs man in denselben mehr
und mehr der Sitte sich zuwendet, um die Mitte des Tages ein
kleines Frühstück einzunehmen und das sogenannte Mittagsessen erst
am späteren Nachmittage stattfinden zu lassen. In diesen Fällen
ist, wie Zehbndeb1 richtig betont, die uns beschäftigende Frage
von selbst und, wie ich hinzufügen will, auch aufs beste gelöst.
Das Kind kommt um 12 Uhr aus der Schule, nimmt gegen 1 oder
um 1 Uhr ein kleines warmes Frühstück und wandert nachher neu
gestärkt und frisch zur Nachmittagsschule um 2 Uhr. Es hat nicht
so viel gegessen, dafe es schläfrig und müde wird, aber seinem
Körper ist durch die kleine Nahrungszufuhr eine Aufmunterung so
teil geworden, welche die geistigen Kräfte zur Aufnahme neuen Lehr-
stoffes anregt. Aus den Darlegungen des Verfassers über die Not-
wendigkeit einer Trennung des Vor- und Nachmittagsunterrichtes,
sowie einer richtigen Verteilung desselben heben wir folgendes
hervor: Bei der Verteilung der Vor- und Nachmittagsstunden muft
zweifellos in erster Linie das Wohl und der Nutzen der Kinder in
Betracht gezogen werden; denn der Kinder, nicht der Lehrer wegen
sind die Schulen da. Nehmen wir als Regel für den Tag 6 Unter-
1 Vorträge über SchulgesundheitspfUge. Stuttgart, 1891, F. Enke,
S. 42.
679
richtsstunden an, Mittwoch und Samstag ausgenommen, so kann
es nicht fraglich sein, wie dieselben der Zahl nach verteilt werden
müssen: 4 am Vormittag, 2 am Nachmittag. Denn am Vormittag
ist jedes Kind wenigstens doppelt so frisch wie am Nachmittag.
Außerdem ist die befürwortete Einteilung eine geradezu natürliche,
indem sie, infolge der zwischenliegenden gröfseren Pause nach der
Tagesmitte, am Nachmittage nur noch soviel Unterrichtsstunden be-
anspracht, dafs den Kindern zu häuslichen Arbeiten und zur Erho-
lung genügend Zeit übrig bleibt. Der jugendliche Körper hat
nach vierstündigem Unterrichte das Recht und das Bedürfnis, ein
paar Stunden dem Zwange der Schule entrückt und sich selbst
überlassen zu sein. Ich halte es deshalb auch für ganz unzulässig,
selbst nur manchmal 5 Stunden hintereinander zu erteilen. Für
den Schlufs des Vormittagsunterrichtes um 12 Uhr spricht mit gleichem
Rechte auch der Umstand, dafe die Schüler um diese Zeit einer etwas
reichlicheren Nahrungszufdhr, als mitnehmbare Eiswaren gestatten,
bedürfen. Zudem kann es nicht als gleichwertig betrachtet werden,
ob eine, wenn auch abgekürzte Mahlzeit (warmes Frühstück zwischen
12 und 1 Uhr) im Hause genommen, oder ob eine gleiche Menge
Nahrungsstoff auf dem Schulhofe während der Freipause verzehrt
wird. Es kommt hier nicht blofs die Ruhe beim Essen, die ein
sorgfältigeres Kauen und damit eine höhere Vorverdauung ermöglicht,
sondern auch der Reiz einer warmen Mahlzeit, die stets mehr Be-
friedigung, als eine kalte, im Stehen eingenommene gewährt, in
Betracht. Nachdem Dr. Grus sodann die Notwendigkeit, den
Nachmittagsunterricht stets spätestens um 4 Uhr zu schliefen, des
näheren dargelegt hat, geht er zur Erörterung der Frage über, ob
und inwieweit der Nachmittagsunterricht schädlich auf die Ver-
dauung und den Erfolg des Unterrichtes zu wirken vermöge. Dafe
Kinder nach vierstündigem Vormittagsunterrichte einer etwas gröfseren
Nahrungsaufnahme benötigen, hat auch HAkonson-Hansbn 1 vollauf
anerkannt. Er hat aber nicht genügend klar gelegt, dafs dieselben,
wenn sie von 7 — 1 Uhr oder von 8 — 2 Uhr Unterricht haben, während
dieser Zeit notwendigerweise zweimal einen Imbiis nehmen müssen.
Denn sie können auf einmal nicht so viel geniefsen, wie zum Ersatz
der verbrauchten Körperkräfte erforderlich ist. Es ist aber un-
natürlich, in der Schule den Kindern einen grofsen Teil der täg-
lichen Nahrung zuzuführen. Aber auch noch anderes wird ganz aufser
acht gelassen. Dadurch, dafs der Unterricht erst um 2 Uhr beendet
ist, kommen die Kinder zu einer Zeit nach Hause, in der nur in
den seltensten Fällen gegessen wird. Sie sind also vollständig vom
1 Biese Zeitschrift, 1892, No. 12, S. 527-528.
680
Familientische zwischen 12 und 1 Uhr ausgeschlossen, was von jedem
Einsichtigen aufs tiefste bedauert werden mufs. Wenn auch in vielen
Familien das Mittagessen um 5 oder 6 Uhr eingenommen wird, so
dafs die Kinder daran teilnehmen können, so ist letzteres doch nicht
bei dem sogenannten warmen Frühstück um 12 oder 1 Uhr der Fall.
Von beiden Mahlzeiten wären sie aber nicht ausgeschlossen, wenn
der Vormittagsunterricht um 12, der Nachmittagsunterricht um 4 Uhr
schlösse. Ebenso sind in solchem Falle diejenigen Schüler, deren
Eltern um 1 Uhr zu Mittag speisen, von dieser Mahlzeit nicht zu-
rückgehalten. Über die vom Verfasser zugegebene Beeinträchtigung
der Thätigkeiten des Geistes und der Verdauungsorgane nach dem
Frühstücke bemerkt er, dafs diese jedenfalls in solchem Mafse zurück-
gedrängt werden könnte, dafs nachmittags zwischen 2 und 4 Uhr
die Schüler in ihrer Geistesarbeit und in ihrer Verdauung nicht mehr
gestört würden, als in der Zeit zwischen 11 und 2 Uhr, nachdem
sie ein reichlicheres „ Schulfrühstück " zu sich genommen haben. In
näherer Ausführung dieser Behauptung gibt er einige Andeutungen
über die Anordnung des Stundenplanes. Der Nachmittagsunterricht
soll sich, wie ja von allen Seiten anerkannt ist, auf leichtere Gegen-
stände beziehen. Es scheint aber nicht allgemein klargestellt zu sein,
was man unter den letzteren zu begreifen hat. Seines Erachtens können
darunter nur Gegenstände verstanden werden, welche eine anregende
Belehrung leicht gestatten, dabei aber zum Schreiben oder der-
gleichen keinen oder doch nur unbedeutenden Anlafs geben. Dies
letztere mufs unbedingt hervorgehoben werden, da Schreiben und
Zeichnen nach reichlicher Mahlzeit die Verdauung stört. In den
Nachmittagsunterricht gehören also vor allem Heimatkunde, Erdkunde,
Geschichte, Naturkunde, Religion. Zu vermeiden sind aufser dem
bereits erwähnten Zeichnen und Schreiben vor allem Rechnen und
Sprachen. Demnach sind alle diejenigen Gegenstände für den Nach-
mittagsunterricht am meisten geeignet, bei welchen die Schüler am
leichtesten eine gerade Körperhaltung einnehmen können; denn bei
gerader Körperhaltung beeinträchtigt auch das Sitzen die Verdauung
nicht in irgendwie bemerkenswerter Weise. Für das Nichtschläfrig-
werden der Schüler haben Lehrer und Unterrichtsgegenstand zu
sorgen. Daß das leicht zu erreichen ist, wird bei den angezogenen
anregenden Lehrgegenständen niemand bezweifeln. Bezüglich der
Benutzung der Freipausen bemerkt Dr. Grus, dafs dieselben leider
fast überall und fast fortwährend in der zweckwidrigsten Weise
verwendet werden : die jüngeren Schüler toben umher, die älteren
stehen umher. Er macht daher eine Reihe Verbesserungsvorschläge,
durch welche die Freiheit der Schüler, wie er erklärt, nicht im
geringsten beeinträchtigt wird.
681
Diphtherie und Schulferien. Der Bericht des städtischen
Gesundheitsrates von Boston für das Jahr 1892 enthält eine Karte,
welche graphisch die grofee Ahnahme der Diphtherie während der
Sommerferien und das starke Ansteigen derselben nach Wieder-
eröffnung der Schule Mitte September darstellt. Während im Sep-
tember weniger als 80 Fälle vorkamen, betrug die Zahl im Oktober
145 und im November 185. Es läfst sich daraus wohl mit Recht
der Schlufs ziehen, dafs die Schule bei der Verbreitung der Diph-
therie eine wichtige Rolle spielt.
Körperliche Erziehung anf den Sandwichinseln. Der
Zeitschrift „Good HeaUh" wird aus Hawaii geschrieben: Auf den
Sandwichinseln berücksichtigt man bei der Erziehung vor allem die
Gesundheit, und es gibt in keiner Familie Knaben oder Mädchen,
die nicht vor dem 8. Lebensjahre bereits vollkommen reiten und
schwimmen könnten. In reichen Kreisen tragen die Kinder, ehe sie
3 Jahre alt sind, niemals Strümpfe und Schuhe, und auch dann nur
bei festlichen Gelegenheiten. Ihr Lebenselement bilden Luft, Wind,
Wasser und Sonnenschein, und selbst die jungen Mädchen verstehen
sich auf jede Art von Spiel und Sport. Letztere tragen besondere
Reitkleider, wodurch sie in den Stand gesetzt sind, mit ihren
Brüdern beim Reiten in Wettstreit zu treten und in halsbrecherischem
Galopp über die schönen Strafsen ihrer Inseln zu jagen. Die Folge
dieser kräftigen Bewegung im Freien ist für beide, Knaben und
Mädchen, eine treffliche Gesundheit.
Zur Charakteristik der Schulhygiene in früheren Zeiten.
Eine sehr eingehende Geschichte der grofsen Stadtschule zu
Wismar ist von Direktor Bolle veröffentlicht worden. Die Anstalt
wurde 1541 gegründet. Von Gesundheitspflege scheint wenig die
Rede gewesen zu sein. Denn wie neu die heute geltenden hygieni-
schen Grundsätze sind, beweist der Umstand, dafs noch 1852 den
Schülern verboten war, in den Pausen auf den Hof zu gehen; sie
sollten ohne Erlaubnis ihren Platz nicht verlassen. Erst 1870
wurde der Versuch gemacht, während einer Pause dieselben heraus-
zulassen; seit 1889 sollen die Schüler in jeder Pause hinausgehen.
Dagegen war der Wirtshausbesuch bis 1852 keinem Zögling ver-
boten. Ja, aus der Zeit gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird
folgendes berichtet: „Die Primaner gaben Neujahr an den Rektor
jeder ein Geschenk von 2 Ratthalern, ebenso an den Konrektor.
Sie überbrachten es in feierlichem Aufzuge mit einer lateinischen
Anrede und wurden dann bewirtet, der Redner mit einer ganzen,
die anderen mit einer halben Bouteille Wein, mit Butterbrot,
Kuchen; auch Punsch, Tabak und Karten wurden gegeben. Die
ganze Nacht ging darauf, wobei der Landesvater nicht vergessen
8ehulgenmdh6ltspflege VI. 44
682
ward, die Hüte auf einen Degen geschlagen and am Ende mit
Gesang wieder abgezogen wurde".
Vorschule Ar junge Taibstamme in Wien. Kinder, welche
infolge von Krankheiten oder Unfällen ihr Gehör zu einer Zeit ver-
lieren, wo üe schon über kleine Sprachschätze verfügen, werden
nach and nach stamm, wenn man nicht entsprechende Vorkehrungen
trifft, um die vorhandenen Sprachansätze bis zum Beginn des Laut-
gprachunterrichtes zu erhalten. Alle zum Sprechen nötigen Organe
müssen von frühster Jagend an stetig geübt werden, sollen sie
funktionsfähig bleiben, oder soll durch nachherige unvermittelte An-
strengung die Gesundheit nicht Schaden nehmen. Wie die nN. fr. iV."
berichtet, haben daher die ehemaligen Lehrer am k. k. Taubstummen-
institute zu Wien, Pfarrer zu St. Elisabeth Fr. Rath und Direktor
P. Hübner, die Errichtung einer Vorschule für junge taubstamme
Kinder in die Hand genommen. Anmeldungen sind an den genanten
Pfarrer nach Wien, Wieden zu richten.
Schilerferienreisen in Dänemark« Das Ministerium zu
Kopenhagen hat in diesem Jahre an Schaler der dortigen Kommanal-
schalen 1000 Eisenbahnfreibillette für Ferienreisen verteilen lassen.
Ein nener Apparat für Widerstandsbewegungen, der bei
möglichster Einfachheit die gröfste Vielseitigkeit der Anwendung und
gleichzeitig die genauste Dosierung des Widerstandes ermöglicht, ist
von Hofrat Dr. J. Diehl, Specialiaten für Massage und Orthopädie
in München, konstruiert worden. Der Apparat besteht aus einem
lim langen Seüe, das über 5 mit Haken versehenen Rollen läuft.
Ist das Seil im Verhältnis zur Zimmerhöhe zu lang, so läfst sich
eine Verkürzung desselben vornehmen. Befestigt wird der Apparat
an der Zimmerdecke durch Einhängung der Rollen 2 und 4, wie
dies die Abbildung I veranschaulicht Kann man an der Decke
nur einen Haken anbringen, so wird ein Querholz in der Weise,
wie Abbildung H zeigt, zu Hilfe genommen. Die Rolle 3 dient
zur Aufnahme eiserner Gewichte von 1, 2, 5, 10 und 20 kg, an
deren Stelle auch genau abgewogene Sandsäcke treten können.
Bei der in Abbildung I gezeichneten Anordnung werden die
Rollen 1 und 5 nicht benutzt. Dagegen kommen dieselben zur
Geltung bei den Horizontalübungen, bei den seitlichen Übungen
und bei den Übungen von unten herauf, sei es, dafs man
sie in zwei Haken direkt am Fufsboden befestigt, sei es, dafe sie,
wie aus Abbildung II ersichtlich, erst noch in ein Querholz ein*
gesetzt werden. An den Seilenden lassen sich je nach den be-
absichtigten Übungen Handgriffe, Leibgarte oder Fufsgurte anbringen.
Auf diese Weise kann man alle nur erdenklichen Widerstands-
bewegungen ausführen. In einer dem Apparate beigegebenen kleinen
Broschüre gibt der Erfinder eine grobe Anzahl für Schale und
683
Hans geeigneter Übungen an, wie Arm-, Schulter-, Rumpf- und
Beuibewegungen, Übungen in der Ausfallstellung, zur Nachahmung
des Bergsteigens, in horizontaler Apparatstellung, von beiden Seiten,
von oben herab und von unten herauf. Zugleich dienen Zeichnungen
zum besseren Verständnis dieser Übungen.
Abbildung L
Abbildung U.
44*
684
ttitgesgef^tditltdjes.
Das Mädchengymnasium in Karlsruhe vom Standpunkte
der Hygiene. Im Herbste d. J. hat der Verein „Frauenbildungs-
reform" nach den „Südwestdtsch. Schttfbl" das erste deutsche Mädchen-
gymnasium in Karlsrahe eröffnet, ein zweites befindet sich in Berlin,
ein drittes soll womöglich in Hamburg und ein viertes in einem Orte
Nordostdentschlands folgen. Das Lehrziel ist dasselbe, wie für die
auf die Universität vorbereitenden Knabengymnasien. Um aber die
Eltern nicht zu einer verfrühten Entscheidung über die Laufbahn
ihrer Töchter zu drängen, nimmt das Mädchengymnasium die
Schülerinnen nicht vor dem vollendeten zwölften Lebensjahre auf.
Vielmehr wird vorausgesetzt, dafs die neu Eintretende einen sechs-
jährigen Schulbesuch auf einer höheren Töchterschule durchgemacht
hat. Das Mädchengymnasium umfafst also nur die Mittel- und
Oberklassen des Gymnasiums, nicht aber zugleich die unteren Klassen
desselben. Nach der Dauer des voraufgegangenen Schulbesuchs und
nach dem Lebensalter der aufzunehmenden Schülerinnen entspricht
das erste Jahr im Mädchengymnasium der Untertertia des Knaben-
gymnasiums. An Stelle der Untertertia aber tritt im Mädchen-
gymnasium eine Übergangsklasse, in welcher die vorhandenen Kennt-
nisse, die dem erfolgreichen sechsjährigen Besuche einer höheren
Töchterschule entsprechen, soweit vertieft und erweitert werden
sollen, dafs nach Absolvierung der Übergangsklasse die Schülerinnen
in diesen Unterrichtsgegenständen dieselben Kenntnisse aufweisen,
welche auf den Knabengymnasien beim Eintritt in die Obertertia
vorausgesetzt werden. Zugleich beginnt in der Übergangsklasse der
Unterricht im Lateinischen. Die Anfänge des Griechischen bleiben
dagegen der nächsten Klasse vorbehalten, um die Schülerinnen nicht
zur gleichzeitigen Ergreifung zweier neuer Sprachfächer zu nötigen.
Diese nächste Klasse weist im übrigen den Lehrplan der Obertertia
auf. Auch die Untersekunda entspricht noch nicht ganz derjenigen
des Knabengymnasiums. Erst mit Obersekunda beginnt der unver-
änderte Lehrplan des letzteren. Wir brauchen wohl nicht erst zu
sagen, wieviel bei einer solchen Verteilung des Unterrichtsstoffes
jungen Mädchen im Alter von 12 bis 14 Jahren zugemutet wird.
Was zunächst die Mathematik anbetrifft, so mufs die Übergangs-
klasse des Mädchengymnasiums das mathematische Fensum der
685
Quarta und das neu hinzutretende der Untertertia in einem Schul-
jahre erledigen. Im ersten Semester mit 4 Stunden wöchentlich soll
das in je zwei wöchentlichen Stunden erlernte Mathematikpensum
der Quarta des Knahengymnasiums nachgeholt werden. Im zweiten
Semester werden wöchentlich 6 mathematische Stunden erteilt, also
dieselbe Gesamtzahl der Stunden erreicht, wie im ganzen Jahre
der Untertertia mit wöchentlich 3 Stunden. So hofft man in einem
Jahre zu erreichen, wozu bei den Knaben zwei Jahre bestimmt
sind, und das in einem Lehrgegenstande, der erfahrungsgemäfs die
crux so vieler Mädchenschulen bildet. Dazu aber kommt noch, daCs
alles von den Mädchen in 6 Jahren bisher Erlernte in der
Übergangsklasse „vertieft und erweitert" werden soll — eine gewifs
nicht zu unterschätzende Leistung. Im Griechischen wird das
Pensum der Klassen Untertertia, Obertertia und Untersekunda des
Knabengymnasiums im Mädchengymnasium auf die beiden Klassen
Obertertia und Untersekunda verteilt. Die Mädchen müssen also
auf diesem Gebiete innerhalb zweier Jahre dasselbe leisten, wie
die Knaben in drei Jahren, obgleich grade das Griechische auch
den letzteren oft recht grobe Schwierigkeiten bereitet. Am höchsten
aber stellen sich die Anforderungen des Mädchengymnasiums während
des ersten Jahres im Lateinischen. Hier ist die schwierige Auf-
gabe zu lösen, in der Übergangsklasse in einem Jahre das Pensum
von vier Jahren, nämlich das der Klassen Sexta bis einschlieMich
Untertertia, zu bewältigen. Die Möglichkeit hierzu erblickt man in
Befolgung der HAAGschen Methode des ersten Lateinunterrichtes.
Dr. G. Haag, Professor an der Universität zu Bern, veröffentlichte
eine Schrift unter dem Titel: „Exercices de langue latine; Lehr-
mittel zur Einführung in die lateinische Sprache auf Grund des
Französischen, 2. Aufl., Burgdorf, 1893". Genannte Schrift ist
zunächst für die deutschen Mittelschulen, also auch die Gymnasien
des Kantons Bern bestimmt, welche das Latein erst nach vor-
aufgegangenem dreijährigen Unterricht im Französischen beginnen.
„An der Hand dieses Lehrmittels," so schreibt Professor Haag im
Vorwort desselben, „kann in Jahresfrist nutzbar und mit einem
Minimum von Hausaufgaben, nämlich Repetition der in der Stunde
gelernten Vokabeln, die lateinische Formenlehre eingeübt und ab-
solviert werden, so dafs sofort nachher mit der Cäsarlektüre be-
gonnen werden kann." Haags Lehrmittel sei, so wird weiter
mitgeteilt, am Gymnasium zu Burgdorf seit zwei Jahren in Gebrauch.
Eine im Dezember 1892 vorgenommene Revision der Anstalt durch
den Schulinspektor Landolt habe ergeben, dafs das Lehrmittel
seinen Zweck, die Schuler, welche eine dreijährige Ausbildung im
Französischen hinter sich haben, grade wie das bei den in die
686
Übergangsklasse des MMchengymnasiums eintretenden Schülerinnen
der Fall ist, nach einährigem Unterricht zur Lektüre leichterer
lateinischer Schriftsteller zu befähigen, vollauf erfüllt. Mag den
Gymnasiastinnen der Übergangsklasse auch daraus, dafe sie 3 Jahre,
also 2 Jahre länger als die gleichaltrigen Gymnasiasten, französischen
Unterricht genossen haben, eine gewisse Erleichterung erwachsen, so
ändert dies doch ander Thatsache nichts, dafs sie innerhalb eines Jahres
genau dieselbe Anzahl lateinischer Formen und Vokabeln in ihr
Gedächtnis aufnehmen müssen, zu deren Erlernung die Knaben vier
Jahre hindurch wöchentlich acht Stunden nötig haben. Alles in
allem genommen erscheint uns daher eine Überbürdung der
Schülerinnen des Mädchengymnasiums, wenigstens während des ersten
Schuljahres, unvermeidlich. Eine solche Überbürdung aber ist um
so bedenklicher, als die Mädchen im 12. Lebensjahre nicht nur in ihrer
ganzen Entwicklung hinter den gleichaltrigen Knaben zurückstehen,
sondern auch, wie wir durch genaue Untersuchungen wissen, bereits
eine sehr hohe Kränldichkeitsziffer zeigen. Von sämtlichen zwölf-
jährigen Zöglingen der höheren Töchterschulen Schwedens konnten
nach Professor Key nur 36% als gesund betrachtet werden; alle
übrigen waren mit mehr oder weniger ernsten, langwierigen Leiden
oder Abweichungen von einem gesunden Zustand behaftet. Eine be-
sondere Verschärfung der Überbürdung dürfte bei weiterer Ver-
breitung der Mädchengymnasien noch dadurch entstehen, dafs der
Verein „Frauenbildungsreform" bisher über keine eigenen Schul-
gebäude verfügt. Er wird daher öfter gezwungen sein, — in Ham-
burg ist, wie wir hören, in diesem Sinne bereits ein Gesuch an die
Behörde gerichtet — die Räume einer öffentlichen Schule für seine
Schülerinnen mitzubenutzen. Da diese aber nicht vor 2 oder 3 Uhr
frei sind, so kann der Unterricht erst am Nachmittag beginnen.
Die für geistige Arbeit besonders günstige Vormittagszeit geht also
für die Gymnasiastinnen als Schulzeit verloren; sie treten weniger
frisch als die Knaben erst nach Tisch in den Unterricht ein. Mit
dem späteren Beginn der Stunden hängt aber weiter zusammen, dafs
dieselben, wenigstens während des Winters, in der Mehrzahl bei
Licht erteilt werden müssen. Daraus erwächst für die Augen eine
um so ernstere Gefahr, als die künstliche Beleuchtung der meisten
Schulen nicht ausreichend ist, so dafs die Zahl der kurzsichtigen
Mädchen keine kleine werden dürfte. Endlich aber wird auch
die Beschaffenheit der Luft in den Klassenräumen leicht zu
wünschen übrig lassen. Findet hier doch fast den ganzen Tag
Unterricht statt, so dafs für längere Lüftung der Schulzimmer keine
Zeit übrig bleibt. Aufserdem trägt auch die künstliche Beleuchtung,
insofern sie keine elektrische ist, bekanntlich zur Vermehrung der
687
Kohlensäure und damit zur Verschlechterung der Schulluft bei. Nach
allem dem wird man den Leitern und Leiterinnen des ersten deutschen
Mädchengymnasiums, gestutzt auf sachliche Gründe und fern von
jeder Parteilichkeit, ein „Caveant consules!" zurufen müssen.
Augenärztliche Untersuchung der Zöglinge des Waisen-
hauses und der Erziehungsanstalt zu Rummelsburg. Wie
in früheren Jahren,1 so wurden auch im Verwaltungsjahre 1892 — 93
die Augen der genannten Zöglinge von Dr. P. Selex untersucht.
Über die gewonnenen Resultate bemerkt derselbe: Von den 926
Augen der 463 Knaben entfallen 766 auf Zöglinge des Waisenhauses.
Davon hatten normalen Bau 497 = 64,9%, übersichtig waren 112 =
14,6%, kurzsichtig 47 = 6,i% und astigmatisch 110=14,4%.
Hornhautflecke fanden sich im ganzen 69 mal, also bei 7,7%. Die
160 Augen der Zöglinge des Erziehungshauses zeigten Normalbau
110 mal = 68,7 %, Übersichtigkeit 15 mal = 9,s %, Kurzsichtigkeit
14 mal = 8,8% und Astigmatismus 21 mal =13,»%. Hornhaut-
flecken hatten 5,2%. Der Prozentsatz der Kurzsichtigen entspricht
ungefähr dem, wie ihn andere Untersucher in städtischen Elementar-
schulen gefunden haben; in Dorfschulen ist er durchschnittlich
geringer (2 — 3%). Bedenkt man aufserdem, dafe nur 9 Augen =
l,i% an sogenannter deletftrer Myopie litten, d. i. einer solchen,
die in späteren Jahren zu Erkrankungen der inneren Augenhäute,
gelegentlich aber auch zu Erblindungen Veranlassung gibt, so sind
die Kurzsichtigkeitsverhältniese für diesen Jahrgang als günstige auf-
zufassen, und dies auch deswegen, weil die Myopie nur bei 21
Augen = 2,a% die Ursache einer für viele Berufsarten un-
zureichenden Sehschärfe war. Bei Berücksichtigung der 61 kurz-
sichtigen Augen ergab sich, wie dies auch schon früher festgestellt
wurde, dafs die Sehschärfe derselben häufig herabgesetzt war, ins-
besondere dafs 34,4% ein schlechtes Sehvermögen besafsen. Auf-
fallend ist der hohe Prozentsatz an Astigmatikern (13,8%). In
manchen Berichten über Schuluntersuchungen findet sich dieser Zustand
gar nicht erwähnt und in anderen in so niedriger Zahl, dafs wir
auf Grund der vorliegenden und der früheren Prüfungen uns zu dem
Ausspruche berechtigt halten, er sei öfter übersehen und manches
hierher gehörige Auge wegen der Verminderung der Sehschärfe als
kurzsichtig notiert worden. Dafs unsere 463 Knaben sich in dieser
Beziehung anders verhalten sollten, als z. B. diejenigen in irgend
einer Schule Schlesiens, wird doch niemand behaupten wollen. Wir
rechnen zu den Astigmatikern alle die Fälle, bei denen der Augen-
spiegel und die funktionelle Prüfung mit Gläsern das Vorhandensein
1 S. diese Zeitschrift, 1891, No. 6, S. 362-363.
688
dieses Brechungsfehlers erweist. Der Astigmatismus, meist eine
angeborene und selten sich ändernde Krümmungsanomalie der Hornhaut,
hätte nun als solcher nichts zu bedeuten, wenn nicht infolge des
oft nur teilweise zu korrigierenden optischen Fehlers und einer
vielfach dabei vorkommenden Entwickelungsstörong der Netzhaut die
Sehschärfe in der Regel dadurch herabgesetzt würde. Von den 926
Augen überhaupt hatten 86 oder 9,i% eine Sehschärfe, die
geringer war als 7s der normalen, von den 131 astigmatischen
Augen dagegen 65,6%. Letztere Zahl ist also bedeutend an-
günstiger als bei der Myopie, wo sie nur 34,4% betrog.
Volle Sehschärfe besafeen von den 926 Augen 497 = 53,7%,
V« Sehschärfe 129 = 13,»% und l/i 106 = 11,4%. Weniger
als 7a, und dies auch nach Korrektion aller optischen Fehler,
hatten 194 Augen = 21%. Diese sind für viele Berufs-
arten, z. B. die eines Tischlers, Zimmerers, Schriftsetzers u. s. w.,
nicht oder nur in beschränktem Mafee geeignet. Den besten Maßsstab
für die Beurteilung der Sehschärfe erhält man, wenn man sich daran
erinnert, dafe für den aktiven Militärdienst eine solche von 7a und
mehr verlangt wird. Es würden sich also 21% oder der fünfte
Teil der Augen der untersuchten Knaben für jenen Dienst nicht
eignen. Von den zur Beobachtung gekommenen und teilweise auch
behandelten Augenleiden seien Bindehaut- und Lidrandentzündungen,
Hornhautaffektionen, Schielen, Linsentrübungen und Aderhaut-
erkrankungen erwähnt. Die Verordnung einer Anzahl von Brillen,
namentlich für die Astigmatiker, war notwendig. Einem Knaben
wurde mit günstigem Erfolg seine hochgradige Kurzsichtigkeit operiert.
Die Vornahme der Operation, die in einer Entfernung der Linse
besteht, empfiehlt sich im grofsen und ganzen nur bei solchen
Patienten, welche feinen Druck nicht weiter, als etwa 5 — 6 cm vom
Auge entfernt, fließend zu lesen vermögen. Nach der Operation
sehen die Betreffenden, wie das auch bei diesem Knaben der Fall
war, in die Ferne gut ohne Glas.
Zur Frage der Anstellung von Schulärzten. In der „Päd.
Warte* lesen wir: Die Direktoren der Braunschweiger Schulen,
vom Magistrat aufgefordert, ihre Ansicht über den Antrag der
Stadtverodneten , die Anstellung von Schulärzten betreffend,1 ab-
zugeben, haben sich ablehnend zu demselben verhalten, da der Beweis
nicht erbracht sei, dais der Mangel an Schulärzten auf den Gesund-
heitszustand der Schüler irgendwie nachteilig gewirkt habe. Dagegen
haben dieselben nachzuweisen versucht, dafs die Anstellung solcher
Ärzte entbehrlich sei.
1 S. diese Zeitschrift, 1893, No. 4, S. 210—213.
689
Über den Einflute der Hefttage und Schriftrichtung auf
die Körperhaltung der Sehfller hat eine Specialkommission in
den Stadtschulen von Zürich Untersuchungen angestellt und in einem
sorgfältigen, durch Tabellen und Tafeln illustrierten Bericht, redigiert
von unserem geschätzten Mitarbeiter, Privatdocent Dr. W. Schülthesö,
Augenarzt Dr. Ritzmann und Lehrer H. Wipf, zu Händen der
Centralschulpfiege ausführliche Rechenschaft abgelegt. Es sollte
durch vergleichende Beobachtungen an Schülern, von welchen die
einen schräg, die anderen steil schrieben, nachgewiesen werden, ob
die in den letzten Jahren von verschiedenen Seiten im Interesse
einer besseren Körperhaltung der Schulkinder verlangte Einführung
der Steilschrift in der That die ihr zugesprochenen Vorzüge besitze,
so dafe sich ihre allgemeine Verwendung in den Schulen rechtfertigen
würde. Bei den mit grofser Umsicht vorgenommenen Erhebungen
wurden im ganzen 628 Schüler benutzt; davon waren 250
Steil-, 378 Schrägschreiber. Die mühsamen Untersuchungen, über
deren Technik der Bericht selber zu Bäte gezogen werden mufs,
ergaben als hauptsächlichste Resultate folgende: 1. Die Steilschrift
veranlagst bei dem jetzigen Schulbanksystem die Schüler in bedeutend
geringerem Grade zu Seitwärtsneigungen und Drehungen des Kopfes
und des Rumpfes, als die Schrägschrift, welche sowohl bei Rechts-
lage, als bei schiefer Mittenlage des Heftes zu asymmetrischer
Haltung des Körpers führt. 2. In Bezug auf aufrechte Körper-
haltung und gehörige Entfernung der Augen vom Heft übt die Dis-
ciplin einen wesentlichen Einflufs aus. 3. Die Steilschrift kann nur
bei einer bestimmten Lage des Heftes mitten vor dem Körper, bei der
sogenannten geraden Medianlage, geschrieben werden; bei Schräg-
schrift dagegen kann die Heftlage eine sehr verschiedene sein.
4. Im Interesse einer leichten Handhabung der Schreibdisciplin
erscheint eine Einigung über die in den Schulklassen sehr verschie-
denen Gebräuche hinsichtlich Heftlage, Schriftrichtung, Schriftgröße
und Liniatur dringend wünschenswert. Die Vorschläge, welche die
Untersuchungskommission an die Schulpflege formulierte, sind:
Empfehlung der Steilschrift angesichts ihrer hygienischen Vorzüge,
zu deren Einführung aber die Umgestaltung der Schulbänke eine
unerläßliche Bedingung ist; ferner Fortsetzung der Versuche unter
Berücksichtigung letztgenannter Bedingung, Feststellung einheitlicher
Vorschriften in Bezug auf Heftlage, Art der Schrift und Schrift-
riehtung. Zum Schlüsse wird die Schulpflege ersucht, bei den zu-
ständigen Instanzen den Wunsch auszusprechen, es möchte in allen
kantonalen Lehrerbildungsanstalten der Unterricht in der Gesundheits-
lehre obligatorisch eingeführt werden.
690
Die ZIhne der Kinder in der Distriktssehule West-
Londons EU Ashford sind, wie „The Brit.med. J<mrn.u berichtet,
auf Veranlassung des Verwaltungsrates von dem Zahnärzte Pbrct
L. Wbbste» untersucht worden. Bei dm 784 Schillern war
863 mal das Ausziehen eines Wechselzahns, 230 mal dasjenige
eines bleibenden Zahns nötig; mehr als 600 Zähne erforderten
Füllung. In der ganzen Schule befanden sich nur 88 Kinder mit
gesundem Gebifs. Der Verwaltungsrat hat die Anstellung eines
besonderen Zahnarztes für die Schule beschlossen. Nach Webster
wird derselbe im ersten Jahre wöchentlich 2 Tage, später wöchent-
lich 1 Tag für seine Aufgabe nötig haben.
Hygienische Reform der Elementarlesebücher in Öster-
reich. Die k. k. Unterrichtsverwaltung hat, wie die „Neu. fr. Pr.u be-
richtet, durch die Landesschulbehörden vor einiger Zeit erprobte
Schulmänner der einzelnen Provinzen eingeladen, anläfslich der
Herausgabe neuer Schulfibeln, namentlich solcher mit Steilschrift,
fachmännische Gutachten abzugeben. Diese Elementarlesebücher
sollen demnächst im k. k. Schulbttcherveriage in Wien veröffentlicht
werden. Es handelte sich darum, bei den verschiedenen Ausgaben
der im genannten Verlage erscheinenden Schulfibeln rücksichtlich der
Frage der Schrift einen einheitlichen Vorgang herbeizuführen. Die
Experten hatten sich hauptsächlich über drei Anträge zu äufeern,
welche teils von Seiten der Unterrichtsverwaltung, teils von Seiten
des k. k. Schulbücherverlages in Anregung gebracht waren. Diese
Anträge lauteten: 1. In den Fibeln soll die Schreibschrift durch-
gehends in vierzeiligen Linien vorgeführt werden. 2. Die Schreib-
schrift in den Heften soll gar kein Lineament erhalten. 3. Nur für
die erste Vorführung eines Buchstaben und für die Veranschaulichung
der relativen Grölsenverhältnisse sollen in einem oder zwei Wörtern,
ferner in Normalwörterfibeln für das Normalwort und dessen
Bestandteile Zeilenlinien angewendet im übrigen aber die Schreib-
schriftzeilen in Zukunft ohne rastrierte Linien vorgeführt werden.
Dabei wurde nicht vergessen, darauf hinzuweisen, dafe nach Be-
hauptung einzelner Pädagogen bei Anwendung der Zeilenlinien Form
und Charakter der verschiedenen Buchstaben weniger klar vor
Augen treten, als bei nicht liniierten Zeilen. Die zu Rate gezogenen
Schulmänner hatten sich bei Abgabe ihres fachmännischen Gut-
achtens sowohl vom didaktischen, als auch vom hygienischen Stand-
punkte über die obschwebende Frage zu äufsern und in dieser
Beziehung bestimmte Anträge bei ihren Landesschulräten einzubringen.
Der zweite Braunschweiger Lehrgang für Tnrnspiele.
Auch in diesem Jahre ist zu Braunschweig unter Leitung des
Gymnasialdirektors D. Dr. Koldewey ein Kursus zur Ausbildung
691
von Lehrern in den Jugend- und Volksspielen abgehalten worden.
Unser geschätzter Mitarbeiter, Herr Professor Dr. Koch, schreibt
darüber in der „Dtsch. Turnttg." : Teilgenommen haben am dies-
jährigen Lehrgange 19 Lehrer, von denen 8 an höheren, 11 an
mittüeren und unteren Schulen unterrichten, aus den Ortschaften
Altenburg, Blankenburg, Bortfeld, Braunschweig, Detmold, Ganders-
heim, Helmstedt, Hildesheim, Holzminden, Lübtheen in Mecklenburg,
Osterburg, Schwerin und Wolfenbüttel. Die Zahl der Teilnehmer
ist einigermafsen hinter der des Vorjahres zurückgeblieben, wo
32 Herren zugelassen wurden, außerdem aber mehrere verspätete
Anmeldungen zurückgewiesen werden mußten. Nun hat die Erfahrung
gelehrt, dafe bei der kleineren Zahl die Ziele des Lehrganges sich
weit sicherer haben erreichen lassen und dafs gerade die Zahl von
etwa 20 für solche Lehrgänge als die wünschenswerte sollte hin-
gestellt werden. Immerhin aber weist das Zurückgehen der An-
meldungen darauf hin, dafs die Einsicht von der Bedeutung der
Schulspiele, wie der Vorsitzende des Lehrganges, Direktor D. Dr.
Koldewet, in seiner Eröffnungsrede ausführte, noch immer nicht
hinreichend verbreitet ist. Übrigens sind bei diesem Zurückgehen,
was nicht unerwähnt bleiben darf, auch einige äufsere Umstände in
Betracht gekommen. Die Einrichtung des Lehrganges war im übrigen
der vorjährigen gleich. In der ersten Hälfte der Woche hatte vor-
mittags der Berichterstatter die einleitenden Vorträge zu halten und
die nötige Anleitung zum Betriebe der Spiele zu geben, während
beides in der zweiten Hälfte dem Turninspektor Hermann zufiel.
Demgemäß wurden am Nachmittage in den beiden ersten Wochen-
tagen die Spiele der Schüler des Martino-Catharineums den fremden
Gästen vorgeführt, am Donnerstag und Freitag die Spiele der
Schuler des Neuen Gymnasiums. Wir dürfen wohl bemerken, dafs
dabei die Leistungen unserer Zöglinge, namentlich aber ihr Eifer
und ihre Frische, im allgemeinen vielfach anerkannt worden sind.
Eine Neuerung von Bedeutung ist gegenüber dem vorjährigen Lehr-
gange zu verzeichnen. Am Mittwoch Nachmittag haben in der Zeit
von 5 — 7 Uhr abends Wettkämpfe zwischen den Schülern unserer
beiden hiesigen humanistischen Gymnasien stattgefunden. Für den
Berichterstatter war dieser Versuch um so bedeutungsvoller, als er
in der diesjährigen Sitzung des Centralausschusses die Wichtigkeit
der Wettspielkämpfe für die Belebung des Interesses und die Aus-
bildung im regelrechten und feinen Spiele geltend gemacht und
daraufhin Veranstaltung solcher Wettspiele durch den Ausschufs
verlangt hatte. Das gute Gelingen der beiden hier veranstalteten
Wettkämpfe in Kaiserball und Fufsball war wieder ein Beweis für
die von manchem bezweifelte Möglichkeit solcher übrigens nicht blofs
692
der englischen, sondern auch alter deutscher Sitte entsprechenden
Kämpfe. Allerdings sind unsere filteren Schüler dadurch, dafe sie
auch sonst beim Spiele unter eigener Leitung stehen, vielleicht be-
sonders gut vorbereitet für die beim Wettspiel nötige strenge Zucht
und Ordnung. Auch haben ja schon froher unsere Gymnasiasten
wiederholt mit fremden Fußball- oder Cricketriegen sich gemessen,
mit denen anderer hiesigen Schulen, wie solchen aus Hannover und
Göttingen. Auch diese Wettkämpfe waren alle gut gelungen und
hatten stets auf das ganze Spielleben unserer Jugend einen sehr
anregenden Einflufs. Unter den diesmal hier eingeübten Spielen
war auch das namentlich in Bonn beliebte Spiel Feldball, das sich
zunächst als eine Vorübung zum dicket empfiehlt und unserem
deutschen Ballschlagen in mancher Beziehung näher steht. Eine
längere Erfahrung wird vielleicht diesem Spiele eine bevorzugtere
Stellung einräumen, weil es unleugbar vor den meisten anderen
manche Vorzüge besitzt. Das straffe Spiel der Cricketriege der
Prima des alten Gymnasiums machte freilich auf die Teilnehmer des
Lehrganges einen weit stärkeren Eindruck. Übrigens fand auch in
diesem Jahre das hier zuerst eingeführte altgriechische Spiel Harpastum
wieder allgemeinen Beifall; es läfst sich sowohl von den ältesten
Schülern spielen, wie von den ersten Anfängern in Sexta und Quinta,
beschäftigt sämtliche Mitspieler und erweckt allgemeines Interesse.
In den geselligen Zusammenkünften, die nach des Tages Last und
Hitze Erholung boten, fand sich Gelegenheit zunächst zur Besprechung
mancher Einzelheiten, die im theoretischen Teile nicht berührt waren
und sich auf dem Spielplatze selbst nicht hatten erledigen lassen.
Dafs die Jugend unserer höheren Schulen allgemein nicht blofs im
Sommer, sondern auch im Winter spielt, soweit es Schnee und Eis
gestatten, ist schon etwas, was wir vor fast allen anderen Städten
voraushaben. Unser zweckmäfsig eingerichteter Eisbahnverein1
kann, zumal da er im Norden der Stadt die dringend nötige Bahn
nun auch einrichtet, jedenfalls wegen seiner grofeen Erfolge auf
diesem Gebiete Anerkennung beanspruchen. Vereinigt er doch auf
seiner Bahn jung und alt, lockt er doch auch das weibliche Ge-
schlecht zum lustigen Laufe auf die glatte Bahn! Auf dem Gebiete
des Mädchenturnens stehen wir auch sonst keineswegs zurück, wie
das schon der unter Leitung des Turninspektors Hermann ver-
anstaltete Lehrgang für Jugendspiele der Mädchen beweist, zu dem
sich von nah und fern zahlreiche Teilnehmerinnen eingefunden haben.
Die Spiele an den Bürgerschulen sind noch etwas zurückgeblieben,
doch haben diejenigen der Schule am Bültenwege, die am Dienstag
1 S. diese Zeitschrift, 1889, No. 1, S. 3—9. D. Red.
693
den Gästen vorgeführt wurden, vielfache Anerkennung gefunden.
Am wichtigsten aber für die rechte Art der Jugenderziehung müssen
die hier alljährlich so glücklich durchgeführten Volkswettkampfe des
Sedanfestes erscheinen. Längst ist dieses Fest nicht mehr ein
blofses Siegesfest; die vaterländische Feier mufs selbstverständlich
dem Tage bleiben, aber das Fest, wie es hier gefeiert wird, ist ein
wahres Volksfest mit eigener Bedeutimg geworden, wie es die Männer,
die an der schwierigen socialen Frage arbeiten, überall unserem
Volke wünschen, und wie es Jahn in seinem deutschen Volkstum
vor mehr als neunzig Jahren hat einrichten wollen, um unserem
deutschen Volke einmal das damals entschwundene Gefühl der Zu-
sammengehörigkeit, dann aber auch die Richtung auf die kräftigen
Leibesübungen im Freien zu geben. Wer das Leben unserer Schüler
wirklich kennt, weifs, wie außerordentlich anregend das Sedanfest
nach der Seite hin wirken kann in den weitesten Kreisen. Jeden-
falls können wir uns den Volkesfrühling, den wir erhoffen, nicht
denken ohne allgemeine Volksfeste im Freien, die als Mittelpunkt
Volkswettkämpfe und Wettspiele haben.
Eindergärten in Japan. Nach dem statistischen Jahres-
berichte des Kaiserreichs Japan bestehen dort 12 öffentliche Kinder-
gärten mit 768 Kindern und 14 private mit 521 Kindern. Während
sich FEÖBBLsche Gärten früher nur in den japanischen Grofsstädten
befanden, verbreiten sie sich jetzt mehr und mehr auch in den
mittleren Städten.
änttlidie tterföguncjen.
Verordnung der französischen Regierung,
betreffend Mafsregeln in den Primarschulen cur Verhütung
und Bekämpfung von Epidemien.
I.
Allgemeine Mafsregeln, um die Verbreitung ansteckender
Krankheiten zu vermeiden.
§ 1. Die Schulen müssen mit reinem Wasser (Quellwasser,
filtriertem oder gekochtem Wasser) versehen sein; nur solches darf
den Schülern zur Verfügung gestellt werden.
§ 2. Die Aborte der Schulen dürfen nicht in direkter Ver-
bindung mit den Klassen stehen. Die Gruben müssen dicht und
so weit als möglich von den Brunnen entfernt sein.
694
§ 3. Während der Pansen und am Abend sind die Schul-
zimmer, nachdem die Schüler dieselben verlassen haben, durch
Öffnen sämtlicher Fenster zu lüften.
§ 4. Die Reinigung des Fußbodens darf nicht trocken ver-
mittelst Ansfegens geschehen, sondern nur mit einem Scheuerlappen
oder feuchten Schwämme.
§ 5. Wöchentlich einmal soll ein gründliches Scheuern des
Fuüsbodens mit einer antiseptischen Flüssigkeit vorgenommen werden.
Ein entsprechendes Abwaschen der W&nde mufs wenigstens zweimal
jährlich, in den Oster- und den groben Ferien, stattfinden.
§ 6. Die Reinlichkeit der Kinder wird bei ihrer Ankunft in
der Schule überwacht. Jedes Kind mufs sich, bevor es nach der
Pause wieder m die Klasse eintritt, die Hände waschen.
n.
Allgemeine Mafsregeln zur Zeit, wo eine ansteckende
Krankheit herrscht.
§ 7. Der Schulschluis darf nur in den in § 14 angegebenen
Fällen verfugt werden. Vorher sind die allmählichen Entlassungen
und die unten beschriebenen Desinfektionen vorzunehmen.
§ 8. Jedes fiebernde Kind mufis unmittelbar aus der Schule
entfernt oder, falls es sich in einem Internate befindet, in die
Krankenabteilung übergeführt werden.
§ 9. Kinder, die nachweislich von einer ansteckenden Krank-
heit befallen sind, haben die Schule zu verlassen; hält es der ärzt-
liche Schulinspektor für nötig, so ist die Ausschliefsung auch auf
die Brüder und Schwestern des befallenen Kindes, ja selbst auf
alle dasselbe Haus bewohnenden Kinder auszudehnen.
§ 10. Die Desinfektion der Klasse wird entweder in der
Mittagszeit oder am Abend, nachdem die Schüler den Unterricht
verlassen haben, vorgenommen. Sie umfalst das Abwaschen des
Bodens und der Mauern, das Besprengen der Karten und der übrigen
an den Wänden befindlichen Gegenstände, das Scheuern der Tische,
Bänke, Schränke u. s. w. mit einer antiseptischen Lösung. Der
Platz des kranken Zöglings ist besonders sorgfältig und gründlich
zu desinfizieren, seine Bücher, Hefte u. s. w. Rind zu verbrennen ;
letzteres gilt auch von den Spielsachen und ähnlichen Gegenständen
der Kinderbewahranstalten, sofern Ansteckungsstoff daran haften
könnte.
§ 11. Die Familie eines jeden mit einer ansteckenden Krank-
heit behafteten Kindes erhält Mitteilung über die gegen die Weiter-
verbreitung derselben zu ergreifenden Mafsregeln; zugleich wird ihr
eingeschärft, dafs sie das Kind erst dann wieder eur Schule schicken
695
darf, wenn es gebadet oder mehrere Male mit Seife gewaschen,
und wenn alle seine Kleider entweder desinfiziert oder in kochendem
Wasser gewaschen sind.
§ 12. Die erkrankt gewesenen Kinder dürfen nur auf Grund
eines ärztlichen Zeugnisses und, nachdem seit Beginn der Krankheit
die von der Akademie der Medizin vorgeschriebene Zeit verflossen
ist, 1 wieder zum Unterrichte zugelassen werden.
§ 13. Sobald die Schließung der Schule nötig geworden, wird
an alle Eltern der Kinder ein Exemplar der auf die betreffende
epidemische Krankheit bezüglichen Belehrung geschickt.
in.
Besondere Mafsregeln für die einzelnen ansteckenden
Krankheiten.
§ 14. Auf Anordnung des ärztlichen Schulinspektors sind fol-
gende den Bestimmungen des beratenden Komitees für Gesundheits-
pflege entsprechende Mafsnahmen zu treffen, sobald eine der nach-
stehenden Krankheiten in der Schule sich zeigt.
Blattern. Ausschließung der erkrankten Kinder während
der Dauer von 40 Tagen, Vernichtung ihrer Bücher und Hefte,
allgemeine Desinfektion, Wiederimpfung sämtlicher Lehrer und
Schüler.
Scharlach. Ausschließung der erkrankten Kinder wahrend
der Dauer von 45 Tagen, Vernichtung ihrer Bücher und Hefte,
allgemeine Desinfektion, Schulschlufs, wenn in einigen Tagen trotz
aller Vorsichtsmaßregeln mehrere Fälle auftreten.
Masern. Ausschließung der erkrankten Kinder während der-
Dauer von 16 Tagen, Yernichtung ihrer Bücher und Hefte, nötigen-
falls Entlassung der Kinder unter 6 Jahren.
Wasserblattern. Allmähliche Ausschliefsung der Kranken.
Mumps. Allmähliche Ausschliefsung der Erkrankten während
der Dauer von 10 Tagen.
Diphtherie. Ausschließung der Kranken während der Daner
von 40 Tagen, Vernichtung der Bücher, Hefte, Spielsachen und
sonstigen Gegenstände, welche infiziert sein können, successive
Desinfektionen.
Keuchhusten. Allmähliche Ausschließungen während der
Dauer von 3 Wochen.
Grind und Pelade. Allmähliche Ausschließungen, Wieder-
eintritt in die Schule erst nach methodischer Behandlung und Ver-
bandanlegung.
1 S. diese Zeitschrift, 1893, No. 12, S. 674. D. Red.
696
Aus dem Rundschreiben der k. k. niederSsterreichisehen
Statthalterei vom 9. Februar 1892, Z. 5435, fiber die Merk-
male und die Behandlung der Varicellen oder Schafblattern.
Unter Varicella ist zu verstehen ein akutes kontagiöses Exanthem,
charakterisiert durch eine meist plötzliche, Ton keinem oder fast aus-
nahmslos kurz dauerndem geringen Fieber begleitete Eruption von
weichlichen, wasserhellen, herpesähnlichen, oberflächlich sitzenden,
aus Roseolaflecken, nicht aus harten Knötchen sich entwickelnden
BiÄschen, die nach kurzer, etwa 24 Stunden langer Dauer von der
Mitte aus zu kleinen Erttstchen eintrocknen, welche nach wenigen
Tagen abfallen und nur an einzelnen Stellen eine minimal vertiefte
weiche Narbe zurücklassen.
Diesem Exanthem ist eigentümlich das Fehlen eines Prodromal-
stadiums, ein schubweises Nachrücken neuer Efflorescenzen in den
ersten Tagen unter sehr mäfeigem Fieber, am Schlüsse der Eruption
der gleichzeitige Befund von Efflorescenzen in allen Stadien der Ent-
wicklung und Rückbildung an den sichtbaren Schleimhäuten, besonders
im Munde, nur einzelne schlaffe Bläschen von kurzer Dauer, während
des ganzen Verlaufes kaum nennenswerte Störung des Allgemein-
befindens, völlige Heilung beiläufig nach acht Tagen.
Das Exanthem befällt nur selten Individuen jenseits der Grenzen
des Eindesalters. Sein Auftreten findet teils sporadisch, teils in
kleinen Epidemien statt. Die Varicelle besitzt volle Unabhängigkeit
gegenüber der Impfung.
1. Varicellenkranke sind von allen an Blattern, auch von den
an der leichtesten Form derselben (Variolois) erkrankten Personen
sorgfältigst isoliert unterzubringen und zu pflegen. Überhaupt dürfen
unter keinerlei Umständen an einem Bläschenausschlag erkrankte
Personen, wenn die Natur desselben als Blatternausschlag nicht sicher-
gestellt ist, in direkter oder indirekter Gemeinschaft mit Blattern-
kranken verpflegt werden, und sind auch alle zweifelhaften Blattern-
erkrankungen in separierte Verpflegung zu stellen.
2. Da an Varicellen zumeist nur Kinder erkranken, haben sich
die Isolierungsmalsregeln insbesondere auf diese zu erstrecken, und
ist hier, wie bei anderen Infektionskrankheiten, die unmittelbare Ein-
schleppung der Krankheit in Schulen, Kindergärten, Erziehungs- und
Pflegestätten, sowie Zusammenkunftsorte der Kinder überhaupt, des-
gleichen die Weiterverbreitung durch diese Gemeinschaften hintan-
zuhalten.
3. Insofern sich in einem besonderen Falle der Verdacht ergibt,
dafs es sich nicht um Varicellen, "sondern um eine milde Form von
Blattern handeln könnte, ist vorsichtshalber auf die Impfung, be-
697
ziehungsweise Revaccination der in der nächsten Umgebung des
Kranken verkehrenden Personen Bedacht zu nehmen.
4. Hingegen ist bei konstatiertem Charakter der Krankheit als
Varicella von der Durchführung der Notimpfung, welche bei dem fest-
stehenden Auftreten von Blattern niemals aufser acht gelassen werden
darf, abzusehen.
5. Varicellen sind ebenso wie Blattern in genauer Evidenz zu
halten, und ist bei beiden, um die bisherigen Erfahrungen über das
Verhalten derselben zum Impfschutze näher kennen zu lernen, der
Impfzustand der Kranken wahrheitsgemäfs zu konstatieren und in
der ärztlichen Infektionskrankheitsanzeige sowohl über Blattern als
über Varicellen genau anzugeben, ob die erkrankte Person geimpft
sei und wieviel sichtbare Impfnarben die Impfung zurückgelassen
habe, eventuell ob und wann sie wieder geimpft worden ist.
6. Die Desinfektionsmafsregeln bei Varicella haben sich ins-
besondere auf die mit dem kranken Körper in Berührung gekommenen
Effekten, namentlich Leib- und Bettwäsche, in welcher Beziehung
Auskochen in Seifenwasser genügt, sowie auf gründliche Reinigung
und Lüftung der vom Kranken bewohnten Lokalität und Verbrennung
des Kehrichtes aus derselben zu erstrecken.
Da Erkrankungen an Varicellen manchmal schwer von Varioloiden
oder modifizierten Blattern zu unterscheiden sind, ein Verkennen
dieser beiden heterogenen Krankheitsformen aber von schwerwiegenden
Folgen begleitet sein könnte, werden bei dem Auftreten von Vari-
cellen die Amtsärzte, soweit es sich um die Erhebung und Einleitung
sanitätspolizeilicher Maisnahmen zur Bekämpfung der Krankheit
handelt, in eben derselben Weise, wie bei dem Vorkommen von
Blattern, persönlich zu intervenieren haben.
Erlafs der k. k. Statthaltern in Böhmen bezüglich der Giftig-
keit vieler Farben in den Schfilerfarbkästchen.
Aus Anlafs eines vorgekommenen Falles, dafs ein kleines Kind
durch Verzehren einer grünen Aquarellfarbe (Mitisgrün) aus einem
Schülerfarbkästchen unter Vergiftungserscheinungen in grobe Lebens-
gefahr geriet, hat das hohe k. k. Ministerium des Innern mit dem
Erlasse vom 11. August 1. J., Z. 11891, den in Abschrift beilie-
genden, aus Anlafs eines speciellen Falles an die Statthalterei in Graz
ergangenen Ministerialerlafs vom 5. Juli 1876, Z. 8886, betreffend
die Erzeugung und den Vertrieb von gifthaltigen Farben, mit dem
Beifügen anher übermittelt, dafs das Ministerium des Innern auch
gegenwärtig an den Ausführungen dieses Erlasses festhält.
Hiervon werden der Herr k. k. Bezirkshauptmann mit dem
Bemerken in Kenntnis gesetzt, dafs zufolge des bezogenen hohen
Selralgeraiidheitspfleffe VI. 45
698
Erlasses vom 11. August 1. J., Z. 11891, unter Einem dem k. k.
Landesschulrate von dem Vorfalle zu dem Zwecke Kenntnis gegeben
wird, damit die Schulkinder regelmäfsig auf die Giftigkeit vieler
Farben in den Farbenkästchen, sowie darauf aufmerksam gemacht
werden, dafs derlei Farben sorgfältig verwahrt, insbesondere kleinen
Kindern unzugänglich gemacht werden müssen und die verwendeten
Pinsel oder von Farben beschmutzten Finger niemals zum Munde
gebracht werden dürfen.
Prag, den 21. August 1893.
(Gez.) Mattass.
Abschrift
eines Erlasses des k. k. Ministeriums des Innern an die
k. k. Statthalterei in Graz d. dto. 5. Juli 1876, Z. 8886.
Der k. k. Statthalterei wird folgendes eröffnet: Es kann nach
dem Wortlaute des § 1 der Verordnung vom 21. April 1876, Rgbl.
No. 60, keinem Zweifel unterliegen, dafs alle arsenhaltigen Ver-
bindungen, somit auch jene, welche als Material zu Anstrich- und
Malerfarben verwendet werden, z. B. das Mitis-, Schweinfurter, Wiener
Grün, der Rubinschwefel u. s. w. röcksichtlich des Verkehrs den
Bestimmungen dieser Verordnung unterliegen, dafs sonach auch der
Maler und Anstreicher, wenn er sich die zum Geschäftsbetrieb nötigen
Farben selbst bereitet, die hierzu erforderlichen Arsenverbindungen
nur mittelst einer Bezugsbewilligung erwerben darf und zur Beob-
achtung aller in der Verordnung enthaltenen Vorschriften ver-
pflichtet ist.
Auf die zum Verbrauche zubereiteten arsenhaltigen Farben sind
die Bestimmungen dieser Verordnung nicht anzuwenden. Sie unter-
liegen einer Verkehrsbeschränkung ebensowenig als die Anilinfarben,
welche quecksilber- und arsenhaltig sein können, und als die Zünd-
hölzchen, welche gewöhnlich Phosphor enthalten.
Damit beheben sich die Zweifel über die Zulässigkeit des freien
Verkaufes der arsenhaltigen Farbenplättchen in den Malerkästchen.
Das Ministerium des Innern findet sich nicht bestimmt, bosondere
Weisungen über die auch als Kinderspielzeug in Verwendung kommenden
Farbenkästchen zu erlassen.
JJerfottolten.
Die Herren Komitatsphysikus Dr. Leopold Loewy, Professor
der Hygiene in Fünfkirchen, und Dr. W. Prausnitz, Privatdocent
699
der Hygiene an der Universität and der technischen Hochschale in
München, haben sich zur Mitarbeit an unserer Zeitschrift bereit
erklärt.
Geheimrat Professor Rudolf V-irchow ist ans Anlafs seines
fünfzigjährigen Doktoijabiläums zum Ehrenpräsidenten der medizini*
sehen Gesellschaft in Berlin, sowie zum Ehrenmitgliede der dortigen
physiologischen Gesellschaft ernannt worden.
Dem Direktor des Realgymnasiums in Karlsrahe E. Kappes
wurde das Ritterkreuz I. Klasse mit Eichenlaub des Ordens vom
Zähringer Löwen, dem Professor der Hygiene an der Universität
Amsterdam Dr. Forster das Ritterkreuz des Ordens vom nieder-
ländischen Löwen verliehen.
Den roten Adlerorden III. Klasse mit der Schleife haben er-
halten: der Realgymnasialdirektor a. D. Geheimer Regierangsrat
Dr. Münch zu Münster i. W., der Gymnasialdirektor a. D. Lorenz
in Meldorf, der Seminardirektor a. D. Schulrat Lange in Segebefg,
den roten Adlerorden HI. Klasse : der Provinzialschulrat Geheimer
Regierungsrat Müller in Berlin und der Gymnasialdirektor Dr. Weider
in Dortmund, den roten Adlerorden IV. Klane : der Direktor Dr.
Richter am Prinz-Heinrichgymnasium in Schöneberg bei Berlin, der
Gymnasialdirektor Dr. G. Contzen in Essen, der Realgymnasialdirektor
Dt.Dronke in Trier, der Gymnasialdirektor Dr.WoLLSEiFFEirin Kre*
feld, der Gymnasialdirektor Drenckhahn zu Mühlhausen i. Th., der
Realgymnasialdirektor a. D. Professor Damee in Breslau, der Real-
gymnasialdirektor Dr. Fischer in Lennep, der frohere Direktor der
Krefelder höheren Mädchenschule Dr. Buchner in Eisenach und
der Oberlehrer am Wilhelmsgymnasium in Berlin, Professor Dr. Reth-
wisch.
Der Geheime Medizinalrat Dr. Sendler in Magdeburg, Mit-
glied des Medizinalkollegiums der Provinz Sachsen, der Direktor des
Lyceams Herrmann in Metz und der Realschuldirektor Langhoff
in Potsdam wurden mit dem Kronenorden HI. Klasse dekoriert.
Der Gymnasialdirektor a. D. Freytag in Rinteln erhielt den
Adler des Königlichen Hausordens von Hohenzollern.
Bezirksarzt Dr. August Schneditz in Graz ist zum Statt-
haltereirat und Landessanitätsreferenten für Steiermark ernannt worden.
Der Professor der Philosophie an der Universität Berlin,
Dr. Friedrich Paulsen hat einen Ruf als ordentlicher Professor
der Pädagogik an die Universität Leipzig erhalten, denselben aber
abgelehnt.
Professor Richard Paltauf in Wien wurde mit der Leitung
des Instituts für Bakteriologie, welche bisher Professor Weichsel-
baum geführt hatte, betraut.
45*
700
Dem Regieruugs- und Schalrat Herrmann in Merseburg ist
das Amt eines Provinzialschulrates in Berlin übertragen worden.
Dr. Bonns wurde an Stelle Dr. Lävys, der seinen Abschied
genommen, zum ärztlichen Inspektor der Schulen des 14. Arrondisse-
ments von Paris ernannt.
In Amsterdam habilitierte sich Dr. Graanboom als Privatdocent
der Kinderheilkunde.
Geheimrat Professor Dr. Finkblnburg in Bonn ist auf sein
Gesuch wegen andauernder Kränklichkeit von dem Lehrauftrag für
Hygiene an der dortigen Universität entbunden worden.
Der Rektor des Gymnasiums zu Würzen, Professor Pötzschke,
hat sich in den Ruhestand versetzen lassen; bei dieser Gelegenheit
wurde ihm das Ritterkreuz I. Klasse des Königlich sächsischen
Albrechtordens verliehen.
Es sind gestorben : in Wien der k. k. Ministerialrat Dr. Franz
Ulrich, früher Sanitätsreferent im Ministerium des Innern ; in Danzig
Provinzialschulrat Geheimer Regierungsrat Dr. Yölcker, 70 Jahre
alt; am 20. September in St. Petersburg der Wirkliche Staatsrat
Dr. Oskar Meyer, älterer Ordinator am Kinderhospital des Prinzen
von Oldenburg, im 56. Lebensjahre; in Liegnitz Geheimer Regierungs-
und Schulrat a. D. Book, 77 Jahre alt; am 16. Oktober der Pro-
fessor der Berliner Universität Dr. Friedrich Falck, dessen Arbeiten
sich auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege und gericht-
lichen Medizin bewegten; in Stockholm der frühere Professor der
Kinderheilkunde Dr. Hjalmar Aug. Akelin; zu Frankfurt a. M.
im Alter von 78 Jahren der Geheime Sanitätsrat Dr. Passavant,
durch eine Reihe wertvoller hygienischer Arbeiten bekannt.
tfttteratur.
Besprechungen.
Geheimrat Dr. von Kerschensteiner. Reform des bayerischen
Mittelschulwesens vom ärztlichen Standpunkte aus. Vortrag,
gehalten im ärztlichen Bezirksverein zu München. Münchener
medizinische Abhandlungen, VI. Reih., 2. Heft. München, 1891.
J. F. Lehmann. (24 S. Gr. 8°. M. 1.)
Der bayerischen Schulverwaltung ist in neuerer Zeit die Mit-
wirkung eines Medizinalreferenten organisch eingefügt worden: der
Geheimrat von Kerschensteinfr wurde 1890 als aufserordentliches
Mitglied in den obersten Schulrat berufen.
701
In dem vorbezeichneten Vortrage handelt er nach einer kurzen
Übersicht über die froheren Anordnungen in betreff der Gesundheits-
pflege in den bayerischen Schulen (S. 3 — 6) von der nunmehr vor-
genommenen Revision der dortigen Schulordnung, indem er die ein-
zelnen Bestimmungen derselben durchgeht, allerdings (S. 7) mit dem
— bei Besprechung von Schulfragen den Ärzten leider nicht immer
hinreichend gegenwärtigen — Bewufstsein, „dafs es eine gewisse
Grenze für Reformvorschläge auf dem Gebiete der Schulgesundheits-*
pflege gebe, welche an dem Punkte liege, wo die Durchführung hy-
gienischer Massnahmen noch ohne Gefährdung der Unterrichtsziele
und Unterrichtszwecke möglich sei.u
Man kann den im Interesse der Gesundheit in Bayern getroffenen
Einrichtungen im wesentlichen nur zustimmen.
Wenn der Unterricht auf Vormittag und Nachmittag verteilt
wird und für den Vormittag höchstens 4 Stunden angesetzt werden
(S. 12), so bildet das einen erfreulichen Gegensatz gegen das aus
Mangel an Einsicht oder aus Rücksichten der Bequemlichkeit hervor-
gehende, trotz der Warnungen mafsgebender Ärzte und ungeachtet
der vorbeugenden Malsregeln der Schulverwaltung an so vielen Orten
hervortretende Bestreben, auch da, wo die besonderen Ortsverhältnisse
keineswegs dazu nötigen, durch Hinzunahme einer fünften Lehrstunde
den Unterricht thunlichst auf den Vormittag zu konzentrieren.
Weiter ist nur zu "billigen, dafs die Erholungspausen zwischen
den einzelnen Lehrstunden nicht zu karg bemessen werden sollen
(S. 12 f.). Auf diese Pausen wird mit Recht auch in Preufsen (vgl.
die Ministerialverfugung vom 10. November 1884) grofser Wert gelegt;
und es ist zu beklagen, dafs man, wenn die Rechnung nach mittel-
europäischer Zeit für die Legung des Unterrichts im Winterhalbjahr
Schwierigkeiten mit sich bringt, vielfach nur zu geneigt ist, dem in
Baden gegebenen nicht löblichen Beispiele zu folgen und ohne weiteres
durch Beschränkung der Pausen Abhilfe zu beschaffen.
Anderseits wird aber in Bayern keineswegs auf thunlichste Be-
seitigung der häuslichen Schularbeiten hingewirkt. Mit Recht sagt
von Kerschensteiner (S. 16), die Erfahrung lehre, dafs selbst
eine dreistündige Hausübung so gehandhabt werden könne, dafs sie
keinem Schüler körperlich oder geistig irgendwie schädlich werde.
Der häusliche Fleifs sei ein wertvolles Ergänzungsmittel für den
Schulunterricht; ja, durch seine Intensität werde nicht selten das
zukünftige äufsere und innere Glück des Schülers begründet.
Auch hebt von Kerschensteiner hervor (S. 14), dafs nach den
Berichten der Direktionen der 10 bayerischen Irrenanstalten mit
gegen 4000 Kranken Fälle von geistiger Erkrankung infolge von
Überbürdung an Schulen geradezu als Raritäten befunden seien.
702
Ferner ist es, wenn in Bayern früher viel darüber zn klagen
war (S. 20), dafs in den untern Klassen bei der grofsen Schülerzahl
der eine Teil während der Turnstunde in der mit Staub erfüllten
Luft oft eine halbe Stande lang unbeschäftigt dastehen mauste, in
der That sds eine Wohlthat anzuerkennen, dafs diesem Übelstande
jetzt entgegengetreten und zugleich auf möglichst häufiges Tarnen
im Freien hingewirkt wurde.
Als verdienstlich ist endlich auch (S. 21) die Förderung des
Zeichenunterrichts, der das Vermögen der Anschauung weckt und
stärkt, und der Pflege der Musik zu bezeichnen, die auf #anderm
Wege zu einer feineren Ausbildung der Sinnesorgane führt.
Dagen läfet der Vortrag anderseits auch erkennen, daüs die in
Angriff genommene Reform noch keineswegs unter allen Mißständen
der bayerischen Mittelschulen hinreichend aufgeräumt hat. Wenn z. B.
jetzt festgesetzt ist (S. 9), dafs in den drei untern Klassen nicht
über 50, in den drei mittleren nicht über 45, in den drei obern
nicht über 36 Schüler sitzen sollen, so bedürfen diese als zulässig
anerkannten Höchstzahlen noch mehr, als die z. Z. für die preufsi-
schen Schulen mafsgebenden einer entschiedenen Herabsetzung. Das
Königreich Sachsen ist in dieser Beziehung mit gutem Beispiel vor-
angegangen.
Dafe der naturgeschichtliche Unterricht nach dem Gutachten
des Verfassers (S. 17) künftig nicht mehr als blofses Wahlfach, son-
dern als Pflichtfach in den Lehrplan der untern und mittlem Klassen
aufgenommen werden soll, verdient Billigung; aber nicht, dafs dies
nur mit je einer Wochenstunde geschehen soll. Auch kann es
nicht als zweckmäßig erachtet werden, wenn empfohlen wird, diesen
Unterricht im Winterhalbjahr mit der Einleitung in die Pflanzenkunde
nach Abbildungen zu beginnen. In dieser Beziehung ist dem auf
S. 18 erwähnten Kritiker Recht zu geben.
Wenn aber auch einzelne Punkte noch zu Ausstellungen Anlafs
geben, so sind doch vor allem die Besserungen, die bereits ein-
getreten sind, ins Auge zu fassen. Sie verbürgen zugleich ein gedeih-
liches Fortschreiten auf der begonnenen Bahn.
Geheimer Regierungsrat Dr. phil. Lahmkyer,
Provinzialschulrat in Kassel.
Franz Mohaupt. Kleiner ftesundheitsspiegel. Ein Lesebuch
für jung und alt. Reichenberg, 1893. J. Fritsche. (271 S
16°. M 2.)
Der Verfasser des Büchleins ist den Lesern dieser Zeitschrift
nicht ganz unbekannt. Er teilt uns in dem Vorworte selbst mit,
dafs die Hygienischen Episteln für Lehrer und Eltern von Ernst
703
Schelmbkding, die im Jahre 1889 erschienen and seiner Zeit eine
sehr wohlwollende Besprechung in der Zeitschrift für ScJtulgesundheits-
pflege * erfahren, seiner Feder entstammt sind. Er gibt femer
auch an, dafs „vorliegendes Büchlein eine Umarbeitung der Hy-
gienischen Episteln ist," und ich will gleich hinzufügen, eine glück-
liche, denn die Hygienischen Episteln, welche ganz im Banne der
Lehren des als populärer Schriftsteller bekannten Sanitätsrates
Dr. Paul Niemeyer standen, konnten meinen Beifall nicht gewinnen.
In dem Kleinen Gesundheitsspiegel hat Mohaupt aber ein wahrhaft
branchbares Buch geschaffen, das man „jung und alt" mit gutem
Gewisser empfehlen kann.
Der Inhalt des klar und dabei durchaus nicht langweilig ab-
gefafsten Buches umfafst den Lehrstoff, welchen Verfasser den Schülern
seiner Oberklasse aus der Gesundheitslehre vermittelt.
Nach einer zwar knappen, aber trotzdem durchaus verständlichen
Belehrung über den Bau des menschlichen Körpers geht Mohaupt zum
Kapitel von der Verdauung über, bespricht die Nahrungsmittel und
die zweckmäfsige Zubereitung derselben, gibt recht vernünftige Regeln
fürs Essen und wendet sich sodann der Lehre vom Blute zu.
Der folgende Abschnitt handelt „von der Lunge". Dabei er-
wähnt der Verfasser mit dem nötigen Nachdruck die Schädlichkeit
des Staub es und formuliert die wichtigsten, auf die Atmung be-
züglichen hygienischen Anforderungen in kurzen Merksprüchen, von
denen allerdings einzelne stark an Paul Niemeyer erinnern und daher
besser weggeblieben wären. So heifst es z. B. : „Betreibe täglich
Vollatmen mit Atemhaltung. u Dabei kann sich ein Kind erstens
nichts denken, zweitens aber erscheint es sehr fraglich, ob diese
Vollatmung, wenn sie der Lehrer auch vormacht, bei allen Kindern
statthaft ist, ohne zu schaden; das mufs der Arzt entscheiden.
Deshalb läfst sich ein derartiges Axiom, in der Schule ausgesprochen,
nach meiner Meinung entschieden nicht billigen. Ebensowenig finde
ich den Satz 6 gerechtfertigt : „Kalte Luft ist die gesündeste Lungen-
speise"; für die Zwecke des Buches ist er unnötig, in dieser apo-
diktischen Fassung aber auch, und zwar aus ähnlichen Gründen, wie
bei dem früher erwähnten Merkspruch, unrichtig.
Weitere Abschnitte besprechen die Nerven, Arbeit und Ruhe,
das Sehen, das Hören, die Haut und ihre Pflege, die Kleidung,
Wohnung, Beheizung und Beleuchtung. Sehr zweckmäßig ist die
Anfügung der Belehrung über die „erste Hilfeleistung bei Unglücks-
fällen."
Mohaupts Buch erbringt in erfreulicher Weise den Beweis,
1 Jahrg. m, No. 1, S. 57—58.
704
dafs ein Lehrer, der sich für die Gesundheitspflege interessiert, recht
gut im stände ist, in der Volksschule diesen Gegenstand zu be-
handeln. Ja, man mufs gestehen, dafs die ganze Einteilung des
Stoffes, die Methode der Aneignung desselben, kurz der gesamte Ton
des Buches, der sehr oft einen gesunden, wohlthuenden Humor in
sich birgt, vielleicht oder doch beinahe nur von einem erfahrenen
Pädagogen in so vorzüglicher und zweckdienlicher Weise getroffen
werden kann, wahrend ein ärztlicher Bearbeiter desselben Stoffes
leicht nach dieser Seite hin fehlgreifen möchte. Aber die korri-
gierende und sichtende Beihilfe eines ärztlichen Fachmannes hätte
Mohaupt doch auch wieder gebraucht. Denn sein Buch enthält
neben dem vielen Vortrefflichen, das ja die Regel bildet, einige grobe
Schnitzer, die man „jung und alt" nicht so ohne weiteres mit ins
Leben geben darf. So lesen wir z. B. auf S. 149, dafs der Arzt
das mittlere Ohr durch die Nase und die Eustachische Röhre
„untersucht, tt was wohl eine Verwechslung mit der Behand-
lungsart ist. Auch die Belehrung über die Schwemmkanalisation
ist etwas miisraten und bedarf der Richtigstellung und so hier and
da noch manche Kleinigkeit.
Das braucht uns aber die Freude an dem Ganzen nicht zu ver-
gällen. Es ist ein empfehlenswertes Buch, das musterhaft werden
kann, und das, wenn die Fehler, welche dem Laien dabei unter-
gelaufen sind, entsprechend verbessert werden, auch den Ärzten
willkommen und recht sein mute. Hoffen wir schon deswegen, dafs
eine Neuauflage von Mohaupts Gesundheitsspiegel baldigst nötig
sein wird.
K. E. Sanitätsrat Dr. med. Theodor Altschul in Prag.
Kahl HintrAgbr, diplomierter Architekt. Das moderne Volks-
Sfhnlhans. Der Bau und die innere Einrichtung desselben in
technischer und hygienischer Beziehung. Vortrag, gehalten in der
Jahresversammlung der österreichischen Gesellschaft für Gesund-
heitspflege am 28. April 1891. Separatabdruck aus den Mü~
teüungen der österreichischen Gesellschaft für Gesundheitspflege,
No. 4. Mit 1 Tafel. Wien, 1891. Selbstverlag. (16 S. Gr. 8°.)
Ebenso wie der „Deutsche Verein für öffentliche Gesundheits-
pflege14 schon seit Jahren wiederholt die Schulhygiene auf die Tages-
ordnung seiner Zusammenkünfte gesetzt hat, ist auch in der Jahres-
versammlung der „österreichischen Gesellschaft für Gesundheitspflege"
dieses hochwichtige Thema zum Gegenstand der Besprechung gemacht
worden. Die Mitteilungen dieser Gesellschaft vom Jahre 1891
enthalten eine Arbeit des diplomierten Architekten Karl Hin-
träger, welche das moderne Volksschulhaus in technischer und
705
hygienischer Beziehung so eingehend behandelt, dafs es ans ange-
bracht erscheint, darauf an dieser Stelle aufmerksam zu machen.
Den einleitenden Worten, in welchen die hohe Bedeutung der
Schulhygiene betont ist, wird jeder Fachkundige ungeteilten Beifall
zollen. Die in den Vordergrund getretenen Bestrebungen der allge-
meinen Volksbildung, welche die Gesetzgeber civilisierter Staaten
zu der Einführung des Schulzwanges veranlagst haben, bezwecken
körperlich und geistig kräftige Borger heranzubilden.
Wie die Monumentalbauten eines Volkes die stummen Zeugen
seiner Kulturentwickelung überhaupt sind, so bilden seine Schul-
bauten und Schuleinrichtungen einen Malsstab für den Umfang und
die Sorgfalt, welche es der Erziehung und Bildung der Jugend
zugewandt hat.
Die Bestrebungen der Neuzeit, alle zum Aufenthalt von
Menschen bestimmten Räume den hygienischen Anforderungen
anzupassen, sind auch an den Schulgebäuden nicht spurlos vorüber-
gegangen. Mit Recht wird auf die gesundheitliche Gestaltung
der für Schüler bestimmten Räume um so mehr Gewicht gelegt,
als es sich dabei um zarte, in der Entwickelung begriffene
Kinder handelt, von denen viele in den Wohnungen der
Eltern nicht diejenigen Lebensbedingungen finden, deren gerade
ihr Alter so dringend bedarf. Hier aber ist es der Staat,
dem die Verpflichtung obliegt, die Häuser, in welche er die Jugend
zum längeren Aufenthalt zwingt, auch so einzurichten, dafs sie allen
Anforderungen eines gesunden und angemessenen Daseins im höchsten
Mause genügen. Namentlich gilt dies für die Unterrichtsgebäude in den
Städten, wo die Schule vielfach die einzige Gelegenheit bietet, dem
Kinde auf dem Spielplatz und in der Turnhalle die körperliche
Pflege angedeihen zu lassen, welche das Landkind in Feld und
Flur ohne weiteres geniefst.
Das Zusammenwirken der Pädagogen, Bautechniker und Ärzte hat
in der neuesten Zeit, namentlich auf den Bau städtischer Schulen, einen
außerordentlich segensreichen Einflufs ausgeübt, und mit warm empfun-
denen Worten legt der Verfasser unter stichhaltiger Begründung allen
Beteiligten, dem Staat, der Gemeinde, den Pädagogen, Hygienikern, so-
wie den Eltern und Freunden der Jugend die Sorge für gesunde Schul-
gebäude ans Herz. Freilich hegt er auch das Bedenken, dafs trotz
der bestgewollten gemeinschaftlichen Arbeit ein „ Idealschulhaus " kaum
zu stände kommen wird. Immerhin aber werden nach seiner
Meinung, der wir uns voll anschliefsen, sich einzelne Schulhaustypen
entwickeln, welche „den gestellten pädagogischen und hygienischen
Anforderungen möglichst entsprechen und zugleich den ökonomischen
und lokalen Verhältnissen, sowie den Sitten und Gewohnheiten
der Bevölkerung Rechnung zu tragen suchen."
706
Diese seine Ansicht sacht er nun im weiteren durch eine
Sammlung und Beschreibung von Schulbauten aus verschiedenen
Landern, welche er zum Teil selbst bereist und deren Schuleinrich-
tungen er an Ort und Stelle studiert hat, zu begründen. So führt
er uns nach der Schweiz, Italien, Frankreich, Belgien, Deutschland,
England, Holland, Dänemark, Norwegen, Schweden, Amerika and
Japan.
Bei der Behandlung der Volksschulbauten in der Schweiz
räumt er diesen den Ehrenplatz ein. „Das schweizerische Schul-
gebäude," so sagt er, „ist der Palast des Volkes, auf dessen Aus-
stattung die Städte grofse Summen verwenden. Zumeist wird dem
Schulhaus infolgedessen eine hervorragende Lage im Städteplan
gegeben, da dem Schweizer idealer Sinn für die Bildungsstätte
seiner Jugend innewohnt/ Nach einem kurzen Überblick aber die
Organisation des Schulwesens in der Schweiz bespricht der Autor
die dortigen Schulbauten im allgemeinen nebst deren Neben-
anlagen, wie Turnhallen, Turnplätze, Aborte u. dergl., ferner die
Normalbaupläne einzelner Kantone, die ausgeführten Schulbauten,
und zwar diejenigen von Dorf-, Quartier- und Centralschulen. Auch die
innere Einrichtung (Subsellien, Turnapparate) wird gestreift und der
Schulstatistik und der in der Schweiz üblichen permanenten Schul-
ausstellungen Erwähnung gethan.
In gleich eingehender Weise gelangen sodann die Schulverhält-
nisse Italiens zur Erörterung. Aus dem Kapitel über die Organi-
sation der Schulbehörden erfahren wir, dafe der Ortsschulrat aus
Herren und Damen besteht. Nach Mitteilung italienischer Schul-
baunormalien werden ausgeführte gröfsere und kleinere Bauten in Rom,
Padua, Mailand, Turin und Genua beschrieben. Die Schilderung
der inneren Einrichtung italienischer Schulen bildet den Schlufs
dieses Abschnittes.
Mit dem Ausspruch von JüLBS SIMON: „Le peuple, qui a les
meilleurs äcoles, est le premier peuple; s'il ne Test aujourd'hui, il
le sera demain" führt uns der Verfasser in Frankreich ein.
Dieser Ausspruch, welcher nach dem deutsch-französischen Kriege
1870—71 gethan worden ist, dürfte der Überzeugung entsprungen
sein» dafs die Schule den Mann und den guten Soldaten macht, und
es ist daher gewifs nicht Zufall, deSa man seit jenem Kriege auch
in Frankreich dem Unterrichtswesen eine erhöhte Bedeutung zumifst.
Als Besonderheit wird der gedeckte Spielhof (prtaux) hervorgehoben,
welcher in den Stadtschulen oft das ganze Erdgeschofs der Schule
einnimmt.
Belgien hat vielfach französische Verhältnisse nachgeahmt,
und auch hier datiert die neue Schulbewegung erst vom Jahre 1870.
707
Von Deutschland, dem „Land der Schalen and Kasernen",
wird berichtet, dafs es vielen anderen Staaten die Vorbilder geliefert
habe, sowohl hinsichtlich seiner Gesetze and Verordnungen, als auch
bezüglich seiner Bauten. Als besonders rühmenswert finden sich die
immer mehr Fufe fassenden Schulbäder hervorgehoben. Den Ver-
diensten der „ Versammlungen deutscher Naturforscher und Ärzte",
sowie des „Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege u wird
grofse Anerkennung gezollt.
Auch die englischen Schulverhältnisse, welche erst seit dem
1870 eingeführten Schulzwang strengere Formen angenommen haben,
kommen zur Besprechung. Schwimmunterricht ist hier obligatorisch.
In gleich eingehender Weise werden die Verhältnisse von
Holland, Dänemark, Skandinavien, Amerika und Japan
behandelt.
Interessant sind namentlich die japanischen Schulverhält-
nisse. Dafs Religions- und Gesangunterricht dem Lehrplan nicht
eingefügt sind, überrascht ebenso, wie die Angabe, dafs Stock und
Körperstrafen durch Freundlichkeit und Milde des Lehrers ersetzt
werden. Letzterer dient trotzdem nie zur Zielscheibe jugendlichen
Übermuts.
Zum Schlafe resümiert der Verfasser aus dem Mitgeteilten die
Punkte, welche erfüllt werden müssen, wenn ein Schulhaus den
Regeln der Gesundheitspflege entsprechen soll.
Wir erfahren hierbei, dafs auch in Österreich in den Volks-
schulen noch manche wichtige hygienische Einrichtungen fehlen oder
doch nur mangelhaft vertreten sind. Aber wo ist dies nicht der
Fall? Auch bei uns ist noch vieles zu verbessern, obwohl bereits
grofses gethan ist.
Mögen deshalb alle, welche sich für Schulhygiene interessieren,
das kleine Heftchen von Karl Hinträger zur Hand nehmen.
Aus Text und Tafeln werden sie vieles Lehrreiche schöpfen
und mit des Verfassers Schlufswort das Büchlein weglegen:
„Sobald der Pädagoge, der Hygieniker und der Techniker
Hand in Hand gehen, steht zu erwarten, dafs die Schule ihren
Zweck als Erziehungs- und Unterrichtsstätte ganz und voll erzielt,
nämlich die dreifache Entwicklung von Körper, Geist und Gemüt."
Stadtbaurat Berthold Stahl in Altooa.
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Kinder. Mitt. d. deutsch. Ver. geg. d. Mifsbr. geist. Getrke.,
1893, DI.
Sachregister.
Aborte, Beschlüsse des Bezirks-
schulrates der Stadt Wien be-
züglich derselben 50—51.
Abschlufsklassen für zurückge-
bliebene Kinder, Erlafs des preußi-
schen Unterrichtsministers, be-
treffend Errichtung von solchen
230-232.
— vgl. Schwachbegabte Kinder.
Adenoide Vegetationen 315.
— Behandlung derselben 319.
— Gesichtsausdruck der Kinder mit
solchen 316-317.
— im Nasenrachenräume von Kin-
dern 428.
— klanglose Sprache der Kinder
mit solchen 318.
— mangelhaftes Gehör bei damit
behafteten Kindern 318—319.
— Mundatmung der Kinder mit
solchen 315—316.
— Unfähigkeit bei denselben, län-
gere Zeit aufmerksam zu sein
319—320.
Alkoholgenufs, gegen den über-
mäßigen der akademischen Ju-
gend 229.
Amtsärztliche Berichte über sächsi-
sche Schulen 88—90.
Amtsärzte, vgl. Schulärzte.
Analphabeten in Italien 70.
Anfang des Schulunterrichts, s.
Schulanfang.
Ansteckende Krankheiten, Bescheid
. des bayerischen Staatsministe-
riums des Innern über die
Schließung der Schulen beim
Ausbruche solcher 169 — 170.
8chnlgeixindheltcpflefe VI.
Ansteckende Krankheiten, Verbrei-
tung derselben durch Milchgenufs
223.
— vgl. Infektionskrankheiten.
Aprosexia nasalis 319 — 320.
— bei Schulkindern, Untersuchung
über dieselbe 670.
Arbeitstisch, der zugleich als Barren
und Beck benutzt werden kann 437.
Arbeitsunterricht, vgl. Handfertig-
keitsunterricht.
— vor der Lehrerkonferenz des
Gymnasiums und Realgymnasiums
in Görlitz 337.
Arbeitszeit, häusliche der Schüler
der k. k. Staatsoberrealschule in
Tesohen 489—490.
— vgl. Hausarbeit.
Area Celsi und Schulbesuch 418
bis 419.
Arm- und Bruststärker, Patent
Largiader 90—92.
Arztliche Beobachtung der Ober-
realschüler in Teme8vär während
der Lehrstunden 667.
— Schulinspektoren, s. Schulärzte.
— Untersuchung der Oberreal-
schüler in Temesvär 665 — 666.
— Mitteilung der Ergebnisse der-
selben an die Eltern 666—667.
— Zeugnisse für die Oberrealschüler
in Temesvär 668.
Astigmatismus 127.
— bei den Schulkindern von Lau-
sanne 514.
— bei den Zöglingen des Waisen-
hauses und der Erziehungsanstalt
zu Rummelsburg 687—688.
46
714
Atmungsorgane, Gesundheitsregeln
für die Pflege derselben 568 bis
569.
Auge, Entwickelung des kindlichen
468—469.
Augen der Schüler 207 — 208.
— der Schüler von Lausanne 426
bis 428, 513—514.
— der Zöglinge des Waisenhauses
und der Erziehungsanstalt zu
Rummelsburg 687—688.
Augenentzündung, ägyptische, s.
Trachom.
— bei Pocken 126—127.
— der Neugeborenen 123—124.
— granulöse in den Armenschulen
Londons 295—296.
— vgl. Augenkrankheit, ägyptische.
— skrofulöse 124—125.
Augen, Gesundheitsregeln für die
Pflege derselben 569—570.
— Hygiene derselben 37—38, 121
bis 138, 451—452.
Augenkrankheit, ägyptische in den
Dorfschulen Livlands 408—410.
— vgl. Augenentzündung, granulöse.
— vgl. Trachom.
— bei gewissen Berufsarten 137.
— bei Önanisten 135.
— bei Syphilitischen 135—136.
— infolge von Blendung 187.
Augen, Schädigung derselben in der
Schule 579.
— Verletzungen derselben 137.
— vgl. Rurzsichtigkeit.
— vgl. Sehschärfe.
— von Schulkindern der Vereinigten
Staaten 77—79.
Ausstellung für das höhere Schul-
wesen in Chicago, Programm der-
selben 160—162.
— hygienische in St. Petersburg
40—41.
— internationale medizinische und
hygienische in Rom 346.
— vgl. Hygieneausstellung.
— wissenschaftlich - industrielle in
Kasan 276-279, 326-330, 403
bis 406, 477—480.
Baden, Belehrungen des Wiener
Stadtphysikates über das Ver-
halten der Schüler bei demselben
507-509.
Baden, vgl. Schwimmen.
Badeordnung für die Benutzung der
Schulbäder in Zürich-Unterstrafs
422—424.
— vgl Schulbäder.
Bäder für Volksschüler in Breslau
543—544.
— in den städtischen Elementar-
schulen von Paris 174—176.
— vgl. Schulbäder.
— vgl. Schwimmbäder.
— vgl. Schwimmen.
Bakterien werden in ihrer Ent-
wickelung vielfach durch Licht
gehemmt 522.
Bänke, s. Schulbänke.
Bauart der Schulen, die für die
Beleuchtung geeignetste 534 bin
535.
Bauprojekte für Schulen, Weisung
des k. k. österreichischen Mini-
steriums des Innern, bei denselben
das Urteil des Landessanitäts-
rates einzuholen 167.
Bau und Einrichtung einer neuen
Elementarschule in Rom 45.
— von Pflege- und Erziehungs-
anstalten für die Jugend des vor-
schulpflichtigen Alters in den ver-
schiedenen Ländern 58.
Beaufsichtigung, ärztliche der Schu-
len 130.
— vgl. Schularzt.
Bedürfnisse, Befriedigung natür-
licher der Schulkinder 50 — 61.
Bekleidung armer Kinder in Wien
44.
— vgl. Kleidung.
Beleuchtung, indirekte mit diffusem
Licht 240-241.
— künstliche 129.
— insbesondere für Zeichen- und
Hörsäle 239—241, 331-337.
— vgl. Licht, künstliches.
— vgl. Gasglühlicht
— vgl. Lichtverhältnisse.
Bewegung der Schuljugend im
Freien 147.
— vgl. Jugendspiele.
Bewegungsspiele für Mittelschulen
und verwandte Lehranstalten 180
bis 181.
— vgl. Jugendspiele.
715
Biergen ufs, übermäfsiger in aka-
demisch gebildeten Kreisen 559
bis 560.
Biologische Grundlagen der Päda-
gogik, Versammlung von Schul-
männern zur Besprechung der-
selben 99—100.
Blatternepidemie, s.Pockenepidemie.
Brände, Statistik der in Ungarn
durch Kinder veranlagten 204.
Brille für farbenblinde Schüler 493.
— Müllersche zur Erzielung grader
Haltung beim Lesen und Schreiben
473—476.
Brustumfang der Kinder 467.
— russischer Schuler 655—657.
— jährlicher Zuwachs desselben
655-656.
— Verhältnis zur Körperlänge der-
selben 657—660.
Bucher, s. Lehrbücher.
Celluloidgegenstände, Gefahren für
Kinder, welche solche tragen 223
bis 224.
Cholera, Schutzmaisregeln gegen
dieselbe 667.
— Todesfalle von Hamburger
Schulkindern an derselben 162
bis 163.
Chorea, s. Veitstanz.
Dampfheizungen für Schulen 20
bis 21.
— vgl. Heizung.
Desinfektion der Breslauer Volks-
schulen 543.
— in Schulen 485—486.
Diphtherie und Schule 429—431.
— und Schulferien 681.
— Verbreitung derselben durch die
Schule 560.
Druck der Bücher 130.
— der Klassikertexte, Verbot eines
zu kleinen für Schüler durch daa
k. k. österreichische Unterrichts-
ministerium 299.
Ehelosigkeit der Lehrer 293.
Eislaufen, s. Schlittschuhlaufen.
Epidemie, akute psychische in einer
Mädchenschule 561 — 563.
— vgl. hysterische Epidemie.
— vgl. hysterische Krämpfe.
Epidemie, vgl. Schulschluls.
Epileptische Kinder, Erlafs des
badischenMinisteriums des Innern,
betreffend die Ausschliessung der-
selben von dem Besuche der
Volksschulen 633—634.
Erbgrind, Abnahme desselben bei
den französischen Schülern 84.
— unter den Schulkindern in Algier
und Tunis 293—294.
Erbrechen, nervöses bei Schul-
kindern 342—343.
Ernährung der Schuljugend 146 bis
147.
— vgl. Milchstationen.
— vgl. Milchverteilung.
Examina, s. Prüfungen.
Farbenblindheit 137—138.
Favus, s. Erbgrind.
Ferien, s. Hitzeferien.
Fenster, Anforderungen an dieselben
in Schulen 537—539.
— der Schulen 535—539.
Fensterfläche, Verhältnis derselben
zur Bodenfläche in Schulen 535
bis 537.
Fenster, Lage derselben im Schul-
zimmer 68 — 69.
— vgl. Licht
Ferienhort für bedürftige Gymnasial-
schüler Wiens 353—855.
— vgl. Ferienkolonien.
Ferienkolonien, Berliner 500.
— in Breslau 544.
— in Prag 436—437.
— spanische 271—275.
— vgl. Ferienhort.
— vgl. Schülerherbergen.
— vgl. Sommerpflegen.
Ferienkolonisten, Gewichtszunahme
spanischer 274.
Ferienreisen dänischer Schüler 682.
— vgl. Schülerreisen.
Feuchtigkeitsgehalt der Luft in
Schulzimmern 5 — 7.
Feuerluftheizungen für Schulen 14
bis 18.
— vgl. Heizung.
Fragebogen, amtlicher zur Er-
mittelung der körperlichen und
geistigen Eigenschaften der
Schuljugend in Uruguay 48 — 50.
46*
716
Freipausen 701.
— richtige Verwendung derselben
680.
— vgl. Pansen.
Frequenz der Klassen in den Ber-
liner Gemeindeschulen 553.
Frühreife, physische Grundlage der-
selben bei Schulindern 621.
Frühstück für arme Schulkinder in
Breslau 545.
— Tgl. Milchstationen.
— vgl. Speisung.
Fußballspiel, ist dasselbe gefährlich?
491—492.
— tödliche Verletzung eines eng-
lischen Schülers bei aemselben 45.
Gärten, s. Schulgarten.
Gasglühlicht, Empfehlung des Auer
sehen durch den preußischen
Unterrichtsminister 438—440.
Gasheizung, s. Sohulheizung mit
Gasöfen.
Gehirn, das männliche schwerer als
das weibliche 547, 675—677.
— Entwickelung des kindlichen 467
bis 468.
Gehör, mangelhaftes, bei Kindern
mit adenoiden Vegetationen 318
bis 319.
Gehörprüfungen von Schulkindern
in Luzern 627—631.
Geisteskrankheiten bei Schülerinnen
549.
— vgl- geistige Störungen.
Geistige Störungen bei Kindern 341
bis 342.
— rgl. Geisteskrankheiten.
Geradehalter, Tgl. Brille.
— Tgl. Haltung.
— zur Benutzung beim Lesen und
Schreiben 473—474.
Gesang, Hygiene desselben bei den
Kindern 449—451.
— Tgl. Stimme.
Geschlecht, Einflufs desselben in der
Erziehung 675—677.
Geschlechtertrennung in den Primär-
schulen Tom hygienischen Stand-
punkte 406—408.
Gesundheit, der Lehrer als Wächter
derselben 114—116.
— der Schuljugend, Ratschläge
zur Wahrung derselben Tor 50
Jahren 404—405.
GesundbeitsgemäXse Erziehung der
Jugend, Berliner Verein für die-
selbe 626—627.
Gesundheitslehre für die Volks-
schulen 241—242.
— im Anschlufs an Bau und Leben
des menschlichen Körpers 638 bis
640.
— Unterricht der Oberrealschüler
zu Temesvar in derselben 665.
— Tgl. Hygiene.
Gesundheitspflege der Lehrer 486
bis 487.
— in den Primärschulen, Verord-
nung des französischen Unter-
richtsministers in betreff derselben
300.
— in den Schulen 65 — 74.
— Tgl. Schulgesundheitspflege.
— Tgl. Hygiene.
Gesundheitsregeln für die Schul-
jugend, aufgestellt von der Unter-
richtsbehörde im Haag 567 bis
571.
— für Schulkinder 59—60.
Gesundheitsspiegel für Jung und Alt
702—704.
Gesundheit, Tgl. Schulgesundheits-
pflege.
Geteilte oder ungeteilte Schulzeit in
den Hamburger Volksschulen?
502-507.
— Tgl. Schulzeit, ungeteilte.
— Tgl. Stundenplan.
Geteilte Schulzeit 701.
Gewicht, s. Körpergewicht.
Giftigkeit von Farben in den Schüler-
farbkästchen, Erlafs der k.k. Statt-
halterei in Böhmen bezüglich der-
selben 697—698.
Glasschul wand tafeln, matte schwarze
und weifse 492.
Gymnastik als Hilfsmittel der phy
sischen Erziehung 249 — 270.
— bei den Griechen und Römern
253.
— im* Mittelalter 253—254.
— in der neueren Zeit 254 — 257.
— in England 257.
— in Frankreich 257.
— in Rufsland 257—258.
— schwedische 255—256.
717
Gymnastik, vgl. heilgymnastischer
Unterricht.
— vgl. Turnen.
— vgl- Widerstandagymnastik.
— Widerlegung der Ein würfe gegen
die schwedische 261 — 267.
Haitang, eine Vorrichtung, um die
Schuler zu gerader zu nötigen
166—167.
— vgl. Geradehalter.
Handarbeiten von Knaben auf der
wissenschaftlich-] ndustriellen Aus-
stellung in Kasan 477.
— von Mädchen auf der wissen-
schaftlich • industriellen Aus-
stellung in Kasan 477—479.
— Programm der Lehrerbildungs-
anstalt des deutschen Vereins für
dieselben auf das Jahr 1893 164
bis 166.
Handarbeitsunterricht im Falkreal-
gymnasium zu Berlin 564—565
— in Danemark 644-645.
Handarbeit, vgl. Handfertigkeit.
— vgl. Knabenhandarbeit.
Hand, Einflufs derselben auf den
menschlichen Geist 411.
Handfertigkeitsunterricht in Rufs,
land 101.
— inwieweit tragt derselbe zur
Geschmacksbildung der Jugend
bei? 411.
— vgl. Arbeitsunterricht.
Handfertigkeit, vgl. Handarbeit.
— vgl. Knabenhandarbeit
— vgl. Slöjd.
Hand, vgl. Knabenhandarbeit.
Hausarbeiten der Schüler 701.
— hygienische Ratschläge für die-
selben 677.
— Gesundheitsregeln für dieselben
570.
— vgl. Arbeitszeit.
— vgl. häusliche Arbeiten.
Hausaufgaben, s. häusliche Arbeiten.
Haushaltungsunterricht für Mäd-
chen, Erlaf8 des preufsischen
Unterricht8mini8ters in betreff
desselben 298—299.
Häusliche Arbeiten der Schülerinnen
36-37.
— vgl. Hausarbeiten.
Heftlage und Schriftrichtung, Ein-
flufs derselben auf die Körper-
haltung der Schüler 689.
— vgl. Steilschrift.
Heilgymnastischer Unterricht für
Kinder 26.
— vgl. Gymnastik.
Heizanlagen, centrale in Breslauer
Volksschulen 542—543.
— für Schulen, Bedienung und Er-
haltung derselben 23 — 25.
— in Schulhäusern, hygienische An-
forderungen an dieselben 1 — 25.
Heizung in den Berliner Gemeinde-
schulen 552—553.
— mit Gas in der Uhlandschule zu
Frankfurt a. M. 618.
Heizungssysteme, kombinierte für
Schulen 21—23.
Heizung, vgl. Dampfheizung.
— vgl. Feuerluftheizung.
— vgl. Ofenheizung in Schulen.
— vgl. Schulheizung.
— vgl. Temperatur.
— vgl. Wasserheizung.
Himmelsrichtung der Klassenzimmer
in den Schulen von Halle 529 bis
532.
Hitzeferien in Sicilien 73.
— Vorschriften des preufsischen
Unterrichtsministers über die
selben 440—441.
Hygieneausstellung, die erste russi-
sche in St. Petersburg 495—496.
— vgl. Ausstellung.
Hygiene, Grundzüge derselben 578
bis 580.
— Handbuch derselben für Schüler
372.
— vgl. Gesundheitslehre.
— vgl. Gesundheitspflege.
Hygienische Ausbildung der Lehrer
und Lehrerinnen 613 — 614.
— vgl. hygienischer Unterricht.
Hygienischer Unterricht an Lehrer-
bildungsanstalten, Gutachten über
den Umfang desselben 35 — 36.
— für Lehramtekandidaten in Italien
563.
— für Lehrer, Gutachten des Wiener
Stadtphysik at es über Erteilung
desselben 636—637.
— in den Schulen der Vereinigten
Staaten 75—76.
718
Hygienischer Unterricht in höheren
Töchterschulen 614.
— vgl. hygienische Ausbildung.
Hygienische Untersuchungen in
höheren Schalen Norwegens 396
bis 403.
— Verhältnisse der Berliner Ge-
meindeschulen 652—554.
Hypermetropie bei den Schalkindern
von Lausanne 514.
— Tgl. Übersichtigkeit.
Hysterische Epidemien bei Schä-
lerinnen 648—549.
— vgl. Epidemie.
— Krämpfe, Epidemie von solchen
in einer schlesischen Dorfschale
225—229.
— vgl. Epidemie.
Idioten, öffentliche Fürsorge für
dieselben 93.
— vgl. schwachsinnige Kinder.
Impfung der Schüler, Bandschreiben
der k. k. schlesischen Landes-
regierung bezüglich derselben 634
bis 636.
— Einflufs derselben auf die Pocken
343—344.
— vgl. Pockenepidemie.
Infektionskrankheiten, Ausschlaft
von Kindern wegen derselben aas
der Schale 358—359.
— bei Kindern in Österreich 163.
— in Schulen 578—579.
— Verordnung der französischen
Regierung, betreffend Mafsregeln
in den Primarschulen zur Ver-
hütung und Bekämpfung derselben
693—695.
— vgl. ansteckende Krankheiten.
— vgl. Krankheiten.
— wie lange sollen die Schalkinder
bei denselben isoliert werden?
674.
Infektiös erkrankte Kinder, Band-
schreiben des Zürcher Stadt-
arztes, betreffend den Ausschiufa
derselben und ihrer Geschwister
von der Schale 287.
Influenza, Schluß dreier Lehrer-
seminare wegen derselben 229.
Jugendhorte in Breslau 544 — 545.
— vgl. Schalgärten.
Jugendspielbewegung, Verhältnis
derselben zum Tarnen and zur
Tarnerschaft 213- 214.
Jagendspiele 267.
— an höheren Schalen Preafsens
432-435.
— Bescheid des preafsischen Kriegs-
ministeriums über die Benutzung
der Exerzierplätze zu denselben
102—103.
— für Mädchen in Braunschweig
142-145.
— in Frankfurt a. M. 163—164.
— in Prag, Verein zur Förderung
derselben 297.
— Kurse zur Ausbildung von Leh-
rern and Lehrerinnen in denselben
353.
— vgl. Bewegung der Schuljugend
im Freien.
— vgl. Bewegungsspiele.
— vgl. Turnspiele.
— vgl. Volksspiele.
— vgl. Wettspielkämpfe.
Jugend- und Volksspiele 53 — 55.
— in Deutschland, Sitzung des
Centralaussohusses zur Förderang
derselben 213—216.
— inwiefern nützen sie der Armee?
214-215.
Kinderbewahranstaiten, 8. Kinder-
bewahrwesen.
— vgl. Kindergärten.
Kin derbe wahrwesen, Begelang des-
selben in Ungarn 204—207.
— vgl. Kindergärten.
Kindergärten, gesundheitsschädliche
Beschäftigungsmittel in denselben
222.
— in Berlin, hygienische Fürsorge
für dieselben 632—633.
— in Japan 693.
— und Gesundheitspflege 38—39.
— Verfugung des niederöster-
reichischen Landesschulrates, be-
treffend Beschäftigungsmittel rar
dieselben 441 — 444.
— vgl. Kinderbewahrwesen.
KinderheilherbergeBethesda zu Sool-
bad Goczalkowitz in Schlesien 102.
Kinderheilstätten an den deutschen
Seeküsten, Jahresversammlung des
Vereins für dieselben 499—500.
719
Kinderheilstätten an den Seeküsten,
vgl. Seehoepize
Klassenzimmer, Breite derselben 66.
— Höhe derselben 67.
— in Halle Himmelsrichtung der-
selben 529—532.
— Lange derselben 65—66.
— wieviel Schüler dürfen in dem-
selben sitzen? 67.
Kleidung armer Schulkinder 632.
— vgl. Bekleidung.
Knabenhandarbeit, die Leipziger
Lehrerbildungsanstalt des deut-
schen Vereins für dieselbe 566 bis
567.
— VII. Hauptversammlung des
deutschen Vereins für dieselbe
410—412.
— Katechismus für den Unterricht
in derselben 242—244.
— vgl. Hand.
— vgl. Handarbeit.
— vgl. Handfertigkeit.
Knabenhorte, s. Jugendhorte.
Knochen der Kinder 466.
Koch- und Haushaltungsunterricht,
soll derselbe in Fortbildungs-
schulen für Mädchen oder in der
Volksschule erteilt werden? 622
bis 624.
Kohlenoxydvergiftung in einer
Schulklasse 513.
Kohlensäuregehalt einer Klasse ist
um so geringer, je gröfser die
Temperaturdifferenz zwischen
Zimmerluft und freier Luft 200
bis 201.
Kohlensäureproduktion von Schul-
kindern 198.
Kohlensäure, vgl. Luft.
Kohlensäurezunahme einer Klasse
steht zur Geschwindigkeit der
Luftbewegung im Freien in um-
gekehrtem Verhältnis 200.
— Grenzen derselben während einer
Unterrichtsstunde 198—199.
Komitee, englisches zur Unter-
suchung des körperlichen und
geistigen Verhaltens der Schul-
kinder 496.
Kongrefs, VIII. internationaler für
Hygiene und Demographie in
Budapest 291—292, 426.
Kongrefs, die schulhygienische Sek"
tion des Budapester 493.
— XI. internationaler ärztlicher in
Born 95, 561.
— vgl. Versammlung.
— vgl. Weltkongrefs.
Kopfschmerz bei Schülerinnen 547
bis 548.
— bei Schulkindern der Vereinigten
Staaten 77.
— englischer Schülerinnen in höhe-
ren Töchterschulen 677.
Kopfweh, 8. Kopfschmerz.
Körpererziehung und Schulreform
112—114.
— vgl. körperliche Ausbildung.
Körpergewicht der Kinder 465.
Körperkraft der Kinder 465 — 466.
Körperlänge, beschleunigtes Wachs-
tum derselben eine verdächtige
Erscheinung 662—663.
— der Kinder 464—465.
— der Schüler, wodurch das Wachs-
tum derselben begünstigt wird?
661—662.
— Einflute des Schulbesuches auf
dieselbe 654 — 655.
— hebräischer Schüler 652—653. '
— russischer Schüler 651 — 652.
— wohlhabender Schüler 653.
Körperliche Ausbildung an den
Mittelschulen Österreichs 435.
— der Gymnasiasten, drei Vor-
kämpfer für dieselbe 84 — 88.
— in den Schulen der Vereinigten
Staaten 76.
— Mängel derselben in Rufsland
250-251.
— vgl Körpererziehung.
— vgl. körperliche Erziehung.
— vgL Turnen.
— wie sorgt die höhere Mädchen-
schule für dieselbe bei ihren Zög-
lingen? 480-484, 546—551,
610- 616.
Körperliche Entwicklung der Jugend,
Einflufs der Schule auf dieselbe
146-152.
— der Knaben in den Mittelschulen
Moskaus 649—663.
Körperliche Erziehung auf den
Sandwichin sein 681.
— junger Mädchen 287—288.
— vgl. körperliche Ausbildung.
720
Körperliche Übungen, e. Leibes-
übungen.
Körperliche und geistige Arbeit im
Gleichgewichte 284—287.
— vgl. über bürdung.
Körperpflege, Gesundheiteregeln für
dieselbe 570-571.
— im Falkrealgymnasium zu Berlin
564-566.
— vgl. Tarnen.
Kraft, s. Körperkraft.
Krankheiten der Schulkinder in
Lausanne 512.
— ygl. Schulkrankheiten.
— Maisnahmen gegen die Ver-
breitung ansteckender durch Mit-
glieder geistlicher Orden 571 bis
572.
— ygl. Infektionskrankheiten.
Kriminalität der Jugendlichen 350
bis 851.
Kurzsichtigkeit 128—134.
— bei den Zöglingen des Waisen-
hauses und der Erziehungsanstalt
zu Rummelsburg 687.
— von Schülern, Heilung derselben
durch Suggestion 672—674.
'— der 8chutfugend 367—371.
— Einflufs der Basse auf die Ent-
stehung derselben 611—612.
— Entstehung derselben 368—369.
— Erblichkeit derselben 611.
— in höheren Mädchenschulen 610
bis 611.
— in Schulen 523.
— Nachteile derselben 523—524,
611.
— Tgl. Augen.
— vgl. Myopie.
— vgl. Schulkurzsichtigkeit.
— von Schülerinnen in Köln 98.
— zwei Arten derselben 368.
Länge, s. Körperlänge.
Lebens- und Dienstalter der Volks-
schullehrer in Preufsen 490 — 491.
Lehrbücher für höhere Unterrichts-
anstalten, hygienische Anforde-
rungen an dieselben 572.
Lehrerheim zu Schreiberhau im
Riesengebirge 516—517.
Leibesübungen für die verschiedenen
Lebensalter 643.
Leibesübungen in freier Luft, Bil-
dung von Vereinen für dieselben
215.
— nach ihrem körperlichen Übungs-
wert 642—644.
— vgl. körperliche Ausbildung.
Lektionen, halbstündige statt ganz>
stündiger 321—325.
— vgl. Schulstunden.
Lektionsplan mit halbstündigem
Unterricht 323—325.
Lektüre, aufregende der Schülerin-
nen 619—621.
Lesebücher, hygienische Reform der-
selben in Österreich 690.
Licht, künstliches, darf die Luft
nicht verschlechtern 331.
— darf nicht blenden 334—335.
— darf nicht erhitzen 331—332.
— darf nicht unzureichend sein
332—334.
— darf nicht zucken 332.
— vgl. Beleuchtung.
Lichtmanffel, Beseitigung desselben
in Breslauer Volksschulen 542.
Lichtmessungsmethode 526 — 528.
Lichtreflektoren von Hrabowski
335—336.
Lichtverhältnisse der Bürgerschule
in der Dreyhaupt-Oleariusstrafse
zu Halle 591—592.
— der Knabenbürgerschule an der
Ecke der Charlotten- und Augusta-
strafse zu Halle 593—595.
— der Knaben- und Mädchenschule
an der neuen Promenade zu Halle
595—598.
— der Knaben- und Mädchenschule
in der Hermannstrafse zu Halle
602—608.
— der Knaben- und Mädchenschule
in der Liebenauerstrafse zu Halle
602.
— der Mädchenbürgerschule in der
grofsen Steinstrsise zu Halle 591.
— der städtischen höheren Mäd-
chenschule an der alten Prome-
nade zu Halle 588—591.
— der Volksschule für Knaben und
Mädchen in der Taubenstraise zu
Halle 600-601.
— der Volksschule in der Lessing-
Schiller8trafse zu Halle 592 bis
593.
721
Lichtverhältnisse des Stadtgymna-
siums und der städtischen Real-
schule nebst der Vorschule des
Stadtgymnasiums zu Halle 598
bis 600.
— in den Schulen der Franckeschen
Stiftungen zu Halle 603—610.
— in den Schulen der Stadt Halle
a. S. 521—641, 588-610.
— vgl. Beleuchtung.
Licht, vgl. Fenster.
Luftprüfer auf Kohlensäure von
Dr. H. Wolpert 187—188.
Luftprüfungen auf Kohlensäure in
Berliner Gemeindeschulen 185 bis
203.
— vgl. Lüftung.
Lüftung der Schulräume 147, 304.
— der Schulzimmer in Berlin 81.
Luft, Ein Auf 8 kohlensäurereicher auf
die Lebensthätigkeit 197—198.
Lüftung in den Berliner Gemeinde-
schulen 553.
— vgl. Luftprüfungen.
— vgl. Ventilation.
Luft, Verunreinigung derselben 7 bis
11, 185—187.
— vgl. Kohlensäure.
Luftwechsel in Schulen durch die
Poren des Baumaterials und die
Spalten der Fenster und Thüren
201.
Lungenschwindsucht, Verhaltungs-
maßregeln gegen die Ausbreitung
derselben in Schulen 43 — 44.
lädchengymnasium in Karlsruhe
vom Standpunkte der Hygiene
684—687.
Mappen, s. Schulmappen.
Masernkranke, Ausschlufs ihrer Ge-
schwister vom Schulbesuche 139
bis 141.
Masern, Schulschlufs in Orleans
wegen derselben 498.
Mäfsigkeit, Förderung derselben
durch die Schule 497.
Mensa academica in Wien 101 bis
102.
Metallöfen für Sohulen 13.
Milchstationen für arme Schulkinder
560—561.
— vgl. Ernährung.
— vgl. Frühstück.
Milchverteilung an bedürftige Kin-
der in einer Leipziger Bezirks-
schule 297.
— vgl. Winterpflege.
Militärdienstuntaugliche russische
Mittelschüler 660.
Mitteleuropäische Zeit und Beginn
des Unterrichts am Morgen 292.
Mittelschul wesen, Reform des baye-
rischen vom ärztlichen Stand-
punkte aus 700—702.
Muskeln der Kinder 466.
Myopen haben niedrigere Augen-
höhlen als Emmetropen 585 bis
688.
Myopie, Astigmatismus die angeb-
liche Ursache derselben 385.
— Bei den Schulkindern in Lau-
sanne 513 — 514.
— deletäre 387—390.
— deletäre, ein Produkt der Inzucht
390-393.
— Accommodationstheorie zur Er-
klärung ihrer Entstehung 384 bis
385.
— Konvergenztheorie zur Erklärung
ihrer Entstehung 381—884.
— Erblichkeit derselben 131.
Myopiefrage 457-460, 585—588.
— mit besonderer Rücksicht auf
die Schule 377—396.
Myopie, Sehnervenzerrung die an-
gebliche Ursache derselben 385.
— Stillings Theorie von ihrer Ent-
stehung 377—381.
— Ursache derselben 130 — 134.
— Urteile über Stillinos Theorie
von der Entstehung derselben
467-459.
— vgl. Kurzsichtigkeit.
Nachmittagsunterricht, hygienische
Anforderungen an denselben 680.
— wie befreien wir unsere Schul-
jugend von demselben? 321 — 325.
Nase, Gesundheitsregeln für die
Pflege derselben 668.
Nasenatmung, Einflufs behinderter
auf die körperliche und geistige
Entwicklung der Kinder 313 bis
321.
Nasenbluten bei Schülerinnen 548.
Nasenrachenraum, Anatomie des-
selben 314.
722
Nervenreizung von Schülerinnen
482-483.
Nervosität bei Schülerinnen 548.
Normalschrift, deutsche 308—309.
— vgl. Schrift.
Ofenheizung in Schulen 158 — ICO.
— vgl. Heizung.
— vgl. Kohlenoxydvergiftung.
— vgl. Metallöfen.
— vgl. Thonöfen.
Ohren, Gesundheitsregeln für die
Pflege derselben 568.
Paulinum in Hamburg, eine Muster-
stätte für einen gesunden Geist
in einem gesunden Körper 413
bis 417.
Pausen in den Berliner Gemeinde-
schulen 552.
— vgl. Freipausen.
— vgl. Unterrichtspau8en.
Pelade, sollen Kinder wegen der-
selben vom Schulbesuche ausge-
schlossen werden? 36.
Phthisis, s. Lungenschwindsucht.
Photometer von Weber 332, 526
bis 527.
Physische Ausbildung, s. körperliche
Ausbildung.
Pockenepidemie in Greenwich, ver-
breitet durch die Schule 497.
Pocken, vgl. Impfung.
Preisausschreiben für Lehrer zur
Förderung der Massigkeit seitens
der Schule 497.
Prüfungen der Schülerinnen, nach-
teiliger Einflufs derselben auf das
Gehirn 550-551.
— in den italienischen Elementar-
schulen 74.
Psyohische Epidemie, s. Epidemie.
Radfahren, Gefahren des über-
triebenen 157 — 158.
Bauchen, s. Tabakrauchen.
Raum Winkelmesser von L. Weber
627-528.
Reinigung der Berliner Gemeinde-
schulen 653.
— der Breslauer Volksschulen 543.
— der Schulzimmer 521 — 522.
— der Schulzimmer in Berlin 81
bis 82.
Reinlichkeit, s. Sauberkeit
Revaccination der Oberrealschüler
in Temesvar 666.
— vgl. Wiederimpfung.
Rückgratsverkrümmungen, vgl. Wir-
belsäule.
— von Schülerinnen in Köln 98.
Rudern der Realschüler in Lauen-
bürg a. E. 436.
Ruderwettfahrt zwischen den Ver-
tretern der Universitäten Oxford
und Cambridge 498.
Sanatorium, s. Schulsanatorium.
Sanitäre Verbesserungen in Welling-
ton College 428—429.
Sauberkeit an den höheren Schulen,
Grundsätze des Provinzialschnl-
kollegiums zu Kassel für die Auf-
rechterhaltung derselben 103 bis
106.
— vgl. Reinigung.
Scharlachepidemie in einer fran-
zösischen Gewerbeschule 283.
Schlaf der Schuljugend 148.
Schlafzeit der Schülerinnen 550.
Schlittschuhlaufen der Realschüler
in Strafsburg i. E. 667.
— der Volksschüler in Breslau 544.
Schreiben, die hygienischen Be-
ziehungen von Heftlage, Schrift-
richtung und Haltung der Kinder
bei demselben 640—642.
— vgl. Steilschrift.
Schreibunterricht in Rufsland 405
bis 406.
Schreibweise linkshändiger Kinder
421.
Schrift, die deutsche und ihre Reform
306-308.
Schriftrichtung nnd Heftlage, Ein-
flufs derselben auf die Körper-
haltung der Schüler 689.
— vgl. Steilschrift.
Schrift, vgl. Normalschrift.
Schulanfang im Regierungsbezirk
Schleswig während des Winter-
halbjahrs 496.
— vgl. Zeit, mitteleuropäische.
Schularzt, Aufgaben desselben 210
bis 211.
— der Oberrealschule in Temesvar,
Teilnahme desselben an den
Sitzungen des Lehrkörpers 668.
723
Schalarzt, die Frage desselben in
der Berliner Stadtverordneten-
versammlung 79—83.
Schulärzte 340—341, 525, 553-554,
613.
— Antrag auf Anstellung von solchen
in Braunschweig 210 — 213.
— gesetzliche Einführung derselben
in Norwegen 397.
— in Sachsen 428.
— sollen die Physici die Funktionen
derselben mitübernehmen? 211.
— vgl. Amtsärzte.
— vgl. Beaufsichtigung, ärztliche
der Schulen.
— vgl. Schulinspektion, ärztliche.
— vgl. Schulzahnärzte.
— zur Frage der Anstellung von
solchen 688.
Schularztfrage 209.
— Verhandlungen des Berliner
fiealschulmännervereins über die-
selbe 484—485.
Schulärztlicher Bericht über das
Jahr 1892—93 an der Staats-
oberrealschule in Temesvar 664
bis 669.
Schulbäder, Einflute derselben auf
die Schüler 40.
— vgl. Badeordnung.
— vgl. Bäder.
Schulbänke, Aufstellung derselben
in der Klasse 67—68.
— der Berliner Gemeindeschalen
553.
— vgl. Subsellien.
Schulbankfrage, Entwickelang der-
selben in Prag 217—220.
Schulbankkonstruktion, Konkurrenz-
vorschriften des Wiener Stadt-
rates zur Erlangung von Pro-
jekten für eine solche 106 — 109.
Schulbank, neue, von Wojcie-
chowski 346.
— von Bamminge r & Stetter 45
bis 46.
Schulbauten, s. Bau.
Schulen Kasans in hygienischer Be-
ziehung 330.
Schülerherbergen im Biesengebirge
435.
— vgl. Ferienkolonien.
Schülerinnenreise auf den Semme-
ring 497—498.
Schülerreisen, vgl. Ferienreisen.
Schüleruntersuchungen in England
163.
Schülerverbindungen, Erlafs des
preußischen Unterrichtsministers
in betreff derselben 167—169.
— hygienischeOefahren derselben 36.
Schülerzahl, durchschnittliche in
den Volksschulklassen der grösse-
ren Städte Preufsens 621—622.
— zulässige in den verschiedenen
Klassen der Mittelschulen 702.
Schulgärten, Einrichtung und Pflege
derselben 359—363.
— Gesellschaft zur Gründung von
solchen in Wien 566.
— in Mannheim 421—422.
— städtischer in Köln 296.
— vgl. Jugendhorte.
Schulgebäude, amtlicher Fragebogen
bezüglich derselben in Uruguay
235-237.
— der Kreisverwaltung von Kasan
326-327.
— des Wolga-Kamagebietes 278 bis
279.
— des Kreises Isenhagen 351 — 353.
— Entwurf für ein solches des Real-
gymnasiums in Gera 424 — 425.
— hygienische Beschaffenheit der-
selben in Palermo 69 — 70.
— vgl. Schulhäuser.
— vgl. Volksschulbauten.
Schulgesundheitliches aus der neuen
Schulordnung der Stadt St. Gallen
233—235.
Schulgesundheitspflege 574 — 575.
— aus der Vereinigung des Berliner
Lehrervereins für dieselbe 207 bis
209.
— Grundrifs derselben 303—305.
— im Kanton St. Gallen 34-35.
— Lehrbuch derselben für Lehrer
und Seminaristen 365 — 367.
— Sitzungen der Nürnberger Kom-
mission für dieselbe 669 — 672.
— und Stundenplan 677 — 680.
— vgl. Gesundheit.
— vgl. Gesundheitspflege in den
Schulen.
— vgl. Gesundheitsregeln.
— vgl. Schulhygiene.
— Vorlesungen über dieselbe an
der Universität Giefsen 162.
724
Schulhäuser in Halle, Umgebung
derselben 532—534.
— sanitäre Statistik derselben in
den Vereinigten Staaten 76.
— ygl. Schulgebäude.
Schalheizung, ihre Mängel und
deren Beseitigung 305—306.
— mit Gasöfen 425—426.
— vgl. Heizung.
Schulhygiene auf der wissenschaft-
lich-industriellen Ausstellung in
Kasan 326-330, 403—406, 477
bis 480.
— die Forderungen derselben 514
bis 516.
— Docenten derselben an den
Lehrerinnenbildungsanstalten in
Österreich 346—347.
— in der XIV. Versammlung
skandinavischerNaturforscher und
Ärzte zu Kopenhagen 28—30.
— in früheren Zeiten 681 — 682.
— in Paris 93—94.
— vgl. Schulen in hygienischer Be-
ziehung.
— vgl. Schulgesundheitspflege.
— vgl. Volksschulwesen in hygie-
nischer Beziehung.
Schulhygienische Aufgaben bei der
ersten Dienstprüfung der Semina-
risten im Saulgau 229.
— Unterricht an den bayerischen
Lehrerbildungsanstalten 428.
Schulhygienisches aus dem König-
reich Sachsen 487—489.
— aus den Vereinigten Staaten 75
bis 79.
Schulinspektion, ärztliche in Frank-
reich 41—42.
— vgl. Schularzt.
Schulkinder, bedürftige und schlecht
genährte in der Sohweiz 229 bis
230.
Schulkrankheiten 515.
— vgl. Erbrechen.
— vgl. Krankheiten der Schul-
kinder.
Schulkurzsichtigkeit, Entstehung
derselben 220—221.
— vgl. Kurzsichtigkeit.
Schulmappen dürfen nicht immer
mit derselben Hand getragen
werden 27 — 28.
— Gewicht, derselben 27.
Schulmappen, vgl. Schulranzen.
Schulpflicht, ältere preufsische Ver-
ordnung über den Beginn der-
selben 460—461.
— ärztliche Urteile über den passen-
den Zeitpunkt ihres Beginnes
470—471.
— Ausnahmen für den Beginn der-
selben mit dem vollendeten
6. Lebensjahre 471—472.
— mit welchem Alter soll dieselbe
anfangen? 460-472.
Schulranzen, eine Lanze für den
alten 26—28.
— vgl. Schulmappen.
Schulräume, Beschlüsse des mexika-
nischen pädagogischen Kongresses
über hygienische Anforderungen
an solche 30—33.
Schulsanatorium in Meran 345 bis
346.
Schulschlufs bei .Epidemien 33 — 34.
— vgl. Epidemien.
Schulstunden, Dauer derselben 73.
— vgl. Lektionen.
Schultische, s. Subsellien.
Schulturnen, vgl. Turnen.
— Vorführung des deutschen in
Milwaukee und Chicago 296 bis
297.
Schulzahnärzte, Anstellung von
solchen in Deutschland 558 bis
559.
— vgl. Schulärzte.
— vgl. zahnärztliche Hygiene.
Schulzeit, ungeteilte in Norwegen
397—398.
— vgl. geteilte oder ungeteilte
Schulzeit?
Schwachbegabte Kinder, Unter-
suchung derselben in Altona 42
bis 43.
— vgl. Abschlufsklassen für zurück-
gebliebene Kinder.
Schwachsinnige Kinder, ErlaXs des
preufsischen Unterrichtsministers,
betreffend Schuleinrichtungen für
dieselben 501—502.
— Errichtung besonderer Schul-
klassen für dieselben 674 — 675.
— vgl. Idioten.
— vgl. Zurückgebliebenheit.
Schwachsinn, Wesen desselben 179
bis 180.
725
Schwachsinn, Wesen und Behand-
lung des kindlichen 575.
Schwimmbad, Benutzung des Stutt-
garter duroh Schüler 412.
— vgl. Bäder.
Schwimmen der Realschüler zu
Strasburg i. E. 567.
— der Schüler, Gründung eines
Centralvereins zur Förderung des-
selben 152—153.
— der städtischen Elementarschüler
von Paris 176.
— vgl. Baden.
— vgl. Bäder.
Schwimmkurse für Volksschüler in
Breslau 544.
Schwimmunterricht der Schuljugend
in der Schweiz 498—499.
Seehospize, vgl. Kinderheilstätten.
— für skrofulöse Kinder in Porto
d'Anzio 567.
— „Kaiserin Friedrich" zu Norder-
ney 44.
Sehschärfe der Zöglinge des Waisen-
hauses und der Erziehungsanstalt
zu Bummelsburg 688.
Sehschwäche bei Bauchern und
Trinkern 136.
Skoliosen, 8. Rückgratsverkrüm-
mungen.
SlÖjd in Norwegen 398.
Slöjdverein in Ungarn 436.
Slöjd, vgl. Handfertigkeit.
Sommerpflegen, Düsseldorfer für
kränkliche Kinder 625.
— vgl. Ferienkolonien.
Sonnenlicht, Schutz der Arbeits-
plätze in Schulen gegen dasselbe
539—541.
Speibecken mit Sublimatlösung in
Schulzimmern 304.
— vgl. Spucknäpfe.
Speisung armer Schulkinder 632.
— vgl. Frühstück.
Spiegelschrift, besonders im Kindes-
alter 338—340.
Spiele, 8. Jugendspiele.
Sprachgebrechen, vgl. Stimme.
Sprachorgane, Fehler derselben bei
Schulkindern 419—420.
— vgl. Stottern.
Spucknäpfe, Gutachten der wissen-
schaftlichen Deputation für das
Medizinal wesen in Preufsen über
die Füllung derselben in Schulen
46-48.
— hygienische für Schule und Haus
208.
— vgl. Speibecken.
Steiischrift 56-57.
— Einführung derselben in die
Schulen 95—97.
— Fibel für dieselbe 580—581.
Steilschriftfibel, österreichische 176
bis 179.
Steilschriftfrage vor den bayerischen
Ärztekammern 279—283.
Steilschrift in Ungarn 371—372.
— neuere Urteile über dieselbe 347
bis 349.
— oder Schrägschrift? 579.
— Verfügung des k. k. Landes-
schulrates in Mähren, Versuche
mit derselben in den Volks- und
Bürgerschulen anzustellen 232 bis
233.
— vgl. Heftlage.
— vgl. Schreiben.
— vgl. Schriftrichtung.
— Vorzüge derselben vor der Schräg-
schrift 177—178, 613.
— Wegweiser bei Einführung der-
selben 452.
— zwei Gegner derselben 494—495.
Stimme, Entwicklung derselben im
Kindesalter 446—451.
— Hygiene derselben 116.
— vgl. Gesang.
— vgl. Sprachgebrechen.
Stotternde Schulkinder, Heilkurse
für dieselben in Nürnberg 670
bis 672.
— in Breslau, Fürsorge für dieselben
543.
— in Hamburg, Verein zur Heilung
derselben 294—295.
Stottern, Heilung desselben bei
Schulkindern 222-223.
— vgl. Sprachorgane.
Studenten Japans in körperlicher
Beziehung 349—350.
Stundenplan und Schulgesundheits-
pflege 677- 680.
— vgl. geteilte oder ungeteilte
Schulzeit?
Subsellien auf der wissenschaftlich-
industriellen Ausstellung in Kasan
328—329.
726
Subsellien in den Breslauer Volks-
schulen 543.
— in den Schalen des Kasanschen
Bezirkes 328.
— richtige Konstruktion derselben
679-680.
— vgl. Schulbänke.
Tabakrauchen, Einflufs desselben
auf Knaben 167.
Taubstumme Kinder, Erziehung und
Unterricht derselben in Dänemark
39-^40.
— Verordnung der Regierung zu
Liegnitz wegen Anmeldung von
solchen für eine Taubstummen-
anstalt 170—171.
— Vorschule für dieselben in Wien
682.
Taubstummenunterricht , Laut-
sprache oder Gebärdensprache
bei demselben? 365—357.
Temperatur der Schulzimmer 2 — 3.
Temperaturverteilung in Schul-
zimmern 3 — 5.
Thonöfen für Schulen 12—13.
— vgl. Ofenheizung in Schulen.
Trachom 125-126.
— vgl. Augenkrankheit, ägyptische.
Trinkwasser des Lyceums in
Alengon 45.
— vgl. Wasser.
Trunk, Vorbeugung desselben durch
die Schule 420-421.
Tuberkulose, s. Lungenschwind-
sucht.
Turnen, Befreiung BudapesterVolks-
schüler von demselben 164.
— freiwilliges imFalkrealgymnasium
zu Berlin 565—566.
— in den Mittelschulen Österreichs
83.
— Lagranges Ansichten über das-
selbe 258—260.
— Leshafts Ansichten über das-
selbe 257—258.
— Meinungsverschiedenheiten über
den Wert desselben 261—253.
— Thesen in betreff desselben 269
bis 270.
— vgl. Gymnastik.
— vgl. körperliche Ausbildung.
Turnen, vgl. Körperpflege.
— vgl. Schulturnen.
Turner, leisten gute als Schüler
nichts? 491.
Turnfahrt Leipziger Schüler 44.
Turngeräte, Erlais des preußischen
UnterrichtsministerB, betreffend
die Benutzung unsicherer durch
Schüler 46.
Turnhalle in Palermo 71.
— weicher Boden für dieselben 289
bis 290.
Turnspiele, der zweite Braun-
schweiger Lehrgang für solche
690—692.
— obligatorische für Mädchen 482.
— vgl. Jugendspiele.
Turnstunden, Lage derselben 625
bis 626.
Turnunterricht an den höheren
Schulen Preufsens 432—435.
— Mängel desselben in Rufsland
267—269.
— Programm desselben 269.
Typhusepidemie in einem fran-
zösischen Waisenhauee 292—293.
tjberbürdung amerikanischer Schü-
ler 417—418.
— der Schülerinnen, Urteile über
dieselbe 549—550.
— italienischer Schüler 71 — 72, 631
bis 632.
— körperliche in der Wachstums-
periode 561 — 552.
— vgl. körperliche und geistige
Arbeit im Gleichgewichte.
— zwei Erkrankungsfalle infolge
solcher 98—99.
Übersichtigkeit 127—128.
— vgl. Hypermetropie.
Umgebung der Schulhäuser in Halle
532—534.
Unglücksfälle, Erlafs des preufsi-
sehen Unterrichtsministers zur
Verhütung derselben bei Schülern
437—438.
Universalgestell von Hbking für
Schulbilder und Wandkarten 290
bis 291.
Unterricht in der Hygiene, »•
hygienischer Unterricht.
727
Unterrichtedauer, soll dieselbe für
Knaben und Mädchen gleich sein ?
398—399.
Unterrichtsmethode vom Stand-
punkte der Gesundheitslehre 515
bis 516.
Unterrichtspausen, die Forderungen
der Schulgesundheitepflege an
dieselben 616—618
— vgl. Pausen.
Unterrichtszeit, Verkürzung der-
selben 612.
Untersuchungen, physiologische von
Schulkindern in Washington 558.
— Schema für ärztliche der Schul-
kinder in Norwegen 399—401.
Yaccination, s. Impfung.
Varicellen, Rundschreiben der k. k.
niederösterreichischen Statthal-
terei über die Merkmale und die
Behandlung derselben 696-697.
Vegetarianische Lebensweise, ein
Lehrer als Opfer derselben 431.
Veitstanz bei Schülerinnen 548.
Ventilation, künstliche 201—203.
— vgl. Lüftung.
Verbindungen, s. Schul er Verbin-
dungen.
Verein, Jahresversammlung des
deutschen für öffentliche Gesund-
heitspflege 95.
Vergiftung in einer englischen
Distriktschule 563—564.
Versammlung, 65. der Gesellschaft
deutscher Naturforscher und Arzte
in Nürnberg 493—494.
— vgl. Kongrefe.
Verunreinigung der Luft in Schul-
zimraera 7 — 11.
— vgl. Luft.
Verwahrloste Schulkinder, Verfü-
gung des Bezirksschulrates von
Wien wegen Aufnahme einer
Statistik derselben 300—301.
Viperbifs, schwere Erkrankung eines
Knaben nach einem solchen 432.
Volksschulbauten in Belgien 706.
— in der Schweiz 706.
— in Deutschland 707.
— in Prankreich 706.
— in Italien 706.
— vgl. Schulgebäud«.
Volksschulbauten, vgl. Volksschul-
haus.
Volksschulhaus, das moderne 704
bis 707
— vgl. Volksschulbauten.
VolkBschulwesen Breslaus im Schul-
jahre 1891 — 92 in hygienischer
Beziehung 542 — 545.
Volksspiele und Sonntagsruhe 215
bis 216.
— vgl. Jugendspiele.
Wandtafel, s. Glasschulwandtafel.
Wasser der Dorpater Universitäts-
leitung, bakteriologische Unter-
suchung desselben 345.
Wasserheizungen für Sohulen 18 bis
20.
Wasser, vgl. Trinkwasser.
Weltkongreis , pädagogischer in
Chicago 224-225.
— vgl. Eongrefs.
— Wettlauf, Todesfall infolge eines
solchen in Rugby College 566.
Wettspielkämpfe, Einrichtung der-
selben 216.
— vgl. Jugendspiele.
Widerstandsbewegungen, ein neuer
Apparat für dieselben 682 — 683.
Widerstandsgymnastik für Schule
und Haus 575—577.
— vgl. Gymnastik.
Wiederimpfung in den französischen
Schulen 497.
— vgl. Revaccination.
Winterpflege bedürftiger Volks-
schüler in Spanien 275.
— vgl. Milch Verteilung.
Wirbelsäule , Untersuchung der-
selben bei 2124 Schulkindern
Münchens 153 — 156.
— vgl. Rückgratsverkrümmungen.
Wirtehausbesuch, Verbot desselben
für Volks- und Fortbildungs-
schüler in Hessen 632.
Zahnärztliche Hygiene in der Schule
288—289.
— vgl. Schulzahnärzte.
Zähne der Kinder in der Distrikts-
schule West Londons zu ABhford
690.
728
Zahnärztliche Untersuchung: der-
selben bei Londoner Schallandern
100.
— von Schulkindern in Frankfurt
a. M. 431—432.
Zeichnenunterricht in Rußland 406.
Zeit, mitteleuropäische und die
Schule 554-658.
— Tgl. Schulanfang.
Züchtigungsrecht der Lehrer, Urteil
des Reichsgerichts, die Über-
schreitung desselben betreffend
100-101.
Zurttckgebliebenheit, die physische
Grundlage derselben bei Schul-
kindern 621.
— vgl. schwachsinnige Kinder.
Zwischenstunden, s. Pausen.
Namenregister.
Abel 110.
Adamkiewicz 237.
Adelmann 409.
Adenaw, E. 647.
Adler, C. 619.
— H. 445.
Akelin, H.A. 700.
Albertotti 332.
Albrand 710.
Alder, K. 60.
Alexander 135. 371.
Allen, H. P. 77.
Altenstein, v. 88.
Althoff 172.
Altschul, Th. 573. 704.
Amaurose 256. 266.
Ambros, J. 245.
Ammann 45.
Ammon 150.
— , 0. 309.
Andren 181.
Andrerey, P. 237.
Angerstein 53. 627.
Araüjo, 0. 245.
Arbuthnot Lane, W. 517.
Arndt, E. M. 214.
Arneth, A. v. 353.
Arnheim, F. K. 303.
Arnold, E. H. 117.
Aschroff 350.
Aub 281.
Aubert 332.
— , A. 303.
Aubin 188.
Auer 438.
Auerbach 153.
August 181.
Augusta Victoria 511.
Autenrieth, G. 669.
Avakumowitsch 237.
Aviles, B. 247. 311.
Baas, K. L. 181.
Baccelli 95.
Bach, Th. 199. 323. 481.
564.
Bachler, W. 455.
Bär 378. 380. 458. 587.
Baer 626. 627.
Bäuerlein 280.
Baeza, A. 245.
Baginsky, A. 110. 149.
186. 471. 481. 556.
Bahnsen 293.
Bail 60.
Bang, Chr. 396.
Barnes, E. 310.
Baroffio, F. 511.
Barranco 274.
Barth, E. 60.
Bartsch 509.
Batten, R. D. 710.
Bauer 670.
Baumann 245.
Baumgartner, J. 354.
Bayer 363. 365.
Bayr, E. 57. 97. 176.
178. 308. 309. 581.
641.
Beach, Fl. 581.
Beck 152.
Beerwald, K. 311.
Beethoven 676.
Behnke 58.
Behring, E. 173.
Bell, A. G. 247.
— , G. C. 563.
Belliard 117.
Belt, E. 0. 708.
Bendziula, A. 581.
Beneke 518.
— , L. 181.
Bergeron 84. 111.
8chulgesundh«iUpflege VI.
Berkhan 341. 342.
Berlin 56. 281. 495. 640.
Berndt 110.
— , G. A. C. 309.
Bernstein 662.
Berra, F. A. 372. 375.
Berthelot 364.
Bertram 80. 82. 364.
Berzeviczy, A. v. 493.
Besant, A. 245.
Beyer, G. 309.
Bezold,v. 16.
Bezold, Fr. 628.
Biedermann 410.
Biervliet, van 455.
Billings, J. S. 647.
Bion 628.
Bj0rn8on, B. 59.
Bircher 524.
Bitter, H. 510.
Blakowsky, J. 62.
Blasius, R. 45. 210. 212.
675.
Blenck 213.
BliTs, A. A. 518.
Bloch, E. 110. 710.
Bock 700.
—, A. 60. 370.
Bode 364.
— , A. 60.
— , W. 497.
Böhmert 412.
Böngerfi, J. 371.
Böttcher, A. 53. 309.
583.
Bötticher, v. 511.
Bolle 681.
Bolognesi, A. 110.
Bolton, Th. 309.
Bonalumi, G. 111.
Bonne 700.
47
730
Borehardt 60. |
Bora, W. 181. ,
Borotaaeger, J. 311.
Bosse 46. 169. 237. 299. 1
367. 438. 440. 511.
572.
Botterbrod 293.
Boochard 652.
Bouqaeret 456.
Bourgeois, L. 41. 110.
Boarnerüle 518.
Boateillier, O. 45.
Booterwek 302.
Bourin, M. J. 567.
Boutt, A. N. 492.
Bowditch 463. 651. 652.
663.
Boyd, R. 468.
Branky, F. 176.
Brauer, G. 311.
Braasewetter, E. 583.
Breiting 628.
Bremen, t. 460.
Bremond, F. 183.
Bresgen 313. 320.
Breslich 627.
Brieger, L. 237. 573.
Brodhan 333.
Brodribb, T. 456.
Broman, A. 245.
Bronner, A. 245. 708.
Broscbinski 681.
Brotiuj, G. 297.
Brooardel 33. 41. 42.
283. 363.
Browne 676.
Brücke, E. 375. 709.
Bründelsberg, v. 363.
Bruinwold, Biedel 182.
Branner 153. 281. 372.
Brunsmann 288.
Brunswik 204.
Babnoff 240.
Bubnow, S. Th. 309.
Bachanan, G. 173.
Buchenaa, F. 309.
Bachheister, J. 455.
Buchner 699.
Büchner, L. 647.
Bösgen 638.
Bütow, A. 309.
Buffoni Zappa, C. 181.
Bnjwid, 0. 364.
Buley 519.
BaDe, K. 51.
Balowaky, A. 119.
Bonge, G. 147.
Bansen 333.
Boote, EL 425.
Burckhmrd 309.
Bargerstem, L. 60. 75.
245. 247. 321. 323
364.396.656.612.637.
Bornham, W £L 311.
375.
Borschell 425.
Bosch 662. 663.
Buttarm 311.
Batike 331.
Butzky 52.
Bystron^ N. J. 77.
Cahen-Brach 338.
Campbell, F. J. 245.
Cantani 510.
Carini, A. 65.
Carp 332.
Carstadt 463. 464.
Cassina, F. 347.
Castillo 271. 273. 274.
Castülo Tejada, C. del
247.
Catterfeldt, 0. 60.
Cantley, E. 519.
Celli, A. 181. 518.
Ceray, J. 347.
Chantemesse 237.
Chappell, W. F. 309.
Charrin 237.
Chartier 110.
Chatelanat230.657. 660.
663.
Cheryin 116.
Chevalier, L. 183.
Chevandier, A. D. 174.
Chibret 157.
Chreiman 309.
Claudias 415.
Claasnitzer 460.
Clias 255.
Clod-Hansen 181.
Cochard 110.
Coelius Aurelianus 341.
Coen, B. 518.
Cohen 370. 379. 380.
Cobo,H. 97.117. 121 ff.
208. 209. 241. 302.
310. 331. 368. 369.
370. 378. 386 ff. 446.
511. 5ia 523. 525
526. 5S8. 543. 556.
579. 610. 660.
Combe 512 ff
t Comenias 325.
Coofbcios 265.
Conrad 247.
Cootseo, G. 699.
Cornfllean 302.
Coaaio 271.
Cotman, J. S. E. 708.
Cooetoox, L. 126.
Cowhorn, J. H. 310.
Cowles, K 375.
Coszolino, V. 247.
Cramer, E. 302.
Crede 123.
Crichton - Browne 547.
675 ff.
Csaky, A. v. 207.
Csapodi, St 241. 371.
493.
Cunillera y Oceti, J.
245. 274.
Cunningham, G. 518.
Cure, A. 581.
Cushing, F. H. 310. 583.
Cuvier 676.
Czapodi 97.
Czerny, A. 638.
Czygan 445.
Dachselt, K. G. 444.
Darr 670.
Daliwitz, y. 171.
Damke 699.
Damelsen 372.
Danneil, F. 87.
Dante 676.
Daraignet 238.
Darasse 238.
Dareau 302.
Davids 510.
Daries, J. L. 245.
Dawson, N. H. R. 75.
Deboutteville 342.
Decaisne 157.
Degerando 404. 406.
731
Delage 178.
Delvaille 445. 181.
Demantieff 658.
Dencker, Chr. 638.
Deschamps 510.
De8guin, V. 455.
Deshayes 60.
Deskau 60. 455.
Dettweiler, P. 310.
Deuerlein 670. 671.
Devide, T. 708.
Deville, 8. C. 11.
Dickinson, W. H. 485.
Diehl, J. 682.
Dierckx 371.
Dietrich, F. 306. 308.
453. 455.
— , H. 456.
Diggle, J- A. 98. 99.
Dillmann, v. 412.
Dirner, G. 292.
Ditchfield, P. H. 583.
Dmitrijew, W. N. 111.
Döhnel, F. 181.
Dollinger 97. 371. 493.
Dombrowski 645.
Donders 368.
Dorn, J. 580.
Dornblüth, Fr. 109.
139.
Dorner, H. 647.
Dowling 611. 709.
Dräsche, A. 237.
Drenckhahn 699.
Dresslar, F. B. 581. 647.
Drews 293.
Drobo8chke, J. 573.
Dronke 699.
Droninean, G. 453.
Dubois-Havenith 36.
Dubois-Beymond 265.
Dubousquet - Laborderie
248.
Dürr 474.
Dufau, M. F. 238.
Dukes, Cl. 581.
Dunbar 173.
Dunker 181.
Dupuy, Ch. 110. 111.
647.
— , E. 519.
Duran y Trincheria e
Bertran y Bubio 708.
Dworak* £. 347.
Ebermann, A. 40.
Ebstein, W. 183.
Eckler, G. 92. 353. 627.
Edson 364.
Eichhorst 663.
Eismann 238.
Eifsen, W. 133.
Eitner 55 ff. 353. 518.
Eklund, F. 245.
Ellendt, G. 518.
Ellinger 640.
Emmerich 429.
Emminghaus 342.
Engel, E. 116.
Engelhorn 471.
Engler, G. 90.
Operon 117. 426. 709.
Erismann 66. 67. 129.
148. 149. 240. 335.
336. 650. 652. 655.
656. 658 ff.
Esmarch, v. 173.
— , E. 158. 159.
Eulenberg 199. 481.
Eulenburg 121.
Eulenburg, zu 106.
Euler, E. 92. 153. 375.
453. 627.
Eydam, W. 183.
Faber, M. 455.
Fahrner 628.
Falck, F. 700.
Fankhauser 150. 151.
Faucher, L. 224.
Faust, 445.
Fazio, E. 455.
Fechner 97.
Fede, F. 583.
Fehling, 151. 152.
Feilchenfeld, W. 484.
Feilitzsch, v. 170.
Feith, C. J. L. 567.
Felix, J. 710.
Fenchel, A. 311.
Ferren, G. 181.
Fetter, J. 182. 183.
Feulard 84.
Fiohard, R. v. 518.
Fichte 214.
Fick 265.
Field, B. 429.
Figueira, J. H. 453.
Finkeinburg 573. 700.
Finkler 110.
Firozäk, J. 436.
Fischer 699. 710.
— , A. 183.
— , C. 453.
— , E. 573.
— , K. 543.
— , B. 373.
Fizia 333. 379. 380. 458.
588.
Flesch 111.
Flügge 197. 198. 578.
614.
Foa 95.
Fodor, v. 172. 291. 372.
671.
Förster, A. 311. 373.
Forster 699.
~— , J. 6.
Fol* 573.
Fournier 364.
Fowke, F. 708.
Francke 51. 529 ff. 603.
Franke 520. 581.
Fresenius 188.
Freytag 699.
— , G. 660.
Friedmann 548.
Friedrich Wilhelm HL
86. 87.
Fries 645.
Fröbel 38. 39. 165. 222.
224. 442. 446. 693.
Frohberg, W. 61.
Frommann, F. J. 311.
Fuchs, E. 237.
Fuchte 637.
Furbringer 237.
Fürst, L. 183.
Fufs, H. 238.
Gabrielli, F. 247.
— , V. 245. 645.
Gaexüg, W. 581.
Gaertner 238. 578.
Galezowski 370.
Gallaudet, E. M. 247.
Gallo, P. 581.
Galton, D. 163.
Gamba, A. 245.
Garbini, A. 446. 450.
Gasch, B. 581.
47*
732
Gaspar, J. 665.
Gasparini, L. 119.
Gaule 229. 373.
Gautsoh, y. 54.
Gautzer 510.
Gay, W. 710.
Gayette-Georgens, J. M.
v. 520.
Gebhard 97.
Gehlert, K. 444.
Geidel, B. 245.
Gelpke, Th. 373.
Gemy 293.
Gentner 671. 672.
Gera, B. v. 520.
Gerards, J. H. M. 567.
Gerlöczy, S. v. 241.
Gerlöczy 291 292,
Gerloff 117. 119. 311.
Giaxa, de 510.
Giesching 645.
Gillert, E. 185.
Gilson 364.
Girard 407.
Girode 510.
Glauning 670. 671.
Gneisenau 214.
Godtfring 117. 647.
Goeschen 238.
Goethe 277.
Goetz, F. 63. 119. 510.
Götze, W. 61. 62. 119.
164. 166. 242. 243.
373. 417.
Golay, B. 375.
Goldscheider 453.
Goldschmidt 61. 493.
Gordon, J. C. 247.
Gorini, C. 375.
Gorke 645.
Goasler, v. 53. 511.
Graanboom 700.
Graberg, P. 311.
Grabow 302.
Grabowsky, E. 347.
Graefe, v. 135.
Gräfe 392.
Graf 173. 214.
Graham, J. 311.
Gran, T. 0. 375.
Greding 341.
Griasnoff 655.
Griesinger 116.
Grimm 627.
Groppler, F. 183.
Grofs 640.
Gruber, F. v. 247.
Gruber, M. 35. 51. 247.
Grübl 637.
Grunow 303. 373. 410.
Grus, K. 520. 679. 680.
Grut, H. 128.
Gudden 265.
Gtnther 210. 212.
Güfsfeld 54.
Gugler, J. 179.
Guidi, G. 247.
Guillaume 151. 628.
Guts-Muts 213. 214. 254.
642.
Guttenberg, P. 436.
Guttmann, M. 375. 581.
— , P. 512.
Gutzmann, A. 311. 445.
581. 627. 670.
Gutzmann, H. 61. 117.
543. 627. 670. 672.
708.
Guye 319.
Haag, G. 685.
Haase, T. H. 583.
Haberhauer 291.
Hägler, K. 302.
Haese, E. 311.
Haesecke, B. 305.
Hagen, B. 437.
— H. 520.
Hagenbach 151. 152.
Haggenmüller, H. 375.
Hagmann, N. 249.
Hain, B. 347.
H&konson-Hansen, M. E.
44. 59. 396. 455. 556.
679
Hall, G. St. 224.
-, T. P. 583.
Halsted, T.H. 311.428.
Hantschel, A. 354. 355.
Harbeck 293.
Harris, W. T. 117. 225.
Hartmann, E. v. 549. 559.
Hartmann 627.
Hartt 497.
Hartwell, B. M. 224.
Hartwich, E. 113.
Hartwig, E. 322.
Hase 301.
Hasse 549.
— , B. 63.
Hasenow, A. 453.
Hauffe, G. 247.
Haug, M. 520.
Haupt 237.
Hauser 375.
Hechelmann 364. 510.
Heckenhayn 353.
Heckert 302.
Heeger, B. 63.
Heerbacher, F. 347.
Hegel 444.
Heidenhain 183.
Heider 302. 347. 510.
Heilborn 336.
Heine, H. 549.
Heinz, H. 453.
Heinze, E. 453.
Helmcke 497.
— , G. 119. 247.
Henning 237.
Henoch 511.
Henriette, J. 52.
Henze, B. 63.
Herbert, A. 184.
Hering 119. 290. 375.
Hermann, A. 53. 117.
119. 142. 453. 644.
645. 691. 692.
Herrmann 699. 700.
Herrnheiser, J. 119.379.
380. 453. 459.
Hertel 411.
— , A. 28. 30. 59. 464.
510. 645. 650.
— , E. 97. 207. 627.
Hervieu 497.
Herzberg, A. 166.
Hefsling, E. 647.
Heubner, 0. L. 365.
Heufsner 302. 638.
Heym 710.
Hiekmann 153.
Hildebrandt 573.
Hilty 229.
Hinträger, E. 58. 183.
704. 707.
Hintz, O. 119.
Hintzmann 119.
Hippel, v. 110. 130. 36«
387.
Hippiuß, A. 249.
733
Hirschberg 123. 849.
Hirschkorn, H. 711.
Hirt 225 ff. 561. 563.
Hittenkofer 117.
Höhn, A. 520.
— E. 117.
Höpfher 172.
Hoffa 280. 452. 613.
Hofbauer, B. 176.
Hoflmann, E. 365.
— , H. 573.
— , P. 520.
Hofmann 671.
Hofmann, E. v. 83. 708.
— , H. 392.
Hogg, W. D. 455.
Hohenlohe, zu 511.
Hohn 281.
Holck, 0. E. 396.
Holletschek,B.117.373.
Holtzmann, J. 665.
Holzeland, H. 645.
Hooper, F. H. 455.
Hoor 97. 220. 221.
Hopstein 573.
Hörn, C. W. L. 396.
Horner 124. 628.
Horst, H. 397.
Hosch, F. 473.
Hrabowski 241.331.335.
Hübner, P. 682.
Huemer, J. 183.
Hüppe 445.
Hueppe 573.
Haghes 183.
-^, J. L. 224.
Hugo-Marcus 247.
Huguet 157.
Huhle, A. 708.
flurd, K. C. 645.
Hutchinson 135. 136.
Huth 119.
Jackson, J. 56. 57. 455.
671.
Jacobi, A. 645.
Jacusiel 626. 627.
Jaeger, O. K. 373. 642.
Jagodin 404.
Jahn 86. 214. 254. 255.
257. 693.
Jakowlew 479.
Janger, Fr. 647.
Jankau, L. 647.
Janke, 0. 119. 153. 208.
373. 460. 481. 520.
626.627.640.645.647.
Jankowski 133.
Jansen 657. 662. 663.
Janssens 51.
Januschke, H. 183.
Jaubert 110.
Javal 127. 130. 134. 138.
Ideler 116.
Jeltsch 637.
Jencke, J. Fr. 574.
Jeney 97.
Jensen, Th. 645. 646.
Jevetzky 510.
Joal 583.
Jocqs 583.
Joel 646.
Jolles, A. 444.
Jones, E. H. 365.
Joseph, M. 419.
Jourdan, G. 711.
Juba 97.
Jüngling 638.
Juhel-Benoy 708.
Jully 708.
Jung, L. 63.
Jvanoff, P. 453.
Kafemann 319.
Kaillinger, M. 292.
Kalb, G. 183. 412. 647.
Kalbe, 0. 453.
Kalle, F. 453.
Kallmann 474.
Kaltenborn, v. 103.
Kämmerer, E. 444. 583.
Kammermayer 291.
Kant 676.
Kappes, K. 699.
Karajan, v. 444. 638.
Karl Theodor 511.
Karlowitsch, W. M. 52.
Karman, M. 493.
Karmann 97.
Karolyi, St. 291.
Karpati, B. 371. 493.
Kasprzyski, A. 347.
Kautzner, K. 347.
Keesebiter 152. 153. 627.
Keller, E. 708.
Kelling 16.
Kellner 307.
Kemsies, F. 711.
Kenwood, H. B. 583.
Kersandt, L. 52.
Kerschbaumer 390. 391.
Kerschensteiner, v. 428.
494. 671. 700. 701.
Kefsler 353.
Keutel 183.
Key, A. 463. 650. 686.
Kiebsch 456.
Kjellberg,N.G.511.561.
Kiefsling, F. 638. 639.
Kipfmüller,-B. 453.
Kirchgae88er 110.
Kirchner 131. 133. 247.
333. 370. 378. 380.
458. 469. 554 586.
587. 646.
Kifs 97.
Klauke, P. 184.
Klauson-Kaas 416. 417.
Klaufsner 153. 281.
Klemm, C. 63.
Klofs, M. 257.
Knauff 530.
Knebel 117.
Knudsen, F. 396. 403.
Kobilinski, G. v. 456.
583.
Koch 453.
— , Fr. 63. 373.
— , J. L. A. 63. 247.
— , K. 53. 184. 216. 248.
373. 493. 646. 647.
691.
— , B. 173. 485. 573.
Kögler, E. 573.
Köhler 172. 238. 444.
— , Aug. 248.
— , C. A. 117. 574.
— , G. 63.
Körner 293.
Közle, J. F. G. 646.
Kohlrausch 353.
— , E. 708.
Koldewey 690. 691.
— , F. 637.
Kollar, C. 493.
Kollmann, J. 146. 152.
323. 373.
Kollock, C. W. 463.
Konrad, F. 431.
Konsalik 638.
734
Kotelmann, L. 56. 172.
372. 454. 480. 481.
546. 580. 610. 650.
652. 709.
Kotzebue 255.
Kotzin, W. 345. 456.
Krafft-EbiDg 116.
Kramer 51.
Krampe, W. 84. 119.
353.
Kratschmer, F. 347.
Kratter 573.
Kraus, C. T. 174.
Krause, A. 646.
Kretschmer 573.
Kreunz 180.
Kreutzer, Fr. 119.
Knebel 545.
Krieger 494. 637.
Kristelli, v. 353.
Krüger, P. 431.
Krug 140. 514. 640. 642.
Krumbiegel, E. 454.
Kruse 173. 363.
— , 0. 63.
Kübel, F. 647.
Kuborn, H. 119. 176.
454. 648.
Kubier, V. 456.
Küfiher, E. 647. 648.
— , K. 648.
Kügler 502.
Kühn, B. 558.
Kühner, A. 114. 711.
Küppers, J. 456.
Kummer 648. 709.
— , K. 176.
— , K. F. 55.
Kumpa 645.
Kunn, C. G. 63.
-, K. G. 646. 648.
Kunze 148.
Kunze-Schildbach 217.
Kurella 93.
Kurth 364.
Kusy, E. 444.
Kuthan, F. 347.
Kynast, G. 26. 542.
Lacombe 110.
Lacompte, C. 583.
Laffon, E. 456.
Lagarde 301.
Lage, B. v. d. 480.
Lagrange, F. 252. 257 ff.
646.
Lahmeyer 702.
Lamanna, F. 456.
Lamare 130 134. 138.
Lambert 338.
Lammers, A. 111. 373.
410.
Lampe, A. 97.
Landolt 134. 387. 685.
Landsberg, B. 709.
Landsberger 463.
Lang, J. 454. 514.
Lange (Königsberg) 41 1.
— (Segeberg) 699.
— , V. 313. 454.
— , W. 120.
Langerhans, M. 351.352.
Langfeldt 429. 430.
Langhoff 699.
Laqueur 347. 348.
Largiader 90.
Larrey 662.
Lassen, K. 399.
Laubi 454.
Laubier 456.
Laurentius 63.
Lauterer, J. 583.
Lavista, R. 711.
Lechleitner, F. 456.
Ledru 510.
Legendre 551.
Lehmann, 0. 646.
Leichtenstern 421.
Leithäuser 65.
Le Marinel, F. 711.
Lemcke, Chr. 120. 173.
Lenz 120.
Lerat 110.
Leshaft 252 ff. 257 ff.
662.
Leutert, J. C 376.
LeviUain, F. 711.
Levy 700.
Liard 364.
Lickroth 106.
Lieber, A. 347.
Liebig 676.
Liebrecht, K. 521. 588.
Liersch, L. W. 454.
Lincoln, D. F. 120.
Lingg 255. 256. 258.
Lister, J. 111.
Igustrizky, W. 404.
Loeffler 110. 430.
Low, S. 292.
Löwenthal, J. 373. 627.
Loewy, L. 698. 711.
Lohne, E. E. 444.
Loir, A. 445.
Lokay, E. 217.
Lorentz, K. 456.
Lorenz (Wien) 217.
- (Meldorff) 699.
— , H. 646.
Lorinser 84 ff.
Lotz, Th. 151. 152.
Lovadina, G. 376.
Love, J. K. 709.
Lüder, J. J. H. 294.
Lukas 671.
Lummer 333.
Luther 254
Lvoff, J. M. 456.
Maas 627.
Mac Arthur, A. 373.
Mac Donald 558.
Mace, M. 302.
Machenaud 364.
Madden, T. M. 373. 646.
Madejsky, E. 347.
Magnus 391.
— , P. 454.
Mahraun 507.
Mangenot 174. 175. 248.
874.
Mangner, E. 248.
Mantegazza,P. 376. 456.
Manteuffel, v. 347.
Maragliano 95.
Marble, A. P. 246. 711.
Marchetti, D. 120. 582.
Marcuse 153.
Marenholtz, v. 303.
Marie 329.
Marino, B. 454.
Markusovsky , L. 51.
302. 365.
Marshall 411.
Martin 676.
Martini 631.
Marwedel, E. 376.
Masius, K. 511.
Mafsmann 255.
Mattais 698.
735
Matthias, C. 117.
Maul, A. 92. 246. 353.
374. 709.
Mauthner 370.
Mayeda, J. 582.
Mayer, T. 332.
— , W. 279. 281. 347.
452. 613. 642.
May weg 709.
Mecraus, E. 347.
Medowic 511.
Mehmel 445.
Menning, F. 118.
Merkel, G. 52. 670. 671.
Merunowicz, J. 444.
da Mesnil 41. 42.
Metsclmikoff, E. 178.
Meanier 302.
Meyer 870.
— , C. 711.
— , Ed. 125.
— , M. 711.
— , 0. 700.
— , W. 118. 246. 815.
318. 582.
Meynne 662.
Michailoff 652. 656. 658.
663.
Michel 122.
Mielecke, A. 374.
Mikkelsen, A. 644. 645.
Mikulicz 97.
Mitchell, W. 456.
Moherly 374.
Moeli 445.
Moser, H. 246.
Mohaupt 614. 702 ff.
Moleschott 463.
Moller 573.
Moniu, E. 248.
Monod, H. 38. 34. 283.
301. 302.
Montefusco, A. 62. 374.
Morf 61.
Morin 11.
Morphy 64.
Morrison, G. B. 61.
Mosher, E. M. 118.
Mosso, A. 248. 876. 454.
Mouton, J. Th. 567.
Mühlbrecht, 0. 376.
Müller (Basel) 474.
— (Berlin) 699.
— (8chwarzenberg)302.
Müller, v. 4^8.
Müller, G. 575. 577.
— , H. 246.
— , K. 291.
-, P. 456.
Münch 699.
Müntz 188.
Muguier 342.
Mygind 39.
Nachtigall 255.
Nadaillac, de 184.
Näf 422.
Nager, G. 627 ff.
Napias, H. 41. 42. 173.
Natafalussy, C. 665.
Naudet, A. 173.
Naumann 172.
Netolitzky, A. 445.
Neumann, A. 256.
Newsholme 456.
Newton, J. 246.
Nieden 282.
Niederley, W. 60.
Niemeyer 663. 703.
Niefs 210. 212.
Nigg, M. 61. 120. 456.
Noble Smith 376.
Noeggerath 873. 411.
412. 444.
Noetel 162.
Nogue, R. 184.
Nohl, C. 711.
Norbury, F. P. 454.
Norsa, G. 376.
Nothnagel 146.
Nowack 197.
Nufsbaum, Chr. 306.
Nufsbaum, v. 148. 284.
Ober-Conreut, v. 511.
Oehrn, A. 408 ff.
Oeller 281.
Oeri 151. 152.
Oettli 229.
Ohlemann 582.
Ollivier 418. 419.
Oltuszewski, W. 182.
Olzscha, K. 310.
Oppenheimer 463. 464.
Oppenraay, J. G. J. van
567.
Oskar II. 111.
Ossokin, N. A. 276.
Ost 407.
Ozanne 174.
Pabst 173.
Pache, 0. 497.
Packard, R. L. 120.
Paget, C. E. 582.
Paggio, L. 246.
Pagliani 346. 463. 652.
Palmberg 28. 30. 456.
Palmer 561. 563. 575.
Paltauf, A. 573.
-, R. 699.
Paolis, L. de 118.
Parinaud 128.
Parkes, L. C. 184.
Parow 543.
Parsons, H. F. 485.
Pasquale 364.
Passavant 700.
Passy 376.
Pasteur 111. 173. 237.
238. 445. 446. 509.
Paulsen, F. 559. 699.
Pauschinger 671.
Pawel 118. 120. 364.
Pecher, J. K. 376.
Pecsi, D. 184.
Pedley, R. D. 310.
Pelc, J. 444.
Pelman, C. 147.
Pensky 302.
Perkins 18.
Perlia 451.
Perschin, M. 329.
Persius 172.
Pertik, 0. 292.
Pesskoff 658.
Pestalozzi 325.
Peter 287.
Petermann, F. 345. 455.
582.
Petersen 228.
Pettenkofer, v. 10. 67.
147. 186. 187. 196.
200. 201. 202. 240.
831. 365. 511. 560.
578.
Pfalz, E. 638. 639.
Pfeiffenberger, K. 376.
Pfeiffer, E. 61.
736
Pflüger, E. 121. 151.
188. 281. 879 ff. 457.
458. 514. 586. 587.
611. 628.
Pfahl, F. 711.
Pfundt, 0. 310.
Pfandner 545.
Phillips, S. L. 182.
Pietrasanta, P. de 111.
Pilcher, J. E. 184.
Pillon 445.
Pinelli, 0. 709.
Piper 627.
— , H. 582.
Pistor 184. 248.
Pivion 302.
Planchard 510.
Planck, K. 711.
Planty, A. 182.
Platen 215. 358.
Plehn, F. 238.
Pieyte, W. 182.
Pluder, F. 42. 43.
Poda, E. 347.
Podlipny, J. 297.
Poehlmann, M. 709.
Poeller 37.
Pötzschke 700.
Polack 412.
Politzer, A. 510.
Polte 237.
Polz, E. 61.
Pora 97.
Porcelli, O. 120.
Porter, W. T. 621.
Pouget, M. J. P. 510.
Prampolini, F. G. 182.
Prausnitz, W. 578. 579.
698.
Prendergast, L. 709.
Preyer 184. 323.
Prince, M. 120.
Pador 61.
Pulwer, 0. 120.
Putnam, H. C. 709.
Quehen 302.
Qaetelet 151. 463. 661.
Queyrat, F. 711.
Babelais 254.
Rählmann 378.
Ragonean 157.
Ramminger 45. 580.
Randall 61. 427.
Handel, C. 63.
Raoux, E. 61.
Rath, Fr. 682.
Rath, Z. 292.
Ratzel, Fr. 311.
Ranch, J. H. 172.
Raascher, F. E. 182.
Raydt 53. 54. 215. 364.
413. 436.
Rechter, de 52.
Recken, W. 709.
Recknagel 310.
Regnaald, M. A. 84.
Reichard, v. 446. 628.
Reiche 212. 213.
Reimann 305.
Reimers, A. O. 294.
Reincke 173. 573.
Reinmüller 53.
Rembold 56. 349. 471.
561. 578. 640.
Renk, F. 238 ff. 331.
334 ff.
Renz, K. 238. 446.
Reth wisch 160. 162. 699.
Reufs, v. 452.
Reyher 409. 410.
Reymond 391.
Ribbing, S. 582.
Richter 699.
— , H. 62.
— , K. 61. 303. 709.
Rieger 184.
— , K. 302.
Riemenschneider 510.
Rietschel 509. 638.
Ritter 246. 445.
Ritzmann 689
Roberts 463. 651. 658.
Roblot 246. 376.
Rochard, O. 120.
Rocheron 708.
Roder 279.
Roemer, A. ISO.
Rösing 499.
Rohbusch 52.
Rohmeder 353.
Roland 188.
Romano, A. 63. 370.
379. 380. 457. 458.
588.
Rosebrugh, A. M. 68.
Rosenbach, 0. 711.
Rosenthal 578. 614.
Roesi, E. de 182.
Rofstenscher, L. 120.
Roth 151. 152. 709.
Rothstein 256. 577.
Rotsch, F. 246.
Rotter, E. 64.
Rousseau 254. 270.
— , J. 184.
Roussel, T. 310. 709.
Roux, E. 173.
Rovenhagen 638.
Rössavölgyi, J. 493
Ruata, C. 64.
Rubner 7. 578.
Ruckert, A. 118. 280.
Rudtorffer, E. v. 172.
Rflhl 510.
ROhle 663.
Rfltimeyer 152.
Ruf, M. 582.
Rüge, M. 574.
Rump, W. 293.
Runkle, J. D. 224.
Ruseler, G. 310.
Russow 173.
Rychna, J. 120.
Rymsza 182. 333. 378.
458. 586. 587.
Sack, N. 649. 652. 656
658. 660. 711.
Sallwürk, ▼. 712.
Salomonsen, E. J. 173.
Sama, JoaquSn 376.
3anchez Alonso, N. 582.
Sanford, E. C. 712.
Schacht, Th. 573.
Schantz, 0. 118.
Schapmann 376.
Scharff 57. 95. 347. 349.
Schauber 281.
Schaumburg, E. 364.
Schbankoff656. 658.663.
Scheermann 97.
Scheffer, M. 319.
Scheier 627.
Schellenberg 312.
Schelmerding 703.
Schenck, J. 246.
737
Schenckendorff, E. v. 53.
54. 64. 213. 310. 373.
410 ff. 417.
Schenk 129. 217. 218.
280. 312. 347.
Schepp, F. 582.
Scherer 244. 412. 712.
Scherer, F. v. 174.
Schettler, 0. 582.
Schidlowski, S. W. 110.
237
Schiebung, S. 517.
Schiller, H. 118. 162.
709.
Schindler 300.
Schlemmer. 638.
Schlesinger, H. 520.
Schlimbach 671.
Schmedding 410.
Schmid 182. 408.
Schmid-Monnard 712.
Schmidt, F. A. 53. 114.
182. 184. 214. 246.
248. 353. 364. 582.
625. 642. 643.
— , J. 118.
— , 0. 712.
Schmidt- Ei mpl er 132.
333. 370 378 ff. 467.
469. 585. 588. 637.
Schmitz 110. 614.
Schmuck, £. 182.
Schnabel 672. 673. 712.
Schneditz, A. 445.
699.
Schneider 460. 712.
— (Berlin) 299.
— (Breslau) 331.
— (Schleswig) 638.
— , Chr. 306. 455.
— , J. 582.
Schnell, H. 182. 520.
Schönberg, E. 397.
Schönen 638.
Schoneid, A. T. 519.
Scholz 614.
Schonen 574.
Schopenhauer 486.
Schottelius 172.
Schottmüller, K. 446.
Schrader 627.
— , W. 709.
Schreiber, P. 95.
Schreiner, £. 397.
Schröer 62. 64. 519. 626.
627.
Schröter 353.
Schrötter, L. v. 52.
Schubert, P. 57. 118.
183. 246. 280. 281.
308. 312. 347. 372.
452. 613. 640. 669.
Schuck, W. N. 479.
Schützer, L. 710.
Schultheis 118. 613. 689.
Schultz 363.
Schnitze, B. 248.
Schulz, A. 511.
Schumann 412.
Schummkow, L. P. 479.
Schuschny, H. 204. 372.
493.
Schuttleworth, G. E. 712.
Sohwaighofer, A. 118.
Schwalbe 80. 82. 161.
246. 627.
Schwarz, S. 491.
Schwarzkopf, N. 347.
Schwendt, A. 451.
Sclavo 638.
Sdorowje 662.
Seeger, L. 238.
Seggel 279. 281. 333.
370. 372. 379 ff. 452.
457. 458. 520. 586.
587. 613.
Seidel, F. 238.
Seil 238.
jr 92
Sendler 172. 699.
Seneca 615.
Sepp, P. B. 62.
Sergi 810.
Seydel 153. 281. 312.
Seyffardt, F. L. 497.
Shelly 118. 312.
Sidgwick, H. 184.
Siegert, G. 519.
— , W. 79. 81. 209. 242.
552. 626. 627.
Siemens & Halske 335.
Silex, P. 687. 710.
Simon 543.
— , F. B. 712.
— , J. 706.
Simons, J. 173.
Singer 174. 648.
Sluys, A. 519.
Smith 57. 520.
Sneirireff 660.
SnelleD, H. 66.
Snoy 510.
Söder, H. 116. 293.
Söhrens 293.
Sönnecken 474.
Soldau 445.
Sollier, P. 64. 712.
Soltmann 339. 543.
Sommer 619.
— , 0. 480.
— , W. 573.
Sommerfeld 627.
Sonderegger 150. 184.
Sonnenberger 712.
Sons 332.
Sormani 563.
Southard, W. F. 118.
Speyr, v. 229.
Spiess, A. 248. 257. 340.
374.
Spring 188.
Springer 62. 412.
Sprockhoff, A. 648.
Ssudakow, A. 237.
Stadthagen 79 ff.
Staffel 474.
Stahl, B. 707.
Stauffer 218.
Steffen 637.
Steinbart 312.
Stellwag v. Carion, C.
494. 495.
Stephenson 248. 295.
296. 584. 611.
Sternfeld, J. 116.
Stetten 580.
Stetter 45.
Stevenson 64.
Stich 498.
Stieda 661. 663.
Stilling, J. 132. 133. 134.
138. 332. 333. 368.
369. 370. 377. 467 ff.
585.
Stimmel 584.
Stimpfl 99. 494.
Stöcker 584.
Stoldt 648.
Stoljaroff 657.
Storch, 0. 62.
Strack, M. 310.
Straft, F. 86. 87.
738
Strassen, zur 410. 411.
8trasser 408.
Ströhmberg 660.
Strümpell, L. 52. 310.
Studtmann 310. 636.
Stutzer, F. E. 616.
Sturges 312. 548.
Stutzer 575.
Subkowsky 657. 662.
Süfsmann 516.
Sulzer 648. 710.
Survillo 657.
Suzor, P. 52.
Sykes, J. F. L. 248.
Szigetvari 310.
Szuffan, W. 493.
Tarony 445. 510.
Tauffer, E. 664.
Teale, T. P. 64.
Techmar 116.
Tews, J. 497.
Theut 293.
Thierbach, P. 710.
Thierring, G. 292.
Thoinot 292.
Thoma 151. 661. 663.
Thompson, 0. T. S. 312.
Thorne-Thorae 173.
ThOme, H. 62. 424.
Thümen, F. 62.
Tiffany, F. B. 78.
Tissie, P. 64.
Tock, E. 292.
Tönsfeldt 95. 577.
Toldt 657. 663.
Tolle, M. 144.
Tolstoi 487.
Tomes, E. 519.
Toussaint, A. 238.
Trachtenberg, A. 52.
Tramonte, S. 520.
Trapenard 238.
Treichler 548.
Treitel 627.
Trölz 66.
Troost 11.
Troskowitz, y. 445.
Trzoska 614.
Tscherning 887.
Turaham 342.
Tyedmers, Th. 312.
Ufer, Chr. 179.
Uffelmann 188. 363.
ükke 660.
Ulrich, F. 700.
Unglenk, L. 376.
ürban, J. 62.
Urbantschitsch, E. 97.
— , V. 648.
Valletti, F. 374.
Valude 648.
Varrentrapp 66.
Vater 366.
Vayda, K. 97.
Vedrine, L. 173.
Velde, von der 337.
VerSdy 97.
Verödy, K. v. 493.
Vetter, L. 412.
Viafora-Alberti, A. 246.
Vierordt 463.
Vieth 254.
Vietor 116.
Vinaj, G. S. 248.
Virchow, R. 51. 172.
363. 699.
Völcker 700.
Voelker 172.
Vogt 302. 364.
— , A 530. 532.
— , K. 248. 619.
Voigt, F. 374.
Voit, E. 1.
Volkmann 688.
Völlers, G. 244.
Vollert, J. 64. 376. 646.
Vorbrodt 674.
Vorwerk, A. 144.
Voss, P. 397.
Wachsmuth, G. F. 184.
Waetzoldt, G. A. 638.
— , St. 36. 162. 287.
Wager, G. 184.
Wagner, F. 246.
— , G. 584.
— , J. R. 11.
Wakeneid, R. 372.
Wallichs 509.
Walther, C. 520.
Warner, F. 163. 496.584.
Warren, L. E. 812.
Waschow 364.
Wafsmannsdorff, K. 302.
510.
Waisner 118.
Waub, A. 584.
Weber, A. 531.
— , G. H. 92.
— , H. 342.
— , L. 129. 338. 525 ff.
— , Th. 648.
Webster, P. L. 690.
Weck 353. 584.
Wegener 648.
Wehrmann 111. 584.
Weichselbaum 699.
Weidenbusch 353.
Weider 699.
Weigoldt 648.
Weil, R. 64.
Weife 370. 378. 458. 586.
587.
Welilri 237.
Welt, S. 341.
Welzien, W. 294.
Wendland 364. 509.
Wendt, F. M. 620.
— , H. 584.
Wendziloviz, M. 347.
Wenham 381.
Werner, E. S. 116.
— , H. 584.
Wertheimber 342.
Wessig 637.
West, Ch. 34*2.
Wever 444.
Wezelsen 403.
Weyrauch, v. 110. 441.
White, G. 374.
Whitelegge, B. A. 248.
Wichern 413. 416.
Wickenhagen, H. 181.
246. 353. 510.
Wider 391.
Widmark 137.
Wiebe 172.
Wietfeidt, A. 184.
Wigge, H. 519.
Wilhelmi de Davila, B.
271. 312.
Willebrand, F. v. 238.
Wilson, G. 64.
Winckler, E. 222.
Wingerath, H. 301. 367.
369. 492.
739
Winkler 319.
— , W. 516.
Winterer 172.
Wipf, H. 689.
Wireniua, A. v. 276.
326. 374. 403. 477.
Witt, F. 519.
Witte, B. 646.
Witzeroann 412.
Wolfe, H. K. 312.
Wolffberg 118.
Wolffson 62.
Wojciechowski 346.
Wollseiffen 699.
Wolpert, H. 187. 189.
190. 192. 196. 494.
Wortmann, J. H. 491.
Wretschko, v. 367.
Wunderlich 452. 584.
671.
Wurm 627.
Wurtz 510.
Wyllie, J. 64.
Tersin 238.
Young, A. G. 519.
Zaaijer, J. 182.
Zahor, H. 64. 217.
Zehender, v. 137. 209.
282. 348. 368. 678.
Zehnder, C. 248.
Zehrfeld 166.
Zettler 62. 582.
Ziegel 584.
Ziegler, C. 453.
Ziemssen 578.
Ziesche 580.
Zimmermann, E. 646.
-, Ph 321. 348. 431.
452.
Zollikofer, H. 38.
Zünckel 246.
Zwick 187.
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