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in the Boston Medical Libmj
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1905 Icttfdurifl No. 1.
Begrfindet von Dr. L. Kotelmann. ^''
Redigiert von Profeesor Dr. Fr. Erismaitn in Zürich. Z' ficc'cl
Mit einer Beilage: ( /\^/i ' 7 -. .^
Unter besonderer Mitwirkung von Hofrat Dr. P. Schubert in Nürnberg
redigiert von "/( 'i -} \ k • ^'
.t»«^
Professor Dr. Fr. Erismahn in Zürich.
Verlag von Leopold Voss in Hamburg.
\
Mon&Üich erscheint ein Heft von etwa vier Bogen Umfang. Jedem Jahr-
wird ein Sach- und Namenregister beigegeben. — Preis halbjährlich 4 Mark.
Die Buchhandlungen und Postanstalten nehmen Bestellungen an.
Inhalt:
Zeitsehrift fttr Schnlgesnndheitspflege,
Originalabhaiidliingen. Seite
über hygienischen Unterricht in der Schule. Von Dr. Hillbnberg, Kreis-
aasistenzarzt in OJdesloe (Holstein) 1
Die Schulbank in den Hilfsklassen für Schwachbefähigte. Von Otto Schmitt,
Taubstummenlehrer in Frankenthal 9
Die Schulbank in den Hilfskiaasen für Schwachbefähigte. Von F. Weigl-
München : 12
Ans VerfMounlungen nnd Vereinen.
Die Hygiene im Dienste der Taubstummenbildung. Von Karl Baldrian,
Hauptlehrer an der niederösterreichischen Landes-Taubstummenanstält
in Wien 19
Kleinere Mitteilungen.
Anzahl und Lage der Turnräume in stark besuchten Schulen 22
Yortanschung von Myopie bei Schulkindern 22
Schule und Auge 24
Alkoholgenuis schulpfiiohtiger Kinder 24
Schwachbefähigte Schüler 26
Speisung der Pariser Volksschulkinder 26
Zentralverein für Kinderheitnngs- und Ferienkolonien in Holland 27
Fnnorge für schwachsinnige und nervenkranke Schulkinder in Holland... 27
Diphtherie in den Schulen Londons 28
Päagogisohes Institut für nervöse, schwachsinnige und kraukbafte Kinder
^ bei Brüssel 28
ioTpwliche Übungen der Kinder 28
Vortrage über Scbulgesundheitspflege in Dresden 29
Unterweisung von Schulkindern in der Gesundheitslehre in England 29
Mftogelhafie Ernährung von Schulkindern in England 30
Tagesgeschiclitliehes. seit^
Schulbegiun am Morgeu ia den Züricher Schulen 30
Turnhalle im Dachgeschofs in Elberfeld SO
Untersuchung über die gesundheitliche Wirkung von Kinderspielen 31
Schul wärroeziramer in Nürnberg 31
Alkohol und Volksschule 31
Alkohol und höhere Schulen 31
Bekämpfung des Alkoholmifsbrauches durch die Schule in der Schweiz . . 32
Unentgeltlicher Unterricht für stotternde Volksschüler in Göppingen 32
Gründung einer zweiten Waldschule in Charlotten bürg 32
Beschickung der Ferienkolonie in Charlotteuburg 32
Antrag auf Herabsetzung der Schnlerzahl in den Volksschulen in Hessen . 32
Amtliche Verfttgimgen.
Die Förderung der Zahnpflege bei Schulkindern. Erlafs der k. k. steier-
märkischen Statthalterei 33
Literatnr.
Besprechungen.
Otto Stockhausen, „Jungs heraus !^ Ernstes und Heiteres aus dem Leben
einer Hamburger Ferienkolonie. Von Krukbr, Stadtarzt in Zürich . . 35
LoBBDANK, Dr., Stabsarzt in Hann. Minden, Die Gesundheitspflege des
Schulkindes im Elternhause. Von Dr. Kraft, Schularzt in Zürich... 36
Dr. med. Adolf Fibdler und Dr. med. E. Hölbmank, Der Bau des mensch-
lichen Körpers. Achte Auflage. Mit SI anatomischen Abbildungen
im Text und 6 anatomischen Tafeln in Farbendruck. Von Kruksk,
Stadtarzt in Zürich 36
Baur, Alfrbd, Dr. med., Die Hygiene des kranken Schulkindes. Von
Dr. Kraft, Schularzt in Zürich 37
Bibliographie 38
Der Schularzt^
Originalabliandliiiigen.
Die Schularztinstitutiou in Norwegen. Eine Übersicht von M. K.
HäKONSOK-HANSEN, Oberlehrer der Volksschule auf der Bischofs-
höhe in Drontheim. Übersetzt von Prof. Dr. Leo Büroerstbin
in Wien 41. 1
Kleinere Mitteilnngen.
Neue Schulärzte 55. 15
über die Tätigkeit der Schulärzte in Berlin 57. 17
Flegeleien gegen einen Schularzt in Schöneberg 58. 18
Nach welcher Seite hin bedarf die Einrichtung der Schularztstellen
noch ihrer Erweiterung ? 58. 18
Beferate über neu erschienene schulärztliche Jahresberichte.
Der Wiesbadener Jahresbericht pro 1903/04 58. 18
Dienstordnungen für Schul&rste.
Dienstordnung für die städtischen Schulärzte in Mülhausen i. Eis 60. 20
ZtLsendungen und Zuschriften werden erbeten: für die Zeitschrift an
Herrn Prof Ih\ Fr, Er is mann in Zürich, PlcUtenstr. 37, speziell für den
Schularzt an Herrn Hofrat Dr. med. P. Schubert in Nürnberg, Fleisch-
brOcke 10, direkt odei' durch die Verlagsbuchhandlung Leopold Voss in
Hamburg.
u
ZEITSCHRIFT
FÜE
SCHÜLGESÜNDHEITSPFLEGE
Begründet von Dr. L. KOTELMANN.
EEDIGIEET
VOM
PROFESSOR DR, FR, ERISMANN in Zürich.
ACHTZEHNTEE BAND. ^ ^ ^ , ^
1905. ^A^oA.^S
Mit 35 Abbildungen im Text.
MIT EINER BEILAGE:
DER SCHULARZT.
UNTER BESONDERER MITWIRKUNG
VON HoFRAT Dr. P. SCHUBERT f in Nürnberg
REDIGIERT VON
PROFESSOR -DA. t'R. ERfö M AN Jf TN- ZÜRICH.
-* — »-*- -—9 r-
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HAMBURG UKD LEIPZIG,
VEELAG yON LEOPOLD VOSS.
1905.
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Druck der Druckerei -Gesellschaft Härtung & Co. m. b. H.
vorm. Richtersche Verlagsanstalt, Hamburg.
Zeitschrift für Schnlgesnndlieitspflege.
Inhalt
BUt%
Dr. Paul Sohubbbt f 663
Portrat yon Paul Sohübibt 681
Nachraf fSr Hofrat Dr. Paul Sghubbkt den Nürnberger Schalhygieniker.
Vorgetragen in der hjgienisohen Sektion der sohlesisohen Gesellscbaft
am 18. September 1905 im Furstenaaale des Bathaases zu Breslan.
Von HbBM AHK COHN 682
Anisatse und Schriften von Hofrat Dr. Sohubbbt. Zasammengestellt von
H. CoHK, ei]gSnzt von F. Ebismann 642
Von der Bedaktion. Zorn Andenken Sghubbbts 645
OriginalabhaDdlungen.
Cber hygienischen Unterricht in der Schale. Von Dr. Hillbnbebg, Kreis-
assistenzarzt in Oldesloe (Holstein) 1
Die Sohnlbank in den Hilfsklassen far SohwachbefShigte. Von Otto Schmitt,
Taabetammenlehrer in Frankenthal 9
Die Schalbank in den Hil&klassen für Schwachbefahigte. Von F. Wbigl-
Kanchen 12
Schalschlafs und Morbidität an Masern, Scharlach and Diphtherie. Vortrag,
gehalten am 6. Dezember 1904 in der Deatschen Gesellschaft fär
öffentliche Gesandheitspflege in Berlin. Von Dr. M. Gohn, Schalarzt
in Charlottenbarg. Mit vier Abbildangen im Text 64
Über besonders ermSdende and anangenehme Schalfacher gesander and
kranker Lehrerinnen. Von Dr. Balf Wichmann, Nervenarzt in Harz-
barg 73
Eine Bemerkang zur Atemgymnastik. Von Dr. Albert FLACHS-Moinesti
CRumanien) 80
Zur physischen und geistigen Entwicklung des Kindes während der ersten
Schaljahre. Von Dr. Eduard Quirsfeld, k. k. Oberbezirksarzt in
Bumburg. Mit 17 Abbildangen im Text 127
Die Soholbaä in den Hilfsklassen fär Schwachbefahigte. Von K. Basedow,
Bektor der Hilfsschale I in Hannover 185
Die praktischen Schwierigkeiten bei der Befriedigung der hygienischen
Forderongen an die Subsellien. (Besaltate einer Untersuchung in
Schalen mit ,,NormalsubBellien^.) Von Dr. Gb. Bostowzsff, Sanitäts-
arzt der Gouvernementslandschaffc in Moskau 239
a*
IV
Seit»
Vierter Rechenschaftsbericht des Vereins „Rinderschutzstationen^. Vereins-
jahr 1904 (vom 1. Januar bis 31. Dezember 1904). Von Direktor
Emanüel BATB-Wien 24^
Ein Beitrag zur Wachstumsphysiologie des Menschen. Nach statistischen
Erhebungen an der STOYschen Erziehungsanstalt in Jena. Von
Dr. Alexander Koch -Hesse in Grofs- Lichterfelde 293. 400. 457
Zur Schularztfrage in Hamburg. Von Dr. med. Moritz Fürst und Lehrer
P. Gerken ;U9
Die sechste Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins für
Schulgesundheitspflege am 14. und 15. Juni 1905 in Stuttgart. Bericht
von Dr. Rudolf Abel, Kegierungs- und Medizinalrat in Oppela 36S
Erinnerung an gemeinsam mit Professor von Mikulicz gemachte schal-
hygienische Beobachtungen. Von Hermann Cohn in Breslau. Vortrag,
gehalten in der hygienischen Sektion der Schlesischen Gesellschaft am
21. Juni 1905 im Fürstensaale des Rathauses 389
Über die Nebenbeschäftigung gesunder und kranker Lehrerinnen. Von
Dr. Ralf Wichmann, Nervenarzt in Harzburg 554
Dr. RosTOWZBFp über die Gruppenbank. Von Armin von Domitrovich in
Berlin 567
Berichtigung und Abwehr, die Stuttgarter Jahresversammlung des deutschen
Vereins für Schulgesundheitspflege betreffend. Von dem Vorsitzenden 577
Erwiderung auf vorstehende Berichtigung und Abwehr. Von Dr. Abel,
Oppeln 581
Überbürdungspsychosen bei minderwertigen Kindern. Von Dr. phil.
Theodor Heller, Direktor der Erziehungsanstalt Wien-Grinzing .... 649
Ergebnisse der im Schuljahre 1904/1905 an den Schülerinnen der 1. Klasse
der allgemeinen Mädchen-Volksschule in Wien VI, Kopernicusgasse 15,
vorgenommenen ärztlichen Augenuntersuchungeu. Von Direktor
Emanüel BATR-Wien 657
Anthropometrische Untersuchungen an gesunden und kranken Kindern mit
besonderer Berücksichtigung des schulpflichtigen Alters. Von Dr. Otto
RANKB-München 719. 816
Über Versuche mit indirekter Gasbeleuchtung in einigen Hamburger Volks-
schulen. Von Physikns Dr. E. Pfeiffer in Hamburg 74S
Zur Hygiene der Schulbank in den Hilfsschulen für Schwaohbeföhigte.
Von Dr. J. MosES-Mannheim 753
Die sog. „Eisenbahn^-Schüler. Von Dr. Adolf Juba, Mitglied des Unter-
richtsrates, Schularzt in Budapest 803^
Erste Untersuchung der Sehkraft der Augen bei den neueingeschulten
Kindern. Von Schulinspektor A. OpPBKMANN-Braunschweig 814
Aus Versammlungen und Vereinen.
Seite
Die Hygiene im Dienste der Taubstummenbildung. Von Kabl Baldruln,
Hauptlehrer an der niederösterreichischen Landes-Taubstummenanstalt
in Wien 19
V. Kongrefs der Hilfsschulen Deutschlands in Bremen am 25., 26. und
27, April 1905 , 81
Arbeit und Erholung der Schuljugend. Vortrag von Prof. Dr. A. Jaqüet
in der Versammlung der freiwilligen Schulsynode von Basel (Stadt)
am 22. November 1904 83
Über die Bedeutung der Schulhygiene. Aus einem Vortrage von Prof.
Dr. Baoinskt im Allgemeinen deutschen Verein für Schulgesundheits-
pflege in Berlin (26. Oktober 1904) 83
Leicht abnorme Kinder. Aus Vorträgen von Prof. Wetoandt- Würz bürg
und THOMA-Illenau auf der 85. Versammlung südwestdeutsoher Irren-
ärzte zu Preiburg (29. und 30. Oktober 1904) 187
V
Seit«
Die Aufgaben der Schulärzte für die offentliohe Hygiene. Vortrag von
RoBDEB-Berlin auf der 76. Versammlung deutscher Naturforscher und
Ärzte zu Breslau (18. bis 24. September 1901) 189
Das Prafungswesen an den Mittelschulen. Die Hausaufgaben. Aus Ver-
handlungen der Vereine „Mittelschule^' und „Realschule'' in Wien,
März 1 905 189
Sonderschulen far heryorragend Befähigte. Vortrag von Oberlehrer Pbtzoldt-
Spandau im Berliner Gymnasiallehrer- Verein 190
Die Karasichtigkeit der Kinder. Vortrag von Oberlehrer Dr. Le Manq in
der Vereinigung von Lehrern an den städtischen höheren Schulen
Dresdens 191
Die Klassifizierung an den Mittelschulen. Aus Verhandlongen der Vereine
.. »Mittelschule** und „Realschule*' in Wien 193
über Krampfkrankheiten im schulpflichtigen Alter. Vortrag, gehalten in
der gemeinsamen Sitzung der Deutschen Gesellschaft für öffentliche
Gesundheitspflege in Berlin und des Berliner Vereins für Schul-
gesundbeitspflege am 6. Dezember 1904. Von Prof. Dr. Ziehbn 252
Die Hygiene des Schulkindes. Aus 'einem Vortrage des Geh. Med. -Rat
Dr. HiBSGH im Magdeburger Verein für öffentliche Gesundheitspflege. 255
Die Behandlung der sexuellen Frage im naturwissenschaftlichen Unterricht.
Aus einem Vortrage von Prof. Dr. v. Sigmund im Verein „Mittel-
schule", Wien 256
V. Schweizerische Konferenz für das Idiotenwesen am 5. und 6. Juni 1905
in St. Gallen 326
Der Schwimmunterricht in den Schulen. Aus einem Vortrage von Schnl-
inspektor Fbickb, gehalten am 19. Verbandstag des Deutschen Schwimm-
verbandes in Hamburg (Ostern 1905) 328
Die Schularztfrage auf Grund bisheriger Erfahrungen. Vortrag an der
6. Jahresversammlung der schweizerischen Gesellschaft für Schul-
gesundheitspflege, 14. und 15. Mai in Luzem. Von Dr. med. Fbibdrich
Stockrb, Augenarzt, Luzern. (Autoreferat) 416
Die Pflege der körperliehen Übungen im nachschulpflichtigen Alter. Vortrag
an der 6. Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für
Scbulgesundheitspflege, 14. und 15. Mai in Luzern. Von Joh. Spühlbr,
Seminarlehrer in Zürich 493
Über die Verbreitung der Tuberkulose in der Schule. Vortrag von Dr. Wbill-
Maktok auf dem diesjährigen Kongresse für Schulhygiene in Paris. .. 500
Der 5. Verbandstag der Hilfsschulen Deutschlands in Bremen. 25. bis
27. April 1905.) Von A. Henze, Rektor in Hannover 587
Wesen und Bedeutung der Knabenhandarbeitsschule im Rahmen des Volks-
schnl Wesens gröfserer Städte. Aus einem Vortrage von Stadtschulrat
Dr. SiBKiNOBR-Mannheim an der diesjährigen Jahresversammlung des
deutschen Vereins für Knabenhandarbeit in Görlitz 592
Die Bedeutung öffentlicher Spiel- und Sportplätze für die Volksgesundheit.
Von der 30. Versammlung des Deutschen Vereins für öffentliche Ge-
sundheitspflege (Mannheim, 12. bis 16. Septbr. 1905) 659
Die Bedeutung öffentlicher Spiel- und Sportplätze für die Volksgesundheit.
Vortrag, gehalten an der 30. Versammlung des Deutschen Vereins für
öffentliche Gesundheitspflege in Mannheim, September 1905, von Dr.
F. A. Schmidt in Bonn (Autoreferat) 762
Die Aufgaben der Schule im Kampfe gegen den Alkoholismus. Aus einem
Vortrage des Lehrers R. ZwaiFEL-Glarus an der Frühlingskonferenz
der glarnerischen Lehrerschaft am 24. Mai 1905 766
Erziehung und Schule im Kampfe gegen den Alkoholisrous. Bericht über
den X. Internationalen Kongrefs in Budapest. September 1905. Auto-
referat über einen Vortrag, gehalten im Grofsratssaale in Bern. Von
Wilhelm Weiss, Sek.-Lehrer, Zürich 838
Vom Deutschen Kongrefs für Volks- und Jugendspiele in Frankfurt a. M.
15. bis 17. September 1905 844
VI
Kleinere Mitteilungen.
Seite
Ansahl and Lage der Tumraame in starkbesachten Schulen 22
Vortöaachang von Myopie bei Schaikindem 22
Schale und Aage 24
AlkoholgenaJj sohalpflichtiger Kinder. Erhebangen in und am Ulm 24
Schwachbefähigte Schüler in niederen und höheren Berliner Schalen .... 26
Speisang der Pariser Volksschuikinder 26
Zentralverein für Kinderheilungs- und Ferienkolonien in Holland 27
Fürsorge für schwachsinnige und nervenkranke Schulkinder in Holland... 27
Diphtherie in den Schulen Londons 2S
Pädagogisches Institut für nervöse, schwachsinnige und krankhafte Kinder
bei Brüssel 28
Körperliche Übungen der Kinder in Frankreich 28
Vorträge über Scbulgesundheitspflege in Dresden 29
Unterweisung von Schulkindern in der Gesundheitslehre in £ngland 29
Mangelhafte Ernährung von Schulkindern in England 30
Kinderselbstmorde 85
Kommunale Kinderfürsorge in England ., 86
Die Bedeutung der Exspirationsluft als Faktor für die Übertragung von
Krankheitsstoffen in geschlossenen Räumen 86
Albuminurie bei Schulkindern in London 87
Mundpflege bei Kindern in England 87
Nervosität bei Schülern höherer Lehranstalten 87
Die Alkoholfrage im Kindesalter 88
Gesundbeitsschädigungen in Mittelschulen in München 88
Stottererkurse für Schulkinder in Stuttgart 89
Beziehungen des Sehorgans zum jugendlichen Schwachsinn 89
Der Kinderspielplatz am Köhlbrand in Hamburg 90
Die Lungen drüsen-Tuberkulose in den Pariser Schulen 91
Ergebnisse der ärztlichen Untersuchung von Schulrekruten in der Schweiz 91
Belehrung der Schüler über ansteckende Krankheiten in Prossnitz 193
Die Frage der Hausaufgaben vor der Bemischen Schalsynode 194
Schulbänke zu Vlissingen 195
Die soziale Bedeutung der Sprachstörungen 196
Beseitigung der Überbürdung der Schüler der Mittelschulen durch Ver-
kürzung der Unterrichtsstunden 196
Gemeinschiutlicbe Erziehung der Geschlechter 196
Milchkuren für dürftige Schulkinder in rheinischen Städten 197
Die Nervosität unter den Kindern 197
Eine unvernünftige Quälerei der Schulkinder durch unzweckmäfsige Eisen-
bahnverbindung bei Frankfurt a. 0 198
Über die körperliche Erziehung der Mädchen 198
Über den GenuXs alkoholischer Getränke im schulpflichtigen Alter 199
Abstinente Schülerverbindungen in Württemberg 199
Verlegung der Fortbildungskurse auf frühere Tagesstunden 199
Flaches Hausdach in Schulen 200
Die Untersuchung der Zähne der Schulkinder in Erfurt 200
Die Kinderarbeit in der Hausindustrie des Kantons Appenzell 200
Vermittlung von unentgeltlichem Landaufenthalt in Hamburg 201
Eine bessere Einteilung der Ferien 257
Kurzsichtigkeit der Schüler höherer Lehranstalten 258
Kein Korsett mehr für Schulmädchen 258
Schulhygiene in Charlottenburg 259
Gehirnarbeit und Lebensalter 259
Tum- und Spielplätze in Berlin und München 259
Obligatorischer Schwimmunterricht in der Volksschule 260
Orthopädie und Schule 261
Leitsätze für die Untersuchung des Ohres in der Schule 262
VII
Seit«
Gemeinsamer Unterricht beider Gescbleohter in Berlin 262
Co-Ednkation in Lanffenschwalbach 263
Zihnaffektionen und LnDffenspitEentaberknIoae 263
ünteremabnuig yieler Sobalkinder in Enp^land 329
BeachiftigQng von Sobulkindem in Mflncben im Haaabalt nnd in der Land-
wirtschaft 330
SoUeDdimstYergiftang von Schulmädchen in Berlin 330
Hygienifche üntersncäaDg der höheren Lehranstalten durch die Ereisarzte 381
Gemeinsame Ersiehung beider Geschlechter 832
lilchkontroUe in den Schulen Hamburg-Altonas 332
Kinderschutzheim vor Ausnutzung und Ififsbandlung in Berlin 332
Hy^enische Anforderungen an den Druck der Jugendschriften 333
Yeniachlasaigung der Jugendspiele durch ältere Mädchen in Zürich 333
Schnlhaus-Bransebäder in Nürnberg 834
Hygiene der Schnlbäuser in den Vereinigten Staaten 834
Sdiole und Infektionskrankheiten 425
Überffillung preoTsischer Volksschulen 426
Bestrafung eines Lehrers wegen Eörpenrerletzung in Oldenburg 426
Wsscbgelegenheiten in der Schule in Frankfurt a. Main 426
Zq früher Schulbeginn in Artelshofen 426
Zahnferhältnisae der Schulkinder im Kreise Worms 427
ZiboTerderbnis nnd körperliche Entwicklung 427
Warnung vor Ankauf gebrauchter Schulbücher 427
Speisung armer Schulkinder in Stettin 428
Aborteinrichtnng in Berliner Schulen 428
Befreiung vom Turnunterricht in Berliner (Gymnasien 601
SehnlerlMurlanbung Tor und nach den Sommerferien 501
Förderung der Tum- und Jugendspiele in Düsseldorf 502
Dennfizierende Wandanstriche in Schulräumen 502
Betnignng der Schullokale von Schulkindern im Beichsland 503
Lsg« der Schnlaborte 503
Uberburdung in den Realgymnasien und Realschulen 598
Htossrbeiten an der Realschule 594
Drock der Schulbücher 596
Di« Tumkleid der Frauen 596
Unfälle in den Schulen und ärztliche Hilfe 596
Abänderung der Bisenbahnverkehrsbestimmungen betreffend Fahrpreis-
ennäfsigungen bei Schülerfahrten 597
Besonderer Turnunterricht für schwächliche Schulkinder in Leipzig 597
Die früheren Beinlichkeits- und Hygienezustände in den Schulen 598
Dm Korsett in der Schule 599
Die zwanzigklassige Barackenschule in Berlin 599
Sien, Sport und Turnen. Vorträge im Verein der Turnlehrer Hollands 600
ireitung der Tuberkulose unter den Lehrern 601
Bericht üb^ die Eindererholungsstätten Tom Roten Kreuz bei Berlin .... 601
Die deutschen Landerziehungsheime '. . 663
Ein Alkoholmerkblatt in Mannheim , 665
Verlängerung der Sommerferien durch Vor- oder Nachurlaub 666
Ferienwanderung für die Schuljugend in Charlottenburg 667
Anastellnng von Lehrmitteln für Menschenkunde und Gesundheitspflege in
Leipzig, Juli 1905 667
Kindverholungsstätte in Charlottenburg 668
Utagiger Ferienspielkurs in UntertOrkheim 668
Ohrenkranke Schulkinder, ärztliche Mafsregeln dagegen 668
Bewegungsspiele für Schüler und Schülerinnen in Berlin 669
Ferienspieltage in Schöneberg 669
Züchtigungsrecht der Lehrer höherer Unterrichtsanstalten 669
Ferien-Hygiene 669
Die Charlottenburger Waldschule 670
Itorbiditätsstatistik in den Schulen unter Mitwirkung der Lehrer 672
VIII
Seit«
Schulbraasebad in Amsterdam 672
Alkoholerebrauch bei Kindern 672
Ungezieferplage in den Frankfurter Sobulen 767
Volksechulorganisation nach der Leistungsfähigkeit der Schüler 768
Wasch gelegenheiten in den Schalen, Notwendigkeit 768
Neuzeitliche Anforderungen an Tarnplätze 769
Stadtisches Schulturnwesen in Berlin 769
Pflege der körperlichen Entwicklung der Jugend 770
Über zweckmäßige Kinderarbeit 770
Gemeinsame Erziehung der Geschlechter, Vorzüge derselben 771
Speisung, Kleidung und ärztliche Behandlung der Schulkinder in Brüssel 771
Turnen und Jugendspiel, zweckmäfsiger Betrieb 772
Simulation epileptischer Anfälle 773
Übertragung von Infektionskrankheiten durch Trinkbecher in den Schulen 773
Kontrolle der Platzbeleuohtung in Arbeitsräumen 774
Geistige Minderwertigkeit im schulpflichtigen Alter 847
Nervenkrankheiten der Schulkinder 847
Kinderschutz in Meiningen 848
Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben 848
Physiologische und pathologische Beobachtungen in der Dorfschule 849
Übergangsprüfung aus der Elementarschule in die Realschule und Ober-
realschule in s'Gravenhage 849
Hygienischer Fortschritt in der Schulbankfrage 850
Verein zur Vereinfachung und Verbesserung von Examen und Unterricht
in Holland 851
Fürsorgestelien für die Schuljugend 851
Die ärztliche Aufsicht über die Primärschulen in Frankreich 852
Das schweizerische Schulsanatorium „Fridericianum^' in Davos 852
Unterweisung der Schüler in erster Hilfeleistung 853
Ferienversorgung der Stadt Bern 853
Verein für schwersprechende und schwachsinnige Kinder zu Amsterdam . . 854
Tagesgesohicht liebes.
Seite
Schulbeginn am Morgen in den Züricher Schulen 30
Turnhalle im Dachgeschofs in Elberfeld 30
Untersuchung über die gesundheitliche Wirkung von Kinderspielen 31
Schulwärmezimmer in Nürnberg 31
Alkohol und Volksschule 31
Alkohol und höhere Schulen 31
Bekämpfung des Alkoholmifsbrauches durch die Schule in der Schweiz . . 32
Unentgeltlicher Unterricht für stotternde Volksschüler in Göppingen 32
Gründung einer zweiten Waldschule in Charlottenburg 32
Beschickung der Ferienkolonie in Charlottenburg 32
Antrag auf Herabsetzung der Schülerzahl in den Volksschulen in Hessen . 32
Ein Fürsorgeverein für zur Schule gehende Kinder in Amsterdam 92
Fürsorge für die Zähne der Schulkinder in Darmstadt 93
über die Trennung der Schüler nach Leistungen 93
Ein groüier Schulspielplatz im Grunewald 94
Verwendung staubfreier Fufsbodenöle in den städtischen Schulen von
Cottbus 94
Ein Soolbad für arme Kinder in Rheinfelden 94
Obligatorischer Schwimmunterricht an der Volksschule 94
Über das Ergebnis der ärztlichen Untersuchung der Volksschuikinder in
Stuttgart 94
Städtische Heilkurse für Stotterer in Hannover 95
Über Schule und Schwimmunterricht 95
Die Internationale Pädagogische Ausstellung in Barcelona 201
IX
8«it6
Der 5. Kongrrefs der Hilfsschulen Deutschlands in Bremen (April 1905) . . . 208
Die Ferienkurse in Jena 203
Deutsche Otologische Qesellschaft 204
Der X. Internationale Eongrefs gegen den Alkoholismus in Budapest
(September 1905) 204
Stadtische Spielplätze in Berlin 204
Lieferung gefälschter Milch zur Speisung bedürftiger Schulkinder im Kanton
Bern 204
Alkoholismus unter Schülern in Ostpreufsen 205
Schulpausen in Holland 206
Reise-Schulsparkassen in Budapest 205
Ein weiblicher Generalschulinspektor in Engli^nd 205
Gleichmälsige Ausbildung beider Hände in einer Londoner Schule 206
Zwei Minuten-Turnen in den Schulen 206
Bnrgerrechtsverleihung an Volksschuldirektor Emanuel Batb 206
Verfuiirang gegen die Reinigung der Elaseenzimmer durch Schulkinder in
Schleswig 206
Bin Verein für Schul- und Gesundheitspflege 207
Die Beziehungen des Schulbesuchs der Einjährigfreiwilligen zu ihrer Militar-
tauglichkeit 207
Vermehrung der Eisbahnen in Berlin 207
Fürsorge für das Schwimmen der Schulkinder in Berlin 207
Die erste soziale Frauenschule in Zehlendorf 207
Über Fufsbekleidung der Schüler in der Schule 208
VI. Jahresversammlung der schweizerischen Gesellschaft für Schulgesund-
heitspflege 265
VI. Jahresversammlung des Allgemeinen deutschen Vereins für Schul-
gesundheitspflege 265
Spielkurse zur Ausbildung von Lehrkräften 265
Hafsnahmen gegen die epidemische Genickstarre in österr. Schlesien 265
ÜDterrichtsplan am Gymnasium zu Schiedam 267
Obligatorischer freier Spielnacbmittag • 267
Kinderausflüge in Berlin 268
Unentgeltliches Brausebad in Grunewald 269
Sine Suppenanstalt für Kinder in Fraukfurt a. M * . . . . 269
Stiftung zur Unterstützung armer Kinder in Braunschweig 269
Lehrmittel für Menschenkunde und Gesundheitslehre, Ausstellung in Leipzig 269
Angekündigte Spielkurse für Lehrer und Lehrerinnen 336
Jngendspiele zu Mülhausen 336
Französischer Kongrefs für Schulhygiene in Paris, Pflngsten 1905 336
Darchlöcherung des Kinderschutzgesetzes in Sachsen 337
Alkoholmerkblatt für Schulen 337
Dr. KüBORN-Lüttich, 50 jähriges Doktorjubiläum 337
Gemeinsamer Unterricht von Knaben und Mädchen in den höheren Schulen
Frankfurts a. M 337
Waldschule in Charlottenburg 337
Schulzimmer über einem Stall in Weilbach 338
Unentgeltlicher Schwimmunterricht in Gera 338
Verein abstinenter Lehrer in Bern 338
Jugendliche Verbrecher in der Züricher Rechtspflege 429
Belehrung der Schüler höherer Lehranstalten über die Geschlechtskrank-
heiten in Frankfurt a. M. und Dortmund 429
Ferienwanderungen der Volksschüler in Berlin 429
Schulzahnarzt in Wiesbaden 430
Die Höfe der Schulen in Budapest als Spielplätze 430
Ferienkolonien in Stettin : 430
Sanitäre Fragebogen der Bürgerschulen in Hannover 430
Fu&ballspiel and Budersport in den Heidelberger Schulen 430
Kongrefs des Royal Institute of Public Health in London 19. — 25. Juli . . . 431
Aosstellung für Schulgesondheitspflege in Hannover 431
X
Seite
Obligfttorisolier Spielnachmittag an den höheren Schalen Württembergs . . 504
Gemeinsamer Unterricht beider Geschlechter in Überlingen &05
Eindererholungsstätte in Charlottenburg 505
Förderung des Badens und Sohwimmens durch die Schule 605
Schulpausen in Holland 602
Desinfektion der Kleider bei Scharlach oder Diphtherie 603
Gewicht der Schulmappen 608
Jngendspiele in Mülhausen i. £ 604
Internationale Ausstellung für öffentliche allgemeine Gesundheitseinrichtungen
und Hygiene und sanitäre Hilfe bei Transporten in Mailand (April bis
November 1906) 604
Einführung eines obligatorischen freien Spielnachmittags 604
Ferienkolonien in Berlin 604
Waldschulen in Charlottenburg und Dresden 604
Bewegungsspiele der Kinder in Berlin 605
Zwei Berliner Waldschulen in Sicht 606
Schulversäumnisse am Montag 606
Die grofsen Sommerferien 607
Pflege für das schwachsinnige Kind, Verein in s'Gravenhage 607
Der VI. deutsche Köugrefs für Volks- und Jugendspiele in Frankfurt a. M. 673
Hygiene und Prophylaxe der Tuberkulose im Kindesalter 674
Reinigung der Schulräume in Braunschweig 674
Waldschulen in Berlin 675
Schulbeginn für die ersten Klassen der Volksschule in If annheim 675
Vermehrung der Turnstunden und Einführung von Spielnachmittagen in
Nassau 676
Ferienkolonien in Berlin 675
Statistik über die Verhältnisse der Schüler in Nizza 676
Nebenklassen für schwachbefahigte Kinder in Berlin 676
Nachhilfeunterricht für Teilnehmer an Vorkolonien in Charlottenburg. . . . 677
Neue Beformschule in Berlin 677
Spielnachmittage in Bummelsburg 677
Sommerprüfungen an den höheren Schulen 677
Milchkur für die dürftigen Volksschüler in Solingen 677
Untersuchungen und Pflege der Zähne der Schulkinder in Meiningen .... 678
Ferienkolonie in Meerane 678
SchulKahnkliniken in Mülhausen 678
Milchkolonie für dürftige Kinder in Aue 678
Erhebungen über den Alkoholgenuis der Schulkinder in Königsberg i. Pr. 678
Einführung von Spielstunden an den Volksschulen in Barmen 678
Anleitung der Jugend zum Schneeschuhlauf durch den Thüringer Winter-
sportverband 776
Eine Spielplatzstadt in Newyork 776
Besuch einer Milchstation in Saarbrücken 777
Verbot der körperlichen Züchtigung in den österreichischen Volksschulen 777
Speisung von Schulkindern in Schöneberg 777
Schülerherbergen in Silberberg 777
Vorschriften zur Verhütuog der Weiterverbreitung ansteckender Krank-
heiten unter den Volksschülern Münchens 777
Orthopädischer Turnunterricht in Schöneberg 778
Schulhygiene für Lehramtskandidaten in Österreich 778
SchülerwanderuDgen in Berlin 778
Winterkolonie in Hamburjg 778
Ärztlicher Beigeordneter in Köln 779
Unterernährung der Schulkinder in England 779
Preisausschreiben betreffend Kinderschutz : 855
Der zweite internationale Kongreis für Schulhygiene 856
Vereinigung für Kinderforschung iu Mannheim 856
Schulhygienische Bibliothek in Berlin 857
Klagen einer Mutter über die Schulbücher 857
XI
8«ito
Irrielitang von Waldsohulen in Berlin 857
fSrderang der Jngendspiele 857
5eiie8 Kinderheim in 2iehlendorf 857
Hollindischer „Verein von Lehrern und Ärzten, welche für Einrichtungen
for schwachsinnige und nervenschwache Kinder arbeiten^ 857
Wslderfaolungsetatten und Waldschulen 858
Litemationale pädagogische Ausstellung in Barcelona 858
Ysrboi des Tragens von Korsetts 858
Die Zahne der Schulkinder in Winterthur 858
Drei neue Jugendhorte in Zürich 858
Ober die Bnckständigkeit im schweizerischen Blind enwesen und die not-
wendigen MaTsregeln zu ihrer Beseitigung 859
Dozentur für Schulhygiene für Lehrer in Kopenhagen 859
Winterkolonie des Hamburger Wohltatigen Schul vereine in Tannenhof . . . 859
IrlaliB betr. die Unterweisung der bayerischen Lehramtskandidaten in der
Schulhygiene 860
Amtliche Verfügnngen.
Seite
Die Forderung der Zahnpflege bei Schulkindern. Erlafs der k. k. steier-
„ markischen Statthalterei 88
Über Hausaufgaben in Volks- und Mittelschulen im Kanton Bern 96
Die Zahnpflege der Schulkinder in Langenthai 97
Betreffend den Bericht Über den internationalen Kongrefs für Schulhygiene
in Nürnberg 208
Beinigung der Schulfenster in den öffentlichen Volks- und Bürgerschulen
Wiens 209
Bekanntmachung betreffend Kinderkrankheiten. Stadtschulpflege Luzem.
Dezember 1904 210
Sicherheitsvorkehrungen bei Schulvorstellunffen in Wien 270
Besichtigung höherer Lehranstalten durch Kreisärzte in Preufsen 272
P^. Dr. Leo Busgebstbins schulhygienische Schriften 273
Dr. A. Ritter v. Wbibmayb, Die Lungenschwindsucht 273
Errichtung, Erhaltung und Besuch öffentlicher Volksschulen in Österreich 339
Stsnd der Schnleinrichtungen für nicht normal begabte Kinder 1903/04 . . 340
Pflege des Madchentumens in den Städten und stiuitähnlichen Ortschaften
Preulsens 431
Verhütung übertriebenen Aufwandes bei Schülerfestlichkeiten 435
Die Abhaltung von Fortbildungsturnkursen bezw. Wanderkursen für Volks-
Bchullehrer und -Lehrerinnen in der Leitung von Volks- und Jugend-
»pielen. Erlafs vom 10. Mai 1903 607
Die Untersuchung der in das schulpflichtige Alter eingetretenen Kinder
auf das Vorhandensein körperlicher und geistiger Gebrechen 608
Die Verwendung transportabler Pavillons für Schulzwecke 610
Die Gröfse der Fenster in den Klassenr&umen bei Schulneubauten. Erlaüs
vom 17. Mai 1906 679
Hintanhaltung der Verbreitung ansteckender Krankheiten durch die Schulen.
Verordnung des k. k. Statthalters in Steiermark vom 11. April 1905.
L..Ö.-BL Nr. 62 679
Vonchnften zur Hintanhaltung einer Verbreitung ansteckender Krankheiten
durch die Schulen. Erlais der k. k. steiermärkischen Statthalterei vom
11. April 1906, Z. 9398, an die unterstehenden politischen Behörden . 692
Ablegnng der Prüfung als Schwimmlehrerin. Erlafs vom 2. Juni 1906. . . 860
Unterweisung der Lehramtskandidaten für Mittelschulen in Schulhygiene.
Srlafs des k. k. österreichischen Ministeriums für Kultus und Unterricht
vom 5. Oktober 1906 861
XII
Literatur.
Besprechungen.
Otto Stockhausen, „Jungs heraus !^ Ernstes und Heiteres aus dem Leben
einer Hamburger Ferienkolonie. Von Ksukeb, Stadtarzt in Zürich . . 35
LoBBDANK, Dr., Stabsarzt in Hann. Minden, Die Gesundheitspflege des
Schulkindes im Ellernhause. Von Dr. Kraft, Schularzt in Zürich ... 86
Dr. med. Adolf Fiedler und Dr. med. £. Hölemann, Der Bau des mensch-
lichen Körpers. Achte Auflage. Mit 81 anatomischen Abbildungen
im Text und 5 anatomischen Tafeln in Farbendruck. Von ELbuker,
Stadtarzt in Zürich 36
Baur, Alfred, Dr. med.. Die Hygiene des kranken Schulkindes. Von
Dr. Kraft, Schularzt in Zürich 37
Hartmann und Weyoandt, Die höhere Schule und die Alkoholfrage. Von
W. WEi88-Zürich 99
Zander, ß., Prof Dr., Vom Nervensystem, seinem Bau und seiner Bedeutung
für Leib und Seele im gesunden und kranken Zustand. Von R. Wich-
MANN-Harzburg 100
Heller. Theodor, Dr., Grundrifs der Heilpädagogik. Von Dr. med.
A. ÜLRiCE-Zürich 100
Grotjaun, A., Soziale Hygiene und Entartungsproblem. Von Prof. Blbuler-
Burghölzli (Zürich) 101
Berninger, Johannes, Pädagogik und Hygiene. Schul- und Volksgesund-
heitspflege in der praktischen Berufstätigkeit des Lehrers. Von
ALTSCHüL-Prag 211
Wehmer, K , Enzyklopädisches Handbuch der Schulhygiene. IL Abteilung.
Von Dr. F. ERisMANN^Zürich 212
Ziehen, Th., Prof Dr., Über den Einflufs des Alkohols auf das Nerven-
system. Von Dr. K. WKHRLiN-Zürich 214
Grotjahn, A., Der Alkoholismus. Von Dr. K. WBHRLiN-Zürich 215
OoTTA, Dr., Leitfaden für den Unterricht in der Turngeschichte. Von
Prof. WiCKENHAGBN-Berlin 215
Dr. Leo Bürgerstein, Gesundheitsregeln für Schüler und Schülerinnen
aller Lehranstalten. Von Geh. Med.-Rat Prof Dr. Hermann Cohn-
Breslau 274
BösBAüER, MiKLAs, ScHöNER, Haudbuch der Schwaohsinnigenfüraorge. Von
Franz FRENZEL-Stolp i. Pom 275
Albert Liefe, Über die schwachsinnigen Schaler und ihre Behandlung.
Von Franz FaENZEL-Stolp i. Pom 275
Arno Fuchs, Dispositionsschwankungen bei normalen und schwachsinnigen
Kindern. Von Franz FRENZEL-Stolp i. Pom 276
Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft für Schulgesundheitspflege 1904,
II. Teil. Von ALTSCHUL-Prag 343
Dr. Ralf Wichmann, Geistige Leistungsfähigkeit und Nervosität bei
Lehrern und Lehrerinnen. Von Prof. BLEULER-Burghölzli 346
Dr. Emile Javajl, Der Blinde und seine Welt. Von Dr. STEioBR-Zürich . . 346
Pktzold, J., Sonderschulen für hervorragend Befähigte. Von Dr. Moses-
Mannheim 436
Alex. Hintbbberger, Dr. med., Ist unser Gymnasium eine zweckmäfsige
Institution zu nennen? Von L. BuROERSTEiN-Wien 437
Badziejbwsky, M., Schulärztliche Tätigkeit und Augennntersuchungen. Von
Dr. SrEiOER-Zürich 438
BüRNHAM, A Contribution of the Hygiene of Teaching. Von Oberlehrer
Karl BoLLSR-Darmstadt 507
Pick, Prof. Dr. A., Über einige bedeutsame Psychoneurosen des Kindes-
alters. Von Dr. MosES-Mannheim 507
ScHBöER, H., Methodik des Turnunterrichts. Ein Hilfsbuch für Turnlehrer
und Turnlehrerinnen. Von Prof WiCKENHAGEN-Berlin 510
XIII
Seite
Schmidt, Dr. F. A., Physiologie der Leibesübungen. Von Dr. Altschul-
Prag 611
KoTELMANN, LcDWiG, Dr. med. et phil., Schulgesundheitspflege. Von
Dr. F. ERiSMANN-Zürich 614
>'oLL, F. C, Naturgeschichte des Menschen. Von Dr. Kurt Wehblin-
Zürich 614
ScHSEinBB, J., Dr. med., Des Volkes Kraft und Schönheit. Von Dr. F. Kris-
MAKK-Zürich 696
Bkbrwau), K., Dr. med., und Brauer, Qüstav, städtischer Turnlehrer, Das
Tarnen im Hause. Leibesübungen zur Förderung und Erhaltung der
Gesundheit für jung und alt. Von J. SpüHLSR-Zürich 696
HiLLEB, Edwin L., The Lunch-Room at the Englewood High School.
Babbows, Anka, The Lunch-Room in the High School. Von Physikus
SiEVEKiNO-Hamburg 696
Erklärung von H. H. Schböbb 697
Gaupp. Dr. K., Über den Selbstmord. Von Dr. MosES-Mannheim 779
BsüKo Leuschnbb, Der Schulstuhl in der Qruppenbank. Von H. WiPF-Zürich 780
G. Oattikbr, Zur Frage der Schulaufsicht. Von Dr. Kraft- Zürich 781
Stoll, Hans, Dr., Alkohol und Kaffee in ihrer Wirkung auf Herzleiden
and nervöse Störungen. Von Dr. Kubt Wbhblin in Zürich 863
Ludwig Gurlitt, Der Deutsche und die Schule. Von Prof. Dr. Hagmann-
St. Gallen 864
Mutterschutz, Zeitschrift zur Reform der sexuellen Ethik. Von Dr. med.
Ida HiLFiKEB-Zurich 865
Bibliographie.
38. 102. 216. 347. 511. 698.
Verzeichnis der Mitarbeiter im Jahre 1904 XIV
Sachregister 893
Namenregister 905
Verzeichnis der Mitarbeiter,
welche im Jahre 1905 Beiträge geliefert haben.
Abel, Büdolf, Dr. med., Begieraogs- und Medizinalrat in Oppeln (jetzt Berlin).
Aligkb, Dr. med. in Cbemnits.
Altsohül, Th., Dr. med., k. k. Sanitätsrat in Prag.
Baldrian, Karl, Hauptlehrer a. d. n.-ö. Landes-TaubBtammenanstalt in Wien.
Basedow, Bektor der Hilfsschnle I in Hannover.
Batr, Emanuel, Schaldirektor in Wien.
Bleuler, Prof., Dr. med. in Zürich.
CoHK, Hbbmanh, Geh. Med.-Bat, Prof. Dr. in Breslau.
CoHN, M., Dr. med., Schularzt in Charlottenburg.
DoMiTBOViOH, Armin y., in Berlin.
EaisiCANir, Prof. Dr., Stadtrat in Zflrioh.
Flaohs, Albert, Dr. med. in Moinesti (Bumänien).
Frerzel, Franz, Leiter der städt. Hilfsschule für schwachsinnig Kinder zu
Stolp i. P.
Fürst, M., Dr. med. in Hamburg.
Obrken, f., Lehrer in Hamburg.
QÖTZ, Dr. med. in München.
Oraüpner, Herm., Lehrer in Dresden.
Haobn, Dr. in Schmalkalden.
Hagmann, Prof. Dr. in St. Gallen.
Heller, Theodor, Dr. phil., Direktor der Erziehungsanstalt Wien-Grinzing.
Hbnze, A., Bektor in Hannorer.
Hilfiker, Ida, Dr. med. in Zürich.
HiLLENBERO, Dr., Kreisassistcnzarzt in Oldesloe (Holstein).
Hopf, F. £., Dr. med. in Dresden.
Hrabal, Franz, Dr. med., Schularzt in Profsnitz.
JuBA, Adolf, Dr., Mitglied des ünterrichtsrates, Schularzt in Budapest.
Kooh-Hessb, Alexander, Dr. in Grofs-Lichterfelde.
Kraft, A., Dr. med., Schularzt in Zürich.
Krüker, Stadtarzt in Zürich.
Loeb, Fritz, Dr. med. in München.
Moses, J., Dr. med. in Mannheim.
XV
MouTOK, Dr. med. im Haag;.
PPKIFFK&, £., Dr. med., Physikas in Hamburg.
Philipfi, Dr. med. in Bad Salzsohlirf.
Pboskaübr, Geh. Beg.-Rat Prof., in Berlin.
QuiB8PKU>y Ebuabd, Dr., k. k. Oberbezirksarzt in Rumbarg.
fiAinus, Otto, Dr. in München.
RoLLBB, Kabl, Oberlehrer in Darmstadt.
fiosTOwzBFF, Ob.^ Dr., Sanitätsarzt der OoQTemementslandschaft in Moskaa.
ScHKHCKBin>OBFr, E. TOM, Reichstagsabgeordneter in Görlitz.
Schmitt, Otto, Tanbstummenlehrer in Frankenthal.
SiCKiHOBB, Dr., Schalrat in Mannheim.
SiETBxiKe, Dr., Physikos in Hamburg.
Sfühlkb, Joh., Seminarlehrer in Zürich.
Stugeb, A., Dr. med., Augenarzt in Zürich.
Stockbb, Fbibdbich, Dr. med., Augenarzt in Luzem.
Stkadal, A. G., k. k. Baurat, Ingenieur in Wien.
ULRICH, A., Dr. med. in Zürich.
WsHKLDT, K.. Dr. med. in Zürich.
WsiOL, F., in München.
Weiss, W., Sekundarlehrer in Zürich.
Wichmahn, Ralf, Dr. med., Nervenarzt in Harzburg.
WiCKKHHAGKir, Professor in Berlin.
WiPF, HcH., Primarlehrer in Zürich.
Der Schularzt.
Inhalt.
Originalabhandlungen.
Seite
Die SchularztinstitutioD in Norwegen. Eine Übersicht von H. K.
H&konson-Hansen, Oberlehrer der Volksschule auf der Bischofs-
höhe in Drontheira. Übersetzt von Prof. Dr. Leo Bürgerstbin
in Wien 1. 41
Die Vorschriften zur Verhütung der Übertragung ansteckender Krank-
heiten durch die Schulen und die Tätigkeit des Schularztes auf
Omnd dieser Vorschriften. Von Dr. Schultz, städt. Schularzt in
Berlin. (Vortrag, gehalten im Verein Berliner Schulärzte) 23. 103
Wie bestimmen wir die Konstitution der Schüler? Von Dr. med.
0. Kopps, Schularzt in Pernau (Rufsland). Mit drei Tabellen ... 47. 219
Zur Schularztfrage in Österreich. Von k. k. Sanitätsrat Dr. Altsghul-
Prag 67. 277
Betrachtungen über schulärztliche Statistik und Vorschläge zur Herbei-
führung einer Einheitlichkeit in derselben. Von Dr. Samosch-
Breslau 83. 351 ; 97. 439; 115. 513
Die Schularztfrage vom Standpunkt des Medizinalbeamten. Von
Medizinalrat Dr. BLEZiNGSR-Cannstatt 156. 616
Bericht über die Leistungen und Obliegenheiten der in Königsberg i. Pr.
tätigen zehn Schulärzte in den Jahren 1900 — 1904. Von Dr. Hugo
Laseb, Schularzt 172. 702
Schulärztliche Statistik. Von Dr. Theodor AxTSCHüL-Prag 189. 783
Über den gegenwärtigen Stand der Schularztfrage in Württemberg.
Vortrag, gehalten in der Bezirksschnllehrerversammlung vom
14. Juli 1905 in Efslingen. Von Medizinalrat Dr. SPASTH-Efslingen 209. 868
Kleinere Mitteilungen.
Seite
Neue Schulärzte in Prag, Darmstadt, Nenstädtel, Bayreuth, Markirch,
Karlsruhe 15. 55
Über die Tätigkeit der Schulärzte in Berlin 17. 57
Flegeleien gegen einen Schularzt in Schöneberg 18. 58
Nach welcher Seite hin bedarf die Einrichtung der Schularztstellen
noch ihrer Erweiterung? 18. 58
Neue Schulärzte in Prag und Hainichen . 34. 114
xvn
über den heatigen Stand des Sohularstwesens an den tsoheohiscben
Schulen in Böhmen und Mähren 34. 114
Über die Tätigkeit der Schalärzte in Leipaig 85. 115
Über angeborene Wortblindheit 35. 115
Über die Räckgratverkrnmmnngen des sohulpflichtigen Alters 36. 116
Zar Schalarztfrage in Württemberg 37. 117
Für den Berafsschalarzt 37. 1 17
Zar Schalarztfrage in Stuttgart 52. 224
Die Schalarztfrage in Stettin 55. 227
Bine schalärztliche Krisis 56. 228
5eoe Schulärzte in Köpenick, Radeberg, Hanau, Heidelberg, Bismark-
hntte, Spandau, Bemburg, Raschau, Voigtsberg, Maxgrun, Lauter-
^ bach 56. 228
über die Tätigkeit der Schulärzte in Berlin 57. 229
Behandlung der Wirbelsäuleverkrümmungen bei Schulkindern 57. 229
Zar Scbularztfrage 57. 229
Zur Schalarztfrage in Hamburg 58. 230
Schalärzte flir Wien 58. 230
Schuiarst in Helsingfors 58. 230
Schulärzte in Elmshorn 58. 230
Berichtigung 58. 230
Anstellung von Schulärzten in Bremen 70. 280
Notwendigkeit der Anstellung ron Schulaugenärzten 72. 282
Sdialarzt zu Zaandam 73. 283
Schulärztliches aus Holland 73. 288
Schutärztliche Aufsicht 74. 284
Der Schularzt an der Hilfsschule für Sohwachbefahigte 75. 285
Ärztliche Schulatteste 76. 286
Anstellnng von Schulilrzten in Breslau 77. 287
Schulbesichtigung durch Kreisärzte 77. 287
Anatellong von Schulärzten in Hamburg 78. 288
Nene Schulärzte in Bremen, Hannover, Stötteritz, Wiesbaden, Stettin,
Bochum, Berlin, Karlsruhe, Hamburg 92. 360
Abgelehnte Schulärzte in Lüdenscheid, Schmolln, Colberg, Breslau... 93. 361
Magdeburger schulärztliche Verhältnisse 94. 362
Weibliche Schulärzte in Hannover 110. 452
Schularzt in Barmen 110. 462
Schularzt in Stötteritz 110. 452
Schulärzte in kleinen Städten 110. 452
Schalärzte in Bunzlau 110. 452
Schulärzte in Saarbrücken 110. 452
Anstellung von Schulärzten in Werdau 110. 452
Schulärztliche Untersuchung der neu einzuschulenden Kinder in Berlin 110. 452
Schularzt im Nebenamt oder Berufisschularzt 111. 458
Seae städtische Schulärzte fSr Mittelschulen in Breslau 140. 538
Schulärzte in Hannover 141. 639
Schulhygienische Verhältnisse in England 141. 539
Besserstellung der Schulärzte in Chemnitz 162. 622
ntigkeit des Kreisschularztes in 0£Penbaoh 162. 622
Die Schularztfrage in Württemberg 163. 623
Ergebnisse schulärztlicher Untersuchungen in Wilmersdorf 163. 623
Schulärzte in Treptow 164. 624
Schulärzte in den Düsseldorfer Landgemeinden 164. 624
Anstellung eines Schularztes in Nietleben 164. 624
Drei Schulärzte in Mühlhausen 164. 624
Die Schularztfrage in Frankreich 164. 624
Tätigkeit der Schulärzte in Lichtenberg 165. 625
Schidaugenarzt in Meiderich am Niederrhein ■ . . 180. 710
Neue Schulärzte in Niet leben, Marburg, Wiebelskirohen, Paris, Hheine,
Köpenick 180. 710
BehalgMondlMitspflegs. XVIII. b
xvra
8«tte
Staatliehe Organisation des Sohnlarztwesens in Württemberg 180. 710
Inwieweit bedarf die Bchuiärztliobe Einrichtung noch der Erweiterung? 180. 710
Der Schularzt für höhere Lehranstalten, eine notwendige Ergänzung
unserer Schulorganisation. Von K. A. Martiv-Hjlbtmakn 202. 796
Die Schularztfrage in Hamburg 203. 797
Schulärzte für die Mittelschulen in Czernowitz 204. 798
Tätigkeit der Schulärzte in New York 204. 798
Ausschiais tuberkulöser Kinder aus der Schule 205. 799
Neue Schulärzte in Stettin, Faunsdorf, Lichtenberg, Köpenick, Treptow-
Baumschulenweg, Marburg (Steiermark) 205. 799
Die Schularztfrage 218. 878
Schulärztliche Tätigkeit in Görlitz 219, 879
Neuregelung der ärztlichen Kontrolle der Schulkinder in Solingen . . . 219. 879
Anstellung städtischer Schulärzte 219. 879
Neue Schulärzte in Hildesheim, Chemnitz-Hilbersdorf, Elberfeld, Bum-
melsburg 220. 880
Neue Dienstordnung für Schulärzte in Spandau 320. 880
Erhöhung der Zahl der Schulärzte in Berlin 220. 880
Stellung der Kinderheilkunde zur Schulhygiene 221. 881
Einführung . von Schulärzten an den höheren Schulen in Breslau 221. 881
Referate über neu erschienene schulärztliche Jahresberichte.
8«lte
Der Wiesbadener Jahresbericht pro 1908/04 68. 18
Schulärztlicher Jahresbericht der Stadt Chemnitz 1903/04 38. 118
Schulärztlicher Jahresbericht der Stadt Magdeburg 1903/04 40. 120
Jahresbericht übei' die schulärztliche Tätigkeit an den Hilfsklassen der
städtischen Volksschule in Worms 60. 232
Zweiter und dritter Bericht (SchuHahr 1902/1903 und 1903/1904) über
die Tätigkeit der städtischen Bezi ksärzte in Brunn als Schulärzte 106. 448
Bericht 1903/04 der Deutschen evaugel. Priratvolkssohule in Frag . . . 142. 540
Schulärztlicher Jahresbericht Mainz 1903/04 142. 540
28. Jahretibericht des Unterrichtsministers für Japan 1900/01 143. 541
Austausch schulärztlicher Jahresberichte 144. 542
Jahresbericht über die schulärztliche Tätigkeit in den Mittel- und
Stadtschulen zu Darmstadt 1903/1904. Erstattet von Dr. Buchhold.
Von Dr. GBBBECKB-Breslau 167. 627
Bericht über die Tätigkeit der Schulärzte in Mülhausen i. Eis. seit 1903 185. 715
Jahresbericht über die schulärztliche Tätigkeit in Ems 1904 187. 717
Qeneral behebt über das erste Jahr des schulärztlichen Dienstes in Mül-
hausen i. Eis. vom 1. April 1903 bis 81. März 1904. Erstattet von
Dr. med. W. Sachs, Obmann der Schulärzte 206. 800
Schulärztlicher Jahresbericht der Stadt Leipzig für das Sohufjahr
1903/1904. (Aus dem Berichte des Stadtbezirksarztes) 224. 884
Schulärztlicher Gesamtbericht über die fünf Volksschulen der Stadt
Erfurt für das Schuljahr 1902/1903. Von Dr. Loth, Sanitätorat . 229. 889
Literarische Besprechungen.
Dr. Theodob Altsohül, k. k. Sanitätsrat, Prag, Die Schularztfrage
in Osterreich. Von Dr. SoHUBXBT-Nürnberg 60. 232
XIX
Dienstordnungen für Schulärzte.
Seit«
Diensiordnang für die städtisohAxi Schulärzte in Mülhausen i. Eis 60. 20
DienstoTdnung für die Schulärzte zu St. Johann a. d. Saar 42. 122
Dienstanweisung für die Schulärzte der Stadt Königsberg i. Pr 61. 233
Dienstanweisung für die Schulärzte in Frankfurt a. 0 63. 235
Dienstanweisung für die Schulärzte au den Mittel- und Volksschulen
zu DarmsUdt 78. 288
Belehrung für Schulärzte der Stadt Prag 95. 363
Dienstordnung für die Schulärzte der Stadt Hannover 145. 543
Ordnung betreffend die Annahme und die Tätigkeit von Schulärzten
an den Gemeindeschulen der Stadt Spandau 229. 889
Verzeichnis der Mitarbeiter im Jahre 1905 XX
Sachregister 909
Namenregister 913
Der Schularzt.
Verzeichnis der Mitarbeiter,
welche im Jahre 1905 Beiträge geliefert haben.
Blkzingxb, Dr. med., Hedizinalrat in Cannstatt.
BuBOBBSTBiN, L., Pfof. in Wien.
H&coNSON- Hansen, M. E., Oberlehrer der Volksschule auf der Bischofböhe in
Drontheim.
Hartmann, A., Prof. Dr. in Berlin.
Koppe, 0., Dr. med., Schularzt in Pernau.
Kbapt, A., Dr. med., Schularzt in Zürich.
Lasbb, Huoo, Dr. med., Schularzt in Königsberg i. Pr.
Obbbbcke, Dr. med., Stadtarzt in Breslau.
VON Rad, Dr. med. in Nürnberg.
Samosch, Dr. med., Schularzt in Breslau.
Schubert, P., Dr. med., Hofrat, Augen- und Ohrenarzt in Nürnberg, (f)
Schultz, Dr. med., städtischer Schularzt in Berlin.
Spabth, Dr. med., Medizinalrat in Efslingen.
Zbman, J., Lehrer in Nachod.
Ifttfilrif) für Sd|ttl|rfiii)i|rit$|ifl(jir.
XVIII. Jahrgang. 1905. No. L
(Bri^iitaUii^ttilttttjeii*
über hygienischen Unterricht in der Schale.
Von
Dr. HlLLENBEBG,
Kreisassistenzant in Oldesloe (Holstein).
In der Erkenntnis, dals ein bestmöglicher Grad Ton Volksgesnnd-
lieit sowohl für die gedeihliche Entwicklung eines Volkes, wie für
die Erhaltung der einmal erreichten Knltorhöhe eine unabweisbare
Notwendigkeit darstellt, ist der Staat in stetig zunehmendem Maise
kmüht, dieser Forderung, soweit die Mittel und Wege reichen und
gangbar sind, Rechnung zu tragen. Dieses Bestreben hat in der ge-
samten modernen Medizinalgesetzgebung seinen Ausdruck gefunden,
und weitere gesetzgeberische Maisnahmen sind geplant, alles zu tun, um
derYolksgesundheit einen menschenmöglichen Grad der Vollkommen-
heit zu verleihen. Die Einsichtigeren des Laienpublikums stehen
diesen Bestrebungen auch mit ToUster Sympathie gegenüber und
treten für die Überführung wissenschaftlicher Erkenntnis in den
Dienst des praktischen Lebens mit ganzer Kraft ein, pflanzen hier
und da das Eom der AullLlärung in die grofse Masse und genieisen
sack die Freude, hin und wieder zu ernten, was sie gesät.
Aber was will das Verständnis einzelner Persönlichkeiten
bedeuten der Einsichtslosigkeit der Menge gegenüberl Und
dennoch ist es nötig, soll anders das Ziel, das der heutigen Hygiene
TOTsehwebt, wirklich erreicht werden, dafs jedermann ihre Grundideen
und -Lehren in sich aufnehme wie die zehn Gebote. Ein Gebiet
der Hygiene vor allem, das dem grolsen Publikum im wesentlichen
«ne terra incognita ist, mufs dem Volk mehr und mehr erschlossen
werden, das sind die ansteckenden Krankheiten, ihr Wesen,
ikre Verbreitung, Verhütung und Bekämpfung.
Sdialg«iiuid]ieit«pflege. XVIU. 1
überzeugt Ton der Notwendigkeit dieses Postulats, weisen autori-
tatire Stellen, vor allem die Äncte und insbesondere die Medizinal-
beamten, immer und immer wieder darauf bin, dureh Yortriige, Auf-
sätze, BroscbOren usw. bygienisobe Aufklärung ins Volk zu tragen
und auf diese Weise dem grolsen Publikum aucb eine Vorstellang
beizubringen von dem Wesen der akuten Krankbeiten und ibrer Be-
kämpfung. Gewiis wird auerkennenswerterweise bier und dort auch
reger Eifer in dieser Beziebung entwickelt, mir persönliob bat sich
dabei jedocb immer die Überzeugung aufgedrängt, dals, soweit es
sieb um Leute aus dem Volke bandelt, gerade bezügliob einer Auf-
klärung über die ansteckenden Krankbeiten alle Arbeit so ziemlich
yerlorene Liebesmübe darstellt. leb babe im Laufe von Jabren bei
sieb stets wiederbolenden Gelegenbeiten mannigfacber Art, zum Teil
vor denselben Leuten, mir die mögliebste Mübe gegeben, über G-rand-
züge der Hygiene, speziell aucb der Bakteriologie, gemeinverständlich
zu reden, babe Abbildungen, Tafeln gezeigt, um durob Anscbaunng
noch yerständlicber zu werden, aber der Elfifekt war, wenn ein ander-
mal die Probe aufs Exempel gemaobt wurde, stets ein berzlicb nega-
tiver. Man braucht sich aucb wahrlich nicht darüber zu wundem,
wenn man bedenkt, was man eigentlich von den Leuten verlangt,
und wenn man sich fragt, ob denn die Leute aucb geistig bereits so weit
fortgescbritten seien, um neue Tatsaoben, die früher nie oder nur aas
weiter Feme an ihr Obr gedrungen waren, in sieb aufzunebmen und
zu verarbeiten. Einmal kommen da alteingewurzelte Vorstellungen von.
den Lebensvorgängen, Krankheit, Tod usw., in Betracht, die aus dem
Begriffsquantum der Leute so leicht nicht auszurotten sind. Sodann wird
von ihnen, z. B. bei der Erklärung des Entstehens ansteckender
Krankbeiten, verlangt, dafs sie sich gewissermafsen in das Reich des
Unsichtbaren mit ihren Vorstellungen hineinbegeben, dals sie, ich
möchte sagen, mit Mächten rechnen sollen, von deren Wesen, Aus-
sehen, Bedeutung und Wirkung ihnen so mancherlei erzählt wird,
die ihnen jedoch in den seltensten Fällen ad oculos demonstriert
werden und deshalb meist so fremd und unverständlich wie möglich
bleiben, wenn auch zehnmal auf die Frage: „Können Sie sich das
nun wirklich vorstellen?" mit einem verständnisvollen Kopfnicken
geantwortet wird. Es ist aber, wie ich schon oben gesagt, ein drin-
gendes Erfordernis, dafs, ich mufs sagen, jedes gröfsere Kind die
Grundelemente des Wesens der Infektion usw. kennt. Kein Gesetz,
kein Hygieniker, kein Medizinalbeamter oder Gesundheitsaufseher
kann das Volk auf allen seinen Wegen ständig begleiten, um dort,
wo « nötig ist, sofort die Stimme zu erheben, die filhroinde Hand
sa bieten. In der Stadt ifit es nnter Umständen leichter, znr rechten
Zeit einzuschreiten, wenngleich anch hier grofse Epidemien von an-
steckenden Krankheiten immer wieder sich einstellen, aber das Land
mit seinen Bewohnern mtüs in erhöhtem Mafse ans sich selbst heraus
Prophylaxe treiben, ist in der Verhütung des Auftretens und der
Verbreitung ansteckender Krankheiten zum grolsen Teil auf sich
selbst angewiesen, und deshalb ist es erforderlich, dafs gerade auf
dem Lande, zumal bei seinen vielfachen Beziehungen zur Stadt, das
Verständnis für hygienische Ma&nahmen weitgehendste Verbreitung
finde, dafs hier, ohne fremdes Eingreifen, von den Leuten selbst
zweckmäisig gedacht und gehandelt werden könne.
Der Staat hat einen energischen Kampf begonnen gegen einen
▼eAeerenden Feind des Menschengeschlechts, den, wenn nicht gänzlich
in yemichten, so doch in seiner Schädlichkeit wesentlich einzuschränken
sehr wohl in des Menschen Macht liegt; er hat Führer in diesem
Kampf zur Seite, die ihr Bestes tun. Das eigentliche Heer ist das
Volk selber, das zurzeit jedoch noch nicht genügend vorbereitet und
gerastet ist zu dem wahrlich ernsten Streit, der schöne Siege bringen
kann. Gleichwie mit einem gewissen Recht gesagt wurde, dals der
prenisische Volksschullehrer Preufsen grols gemacht habe, d. h. mit
anderen Worten, dafs in der Volksschule und der in ihr gebotenen
geistigen und körperlichen Erziehung der Eckstein für die künftige
politische Gröfse bereitet, der Grund der späteren Siege gelegt wurde,
IG mnls auch für den neuen Kampf, der unendlich schwerer ist, weil
er gegen eine Legion von unsichtbaren Feinden geführt wird, wiederum
in der Schule das Schwert, das geistige Rüstzeug geschmiedet
werden, mit dem wir schlie&lich den Sieg erringen werden.
Es kann sich fragen: Ist denn wirklich die Volksschule deren
Anfgabe doch im wesentlichen darin besteht, den Menschen zu be-
ifthigen, sich später einen Platz auf dem grofsen Markt des Lebens
ansznsuchen und zu behaupten bezw. konkurrenzfähig zu bleiben,
dazu da, Hygiene — eine Disziplin, die bisher fast aussohliefslich
anf der hohen Schule der Alma mater gelehrt wurde — den
Kindern beizubringen? Wie die Verhältnisse heute liegen, und
nachdem man erkannt hat, welch ungeheuren Wert gerade dieses
Fach für das Leben der Gesamtheit wie des einzelnen gewonnen,
ifit meiner ÜberzeuguDg nach die Zeit gekommen, wo die genannte
Wissenschaft mit ihren Zweigen nicht blols einer Minderzahl
besonders Bevorzugter ihre Tore öfiEnen darf, sondern wo die
praktisclien Emmgensohaften derselben j edem Mensehen auf seinen
späteren Lebensweg mitgegeben werden sollen, damit er an ihrer
Hand das köstlicbste Gnt dieses Lebens, die Gesundheit, die eigene
sowohl wie die der Familie, sich nach besten Kräften erhalten und
somit beitragen kann znm Wohl und Glück der Nation, des Vater-
landes. Erst wenn jeder Arbeiter, jeder Handwerker weifs, was An-
steckung und Desinfektion ist, wenn die Bedentang Ton Licht, Luft,
Reinlichkeit, zweckmäfsiger Kleidung, yernünftiger Lebensweise,
Zahnpflege usw. dem greisen Publikum in Fleisch und Blut über-
gegangen, wird die Hygiene anfangen, wahre Triumphe zu feiern.
Gewils klingt diese Forderung im ersten Augenblick überspannt, ihre
Durchführbarkeit wird mancher Ton vornherein energisch ableugnen ;
ich bin auch nicht so sanguinisch, zu glauben, daCs dieses Ziel leicht
und vollständig zu erreichen sei, wie ich mich auch nicht Einwürfen
anssetzen möchte wie z. B.: die Bazillen werden durch alle Maß-
nahmen doch nicht ausgerottet werden, Schmutz wird es stets geben,
der Tod wird sich aus seinem bisherigen Recht nicht absetzen lassen
usw.; die Zuversicht hege ich aber, dafs sich im Laufe der Zeit,
wenn alle Faktoren in geeigneter Weise zusammenwirken, die Ziffer
der Erkrankongen an ansteckenden Krankheiten sich soweit herab^
mindern lassen wird, dals ein epidemieartiges Auftreten derselben
zu den grofsen Seltenheiten gehören wird.
Heutzutage hat die grofse Mehrzahl des Volkes von dem Wesen
der Infektionskrankheiten mehr oder weniger keine Ahnung, hält
dieselben für solche, die fast jeder einmal durchmachen müsse, und
besitzt noch keinen Glauben an ihre Vermeidbarkeit. Ich will nur die
Tuberkulose erwähnen; wie wird trotz aller mahnenden und be-
lehrenden Worte immer noch, wenigstens hierzulande, in erschreckend
geringem Mafse ihr gegenüber Verständnis CDtwickeltl Aller War-
nungen uDgeaohtet findet man immer wieder, dafs schwindsüchtige
Ehegatten, womöglich gemeinsam mit einem bis zwei Kindern, in
einem Bette schlafen, auch da, wo die ökonomischen Verhältnisse nicht
ungünstig liegen, wo nur die liebe Gewohnheit abgescha£ft werden
müfste ; ferner dafs aller Auswurf auf den Boden der Stube deponiert
wird, bestenfalls auf einen mit einer Papiereinlage versehenen Teller
usw. Man findet kein wirkliches Verständnis für die Aufklärungs-
versuche, und auch alle behördlichen Mafsnahmen nützen nur so lange,
als der, welcher sie anordnet, in der Nähe weilt.
Dieser Zustand mufs eine Änderung erfahren und kann es nur,
wenn beizeiten die Jugend darüber unterwiesen wird, was Hygiene ist
und was sie will. Das heranwachsende GFesohleoht muis vertrant gemacht
werden mit den Grandzügen hygienischer Lebensführnng; in der
Sehnle mnfs das Verständnis für letztere so weit geweckt werden,
dab im späteren Leben jeder einzelne im gegebenen Augenblick
einen nützlichen Gebrauch von dem anf der Schale Erlernten za
nachen imstande ist. Es genügt nicht, dals Lehrer und vieUeioht
Prediger während ihrer Ausbildung mit den Grundzügen der G^ond-
heitslehre so weit bekannt gemacht werden, dafs sie später in ihrem
Sehulbezirky in ihrer Gemeinde auf Vorposten stehen können im
Dienste der Hygiene. Wohl ist ihr Ansehen hier und da grols, ihr
Einflnls nicht unbedeutend, und manches Erspriefslicbe mag von
Urnen geleistet werden können, wenn sie bei jeder sich bietenden
Gelegenheit mit Verständnis den Fragen praktischer Hygiene sich
widmen. Aber zwischen ihnen und den übrigen nicht eingeweihten
Laien würde die Kluft bestehen bleiben, die eigenes Wissen auf der
einen Seite, Verständnislosigkeit auf der anderen bildet; ein wirk-
lieher Schritt Torwarts würde auf diese Weise nicht gemacht werden.
Es bleibt nichts anderes übrig, als dafs auf der Schule Hygiene
obligatorischer Lehrgegenetand werde, da& jede Schule mit
den nötigen in Betracht kommenden Hilfsmitteln ausgestattet werde,
und dafs auf diese Weise jedem Kinde einfache Lehrsätze der
Hygiene wie Sprüche der Bibel beigebracht werden, die es kennen
und beherrschen mufis, wie z. B. das Einmaleins.
Ich kann es nicht für ausreichend halten, wenn die Hygiene
aaf der Schule in der Weise behandelt wird, dafs gemeinverständlich
geecliriebene Artikel über wichtige hygienische Fragen in die Lese-
büeber aufgenommen und in der Lese- (deutschen) Stunde durch-
genonunen und erklärt werden. Es würde diesem so bedeutsamen
Gegenstand hierdurch unwillkürlich in den Augen der Schüler etwas
Nebensächliches anhaften; was „so nebenbei^ gelehrt wird — und
um ein anderes kann es sich bei der genannten Art der Behandlung
niebt handeln — , vermag niemals auf den Geist einen so dauernden
Bindmck zu erwecken, als wenn ein Gegenstand vollwertig vorgetragen
wird. Es würde so kaum halbe Arbeit geleistet werden, und der
Erfolg wäre schlieMich im besten Falle auch nur ein halber. Was
wäre hiermit erreicht? — Meines Erachtens dasselbe, als wenn man
einem Starblinden den Star sticht und ihn fortan ohne Brille herum-
laufen läfigt. — Ich erachte es vielmehr für absolut notwendig, dals
in besonderen Unterrichtsstunden einzelne passende Elapitel
ans dem Gesamtgebiet der Hygiene gelehrt werden, und betone, dab
auch die Bakteriologie in ihren einfachsten Grundzügen dabei zu
ihrem Rechte gelangen sollte.
Selbstverständlich sollen anf der Sohnle keine Bakterien gezüchtet
nnd gefärbt werden. Es genügt, den Schülern die Bedentnng des Klimas,
Ton Wasser, Lnft, Boden, diejenige der Beseitigung der Abfallstoffe,
der Hantpflege, der Nahmngsmittel usw. in grolsen, markigen Zügen
klar zn machen. An einfachen Versuchen, geeigneten Präparaten,
Abbildungen usw. lälst sich dann auch kurz die unendliche Wichtig-
keit der Bakterien den Schülern TeranschauUchen, so dals sie diesen
Fragen im späteren Leben Verständnis entgegenbringen und sich
dementsprechend in richtiger Weise verhalten können. Dieses ganze
Gtebiet ist ja doch weiter nichts als Naturgeschichte, aber ein Gebiet,
das im Leben der Menschheit eine viel gröfsere Bedeutung beansprucht,
als vieles andere, das in der Schule unter dem Titel „Naturkunde''
gelehrt wird.
Es könnte sich fragen, ob bei dem allgemeinen Ruf naoh Ent-
lastung der Schule diese neue Belastung sich sowohl mit dem Lehr-
plan, wie mit der Fassungs- und Leistungskraft der Schüler vertragen
würde. Ich kann mir wohl denken, dals zunächst mancher Pädagoge
sich dagegen auflehnen dürfte, weil besagter Lehrgegenstand nach
seiner Ansicht nicht streng in die Schule hineingehörte. Ich meine,
alle etwa zu erhebenden EiuAvände müssen verstummen, wenn man
erat die Bedeutung der Frage für das praktische Leben erfafst hat.
Manch einem mag freilich die Beschäftigung mit gesundheitlichen
Dingen in der Schule sozusagen als überflüssige geistige Spielerei
vorkommen — wie auch mancher Gebildete die gesamten Bestrebungen
der heutigen Hygiene als einen Wurf übers Ziel hinaus auffalst — ;
andere werden sagen: 12 — 14jährigeD Kindern kann man über solche
Dinge wegen nicht genügend ausgebildeter Fassungskraft überhaupt
nicht vortragen. Nach meiner Überzeugung gehört gar nicht soviel
geistige Gewecktheit dazu, die einfachen Grundzüge der Gesundheits-
lehre zu verstehen; sind sie doch zum Teil so einfach, dais leider so
viele es überhaupt nicht für der Mühe wert erachten, sich ihnen zu
widmen.
Andere werden einwenden, dals es wohl angängig sei, den Kindern
die Grundbegriffe allgemeiner Gesundheitslehre beizubringen, dals
es jedoch über ihren Horizont hinausgehen würde, wollte man sie
mit Bakterien traktieren. Ich erwidere darauf folgendes: Die ein-
fachsten bakteriologischen Versuche (mit gekochten Kartoffelui Brot usw.)
lassen sich in jeder Schule leicht anstellen, ein oder mehrere ein&che
Miboskope, aber die jede Scbule verfügen müiste, machen den Schttlem
die nnncbtbare kleine Lebewelt siebtbar, nnd der Eindruck wird
grob sein, den das kindliche Gemüt ans dem Gesehenen und Ge-
hörten dayonträgt. Das Experiment, und ist es auch das einfachste,
nützt mehr als tausend theoretische Worte, und zum Verstehen ein-
&cher bakteriologischer Vorführungen und der daraus zu ziehenden
Uaren Schlüsse gehört kein Weiser. Der Segen, der durch die Auf-
nahme der Hygiene in den Lehrplan für das körperliche Gedeihen
der Nation gestiftet würde, scheint mir gleichwertig zu sein mit all
den Segnungen, welche die Schule auf geistigem Gebiet dem Volke
gebracht hat. Wenn beides Hand in Hand geht, wird eine noch
erhöhte Leistungskraft der Nation die Folge sein, dem sog. sozialen
Elend würde ein scharfer Zahn ausgebrochen werden, der am Marke
des Volkes bisher unerbittlich zehrt und Unglück und Sorge in
mancherlei Gestalt dem Hohen und Niedrigen, Armen und Reichen
in gleicher Weise bereitet.
Eb bleibt die Frage zu erörtern übrig, die manchem als die am
schwersten zu lösende erscheinen mag: Wer soll den Unterricht er-
teilen? Meiner Ansicht nach sind hierzu die Lehrer der Schule
allein berufen. Von der Heranziehung der Ärzte wäre abzusehen
ans verschiedenen Gründen: An sehr, sehr yielen Orten auf dem
Lande wären sie nicht zu erlangen; sodann fehlt den Ärzten doch
eine pädagogische Vorbildung und der stete, innigere Zusammenhang
mit den Kindern. — Für die höheren Schulen können sich die in
Betracht kommenden Lehrkräfte während ihrer Studienzeit durch
Anhören hygienischer Vorlesungen, Teilnahme an Kursen usw. die
nötige Vorbildung verschaffen. Auch die Volksschullehrer müfsten
ihre hygienische Vorbereitung auf der Universität oder in ent-
sprechenden LdStituten erhalten; es könnten in jedem Semester auf
einigen Universitäten besondere Vorlesungen mit praktischen Übungen
in der Hygiene für Lehrer abgehalten werden, deren Besuch
Ar jeden Volksschullehrer obligatorisch ist Hiermit würden die
Lehrer auch der Erfüllung des Wunsches näher kommen, dafs ihnen
die Pforten der Universität zu ihrer Weiterbildung sich öffnen
möchten. — Das Bestreben, die Schule unter ständige hygienische
Beobaohtnng und Beratung zu stellen, gewinnt ja erfreulicherweise
immer mehr Boden; wenn auch nicht jede Schule ihren ständigen
Sdralarzt besitzt, so hat doch wenigstens der Kreis- bezw. Bezirks-
ant auf einen sehr greisen Teil der Schulen einen gewissen hygie-
niaehen EinfluA, der in seiner Bedeutung nicht zu unterschätzen ist.
8
Es ist somit ein erster Schritt getan, Hygiene in die Schnle als
Gtanzes hineinzutragen: der zweite auf dem eingeschlagenen Wege
wäre der, diej Schüler soweit mit allgemeinen Kenntnissen in der Oe-
snndheitslehre auszustatten, daüs umgekehrt aus der Schule heraus
hygienisches Denken und Handeln ins Leben zu dringen Tennöchte,
und somit ein Ejreis geschaffen würde, innerhalb dessen der einzelne
die Gewähr bietet, verständnisvoll zu empfangen imd wieder na^h.
au&en zu betätigen, was ihm von berufener Seite zum Schutz tüi
Gesundheit und Leben in die Hand gegeben wird. Mühe und Arbeit
mag das Ziel, dessen endgültige Ergreifung in dem Sinne, wie der
Idealist es wünscht, vielleicht nie in unserer Macht steht, in gewalti-
gem Grade beanspruchen, aber der Überzeugung von der Notwendig-
keit, schon in der Schule den Grund zu hygienischer Ausbildung zu
legen, wenn anders je wirklich Erspriefliches, z. B. auf dem Gebiete
der Seuchenbekämpfung, erreicht werden soll, dürfte sich niemand
verschliefsen, und ich hege auch die Zuversicht, dafs die Schule der
Zukunft sich in ständig erweitertem Mause mit der Vorbereitung für
die Anforderungen des täglichen praktischen Lebens befassen muls
und wird.
Wenn in den vorstehenden Ausführungen bezüglich Behandlung
der Hygiene in der Schule auf die ansteckenden Krankheiten viel-
leicht zuviel Gewicht gelegt zu sein scheint, so betone ich zum
SchluHs noch einmal ausdrücklich, dais ich allen anderen hygienischen
Fragen mindestens dieselbe Bedeutung bei dem Unterricht in der
Gesundheitslehre beimesse; sind doch die Bakterien nicht die ein-
zigen Feinde des Menschen, die einzige Ursache vermeidbarer
Krankheiten. Ich habe diese Seite der Hygiene deshalb besondere
nachdrücklich hervorheben zu müssen geglaubt, weil ich in der täg-
lichen praktischen Berufsarbeit gerade ihr gegenüber vielfach das
geringste Mals von wirklichem Verständnis gefunden und oft den
lebhaften Wunsch verspürt habe, es möchte das grolse Publikum
hauptsächlich auf dem Gebiete der ansteckenden Krankheiten ein
wenig mehr erleuchtet sein, weil es hieraus den unmittelbarsten und
greifbarsten Nutzen für sich ziehen könnte. So wünschenswert es
ist, dafs das Volk z. B. die Bedeutung einer regelmäfsigen Zahnpfleg«
erfasse, so ist noch niemand daran gestorben, dafs er sich sein Lebe-
lang die Zähne nicht geputzt oder vom Zahnarzt hat nachsehen lassen.
Man wird mir sofort entgegenhalten, dals es nicht darauf ankäme,
wieviel durch eine hygienische Maisregel als solche direkt genützt wird,
sondern darauf, dafs das hygienische Gesamtniveau des Volkes —
9
um mieh so aiudrüoken su dürfen — gehobeD wird. Ohne Zweifel
igt dies das Ziel aller hygieoisohen Anfklämngsbestarebnngen; allein
ieh glaube, der Laie, der in alten, ausgetretenen Q^leisen tappt, wird
um 80 eher ans seiner Spnr heransznbringen sein, je greifbarer man
ihm den Vorteil eines neuen, von ihm noch nicht begangenen Pfades
Tor Augen fahrt. Und dies scheint mir am deutlichsten geschehen
n können, wenn der einzelne beizeiten darin vornehmlich unterwiesen
wird, wie er sich und seine Angehörigen Tor einer unter Umständen tödlich
eodenden, aber durch bedachte Vorsichtsmalsnahmen wohl vermeid-
baren akuten Krankheit schützen kann* Aus solcher Überlegung
heraus habe ich auf den begrenzten Unterricht auch in bakteriologi*
sehen Dingen auf der Schule Wert legen zu müssen geglaubt, zumal
gerade dieses Spezialgebiet für die Schule durchaus entbehrlich er-
scheinen möchte.
Die Schulbank in den Hil&klassen für Schwachbef&higte.
Von
Otto Schmitt,
Taabstnmmenlehrer in Frankenthal.
Die Ausführungen des Herrn Dr. J. MöSBS-Mannheim über |,Die
Schulbank in den Hilfsklassen für Schwachbefähigte'' in
Nr. 12 dieser Zeitschrift, Jahrgang 1904, veranlassen mich zu nach-
stehenden Bemerkungen:
1. Dr. MosBS gibt der zweisitzigen Schulbank den Vorzug.
Das Ideal aller Schulbänke aber ist und bleibt der Einsitzer.
Die Ton Dr. M. angeführten Gründe gegen die einsitzige Bank sind
in keiner Weise stichhaltig. Der Einsitzer aber darf nicht nach
dem System BETTia ausgeführt sein. Denn in der Bettigbank tritt
eine rasche Ermüdung der Schüler ein, weil die steile Einzellehne
and die schmale Sitzbank eine Aufrechthaltung des Körpers mit
zusammengedrücktem Brustkorbe erzwingen. Es mufs also die
Forderung nach einer bequemeren Schulbank gestellt werden, nach
einer Schulbank, deren Lehne einen gröiseren Neigungswinkel fär
den Bücken bildet.
2. Die von Dr. M. geforderte Umlegbarkeit der Schulbänke
zwecks Beinigung des Sehulsaales ist nicht unbedingt notwendig;
10
bei einer genügenden Anzahl von Hilfskräften f&r die SobuLsaal-
reinignng kann die Umlegbarkeit der Bänke selir gnt vermüst werden.
3. Dr. M. ist ein besonderer Frennd des Fnfsrostes. loh kann
mich ans verschiedenen Qründen damit nicht befreunden. Man be-
denke nur, dab der nnter dem Fufsroste liegende Staub und Schmuts
nicht genügend berücksichtigt wird. Denn auch der eifrigste Schul-
diener wird einmal Gelegenheit finden, den Schulsaal ohne Umlegen
der Subsellien zu reinigen. £r kann es auch wagen, dies zu tun^
▼erbirgt ja der Fulsrost den spähenden Augen des Lehrers ntiT zu
leicht den darunter liegenden Schmutz. Immer und überall wird es
vorkommen, dafs die Eander Speisen mit in die Schule nehmen.
Die auf den Boden fallenden Speisereste können aber nicht sofort
beseitigt werden und gehen infolgedessen in Fäulnis über. Schul-
Utensilien, welche auf den Boden fallen, können nur unter Störung
des ganzen Schulbetriebs wieder ans Tageslicht befördert werden.
Also fort mit dem Fufsrost, der nicht direkt auf dem
Fufsboden aufliegt. Bezüglich des Fufsbrettes ist femer noch zu
betonen, dafs dasselbe keine Stütze des Körpers bieten, sondern
vielmehr dem Unterschenkel als Ruhelage dienen und dadurch die
Oberschenkel entlasten soll.
4. Dr. M., die Ungeschicklichkeit der Schwachbefähigten anfüh-
rend, behauptet, dafs sich die „Bänke mit beweglichen Teilen schlecht
für Hilfsklassen eignen^.
Hier muGs ich unbedingt Eülenbebg und Baoh beistimmen,
die mit Recht sagen, dals eine feste Bank niemals imstande sein
wird, ein System mit beweglichen Teilen zu ersetzen. Ich glaube,
das liegt so klipp und klar vor Augen, dafs man darüber gar nichts
mehr zu sagen braucht.
Quetschungen und sonstige Verletzungen sind in unserer Anstalt
noch niemals vorgekommen, auch nicht bei Schwachbegabten Taub-
stummen. In Gebrauch haben wir Subsellien der I. Frankenthaler
Schulbankfabrik Lickroth & Oie.; auiserdem solche von Fuhrmann
& Haus. Geräusche, hervorgerufen durch den Mechanismus der Sub-
sellien, kenne ich bei diesen Systemen nicht.
5. Den von Dr. Moses aufgeführten Forderungen bezüglich der
Konstruktion der Sitzeinriohtung entspricht die Rettigbank nicht.
Wie auch EüLBNBBna bemängelt, ist hier der Sitz viel zu schmal.
Ich finde auiserdem, dals er nicht genügend geschweift ist. Gerade
für die Rettigbank kann man die von Dr. M. angefahrten Sätze ge-
brauchen: „Die Körperstellung ist miserabel; der Rumpf liegt vor-
11
gebengt und zusammengekniokt." Besondere Sohnld an dieeen Miüs-
st&nden trägt die steile Lehne der Rettigsnbselien; sie bewirkt ein
Andrücken des Brustkastens an die vordere Pnitkante.
6. Eine grolse Anzahl yon Schnlhygienikern spricht sich gegen
die Rettigbank aus. Anch Dr. M. schreibt auf S. 857 : „Dabei muls
jeder belästigenden Einengung vorgebeugt werden^. Und trotzdem
empfiehlt er die einengende Rettigbank 1 Wie reimt sich das zusammen?
Bezüglich der Forderungen bei Sitz und Lehne verweise ich
auf Dr. Veit in Prag. (Siehe diese Zeitschr,, Jahrg. 1902, Nr. 10.)
Der Forderung von Dr. Moses, dals die Lehne am Sitzbrett be-
g;innen müsse, kann ich nicht beipflichten. Wie soll dann unsere
weibliehe Jugend, ohne den Rücken zu krümmen, mit den Kleidem
xoreeht kommen, besonders dann, wenn als Sitzgelegenheit die
Rettigbank mit ihrem viel zu schmalen Sitzbrett geboten wird?
Dr. M. schreibt auf S. 857 weiter: „In dem oberen Teile der
Lehne, der Schulterlehne, mit einem in kräftiger Kurve vorsprin-
genden Wulst, findet der Rücken genügende Unterstützung*'.
Viel zweckmäßiger ist, diesen Wulst für die Lendenlehne
XU akzeptieren, für die Rückenlehne aber ein Zurück-
liegen des Lehnenteils zu betonen. Dr. Moses' Forderung
ei^be statt einer Unterstützung einen Gegendruck, der doch stets
Tennieden werden mufs.
7. BeEüglich des Handfertigkeitsunterrichts innerhalb der Bänke
— der wohl kaum zu vermeiden ist — bemerke ich, dafs die Schul-
bänke mit halb auf- oder unterklappbaren Tischplatten versehen
werden können. Diese Vorrichtung ermöglicht es, bei der genannten
Unterriohtsdisziplin, wenn es sich nicht um Falten, Flechten,
Stäbchen- und Täfelchenlegen usw. handelt, auch bequem aufzu-
stehen. Vorbedingung ist selbstredend, dals die Sitzgelegenheit nach
rückwärts gelegt werden kann, was bei den Rettigbänken aber nicht
der Fall ist Die Bank, System Kuntze, könnte hierzu ebenfalls
recht gnt Verwendung finden.
Ganz hervorragend aber eignet sich für diesen und ähnliche
Zwecke eine Bank mit hoohstellbarer Tischplatte wie sie die Stadt
Augsburg von Lickroth & Cie. in Frankenthal, Rheinpfalz, an-
geeeha£Et hat. Bei Benutzung derselben kann der Schüler seine Ar-
beiten auch im Stehen verrichten, und die kostspielige Forderung
Dr. Moses' nach einem weiteren Arbeitssaal für die Hilfsklassen wird
dadurch hinfUlig zur Freude der schon sehr mit SchuUasten be-
glückten Stadtgemeinden.
12
Die Sohulbank in den Hilfsklassen Ar SchwaohbefUiigte.
Von
F. Weigl- München.
Es ist sehr erfrenlieh, dafs Herr Dr. MoSES-Mannheim in Nr. 12
des abgelaufenen Jahrgangs dieser Zeitschrift anf die Notwendigkeit
der „Behandlung der auf die Hygiene des Klassenzimmers und
seiner Ausstattung in den Hilfsschulen bezügliche Fragen'' hin-
gewiesen hat. Alle, die mit Hilfsschulen zu tun haben, als Ärzte,
Lehrer, Aufeichtsbeamte oder auch nur als geldbewilligende Stadt-
Täter, auch jene, die mit der von Herrn Dr. M. vorgeschlagenen
Bank nicht einverstanden sind, werden ihm viel Dank wissen, d&Ga
er speziell die Bankfrage durch seine Ausführungen einem weiteren
Kreise zur Besprechung unterbreitete. Ich verfolge die bezügliche
Literatur sehr genau — meine Stellung als Rundschauredakteur der
^^Pädagogischen Blätter*^ (München) ermöglicht mir das — und doch ist
mir aufser dem auch von Herrn Dr. M. angeführten Urteil FkenzbIiS
eine Besprechung der Hilfsschulbank nie zu Gesicht gekommen.
So sehr ich nun aber die übrigen schulhygienischen Arbeiten des
Herrn Dr. M. hochschätze, was ich mehrmals in der literarisohen
Öffentlichkeit zum Ausdruck brachte, so wenig kann ich den Er-
gebnissen dieser letzten Arbeit zustimmen. Da sowohl die prak-
tischen Erfahrungen, die ich in der Angelegenheit sammeln konnte,^
als auch die theoretischen Erwägungen, die ich seit längerem in
dieser Richtung anstellte, zu wesentlich anderen Resultaten führ-
ten, glaube ich annehmen zu dürfen, dafs es im Interesse der Sache
gelegen ist, wenn ich an der gleichen Stelle, an der Herr Dr. M.
gesprochen hat, meine Erfahrungen und Erwägungen mitteile:
Die Ausführungen in Nr. 12 verwerfen die Drei- und Viersitzer
für Hilfsklassen, und darin wird jedermann zustimmen. Herr Dr. M.
gibt dann aber auch der zweisitzigen Bank vor der einsitzigen den
^ Ich habe schon in Klassen mit beweglichen Sitzen (Simmetbank), mit
Rettigbänken, mit anderen festen Bankmodellen (Lindmayer) und in Klassen
mit verstellbaren und beweglichen Bänken (I. Frankenthaler Schulbankfabrik
A. Liokroth, Fraakenthal i. d. Pfalz) unterrichtet.
13
Voisng. Er meint, Zweisitzer seien besser, ^weil das Znsammen-
litien mit einem anderen Eände das soziale Einleben der Kinder,
die oft einen gering entwickelten Geselligkeitstrieb haben, fördert,
mid weil bei den Sckwaobbegabten gegenseitige Handreichungen nnd
flilfeleistongen erforderlich und wünschenswert sind^. Mit diesen
Grründen Iftlst sich im Ernstfälle nicht sehr erfolgreidi operieren,
denn der wenig entwickelte Geselligkeitstrieb wird in der Hilfe-
schale durch das Zusammensein an sich, noch mehr aber durch den
engeren Verkehr in den gegenüber der NormaUchule vermehrten
Pausen, weiter in den Spiel-, Tum- und Handarbeitsstunden ge-
fordert. Auch wird das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Praxis
nieht deutlicher zum Ausdruck kommen, wenn die Schüler zu
zweien sitzen, als wenn jeder sein eigenes Pult hat, nachdem man
auch in letzterem Falle die Subsellien — schon praktischer Gründe
der Baumausnützung wegen — nicht zu weit auseinander rücken
wird. Die kleinen Handreichungen können sich die Schüler selbst-
verständlich auch von Einsitzer zu Einsitzer leisten.
Sind so die Gründe, die gegen Einsitzer in der Hilfsschule
angeführt werden können, nicht gerade sehr stichhaltig, so sprechen
für dieselben zwei ganz bedeutende Vorzüge. Einmal kann man
leicht zu jedem Schüler von beiden Seiten kommen, was bei dem
Umstand, dafs in den Hilfsklassen die intensive Beschäftigung mit
dem Einzelnen sehr häufig eintreten muis, hoch zu schätzen ist.
Der Schreib-, Zeichen- und Handarbeitsunterricht (soweit letzterer
bei den einfachen Beschäftigungen in der Bank betrieben wird) ge-
winnen ganz besonders unter dieser Einrichtung. Zum anderen
vermeidet man aber mit Einsitzern die bei unseren Schülern gar
zu leicht eintretenden Störungen durch gegenseitige Neckereien, zu
denen sie das enge Beieinandersitzen yerleiten mula. Selbst wenn
man nun aber aus Baumrücksichten oder Ersparnisgründen von der
einsitzigen Bank absehen will, bleibt nicht die Bettigbank als
bester Ausweg. Eis gibt noch eine ganze Beihe von anderen
Modellen, die auch zweisitzig wie jene Bank gebaut werden.
Das gleiche gilt für die von Herrn Dr. M. ebenfalls sehr be-
tonte Dmlegbarkeit der Bank. Auch hierfür haben verschiedene
Krmen eigene Konstruktionen erdacht, die eine gleich gründliche
Beinigung zulassen, wie die Bettigbank. Hier ist aber noch ganz
besonders darauf hinzuweisen, dafs für die Hilfsschulen die Vorteile
der dmlegbarkeit gar nicht so sehr in Betracht kommen. Nachdem
die Elassenräume, der geringeren Schülerzahl wegen (15 — 20 gegen
14
40 — 60 in den Normalklasseo), viel weniger mit Subsellien belegt
sind, ist an sich schon die Reinigung vereinfacht, die durch auf-
klappbare Tische und bewegliche Sitze sich au&erdem so günstig
gestalten lälst, als man nur wünschen kann. Die Erfahrungen, die
ich in dieser Beziehung in meiner Hilfsklasse mit dem hier ein-
geführten Modell M. der Ersten Frankenthaler Schulbankfabrik
A. Lickroth als Einsitzer gemacht und die Erfahrungen, die mir
bezüglich der Reinigung in den Augsburger Hilfsschulen, wo das
gleiche Modell als Zweisitzer verwendet ist, mitgeteilt wurden, be-
stätigen diese Behauptung.
Allerdings wendet sich Dr. M. ausdrücklich gegen Bänke mit
beweglichen Teilen. Aber es dürften ihm hier schlechte Konstruk-
tionen dieser Art vorgeschwebt sein, während doch nicht zu über-
sehen ist, dais wir auch schon vollkommen entsprechende Bänke
mit beweglichen Teilen besitzen. Schon vor zehn Jahren hat
BuBaE&STEiN dies konstatiert^ und seitdem ist die Technik auf
diesem Gebiete noch ganz bedeutend fortgeschritten. Bei unseren
guten Modellen ist „der ständige Mifsbrauch des Mechanismus**, von
dem Herr Dr. M. spricht, völlig ausgeschlossen. Ich kann mich auch
hier wieder auf eigene Erfahrungen sowie auf urteile, die mir mit-
geteilt wurden, berufen. Es dürfen freilich keine Schaukelsitze, wie
sie gelegentlich der Ausstellung auf dem Nürnberger Schulhygiene-
Kongreis (Ostern 1904) u. a. zu sehen waren, bei denen die ge-
ringste, selbst unbeabsichtigte, Bewegung des Schülers ein Hin- und
Herschwanken des Sitzes hervorruft, verwendet werden, sondern nur
solid gebaute Pendelsitze, die in der von selbst eingestellten Lage
nach Aufstehen oder Kiedersitzen sich nicht weiter bewegen. Für
unsere Bänke des angeführten Modells, bei dem auch Quetschungen
völlig ausgeschlossen sind, trifft das zu. Schlechte Konstruktionen
dieser Art wären natürlich in Hilfsschulen, namentlich auch der
Verursachung störender Geräusche wegen, die Herr Dr. Moses
sehr zutreffend besonders betont, unbrauchbar. In dieser Beziehung
weisen jedoch die Modelle der Firma Lickroth-Frankenthal durch
eigene patentamtlich geschützte Einrichtung einen grofsen Fortschritt
auf. Der Sitz funktioniert dauernd vollkommen geräuschlos, wofür
sogar Garantie übernommen wird. Ich glaubte, auf diesen Fortschritt
in der Technik der Schulbank mit beweglichen Teilen besonders
^ Vergl. BüROKBSTBiN und Netolitzkt, Handbuch der Schulhygiene.
Jena, 1895, S. 76.
15
hinweisen zu sollen, da von antoritativer Seite erst in jüngster
Zeit wieder auf die grofse Bedeutung hingewiesen wurde, die einer
solehen Bank mit guter Konstruktion zukommt. Im y^EncyTdopäd.
Handbuch der Schulhygiene'' von jDr. B. Wbhheb^ 'schreibt BüBma:
»Die vom gesundheitlichen Standpunkt zu stellende Forderung, dafs
die Schulbank für die Schreibtätigkeit der Schüler Minusdistanz und
flir die übrigen Tätigkeiten, einschiiefslich Aufstehen, Eintreten in
die Bank und Verlassen derselben Plusdistanz gewähre, ist nur bei
Bänken mit veränderlicher Distanz erfüllbar. **
Dieser für alle Schulen bestehenden Tatsache wollen wir sicher-
lich am wenigsten in der Hilfsschule entgegenarbeiten, da für unsere
Einder, mit ihrer meist auch körperlichen Minderwertigkeit, die
Schaffung hygienisch möglichst korrekter Subsellienverhältnisse am
meisten Bedeutung hat. Ich kann in dieser Beziehung auch nicht
der Ansicht beipflichten, daCs die Sitz- und Lehneneinrichtung an
der Rettigbank vorzüglich sei. Berufenere Männer mögen meine
Anschauung stützen. Eulbkbebg und Bach z. B. kritisieren in sehr
abfälliger Weise die RsTTiasche schmale Sitzbank' und wenden sich
namentlich auch gegen das, was in neuerer Zeit unbegreiflicherweise
mehrfach so günstig besprochen wird und was auch Herr Dr. M.
betont, dals nämlich die gesundheitsmälsige Haltung ^erzwungen''
werde. Sie schreiben: ^ Ein Erzwingen der aufrechten Haltung durch
die Konstruktion' der Bank widerspricht den hygienischen Grund-
sätzen, nach denen den Schülern stets soviel Baum zu gewähren ist,
dafo sie keine eingezwängte, sondern eine völlig ungezwungene Sitz-
lage haben. Auch eine Bank, die nur das Gesäfs unterstützt, er-
mfidet auf die Dauer und mu(s zweifellos das Verlangen nach einer
anderen Sitzlage gewähren, die aber bei einer Schulbank mit festem
System, bei Nulldistanz, bei einer schmalen Sitzbank und einem
engen Sitzraum nicht gewährt werden kann, da das zeitweilige Aus-
treten der Schüler aus der Bank einen ausreichenden Ersatz für
die fehlende Beweglichkeit nicht bieten kann.'''
Was hier von der Zwangslage gesagt ist, gilt namentlich auch
ftr die Einzellehne. Ich habe schon an anderer Stelle,^ im An-
sehluis an die bereits erwähnte Ausstellung gelegentlich des Schul-
i Wien, 1904, S. 689.
' Vgl. EüLBNBSBO, Bach, Schnlgesandheitslelire, Berlin 1900, S. 277.
» a. a. 0., S. 278.
* Vgl Pädag. BlätUr, Manchen 1904, S. 151.
16
liygienekosgresses in Nttrnberg, auf die Qual liiiigewieseii, die man
mit dieser Einrichtung unseren Kindern schafft. Man überlege nur :
Ein geringes Ausweichen nach links oder rechts .während des Unter-
richtes wird unseren Schülern, die doch wahrlich in dieser Zeit keine
Soldaten in Reih' und Glied zu sein brauchen, niemand Terwehren.
liit dem Verrücken geht aber bei der Einzellehne auch sofort die
korrekte Unterstützung, die nur in einer einzigen Lage erfolgt,
verloren, und es wird so anstatt eines Vorzuges ein grober hygieni-
scher Mangel geschaffen. Verschiedene Herren, die in ihren Klassen
neuerdings Bfinke mit Einzellehnen aufgestellt erhielten, stimmten
dem zwar drastischen, aber sehr beherzigenswerten Urteil za, das
ich von einer solchen Bank in Nürnberg von einem angesehenen
Arzt hörte: „Eine moderne Kinderfolter 1^ Gewifsl Diese Ein-
richtung zwingt den Lehrer zu militärischem Drill in seiner Klasse.
Eine Empfehlung der Rettigbank als vollendete Musterbank finde
ich mit WiPF- Zürich zuletzt deshalb nicht gut, weil „über Lehne,
Tisch und Sitzbank, aus den vielfachen Abänderungen zu schliefsen,
auch der Pateotinhaber das Protokoll noch nicht geschlossen hat'^.^
Nach diesen kritischen Erörterungen, in denen ich hoffe, auch
schon manch Positives zur Frage beigetragen zu haben, möge mir
gestattet sein, noch kurz darauf hinzuweisen, warum in Hilfsklassen
verstellbare Subsellien den ßanktypen vorzuziehen sind. Die
Begründung dieser Frage verdient vielleicht deshalb besondere Be-
achtung, weil sie ganz aus der Praxis hervorgewachsen ist. Ich
hatte im ersten Jahre meiner Tätigkeit in der Hilfsschule feste
Modelle, Schulbanktypen in Verwendung. Schon während dieses
Jahres ergab sich nun mehrmals die Notwendigkeit, eine andere
Zahl von Bankgröfsen zu besitzen. Die festen Modelle lielsen aber
eine Änderung nicht zu, so dafs manche Schüler in Bänke unter-
gebracht werden mufsten, die ihrer Gröise nicht entsprachen. Dies
brachte mich auf den Gedanken, von unserer in all diesen Fragen sehr
entgegenkommenden Schulverwaltung einen Versuch mit verstellbaren
Bänken zu erbitten. Der Versuch hat nun zu sehr guten Erfolgen
geführt. Namentlich zeigen sich beim Schuljahrs Wechsel, mit dem
ja immer auch ein mehr oder minder grofser Wechsel des Schüler-
materials verbunden ist, absolut keine Schwierigkeiten in der Bereit-
* Vgl. die Rezension von H. Wiff der SucKschen Broschfire: Wie kommen
wir in der Schalbankfrage vorwärts? in Nr. 11 des letzten Jahrganges dieser
Zeitschrift, S. 818.
17
stellimg der einzelnen Bankgrö&en, wie sie E[ind fOr Kind passend
sind. Inzwischen konnte ich anoh an anderen HilfiBschulen (z. B. in
Augsburg, Frankfort, Worms usw.) erfahren, dafs sich die Yerstell-
Ixurkeit sehr gnt bewährt, da das eine Lickroth- Modell M., das
hier flberall verwandt wird, fünf yerschiedene Gröfsen, passend fdr
den kleinsten bis znm grö&ten Schüler, einstellen Iftfst. Die Um-
stellung ist dabei so einfach, dafs sie in kürzester Zeit geschehen
ist, und die Festigkeit gibt hernach der Solidität von fixen Schul-
bankformen nichts nach.
Machen diese Vorzüge die yerstellbare Bank schon für Normal-
klassen sehr brauchbar, so sind sie von ganz besonderer Bedeutung
fnr unsere Hilfsschulen. Eine auch nur annähernde Norm für die
Zahl der Gröisen lft£st sich dort nicht aufstellen, wodurch die kor-
rekte Erfüllung der unabweisbaren Forderung, dals jedes Kind genau
die seiner Grölse entsprechende Bank erhalten muls, so vielen
Schwierigkeiten begegnet, dafs jedermann die einfache Losung mittels
der verstellbaren Bank nur begrüfsen kann.
Wie bedeutend die Verschiedenheit der notwendigen Bankgröfsen
in den Hilfsklassen ist, zeigt schon eine kleine Zusammenstellung
des Materials von nur fünf Hilfsklassen nach dieser Richtung, die
ich im folgenden gebe. Es sind drei erste (unterste) und zwei zweite
Klassen der Münchener Hilfsschulen gewählt. Die Schüler sind in
fbnf OrOisengruppen geteilt:
Gröfse A = 0,93—1,07 m
„ B = 1,08-1,22 „
^ C = 1,23-1,37 „
„ D = 1,37-1,56 „
„ E = über 1,52 „
Nacb dem gegenwärtigen Stand ergeben sich die folgenden
Zahlen :
KlASflfi
Zahl der Schuler mit Gröfse
SnininA
A
B
C
D
£
Schule BI
1
12
4
1
—
18
« KI
2
10
4
1
—
17
» SI
4
9
5
2
—
20
n BIX
—
8
12
7
—
22
, SU
1
3
10
4
1
19
Sebulgeaiindheitepflege. XVIIL
18
In Klasse B I sind demnaoh 1 A- und 12 B-Grölsen, in E I
dagegen 2 A- and 10 B-Gröfsen, in S I endlich 4 A- und 9 BGröüsen,
dafür aber eine C- und eine D-Bank mehr als in der anderen Klasse
notwendig. In B II ist keine A-Bank notwendig, während Sil
4 solche braucht; BII benötigt 7 D Grölsen, SU nur 4 D-Bänke,
dafür ist hier eine E-Bank notwendig, die sonst keine Klasse brancht.
Diese kleine Znsammenstellnng spricht deutlicher für die grofsen
Vorzüge einer verstellbaren Bank in Hilfsklassen als viele theore-
tische Gründe.
Ich will mich daher in meinen Ausführungen beschränken, und
nur noch darauf hinweisen, dals eine in Sitz, Lehne und Tisch
unabhängig voneinander verstellbare Bank sich noch sehr bewährt
in den Fällen, wo wir es mit ganz abnorm gebauten Kindern zu
tun haben. Jeder Hilfsschullehrer und Hil£9schularzt wird unter
seinen Zöglingen schon ein oder den anderen gefunden haben, bei
dem Rumpf und Beine ganz unverhältnismäfsig entwickelt waren.
Mit festen Bänken kann man solchen Schülern behufs Schaffung
passender Sitzgelegenheit gar nicht entgegenkommen; eigene ortho-
pädisch konstruierte Bänke für jeden Fall zu schaffen, was ja gewils
das Ideal wäre, davor werden die meisten Stadtverwaltungen, der
greisen Kosten wegen, sicher zuräckscheuen. Mit der verstellbaren
Bank haben wir aber ein Mittel in Hfinden, dem Bedürfiiis des
Schülers wenigstens einigermafsen gerecht zu werden, indem sich
beispielsweise Sitz und Lehne auf Gröise B, der Tisch aber auf
Gröfse A bei zu geringer Entwicklang des Oberkörpers und umge-
kehrt einstellen lassen. Die verschiedensten Variationen sind hier
zulässig, und damit ist die gröfste Möglichkeit äuTserer heilpäda-
gogischer Hilfe gegeben.
Die Erfahrungen, die ich über die grofsen Vorteile der ver-
stellbaren Bank gegenüber den festen Modellen persönlich sammeln
konnte, haben mich hauptsächlich bewogen, mir von der verehrliohen
Redaktion das Wort zu erbitten. Ich wünsche nur, dafs manchen
Ärzten und Pädagogen, die vor dem Gutachten über die für die Hilfs-
schule auszusuchende Bank stehen, mit diesen Ausführungen ein
kleiner Dienst für die Erleichterung der Wahl getan isi
19
Hu» 9trfümminn$tu nuh Dertitteit.
Die Hygiene im Dienste der Tanbstnnunenbildnng. ^
Von
Easl Baldrian,
HanpÜebrer an der niederötterreiohitohen Landes -Taabttummenrnnttalt
in Wien XIX.
Faust man die für die Bildung des TaubBtummen in Betracht
kommenden Anregungen des I. internationalen Kongresses fOr Schul-
liygiene zusammen und zieht daraus die fiesultierende, so findet
man, dafs zur Förderung der körperlichen, geistigen und sittlichen
Hygiene in der Taubstummenbildung dienlich waren:
1. Gründliche Untersuchungen des Leibes- und
Seelenzustandes der in eine Anstalt neu aufzunehmenden
Zöglinge. Dabei wftre besonderes Augenmerk auf die Beschaffenheit
der Lungen der Neulinge zu richten. Li Fällen von Lungen-
aohwftohe w&re die Aufnahme der Bewerber aufzuschieben, in Fällen
Ton ansteckender Lungenkrankheit sind die Erkrankten in deren und
der gesunden Sander Interesse von der Aufnahme abzuweisen.
2. Errichtung von Pflegeanstalten für noch nicht
schulpflichtige taubstumme Kinder schwächlicher Kon-
stitution, um sie für die lungenanstrengende Arbeit der Lautier-
klasse zu kräftigen. Die Aufnahme in die erste Klasse der Taub-
stammenschule hat in der Regel nicht vor dem vollendeten siebenten
Lebensjahre des Kindes zu erfolgen.
3. Zur Schonung der Sehkraft der taubstummen Zöglinge
ist das allerdings nicht gänzlich entbehrliche Abschreiben
der Schüler möglichst zu beschränken. Dies kann durch
Sehafiung brauchbarer Lehrbücher für die Hand unserer Schüler
erreieht werden. Die Stunden für weibliche Handarbeiten sind zur
* Schloftfolgerangen, abgeleitet als Endergebnisse aus dem vom Verfasser
Zeilen in der Plenarversammlang des Vereins osterreichi-
leber Tanbstnmmenlehrer am 6. Norember 1904 erstatteten ausfahr-
Berichte über den L internationalen Schulhygiene-Eongrefii in Nömberg.
2*
20
Sohonnng der Augen und Lungen der Mädchen anf das geringste
Maus herabzusetzen.
4. Jede Tanbetummenanstalt soll nicht nur die Anstellung
eines Ohrenarztes, sondern auch die eines Augenarztes an-
streben. Dieser hat aufser der ununterbrochenen Überwachung des
Augenzustandes aller Zöglinge die einzeben Schüler betreffs Kurs-
oder Übersichtigkeit, Sehschwäche infolge Hornhauttrübung, Astigmatis-
mus, BetinitiB pigmentosa u. ä. zu prüfen. Diese Untersuchungen
können — nach Professor Dr. Kohn- Breslau — nur von Augen-
spezialisten ausgeführt werden. Die Wichtigkeit solcher Unter-
suchungen in unseren Anstalten erhellt daraus, daJs mehr als 30 Vo
der Taubstummen Augenfehler und Sehstörungen aufweisen.
6. Sämtliche Bäume einer Taubstummenanstalt, in welchen die
Zöglinge die Abendstunden yerbringen, sind mit dem besten künst-
lichen Lichte auszustatten.
6. Die Scheidung unserer Schüler nach „Fähig-
keiten** ist überall, wo sich hierzu Gelegenheit bietet, wie z. B.
dort, wo sich Parallelklassen finden, tatsächlich durchzuführen, da
sie für die sprachlich -geistige Ausbildung wichtiger ist, als die
Trennung der Zöglinge nach vollständiger Taubheit und Gehörresten.
7. Auch für die Erziehung der Taubstummen hat der Grundsats
der Koedukazion, der von der weitaus grölsten Zahl der Kon-
gressisten anerkannt wurde, volle Berechtigung. Damit stimmt auch
die Ansicht hervorragender Taubstummenpädagogen überein.
8. Besonders talentierten Schülern sollte die Möglichkeit
geboten werden, ihren Fleifs zur Erwerbung von Spraeh-
und Sachkenntnissen länger betätigen zu können, als es
jetzt der Fall ist. Dies könnte dadurch geschehen, dais zweien
oder dreien der für sprachliche Ausbildung besonders geeigneten
Schülern nach den obligaten Jahreskursen noch ein Jahr zur Weiter-
bildung zugestanden würde. Durch eine solche, der Gerechtigkeit
entsprechende Malsnahme könnte manchem Zöglinge eine groise
Wohltat erwiesen werden. Zugleich würde die Taubstummen-
bildungssache in den Augen der Welt gewinnen, da gezeigt werden
könnte, dais mit talentierten Schülern bei dem nötigen Zeit- und
Kraftaufwande glücklichere Besnltate, als es die durchschnittlichen
sind, erzielt werden könnten. Der Lehrplan für einen solchen „ Aus-
bildungskurs" müfste ein vollständig freier, die zur Verfügung stehende
Zeit dem Sprechen, der Konversation und der Lektüre (aus allen
Gebieten, besonders Zeitungen) wie dem Aufsatz gewidmet sein.
9. Ärztliche unter suohaii gen der austretenden Zög-
linge in Anwesenheit der Eltern ist zu wünschen, um
den nicht selten kränklichen oder schwächlichen Abiturienten saoh-
gemälsen Kat für die Berufswahl erteilen zu können.
10. Für die aus der Schule entlassenen Taubstummen sollten
nicht nur in allen Taubstummenschulen Fortbildungsschulen ein-
gerichtet werden, sondern es sollten auch an Orten, wo sich eine
Zahl taubstummer Lehrlinge findet, aber keine Taubstummenschule
besteht, fOr deren Weiterbildung durch YolksschuUehrer in beson-
deren Kursen gesorgt werden. Als Leiter für solche Kurse würden
sich TOT allem solche Lehrer eignen, die an der Lehrerbildungs-
anstalt einen Kurs über Taubstummenpädagogik gehört haben.
11. Jede Anstalt sollte mit ihren Zöglingen nach
deren Scheiden aus der Bildungsstätte in Fühlung blei-
ben, da der Taubstumme ungleich mehr als der VoUsinnige des
Batee seiner Erzieher bedarf, die ihn und sein Wesen oft tiefer
kennen als die leiblichen Eltern und eher wissen, was ihnen from-
men mag. Auch die Wissenschaft könnte aus dieser Fühlungnahme
manchen Nutzen ziehen, der schlieMich wieder den Gehörlosen
zustatten käme.
12. Besonderer Fürsorge bedürfen elternlose Taub-
stumme Jahre hindurch noch nach ihrem Austritte aus
der Schule, um das Werk der Seelenrettung nicht auf halbem
W^ge dem häufig nicht günstig wirkenden Zufalle zu überlassen.
13. Endlich wäre für die Versorgung erwachsener Taub-
stummen — ein bis jetzt stiefmütterlich bedachtes Gebiet — in
ausreichender Weise Fürsorge zu treffen.
Möge die eine oder andere dieser Anregungen hier und dort
recht bald Verwirklichung finden — manche derselben bedürfen hierzu
nur des guten Willens der mafsgebenden Faktoren — zu Nutz und
Frommen aller jener, fOr welche die sang- und klangfrohe Welt in
endloses, tiefes Schweigen gehüllt isti
flUitiere Jtitteilitttjtit*
über Anzahl und Lage der Tamrkanie in starkbeanekteH
Schulen spricht sich Inspektor HEasGHHANN-Manchen in der „Jtfonafeacftr.
/. d. T\imw." (H. 7/8) ans. Er formuliert seine Fordemngen folgender-
maCsen:
Jede Schale braucht ihren eigenen Tnmsaal. FOr Schalen mit weniger
als 26 Tomstanden io der Woche genttgt ein Tomranm, fOr Schalen mit
mehr als 26 Tarnstanden sind jedoch zwei Tarnränme and flir Schalen
mit mehr als 52 Tarnstaoden drei Tarnränme nötig. Ein einziger, noch
so grofser Tararaum wird zwei oder drei kleinere, den AnfordeniDgen dea
Kiassenanterrichts entsprechende Tarnränme niemals ersetzen, and es kann
vor der Erbanang grofser Tnmräame, wofern dabei die Absicht besteht,
in denselben zwei oder mehrere Klassen nnter zwei oder mehreren Lehrern
gleichzeitig unterrichten zn lassen, nicht genug gewarnt werden.
Wo voraussichtlich ein Tnmsaal genügt, da errichte man fftr den-
selben entweder ein eigenes Gebäude oder einen Anbau. Von der
Unterbringung des Tumsaales im Schulgebäude selbst ist sowohl wegen der
dadurch erfolgenden Störung des Unterrichts, als auch deshalb abzuraten,
weil es der Bauplan und die ganze Konstruktion des Gebäudes nur in den
seltensten Fällen erlauben, dem Turnraum diejenige Gröfse und Höhe zu
geben, die für den Turnunterricht gefordert werden müssen.
Sind zwei Turnräume nötig, so trachte man zunächst danach, dafs
dieselben ebenfalls in einem eigenen Gebäude, nebeneinander
zu liegen kommen. Nur ausnahmsweise, wenn andere gewichtige Gründe
als der hohe Bodenpreis gegen eine solche Anlage sprechen, gebe man sich
zufrieden, wenn die Turnräume übereinander gelegt werden. (Diese Kon-
zession sollte nach unserer Ansicht gar nicht gemacht werden. D. Red.)
Yortänschnng von Myopie bei Schalkindern. Einer diesbezüg-
lichen Mitteilung Ton Dr. FEILGHENFELD-Charlottenburg in der „D. med.
Wochenschr.*^ entnehmen wir folgendes:
Seitdem zahlreich in den gröfseren Städten Schulärzte die Kinder
regelmäfsig beobachten und dafür sorgen, dafs rechtzeitig schwachsichtige
Schüler dem Augenarzte zugeführt werden, mehren sich die Fälle, da Kinder
mit der Aufforderung, ihnen eine Brille zu verordnen, in die Sprechstunde
des Augenarztes kommen, bei denen der Arzt eine Refraktionsanomalie
nicht findet. Die Kinder erklären, nicht deutlich sehen zu können, und
haben bei der üblichen Schnellprüfung in der Schule mit den GOHKschen
Tafeln oder ähnlichen Leseproben dem Schularzte nur eine sehr geringe
Sehfähigkeit zugestanden. Sie haben oft bereits yor der Prüfung durch
den Arzt vom Lehrer einen Platz auf einer vorderen Bank verlangt, weil
sie nicht genügend deutlich zur Tafel sehen konnten. Bei der subjektiven
Untersuchung geben sie zumeist zunächst kaum Ve Sehschärfe zu; wenn
28
sie dann ein Brillengestell mit Blende fftr das eine Ange erhalten nnd
nicht sicher sind, ob anf der anderen Seite ein Glas eingesetzt ist, so
genügt h&nfig aUein dieses, am für jedes Ange einzeln volle Sehschärfe ta
erhalten. Zuweilen erh< man nor dnrch vorgesetzte Konkavgläser gute
Sehschärfe; wenn man sich aber gewöhnt hat, stets — bei Kindern be-
sonders — von dem erhaltenen Glase wieder herabzogehen, nm zn ver-
suchen, ob ein schwächeres Glas nicht gleichen Yisns erzielen läfst, so findet
man oft, dab volle Sehschärfe nnd mehr sogar auch bei Plangläsem zu-
gestanden wird. Bei der Nebenprflfang findet man in den meisten FfiUen,
dafe kleinster Dmck in ca. 7 — 25 cm Entfernung gut gelesen wird; nur
selten wird ftlr die Nähe Amblyopie angegeben und nur gröberer Druck
mit Mfihe gelesen.
Die objektive Refraktionsbestimmung sichert den Befund von Emme*
tropie oder Itlhrt auch öfter überhaupt erst zur Klarstellung der Yerhält-
msse. Zumeist genügt es dann, den Kindern ein unschuldiges Umschlag-
wasser oder eine nicht reizende Einträufelnng zu geben mit der Angabe,
dab das schlechte Sehen durch einen Katarrh bedingt war und in kurzer
Zdt nach Beseitigung desselben gute Sehkraft geschaffen würde. Zuweilen
jedoch sind die Angaben hartnäckiger und infolgedessen die Sicherung der
Diagnose schwieriger, auch eine stärkere suggestive Beeinflussung des
Kindes notwendig. Der Wunsch, eine Brille zu tragen, sich dadurch inter-
essant zn machen und mehr noch, die besondere Aufmerksamkeit der Lehrer
anf sich zu lenken, ist wohl der Grund zu dieser Vortäuschung einer
Myopie. Es gehört das entschieden mit hinein in das grofse Gebiet der
Hysterie, wofür auch besonders spricht, dals anscheinend es sich zumeist
dabei nm Mädchen handelt.
Man mu(s nun aber die Hysterie in solchen Fällen nicht etwa tragisch
nehmen, denn Kinder schauspielern leicht ein wenig, und wenn, wie so
hän%, nur ein solches einzelnes Symptom auftritt ohne andere Zeichen von
Hysterie, so hat das auch prognostisch kaum Bedeutung. Man tut darum
auch gut, die Bezeichnung: „Sehstömng durch Autosuggestion^ dafür zu
wählen, was eben bei der leichten Suggestibilität der Kinder nichts präjudiziert.
Die Diagnose wird, wenn man sorgfältig in der angegebenen Weise
mitersucht und auch die objektive Refraktionsbestimmung nicht vergilst,
wohl zumeist leicht gestellt werden. Allerdings bei der Massenuntersuchung
in der Schule werden die Fälle kaum erkannt werden; auch dürfte doch
wohl genügende Übung in der Augenuntersuchung zur richtigen Beurteilung
derartiger Kinder notwendig sein.
Die Heilung ist bei der geschilderten Sehstömng stets durch Suggestion
mehr oder minder leicht zu erzielen. Man mag zunächst flür die leichteren
Fälle es mit Augenduschen, Kompressen, Einträufelungen usw. versuchen,
bei hartnäckigen Fällen wird der faradische Strom gute Dienste tun.
Ruhiger Zuspruch und sicheres Auftreten in der Beurteilung der ge-
machten Angaben werden stets wesentlich sein. Zu warnen ist davor,
dals man die Kinder kopfscheu mache, sie anschreie und als Lügner be-
zeichne; es würde aus dem Grunde auch im allgemeinen sich empfehlen,
selbst den Eltern nicht die Sachlage klarzumachen, noch weniger dem Lehrer,
am das Kind vor unverdienten Vorwürfen oder Strafen zu schützen, die
34
weit mehr schaden als nützen können. Es dttrfte zumeist schwer seio, zu
verhindern, daüs ein Symptom, das immerhin etwas Psychopathologiscbes
an sich hat, als Lttge und Ungezogenheit von den Erziehern anfgefalst wird.
Den Schnlftrzten aber ist die Kenntnis der Sachlage nicht yorznenthalten,
und ihre Aufmerksamkeit ist solchen Fällen besonders znznlenken.
Sehule and Auge. Einem Referate von Dr. BoNDi-Iglan auf der
76. Versammlang deutscher Naturforscher und Ärzte entnehmen wir fol-
gendes: Referent hat die Schüler der vier Haupttypen der österreichischen
Schulen (Volks-, Bürger-, Realschule und Gymnasium) einer eingehenden
angenärztlichen Untersuchung unterzogen. Die Ergebnisse dieser Unter-
suchung, welche nahezu 1000 Schüler betraf, zeigen, dafs die Zahl der
Kurzsichtigen von der Volksschule (4%) zum Obergymnasium (31%) stetig
steigt. Es finden sich im Durchschnitt Kurzsichtige: in der Volksschule
4%, Bürgerschule 11 7o, Unterrealschule 11%, Untergymnasium 14%,
Oberrealschule 22 %, Obergymnasinm 31 %. Aulserdem wurde festgestellt,
daCi der Grad der Kurzsichtigkeit von den unteren zu den höheren Klassen
ebenfalls zunimmt. Die Hauptuntersuchungen richteten sich nun aber auf
die wahre Sehschärfe. Im Durchschnitt hatten 85% aller untersuchten
Äugen eine gute Sehschärfe, und zwar stieg die Sehschärfe mit der Daner
des Schulbesuches, d. h. von 79% in der Volksschule auf 97% im Ober-
gymnasium. Mit der Zunahme der Kurzsichtigkeit in den Schulen stieg
gleichzeitig auch die Sehschärfe, allerdings nach Korrektion durch Brillen.
Als Ursache für die Herabsetzung der Sehschärfe mufs in erster Linie der
Astigmatismus, die unregelmäfsige (angeborene) Homhaatkrümmung angesehen
werden, femer die Übersichtigkeit und Narben nach durchgemachten Horn-
hautentzündungen. Die Kurzsichtigkeit nimmt nur mit einem verschwin-
denden Bruchteile an der Herabsetzung der Sehschärfe teil, während die
Übersichtigkeit viermal so häufig als Ursache für diese Herabsetzung zu
betrachten ist. Bondi kann auf Grund seiner Untersuchungen von einer
Gefahr, welche den Schülerangen in bezug auf die absolute Sehschärfe
durch die Kurzsichtigkeit droht, nicht sprechen. Referent verlangt eine
alljährliche Untersuchung der Schülerangen durch geschulte Augenärzte.
Darin sowie in der Bekämpfung von hygienischen Mängeln in den Schulen
liege der groijse Vorteil der Schulaugenärzte und nicht in dem aussichts-
losen Kampfe gegen das Auftreten der nach Bondis Ansicht harmlosen
Schulkurzsichtigkeit. (? D. Red.)
Alkoholgennfs schulpflichtiger Kinder. Eine neue Erhebung
hierüber ist von Lehrer Walteb in der Stadt Ulm und von Lehrer
Scheu im Landbezirke Ulm im Sommer 1901 vorgenommen worden.
Die Enquete betraf 2608 Kinder der evangelischen Volksschulen in Ulm
und 1901 Kinder im Landbezirk, zusammen 3699 Kinder. Die Ergebnisse,
zu deren Erhebung Fragebogen dienten, sind in nachfolgender Tabelle
niedergelegt, die wir der ^Enthaltsamkeit^ (Okt. 1903) entnehmen.
Die 2608 Kinder der evangelischen Volksschulen — sagt Waltee —
verbrauchen täglich etwa 600 1 geistige Getränke; das macht im Jahre
2190 hl. Diese Menge, das hl zu rund 18 Mark berechnet, hat einen
Wert von über 39000 Mark. Wenn die Kinder die für dieses Gift aut-
gewendete Summe, welche auf das einzelne Kind berechnet jährlich über
25
Stadt 1 Landbezirk 1 Im ganzen
Abs.
7o Abs.
Vo Abs.
Vo
Kindenahl
2608
— 1901
- 3699
—
Wer hat noch nie alkoholhaltige
Getränke (Wein, Bier, Most, Brannt-
wein) getrunken?
12
0,4
2
0,19 21
0,38
Wer mag keines derselben gern? 853
13,4
14
1,01 364
9,84
Wer trinkt selten solche Getränke
(etwa blo/s bei besonderen Gelegen-
heiten?)
617
19,8
61
5,59
578
15,63
Wer bekommt solche Getränke als
Arznei?
a) auf äntliches Anraten?
66
2,5
4
0,36
70
1,89
b) ohne das? 70
2,6
—
—
—
—
Wer trinkt von diesen Getränken
a) täglich mehr als Vs 1?
128
4,9
638
58,47
766
20,70
b) täglich etwa V« 1 ?
271
10,3
176
16,14
447
12,08
e) täglich etwa V« 1?
1085
41,6
131
12,00
1216
32,86
d) täglich weniger als V« l?
798
30,5
80
7,83
878
23,73
Wer bekommt hauptsächlich
a) Bier?
898
84,4
319
29,24
1217
32,86
b) Most?
1174
45,0
736
67,55
1910
51,62
c) Wein?
54
2,0
1
0,01
55
1,49
Wer hat a) noch nie Branntwein
getrunken ?
372
14.2
280
25,66
652
17,62
b) l~2mal jährlich?
1416
54,2
618
56,64
2034
58,97
c) öfters?
355
13,5
181
16,59
536
14,48
Wer bekommt zum Mittagessen
alkoholhaltige Getränke?
1050
40,2
626
57,87
1676
45,29
Wer bekommt (aulser zum Kaffee)
Milch
a) täglich?
816
31,2
607
55,63
1423
38,46
b) wöchentlich etwa 2 mal?
1006
38,5
281
21,17
1237
33,43
c) selten?
390
14,9
174
15,93
564
15,24
d) nie?
381
14,6
73
6,69
554
15,00
Wer weifs Fälle, wo noch nicht
•chnlpfiiohtige Kinder alkoholhaltige
Getränke bekommen?
472
—
346
—
818
—
26
15 Mark betrftgt, der Schnl^arkasse übergeben wflrden, so hätte jedes
ohne die Zinsen am Ende des 7. Schuljahres über 100 Mark!
Mit Sorge mnb natürlich jeden Freund der Jagend die Tatsache er-
fiOllen, da& über 10% tftglich etwa ^/i 1 und beinahe 5^/^ noch mehr
alkoholhaltige Oetr&nke genieben, sowie dsSs ein bedeutender Prozentsatz
der Kinder öfters Branntwein trinkt.
Sehwachbefähigte Schüler gibt es bekanntlich nicht nur in den
Gemeindeschulen, die für sie ihre Nebenklassen haben, sondern auch in
den höheren Lehranstalten. Wie grofs in diesen die Zahl der zurück-
gebliebenen Schüler ist, zeigt eine im r,Berliner Statistischen Jahrbuch^ mit-
geteilte Zusammenstellang über die städtischen Anstalten. Da findet man
in beinahe allen Klassen, yon der untersten Vorschulklasse bis hinauf znr
Oberprima, nicht blofs dritte Semester, sondern vielfach auch vierte und
vereinzelt sogar fünfte. Im Schuljahre 1903/04 wurden nach Eröffnung
des Winterhalbjahres an den stadtischen Gymnasien, Realgymnasien und
Oberrealschulen nebst Vorschulen 1132 Schüler dritten Semesters, 270
vierten Semesters und 12 fünften Semesters gezählt, ungerechnet diejenigen
Schüler dritten, vierten und fünften Semesters, die in ungeteilter Prima
safsen. Diesen Verhältnissen entsprechend war auch das Höchstalter der
Schüler. Es reichte z. B. in der untersten Vorschulklasse (1. Schuljahr)
bis zum 9. Lebensjahre hinauf, in der obersten Vorschulklasse (3. SchuUahr)
bis zum 12. Leben^ahre, in der Sexta (4. Schuljahr) bis zum 14. Lebens-
jahre, in der Untertertia (7. Schuljahr) bis zum 18. Lebensjahre, in der
Untersekunda (9. Schu^ahr) bis zum 20. Lebensjahre. In diesen schlimmsten
Fällen dürften allerdings wohl noch andere Umstände mitsprechen, häufige
Krankheit, mehrfacher Schulwechsel usw.
Über die Speisung der Pariser Tolkssehnlkinder handelt ein
Aufsatz des „Lancet^ vom 17. Septbr. 1904. Verfasser will durch die
Schilderung der Geschichte und Organisation der Pariser „Cantines
scolaires"^ seinen Landsleuten nahelegen, ähnlich vorzugehen. Alltäglich
kämen in London angeblich etwa 50000 Kinder ohne Frühstück zur
Schule. Die wenigen Suppenküchen, welche wohltätige Leute an verschie-
denen Schulen armer Viertel eingerichtet hätten, könnten da wenig helfen.
Es sei Pflicht des Staates, nach einheitlichem Plan vorzugehen, um der
drohenden körperlichen Entartung weiter Volksschichten vorzubeugen.
In Frankreich hat ein Unterrichtsgesetz vom 10. Febr. 1867 die Bil-
dung von Schulfonds angeordnet, welche, aus freiwilligen Gaben, Legaten,
kommunalen und staatlichen Geldern gesammelt, dazu verwandt wurden,
bedürftige Schüler zu kleiden, fleifsigen Schülern Belohnungen auszusetzen
und so einen Anreiz zum Besuche der Schule auszuüben. Erst das Gesetz
vom 28. März 1882 führte den allgemeinen Schulzwang ein und machte
die Gründung von Schulfonds allen Gemeinden zur Pflicht. Diese wurden
nunmehr frei zur Verwendung für Nahrung, Kleidung und Erholungs-
einrichtungen Bedürftiger. Beiläufig sei erwähnt, dafs die Stadt Paris
jährlich rund 200000 Francs an 20 Schulen für Schulausflüge und Ferien-
kolonien verteilt. Jeder Schulfonds hat nun in der Regel, entsprechend
seinen drei obengenannten Aufgaben, drei Komitees, in denen die kommu-
nalen und staatlichen Beamten zusammen mit den Vertretern der privaten
27
Beitragszahler arbeiten. Zonftchst schien die Hilfe mancher weiblicher,
auch kirchlicher Wohltätigkeitsvereine erwtlnscht. Aber hier wie bei so
Tiden ähnlichen Gelegenheiten zeigte sich, dars Beanfsichtigang beim
Volke auf Widersprach störst, der freie Bürger will keine Almosen haben.
Man stellte deshalb in Paris weibliche Aufseher an, welche darauf sehen
mOssen, dafs die Eltern ihre Pflicht tnn, da& aber auch jedes Kind sein
Becht bekommt. Sie fahren eine Legitimation bei sich and müssen
wenigstens einmal wöchentlich die Scholen besichtigen. Ihrem sachver-
ständigen Beirat ist es zn danken, dab die Kosten der Speisang znrflck-
gegangen sind, ohne da(s deren Güte gelitten hätte. Nadi verschiedenen
Yersnchen wird jetzt allgemein am 11 Uhr 30 vormittags für 15 Centimes
eine warme Kost (Sappe mit 20 — 30 g Fleisch und Gemüse) verabreicht,
auf Anordnung der Schulärzte nötigenfalls eine gröfsere Portion, auch
Stärkungsmittel, wie Lebertran u. a. Jedes Kind kann sein mitgebrachtes
Frühstück verzehren, das warme Schulfrühstück ist aber natürlich beliebter.
Alle Kinder essen gemeinsam mit den Aufseherinnen. Jedes erhält eine
Quittung, auch das arme, welches Freischein hat oder weniger bezahlt,
um Mifsbräuche zu vermeiden, werden die Familien letzterer besonders
scharf kontrolliert. Nur in Ausnahmefällen wird den ärmsten beim Ein-
tritt in die Schule noch ein Butterbrot gegeben, und erhalten Kinder, die
ans häuslichen Gründen bis spät nachmittags in der Schale beaufeichtigt
werden müssen, dann noch ein belegtes Brot. Es braucht nicht besonders
hervorgehoben zu werden, dafs die Kantinen selbst Muster von Sauberkeit
imd schmackhafter Zubereitung der Speisen sind. Letzteres begeistert
begreiflicherweise den Engländer besonders, uns Deutschen wird es
dniges Kopfzerbrechen machen, wenn wir hören, dafs natürlich die private
Wohltätigkeit nicht entfernt imstande ist, die Kosten zu decken, dafs viel-
Bidir die Stadt Paris allein jährlich 1000000 Francs Subvention zahlen
muis. (Mitget. von Physikus Dr. Sieveking- Hamburg.)
Ein Zentralverein fBr Kinderheilnngs- and Ferienkolonien ist
in den Niederlanden gegründet worden. Derselbe will Propaganda machen
far diese schöne Aufgabe, welche bezweckt, die Gesundheit der schwachen
Kinder zu stärken, und ihr sittliches und körperliches Wohlbefinden zu
fördern, indem man ihnen Gelegenheit gibt, längere Zeit hindurch die reine
Luft einer gesunden Gegend zu genieisen. Dies will der Zentralverein
erreichen: a) durch Förderung des Zusammenwirkens von Vereinen und
Einzelpersonen, welche das gleiche Ziel haben und dasselbe mit gleichen
IfiUeln zu erreichen suchen; b) durch Neugründung von Vereinen, welche
dieses Ziel verfolgen, sowie durch Erteilen von Bat und Auskunft an
solche Vereine und Personen; c) durch mündliche und schriftliche Propa-
ganda für Kinderheilnngs- und Ferienkolonien; d) durch Gründung eigener
Heflungs- und Ferienkolonien. (Mitget. von Dr. med. MOUTON-Haag.)
Ffirsorge fBr achwaehsinnise und nervenkranke Schulkinder in
lilland« Zu diesem Zwecke ist hier vor kurzem ein Verein von Lehrern
and Ärzten gegründet worden. Der Verein will durch gegenseitige Be-
sprechungen die Methoden für den diesen Kindern zu erteilenden Sonder-
mterricht verbessern und zu gleicher Zeit das Interesse für derartige
Sdralen beim Publikum und bei den Behörden wachrufen. Alle Lehr-
28
kräfte, welche solche Kinder unterrichten, sind dem Verein beigetreten
An der Spitze desselben steht ein Komitee; Präsident ist D. Köhleb,
Schnlyorsteher nnd Leiter der Abteilungen für schwachsinnige Kinder zu
Rotterdam, Vizepräsident Dr. P. H. Lamberts, Arzt am Medizinisch-
Pädagogischen Institut zu De Bilt bei Utrecht, Sekretäre die Herren
A. J. Sghbendeb, Direktor des Medizinisch -Pädagogischen Instituts zu
De Bilt, und C. de Haan, Lehrer in den Abteilungen für schwach-
sinnige Kinder zu Rotterdam; Kassenhttterin Frl. M. BABBEYEiiB-BuTE,
Lehrerin an den Schulen des «Vereins für schwachsinnige und mangelhaft
sprechende Kinder" zu Amsterdam. Der Präsident und die beiden
Sekretäre stellen sich gern zur Verfügung, an Interessenten auf diesem
Gebiete Auskunft zu erteilen. (Mitget. von Dr. med. MouxoN-Haag.)
Ober die Diphtherie in den Schalen Londons sprach Thomas
in der 72. Jahresversammlung der British Medical Association zu Oxford.
Nach einer Mitteilung der ^Münch. med. Wochenschr,^ (1904, Nr. 37)
verlangt er, dalis alle Elementarschulen einer hygienischen Behörde unter-
stellt werden. Wenn auf Grund ausgedehnter bakteriologischer Unter-
suchungen nicht nur die diphtheriekranken, sondern auch alle diphtherie-
verdächtigen Kinder isoliert werden, dann gelingt es, die Krankheit zu
bekämpfen, ohne dals die Schulen geschlossen werden müssen.
(Mitget. von Dr. GÖTZ-München.)
Ein pädagogisches Institut fBr nervöse, schwachsinnige ud
krankhafte Kinder wurde, wie Dr. Matagne in der y^PoUcUnique centr.*"
mitteilt, im Oktober in unmittelbarer Nähe von Brüssel eröffnet. Auf-
nahme finden in demselben: 1. die einfach nervösen Kinder, 2. die Kinder
mit Krankheiten des Nervensystems, Lähmungen, Aufregungszuständen usw.,
3. die unlenksamen oder undisziplinierten Kinder, 4. die Kinder, die in
ihrer Intelligenz zurückgeblieben sind und infolgedessen mit dem Durch-
schnitt der normal veranlagten Kinder nicht gleichen Schritt halten können,
5. die Kinder mit Sprachstörungen ; 6. die Kinder mit nicht kontagiösen,
chronischen Krankheiten, wie Knochen-, Gelenkaffektionen usw., die eine
zeitraubende langwierige Behandlung erfordern, so dais es den Kindern
unmöglich ist, dem Unterricht in der Normalschule zu folgen. Aus-
geschlossen von der Au&ahme sind Idioten und Kinder mit ansteckenden
Krankheiten. Die beiden Geschlechter, sowie die verschiedenen Kategorien
der Zöglinge sind voneinander getrennt. An dem Institute wirken anfser
Dr. Matagne, der die ärztliche Oberleitung hat, ein Spezialarzt für
Nervenkrankheiten und ein Orthopäde. Die Pflege hat ein katholischer
Schwesternorden übernommen. (Mitget. von Dr. GÖTZ-München.)
Über die körperlichen Übungen der Kinder schreibt ein un-
genannter Verfasser im „f/ourw. des praiicims,^ , 1904, Nr. 40: „Gleichwie
bei uns scheint auch in Frankreich der Turnunterricht vielfach nicht in
der richtigen Weise betrieben zu werden. In dem vorliegenden Artikel
wenigstens wird darüber geklagt, dafs in den Turnstunden an den Schulen
hauptsächlich Gerätturnen geübt wird, das zwar eine gewisse Geschicklich-
keit verleiht, jedoch den eigentlichen hygienischen Zweck des Turnens,
eine Erweiterung des Brustkastens und eine Förderung der Blutzirkulation
herbeizuführen, nur sehr mangelhaft erfüllt. Bei Kindern unter 13 Jahren
29
18t das Gerättarnen überhaupt zu verwerfen, und auch bei Siteren Schalem
iniib es nach geistiger Arbeit onterbleiben, weil sonst Anstrengnng zu
Anstrengong kommt. In Belgien sind die Turngeräte &st alle aus den
Schulen entfernt worden; die Kinder spielen in den Turnstunden und Er-
holungspausen und die Lehrer mit ihnen. Das sollte überall und in allen
Schulen der Fall sein; denn das Tum- und Bewegungsspiel ist die beste
und rationellste körperliche Übung fOr die Kinder. Bewegung, Freude
and Geschrei mufs die Losung für die Turnstunden namentlich der jüngeren
Schüler sein; das Schreien gehört dazu, weil es die wirksamste Atmungs-
gymnastik darstellt. Die Spiele haben durch die Püffe, Stöbe und FäUe,
die sie den Kindern eintragen, ganz entschieden auch einen guten er-
zidierischen Einfluis; sie erzeugen Mut und Standhaftigkeit.
(Mitget. von Dr. GÖTZ-München.)
VortrXge fiber Sehulgesuindheitspflege in Dresden. Nachdem
der k. Bezirksschulinspektor, Schulrat Dr. Pbietzel, schon im Vorjahre
die Schulhygiene zum Gegenstande seines einleitenden Vortrages auf der
amUichen Hauptkonferenz der Lehrerschaft des Schulinspektionsbezirkes
Dresden I gemacht hatte, hat er in diesem Jahre die Schulgesundheits-
pflege als einzigen Verhandlungsstoff auf die Tagesordnung gesetzt. Der
stellvertretende Bezirksarzt und Schularzt, Professor Dr. Nowack, sprach
aber die »Schulluft^ und betonte besonders die physiologische Seite der
Frage. Lehrer Güst. Schanze trag vor: „Über die pädagogische
Bedeutung der Schularzteinrichtung''. Er zeigte vor allem, wie
die körperlichen Untersuchungen der Schulkinder zum Segen werden,
isdem sie dem Lehrer bei der Erforschung der Eigenart seiner Schüler
sehAtzenswerte Dienste leisten und beachtliche Winke für den Unterricht
geben. Die Lehrerschaft nahm beide Vorträge mit grofsem Beifall auf,
and sämtliche Debatteredner sprachen sich zugunsten der hygienischen Be-
strebungen aus. (Mitget. von H. GBAüPNEB-Dresden.)
Die Unterweisnng von Schulkindern in der Gesnndheitslehre
in England« Dem j,Lancet'' (29. Okt. 1904) entnehmen wir folgende
anfTallende Mitteilung: Während noch vor kurzem eine von fast 15000
Ärzten unterzeichnete Petition, welche die Grundrisse der Hygiene als
Lehrgegenstand für alle Schulen als nützlich und erspriefslich empfahl,
vom englischen Kultusministerium wohlwollend anfgenommen wurde, wird
jetzt von einer praktischen Betätigung berichtet, welche das diametrale
Gegenteil zu dieser Auffassung bildet. In den Indnstriebezirken von
Lancashire, Gheshire und Derbyshire hat man seit 1890 schon die Ein-
richtung getroffen, dab geeignete wissenschaftlich ausgebildete und geprüfte
Personen engagiert wurden, um in den höheren Klassen „Über den Alkohol
and dessen Einflafs auf den menschlichen Körper^ anschaulichen Unterricht
mit Experimenten, Tafeln u. dgl. zu erteilen. Dieser Plan wird a priori
wohl jedem Sachverständigen als empfehlenswert einleuchten, namentlich
in einem Lande, wo durchchnittlich £ 180000000 jährlich fttr geistige
Getränke ausgegebeh werden; und in der Tat waren diese sachlich und
ohne moralisierenden Beigeschmack gehaltenen Vorträge bei allen Beteiligten
ab lehrreich und anregend empfunden worden. Trotzdem hat nun die
Behörde erklärt, dab das Abhalten solchen Nebenunterrichtes den gesetz-
30
liehen Bestimmiingen nicht entspricht, nnd so kommt wieder einmal der
Boreankratismus mit dem gesonden Menschenverstand arg in Konflikt.
(Mitget. yon Dr. ?HiLiPPi-Bad Salzschlirf.)
Die mangelhafte ErnäbniBg von Yolkssehalkindern wnrde, wie
wir dem ^Lamcei^ (1904, Nr. 5) entnehmen, in der Sitzung des Royal Sanitary
Institute in London am 27. Okt. yon Dr. Macnamara zum Gegenstände einer
eingehenden Erörterung genuicht. Nachdem von verschiedenen Seiten
konstatiert worden ist, dafa etwa 20% der Schulkinder wegen Mittel-
losigkeit der Eltern keine genügende Kost erhalten, ist die Sorge fOr Ab-
hilfe dieses Übelstandes unabweislich. Zunächst jedoch verlangt Dr. M.
gesetzliche Malsregeln, auf Grund deren gegen Eltern, welche ans Gleich-
gttltigkeit, Leichtsinn oder Trunksucht ihre Kinder vernachlässigen, mit
aller Schärfe vorgegangen werden muls. Für die wirklich bedürftigen
Kinder soll ein Mittagstisch nach Art der Cantine scolaire, welche in
Paris ausgezeichnet funktioniert, eingerichtet werden. Die nötigen Mittel
könnten in London durch Erhöhung der städtischen Umlage um ein ganx
geringes aufgebracht werden. Es sei zweckmäfsiger, diese Erhöhung za
zahlen und ein gutes Resultat des Schulunterrichts zu erzielen, als die
Mehrausgabe zu verweigern und damit das Resultat der ganzen Schulkosten
illusorisch zu machen. (Mitget. von Dr. PiaLiPPi-Bad Salzschlirf.)
Sagesgefdiiditlidies.
Schnlbegion am Morgen in den Züricher SchnleB. In der
Stadt Zürich war von einigen Seiten der Wunsch geäufsert worden, man
möchte auch für den Sommer von der vierten Klasse der Volksschule an auf-
wärts die Schule erst um 8 ühr und nicht um 7 Uhr beginnen lassen. Die
betreffenden Stimmen müssen von einer besonderen Stärke und Bedeutung
gewesen sein, denn sie bewirkten, dafs der Lehrerkonvent sicli veranlafst sah,
das Urteil der Eltern einzuholen, da sie ja von der Änderung mindestens
ebensosehr betroffen würden, wie die Kinder. Das Resultat liels keinen Zweifel
aufkommen. Auf die Frage: „Sind Sie dafür, dafs der Unterricht um
8 Uhr beginne?** wurde von 886 mit Ja, von 8918 mit Nein geantwortet.
9,0% sprachen sich dafür, 90,9% dagegen ans. Auf die Frage: „Sind
Sie dafür, daOs der Beginn auf 7 Uhr verlegt werde?** liefen 9831
bejahende und 786 verneinende Stimmen ein, also 92,6 % gegen 7,4 %.
Damit ist der Wunsch der Eltern sehr deutlich zum Ausdruck gekommen
und die Eltern werden ja wohl als höchste Instanz anerkannt werden.
Eine Tarnhalle im Dachgeschofa. Mit dieser Neuerung hat, wie
wir der „TuS^^. Jßufi(fec^fi** entnehmen, die Stadt Elberfeid einen wie
es scheint gelungenen Versuch gemacht. Um jede störende Geräusch-
übertragung zu Verbindern, wurden die Umfassungsmauern, sowie die Träger
der darunter liegenden doppelten Decke und der eisernen Dachbinder
31
dsrdi dicken Maschioenfilz isoliert. Unter dem mit Linoleimi belegten
Fobboden befindet sich eine sechs Zentimeter starke Korkschicht. Die
Decke ist unter der Halle verdoppelt. Der obere Teil ist massiv zwischen
Trigem gewölbt, der untere, von dem oberen vollständig unabhängige, ans
Tier Zentimeter starken Korkdielen zwischen Trägern und mit unterem
Yerputz hergesteUt. Der Zwischenraum ist mit Bimssand aufgefüllt. Die
probeweise Benutzung der Turnhalle hat ergeben, dafs eine Störung des
Unterrichts durch den Tumbetrieb vollständig ausgeschlossen ist. Trotz
der Isolierungskosten bedeutet die Bauart eine Ersparnis von 20000 Mk.
g^en einen Tumhallenbau zur ebenen Erde. In gesundheitlicher Be-
ziehung ist ebenfalls ein Vorteil vorhanden, insofern, als die Schüler gleich
ans den Klassen in die Halle gehen und nicht erst den Schulhof passieren
müssen, wodurch Schmutz in die Halle getragen wird.
üntersneliaiigen Aber die gesandheitUelie Wirkung von Kinder-
spielen sind, wie die Tagesblätter melden, vor kurzem von der Pariser
Gesellschaft für Kindergesundheitspflege als Preisaufgabe ausgeschrieben
worden. Der Wettbewerb ist ein internationaler, und die eingelieferten
Arbeiten können in deutscher, französischer, englischer, italienischer oder
spanischer Sprache verfalst sein. Die eingesandten Schriften gehen in
das fSgentum der Gesellschaft über, die sich ihre Veröffentlichung vor-
behält, indem eine gesammelte Übersicht über den Erfolg des Wettbewerbes
gegeben werden soll. Die Preise werden bei der Jahresversammlung 1905
in Gestalt von goldenen, silbernen, bronzenen Medaillen und ehrenvollen
Erwähnungen zur Verteilung gelangen.
Schnlwirmezimmer hat bei der scharfen Kälte der Magistrat von
Nürnberg in den städtischen Volksschulen eingerichtet. Dieselben sind
unter der Aufsicht der Hausmeister zum Aufenthalte für arme Schulkinder
bestimmt, die nach der Schule daheim verschlossene Türen fänden, weil
Vater und Mutter auf Arbeit sind. (Allerdings gehört hierzu noch eine
Suppe oder ein Glas warmer Milch mit Brot. D. R.)
Alkohol nnd Volksschule. Wie der „Abstinent'' mitteilt, soll dem-
nächst in den Schulen Wiens ein Flugblatt verteilt werden, welches den
Eltern ans Herz legt: ^Gebt den Kindern keinen Alkohol!*' Es ist ein
Verdienst des Vereins abstinenter Lehrer und Lehrerinnen, vom Bezirks-
schulrate Wien — allerdings unter der Bedingung, da& diese Vereine
die gesamten Herstellungskosten tragen — die Bewilligung für diese Aktion
eilangt zu haben. Der Text des Flugblattes ist von Prof. Max Kabsowitz
verfalst und setzt in einfacher nnd klarer Weise die vielen Gründe aus-
einander, die gegen diese grolse Gedankenlosigkeit nnd Rückständigkeit,
Kindern Wein, Bier oder dergl. zu geben, sprechen. Das Flugblatt wird
an alle neueintretenden Schüler der Volks- und Bürgerschulen verteilt
werden, gelangt auf diese Weise in die verschiedensten Kreise und wird
80 wieder Tausenden zum erstenmal von der Bedeutung und den Beweg-
gründen unseres gro(sen Kampfes erzählen.
Alkoholfraf;e und höhere Schulen. Wie schwierig es ist, für
dae gröfsere Aktion gegen den Mifsbrauch geistiger Getränke die Gym-
naaallehrer zu ge¥dnnen, zeigt die von der „EnÜuUtsamkeit'' mitgeteilte
Tatsache, da(s der vom sächsischen Landesverband gegen den MÜsbrauch
32
geistiger Getränke an 1818 sächsische Oberlehrer gerichteten Anfforderong,
sich dem Verband behnfs Mitarbeit anzaschlieCsen, nnr sieben entsprochen
haben, obgleich anf der Hanpt?ersammlang des Sächsischen Gymnasial-
lehrervereins in Schneeberg Dr. Martin Habtmann, Professor am KOnig
Albert-Gynmasium zu Leipzig, gelegentlich seines Vortrages: ,,Die höhere
Schale and die Gesondheitspfiege* das Alkoholthema mit besonderer Ein-
dringlichkeit behandelt hatte. Der yon ärztlicher Seite schon oft er-
hobene Vorwarf, da(s das Interesse fttr Hygiene im Kreise der akademisch
gebildeten Lehrer Dentschlands nar schwach entwickelt sei, scheint also
wenigstens fdr das Königreich Sachsen leider noch za Recht za bestehen.
Znr Bekämpfung des Alkoholmifsbranehes durch die Schule
hat, nach einer Meldung der „N. Zürch. Zig.^^ die Schalkommission in
La Chaox de fonds (Schweiz) einstimmig beschlossen, diesen Gegenstand in
das ünterrichtsprogramm aUer Primarschalklassen aafzanehmen.
Ein unentgeltlicher Unterricht ffir stotternde Yolksschfiler
ist in Göppingen yeranstaltet worden. Die Dauer des Kurses ist zu-
nächst probeweise auf ein Vierteljahr festgesetzt. Aulserdem beabsichtigt
man, den Schwachbegabten Kindern fftr die Folge getrennten Unterricht
zu erteilen.
Die CIrfindung einer zweiten Waldschule in Charlottenburg
ist geplant und soll, wie die Tagesblätter melden, im Frttbjahr erfolgen.
Da die von der Stadt eingerichtete erste Waldschule sich ausgezeichnet
bewährt, hat, so ist zu yermuten, dafs in den Kreisen der Stadtverwaltung
die Gründung einer zweiten derartigen Schale auf keine Schwierigkeiten
stofsen wird. Angeschlossen soll eine Erholungsstätte fftr kränkliche
Kinder werden.
Anf die Beschickung der Ferienkolonie in Charlottenburg
wird in Zukunft die städtische Verwaltnng einen nicht zu unterschätzenden
Einflafs erhalten. Mit dem Verein gegen Verarmung, Abteilung für Ferien-
kolonien, ist yereiobart worden, dafs in Zukunft eine erbebliche Anzahl
der za verschickenden Schalkinder durch die Stadt auf Grund eines schul-
ärztlichen Gutachtens dem Verein überwiesen wird. Die Kinder mflssen
dann bei der Verschickung berücksichtigt werden, während bekanntlich
bisher der Verein ganz nach freiem Ermessen wählen durfte. Die Depu-
tation hat aber noch ein Zweites beschlossen. FQr diejenigen Kinder, die
nicht unbedingt einen Aufenthalt an der See, im Gebirge oder reinen
Luftwechsel nötig haben, sollen schon im nächsten Sommer Erholungs-
stätten im Anschlufs an die Waldschule errichtet werden. Die Erholungs-
stätten sind natargemäfs billiger als die Ferienkolonien, schon deshalb,
weil das Reisegeld gespart wird, und diese Ersparnis wird es ermög-
lichen, dafs auch mehr Kindern als bisher die Wohltat eines gesunden
Ferienaufenthaltes zu teil wird. Die ökonomische Verwaltung der Er-
holungsstätten, die also unabhängig yon den Ferienkolonien bestehen soll,
wird wie die der Waldschulen dem Vaterländischen Frauenverein über-
tragen werden.
Ein Antrag auf Herabsetzung der Schfllerzahl in den Volks-
schulen wurde am 18. November 1904 von den sozialdemokratischen
Abgeordneten in der zweiten hessischen Kammer gestellt. Die Schüler-
3ä
nU Bon auf 40 bis ausnahmsweise 60 pro Lehrkraft festgesetzt werden.
Leider gelang es nicht, die Kammer von der Notwendigkeit einer solchen
Baform zn ttberzengen. Die Regierung erklftrte sieb zwar mit dem Ziel
(les Antrages einverstanden und versprach, in seiner Bichtong zu wirken,
behauptete aber, ans finanziellen Orflnden zurzeit nichts tun zu können,
u&erdem fehle es an der nötigen Zahl von Lehrern. Die Dnrchfiahrung
des Antrages erfordere 1700 neue Lehrkräfte.
HmUx^t Derfngtiitgeit.
Die FSrderang der Zahnpflege bei Schulkindeni.
ErUfs der k. k. steiermftrkischen Statthalterei vom 4. Mftrz 1904^
Z. 61Ö5, an alle unterstehenden Bezirkshauptmannschaften.
Mit dem Erlasse vom 28. Juli 190S, Z. 27218, wurde angeordnet,
dafa seitens der politischen YerwaltungsbebOrden der Förderung schul-
liygienischer Bestrebungen^ auf dem Gebiete der Mund- und Zahnpflege
dn erhöhtes Augenmerk zuzuwenden und die in dieser Richtung im Wege
der SchulbehOrden eingeleitete Aktion nach Möglichkeit zu unterstatzen
ist, wobei darauf hingewiesen wurde, dais auf diesem Gebiete nur von
einem einvemehmlichen Zusammenwirken der Schulbehörden mit den
bernfenen Organen der Sanit&tsverwaltung eine Besserung der gegenwärtig
binsichtlich der Zahnpflege in den Schulen bestehenden Yerhfiltnisse zu
erwarten steht.
Es erscheint aus diesem Grunde auch notwendig, die k. k. Bezirks-
Bsnptmannschaft von den Jeweilig im Gegenstände seitens der Schul-
behOrden eingeleiteten oder beabsichtigten Aktionen in Kenntnis zu setzen.
In dieser Beziehung wäre vorerst zu bemerken, dafs Ober Ersuchen
des steiermärkischen Landesschulrates eine fflr die Unterweisung der
Sehfller durch die Lehrerschaft berechnete Belehrung über Mund- und
Zahnpflege vom Landessanitätsrate verfalst wurde.
In dieser Belehrung, deren Hinausgabe an die Lehrerschaft beab-
siditigt ist, werden in besonderen Abschnitten das Wesen der Zahnfäule
lad die Bedeutung der Zahnerhaltung für die allgemeine Gesundheit,
wdters die speziellen Schädlichkeiten, welche, abgesehen von einer auf
Vererbung beruhenden auffallenden Weichheit und geringen Widerstands-
fthigkeit des Zahnbeines, als Ursache von Zahnerkrankungen angesehen
Verden mflssen, und im letzten Teile endlich in ausfflhrlicher Weise alles das
besprochen, auf was eine vernünftige Zahnpflege Bedacht zu nehmen hat.
Wenngleich es nun keinem Zweifel unterliegen kann, dafs auch auf
4em Wege der Belehrung und des Unterrichts ein Fortschritt in der
Muiid- und Zahnpflege bei Schulkindern erreicht werden wird, insbesondere
uter der Voraussetzung, dafs die Lehrerschaft in richtiger Erkenntnis
der ihr zukommenden Aufgabe sich nicht allein darauf beschränkt, auf
^rhandene Mängel und Schädlichkeiten hinzuweisen, sondern auch trachtet,
teefa entsprechende Einflnisnahme auf die Eltern der Schiller die mit der
Selmlgasimdheitspflege. XVUL 3
u
Belebning beabsichtigten pnktischeD Erfolge za erzielen, so Ueibt doch
die Sicherstellnng der leichten Erreichbarkeit zahnärztlicher Hilfe ud
Behandlung die Hauptsache.
Ungleich schwieriger als in den gröberen Städten, wo eine 2iahl ?o&
Ärzten Yorhanden ist, die sich ansschliefidich mit der Zahnheilknnde
befassen, nnd wo durch Ausgestaltung der Armen-Krankenbehandlung im
Sinne der unentgeltlichen Hilfeleistung für arme Zahnkranke, durch Be-
stellung von eigenen Zahnärzten fflr Institute und Anstalten (Waisen- und
Erziehungshäuser) die praktische Zabnhygiene gefordert werden kann,
liegen die Verhältnisse wegen des Mangels von Zahnärzten am Lande.
Aber auch hier haben sich im Laufe der letzten Jahre insofeme
Änderungen ergeben, als auch am flachen Lande in Städten und grOlseren
Orten schon Ärzte wirken, die spezielle zahnärztliche Kenntnisse besitzen
und sich mit der konserrativen Zahnbehandlung befassen.
Auf diese Fälle, in welchen es sich um Schulen handelt, die sich in
Städten oder grOfseren Orten befinden, wo Heilpersonen existieren, welche
sich mit Zahnbehandlung befassen, bezieht sich auch die dem steier-
märkiscben Landesschulrate empfohlene Aktion der Schulbehörden hin-
sichtlich der Einleitung von Verhandlungen wecen Erlangung von Begfta-
stigung fOr unbemittelte zahnkranke Schulkinder.
Was die zahnärztliche Hilfe fflr mittellose Schulkinder anlangt, so
wird wegen Übernahme der Kosten derselben mit den Bezirken das Ein-
Yernehmen zu pflegen sein.
Hiezu wird bemerkt, da(s die Zahnfäule wie jede andere Erkrankung
ärztliche Hilfe erfordert, und dals sieb diese nicht nur auf die Entfemun|^
sondern, wenn die Möglichkeit yorhanden ist, auch auf die konservative
(erhaltende) Behandlung der erkrankten Zähne zu erstrecken hat, welch
letztere bei rechtzeitiger Inanspruchnahme geeignet erscheint, nicht nur
schmerzhaften Zahnleiden, sondern — was ganz besonders wichtig ist —
auch dem yermeidbaren Verlust der Zähne mit allen hieraus fiär die Gesund-
heit entstehenden Nachteilen wirksam zu begegnen.
Die Bezirke wären demnach unter Hinweis auf die Wichtigkeit der
zahnärztlichen Hilfe, besonders im jugendlichen Alter, einzuladen, in solchen
Orten, wo sich Ärzte befinden, die sich mit der Zahnbehandlung befassen,
mit diesen ein Übereinkommen hinsichtlich der Übernahme einer solchen
Behandlung bei armen Kranken zu treffen.
Dabei wird die k. k. Bezirkshauptmannschaft ihre Bereitwilligkeit
auszusprechen haben, derartige Bestrebun^ren, soweit dies in ihrem Wirkungs-
kreise möglich und nach den jeweilgen Umständen tunlich erscheint, nach
Kräften zu unterstfltzen, und wird die Erwartung ausgesprochen, dafs die
politischen Unterbehörden jede sich darbietende Gelegenheit benfltzen
werden, um das Gesundheitswohl der Bevölkerung durch entsprechende
Ingerenznahme zu fördern.
Die in der bezeichneten Richtung gemachten Wahrnehmungen und
erzielten Erfolge sind in einem besonderen Abschnitt des Jahres-Sanitäts«
berichtes — unbeschadet der allf&lligen laufenden Berichterstattung — in
Qbersichtlicher Weise zur Darstellung zu bringen.
S5
Citeratnr.
Besprechungen.
SxoCKHAUSBfiTy Otto. yyJaDj^s — heransl'^ Ernstes nud Heiteres
ans dem Leben einer Hambarger Ferienkolonie* Hamburg,
Verlag der Schriftenniederlage des christlichen Vereins junger Männer.
1903. 16^ 80 S.
In seinem Schlubwort stellt der Verfasser die nach militärischen und
religiösen Grundsätzen organisierten Hamburger Ferienkolonien auf Schäfer-
bof als nachahmenswerte Musterkolonie hin. Wenn der Verfasser als End-
ziel der Ferienkolonie das „ernste Bestreben hinstellt, in den Kindern
den Grund zu einem entschiedenen bewuisten Christenleben, zur Gottes-
iflreht, zur Liebe zum Heiland und zu seiner Nachfolge" zu legen, und
es als die Hauptaufgabe der Leiter bezeichnet, „die durch die Koloniezeit
gebotene Gelegenheit, Frucht zu schaffen, die bis in die Ewigkeit hinüber-
wirkt, Yoll auszunfltzen" (vide S. 78 und 79), so setzt er sich damit in
grellen Widerspruch zu den Motiven, die seinerzeit den Schöpfer und Vater
der Ferienkolonien, Herrn Pfarrer BiON in Zürich, bewogen haben, diese
segensreiche Institution ins Leben zu rufen, und die in erster Linie das
leibliche Wohl der dürftigen Schulkinder im Auge hatten.
Wohl ist die Disziplin für die Leitung einer Kolonie unerläfslich und
bis zu einem gewissen Grade für den Erfolg der Koloniezeit ausschlag-
gebend. Ob aber hierzu religiöse Muckerei und militärischer Drill nut
an seinen Nachäffereien die richtigen Mittel sind, möchte ich stark be-
zweifeln. Jedenfalls sind die Gewöhnung an kritiklose Unterwürfigkeit
unter zum Teil gleichaltrigen Kameraden, die ihren Rang als Offizier oder
Unteroffizier meist nur dem besser geuährten Geldbeutel ihrer Eltern ver-
danken (vide S. 1 — 12 ff.), „das Anschnauzen und Anbrüllen selbst bei
unbedeutenden Formfehlern mit Worten, die an Deutlichkeit nichts zu
wünschen übrig lassen^ (vide S. 76 und 77), wenig geeignete Mittel, um
die Jugend zu sozialem Empfinden und Deoken, dem Haupterfordernis der
heutigen Jugenderziehung, heranzubilden. Wo solche Mittel nöüg sind,
um die Disziplin aufrecht zu erhalten und einen Erfolg der Koloniezeit zu
flichem, ist es wahrlich mit der Autorität der Kolonieleiter schlecht bestellt.
Der Hauptwert der Ferien in erzieherischer wie in hygienischer Be-
ziehung liegt ja gerade darin, dafs die Jugend für kurze Zeit des Schul-
rarangs enthoben ist und sich gewissermafsen austoben kann; es ist daher
nichts verkehrter, als diese relative Ungebundenheit durch den die Nerven
abspannenden militärischen Drill ersetzen zu wollen. Ich kann mir
wenigstens nicht denken, wie Herz und Leib dabei gesunden können.
Leider schweigt sich das Schriftchen über den physischen und sozial-erziehe-
Erfolg so gut wie ganz aus.
8*
56
Bessere BelehniDg durch eigene Anschanang also Yorbehalten, kann
ich dem GedaDkengange des Verfassers nicht folgen nnd möchte Tor der
Nachahmung solcher bezüglich des Erfolges recht zweifelhafter Experimente
mit unserer heranwachsenden Jugend dringend warnen.
Kbukeb, Stadtarzt in Zürich.
Lobedank, Dr., Stabsarzt in Hann.*Münden. Die Gesundheitspflege
des Schnlkindes im Elternhanse. Hamburg und Leipzig, Leopold
Voss, 1904. 8^ 219 S.
Die Bedeutung der Scbulgesundheitspüege liegt nicht blofe darin, dab
sie uns aufkl&rt Ober den Zusammenhang von Gebrechen des kindlichen
Organismus mit den Einflüssen des Schullebens, sondern auch darin, dals
sie uns erst recht erinnert an die Gefahren einer gesundheitswidrigen
Lebensweise aufserhalb der Schule. Die Fürsorge der Behörden entbindet
die Eltern nicht yon der Pflicht der Fürsorge für ihre Kinder, und sie sollen,
soweit es in ihrer Macht liegt, dieser Pflicht gerecht werden. Von dieser Idee
ausgehend, schreibt der Verfasser seinen Wegweiser für die Eltern. Er
schildert in klarer und verständlicher Weise, welche Aufgaben die Eltern
zu erfüllen haben, um eine gesundheitsffemftfse Lebensweise der Kinder zn
fördern uqd die Schule in ihren ähnlichen Bestrebungen zu unterstützen.
Wünschenswert wäre es, wenn der Verfasser die Kurpfuscherei etwas
weniger zum Zielpunkt seiner Angrifife machen würde. Er will ja gesund- ,
heitsgemäfse Lebensführung in weiteste Kreise yerbreiten, und diesem Zweck
schadet er durch allzu weitgehende und nicht unbedingt im Rahmen des
Buches liegende Angriffe auf die Kurpfuscherei. Im übrigen ist das Buch
sehr lesenswert und geeignet, viele Vorurteile zu beseitigen.
Dr. Kbaft, Schularzt in Zürich.
Dr. med. Alfb. Fiedleb und Dr. med. £. Hölemann. Der Ban des
menschlichen KSrpers. Achte, vermehrte und verbesserte Auflage.
Mit 81 anatomischen Abbildungen im Text und 5 anatomischen Tafeln
in Farbendruck. Dresden, C. C. Meinbold & Sühne, 1903. 8®, 156 S.
In Leinwand gebunden. Mk. 1,75.
Das in der 8. Auflage erschienene Buch ist für die Hand des Lehrers
bestimmt und soll ihn befähigen, seinen Schülern das Wissenswerteste von
dem, was uns im engsten Sinne des Wortes am nächsten liegt, in leicht-
fafslicher Weise beizubringen. Es glänzt, wie dies schon anderorts hervor-
gehoben worden ist, durch die absolute Richtigkeit seines Inhaltes, die
Klarheit der Anordnung und die Deutlichkeit der Darstelluog. Da es
aber nicht jedermanns Sache und bekanntermafsen sehr schwierig ist, Über
dieses Gebiet populär vorzutragen, so vermisse ich in dem Buche ungern
eine Wegleitung darüber, wie der Stoff am ersprielslichsten zn behandeln
ist. In dieser Beziehung wäre vielleicht eine andere als die rein deskrip-
tive Darstellungsweise nutzbringender gewesen. Die letztere scheint mir in
diesem Falle nicht gerade glücklich gewählt zu sein. In meiner lang^
jährigen Tätigkeit als Samariterlehrer habe ich die Überzeugung gewonnen,
dafs die reine beschreibende Vortragsweise (wie z. B. diejenige über die
Lehre vom Knochenhau) im Lernenden einen Wust von Formkenntnissen
87
aehaflt, der, weil ohne inaeren Znsamvienhangy dem Unterricht interesseloe
erscheinen lälst nnd nichts weniger als dazu angetan ist, den Lernenden
za eigenem Nachdenken zn veranlassen.
Gerade Air die gemeinverständliche Behandlung des in Frage stehende
Stoffes scheint mir die Hauptsache die zn sein, dab der Vortragende nicht
blo6e Formheschreibnng treibt, sondern anf die logische Notwendigkeit
imd Unentbehrlichkeit der einzelnen Organe im Hanshalte des menschlichen
Körpers hinweist, nicht bloCs das Wie, sondern vor allem das Warum
der Form hervorhebend.
Eine solche Darstellungsweise vermag zugleich das Interesse am Unter-
richt wachzuhalten und erweckt von selbst das Verständnis für das innere
Wesen der Formen.
Unter diesem Oesichtspunkte h&tte ich es lieber gesehen, wenn die-
vorliegende Lehre vom Bau des menschlichen Körpers auf den ersprieb-
lieberen Boden der vergleichend anatomisch-physiologischen Darstellungs-
weise, d. h. der Entwicklung der Formen (Organe) gestellt worden wftre.
Zn begrOfsen ist es dagegen, dafs in dem Buche von der Darbietung
ans der Lehre der Krankheiten und ihrer Behandlung Umgang genommen
ist, die nur allzu leicht dem Kurpfuschertum den Boden ebnet. Erwünscht
waren freilich Einflechtnngen ttber die Bewahrung der gesunden Organe
vor Schädigungen, also Aber die Prophylaxe und Hygiene. So wären z. B..
im Anscblufs an die Lehre von der Haut Andeutungen Aber die Hygiene
der Kleidung, an die Aber die Atmungsorgane die Erwähnung der Grund-
sätze einer vemnnflsgemäCsen Wohnungspflege usw. am Platze. Durch
solche Einsprengungen wArde das Buch dem Zweck, für den es geschrieben
ist, näher gebracht und auch nicht ungebAhrlich belastet, zumal sich die
etwas weitläufigen histologischen Orientierungen wesentlich einschränken
fiefsen. Zu wAnschen wäre femer, weil ja das Buch fAr Fortbildungs-
schulen und die oberen Klassen der Mittelschulen bestimmt ist, dafs das
Kapitel der Sexualpädagogik nicht ganz mit Stillschweigen übergangen
worden wäre. Allerdings wArde der Untenicht hierüber dann besser in
die Hände eines Arztes als eines Lehrers gelegt.
Abgesehen von diesen mehr im Sinne von wAnschbaren Postulaten als
eines Tadels gemachten Aussetzungen kann das durchaus sachlich geschrie-
bene, 154 Seiten starke Buch allen jenen warm empfohlen werden, denen
es um die Einfährung des Unterrichtes Aber Hygiene in unseren Schulen
ernstlich zu tun ist. Der verständige Lehrer wird darin Stoff genug
finden, um den Unterricht anregend zu gestalten, namentlich wenn er
neben dem Unterricht in Wort die Anschauung nicht vergifst. Dafs die
hierfar beigegebenen Tafeln und Abbildungen nicht allzu schematisch sind,
ist ein weiterer grober Vorzug des Buches. Schematische Zeichnungen
erwecken nur zu leicht falsche Vorstellungen, die gerade anf diesem Ge-
biete vermieden werden mAssen. Kbukbb, Stadtarzt in ZArich.
Baüb, AiiFBBD, Dr. med. Die Hy^ene des kranken Schnlkindes.
V^lag von Ferdinand Enke. Stuttgart 1903. Preis Mk. 14.—.
Als wir in den stattlichen Band von 685 Seiten hineinblickten,
beschlich uns in der Erinnerung an die Schreibweise Baubs, offen ge-
38
stinden, ein gelind€B Granen bei dem Gedanken» dnrch diesen stilistiaehen
Urwidd wandern za mflssen. Und dieses Granen war nur allza berechtigt.
Zwar finden wir einige freiere Oasen nnd heitere Lichtblicke, wenn wir
die Gebiete Koohs nnd Sohmib-Monnabds betreten, im groften nnd ganzen
aber hat man mit argem Gestrflppe zn kämpfen.
In erster Linie könnte das Bnch wohl gnt nm die HAlfke geklbrzt
werden, ohne an „Übersichtlidikeit^ zn verlieren. Vor allem würden wir
die „EselsbrAcken**, Seite 7—39, yielleicht anch Seite 253—283, jeden-
falls aber Seite 526 — 592 streichen oder erheblich kürzen. Sie erinnern
so sehr an geduikenlose Thenakmedizin, dab man sich Tom Gespenste
des dem Grabe entstiegenen Medicns scbolasticns verfolgt wfthnt
Was den Inhalt anbelangt, so hat Baüb die gesamte Literatur anb
gewissenhafteste benutzt, aber das Bnch ist in jenem krausen, teilweise
unTerstOndlichen Deutsch geschrieben, das wir schon frflher an den Arbeiten
Baubs zu tadeln genötigt waren. Leider mifsachtet Dr. Baüb behanücfa
alle guten Ratschläge, die man ihm erteilt.
Ea ist zn bedauern, dafo den znm Teil guten und instruktiven Ab-
bildungen kein besserer Text beigegeben werden konnte. Darauf hfltte die
Yeriagsfirma dringen müssen.
Wir können das Buch leider nicht empfehlen, um so mehr, als die
Fachliteratur wohl versehen ist mit flott geschriebenen, leicht fafoUchen
Darstellungen über die von Battb behandelten Fragen.
Dr. Kbaft, Schularzt in Zürich.
Bibliographie.
Die mit * beseiohneten Werke wurden der Bedaktion sagesandt.
*Achtgehnier JahresberiM der Jugendharie Zürich L 1903—1904.
Zürich. 1904. Kl. 8«. 49 S.
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(Nuova Serie); Fase. IV. Anno 1904.
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Leipzig, F. 0. W. Vogel, 1904.
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4.-9. April 1904. 4 Bände. Nürnberg, J. L. Schräg, 1904.
I. Band.
Erste Abteilung: Allgemeiner TeU und FienarsÜMungen.
Zweite „ Gruppe A: Hggiene des Schulgehäudes.
n. Band.
Erste Abteilung: Gruppe B: Hygiene der Internate. SckuHhyg.
üntersuchungsmethöden, Hygiene d.
Unterrichts u. d, ünterrichtsmiitel.
Zweite „ » C: HygienischeUntenoeisfmgderLehrer
und SdUOer.
89
m. Band.
Erste AbteOnng: Oroppe D: EHrperHdie Breiehung der Sdmt-
Jugend.
Zweit» „ » E: Krankheiten und OrMflkher Dienst
in den Schulen.
IV. Band.
Ente Abteünng: Orappe F: Sonderschulen,
Zweite „ v Gt: Hygiene der Schufjugend aufeer"
halb des Hauses. Hygiene des
Lehrkörpers. Allgemeines.
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und das Mannheimer System. Mit 1 Fig. im Text. Sond.-Abdr. a.
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Füller, J. P. Mein System. 15 Minuten täglicher Arbeit für die
Gesundheit. Mit 42 Illustrationen nach der Natur und einer Zeittafel.
A. d D&nischen nach der 5. Aufl. d. Originals y. M. u. H. Tilloe
übersetzt. Kopenhagen, TiUge, 1904. S^. 89 S. JH 2.00.
§tv $d|uliirfi
ni. Jahrgang. 1905. No. 1.
Ori0iitalab^aitbUit0eit.
Die Schlüantinstitntion in Norwegen.
Eine Übersioht
von
M. E. H&KONSON- Hansen,
Oberlehrer der YolksBchule auf der BiBchofohohe in Drontheim.
Obersetzt von Professor Dr. Lio BüBGEBSTEiN-Wien.
Im § 14 des Gesetzes yom 26. Juni 1889 über die Volkssohnlen
in Orten mit städtischen Privilegien ist zn lesen, dais die Schnl-
verwaltnng behufs stftodiger Anfeioht tiber die Gesundheitsverhält-
oisse der Schule einen Arzt anstellen solle, falls die Eommunal-
rerwaltung hierzu ihre Zustimmung gibt. Und im § 66 des Ge-
setzes vom 27. Juli 1896 über die höheren allgemeinen Schulen
steht: „Behufs ständiger Aufsicht über die Gesundheitsyerhältnisse
der Schule soll die Schulleitung einen Arzt anstellen, dessen
Tätigkeit im Dienste der Schule durch eine besondere, Yon der
Oberschul Verwaltung ausgefertigte Instruktion zu bestimmen ist."
Das Gesetz vom 26. Juni 1889 über die Volksschulen auf dem
Lande entbehrt einer entsprechenden Bestimmung (s. diese Zeäschrifi
1890, S. 645, und 1897, S. 403). Die beiden angeführten Bestim-
nmngen haben es mit sich gebracht, dafs man auch hier in
Norwegen davon Kunde erhielt, es gäbe für einen Arzt innerhalb
der Tier Wände einer Schule etwas zu tun. Man hat den Titel
»Schularzt aus dem Auslande hergeholt und er ist nun so oft
gebraucht worden, dafs man nicht mehr sagen kann, er sei ganz un-
bekannt.
In Erfüllung meines der geehrten Redaktion dieser Zeitschrift
gegebenen Versprechens will ich hier im folgenden eine Übersicht
D«r Seliolant. m. 1
2 42
über den Stand der ärztlichen Einrichtungen in unseren Schulen
geben. Ich bin selbst der Ansicht, dafs dieser Stand der Dinge
nicht zufriedenstellend sei, man tröstet sich aber in solchen Fällen
immer damit, dals £twas besser sei als Nichts. Mit diesem Tröste
darf man sich wohl auch hier beruhigen: Hat man erst die Eän-
richtung, so kann sie sich wohl im Laufe der Zeit so entwickeln,
dals sie, wenn auch jetzt noch nicht zweckentsprechend, es doch
einmal werden mag. Die guten Bestrebungen in der Richtung zur
Verbesserung werden sicher nicht mangeln.
Es war im Jahre 1899, als Christiania, die Hauptstadt, ein ge-
ordnetes Schularztwesen in ihren Volksschulen erhielt. Die Stadt
hat nun 19 solcher Schulen. Das Honorar ist an einer Schule ge-
wöhnlicher Grölse jährlich 800 Kronen^, einige Arzte haben mit
Rücksicht auf die Grölse der Schule 400 Er.
Wir führen in folgendem die Vorschriften für die Schulärzte
in Christiania an. Sie lauten:
Instruküen für die Schulärzte an den Velksschulen
in Christiania.
(Von der Schalverwaltiuig beschlossen am 3. Febraar 1899.)
§ 1. Der Schularzt ist der Ratgeber der Schülverwaltung, des Schul-
Inspektors ond des Oberlehrers in allem, was die OesandheitsverhältDisae
der Schnle — der Scbnlbäaser, ihrer materiellen Einrichtong, des Lehrer-
personals und der Scholkinder — und den EinfluCs dieser Gesandheits-
yerhältnisse auf den Schalbetrieb betrifft. Er führt in dieser Hinsicht die
notwendige sachverständige Aufsicht an der Schale.
Wo die Aufsicht des Schalarztes mit jener zasammenfftUt, welche der
Gesondheitskommission zokonunt, kann auch diese letztere seinen Beistand
in Ansprach nehmen.
§ 2. Zu Beginn jedes Schuljahres antersacht er den Gesundheits-»
znstand aller neaeintretenden Schalkinder and schreibt das Resultat seiner
üntersnchang in ein Protokoll oder für jedes Eand auf dessen Grand-
bachblatt.
Er hat hierbei seine besondere Aufmerksamkeit auf etwaige Ddekte
der Sinnesorgane, auf RflckgratsTerkrümmangen usw. zu richten, sowie er
in den ersten Monaten des Schuljahres sich dartlber aaf dem Laufenden
halten soll^ inwiefern die Lehrerinnen in den ersten Klassen Anzeichen der-
artiger Mängel wahrgenommen haben.
Ordnet die Schalverwaltung an, dafs zu bestimmten Terminen oder
anderen Zeiten Untersuchungen von Scholkindergroppen oder von allen
Schulkindern stattzufinden haben, so hat er den ärztlichen Beistand, der
hierzu erforderlich ist, zu leisten.
1 Krone = 1,15 Mark.
43 3
§ 3. An einem Tage der Woche hat er sich za einer der Sehole
passenden, zwischen dem Oberlehrer ond ihm yereinbarten Zeit in der
Schnle einzufinden behufs üntersnchuDg jener Kinder, welche ihm Yor-
gefthrt werden, nnd nm dem Oberlehrer nnd dem übrigen Lehrerpersonal
Gdegenheit zn geben, ihn zn Rate zn ziehen hinsichtlich der Gesnndheits-
Terhiltnisse der Schule und der Kinder sowie auch mit Bezug auf etwaige
Yeiftgungen, welche wegen dieser Verhältnisse im allgemeinen oder wegen
besonderer Vorfälle zu treffen wären.
§ 4. Wo ein krankes oder leidendes Kind so gestellt ist, dafs die
Schule ach zur Fürsorge yerpflichtet findet, soll er dem Oberlehrer bei-
striien hinsichtlich der Vermittlung bei jenen Instanzen, deren Mitwirkung
Bfilig ist, damit das Kind in Behandlung oder Pflege komme.
§ 5. Wenn eine flOr die Schole notwendige Untersuchung in der
Wohnung eines Kindes auszuführen ist und sich auf andere Weise nicht
zweckmäisig ausführen lä&t, hat er sie anf Aufforderung des Oberlehrers
dort aoszuführen.
§ 6. Er hat sein Gutachten über die allgemein gültigen Regeln für
die Reinhaltung der Schulen und speziell darüber abzugeben, inwieweit die
besonderen Verhältnisse der einzelnen Schule eine Abweichung von diesen
B^eln notwendig machen möchten. Ebenso hat er auf Wunsch des
Oberlehrers diesem bei der Begebung der Schullokalitäten beizustehen und
hierbei darauf zu sehen, daCs bestmögliche Rücksicht auf die Kinder hin-
sichtlich deren Unterbringung in den Klassen genommen werde. Wenn
er bei seinen Kindern in der Schule etwas bemerkt, was der Gesundheits-
pflege zuwider sein kann, hat er dem Oberlehrer die notwendige Vor-
sCdhing zu machen.
§ 7. Er soll hier und da dem Gymnastik-, Schreib- und Zeichen-
ntenricht, dem Slöjdunterricht oder anderem Handarbeitsunterricht, ebenso
dem Baden in der Schule anwohnen, um auf Grundlage der hierbei
genaehten Beobaditungen jene Winke zu geben, die er für notwendig er-
aditet.
§ 8. Er hat beim Auftreten plötzlicher Erkrankungen in der Schule
die erforderliche erste ärztliche Hilfe zu leisten, ferner, wenn es verlangt
wird, Schulkinder zu besorgen, welche in der Schule zu Schaden gekommen
and, insoweit nicht eine spezialistische oder langwierigere Behandlung er-
forderlich ist.
§ 9. Er hat jene Zeugnisse, Gutachten oder Erklärungen anszu-
stellen, welche der Oberlehrer, der Schulmspektor, die SchuWerwaltung
oder die Gesundheitskommission in bezug auf die Gesundheitsverhältnisse
der Schule von ihm Yerlangen.
§ 10. Im übrigen hat er die näheren Weisungen zu befolgen, welche
der Schulinspektor oder die Schulverwaltung behufs eines für die Volks-
sdnüen gleichgearteten Vorgehens bei den ihm aufgetragenen Untersuchungen
uk ihn richten.
In Christianseand sind keine Schulärzte angestellt worden;
<lie Schularztfrage wurde vor ungefähr zehn Jahren dort Yom Volks-
4 44
fiohnlinspektor zur Sprache gebracht. Aber es kam nur das dabei
heraus, data man der Instruktion des Stadtphjrsikus einen Anhang
hinzufügte, infolgedessen er yerpflichtet wurde, die hygienischen Ver-
hältnisse der Volksschule zu überwachen und die Gutachten ab-
zugeben, welche im Interesse der Schule erforderlich sind, z. B^
ob ein Kind eine infektiöse Krankheit habe und deshalb nicht sur
Schule gehen solle, ob die von den Eltern behufs Befreinng der
Kioder yon körperlichen Übungen oder anderen Schulfächem auf-
geführten Gründe stichhaltig seien u. dgl. Und in der Tat ist der
Stadtphysikus seither in dieser Richtung hier und da in Ansprach
genommen worden. Qilnzlich unberührt yon der wichtigen Frage
der hygienischen Schulaufsicht ist also auch Christianssand nicht
geblieben.
In Bergen ist man in der Lösung der Frage etwas yorwärts
gekommen. 1897 wurden 1200 Kronen zur Besoldung yon Schul-
ärzten an Volksschulen bewilligt. Dies geschah auf Vorschlag der
Schulyerwaltung, welche nach geschehener Bewilligung sechs Schul-
ärzte anstellte, jeden mit einem Gehalt yon 200 Kronen jährlich.
Für den Dienst dieser Ärzte gilt folgendes Reglement:
Bestimmungen für die Gesundheitsanfsicht in den Volksschulen.
A. 1. Für jede Klasse führt der Elassenyorstand ein hygienisches
ProtokoU über die Schüler.
2. In diesem Protokoll wird zu Beginn jedes Schaljahres Flächen-
und Bauminhalt des Klassenzimmers, seine BelichtuDg (Zahl und SteUnng
der Fenster, Verhältnis zwischen Fenster- und Fuishodenfläche), Heiz- nnd
Yentilationseinrichtung und Schfllerzahl eingetragen. Femer das Resultat
der im Verlaufe des Jahres yorgenommenen Messungen und Wägnngen
samt der Zahl der Krankheitsahsenzen für jeden Schüler pro Monat, soweit
möglich unter Angabe der Art der Krankheit.
3. Messung und Wägung wird vom Klassenyorstand gemeinschaftlich
mit einem der Lehrer der Klasse zweimal jährlich, je zu Beginn eines
Semesters, yorgenommen. Das Gewicht wird im gewöhnlichen Gymnastik-
anzug bestimmt, für die Mädchen, nachdem Jacke, Leibchen und Schuh-
zeug abgelegt sind.
4. Zu Beginn jedes Schuljahres wird jedem Schüler yom Klassenyorstand
eine Banknummer zugewiesen, mit möglichster Berücksichtigung der yor-
genommenen Messung nach der ärztlichen Tabelle ; die Nummer der Bank
wird im ärztlichen Protokoll yermerkt.
B. 1 . Der Schularzt hat diejenigen Schüler zu untersuchen, bezügli<di
deren der Klassenyorstand befürchtet, dais sie an einer Krankheit oder
einem Kränklichkeitszustand irgendeiner Art leiden; auch hat er angemeldete
KrankheitsfiUle unter den Schülern zu untersuchen und zu bestätigen, £alls
dies yon der Schule yerlangt wird.
46 5
Der Arzt ist yerpflichtet, die verlangte erste Hufe bei plötzlich anf-
tr^nden Erkrankungen za leisten.
2. Besondere üntersuchnngen hygienischer Verhältnisse in betreff der
SdmleD Würden Yom Ärzterat (s. nnten) der Schnlverwaltnng fQr jede ein-
zdne üntersnchnng in Vorschlag gebracht.
3. Der Arzt hat sich mit den hygienischen Verhältnissen in der
Sdrale (Schnlzimmer, Abtritte usw.) bekannt und die nötigen Bemerkungen
Tmd Anzeigen dem zuständigen Lehrer (Aufsichtsfflhrer) zu machen. In
fieser Hinsicht hat er mindestens monatlich einmal diejenige Schule oder
diejenigen Schulen zu besuchen, welche in seinen besonderen Wirkungskreis
fUleu; bei diesen Besuchen hat er sich die hygienischen Protokolle der
Klassenvorstände yorlegen zu lassen.
4. Sämtliche Schulärzte sowie die jeweilen im Schulrate befindlichen
irrte bilden zusammen einen hygienischen Ärzterat, welcher selbst seinen
Vorsitzenden und Sekretär wählt. Der Ärzterat tritt auf Einberufung des
Vorsitzenden zur Erörterung hygienischer Fragen, welche auf die Volks-
sehole in Bergen Bezug haben, und zur Feststellung der gemeinschaftlichen
üntersuchungsmethoden zusammen.
ö. Am Ende jedes Schuljahres liefern die einzelnen Schulärzte einen
Jahresbericht. Diese Berichte werden yom Ärzterat gesammelt, bearbeitet
lud der Schulverwaltung eingesandt.
6. Der Ärzterat ist verpflichtet, Erklärungen betreffend die hygieni-
schen Verhältnisse bei Neubauten von Schulen auf Ersuchen der Schul-
verwaltung abzugeben.
Der in Abteilung B, Abschnitt 4, dieser Bestimmungen behandelte
hygienische Ärzterat scheint seit seiner Errichtung nicht wenig aus-
gelichtet zu haben. Aufser der Abfassung der Jahresberichte über
den Gesundheitszustand in den verschiedenen Gemeindeschulen hat
er auch Gutachten, u. a. über die Auswahl der Subsellien, abgegeben.
Im Jahre 1900 nahm die Schul Verwaltung auch nach Äufserung
des Ärzterates einen Vorschlag des Oberlehrers Klaus Hanssek an,
dahingehend, dafs auf die Heftumschläge folgende hygienische Grund-
r^eln aufgedruckt werden:
«Schütze deine eigene Gesundheit und die anderer! Viele
üBserer ärgsten Krankheiten werden durch Ansteckungsstoffe verursacht,
die in den Körper eindringen.
Die Ansteckungsstoffe bilden oft die Begleitung von Staub und an-
deren Unreinlichkeiten.
Halte daher Haus und Körper sorgfältig rein!
Schwindsucht ist die Krankheit, welche die meisten Todesfälle ver-
nsacht. Bei ihr ist der Anstecknngsstoff meist in Begleitung des Speichels.
Besselbe ist der Fall bei Diphtherie (bösartige Halskrankbeit).
Daher: Sei vorsichtig hinsichtlich des Auswurfs und spucke
TOT allem nicht auf den Boden.
6 4»
Noeh ein Beispiel. In betreff der Desinfektion der Bficher
gab der Ärzterat nnterm 3. Sept. 1902 auf Veranlassung der Schal-
Verwaltung folgendes Gutachten ab:
An die Schalverwaltung Bergens!
In bezng auf die Aufforderung an den Ärzterat, eine Äufserung ab-
zugeben über die zweckmäfsigste Art der Bflcberdesinfektion, erlaubt akdi
der Ärzterat, folgendes anzafflhren. Bacher gehören gewifs zu jenen
Dingen, welche am schwersten ordentlich zu desinfizieren sind; denn
erstens werden sie durch die gewöhnlichen Desinfektionsmittel leicht ver-
stört, und dann ist es für das Desinfektionsmittel schwer, in alle Blatter
des Buches einzudringen, was ja zur Folge haben kann, dafs die Des-
infektion ganz wirkungslos bleibt. Desinfektion mit Wasserdampf lälst
sich auch mit Büchern nicht yornehmen, welche Lederrttcken haben,
während broschierte Bücher oder solche in Leinwand- oder Pappband sich
derart desinfizieren lassen. Kbause in Budapest, welcher genaue Unter-
suchungen auf diesem Gebiete yorgenommen hat, meint, es sei ausreichend,
Bücher 30—40 Minuten den Wasserdämpfen auszusetzen. Die meisten,
die sich mit Bücherdesinfektion beschäftigt haben, sind jedoch der Ansicht,
dafe dies am besten mit Formaldehyddampf geschehe, und das ist aneh
die Methode, die in New York angewendet wird. Von yerschiedenen
Forschern, wie yon Rkichenbach in Göttingen und in jüngster Zeit yon
Axel Jöbgensen im Garnisonspital in Kopenhagen, sind genaue Unter-
suchungen über die desinfizierende Kraft des Formaldehyddampfes gemacht
worden. Das Resultat dieser Untersuchungen ist, dafs Formaldehyd ein
ausgezeichnetes Desinfektionsmittel ist, wenn folgende Bedingungen ein-
gehalten werden:
Es müssen ca. 3 g 10% igen Formaldehyds pro Kubikmeter Raum
angewendet werden; die Dämpfe müssen 7—8 Stunden einwirken und der
Gegenstand, der sterilisiert werden soll, mufs frei angebracht werden, so
dafs er der Einwirkung der Dämpfe zugänglich ist.
Bücher müfsten daher wohl am besten aufgehängt werden, z. B. im
oberen Teil einer Blechkiste, mit einer Klammer am Rücken, und eine
10% ige Formaldehydlösung mufs auf dem Boden der Kiste angebracht
und auf 30 — 40 ® erwärmt werden.
Formalin oder Formaldebyd ist sehr wohlfeil, es handelt sich also
keineswegs um eine kostspielige Desinfektionsmethode.
Der Volksschul- Ärzterat Bergens hat ferner folgendes Frage-
schema fDr die Untersnchnng Kranker und geistig Minderwertiger
ausgearbeitet:
Schema Nr. 1 (zu beantworten vom Klassenvorstand).
1. Der Kinder voller Name, Geburtstag und -Jahr?
2. Sind die Eltern oder Grolseltern des Kindes blutsyerwandt ge-
wesen und wenn ja, in welchem Grade?
3. Ist in der Familie Geisteskrankheit, Alkoholismus, Selbstmord,
Verbrechen oder Schwindsucht vorgekommen?
4. Welches ist der ökonomische und moralische Zustand der Familie?
47 7
5. Hat das Kind Krämpfe, Fallsncht, HirnhanteiitzündiinK, englische
Krankheit, Nervenfieher» Scharlach, Masern, Diphtherie oder Kenchhusten
Hehaht? Hat es irgend einmal einen starken Stofs anf den Kopf erlitten
oder war es einmal einem starken Schreck ausgesetzt?
6. Ist das Kind im Wachstum znrflckgeblieben?
7; Leidet das Kind an Kopfschmerzen?
8. Hält das Kind sich trocken?
9. Wann begann das Kind mit dem Schulbesuch?
10. Hat das Kind eine Kktsse wiederholt und wenn ja, wann?
11. Versäumt das Kind öfter die Schule und wenn ja, warum?
12. Wie sind die Fähigkeiten des Kindes beschaffen: a) im allgemeinen?
b) ist ihm irgend etwas Spezielles schwierig oder leicht?
13. FleiCs und Aufmerksamkeit?
14. Hat der Lehrer irgendwelchen Fehler beim Sprechen, Sehen oder
Hören wahrgenommen?
15. Liukshändigkeit oder Spiegelschrift?
16. Welches ist der Charakter des Kindes?
17. Meint der Lehrer, das Kind sei der Sonderklasse oder der Schule
fitr Schwachsinnige zuzuweisen?
Schema Nr. 2 (zu beantworten vom Arzte).
1. Wie ist Aussehen und Körperbau des Kindes? Ist es in körper-
licher Hinsicht fflr sein Alter zurückgeblieben?
2. Leidet es an Bleichsucht oder Anämie?
3. Sind Merkmale yon fiberstandener Bhachitis wahrzunehmen?
4. Sind Abnormitäten im Bau des Kopfes wahrzunehmen?
6. Sind DegeneratioDSzeichen vorbanden und welche?
6. Sind Drfisenanschwellungen yorhanden oder adenoide Vegetationen?
7. Wie ist Gesicht und Gehör beschaffen?
8. Welchen Eindruck hat der Arzt von den Fähigkeiten und dem
Qiarakter des Kindes erhalten?
9. Die wahrscheinlichen Ursachen der geistigen Mängel des Kindes?
10. Kann durch ärztliche Behandlung etwas erreicht werden?
11. Meint der Arzt, das Kind sei der Sonderklasse oder der Schule
Air Schwachsinnige zuzuweisen?
Wenige Städte scheinen also für die baldige Lösung der Sohiilarzt-
finge so yiel getan zu haben als Bergen.
An den Volksschulen in Hamar wurde der Schularzt yon
Beginn des Schuljahres 1895 angestellt. Sein Gehalt ist 200 Kronen
jährlich. An der höheren öffentlichen allgemeinen Schule in Hamar
wurde ein Schularzt 1898 angestellt, das Honorar ist das gleiche.
Instruktion Ar die Schulärzte an der Volksschnle in Hamar.
Angenommen in der YersammluDg der Schulverwaltung am 14. Febr. 1896.
§ 1. Aufgabe des Schularztes ist, ständige Aufsicht Aber die Ge-
sondheitsverhältnisse im ganzen zu führen.
8 48
§ 2. Er soll emmäl wöcbentlich die Schule besuchen, nm das
Scholhaus nnd die nächste Umgebung zu besichtigen.
§ 3. Bei jedem gröfseren Umbau, Anbau oder bei Neubau Yon
Schullokalen, sowie bei Anschaffung von Schulmaterial soll seine Meinung
eingeholt werden.
§ 4. Er hat den Gesundheitszustand der Schfller zu beaufsichtigen
und Anleitung in betreff der Körperhaltung derselben während des Unter-
richts zu geben.
§ 5. Beim Auftreten einer Infektionskrankheit hat er nach einer
Besprechung mit dem Berichterstatter der Gesundheitskommission die nötigen
Yerfttgungen behufs Verhinderung des Eindringens der Krankheit in die
Schule und der Ausbreitung derselben unter den Schülern zu treffen.
§ 6. Hinsichtlich des Gymnastikunterrichts hat er jenen SchOlem,
welche darum ansuchen, das ärztliche Zeugnis auszustellen, und jene
Übungen anzuführen, an welchen die Schüler gegebenenfalls teilnehmen
können. Ab und zu hat er auch den gymnastischen Übungen anzuwohnen.
§ 7. Bei Schulversäumnissen kann der Schulleiter oder Klassen-
Ybrstand vom Schularzt Aufschlafs darüber verlangen, inwieweit die Ver-
säumnisse durch Krankheit begrOndet sind. Der Arzt hat dann die
bezügliche Eontrolle zu üben.
§ 8. Die Benutzung des Schulbades steht unter KontroUe des
Schularztes.
§ 9. Der Schularzt hat das Recht, besondere Untersuchungen sowohl
bezüglich der hygienischen Verhältnisse in betreff der Schullokale, als hin-
sichtlich der Kinder, z. B. Augen- und Ohrenuntersuchungen, durch-
zuführen.
§ 10. Alle neueintretenden Kinder werden bei ihrer Aufnahme in
die Schule dem Arzt vorgestellt.
§ 11. Sowohl der Schulleiter als das Lehrerpersonal haben den An-
spruch, beim Schularzt Bat und Anleitung in allen schulhygienischen
Fragen zu erhalten.^
§ 12. In aufserordentlichen Fällen, z. B. beim Herrschen von Epide-
mien oder bei Unfällen, kann der Schulleiter die Hilfe des Schularztes in
Anspruch nehmen.
§ 1 3. Er fährt die Aufsicht über die gesamte Reinhaltung der Schule.
§ 14. Die Bemerkungen, welche er zu machen hat, teilt er dem
Schulleiter oder durch diesen der Schulverwaltung mit.
Die folgende Instruktion ist vom Eirohen- und Unterrichts-
departement ausgearbeitet und gilt für alle höheren Jugendsohulen
im Lande.
^ Diese Forderungen scheinen etwas weit zu gehen . . . „In allen sobul-
hygienisohen Fragen l" Und es ist doch eine bekannte Tatsache, dafs
wenige oder gar kein norwegischer Arzt sich bisher darin ausgebildet hat —
um nicht zu sagen: Schulhygiene studiert hat. Der Verfasser.
49 9
iBstruktion fBr die Sdudinte ui den hSlieren aUgeneiien >
SchnleB.
§ 1. Der Schularzt ist der Ratgeber für den Schnlvorstand und den
SchnDeiter in allem, was den Gesondheitsznstand in der Schule, bei deren
Lehrerpersonal und bei den Schttlem betrifft, soweit dieser Gesundheits-
zostand als Yon Yerh<nissen der Schule abhängig oder als auf den Schul-
betrieb Einflnfs nehmend gedacht werden kann.
§ 2. Der Schularzt f^rt die sachverständige Au&icht Aber die
Gesondheitsyerh<nisse der Schule und sieht namentlich darauf, dafs
Schulhaus und Schulmaterialien den Forderungen der Gesundheitspflege
entsprechen, sowie dais die geltenden Bestimmungen Ober die Lüftung der
Lehrzimmer und Korridore, sowie über die Reinhaltung aller R&ume der
Schule, der Abtritte, Hoiplätze usw. beobachtet werden.
§ 3. Zu Beginn jedes Schuljahres macht er sich mit dem Gesundr
heitszustand der neu eingetretenen Schfller so weit bekannt, als dies nach
Beratung mit dem Schulleiter erforderlich befunden wird.
Er hat dabei stftndig auf den Gesundheitszustand unter den Schülern
zu achten, besonders auf mögliche Fehler der Sinnesorgane, und auch die
Yerfaaltungsmaisregeln im Auge zu behalten, welche auf Grund dieser Be-
obaditnngen za treffen sind.
Das Resultat Yorgenommener Untersuchungen oder Wahrnehmungen
über Krankheits- oder Kränklichkeitszustande bei Schülern trügt er in ein
zu diesem Behufe eingerichtetes Protokoll ein.
Wird Yon der Oberverwaltung oder der Yorstandschaft die Bestimmung
getroffen, da(s wegen besonderer Anlässe oder in einer bestimmten Absicht
Untersuchungen von Schülergruppen oder von allen Schtklem vorgenommen
werden sollen, so hat er den geforderten sachkundigen Beistand zu leisten.
§ 4. Ab und zu soll er dem Unterricht, besonders im Schreiben,
Zeichnen, Gymnastik und Handfertigkeit, beiwohnen, um auf Grund der
hierbei gemachten Wahrnehmungen im allgemeinen oder fUr besondere Fälle
jene Winke zu geben, die er fDr nötig findet.
Äufserungen, welche das Verhalten der Schule oder des Lehrpersonals
den Schülern gegenüber betreffen, sollen nicht in Gegenwart von Schülern
getan werden.
§ 5. Vom Schulleiter werden ihm alle Krankmeldungen, sowie die
ärztiichen Erklärungen vorgelegt, denen zufolge ein Schüler auf Grund von
körperlichen Mängeln oder Eränklichkeitszuständen für kürzere oder längere
Zeit Befreiung vom Schulbesuch oder von der Teilnahme an einem oder
dem anderen Unterrichtsgegenstand verlangt.
§ 6. Er hat die Erklärungen abzugeben, welche die Oberverwaltung
oder der Schulvorstand mit Rücksicht auf die sanitären Yerhältnisse der
Schule von ihm verlaugt.
§ 7. Am Schlüsse jedes Schuljahres händigt er dem Schulleiter einen
Bericht über seine Tätigkeit ein.
Im Jahre 1891 erhielten die Drontheimer Volkssohulen eine
sdlmlärzüiche Aufsicht (s. diese Zeitschrift, 1891, S. 308). Besondere
Der SehaUni. Uh 2
10 50
Sobnlftrste hat man jedoch hier nioht angeetelli Es wurde einfach
der WirknDgskreis der Stadtärzte dahin erweitert, dafs er anch die
Schnlen ihres Distrikts nmfafete. Hatte ein Stadtteil zwei oder
mehr Sehnlen, so sollte der Arzt dieses Stadtteiles anoh die Anf-
sicht über die GesnndheitsverhftltDisse in diesen Schulen fähren«
während er gleichzeitig Armenarzt und Gesnndheitswächter war.
Wahrhaftig, eine umfassende Tätigkeit 1 Zieht man dazu in Betracht,
dafs die Schulhygiene für die norwegischen Ärzte damals noch ein
ziemlich unbekannter Wirkenszweig war, so wird man verstehen, dafs
die Tätigkeit dieser Ärzte für die Schule im Verhältnis zu ihrer
Tätigkeit für die Stadt im allgemeinen vollständig in den Hinter-
grund trat, und dies um so mehr, als die für den Schularzt
geltende Instruktion besonders umfassend und auf einen wissen-
schaftlich arbeitenden Schularzt zugeschnitten war. Man konnte
daher auch recht bald deutlich sehen, daüs eine solche Ordnung der
Dinge eine ziemlich milsglückte war (s. diese Zeitschrifi, 1896,
S. 189 ff.).
Die verschiedeneu Erfahrungen, welche man mit der Schularzt-
institution in Drontheim in der Zwischenzeit gemacht hatte, führten
im Jahre 1899 zu dem Versuch, den Gehalt der Stadtärzte etwas zu
erhöhen und zagleich die Institution einigermafsen umzubilden.
Beides gelang nur in bescheidenem Mafse, und die neue Ordnung
trat 1900 in Kraft (s. diese Zeitsehrifl, 1902, S. 435 ff.). So beträgt
jetzt der Oehalt des Stadtarztes als Schularzt 200 Kronen jährlich
oder zusammen 800 Kronen für die vier Stadtärzte. Die abgeänderte,
etwas vereinfachte Instruktion lautet wie folgt:
Instrnktion für die Schulärzte an den Volksschulen von Drontheim.
§ 1. Der Schalarzt ist der Ratgeber des Scholinspektors und des
Oberlehrers in allem, was die GesuDdheitsverhältDlsse und deren Einfluls
auf die Arbeit der Schule betrifft, nnd führt die in jener üinsicht not-
wendige sachverständige Aufsicht über die Schulgebände, das Schalmaterial
und die Schalkinder.
§ 2. Der Oberlehrer verschafft sich vom Hanse Aafklärangen über
den Gesundheit szustaod jedes Deuangemeldeten SchQlers, und wo irgendein
Hangel hinsichtlich dieses Gesundheitszustandes angegeben wird, stellt er
das Kind dem Arzte zur Untersuchung vor; die derart erwiesenen Mängel
werden in das Grundbuchblatt des Kindes oder in ein hiezu bestimmtes
Protokoll eingetragen. Sollte sich später während des Schu^ahres bei
einem Kinde, das dem Schularzt nicht vorgefohrt worden war, ein Ge->
snndheitsfehler herausstellen, fo ist dieses sofort dem Schularzt vorzufahren.
§ 3. Der Schularzt soll sich alle vierzehn Tage einmal in der
Schule einfinden, um die Kinder zu untersuchen, welche ihm vorgeführt
61 11
irard«D, und damit der Oberlehrer und das übrige Lebrpersonal Oelegeabett
kabeo, ach mit ihm über das beraten zn künneii, was die GesiiDdheils-
ferhfthnisse der Schale und der Kinder betrifft. Die ft&r die Schale se-
idenste Zeit bestiomit er im MnYerst&ndnis mit dem Oberlehrer.
Femer hat er die Kinder, die ihm von der Schale in seinem Amts-
limmer vorgestellt werden, za antersachen and über dieselben seinen Befand
ibrngeben.
An der Trolla- Schale wird eine allgemeine Ärztliche Untersachong
iwdmal jährlich vorgenommen and sonst, wenn sie nötig befanden wird.
Ln übrigen hat diese Schale denselben Ansprach aaf Hilfe and Rat des
Arztes wie die anderen Scholen.
§ 4. Wo es von Belang ist, ein Schalkind in seinem Heim zn anter-
ndien, and wo diese Untersnchang aaf andere zweckmafsige Art nicht
aiBgeführt werden kann, hat der Schalarzt über Aafforderang des Ober-
lehrers dieselbe vorznnehmen.
§ 5. Bei plötzlichen Erkrankangen oder bei Unfällen in der Schale
bat er die geforderte erste Ärztliche Hilfe za leisten, sei es, dals man ihn
ii seinem Amtszimmer aafsacht oder ihn beruft.
§ 6. Beim Auftreten von epidemischen Krankheiten soll er den ihm
mgewiesenen Schalen besondere Aufmerksamkeit widmen. Bestimmt die
Sehnlverwaltnng, dals er eine Untersuchung von Schülergmppen oder von
simtlichen Schülern ausführen soll, so hat er sich die notwendige sach-
Torst&ndige ärztliche Hufe hiezu zu verschaffen.
§ 7. Mindestens in jedem zweiten Monat hat er bei seinem Besuche
ii den Schulen Beobachtungen zu machen bezüglich der Haltung der Kinder
beim Schreib-, Zeichen-, Handarbeits- und Gymnastikunterricht. Ebenso
btt er sich mit der Art bekannt zu machen, wie das Baden in der
Sehule vorgenommen wird.
§ 8, Er hat die Zeugnisse, Gutachten und Erklärungen abzugeben,
welche der Oberlehrer oder Schuiinspektor von ihm bezüglich der Gesund-
heitsverhältnisse der Schule verlangen.
§ 9. Die für diese Untersuchungen notwendigen Protokolle, Grund-
bidiblätter oder Schemata sind in der Art zu führen, wie es der Sdinl-
isq^ektor oder die Schulverwaltung bestimmen.
1900 erhielt die Stadt Tromsö eine Schalarztordnung. Auch
hier gilt sie der Volksschule. Tromsö ist übrigens gewiüs die nörd-
fiehste Stadt, welche diese Institution besitzt. Die dort geltende
Praxis wird durch eine Instruktion geregelt, welche der in Christiania
geltenden dem Wortlaute nach beinahe vollkommen gleich ist.
Auch die Stadt Lillehammer hat Schulärzte sowohl an der
Yolksschule als an der höhereu Schule, Die Ordnung ist hier so
ziemlich gleich jener in den obengenannten Städten. Die Schulärzte
teilen über den Oesundbeitszustand der Schulen und Schüler stän<
üge Aufsiclit führen; sie sollen die neueingetretenen Schüler einer
genaueren Untersuchung nach einem angenommenen Schema unter-
2*
12 52
werfen; sie sollen die Sohnlen wöchentlich besuchen; sie sollen die
Aufklärungen und Gutachten abgeben, deren die Schule bedarf; sie
haben Bat und Anleitung bei Anschaffung des Inventars zu geben
Zeugnisse wegen Befreiung vom Gymnastikunterricht u. a. aus-
zustellen. Der Gehalt für jeden Schularzt beträgt auch hier 200
Kronen pro Jahr. Wie in anderen Orten, so werden auch hier ein-
zelne Teile der Instruktion nicht eingehalten. Aus diesem Ghrunde
bleiben die Schulärzte für das öffentliche Bewulstsein noch etwas
überflüssiges, während sie dies für den kundigen Schulhygieniker
doch in keiner Weise sind.
In Gjövik hat man seit mehreren Jahren ärztliche Mitwirkung
an den Schulen. Die letzteren sind in dieser Stadt nicht so zahl-
reich, dafs ein Arzt die Arbeit nicht fertig brächte. Er ist verpflichtet,
sich nach der Instruktion zu richten, welche vom zuständigen
Begierungsdepartement für die höheren Schulen erlassen worden ist
Allein für die Volksschule geschieht die Arbeit nach etwas mehr
lockeren Begeln. Die Schüler werden nicht alle untersucht und
ohne besonders dringenden Grund auch nicht zum Arzt hingesendet.
Das Honorar ist auch danach, nämlich 70 E[ronen für die Volks-
schule und SO Kronen für die Mittelschule, d. h. zusammen
100 Kronen jährlich.
Die Stadt Kongsringer hat seit etwa 10 Jahren einen Schal«-
arzt. Dieser hat die Lemanfänger und besonders deren Augen und
Ohren zu untersuchen. Überdies behandelt er auch Kinder, welche
an der oder jener Krankheit leiden oder sich beschädigt haben, und
die ihm vom Schulleiter zugeschickt werden. Des weiteren hat
der Schularzt darüber zu wachen, daCs ansteckende Krankheiten
nicht durch die Schule verbreitet werden, femer schreibt er das
Zeugnis, falls ein Schüler Befreiung von der Gymnastik oder einem
anderen ünterrichtsgegenstand anspricht. Es kommt auch vor, dab
die Ansicht des Arztes über Beleuchtung, Ventilation, Beheizung
und andere hygienische Verhältnisse erbeten wird. Der Jahres-
gehalt des Schularztes in Kongsvinger beträgt wie in der vor-
genannten Stadt 100 Kronen, von welchem Betrag zwei Dritteile
auf das Budget der Volksschule kommen, ein Dritteil auf jenes der
Mittelschule. Die Volksschule hat zirka 200 Kinder, die Mittel-
schule zirka 60.
Gewils gibt es noch andere norwegische Städte als die an-
geführten, welche die Schularztinstitution in der einen oder andere«
Art benutzen. Aber die angeführten Beispiele genügen, um einen
53 13
Begriff von dem Tjrpns za geben, welcher hierztdande der biiftnoh-
Kfihfite ist. loh meinte, vor dieser Löeong der Frage der hygie-
niBohen Schnlanfsicht warnen su sollen nnd hinterher, als ich
Zeuge davon ward, wie die Sache in der Praxis sich entwickelte
«nd wie sie wirkte, wurde ich in meiner Auffassung, dals dies eine
köehst' unglückliche Losung einer besonders wichtigen Frage sei,
bestärkt Wie ich früher in dieser Zeäsehrift sagte: man bekommt
bei der Verwendung des Kreisarztes (Stadtärzte) in der Schule
eben guten Gesundheitswflchter zum Schutz gegen das Eindringen der
Infektionskrankheiten in die Schulen ; aber einen eigentlichen Schul-
eist, der mit wissenschafUichem Interesse und der nötigen Einsicht
an der Arbeit der Schule teilnähme, und welcher sein forschendes
Auge auf jedem einzelnen Schüler ruhen lielse, um ein vielgestaltiges
Stodienmaterial zu sammeln, das später der praktischen Pädagogik
zugute kommen könnte — einen solchen Schularzt erhält man
denrt nicht. Was der Stadtarzt (Kreisarzt) tun kann, ist, dala
er der Schule einige wenige, kurze Stunden der ihm von seiner
Ibrigen Praxis bleibenden Zeit widmet. Derart kann keine syste-
matische Arbeit zustande kommen und dies um so weniger, als das
eigentliche Interesse des Stadtarztes von der auf ihm lastenden
Armenpraxis vollauf in Anspruch genommen wird. Der Gehalt, welchen
der norwegische Schularzt allgemein zugemessen erhält, bezeichnet
diese seine Stellung ganz und gar als Nebenbeschäftigung.
Alles in allem genommen, ist dies vielleicht ganz recht; denn unser
Land ist bisher, wie zuvor angedeutet, der speziellen Anstellung
der lizte in Schulhygiene fremd geblieben. Ja, der einzige Schul-
mann, der seine Stimme erhob, um für diesen speziellen Zweig der
Hygiene Interesse und Aufmerksamkeit zu wecken, war bis vor
wenigen Jahren ein Rufer in der Wüste. Dals er es nicht mehr
ist, ist eine JEVucht seiner Yorpostengefechte.
Ich habe nur noch hinzuzufügen, dals mir nichts davon bekannt
ist, dals irgendein Landdistrikt die Anstellung eines Schularztes
ins Auge gefalst hätte. Es ist wenig wahrscheinlich, dals die Be-
▼Olkerong in den zerstreut liegenden Gehöften unseres Landes mit
dem geltenden Minimum von Unterrichtszeit Grund gefunden hätte,
eine besondere Gesundheitsaufsicht in Schulsachen aufzustellen.
Dagegen sollen hier, wie in so manchen Dingen, die Städte die
Knltorfärderer sein, von wo aus gute und nützliche Einrichtungen
über die in ökonomischer Rücksicht ungünstiger gestellten Land-
cbtrikte sich verbreiten.
14 64
Zum SoUuflse bringe ich als Beispiel ein Gmndbnohblatt,
es in mehreren Städten fOr die an untersaehenden Lemanfihigtr
ausgefertigt wurde, nnd wie es mit Zosfttzen für jedes Jahr Ter-
sehen wird, wenn das Kind in eine nene Klasse übergeht. Die
Gnmdbnohblätter an den Schulen der yersohiedenen Stftdte sind in
allem wesentlichen emander gleich. Das angeführte Exemplar rfikit
aus Ohristiania her, und es ist ja gans erklärlich, dab das Formular
aus der Hauptstadt anderen Städten als Muster gedient hat. In ein-
zelnen Städten ist das Grundbuchblatt nicht weiter gediehen, ab dab
es in einem der Paragraphen der Schularztinstruktion genannt ist.
Man hat es ab zu umständlich oder auch als unnötig befunden,
oder man hat es wohl gar vergessen. Fragt man danach, so weüs
niemand etwas davon zu sagen. Man kommt dabei auf den Gedanken»
ob nicht die ganze Schularztinstitution mit der hygienischen Lnspek-
tion in den Schulen in manchen Städten ein totgeborenes Kind,
oder jedenfallB ein schwächliches Wesen sei, welches redit bald
sein Leben aushauchen wird. Ich will jedoch hoffnungsvoll glauben,
dab das schwache Wesen entwicklungs&hig sein und grob und
stark wachsen werde und, wenn auch nicht ein Herkules, so
doch eine nützliche Einrichtung für die Grundlage der Zukunft un-
serer Gesellschaft werden möge.
firudbueliblatL
Marne des Schülers :
Name und Stand des Vaters : ~
geboren am. aufgenommen in die Schule Klasse am..
übersiedelt - - » n » •
Geimpft:
Ausgetreten aus der..
Kitteilangen der Eltern
Aber Krankheiten, dief&r
die Aufnahme in die
Sehole von Belang sind
56
15
Rnokat der ftntUdien Untersachang bei der Astoaliiiie der Kinder
in die Schule^
Allgaaieiiier
Qetnndheit«'
zustand nnd
Eorperent-
wicklnng*
s
Sa,
00
I
•8
tS
IIa
■SM§
Gut
Mittel
Mleeht
* Die Babriken werden nnr ansgefnlli, wenn etwas in bemerken ist.
' Daa Niobtratreffende ist dnrohsnstreieben. Werden der Gesnndbeits*
smtand nnd die Kdrperentwioklung als sohleoht beieiohnet, se ist eine knive
Bsgrfindnng an geben.
Schnljahr
Im Schnljabre
Krankbeits-
halber ver-
sfiomte Sobol-
tage
Während des Schuljahres
wahrgenommene oder auf-
getretene Krankheiten oder
Kranklichkeitssust&ndeyon
über getroffene Ver-
fSgungen
jftleittere Jtitteilttttjett.
leie SeklUrste. Die j^Bohemia*^ bringt folgende Bemerkungen zn
den in Prag nen angestellten Scbolftrzten:
«In Prag sind neun städtische Schulärzte ernannt worden, ein Anfang,
der nur begrflist werden kann; aber man wird sich vergebens bemühen,
rater den Nenemannten einen deutschen Namen herauszufinden (flbrigens
nnd nenn Schulärzte, die nebenbei noch Privatpraxis betreiben müssen, filr
md 20000 Schulkinder entschieden zu wenig, oder sollen nur die tschechi-
Mhen Kinder mit den Segnungen einer schulärztlichen Aufsicht bedacht
werden?). Wir haben schon wiederholt darauf hingewiesen, dab f&r die
deutschen Sdiulkinder ein deutscher Schularzt gefordert werden muls; an
deatsdien tüchtigen Bewerbern fehlt es in Prag wahrlich nicht Wir smd
sehr begierig, ob die vom schulhygienischen (aber auch vom pädagogischen)
16 56
Standpunkte ganz immögliche ÜberfQUang an den deutschen Bflrgerschalen
nunmehr durch die Schulärzte beseitigt werden wird/
In Darm Stadt hat sich die Schulkommission mit der AnsteDung Yon
Schulärzten beschäftigt: Die Kommission ist der Ansicht, dafs fünf solcher
Ärzte angestellt werden sollten, dafs die Stadt zu dem Zwecke in fttnf
Bezirke (mit je etwa 60 Schulklassen) einzuteilen sei, dafs die Ärzte die
fraglichen Funktionen im Nebenamte zu besorgen hätten, und dals die
Anstellung nur eines Schularztes im Hauptamte nicht zu empfehlen sei.
Der Stadtrat stimmte dem zu. Zunächst soll auf Grund der Beschlflsse der
Schulkommission ein Entwurf von Bestimmungen über die Dienstobliegen-
heiten und AnstellungSTerhältnisse der Schulärzte aufgestellt werden, wobei
Ton der Anordnung körperlicher Untersuchung sämtlicher Schulkinder vor-
erst Umgang zu nehmen, eine solche vielmehr nur bei besonderen Anlässen
im einzelnen Fall vorzunehmen ist.
In Neustädtel im Erzgebirge (Ereishauptmannschaft Zwickau) be-
schlossen die städtischen Behörden, einen Schularzt anzustellen. Es findet
nunmehr alljährlich eine einmalige Untersuchung sämtlicher Schulkinder des
zweiten bis achten Schuljahres statt.
In Bayreuth hat sich der Magistrat für Anstellung eines Schularztes
entschieden. In der zur Beratung dieses Themas einberufenen allgemeinen
Bürgerversammlung kam es zu widerstreitenden Meinungsäulserungen. Der
Vorsitzende bekämpfte lebhaft die Anstellung eines Schularztes, fftr den im
Etat 1905 ein Postulat von 600 Mark eingesetzt ist. Er gab das ganze
Programm bekannt, das der Schularzt zu absolvieren hat, und betonte, dafs
es nicht möglich sei, dafs der Schularzt im Nebenamte seinen Verpflich-
tungen nachkommen kann. Schulärzte sind bis jetzt in Bayern nur angestellt in
München, Nürnberg und Würzburg. (München und Würzburg haben keine
Schulärzte, wohl aber Fürth bei Nürnberg. D. R.) Was sich diese Städte
leisten können, kann aber Bayreuth mit seinen geringen Einnahmen sich
nicht leisten. — Dr. Landgraf jr. verliest zur näheren Information
der Anstellung von Schulärzten ein auf einer Versammlung in Breslau er-
stattetes Referat, welches die Verhältnisse in schulhygienischer Beziehung
in Breslau genau darstellt. In dieser Stadt, wo seit 3Vs Jahren Schulärzte
angestellt sind, ist man mit dieser Einrichtung sehr zufrieden. Dr. Land-
graf begrüfst den Antrag zur Anstellung eines Schularztes und glaubt
nicht, dafs die Belastung deswegen eine gar zu grofse wird. — Privatier
SCHÜBEL ist aus finanziellen Gründen gegen die Anstellung eines Schul-
arztes, während Rechtsanwalt Frölich sehr viele Momente ins Feld führt,
die für einen Schularzt sprechen. Es sei für alle Eltern von grobem
Interesse, ihre Kinder richtig versorgt zu wissen. Die seinerzeit ausge-
brochene Masernepidemie wäre sicher verhütet worden, wenn man den Cha-
rakter der Krankheit zeitig erkannt hätte. Allerwärts ist das Bestreben
vorhanden, dafs den Kindern auch in den Schulen das richtige Interesse
zugewandt wird. Der Redner kam auch auf solche Verhältnisse zu sprechen,
wo Eltern, welche den ganzen Tag auswärts arbeiten müssen, ihre
Kinder erst abends wieder zu Gesicht bekommen; für solche Eltern
ist eine derartige Sicherheit eine wirkliche Wohltat. Ein Postulat von
600 Mark übt gegenüber dem Schuletat von 260000 Mark keinen Einflufs
M 17
SOS, aaeh tritt dadnrch keine ümlageerhOhnDg ein. Man soUte nicht immer
iDf dem Standpunkt bleiben und abwarten, was andere Stfldte ton, wenn
es scb nm etwas Gutes und Praktisches handelt. Es handelt sich Yorerst
inr um einen Versuch, und wird dadurch nur zwei Kindern geholfen, so
ist dieser Yersnch auch rentabel. Richtig ist, dafs gespart werden soll,
iber för gesundheitliche Zwecke soll man nicht sparen.
Markirch im Oberelsals hatte im vorigen Jahre probeweise zahn-
taüichen Dienst in der Volksschule eingeführt und diese Funktion einem
Zahntechniker übertragen. Das Bezirkspr&sidium erhob hiergegen Einspruch
unter Hinweis auf die Gewerbeordnung. Die Stadt hat nunmehr einen Schul-
arzt in der Person des Eantonalarztes Dr. Höpffneb angestellt, dem die
ioisicht Aber den Zahntechniker übertragen wurde. Die sonstigen Funktionen
des neuen Schularztes sind die üblichen.
In Karlsruhe schwankt man zwischen Anstellung eines Schularztes
naHaaptamt nach Mannheimer Muster, d. h. unter Ausschluis von Privat-
pnxis, wozu der Magistrat geneigt ist, und zwischen Ernennung von fünf
Schnlärzten im Nebendienst mit je 50 Klassen, wie dies von der Schul-
komnussion befürwortet wird. Man erwartet in manchen Kreisen, der
«Berafsschularzt" mit voller Beamteneigenschaft werde in viel innigerem
Kontakt mit der Schule stehen und daher viel grölseren Einflufs auf den
Sehnibetrieb gewinnen als eine grö&ere Anzahl von Schulärzten im Neben-
tmt. Die „üf. J^. J^.^ schreiben zu dieser Frage, unter Hinweis auf
die Münchener Verhältnisse: Bei den ^^Schulärzten im Nebenamte^ (und
deren müfsten es, da München in den Volksschulen allein etwa 12Ü0 Klassen
liat, mindestens 24 sein) sind KoUisionen zwischen der Privatpraxis und
den die Schularztfunktion inne habenden praktischen Ärzten unver*
meidlich. Auch verlangt der schulärztliche Dienst, wenn er jenen Zweck
eneichen soll, eine so angestrengte und intensive Inanspruchnahme, dais
ach praktische Ärzte nicht damit befassen können, ohne dafs die eine
oder andere Tätigkeit dabei Schaden leiden müfste. Der Schularzt darf
km Interesse haben aufser dem der Schule, und deshalb glauben wir auch
ftr München das System des Bemfsschularztes als das einzig richtige, weil
zweckentsprechende, bezeichnen zu dürfen, — ein Standpunkt, den seinerzeit
anch einer der Beferenten im GemeindekoHegium, Dr. Wackeb, in einer
Versammlung der nationalliberalen Partei (siehe „M.N.N,^ Nr. 545 vom
24. November 1900) mit folgenden Worten vertreten hat: „Das Ideal wäre,
dals die Schulärzte als Beamte der Stadt angestellt würden und daneben
keine Privatpraxis ausüben dtlrften."
Über die Tätigkeit der Sehulärzte in Berlin seit Beginn des
Winterhalbjahres 1903 berichtet die Schuldeputation folgendes: Es smd
36 Schulärzte tätig. Je sieben bis acht Gemeindeschulen bilden einen
Sdinlarztkreis und unterstehen einem Schularzt. Von dem im Herbste
1903 neu eingeschulten 17482 Kindern wurden 16539 durch die Schul-
ärzte auf ihre Schulfähigkeit untersucht und 1101 als ungeeignet für den
SdiQlbesnch zurückgestellt. Die Zahl der Kinder, die zwar als schulfähig,
aber nicht als völlig gesund ermittelt wurden, betrug 12897. In dieser
ZaU befindenr sich auch die Kinder, die die Schulen schon seit längerer
Zdt besuchten. Für den Nebenunterricht (d. h. für die Hilfsschulen für
18 &8
scbwachbef&higte Kinder) wurden 568 Kinder in Vorschlag gebracht ud
nntersncht, von denen 499 den Nebenklassen überwiesen wurden, 290
Kinder wurden fftr die Aufnahme in die Stotterkurse untersucht Ein
Besuch der Schulen durch die Schulärzte fand in 1231 Fällen statt.
Flegeleien gegen einen Sehnlarzt. unter dieser Aufechrift bringt
der ffStegl. Antgr.^ folgende Notiz: Kflrzlich teilten wir mit, da(s nach
den Untersuchungen eines Schularztes in Schöneberg Yon den in dortigen
Schulen unterrichteten Kindern 50,8 Vo regelmäTsig Bier und 30,9 % ge-
legentlich sonstige geistige Getränke zu sich nehmen. Diese Untersuchungen
haben dem erwähnten Schularzt eine Denunziation eingetragen. Der
Bflrgerrerein und der Restauratennrerein am Ort sind wegen der Unter-
suchungen und ihrer Verwertung bei der Kommunalbehörde vorstellig ge-
worden, und die Stadtverordnetenversammlung soll sich in kurzem mit dieser
Beschwerde beschäftigen.
Nack weleher Seite kin bedarf die Binriehtnng der Sckulant-
stellen nock ihrer Erweiterung? Hierüber sprach Dr. M. Schultb-
Göln im Niederrheinischen Verein für öffentliche Gesundheitspflege. Der
Redner wies darauf hin, da(s im Auslande die Schularztsache schon weit
mehr entwickelt sei, als in Deutschland. So seien z. B. in Bulgarien die
Schulärzte und Schnlärztinnen dem Lehrkörper eingeordnet, und es unter-
stände ihnen die Überwachung der Schaler in physischer, intellektueller
und moralischer Beziehung. Man mflsse hoffen, dafis auch in Deutschlaad
die Entwicklung dieser Frage keinen Stillstand erfahre. Mehr als 1500
Kinder dflrften einem Schularzt nicht zur Überwachung unterstellt werden ;
im flbrigen solle es sich nur um einen Bewachnngsdienst, nicht um einen
Behandlungsdienst handeln. Femer mflCsten auch besondere Schulangen-
ärzte gefordert werden. Bei der vorgerückten Zeit brachte die sich an-
schliefsende Erörterung, in welcher u. a. der Stadtarzt Dr. Schkakamp
aus Dflsseidorf Aber die dortigen praktischen Schularzteinrichtungen be-
richtete, keine völlige Klärung Aber die Frage, wie sich die Versammlung
im ganzen zu der Sache stellte. Die Schnlarztfrage soll daher demnädml
nochmals auf die Tagesordnung einer Hauptversammlung des Vereins ge-
stellt werden.
Heferate ftbtr tteit erfdiiettene fdinlar^tüdie 3ai|re$berifl|te.
Der Wiesbadener Jahresbericht pro 1908/04 enthält zum ersten-
mal die Resultate der Klassen-Nachuntersuchungen in den I. Klassen. Es
können demnach jetzt verglichen werden die Untersuchungsresultate der
Vin., VI., IV. und I. Klassen bezw. Jahrgang 1, 3, 5 und 8. BezQglMi
der Rubrik „Oesamtkonstitution*' ergibt sich hierbei:
M
t9
KlMM
vin
VI
IV
I
VolkaMhal»
HittelMhale
41,0
87,7
37,8
60,0
40.6
64,7
47,9
61,2
}-
VolkiMho]«
MittelMhnle
M.7
60.1
69,2
49.4
66,4
44,4
49,7
48,0
i mittel
Volkaaohole
MittelMhnle
4.8
24»
8,6
0.6
4,1
0,9
2,4
0,8
1 eohleoht
Bd den Nachantenmchungen der Einzelerkrankiingeii wurde folgende
KlftKifikation von Symptomgmppen, von denen mehrere bei derselben Person
voiiomaen können, zngmnde gelegt:
Blntarmnt, Skrophnlose, Rhachitis, geistige Schwache nnd Epilepsie,
Brost-, Banch- nnd Hantkrankheiten, Brftche, Parasiten, Wirbels&nle nnd
Extremitäten, Angenkrankheiten, Gesicht, Ohrenkrankheiten, Oehör, Mnnd
lad Nase, Sprachfehler, Verschiedenes.
Es ergab sich:
KlUM
vm
7"
VI
IV
•/o
I
VolIoMhale
MittelMhnle
74,4
87,7
69,8
31,8
64,9
81,2
44,0
87,0
> Eiiud«rfa«Bkanf(mi
Bei den Anfiiahmenntersnchnngen (Klasse Ym) kamen bei denVolks-
543 Knaben nnd 475 Mädchen, zusammen 1018, znr Untersnchnng
int 757 Symptomgmppen oder 74,4 % ; bei den Mittelschnlen 168 Knaben
nd 158 Mädchen, zusammen 326 mit 123 Symptomgmppen oder 37,7 %.
Bei den Yolksschnlen 74,6 7o der Knaben nnd 74,1 % der Mädchen.
, „ Mittelschnlen 45,0% „ „ „ 41,0% ^
Sprechstunden fanden statt:
In den Volksschulen bei insgesamt 7111 Schulkindern 120, also pro
66 Schulkinder eine Sprechstunde jährlich; in den Mittelschulen bei ins-
gesamt 2265 Schulkindern 56, also pro 40 Schulkinder eine Sprechstunde
ÜfarUch.
In schulitetliche Kontrolle (sieben Ärzte) kamen bei den Volksschulen
279 Personen; bei den Mittelschulen 33 Personen.
„Mitteflnngen an die Eltern" erfolgten bei den Volksschulen 154.
Der Bericht hebt die Schwierigkeit gleichmäfsiger Untersuchungsresnltate
11 den yerschiedenen Schularztbezirken hervor, die sich bei den vielfachen
nbjektiTen Momenten, welche hier mitwirken, nur sehr langsam ausgleichen.
Ke gemäis dem Namberger Kongrebbeschlnls beabsichtigte Vereinheit-
Bdiing des schulärztlichen Dienstes im Lande dürfte in dieser Beziehung
sehr f5rderlich sein.
20 60
Wiesbaden will deshalb mit der EinfUhniDg nener Dienstformen so-
lange warten, bis dieser Beschlnis, für welchen ein Arbeitskomitee bereits
unter Leitung von Leubusohkb konstituiert ist, sich realisiert hat.
Ein Gesamtbericht über die bisherigen acht Jahre schulärztlichen
Dienstes in Wiesbaden wird schlielslich noch in Aussicht gestellt.
Ref. von Stadtarzt Dr. ÜEBBECKE-Breslan.
Dtettflotbttttit9eit für iS4|ttiarjte.
Dienstordnang (Br die stXdtisehen SchnUrzte in Mfilhansen i. Eis.
Vorbemerkung. Die Schulärzte verpflichten sich, den Gesundheits-
zustand der ihnen zugewiesenen Schulkinder während des Schulbesuches
derselben zu ttberwachen, die zur Schule gehörenden Räumlichkeiten, Ein-
richtungen und Lehrmaterialien auf ihre hygienische Beschaffenheit zu unter-
suchen und alle in dieser Hinsicht durch den Bttrgermeister ihnen erteilten
Aufträge auszufahren.
§ 1. Alle in die Schule neu eintretenden Kinder (Knaben und
Mädchen) werden in den ersten zwei bis drei Tagen nach Beginn der
Schule einer äufserlichen Untersuchung unterzogen, um festzustellen, ob sie
mit tibertragbaren Krankheiten behaftet sind.
Zutreffenden Falles wird eine Bescheinigung nach Anlage I ausgestellt.
§ 2. Innerhalb der ersten vier Wochen werden sämtliche neu in
die Schule eingetretenen Kinder eingehend auf ihre Körperbeschaffenheit
und ihren Gesundheitszustand untersucht, und zwar nach Anweisung der
Anlage n, die gleichzeitig den Gesundheitsschein der Schulkinder darstellt.
Das Ergebnis dieser genauen Untersuchung entscheidet darüber:
a) ob das Kind hinsichtlich seiner körperlichen Beschaffenheit befähigt
ist, an dem regelmäfsigen Schulbesuche teilzunehmen. Nichtzutreffenden
Falles wird eine Bescheinigung nach Anlage JII ausgestellt.
b) ob eine fortgesetzte ärztliche Beobachtung erforderlich ist. Zu-
treffenden Falles wird der Gesundheitsschein des Kindes mit dem Vermerk
„ärztliche Kontrolle" versehen.
c) ob Befreiung von einzelnen Unterrichtsfächern (Turnen, Gesang)
oder sonstige Beschränkung der Teilnahme am Unterricht anzuraten ist.
d) ob dem Kinde ein besonderer Sitzplatz in der Klasse an-
zuweisen ist.
§ 3. Die in § 2 genannte Untersuchung ist aUe zwei Jahre im
ersten Yierte^ahre des Schuljahres an allen Kindern zu wiederholen.
Veränderungen im Gesundheitszustand und während der Schulzeit statt-
gehabte ernstlichere Erkrankungen des £[indes sind in dem Gesundheits-
schein einzutragen.
§ 4. AUe vier Wochen hat der Schularzt an einem mit dem Anstalts-
leiter vereinbarten Tage der Schule einen zweistflndigen Besuch abzustatten.
Während der ersten Stunde unternimmt der Schularzt in Begleitung des
Anstaltsleiters oder des Stellvertreters desselben eine in jeder Klasse etwa
10 bis 15 Minuten dauernde Untersuchung von zwei bis fOnf Klassen.
61 21
Jede Elftsse soll in dieser Weise ein- bis zweimal wfthrend eines halben
Jihres besacht werden. Zweck der üniersnchnng ist die Beobachtung
der Kinder und der Lehrzimmer mit ihren Einrichtungen (Beleuchtung,
Heizang, Laftung, Bänke, Lehrmittel, Reiulichkeitszustand) wfthrend des
Unterrichts, der wfthrend der Anwesenheit des Arztes in
der Klasse nicht unterbrochen wird.
Wenn in einer Klasse mindestens zwei Fälle derselben ansteckenden
Krankheit gleichzeitig Yorkommen, so sind auf Anzeige des Lehrers sofort
flimüiche Kinder der Klasse vom Schularzt darauf zu untersuchen, ob sie
mit der betreffenden Krankheit behaftet sind. In jeder folgenden Woche,
in welcher eine Zunahme der Krankheitsfälle eintritt, ist mindestens eine
nene Untersuchung vorzunehmen. Auch ist dem Lehrer inbezug auf die
ihm bei ansteckenden Krankheiten zufallenden Anordnungen seitens des
Sdralarztes in jeder Hinsicht hilfreiche Hand zu leisten.
An den ELindem wahrnehmbare Gesundheitsstörungen bringt der
Sdndarzt in der Sprechstunde zur Sprache. Hygienische Mängel m der
Funktion der Schuleinrichtungen und Einflösse dieser Mängel auf die
Kinder und den Unterricht hat der Schularzt in das „Oesundheitsbuch*'
der Anstalt einzutragen.
Die zweite Stunde der Besuchszeit ist eine im Dienstzinmier des
Anstaltsleiters oder in einem anderen geeigneten Zimmer abzuhaltende
Sprechstunde. Falls der Arzt bei seinem Aufenthalte in den Klassen
Kmder angetroffen hat, die einer ärztlichen Untersuchung bedflrftig erschienen,
80 ist diese während der Sprechstunde vorzunehmen. Auch Kinder aus
anderen vom Arzte an dem betreffenden Tage nicht besuchten Klassen
sind ihm, falls es die Lehrer fär notwendig halten oder die Kinder es
wünschen, zuzuführen.
Während des Aufenthaltes des Arztes in der Klasse findet
weder eine Untersuchung von Kindern, noch ein Befragen
derselben oder des Lehrers statt.
Auskaufte jeglicher Art, Besprechungen zwischen Lehrpersonal und
Arzt, sowie Vorschläge des letzteren sind der Sprechstunde vorbehalten.
§ 5. Alle schulärztlichen Untersuchungen sind in Gegenwart des
Anstaltsleiters, seines Vertreters oder des Klassenlehrers vorzunehmen.
Die Gesnndheitsscheine der Kinder gehören zu den Akten der Anstalt.
Tritt ein Kind in eine andere Schule ein, so wird der Gesundheitsschein
dorthin aberwiesen. Scheine, welche den Vermerk „ärztliche Kontrolle''
fthren, sind dem Arzte bei jedem Besuche deijenigen Klasse, in welcher
fleh die betreffenden Schaler befinden, vorzulegen.
§ 6. Ärztliche Behandlung erkrankter Schulkinder ist nicht Sache
des Schularztes. Hält derselbe eine Behandlung far nötig, so sind die
Eltern seitens der Schulleitung davon zu benachrichtigen (s. Anlage I). Die
Wahl des Arztes bleibt den Angehörigen der Kinder aberlassen. Muls
die Behandlung nach Ansicht des Schularztes durch einen Spezialisten er-
folgen, so ist dies den Eltern anzuempfehlen. Wenn trotz wiederholter
Ermahnungen eine ärztliche Behandlung des Kindes unterbleibt, so ist beim
BSrgermeister Behandlung des Kindes im städtischen Krankenhause zu be-
antragen.
22 62
§ 7. Je einmal im Sommer and Winter hat der Scltnlarst alle be-
nutzten Schnlrftnme mit Zubehör auf ihre hygienische Beschaffenheit ra
prftfen. Insbesondere ist zu achten auf die natürliche nnd kflnetliciie
Lichtzofiihr, die Vorhänge, Heizung nnd Lüftnng, den Lnftranm, die Be-
schaffenheit der Fnisböden, W&nde, Bänke, anf die Reinigung der Klassen,
Flure, Treppen, Aborte und der Turnhalle, auf die Kleiderablage, Blitz-
ableiter, Badeeinrichtungen, Trinkwasserversorgung und Störungen in der
Umgebung des Schulgebäudes. Mängel sowie Vorschläge auf Abänderung
sind in das „Gesundheitsbuch^ einzutragen.
§ 8. Selbständige Anordnungen und Vorschriften fbr das Schal»
personal stehen dem Arzte nicht zu« Falls seine Bemerkungen im Gesund*
heitsbuche keine Beachtung finden, hat der Schularzt den Bürgermeister za
benachrichtigen und, falls es sich um Mißstände handelt, die ein sanitäts-
polizeiliches Einschreiten erfordern, auch dem Kreisarzte Anzeige zu er-
statten.
§ 9. Behufs möglichst zweckmäßigen und gleichartigen Vorgehens
halten die Schulärzte von Zeit zu Zeit Besprechungen ab. Den Vorsitz bei
diesen Besprechungen ftQirt der durch absolute Mehrheit der Teilnehmer
gewählte Schularzt jeweils auf ein Jahr.
Mindestens einmal im Jahre findet eine gemeinschaftliche Sitzung der
Schulkommission des Gemeinderates und der Schulärzte statt.
§ 10. Zu bestimmten Zeiten und auf Ersuchen der Lehrerschaft haben
die Schulärzte kurze Vorträge ttber die wichtigsten Fragen der Schul* und
häuslichen Hygiene zu halten. Zu diesen Vorträgen sind auch die Elteni
der Kinder seitens der Schulleitung einzuladen.
§ 11. Jeder Schularzt hat über seine amtliche Tätigkeit einen
Jahresbericht fQr die Zeit Yom 1. April bis 31. März auszuarbeiten und
dem Vorsitzenden bis zum 1. Mai einzureiclien; aus den einzelnen Jahres-
berichten hat der Vorsitzende eine Gesamtttbersicht anzufertigen und die-
selbe samt den Einzelberichten dem BOrgeimeister bis zum 1. Juli einzn-
reicheu. Bei der Aufstellung der Berichte sind folgende sieben Punkte zn
berflcksichtigen :
1. Tabellarische ziffermäbige Zusammenstellung der bei den Unter-
suchungen der Aufnahmeklassen gewonnenen Ergebnisse, sowie auf besonderen
Formularen diejenigen jedes späteren Jahrganges;
2. Zahl der abgehaltenen Sprechstunden und ärztlidien Besuche der
Klassen;
3. Anzahl und Art der wichtigeren Erkrankungsfälle, die in den Sprech-
stunden zur Untersuchung gekommen sind;
4. etwa erfolgte besondere ärztliche Anordnungen (Beschränkung der
Unterrichtsstunden, des Turnens usw.).;
5. Anzahl der an die Eltern gesandten schriftlichen „Mitteilungen*
und deren Erfolg;
6. Anzahl der unter ^ärztlicher Kontrolle" stehenden Scliulkinder;
7. summarische Angabe Aber die in das Hygienebnch bezüglich der
Schulräume usw. eingetragenen Beanstandungen.
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XVIIL Jahrgang. 1905. No. 2.
d^rigtniiliib^iiMitiigeii.
Schulschlofii und Morbidität an Masern, Scharlach
und Diphtherie.
Vortrag, gehalten am 6. Dezember 1904 in der Deutschen Qesellsohaft
für öffentliche Gesundheitspflege in Berlin.
Von
Dr. M. CoHN,
Schularzt in Charlottenborg.
Mit vier Abbildungen im Text
M. H.! Als zu Beginn des vorigen Jahrzehnts die deutsche
Ärzteschaft in seltener Einmütigkeit die Anstellung von Schulärzten
Knnftchst für unsere Volksschulen forderte, da waren es wesentlich
folgende Beweggründe, die sie zu ihrem Eintreten bestimmten:
einmal wollte man durch eine ärztliche Musterung der Schulrekruten
die körperlich oder geistig Schwachen aussondern, und dadurch
diese Kinder vor unnützer Quälerei, die Schule vor unbrauchbarem
Material bewahren; dann wünschte man durch dauernde gesund-
heitliche Überwachung aller Schulkinder die bei ihnen auftretenden
Krankheiten einer schnelleren Behandlung zuzuführen und die Be-
seitigung chronischer Leiden zu erzielen ; schliefslich hoffte man ver-
mittels der Schulärzte der Verbreitung der Infektionskrankheiten
durch die Schule Herr zu werden.
In bezug auf die beiden ersten Punkte haben wohl allerorts die
Schulärzte die auf sie gesetzten Erwartungen in vollstem Malse er-
füllt; die Infektionskrankheiten aber einzuschränken, ist ihnen bisher
nicht gelungen. Bei dem Nachdenken, woran dies wohl läge, und
mit Rücksicht auf die praktischen Erfahrungen in meiner schul-
Sekalgesimdheitspflege. XVIII. 4
64
ärztlichen Tätigkeit, glaubte ich nun annehmen zu müssen, dafs die
Handhabung der in einem Erlals des Kultusministers und des Ministers
des Innern vom 14. Juli 1884 niedergelegten behördlichen Vorschriften
ein gut Teil Schuld daran trtlge. Dieses Regulativ lautet in dem fGLr
uns in Betracht kommenden Punkte wie folgt: „Über die Schliefsung
der Schulen oder einzelner Erlassen derselben wegen ansteckender
Krankheiten, hat der Landrat bezw. die OrtspolizeibehOrde unter
Zuziehung des Kreisphysikus zu entscheiden; ist Gefahr im Ver-
zuge, so können der Schulvorstand und die OrtspolizeibehOrde auf
Örund ärztlichen Gutachtens die Schlielsung anordnen.*'
Nachdem ich mehrfach gesehen hatte, welche lange Zeit bei
Innehaltung dieses Instanzenzugee bis zur Anordnung der Schlielsung
einer Klasse verstreicht, stellte ich in einem vor ca. zwei Jahren
im Charlottenburger Ärzteverein gehaltenen Vortrag die Forderung,
man solle den Schulärzten das Recht der sofortigen
Schliefsung einer Schulklasse beim Auftreten einer
gröfseren Anzahl infektiöser Erkrankungen übertragen.
Dem widersprach damals Kollege Heller, indem er u. a. be-
sonders betonte, dajs es statistisch noch gar nicht erwiesen sei, dab
wirklich die Schule eine Hauptübertragungsstätte der Infektions-
krankheiten bilde.
Bald darauf veröffentlichte dann Heller in Nr. 83 der Deutsch.
Med.'Ztg, 1902, eine kleine statistische Arbeit, welche die in den
Jahren 1889 — 1897 für Berlin gemeldeten Infektionskrankheiten
einer auf unser Thema bezüglichen kritischen Betrachtung unterwarf.
Heller kam zu dem Schluis, dals seine Zahlen wohl einen Einfluls
des Schulschlusses auf die Masemmorbidität erkennen lasseui aber
einen wesentlichen Einflub auf die Scharlach- und Diphtherie-
morbidität nicht beweisen.
Die von Heller gefundenen Zahlen widersprachen so sehr
unseren landläufigen Anschauungen, dafs ich es für nötig hielt, die
Prüfung an einem größeren Material zu wiederholen. Ich habe
daher die statistischen Nach Weisungen von Berlin aus den Jahren
1884—1901, die ^on Breslau aus den Jahren 1892—1901, die von
München aus den 1893 — 1899 und schliefslich die von Oharlotten-
burg von 1898 — 1902 einer Durchsicht unterzogen. Die Jahrbücher
dieser Städte wurden mir von dem Direktor des Statistischen Amtes
der Stadt Berlin, Herrn Prof. Hirsghberg, in liebenswürdigster
Weise zur Verfügung gestellt. Ich lasse die Zusammenstellungen
für Berlin, Breslau und München hier folgen:
65
Angemeldete F&lle Yon ErkraDknngen an Masern, Scharlach and
Diphtherie in Berlio in den Jahren 1884 — 1901 (nach Monaten).
Masern Scharlach Diphtherie
Janvar
4971
3681
7307
Febroar
3975
2966
6489
März
4181
3150
6603
April
4161
3121
6646
Hai
6898
3434
6203
Jnni
7976
3610
6096
Joli
6826
3073
6182
Angnst
2681
3538
6473
September
2378
4902
7941
Oktober
3466
5593
10023
November
6796
4944
9090
Dezember
7163
4089
7887
Break«, 1892—1901.
Masern Scharlach Diphtherie
Jannar
766
600
311
Februar
908
411
292
Mftrz
1008
402
236
April
1712
446
294
Mai
3581
397
262
Juni
3683
448
230
Juli
1882
403
243
Angost
428
409
286
September
455
696
364
Oktober
851
940
622
November
1234
706
413
Dezember
1601
606
366
MlMk«l, 1893—1899.
Masern
Scharladi
Diphthei
Jannar
2516
790
1466
Febmar
1006
531
1138
Mftrz
776
473
1021
April
871
670
1268
Mai
874
624
934
Jnni
1108
486
748
Jnli
1186
634
799
Angnst
744
377
646
September
649
417
819
Oktober
3071
632
1276
November
4261
634
1060
Dezember
4606
581
1039
66
Breslaa, 24. bis 36. Woche.
Masern Scharlach Diphtherie
24. Woche
889
104
52
26. ,
912
114
60
2ö. „
777
124
66
27. ,
738
87
70
28. „
463
103
55
29. ,
335
73
35
30. „
182
70
44
31. ,
164
70
39
32. „
119
87
53
88. „
100
88
69
34. „
103
108
70
35. „
106
129
84
36. „
122
135
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Berlin 1884-1901. Tabelle 1.
Jan. F*br. Ifirs AprU Mal Juni Joli Aufir. Sept. Okt. Not. Dei.
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Brealan 1892-1901; 5—15 Jal
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Tabelle II.
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Mänohen 1893—1899. Tabelle 8.
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70
Bevor ich nunmehr an die Erläutenmg dieser Tabellen gehe,
muTs ich einige Yorbemerkungen machen. Wir können den Ein-
tLnb des Sohnisohlusses auf die Morbidität an Infektionskrank-
heiten nur beurteilen nach den Ergebnissen der Statistik für die
Wochen der grofsen Ferien. Diese beginnen in Norddeutschland
Anfang Juli und dauern bis Mitte August, in Süddeutsohland be-
ginnen sie etwa Mitte Juli und dauern bis Mitte September. Be-
rechnet man nun die Inkubationszeit der Infektionskrankheiten für
Masern auf zehn Tage, für Scharlach und Diphtherie auf sieben bis
acht Tage, so können Erkrankungsfälle, die in Norddeutschland ca.
vom 20. Juli ab, in Süddeutschland von Ende Juli ab zur Beob-
achtung kommen, nicht mehr in der Schule übertragen worden sein.
Dabei ist zu berücksichtigen, dafs im allgemeinen die Meldungen
überaus unzuverlässig sind, da aus bekannten Gründen allerorts eine
grofse Zahl von Infektionskrankheiten überhaupt nicht gemeldet wird,
ein Fehler, der aber für alle Monate gleichmälsig zutrifft. Es ist
femer zu berücksichtigen, dafs während der Zeit der Schulferien
eine nennenswerte Anzahl von Kindern die Infektionskrankheiten
aurserhalb ihres Wohnortes durchmachen, und schlielslich, daCs
während der sonnenreichen Monate Juli und August die Zahl der
Infektionskrankheiten an sich schon eine erheblich verringerte ist.
So müfsten wir also erwarten, dafis die Statistik ein Sinken der Er-
krankungsziffer im Juli ergeben würde, dab im August die niedrigste
Jahreszahl erreicht werden müsse, und dafs dann erst im September
ein Ansteigen beobachtet werden könne.
Unge&hr solche Verhältnisse finden wir in der Tat bei der Be-
trachtung der Masern. Hier in Berlin erreichen dieselben im
Juni die höchste Ziffer, fallen im Juli erheblich ab und gehen
im August scharf herunter, im September erreichen sie dann
den niedrigsten Stand, um fortan wieder zu steigen. Fast ganz
gleich sind die Verhältnisse in Breslau, wo die Statistik sich nur auf
die Altersstufen von 5 — 15 Jahren bezieht, also für uns noch be-
weiskräftiger ist. In München, wo die Ferien 14 Tage später an-
fangen, wird der steile Abfall erst im August, die niedrigste Ziffer
im September erreicht.
Ganz anders liegt die Sache beim Scharlach. Hier finden wir
in Berlin im Februar die niedrigste Jahresziffer; die Julizahl
ist etwas geringer als die im Juni, aber fast ebenso hoch als im März
und April, und die Augustziffer ist so hoch wie die im Januar und
höher als die aller anderen vorausgegangenen Monate. Auch in
71
Breslau bieten die Ziffern der ersten acht Monate nur geringe Diffe-
renzen, die Zahlen im Juli und Augnst gleichen fast denen vom
Febmar nnd März, der Mai hat hier die niedrigste Ziffer. Nicht
ganz 80 scharf ist das Resultat für München. Hier zeigt der August
einen erheblicheren Abfall gegen Juni, und auch im September
bleibt die Ziffer niedrig, immerhin aber ist sie im ganzen nur wenig
geringer als die Erkrankungsziffer im März und Juni.
Die Diphtherie, die noch relativ die besten Meldeziffem auf-
weist, erreicht in Berlin im Juli ihre niedrigste Ziffer, um schon
im August bis fast zur Höhe des April zu steigen.
In Breslau ist die Diphtheriemorbidität im Juni am ge-
ringsten, steigt dann im Juli und weiter im August, weist aber
ebenso wie die Scharlachmorbidität in den ersten acht Monaten
des Jahres keine wesentlichen Differenzen auf.
In München ist die Diphtheriemorbidität im August am
geringsten, steigt aber im September, der dort noch zur Hälfte
zn den Ferien gehört, bereits erheblich und ist höher als im
Juni und Juli.
Für Üharlottenburg habe ich eine besondere Tabelle nicht auf-
gestellt, da die dort gemeldeten Zahlen zu klein sind; immerhin
Iftfst sich aber auch hier wohl ein Abfallen der Masern
nach Eintritt der grofsen Ferien erkennen, während die
Scharlach- und Diphtheriemeldungen keine wesentlichen Abweichungen
zeigen.
Schliefslich möchte ich noch kurz auf die letzte Tabelle hinweisen,
in der die für uns ganz besonders wichtigen Breslauer Zahlen nach
Wochen geordnet sind. Ich habe die 24. bis 36. Woche gewählt,
wobei für mich mafsgebend war, dafs die groJBen Ferien gewöhnlich
▼on der 28. bis zur 32. Woche dauern. Wir sehen hier einen
ganz unseren bisherigen Darlegungen entsprechenden
schroffen Abfall in der 30. Woche bei den Masern, die
dann noch mehr hinuntergehen, in der 33. Woche das Minimum
erreichen, um allmählich wieder anzusteigen. Auch beim Scharlach
sehen wir einen Abfall in der 29. Woche, dann aber noch während
der Ferienzeit einen Wiederanstieg, der die Ziffer der 27. Woche,
die stets in die Schulzeit fällt, erreicht. In derselben Woche, in
der beim Scharlach ein Abfall eintritt, sehen wir bei Diphtherie
ein Ansteigen der Morbidität, die in der letzten Schulwoche ab-
gefsillen war, um dann während der Ferien nach nochmaligem
geringem Fall dauernd zu steigen.
72
So sehen wir also, dafs sich ganz gleiohmftfsig ein Ab-
fall der Masernmorbidität nach dem Schulschlnfs fest-
stellen läfst, während ein Einfufs des Schulsohlnsses auf
die Erkranknngsziffer an Scharlach und Diphtherie nicht
nachweisbar ist. und dies entspricht anch unseren praktischen
Erfahrungen: ich habe in sechsjähriger schulärztlicher Tätigkeit zu
wiederholten Malen eine Masemepidemie in der Schule entstehen
und sich durch einzelne oder mehrere Klassen verbreiten sehen;
niemals habe ich eine Anhäufung von Scharlach- oder Diphtherie-
erkrankungen in einzelnen Schulklassen beobachten können. Diese
treten vielmehr vereinzelt bald hier, bald dort auf, ohne dals man
imstande wäre, den Ghmg der Erkrankungs&lle zu verfolgen. Die-
selbe Wahrnehmung haben mehrere meiner schulärztlichen Kollegen
gemacht. Wissenschaftliche Untersuchungen über dieses Faktum
scheinen bisher nicht vorzuliegen, wenigstens habe ich in den mir
zugänglichen Lehrbüchern der Schulhygiene nichts Einschlägiges
gefunden. Den Grund für unsere Resultate müssen wir wohl in
der Hauptsache darin suchen, dafs die Kontagiosität der
Masern im Inkubationsstadium eine weit grOfsere ist als
die von Scharlach und Diphtherie; zu der Zeit, wo die
letzteren kontagiOs werden, bleiben die Kinder meist schon der
Schule fern.
Wenn ich nun aus meinen Darlegungen einige Schlüsse ziehen
wollte, so wären es die folgenden: Zur Verhütung der Verbrei-
tung der Masern durch die Schule erscheint ein mög-
lichst frühzeitiger Schlufs der einzelnen Klassen nach
Beobachtung mehrerer Erkrank ungs fälle erforderlich.
Nach Ablauf der Inkubationszeit kann die inzwischen
desinfizierte Klasse sofort wieder eröffnet werden und
alle masernfrei gebliebenen Kinder können wieder am
Unterricht teilnehmen. Für die Einschränkung der Scharlach -
und Diphtherieerkrankungen genügt das Festhalten an den bestehenden
Vorschriften, wobei besonders zu betonen ist, dais die am Scharlach
erkrankten Kinder sechs Wochen hindurch der Schule fem bleiben
müssen. Im Desquamationsstadium sind die Kinder zweifellos noch
infektiös; ich habe mehrfach solche Kinder, die ohne Wissen der
Eltern Scharlach durchgemacht hatten und in der Schule safsen, zu-
fällig herausgefunden und konnte in einem Fall mit ziemlicher
Sicherheit eine auf diese Weise erfolgte Ansteckung nachweisen.
Für die weitere Bekämpfung von Scharlach und Diphtherie er-
73
soheinea dieselben IfalBDahmen geeignet, die zur VermiDderung der
Morbidität überhaupt als erforderlich bezeichnet werden müssen, vor
allem eine Verbesserung der Wohnungen der ärmeren Klassen un-
serer Beyölkerung, die durch das Fehlen hygienischer Einrichtungen,
durch das Zusammendrängen vieler Menschen, durch den Mangel
an Luft und Licht eine Brutstätte aller InfektioDskrankheiten
bilden.
Über besondera ermttdende und unangenehme Schnlfftcher
gesunder und kranker Lehrerinnen.
Von
Dr. Ralf Wighmakn,
Nervenarzt in Hanbarg.
Für das Entstehen der bei Lehrerinnen häufig vorkommenden
Nervosität scheint mir die Art der Schulfächer, in welchen sie Unter-
rieht erteilen, mitunter von einer gewissen Wichtigkeit zu sein.
Bekanntlich sind bestimmte Schulfächer oder Lehrstunden bei vielen
oder gar bei der Mehrzahl der Lehrerinnen unbeliebt. Wie die
meisten Lehrerinnen ein Lieblingsfach haben , in welchem sie gern
unterrichten, so haben viele auch ein Fach, das sie nicht gern mögen
und in welchem sie auch den Unterricht mit einer gewissen Unlust
und Überwindung erteilen. Als Beispiel mögen die B,echenstunden
gelten.
Man muls nun zwischen besonders ermüdenden und besonders
onangenehmen Schul&chem oder Lehrstunden unterscheiden. Dafs
ein bestimmtes Fach von der Lehrerin als besonders ermüdend und
unangenehm empfunden wird, kann sehr verschiedene Ursachen haben.
Selbstverständlich spielt die Individualität der Lehrerin, ihre Neigung
nnd ihre Ausbildung hierbei im Einzelfalle oftmals eine sehr wichtii^e
Solle. Aber auch in der Methode der Bewältigung des Stoffes, in
seiner Fülle oder in der Durchschnittsbegabung der lernenden
Kinder u. a. m. kann die Ursache liegen. Femer kann der Stoff selbst
eb sog. trockener oder langweiliger sein oder sonstwie an die Geistes-
nnd Eörperkräfte der Lehrerin besondere Anforderungen stellen.
Welcherlei Ursachen auch vorliegen mögen, die besonders ermüdenden
und unangenehmen Schulfftcher sind vorhanden und, wie mir aus
74
meinen Erhebungen hervorzugehen scheint, doch so hänfig, dals sie
als eine der Ursachen fttr das Entstehen einer Nenrosität bei Lehre-
rinnen berücksichtigt werden müssen.
Bei einer Krankheit, wie sie die Neurasthenie oder Nervosität
mit ihrem Hinübergreifen anfs psychische Gebiet nun einmal ist,
spielen neben der allzu leichten Ermüdbarkeit des Gehirns und der
Nerven die Unlustgefühle mit ihren gemütlichen Verstimmungen und
psychischen Hemmungen eine grofse Rolle. Einem normalbegabten,
gesunden Menschen geht diejenige Arbeit glatt und leicht von statten,
welche er gern tut, die ihm Freude macht und angenehm ist, die
ihm Befriedigung verschaflpfc, wählend denselben Menschen die Er-
ledigung einer unangenehmen Arbeit, welche kein Vergnügen be-
reitet und die keine Befriedigung gewahrt, vielmehr angreift, ihm weit
schwerer fällt und an seine Nerven gröisere Anforderungen stellt,
einen gröfseren Kraftverbrauch verursacht. In weit höherem Malse
gilt das von einem nervösen oder neurasthenischen Menschen. Weil
nun das Geflihls- und Empfindungsleben beim Weibe stärker aus-
geprägt ist oder mehr vorwiegt als beim Manne, so dürfte wahr-
scheinlich eine neurasthenische Lehrerin die Unannehmlichkeit und
Ermüdung in einer unangenehmen Schulstunde intensiver empfinden
als ein neurasthenischer Lehrer. Das läfst sich natürlich nur theo-
retisch vermuten^ aber nicht wirklich abschätzen.
Ich beabsichtige nun hier nicht auf die experimentellen physio
logischen Untersuchungen einzugehen, welche in den letzten Jahren
von verschiedenen Forschem über die Ermüdung angestellt sind,
sondern ich möchte lediglich auf Grund meiner den Lehrerinnen
vorgelegten Fragen einen kleinen Beitrag zu diesem Thema liefern
und dabei ganz besonders das subjektive Empfinden der Lehrerin
betonen, welches sich in Unlustkurven graphisch nicht ausdrücken
lä&t, welches man deshalb leicht aulser acht lälst, das aber doch
gerade bei nervösen Menschen als Unlustgefühl eine sehr wichtige
Rolle spielt und deshalb eine weit gröfsere Berücksichtigung verdient,
als ihm bisher, wie mir scheint, geschenkt wurde.
Unter meinen gesunden Lehrerinnen — ich verweise auf meine
früheren Arbeiten in dieser Zeäsehrifi und auf die Ajrbeit „Geistige
Leistungsfähigkeit und Nervosität bei Lehrern und Lehre-
rinnen"* (Verlag von Oarl Marhold, Halle a. S.) — haben meine
Frage: „Welches Schulfach ermüdet Sie am meisten?'' 141
Lehrerinnen beantwortet. Von diesen schreiben ^keins^ 20 Lehrerinnen.
Weitere Antworten sind: „Kein Fach ermüdet mich, jedes ist mir
76
eine Freade^, „EigeDtlich keiDB^, „Wenn ich anter normalen Yer-
hfiltoiseen arbeite, ermüde ich überhaupt nioht^, n^^ Schnlhalten
ennadet mich nicht, alle F&cher gleich".
Diesen negativen Angaben stehen folgende positive gegenüber:
«Die Ermüdung hängt weniger vom Fach als von der Zahl der
Torangegangenen Stunden und der Zeit ab^, „Es kommt auf den
Sto£P an, den man zu behandeln hat, und auch darauf, wie die Kinder
aufgelegt sind, das Fach kommt weniger in Betracht^, „Es ist ver-
schieden, je nach dem Standpunkte der Klasse'', f^Der Unterricht,
bei welchem am meisten gesprochen wird, ermüdet am meisten.''
112 gesunde Lehrerinnen geben bestimmte Schulftcher als für sie
besonders ermüdend an. Diese Fächer sind in Rubrik A der ersten
Kolonne der nachfolgenden Tabelle (S. 78) aufgeführt.
Unter meinen kranken Lehrerinnen haben 399 diese Frage be-
antwortet. Von diesen sagen „Kein Fach" 33 Lehrerinnen; 52 Lehre-
rinnen geben folgende Antworten:
Negative: „Eigentlich keine", „Keine besonders", „Keine mehr
als ein anderes, ich unterrichte immer mit Freude", „Kein Fach
bedeutend mehr als das andere", „Nichts", „Alle gleich", „Ist mir
vollständig gleich", „Das ist gleichmälsig", „Keine, aber jede fünfte
Unterrichtsstunde ist mir eine Qual", „Ich wüfste keine, nicht die
Schnl&cher, sondern die Nebenarbeiten in der Schule ermüden mich
oft", „Nicht der Unterricht ermüdet sehr, sondern das Verbessern
der schriftlichen Arbeiten", „Es ermüdet mich keine, die Haupt-
ermttdung bildet das Verbessern der schriftlichen Arbeiten", „Keine
besonders, aber jedes in seiner Art bei verschiedenartiger Behandlung
nnd dem geistigen Standpunkt der Schülerinnen entsprechend",
„Keine besonders, wenn meine Schülerinnen bei der Sache sind"*,
gWenn ich genügend schlafe, keine besonders".
Dann folgende positiven Antworten: „Jede scharf gegebene
Sprechstunde nach sokratischer Methode", „Jedes Fach, in dem ich
▼iel sprechen muJs*^, „Jedes Fach, das anhaltendes Sprechen er-
fordert", „Dauerndes Sprechen", „Das Fach, bei dem viel gesprochen
werden muis", „DieBealien, weil man am meisten sprechen muls",
vJedee Fach, bei dem die Sprechorgane viel in Anspruch genommen
werden*', „Unterricht, bei dem man viel stehen und sprechen mufs",
„Das Fach, bei dem viel gestanden werden mufs (Schreiben, Zeichnen,
Geographie)", „Jedes Fach bei kleinen Kindern", „Unterricht bei
70 Inzipienten, im ersten Halbjahr besonders", „Die Fächer strengen
auf der Elementarstufe alle gleich viel an^.
76
„Hängt von den Fähigkeiten der Sohttlerinnen ab**, „Hängt von
der Begabung und dem Eifer der Schülerinnen ab*', „Kommt auf
die Begabung der lüasse an*', „Hängt weniger vom Fach als von
der Gröfse und Beeohaffenheit der Klasse ab^, ^Der Arbeitsunterricht
wegen der groi^en Schülerzahl", „Hängt von der Lage der Stunde
ab*^, „Die letzte Stunde am Schultage^, „Dasjenige Fach, das als
fünfte Stunde angesetzt ist, insofern als die Kinder dann geistig
wenig rege sind*', ,,Das Fach in der vierten oder fünften Stunde
vormittags", „Solche Fächer, für die der Lehrplan eine zu grolse
Stoffmenge vorschreibt^, n^^ ^^ verschieden, je nachdem der Lehr-
stoff ist und ich disponiert bin*^, „Alle Stunden, in denen ich zwei
Jahrgänge unterrichten mufs, und das sind 10 von den 25, die ich
wöchentlich geben muls^, „Die Fachstunden in anderen Klassen '^i
„Die Stunden in anderen Klassen^, „Jedes, sobald es schlecht, keines,
sobald es gut geht**, „Was mir nicht gelingen will^.
Schlielslich gibt noch eine Lehrerin folgende interessante Ant-
wort: „Je nachdem ich mich gerade interessiere, dasjenige am meisten,
durch die Kraftausgabe, nicht im Augenblick, aber doch wohl mathe-
matisch berechnet I*'
314 kranke Lehrerinnen geben bestimmte Schulfhoher als filr sie
besonders ermüdend an. Diese sind in Bubrik C der dritten Kolonne
der Tabelle weiter unten (S. 78) aufgeführt.
Meine den Lehrerinnen vorgelegte weitere Frage: „Welches
Fach ist Ihnen am unangenehmsten?*' bildet eine Ergänzung
zu der vorigen.
Unter meinen gesunden Lehrerinnen haben auf diese Frage
nach dem ihnen unangenehmsten Schulfache 123 geantwortet.
Von diesen sagen 25 Lehrerinnen: „Keins ist mir unangenehm."
Drei weitere schreiben: „Ich erteile alle ünterrichts&cher gem.''
Eine vierte schreibt: „Ich erfülle meinen Beruf mit Lust und Liebe.''
Und eine fünfte Lehrerin, die bereits 62 Jahre alt ist und eine
Knabenpension mit Arbeitsstunden und Nachhilfe in allen Fächern
hat, sagt, ihr sei es am unangenehmsten, „dumme Jungen arbeiten
zu lassen".
93 weitere gesunde Lehrerinnen geben bestimmte Schul&cher
als die ihnen unangenehmsten an. Diese sind unter Rubrik B der
zweiten Kolonne der nachstehenden Tabelle aufgeführt.
Unter meinen kranken Lehrerinnen haben 366 diese Frage be-
antwortet. 70 von ihnen schreiben : „Keins." 16 Lehrerinnen geben
77
Antworten: „Alle sind mir lieb'', ^Ich unterrichte in allen
Fftohem mit gleicher Lnst und Freude*', y^Ist mir vollständig gleich",
,Da8 hängt von der geistigen Beschaffenheit der einzelnen Klasse
ab^, «Sehr verschieden, das kommt auf die Klasse an*', „Kommt
aaf die Begabung der Kinder an^.
„Ich gebe mit Vergnügen drei Bechenstnnden hintereinander.
Sehr aufregend finde ich den Unterricht im Französischen im ersten
Schuljahr nach der Methode der Reformer, bin aber eine eifrige Ver-
treterin derselben.''
„Der Unterricht auf der Unterstufe, des Kampfes mit der pol-
DÜchen Sprache wegen."
„Wozu ich mich nicht berufen fühle, z. B. Metrik, Arithmetik,
fraDzösische Literatur."
«Seitdem ich mich so abgespannt fühle, habe ich oft eine wahre
Unlust zum Unterrichten.^
280 kranke Lehrerinnen geben bestimmte Schulfächer als ihnen
besonders unangenehm an. Diese sind unter Rubrik D in der vierten
Kolonne der nachstehenden Tabelle aufgeführt.
Ein Blick auf die Tabelle (S. 78) zeigt, dafs bei gesunden und kranken
Lehrerinnen im allgemeinen die ermüdendsten und unangenehmsten
Ffioher die nämlichen sind. Das sind Rechnen, Turnen, Deutsch,
Sehreiben, Religion und Geographie. Als weitere unangenehme
F&cher, die aber nicht so sehr ermüden, sind femer noch Zeichnen
und Anschauungsunterricht zu nennen. Bei kranken Lehrerinnen ist
aueh Geschichte noch als besonders ermüdend zu bezeichnen. Dals
das Rechnen nach dem Prozentsatz an erster Stelle genannt wird,
dflrfte niemand wundem. Es strengt eben den Verstand ganz besonders
an. Interessant scheint mir zu sein, dafs Turnen bei den kranken
Lehrerinnen bedeutend weniger ermüdend und unangenehm empfunden
wird als bei gesunden. Vielleicht liegt der Gmnd darin, dais auf
die kranke Lehrerin, sofern sie nervös ist, eine Turnstunde als ein
ausgleichendes Erholungsmittel wirkt, wie ja viele Kopfneurastheniker
sieh durch geeignete körperliche Bewegung in frischer Luft erleichtert
imd erfrischt fühlen. Dafis Turnen keineswegs nur eine Erholung
ist, sondern, wenn etwas kräftig betrieben, das Gehirn ganz beträchtlich
ermüdet, wissen wir bekanntlich seit einigen Jahren. Die neur-
asthenischen Lehrerinnen werden vermutlich sich beim Turnen nicht
allsu sehr anstrengen, sondern ihre eigene Tätigkeit in mäfsigen
Srenzen halten. Das erfrischt sie dann. Die gesunden dagegen
lagen sieh wahrscheinlich etwas stärker ins Zeug. Das Deutsche,
78
Lehrfach
Zahl der LehreriDnen
Qesonde
112
das erroü'
dendflte
Faoh
%
A
das unan-
genehmste
Faoh
Vo
B
Kranke
814
daa ermä'
dendste
Faoh
Beohnen
Turnen
Deutsch (inkl. Grammatik)
Schreiben
Religion
Geographie (Brd- und Heimaikunde)
Naturgeschichte
Zeichnen
Anschauungsunterricht
Sprachlehre
Gesang
Aufsatz
Fransösisch
Grammatik (fremde Sprachen)
G^esohicbte
Technische Fächer
Handarbeit
Lesen
Unterricht im ersten Schuljahr
Kursorisches Lesen
Realien
Schönschreibunterricht
Aufsatskorrektur
Haushaltungsunterricht
Fremde Sprachen
Schreiblesen
Musik
Rechtschreiben
Diktat
Erziehungslehre
Behandlung der Lesebuchstoffe
Stil
Aufsichtsstunde in grofsen Gesang-
klassen
Physik
Gesinnnngsunterricht
Klavierunterricht
Fachstunden
Nachhilfeunterricht
Abendunterricht
Englisch
Chemie
Memoriren
Mathematische Geographie
28,5
12,5
9,9
rf,0
8,0
8,0
1,0
2,6
2,6
2,6
3,5
2.6
2,6
0,8
0,8
1,7
0,8
0,8
IJ
^'!
^'!
^'?
0,8
0,8
20,4
8,6
2,1
12,9
7,5
6,4
10,7
7,5
6,4
6,3
3,2
2,1
1.0
1,0
2,1
2.1
2,1
1,0
1,0
1,0
2,1
1,0
31,2
7,8
2,5
8,5
10,8
4,7
3,1
8,4
2,2
2,5
2,6
S^
6,0
2.5
2,5
0,6
1.2
0,3
0,9
1^5
0,3
2,5
2,2
0,9
0,6
0,6
0,8
0,3
0,8
0,3
0,8
0,3
0,3
0,3
0,8
0,3
79
und zwar besonders Grammatik» ist nicht so sehr ein trockener Stoff,
der unangenehm ist, als yielmehr, wie es scheint, ermüdend durch
die Operation des logischen Denkens, welches eine besondere An-
strengung far den Verstand ist. Religion fliegt** yielen Lehrerinnen
nicht; diese würden weit lieber das Fach abgekürzt sehen und möchten
daher einen zweckmftlsigen Moralunterricht eingeführt haben, wie aus
den Antworten der Lehrerinnen an anderer Stelle meines Fragebogens
hervorgeht. Auch fär Naturgeschichte haben viele keine besondere
Vorliebe. Das Schreiben greift an durch das viele Stehen und ein-
tönige Sprechen. Die Geographie scheint besonders durch die Be-
nntsung der Landkarte zu ermüden, welche die beständig stehende
Lehrerin oft zwingt, ihr Gesicht von den Kindern der Klasse ab-
nwenden, wodurch ihr das Ordnunghalten erschwert wird. Auch
stellt Geographie grolse Anforderungen an das Gedächtnis.
Mir scheinen diese kurzen Angaben sich prophylaktisch ver-
wenden zu lassen. Ich meine nämlich, Lehrerinnen, welche zur
Nervosität neigen oder schon neurasthenisch sind, oder auch Bekon-
valeszentinnen, sollten von der Schulleitung gefragt werden, ob und
welche Fächer sie besonders ermüden oder ihnen besonders unan-
genehm sind? Die Antwort der Lehrerin sollte man dann berfiek-
äehtigen und die Lehrerin von solchen Fächern dispensieren oder
de sich ihre Fächer selbst im Stundenplan legen lassen. Sie wird
dann vermutlich keine zwei sie besonders ermüdende oder ihr be-
Mmders unangenehme Fächer hintereinander legen. Ich bin überzeugt,
dafa viele Schulleiter jetzt schon längst so auf Grund ihrer Be*
obaehtungen verfahren. Dals dabei natürlich auch Bücksicht auf die
Kinder zu nehmen ist, versteht sich von selbst; aber glücklicherweise
eeheinen diejenigen Stunden, welche für die Lehrerin die unange-
aehmsten und ermüdendsten sind, es auch meistens für die Kinder
n sein.
Mögen diese kurzen Angaben zu weiteren Untersuchungen
Anlab gebenl
Sehalresaadheiispflege. XVIII.
80
Eine Bemerkmig nr Atemgymiuuitik.
Von
Dr. Albert Flachs -Moinesti (Bmnanien).
Die Atemgymnastik hat, wie nicht anders zu erwarten war,
auoh aof dem ersten internationalen schnlhygienisohen Kongrels in
Nürnberg entsprechende Würdigung gefdnden. Besonders eingehend
bat sich damit der Vortrag des Herrn Direktor Dr. Winkleb be-
schäftigt, welcher auch auf die grofse prophylaktische Bedeutung der
Atemgymnastik mit Bücksicht auf die Lungentuberkulose nach-
drücklich hingewiesen hat.
Aber gerade zum Vortrage des Herrn Winklbb mOchte ich
mir eine Bemerkung gestatten.
Herr Winklbb labt die atemgymnastischen Übungen in drei
Tempi yomehmen, einatmen — anhalten — ausatmen, wobei
er „vorläufig drei Sekunden lang** anhalten läfst, um sodann die
Dauer des Anhaltens allmählich zu steigern. Wie es scheint, wird
von vielen Seiten in gleicher Weise vorgegangen.
Gegen die Praxis des in der Dauer allmählich zu steigernden
Anhaltens des Atems nach tiefster Einatmung erhebe ich Eänwendung.
Wer öfters mit Kindern lungengjrmnastische Übungen vor-
genommen und jene dabei scharf beobachtet hat, wird bemerkt haben,
dab gerade das Anhalten des Atems ihnen die gröfsten Schwierig-
keiten bereitet und der Erlernung der Übungen am meisten hinderlich
ist. Die Kinder blasen die Wangen auf, werden rot und fangen zu
husten an. Wenn man hingegen die Atemgymnastik in der Weise
ausführen l&lst, dafis auf die allmähliche tiefste Einatmung sofort
eine allmähliche Ausatmung folgt, so kann man sogar kleinere
Kinder bald dazu bringen, die Atemübungen zu erlernen und ohne
UnzukOmmlichkeit auszuführen.
Ich kann aber auch nicht einsehen, welchen Nutzen besonders
das immer länger dauernde Atemanhalten haben solll
Der Zweck, welchen man von der Atemgymnastik erwartet und
in hohem Maise auoh erreicht, ist die Erfüllung selbst der am
weitesten abliegenden Lungenbläschen mit Luft und die Stärkung
81
der AtemmuBkulatar. Diesem Zwecke genQgt ganz allein die all-
mfthliche, tiefste Einatmung mit nachfolgender, allmählicher Ans-
atmnng, ohne dals das Atemanhalten noch weiter zu dessen Förderung
beizutragen vermöchte.
Ja, das öftere, dauernde Atemanhalten kann in vielen Fällen
sehädlioh wirken. Bei den Kindern mit Anlage zur Lungenblähung,
imd bekanntlich ist diese Anlage oft; eine ererbte, kann durch das
dauernde Atemanhalten der Eintritt dieser Erkrankung näher gerückt
werden und bei allen Kindern, welche aus irgendeinem Grunde
ein schwächeres Herz haben, und kleinere Kinder sind überhaupt
herzempfindlich, kann das dauernde Atemanhalten sehr schädigend
einwirken, wobei nicht zu vergessen ist, dafs Kinder geneigt sind,
die Atemgymnastik zu übertreiben und sich beim Atemanhalten zu
überbieten.
Es ist also angezeigt, das Atemanhalten aus der Atemgymnastik
ganz auszuschalten oder nur von Kindern, die älter sind als fünfzehn
Jahre und nur höchstens drei Sekunden lang ausführen zu lasseif.
Hub Herfantntlitttjien utib Heretnett.
y. Kngrtb der Hilfsschulen Deutschlands in Bremen
am 26., 26. und 27. AprU 1905.
Dem Aufnife des Ortsausschusses in Bremen entnehmen wir folgendes :
Die Erziehung bildungsfUiger Schwachbegabter Kinder in besonderen
Sehnlen, sogenannten Hilfsschulen, in Anregang gebracht zu haben, müssen
wir Dr. Kern und dem Lehrer Stötzneb in Leipzig zuerkennen. Drei
Jahre nach dem Erscheinen seiner Schrift „Schule fflr schwachbefähigte
Kinder*' sah Stötzneb seine Bemühungen mit Erfolg gekrönt; denn im
Jahre 1867 wurde in Dresden die erste Hilfsschule eingerichtet. Trotz-
dem man an&iglich, namentlich von selten der Schulbehörden, der Grün-
dang von Hilfsschulen keine besondere Förderung angedeihen liefs, sind
doch nach und nach in einer stattlichen Reihe gröfserer Städte Schulen
filr Schwachbegabte Kinder entstanden, und so ist die Hilfsschule, deren
segensreiche Wirksamkeit man immer mehr erkannte, rasch zu einem not-
wendigen Gliede unserer Yolksschuleinrichtungen geworden. Gegenwärtig er-
halten über 15000 schwachbeffthigte Kinder in rund 200 deutschen Städten
einen besonderen Unterricht. Das ist eine grofse Zahl, und doch warten
aoch Tausende dieser unglücklichen, namentlich in kleineren Städten und
ländlichen Bezirken auf die Hilfe und Fürsorge yon Seiten ihrer gesunden
Mitmenschen.
5*
82
Nachdem man in Deutschland mit der GrOndong von Hilfsschulen
vorangegangen war, sind in den letzten zehn Jahren anch in allen anderen
Knltnrländem solche Schnlen entstanden; überall gelangte man zu der
Einsicht, dafs Erziehung und Unterricht der bildungsfähigen Schwachsinnigen
in besonderen Schulen eine unbedingt notwendige Mafsregel sei.
Im Jahre 1898 wurde nach eingehenden Yorberatungen von Schul-
männern aus Hannover, Bremen und Braunschweig zu Hannover unter dem
Vorsitze des Stadtschulrats Dr. Wehbhahn der „Verband deutscher Hilfs-
schulen*' gegründet. Der rührigen Tätigkeit dieser Vereinigung ist die
geradezu enorme Entwicklung der deutschen Hilfsschule zu verdanken, wie
sie aus folgenden Zahlen ersichtlich ist. 1898 gab es in 52 Städten
202 Klassen mit 4281 Kindern, heute gibt es ca. 700 Hilfsschulklassen
mit 15000 Schülern. Berlin allein besitzt 125 sogenannte Nebenklassen
mit 2000 Kindern; Hamburg hat 47 Hilfsschulklassen mit 898 Schülern
und 50 Lehrpersonen. Dieser Entwicklung des Hilfsschulwesens entspricht
das rasche Anwachsen der Teilnehmerzahl an den Kongressen des Ver-
bandes, wie anch die Bedeutung der auf den Verbandsversammlungen be-
handelten Themen.
Auch für den Bremer Hilfsschulkongrells am 25., 26. und 27. ^ril
d. J. haben tüchtige Männer auf dem Gebiete des Hilfsschulwesens Vor-
träge angemeldet. Die Tagesordnung ist wie folgt festgesetzt:
I. Vorversammlung am 25. April, abends 6 ühr.
a) Die Ausbildung der Hilfsschullehrer. Referent Lehrer BusCH-
Magdeburg.
b) Die Behandlung von Sprachgebrechen in der Hil&schnle. Referent
Dr. med. WiNCKLEB-Bremen.
c) Geschäftliches.
IL Hauptversammlung am 26. April, morgens 9 Uhr.
a) Über moralische Anästhesie. Referent Direktor Dr. med. Scholz-
Bremen.
b) Die Berücksichtigung der Schwachsinnigen im Strafrecht des
Deutschen Reiches. Referent Ober -Amtsrichter Nolte -Braun-
schweig.
c) Über den gegenwärtigen Stand der Fürsorge für die aus dea
Hilfsschulen entlassenen Kinder in unterrichtlicher und praktischer
Beziehung. Referent Hauptlehrer A. ScHENK-Breslau.
d) Geschäftliches.
Aus dem Vorstehenden dürfte zur Genüge hervorgehen, dafs allen,
die für das Hilfsschulwesen ein Interesse besitzen, der Besuch des Bremer
Hilfsschulkongresses auf das wärmste empfohlen werden kann. Anmel-
dungen zur Teilnahme am Kongresse nimmt der erste Schriftführer des
Ortsausschusses, Herr Schulvorsteher F. von Brebosn (Bremen^ Ans-
garitorstr. 14) entgegen, der auch alle auf den Verbandstag bezüglichen
Anfragen bereitwilligst beantworten wird.
83
Arbeit ud Erholug der Sehnljn^id.
Vortrag von Prof. Dr. A. Jaqüet in der Yersammlnng der fireiwilligeii
Schulsynode Yon Basel (Stadt) am 22. November 1904.
Dem Vortrage des Referenten lagen folgende Thesen zngnmde:
1. Bei der Bemessnng des für die yerschiedenen Altersstufen zn-
ÜBsigen Arbeitsmafees ist es notwendig, die Arbeit zu berflcksichtigen,
welche das Kind neben seiner eigentlichen Schularbeit — Schulzeit and
Seholanfgaben — noch zu Hanse yerrichten mnüs.
2. Diese von den Mtern aufgezwungene Arbeit stellt in vielen Fftllen
die eigentliche Ursache der Überbflrdung der Kinder dar.
3. Die Überbttrdung ist eine individuelle Erscheinung, die nur bis
20 einem gewissen Grade mit der Schularbeit zusammenhängt. Zu ihrem
Zostandekommen tragen aufserdem noch Konstitution und Charaktereigen-
schaften des Kindes, sowie die Erziehung im elterlichen Hanse wesent-
lich bei.
4. Zur Vermeidung der Überlastung gewisser Schtüer durch Haus-
m^gaben mflssen dieselben nicht mehr nach dem Pensum, sondern nach
der Zeit bemessen werden. Dieses Postulat l&ist sich allerdings nur er-
fttlleii, wenn die Aufgaben in der Schule und unter Aufsicht gemacht werden.
5. Die Schule bat die Pflicht, fOr die körperliche Erziehung der
Schfllo' zu sorgen. Die Kr&ftigung des Körpers ist das beste Mittel zur
Yerbfttong der Überbttrdung. Der Turnunterricht, kombiniert mit täglichen
Spielstanden, sollte daher fttr alle Schulstufen obligatorisch erklärt werden.
6. Die Bekämpfiing der Überbttrdung darf nicht ausschlieislich der
Privatinitiative ttberlassen werden. Die Schule ist die einzige Instanz,
welche dank ihrer Organisation imstande ist, zur Besserung der gegen-
wirtigen Zustände durchgreifende Maisnahmen zu treffen.
7. Eine wirksame Bekämpfung der Überbttrdung ist jedoch ohne Mit-
lulfe der Eltern nicht denkbar. Zu diesem Zwecke erscheint eine syste-
■atische Aufklärung der Bevölkerung erforderlich. Als Mittel zur £r-
reichnng dieses Zieles empfiehlt sich die Organisation regelmäCsiger Eltern-
kimferenzen durch die Schule.
Über die Bedeutung der SchnlhygieBe.
Ans einem Vortrage von Prof. Dr. Baginsky im Allgemeinen
deutschen Verein fttr Schulgesundheitspflege in Berlin
(26. Oktober 1904).
Nachdem der Redner im Eingange seines Referates die Bedeutung
der Reinlichkeit ttberhaupt auf die Gesundheit betont hatte, äufserte er
▼erechiedene Wftnsche in dieser Richtung mit Bezug auf die Schule. Zur
Venrirklidiong dieser Wttnsche will er namentlich die Lehrer und Lehre-
riuMn herangezogen wissen, damit sie die Kleinen zur Reinlichkeit und
Ordnung erziehen, Faktoren, die doch ein gut Teil eines geregelten Lebens
Mttmachen. Prof. Baginbky will keinen neuen Lehrzweig in das ohnedies
so grobe Lempensum der Kinder einfttgen. Nein, er will nur durch
84
das Verständnis, das Lehrer and Lehrerinnen dieser Frage entgegen-
bringen sollen, anf die Kleinen, die doch einen grolsen Teil des Tages in
der Schnle verbringen, einwirken. Wenn die Lebrpersonen anf eine gute
Ordnung, gnte Haitang und eine exakte Reinlichkeit dringen, dann werden
sich die Folgen dieser Bestrebungen anch in die Hänser resp. Wohnungen
weiter verpflanzen. Redner hat darin in Algler und Tunis, wo die franzö-
sischen Schulen durch ihr Wirken auch einen grofsen Einfluis auf die
alten Muhamedaner und Neger ansähen, genflgend Erfahrungen sammeln
können. Dasselbe ist der Fall in Bosnien, wo die Osterreichischen Schulen
eine segensreiche Tätigkeit entfalten. Notwendigerweise werden die Ideen,
die die Schule in dieser Beziehung aussät, ins Leben hinausdringen and
eine viel tiefergreifende Wirkung ausüben, als sich die einzelne Lehr-
person anch nur träumen läfst. Auch der Zahnpflege soll die genügende
Aufmerksamkeit gewidmet werden, selbst wenn unsere Behörde gerade
diesem Zweig der Gesundheitslehre die geringste Beachtung schenkt.
Auf die Nervosität kam Redner gleichfalls zu sprechen, die heute soviel
Anlafs zum Klagen für Eltern und Lehrer gebe. Aber gerade hier er-
weise sich das Anhalten zu einer geregelten Tätigkeit von segensreichem
Einflüsse, wie er als Kinderarzt unzählige Male habe konstatieren können. —
Ferner müsse unbedingt auf die gefährlichen Folgen des Alkohol-
und Tabakgenusses hingewiesen werden. Gerade hier liege eine
empfindliche und ungemein grofse Schädigung der Gesnndheit und des
Yolkswohles. B. warnt Eltern und Erzieher dringend davor, den Kindern
den Alkohol, sei es in irgendeiner Form, zu gestatten. In einer Schal-
statistik habe ein Schularzt die Rechnung aufgestellt, dafs von 470 Knaben
264 regelmäfsig Bier tranken, 139 auch noch andere Spirituosen genossen,
von 497 Mädchen 242 ebenfalls regelmäfsig dem Biergennls ergeben waren^
Ein ungeheuer grolser Prozentsatz dieser Alkoholkonsumenten, sagt die
Statistik, sei faul, unaufmerksam und verlogen gewesen. Wenn das auch
übertrieben sein mag, so wird kein Schulmann die verderblichen Folgen
des Alkohols beim Kinde leugnen können. Der Redner führte verschiedene
krasse Beispiele an. Anch der Tabak sei entschieden zu verbieten, wenn-
gleich ja der Erwachsene ganz gut sein Pfeifchen und seine Zigarre rauchen
könne. Ein dreieinhalbjähriges Kind, dem die Mutter einen Zigarren-
stummel zum Spielen gegeben hatte, zerkaute denselben und fiel darauf
in Krämpfe, die drei und einen halben Tag dauerten. Das sei nur ein
Beispiel von vielen. Der oben bezeichnete Unterricht, den Lehrer und
Lehrerin in der Hygiene erhalten müDsten, sollte nun nicht ein regelrechter
Kursus in Anatomie und Pathologie sein, aber die Grundzüge dieser Wissens-
zweige mülsten sie doch auf dem Seminar kennen lernen. Dann und nor
dann wären sie imstande, auch mit dem Schulärzte verständnisvoll Hand
in Hand zu arbeiten zum Segen der gegenwärtigen und zukünftigen Gene-
rationen. — Schliefslich wies der Referent auf die ermüdende Erwerbs-
tätigkeit der Schulkinder, namentlich vor dem Schulbesuche am Morgen,
hin und betonte, dafs müde Schulkinder nie imstande sind, dem Lehrer sm
folgen. Daher mülste darauf gesehen werden, dafs die Kleinen vor der
Schule nicht zu schweren Arbeiten gezwungen wtlrden.
86
tUmre JlitteiUittie«.
Kildenelbstmorde. Anf einer Lehrerkonferenz für den Schalbezirk
Löban (Sachsen) machte Medizinalrat Dr. Kbsll Angaben über Kinder-
selbstmorde, die zu denken geben. Nach den Tagesbl&ttem ftlhrte der
Yortragende hierbei folgendes ans:
Fflr Sachsen ist der Kinderselbstmord von besonderem Interesse, weil
hier die Zahl der Kinder, die ihrem Leben selbst ein Ziel gesetzt haben,
Terh<nism&lsig hoch ist. Schon vor 70 Jahren hat Sachsen neben Däne-
mark eine hohe Zahl von Kinderselbstmorden aufzuweisen gehabt. Die
jihrliche Ziffer aber war bis znr Gegenwart im Anf- und Absteigen be-
griffen. Im Jahre 1900 kommt jedoch in Sachsen auf 100 Selbstmorde
bereits ein Kinderselbstmord und 1902 gar schon auf 42 ein solcher.
In der Bevölkerungsdichte darf man den Grund der Zunahme nicht
suchen, da das noch stftrker bevölkerte Belgien Kinderselbstmorde ttber-
hanpt nicht aufweist.
Nadi SiEGEBT sind an den Kinderselbstmorden die Knaben mit
68%, die Mftdchen nur mit 32% beteiligt. Doch stellen sich hier die
YerhSltnisse zu den verschiedenen Zeiten auch verschieden. Das 11. bis
13. Lebensjahr zeigt im allgemeinen den Höhepunkt, unter den Monaten
des Jahres hat der Dezember die niedrigste Ziffer, der März, als die Zeit
der Schulprflfnngen, die höchste. Dabei entstammen die Selbstmörder den
höheren Schulen in größerem Prozentsatze als der Volksschule. Bezüglich
der gewählten Todesart ist Erhängen an erster Stelle zu konstatieren.
Dann folgt Ertränken. Aulserdem kommen noch Vergiften, Fenstersturz,
Über&hrenlassen, Erschieben und dergleichen in Betracht, unter den
Knaben wird meist das Erhängen gewählt, unter den Mädchen das Er-
trinken. Im aUgemeinen erwiesen sich als Ursache der Selbstmorde
Geistesgestörtheit, körperliche Krankheit, häuslicher Kummer,
Fnreht vor Strafe, aberreizter Ehrgeiz u. dgl.
Selbsmord infolge Geistesgestörtheit steht bei weitem obenan, ja diese
ist fast überall mit in Betracht zu ziehen. Neigung zur Melancholie und
erbliche Belastung aber wirken dabei vor allem bestimmend. Zur Ver-
bfltong der Kinderselbstmorde könnten Schule und Haus beitragen. Das
letztere trifft die bei weitem grölste Verantwortung. Lehrer und Erzieher
baben sich möglichster Individualisierung zu befleiüsigen; sie haben Mab
ZQ halten in der Bestrafung und Strafandrohung und sich vor allem über
die Verhältnisse zu unterrichten, in welchen das Kind steht.
Die Zunahme der Kinderselbstmorde von 1900 — 1902 ist geradezu
erschreckend. Der Umstand, daTs die Selbstmorde zurzeit der Schul-
prflfnngen am höchsten sind, labt erkennen, dafs die Mehrheit dieser
Kinderselbstmorde auf gewisse Schulzustände zurückzuführen
Bind. Die bedeutende Zunahme der Kinderselbstmorde jedoch in den
86
letzten Jahren deutet darauf hin, dafs diese nicht allein durch Mftngel
im Schulwesen verschuldet werden, sondern dafs dabei auch andere soziale
Erscheinungen mitwirken.
Kommvnale Kinderfftrsorge in EaglaBd. In den englischen
Kommunalschulen geniefsen die Kinder — gleichviel, ob ihre Eltern be-
mittelt sind oder nicht — Lehr- und Lernmittel auf Kosten der Gemeinde.
Nun hat, wie die „Koin, Brcms^ (Nr. 24) mitteilt, der Londoner Graf-
schaltsrat (die Gemeindebehörde Grofe-Londons) einen Plan gutgeheißen und
seiner Schulkommission zur Ausarbeitung überwiesen, wonach die städti-
schen Strafsenbahnen den Schulklassen unter Begleitung ihrer
Lehrer fflr alle Exkursionen in die Parks, Museen und be-
liebten Punkte der Umgebung kostenlos zur Yerfflgung ge-
stellt werden. In London halten nftmlich die Lehrer allwöchentlich
mit ihren Schulen Ausflüge ab nach Museen, nach dem Tower, der Stern-
warte, den grolsen städtischen Anlagen, sowie den Erholungsstätten, und
die daran sich knüpfenden belehrenden Vorträge kamen bisher nur den-
jenigen Schülern zugute, welche die bei den grolsen Entfernungen meist
nicht unbeträchtlichen Fahrpreise bezahlen konnten. Damit nun alle
Kinder an diesen nützlichen Unterrichtsexkursionen teilnehmen können,
soUen die Fahrten auf den städtischen Stralsenbahnen frei sein und auch
noch mit den in den Händen von PrivatgeseUschaften befindlichen Strecken
Abkommen getroffen werden, um auf Kosten der Gemeinde auch hier fi:«ie
Fahrt für die Schüler zu erlangen.
Die Bedevtnng der fiLspiratieBalnft als ein Faktor flr die
ÜbertragiiBS yon KrankheitesteiTeo in geschlosseiieii BtnmeB wird
nach einer Schilderung des y^Lancet*^ (17. Septbr. 1904), durch folgende
merkwürdige Beobachtung handgreiflich bewiesen. Ein in der Büder-
galerie zu South-Kensington, London, befindliches Gemälde war von einer
solchen Komik, daiis viele der Besucher davor in grolse Heiterkeit ge-
rieten. Nachdem das Bild zwei bis drei Jahre ausgestellt gewesen war,
bemerkte man eine eigentümliche Veränderung der Oberflftche. Bei ge-
nauerer Untersuchung zeigte es sich, dab in grötserer Ausdehnung eine
ziemlich erhebliche Schicht von angetrocknetem Speichel sich gebildet
hatte, die Folge von unzähligen, beim Lachen hervorgeschleuderten mini-
malen Speicheltröpfchen. Es gelang, die fremden Massen zu entfernen,
und seitdem gewährt eine Glasscheibe den nötigen Schutz für das Bild.
(Dr. med. PHiLiPPi-Bad Salzschlirf.)
Über Albaminarie bei Seknlklndem in LondoB brachte F. May
DiCEiNSON Bbbby im „Brit. med, Joum.^ (21. Mai 1904) folgende Mit-
teilung: Bei 151 von 1580 untersuchten Schnhnädchen fand sich Albu-
minurie, die in der Mehrzahl der Fülle monate- und selbst jahrelang an-
hielt. Die Ananmese ergab in keinem Falle Anhaltspunkte dafür, dafe
eine Nephritis vorausgegangen wäre. Die Kinder machten alle einen ge-
sunden Eindruck, und, soweit sie beobachtet werden konnten, trat niemals
eine Verschlimmerung auf, viehnehr wurde die EiweÜsausscheidung all-
mählich geringer. Verfasser hält daher diese Albuminurie nicht für ein
Vorstadium von Nephritis, sondern für eine funktionelle Erscheinung.
(Dr. med. GÖTz-Mflnchen.)
87
fiber die Mundpflege bei KiBden sprach Spokbb in der 72. Jahres-
▼ersaminhmg der British Medical Associatioii za Oxford (26. bis 29. Juli
1904). Er hat unter 10000 Schnlkindem im Alter von ungefähr zwölf
Jahren nor 16% mit gesunden Zähnen gefunden and verlangt die An-
steDong yon Zahnärzten, die alle Schulkinder drei bis viermal jährlich
EBterBuchen und die vorhandenen Zahnkrankheiten behandeln mflssen.
{^MünOi. med. Wcdtmsdur., 1904, Nr. 37.) (Dr. med. GÖTZ-Mflnchen.)
Zur Nervesittt bei Schulen kSkerer Lehranstalten macht ein
Arzt in der „Köln, Volksetg^ u. a. folgende, sehr zu beherzigende Be-
merkungen:
Die Hauptursache der Nervosität bei Kindern ist die Disposition, die
erbliche Veranlagung. Deshalb findet sich Nervosität auch beim Kinde des
Arbeiters und des Landmannes. Aber die Schttler höherer Lehranstalten
sind infolge der erhöhten geistigen Anstrengungen mehr gefährdet. Sind
diese einmal nervös beanlagt, dann rächen sich hier Fehler in der Hygiene
und der Erziehung viel frOhzeitiger und intensiver.
Jedes Kind ist mehr oder weniger Gemfitsmensch. Nun stelle man
sich den Gemütszustand eines schwächlichen, Schwachbegabten Kindes vor,
das in der Schule niemals Lob erntet, zu Hause stets die bittersten Vor-
wtrfe, die ungemütlichsten Szenen erlebt. Man gönne doch auch solchen
Kindern die Sonne elterlicher Liebe, ein warmes Mitempfinden mit den
kindlichen Schfilersorgen. Man wird dann auch die Freude erleben, dals
solche Kinder oft in späteren Jahren mit der £rstarkung ihres Körpers
ganz andere geistige Fähigkeiten entfalten und recht brauchbare Menschen
werden.
Fortgesetzte Erregung und Depression des äufserst
labilen kindlichen Oemfites, hervorgerufen durch eine falsche,
ich möchte sagen nervöse Erziehung, ist eine der Haupt-
arsachen des Ausbruchs nervöser Störungen bei einem nerven-
schwach veranlagten Schüler. Die nervöse Erziehung ist charakte-
risiert durch ihre Grundsatzlosigkeit. Jetzt übermäfsige Strenge, dann
Verhätschelung, bald ein Übersehen schwerer Fehler, bald ein hartes
Bestrafen kleiner Nachlässigkeiten, der Glut lieifser Liebkosung folgt Sturm
und Blitz in scheltenden Worten. Selbst nervös, sind solche Eltern zu
einer ruhigen, charakterfesten Erziehung ihrer Kinder nicht befähigt.
Eine weitere Ursache der Nervosität im Kindesalter gibt es, die ich hier
trotz ihrer grofsen Wichtigkeit nur kurz andeuten kann. Ich meine gewisse
gewohnheitsmäbige Verirrungen. Möchten sich doch alle Eltern von zu
grolser Voreingenommenheit in bezug auf ihre Kinder in diesem Punkte
freimachen. Viele Eltern würden sich durch sorgsame Wachsamkeit und
taktvolles Eingreifen bei manchem Kinde, das oft unwissend und getrieben
durch seine nervöse Disposition sich hier sein Nervengrab gräbt, in späteren
Jahren Dank sichern.
Ich möchte noch auf eine etwas entfernter liegende Ursache der
Schfllemervosität hinweisen, die in Ärztekreisen jetzt in ihrer ganzen Be-
deutung gewürdigt wird, in Laienkreisen jedoch noch wenig bekannt sein
mag. Das sind fehlerhaft gebaute Augen. Bei den sogenannten Re-
fraktionsanomalien des Auges, der Kurzsichtigkeit, der Übersichtigkeit und
88
dem AstigmatiBmas werden (Oenftaeres kann ich hier nicht gehen) beim
Nahesehen, wozn gerade der SchtQer dorch Lesen and Schreiben danemd
yerorteiit ist, die Angenmnskeln, namentlich die an der Innenseite des
Augapfels liegenden, wenn keine Korrektion der Anomalie durch ein Glas
eingetreten ist, leicht überangestrengt, technisch ausgiBdrflckt, insuffizieni.
Als Folge dieser Insuffizienz der genannten Augenmuskeln treten die
mannigfachsten nervösen Störungen auf. Die betreffenden Schüler klagen
über Stimkopfschmerz, stechenden Schmerz in den Schl&fen, Yerstimmt-
heit, Schwindelgefühl. Anhaltende Naharbeit ist ihnen in den Abend-
stunden unmöglich. Daraus ergibt sich für die Eltern die Pflicht, bei
etwaigen nervösen Störungen der Kinder auch an die Augen als Ursache
zu denken und sie untersuchen zu lassen.
Das Zeichen eines gesunden Nervensystems ist der ruhige, tiefe, un-
unterbrochene Schlaf. Man hat den Schlaf das Barometer des Nerreo-
systems genannt. Ist der Schlaf des Schülers unruhig, oft unterbrochen,
erwacht er mit schwerem, eingenommenem Kopfe, ist er morgens müder
wie abends, dann hat sein Nervensystem gelitten. Hier ist es dann die
oft schwere, aber auch dankbare und segenbringende Aufgabe des Arztes,
zu helfen und zu heilen.
Die Alkokolfirage im Kindesalter. Hierüber hielt, wie der „J^und*'
mitteilt, Lehrer Fsaughigeb im schulhygienischen Verein der
Stadt Bern einen Vortrag, dem wir folgende Stelle entnehmen: „Wenn
unsere Volksschule ein Werk tun will, von dem man nach hundert Jahren
mit Bewunderung sprechen wird, so erziehe sie in den nächsten zwei
Jahrzehnten ein überzeugt alkoholgegnerisches Geschlecht. An vielen Orten
ist man in der Lage, eigene Klassen für Schwachbegabte und Anstalten
für Schwachsinnige einzurichten. Die Untersuchung einiger berühmter Pro-
fessoren lassen uns darüber keinen Zweifel und eröffnen uns einen Blick
auf jene unheilvollste aller Alkoholwirkungen, n&mlich die Herbeiführung
von Schwachsinn oder sogar Idiotie eines Menschen durch die Alkohol-
vergiftung seiner Eltern. Wenn sich die Lehrerschaft selbst nach der
Herkunft dieser Kinder erkundigt, wenn sie von Zeit zu Zeit, namentlich
an einem Montag, in den Klassen ermittelte, welchen Kindern tags zuvor
alkoholische Getrünke verabreicht vmrden, so wird sie selbst in BAlde er-
kennen, dals der Kampf gegen den Alkohol und die Abstinenz eine eigent-
liche Notwehr der Schule und ihrer Lehrer ist, gegen den Feind, der die
Leistungsfähigkeit der jetzigen Jugend herabsetzt, der den £rfolg der Er-
Zieherarbeit in Frage steUt und der der Schule ein immer minderwertigeres
Schülermaterial zuführen wird." Der Referent befürwortet deshalb den anti-
alkoholischen Unterricht an den Schulen.
Ober die Gesnndheitsaohädifninsra in Mittelschnlen und die
Aufgaben der Schulkommission in München sprach Dr. Strassmann
im Ärztlichen Verein München („Münch, med. Wochenschr." , 1904, Nr. 32).
Nach der Ansicht des Vortragenden soll die vom ärztlichen Verein München
ins Leben gerufene Schulkommission dazu beitragen, die Schulschftden
aufzudecken und ihnen abzuhelfen. Die bisherigen Untersuchungen zeigten,
dals 40% der Schüler abnorme Gehörorgane haben, sowie dafis Myopie,
nervöse Zustände und die sogenannte „chronische Kränklichkeit*' sehr
89
liinfig seien. — In der Diskossion sprach sich DösNBEBaBB fOr Be-
sehrinkong der Lehrpensa, der Hansanfgaben usw. ans. Arbeitsfreie Sonn-
tage, sowie reichliche Tnmspiele sind zn fordern. Tbuhp sprach fftr yer-
mehrte ftrzüiche Schnlanfsicht, Settz fftr einheitliche Regelung der An-
zeigepflicht bei Infektionskrankheiten. Ranke und Spatz beffirworteten,
den Sommemnterricht anf täglich einige Stunden zusammenzudrängen.
Die Stottererknrse fBr Scknlkindery die voriges Jahr in Stuttgart
eingeftihrt worden sind, haben nach der „Komm, Praxis*^ (Nr. 24) ein
durchweg befriedigendes Resultat ergeben. Doch hat sich die Notwendigkeit
herausgestellt, zur Festhaltung des Erreichten wenigstens bei einem Teil
der unterrichteten Kinder eine Wiederholung des Unterrichts eintreten zu
lassen. Es sind hierzu von den 69 voij&hrigen Teilnehmern 31 ange-
meldet worden. Sie sollen in zusammen 15 Wochen k 4 Stunden den
zur Beseitigung ihres Sprachfehlers notwendigen Unterricht erhalten. Der
Unterricht ist unentgeltlich und wird der entstehende Aufwand durch die
Stadt getragen.
Über die Beziehugen des Sehorgans zum jn^endlichen Schwach-
sniB YeröffentKcht Dr. GELPKE-Karlsmhe in der „Sammig. Bwangl. Äbhdlg.
o. d. Chb. d. Augenheilkde.*^ (VI. Bd. H. 1) anregende Bemerkungen. Er
weist u. a. darauf hin, dab die Bolle, welche, bei der mangelhaften Ent-
wicklung des Gehirns, die teils angeborene, teils in den ersten Lebensjahren
erworbenen Störungen der Sinnesorgane spielen. Da nach Krafft-Ebino
Stmnpfeinn des Grehims ohne Stumpfheit der Sinnesorgane nicht gut denkbar
ist, so soUte man schon theoretisch erwarten, dafs wir beim Schwachsinn
yerUltnism&lsig oft Störungen der Sinnesorgane zu beobachten Gelegenheit
haben. Zur Entwicklung unseres intellektuellen Lebens gehört eben nicht
aDein die Unversehrtheit der Ganglienzellen der Großhirnrinde, sondern
anch die Intaktheit der Sinnesorgane, welche die änfseren Sinnesreize den
Ganglienzellen zuführen und diese derart wiederholt in Erregung versetzen
mUssen, dafs ein dauerndes Erinnerungsbild in der Gehirnrinde entstehen
kano. Ist die Gehirnrinde anatomisch noch so normal angelegt und das
Sinnesorgan stumpf, so kann ebensowenig eine normale Gteistestätigkeit er-
wartet werden, als wenn die Sinnesorgane intakt und die Gehirnrinde nicht
entsprechend perzeptionsf&hig ist. Mit beiden Eventualitäten müssen wir
beim Schwachsinn rechnen.
Es ist daher unsere erste Pflicht, unsere ganz besondere Aufmerksamkeit
der Beschaffenheit der Sinnesorgane bei diesen Kindern zuzuwenden. Dies
ist bis jetzt so gut wie nicht geschehen. Wo Gelpke auch Umschau und
Nachfrage hielt, nirgends erhielt er befriedigende und ausAlhrliche Mit-
teilangen tlber Verftnderungen der Sinnesorgane bei psychisch minderwertigen
Kindern. Dies gilt hauptsächlich bezüglich der in erster Linie in Betracht
kommenden Sinnesorgane, des Seh- und Gehörorganes. Bei der gro(sen
Wichtigkeit dieser Frage falste daher Gelpke den Entschlnls, eine gröfeere
Zahl psychisch minderwertiger Kinder (578) nach allen Richtungen hin,
sowohl auf die körperliche Yeriassung im allgemeinen, als auch Verände-
rungen des Sehorganes, gründlich zu untersuchen, — eine sicherlich nicht
leichte und beneidenswerte Aufgabe. Um in Zahlen ausdrückbare Resul-
tate zu erhalten, scheidet er sie in Schwachbegabte (385), Schwachsinnige
90
(125), und Idioten (70). — Verfasser kommt auf Grand seiner ebenso
omfangreichen und eingehenden wie scharMnnigen nnd folgerichtiij^n unter-
snchnngen und Forschungen zu höchst überraschenden nnd bemerkenswerten
Resultaten, die zum Teil sehr weitgehende, jedoch voll berechtigte hygienisch-
prophylaktische und therapeutische Maßnahmen erheischen.
Es ergab sich u. a. die eigentflmliche Tatsache, dafs die Idioten be-
zflglich der Augen am wenigsten geschädigt waren: die eigentlichen Am-
blyopen, d. h. diejenigen weder übersichtigen noch kurzsichtigen Augen,
deren Sehschärfe keine normale war und auch durch optische Mittel nicht
korrigiert werden konnte, waren bei den Schwachbegabten mit 21 %, bei
den Schwachsinnigen mit 16,6 %, bei den Idioten mit 8,6 7^ vertreten.
Schielen dagegen bestand bei den Schwachbegabten in 4,5 Vo, bei den
Schwachsinnigen in 12,6 %, bei den Idioten in 12,8 7o der Fälle. MiCs-
bildungen wurden am häufigsten bei den Idioten gefunden, nämlich in
32,8 %, bei den Schwachbegabten nur in 5,6 %. Störungen des Farben-
sinns lagen auberordentlich häufig vor: ein völlig normaler Farbensinn liefs
sich bei den Schwachbegabten nur in 44,5%, bei den Schwachsinnigen
sogar nur in 60,8 % ^^^ FSAle feststellen.
Der Kindergpielplats am KSUbraod in Hamburg. Derselbe be-
findet sich, wie wir den ^Hamh. Nachr. '^ entnehmen, seit vorigem Jahre
unter einer durch den Bflrgerverein, Sektion St. Pauli, eingesetzten selb-
ständigen Verwaltung, welche mit grofter Mühe umfangreiche Veränderungen,
Verbesserungen mit Bezug auf Anlage und Betrieb des Platzes vorgenommen
hat (Vergröfsemng des Platzes selbst und der Schutzhalle, die wenigstens
2000 Personen bei plötzlichen Niederschlägen Unterkunft gibt ; genttgende
Wasserleitung, Umbau des Abortsystems usw.). Da fttr diese kostspieligen
Anlagen die Geldmittel der VerwflJtung nicht hinreichend waren, bewilligte
der Bflrger-Ansschuis eine entsprechende Summe. Auch Privatkreise und
Vereine wetteiferten darin, ihr Interesse an dem Unternehmen zu bekunden.
Die Beförderungsgelegenheit (Fährdampfer) wurde verbessert und verbilligt
An schulfreien Tagen steht der Platz den Kindern von 10 Uhr vormittags
bis 7 Uhr nachmittags zur Verfügung, fflr die Schultage ist die Besuchs-
zeit auf 2 — 7 Uhr nachmittags festgesetzt. An diesen Tagen erfreut sich
der Platz häufig des geschlossenen Besuchs der Schulanstalten, entweder
als Ausflugsziel oder zum Zwecke des heimatlichen Unterrichts.
Die Kinderwelt tummelt sich auf dem Platz vollkommen frei und un-
gebunden. Keine verschärfte Schulordnung, kein geschlossenes Spazieren-
fähren auf dem weiten Gebiet hat dort Eingang gefunden. Ältere Knaben
und Mädchen, auf die man sich verlassen kann, bieten, zu Aufsehern er-
nannt, dem aufsichtführenden Organ eine wichtige Unterstützung.
Der Höhepunkt der letztjährigen Tätigkeit war während der Ferien
zu verzeichnen. £in groüser Teil der verfügbaren Geldmittel war fllr
Ferienzwecke bestimmt. Er sollte dergestalt sachgemäTse Verwendung finden,
dals die Kinder, die bei den Ferienkolonien keine Berücksichtigung fanden,
während der ftnfwöchentlichen Ferien eine Heimstatt finden sollten.
Während im verflossenen Jahre 351 Kinder Erholung suchten und fanden,
hofft die Verwaltung, zukünftig 1000 Kolonisten aufnehmen zu können;
an&er täglicher freier Hin- und Rückfahrt wurde den Kindern Brot und
91
Mflcb gereicht. Beanfsiditigt durch einen gröberen Kreis ehrenamtlicher
Damen and einen beamteten Herrn, die mit der ganzen idealen Hingabe
eines guten Herzens ihrer Tätigkeit oblagen, entwickelte sich ein schöner
harmonischer Verkehr der Ferienkolonisten untereinander und mit den
Ao^chtfbhrenden. Die Ferien 1904 werden fftr die Kinder, die anter
so liebenswürdiger Leitung ihre Ferien verleben durften, gewiCs ein wert*
?olles Erinnerungsblatt bleiben.
Über die LHngen-Drügen-THberknloae in den Pariaer Sehnlen
beriditete Gbangheb in der Pariser Acad^mie de m^decine. Er hat mit
einer Reihe von Mitarbeitern 896 Kinder, die zwei Pariser Gemeinde-
sdiulen besuchen, untersucht und bei 14 Vo der Knaben und 17% der
Mftdchen sichere Zeichen yon Tuberkulose, sei es der Hals- oder der
Bronchialdrflsen, gefunden. Im ganzen waren von den 89(> Kindern 141
im Zustand einer latenten Tuberkulose; die Hälfte dieser Kranken waren
Nachkommen tuberkuloser Eltern. Die Gesamtzahl aller latent tuberkulösen
Schulkinder ist nach dem Ergebnis dieser Untersuchung eine enorm hohe,
and die meisten von ihnen werden, wenn nicht frühzeitig und energisch
eingegriffen wird, zu Phthisikem werden. Es ist demzufolge notwendig,
da& alle Schulkinder einer genauen ärztlichen Untersuchung unterzogen
werden, damit die Tuberkulose im Anfangsstadium erkannt und bekämpft
werden kann. Mit einem Versuch der diätetischen Behandlung hat Gbancheb
gute Resultate erzielt; er liefs nämlich in den beiden Schulen den kranken
Kindern täglich Fleischpulver und Lebertran verabreichen. Diese Praxis
sollte an allen Schulen eingehalten werden ; viel besser allerdings wäre es,
filr die gefährdeten Kinder Landschulen zu errichten, wo sie sich rasch
erholen würden. (^Münck. med. Wochenschr.*' 1904. Nr. 32.)
Ergebnigge der irztliehen UntersHehuDg toh Sehulrekrnten in
4er Sehweic. Wie wir der ^Zeitsckr. f, sckwm. SiaiiifUk'' (I. 1905)
entnehmen, hat die ärztliche Untersuchung der 1903 ins schulpflichtige
Alter gelangten Kinder in 18 Schweizerkantonen ergeben, dafs von 57 705
aeueintretenden Schülern 5982= 10,4% als mit irgendwelchen Gebrechen
behaftet sich erwiesen. Mit geistigen Gebrechen behaftet und schwach-
sinnig waren 760= 13% (blödsinnig 20, in geringerem Grade schwach-
sinnig 570, in höherem Grade schwachsinnig 170); mit körperlichen
Gebrechen behaftet waren 5198=: 9,0% (Gehörorganfehler 666, Sprach-
organfehler 757, Sehorganfehler 2353, Nervenkrankheiten 41, andere
Krankheiten 1381); sittlich verwahrlost waren 24 Kinder. In
Spezialklassen sollten 164 Kinder versorgt werden, in Spezialanstalten
132 Kinder; fär ein Jahr von der Schule ausgeschlossen wurden 406
= 0,4 % der untersuchten Kinder.
92
9ia%ts^tfi^i^Ü\^tt.
Ein FfirgorgeyereiB fBr zur Sehnle gehende^Kinder wurde un-
längst in Amsterdam gegrttndet. Derselbe bezweckt, £ltem, die selbst
nicht imstande sind, flär ihre Kinder genügend zu sorgen, in der Er-
ziehung derselben beizustehen. Um nicht ins Familienleben eingreifen zu
müssen, spendet der Verein seine Hilfe nur an solche Kinder, a) deren
Mutter gestorben und deren Vater nicht imstande ist, genügend ihre Er-
ziehung zu überwachen; b) deren Mutter ihre Arbeit anfserhalb des Hauses
suchen mufs, weil der Vater entweder gestorben ist oder sie verlassen hat,
oder an einer chronischen Krankheit leidet.
Der Verein yersucht zu seinem Ziel zu gelangen einmal durch Grün-
dung von Jugendhorten, in denen au&erhalb der Schulstunden für das
körperliche sowohl wie für das geistige und sittliche V^Tohl der Kinder
gesorgt wird, und sodann dadurch, dafs man dem Kinde nach dem Aus-
tritt aus der Schule behilflich ist, eine passende Stelle zu erhalten,
und dais man über sein weiteres Leben wacht.
Die Jugendhorte sollen häuslich und zugleich'' hygienisch eingerichtet
werden; sie werden nur für je zwölf Kinder eingeriditet mit den nötigen
Spiel- und Unterrichtsräumen. Die Erziehung der Kinder soll streng
individuell sein. Knaben und Mädchen werden ganz nach derselben Art
und zusammen erzogen werden. Man wird versuchen, dem Familienleben
soviel wie möglich nahe zu kommen; so zum Beispiel sollen die älteren
Zöglinge für die jüngeren sorgen; kleine Dienstleistungen in Küche und
anderen Räumen werden durch die Kinder besorgt.
Mitglied des Vereins kann jede Person werden, die jährlich einen
bestimmten Beitrag bezahlt.
An der Spitze jedes Hortes befindet sich eine Vorsteherin, welche
die Leitung in ihren Händen hat und dem Komitee des Vereins verant-
wortlich ist. Ihre Tätigkeit ist durch ein vom Komitee festgesetztes
Reglement umschrieben, immerhin in der Meinung, dafs ihr praktisch die
möglichst grölste Freiheit gelassen werde.
Übrigens besteht seit mehr als einem Jahre schon ein derartiger
Jugendhort unter der Leitung eines Fräulein Boddaebt, die sich dieser
Tätigkeit gänzlich widmet: Gegen Bezahlung einer ganz kleinen Summe
(eine Mafsregel, die eingeführt wurde, um die Kinder der Eltempflege
nicht ganz zu entziehen, insofern letztere diese Pflege leisten können)
finden die Kinder dort Nahrung und körperliche Pflege, aber besonders das,
was ihnen am meisten not tut: Erziehung und Liebe. Sinn für Ordnung
und Reinlichkeit, sowie für gegenseitige Dienstfertigkeit werden dort ge-
pflegt und allmählich auch nach dem eigentlichen Heim der Kinder, wo-
hin sie täglich zurückkehren, wenn Vater oder Mutter die Sorge fOr sie
übernehmen können, verpflanzt. Es sind nur 24 Kinder, welche diese
93
Emrichtoiig benntzen können, weil man alles berdenm&Gsige g&nzlich ans-
schlieiseB, das Institat der gemflilichen Seite des Familienlebens soviel
wie möglich nfthem wiU. Dieser Jngendbort wird vom nenen Verein in
die Zahl seiner Xlntemehmongen aufgenommen; sein greiser Erfolg hat
anch den Anstols znr Stiftung des Vereins gegeben.
(Dr. med. MouTON-Haag.)
Finorf^e fBr die Zihne der Sehnlkinder in Darmstadt. Wie
wir der y^ZähhärgiUehm Bundschau'' entnehmen, hat der Magistrat von
Barmstadt, dem Wunsche der vereinigten dortigen Schularzte willfahrend,
die folgende Ermahnung drucken lassen:
An die Eltern der Schttler!
1. Die Eltern werden eindringlichst ermahnt, bei ihren Kindern auf
eine sorgftltige und regelmäßige tägliche Zahnpflege zu achten.
2. Schlechte und fehlende Zähne sind oft die Ursachen von schweren
Magen- und Verdauungsstörungen.
3. Die Höhlungen fauler Zähne bergen zahllose Fäulniskeime, nicht
sdten auch die Pilzkeime der Diphtherie und Tuberkulose.
4. Täglich mindestens einmaJ, am besten aber morgens und abends,
soDen die Kinder mit Zahnbürste und etwas Wasser die Zähne wenigstens
eine Minute lang putzen und nicht nur die Vorderseite, sondern auch die
Bfldiseite und Kaufläche der Zähne. Zweckmäßig kann auch etwas Zahn-
pulver (geschlemmte Kreide oder sogen. Pfefferminz -Zahnpulver) auf die
Bürste genommen werden. Jedes Kind in der Familie mufs seine eigene
Bfinte haben.
5. Kranke Zähne sind möglichst beim Beginn der Erkrankung von
einem Zahnarzt behandeln zu lassen, da nur bei frühzeitiger Behandlung
Aussicht vorhanden ist, den kranken Zahn zu erhalten.
6. Jeder Zahn, der ausgezogen werden mufs, bedeutet einen Verlust
an Gesundheit.
Über die TrenDiiDg der Sehfiler naeh Leistungen sprachen un-
längst im Dresdener Lehrerverein die Lehrer Ulbricht und Hansel.
Nach einer Mitteilung des ^Dresd. Äfueiger"' fafste Ulbbicht die Ergeb-
nisse seiner Untersuchungen in folgende Anträge zusammen, die vom Verein
angenommen wurden: 1. Die Abteilung für Schulgesundheitspflege
beantragt bei dem Pädagogischen Verein (Dresdner Lehrerverein), dafs
dieser dahin wirke, dals in einer Schulgruppe der Versuch gemacht werde,
innerhalb der bestehenden Organisation die schwächsten Schüler allmählich
m besondere Klassen zusammenzuziehen. 2. Zur Verminderung der Nach-
teile, die sich aus der verschiedenen Leistungstähigkeit der Normal- und
der Sehwächstbeföhigten ergeben, ist schon jezt zu verlangen, dals a) von
dem Rechte, Kinder zurückzuweisen, welche sich zu schwach für die An-
forderungen der Schule zeigen, mehr Gebrauch gemacht werde als bisher;
b) die Klassen mindestens zwei Jahre von demselben Klassenlehrer geführt
werden; e) Kinder, die in die Nachhilfeschule gehören, in jedem Falle
dort nntergebracht werden; d) Nachhilfestunden in die Hand der Klassen-
lehrer zu legen sind; e) diejenigen Kinder, welche die erste Klasse nicht
erreichen, zu besonderen Abschlulsklassen, deren Schülerhöchstzahl dreifsig
beträgt, vereinigt werden. Hansbl erläuterte die SiCEiNaEBsche Schul-
94
reform in Mannheim. Sein Antrag: „Der Pädagogische Verein (Dresdner
Lehrerverein) anerkennt ans pädagogisch-hygienischen GrOnden die Richtig-
keit des Prinzips, welches der SiCKiNGBBschen Schulreform in Mannheim
zngmnde liegt^, fand ebenfalls Annahme durch den Verein.
Ein grofger Schnlspielplats im Oruewald, in der Nahe von
Roseneck, wird, wie die Tagesbl&tter melden, yoranssichtlich noch im be-
Yorstehenden Sommer angelegt werden. Anf Anregung der Gemeinde-
verwaltung von V^Tilmersdorf haben sich die Direktoren der höheren Lehr-
anstalten und die Rektoren der Gemeindeschulen mit dem Forstfiskus w^en
Abtretung des erforderlichen Gel&ndes in Verbindung gesetzt; die Unter-
handlungen sind dem Abschlüsse nahe. Dem Beispiele von Wilmersdorf
dürften andere westliche Vororte folgen.
YerweDdniif; staabfreier FnfsbodenSle in den atUtisehen SehnleA
YOA Gottbna, Die günstigen Erhhrungen, die man in letzter Zeit mit
der Verwendung von staublöschenden ölen in Fabrik- und Schulr&umen nsw.
gemacht hat, haben auch die Auftnerksamkeit der stadtischen Behörden in
Ck>ttbus erregt. Wie verlautet, wird baldigst in der Stadtverordnetenver-
sanuttlung eine Vorlage zur Beratung kommen, die eine solche Anwendung
von Stanböl in den städtischen Schulen vorsieht
Ein Solbad für arme Kinder soll, wie die Schweizer Zeitnngen
melden, in Rheinfelden eingerichtet werden. Es soll einen Auban des
Sanatoriums mit Veranda auf der ganzen Länge und einem eigenen Speise-
saal bilden. In erster Linie werden in diesem Kinderpavillon skrophulöse,
rachitische und tuberkulöse Kinder aufgenommen. Der Pensionspreis fib'
Patienten bis zu 15 Jahren ist 1,60 Francs.
Obligateriseher Sehwimmanterrieht an der Yelkssekiile. Nadi
einer Mitteilung der ^Frankfiitrter Zähmg*" soll in einer Ganversammlnng
des Gaues I der deutschen Schwimmerschaft beschlossen worden sein,
demnächst an den Kultusminister, die Landtagsabgeordneten und die Stadt-
verwaltungen eine Denkschrift zur Versendung zu bringen, in welcher
die Einführung des pflichtmäfeigen Schwimmunterrichts an den Volksschulen
beantragt wird.
Über dag Ergebnis der Irctliohen DntersHehug der Volkt-
MkHlkinder in Stuttgart wird amtlicherseits folgendes berichtet: »Der
Stadtarzt mit den erforderlichen Hilfsorganen hat im vergangenen Jahre
eine Untersuchung sämtlicher Volksschfller und Schfllerinnen ausgeführt
und über den Befund einen ausführlichen Bericht erstattet, der leider
eine wenig erfreuliche Vorstellung von dem Gesundheitsznstand der Jagend
der minderbemittelten Volksklassen wie anch von den sozialen Verhält-
nissen, von denen'! man eine Beeinflussung der Volksgesundheit annimmt^
gibt. Wenn zwei Drittel der Schüler als mit irgendeinem Gebrechen oder
Fehler behaftet, annähernd ein Fünftel als ungenügend ernährt, nur etwa
zwei Prozent im Besitze eines tadellosen Gebisses befunden wurden, oder
wenn ein Drittel sämtlicher Schulkinder in überfdUten Ränmen schlafen,
so sind das Verhältnisse, die ganz von selbst eme Stadtverwaltung vor
grofse Aufgaben stellen. Jener Bericht wird zunächst die Grundlage
für die Beratung der Schularztfrage, die demnächst zu lösen sein wird,
bilden.''
9&
StittiMbo HeOkvrM fBr Stotterer ift Hanneyer. Bei Gelegen-
Mt der ErOfiiiuig eines neuen derartigen Kurses macht der „JSofm. Cour.'^
■it Bedit Mgende Bemerkung: Wiederholt ist es vorgekommen, daTs^
Kinder jalirelang gewartet haben, ehe sie sich an einem Knrsns beteiligten.
Vor eine» soldlien Verschleppen des Übels ist aber nnr zn warnen. Ein-
■al ist es schwer, veraltete Übel zn beseitigen, znm andern ist die 6e-
fthr der Übertragung des Stotterflbels anf Geschwister, Mitschfller und
^»elkameraden sehr greis. So ist verschiedentlich nachgewiesen, dal»
zum Beginn eines Schuljahres in einer Klasse ein stotternder Schfller war,
wahrend gegen Ende des Jahres drei und vier Schfller mit dem Übel be-
haftet waren. Die Stadtschnlverwaltung hat daher seit einigen Jahren
mit bestem Erfolge Heilkurse für sprachgebrechliche Kinder, die noch im
▼orschulpflicfatigen Alter stehen, ins Leben gerufen. Zurzeit sind zwei
solcher Kurse im Betriebe. Auch die Eltern bringen den letzteren Heil-
knrsai ein ganz besonderes Interesse entgegen ; beseelt von dem Wunsche,
dals ihre Kinder wegen einer mangelhaften Sprache nicht gleich am Be-
ginn der Schulzeit einen minderwertigen Eindruck in der Klasse machen,
bleiben sie meistens wahrend der ganzen Übnngszeit bei den Kleinen, um
danadi auch im Hause die Übungen in der rechten Weise fortsetzen zu
können. Möchten das auch die Eltern der grOliseren Schfller, die wegm
ilnrer Sprachleiden mit den Heilkursen in Verbindung stehen, beherzigen,
dals besonders bei der Bek&mpfung der Sprachgebrechen unter der Schul-
jugend Haus und Schule stets Hand in Hand gehen mflssen.
Ober Schule «nd Schwimmiuterricht sprach unlängst Professor
KÜGHXNMEISTEK in einer vom Deutschen Verein fflr Volkshygiene in
Leipzig einberufenen Öffentlichen Versammlung. Wie wir den „Leipg.
Neuest, Nachr. "^ entnehmen, gedachte der Redner zunächst des Ursprungs
der Schwimmkunst, die der Mensch vom Hund und Frosch gelernt hat
und die aus einem Bedflrfnis des Lebens hervorgegangen ist. So finde
man, dafe das Schwimmen schon in der ältesten Vorzeit zu den wichtigsten
Leibesfibungen z&hlte. Griechen und ROmer legten grofsen Wert auf diese
Fertigkeit, die bei ihnen von beiden Geschlechtem geübt wurde. Auch
bei den Germanen war das Schwimmen sehr beliebt. Erst nach den
Kreuzzflgen ging die Lust am kalten Bade allmählich verloren, und es
entstanden Badestuben aller Art. Später wurde die Leibesübung des
Schwimmens an den Schulen sogar verboten. Bis zum Anfange des
18. Jahrhunderts standen selbst die Ärzte dem Schwimmen nicht freund-
lich gegenüber. Erst seitdem Basedow in Dessau das Schwimmen syste-
matisch pflegte, kam es wieder mehr in Aufnahme. 1798 erschien ein
Lehrbuch über die Schwimmkunst und 1817 grflndete General von Pfuhl
in Berlin eine Schwimmanstalt. 1842 wurde das Turnen und Schwimmen
amtlich als gute Leibesübung anerkannt und Mitte der achtziger Jahre
bezdchnete der preufsische Kultusminister von Gossleb das Schwimmen
als das Ideal der Leibesflbungen, die in der Schule gepflegt werden
sollen. In neuerer Zeit lenkte man das Augenmerk auf das sogenannte
Trockenschwimmen, das Schwimmen auf dem Lande, fflr das der Berliner
Schwimmlehrer Aüebbach bahnbrechend wirkte. Bei solchem Schwimm-
OBterricht auf dem Lande werden zunächst Freiübungen gemacht und
Sehalsresniidbeltspfleffe. XVIIL %
hierauf in hängender, wagerechter Lage die Schwimmübangen vorgenommen.
In Leipzig ist dieser Unterricht erst im Jahre 1902 ins Leben gerufen
worden. Von den Kindern, die diesen Unterricht besuchen, haben bis
jetzt etwa 70%, d. h. in drei Kursen 702 Kinder, schwimmen gelernt.
Aufserdem werden vom Schwimmverein Leipzig -West pro Jahr etwa
40 Knaben ausgebildet. Die von der Stadt Leipzig zur Förderung des
Schwimmunterrichts gewährten Beihilfen belaufen sich auf 1000 Mark.
Der Vortragende schilderte weiter die Verhältnisse in Frankfurt a. M.,
wo von der Stadt für Benutzung der Badeanstalten durch Kinder etwa
20000 Mark aufgewendet werden. Nach Ansicht des Redners müfste der
Schwimmunterricht in allen Schulen obligatorisch werden. Es sollten, wie
es bei der 31. Bezirksschule vorgesehen ist, in allen Schulen Bade-
einrichtungen mit Schwimmräumen angelegt und die Kinder, Knaben wie
Mädchen, im Schwimmen unterrichtet werden. Heute liege dieses Ziel noch
in weiter Ferne, vielleicht werde aber nach Vollendung der grofsen Bade-
anstalt oberhalb Leipzig-Gonnewitz und nach Fertigstellung der von privater
Seite geplanten Badeanstalt in Leipzig-Eutritzsch die Zeit kommen, in der
kein Kind die Schule verlasse, ohne schwimmen zu können.
2.mi\i^t Derfftsnttseit*
über Hausaufgaben in Volks- nnd Mittelschnlen.
Bekanntmachung der Direktion des Unterrichtswesens
des Kantons Bern (Schweiz).
Die bemische Schulsynode hat in ihrer Plenarversammlung vom 29. Ok-
tober abhin, betreffend die Hausaufgaben, die nachstehenden Thesen auf-
gestellt, die auch hierseitig als berechtigte begrafst werden. Einstweilen
werden sie den Schulkommissionen und der Lehrerschaft auf diesem Wege
bekannt gegeben und zur Beachtung anempfohlen, indem wir uns vor-
behalten, ihnen späterhin, im geeigneten Zeitpunkte, weitere Folge zu ver-
schaffen.
Art. 1. Im ersten Schuljahre dttrfen keine, im zweiten und dritten
Schuljahre dürfen keine schriftlichen Hausaufgaben gegeben werden.
Art. 2. In den oberen Schuljahren der Primarschule, in den Mittel-
schulen, sowie im Unterweisungsunterricht dürfen keine schriftlichen Haus-
aufgaben gegeben werden. Ausgenommen ist der Hausaufsatz in der Mutter-
sprache für die Schüler und Schülerinnen über dem schulpflichtigen Alter.
Art. 3. Wo das Fachsystem besteht, soll auf dem Wege der Ver-
ständigung unter der Lehrerschaft und durch Führung einer Kontrolle
(Aufgabenbuch) dafür gesorgt werden, dafs eine gleichmäfsige Verteilung
der Hausaufgaben auf die einzelnen Tage stattfindet.
97
Art. 4. Die für die Schale, sowie den Unterweisnngsunterricht be-
stmunten Hansaufgaben, namentlich das Memorieren nnd die Repititionen
in den einzelnen Fächern, sind gleichmftfsig auf das ganze Schaljahr zn
verteilen, und es soll das Mafe der Aufgaben gegen den SchloTs des Schul-
jahres nicht erhöht werden.
Hausaufgaben sind nur mit möglichster Beschränkung zuzulassen.
Es ist auf die sozialen Verhältnisse der Schüler gebflhrend Rücksicht
n nehmen.
Körperliche und geistige Gebrechen sind a]j3 Entschuldigungs- oder
Milderungsgrtknde zu berücksichtigen.
Art. ö. Nicht zulässig sind:
a) Das Anfertigen yon Handarbeiten und Zeichnungen als Hausaufgaben ;
b) das Aufgeben von &kultativen oder Fleilsaufgaben;
c) Hausaufgaben yom Vormittag auf den Nachmittag des gleichen Tages ;
d) Ferienaufgaben.
Über Sonn- und Feiertage dürfen keine Hansaufgaben erteilt werden.
{„8(^wei0. Bläit f. Schulgesundheitspfl.'', Nr. 1, 1905.)
Über Zahnpflege der Schulkinder.
Die Schulbehörden yon Langenthai (Kanton Bern) an die
Eltern und Pflegeeltern der Schulkinder.
Eine sorgfältige, yon frühester Jugend auf tagtäglich geübte Zahnpflege
bewahrt den Menschen nicht nur yor yielen Schmerzen und materiellem
Schaden, vor üblem Geruch aus dem Munde und häMicher Entstellung,
sondern ganz besonders auch vor schlechter Verdauung und den daraus
entstehenden yerschiedenartigsten Krankheiten des Magens und Darms,
wie auch anderer Organe.
Wie bedenklich schlimm es aber schon bei den Kindern um die 6e-
sondheit und Tauglichkeit der Zähne steht, hat z. B. eine im Winter
1903/04 unter der Schuljugend Langenthals yorgenommene gewissenhafte
zahnärztliche Untersuchung festgestellt.
Nicht nur die Unwissenheit und Nachlässigkeit der Kinder in betreff
der Zahnpflege tragen die Schuld an dem allgemein yerbreiteten Übel,
sondern in erster Linie die Kurzsichtigkeit und unyerzeihliche Gleichgültig-
keit weitaus der meisten Eltern und Pflegeeltern. Deshalb fühlen sich die
Behörden im Interesse des heranwachsenden Oeschlechts yerpflichtet, alles
aufzubieten, um den bisherigen Schlendrian wenigstens im Bereiche ihres
Schulbezirks erfolgreich zu bekämpfen. Sie werden die für eine zweck-
m&fsige Zahnpflege nötigen Materialien im greisen beschaffen und durch die
Lehrerschaft den Schülern zum Ankaufspreise, weniger bemittelten gratis
abgeben. Sie werden darum besorgt sein, da& den Kindern in der Schule
das richtige Verständnis für den Wert der Zahnpflege beigebracht und er-
bahen wird, rechnen dabei aber auf die energische Unterstützung durch
Eltern und Pflegeeltern.
Jedes Kind soll yerstehen lernen, dais es nicht nur dann als unreinlich
ZQ tadeln ist, wenn es sich nicht regelmäGng morgens und abends Gesicht,
6»
98
Hals und Hftnde wAscht, sondern ebenso sehr auch dann, wenn es ein ein-
ziges Mal die grOndliche Reinigung der Z&hne onterl&Ist. Jedes Kind soll
dahin gebracht werden, dafs es auf wohlgepflegte, gesonde Zfthne mehr
Wert legt als auf das allerschönste Eleidnngsstttck.
Die Mnnd- resp. Zahnreinignng soll nicht nur des Morgens Tor dem
Frflhstttck, sondern namentlich anch des Abends, unmittelbar vor dem
Schlafengdien, vorgenommen werden, damit ja nicht während der Nacht
allfftllige Speisereste sich im Munde zersetzen und die Zähne anätzen können.
Bei einer richtigen Zahnpflege kommt es nicht sowohl darauf an, dem
Munde durch Anwendung irgendeines der vielen öffentlich angepriesenen,
meist teuren Mundwasser einen angenehmen Geschmack zu verleihen, als
vielmehr auf eine grOndliche, mechanische Säuberung der Zähne und ihr^
Zwischenräume mittels der Zahnbürste. Als Reinigungsflflssigkeit gebraucht
man am zweckmäbigsten lauwarmes oder auch kaltes Salzwasser (auf ein
Trinkglas Wasser, welches vorher gekocht hat, eine Messerspitze voll Koch-
salz). Die Zahnbürste darf aber nicht nur ein paarmal leichthin über die
Zahnreihen hin- und herfahren, sondern durch senkrechtes, wagerechtes und
queres Bärsten ist gleichsam jeder einzelne Zahn au&en, oben, innen, vom
und hinten energisch in Behandlung zu nehmen. Hierauf folgt ein grOnd-
liches Ausspülen der ganzen Mundhöhle, womit gleich auch durch Gurgeln
eine Reinigung des Rachens verbunden werden soll; denn allzu gerne haften
hier, besonders an den schwammartigen Halsmandeln, schädliche Stoffe,
welche zu schweren Krankheiten führen können, wie Diphtheritis, Croup,
Scharlachdiphtheritis und dergleichen.
Die Zahnbürste ist nach jedem Gebrauche mit frischem Wasser aus-
zuwaschen, dann auszuschwingen und trocknen zu lassen.
Bei schadhaften, angesteckten Zähnen soll, wie bei jedem andoren
erkrankten Körperteil, tunlichst bald ärztliche resp. zahnärztliche Hilfe in
Anspruch genommen werden. Je früher dies geschieht, um so sicherer hüft
es, um so weniger schmerzt es und um so weniger kostet es!
Weit besser aber und leichter als das Behandeln kranker Zähne ist
das Verhüten ihrer Erkrankung. Hierfür ist allerdings nicht nur eine regel-
mäCsige Reinigung vonnöten, sondern ebenso sehr ein konsequentes Fem-
halten aller jener Einflüsse, welche den von Natur glatten und porzellan-
harten Zahnschmelz (Emailüberzug der Zahnkrone) verletzen und dadurch
den zahnzerfressenden und fäuhiiserregenden Bakterien Tür und Tor öffnen.
Namentlich zu vermeiden ist ein jäher Wechsel in der Temperatur der
Speisen und Getränke, wodurch im Zahnschmelz leicht feine Spältchen ent-
stehen. So soll ein Kind z. B. auf keinen FaU unmittelbar vor oder nach
heilser Suppe oder anderen heifsen Speisen kaltes Wasser trinken dürfen.
Überhaupt sollen die Nahrungsmittel nie heifs eingenommen werden.
Ferner muls den Kindern durch strengstes diesbezügliches Verbot jede
Möglichkeit genommen werden, den Zahnschmelz direkt mit harten Gegen-
ständen zu beschädigen, wie z. B. durch Aufknacken von Nüssen und Obst*
steinen, durch GenuTs von allerhand Zuckerzeug, oder gar durch Herum-
stochern zwischen den Zähnen mit Stahlfedern, Stecknadeln, Eisennägeln,
Messern, Gabeln und dergleichen. Als Zahnstocher sind nur solche aus
Holz oder Federkiel zu dulden.
99
Oft wird, und zwar mit Vorliebe yod deigenigen, welche sich Dicht
m einer regelmftfsigeii Zahnpflege aufraffen können, anf die Tatsache hin-
gewiesen, dafe gewisse Lente sich bis ins hohe Alter der besten Z&hne
erfreaen, ohne dieselben jemals gepntzt zu haben. Dies beweist nichts
gegen den Wert der Zahnpflege. Es gibt eben bevorzugte Menschenkinder,
welche überhaupt gegen die yerschiedensten Krankheiten immun (unempfilng-
lich) zu bleiben scheinen, selbst bei unvernünftigster Lebensweise. Durch
den Hinweis auf solche Ausnahmemenschen soll sich aber die GroCszahl der
gewöhnlichen Sterblichen nicht davon abhalten lassen, in einer rationellen
Gesundheitspflege Schutz gegen Erkrankung zu suchen.
Wir hegen die feste Zuversicht, dafs unsere Bestrebungen — von
Eltern und Pflegeeltern unserer Schulkinder andauernd unterstützt — die
kostbarsten Früchte zeitigen werden.
NB. Zahnbürsten werden den Schulkindern zweimal per Jahr ausgeteilt
werden, und zwar ca. 400 Kindern gratis, den übrigen ä 35 Cts. per Stück.
(„Schweiz. Bläit f. Schulgesundheitspfl^, Nr. 1, 1906.)
fiteratnr.
Besprechungen.
Habtmank und Wetgandt. Die hShere Schule und die Alkohol-
frage. Zwei Vorträge. Mäfsigkeits- Vorlag, Berlin, 1904. 60 S.
Mk. 0.40.
Diese Schrift bedeutet in der Literatur des „Deutschen Vereins gegen
den Milsbrauch geistiger Getränke*" einen anerkennenswerten Fortschritt.
Von der Macht der Tatsachen überwältigt und von der Erfolglosigkeit jedes
Kompromisses überzeugt, stellen beide Referenten die Forderung, dafs für
die Sdiüler der höheren Schulen als einzig wirksames Mittel gegen Alkohol-
vergiftung eine strenge Enthaltsamkeit anzustreben sei. Wenn Prof. Habt-
MANN vom pädagogischen Standpunkt aus sagt: „Der Schüler soll den
Eindruck erhalten, daCs es dem Lehrkörper heiliger Ernst ist mit der
Sache *", so merkt man bei der Lektüre seiner Ausführungen, dafs dies bei
ihm in der Tat der Fall ist. In warmen Worten empfiehlt er der höheren
Lehrerschaft gründliches Studium der Alkoholfirage. Auch das Elternhaus
mois mit den Ergebnissen der modernen Alkoholforschung vertraut gemacht
werden. Doch ftllt der Schule in diesem Kampfe gegen den Alkoholismus
eine fllhrende Stellung zu. Der Hauptinhalt ihrer gelegentlichen Belehrungen
laotet: „Alkohol ist in jeder Form, ob Branntwein, Bier oder Wein und
schon in verhältnismäßig sehr kleinen Mengen ein Gift für den mensch-
lichen Körper. *" Der Kampf gegen die den Studenten nachgeäfften Trink-
sitten unserer Mittelschüler mufs bei den jüngsten Jahrgängen einsetzen
und während der ganzen Mittelschulzeit durchgeführt werden. „Eine
100
rationelle Jugenderziehung ist ohne Enthaltsamkeit nicht mehr möglich.
Alkoholfreiheit der Jugend ist auch der Psyche notwendig, damit die
Willenskraft ungehindert wachse und ein freies und festes Anpacken der
Ideale sich vollziehe. ** Wichtig ist hierbei die vorbildliche Haltung der
gesamten Lehrerschaft. Die SchtÜer-AbstinentenTereine sind mit allen
Mitteln zu fördern.
Der zweite Referent zeichnet die gegenwärtige Situation treffend mit
den Worten: „An unseren höheren Schulen wird der AlkohoIgenuCs
m&fsigen Grades genehmigt und der AlkoholgenuCs unm&Cügen Grades
geübt.'' Seine Vorschläge zur Besserung gehen vom Standpunkt des
Mediziners aus. Zunächst schildert er die Eigenart des Pobertätsalters
der Mittelschttler und zeigt sodann, wie ungeheuer yerhilngnisvoU der
Alkohol gerade in diese eigenartige Entwicklung eingreift durch Schädigung
der Auffassnngskraft, des Gedächtnisses und der Energie, sowie durch An-
reiznng des Geschlechtslebens.
Dr. WEYGhANDT kommt zu der Folgerung: „Wer die Alkoholfrage
fOr Schüler höherer Lehranstalten unter dem Gesichtspunkt des Entwicklungs-
alters betrachtet, für den kann es keinen Kompromifs geben, sondern allein
der Verzicht auf den Alkohol wird das unumstöMiche Resultat bleiben.
Für die lernende, heranreifende Jugend ist jeder Alkoholgenufs ein Mifs-
brauch; darum fort mit ihm!" — Die anregende Schrift sei jedem höheren
Lehrer, der wirklich Erzieher sein will, aufs wärmste empfohlen.
W. WEiss-Zürich.
Zandbb, R,, Prof. Dr. Vom Nervensystem, seinem Bau und seiner
Bedeutung fBr Leib nnd Seele im gesunden und kranken Za-
Stande. Mit 27 Figuren im Text. Leipzig, B. G. Teubner, 1903.
151 S. Mk. 1.25.
Das kleine Büchlein gehört als 48. Bändchen in die Sammlung „Aus
Natur- und Geisteswelt **. Es beruht auf Vorträgen über den Bau, die
Leistnngen, die Krankheiten und die Hygiene des Nervensystems, welche
Yon Prof. Zanbeb in Königsberg yor Damen und Herren gehalten wurden.
Wer selbst einmal derartige Vorträge gehalten hat, weils, wie schwierig
es ist, besonders das Kapitel über die Anatomie und Physiologie der Nerven
Laien ohne genügende Vorbildung klar und interessant darzustellen. Aus
diesem Buche geht hervor, dafs Herrn Prof. ZAin)EB das völlig gelungen
ist. Dem Leser wird das Verständnis durch gute Abbildungen erleichtert.
Die Anschaffung dieses Buches kann allen Schulen nur bestens empfohlen
werden. R. WiOHMANN-Bad Harzborg.
HeiiIiEb, Theodob, Dr. Grundrifs der Heilpidagogilu Leipzig, 1904.
366 S. Mit zwei Abbildungen. Mk. 8.—, geb. Mk. 9.—.
Der vorliegende Grundrifs der Heilpädagogik stanmit aus der Feder
eines spezialistisch gebildeten Pädagogen mit praktischer Erfahrung und
einem umfangreichen theoretischen Wissen. Verfasser machte zum Gegen-
stände einer eingehenden Studie das gesamte Arbeitsgebiet des sog. Heil-
pädagogen, welches sich nicht nur auf Erziehung und Unterricht des
schwachsinnigen Kindes beschränkt, sondern die pädagogischen Einwirkungen
bei allen im Kindesalter vorkommenden geistigen Abnormitäten umfafst.
101
FOr die erfolgreiche pädagogische BehaDdlnng abDormer Kinder bedarf
es Tor allem der Kenntnis der yerschiedenartigen Krankheitserscheinungen,
und der Autor, welcher ein groCses Yerst&ndnis für medizinische Fragen
besitzt, gibt eine Übersicht (mit vielen Literaturangaben) Aber die Resul-
tate der Forschung auf dem Gebiete der Idiotie, des Kretinismus, sowie
der nervOsen Zustände im Kindesalter. Eingehend wird behandelt der
Schwachsinn mit Rücksicht auf die Sjmptomathologie und Ätiologie, sowie
dessen Komplikationen: Sprechstörungen, moralische Entartung, Epilepsie,
Chorea Tic, Masturbation.
Eine Tafel zeigt die photographischen Aufoahmen eines dregährigen
kretinischen Knaben, vor und nach einer zehnmonatlichen Behandlung mit
Schflddrflsentabletten. Nach den Bildern ist der Erfolg geradezu ein
flberraschender.
Besonderes Interesse beanspruchen die Kapitel über heilpädagogi-
scbe Erziehung und Unterricht. Wir geben hieraus als Quintessenz
nachstehende Sätze:
Bei weitaus den meisten Fällen von Schwachsinnigen ist die Familien-
erziehung ungeeignet. Erziehung und Unterricht soll, wenn inmier möglich,
in einer Hand vereinigt sein und mufs von hierzu befähigten Pädagogen
erteilt werden, angepafst der Eigenart jedes Kindes. Das harmonische
Yerhältnis von Erziehung und Unterricht ist nur in Anstalten möglich,
welche den Prinzipien der Heilpädagogik entsprechen.
Eine ersprielsliche Entwicklung einer heilpädagogischen Anstalt ist
aur möglich, wenn Arzt und Pädagoge Hand in Hand arbeiten.
Im Unterricht Schwachsinniger wird vor Überbürdung besonders ge-
warnt, und der Autor hat durch experimentelle Untersuchungen festgestellt,
dals die Ermttdungswirkung jeder geistigen Arbeit bei schwachsinnigen be-
deutend gröfser ist als bei normalen Kindern. Jede Überbürdung schwach-
nnniger Kinder durch den Unterricht bewirkt ernste Störungen ner-
vöser Art.
In einem ScbluDskapitel gibt der Verfasser einen Überblick über die
Fürsorge schwachsinniger und nervenkranker Kinder.
Das Buch ist reich an anregenden Gedanken, und wir empfehlen das-
selbe Pädagogen und Ärzten aufs beste. Auch dem Lehrer, welcher nor-
nale Kinder unterrichtet, wird die Lektüre des Werkes von Nutzen sein.
Dr. med. A. ULBiCH-Zürich.
Grotjahk, A. Sociale Hy^pene und Entartniigsproblem. Sonder-
Abdruck aus dem Handbuch der Hygiene, herausg. von Dr. Theodor
Wetl, Berlin, 4. Suppl.-Band : Soziale Hygiene. Gustav Fischer, Jena,
1904. 790 Seiten.
Nach einer theoretischen Umschreibung des Gebietes der sozialen
Hygiene diskutiert Verfasser das Material, das uns zur Beurteilung des
gesundheitlichen Zustandes unserer Kulturrassen zur Yerfägung steht. £s
ist noch sehr unzuverlässig und lückenhaft. Angaben liegen vor über
Bevölkerungsverminderung und Vermehrung, Tauglichkeit zum Heeresdienst,
zun Stillgeschäft, über Kinderfehler und über den Einflnfs der städtischen
Wohnweise auf die Entartung; von allen diesen Untersuchungen werden
102
die wichtigsten als Stichproben referiert. Dann geht Verfasser korz auf
die Forderongen ein, welche ans unseren jetzigen Kenntnissen zu ziehen
sind, so weit sie die Vermeidung der drohenden Entartung betreffen.
Klar und deutlich spricht er es auch aus, dafe die unterschiedslose Für-
sorge für die Schwachen ergänzt werden mflsse durch eine kttnsUiche Aus-
lese, welche die immer machtlosere natürliche Au^ätung der Schwächsten
zu ersetzen berufen sein wird. Dem Referenten scheint es, es wäre nütz-
lich gewesen, wenn Verfasser den einzigen Teil der Prophylaxe, der jetzt
schon genügend erforscht ist, um praktische Früchte zu tragen, die Alkohol-
frage, etwas mehr hervorgehoben hätte. Man bekommt aus der Schrift
auch gar zu sehr den Eindruck, man könne zurzeit in der Sache nichts
tun als Material sammeln. Prof. BLEULEB-BurghOlzli (Zürich).
Bibliographie.
Die mit * bezeichneten Werke wurden der Redaktion zugesandt.
*Obermatbr, V. A. Das Beleuchiungserfordemis von Schid- und ArbeUs-
räumen auf Chrtmä van Messungen mit dem Weherschen Fhotometer,
Sond.-Abdr. a. d. Mitteil, über Gegenstände des Artillerie- u. Genie-
wesens, 1904, H. 12.
'^SCHMID-MONNARD (weil.) u. HARTMANN, A. Sogiole Fürsorge für Kinder
im schulpflichtigen Alter. Sond.-Abdr. a. d. Handb. d. Hyg., herausg.
▼. Dr. Th. Wbyl. IV. Suppl.-Bd. Jena, G. Fischer, 1904. Gr. 8^.
40 S. M 1.50.
SOHOENFBLDER, Stadtbaurat. Billige Schulbäder und TurnhcMen. Ein
Rechenezempel. Techn. Gemeindebl., 1904, Nr. 24.
'^SOHUTTBN, M. C. Paedologisch Jaarboek. Stad Antwerpen. Vijfde
Jaargang. 1904. 8^. 260 S. Mit Tabellen und Illustrationen.
SIOKINQBR, Dr., Stadtschuh^t. Mehr Licht und Wärme den Sorgen-
kindern unserer Volksschule! Ein Vermächtnis Heinrich Pestalozzis.
Vortrag, geh. bei der Pestalozzifeier am 8. Jan. 1905 in Zürich.
Schweiz. Lehrerzeitung, 1906, Nr. 3 u. 4.
*Smidowit80H, Marib. Über die Beziehungen der SommertempertUuren
0ur SäugUngsmartaUtät in der Stadt Zürich. Inaug.-Diss. Zürich, 1904.
8«. 18 S. Mit Tabellen.
*Thibr8GH, Dr. Das Leipziger Tum- und SchuMM. Die neue Frauen-
tracht. IL Jahrg., 1906, Nr. 1.
TJnöbwitter, R. Die Nährwerte der Nahrungsmittel und ihre Ter-
Wendung eur rationellen Emahrungy nebst Übersichtstabelle. 3. verb.
. u. yerm. Aufl. Stuttgart, im Selbstverläge. Gr. 8^. HS. M 0.60.
* Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Volksbäder. DI. Bd.,
1. H. Berlin, 1904.
*WlNGBN, A., Baurat. Das Wingensche Photometer. Eine Entgegnung
auf einen Vortrag des Herrn Dr. Bibr, Erakau. Joum. f. Gasbeleucht.
u. Wasserversorg., XLVIU. Jahrg., 1906, Nr. 4.
*ZiBHBN, Prof. Dr. Über den Einflufs des Alkohols auf das Nervensystem.
2. yerm. Aufl. MäTsigkeitsverl. Berlin, 1904. 8®. 15 S. Jk 0.20.
*Z0LLINGBR, Fr. über Krüppelschulen und Krüppelpflege. Sep.-Abdr.
a. d. Schweiz. Zeitschr. f. Gemeinnützigkeit. XLIV. Jahrg., 1906, 1. H.
§tx ^itfitlitrfi
m. Jahrgang. 1905. No. 2.
OrigitiaUb^itblititseit«
Die Vorschriften znr Verhfttnng der Übertragung ansteckender
Krankheiten durch die Schalen und die Tätigkeit des Schul-
arztes auf Omnd dieser Vorschriften.
Von
Dr. Schultz,
städt. Schularzt in Berlin.
(Vortrag, gehalten im Verein Berliner Schulärzte.)
Die Infektionskrankheiten haben für die Schule ihre besondere
Bedeutung, weil einzelne Formen derselben vorzugsweise das kind-
liche und somit auch das schulpflichtige Alter befallen, und zweitens
wegen der Gefahr ihrer Ausbreitung durch die Schule. Die Be-
kämpfung dieser Grefahr ist ein wichtiger Teil der schulärztlichen
Tätigkeit
In folgendem soll dargelegt werden, wie der Schularzt bei dieser
Aufgabe zu verfahren hat, und welche gesetzlichen Vorschriften und
Erlasse zu befolgen sind.
Die MaJsnahmen gegen die Ausbreitung der Infektionskrank-
heiten haben nur zum Teil eine reichsgesetzliche Behandlung er-
fiihren, und zwar ftlr die als gemeingefährlich zusammengefalsten
Krankheiten: Aussatz (Lepra), asiatische Cholera, Fleckfieber (Fleck-
typhus), Gelbfieber, Pest (orientalische Beulenpest), Pocken (Blattern)
dorch das Beichsgesetz, betreffend die Bekämpfung gemein-
gefährlicher Krankheiten vom Jahre 1900. (Zeitschr, f, Medi-
malbeamte, 1900, Beilage: Bechtsprechung und Medijrinalgesetagdmng,
S. 146 ; Wehmeb, Die neuen Mediainalgesetze Preufsens, Berlin 1902,
8. 64.) Die Ausdehnung gesetzlicher Vorschriften auf die übrigen
nicht gemeingefährlichen, aber übertragbaren Krankheiten ist der
Der Sehnlarit. III. 3
24 104
landesgesetzliohen Begelnng überlassen worden. Für Prenüsen ist
eine solche in Aussicht genommen nnd niedergelegt in dem „Ent-
wurf eines Ausführnngsgesetzes zu dem Reichsgesetz,
betreffend die Bekämpfung gemeingefährlicher Krank-
heiten'', die dem preufsischen Abgeordnetenhause zur Beratung vor-
gelegen hat (Zeitschr. f, Medizinalbeamte, 1903. S. 132).
Bisher war, abgesehen vom erwähnten Beichsgesetz, die gesetz-
liche Grundlage für die Schutzmafsregeln gegen die Infektions-
krankheiten, aber in Geltung nur für die alten preufsischen Pro-
vinzen, das Regulativ vom Jahre 1835, das in seinem allgemeinen
Teil in § 14 Bestimmungen über die Schulen enthält.
Diese Bestimmungen sind wieder aufgenommen und zeitgemäls
ergänzt durch eine Reihe von Ministerial Verfügungen.
Hier ist in erster Linie als grundlegend in ihren Bestimmungen
zu nennen die Min ister ial Verfügung vom 14. Juli 1884. Sie
enthält: 1. Bestimmungen über die zur SchlieJsung von Schulen bei
ansteckenden Krankheiten berechtigten Behörden, 2. eine Anweisung
zur Verhütung der Übertragung ansteckender Krankheiten durch die
Schulen, und zwar für: a) Cholera, Ruhr, Masern, Röteln, Scharlach,
Diphtherie, Pocken, Flecktyphus, RüokfeUfieber; b) Unterleibstyphus,
kontagiöse Augenentzündung, Krätze und Keuchhusten.
Zu dieser Verfügung erliels die Berliner städtische Sohul-
deputation einige ergänzende Bestimmungen, die besonders das
Verfahren bei Schiulis einer Schulklasse betreffen, vom 12. Juli 1893.
Dieselbe wurde den Berliner Schulärzten zusammen mit der Ministerial-
verfügung von der Schuldeputation zugestellt. Durch eine Ministerial-
verfügung vom 23. Novi 1888 [Zeitschr, /*. Medizindbeamte, 1889,
S. 25) wurde die Meningitis cerebrospinal is in die Reihe
der unter la genannten Krankheiten aufgenommen; durch eine
Ministerialverfügung vom 12. Juli 1901 als Ergänzung zum Reichs-
seuchengesetz die Pest (Wehmeb, Die neuen Medieindlgesetze
Preufsens, S. 85; Zeitschr, f. Medizinalbeamte, 1901, Beilage S. 195);
durch eine Ministerialverfügung vom 25. Aug. 1902 der Typhus
abdominalis (Zeitschr, f. Medizinalbeamte, Beilage S. 241). Durch
eine Ministerialverfügung vom 19. Januar 1897 erhielt die Lepra
ihre Stellung unter den unter Ib genannten Krankheiten [Zeüschr.
f. Medizinalbeamte, Beilage S. 24).
Eine besondere Behandlung fand das Auftreten der Körner-
krankheit in den Schulen durch den Ministerialerlais vom 20. Mai
1898 (Wehmbb, 1. c. S. 139; ZeitscJir. f. MedizinalbeanUe, 1898,
106 25
Beilage S. 86)» betrefiSBnd Verhütang von Eörnerkrankheit in den
Sekalen.
Für die Bekämpfung der Tuberkulose in den Schulen ist zu
eiw&hnen der Ministerialerlafs vom 10. Dez. 1890, Absatz 11, 4
(Zätschr. f, Medizindheamte, 1891, Beilage S. 14).
Von Bedeutung für uns ist sohlie/sliob das Gesetz, betreffend
die Dienststellung des Kreisarztes und die Bildung von
Gesundheitskommissionen, das mit dem 1. April 1901 in
Kraft getreten ist. Zu diesem Gesetz gehört die Dienstanweisung
für Kreisärzte vom 23. März 1901 (Wbhmeb, 1. c. S. 186;
Zeüsekr. f. MedieincXbecmte, 1901, Beilage S. 49), und in dieser
handelt es sieh für uns um Absatz 26, überschrieben : Schulhygiene,
in dem die Tätigkeit des Kreisarztes auf diesem Gebiete be-
stimmt wird.
Die Verordnungen zur Verhütung der Ausbreitung von Infektions-
krankheiten geben im allgemeinen Vorschriften über: 1. Anzeige-
pflicht, 2. Ermittelung der Krankheit, 3. Schutzmafs-
regeln. Letztere bestehen für die Schule in Absonderung der
Erkrankten und ihrer schulpflichtigen Angehörigen; Schluls einer
Klasse oder Schule; Reinigung und Desinfektion der Schulräume,
in denen Erkrankte sich aufgehalten haben.
Die Anzeigepflicht, wie sie für den hinzugezogenen, d. h. den
behandelnden, Arzt vorgeschrieben ist, kommt für den Schularzt als
solchen nicht in Betracht. Ebenso ist die Ermittelung der Erkrankung
anlserhalb der Schule im Sinne der Gesetzesvorschriften, wenigstens
ffar Berlin, entsprechend der Instruktion für die Berliner Schulärzte,
sieht unsere Aufgabe. Dagegen wird die Mitwirkung des Schul-
arztes bei Ergreifung von Schutzmafsregeln für die Schule häufig in
Anspruch genommen.
Das Reichsseuchengesetz bestimmt in § 16: „Jugendliche Per-
sonen aus Behausungen, in denen Erkrankungen vorgekommen sind,
tonnen zeitweilig vom Schul- und Dnterrichtsbesuche ferngehalten
werden." Hinsichtlich der sonstigen für die Schulen anzuordnenden
Xafsregeln bewendet es bei den landesgesetzlichen Bestimmungen.
Ebenso gibt § 19 nur die allgemeine Bestimmung: ^Für Gegen-
stände und Räume, von denen anzunehmen ist, dafs sie mit dem
Eiankheitsstoffe behaftet sind, kann eine Desinfektion angeordnet
werden."
Wie in diesem Reichsgesetz ist auch in dem preulsischen Aus-
fähnmgsgeeetz zu dem Reichsgesetz betreffend die Bekämpfung
26 106
gemeingefthrlioher Krankheiten, keine gesetzliche Festlegung der filr
die Schule gültigen Bestimmungen beabsichtigt. Daher bilden die
zu Recht bestehenden MinisterialyerfClgungen die Grundlage und
Richtschnur fCLr die Bekämpfung der Ausbreitung ansteckender
Krankheiten in den Schulen.
In erster Linie ist hier die Ministerialverfügung vom
14. Juli 1884 zu betrachten. Die wichtigeren Bestimmungen
derselben lauten:
1. Die Krankheiten, die vermöge ihrer Ansteckungsgefahr be-
sondere Vorschriften für die Schule nötig machen, sind in zwei
Gruppen eingeteilt, a) Zur ersten Gruppe gehören (mit Herein-
ziehung späterer ergänzender Verordnungen): Scharlach, Diphtherie,
Maseru, Röteln, Ruhr, Rückfallfieber, Cholera, Pocken, Fledctyphos,
epidemische Genickstarre, Pest, Unterleibstyphus; b) zur zweiten
Gruppe gehören: kontagiöse Augenentzündung, Krätze, Keuchhusten,
der letztere sobald und solange er krampfartig auftritt, Lepra.
2. Kinder, welche an einer der unter la. und b. genannten
ansteckenden Krankheiten leiden, sind vom Schulbesuch auszu-
schliefsen.
3. Das Gleiche gilt von gesunden Kindern, wenn in dem Haus-
stande, welchem sie angehören, ein Fall der unter la genannten
ansteckenden Krankheiten yorkommt, es mü/ste denn sein, dals das
Schulkind durch ausreichende Absonderung vor der Gefahr der An-
steckung geschützt ist.
4. Kinder, welche gemäfs 2 und 3 vom Schulbesuch aus-
geschlossen sind, dürfen zu demselben erst dann wieder zugelassen
werden, wenn entweder die Gefahr nach ärztlicher Bescheinigung
für beseitigt anzusehen, oder die für den Verlauf der Krankheit
erfedirungsmäfsig als Regel geltende Zeit abgelaufen ist. Als nor-
male Krankheitsdauer gelten bei Scharlach und Pocken sechs Wochen,
bei Masern und Röteln vier Wochen.
5. Für die Beobachtung der unter 2 bis 4 gegebenen Vor-
schriften ist der Vorsteher der Schule verantwortlich.
7. Wenn eine im Schulhause wohnende oder eine auüserhalb
des Schulhauses wohnende, aber zum Hausstände eines Lehrers der
Schule gehörige Person an einer der genannten Krankheiten erkrankt,
so hat auf Anzeige des Haushaltungsvorstandes die Ortspolizei-
behörde, womöglich unter Zuziehung eines Arztes, für die tunlichste
Absonderung des Kranken zu sorgen.
Dies die Bestimmungen über die Femhaltung der erkrankten
107 27
Sehfller und der Bohnlpfliohtigen Mitglieder eines Hanshaltes, in dem
eine der erwähnten Ejraokheiten vorgekommen ist.
Wie gestaltet sieh nun die schulärstliohe Tätigkeit auf Grund
dieser Vorschriften? Der Ausschlufs der Erkrankten und der
Sehüler, in deren Haushalt eine gefährliche Infektions-
krankheit herrscht, vom Schulbesuch ist sicher das wirk-
samste der Mittel, die uns bei der Bekämpfung der
Erankheitsverbreitung su Gebote stehen, und es kommt auf
die sorgfUtige Ausführung sehr viel an. In der Regel werden nun
die Eltern der Kinder die Erkrankten mit einer von den Eltern
selbst oder vom behandelnden Arzt gestellten Diagnose entschuldigen
imd aus der Schule zurückhalten. Ein Teil der Erkrankten, der im
Beginn der Ejrankheit die Schule noch besucht, wird vom Lehrer
bemerkt und entlassen werden. In anderen Fällen wird zuweilen
der Schularzt in der Lage sein, die Erkrankung in der Schule zu
erkennen und die Erkrankten aoszuschlieisen. Je früher die Er-
krankten aus der Schule entfernt werden, um so eher kann man
erwarten, eine weitere Ausbreitung zu verhüten. Es wird daher
besondere Aufgabe des Schularztes sein, zu Zeiten von Epidemien
häufig die Schule zu besnchen und aufmerksam die ersten Krankheits-
eischeinungen zu beachten, die ersten Temperaturerhöhungen, die
nicht selten den Angehörigen entgehen, verdächtige Halsentzündungen
so Zeiten von Diphtherie- oder Scharlachepidemien, bei Masem-
▼erdacht die Zeichen des Prodromalstadiums, das frühzeitige Schleim*
bautexanthem, die KoPLiKschen Flecke, sowie die katarrhalische
Affektion der Augenlidbindehaut und der oberen Luftwege und
fthnliehes.
Erfolgt der Ausschlufs eines erkrankten Schulkindes, so ist bei
&krankungen der Gruppe la gleichzeitig darauf zu achten, dafs
auch etwaige schulpflichtige gesunde Geschwister dem
Schulunterricht sofort fernbleiben. Sollen die Gesunden zur
Sdiule zugelassen werden, so muis für ausreichende Absonderung,
sei es des Erkrankten, sei es des Gründen, gesorgt sein. Jedenfalls
empfiehlt es sich, mit der Zulassung der abgesonderten Gesunden
bis zum Ablauf der Inkubationszeit zu warten und die zugelassenen
noch weiter auf ihren Gesundheitszustand zu beobachten. Die im
Erlais für die Wiederzulassung der erkrankt gewesenen Schüler an-
gegebenen Zeiten bedürfen einer entsprechenden Verlängerung, wenn
Komplikationen die Genesung hinausschieben.
Aufinerksam ist darauf zu achten, dals die Diagnose der an-
28 108
gegebenen Krankheit eine richtige war. Wir müssen mit der Tat-
sache rechnen, dafs bei übertragbaren Krankheiten ärztliche Hilfe
nicht immer in Anspruch genommen und die Krankheit verkannt
wird. So beobachtet man nicht selten, dafs Kinder z. B. im Höhe-
punkt der Abschuppung nach Scharlach die Schule wieder besuchen,
weil von den Eltern die Krankheit nicht erkannt wurde. Noch
nachträglich kann es dem Schularzt gelingen, aus Krankengeschichte
und Befund die Diagnose zu berichtigen und Schaden zu verhüten.
Oder eine ausgesprochen postdiphtheritische Lähmung bei einem an-
geblich an leichter Halsentzündung erkrankt gewesenen Schüler lälst
die Erkrankung in anderem Lichte erscheinen und die Wieder-
zulassung aufschieben.
Die Frage nach Wiederzulassung an Diphtherie erkrankt
gewesener Schüler ist schwierig zu beantworten. Wo eine
bakteriologische Untersuchung auf virulente Diphtheriebazillen zu
erlangen ist, mulB dieselbe gefordert werden. Anderenfalls darf die
Heilung im klinischen Sinne entscheiden. Bei den übrigen Er-
krankungen für die keine Frist für die Wiederzulassung
festgesetzt ist, hat der Schularzt nach freiem Ermessen
darüber zu entscheiden.
Für die Wiederzulassung gesunder Schüler, die wegen Er-
krankung von Mitgliedern des Haushalts, dem sie angehören, der
Schule ferngeblieben waren, geben einen Anhalt die Zeitbestimmungen
der Verfügung, für Scharlach und Pocken sechs Wochen, für Masern
vier Wochen.
Die bisher erwähnten Schutzmafsregeln lassen sich ohne zu
weit gehende Störung des Unterrichts durchführen. Eingreifender
für die Aufgaben der Schule ist die weitere Schutzmafsregel, Schlufs
einer Klasse oder der ganzen Schule, wenn eine gefährliche
Ausbreitung übertragbarer Krankheiten droht. Die Bestimmung der
mafsgebenden Verfügung von 1884 heifst: „Über die Schlielsung
von Schulen oder einzelnen Klassen derselben wegen ansteckender
Krankheiten hat der Landrat unter Zuziehung des Ejreisphysikus
zu entscheiden. Ist Gefahr im Verzuge, so können der Schal-
vorstand und die Ortspolizeibehörde auf Grund ärztlichen Gutachtens
die Schliefsung anordnen." — Die Bestimmungen der städti*
echen Schuldeputation für Berlin lauten in dem erwähnten
Nachtrag zur Ministerialverfügung: „4. Die Schlielsung der Klassen
wegen ansteckender Krankheiten erfolgt vorbehaltlich besonderen
Eingreifens der königl. Sanitätskommission durch uns nach folgenden
109 29
Ton dem Herrn Minister genehmigten Regeln: a) bei den Gemeinde-
schalen . . . Wenn in einer Klasse mehrfache Erkrankungen an
einer ansteckenden Krankheit vorkommen, so macht der Rektor dem
Sehnlinspektor Anzeige. Hält dieser die sofortige Schlie&ang der
Klasse für erforderlich, so ordnet er dieselbe auf einige Tage an.
In jedem Falle berichtet derselbe an mns. Wir bestimmen sodann
das Weitere." Hier kann der Schularzt eingreifen, indem er auf
Grand seiner Beobachtungen durch schularztliches Gutachten sich
über die Notwendigkeit der Mafsregel ausspricht, am geeignetsten
im Änschluls an die Anzeige des Rektors an den Schulinspektor.
ESs ist hier der Ort, der Bestimmungen zu gedenken, wie sie
die Dienstordnung für die Kreisärzte Tom 23. März 1901 im
AnschluTs an das Gesetz, die Dienststellung des Ejreisarztee be-
treffend, gibt. Es heifst in Abschnitt 26, Schulhygiene, § 96:
gDer Kreisarzt hat darüber zu wachen, dafis die Vorschriften, welche
zor Verhütung der Übertragung ansteckender Krankheiten durch die
Schale erlassen sind, genaue Beachtung finden (yergl. auch § 14 des
fiegulativs vom 8. August 1835, § 16 des Reichsseuchengesetzes,
betreffend die Bekämpfung gemeinge&hrlicher Krankheiten vom
30. Juli 1900, Ministerialerlafs vom 14. Juli 1884). Ohne Mit-
wirkung des Kreisarztes darf, abgesehen von dringenden Aus-
nahmefällen, eine Schule oder Schulklasse aus gesundheitspolizei-
lichen Gründen weder geschlossen, noch wieder eröffnet werden usw.^
— Es ist anzunehmen, dafe in grolsen Städten mit zahlreichen
Schulen, wenn noch dazu durch Schulärzte eine genügende hygieni-
sche Überwachung der Schulen erfolgt, der Kreisarzt bei den häufigeren
Epidemien nur selten sich veranlafst sehen wird, einzugreifen.
Eine weitere Mafsregel zur Bekämpfung der Infektionskrank-
heiten ist die Vernichtung des Infektionsstoffes durch
Reinigung und Desinfektion. Die Bestimmungen darüber gibt
die Ministerial Verfügung 1884 zu 4: „Es ist darauf zu achten, da/s
vor der Wieder^^ulassung zum Schulbesuch das Kind und seine
Kleidungsstücke gründlich gereinigt werden.^ Eine Belehrung der
Sltem in diesem Sinne durch den Schularzt ist angezeigt, wenn wir
Aber die Wiederzulassung des Genesenen zum Schulbesuch zu be-
stimmen haben.
Das Reinigungsverfahren in den Schulen selbst ordnet die
MinisterialverfQgung 1884 in Punkt 8: „Sobald in dem Ort, wo
sich die Schule befindet, oder in seiner Nachbarschaft mehrere Fälle
einer ansteckenden Krankheit zur Kenntnis kommen, haben Lehrer
30 110
und Sohnlvorstaiid ihr besonderes Angenmerk anf Reinhaltung des
Sohalgmndstüokes nnd aller seiner Teile, sowie auf gehörige Lüftung
der Klassenräume zu richten. Insonderheit sind die Schulzimmer
und die Bedürfnisanstalten täglich sorgfältig zu reinigen. Schul-
kindern darf diese Arbeit nicht übertragen werden. Die Schulzimmer
sind während der unterrichtsfreien Zeit andauernd zu lüften, die
Bedürfnisanstalten nach Anordnung der Polizeibehörde regelmäfisig
zu desinfizieren. **
Nr. 10 sagt: „Die Wiedereröffnung einer wegen ansteckender
Krankheit geschlossenen Schule oder Schulklasse ist nur nach yor-
angegangener gründlicher Reinigung und Desinfektion des Schul-
lokals zulässig."
Die städtische Schuldeputation zu Berlin bestimmt noch: „In
den Fällen, wo ein Kind von einer der sub 1 a genannten Krank-
heiten, aufser Masern und Röteln, getroffen wird, soll die Klasse,
der das Eand angehört, sowie auch die Bedürfnisanstalt nach den
Vorschriften der Desinfektionsordnung Tom 15. Aug. 1892 gereinigt
werden. Bei der Anordnung und Ausführung der genannten Schutz-
mafsregeln hat der Schularzt als hygienischer Berater der Schule
tätig zu sein.**
Von den in der soeben besprochenen Ministerialverfügung von 1884
erwähnten Erkrankungen hat eine Augenerkrankung, die Körner-
krankheit, noch eine besondere Behandlung erfahren durch den
Ministerialerlafs vom 20. Mai 1898. Ich nenne die Bestimmungen»
soweit sie für den Schularzt in Betracht kommen:
„1. Augenkrankheiten, welche vermöge ihrer Ansteckungs-
&higkeit besondere Vorschriften für die Schule erforderlich machen^
sind:
a) Blennorrhoe und Diphtherie der Augenlidbindehäute;
b) akuter und chronischer Augenlidbindehautkatarrh, Follikulär-
katarrh und Kömerkrankheit (granulöse oder egyptische Augen-
entzündung [Trachom]).
3. Schüler, welche an einer der unter la genannten Augen-
krankheiten leiden, sind unter allen umständen, solche, welche an
einer der unter Ib genannten Augenkrankheiten leiden, dagegen
nur, wenn, bezw. so lange sie deutliche Eiterabsonderung haben, Tom
Besuch der Schule auszuschlielsen.
4. Schüler, welche an einer der unter Ib genannten Augen-
krankheit leiden, jedoch keine deutliche Eiterabsonderung haben,
sowie solche Schüler, welche gesund sind, aber einer Haushaltung
111 31
angehören, in der ein Fall yon ansteckender Augenkrankheit auf-
getreten ist, dürfen am Unterricht teilnehmen, wenn sie genügend
weit entfernte Plätze angewiesen erhalten.^
Wiederzolassnng der aosgeschlossenen Schüler, Anzeigepflicht,
Eirkranknng von Lehrern und anderweitig im Schuldienst beschftftigter
Personen sind in ähnlicher Weise geordnet, wie nach der Verfügung
von 1884.
Der Schularzt wird darauf zu achten haben, dals verdächtige
Augenkrankheiten frühzeitig erkannt und im Sinne des Erlasses
gesondert werden. Erwähnenswert ist, dals bei Vorkommen von
mehreren Fällen ansteckender Augenkrankheiten eine ärztliche Unter-
suchung der Lehrer und Schüler, sowie sämtlicher im Schulhause
wohnender Personen durch den beamteten Arzt vorzunehmen ist,
sowie, dals für die Behandlung der an ansteckenden Augenkrank-
heiten leidenden Schüler, soweit dieselbe nicht nach ärztlicher Be-
scheinigung durch die Eltern veranlabt wird, die Ortspolizeibehörde
Sorge za tragen hat, so dals also in diesem Falle ein Zwang zur
Behandlung vorgeschrieben ist. Eine gleiche Bestimmung ist in
den Entwurf eines preulsischen Seuchengesetzes aufgenommen worden.
Andere Aufgaben, wie bei den akut auftretenden Infektions-
krankheiten, hat die Schule bei Bekämpfung der Verbreitung chro-
nischer, übertragbarer Krankheiten. Hier kommt vorzugsweise
die Tuberkulose in Betracht. Eine Ministerialverfügung
vom 10. Dezember 1890 (Zeitschr. f, Meduindlb,, 1891, Beil. 1,
S. 14) bestimmt darüber mit Aufnahme eines Gutachtens der wissen-
schaftlichen Deputation. Ghtnz allgemein dürfte anzuordnen sein:
„1. dals Lehrer wie Schüler zur Entleerung ihres Auswurfs im
Schulgebäude sich nur der in geeigneter Beschaffenheit und ge-
nügender Zahl aufzustellenden Spucknäpfe bedienen dürfen, oder
eines Dettweilerschen Fläschchens.
2. dals in den Schulräumen Staub möglichst beseitigt, aber nur
durch nasses Aufwischen entfernt werden darf.
3. dafs öfter hustende Schüler in bezug auf 1. vom Lehrer be-
sonders zu beachten sind.
4. dafs brustkranken Schülern das Wegbleiben aus der Schule
nun Zwecke längerer Kuren mit besonderer Bereitwilligkeit erleich-
tert und gestattet werde. ^
0«r Sehnlant. IIL 4
32 112
Hiennit dürften im weeentlicheii die Verfügangen und geseti-
liehen fiestimmangen, die unsere Frage betre£Fen, genannt sein.
Keine besondere Bebandlang erfahren dnroh bestimmte Vor-
schriften von leicht übertragbaren Krankheiten Mnmps, Infinenza,
Varicellen. Bei diesen ist im Sinne der angezogenen Bestimmungen
zu rerfahren.
Die Ausbreitung ansteckender Krankheiten durch die Schule
lälst sich bei Befolgung der behördlichen erwähnten Verordnungen,
wenn nicht verhindern, so doch wesentlich einschränken.
EiS sind damit aber noch nicht alle Mittel erschöpft, die zu
diesem Ziele führen. Wichtig für die Verhütung der Einschleppung
ansteckender Krankheiten in die Schulen sind einmal ausreichende
gesetzliche Vorschriften über die Anzeigepflicht des be-
handelnden Arztes, womit stets die Meldung über das
Vorhandensein schulpilichtiger Angehöriger zu ver-
binden ist. Es sei daran erinnert, dais z. B. bisher für die
Meldung von Diphtherie eine Gesetzesvorschrift nicht bestand (im
Regulativ ist Diphtherie nicht erwähnt) und dals Scharlach nur bei
bösartigen und besonders zahlreichen Fällen anzeigepflichtig war. Durch
das preufsische Seuchengesets ist hierin eine Änderung zu erwarten.
Ebenso beabsichtigt das G^etz eine Festlegung der Des-
infektionsvorschriften für die Wohnung der Erkrankten,
wodurch ebenfalls die Gefahr der Einschleppung ansteckender Ejrank-
heiten in die Schulen verringert wird.
Ebenso wichtig und die Aufgaben des Schularztes näher be-
rührend ist die Benachrichtigung der Schule durch die
Eltern erkrankter Schüler, wieder mit Berücksichtigung des
Vorhandenseins anderer schulpflichtiger Geschwister. Die Meldung
hat bald nach Eintritt der Erkrankung zu erfolgen. In allen Fällen,
wo mit der Meldung einer Krankheit eine ärztliche Bestätigung
nicht erfolgt, ist dieselbe nachzuholen. Die Forderung einer ärzt-
lichen Bescheinigung erscheint nötwendig, da erfahrungsgemäüs häufig
die Richtigkeit der elterlichen Meldung anzuzweifeln ist. DaTs die
ärztliche Kontrolle notwendig und nützlich ist, beweist die Erfieihrung
in Leipzig, wo im Jahre 1893 allein 1246 unangemeldet gebliebene
Fälle durch die kontrollierende ärztliche Tätigkeit, die daselbst den
Schulärzten übertragen ist, zur Kenntnis gelangten (zitiert nach
Fromm, Zeitschr, f, Mediaindlb., 1904, Nr. 3).
113 33
Endlich ersoliemt es erforderlich, dafs die Schale alle
Fftlle von Infektionskrankheiten dem Sohnlarzte zur
Kenntnis übermittett In Berlin besteht bisher nur eine 7er-
Akgnng der städtischen Schnldepntation vom 8. Dezember 1903,
wonach der Bektor der Sohnle, sobald ihm der erste Fall einer
Infektionskrankheit bekannt wird^ dem Schulärzte hiervon schleunigst
Mitteilung machen soll. Als Beispiel einer Instruktion in dem für
erforderlieh gehaltenen Sinne führe ich die Bestimmungen der
Schulordnung und der Dienstordnung für die Schulärzte in Leipzig
an {diese Zeitschr,, 1902, S. 213):
Schulordnung § 7: „1. Die Eltern erkrankter Schulkinder
smd verpflichtet, womöglich schon bei der Anzeige des Wegbleibens
w^n Krankheit, spätestens aber am dritten Tage die Art der
Enmkheit anzugeben. Ist diese Anzeige nicht erfolgt, so haben die
betreffenden Klassenlehrer sofort von den Angehörigen der erkrankten
Kinder Auskunft über die Art der Erkrankung zu verlangen.'*
Dienstordnung für die Schulärzte § 10:
^a) Jeder Fall einer ansteckenden Krankheit wird dem Schul-
arzte mittels vorgeschriebener Meldeformulare durch den Schuldirektor
angezeigt.
b) Der Schularzt hat in den Fällen, wo das erkrankte Kind
nicht ärztlich behandelt wird, durch Untersuchung die Art der Er-
krankung festzustellen.
d) Die Meldeformulare über ansteckende Krankheiten sind seitens
des Schularztes innerhalb acht Tagen nach Empfang an den Stadt-
bezirksarzt weiter zu geben. ^
Durch diese Vorschriften wird für die Sicherheit in der Fest-
stellung ansteckender Krankheiten gesorgt und damit eine notwendige
Vorbedingung für die Bekämpfung der Weiterausbreitung erfüllt.
Die amtlichen Verfügungen im Verein mit Ergänzungen ge-
nannter Art werden ausreichend sein, die Tätigkeit des Schularztes
bei der Verhütung der Ausbreitung von Infektionskrankheiten in
den Schulen zu einer erfolgreichen zu machen.
84
114
ftleinere Jütteilntjen*
Nene Schulärzte. In Prag wurden in der letzten Sitzung der
stAdtischen Gesundheitskommission die Grundsätze fdr die Dienstordnung
der neun anzustellenden Schulärzte beraten. Die Stellen sind bereits aus-
geschrieben.
In Hainichen, Kreishauptmannschaft Leipzig, wurde auf Antrag des
Schulausschusses vom Stadtrat die Anstellung eines Schularztes beschlossen.
Über den hentifi^en Stand des Schnlarztwesens an den tschechi-
schen Schulen in B5hmeu und Mähren gibt folgende Tabelle Aufschluß :
Ort
Name des Schularites
Gehalt
in Kronen
Binwohnenahl
In Böhmen:
Loun
Dr. L. Brunelik
500
10 212
Kolin
Dr. Vlk
800
15025
Boudnitz
—
—
7985
Karlin
Dr. Hanns
—
21094
Hronov
Dr. Saeka, L.
—
4000
Kladno
Dr. Baum, S.
—
18554
Wysodan
Dr. Kopeck;?
600
4404
PardubitE
1. Dr. Martin
700
17 029
n
2. Dr. Nov&k
700
König^rätz
Dr. Zippe
600
9 773
Deutsch Brod
Dr. Havel
500
6 526
Prag
1. Dr. Holeöek, F.
1000
225 778
»
2. Dr. Pokorn^, L.
1000
n
3. Dr. Mazanek, J.
1000
n
4. Dr. Mouöka
1000
n
5. Dr. P&v, Jos.
1000
n
6. Dr. Panyrek, D.
1000
n
7. Dr. Hüttel, V.
1000
n
8. Dr. Nebesky, J.
1000
n
9. Dr. Janele, J.
1000
Mädohen>Oymn.
in Prag
In Mähren:
Frl.Dr.AnnaHonzihov&^
Prossnitz
Dr. Hrabal
1200
26 000
Eibensohitz
Dr. Klein
—
4081
\.Frl. Dr. Anna Honz&hoy& ist die erste Schulärztin und überhaupt die
erste Arztin in Prag.
In Hronov, Kladno und Eibensohitz sind die Stadtärzte fQr ihre
schulärztliche Inspektionen nicht remuneriert.
J. Zemak, Lehrer in N&chod.
115 35
Über die Tätigkeit der Sehnlänte in Leipzig berichtet der
sOdtisdie Yerwaltangsbericht:
Die Schulfirzte sind Yerpflichtet, während der Schulzeit monatlich
mindestens einmal in der 8chnle anwesend zu sein, nm daselbst mit dem
Direktor die etwa nötigen Besichtigungen Yorznnehmen nnd die von den
Lehrern präsentierten Kinder zu untersuchen. Diese Einrichtung hat sich
adir bewährt. Der Schularzt bleibt auf diese Weise im Zusammenhang
mit der Schule, und die Lehrer wissen, wann sie den Schularzt sprechen
können. Unter den Fällen, welche der Schularzt bei dieser Gelegenheit
20 untersuchen hat, befinden sich besonders nervöse und sehr blutarme,
ms ärmlichen Verhältnissen stammende Kinder. Besonders wenn An-
gehörige des Kindes bei der Untersuchung zugegen sind, gelingt es leichter,
▼ersteckte schwere nerröse Leiden (wie laryierte Epilepsie u. dgl.) zu
diagnostizieren, öfters ist es auch durch die schulärztliche Untersuchung
möglich, psychisch abnorme Kinder als solche zu diagnostizieren und eine
zweekm&fisige Behandlung zu veranlassen. Frfiher wurden eine Menge
Kinder, die an der Grenze des Schwachsinns standen, mitgeschleppt zum
Schaden des gesamten Unterrichts, jetzt werden dieselben rechtzeitig aus-
gesdiieden oder zurückgestellt. Häufiger als frflher werden die Schulärzte,
wie aus ihren Jahresberichten hervorgeht, jetzt auch zur Beurteilung solcher
Kinder herangezogen, welche die Schule längere Zeit ohne genügenden
Grund Tersäumen. Seltener hat der Schularzt Kinder wegen Ungeziefers,
wegen Verletzungen u. dgl. zu untersuchen,
Diefrflhere Berechtigung des Schularztes, bei den jährlichen Begehungen
der Schulgrundstttcke durch Beamte des Hochbauamtes behufis Feststellung
der erforderlichen sanitären Verbesserungen und deren Einstellung in das
Jahresbudget anwesend zu sein, ist ihnen in der neuen Dienstordnung zur
Pflicht gemacht. Der Vorteil dieser Bestimmung kommt wiederum allen
Beteiligten zugute. Direktor, Schularzt und der Beamte des Rates tauschen
bei dieser Gelegenheit ihre Ansichten aus, und der Schularzt ist in der
Lage, seinen Einflufs in genflgender Weise zur Geltung zu bringen. In
Betracht kommen dabei, abgesehen von Neuanstrich einer Anzahl Klassen-
zimmer, Ersetzung unzweckmäßiger Schulbänke, Öfen, Vorhänge u. dgl.
durch bessere, Verbesserung der Abortanlagen, Anbringung von Klapp-
fenstern u. a.
Den Fragen von allgemeiner hygienischer Bedeutung, wie Ventilation,
Heizung, Schulzimmerreinigung wird seitens der Schulärzte fortgesetzte
Aufinerksamkeit gewidmet.
Über angeborene Wortblindheit referierte im Verein der Beriiuer
Schulärzte Dr. Seydel. Es vnrd — fflhrte der Vortragende aus —
Aber die in der englischen und holländischen Literatur beschriebenen Fälle
von angeborener Wortblindheit berichtet. Mit diesem Namen wird ein
Defekt in der geistigen Beanlaguug bezeichnet, der sich als einzig nach-
weisliche Störung darin äuisert, dafs die Einprägung der Schriftzeichen
(und zwar nur der Buchstaben, nicht der Ziffern) in das Gedächtnis und
die Yertiindnng eines bestimmten Lautbegriffes mit den entsprechenden
Schriftzeichen erschwert oder unmöglich ist. Da die Sinnesorgane und
der motorische Apparat normal funktionieren, können Schriftzeichen zwar
36 116
nachgemalt, aber nicht ans don GMächtnis oder aof Diktat geschrieben,
und geschriebene nicht richtig erkannt werden. In den selteneren schweren
Fällen ist das Erlernen der Buchstaben und damit des Lesens nnd
Schreibens überhaupt unmöglich. In den leichteren werden schließlich
die Buchstaben als solche dem Gredftchtnis eingeprägt, aber beim Lesen
wie beim Schreiben ist das Zusammenfügen der Buchstaben zu Silben und
Worten unmöglich oder doch erschwert. Das Erfassen und Einprägen
der Wortbilder der Schrift in das Gedächtnis ist in höherem oder ge-
ringerem Grade beeinträchtigt und damit auch die Fähigkeit, fliefsend und
mit Verständnis zu lesen oder zu schreiben. — Wahrscheinlich handelt
es sich hierbei um einen angeborenen Defekt im Bereiche der nervösen
Zentralapparate (Schriftbahn). — Die Prognose scheint in schweren Fällen
nngflnstig, in den leichteren gflnstig zu sein. Die Therapie hat in lange
fortgesetzten systematischen Übungen zu bestehen.
Professor Dr. A. Habtmann- Berlin.
Über die Bfickgraf sverkrBmman^en des schnlpflichfigen Alten
sprach im Verein der Berliner Schulärzte Dr. Biebalski. Vortragender
bespricht in grofsen Zügen, von der Physiologie der Wirbelsäule aus-
gehend, die pathologische Anatomie und klinische Pathologie der habituellen
Skoliose und an der Hand der Einteilung von Schanz (Statische Leistungs-
fähigkeit — Statische Inanspruchnahme) die Ursachen dafür, namentlich
die Schreibhaltung, über deren ursächlichen Einflub auf die Bildung der
„Schulskoliose" noch immer keine Einheitlichkeit der Meinungen bestehe.
Fraglos sei sie nicht die einzige, wahrscheinlich nicht einmal die hauptsäch-
lichste Ursache. Vielmehr stehe es wohl so, dals die Kinder aus vielfachen
hygienischen und sozialen Gründen die Disposition zur Skoliose mitbrächten,
für deren Ausbildung die Schule die Gelegenheitsursache abgebe. Der
Wert der schalärztlichen Tätigkeit bestehe darin, dafs die Skoliose sehr
früh entdeckt werde, d. h. zu einer Zeit, wo sie noch grofse Chancen
der Heilung habe, und dais durch ständige Überwachung die Indolenz der
Eltern überwunden werde. Für Berlin läge die Hauptschwierigkeit in den
weiten Wegen der Kinder zu den Polikliniken und in der ÜberfüUnng
der meist in einem Stadtviertel gelegenen Institute. Es müsse angestrebt
werden, dafs ein Teil der Behandlung der leichten Fälle durch einfache
Widerstandsapparate, orthopädisches Turnen und Selbstredression, die der
Vortragende an mehreren Kindern nach der HoFFAschen Methode demon-
striert, von den Schalen in der Form übernommen werde, da(s die
Skoliotiker in besonderen Turnstunden, unter Aufsicht hierfür geschulter
Kräfte, übten. Auch die Massage könne bei vielen Fällen getrost den
Müttern überlassen werden. Die Tätigkeit des Schularztes bezw. Ortho-
päden habe darin zu bestehen, die nicht sich bessernden Fälle durch
laufende Kontrolle auszumerzen und der spezialärztlichen Behandlung zu-
zuweisen. Vorträge an Elternabenden mü&ten die Kenntnis von der Be*
deutung einer rechtzeitigen Behandlung der Skoliose verbreiten. Da es in
Berlin mindestens 20000 skoliotische Volksschulkinder gebe, so wäre hier
ein Arbeitsgebiet von gröfster volkshygienischer nnd sozialer Bedeutung.
Zur Kenntnis der Schnlskoliose und ihrer Behandlungsfi&higkeit wäre es
wünschenswert, in jeder Volksschule eine Klasse durch einen ganzen Lehr-
117 37
gang, d. h. aeht Jahre, regelin&isig zu nntersachen. Das wflrden bei
200 Yolksachiüen mit etwa 200000 Kindern nngefthr 6—10000 fort-
lanfend Untersuchte sein. Diese Statistik wftre frei von dem Vorwurfe,
da(s die Skoliosen weder Tor noch nach ihrem Entstehen untersucht seien.
Professor Dr. Abthub HABTMANN-Berlin.
Zur Schnlarztflrace in Württemberg. In seinem auf der 22.
LandesYersammlung des Wtirttemhergischen ärztlichen Landesvereins in Ulm
am 22. Juni ▼. J. aber die Schularztfrage in Wtlrttemberg erstatteten
Beferat kommt Medizinalrat Dr. ENGELHOBN-Gröppingen zu folgenden von
ihm ausführlich begründeten Schlufss&tzen :
„1. Die Schularztfrage ist spruchreif, und jede unnötige Verzögerung
ihrer Lösung bedeutet eine Schädigung der Volksgesundheit.
2. Das Bedürfnis der Anstellung von Schulärzten ist für alle Schulen,
namentlidi auch für die Volksschulen auf dem Lande, vorhanden und durch
den Gesundheitszustand der Schüler begründet.
3. Die Überwachung der gesundheitlichen Verhältnisse des Schul-
gebändes und der Schuleinrichtungen kann wie bisher den Oberamtsärzten
übertragen werden.
4. Die übrigen Aufgaben der Schulärzte, und zwar a) die Beaufsich-
tigung des Vollzuges der über Hygiene des Unterrichts und der Unter-
richtsmittel erlassenen Vorschriften ; b) die Obsorge für die Gesundheit des
Schulkindes, sind besonderen hygienisch vorgebildeten Schulärzten zu über-
tragen.
5. Die ärztliche Standesvertretung in Wtlrttemberg kann auf Grund
Yon § 10 der Ministerialverfügung vom 30. Dezember 1875 erwarten,
dais die gesetzliche Regelung der Schularztfrage nicht erfolgt, ohne dab
dem Landesausschusse Gelegenheit gegeben ist, sich über eine solche
Anordnung in betreff der öffentlichen Gesundheitspflege gutachtlich zu
äuisem."
In der Debatte über den Vortrag teilte Medizinalrat Dr. Scheublbn,
Mitglied des Medizinalkollegiums in Stuttgart, mit, dafs die Schularzt-
angelegenheit in Württemberg gegenwärtig in voUem Flusse sei, da zurzeit
ein Meinungsaustausch zwischen den Ministerien des Innern und des Kirchen-
und Schulwesens stattfinde. (j^Zeitschr, f, Meämmlb.^, 1904, Nr. 24.)
Ffir den Bernfsschnlant spricht sich eine Einsendung von ärzt-
licher Seite im y^Qenerdkmeeiger^ der Stadt Mannheim usw. aus.
So lange wir noch keine besonders vorgebildeten Schulärzte haben
— heifst es daselbst — , wird man praktische Ärzte anstellen müssen;
und sie werden sich nun Schritt für Schritt in all die schwierigen Auf-
gaben ihrer Stellung einzuarbeiten haben. Aber auch sie sollen Schulärzte
und nur Schulärzte seinl Jede Verquickung des schulärztlichen Berufs
mit Privatpraxis ist vom Übel, ist ein Sehritt auf die schiefe Ebene. Der
Sdiularzt darf kein Interesse haben, das über oder auch nur neben dem
Interesse an seinem Berufe stände. Und diese erste Vorbedingung trifft
nur auf den Berufsschularzt zu. Was ich hier dargelegt habe, ist so
wenig ein Phantasma, dafe es vielmehr nur die einzige (im Prinzip einzige)
mögliche Lösung der Sohularztfrage in einem alle Teile befriedigenden
mid fördernden Sinne bedeutet. Für grolse Städte wird ein Schularzt
88 118
natttriich nicht genflgen. Man wird dort mehrere braachen. Und ob dann
^elleicht eine Arbeitstdlnng nach Scholstofen sich entwickeln wird, derart
aho, dab einer die Yolksschole, einer die Mittelscholen flbemimmty daft
endfich die Hfldchenscholen einer Schnlftrztin unterstellt werden (was bei
den besonderen Schädigungen, die in gewissen SchnQahren dem weiblichen
Organismus drohen, dringend zn wünschen wäre), das wird ja die Zeit
lehren. Je freier man diese Möglichkeiten der Entwicklung flberlälst, je
weniger man sie von vornherein schablonenhaft einzwangt, desto besser
wird die ganze Sache gedeihen.
lUferate ihn neu erfdiieiinte fd|iilatjtlid|e 3al|reBberid|te.
Wir bitten, nen erschienene, sohalürstliohe Jahresberichte direkt an
unteren Bearbeiter derselben, Herrn Stadtant Dr. Okbbxckb, Breslau, Nikolai-
stadtgraben, übereenden sn wollen. D. Bed.
SchnlinfUeher Jahresbericht der Stadt Chemnitz 1903/04.
In Chemnitz sind jetzt beschäftigt 10 Schulärzte an 28 Schulen mit
32506 Schulkindern.
Der Chemnitzer Bericht enthält sehr ansf&hrliche und wichtige Tabellen,
welche ich durch die folgenden Auszüge in ihren Hauptpunkten wiedergebe.
Der Vergleich dieser Tabellen mit denen anderer Jahresberichte zeigt, wie
noch in jeder Stadt eine besondere Klassifikation der Schulkrankheiten ge-
handhabt wird. Solange hier aber keine Einigung erzielt ist, ¥nrd eine
gemeinsame, zusammenfassende Statistik nicht möglich sein. Der beste Weg,
um hier eine Einigung vorzubereiten, wird der sein, eine Yergleichung der
▼erschiedenen Klassifikationen der Schulkrankheiten zu ermöglichen. Ich
werde deshalb die in den größeren schulärztlichen Betrieben gebräuchlichen
Klassifikationen bezw. Tabellen hier sukzessive zusammenstellen.
Die Lemanfängeruntersuchungen in Chemnitz waren folgende:
Knaben 2380, davon höh. Abt. 157, mitti. Abt. 621, einf. Abt. 1602
MÄdchen 2447, „ „ „ 82, „ „ 433, „ „ 1932
Den vorgefundenen „Status der Anfänger^ zeigt nebenstehende Tabelle.
Es ergibt sich aus dieser Tabelle folgende absteigende Skala der
Durchschnitte bei den Lemanfängem :
Herabgesetzte Sehleistung 18,6%, Konstitutionsanomalie 15,3%,
Knochensystem 7,6%, einfache Herzstörung 6,t)%, einfache Luugen-
erkrankung 5,2%, herabgesetztes Hörvermögen 3,57o, Angenerkrankungen
3,27o.
AufßÜlig sind in dieser Altersklasse (sechs Jahre) die häufigen funktio-
nellen HerzstöruDgen ; Tuberkulose scheint in diesem Alter selten zu sein.
Alle diese Befunde decken sich im wesentlichen mit den Resultaten
der beiden Vorjahre.
119
39
Klassifikation
der Scbnlkrankheiten (Vo)
Knaben-
abteilungen
Madchen-
abteilungen
höhere
mittL
einf.
höhere
mita
etn£
Allgemeine
Korper-
beschafienheit
gnt 36,3
mittel 62,4
schlecht 1,3
32,2
64,3
3.6
26,1
70,2
3,7
43,9
66,1
83,3
66,1
1.6
86,4
70,1
4,5
Longe
einf. Erkrankung 1,8
ernste „ —
7,7
0.6
6,3
0,4
3,6
7.8
0,5
0,4
Hers
einf. Störungen . .
Herzfehler
7,6
1,3
6,1
1,3
6,5
2,3
10,9
3.6
7,8
0,9
7,0
2,6
Brache
—
5,1
2,7
2,6
—
—
8,0
Hant-
erkrankangen
—
4,4
4,0
4.6
2,4
4,1
6,8
Knochensystem
Wirbelsäule
Brustkorb
Olieder
5,1
10,2
1,3
6,6
12,0
2,9
6,9
8,6
3,4
18,2
1,2
2,4
9,9
8,9
2,1
7,3
6.1
8.1
Auge
Erkrankungen . . .
yermind. Sehleistg.
Schielen
1,3
15,9
4,4
2,4
13,1
2,1
3,4
17,4
1,7
2,4
9,7
1.2
2.8
19,1
2,5
3,8
21.4
1,6
Ohr
Erkrankungen . . .
Herabsetzung des
H5nrermögens .
0,6
3,6
0,6
3,4
1,2
3,1
1,2
1,1
3,2
1,1
3,6
Nase, Mnnd
—
18,2
5,0
11,0
6,0
5,3
10,2
Nase, Mnnd
Wucherungen im
Nasenrachenraum
11,5
10,3
12,6
3.6
8.B
11,4
Stammeln
—
—
—
—
—
—
—
Stottern
—
—
—
—
—
—
—
Konstitations-
anomalien
(Anämie, Chlorose,
Skrofulöse)
9,6
14,8
13,4
10,9
18,0
17,2
NervoDsystem
—
1,3
1,1
—
—
1,1
1,2
Lymphatisches
System
(Drüsen)
14,0
6,0
7,7
6,0
9,7
—
Bei den übrigen Schfllem wurden 2500 Untersnchongen in der Sprech-
sUmde gemacht ; hier fiel die Häufigkeit der Angenmnskelschwäche and der
Henstörongen bei den Mädchen auf.
40
120
lOtteilangen an die Eltern fanden statt 2400, davon 980 fftr Lern-
anftnger.
In scbnlftrztlicher Überwachung waren im ganzen 3676 Schiller, dayon
557 Lemanf&nger.
Vorschlage an die Schule wurden bei ca. 10 Vo der Untersuchten gemacht.
In jeder Schule wurden durchschnittlich 22 Sprechstunden abgehalten.
Schul&rztliche Kontrollbesnche bei Infektionskrankheiten in der Wohnung
kamen 354 mal vor.
Vier Konferenzen der Schulärzte fanden im Berichtejahre statt.
Dem Antrag der Konferenz entsprechend wurde Stottererunterricht ftkr
Kinder von 11 bis 14 Jahren eingerichtet.
Durch Einstellung neuer Schulärzte wurde die Zahl der Schfller pro
Arzt auf 2300 reduziert. Dr. ÜEBBECKE-Breslau.
Schulärztlicher Jahresbericht der Stadt Magdeburj^ 1903/04.
Derselbe ist dadurch besonders interessant, dals hier ausführliche Zu-
sammenstellungen über spezialärztliche Untersuchungen gegeben
worden sind. Magdeburg hat neben den allgemeinen Schulärzten einen
Ohrenarzt und zwei Augenärzte für einen Nord- und SQdbezirk angestellt.
Die Fälle werden ihnen von den Schulärzten überwiesen.
Ich fahre die Resultate fär die beiden Bezirke nebeneinander an:
An-
Sfldbezirk
Nordbezirk
zahl
(282 Mfidchen, 201 Knaben)
Myopie
Myopiaoher Aatigmatismus
615
47
Kurzsichtigkeit = 80Vo . . |
68Knab.
64 Mdch.
Hypermetropie (Übersicbtigkeit)
Hypermetropisoher Astigmatismus
65
97
Übersichtigkeit = 40 Vo . . |
64 Knab.
129 Mdch.
Strabismus (Schieleu) convergens
58
Scbwachsichtigkeit durch f
Hornhautnarben = 17 Vo \
87 Knab.
„ ( „ ) divergens.
14
45 Mdch.
Gemischter Astigmatismus
BrkraDkangen der Lider und
9
Der Rest der Überwiesenen
Bindehaut (davon Folliknlär-
(13 %) hatte normaleAugen.
katarrh 10)
57
2
Sie litten jedoch an äufseren
Augenaffektionen usw.
Trachom (Kömerkrankheit)
Erkrankung der Hornhaut
79
n » liinse
7
„ „ Aderhaut
2
„ „ Sehnerven
4
„ „ Regenbogenhaut
5
Nystagmus (Augenzittern)
9
Ptosis (Bewegliohkeitsstörung des
oberen Lids)
1
Bpicanthus (Faltenbildung am
inneren Augenwinkel)
2
Anophtalmns (Fehlen des Aug-
apfel«)
1
121
41
AugeDftrztliche ÜberweisoDgen fanden statt im Nordbezirk 778, darunter
€26 zum ersten Male, und im Südbezirk 483. Die Klassifikation der
Angenerkranknngen bei den beiden Schul angenftrzten zeigt vorlänfig
noch keine Übereinstimmung, während dies gewifs sehr wflnschenswert wäre.
Über 300 Kinder wurden durch Verordnung von Brillen wieder
normal schulfähig gemacht.
Bei den Untersuchungen des Schulohrenarztes ergaben sich folgende
Resultate:
Überwiesen wurden 338 Schulkinder.
Ghron. Mittelohrkatarrh 161
9 Mittelohreiterung 80
Resten alter Mittelohrentzflndung . . . 64 „
Sonstigen Leiden des äufseren und
inneren Ohres 20 „
Chronischem Nasenkatarrh .... bei 157 Kindern
Yergrdsenmg der Gaumenmandeln »126 «
Es litten an:
Kinder (davon 121 doppelseitig)
(
18
28
114
„ „ Rachenmandeln
und adenoide Wucherungen . . „ 263 „
Sonst. Leiden d. Nase u. d. Rachens „ 13 ,,
Chron. Kehlkopikatarrh „ 7 „
Sonstigen Krankheitszuständen . . „ 2 „
Ohne Krankheitsbefand ^ 4 „
Die Tabellen Aber die Neuaufgenommenen ergeben folgendes:
Allg. Körper-
beschaffenheit
(Dnter8acht2818)
gat
mittel
schlecht
1003
1679
136
Brechungs-
zustand d. Augen
(1089)
normal
weitsichtig . . .
kurzsichtig . . .
940
89
60
Geistige
Entwicklung
(2333)
normal
zuruckgeblieb.
defekt
2171
140
22
Krankheiten
und Anomalien
des Nasen-
rachenraums
und der Nase
—
381
Bleichsucht...
Tuberkulose..
Skrofulöse ...
Syphilis hered.
Epilepsie usw.
Rachitis usw..
263
16
466
2
85
Konstitntions-
krankheiten
(831)
Krankheiten
und Anomalien
der Mundhöhle
—
122
Gebifs (1827)
gut
schadhaft
schlecht
524
Körperliche Ge-
brechen (151)
Verkrümmung
Unterleibsbruch
103
48
631
672
Gehör (2126)
gut
schwach
schwerhörig . .
1955
114
57
Organleiden
(156)
Herz
Lunge
andere
30
89
37
Sehnihigkeit
(2210)
normal
mittel
ungenügend . .
1918
186
106
Sonstige
Anomalien
—
110
42 122
Zahl der Nenanfgenoinineiien 2967 (Darchschnittsalter sechs Jahre).
Zmn Scholbesach wurden zugelassen 2923 \
« « j, bedingt zugelassen 31 > 2967
Durch ScholSrzte vom Besuch aasgeschlossen 13 j
Vor der Einschulung wurden auf Grund priyatArztlicher
Atteste zurückgestellt 689
Dr. OEBBECKE-Breslau.
Diettßorbttititsett f«r Jd|itlar;te.
Dienstordnug Ar die Schnlänte n St. Johann a. d. Saar.
§ 1. Die Schulärzte haben die Aufgabe:
1. bei der Überwachung der gesundheitlichen Verhältnisse der Geb&ude
und Einrichtungen der St. Johanuer Volksschulen mitzuwirken und
2. den Gesundheitszustand der Kinder in diesen Schulen ständig zu
flberwachen.
Sie sind verpflichtet, alle in diese Aufgabe fallenden Aufträge aus-
zufahren.
§ 2. Zum Zweck gleichmäßiger Behandlung dieser Aufgaben werden
in gröberen Zwischenräumen, mindestens aber dreimal im Jahre, Be-
sprechungen mit den Schulärzten von dem Vorsitzenden des Schulvorstandes
abgehalten. Zu diesen Sitzungen kann der Kreisarzt eingeladen werden.
§ 3. Die Schulärzte haben mindestens einmal im Sommer und einmal
im Winter sämtliche Räume der ihnen tkbertragenen Schulen einschliefslich
der Turnhallen, der Schulhöfe, Abortanlagen usw. einer genauen Besichtigung
zu unterziehen.
Aufserdem hat der Schularzt öfters jede der ihm zugewiesenen Schulen
zu besuchen, hierbei aber mit dem betr. Rektor Aber die in der Schule
herrschenden allgemeinen Gesundheitsverhältnisse Rflcksprache zu nehmen
und durch Besuche der Schulräume, vor allem auch der Unterrichtsräume,
die jedoch während des Unterrichts nur im Einverständnis mit dem Rektor
durch die Schulärzte besucht werden dürfen, sich von der richtigen Hand-
habung aller zur Gesundheit der Lehrer und Schüler getroffenen Ein-
richtungen und Anordnungen zu überzeugen.
Die hierbei gemachten Beobachtungen Ober die Beschaffenheit der zu
überwachenden Gegenstände, sowie über Handhabung der Reinigung,
Lüftung, Heizung, Beleuchtung usw. und die etwa an diese Beobachtungen
sich anschließenden Vorschläge sind alsbald dem Rektor der betr. Schule
schriftlich mitzuteilen.
Endlich haben die Schulärzte dem Stadtbauamt vor Beginn der
Sommerferien etwaige Wünsche und Vorschläge zum nächstjährigen Bau-
bedürfnisstand der ihnen übergebenen Schulen einzureichen und bei der
123 43
im November behafe Stellang von Anträgen zam Banbedflrfnisstand vor-
zonehmenden Besichtigung der Schale dem Vorstand des Stadtbaoamts
anheimzostellen zagegen zu sein.
§ 4. Die Schulärzte haben die neu eintretenden Schüler genau auf
ihre Körperbeschaffenheit und ihren Gesundheitszustand zu untersuchen und
festzustellen, ob sie einer dauernden ärztlichen Überwachung oder besonderer
Berücksichtigung beim Unterricht bedürfen, wie Anweisung eines besonderen
Sitzplatzes mit Rücksicht auf Gresichts- oder Gehörfehler, Befreiung vom
Unterricht in einzelnen Fächern, wie Turnen und Singen.
Die erste Untersuchung der neu eintretenden Kinder durch den
Schularzt hat baldmöglichst zu geschehen, und zwar auf Grund eines
Formulars (Gesundheitsscheins, s. unten § 6), in welches der betr. Klassen-
lehrer die Personalien der Schüler, sowie die an ihnen vorgenommenen
Messungen und Wiegungen bereits eingetragen hat.
Die Untersuchung, bei welcher, wenn möglich, ein Zeugnis eines
Arztes betr. überstandene Krankheiten, allgemeine Konstitution usw. mit
vorgelegt werden soll, ist in der Weise vorzunehmen, dafs die Kinder
gmppenweise in Anwesenheit des Lehrers, soweit Mädchen in Frage
kommen, in Anwesenheit einer Lehrerin, dem Schularzte vorgeführt werden.
Die Kinder haben einzeln und unmittelbar vor der Untersuchung Ober-
körper, sowie die Beine vom Knie abwärts und die Füfse zu entblöisen.
Die Untersucbungsergebnisse werden in den Gesundbeitsschein ein-
getragen. Von etwa gefundenen Krankheitszuständen sind die Eltern
mittels vorgedruckten Formulars durch den Schularzt zu benachrichtigen;
doch hat letzteres nur zu geschehen bei ernsten, wichtigen Erkrankungen,
wo das Interesse des Kindes oder der Schule es erfordert, und insbesondere
wenn nicht anzunehmen ist, dafs die Eltern von denselben schon Kenntnis
haben.
Von dieser Untersuchung ist dann abzusehen, wenn die Eltern vor
dem Untersuchungstermin dem betreffenden Klassenlehrer einen Antrag auf
Unterlassung der Untersuchung einreichen und gleichzeitig ein ärztliches
Zeugnis über die Körperbeschaffenheit und den Gesundheitszustand bei-
§ ö. Über jedes neu eintretende Kind ist ein dasselbe während
seiner ganzen Schulzeit begleitender „Gesundbeitsschein" auszufüllen.
Erscheint ein Kind einer ständigen ärztlichen Überwachung bedürftig, so
ist der Vermerk: „ärztliche Beobachtung^ auf der ersten Seite des
Gesundheitsscheins oben rechts zu machen.
Die Spalte betr. „allgemeine Konstitution" ist bei der Aufnahme-
ontersuchung für jedes Kind auszufüllen, und zwar nach den Kategorien
»gat, mittel, schlecht**, das Wort „gut" ist nur bei vollkommen tadellosem
Gesundheitszustand, „schlecht" nur bei ausgesprochenen Krankheitsanlagen
oder chronischen Erkrankungen zu wählen.
Die anderen Rubriken der ersten Seite des Gesundheitsscbeins werden
Ton dem Schularzt nur ausgefüllt, wenn irgend etwas Abnormes hier zu
Yerzeichnen ist.
Dagegen sind Spalten 3 und 4, Gröfse und Gewicht, bei der Auf-
nahme wie später, etwa in der Mitte eines jeden Halbjahres, in allen
44 124
FftUen, und zwar von dem Klaflsenlehrer anszofUlen, mit Abrandnng auf
Vi cm uid V« kg.
Ebenso ist auf Seite 2 des GesQndheitsscheines die zweite, dritte mid
vierte Spalte (Aagen uid Sehschärfe — Ohren und Gehör — Beschaffenheit
der Zähne nnd Mundhöhle) bei allen neu eintretenden Kindern ansznfflllen
und zwar von dem Schularzt.
Die Gesundheitsscheine sind in den betr. Klassen in einem dauer-
haften Umschlage aufzubewahren und bleiben, solange sie nicht von dem
Schulvorstand eingefordert werden, in der Schule.
Die Scheine mit dem Vermerk: „ärztliche Beobachtung" sind dem
Schularzt bei jedem Besuch in der Klasse Torzulegen.
Tritt ein Kind in eine andere hiesige Schule Aber, so ist sein Ge-
sundheitsschein dahin durch den Rektor zu flbersenden.
Tritt ein Kind nach beendeter Schulpflicht oder yor dieser Zeit wegen
Wegzugs, Kränklichkeit oder dergl. gänzlich aus hiesigen Schulen aus, oder
tritt es in eine höhere Schule Ober, so ist sein Gesundheitsschein dem
Bflrgermeisteramt nach Schlufs des Halbjahres einzureichen.
§ 6. Alle 14 Tage — wenn ansteckende Krankheiten auftreten,
jederzeit auf Ersuchen dos Rektors — hält der Schularzt an einem mit
dem betr. Rektor yorher yerabredeten Tage, woyon auch gegebenenfalls
dem Kreisarzt Kenntnis zu geben ist, in der Schule Sprechstunden ab, und
zwar in einem von dem Rektor bestimmten geeigneten Räume. Die Zeit
derselben ist für Sommer und Winter festzusetzen.
Die erste Hfilfte der Sprechstunde dient zu einem je 10 bis 15 Minuten
dauernden Besuch von drei bis fünf Klassen während des Unterrichts, und
zwar in Begleitung des Rektors. Bei diesen Besuchen werden sämtliche
Eonder der betr. Klassen einer äufseren Besichtigung unterzogen; bei be-
sonderen, zu sofortiger Besprechung geeigneten Beobachtungen wird yon
dem Lehrer Auskunft erfordert und ihm solche auf Verlangen erteilt.
Erscheinen hierbei einzelne Kinder einer genaueren Untersuchung bedflrftig,
so ist diese nachher in dem ärztlichen Sprechzimmer yorzunehmen.
Gleichzeitig dienen diese Besuche auch zur Besichtigung der Schul-
räume und deren Einrichtung, sowie zur Kontrolle Aber Lflftung, Heizung»
körperliche Haltung der Schulkinder u. dergl. (s. oben § 3), wobei yon
dem Arzte erwartet wird, da(s er hierbei jedes Blofsstellen eines Lehrers
yor seiner Klasse in taktyoller Weise yenneidet.
§ 7. Die zweite Hälfte der Sprechstunde dient dazu, etwa erforder-
liche genauere Untersuchungen einzelner Kinder yorzunehmen, soweit an-
gängig in Gegenwart des betr. Klassenlehrers, soweit Mädchen in Frage
kommen, in Anwesenheit einer Lehrerin. Auch sind hierbei Kinder aus
anderen, an dem Tage nicht besuchten Klassen, jedoch nur in wirklich
dringenden Fällen, besonders beim Verdacht auf ansteckende Ejrankheiten,
dem Schularzt yorzufdhren.
Die Gesundheitsscheine aUer zur Untersuchung yorgefährten Kinder
sind yon dem Klassenlehrer dem Schularzt yorzulegen.
Die ärztliche Behandlung erkrankter Schulkinder durch die Schulärzte
ftllt nicht, falls dieselbe yon den Eltern gewflnscht wird, unter die durch
Vertrag mit der Stadt yereinbarten Pflichten derselben.
125 4b
§ 8. Anliser diesen regelm&Cngen Untenmcliiingen haben die Schul-
iBte, wenn sie Ton den Rektoren oder dem Schnlvorstand dazn aufgefordert
werden, anfeerordentliche üntersachnngen nnd Begotachtongen Torznnebmen:
1. nm, falls die Eltern kein anderweites genügendes ärztliches Zeugnis
beibringen, festznsteüen, ob Schnlversänninis gerechtfertigt ist, ob eine
ansteckende oder ekelerregende Krankheit bei einem Kinde vorliegt,
ob Kinder, welche an ansteckenden Krankheiten gelitten haben, ohne
GefUirdnng der Mitschüler zum Schnlbesnch wieder zugebissen werden
können;
2. um zu begutachten, ob eine nachgesuchte Befreiung von einem oder
mehreren UnterrichtsgegenstAnden vom ibrztlichen Standpunkt zu emp-
fehlen ist;
3. um zu bestimmen, ob ein Kind infolge Schwächlichkeit oder Krankheit
Ton der Benutzung der Schulbftder auszuschlie&en ist;
4. um auf Antrag eines Lehrers zu begutachten, ob f^ ein Kind wegen
Schwachsinns die Au&ahme in die HiUsschule oder wegen Stottems
die Zulassung zu den Stottererkursen empfohlen oder ob ein schwäch-
liches Kind dem Verein für Ferienkolonien zur Berücksichtigung vor-
geschlagen werden soll.
Wenn diese Untersuchungen in der Schule nicht stattfinden können, soll
der Schularzt yerpfiichtet sein, sie in dem Hause der Eltern vorzunehmen.
Bei all den vorerwähnten Untersuchungen haben die Schulärzte
strengste Rücksicht auf die behandehiden Ärzte zu nehmen. Sie haben es
sidi zum Grundsatz zu machen, in allen den Fällen, wo behandelnde Ärzte
ngezogen wurden, nur im Einvernehmen mit diesen eine Untersuchung
Tomuiehmen bezw. ein Zeugnis auszustellen.
§ 9. Bei dem Auftreten einer ansteckenden Krankheit in einer Schule
to der Schularzt die Schule häufiger zu besuchen, namentlich auch, um
dmaf zu achten, dafe von der Krankheit ergriffene oder derselben ver-
dichtige Kinder frühzeitig aus der Schule entfernt werden, und daCs den
§§ 2, 3 und 6 des lünisterialerlasses vom 14. Juli 1884, betr. „Yer-
l^fltmig der Übertragung ansteckender Krankheiten durch die Schulen **, so-
wie dem Ministerialerlafs vom 20. Mai 1898, betr. „Verhütung der Über-
tragung ansteckender Augenkrankheiten durch die Schulen^, in allen Fällen
tttqnrochen werde. Die im § 5 des ersterwähnten Erlasses geforderte
Anzeige, jede Ausschlielsung eines Kindes vom Schulbesuche wegen an-
steckender Krankheit, hat durch den Rektor zu geschehen.
Im übrigen haben die Schulärzte sich jeder Anordnung zu enthalten,
& nach den vorgenannten Ministerialerlassen dem Kreisarzt vorbehalten ist.
§ 10. Die Schulärzte haben von dem Ergebnisse ihrer Beobachtungen^
soweit nötig, den Rektor, eventuell auch den Schulvorstand und den Kreis-
*nt in Kenntnis zu setzen. Ein Recht zu selbständiger Anweisung an
& Bektoren oder Lehrer, sowie an die Schulbediensteten haben die Schul-
de nicht.
Glauben sie, dafs den von ihnen in bezug auf die Behandlung der
Kinder oder der Hygiene der Schulräume gemachten Vorschlägen nicht in
genOgender Weise Rechnung getragen wird, so haben sie ihre darauf be-
z^lglichen Beschwerden in erster Linie an den Schulvorstand zu richten.
46 126
§ 11. Die Schulärzte haben Aber die amtlichen Yorkommmsse ein
Tagebach zn führen und über jede Schale ein Aktenstück zn halten,
welches einen leichten Überblick Aber alle in gesnndheitlicher Beziehung
wichtigen Einrichtangen and Verhältnisse der Schale ermöglicht. Dasselbe
ist Eigentam des Schalvorstandes and geht im Falle des Rfldctritts eines
Schalarztes aaf dessen Nachfolger ttber.
Die Schalärzte haben bis spätestens 15. Mai Aber ihre Tätigkeit in
dem abgelanfenen Schaljahr einen schriftlichen Bericht dem Scholyorstand
einznreichen. Derselbe hat diese Einzelberichte, mit einem knrzen über-
sichtlichen Gesamtbericht bis spätestens 15. Jani der Stadtverordneten-
versammlang vorzalegen. Die Berichte der Schalärzte sind nach einem
festzasetzenden Schema abznfassen.
In besonderen Fällen kann der Schalvorstand auch aaber dieser Zeit
von den Schulärzten eine mttndliche oder schriftliche Berichterstattnng ein-
fordern.
§ 12. Massenantersachangen von Schnlkindem znm Zweck der Lösung
hygienischer oder rem wissenschaftlicher Fragen dflrfen von den Schal-
ärzten wie von anderen Ärzten nnr mit Zustimmung des Schulvorstandes
vorgenommen werden.
§ 13. Die Schulärzte sind verpflichtet, sich gegenseitig ohne Ver-
gütung zu vertreten.
Will ein Schularzt aufserhalb der Zeit der Schulferien auf länger als
eine Woche die Stadt verlassen, so hat er mindestens acht Tage vor seinem
Weggang dem Bürgermeister hiervon schriftlich Mitteilung zu machen.
Das Gleiche hat zu geschehen, wenn ein Schularzt voraussichtlich für einige
Zeit durch Krankheit verhindert ist, seinen Dienst zu versehen.
Der Bürgermeister bestimmt die Stellvertretung.
Dauert die Vertretung länger als vier Wochen, so kann der betr.
Arzt verlangen, dafs nunmehr ein anderer Arzt mit der Vertretung beauf-
tragt werde.
§ 14. Für ihre Mühewaltung erhalten die Schulärzte ein am Ende
jeden Vierteljahres zu zahlendes Jahreshonorar von je 500 Mark.
§ 15. Die Schulärzte werden von der Stadtverordnetenversammlung
auf unbestimmte Zeit bei gegenseitiger dreimonatlicher Kündigung gewählt.
Wenn ein Schularzt dauernd an der Erfüllung seiner Obliegenheiten
behindert sein, oder deren Erfüllung fortgesetzt vernachlässigen sollte, ist
der Bürgermeister berechtigt, ihn seiner Stellung als Schularzt ohne weitere
Gewährung des Honorars zu entheben.
§ 16. Der städtische Schulvorstand behält sich vor, diese Dienst-
ordnung nach Anhörung der Stadtverordnetenversammlung abzuändern oder
zu erweitem.
St. Johann a. d. Saar, den 1. Oktober 1899.
Der städtische Schulvorstand.
Iritfdirift fit SiliiilgtMlirttüillriir.
XVin. Jahrgang. 1905. No. 3 u. 4
(Drijtnalab^ttblitttjett.
Zur physisehen und geistigen Entwicklung des Kindes
wfthrend der ersten Schuljahre.
Von
Dr. Eduabd Qüibsfbld,
k. k. Oberbezirksarst in Bamburg.
Mit 17 Abbildungen im Text
Die Yor mehreren Jahren von mir durchgeführte Untersuchung
.Ton nahezu 8000 Schulkindern veranlafste mich, den Gang der
physischen xmd geistigen Entwicklung des Kindes von der Zeit
BeiBes Eintrittes in die Schule bis zu seinem Austritte aus derselben,
d. i. bis zu seinem vollendeten 14. Lebensjahre zu verfolgen und
diese Untersuchungen jedes Jahr im Monate Juli an denselben
Kindern zu wiederholen. Ich schlug diese individualisierende Methode
ZOT Verfolgung der Entwicklung einer Reihe von Kindern ein, um
Aufischlüsae über Krankheiten oder Krankheitsanlagen und über den
imgünstigen Einflufs dieser auf den Gang der Entwicklung des
Kindes zu gewinnen.
Wenn auch die Ergebnisse meiner Untersuchungen nichts
durchaus Neues bringen, so ergänzen und bestätigen sie doch die
bisher von anderer Seite festgelegten Daten.
Von den vorerst bis zum Schlüsse des vierten Schuljahres aus
6mem nur bescheidenen Untersuchungsmateriale gewonnenen Re-
sultaten soll hier eine vorläufige Mitteilung gemacht werden.
Die Mädchen wurden unter Belassung ihrer leichten Sommer-
Ueidung, die Knaben ohne Rock und Weste untersucht, beide ohne
Sehuhe gewogen, gemessen, und die Sehschärfe im Klassenzimmer
Sehnlgresnndheitopflegre. XVIII. 7
128
an einer hell erleuoliteten Wand unter Vorlage und Stellungs-
Veränderung des grolÜsen gedruckten E festgestellt, der Brustumfang
wurde während der Atempause gemessen.
I. K8rperläii];e.
Die Körperlänge des kleinsten seohqährigen Kindes betrug
98 om, die des gröDsten 127 cm. Die Körperlänge des kleinsten
zehnjährigen Eündes betrug 114 cm, die des gröüsten 150 cm.
Übersicht über die Grröfsenunterschiede der Kinder
im Alter von 6 — 10 Jahren.
Körpe
rlänge
Alter
Geschlecht
des
kleinsten
Kindes
des
grofsten
Kindes
Differenz
Jahre
cm
cm
cm
6
£Dabe
98
126
28
6
Mftdchen
98
127
29
7
Knabe
99
127
28
7
Mädchen
100
180
80
8
Knabe
106
183
28
8
Mädchen
104
185
81
9
Knabe
107
141
34
9
Mädchen
109
189
80
10
Knabe
114
145
• 31
10
Mädchen
111
150
89
Die kleinsten wie die gröfsten Knaben halten im Höhenwachstum
vom sechsten zum zehnten Lebensjahre ziemlich gleichen Schritt ; sie
wuchsen um 16 bezw. 18 cm. Bei den Mädchen konnte nicht die-
selbe Wahrnehmung gemacht werden, denn die kleinsten Mädchen
wuchsen durchschnittlich um 26, die gröfsten um 16 cm; es wuchsen
demnach die kleinsten Mädchen durchschnittlich rascher als die
Knaben und die gröfsten Mädchen.
Das durchschnittliche Wachstum der Untersuchten betrug in
den vier Schuljahren 15 cm, wobei die kleineren Kinder durch-
schnittlich um 13, die gröfseren um 23 cm gewachsen waren.
Ein Drittel aller sechsjährigen Kinder hatte eine Körperhöhe
zwischen 109 und 113 cm, ein Drittel aller zehnjährigen Kinder
hatte eine Körperhöhe zwischen 126 und 130 cm.
Nur 2,5 7o der untersuchten Kinder mit sechs bezw. zehn Jahren
erreichten eine Körperhöhe über 120 bezw. 140 cm.
129
In Figur 1 werden die Gröfsenverhältnisse der Kinder beim
Eintritte in die Schule, bezw. beim Beginne des siebenten Lebens-
jabres, und in Figur 2 jene am Schlüsse des vierten Schuljahres,
, I I I I I • I ■ I I t <
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20
15
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Knaben
— Mhpcmen
Fig. 1.
Das Hohenwacbstiim von 1014 Kindern znr Zeit des Sohuleintrittet
(Beginn des 6. Lebensjahres).
20 I — I I I I I I I I I I — n — I I I I 20
j
i
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4
7
r
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\
»
N:.^
' KNABtN
— T^ÄPCHtN
Fig. 8.
Du flohenwachstnm von 1014 Kindern am Schlüsse des vierten Schuljahres
(Ende des 10. Leben^ahres).
130
bezw. am Ende des zehnten Lebensjahres, getrennt nach Ge-
schlechtern znr Darstellung gebracht. Es veranschaulichen diese
Figuren: 1. dafs beim Schuleintritte der relativ höchste Prozentsatz
der Mädchen (17,61 %) die Körperlänge von 1 10 cm, der relativ höchste
Prozentsatz der Knaben (16,89 7o) dagegen die Körperlänge von 108 cm
erreicht; 2. dafs am Ende des vierten Schuljahres die Mädchen eine
Körperhöhe von 130 cm mit 15,727o, die Knaben die gleiche
Körperhöhe nur mit 13,51% ihrer Zahl erzielten. — In beiden
Zeitperioden erreichten die Mädchen durchschnittlich eine etwas
gröüsere Körperlänge als die Knaben. Immerhin waren Körperlängen
von 112 bezw. 130 cm aufwärts bei Knaben, Körperhöhen unter
110 bezw. 130 cm hingegen bei Mädchen verhältnismäfsig häufiger
zu treffen.
Bei 78% der Kinder betrug die Differenz zwischen dem sechsten
und zehnten Lebensjahre 15—20 cm; eine Differenz von 18 cm bei
14,65% aller Kinder war die am häufigsten beobachtete.
Die Grölsendifferenz zwischen kleinsten und grölsten Knaben
war mit dem sechsten wie mit dem zehnten Lebensjahre nahezu die
gleiche; unter den Mädchen war diese Differenz im zehnten Lebens«
jähre bedeutend namhafter als im sechsten Lebensjahre.
Nach Figur 3, welche die Differenz im Höhenwaohstum
zwischen dem sechsten und zehnten Lebensjahre zur Darstellung
bringt, waren grolse Differenzen von 18 bis 26 cm bei Mädchen,
solche von 12 bis 18 cm dagegen bei Knaben häufiger anzutreffen.
Im ersten Schuljahre betrug das durchschnittliche
Wachstum, wie Figur 4 zeigt, 2,5 cm, in jedem folgenden
Schuljahre 5 cm, wobei die groüsen wie die kleinen Kinder ziemlich
gleichen Schritt hielten. Im zehnten Lebensjahre ging das Wachstum
der gröfsten Elinder, insbesondere der Mädchen, rascher vor sich.
Am durchschnittlichen Höhenwachstum beteiligten sich die
Knaben stärker als die Mädchen, und zwar:
im 1. Schuljahre mit 2% ihrer Gesamtzahl
2,
n
- 9,
3.
n
- 20 „
4.
n
„ 10»
Kinder der besser situierten Eltern wachsen durch-
schnittlich rascher als die übrigen.
Ein Stillstand im Längenwachstum wurde in jedem Schuljahre
festgestellt; so betraf der Stillstand
131
§
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Fig. 8.
Die Differenz im Höhenwachstum bei 1014 Kindern
zwisohen dem 6. und 10. Lebensjahre.
Jffi Schutjahrt Jm 2. 5cttül jahrr Jffr3.5d^tiljahre j Jffl^^Schuljahri
^ ^ r^ ^ ^ f^
C*^ -*^ ^ ■= ^'^ *»* ^E
^- -^ r< m '^ ^ r^
>I\NA6LN
70
60
50
— MflPCHW
Fig. 4.
Dm jährliche Höhenwachstam der Kinder im ersten bis vierten Schuljahre.
132
nach dem 1. Sohnljahre 7,1% aller Kinder,
O 3 7
n n ^' n **>•» n n
« » 3. „ 3,2 » n n
4 16
In gleich absteigender Linie bewegen eich die Zahlen bei einer
Zunahme der Körperlange yon 0 bis 3 cm pro anno; bei einer Zu-
nahme von mehr als 3 cm pro anno bewegen sich die Zahlen wieder
in au&teigender Linie. Je älter somit das Kind wird, desto
gröfser ist auch die Zunahme in der KOrperlänge in einem
Jahre. Vereinzelt kommen stärkere Zunahmen vor, von elf und
mehr Zentimetern in einem Jahre, jedoch nur bei Mädchen.
Am Ende des ersten Schuljahres war Stillstand des Höhen-
wachstums bei Knaben, am Ende der folgenden Jahre bei Mädchen
häufiger. Ein Wachstum yon mehr als 10 cm im dritten und vierten
Jahre war bei Knaben ungleich seltener zu treffen als bei Mädchen.
Weitere Schlüsse aus diesen und aus einzelnen anderen der
nachfolgenden Zusammenstellungen zu ziehen, unterlasse ich, da diese
Untersuchungen erst nach dem achten Schuljahre als abgeschlossen
zu betrachten sein werden.
n. Bntstamfang.
Der kleinste Brustumfang betrug bei den sechsjährigen Kindern 42,
der gröfste 60 cm, bei den zehnjährigen Kindern 50 bezw. 65 cm.
Mit 6 Jahren betrug bei Knaben
7
n 8 „ „
q
. 10 „
« 10 ,
Beim Eintritte in die Schule hatte nach Figur 5 der höchste Prozent-
satz der Mädchen, und zwar 20,75%, 52,5 bis 53 cm Brustumfang,
während die gröüste Zahl der Knaben, und zwar 17,90%, 53,5 bis
54 cm Brustumfang hatten. Ein Brustumfang mit 55 om und darüber
war im allgemeinen bei Knaben häufiger zu treffen ab bei Mädchen.
der kleinste der groA
Brustamfang
cm cm
Knaben
42
60
Mädchen
48
60
Knaben
49
61
Mädchen
49
61
Knaben
50
63,5
Mädchen
49
61
Knaben
50
63,5
Mädchen
50
62
Knaben
51
64
Mädchen
50
65
133
Nach Figur 6 hatte am Sohiofs des vierten Sohuljahres der
relativ gröfste Prozentsatz der Knaben (18,91%) einen Brustumfang
TOD 56,5 bis 57 cm, während der relativ gröüste Prozentsatz der Mädchen
(17,60^/o) einen solchen von 53,5 bis 54 cm aufwiesen. Ein Brust-
umfaDg von mehr als 57 cm war häufiger bei Knaben als bei Mädchen.
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Figr. 5.
Der BruBtamfang bei 1014 Kindern zur Zeit des Schaleintrittes
(Beginn des 6. Lebensjahres).
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Fig. 6.
Der Bmsinmfiang bei 1014 Kindern am Schlnsse des vierten Schuljahres
(Ende des 10. Lebensjahres).
Unter den sechsjährigen Knaben hatten einen Brustumfang
bis 49 cm 3,5 % (doppelt soviel Mädchen als Knaben),
9 52 „ 31,43 „ (mehr Mädchen als Knaben),
von 52—54
33,71 „ (
),
134
von 54 — 56 cm 22,807o (mehr Knaben als Mädchen),
„ 56-58 , 9,60 . ( „ , „ „ ),
^ 58 cm aufwärts 2,28 „ (yiermal mehr Knaben als Mädchen).
Unter den zehnjährigen Kindern ist der Unterschied beider
Geschlechter ein namhafterer; hier hatten einen Brustumfang
bis 54 cm 10,74% der Knaben (mehr als doppelt soviel
Mädchen als E^aben),
von 54 — 56 „ 22,63 „ „ „ (dreimal mehr Mädchen als
Knaben),
„ 56— 58 „ 32,89^ „ „ (mehr Knaben als Mädch.),
. 58—60 „ 21,49 , „ , ( „ , . „ ),
„ 60 — 62 „ 10,26 „ „ „ (dreimal mehr Knaben als
Mädchen),
„ 62 cm aufwärts 3,58 „ „ „ (doppelt soviel Knaben
als Mädchen).
Bei den zehnjährigen Mädchen hat der Brustumfang in den
vier Schuljahren nur wenig zugenommen; 17,5% derselben erzielten
einen Brustumfang bis 54 cm, 147o von 54 bis 55 cm, 16,5% von
55 bis 56 cm; Knaben erreichten, wie oben angegeben, von 56 cm
Umfang ab in allen Umfangslagen ein höheres Prozent. Das durch-
schnittliche Wachstum des Brustumfanges innerhalb der
vier ersten Schuljahre betrug 4 cm.
Wie in Figur 7 dargestellt, betrug bei beiden Geschlechtern
die Differenz im Wachstum des Brustumfanges vom
sechsten zum zehnten Lebensjahre relativ in den meisten
Fällen 3 bis 5c m. Die relativ gröfste Zahl der Knaben, und zwar
21,95 7o, hatte eine Differenz von 5 cm, die relativ gröfste Zahl der
Mädchen, und zwar 21,69% derselben, eine solche von nur 3 cm
erreicht. Höhere Differenzen als 7 cm waren bei den Knaben häufiger
zu treffen als bei den Mädchen, und erreichten nur 4% aller Kinder
eine solche Zunahme im Wachstum.
Bei 3,2% der Kinder hat der Brustumfang in den ersten vier
Schuljahren nicht zugenommen, darunter bei 8,5% der Mädchen.
Bei ll,47o der Kinder hat der Umfang des Brustkorbes nur um
0,5 bis 1 cm zugenommen, darunter bei 7,2 7o der Mädchen.
Grofse Differenzen im Wachstum des Brustumfanges
vom sechsten bis zum zehnten Lebensjahre sind bei Kindern
besser situierter Eltern um 57o häufiger als bei den
übrigen.
135
Bei jenen Kindern, bei welchen die Differenz im Höhenwaohstum
vom sechsten bis znm zehnten Lebensjahre bis 13 cm betrug, hat
der Brustumfang durchschnittlich um 3 cm zugenommen, bei jenen,
bei welchen die Differenz 21 bis 26 cm betrug, hat der Brustumfang
durchschnittlich eine Erweiterung um 2 cm erfahren. Das Längen-
wachstum steht demnach zum Wachstum des Brustumfanges
im umgekehrten Verhältnis; je stärker ersteres, desto geringer
letzteres.
Der Brustumfang steht unter der Hälfte der Körperlänge bei
70 7o der Knaben und bei 66,03% der Mädchen.
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Fig. 7.
Differenz im Wachstum des Brastamfanges bei 1014 Kindern
zwischen dem 6. und 10. Lebensjahre.
Der Brustumfang beträgt mehr als die Hälfte der Körper-
IftDge bei 19% der Knaben und bei 14,48% der Mädchen.
Der Brustumfang beträgt die Hälfte der Körperlänge bei 11%
der Knaben und bei 19,497o der Mädchen.
Je grö&er das Kind, desto mehr und häufiger bleibt der Brust-
umfang unter der Hälfte der Körperlänge zurück.
Bei 50 7o der Knaben und 47% der Mädchen, welche einen
Brostumfang bis 51 cm hatten, hat dieser Tom sechsten zum zehnten
Ubensjahre um 5 bis 7 cm zugenommen.
Bei 43% der Knaben und bei 33 7o der Mädchen, welche einen
136
Brustumfang vou 51 bis 55 cm hatten, hat derselbe in den vier
Schuljahren um 4 bis 6 cm zugenommen.
Bei 50 7o der Knaben und 40 7o der Mädchen, welche einen
Brustumfang von 56 bis 60 cm hatten, hat dieser während der vier
Jahre eine Erweiteruug um 3 bis 5 cm erfahren.
Am Ende des vierten Schuljahres war der Brustumfang nur bei
2% der Knaben der halben Körperläoge gleich oder er betrug mehr
als die Hälfte; bei den Mädchen aber war in allen Fällen der Brust-
umfang unter der halben Körperläuge.
Es ist aus diesen Ausführungen zu ersehen, dals ein beim
Schuleintritte kleinerer Brustumfang bis nach dem vierten
Schuljahre durchschnittlich eine stärkere Zunahme «»rfuhr
als ein an&nglich gröfserer Brustkorb.
Es geht aber auch daraus hervor, dafs die Zunahme des Um-
fanges des Brustkorbes in allen genannten Fällen bei den Mädchen
auffallend zurückbleibt, wie dies die graphischen Darstellungen in
Tabelle V und VI zur Anschauung bringen.
IIL YerhUtnis von Brnstnmfang und KSrperlänge.
a) beim Schuleintritte.
Körperlänge bis 105 cm.
63,63% derEjiabeu hatten einen Brustumfang von durchschn. 52 cm,
52,72 „ „ Mädchen „ ,. „ „ „ 52 „
Körperlänge von 105 bis 110 cm.
51,96^0 der Knaben hatten einen Brustumfang von durchschn. 54 cm,
54,09 „ „ Mädchen „ „ „ „ „ 53 „
Körperlänge von 110 bis 115 cm.
46,06% der Knaben hatten einen Brustumfang von durchschn. 54 cm,
50,00 „ „ Mädchen „ „ „ „ „ 54 „
Körperlänge von 115 bis 120 cm und darüber.
57,14% der Knaben hatten einen Brustumfang von durchschn. 56 cm,
46,93 „ „ Mädchen „ „ „ „ „ 55 „
b) am Schlüsse des vierten Schuljahres.
Körperlänge bis 125 cm.
57,60% der Knaben hatten einen Brustumfang von durchschn. 57 cm,
50,00 „ „ Mädchen „ „ „ „ „ 55 „
Körperlänge von 125 bis 130 cm.
45,16% der Knaben hatten einen Brustumfang von durchschn. 59 cm,
44,56 „ „ Mädchen „ „ „ „ „ 57 „
137
Eörperlänge von 130 bis 136 om.
43,93% der Knaben hatten einen Brustumfang von durobschn. 60 cm,
52,72 „ „ Mädchen „ „ „ „ „ 68 „
EOrperlänge von 136 bis 14U cm und darüber.
40,00% der Knaben hatten einen Brustumfang von durchschn. 62 cm,
38,88 „ „ Mädchen „ „ „ „ „ 69 „
Beim Schuleintritte nahm bei den Mädchen mit je 6 cm Körper-
länge auch der Brustumfang um durchschnittlich 1 cm, bei Knaben
mit mittlerer und gröfster Körperlänge um 2 cm zu.
Am Schlüsse des vierten Schuljahres war die Zunahme bei
beiden Geschlechtem etwas stärker, jedoch difiPerieren die Zunahmen
bei den Knaben und Mädchen um 2 cm zugunsten der ersteren.
Nach den bisherigen Ausführungen über die Entwicklung des
Brostkorbes muXs bemerkt werden, dafs diese im allgemeinen den
gehegten Erwartungen nicht entspricht. Hieraus ergibt sich die
Notwendigkeit bezw. die Pflicht für die Schule, dem Hause helfend
beizuspringen. Wenn, wie die Erfahrung in Fabrikgegenden lehrt,
mehr als die Hälfte der Kinder nach ihrer Rückkehr aus der Schule
sofort zur Heimarbeit herangezogen wird, wobei sie stundenlang
ruhig und in allen möglichen und unmöglichen Stellungen in den
dampfen, gewöhnlich nicht gelüfteten Stuben sitzen müssen, um den
Eltern verdienen zu helfen, da können begreiflicherweise keine nor-
malen Entwicklungsresultate erwartet werden I Die inneren Organe,
daninter namentlich die Lungen, müssen in ihrer Entwicklung zurück-
bleiben, das Kind mufs demnach, wenn es nicht schon ererbte Übel
mit ins Leben brachte, Anlagen zu verschiedenen, im späteren Alter
auftretenden Leiden erhalten. Es muüs hier die Schule das. Haus
la ersetzen suchen, die Schule mufs trachten, im Kinde das zum
Ausgleiche zu bringen, was sein hartes Schicksal an ihm verbricht.
Das Stillsitzen mit vorgebeugtem Körper, die schlechte Haltung
beim Sitzen überhaupt, die für viele Kinder unpassenden Subsellien,
alles das übt einen ungünstigen Einfluls aus auf die Erweiterung
des Brustkorbes. Diese Momente soll die Schule im Auge behalten 1
Um dem schädlichen Einflüsse derselben entgegenzuarbeiten, mufs
sie für Jugendspiele, Turnen, Freibewegungen, Schwimmen u. a.
sorgen, hierbei muls sie vor allem auf die Entwicklung des Brust-
korbes Rücksicht nehmen 1 Hat die Schule das Glück, einen Arzt
ZOT Seite zu besitzen, und konstatiert dieser bei einem Kinde
Sehwächenverhältnisse der Brust, Miisbildungen derselben, so wären
hiervon die Eltern des Kindes in Kenntnis zu setzen und ihnen
138
dringend zu empfehlen: Aufmerksamkeit, Schonung zu Hause und
etwa besondere gymnastisohe Übungen unter fachkundiger Leitung.
Wie die bisherigen Zusammenstellungen ergeben, bleibt die
Entwicklung des Brustumfanges bei den Mädchen im allgemeinen
den Knaben gegenüber zurück. Diese Erscheinung trifft insbesondere
und augenfällig vom dritten zum vierten Schuljahre bei 45,11%
der Mädchen zu. Ist dies ein physiologischer Vorgang, ist es eine
Folge des Schulbesuches? Wenn letzteres der Fall ist, warum tritt
diese Folge gerade erst im vierten Schuljahre so offenkundig zu-
tage? Ist eine bestimmte Disziplin die Ursache dieser Erscheinung,
die Ursache solch trauriger Ergebnisse? Wenn es ein physiologi-
scher Vorgang im Organismus des Mädchens wäre, so müfste der-
selbe auch im Körper des Knaben zum Ausdruck gelangen; und
wenn die äufseren Sohulverhältnisse solche ungünstige Resultate
zeitigen, müfsten sie in äbnlichem Mause den Knaben beeinflussen.
Mit dem dritten Schuljahre beginnt für die Mädchen der
Unterricht in Handarbeiten. In den meisten Schulen wird
derselbe in ungeeigneten Schulräumen erteilt; auch sitzen
die Mädchen hierbei oft an Schulbänken und nicht an
Tischen; es kommt sogar vor, dafs zwei und mehr
Klassen für diesen Unterricht in ein Zimmer zusammen-
gezogen werden, so dafs die Körperhöhe des Mädchens
zur Höhe der Schulbank in ein arges Mifsverhältnis
gerät und das Kind in meist gekrümmter, in sich ge-
sunkener Stellung ein bis zwei Stunden verharrt. Diesem
Umstände wird leider nirgends die gebührende Auf-
merksamkeit geschenkt; es wird nirgends der Tatsache
Rechnung getragen, dafs Handfertigkeitslehrerinnen
keine Pädagogen sind; es wird noch zu selten die be-
stimmte Forderung an eine Schule gestellt, für den
Handarbeitsunterricht eigene Räume herzustellen —
Räume, in welchen nur Tische mit verstellbaren Sesseln
zur Verwendung zu gelangen hätten. Der Handarbeits-
unterricht wie auch der Zeichnenunterricht verdienen die
gröfste Aufmerksamkeit seitens der Schulverwaltungen,
und wären nur solche Lehrkräfte anzustellen, welche
genaue Kenntnis vom anatomischen Bau des Körpers,
von der physiologischen Entwicklung insbesondere des
Oberkörpers besitzen, welche ein Verständnis für das
Vorkommen pathologischer Erscheinungen des kindlichen
139
Organismas haben. Man sage hier nicht, dafs zu weit gegangen
würde, wenn man diesen Forderangen Rechnung tragen wollte.
Wenn die ünterrichtsordnung eine gewisse Disziplin zur Ausbildung
des Kindes für wichtig genug hält, dann hat sie auch die Pflicht,
die Ansicht der Schulhygieniker zu hören und erst nach dem Gut-
achten dieser und der Pädagogen das Weitere zu veranlassen. Die
Schnlbehörden, als ausübende und überwachende Organe der
Unterrichtsordnung, haben gewifs kein Recht, einfach An-
ordnungen zu treffen und sich um deren Folgen nicht
zu kümmern 1 Wenn die gestellten Forderungen f&r die Greraeinden
ZQ kostspielig sind, dann schaffe man diesen Unterricht endgültig ab,
oder reduziere ihn auf das notwendigste Mindestmals, da ohnehin
die moderne Industrie weibliche Arbeiten in ihren Interessenkreis
einbezogen hat.
Inwieweit diese erstjährigen Beobachtungen ihre Berechtigung
gefanden haben, werden die Untersuchungen der folgenden Schul-
jahre ergeben. Immerhin kann heute schon behauptet werden, dafs
der Handarbeitsunterricht, wie er heute gepflegt wird,
in keinem Falle einer normalen, gesundheitlichen Ent-
wicklung des ohnehin naturgemäfs schwächeren Körpers
der Schülerinnen entspricht.
Es wird sich die Gelegenheit ergeben, auf die nachteiligen
Folgen des Handarbeitsunterrichtes noch einmal zurückzukommen.
IV. Vitale Lnngenkapazitilt.
(Differenz im Brustumfang zwischen In- und Exspirium.)
Die vitale Lungenkapazität betrug beim Schuleintritte bei 78%
der Kinder im Mittel 2,5 cm, am Ende des vierten Schuljahres bei
50% derselben im Mittel 5,5 cm.
Die geringste vitale Lungenkapazität war bei den sechsjährigen
Knaben 2, bei den sechsjährigen Mädchen 1 cm; die grölste 5 bezw.
4 cm. In jedem der folgenden Jahre prävaliert, wenn auch nur
nm ein Geringes, die Lungenkapazität bei den Knaben über jene
der Mädchen; bei den Lungenkapazitäten ein und desselben Jahres
betrug die Prävalenz bei den Knaben durchschnittlich 2 cm.
Mit dem zehnten Lebensjahre betrug bei den schwächsten
Knaben die vitale Lungenkapazität 2,5 cm, bei den schwächsten
Hadchen 2 cm; bei den stärksten Knaben betrug sie 9 cm, bei den
st&rbten Mädchen 7,5 cm.
140
Nach Figur 8 hatten beim Eintritte in die Schule 55,60 ^/o
der Mädchen und 25,64% der Knaben eine vitale Lungenkapazität
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Fig. 8.
Die Titale Lungenkapazitat bei 1014 Kindern
beim Sehaleintritte am Schlüsse des Tierten Schaljahres
(Beginn des 6. Lebensjahres). •" _^^', (Ende des 10. Lebensjahres).
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-4 -5 -6 crr
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— A^APCHL^N
Fig. 9.
Die Differenz im Wachstum der Langenkapazitat
zwischen dem 6. und 10. Lebensjahre.
141
unter 2 om; für eine vitale Lungenkapazität von 3 om beträgt der
ProzeDtsatz bei den EDaben Ö2,24%, bei den Mädchen nnr 36,47% ;
für die gröfseren Kapazitäten belaufen sich die Prozentsätze aaf
J7,81% bezw. 7,93%.
Anders stellen sich die Verhältnisse am Ende des vierten Schul-
jahres heraus. Hier bewegen sich die Prozentsätze bei beiden Ge-
schlechtem in groJsen Differenzen. In der Zahl der Kinder mit
emer vitalen Lungenkapazität von 3, 4 und 6 cm hat das weibliche,
dagegen in den folgenden Kapazitätsausmafsen von 6 cm und darüber
das männliche Geschlecht die Mehrzahl.
Die Differenz in der Zunahme der vitalen Lungenkapazität
zwischen dem sechsten und dem zehnten Lebensjahre (Figur 9) ist
am gröüsten unter jenen Kindern, deren Lungenkapazität nur bis
2 cm zugenommen hat — sie beträgt hier 25 ^/o; in den folgenden
Ansmaüsen der Kapazitäten (3, 4, ö und 6 cm) ist die Differenz in
runden Zahlen 1, 10, 8 und l7o.
Im Mittel war die Differenz in der vitalen Lungenkapazität
zwischen dem sechsten und zehnten Lebensjahre bei 57 % der
Knaben 3 cm, bei 65,40% der Mädchen 2 cm.
Im allgemeinen hatten hochgewachsene Kinder, da-
runter insbesondere Mädchen, eine gröfsere vitale Lungen -
kapazität. Die Brustweite dagegen war auf die
Oröfse der vitalen Lungenkapazität ohne nachweisbaren
Einflufs.
Welch' grofse Differenzen bei den Untersuchungen der Kinder
entstehen, wenn die Zahl der Untersuchten ein geringe ist, ergibt
die von Max Guttmann zusammengestellte Tabelle über Körper-
Ifinge, Brustumfang und Vitalkapazität. Guttmann fand bei 14
sechsjährigen Kindern eine Maximalkörperlänge von 118 cm, eine
Minimalkörperlänge von 107, also einen Durchschnitt von 102 cm;
ich fand bei 1014 untersuchten Kindern als die entsprechenden
Zahlen 127, 98 und 113 cm; bei 20 untersuchten zehnjährigen
Sandern fand Guttmann als Mazimallänge 143 cm, als Minimal-
lange 124 cm und als Durchschnitt 134 cm; die Ergebnisse meiner
Untersuchungen an obgenannter Kinderzahl waren 150, 114 und
132 cm.
An Brustumfang fand Guttmann bei den sechsjährigen Kindern
Ö9,5 (Maximum), 54 (Minimum) und 56,8 cm (Durchschnitt), ich fand
60, 42 und 51 cm; bei den zehnjährigen fand er 72,5, 60 und 65 cm,
ieh fand 65, 50 und 57 cm.
142
An Yitalkapazität fanden Guttmann nnd loh bei secbsjährigen
5, 1 und 3 om, bei den zehnjährigen fand Guttmann 9, 4 und
5,5 om, ich fand 9, 2 und 5,5 om.
Es ist selbstredend, dafs die Endergebnisse bei etwa 10000
untersuobten Kindern gewifs auoh andere Daten bringen würden und
daüs mit der grö&eren Zahl der Untersuohten die genannten Resul-
tate auoh stabilere sein müfsten.
y. Das KSrpergewicht.
das kleinste das grolste
Körperffewicht
kg *^ * kff
Mit 6 Jahren war bei Knaben 13,3 28,5
„ 6 „ „ „ Mädchen 12.0 27
„ 7 „ ^ „ Knaben 14,75 30.5
„ 7 „ ^ „ Mädchen 13 28
, 8 , „ „ Knaben 16 34
^ 8 „ „ „ Mädchen 14 32
„ 9 „ j» r» Knaben . 16 38,5
„ 9 „ „ „ Mädchen 14 35
„ 10 „ „ „ Knaben 18,5 »9,5
„ 10 „ „ „ Mädchen 18 42,5
Am Beginn des ersten Schuljahres hatten 75,40% der unter-
suchten Kinder im Mittel 19,5 kg Körpergewicht, am Ende des
vierten Schuljahres hatten 64,24% derselben im Mittel ein solohes
von 25,5 kg.
Der rel. höchste Prozentsatz der untersuchten sechsjährigen Knaben
(Figur 10), und zwar 28,71 % derselben, sowie der gleichaltrigen
Mädchen, und zwar 32,01%, besafsen ein Körpergewicht von 20 kg;
im Durchschnitt erzielten die sechsjährigen Knaben ein
höheres Körpergewicht als die gleichaltrigen Mädchen.
Der rel. höchste Prozentsatz der untersuchten zehnjährigen Knaben
(Figur 11), und zwar 26,69%, sowie der gleichaltrigen Mädchen,
und zwar 23,27%, besafsen ein Körpergewicht von 28 kg. Auch hier
war die Zahl der Knaben, welche ein gröfseres Körpergewicht als
28 kg aufzuweisen hatten, in allen (rewichtslagen eine gröfsere als
jene der Mädchen, währendf umgekehrt die Zahl der Mädchen, welche
ein kleineres Körpergewicht als 28 kg hatten, in allen Gewichtslagen
eine gröfsere war.
Nur etwas mehr als die Hälfte der Untersuchten, und
zwar 54,86%, nahmen in den vier Schuljahren an Körper-
143
gewicht kq; 20,71% hatten an Körpergewicht abgenommen
und 24,43% blieben anf ihrem, zn Beginn des ersten
Schaljahres konstatierten Körpergewichte stehen.
^irm-R -16 -IS -20 \-ll 1-24 | -26 \lUm/
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Fig. 10.
Das Körpergewicht bei 1014 Kindern rar Zeit des Sohaleintrittee
(Beginn des 6. Lebenqahres).
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Fig. 11.
Dts Korpergewicht bei 1014 Kindern am Schlüsse des vierten Schuljahres
(Ende des 10. Lebensjahres).
Die geringste Körpergewiclitsztinahme in den vier Schuljahren
betrag 2 kg bei 0,4% der untersuchten. Die gröfste Zunahme
betrag bei einem Kinde (Mädchen) 17,5 kg. Das Mittel in der
Sehalgesundlieitopflege. XVIIL 8
144
Grewiohtszunahme betrag 6,5 kg und wnrde dasselbe bei 64,72 ^/o
der Kinder konstatiert, wobei dieses Mittel bei beiden Geschleobtern
nahezu gleich grols war.
Unter 5 kg betrag die Gewichtszunahme bei 15,21% der
Kinder, doppelt mehr bei Mädchen als bei Knaben ; über 8 kg betrug
die Gewichtszunahme bei 18,44% der Kinder, doppelt mehr bei
Knaben als bei Mädchen.
Die rel. grölste Zahl der Knaben (Figur 12), und zwar 42,56%,
nahmen in den vier Schuljahren um rand 8 kg, die rel. gröfste Zahl
der Mädchen, und zwar 38,36%, um rand 6 kg zu. Geringere Ge-
wichtszunahmen als 8 kg waren unter den Mädchen, grölsere unter
den Knaben häufiger.
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Pig. 12.
Die Zunahme des Körpergewichtes bei 1014 Kindern
zwischen dem 6. und 10. Lebensjahre.
EiS nahmen die Kinder zu an Körpergewicht:
bis SU
bis sa
bis tu
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Ik«
2 k?
3 kg
8 kg
•/•
%
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Im 1.
Soholjahre: 38,43
49,34
50,81
1,95
« 2.
23,12
61,07
81,59
5,54
r, 3.
9,28
39,41
67,91
20,85
» 4-
13,19
49,18
70,46
15,96
Diese
Zusammenstellung
illostriert
klar die
fortschreitende
Zunahme an Körpergewicht in den ersten drei Schuljahren und
145
erbringt anch den Beweis, dafs der Rückgang im vierten Jahre gegen-
über dem dritten bestimmten interkurrierenden Einflüssen zagesohrieben
werden mols. Diese könnten sein: die gröfsere Stundenzahl, welche
die Sünder in den Lehrzimmem zubringen müssen; der intensivere
Turnunterricht bei Knaben ; der weibliche Handarbeitsunterricht bei
Madchen; der im zehnten zum elften Lebensjahre stärkere Ent-
wicklungstrieb bei den Kindern und die die volle Geltendmachung
dieses Triebes hindernden umfangreicheren Disziplinen im Unter-
richte und in der Länge der Unterrichtszeit. Die Untersuchungs-
resultate der folgenden Schuljahre können hierüber weitere Auf-
schlösse bringen.
Die Zunahme des Körpergewichtes beträgt im ersten
Schuljahre durchschnittlich V» bis 1 kg (13,17% Knaben
und 23,27% Mädchen). Die kleinen bis 110 cm grolsen Knaben
und Mädchen weisen im ersten und zweiten Schuljahre eine grölsere
Zunahme auf als die 115 bis 126 cm grofsen Kinder; im ersteren
Falle nahmen 41,967o Knaben und 63,38% Mädchen, im letzteren
40,58% Knaben und 13,38% Mädchen zu.
Im zweiten Schuljahre nahmen die Kinder durch-
schnittlich um 1 bis 2 kg zu, und zwar 21,62% Knaben und
30,50% Mädchen mit einer Körperhöhe bis 110 cm und 41,51%
Knaben und 48,18 ^/o Mädchen mit einer Körperhöhe von 115 bis
126 cm.
Im dritten und vierten Schuljahre nahmen die kleinen
Knaben durchschnittlich weniger, die kleinen Mädchen mehr zu und
betrug die Gewichtszunahme durchschnittlich 2 bis 3 kg
(17,56Vo Knaben und 27,367o Mädchen). Das Längenwachstum
ist ohne Einflufs auf die Zunahme des Körpergewichtes.
Bei 24,43% der Kinder wurde ein Stillstand in der Gewichts-
zunahme festgestellt; die Prozentsätze der Kinder, welche am Ende
jedes Schuljahres einen Stillstand in der Körpergewichtszunahme
aufwiesen, bewegten sich in gleich absteigender Linie wie bei der
Gewichtsabnahme, und zwar
24,59% nach dem I.Schuljahre
8,14% „ „ 2. ,
5,86% „ „3. „
2,93% „ „ 4. „
Im ersten Schuljahre war bei 25,51% Knaben und 22,01%
Mädchen Stillstand in der Gewichtszunahme eingetreten; bei klein
gewachsenen Knaben (bis 110 cm) doppelt so häufig als bei gröfseren
146
Knaben, und bestand hier das Verhältnis 7:4 bei Ejiaben und 9 : 7
bei Mädchen. Der Stillstand in der Gewichtszunahme nimmt in den
folgenden Schuljahren in der Zahl der Kinder ab und steht im
vierten Schuljahre weit unter 1% der Knaben und unter 5% bei
Mädchen. Bei kleinen Knaben und Mädchen ist dieser Stillstand in
den einzelnen Schuljahren häufiger.
Es konnte, wie zu erwarten stand, bei einer grofsen Zahl von
Kindern eine Gewichtsabnahme, selbst bis zu 3 kg, konstatiert werden.
Bis zu 1 kg nahmen ab: 15.65% der Kinder
» w 2 „ „ „ 19,70*/o ^ j,
über 2 , „ , 20,84% „ „
Es haben abgenommen:
am Ende des 1. Schuljahres 20,71 % der Kinder
« « . 2. „ 4.69% ^ „
» » » 3- w 2,10% „ „
» w r» 4. „ 0,60% „ ^
An den Gewichtsabnahmen in allen vier Schuljahren waren die
Knaben mit 42,86 7«, die Mädchen mit 57,14 % beteiligt.
Im ersten Schuljahre nahmen 15,64% der Knaben und 30,19%
der Mädchen V' ^g ^^ durchschnittlichem Körpergewichte ab; diese
Abnahme ist bei Knaben mit stärkerem Höhenwuchs gröfser.
Die Abnahme an Körpergewicht wird mit jedem fol-
genden Jahre geringer.
EjS nahmen weiter ab:
im 2. Schuljahre 3,40% der Knaben und 12.06% der Mädchen
„ 3. , 2,05% , , , 3.44% „
„4. „ 1.02% „ „ „ 1.75% „
Sobald die Kinder eine Körperhöhe von 115 cm und darüber
erreichen, hört die Gewichtsabnahme bei den Knaben im dritten,
bei den Mädchen im vierten Schuljahre gänzlich auf.
Im allgemeinen waren in den vier Schuljahren die Knaben mit
44,70 Vo und die Mädchen mit 55,30% am Stillstande, und 22,97%
der Knaben und 17,92% der Mädchen an der Abnahme des Körper-
gewichtes beteiligt. Speziell unter diesen letzteren Kindern hatten
82,35% der Knaben und 58,05% der Mädchen eine ausgesprochen
schwache und nur 11,96 Vo bezw. 20,40% eine kräftige Körper-
konstitution.
21,84 ^/o der Knaben und 25,43% der Mädchen, bei welchen das
Körpergewicht abnahm, hatten gleichzeitig eine Lageveränderung
der Wirbelsäule; 35 Vo bezw. 28,70 Vo dieser Kinder eine aus^
147
gesprochene Schilddrüsenvergrölserung; 25,50 Vo bezw. 43,90%
derselben waren überhaupt kränklich und 13,597o bezw. 28,05Vo
waren geistig minderwertig.
Wenn man die genannten abnormen bezw. pathologischen Ver-
ftndemngen des kindlichen Organismus nach ihrem gleichzeitigen
Auftreten beurteilt, gestalten sich die Verhältnisse jener Kinder viel
ungünstiger, welche an Körpergewicht im Laufe der vier Schuljahre
abgenommen haben.
Es stellt sich da heraus, dafs unter den Knaben bezw. Mädchen
25 Vo bezw. 25,47 Vo kränklich,
17,56% „ 17,297o kränklich und skoliotisch,
16,55Vo „ 15,09% skoliotisch und kurzsichtig,
11,14% „ 13,52% skoliotisch und kurzsichtig waren
und gleichzeitig Schilddrüsenvergrölserung hatten,
5,40% bezw. 6,29 7o skoliotisch, kurzsichtig, schwerhörig
waren und gleichzeitig Schilddrüsenvergröfserung hatten.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen weisen entschieden auf
die hohe Wichtigkeit der systematischen, jahrelangen Körperwägungen
imd -Messungen hin, da durch diese eine sichere Kontrolle über die
normale gesundheitliche Entwicklung und über das Wohlbefinden
der Kinder für Eltern und Lehrer gegeben sind. Diese Kontrolle
soll den Erziehern unserer Jugend den Anlals bieten, bei erwiesenem
Rfickgang und Stillstand in dem Körpergewichte nach der Ursache
im Kinde selbst zu forschen.
Eine interessante Darstellung der physischen Entwicklung des
Kindes während der vier Schuljahre bringt Figur 13 zur An-
eckauung.
Die Abnahme des Körpergewichtes im Laufe des ersten Schul-
jahres — 15,87Vo der Knaben und 24,84% der Mädchen — und
der Stillstand in der Gewichtszunahme — 29,73^/o der Knaben und
44% der Mädchen — ist ein so namhafter, dals man sich unwill-
kürlich die Frage vorlegt, welchem Umstände wohl vorwiegend diese
EiBcheinungen zuzuschreiben sind? Dies ist gewifs schwer zu ent-
seheiden. Die individuellen Verhältnisse dürften wohl die ausschlag-
gebenden sein, und diesen zunächst die völlig veränderte Lebensweise.
Erkrankungen können als Ursache wohl nicht herangezogen werden,
da hierfür die allmähliche Zunahme des Körpergewichtes und die
niederen Ziffemsätze in Abnahme und Stillstand der folgenden Schul-
jahre nicht sprechen. Ob gerade das siebente Lebensjahr die Periode
der schwächsten physischen Entwicklung ist, ist schwer zu behaupten,
148
Fig. 18.
Das Verhalten des Korpergewichtes bei 1014 Schulkindern
in den verschiedenen Schaljahren.
149
66 mülkten vor allem die Untersuchungsresultate einer genügend
gioüsen Zahl gleichaltriger Kinder vorliegen, welche in ihrem siebenten
Lebensjahre, wie bisher, ein freies ungebundenes Leben weiterfahren.
Nachteilige Einflüsse, wie geistige Überanstrengung, Ermüdung, un-
genflgender Schlaf, können derzeit bei unseren modernen Yolksschul-
palflsten und bei der modernen Lehrmethode, abgesehen Yon yer-
einzelten Fällen, gewils nicht als Ursache für Hemmungen in der
physischen Entwicklung angesprochen werden; eher wären diese
ftar die physische Entwicklung der Kinder deletären Momente in
höheren Lehranstalten zu suchen. Es können sonach die Ursachen
obiger Erscheinungen ausschliefslich individuelle Ver-
anlagung und dann veränderte Lebensweise sein.
Beim Schul ein tritt e
hatten von den Knaben mit einem durchschnittlichen Körper-
gewichte von
18 — 22 kg die meisten u. zw. 42,64Vo eine Körperlänge v. 110 — 115cm
unterlS „ „ „ „ „ 58,33 Vo , „ „105-110^
über 22 ^ „ „ „ „ 69 V. „ „ „über 115 „
Es hatten somit die grölsten Knaben, wie zu erwarten stand,
durchschnittlich auch ein gröJseres Körpergewicht und die kleinsten
Knaben auch ein kleines Körpergewicht.
Es hatten beim Schuleintritte von den Mädchen mit
einem durchschnittlichen Körpergewichte von
18—22 kg die meisten u. zw. 60% eine Körperlänge von 110 — 115cm
unter 18 „ „ „ „ „ 59% , „ „ 105-110 „
über 22 „ „ „ „ „ 56% „ „ „ über 115 „
Es sind somit die Verhältnisse des Körpergewichtes zur Körper-
höhe bei beiden Geschlechtern nicht wesentlich different.
Am Schlüsse des vierten Schuljahres
hatten von den Knaben mit einem durchschnittlichen Körper-
gewichte von
24 — 28kg die meisten, u. zw. 54%, eine Körperlänge v. 125 — 130cm
unter 24 „ „ „ ,„ 73,17% „ „ „ unter 125 „
über 28 „ „ „ „ „ 66,60% „ „ „ über 130 „
£s hatten am Schlüsse des vierten Schuljahres von den
Mädchen mit dem Mittel im Körpergewichte von
24— 28kg die meisten, u. zw. 58^/», eine Körperlänge v. 125 — 130cm
™te' 24 „ „ ^ „ „ 74% „ „ „ unter 125 „
<il^' 28 n « « « . 84,12% , „ , über 130 „
150
Auoh am Sohlnsse des vierten Sohuljahres waren nahezu die
gleichen Verhältnisse hei heiden Gesohleohtem zu konstatieren.
Ühersichtlioher lassen sich die Verhältnisse des Körpergewichtes
zur EOrperlänge, wie nachstehend, darstellen:
Bei Sohnlheginn hatten:
68,58°/» aller Enahen ein Körpergewicht von 18 — 22 kg
16,55% „ „ „ „ „ unter 18 „
14,87'/, „ „ „ „ „ über 22 „
46,85»/, „ Mädchen „ „ „ 18— 22 kg
19,81"/, „ „ „ „ „ unter 18 „
33,34'/. „ „ „ „ „ üher 22 „
Das Mittel im Gewichte Ton 18 bis 22 kg erreichten mehr
Knaben als Mädchen, hingegen hatten mehr als doppelt soviel
Mädchen ein gröfseres Körpergewicht als 22 kg.
42,56% aller Knaben hatten eine Körperlänge bis 110 cm,
hiervon hatten 57,93Vo ein Körpergewicht von 18 — 20 kg
„ 29,36% ^ „ „ unter 18 „
n 12.71% . n . über 22 „
60% aller Knaben hatten eine Körperlänge von 110 — 120 cm,
hiervon hatten 58,79% ein Körpergewicht von 20 — 22 kg
„ 18,91% , „ „ unter 20 ,
„ 22,30% „ , „ über 22 ,
7,44^^0 aller Knaben hatten eine Körperlänge über 120 cm,
hiervon hatten 45,45% ein Körpergewicht von 23 — 25 kg
„ 18,18% , , „ unter 23 „
„ 36,37% , , „ über 25 „
52,51% aller Mädchen hatten eine Körperlänge bis 110 cm,
hiervon hatten 54,48% ein Körpergewicht von 18 — 22 kg
„ 32,93% , „ , unter 18 „
„ 12,59% „ „ „ über 20 „
40,25% aller Mädchen hatten eine Körperlänge von 110 — 120 cm,
hiervon hatten 60,15% ein Körpergewicht von 20—22 kg
„ 24,21% „ „ „ unter 20 „
„ 15,64% „ „ „ über 22 „
7,24% aller Mädchen hatten eine Körperlänge über 120 cm,
hiervon hatten 66,66% ein Körpergewicht von 23 — 25 kg
„ 33,347. „ „ „ üher 25 „
Die Zahl der kleinen Knaben mit einem Durchschnittskörper-
gewichte von 19 kg ist gröfser als die Zahl der kleinen Mädchen,
unter 24
T>
über 28
T)
von 24—28 kg
nnter 24
n
über 28
»
151
hingegen ist die Zahl der mittelgrofsen nnd gröDsten Mädchen mit
einem Dnrchschnittsgewichte von 21 bezw. 24 kg gröfser als jene
der mittelgro&en nnd gröfsten Knaben.
Obige ZnBammenstellnng bestätigt auch die allgemeine Annahme,
dafs grofse Kinder anoh ein grolses Körpergewicht haben, nnd steigt
auch das Körpergewicht mit der Körperlänge über das Mittel; auf-
fidlend grofs ist die immerhin hohe Zahl der Kinder aller drei
Höhengrappen, welche ein Körpergewicht unter dem Mittel haben.
Wesentlich andera lauten die Zifferngrappen am Schlüsse
des vierten Schuljahres. Da hatten:
44,25% der Knaben ein Körpergewicht von 24 — 28 kg
14,43 »/o „ „ „
41.32% , „ „
47,80 7o „ Mädchen „ „
25,16% „ „ „
27,04% „ „ „
Hier erreichten das Mittel im Körpergewichte von 26 kg mehr
Mädchen als Knaben und hatten, wie am Schulbeginn, doppelt so-
viel Mädcben als Knaben ein Körpergewicht unter dem Mittel, folge-
richtig erreichte auch eine gröfsere Zahl Knaben ein Körpergewicht,
welches dos Mittel übertraf.
12,17 Vo aller Knaben hatten eine Körperlänge bis 120 cm,
hiervon hatten 39,00% ein Körpergewicht von 20—22 kg
„ 5,55% „ „ unter 20 „
„ 55,45% „ „ über 22
54,05% aller Knaben hatten eine Körperlänge von 120— 130 cm,
hiervon hatten 47,50% ein Körpergewicht von 26 — 28 kg
„ 44,37% „ „ unter 26 „
8,13% „ „ über 28
33,78 Vo aller Knaben hatten eine Körperlänge über 130 cm,
hiervon hatten 55% ein Körpergewicht von 27 — ^30 kg
V V 10% „ „ unter 27 „
„ 35% „ „ über 30
10,69% aller Mädchen hatten eine Körperlänge bis 120 cm,
hiervon hatten 50*/o ein Körpergewicht von 20 — 22 kg
14,70% „ „ unter 20
35,30% „ „ über 22 „
152
59,43^0 aller Mädchen hatten eine Körperlänge von 120 — 130 om,
hiervon hatten 30,68 Vo ein Körpergewicht von 26 — 28 kg
„ 61,90V. „ , nnter 26
7,42V« „ „ über 28
29,88Vo aller Mädchen hatten eine Körperlänge über 130 cm,
hiervon hatten 49,42% ein Körpergewicht von 27 — 30 kg
„ 17,40Vo „ „ nnter 27
„ 33,34% „ „ über 30
Die kleinsten Knaben waren in der Mehrzahl schwerer aU
22 kg, die kleinsten Mädchen hatten in der Mehrzahl ein Durch-
schnittsgewicht von 21 kg; dreimal soviel der kleinsten Mädchen
als Knaben waren nnter 20 kg schwer. Von den Knaben mit
mittlerer Körperlänge hatte die Mehrzahl ein Durchschnittsgewicht
von 27 kg, von den gleichgrofsen Mädchen die Mehrzahl ein Körper-
gewicht nnter 26 kg; die Zahl der mittelgrolsen Knaben und
Mädchen, welche ein Körpergewicht über 28 kg hatten, war nahezu
die gleiche. Während das Maximum der gröisten Kinder ein Durch-
schnittsgewicht von 28,5 kg hatte, war die Zahl der Mädchen, welche
unter 29 kg schwer waren, nahezu doppelt so grob als jene der
Knaben; endlich war die Zahl der gröfsten Kinder mit mehr als
30 kg Körpergewicht bei beiden Geschlechtern ziemlich die gleiche.
Bei vorliegenden Berechnungen wurde vermieden, die einzelnen
Altersperioden in Vergleich zu bringen, da sich hierbei, wegen dem
so geringen Altersunterschied, keine genauen Zahlen ergaben; es
wurde demnach die Entwicklung ohne Bücksicht auf das Alter,
nach Schuljahren in Rechnung gezogen.
Es lag hierbei die Absicht zugrunde, den Einflufs, welchen der
Unterricht und der Schulbesuch auf den Gang der normalen phy-
sischen Entwicklung des Kindes an und für sich haben, zum Aus-
drucke zu bringen.
VI. Muskulatur und Ernthrung.
58,30 Vo der Kinder, und zwar 46,64% Knaben und 53,86%
Mädchen (Figur 14), hatten beim Schuleintritte eine kräftige,
36,97 Vo, und zwar 48 Vo Knaben und 52% Mädchen, eine schwache
Muskulatur.
Bei 46Vo dieser Kinder mit kräftiger Muskulatur konnte am
Schlüsse des vierten Schuljahres der gleiche Zustand derselben kon-
statiert werden, bei 54%, also bei mehr ab der Hälfte der kräftigen
Kinder, verlor die Muskulatur ihre uraprüngliche Stärke. Hierin
154
yerhielten sich beide Geschlechter gleich. 16,40% der Kinder
mit anfäoglich kräftiger Maskulatnr wiesen am Schlüsse
des vierten Schuljahres, eine krankhafte Muskelerschlaf-
fung auf!
Von den (37%) Eündern, welche beim Schaleintritte eine
schwache Muskulator hatten, erfahren bis zam Schiasse des vierten
Schal Jahres 23 Vo eine Kräftigang, verharrten 77% in der ursprüng-
lichen Schwäche, and von den letzteren behielten 5Vo ihre geradezu
elende Konstitution bei.
Hier zeigt es sich offenbar, dafs, wenn die Kinder vor ihrer
Aufnahme in die Schale auf ihre physische Eignung zum Schul-
besuche untersucht worden wären, die 5%, welche ihre krankhafte
Moskelkonsistenz durch die Schuljahre fortschleppten, gewifs für
ein Jahr von der Aufnahme in eine Schule zurückgewiesen
worden wären, wodurch dem Kinde Zeit und Buhe zur physischen
Kraftentwicklung geboten worden wäre.
Nach dem ersten Schuljahre wurde bei 29,59% der Knaben
und 49,05 7o der Mädchen eine Abnahme der Muskelentwicklung fest-
gestellt. Kleine Kinder nahmen durchschnittlich mehr ab
als gröfsere.
Nachstehende Zusammenstellung illustriert am besten die Muskel-
entwicklang der Kinder am Anfang des ersten und am Schlüsse des
vierten Schuljahres.
Beim Schuleintritte hatten,
bei einer Körperlänge bis 110 cm,
34,87% der Knaben eine schwache Muskulatur
49,53% „ „ „ kräftige
42,69% „ Mädchen „ schwache „
45,50% „ „ „ kräftige
bei einer Körperlänge von 110 — 120 cm,
37,16% der Knaben eine schwache Muskulatur
55,55Vo „ rf n kräftige „
34,37% „ Mädchen „ schwache „
51,55% „ „ „ kräftige
bei einer Körperlänge über 120 cm,
0% der Knaben eine schwache Muskulatur
100% „ „ „ kräftige
33,34% „ Mädchen „ schwache „
66,66 V. „ „ „ kräftige
155
Bis zar Körperlänge von 120 om war die Zahl der Mädchen
mit schwacher Moskulator gröfser; die über 120 cm grofsen £jiaben
waren alle muskelstark, während ein Drittel der gleich groXsen
Mädchen noch Moskelschwäche anfwiesen. Im allgemeinen war in
jeder der drei KOrperlängen die Zahl der mnskelstarken Kinder eine
grölsere.
Am Schlüsse des vierten Schuljahres hatten,
bei einer KOrperlänge bis 120 cm,
37,77Vo der Knaben eine schwache Muskulatur
22,227o „ „ ^ kräftige
44,117o » Mädchen „ schwache „
23,52% ^ „ „ kräftige
bei einer KOrperlänge von 120 — 130 cm,
30,62Vo der Knaben eine schwache Muskulatur
27,50Vo „ „ „ kräftige
28,57% „ Mädchen „ schwache „
83,337o „ „ „ kräftige
bei einer Körperlänge über 130 cm,
15Vo der Knaben eine schwache Muskulatur
54Vp » n » kräftige „
16,09Vo n Mädchen „ schwache «
65,51% „ „ „ kräftige
Die Zahl der muskelschwachen Knaben nimmt mit
der Körperlänge ab, und ist die Zahl der muskel-
schwachen gröfsten Knaben mehr als um das Doppelte
kleiner als jene der muskelschwachen kleinsten Knaben.
Gröfser ist die Zahl der muskelschwachen Mädchen, welche mit
Abnahme der Körperlänge auch muskelschwächer geworden sind.
Am Schlüsse des vierten Schuljahres gab es durchschnittlich
mehr muskelstarke Mädchen als Knaben.
Bis zur Körperlänge von 130 cm gab es mehr muskelschwache
als muskelstarke Knaben; bei den Mädchen war eine Prävalenz der
Moskelschwachen über die Muskelstarken nur bis zu einer Körper-
höhe von 120 cm vorhanden.
Mit der Körperlänge über 130 cm übersteigt die Zahl der muskel-
starken jene der muskelschwachen Kinder um nahezu das Doppelte.
Im allgemeinen macht die physische Entwicklung
des Kindes auffallend geringe Fortschritte, und liegt der
Grand hierfür allein in der Beschaffenheit der Muskulatur. Im Zu-
Stande der Muskulatur liegt das Wohlbefinden, im Muskel geht der
156
für die physische Entwicklung des Kindes so hochwichtige Prozels
— der Nahningsmittelumsatz — vor sich. Wie sichergestellt, beträgt
normalerweise das Gewicht der Muskulatur die Hälfte des Körper-
gewichtes.
Nahezu gleichen Schritt mit den Veränderungen in der Musku-
latur halten die Veränderungen im Ernährangszustande.
Zu Beginn des ersten Schuljahres steht der Prozent-
satz der Kinder mit kräftiger Muskulatur und guter Er-
nährung in geradem, und derjenige der Kinder mit
schwacher Muskulatur und schlechtem Ernährungszustande
im umgekehrten Verhältnisse zur Körperlänge.
Bei 47,72 % der Kinder (43 % der Knaben und 57 % der
Mädchen) war der Ernährungszustand beim Eintritt in die Schule
ein guter und bei 3,42 % ein ganz ungenügender (Figur 14).
Von den 47,72 % am Beginn des ersten Schuljahres als gut
genährt qualifizierten Kindern blieb dieser gute Ernährungszustand
bis zum Ende des vierten Schuljahres nur bei 42% der gleiche.
Die Muskulatur und der Ernährungszustand war bei
grofsen Kindern im Durchschnitt ein besserer als bei
kleinen.
Im ersten Schuljahre nahm die Ernährung bei 25,26 % der
Knaben und 42,45 7o der Mädchen ab. In den folgenden Schul-
jahren nahm jedoch sowohl die Muskulatur, als auch der Er^
nährungszustand stetig zu.
Eine schwache Muskulatur und eine schlechte Er-
nährung ist bei Kindern armer Eltern dreimal häufiger
zu finden gewesen, als bei den Kindern aus gut situierten
Familien.
So wie man sich angesichts der grofsen Zahlen in Abnahme
und Stillstand des Körpergewichts die Frage nach den Ursachen
dieser Erscheinung stellt, so nötigen auch die Daten über Abnahme
der Muskelstärke und des Ernährungszustandes zur Frage, welche
Ursachen hierfür vorliegen?
8,78 Vo der Knaben und 11% der Mädchen wurden im Laufe
der vier Schuljahre von akuten Infektionskrankheiten befallen, und
stellte die Beobachtung sicher, dafs in keinem dieser Fälle der
Nachweis zu erbringen war, dais diese Erkrankungen auf die phy-
sische Entwicklung des Kindes irgendeinen nachhaltigen ungünstigen
Einfluls ausübten und dals ihnen eine Hemmung der physischen Ent-
wicklung zugeschrieben werden könnte.
157
Die Erhebungen bei der jährlichen Untersnchung ergaben als
Ursache des Stillstandes oder Rückschrittes der physi-
fichenEntwicklnng angünstige Lebensyerhältnisse, Lungen-
leiden, in die Schule mitgebrachte KOrperschwäche, auch
reichlichen Alkoholgenufs, kurz gesagt, verschiedene ungünstige
Abweichungen vom natürlichen Verlaufe des Lebens. Die akuten
infektiösen Erkrankungen und die meisten übrigen interkurrenten
Erkrankungen der Kinder waren lediglich störende Einflüsse von
kürzerer Dauer, welche wohl Verluste mit sich brachten, die jedoch
bei wieder eintretenden günstigen Verhältnissen mehr oder weniger
kompensiert wurden. Es ist daher anzunehmen, dals die Natur bei
den erkrankt gewesenen Kindern im Stadium der Rekonvaleszenz
und darüber hinaus in der Regel zum Ersätze des Eingebüfsten ein
Mehr leistet als bei normalen Verhältnissen. Freilich muls es dahin
kommen, da(s, wenn die ungünstigen Einflüsse, die Entwicklungs-
störungen verhältnismäfsig lange anhalten oder früher wieder ein-
treten als dem kindlichen Organismus Zeit gegönnt war, sich zu er-
bolen, selbstredend die Fortentwicklung dieses Organismus Schaden
nehmen und für alle Zeiten zurückgesetzt bleiben mub; auch mufs
dieser Schaden durch den fortgesetzten Schulbesuch naturgemäfs ein
immer gröfserer werden.
Kränkliche Kinder — und solche gibt es, wie meine Unter-
sachungen zeigten, viel mehr als völlig gesunde — laufen daher
stets Gefahr, in der Entwicklung zurückzubleiben, und dieses
Moment mufs der Schulhygieniker, mufs der Lehrer jederzeit im
Auge behalten 1 Diesen muls es geläufig sein, dals erwiesenermalsen
darch rationelle Pflege des Kindes im Hause und in der Schule
die Kränklichkeit desselben überwunden werden kann, und dafs ge-
rade bei solchen Eandem die Schule die heiligste Pflicht hat,
darüber zu wachen, dafs ihre Tätigkeit bei der ihr anvertrauten
Erziehung nicht hemmend in den Gang der normalen Entwicklung
eingreife.
Wann könnte aber die Schule diese ihre Aufgabe lösen?
Gewifs nur dann, wenn sie regelmäfsige, stets wieder-
kehrende Untersuchungen der Kinder durchführt, welche
Mafsnahme die einzig wirksame Kontrolle einer gesunden
Entwicklung ist.
Wollte die Allgemeinheit etwas für die kräftige Ernährung
nnd damit für eine stärkere Muskelentwicklung leisten, so müfsten
die heute schon bestehenden zahlreichen Wohlfahrtseinrichtungen
158
weit allgemeiner werden, müTste die Entstehung und Erhaltung derselben
von jeder Gemeinde gefördert werden. Einrichtung von Spielplätzen,
Gründung und Erhaltung yon Suppenanstalten, Ferienkolonien und
Sohulbftdem mttfsten dort, wo Schulen bestehen, Unterstützung und
Förderung erfahren, und hätte sich die Zahl und Grölse dieser
Einrichtungen nach der Zahl der Schulkinder zu richten. Wie
viele arme Kinder gibt es, welche keine Ferien kennen, denen dieae
keine Erholung bringen! Warum sollen diese Kinder kein Anreoht
haben auf eine gleiche Fürsorge für ihre normale Entwicklung als
die Kinder besser bemittelter Eltern? Ist es denn ausgeschlossen,
dals solch ein armes Kind der kommenden menschlichen Gesell-
schaft nicht von gleichem Nutzen sein wird als ein besser situierfces
Kind? Es soll hier die Schulgemeinde in Erwägung ziehen, dals
jedes arme und kränkliche Kind eine zukünftige Belastung für die
Gemeinde ist; die Gemeinde sollte sich gegenwärtig halten, da(s sie
durch die Gesundhaltung aller ihrer Angehörigen sich und dem
Staate einen wesentlichen Dienst erweist.
Wenn der Nutzen der vorgenannten Einrichtungen in Erwägung
gezogen und auch anerkannt wird, so kann uns doch nur mehr eine
kurze Spanne Zeit von dem Zeitpunkte trennen, in welchem diese
Einrichtungen im Interesse aller Faktoren für jede Schulgemeinde
obligatorisch werden. Heil jenen Kindern, welche das Glück ge-
nielsen werden, in dieser Epoche die Schule zu besuchen I
Vü. WirbelsSule-Verkrflmmmigen (Skcliosen).
Figur 15 bringt nachfolgende Zusammenstellungen hierüber zur
Anschauung.
Beim Schuleintritt hatten:
eine normale Wirbelsäule
„ linksseitige Skoliose
„ rechtsseitige „
„ Kyphose links.
Am Schlüsse des vierten Schuljahres hatten:
7o der Knaben Vo der Mädchen
90,54 90,25 eine normale Wirbelsäule
1,69 2,83 „ linksseitige Skoliose
7,77 5,33 „ rechtsseitige „
1,59 „ Kyphose links.
'/» der Knaben
Vo
der MSdohen
63,86
67,92
26,35
21,69
9,80
8,80
1,59
159
Mit Eintritt in die Schule waren beide Skoliosen bei den
Knaben hftnfiger; am Ende des vierten Schuljahres ging die links-
seitige Skoliose bei den Knaben um 24,66%» bei den Mädchen
nur um 20% zurück; die rechtsseitige Skoliose nahm während der
yier Schuljahre unter den Mädchen mehr ab als unter den Knaben.
Anffallend ist die grolse Zahl dieser Lageveränderungen der Wirbel-
säule, und drängt diese Tatsache neuerlich zur Erforschung der
Onachen. Wenn auch die Entstehung von Verkrümmungen der
Wirbelsäule in einem schwachen Organismus begründet erscheint,
Skoliose.
Knaben.
Anfui^ des eraten Schuljahres.
Liaki-
Bnde des vierten Schuljahres.
Jl63%
«dt^ liiiU
illllM17,77'/,
21.69%
Ende des yierten Schaljahres.
15.33% ■
Fig. 15.
SO müssen doch noch andere Umstände hinzutreten, um eine solche
Deyiation hervorzurufen. Diese Annahme ist um so berechtigter, als
die Untersuchungen ergaben, dafs nicht alle körper- bezw. muskel-
sehwacbeu fiander skoliotisch siod bezw. werden.
Von den bei der ersten Untersuchung als muskelschwach sicher-
gestellten Knaben waren 33,02 % skoliotisch und von den Mädchen
44,06%, während von den muskelstarken Knaben 34,73 und von
den muskelstarken Mädchen 19,38 Vo als skoliotisch erkannt wurden.
Hierbei kamen nur ausgesprochen muskelstarke bezw. muskelschwache
Sehnlgesnndheitspflegre. XVIIL 9
160
Kinder in Reohnnng. Die linksseitige Skoliose wurde bei miiskel-
kräftigen Knaben doppelt so hänfig gefunden als bei schwächlichen ;
es bestand das Verhältnis yon 2:1; bei den rechtsseitig skoliotischen
Knaben jedoch bestand das Verhältnis von 6 : 7. Bei den Mädchen
konnte bei beiden Skoliosen das gleiche Verhältnis 6 : 8 sicher-
gestellt werden.
Es ist kein reiner Zufall» dafs gerade muskelkräftige Knaben
und muskelschwache Mädchen eine yerhältnismäJlsig so hohe Zahl
von Skoliotikem aufweisen. Für begreiflich wird allerdings gewöhn-
lich nur das häufigere Vorkommen von Skoliose bei muskelschwaohen
Mädchen gehalten, nicht aber jenes bei muskelstarken Knaben.
Der praktische Arzt hat bei Ausübung seiner Praxis in den
Industriegegenden Gelegenheit, die Beobachtung zu machen, daCs
die Pflegepersonen alle schwachen Kinder, aber auch die muskel-
kräftigen Knaben, ausschliefslich auf dem linken Arme tragen,
um sich die rechte Hand zur Arbeit freizuhalten; das Kind liegt
in der Regel mit seinem Kopfe auf der Brust der Pflegeperson und
sein Körper beschreibt nach auüsen einen leichten Bogen. Durch
diese stundenlang andauernde, oft wiederkehrende Haltung bis zum
zweiten, ja dritten Lebensjahre entstehen die meisten linksseitigen
Skoliosen, welche die Schule im Laufe der Jahre so günstig be-
einfluJJät.
Es ist Brauch, gerade den Knaben eine grölsere, aufmerksamere
Pflege angedeihen zu lassen, weshalb selbst muskelstarke Elnaben
die Begünstigung seitens ihrer Mütter genieÜBen, wie ein kränkliches,
schwaches Kind bis zum zweiten Lebensjahre getragen zu werden.
Anderseits mub auch betont werden, dafs nicht alle Muskelstarken
auch knochenstark sind. Die allgemein übliche Ernährung mit den
vielen Milchsurrogaten ist nur zu häufig die Ursache, dafs die
Kinder wohl an Muskelfett zunehmen, hierbei jedoch einen zarten
Knochenbau behalten, der ihnen nur spät, selbst erst im dritten
Lebensjahre das Gehen gestattet; begreiflich, daCs der scheinbar
muskelkräftige Knabe nicht laufen kann und auf der Mutter Arm,
in sich zusammengeknickt, stundenlang sitzt. Nur ein Verhältnis-
mäfsig kleines Prozent der Unterjährigen geniefsen das Glück, natar-
gemäCä sich zu entwickeln, die übrigen sind auf Pflegepersoneu an-
gewiesen, denen Geduld und Zeit mangelt, das Eand im Liegen zu
pflegen. Sie tragen das Kind in der Regel, um auf diese Weise
leichter ihre Tagesarbeit verrichten, sich im Freien aufhalten und
Besuche machen zu können.
161
Das stete Tragen der Kinder auf demselben Arm ist Ur-
sache der Entstehung von Skoliosen I Es genügt nicht, zu sagen,
das Knochengerüst des Kindes ist zu schwach, daher müssen Skoliosen
entstehen. Hier wird entschieden Ursache und Wirkung verwechselt.
Besserung der sozialen Verhältnisse, Inslebenrufen von
Krippen in allen gröfseren Orten, Belehrung der Be-
völkerung über Kindererziehung und Kinderernährung,
und die Skoliose wird zur Seltenheit I Leider ist die gegen-
wärtige Bevölkerung noch sehr weit entfernt von der Einsicht der Not-
wendigkeit solcher Wohlfahrtseinrichtungen.
Von den beim Schuleintritt als skoliotisch erkannten Eondem
war die Skoliose in der überwiegendsten Zahl eine linksseitige; nach
dem vierten Schuljahre war sie bei 87 % derselben behoben, und
von den bei der ersten Untersuchung als normal befundenen Kindern
entwickelte sich bis zum vierten Schuljahre bei 8 % Skoliose, und
zwar in 28 % der Fälle eine linksseitige und in 72 % derselben eine
rechtsseitige.
43,21 Vo der linksskoliotischen Knaben und 16,88 % der links-
skolioüschen Mädchen hatten eine kräftige Muskulatur. 2,46 %
der linksskoliotischen Knaben und 49,35% der linksskoliotischen
Mädchen hatten eine schwache Muskulatur.
5,40 % der rechtsskoliotischen Knaben und 48,64 % der rechts-
skoliotiBchen Mädchen hatten eine schwache Muskulatur, 27,02%
der rechtsskoliotischen Knaben und 32,43 % der rechtsskoliotischen
Mädchen hatten eine kräftige Muskulatur.
Anders bei Beurteilung der Ernährung:
42,68% der linksskoliotischen Knaben und 46,05 7o der links
skoliotischen Mädchen waren gut genährt, 29,17% der linksskolio-
tischen Knaben und 3,94 % der linksskoliotischen Mädchen waren
sohlecht genährt.
Auf das Längenwachstum blieb die Bildung oder der Bestand
einer mä&igen Skoliose ohne nachweisbaren Einfluls: 56 7o aller
Knaben bis zu 110 cm Körperlänge waren linksskoliotisch, und es
Hatten 50,66 % aller Linksskoliotiker eine Körperlänge von 110 cm.
66 % aller rechtsskoliotischen Knaben und 51 % aller rechtsskolio-
tischen Mädchen hatten eine Körperlänge von über 110 cm.
Die rechtsskoliotischen Kinder erfuhren im Laufe der vier Schul-
jahre gegenüber den linksskoliotischen eine wesentliche Schwächung
ihrer Muskulatur und Herabsetzung ihrer Ernährung.
Die linksseitige Skoliose kommt in 51,85% der Untersuchten
162
bei mäßiger Ernährung, in 4»93 Vo derselben bei schleohter Er-
nährung, in 12,34 V» bei mäisig starker Muskulatur und in 27,16 V»
bei schwacher Muskulatur vor. Bei klein gewachsenen Kindern
sind diese Prozentsätze verhältnismäfsig ungünstiger als bei grofsen.
Die rechtsseitige Skoliose kommt in 60 % der Untersuchten bei
mäfsigem, in 2,80 Vo bei schlechtem Ernährungszustande, in 26,71 %
bei mäfsig starker und in 34,27 % bei schwacher Muskulatur vor.
Sowohl die links- als die rechtsseitige Skoliose iflt bei kleinen
Kindern bis 110 cm Körperlänge häufiger als bei Kindern über
115 cm Körperlänge. Das Verhältnis der kleinen zu den groisen
linksskoliotischen Kindern ist in runden Zahlen wie 30 : 19 und
unter den rechtsskoliotischen Kindern wie 13 : 7.
Bei den linksskoliotischen Mädchen ist eine Muskelkräftigung
und Besserung des Ernährungszustandes häufiger, hingegen bei den
rechtsskoliotischen Mädchen seltener.
Beim Schuleintritt hatten
Vo der Knaben Vo der Mädchen Körperlänge
bis 1 10 cm eine linksseitige Skoliose
110 „ „ rechtsseitige ^
110 bis 120 „ „ linksseitige „
110 „ 120 „ „ rechtsseitige „
über 120 ^ „ linksseitige ,|
— — „ 120 „ „ rechtsseitige ^
Unter den Knaben war die linksseitige Skoliose in allen G-röfsen
bezw. LäDgenverhältnissen häufiger als unter den Mädchen, und ist
die Difierenz unter den höohstgewachsenen Kindern am auf-
fallendsten. Während die rechtsseitige Skoliose unter den kleinen
Knaben seltener ist, ist dieselbe unter den mittelgroüsen Knaben
wieder häufiger; unter den höchstgewachsenen Kindern wurde kein
Fall von Rechtsskoliose sichergestellt.
Am Ende des vierten Schuljahres hatten
Vo der Knaben Vo der Mädchen Körperlänge
bis 120 cm eine linksseitige Skoliose
„ 120 „ „ rechtsseitige ^
120 n 130 ^ „ linksseitige
120 „ 130 ^ „ rechtsseitige „
über 130 „ „ linksseitige „
„ 130 „ „ rechtsseitige „
Aus diesen Zusammenstellungen ist zu entnehmen, dafis die
linksseitige Skoliose unter den Knaben nahezu ganz, unter deik
34,07
21,46
8,88
10,73
23,12
22,96
10,16
6,66
27,27
1,66
—
2,94
—
2,94
2,94
2,61
6,60
5,76
—
3,48
7,64
4,66
163
Mftdchen bedeutend znrüokgegaDgen ist, daCs die rechtsseitige Skoliose
unter den kleinen und mittelgrofsen Kindern abgenommen, unter
den grofsen Kindern nicht unwesentlich zugenommen hat, wobei
noch zu bemerken wäre, dafs keines der rechtaskoliotischen Kinder
bei der ersten Untersuchung skoliotisch war. Je älter das Kind,
desto sicherer ging die Linksskoliose zurück, desto häu-
figer wurde die Rechtsskoliose.
Was das Verhalten des Körpergewichts zur Skoliose anlangt,
so ist zu bemerken, dafs die rechts« wie die linksseitige Skoliose nicht
nnr unter den kleinsten, sondern auch gleichzeitig unter den leich-
testen fiandem häufiger zu trefiFen war. Eis hatten eine Skoliose:
44 % der Kinder m. e. An&ngs-Körpergewichtv. durchschnittl. 13 kg
^ '^ 7i n n n n fl » !•»
"3 /o n » „ „ jf y, „ 23 „
Am Ende des vierten Schuljahres hatten eine Skoliose:
22 Vo der Kinder m. einem Durchschnitts-Körpergewicht v. 20 kg und
'.&*/• n f» r» rt 7i » »»27„
Es nahm sonach in beiden üntersuchungsperioden mit
der Zunahme des Körpergewichtes auch die Häufigkeit
der Skoliose ab.
Es erscheint durch diese Zusammenstellung wahrscheinlich, dals
die spätere Bildung einer Skoliose nicht unwesentlich an einen
zarten Körperbau gebunden erscheint!
Von den 23,45% bei der ersten Untersuchung als linksskolio-
tisch sichergestellten Kindern blieben 0,81 % bis zum Schlüsse des
Tierten Schuljahres linksskoliotisch, und akquirierten 1,46 Vo der
Kinder erst während des Verlaufes der yier Schuljahre eine links-
seitige Skoliose. Es war, wie bereits hervorgehoben, in 23,45 */o
der I^lle von Skoliose nicht die Schule, wohl aber die häusliche
Pflege an der Entstehung derselben schuld. Wenn dies als fest-
stehend gilt, warum soll an den 1,46 Vo der Fälle mit linksseitiger
Skolioee die Schule schuldtragend sein, warum nicht abermals das
Hans? Wenn man in Betracht zieht, unter welchen Verhältnissen
die Kinder so vieler minder gut situierter Eltern zu Hause ihre
Au^ben ausarbeiten, welche ungünstige Haltung der Kinder beim
Schreiben und Rechnen an allen Objekten zu Hause geduldet wird,
was Kinder schon in diesen Jahren arbeiten, tragen, heben müssen,
so muls unter allen Umständen die Schule von der Bildung links-
seitiger Skoliosen freigesprochen werden. Gehören doch alle
Kinder, welche schon bei der ersten Untersuchung eine linksseitige
164
Skoliose hatten, ausnahmslos dem Arbeiter- nnd dem Kleingewerbe-
stande an.
Anders verhält es sich mit der rechtsseitigen Skoliose. Bei
den Erstuntersuchnngen waren 8,74% der Kinder rechtsskoiiotisch;
unter diesen ist bei 8% die Skoliose bis zum Schlüsse des vierten Schul-
jahres zurückgegangen und hat sich während dieser Zeit bei 4,79 %
neu entwickelt, so dafs am Ende des vierten Schuljahres 5,53 Vo der
Untersuchten rechtsskoiiotisch und nur 2,28 linksskoliotisch waren.
Angesichts dieser Daten kann freilich die Schule nicht ganz
von Schuld freigesprochen werden, da gewiJs ungünstige Subsellien
einerseits und eine schlechte Haltung anderseits rechtsseitige Skoliose
zeitigen können.
Bei diesen Betrachtungen drängt sich unwillkürlich die Frage
auf, ob sich die während der Zeit mehrende rechtsseitige Skoliose
nicht vermeiden Heise? Wenn offenbar die Schule die linksseitige
Skoliose bessert, so braucht sie doch nicht eine rechtsseitige Skoliose
zu zeitigen I Nicht überall ist es möglieb, neue, passende Subsellien
an Stelle vorhandener schlechter zur Verfügung gestellt zu erhalten,
auch ist es oft dem Lehrer bei bester Absicht nicht möglich, die
schlechte Haltung mancher Kinder zu überwachen und zu korrigieren;
da somit diesen Übelständen nicht immer und überall wirksam ent-
gegengetreten werden kann, so muis getrachtet werden, die Folgen
zu mildem, sie zu paralysieren. Hier ist der Ruf gerecht-
fertigt nach Einrichtung von Jugendspielplätzen, nach
einem sachverständigeren, ich meine hygienischen Turn-
unterricht, welcher beiden Geschlechtern in gleichem
Mafse zukommen müfste, nach vermehrten körperlichen
Übungen, nach peinlicher Beobachtung hygienischer Vor-
schriften bei Auswahl von geeigneten Subsellien, und
nach umsichtiger, nachdrücklicher Beachtung der Schreib-
stellung.
Wenn der Schularzt die beginnende rechtsseitige Skoliose kon-
statiert, so hätte es die Schule als ihre heiligste Pflicht anzusehen,
diesem Übel mit aller Aufmerksamkeit zu steuern; sie hätte die
Pflicht, für solche bresthafte Kinder eigene körperliche
Übungskurse zu halten. Jeder Schularzt gibt der Schule hierzu
die erforderliche Anweisung I
Es wäre aber auch Pflicht der Gemeinde als Ortsschulbehörde,
dieser Frage näher an den Leib zu rücken! Die gesetzliche Ver-
pflichtung, dals das Kind, wenn auch von schwacher Konstitutioni mit
165
YoUendetem sechsten Lebensjahre die Schale besuchen mufs, involviert
unbedingft anch die Pflicht der Gemeinde, als Ortsschnlanfsichts-
behörde, der Schulhygiene, der Körperpflege der Kinder ihre volle
Aofioaerkaamkeit zuzuwenden, da sie gewisserinafsen die Exekutive
der Bestimmungen des Schulgesetzes ist.
Wenn aber auch* anderseits der G-emeinde, als Eigen-
tümerin der Schule, im Schulwesen ein vielfach freies
Verfügnngsrecht zusteht, so obliegt nichtsdestoweniger
dem Staate die Pflicht, nicht allein die Oberaufsicht zu
ffihren, sondern auch die Gemeinde, das Land in der Er-
fftUung schulhygienischer Aufgaben zu unterstützen. Es
kann doch für den Staat, nachdem er den Schulzwang ein-
geführt hat, nicht gleichgültig sein, ob er auch auf die
physische Entwicklung, auf das normale geistige Fort-
kommen der Jugend entschiedenen Einflufs habe oder
niohtl Es kann dem Staate die zukünftige Wehrfähigkeit,
der Grad der zukünftigen Steuerkraft des einzelnen
gewife nicht gleichgültig seini
Die grolse Zahl Muskelschwacher, Skoliotiker, die nambafte
Zahl geistig Minderwertiger und die Zahl aller jener, welche infolge
der durch den Schulbesuch bedingten veränderten Lebensweise in
der Korpergewichtszunahme und im Längenwachstum ungünstig be-
einflufst sind, also kurz gesagt, alle sich nicht normal entwickelnden
Kinder bedürfen dringend einer rationellen Körperpflege; aber auch
die übrigen, sich normal entwickelnden Kinder können derselben
keineswegs entraten! In seinem wohlbegründeten Interesse
hätte sonach der Staat an jeder^ wenigstens an jeder
gröfseren Schule einen Lehrer anzustellen bezw. auf die
Anstellung eines solchen zu drängen, welcher ausschliefs-
lieh die körperliche Pflege, die physische Ausbildung der
Kinder zu überwachen hätte. Dieser Lehrer müfste eine
begrenzte medizinische und hygienische Vorbildung er-
halten, er müfste gleichzeitig Turnlehrer und Leiter der
Jugendspiele sein.
Sollte auch dieser Vorschlag im ersten Augenblicke als zu weit-
gehend angesehen werden, so kann hierfür die Tatsache als Ent-
tthuldigung herangezogen werden, dals so manche heute bestehende
ESniichtung, dafe insonderheit viele Einrichtungen im Schulwesen
an&ogs das gleiche Schicksal erfuhren und trotzdem gegenwärtig zur
allgemein anerkannten Notwendigkeit geworden sind.
166
Der ErziehuDgsrat des Kantons Zürich gibt in einem Kreis-
sohreiben allen Sohnlbehörden zn wissen, welchen Wert er auf
einen geordneten, rationellen Tarn Unterricht legt. Das Kreisschreiben
sagt: „Beim Turnunterricht handelt es sich nicht um blofse Aus-
bildung der körperlichen Kraft, sondern um das Gegengewicht zu
der Ausbildung des Verstandes und Gedächtnisses und den übrigen
Disziplinen, damit die Schulbildung eine harmonische Ausgestaltung
des ganzen Menschen werde. Bei der Auswahl der Übungen und
bei ihrer Gruppierung sei daher auf den Wert der letzteren nicht
nur mit Bezug auf die körperliche Schulung, sondern ebensosehr
auf die Entwicklung der inneren Organe ein ganz besonderes Augen-
merk zu richten. Ebenso hoch wie als Mittel für die körperliche
Ausbildung sei der Wert eines rationellen Tumbetriebes als Er-
ziehungsmittel anzuschlagen; die Bildung des Willens, Förderung
von Mut, Ausdauer und Entschlossenheit, wie der Pünktlichkeit
und der Exaktheit in der Ausführung von Bewegungen soll eine
besondere Aufgabe des Turnens sein.*^ Dieser Erziehungsrat ver-
langt weiter, es sei nur bei ungünstiger Witterung der Turnunterricht
in die Hallen zu verlegen, und macht darauf aufinerksam, dab der
Turnunterricht für beide Geschlechter obligat sei und es nicht an-
gehe, Madchen ohne weiteres vom Turnen zu dispensieren.
Die Anstellung solcher Turnlehrer könnte jedoch
keineswegs die Anstellung von Schulärzten überflüssig
machen. Ein solcher Lehrer könnte den Schularzt in seiner
Wirksamkeit wesentlich unterstützen, ihm seine Aufgaben erleichtem 1
Wenn der Staat das wesentlichste Interesse an der kräf-
tigen Entwicklung der Jugend hat, wenn er also indirekt
verpflichtet erscheint, für diese normale Entwicklaug
der Kinder durch Anstellung von eigenen Lehrkräften
Sorge zu tragen, so kann und mufs ihm auch von Inter-
esse sein, dafs das gut entwickelte Kind auch gesund
bleibt, und dies kann nur ein Schularzt besorgen; es wäre
sonach auch die Anstellung desselben Sache des Staates.
Land und Gemeinden hätten allein den allgemeinen In-
struktionen für die Schulärzte die orts- oder landes-
üblichen Bestimmungen hinzuzusetzen, um das letzte
Glied in die Kette einzufügen, welches Glied eine unbe-
dingte Notwendigkeit für eine gesundheitliche, phy-
sische und geistige Erziehung des Kindes geworden
ist.
167
Der Staat hat die Macht und das Recht, die genann-
ten Einrichtungen durchzuführen, daher hat er auch die
Pflicht, es zu tun.
Wenn auch Land, Gemeinde, Schule und Haus jedes fbr sich
seine Pflicht hat, zur Lösung dieser Fragen beizutragen, so muis
sich auch, wie Axel Key richtig bemerkt, jeder Vorurteilsfreie
sagen, dafs es die Sache des Staates sei, darauf zu sehen,
dafs die Schule der Entwicklung des Kindes keine
Hindernisse in den Weg lege, dafs sich die aufwachsende
Jugend so stark und kräftig als möglich entwickle, dafs
dies Sache desselben Staates sei, welcher alle Kinder
zur Schule zwingt, die Schulordnungen aufstellt, in die
Detailordnungen der Schule eingreift und letztere kon-
trolliert.
Vm. Die Sehscharfe.
Die Untersuchung der Sehschärfe ergab, dafs 40 % aller Kinder
(46,62 Vo der Knaben und 34,71 % der Mädchen) beim Schuleintritt
einen Femabstand von 6 m, dafs 21,84% (23,64% der Knaben
und 20,70 Vo der Mädchen) einen Femabstand unter 6 m hatten.
Der höchste vorgefundene Femabstand von 10 m wurde bei Mädchen
fbnfmal häufiger als bei den Knaben angetroffen. Femabstände mit
10 m und darüber wurden beim Schuleintritt bei 1,80% der Unter*
SQohten und am Schlüsse des yierten Schuljahres schon bei 20%
derBelben gefunden.
Die Sehschärfe hat sich bei beiden Geschlechtem im Laufe der
vier Jahre wesentlich gebessert. Zu bemerken ist allein, daJs diese
Bessemng in der Zunahme des Femabstandes über 6 m bei den
Msdohen durch alle vier Schuljahre gegen die Knaben zurückblieb,
dab im Gegensatze zu den Knaben die Zahl jener Mädchen, deren
Sehschärfe unter der normalen Sehweite von 6 m zurückging, nicht
unwesentlich zunahm. Trotz dieser Tatsache war am Schlüsse des
▼ierten Jahres ein Femabstand von 1 bis 3 m bei Knaben ungleich
häufiger zu beobachten, und zwar gestaltete sich das Verhältnis
wie 3 : 1.
Ungleiche Sehschärfe beider Augen wurde ungleich
häufiger bei Mädchen vorgefunden.
Bei den 5,21% der Kinder mit ungleicher Sehschärfe beider
Augen konnte konstatiert werden, dals die Sehschärfe bis zum Ende
des vierten Schuljahres ausnahmslos an jenem Auge eine namhafte
168
Herabsetzung erfahr, welches bei der ersten üntersnchnng den
grOlseren Femabstand aufwies, während am anderen Auge die erst-
festgesetzte Sehschärfe konstant blieb.
Bestimmte Beziehungen zu den physischen Entwicklungsvorgängen
des Organismus konnte ich nur in geringerem Umfange feststellen.
So ergab die Untersuchung, dals von den Kindern, welche am Ende
des vierten Schuljahres eine subnormale Sehweite hatten, bezw. mit
einem Femabstande von unter 4 m, unter den Mädchen 75%, unter
den Knaben 72 Vo eine schwache Körperkonstitution hatten, dais
30 Vo dieser kurzsichtigen Mädchen und 73®/o der kurzsichtigen
Knaben skoliotisch waren, dals 40% bezw. 45% skrophul6s oder
anämisch waren, endlich 35% bezw. 45% eine Schilddrüsen-
vergrölserang hatten. Es ergab aber auch die Untersuchung, dab
64% der kurzsichtigen Knaben und 80 ^/o der kurzsichtigen Mädchen
eine sehr gute Auffassungskraft und ein gutes Gedächtnis besaiäen.
IX. Ohrenleiden.
Bei der ersten Untersuchung wurde bei 5,44% der Kinder
Schwerhörigkeit festgestellt; 0,32% der Kinder waren taub auf
einem Ohre.
Bei 0,65 '/o der Kinder trat im Laufe der vier Schuljahre eine
Verschlimmerung, bei 0,53% eine Bessemng des Gehörs ein.
Soweit durch die Anamnese sichergestellt werden konnte, war
die Ursache der Schwerhörigkeit in den weitaus meisten Fällen vor-
ausgegangene Erkrankung an Scharlach.
Ohrenleiden überhaupt, also auch ohne Schwerhörigkeit, wurden
bei 9,01^0 der Kinder vorgefunden.
X. AnfTassungsvermtgen und Oedichtnis.
Von Seite des Lehrkörpers wurde festgestellt, dals am Ende
des ersten Schuljahres 34,34% der Kinder, wovon 56,25% Mädchen
und 43,75% Elnaben waren, ein schwaches Auffassungsvermögen
hatten; daranter sollen 7,83^/o geradezu beschränkt zu nennen
gewesen sein.
Am Ende des vierten Schuljahres hatten (Figur 16) 30% der
Kinder, wovon 50,73% Knaben und 49,27% Mädchen waren, eine
schwache Auffassung; 3,56% aller Auffassungsschwachen waren als
beschränkt zu bezeichnen.
Am Ende des vierten Schuljahres hatte sich das Prozent
der Kinder mit guter Auffiusung im ganzen etwas gehoben, bei
169
Knaben yermindert, bei Mädchen vermehrt. Bei 6,67 V« der Kinder
nahm das Auffafisungsvermögen bis zum Sohlasse des vierten Schnl-
jahr^ ab, nnd zwar waren 78% dieser Kinder Knaben und 22%
Mftdohen. Bei 11% der Kinder nahm das Auffassungsvermögen in
Das AuffassungsvermSgen
der Schulkinder
Bnde des ersten Schuljahres. sm Ende des vierten Schuljahres.
69% 27% «0 65% 26% 8%
Knaben
26% 11%
68% 17^. W:
Mädchen
[Z3 '
Gut.
mm
Minder gni.
Fig. 1«.
Schlecht.
diesem Zeiträume zu, nnd zwar waren 36% derselben Knaben nnd
64 V« Mädchen. Bei 29,47% der Kinder blieb der Znstand der
«chwachen Auffassung bis zum Ende des vierten Schuljahres stationfir.
Nahezu gleichen Schritt mit dem Auffassungsvermögen hielt
das Gedächtnis. Bei 10,09% der Kinder (Figur 17) war das
170
Gedächtnis am Ende des ersten Schuljahres ein schwaches und bei
70,19Vo ein ausgesprochen gutes. Am Ende des yierten Schuljahres
war dasselbe bei 14,16^/o ein schwaches und bei 68,84 Vo ein gutes.
Dem G^chlechte nach standen am Ende des ersten Schuljahres
Das Gedächtnis
der Schalkinder
am Ende des ersten Schayahres. am Ende des ▼ierten Sehaljahre«.
70% 18%12% 66% 20% 14%
Knaben
----•' >'^ ' ■
.
' 1
'V
1
1
' ■ 1
1
■"'■'-'■"."■"
^^^
70%
21% 9%
70"!
16% m
Mädohen
mmm^^ ■ i ^ ■ ■ j ^ i i i i ■ i^
Gut.
umg.
Flg. 17.
Schwach.
ll,82Vo der Knaben mit schwachem Gedächtnis 8,49% der Mädchen
gegenüber; sodann standen 69,59% der Knaben mit gutem Gledäohtnis
70,76% der Mädchen gegenüber, und war dieses Verhältnis am Ende
des vierten Schuljahres = 13,85% zu 14,46% bezw. 66,21% zu
70,12%.
171
Bei lOVo der Eaoder mit soh wachem Gedächtnis hat sich das-
selbe gebessert, bei 13% der Kinder hat sich das Gedächtnis ver-
schlimmert. Unter grö&eren Kindern war gntes Auffassungsvermögen
häufiger zu trejSen. Unter den Knaben nahm das Prozent
mit guter Auffassung bis zum Ende des vierten Schul-
jahres in allen Körpergröfsen ab, unter den Mädchen
hingegen durchschnittlich zu.
Schwaches Auffassungsvermögen war unter den kleinsten Kindern
zu beiden Zeitperioden am häufigsten anzutre£Fen. Auch nahm das
Bohwache Auffassungsvermögen vornehmlich bei den gröfseren Knaben
gegen das vierte Schuljahr zu, bei den Mädchen in allen Körper-
groben ab.
Am Ende des ersten Schuljahres war das Auffassungs-
vermögen bei
Vo der Knaben
o/o der USdohen
ESrperlSnge
51,51
61,81
bis 105 cm
ein gutes,
18,18
16,36
105 „
„ schwaches,
32,43
69,66
von 106—110 „
„ gutes.
2,72
4,09
„ 105—110 „
„ schwaches,
58,42 •
73.91
., 110-115 „
„ gutes.
6,74
1,08
,, 110-115 „
„ schwaches.
64,40
79,07
„ 115-120 „
„ gutes.
6,08
7,00
„ 115-120 „
„ schwaches,
54,51
100,00
über 120 „
„ gutes.
—
—
120 „
„ schwaches.
Am Ende des vierten Schuljahres war das Aaffassungs-
rermOgen bei
*/• der Knaben
o/o der Hädoben
KörperlSnge
38,69
54.28
bis 120 cm
ein gutes.
19,04
22,86
120 „
„ schwaches.
2,66
72,00
von 120—125 „
„ gutes,
2,66
20.00
„ 120—125 „
„ schwaches,
51,08
69,82
„ 125-130 „
„ gutes.
6,37
12,93
„ 126 130 „
„ schwaches.
61,56
65,45
„ 130 136 „
„ gutes,
6,25
10,90
„ 130—135 „
„ schwaches,
69,45
83,33
über 136 „
„ gntes.
8,10
11,11
135 „
„ schwaches.
Am Ende des ersten Schuljahres war das Gedächt-
nis bei
% der Knaben ^/o der Mädchen Eörperlänge
51,51 58,01 bis 105 cm ein gutes,
15,15 14,57 „ 105 „ „ schwaches,
43,24 71,31 von 105—110 „ „ gutes.
172
®/o der Knaben Vo der Mädchen Körperlänge
5,40 6,66 von 105 — 110 cm ein schwaches,
71,91 73,91 „ 110—115 „ „ gutes,
11,23 — „ 110—115 „ ,. schwaches,
83,05 79,07 „ 115—120 „ „ gutes,
5.08 7,00 „ 115—120 „ „ schwaches,
100,00 100,00 über 120 „ „ gutes.
— — „ 120 „ „ schwaches.
Am Ende des vierten Schuljahres war das Gedächt-
nis bei
Vo der Knaben % der Mädchen Körperlänge
52,38 48.57 bis 120 cm ein gutes,
28,57 25,71 „ 120 „ „ schwaches,
52,00 76,00 von 120—125 „ „ gutes,
5,32 18,66 „ 120—125 „ ,, schwaches,
67,44 72,41 „ 125—130 „ „ gutes,
12,74 15,51 „ 125—130 „ „ schwaches,
65,62 69,09 „ 130—135 „ „ gutes,
10,93 10,90 „ 130—135 „ „ schwaches,
72,97 83,33 über 135 „ „ gutes,
8,10 11,11 „ 136 „ „ schwadies.
Ein gutes Gedächtnis wnrde unter den gröfseren
Kindern häufiger angetroffen als unter den kleineren.
Die Zahl der Eonder mit schwachem Gedächtnis hat in allen
Gröfsen bis zum Schlüsse des vierten Schuljahres, auch hier ins-
besondere unter den Mädchen, zugenommen.
Es lassen sich aus diesen Zusammenstellungen folgende Schlüsse
ziehen :
1. Je kleiner das Kind, desto gröfser der Prozentsatz
mit ausgesprochen schlechter Auffassung und
schwachem Gedächtnis.
2. Kinder über 120 cm bezw. 130 cm Körperlänge hatten
ausnahmslos ein gutes Gedächtnis und ein gutes
Auffassungsvermögen.
3. Die Zahl der Mädchen mit guter Auffassung und
gutem Gedächtnis ist während der vier Schuljahre
bei jeder Körperlänge gröfser als die entsprechende
Zahl anter den Knaben.
Ein weiteres Interesse bietet die Entwicklung der geistigen
Tätigkeit im Verhältnis zum Körpergewicht des Kindes.
173
Am Ende des ersten Schuljahres war das Auffassungs-
Termögen bei
*/• der KDftben
o/o der MSdcben
Körpergewicht
66,61
50,00
bis 15 kg
ein gutes.
16,66
26,00
1& .,
„ schwaches,
47,82
68.75
Ton 16—18 „
„ gutes.
13,04
11,26
„ 15-18 „
„ schwaches.
49,61
74,49
„ 18-21 „
„ gutes,
3,06
8,05
„ 18-21 „
„ schwaches.
64,79
78,46
„ 21-24 „
„ gutes,
4,10
6,15
„ 21-24 „
,, schwaches.
67,14
66,66
Aber 24 „
„ gntes,
7,14
16,16
24 „
„ schwaches.
Am Ende d
es vierten Schuljahres war das Aaffassunj
ermOgen bei
% der Knaben
"h der MSdcben
Körpergewicht
46,15
56,81
bis 22 kg
ein gutes.
7,69
22.72
22 „
„ schwaches.
45,71
72,72
Ton 22—26 „
„ gutes.
7,14
18,44
„ 22 25 „
„ schwaches.
45,76
61,32
„ 26-28 „
„ gntes,
3,88
12,26
„ 25-28 „
„ schwaches,
60,00
79,58
„ 28—31 „
„ gutes,
13,33
8,16
„ 28-31 ,,
„ schwaches.
38,70
63,16
über 31 „
„ gutes,
3,22
21,05
31 „
„ schwaches.
Sowohl unter den Knaben als unter den Mädchen ist die Zahl
der Kinder mit einem guten Auffassungsvermögen bei
gröfserem Körpergewichte im allgemeinen gröfser, bei
den Mädchen sogar namhaft gröfser, und ist demzufolge auch die
Zahl der Kinder mit einem schwachen Auffassungsvermögen bei
geringerem Körpergewichte gröfser. Bei den Mädchen war ein
gutes Auffassungsvermögen bei gröfserem Körpergewichte
um vieles häufiger zu konstatieren als bei den Knaben.
Bei den Mädchen war weiter ein schwaches Auffassungsvermögen in
allen niederen Qewiohtslagen zahlreicher anzutreffen.
Das gute Auffassungsvermögen hat unter den Knaben
Mb zum vierten Schuljahre namhaft nachgelassen, unter
den Mädchen aber zugenommen.
Auch das schwache Auffassungsvermögen ist unter den Knaben
bia zum vierten Schuljahre im Bückgang begriffen, unter den Mädchen
lungegen ist dasselbe im Steigen.
174
Am Ende des ersten Schuljahres war das Gedächt-
nis bei
% der Knaben
% der Mädohen
Körpergewicht
83,33
62,50
bis 15 kg
ein gntes,
16,66
25,00
15 „
„ schwaches.
55,07
67,50
von 15—18 „
„ gutes.
11,59
11,26
„ 16-18 „
„ schwaches.
61,83
71,81
„ 18-21 „
„ gutes,
6,10
8,05
„ 18-21 „
„ schwaches.
73,97
80,00
„ 21-24 „
„ gutes.
6,84
7.69
„ 21-24 „
„ schwaches,
71,42
66,66
über 24 „
„ gutes,
14,28
16,66
24 „
„ schwaches.
Am Ende
des vierten
Sc
huljahres war
das Gedäcl
is bei
o/o der Knaben
«/• der M8dchen
Körpergewicht
38,46
59,09
bis 22 kg
ein gntes,
15,38
25,00
„ 22 „
„ schwaches,
55,71
72,72
von 22—25 „
„ gutes.
10,00
17,47
,. 22-25 „
„ schwaches,
58,47
66,98
„ 25-28 „
„ gutes,
9,32
12,26
„ 25-28 „
,, schwaches.
68,33
81,63
„ 28-31 „
„ gutes.
13,33
10.20
„ 28-31 „
„ schwaches.
64,61
68,42
über 31 „
., gntes,
9,67
21,06
)) 31 ,,
„ schwaches.
Auch bei dieser Zusammenstellung zeigt es sich,
dafs die Kinder mit gröfserem Körpergewicht durch-
schnittlich in allen Schuljahren in gröfserer Zahl ein
gutes Gedächtnis aufweisen, und dafs anderseits unter
den Kindern mit geringerem Körpergewicht im allge-
meinen ein gröfseres Prozent solcher mit schwachem Ge-
dächtnis zu konstatieren war.
Endlich kann aus den gesamten Betrachtungen der Sohlufs ge-
zogen werden, dafs bei einer Körperlänge von 110 — 120 cm nach
dem ersten und bei einer solchen yon 125— 135 cm nach dem vierten
Schuljahre, dann bei einem Körpergewicht von 18 — 24 kg bezw.
25 — 31 kg bei beiden Geschlechtern minderwertige geistige Fähig-
keiten weitaus am seltensten zu finden waren.
Es findet somit der allgemein aufgestellte Satz, dafs körperlich
besser entwickelte Kinder auch geistig mehr leisten, seine
volle Bestätigung.
176
Des weiteren geht aber aus dieaem UntersiicliangeergebniB herror,
dab gewUe die nicht geringe Zahl der geistig Minder-
wertigen ein beredtes Zeugnis ist für die Berechtigung
der Einrichtung und des Bestandes yon eigenen Sohul-
klassen, sog. Hilfsschulen, für Kinder mit nicht ge.
nügenden geistigen Fähigkeiten, für Kinder, deren Er-
liehung indiyidualisiert werden mufs. Mit Rücksicht auf
die derzeit noch bestehenden und nur schwer zu ändernden Verhält-
niase lälst sich heute der Mangel solcher Klassen bezw. Schulen ent-
ichuldigen, aber im Interesse der geistig gut Veranlagten, im Interesse
einer tunlichsten Zeitigung der Erwerbs- bezw. BeruÜBtätigkeit der
geistig Zurückbleibenden niemals rechtfertigen.
Diese Hilfsschulen (Erlassen) hätten somit die Bestimmung, alle
▼OB der Natur geistig Vernachlässigten zu brauchbaren Gliedern der
menschlichen Gesellschaft heranzuziehen. Dals sie dieses Streben
auch erreicht, lehrt die Erfahrung.
Nach Bektor Mölleb- Heiligenhafen können 60 — 80 Vo der
Minderwertigen zu normaler geistiger Tätigkeit gebracht werden, und
UQ dieses Ziel auch sicher zu erreichen, sollen diese Kinder gleich
nach dem ersten oder zweiten Schuljahre, in welcher Zeit erst ihre
geistige Tätigkeit als minderwertig klassifiziert werden kann, solchen
Hilfsschulen übergeben werden.
Gutes Auffassungsvermögen und Gedächtnis sind bei
Kindern besser situierter Eltern um 10% häufiger als
bei den übrigen. Ausgesprochen schwache Auffassung und
Bohwaohes Gedächtnis war unter den Kindern besser situierter Eltern
mit 5,3% vertreten, während die minderwertigen geistigen Fähig-
keiten unter den Kindern armer Eltern mit 8 bezw. 19% zu finden
wiren.
XL SchilddrflsenvergrSfserung.
Ich entsinne mich nicht, dafs in der einschlägigen Literatur des
Dmstandes Erwähnung geschehen sei, von welchem Einflüsse der Zu-
itand der Schilddrüse auf die physische und geistige Entwicklung des
Kindes ist. Meine Beobachtungen konnten den Nachweis liefern, da(s
eine Yergröiserung der Schilddrüse zumeist da zu finden ist, wo sich
migfinstige Einflüsse geltend machen auf die Entwicklung der Musku-
lator, der Ernährung, auf die Lage der Wirbelsäule, endlich auf die
geistigen Fähigkeiten. Ob die VergrölSserung der Schilddrüse Ursache
oder Wirkung ist, wage ich bei dem noch viel zu geringen Unter-
SchalgeraiidheiUpflege. XVIII. 10
176
snobungsmaterial nicht atisznspreohen, anoli wäre es Sache der For-
schung, festzulegen, ob eine absichtlich eingeleitete Rückbildung der
vergröberten Schilddrüse auch eine beabsichtigte Wirkung erzielt, ob
und in welchem Zusammenhange eine Vergröfserung der Schilddrüse
mit den häufigen Kop&chmerzen und dem Nasenbluten der Kinder
in Zusammenhang steht.
30,18Vo der Knaben und 17,82% der Mädchen mit Schilddrüsen-
vergrOiserung hatten ein minder gutes Auffassungsvermögen,
18,08Vo der Knaben und 17,74Vo der Mädchen mit normaler
Schilddrüse hatten ein minder gutes Auffassungsvermögen,
8,37 Vo der Knaben und 9,30% der Mädchen mit Schilddrüsen-
Vergrößerung hatten ein schlechtes Auffassungsvermögen,
0,50% der Knaben und 8,48% der Mädchen mit normaler Schild-
drüse hatten ein schlechtes Auffassungsvermögen,
21,70 Vo der Knaben und 19,38% der Mädchen mit Schilddrüsen-
vergröfserung hatten ein minder gutes Gedächtnis,
14,36% der Knaben und 19,09% der Mädchen mit normaler
Schilddrüse hatten ein minder gutes Gedächtnis,
13,86% der Knaben und 9,30 V« der Mädchen mit Schilddrüsen-
Vergrößerung hatten ein schlechtes Gedächtnis,
3,07% der Knaben und 7,17% der Mädchen mit normaler Schild-
drüse hatten ein schlechtes Gedächtnis.
0£Eenbar zeigt diese Zusammenstellung, daCs die Kinder mit
einer Vergröfserung der Schilddrüse ein gröfseres Pro-
zent geistig Minderwertiger aufweisen als die anderen,
und ist die bezügliche Differenz zwischen Kindern mit vergröüserter
und normaler Schilddrüse bei den Knaben eine bedeutende.
Es hatten 10,37 7o der Knaben und 21,19% der Mädchen mit
Schilddrüsenvergröberung eine rechtsseitige Skoliose, während nur
7,97 Vo der Knaben und 7,95 % der Mädchen mit normaler Schild-
drüse eine solche Skoliose besafsen.
Zu Beginn des ersten Schuljahres hatten 21,98% der Kinder»
und zwar 23,64% der Knaben und 20,44 7o der Mädchen, und zum
Schlüsse des vierten Schuljahres schon 23,45% der Kinder — 27,36%
der Knaben und 19,81% der Mädchen — eine Schilddrüsen-
vergröüserang.
Im Verlaufe des vierten Schuljahres vergröiserte sich die Schild-
drüse unter den mit normaler Schilddrüse in die Schule eingetretenen
Kindern in 12,80% der Fälle und trat bei 11% der Kinder mit
177
beim Schnleintritt konstatierter vergröfserter Sohilddrüse ein Rückgang
in der Vergröfserang ein.
Bei Knaben war eine Vergröfserung der Schilddrüse
häafiger zu treffen als bei Mädoben. Fast alle Kinder
mit schwacher Musknlatnr und schlechtem Ernährnngs-
zustande hatten eine yergröfserte Schilddrüse.
Unter den Kindern mit vergröiserter Schilddrüse waren:
70Vo m&fsig genährt,
55 Vo anämisch,
68 Vo skrophnlös,
48 Vo hatten eine minder gute Auffassung und Gedächtnis,
17% n n schlechte n n n
Bei den kleinen Kindern unter J 15 cm Körperlänge scheint das
Wachstum der Schilddrüse ohne besonderen Einfluls auf Ernährung
und Muskulatur, sowie auf die geistigen Fähigkeiten zu sein ; sobald
die Kinder das Längenmals von 115 cm überschritten haben, zeigt
sieh obiger Einflufs deutlich, und ergab dann die Untersuchung nach-
stehende Resultate:
50,94% der Eoiaben und 49,12% der Mädchen mit schwacher
Muskulatur hatten eine Schilddrüsenyergröfserung,
71,71% der Knaben und 67,59% der Mädchen mit mäfsiger Er-
nährung hatten eine Schilddrüsenyergröfserung,
alle mit schlechter Ernährung hatten eine Schilddrüsenyergröfserung,
42,55% der E[naben und 57,45% der Mädchen mit normaler
Schilddrüse waren beim Schuleintritt und
34,28% der Knaben und 55,24% der Mädchen waren am Ende
des yierten Schuljahres gut genährt und kräftig entwickelt,
26,41% der Knaben und 24,07% der Mädchen mit Schilddrüsen-
yergrölserung und
26,06 Vo der Knaben und 22% der Mädchen mit normaler Schild-
drüse hatten eine linksseitige Skoliose.
Vergrölserungen der Schilddrüse waren unter den Kindern be-
mittelter wie armer Eltern gleich yerbreitet.
Xn. Andere Gebrechen nnd interknrrierende Krankheiten.
75^0 aller Knaben und 74,73% aller Mädchen wurden als krank
befanden. Diese Kinder hatten teils Anämie, Drüsenschwellungen,
ausgesprochene skrophulöse Diathese, teils Lungenkatarrhe, Herzfehler,
Knochentuberkulose, teils Augenleiden (ohne Kurzsichtigkeit). Als
saämiseh wurden nnr jene Kinder bezeichnet, welche es auch un-
10*
178
zweifelhaft waren (BlAsae der sichtbaren Sohleimhänte, schlaffe Musku-
latur, Herzklopfen, Kopfschmerzen). Kopfschmerzen, Magenkatarrhe,
Nervosität, Nasenbluten wurden nicht unter die krankhaften Zustände
aufgenommen, da dieselben durch objektive Symptome nur mit Un-
sicherheit zu bestimmen waren und die Beobachtungen des Lehrers
nur auf dessen subjektiven laienhaften Ansichten basieren. Bräche
jeder Art, Bettnässen, Schwerhörigkeit, Taubheit auf einem Ohre,
Erblindung auf einem Auge, Homhautflecke, Ohrenflufs, Veitstanz,
Epilepsie wurden nicht besonders behandelt, da deren Zahl nur eine
genüge war. Es sei gleich hier betont, dals die auffallend groise
Zahl kranker Kinder in dieser hochbedeutsamen Industriegegend, in
dem Berufe der Eltern, in der Dichtigkeit der Bevölkerung und in
den daraus resultierenden ungünstigeren Lebensverhältnissen, endlich
in der nicht unbedeutenden Lebensmittelteuerung ihre berechtigten
Ursachen hat.
17,56 Vo der Knaben und 17,297« der Mädchen waren gesund ohne
Skoliose,
16,55Vo der Knaben und 15,097« der Mädchen waren gesund ohne
Skoliose und nicht kurzsichtig,
ll,147o der Knaben und 13,527« der Mädchen waren gesund ohne
Skoliose, nicht kurzsichtig und mit normaler Schilddrüse,
5,40^/o der Knaben und 6,29^/« der Mädchen waren gesund ohne
Skoliose, nicht kurzsichtig, mit normaler Schilddrüse und ohne
Zahnfäule,
4,72 7o der Knaben und 6,297« der Mädchen waren gesund ohne
Skoliose, nicht kurzsichtig, mit normaler Schilddrüse, ohne
Zahnftlule und physisch gut und gebrechenfrei entwickelt.
Diese Zahlen, wenn sie auch erschreckend grols sind, sind
nichtsdestoweniger den Tatsachen entsprechend.
Diese Zahlen rufen gebieterisch nach Abhilfe und verlangen
von uns, dals wir endlich der Lösung der sozialen Frage, besonders in
Lidustriegegenden, näher treten, diese mit allen zu Qebote stehenden
Mitteln erstreben!
Diese Zahlen erheischen zwingend die endliche, aber auch
wirksame und nachhaltige Lösung der Schularztfrage.
Ohne Lösung dieser Fragen, und insbesondere letzterer, müssen
die kommenden Jahre stets traurigere B.esultate zeitigen, müssen
Staat, Land und Gemeinde Schaden nehmen und mnÜB das kommende
Gheschlecht immer mehr degenerieren 1
75% der Kinder waren bresthaft. Die vorkommenden Gebrechen
179
▼nrden bereits namhaft gemacht, unter den Qebreohen waren die
spntohlichen vorherrschend. Die Häufigkeit der Gebrechen bei Knaben
und Mftdchen verhält sich wie 3 : 7.
Nach ihrer Häufigkeit waren die konstatierten Gebrechen in ab-
steigender Linie: Sprachfehler, Verkürzungen der unteren Extremi-
täten, Strabismus, Herzfehler, Homhauttrtlbungen, Leistenbrüche,
Säbelbeine, Taubheit auf einem Ohre, Blindheit auf einem Auge,
Klumpfülse usw. usw.
Von den krankhaften Zuständen konnten konstatiert werden bei
22,29% der Knaben und 28,93% der Mädchen Anämie,
37,70% „ „ „ 33,96% „ „ Bindehautkatarrhe (zu-
meistskrophul.Natur),
46,62% ^ » „ 31,76% „ „ Lymphdrüsenschwellung.,
36,14% n n 7) 38,67% „ „ ausgesproch. Skrophulose,
71,28Vo „ „ „ 57,86% „ „ Zahnfäule.
Nachfolgende Zusammenstellung zeigt die Abnahme der Zahl
der Erkrankten und die Zunahme der vollkommen gesunden Kinder
mit zunehmender Körperlänge:
Beim Eintritt in die Schule:
Bei einer Körperlänge bis 105 cm
hatten 33,00% der Kinder Anämie,
„ 45,00% „ ,, Skrophulose u. Lymphdrüsenschwellungen,
„ 86,00% „ „ Zahnfäule,
8,95% „ „ bresthaft,
„ 2,93% „ „ Schilddrüsenyergröiserung und
waren OV9,, „ gesund.
Bei einer Körperlänge von 105—110 cm
hatten 21,50% derE[inder Anämie,
„ 42,00% „ ,, Skrophulose u. Lymphdrüsenschwellungen,
„ 71,50% „ „ Zahnfeule,
„ 14,82«/, „ „ bresthaft,
„ 9,28% „ „ Schilddrüsenyergröiserung und
waren 17,60% „ „ gesund.
Bei einer Körperlänge von 110 — 115 cm
hatten 17,00% der Kinder Anämie,
„ 41,00% „ „ Skrophulose u. Lymphdrüsenschwellungen,
„ 65,00% „ „ Zahnfäule,
„ 12,86Vo „ „ bresthaft,
„ 5,70Vo „ „ Schilddrüsenveigröiserung und
wawn 20,00% „ „ gesund.
180
Bei einer Körperlänge von 115 — 120 om
liatten 22,00 7o der Kinder Anämie,
„ 32,00% „ „ Skrophuloseu.LymphdrüBenjBohweUungen,
„ 64,00*/o „ „ Zahnfäule,
5,00*/o „ „ bresthaft,
„ 3,90Vo „ „ SohilddrüsenvergröfBerung und
waren 38,OOVo „ „ gesnnd.
Bei einer Körperlänge von 120 om und darüber
hatten 9,00T der Kinder Anämie,
„ 27,OOVo
„ 46.00%
„ 1,14%
„ 0,81%
waren 45,OOVo
Skrophuloseu. Lymphdrüsensoh wellungen,
Zahnfäule,
bresthaft,
Sohilddrüsenvergrölserung und
gesund.
Am Schlüsse des vierten Schuljahres:
Bei einer Körperlänge von 115 cm
hatten 39.00% derEander Anämie,
„ 43,00% „ „ Skrophuloseu. Lymphdrüsenschwellungen,
„ 87,00% „ „ Zahnfäule,
0,48% „ „ bresthaft,
„ 0% „ „ Schild drüsenvergröfserung und
waren 1,70% „ „ gesund.
Bei einer Körperlänge von 115 — 120 cm
hatten 23,00% der Kinder Anämie,
,, 40,50Vo „ „ Skrophuloseu. Lymphdrüsenschwellungen,
„ 72,50% „ „ Zahnfäule,
0,65% „ „ bresthaft,
„ 1,62% ,, „ Sohilddrüsenvergrölserung und
waren 18,40Vo „ „ gesund.
Bei einer Körperlänge von 120 — 125 cm
hatten 16,507o der Kinder Anämie,
„ 38,00% „ „ Skrophuloseu. Lymphdrüsenschwellungen,
„ 69,007p „ „ Zahnfäule,
4,887p „ „ breethaft,
„ 6,027« „ „ Sohilddrüsenvergrölserung und
waren 22,007« „ „ gesund.
181
Bei einer Eörperlftnge von 12ö — 130 om
hatten 19,00% der Kinder Anftmie,
„ 31,00'/» „ „ Skrophalo8en.Lymphdrtt8enaohwrilongen,
„ 67,00%
„ 7.49%
„ 8,32 U
waren 40,50%
Zahnfäule,
bresthaft,
SchilddrüsenvergröÜBening und
{^nnd.
Bei einer Körperlänge von 130 cm und darüber
hatten 6,00 Vo der Kinder Anämie,
„ 25,007o „ „ Skrophuloaen.Lymphdrüsenflohwellnngen,
,, 40,öOVo „ „ Zahn&nle,
6,35% „ „ breethaft,
„ 8,14% „ „ Schilddrttfienvergröfcemng und
waren 49,50% „ „ gesund.
Je gröfser das Kind, desto mehr nimmt die Zahl der
krankhaften Zustände ab; es nahm auch das Prozent der
Bresihaften und der Kinder mit einer Schilddrüsenyergröfsernng mit
der KOrperlänge von 110 cm aufwärts ab. Die Zahl der Ge-
sunden nimmt mit der Körperhöhe stetig zu, so daJs unter
den Untersuchten mit einer Körperlänge yon 115 — 120 cm bezw.
120 om und darüber mehr als doppelt soviel Gesunde sind als unter
jenen mit einer Körperlänge von 105 — 110 cm bezw. 110 — 115 cm.
Zu den Daten, welche am Schlüsse des vierten Schuljahres ge-
sammelt wurden, ist an der Hand der vorstehenden Zusammen-
stellungen zu bemerken, dals auch hier die Zahl der krankhaften
Zustände mit der Körperhöhe abnimmt, nicht aber die Zahl der
brssthaften Kinder und der Kinder mit einer Schilddrüsenvergröfte-
rang; diese Zahlen erfahren mit der zunehmenden Körperlänge auch
eine namhafte Vermehrung. Trotzdem nahm gegenüber den ersten
Untersuchungen die Zahl der Gesunden am Schlüsse des vierten
Schuljahres in allen Körperhöhen zu und war von den gröfsten
Kindern sogar die Hälfte derselben vollkommen gesund, während
imter den kleinsten Kindern die Zahl der Gesunden von 0 auf rund
2Vo zunahm.
Anämie war bei den kleinen Mädchen seltener als bei den gleich
groben Knaben ; das Verhältnis war 22,03^0 zu 24,44%. Hingegen
war die Anämie unter den gröfseren Mädchen ungleich öfter zu be-
obaohten als unter den gleich grofsen Knaben; bei ersteren betrug
das Prozent 30,36, bei letzteren 18,49. Anämie war bei Kindern
innerer Eltern um 4% häufiger als bei den übrigen.
182
Unter den Knaben waren Skrophnlose und LymphdrflaenBohwel-
Inngen zahlreicher anzntre£Fen als bei den Mädcheui nnd blieb dieses
Verhältnis bei allen KörpergrGlsen dasselbe. Es fallen in diese Kategorie
67,40% der kleinen nnd 66,16% der gro&en Knaben, 54,80Vo der
kleinen nnd 42,96% der grolsen Mädohen.
Zahnfiinle war bei den kleinen nnd grolsen Kindern unter den
Knaben stärker verbreitet als unter den Mädchen, und zwar bei
61,58% der Mädchen und bei 75,55% der Knaben. Dnter den
Kindern armer Eltern war dies Zahn&ule um 23% häufiger als
den Kindern besser situierter Eltern. Alle jene Kinder, welchen min-
destens ein Drittel ihres Gebisses mangelte oder kariös war, wurden
als mit Zahn&ule behaftet bezeichnet
Andere als die in Betrachtung gezogenen krankhaften Zustände
wurden von mir ausgeschaltet, und zwar aus den bereits oben an-
gefahrten Gründen. Würde ich die Zahl dieser auch mit in Rech-
nung gezogen haben, so würde das Prozent der Gründen gewils be-
deutend geringer, als angegeben, ausgefallen seini
Von den untersuchten £andern stammten 4% von notoriachen
Säufern ab. Von diesen hatten
63% eine schlechte Auffeissung und schwaches Gedächtnis, waren
17Vo schwerhörig, anämisch, hatten Sprachfehler, waren
80% sehr mäfsig genährt, hatten
71% eine schlaffe Muskulatur,
67% Zahnfäule,
547« Skrophulose,
46% eine Skoliose, und war nicht ein Kind yollkommen gesund.
Noch wäre der Differenzen in der Entwicklung der Kinder
besser situierter und armer Eltern zu gedenken.
Gleichaltrige und beim Schuleintritte gleich grofse Kinder be-
mittelter Eltern erreichen bis zum Schlüsse des vierten Schuljahres
gegenüber den Kindern armer Eltern durchschnittlich
eine um 7% grölsere Körperlänge,
einen um 4Vo stärkeren Brustumfang,
ein um 6% grölseres Körpergewicht.
Die Untersuchungen Vierortb ergaben die gleichen Besultate.
Schwache Muskulatur ist bei Kindern armer Eltern dreimal
häufiger und ist die linksseitige Skoliose um 5% zahlreicher alB bei
den übrigen; allein die rechtsseitige Skoliose ist bei Kindern be-
mittelter Eltern um 2% häufiger.
183
Bei den Kindern armer Eltern ist:
Anämie um 4Vo
Zahnftnle „ 23V*
sohleohte Anfüeussung nnd schwaohes Oed&ohtnis „ %%
häufiger als bei den anderen ; gates Gedächtnis nnd gnte* Auffassung
nnd bei den Kindern bemittelterMtem um 10% häufiger.
XIII. SeUufsbetraehtmigen.
loh wiederhole noohmals, dals yorliegende Arbeit nioht als ab-
geschlossenes Gbmze zu betrachten ist, da sich die Zusammenstellungen
allein auf die ersten vier Schuljahre erstrecken, weshalb ich auch
manches hochwichtige Moment nicht in Kechnung ziehen durfte.
llGgen vorstehende Daten, wenn sie auch nicht nach allen Rieh*
tongen als einwandsfrei aufgefa&t werden sollten, zum wenigsten die
Anregung zu weiteren und umfangreicheren Untersuchungen, zur
eyentnellen Behebung mancher heute noch bestehender schulhygieni-
sdier Mängel in Einrichtung und Unterricht geben i
Mögen die angeführten Daten die Anregung zur Er-
wägung geben, ob es denn nicht doch als geboten zu er-
achten wäre, dafs einerseits jedes Kind mit erreichtem
sechstem Lebensjahre, oder alle Kinder, deren Eltern die
Aufnahme des Kindes yor erreichtem sechstem Lebens-
jahre anstreben, auf seine Schulreife geprüft werde, —
dafs anderseits alle jene Kinder, welche eine weitere
Ausbildung an Mittelschulen geniefsen sollen, nioht yor
erreichtem siebentem Lebensjahre in die Schule aufge-
flommen werden, — dafs der Staat oder dessen berufene
Organe yon den Leitern der Erziehung unserer Jugend
die stete Festhaltung des obersten Grundsatzes yer-
langen, das Gleichgewicht zwischen Körper- und Geistes-
entwicklung herzustellen und zu erhalten, nicht aber
dafs die yorgesetzten Behörden yon den Lehrpersonen
die Erreichung des yorgesteckten Lehrzieles unter allen
Bedingungen yerlangen, — dafs weiter die Bestimmung
in der Schulgesetzgebung Baum fände (wie es die Ge-
rechtigkeit gegenüber geistig gut Veranlagten erheischt),
eigene Klassen bezw. Schulen für geistig Minderwertige
zu errichten.
Der Lehrer ist yerpflichtet, seine ihm anyertrauten Kinder nicht
allflin in didaktischer Hinsicht zu unterweisen und mit ihnen das
184
gegebene Lehrziel za erreichen; er mufs diese Kinder auJüserdem in
sittlicher, aber auch in gesundheitlicher Hinsicht erziehen. Der Lehrer
mnüs die Überzeugung inne haben, dafs nur ein gesundes Kind den
an dasselbe gestellten Anforderungen genügen kann, dafs er das
kränkliche Kind nicht zwingen kann, mit anderen, gesunden Kindern
gleichen Schritt zu halten. Von diesem Gesichtspunkte aus hat der
Lehrer das Recht, zu erwarten, dafs seine vorgesetzten Behörden von
ihm nur das Mögliche, Erreichbare verlangen 1
Im Interesse der Mittelschulen, vor allem im Inter-
esse einer korrekten Kindererziehung, mufs gerade den
elementaren Schulen die gröfste Aufmerksamkeit zuge-
wendet werden, jenen Schulen, in welchen es sich nur um un-
entwickelte Eünder handelt. Die Verantwortlichkeit des Volks-
schullehrers ist eine grofse, eine heute noch viel zu
wenig gewürdigtel Die Mittelschule übernimmt das
Kindermaterial, wie es ihr von der Volksschule über-
liefert wird; sie übernimmt die Kinder in der Regel in
der Zeitperiode schwellender Lebenskraft, in der Zeit
der mächtigen Entfaltung der menschlichen Naturkräfte;
durch Unkenntnis der physiologischen Vorgänge im kind-
lichen Organismus, durch das Niohterkennen der in
diesem Organismus latenten Erkrankungen, kann ein
Lehrer seinen Zöglingen einen Schaden bringen, welchen
die späteren Jahre nicht mehr gut zu machen imstande
sind.
Drraus erhellt zur Genüge die wichtige Mission des Volkssehul-
mannesl Soll derselbe aber seinen Aufgaben auch gerecht werden
können, so bedarf er dringend der Unterstützung der staat-
lichen und autonomen Behörden, er bedarf aber auch un-
bedingt der Unterstützung, der Führung eines Schularztes,
und wenn die physische von der didaktischen Erziehung getrennt
wird, auch, die Unterstützung eines Lehrers für die phy-
sische Erziehung I — Die Unterstützung seitens des Hauses ist
ebenso unerläfslich. Die Eltern sind im Kampfe um ihr Dasein und
bei ungünstigen Lebensverhältnissen absolut aufserstande, den Schulen
in der Erziehung ihrer eigenen Kinder beizustehen, es fehlt ihnen
das richtige Verständnis, oft auch der gute Wille, die erforderliche
Zeit und Gelegenheit.
Es müssen demnach, wie schon mehr£Etch erwähnt, und wie nicht
genug wiederholt werden kann, in Ansehung eines kommenden,
186
tflehtigen, leistnngsf&higen MensohenmateriftlB der Staat, das Land
and die Gemeinden die Fürsorge für die gesundheitliche Erziehung
der Kinder übernehmen.
Solange nicht die Erziehung und der Unterricht der Kinder im
Greiste der schulhygienischen Forderungen geschieht, kann man auf
^stigere als die hier gebotenen Resultate keinesfalls rechnen.
Die Schulbank in den HiUiiklasseB Ar Schwachbef&higte«
Von
K. Basedow,
Rektor der Hil&scbule I in HanDOver.
Dnter dieser Überschrift brachte Nr. 12 dieser Zeitschrift Yom
Jahre 1904 einen Artikel von dem Mannheimer Arzte Dr. Moses,
der mich zu nachstehenden Bemerkungen yeranlabt:
Es ist gewils richtig, dafs die Schulbankfrage, die zu den wich-
tigsten hygienischen Fragen überhaupt gehört, für die Hilfsschule
von besonderer Wichtigkeit ist. Jedoch möchte ich gleich hier
darauf hinweisen, daCs wir es in der Hilfsschule nicht sowohl mit
Sandern zu tun haben, die mit grolsen körperlichen Abnormitäten
imd Grebrechen behaftet sind, als vielmehr mit solchen, die körperlich
flehwach sind, für die aber im allgemeinen — wenn auch in er-
höhtem Mause — dieselben hygienischen Forderungen gelten, wie
filr normale Kinder.
Den zweisitzigen Bänken gebührt unter allen Umständen der
Vorzug. Jedoch dürfen sie nicht durch Scharniere und Schienen
am Fulsboden befestigt sein, sondern müssen frei stehen; denn nur
80 wird die Reinigung des Fulsbodens in keiner Weise behindert.
Die Befestigung der Bänke am Fulsboden ist für eine gründliche
und sorgfältige Beinigung hinderlich. An den Schienen und Schar-
nieren bleibt sehr leicht Schmutz liegen, wie ich das wiederholt —
zuletzt bei meinem Besuche in Mannheim und Worms im Juni resp.
Jnli Torigen Jahres — zu beobachten Gelegenheit hatte; und da
dieser Schmutz selbst die grofsen Reinigungen überdauert, wird er
<a einer Brutstätte für Bakterien. Auiserdem mufs das Umlegen
mit Vorsicht gehandhabt werden, wenn keine Beschädigungen der
186
Bftnke yorkommen sollen. Ans diesen Gründen hat man seineneit
in Bremen die Rettio- Bänke von den Schienen geltet und diese
ans den Erlassen entfernt.
Ein breites, mit Längsrillen versehenes Fulsbrett ist dnrchans
erforderlich. Ebenso nnerläfslich aber ist auch die Forderung, dab
die Distanz der Bänke von 3—4 cm Minus- auf 6 — 10 cm Plus-
distanz yerändert werden kann. Natürlich mulis der Bewegungs-
mechanismus einfach und dauerhaft sein, möglichst geräuschlos funk-
tionieren und so konstruiert sein, dafs Quetschungen und Verletzungen
ausgeschlossen sind. Die festen Bänke mit „angemessener* Minus-
distanz, yerkürzten Sitzbänken und 15 — 16 cm hohen Fuisbrettem
sind nach meiner Meinung für Hilfsschulen nicht geeignet. Bei
Benutzung dieser Bänke muüs der Schüler, wenn er au&teht, jedes-
mal aus der Bank heraustreten und yon dem erhöhten Fufsbrette
hinuntersteigen und ist umgekehrt, wenn er sich setzen will, ge-
zwungen, auf das Trittbrett hinaufzusteigen und sich in den engen
Raum zwischen Pult und Sitz yon der Seite hineinzuschieben, was
besonders den Mädchen mit ihren Kleidern recht schwer werden
dürfte. Diesen Unbequemlichkeiten suchen sich die Schüler, be-
sonders bei lebhaftem Unterrichte, wenn sie oft aufstehen müssen,
in etwas dadurch zu entziehen, dafs sie schon beim Sitzen nach der
Seite neigen und beim Aufstehen nur einen Fuls yom Fuisbrett
heruntersetzen und schief stehen, mag der Lehrer auch noch so sehr
auf stramme Haltung hinarbeiten. Übrigens steht die Schädlichkeit
einer fortgesetzt nach einer Seite hin geübten Bewegung aulser
aller Frage. — Zudem sitzen die Kinder immer in „angemessener"
Minusdistanz. Dieser Umstand macht derartige Bänke zum Gebrauch
in Schulen, insbesondere in Hilfsschulen, durchaus ungeeignet. Unter
allen Umständen müssen die Kinder in den weitaus meisten Fällen
in ausreichender Plusdistanz sitzen, nur beim Schreiben, Zeichnen
und ähnlichen Beschäftigungen wird die Minusdistanz hergestellt.
In dieser die Eönder fortdauernd sitzen zu lassen, ist eine durchaus
unhygienische Maferegel, die eine schwere Versündigung an der
Kindesnatur einschlielst. Auch in dieser Beziehung müssen wir
unseren Schwachbegabten Kindern Abwechslung bieten.
Dafs bei einer guten Schulbank auch die Sitzkonstruktion den
körperlichen YerhältniBsen entsprechen mufs, steht aulser Zweifel.
Doch habe ich bislang nicht erfahren, dab die EinzelyoUlehne Vor-
züge yor der Bankkreuzlehne habe. Der durch die Einzellehne ge-
wonnene grölsere Spielraum für die Bewegung der Oberarme ist
187
nur sehr gering und kaum von irgendwelcher Bedeutung. Auch
habe ich bislang nicht beobachtet, dab die Öffnung zwischen dem
Sit» und der Elreuzlehne die Haltung der Kinder nachteilig beein-
flnlst, obwohl wir seit zwei Jahren derartige Bänke in den Klassen
der Hilfsschule I haben. Allerdings sind diese Zwischenräume bei
unseren Bänken nur an den letzten Bänken der Reihen vorhanden;
bei den übrigen bildet jedesmal die hintere Bank die Lehne der
Torderen, nnd hier ist die öffiiung zwischen Sitz und Lehne nur
sehr unbedeutend.
Wenn nun Dr. Moses zu dem Schlüsse kommt, die Rbttio-
fiank wird den Forderungen, die an eine gute Bank für Hilfsschulen
gestellt werden müssen, am besten gerecht, so kann ich mich nach
obigen Ausführungen diesem Schlüsse absolut nicht anschliefsen.
loh weiüs allerdings nicht, wo Dr. Moses seine Erfahrungen be-
zflglich der BExna-Bank in der Hilfsschule gesammelt hat. Bei
meinem Besuche in Mannheim im Juni vorigen Jahres habe ich in
keiner der dortigen Hilfsklassen RBTTia-Bänke gefunden. Ich halte
die RBTTiG-Bank nicht nur fbr Hilfsschulen, sondern auch für Volks-
sehulen für durchaus ungeeignet, weil sie die wichtigste Forderung
der Schulhygiene, veränderliche Distanz, nicht erfüllt und eine gründ-
liche Reinigung des Schulzimmers erschwert.
Handarbeiten werden mit Ausnahme der Mädchenhandarbeiten
imd der Fröbelarbeiten, die in jeder guten Schulbank ausgeführt
werden können, bei uns in den Klassen nicht angefertigt, dafür haben
wir besondere Werkstätten. Wenn aber Dr. Moses für jede Hilfs-
Uaaee einen besonderen Arbeitsraum fordert, so erscheint mir diese
Forderung übertrieben. Ein Arbeitsraum oder höchstens zwei der-
selben dürften für eine sechsklassige Hilfiischule ausreichend sein.
lins Derfantntiitti0eti ttnb Dereitieti.
Leicht abnorme Kinder.
Über dieses Thema wurden am 29. und 30. Oktober 1904 in der
35. Versammlung sfldwestdeutscher Irrenärzte zu Freibarg zwei Vorträge
gehalten. Der erste Referent, Prof. Wetöandt- Würzburg, fafste seine Aus-
ftbrongen in folgende Leitsätze zusammen:
1. Neben den Idioten und Imbezillen gibt es eine grofse Menge von
Kindern, die wegen psychisch abnormen Verhaltens besonderer ärztlicher
Berficksichtigang bedürfen.
188
2. Die ätiologische Grundlage ist verschieden; es handelt sich:
a) um vorühergehende Schädigungen exogener Art, durch körperliche
Krankheiten und durch unganstiges Milien;
h) um die Formes frustes mancher Formen von Idiotie und Imhezillit&t;
c) um Entwicklungshemmung auf Grund von konstitutionellen Leiden;
d) um die leicht epileptischen, die hysterischen und die neurasthenisch
veranlagten Kinder;
e) um die zu schweren Psychosen disponierten und von Kindheit an
auffälligen Individuen.
Vielfach l&Hst sich eine Kombination mehrerer ursächlicher Momente
feststellen.
3. Symptomatisch können die allerverschiedensten psychischen Funktionen
einzeln oder kombiniert betroffen sein, oft genug lä&t sich die Störung bis
zu den einfachen psychischen Gebilden verfolgen.
Rein nervöse Begleiterscheinungen sind häufig, ebenso anderweitige
organische Mängel.
4. Als Hauptgruppen lassen sich klinisch-physiologisch folgende auf-
stellen :
a) leicht epileptische Kinder;
b) hysterisch veranlagte Kinder;
cj neurasthenisch veranlagte Kinder;
d) intellektuell und affektiv minderwertige Kinder, die Debilen im
engeren Sinne;
e) intellektuell und apperzeptiv schwache Kinder bei vorherrschendem
Gefahlsleben, die phantastischen, reizbaren und haltlosen;
f) intellektuell und apperzeptiv entwickelte, aber gefUdsstnmpfe Kinder,
die moralisch defekten.
5. Therapeutisch empfiehlt sich fär erheblich schwachsinnige die Hilfs-
schule, für intellektuell leicht abnorme und filr neurasthenische Kinder das
Förderklassensystem (nach Schulrat SiCKiNaEB-MannheiiQ), fflr sittlich ver-
wahrloste und defekte die Fflrsorgeerziehung unter ärztlicher Beratung,
während epileptische Kinder je nach Art ihres Zustandes differenziert zn
behandeln sind.
Der zweite Referent, THOMA-IUenau, schilderte die Neurasthenie und
die Hysterie der Kinder sowie die Chorea minor (Veitstanz). Therapeutisch
empfiehlt er zunächst Kontrolle durch psychiatrisch und psychologisch
vorgebildete Schulärzte; in vielen Fällen wäre nach seiner Ansicht Be-
handlung in Anstalten nach ärztlich-pädagogischen Prinzipien unter Hervor-
hebung der individualpsychologischen Erziehung gegenüber dem Fach-
unterricht zweckmäßig.
In der Diskussion Aber beide Vorträge wurde mehrfach vor zu weit-
gehender Zersplitterung des Anstaltswesens gewarnt, und man einigte sich
dahin, dals Sonderschulen für epileptische und hysterische Kinder abzulehnen
seien, dafs dagegen das Förderklassensystem als äufserst
zweckmäfsig und keineswegs besonders kostspielig empfohlen
werden müsse. (Nach „Münch. med. Wochmschr,'' 1904, Nr. 46.)
Dr. med. GÖTZ-Mflnchen.
189
Die Anfgaben der SelmlirEte flr die SfeBtliehe Hy^ene.
Dieses Thema besprach auf der 76. Yersammlnng deutscher Natur-
forscher und Ärzte zu Breslau (18. bis 24. September 1904) in der
„Sektion fQr Kinderheilkunde^ KOEDER-Berlin. Nach seiner Auffassung ist
die Untersuchung der Schulrekruten und die nach einheitlichen Grundsätzen
durchzuführende Ausmusterung der Untauglichen eine der wichtigsten Auf-
gaben der Schulärzte. Aus dem Ergebnis dieser Untersuchungen werden
bedeutungsvolle Aufschlflsse Ober die Gesundheitsverhältnisse der ganzen
Bevölkerung gewonnen werden, und das ausgemusterte Material kann Klar-
heit geben Aber die Ausbreitung der Tuberkulose und der Rhachitis.
ROEDER erwartet von den Schulärzten besondere Vorschläge zur Bekämpfung
der Tuberkulose im späteren Kindesalter; er hält sie auch für berufen,
durch Aufklärung weitester Volkskreise die Ausbreitung der künstlichen
Sänglingsemährung zu bekämpfen und dadurch eine weitere Verelendung
eines grotsen Teiles unseres Nachwuchses zu verhüten. (Nach „Münch.
med, Wochenschr^ 1904, Nr. 40.) Dr. med. GÖTZ-München.
Das Prfifdn^wesen an den Mittelschnlen. Die Hansanfgaben.
(„^. Wien. lo^W.« vom 8. März 1905.)
Die Vereine „Mittelschule*^ und »Realschule^ in Wien hielten anfangs
März unter dem Vorsitz des Gymnasialdirektors Etsebt eine Versammlung
ab, welcher auch Vertreter des Unterrichtsministeriums beiwohnten. Zur Ver-
bandhing gelangte u. a. folgende These, aufgestellt vom Gymnasialdirektor
Dr.TmjMBEB: »Die Einzelprüfung bat sich auf jenes Minimum
zu beschränken, das hinreicht, dem Lehrer ein sicheres Ur-
teil über das Wissen und Können der Schüler zu verschaffen.*'
— Universitätsdozent Dr. Jerusalem trat dafär ein, da(s die Einzel-
prttfhng in der bisherigen Form zu entfallen habe. Die Kontrolle
der Leistungen der Schüler könne in der Weise geschehen, dals gewisse
IHnge vorbereitet sein müssen. — Auch Direktor Kukübch ist der
Meinung, dafii die Einzelprüfung gegenwärtig ihrem Zweck nicht ent>
spredie. An Stelle der Einzelprüfung möge die intensivste Klassen-
prttfiing treten. — Direktor Eybebt erinnerte an den Ausspruch des Hof-
rats SCHIPPEB, dab das Prüfen der Tod des Unterrichts ist. Redner sei
der Ansicht, da(s das Gesamturteil des Lehrers mafsgebend sein soll. —
Direktor Pollaschek (Floridsdorf) erklärte, er müsse in solange fär
die Einzelprüfung eintreten, als die Zahl der Schüler in den einzelnen
Klassen eine groüse ist. — Landesschulinspektor Kapp führte aus, dala die
Aiektsnoten sehr viel dazu beigetragen haben, das Prüfungswesen in MÜb-
kredit geraten zu lassen. Daher müsse man als Lehrer mit der Erteilung
aokher Noten sehr vorsichtig sein. Es müsse auch vermieden werden, die
Schaler zu lange zu prüfen, und auch das Hinausrufen aus der Bank, das
bei den Schülern viel Aufregung verursacht, möge unterlassen werden. —
Professor Dr. Jerusalem erwiderte, dals mit der Einzelprüfung das Inter-
esse an dem Gegenstande aufgehört habe, und nur die Frage sei geblieben:
»Bist du geprüft worden oder nicht?*" — Professor Obtmakn ist der
190
Anschaanng, die Lehrerschaft könne auf die EinzelprOfiingen nicht ver-
zichteo, daneben könnten aber die Elassenarbeiten lebendiger gestaltet
werden. — In ähnlichem Sinne sprachen Professor Dbessleb and Direktor
Thumbeb.
Die von Direktor Thümseb vorgeschlagene These warde sodann ein-
stimmig angenommen, desgleichen folgende Antrage: »Die Zensnraas-
weise (Qnartalsausweise) während der Semester entfallen, hin-
gegen bleibt das Zeugnis des ersten Semesters aufrecht. Die
Anzahl der Konferenzen, in denen über den Stand der Schüler während
eines Halbjahres beraten wird, wird auf zwei beschränkt. **
Hierwif gelangten die Anträge des Direktors Janubchke zur Ver-
handlung. Der erste lautet: „An Stelle der Hausaufgaben in Latein,
Griechisch, Französisch und Englisch haben kleine Übungsaufgaben zu
treten.'' — Landesschulinspektor Kapp trat für die Beibehaltung der Haus-
aufgaben ein. — Nachdem noch Direktor Kuküsgh und Professor Dbessleb
sich gegen die Hausaufgaben ausgesprochen hatten, wurde der Antrag
Janubohke einstimmig angenommen. — Ein zweiter Antrag des Direktors
Janubchke bezog sich auf die Schularbeiten, an deren Stelle in den Lehr-
stunden fOr die Sprachen und Mathematik schriftliche Übungen zu ver-
woiden wären. Nach einer lebhaften Debatte sprach sich die Versammlung
für die Beibehaltung der Schularbeiten aus, neben denen schriftliche
Übungen gestattet sein sollen.
Schlielslich wurde noch folgender Antrag angenommen: „Die Ein-
richtung schriftlicher Schulflbungen und der praktisch-natur-
wissenschaftlichen Übungen in den Laboratorien ist immer
mehr auszugestalten.^ Direktor E. BAYB-Wien.
Sonderschnlen fftr hervorragend Befthigte.
Über dieses Thema sprach in der Februarversammlung des Berliner
Gynmasiallehrervereins Herr Oberlehrer Petzoldt aus Spandau. Wir haben,
so fährte der Vortragende aus, in jeder Klasse unserer höheren Schulen
etwa 10% hervorragend befähigte, 70 bis 76% mittelbefähigte und 15
bis 20% schwachbef&higte Schüler. Die Aufgabe des heutigen Unter-
richts ist nun aber nicht etwa, jeden Schüler zur vollen, seinen
Anlagen entsprechenden Entwicklung zu bringen, sondern so
viele Schfller wie möglich für die Versetzung reif zu machen.
Daher beschäftigt sich der Lehrer tatsächlich am meisten mit den Untersten des
Mittelgnts, und der letzte, den er noch ans Ziel zu bringen hofft, bestimmt
das Tempo des Unterrichtsganges. Das schlägt, soweit nicht etwa die
Folgen der Überbttrdung es hindern, zum grofsen Vorteil dieser Schfller
aus: sie werden nicht blols unterrichtet, sondern auch zum Fleift, zur
vollen Anspannung ihrer Kräfte erzogen ; alles aber auf Kosten der geistigen
Bildung und der Gharakterentwicklung der hervorragend Befähigten. Diese
könnten das Pensum in weniger als der Hälfte der Zeit erledigen, die sie
heute damit zubringen müssen, und sie lernen das beste, das die Schule
mitgeben könnte, nicht : fleifsig arbeiten. Viele dieser Schüler gehen daher
191
qAter zugrande oder erreichen doch bei weitem nicht so viel, wie es nach
üiren Anlagen möglich gewesen w&re. Nicht minder wird die Gesamtheit,
der Staat, die Menschheit geschädigt, wenn die Erziehung des Genies und
Talents vemachlftssigt wird. Damm sind Sonderschnlen für sie zu fordern.
Der Vortragende deotete an, wie solche eingerichtet und verwaltet werden
könnten, und wies im besonderen auch darauf hin, dafs sich hier die so
erwünschte Möglichkeit bietet, gehobene Stellungen fftr den Oberlehrerstand
2D schaffen. Hinsichtlich des Näheren berief er sich auf seine Schrift:
, Sonderschulen für hervorragend Befähigte ** (Teubner, Leipzig
1905). Dann findet sich auf Grund einer psychologischen Analyse von Genie
nod Talent der Nachweis, dafs eine pädagogische Behandlung solcher Schfller
ohne Schädigung ihrer Entfaltung sehr wohl möglich, ja in vielen Fällen
unerlälslich ist. Wenn man dem Drängen der Hygieniker und vieler
Sefanlmänner nachgibt und täglich statt fünf nur vier wissenschaftliche
Standen in den Mittelschulen ansetzt, so sind in Berlin heute fast ohne
aene dauernde Bdastung des Budgets drei der geforderten Schulen möglich
(die Kosten würden sich für jede auf 100000 bis 120000 Mark belaufen),
in ganz Preulsen 25. Schon zehn davon würden uns einen ununter-
brochenen Besitz von wenigstens 3000 vorzüglich ausgebildeten Männern
TOD hervorragender Veranlagung gewährleisten und so die Reform durch
Verkürzung der Stundenzahl in allen Mittelschulen rechtfertigen. In Unter-
sekonda würde bereits das Pensum der heutigen Prima erledigt werden.
In den drei oberen Klassen (15. bis 18. Lebensjahr) brauchte nur noch
während einer oder zwei Stunden täglich allgemeinverbindlicher Unterricht
stattzufinden, die weiteren zwei bis drei Stunden wären in weitgehender
Differenzierung den besonderen wissenschaftlichen, künstlerischen und prak-
üscben Studien zu widmen. („Deutsche Tageseeitung'^ .)
Über die Kurzsichtigkeit der Kinder.
Über diesen Gegenstand sprach Oberlehrer Dr. Le Mang vor kurzem
in der Vereinigung von Lehrern an den städtischen höheren Schulen
Dresdens. Ausgehend von einem Worte Paulsbns, dafs der Gymnasial-
lebrer Staatsbeamter, Gelehrter und Erzieher sei, zeigte Redner, dafs der
Gymnasiallehrer für die beiden ersten Stellungen vorzüglich ausgebildet
werde, nicht aber auch in demselben Mafse für seine Stellung als Erzieher.
Und doch sei das Gymnasium namentlich in seiner Unter- und Mittelstufe
vor allem auch Erziehungsschule. Daher sei es eine Pflicht gegen die
Jugend, sowie gegen sich selbst und gegen den Stand, dafs sich auch der
Gymnasiallehrer mit der Schnlgesundheitspflege beschäftige. Eine der ersten
Bdndhygienischen Fragen sei aber die Kurzsichtigkeit der Schüler.
Die Kurzsichtigkeit sei eine Krankheit der höheren Schulen, aber glück-
licherweise keine spezifisch deutsche Krankheit; denn zu allen Zeiten und
nnter allen Völkern habe es Kurzsichtige gegeben; sie sei ein Kulturleiden.
In der Entstehung der Kurzsichtigkeit spiele eine grofse Rolle die Nah-
arbdt; jedoch könne auch Abstammung, Ernährung und der Ort, wo der
Ifensch aufwächst, von Einflub auf die Kurzsichtigkeit sein. Menschen,
SelralKeaandheitapflegro. XVIIL 11
192
die im Freien zu arbeiten nnd in die Feme zu sehen haben, sind meist
normalsichtig. Es sei festgestellt, daCs viele Kinder im vorschulpfliditigen
Alter keine Kurzsichtigkeit zeigen, und erst in sp&teren Schu^ahren trftte
sie ein. Bei Mftdchen wirken die feinen Handarbeiten nachteilig auf das
Auge ; aber auch das viele Lernen aus dem Buche erzeuge Kurzsichtigkeit.
Redner besprach hierauf die von ihm aufgestellte Übersicht Aber die
Ergebnisse der Augenuntersuchungen an höheren Schulen in deutschen Lehr-
anstalten, wie sie von Terschiedenen Ärzten angestellt worden sind. Eine
weitere Tabelle zeigte die Zunahme der Kurzsichtigkeit mit den Klassen
der Schulen in Prozenten. Danach betrug die Kurzsichtigkeit z. B. in
Gieben in Klasse VI 4,8%, in Klasse Y 9, in Klasse IV 14, in Klasae TU
18,8 und 24, in Üb und IIa 33,6 und 40 und in Klasse Ib und la
43,2 und 49,6%. Eine ähnliche Zunahme wird auch konstatiert in
Breslau, Rostock, Königsberg, Wien, Hamburg, Frankfurt a. M., Montabaur,
Fulda, Darmstadt, München, Amsterdam, Paris, Westfrankreich. Eine dritte
Tabelle Teranschaulichte die Verteilung der Grade der Kurzsichtigkeit in
den einzelnen Klassen nach Dioptrien. Ebenso veranschaulichte eine
weitere Tafel die erbliche Belastung der Kurzsichtigen. In Rostock wurden
gefunden 72,72% in Fällen, wo beide Eltern kurzsichtig waren, 54,41%
in Fällen, wo der Vater kurzsichtig war, und 75,67 % in Fällen, wo di»
Mutter kurzsichtig war. Redner meinte, da£s es erst besser werden wttrde,
wenn nicht blofs der Arzt und der Baumeister, sondern auch die Lehrer
fOr die Bekämpfung der Kurzsichtigkeit einträten, und zwar a) äuiserlich:
durch Überwachung der Schfller in der Schule und durch Belehrung von
Eltern und Schülern; b) innerlich: das heilst durch eine Änderung der
Organisation, z. B. durch Beschränkung des Stoffes und ausgiebige Be-
nutzung der Wandtafel durch die Schfller, durch Fortfall der sog. guten
Hausarbeiten, durch Aufheben des wissenschaftlichen Nachmittagsunterrichtes
und dadurch, dals wir die Grofsstadtjugend möglichst oft in die freie Natur
führen, z. B. im naturkundlichen Unterricht. Die preulsischen Militär-
bildungsanstalten hätten bereits eine dahingehende Verordnung (Belehrung
Aber Verhütung der Knrzsichtigkeit) erhalten. Aber auch der Schulstanb
kOnne Kurzsichtigkeit herbeiführen (? D. R.), da sich in ihm Stoffe befinden,
die dem Auge nachteilig sind. Vor allem aber müsse man eine Erleichterung
in der Naharbeit schaffen; die Unterklassen seien häufig überfüllt und viele
Plätze entsprächen nicht den Anforderungen, die man an die Platzhelligkeit
stellen müsse. Für jede Schule sei ein Schularzt mit besonderen Pflichten
anzustellen; vor allem aber sei eine gründliche Durchbildung der Lehrer
an den höheren Schulen in der Schulgesundheitslehre zu erstreben. Die
Bewegung zur Besserung des Schulwesens sei im Flusse; sie werde sich
durchringen, aber Aufgabe des Lehrerstandes sei es, sich mit ihr zu be-
fassen, damit der Lehrer Führer und Erzieher der deutschen Jugend sei.
(rtDresd. Äniseiger.^)
193
Die Klassillxierug an den Mittelschnlen.
In einer gemeinsamen Sitzimg der Vereine „Mittelschule^ imd „Real-
schale" in der Wiener Universität hielt Direktor Thümseb einen Vortrag
aber die offizielle Notenskala an den Osterreichischen Mittelschalen. Nach
einer Mitteilung des „^. Wien. Taghl,^ beantragte Redner schließlich
folgende Thesen: 1. Die Einzelprafimg soll sich anf jenes Minimum be-
sdiranken, das hinreicht, dem Lehrer ein sicheres Urteil Aber das Wissen
nnd Können der Schaler zn bieten. 2. Zensur und Ausweis wahrend der
Semester entfallen, hingegen bleibt das Zeugnis des ersten Semesters auf-
recht. 3. Die Anzahl der Konferenzen wahrend eines halben Jahres wird
auf zwei beschränkt. 4. Bei den Zeugnisnoten, sowie bei der Klassifi-
zierung der Schalerleistungen w&hrend des Semesters ist allein der objek-
tiv Ma&stab möglich. 5. Die Notenskala darf nicht zu reich gegliedert
sein, um den Zensurierenden nicht zu Tiel Gelegenheit zur Unsicherheit zu
Meten, sie darf aber auch nicht zu wenig gegliedert sein, um dem berech-
tigten Verlangen des Zensierten nach klar abgestufter Bewertung seiner
Leistungen zu entsprechen. 6. Die för die Beurteilung der Schalerleistungen
Torgeschriebene Notenskala bietet weder im Aufbau noch in ihren einzelnen
Prädikaten berechtigten Anlals zu Abänderungsvorschlägen. Zur Beurteilung
einzelner Schalerleistungen während des Semesters wird auch die Anwendung
der Note ^kaum genagend ^ gestattet. 7. In der fttr das sittliche Betragen
derzeit ablieben Notenskala wird „lobenswert^ wieder durch das ursprang-
hche „musterhaft^ ersetzt. Die abrigen Noten bleiben unverändert. An
SteDe des zu weiten Begriffes „sittliches Betragen" tritt die richtigere, fOr
die Eltern klarere Bezeichnung „disziplinares Verhalten^. 8. Die Rubrik
^Fleib'' wird durch die Rubrik „Au&nerksamkeit^ ersetzt, zu deren Be-
urteilung die bisher fftr den Fleils galtige Skala verwendet. — In der
lebhaften Debatte, welche sich an das Referat knapfte, bezeichnete Professor
Dr. Mabtinak (Graz) als das wichtigste bei der Klassifizierung die Schwelle
zwischen „genagend'' und „nicht genagend^. Das praktischste wäre, an
Stelle der Noten Ziffern zu setzen. Heute dreht sich alles um die Note,
und das ist die Schulkrankheit ; man spricht mehr von den Noten, die der
Schiller erhält, als vom Unterricht. Nachdem man den Schaler fOr eine
Sache erwärmt hat, ist es eine Profanation, wenn man den Katalog zur
Hand nimmt.
jftieitiere Ütitteiitttijeti.
Belelinuig der Sehfiler Aber ansteckende Krankheiten in
Prissttitl. Diese Belehrung ist in den folgenden „X Geboten" (Original
in böhmischer Sprache) ausgedrackt und för die niedere Schulstufe (Volks-
nid Bürgerschulen) bestimmt. In prophylaktischer Beziehung wird da-
durch angestrebt, dais die Schulkinder aus den Familien keine infektiösen
11*
194
Krankheiten in die Schnlklassen bringen. Die „Belehning'' wird den Schtdem
dnrch den Klassenlehrer leicht begreiflich and dann ad memoriam eingeftbt.
In jeder Klasse befindet sich diese Belehmng, auf festes Kartonpapier ge-
druckt, an der Wand so anfgeh&ngt, dass sie jeder Schfiler leicht lesen
kann.
I. Jede Krankheit, welche anf andere übertragen werden kann, ist
ansteckend.
II. Ansteckende Krankheiten sind: die Dipbtheritis, die Masern, die
echten Pocken, die Wasserpocken, der Banchtyphns, der Rotlanf, der
Mumps und der Keuchhusten; ansteckend ist auch die Schwindsucht oder
Tuberkulose. Durch Bertthrung werden die Krfttze und L&use übertragen.
III. Seid stets rein gewaschen, gekämmt und gekleidet, weil Unrein-
lichkeit das Entstehen und die Verbreitung von Krankheiten unterstützt
IV. Verspüret ihr Schmerzen im Halse oder bemerkt ihr an eurem
Leibe einen Ausschlag, so rufet einen Arzt und zeigt es in der Schule an.
V. Erfahret ihr, dals im Hause oder in der Gasse, in welcher ihr
wohnt, jemand an einer ansteckenden Krankheit erkrankt igt, so zeiget es
in der Schule an.
VI. Erkrankt in eurer Familie jemand an einer ansteckenden Krank-
heit, so darf niemand von euch die Schule besuchen. Die Krankheit ist
in der Schule zu melden.
VII. Gehet nicht in Häuser, in denen eine ansteckende Krankheit
herrscht.
Vni. Gehet nicht in Räume, wo Leichen an ansteckenden Krank-
heiten verstorbener Personen liegen, berühret keine solchen Leichen, kflaset
sie nicht und gehet nicht in ihrem Leichenzuge.
IX. Nehmet nicht als Andenken Kleider, Bücher, Spielzeug von jenen
Personen, welche an einer ansteckenden Krankheit gestorben sind.
X. Spielet nicht mit Kindern, welche in einem Hause wohnen, wo
eine ansteckende Krankheit herrscht; hütet euch vor ihnen und meidet ein
solches Haus!
Dr. med, Franz Hbabal, Schularzt in Prossnitz (Mähren.)
Die Frage der Hansanfgabeii Tor der BerniseheB (Schweiz)
Sehnlsynode. Nach der ,, Schweig. Lehrergig. ^ wurden von der Synode
am 29. Okt. 1904 folgende von Rektor Finbleb vorgeschlagenen Thesen
angenommen:
1. Im ersten Schuljahre dürfen keine, in den übrigen Schu^ahren
keine schriftlichen Hausaufgaben gegeben werden.
2. In den oberen Schu^ahren der Primarschule, in den Mittelschulen,
so^e im ünterweisungsunterricht sind keine schriftlichen Hausaufgaben
gestattet; eine Ausnahme macht nur der Aufsatz in der Muttersprache filr
die obersten Klassen der Mittelschulen, der Gymnasien und der höheren
Töchterschulen.
3. Wo das Fachsystem besteht, soll auf dem Wege der Verständigung
unter der Lehrerschaft und Durchführung einer Kontrolle (Aufgabenbuch)
dafür gesorgt werden, dals eine gleichmäbige Verteilung der Hansaufgaben
auf die einzelnen Tage stattfindet.
195
4. Die fflr die Schule sowie den Uiiterweisiuigsanterricbt bestimmten
Htosanfgaben, namentUcb auch das Memorieren und die Repetition, sind
gleichm&fisig anf das ganze Schuljahr zu verteilen, und es soll das Mab
der Aufgaben gegen den Schlaifi des Schnyahres nicht erhöht werden.
(Dieser Artikel richtet sich namentlich gegen die Examendrillerei.)
5. Die sozialen YerhUtnisse der Schaler sind gebflhrend zu berflck-
sichtigen. Körperliche und geistige Gebrechen sind als Entschnldignngs-
oder Mildemngsgrttnde zn berflcksichtigen.
6. Nicht znl&ssig sind: a) das Anfertigen von Handarbeiten und
Zeichnungen als Hansanfgaben; b) das Anfgeben von fakultativen oder
Fleiisanfgaben ; c) Hansanfgaben vom Yormittag anf den Nachmittag des
{^eichen Tages; d) Ferienanfgaben.
7. Über Sonn- nnd Feiertage dtlrfen keine Hansanfgaben erteilt
werden.
Nach dem Beschlnss der Synode sollen diese Thesen nicht die Form
eines bindenden Reglements erhalten, sondern sie sollen den Schnlbehörden
imd der Lehrerschaft als Wegleitnng an die Hand gegeben werden. Es
steht dann den Schnlbehörden immer noch frei, in bezng anf Hansanfgaben
der Lehrerschaft gröfseren oder geringeren Spielraum zu gestatten. Immer-
hio sollen diese Sätze als Norm dienen.
Sebulbinke zn VlissiBgen (Holland). Die Oesundheitskommission
ia Ylissingen konstatierte durch eine spezielle Untersuchung, dals die
Bftnke in beinahe allen Schulen von sehr schlechter Konstruktion sind
and in keiner Weise den Forderungen der Hygiene entsprechen. Dies
b^eht sich nicht nur auf die noch groüe Anzahl alter Bänke, welche
sich noch in allen Schulen befinden, sondern auch auf die in den letzten
Jahren gelieferten Schulbänke. Es kommt offenbar daher, dafe die Auf-
aebt bei der Lieferung von Bänken sehr mangelhaft ist. Auf diesen
Umstand machte die Schulkommission den Gemeindevorstand aufmerksam,
besonders in Hinsicht auf die neu bevorstehenden Lieferungen. Allerdings
wflrde die Erneuerung aller Bänke mit einem Male die Gemeinde finanziell
za sehr belasten, und die Kommission äufserte deshalb die Ansicht, es
sollten wenigstens jedes Jahr fOr eine oder mehrere Abteilungen neue
Bänke beschafft werden. Aufserdem wurde vorgeschlagen, die Schul-
vorsteher zu beauftragen, sie möchten jedes Kind am Anfang nnd in der
Mitte des Schuljahres messen lassen (was faktisch keine MtQie verursacht)
imd die Placierung der Kinder nicht, wie es jetzt der Fall ist, nach Be-
gabung, sondern nach der Gröfse vornehmen. Alle Schulvorsteher haben
erklärt, dais eine solche Placierung sehr gut möglich sei, wenn in jeder
Abteilung mindestens drei verschiedene Bankgröfsen eingeführt würden.
Als Modell hat die Kommission das System „Kunze" genommen.
Auf diesen Bericht kam vom Gemeindevorstand die Antwort, dals
dieser, in Betracht der grofsen Ausgaben, sich nicht dazu entschliefsen
könne, die neuen Bänke anzuschaffen, besonders auch, weil Sachverständige
und Schulantoritäten sehr verschieden darüber urteilten, was eine gute
Schulbank sei. Bei eventuellem Ankauf von Bänken, welche man später
Bötig habe, werde man scharfe Aufsicht über die Lieferung halten und
aidi dann auch für das zu wählende System entscheiden. Die Schul-
196
Vorsteher sollen flbrigens gebeten werden, dem Torschlag Folge za leisten
ond in Zukunft die Kinder nicht nach der Fähigkeit, sondern nach ihrer
Körperlange zu setzen. Dr. med. MouTON-Haag.
Die soziale Bedentnng der SprachstSruni^eii. Hierflber schreibt
GuTZMANK im ^Klm. Jahrbuch", Bd. 12, Heft 3: In Deutschland Idden
wenigstens 200 (XX) Schulkinder an Sprachstörungen, und alle diese Kinder
werden, wenn sie nicht Heilung oder weitgehende Besserung finden, wahrend
ihres ganzen Lebens in sozialer Beziehung schwer benachteiligt sein. Um
das nach Möglichkeit hintanzuhalten, sollen die Lehrer im Seminar auch
in der Sprachphysiologie, der Sprachhygiene und in der Erkennung und
Behandlung der Sprachstörungen ausgebildet werden, und sollen aach die
Ärzte während ihrer Studienzeit, insbesondere aber die Schulärzte, auf
diesem Gebiete sich ausführlich informieren. Dr. med. GÖTZ-München.
Um die Überbfirdnng der Sehfiler nnaerer Mittelsehnlen n
beseitigen, schlägt Dr. H. Molbnaab eine Yerkftrznng der ünter-
riehtsatnnden von 60 auf 40 Minuten vor; es könnten so an der Zeit
von 7^^ — 12 Uhr unter Einschiebung von ^ei Pausen zu je zehn Minuten
und einer Pause zu 20 Minuten sechs Lehrstunden erteilt werden, der
gesamte Unterricht Heise sich auf den Vormittag verlegen und der Nach-
mittag bliebe, zum Teil wenigstens, fOr die Pflege des Körpers frei.
M. ist überzeugt, dafs in einer Lehrstunde von 40 Minuten Dauer eben-
soviel geleistet werden könnte wie in der Yollstunde, da Lehrer und
Schaler, durch die Pausen erfrischt, leichter arbeiten wfirden.
Zu diesen AusfOhrungen Molbkaabs, die in der ,^Münch. medie.
Wochmachr^ (1904, Nr. 48) in zustimmendem Sinne besprochen werden,
teilt Dr. Otto Dobnblüth - Frankfurt a. M. in dersdbm Zeüadtrift
(1904, Nr. 50) mit, dafe er den Vorschlag, die Unterrichtsstunden auf
40 Minuten zu verkOrzen und den Vormittag mit sechs solcher Lehr-
stunden zu besetzen, schon 1903 in einer Sitzung der Frankfurter Orts-
gruppe des Vereins für Volkshjgiene gemacht habe. Auch er ist tlber-
zeugtf dafs in der verkürzten Lehrstunde wegen der geringeren Ermadung
der Schaler ebensoviel gelernt wird wie in einer vollen Stunde. Morgens
dttrfte aber der Unterricht, wie er ebenfalls damals schon betont habe, erst
beginnen, wenn die Schaler gut ausgeschlafen haben, d. i. in den oberen
Klassen auch im Sommer nicht vor 8 Uhr oder Vt8 Uhr, in den unteren
entsprechend später. — Einer der pädagogischen Korreferenten, Rektor
ZiMHEBMANN, erkl&rte sich in der erwähnten Sitzung mit diesem Vor-
schlage einverstanden und wies darauf hin, dafis das, was die Wissenschaft
durch eine Reihe exakter Versuche, durch Feststellung der ErmOdungs-
kurve usw. gezeigt hat, mafisgebend und bindend sein mttsse; die Arbeiten
Kbaepblins und anderer psychologischer Biologen mflssen eine Ver-
kürzung der Lektionsdauer zur Folge haben. Dr. med. GÖTZ-Mflnchen.
Gemeinschaftliche Braiehnng der Geschlechter. F. Th. Mbtlak,
Licenci^e der Universität Lausanne, tritt in einem bei Cakl 6£0Bai in
Bonn erschienenen Buche dafür ein, dab die in Amerika flbliche Methode
der gemeinsamen und gemeinschaftlichen Erziehung von Knaben und
Mädchen auch von den übrigen Kulturstaaten angenommen werde, und
findet nicht Worte genug, die Vorteile dieser «Go^ducation** zu preisen.
197
Ihr Urteil Aber das earopäiscbe Schulsystem der Ängstlichkeit, der Ab-
gpeming, der peinlichen Separation ist ein sehr scharfes. Die Art nnd
Weise, wie man auf dem alten Kontinente die Mädchen erziehe und wie
man sie geqnfilter, engherziger und mit geringerer physischer Bedacht-
nahme als die Buben erziehe, seien mit eine der yielen Ursachen der
spAteren Hysterie. Dieses Bnch der in Amerika lebenden und lehrenden
Schweizerin wird namentlich den Pädagogen ein besonderes Interesse ge-
wahren.
Iflebknren für dfirftige Schulkinder veranstalteten die Städte des
Regienmgsbezirks Düsseldorf im verflossenen Jahre in grober Zahl. So
z. B. hatte Solingen neben seinen Ferienkolonisten ein paar Hundert
Kinder in Milchkar gegeben. Die Stadt kaufte Milch nnd groise Brötchen,
imd die Frauen der Solinger Hauptlehrer und Rektoren besorgten dann
jeden Nachmittag während der Herbstferien die Pflege der Kinder. Die
Kuren ÜEmden in den meisten Städten während der Herbstferien statt und
danerten von drei bis sechs Wochen. Die Kosten schwankten je nach der
Daner der Kur und der Zahl der an den Kuren teilnehmenden Kinder.
Sie betrugen fftr Elberfeld Aber 10800 Mark, fdr Essen Ober
10100 Mark. Erhebliche Mittel wandte auch Bheydt auf, wo die ver-
anstalteten Kuren 6833 Mark Kosten erforderten. 4—5000 Mark
wandten der Stadtkreis Remscheid und auch der Landkreis Solingen
auf, in den fibrigen Orten schwankten die Kosten zwischen 300 und
3000 Mark. Beteiligt waren an diesen Kosten die betr. Städte, evange-
lische und katholische Frauenvereine, dann der Vaterländische Frauenverein,
Vereine für Ferienkolonien, Stiftungen und in hervorragendem Mafse
die Ortsgruppen des Bergischen Vereins fOr Gemeinwohl. Insgesamt waren
an diesen Veranstaltungen im Regierungsbezirke Dflsseidorf 5359 Kinder
beteiligt.
Die Nervosität nnter den Kindern nimmt leider unzweifelhaft zu. Als
eine wesentliche Ursache derselben betrachtet man wohl nicht mit Unrecht den
£influfe unserer heutigen Schule auf das Kind. (Schüren eines krankhaften
Ehrgeizes, Überbflrdung usw.) Immerhin sind auch Faktoren vorhanden,
die neben der Schule die Entwicklung der Nervosität bei den Kindern
begünstigen. Die ^Bl, f. Vöücsgesundheiispfi.^ machen darauf auhnerk-
nm, dab leider noch in vielen Häusern die Sitte besteht, die Kinder txl
den Mahlzeiten ein Glas Bier trinken zu lassen, dals auch vielfach der
Aberglaube verbreitet ist von den stärkenden Medizinalweinen, mit denen
sdiwächliche Kinder sinnlos vergiftet werden. Hierdurch lassen sich sehr
leicht die bei derartigen Kindern auftretenden schweren Nervenerscheinungen
erklären, da jede Form von Alkohol, selbst wenn es nur ein angeblich
ansehuldiges Bier ist, fflr den kindlichen Körper einen Anreiz und dadurch
adiweren Nachteil bedeutet. Zu diesen beiden Schädigungen scheint nun
in der letzten Zeit mehr und mehr noch eine dritte zu treten, nämlich
der flbertriebene Sport und nicht fflr das Kindesalter sich
eignende Vergnflgungen. Kinderbälle, die bis gegen den Morgen
ach ausdehnen, sind zur Mode geworden; zu Konzerten und Theatern
werden Kinder mitgenommen und bis in die Nacht hinein in geistiger
Überspannung gehalten, ganz zu schweigen von der Unsitte vieler Eltern, mit
198
ihren Kindern in den Restanrants bis zur Mittemacht zn weilen. Ebenso
ist der Sport, der Wettkampf anf dem Gebiete der körperlichen Betftti-
gang, nicht f&r einen Körper bestimmt, der noch in der Ausbildung be-
griffen ist. Körperliche Übungen sollen Knaben und Mftdchen unter allen
umständen ausfAhren, und keine dieser Übungen, solange sie in ver-
ständigen, normalen Grenzen betrieben werden, ist ihnen zu verbieten.
Solche Übungen dürfen aber niemals zum Sport ausarten. Kinder und
junge Menschen bis zum 16 resp. 18. Lebensjahre sind von einer beruls-
mäfsigen Ausbildung in einer bestimmten körperlichen Übung unter allen
Umständen fernzuhalten, weil durch diese Einseitigkeit die gleichmälsige
Ausbildung des Körpers leidet; sie sind außerdem von der Öffentlichkeit
zugänglichen Wettkämpfen fernzuhalten, weil sie den Aufregungen derselben
noch nicht in ihren seelischen und geistigen Kräften gewachsen sind.
Diese drei Faktoren: übertriebene Abhärtung, Alkohol in jeder, selbst der
leichtesten Form und Übermals im Vergnügen sowie in der körperliehen
Übung sind in sehr vielen Fällen viel mehr schuld an der Nervosität des
jungen Menschen als die Anforderungen, die die moderne Schule an ihre
Zöglinge stellt.
Auf eine uiivernflnfUge di&lerei der Sehnlkinder in der Um-
gebung von Frankfurt a. 0. macht die ^Drankf, Odergtg." aufmerksam.
Da die Frankfurter Schulen im Sommer größtenteils den Unterricht schon
um 7 Uhr beginnen, können die Kinder ans einigen Ortschaften zur Schul-
fahrt nur einen Zug benutzen, der die betr. Orte früh morgens um 5.27,
5.17 bezw. 5.10 berührt. Der Weg zum Bahnhof beträgt von allen drei
Orten 15 bis 30 Minuten, deshalb müssen die Kinder im Sommerhalbjahr
durchschnittlich schon um 4Vt Uhr früh aufstehen und können dann vor
Müdigkeit dem Unterricht oftmals trotz aller Anstrengung nicht folgen.
Sie bleiben infolgedessen in der Schule zurück, die Überanstrengung zer-
rüttet ihre jungen Kräfte und der Keim zur Nervosität ist in sie gelegt.
Um diesem Übel abzuhelfen, haben die Begüterten ihre Kinder nach Frank-
furt in Pension geben müssen. Den weniger Bemittelten, und diese bilden
die grofse Mehrzahl, ist dies aber, zumal wenn sie mehrere Kinder zur
Schule schicken, der Kosten wegen unmöglich, abgesehen davon, dab die
Pensionen keinem Kinde das Elternhaus ersetzen können. Da ein Gesuch
um Einführung eines günstiger gelegenen Zuges vor Jahren von der Eisen-
bahndirektion abgeschlagen wurde, wollen die Einwohner der betr. Ort-
schaften sich direkt an das Ministerium mit der gewüs berechtigten Bitte
um Abhilfe wenden.
Über die kflrperiiehe Erziehung der M&dehen sprach an einem
Vortragsabend des „Nationalsozialen Vereins^ in Stuttgart Frl. Dr. med.
AuOB PBOFi - Charlottenburg. Wie wir den Tagesblättem entnehmen,
führte die Referentin aus, dafs der Knabe für die Kämpfe ums Dasein, die
Mädchen dagegen für den Kampf um den eigenen Herd erzogen werden.
Für diesen Kampf sei in erster Linie die Schönheit der Formen des weib-
lichen Körpers maisgebend. Darunter verstehe man heute etwas ganz an-
deres als im Altertum. Lykurg habe eingesehen, daHs der Staat ohne
kräftige Mütter auch keinen kräftigen Nachwuchs haben könne. Mafs-
gebend bei der heutigen Erziehung der Mädchen sei das Anmutige und
199
Zieriiche, ohne Rflcksicht auf die Oesondheit. Die gegenwärtige Erziehnng
reiche in keiner Beziehung für die Anfordelmngen ans, die die moderne
Zeit an die Mftdchen stelle. Vor allem mOsse eine Änderung in der
Kleidung geschaffen werden; auch werde in den Entwicklnng^ahren der
Mftdchen Yiel zn wenig darauf geachtet, dals sie genfigend essen. Femer
sollte die körperliche Bewegung frei und ungehindert sein. Von Staat und
Gemeinde werde nicht viel zu erwarten sein; um eine Besserung herbei-
mfBhren, müsse man sich daher zunächst an die Eltern wenden.
Ober den Gennfa alkoholischer fletrSnke im schulpflichtigen
Alter wurde in Nordhausen eine statistische Untersuchung angestellt.
Nach einem Bericht der j^ThUringer Bundschau*' ergab dieselbe folgendes
traurige Resultat: In der YII. Klasse einer Volksschule (siebepjährige
Kinder) hatten von 49 Kindern 38 schon Wein, 40 schon Schnaps und
alle schon, zum Teil regelmä&ig, Bier getrunken. In einer IV. Klasse
hatten von 28 Mftdchen 27 schon Wein, 14 schon Schnaps und 28 schon
Bier bekommen. 21 gaben an, dafs sie gern Bier trinken, besonders
Lagerbier; 14 trinken regelmftlsig, „weil man davon stark wird'', 16
geben an, „leicht betrunken^ gewesen zu sein, zumeist bei Hochzeiten,
Partien oder wenn bei Vaters Geburtstag, wie üblich, ein F&ischen ge-
trunken wurde.
Abstinente Sekfilerverbindnngen. Die Erkenntnis von der Wich-
tigkeit der Beteiligung der Mittelschüler an der Bekämpfung der Trink-
sitten bricht sich nach und nach auch an mafsgebender Stelle Raum. So
hat z. B. die württembergische Regierung ihre Stellung der Verbindung
„Germania*' gegenüber besonders klar und deutlich ausgesprochen. Nach-
dem schon vor einem Jahre der württembergische Kultusminister Dr.
V. Weizacker mehrfach lebhaftes Interesse für die „Germania^ gezeigt
hatte, hat nunmehr die königl. württembergische Ministerialabteilung für
höhere Schulen in einem offiziellen Schreiben an den Gauverband Württem-
berg der „Germania"* ein Urteil über dieselbe gefällt, das nach einer Mit-
teflung des y^Ahsimene^ (1904, Nr. 19) folgendermafsen lautet: „Die
Ministerialabteilnng begrüfst es mit Freude, dafs die auf Einschränkung
des Alkoholgenusses gerichteten Bestrebungen aus der Mitte der die
höheren Schulen besuchenden Jugend eine kräftige Unterstützung finden
ond hält hierzu die Vereinigung von solchen Schülern, welche grundsätzlich
dem Alkohol entsagen, für ein geeignetes Mittel. **
Verlegiuig der Fortbildnni^skurge anf Mhere Tagesstunden.
Der zweite internationale Kougrefs zur Förderung des Zeichenunterrichtes
in Bern 1904 hat u. a. folgenden Beschlufs gefafst : Die Fortbildungskurse
sollten fär alle Lehrlinge und Arbeiter nur während der Tageszeit,
spätestens in den Stunden von 5 bis 7 Uhr abends stattfinden. Diese
Anregong wird auch vom y^ZeniraXbl. f, d. gewerbl Unterrichtsw, in Öster-
reiA*^ aufgenommen. Dasselbe schreibt folgendes:
Im Interesse des Unterrichtes erscheint es wünschenswert, dafs die
Unterrichtszeit an den gewerblichen Fortbildungsschulen Wiens die vielfoch
noch in die späten Abendstunden fUlt (bis 9 Uhr abends) auf die Zeit
T<m 6 bis 8 Uhr abends angesetzt werde und dafs die Monate Juni und
Jnli vom Unterricht frei bleiben. Die Provinz ist in dieser Richtung der
200
Stadt Wien vorausgeeilt, da bisher an mehr als 200 Fortbildongsscholen
der Unterricht in die frflhere Abendstande verlegt worden ist.
Flaches flansdach in Schnlen. Sehr hänfig ist der Schalhof bezw.
Sommertomplatz viel za klein. Eine Abhilfe dieses Baommangels wftre
vielleicht aaf diese Weise za erreichen, dafs das Haasdach in ein flaches
verwandelt würde, welches sodann von den Schfllern zweckentsprechend
benatzt werden könnte. Diese Einrichtang dürfte sich, wenn anch die
Kosten keine anbetrftchtlichen sein werden, bei allen älteren Schalen, denen
ein Sommertamplatz abgeht, sehr wohltätig für die Oesandheit der Kinder
erweisen. Bei manchen dieser älteren Schnlhäaser könnte bei dieser Ge-
legenheit ein Stockwerk hinzakommen. Direktor £. Batb hat an den
Magistrat der Stadt eine diesbezügliche Eingabe überreicht.
Die Untersvchnng der ZUine der Schulkinder in Ertart, die
vor einem Jahre begonnen hat and sich aaf 7231 Schüler erstreckte, er-
gab, nach einer Mitteilnng der jtZahnär0Ü. Rundschau*^ , dafs von sämt-
lichen Schnlkindem sich nnr 328 = 4,6 ®/o eines wirklich gesanden und
vollzähligen Gebisses erfreaten. Gesnnd aber anvollzählig erwies sich das
Gebifs bei 30 (0,5%), kariös bei 6873 (95%); von den Zähnen dieser
letzteren Kinder sind 6335 (88®/o) als bleibend kariös nnd 841 (12%)
als mindestens znr Hälfte kariös angegeben. Das Zahnfleisch war gesund
bei 52% der Kinder, gerötet bei 41 ^o and krank bei 7%. Den
Eltern der Kinder mit schadhaften nnd kranken Zähnen wnrden von schal-
ärztlicher Seite wohlmeinende nnd leicht za befolgende Ratschläge gegeben.
Diese Ratschläge wnrden jedoch von nnr 30Vo der Aafgeforderten befolgt.
Der Stadtverordnetenvorsteher erklärte, dafs angesichts einer so sträflichen
Gleichgültigkeit der Eltern der Effekt der vorzüglichsten sanitären Eia-
richtongen, die der Kommnne schweres Geld kosten, gleich Nnll sein
müsse.
Die Sinderarbeit in der Hansindnstrie des KMitona Appensell
(Schweiz) erfährt darch die Erhebangen des Pfarrers Zinbli eine fnrcht-
bare Beleachtang. Wie wir der ^Som. ^axis"^ (Nr. 21) entnehmen, sind
von 9378 Schnlkindem volle 5820 neben der Schale erwerbstätig. Da-
von 4199 in der Hansindastrie. Täglich beschäftigt sind 3554 = 41,7%
aller Schnlldnder (von der ersten bis znr obersten Schalklasse): Die täg-
liche Arbeitszeit beträgt eine Stande bei 211 Kindern, zwei Standen
bei 867, drei Stunden bei 504, vier Standen bei 396, fünf Standen
bei 425, sechs Standen bei 526, mehr als sechs Standen bei 1125
Kindern. Dabei ist die Schnlanterrichtszeit noch nicht in Anschlag ge-
bracht. Zählt man Schale and Arbeit aaf wöchentliche Stondenzahlen zu-
sammen, so stellen sich folgende Arbeitsleistangen heraas: 549 Kinder
(ansschliefslich Obangsschüler, d. h. Halbtagsarbeiter) arbeiten bis za
90 Standen wöchentlich; 269 Kinder kommen aaf 39 Standen
wöchentlich, 258 Kinder von der zweiten Klasse an aaf 60, 253 ans allen
Klassen aaf 51, 245 von der zweiten Klasse an aaf 54 wöchentliche
Standen, nnd so geht es aufwärts bis zu 90 Standen. Von 77 Kindern
wurde mitgeteilt, data sie täglich zwölf Standen, von 33, dafs sie täglich
15, nnd von 129, daCs sie mehr als 15 Standen im Tag arbeiten
müssen.
201
VenuttlnBg yon uentgeltlichom Landaufenthalt. Die in Ham-
burg zu diesem Zwecke bestehende Yereinigong hat einen Bericht Aber
dss Jahr 1904 heransgegeben, dem wir nach der „BSd. Befarm^ (190Ö,
Nr. 7) folgendes entnehmen. 724 arme Kinder konnten auf fünf Wochen
den dampfen Wohnungen der Groisstadt entfahrt nnd in Freiqoartieren auf
dem Lande untergebracht werden. Die Mehrzahl der Kinder mniste auch
noch mit der nötigen Kleidung aosgerflstet nnd mit Reisegeld versehen
werden. Die Gesamtaasgaben betragen 4774.72 Mark. Aas dem Qaartier-
ferzdchnis ist za ersehen, dafs sich das Gebiet für die Tätigkeit be-
deatend erweitert hat. Unter den neuen Gebieten sind besonders Olden-
burg und die Kreise Soltau und Lüchow in Hannover zu nennen. Dieser
jSrwdterung entsprechend muilste auch die Zahl der Mitarbeiter und Mit-
^eder vermehrt werden. Besonders wurde bereitwillig Hilfe geleistet aus
dem Kreise der Lehrerinnen. Ein Blick auf die Liste der Mitglieder zeigt,
daCs sie ohne Ausnahme der Yolksschullehrerschaft angehören. Bei dem
Um&ng, den die Arbeit angenommen hat, ist es vrttnschenswert, dals durch
weitere Arbeitsteilung eine Erleichterung für die einzelnen Mitglieder ge-
schaffen wird. Zu dem Zwecke ist eine neue Organisation geplant, die in
diesem Jahre zur Durchfahrung gelangt. Die Organe der Vereinigung
giiedem sich in Vertrauenspersonen, Bezirksverwalter und Torstand. Far
eine örtlich zusammenliegende Gruppe von Schulen (zwei bis vier) ist eine
Vertranensperson t&tig. Sie hat die Meldungen entgegenzunehmen, die
Verhältnisse zu prüfen, das Reisegeld festzustellen und zu erheben und fOr
die Ausrüstung zu sorgen. Den Bezirksverwaltem ist je ein Schulbezirk
imd ein Bezirk auCserhalb Hamburgs unterstellt. Sie haben die Werbe-
tUigkeit in dem ihnen angewiesenen auswärtigen Gebiete zu leiten und zu
fthren, die Kinder auszuwählen und ihre Verschickung und Beaufsichtigung
za überwachen. Der Vorstand schlielslich hat die allgemeine Verwaltung,
Sdiaffong von Geldern, Ausgleich von Quartieren und Meldungen u. a. m.
la besorgen. Die Vereinigung hofft, durch diese Verteilung die einzelnen
Hitglieder vor Oberbürdung zu bewahren und die ganze Sache zu fordern.
Im MSrz wird den Lehrerkollegien die Liste der Vertrauenspersonen und
Bezirksverwalter zugehen.
9ia%t9%tfifxü^tlxift».
Cber die Internationale Pidagogisehe Ansstellnng in Barcelona
ertäbt das geschftftsführende Komitee, an dessen Spitze Professor Dr.
AiiDBis Mabtinbz Vabgas steht, folgenden Aufruf: Die Pädagogik hat
in diesen letzten Jahren bedeutende Fortschritte zu verzeichnen. Physio-
logie und Psychologie haben ihr neue Horizonte eröffnet und die Hygiene
bat sie in neue Bahnen gewiesen. Ein weiterer Beweis des Fortschrittes
der Pädagogik ist femer die Umgestaltung des gesamten Schulmaterials,
202
die Anpassung der Unterrichtsmethode an die Anfhssnngsgabe des einzelnen
Schfllers, die nene Richtung, die das philosophische Endehnngsprinzip ein-
geschlagen hat, und das allgemeine Bestreben, mit möglichst groCsem
Nutzeffekt und möglichst geringem Kraftverbranch die physische, inteliek-
tnelle nnd moralische Anlage des Kindes parallel nnd harmonisch zu ent-
wickeln.
Diese Umgestaltung brancht zu ihrer Entwicklung und Einfahrung in
die Schulpraxis in jedem Lande einen mehr oder weniger langen Zeitraum,
je nach der Bildung der leitenden Klassen, nach der DurchschnittsbflduBg
des Volkes, je nach dem Verfahren, das eingeschlagen wird, um die
Kultur der Massen zu fördern und zu heben, und, nicht in letzter Linie,
je nach der Fähigkeit der Kinder. Die fftr jede Neuerung notwendigen
brauchbaren Elemente auf dem Wege der Lektflre, durch Veröffent-
lichungen, Zeitschriften usw. usw. zu gewinnen, ist ein aulserordentlich
langsames Verfahren, und der Effekt jeden Fortschrittes wird gleich NdO
bei Fehlen des Zusammenhanges.
Und da die Wohlfahrt jeder Nation in ganz direktem Zusammenhang
steht mit ihrer Kultur, da das angemessenste und in seinen Resultaten
sicherste Mittel darin besteht, dem Kinde eine möglichst vollkommene Er-
ziehung zu geben, in der sicheren Voraussetzung, dafe auf diese Weise
ans dem Kinde sp&ter ein gebildeter und tüchtiger Staatsbflrger werde,
glaubten wir, da(s in dieser Zeit eine pädagogische Ausstellung von
gröCstem Gewinn fOr Spanien sein werde.
Jede Ausstellung flbt einen mächtigen Einflufs auf die Masse aus;
Neuerungen und Verbesserungen werden durch derartige Unternehmen in
allen Schichten des Volkes bekannt' nnd das Volk selbst dadurch ange-
feuert, sich die Fortschritte und neuen Errungenschaften zunutze zu
machen. Rasch und intensiv ist fOr den Fortschritt der Völker ihr Er-
folg, gleich einem regulierten Strom, der ohne Verlust an Zeit und Materie
die Wohltaten der Zivilisation weiter und weiter trägt.
Solchen Grflnden entspringt unser Entschlufs, in Barcelona die „Erste
Internationale Pädagogische Ausstellung^ zu veranstalten.
Diese soll aber nicht nur ein Wettstreit in der VorfQhrung sämtlicher,
in der ganzen Welt angewandten Unterrichtsmethoden und Lehrmaterialien
sein, sondern sie soll auch gleichsam ein Tonmier darstellen, in welchem
deigenigen Nationen, die auf dem Gebiete der Pädagogik heute in der
vordersten Reihe stehen, Gelegenheit geboten wird, ihren inneren und
wechselseitigen Wert der Welt zu erkennen zu geben.
Dais die Resultate einer solchen Ausstellung für unser Land durchaus
gOnstig sein werden, ist ganz zweifellos und der Zeitpunkt für dieselbe ist
der denkbar günstigste.
In dieser Überzeugung wenden wir uns an alle diejenigen, die in
direkter oder indirekter Beziehung stehen zur Erziehung der Jugend.
Wir erlauben uns, die ergebene Bitte an Sie zu richten, unserem
Unternehmen Ihre Mithilfe zu Teil werden zu lassen und dasselbe durch
Ausstellung von Bttchem, Tabellen, Karten, Apparaten, kurz aller dem
Unterrichte dienenden Materialien, möglichst glänzend zu gestalten. Auf
diese Weise wird man sich ein genaues Bild von dem gegenwärtigen Stand
203
des Erziehangswesens machen können und diejenigen Mittel nnd Wege
kennen lernen, die znm Erlangen einer möglichst groDsen Vollkommenheit
einznschlagen sind.
Die Ansstellnng wird ans sieben Gmppen bestehen:
1. Elementarschule; 2. Mittelschule; 3. Höhere Schale; 4. Speziali-
täten; 5. Schnlarchitektor; 6. Schnlmaterial; 7. Schulhygiene.
Vom Geschäftsführer für die deutsche Abteilung werden überdies fol-
gende Mitteilungen über Zeit und Bedingungen der Ausstellung gemacht:
1. Die Internationale Pädagogische Ausstellung wird in Barcelona in
den Monaten Mai bis Oktober 1905 stattfinden.
2. Den Ausstellern wird das Quadratmeter Bodenfläche im gedeckten
Baom zu 25 Frcs., im ungedeckten Raum zu 10 Frcs. überlassen, zahlbar
bei Unterzeichnung des Teilnehmerscheines.
3. Für den Verlust der ausgestellten Gegenstände durch Diebstahl,
Brand oder anderweitige Elementarereignisse kann keine Verantwortung
fibemommen werden, ebensowenig für Beschädigungen der (regenstände nach
Ablauf der für die Räumung angesetzten Frist.
4. Zu geeigneter Zeit wird zwecks Erteilung der Preise und Bdoh-
mugen eine Juiy eingesetzt werden.
5. Die Preise bestehen in Geld, Medaillen in Gold, Silber und Bronze,
ferner in Ehrendiplomen.
6. Die Kosten fOr Fracht, Aufstellung der Gegenstände, sowie andere
bei der Installation eventueU nötig werdende Auslagen trägt der Aussteller.
Vorstehende Bedingungen können geändert werden, falls besondere
Verhältnisse dies ratsam erscheinen lassen, jedoch werden die Aussteller
Y<m etwa nötigen Modifikationen geziemend in Kenntnis gesetzt werden.
Geschäftsführer für die deutsche Abteilung: Dr. med. Hebmann
Kaupp, prakt. Arzt, Rambla de Gatalnna, 77, Barcelona.
Der 6. Kon^efs der Hilfsschnlen Dentsehlandg findet am 25.,
26. und 27. April in Bremen statt. Tagesordnung: Die Ausbildung
der Hilfsschullehrer, Ref. Lehrer Busch - Magdeburg — Die Be-
bandlung Ton Sprachgebrechen in den Hilfsschulen, Ref. Dr.
med. WiNCKiiBB - Bremen — Über moralische Anästhesie, Ref.
Direktor Dr. med. Scholz - Bremen — Die Berücksichtigung der
Schwachsinnigen im Strafrecht des Deutschen Reiches, Ref.
Oberamtsrichter Nolte - Braunschweig — Über den gegenwärtigen
8tand der Fürsorge für die aus den Hilfsschulen entlassenen
Kinder in unterrichtlicher und praktischer Beziehung, Ref.
Haaptlehrer A. SOHENK-Breslau.
Die Ferienkurse in Jena im August 1905 berühren die Schul-
bygiene in folgenden Vorlesungen: Das Mannheimer Schulsystem,
drei Vorträge von Schulrat Dr. SiCKmasR-Mannheim; Psychologie des
Kindes, sechs Vorträge von Dr. A. Spitzneb -Leipzig; Die unter-
richtliche Behandlung abnormer Kinder, dreimal zwei Stunden
^on Dhrektor Tbüpbs und Institutslehrer Landmann; Über Ursachen,
Erscheinungen und Zusammenhang von körperlicher und
psychopathischer Minderwertigkeit beim Kinde (mit Demonstra-
titmen), sechs Vorträge von Schularzt Dr. Fibbig in Jena; Über
204
Sprachstöraogen im Kindesalter, sechs Yortrftge Ton Privatdozent
Dr. HsBM. OxTTZMANN-Berlin.
Deutsche Otologische OeseUsehafL Aaf der am 9. mid 10. Jud
in Homburg stattfindenden 14. Yersammlnng dieser Gesellschaft w^en
die Herren Professor Dr. Abthub HABTMANK-Berlin nnd Geh. Med.-Rat
Professor Dr. Pesson - Berlin Aber „Die Schwerhörigkeit in der
Schale ** referieren.
Der X. Inteniatioiiale Kon^eHs gegen den Alkoholisrnns wird
in Budapest vom 12. bis 16. September d. J. stattfinden. Fflr die
Tagesordnung sind folgende Beratnngsgegenstftnde in Aussicht genommen:
1. Der Einfluls des Alkohols auf die Widerstandsfähigkeit des mensch-
lichen und tierischen Organismus, mit besonderer Berflcksichtigung der
Vererbung. 2. Die hygienische Bedeutung des Kunstweines gegenüber
dem Alkoholgenuis überhaupt. 3. Ist Alkohol ein Nahrungsmittel?
4. Alkohol und Geschlechtsleben. 5. Alkohol und Strafgesetz. 6. Die
kulturellen Bestrebungen der Arbeiter und der Alkohol. 7. Alkohol und
physische Leistungsfähigkeit, mit besonderer Berücksichtigung des militft-
rischen Trainmgs. 8. Die Organisation der Antialkoholbewegung. 9. Schule
und Erziehung im Kampfe gegen den Alkohol. 10. Die Reform
des Schankwesens. 11. Die industrielle Verwertung des Alkohols als
Kampfesmittel gegen den Alkohol. 12. Der verderbliche Einfiufs des
Spifituosenhandels auf die Eingeborenen in Afrika. — Alle Zuschriften
sind an das Exekutivkomitee des Kongresses, Budapest, IV. Kösponti-
vdroshaza, zu richten.
Städtische Spielplitze in Berlin. Zur Unterhaltung der stadtischen
Spielplätze für die Jugend hat der Magistrat fOr das laufende Jahr
33000 Mark, 8600 Mark mehr als im Voijahre, bewilligt. Zurzeit
hat Berlin, wie das „Per?. TagU.^ mitteilt, nur drei städtische Spielplätze,
von denen der eine am Urban leider eingehen soll, weil dort das neue
städtische Straisenbahndepot erbaut wird, der zweite liegt in der Wiesen-
strafse und der dritte in der Bremerstrafse. Ein neuer Spielplatz soll so
schnell wie möglich vor dem städtischen Obdach angelegt werden. Aufaer-
dem werden noch Plätze im Friedrichshain und Humboldthain sowie die
fiskalischen Exerzierplätze am Kreuzberg, an der sogenannten einsamen
Pappel (Schönhauser Allee), in Moabit und am alten Köpnicker Weg in
Treptow zum Spielen benutzt. Die eingeführten Ferienspiele haben sich
so gut bewährt, dafs der Magistrat in diesem Jahre fünf neue Spielplätze
eröffnen will. Eine weitere Vermehrung dürfte sich vorläufig nicht ermög-
lichen lassen, weil nur ein Teil der Schulhöfe für die Spiele geeignet ist.
Lieferung gefälschter Milch zur Speisnng bedfirftiger Sehnl-
kinder. Dieses Verbrechens hat sich, wie die Schweizer Presse mitteUt,
in einer Ortschaft des Kantons Bern ein Bauer schuldig gemacht, der
— nebenbei gesagt — in angesehener Stellung ist. Vor kurzem schöpfte
die Lehrerschaft Verdacht und schickte eine Probe dieser Milch dem
Kantonschemiker nach Bern. Und dessen Bericht lautet nun: „Die Milch
ist bläulich und durchscheinend. Sie hat eine ganz abnorme Zusammen-
setzung. Sie mufs nicht nur in hohem Grade mit Wasser verdünnt^
sondern gleichzeitig auch stark abgerahmt worden sein.**
205
Alkobolisnins imter Sehfllen in Ostprenfsen. In einer Dorf-
sdinle der Ortelsbnrger Gegend wurden ktirzlich, nach einer Meldung der
„Ostd. VoUesgig.'^, bei nicht weniger als 14 Schfilem Flaschen mit Brannt-
wein Torgefianden, die sie von ihren Eltern als Erfnschnngsmittel (!) mit-
bekommen hatten. Es soU femer Tatsache sein, dals bereits nenigfthrige
Sdifiler Tor Beginn des Unterrichts in tronkenem Znstande nach Hanse
gebracht werden mnisten.
Schnlpavaeil in floUaid. Die Abteilung Zwolle des „Vereins der
niederländischen Lehrer'' hat einen Bericht erstattet Aber die Frage:
„Erachtet man es als wünschenswert, dafs während der Nachmittags-
sehnlzeit von 2 bis 4 Uhr 10 bis 15 Minuten zum Spielen verwendet und
somit dem eigentlichen Unterrichte entzogen werden ?** Diese Frage wurde
ZOT Beantwortung an einige bekannte Pädagogen im Lande geschickt.
Die eingesandten Gutachten sprechen alle die Meinung aus, daüs eine
S^elzeit, auch während des Nachmittagsunterrichtes, sehr nfitzlich sei.
Ans den verschiedenen von den Begutachtern angeführten Gründen hat
das Komitee die folgenden zusammengestellt:
1. Das Lüften des Schulzimmers in Abwesenheit der Schüler ist
lach den vorhandenen Beobachtungen als sehr notwendig zu bezeichnen.
2. Der durch die Pause verursachte Zeitverlust ist nur scheinbar, weil
er dnrch die grOfsere Aufmerksamkeit der Kinder und des Lehrers nach
der Pause ausgeglichen wird.
3. Die Kinder sind in den Nachmittagsstunden nicht zur geistigen
Arbeit aufgelegt, namentlich, wenn die letztere zu lange dauert. Infolge-
dessen ist auch der wissenschaftliche Nachmittagsunterricht schon mancher-
orts aufgegeben worden.
4. Die Unaufinerksamkeit, eine natürliche Folge längere Zeit an-
dauernder geistiger Beschäftigung, kann weder vom Schüler noch vom
Lehrer beseitigt werden; nur eine Pause kann das zerstörte Gleichgewicht
wieder herstellen.
5. Weil die Verdauung in diese Zeit fällt, wird die geistige Arbeit
80 wie so gehemmt.
6. Die Gesundheit des Lehrers und der Schüler wird durch die Pause
gefordert.
7. Das fortwährende Bitten der Schüler um die Erlaubnis, »hinaus-
zugehen", das sehr störend auf den Unterricht wirkt, wird durch die Pause
vermindert. Dr. med. J. M. C. MOüTON-Haag.
Reise -SeholsparkasseB. „Die pädagog, Zeit"' meldet, dals das
Fremdenverkehrsbureau in Budapest mit Genehmigung des ungarischen
Unterrichtsministeriums eine hygienisch nicht unwichtige Einrichtung ins
Leben gerufen habe. Sie besteht darin, dafs die Schüler wöchentlich
1 Krone einzahlen und da(s dann aus dem Ergebnis dieser Einzahlungen
wihrend der Ferien kleinere Ausflöge unternommen werden. Die Kosten
sind auf 40 — 45 KroDen veranschlagt.
Ein weiblicher Generalsehnlinspektor in England. Die eng-
hsdie Unterrichtsverwaltung hat einen pädagogisch höchst bemerkenswerten
Sdiritt getan, indem sie einen weiblichen Generalschalinspektor für die
englischen Schulen ernannt hat. Fräulein Maube Lawabnge wird, um-
206
geben von einem Stab anderer weiblicher Inspektoren, vorzOglidi zwei
Fragen ihre Aufmerksamkeit zu widmen haben. Die eine ist die Pflege
der körperlichen Gesundheit der Schuljugend , und man glaubt diesbezOg-
lich, dafi, soweit der weibliche Teil der SchuQugend und die in des
Kindergärten usw. vertretenen ganz jungen Kinder in Betracht kommen,
die Ton weiblichen Lehrkräften unterrichtet werden, ein weiblicher In-
spektor yiel mehr Aussicht hat, nach allem fragen und das Richtige an-
ordnen zu können. Weiter wird Frl. Lawrence darauf zu sehen haben,
daTs die Mädchen in der Schule auch fttr ihren häuslichen Beruf ent-
sprechend vorbereitet werden. Allerdings wird diese Seite des Unt^ridits,
wie Kochen, Nähen, allgemeine Hanshaltungskunde, schon seit Jahren in
den englischen Schulen gepflegt. Aber man glaubt, da(s dabei den prak-
tischen Bedflrfhissen des Lebens nicht genflgend Rticksicht getragen werde,
weil eben die Lehrpläne von Männern verfafst und auch die Kontrolle
des Unterrichts in letzter Linie von Männern ausgeübt werde. Dem soll
nun durch die Einstellung einer Dame abgeholfen werden.
Dir. E. BAYB-Wien.
OleichmäTsige Ansbildiing beider Binde in der Schule. In der
^North Hackney High School*' für Mädchen in London erfährt das in
der modernen Pädagogik vielfach erörterte Prinzip, beide Hände gleich-
mäisig auszubilden, eine praktische Anwendung. Die Vorsteherin, Mifs
Alice James, erklärt, dab jede Arbeit besser von statten geht, wenn
die Kinder gewohnt sind, beide Hände und beide Augen zu gebrauchen.
Zwei Minnten- Turnen in den Schulen. Wie das rfNeue Wien.
Tagbl."^ mitteilt, fiberreichte unlängst eine Abordnung des Ostmark-
Tumgaues dem Unterrichtsminister R. v. Habtel eine Denkschrift fOr
die Einffibrung des Zwei Minuten - Turnens an den Volksschulen. Der
Denkschrift ist eine Liste von Freifibungen beigelegt, welche nur die
kurze Zeit von zwei bis drei Minuten beanspruchen und jede halbe
Stunde in den Schulen, während des Unterrichts, durchgeführt
werden sollen. Diese Freifibungen sind so eingerichtet, dafs sie in jeder
Art von Schulbänken vorgenommen werden können. Das Zwei Minuten-
Turnen ist bereits in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eingeffihrt,
und es zeigte sich ein fiberraschend günstiger Einflufs auf Körper und
Geist der Schuljugend; die kurze Unterbrechung des Stillsitzens durch
einige Freifibungen förderte auch die Schuldisziplin.
Dir. E. BAYB-Wien.
BfirgerreehtsverleUiiing an Yolkssehnldirektor Emannel Bayr.
Dem ständigen Mitarbeiter der „Zeitschr. f. SchtUgesunäheitspfl.^ , Direktor
Emanüel Batb, wurde in vertraulicher Sitzung des Wiener Stadtrates
im Hinblick auf seine langjährige, hingebungsvolle Wirksamkeit im Lehr-
fache und seine eifirige und anerkennenswerte Tätigkeit auf pädagogischem
und schul hygienischem Gebiete das Bfirgerrecht der Stadt Wien mit
Nachsicht der Taxen veriiehen. („K Wim. Tagbl^, Nr. 11.)
Gegen die Reinigung der Klasaenzimmer durch Soholkinder,
die auf dem platten Lande seit alters eingebflrgert ist, hat, wie aus Kiel
gemeldet wird, die Regierung in Schleswig eine Yerffigung erlassen.
Darin wird betont, dafs die Schulreinigung Gefahren ffir die Gesundheit
207
der in der EntwidduDg begriffeDen Kinder durch die EinatmuDg infek-
tidsen Staubes mit sich bringt. Die Regiemng erl&bt kein allgemeines
Verbot, ordnet aber eine allmähliche Anfhebang des alten Brauches an.
Bei neagegrdndeten Schulen dflrfen Kinder unter keinen Umstanden zur
Reinigung herangezogen werden.
Ein Verein fflr Schul- nnd Oesiudheitapflege soll, wie das
jflUxdarf, Taghl^ mitteilt, in Rixdorf gegründet werden. Aufgabe des-
selben soll es sein, Aufklärung und Belehrung Aber die persönliche Ge-
sandheitspflege in alle Kreise der Bevölkerung, sowohl die gebildeten als
die weniger gebildeten, zu tragen. Zu seinem Arbeitsgebiet sollen ge-
hören: die Säuglingspflege und die Bekftmpfong der Kindersterblichkeit,
die Belehrung Aber eine angemessene Bekleidung, eine verständige Er-
Dftbning, die Wohnungsfrage, die Belehrung über den Einflufs von Licht
nnd Luft auf das körperliche und seelische Verhalten des Menschen, die
Belehrung über Bäder und Hautpflege, die Bekämpfung der Yolkskrank-
heiten, vor allem der Tuberkulose, des Alkoholismus, Anbahnung einw
engeren Verbindung von Schule und Haus usw. Dieses Ziel soll erreicht
werden durch Veranstaltung öffentlicher Vorträge und Unterhaltungsabende,
Verbreitung der besten populär - wissenschaftlichen Schriften der Hygiene.
Daneben will man auch praktische Einrichtungen anregen, welche die Be-
lehnmg durch das gesprochene und geschriebene Wort zu ergänzen ge-
eignet und von grofsem Werte für die Volksgesundheit sind. So sind
ins Ange gefa&t: Koch- und Haushaltungsschule, Anlage von
Brausebädern, Sonnenlicht- und Luftbäder, Ferienwande-
rungen der Schüler u. a. m.
IKe Beziehungen des Schulbesncha der Einjfthrigfreiwilligen
n ihrer Militärtanglichkeit unterliegen in der Medizinalabteilung des
preulsischen Kriegsministeriums zurzeit näherer Untersuchung laut Mitteilung
von Oberstabsarzt Dr. Neumank in einem Aufsatze des j^Ärch. f. soziale
Med. u, Hygiene"^,
Vermehmiig der Eisbahnen in Berlin. Wie die Tagesblätter
melden, hat die Berliner Vereinigung für Schulgesundheitspflege
(Sektion des Berliner Lehrervereins) in dieser Richtung folgende Wünsche aus-
gesprochen: Soll diese für die Gesundheit überaus wichtige Körperbewegung
den Kindern zugute kommen, so muTs die Stadt dafflr sorgen, 1. dals die
den Kindern zugewiesenen Plätze vergröfsert werden, 2. überhaupt eine
Vermehrung der Eisbahnen erstrebt und 3. die den Kindern gestattete
Zeitdauer der Benutzung der Bahnen verlängert wird.
Mit der Fürsorge für das Schwimmen der Schulkinder hat die
Stadt Berlin in letzter Zeit einen guten Anfang gemacht. Vor zwei
Jahren begann man in der Gemeindeschule in der Blumenstrafse mit dem
Schwimmunterricht. Dem eigentlichen Unterrichte ging ein Trocken-
Echwimmunterricht in der Turnhalle voraus. Der Erfolg war sehr be-
friedigend. Etwa 80 % der beteiligten Schüler haben das Schwimmen
erienit. Für das Jahr 1905 hat die Stadt 5000 Mark für diesen Zweck
in den Etat eingestellt. Auch Mädchen sollen an dem Unterrichte teilnehmen.
Die erste soziale Franenschule soll wie die „Pädag. Zeit" mit-
teilt, zu Ostern von Professor Dr. Zimmeb in Zehlendorf eröffnet
Sehvlgesnndheiispflege. XVIII. 12
208
werden. Der Unterricht soll Yolkserziebnngslehre, Volksgesondheitspflege,
Knnstpflege, wirtschaftliche, staatsbfirgerliche, sittliche und religiöse Yolks-
erziehong umfassen. Besuch von kommunalen, industriellen, humanitftren
und konfessionellen Anstalten soll ergänzend hinzutreten mit praktischen
Übungen in Eindergärten, Krippen, Horten. Volksunterhaltungen usw. über-
mitteln den Übergang in die Praxis.
Über Fnfsbekleidiing der Sehfller in der Sehnle hat, wie wir
der y^Trier. Landesjftg." entnehmen, die Königliche Regierung in Trier
unterm 24. Januar 1905 eine YerfQgung erlassen, die der Beachtung wert
ist. Sie besagt:
„Es kommt nicht selten vor, dafs Schulkinder, welche einen yerhfilt*
nism&JEsig weiten Weg zur Schule haben und dann bei Tau- und Regen-
wetter oder auch bei starkem Schneefall mit nassen FOfsen sitzen mttssen,
sich heftig erkälten und mehr oder weniger sich schwere Krankheiten zn-
ziehen. Hier und da haben, was wir mit Genugtuung bemerken, Orts-
schulinspektoren und Lehrer die Eltern zu bewegen gewuCst, den Kindern
ein zweites Paar Strumpfe und Pantoffel oder Zeugschuhe zum Wechsel
beim Eintritt in das Schulzimmer mitzugeben. Diese Mafsnahme empfiehlt
sich, und Sie wollen die Ortsschulinspektoren, Lehrer und Lehrerinnen
darauf aufmerksam machen, dafe sie sich mit den Eltern in Verbindung
setzen, diese auf die die Gesundheit ihrer Kinder so fördersame Einrich-
tung hinweisen und zur Beschaffung der Fulsbekleidungsstücke veranlassen.
Fflr die armen Kinder wird die Beschaffung durch die Gemeindevertretung
in Anregung zu bringen sein".
^mtiic^e Derfii^ittt^eit.
Betreffend den Bericht ttber den intematioBaleB KongreCB
für Sehnlbygieiie in Nfirnberg.
Erlafs des k. k. Ministeriums des Innern vom 18. Februar 1905, Z. 4976,
an alle politischen Landesbehörden.
In der am 23. Februar d. J. erscheinenden Nr. 8 der Wocheascbrift
„Das österreichische Sanitätswesen" wird auf das Erscheinen des vier-
bändigen Berichtes über den I. internationalen Kongrefs für Schulhygiene,
Nürnberg 1904, welcher im Wege der Subskription bis 1. April d. J. zum
ermäfsigten Preise von 36 K von der Verlagsbuchhandlung J. L. Schräg
in Nürnberg zu beziehen ist,^ anftnerksam gemacht.
(„D. österr, Samiätswesen*' , 1996, Nr. 10.)
^ Die VerlagBhandlung hat sich bereit erklärt, den Behörden anob aber
den 1. April hinaus den ermälsigten Besogspreit von d6 K einznrfiumen.
(Anm. d. Redaktion.)
209
Bainigug der Sebnlfeiister in den SffeBtlichen Yelks- ud
£flri;erschvleB Wiens.
Magistrat k. k. Reichshanpt-
ond Residenzstadt Wien. Wien, am 2. M&rz 1905.
M.-Abt. XV, Z. 1916/06.
An die Leitungen sämtlicher allgemeinen Volks- nnd Bflrgerscholen in Wien.
Karrende.
Nach der Instruktion fftr die den öffentlichen Volks- and Bfirger-
flcholen zagewiesenen (definitiven and provisorischen) Schaldiener I, 553,
Pnnkt 6 c, sind die Schaldiener verpflichtet, die Fenstergläser stets rein
zu halten.
Diese Verpflichtung scheint, wie sich der Magistrat aas eigener Wahr-
nehmnng wiederholt überzeugt hat und wie mehrfache Klagen von Schul-
leitungen beweisen, in Vergessenheit geraten zu sein, beziehungsweise es
dürfte unter den Schuldienem die Ansicht Platz gegriffen haben, dab sie
die Fenster nur alle zwei Monate und nur dann zu reinigen haben, wenn
sie dafQr besonders bezahlt werden.
Diese Anschauung ist irrig, und sind die Schuldiener nach der eingangs
zitierten Bestimmung zweifelsohne verpflichtet, auch innerhalb der zwei
Monate die Fenstergläser so oft vom Staub und Rufs zu reinigen, als es
eben erforderlich ist.
Die grofse Reinigung aber, welche alle zwei Monate vor sich geht,
bezieht sich dann auf ein grflnd liebes Waschen der ganzen Fenster,
also auch der Holzteile derselben (Stock, Fensterbretter, Kämpfer usw.)
and nicht blols der Scheiben allein. Diese grandliche Reinigung aber
setzt wieder voraus, dafs sämtliche Fensterflügel ausgehängt werden.
Des weiteren macht der Magistrat darauf aufmerksam, dafs die Schul-
diener während der Unterrichtszeit im Schulgebäude anwesend zu sein
haben, und dais es daher nur in den dringendsten Fällen zulässig ist,
dieselben wegzuschicken.
Sollte jedoch diese Notwendigkeit ausnahmsweise eintreten, dann hat
der Schuldiener den Dienstgang möglichst rasch zu beenden und ohne
Verzug in das Schulgebäude zurückzukehren.
Während der Abwesenheit des Dieners haben dann dessen Frau oder
seine sonstigen Familienangehörigen für den Dienst aufzukommen.
Hiervon wird der Schulleitung zur eigenen Kenntnisnahme und Ver-
ständigung des Dieners (der Dienerin) die Mitteilung gemacht.
Vom Wiener Magistrate, Abteilung XV,
im selbständigen Wirkungskreise.
Der Abteilungs- Vorstand, (gez.) Naroäny, Magistratsrat.
(Direktor Emanüel BAYB-Wien.)
12*
210
Bekanntmachmig betreffend Einderkrankheiteii.
Stadtschnlpflege Lnzern.
Dezember 1904.
Da in der letzten Zeit Scharlach- und Diphtheriefälle sich in unserer
Stadt in gröfserer Zahl gezeigt haben, sieht sich die unterzeichnete Behörde
Teranlafst, öffentlich auf die Vorschriften anfinerksam zu machen, die
seinerzeit erlassen wurden, um die städtischen Schulen möglichst vor In-
fiziemng zu bewahren. Diese Vorschriften wurden allen Ärztin zugestellt,
so dals die Familien, in denen Scharlach oder Diphtherie auftritt, bei
ihren respektiven Hausärzten sowohl, wie bei den Schulbehörden, sich er-
kundigen können.
„Fttr an Diphtherie erkrankte Kinder gilt die Weisung, dafs die-
selben bis vier Wochen von Beginn der Krankheit an resp. bis zehn Tage
nach Verschwinden des Belages und Desinfektion von der Schule aus-
geschlossen sind. Für nicht erkrankte Kinder, in deren Hause eine Er-
krankung an Diphtherie vorgekommen ist, dauert der Schnlausschluis, bia
die Beläge beim Kranken zehn Tage verschwunden sind. Wo eine gehörige
Isolierung oder eine Auslogierung des Kranken (oder der gesunden Kinder)
besteht, bleiben die gesunden Kinder des betreffenden Hauses zehn Tage
vom Tage der Isolierung (oder Auslogierung) an gerechnet von der Schule
fem.**
„Bei Scharlach ist ein krankes Kind sechs Wochen von der Schule
ausgeschlossen, vom Beginn der Krankheit an gerechnet, respektive noch
zehn Tage nach vollendeter Abschuppung und gehöriger Desinfektion.
Gesunde Kinder desselben Hauses sind vom Beginn der Krankheit an ge-
rechnet sechs Wochen von der Schule ausgeschlossen. Hat aber eine Aus-
logierung oder gehörige (ärztlich bescheinigte) Isolierung des kranken Kindes-
(oder eine Auslogierung der gesunden Kinder) stattgefunden, so haben diese
Hausgenossen vierzehn Tage von der Schule fernzubleiben, gerechnet vom
Tage der Auslogierung oder vorgenommenen Isolierung.^
In allen Fällen müssen wir eine ärztliche Bescheinigung, dafs eine
gehörige Desinfektion des Krankenzinmiers oder der infizierten Wohnung
stattgefunden, verlangen.
Wir wissen wohl, dafs diese Vorschriften strenge sind und dafe die
betroffenen Familien durch dieselben zu leiden haben; wir sind aber ge-
zwungen, auf Durchführung der vorstehenden Mafsregeln zu halten, damit
nicht den Schulbehörden der Vorwurf gemacht werden kann, sie hätten
nicht alles aufgeboten, um der nun doch seit längerer Zeit bestehenden
Scharlachinvasion mit allen Kräften entgegenzutreten. Dabei sprechen wir
die Überzeugung aus, dais die grofse Mehrzahl der Bevölkerung unsere
schulhygienischen Bestrebungen unterstützen und denselben nicht entgegen-
arbeiten wird.
(„Schweiß, Blätter f. Schulgesundhtspfl,'' , 1905, Nr. 2.)
211
fitttatut.
Bespreohnngen.
BERNiNGEBy JOHANNES. Pftdagogik Qiid Hygiene. Schal- and
Volksgesundheitspflege in der praktischen Berafstfttigkeit
des Lehrers. Verlag von Leopold Voss in Hamburg. 8^ 79 S.
Die kleine Schrift ist die Wiedergabe eines Vortrages, den der Ver-
ftsser anf der am 24. Mai 1904 zn Stra&bnrg stattgefondenen XL Haapt-
Tersammlang des katholischen Lehrverbandes des Deutschen Reiches ge-
halten hat.
Bebningeb zählt zn jenen, glflcklicherweise jetzt immer zahlreicher
werdenden P&dagogen, welche die fachwissenschaftliche Literatur der Schal-
hygiene mit ernstem Eifer studieren und fQr sich und ihre Berufegenossen
mit Natzen yerwerten.
Auch in dem vorliegenden ßtkchlein beweist Bebningeb, dafs er für
die wichtigen Fragen der Schalgesundheitslehre nicht nur ein offenes Herz,
sondern auch das richtige Verständnis besitzt.
Er legt vorerst in überzeugender Weise die Notwendigkeit und die
Aufgaben der Schulgesundheitspflege dar und verbreitet sich dann in meist
zutreffender Weise ttber das hygienische Mitwirken des Lehrers in der
Schule, indem er die einzelnen Unterrichtsfächer im Detail bespricht. Am
zntreffendsten sind die Bemerkungen, die der Verfasser bezflglich des
hygienischen Wirkens des Lehrers in der Aufnahmeklasse anzuführen
weife: hier ist der denkende und erfahrene Pädagoge aus jeder Zeile er-
kennbar.
Auch das Programm, das Bebningeb fQr das hygienische Wirken
des Lehrers auCserhalb der Schule entwirft, kann nur gebilligt werden, und
gsnz besonders gilt dies für die Forderung, dals der Lehrer sich dnrch
Beteiligung an den Versammlungen hygienischer Vereine und durch Fort^
hüdung anf hygienischem Gebiete mit den Lehren der Hygiene vertraut
mache. Allerdings wird es dann oft schwer fallen, die Grenze festzu-
halten, wo die hygienische Tätigkeit des Lehrers aufhört und die ärzt-
liche Tätigkeit einsetzen mufs; man kann von Hygiene manches verstehen
und vieles darüber gelesen haben, ohne dadurch ein Hygieniker zu sein —
<lsza gehört ein ärztliches Fachwissen, und dieser springende Punkt wird
leider von manchen Pädagogen oft absichtlich, vielleicht häufig auch un-
absichtlidi übersehen.
Bebningeb tritt zwar in einem besonderen Kapitel für das Zusammen-
wiAen des „Pädagogen und des Mediziners*' ein, aber ob darin all seine
ia der Schulhygiene belesenen Berufsgenossen mit ihm übereinstimmen, ist
wohl fraglich.
Einen warmen Fürsprecher findet die Freiluftschule an dem Ver-
tier der beq)rochenen Schrift: dem Referenten will es scheinen, daTs
212
man hier im allgemeinen — einer modernen StrOmnng folgend — etwas
zn sehr schabionisiert: die Freilnftschnle ist gewils eines Versuches wert,
wo sie dnrchftthrbar ist; aber sie wird nicht unter allen Himmelsstrichen
und an allen Orten durchführbar sein, am allerwenigsten da, wo sie vom
rein gesundheitlichen Standpunkte doppelt erwünscht wäre, nämlich in Grofs-
stadten, welche weit und breit keine waldige Umgebung besitzen und wo
es sich um viele Tausende von Schulkindern handelt.
Das Bestreben des Verfassers, seinen beachtenswerten hygienischen
Ratschiftgen bei jeder Gelegenheit ein klerikales Mftntelchen umzuhängen,
scheint zu seinen Eigentümlichkeiten zu gehören und ist auch in seiner
Schrift „Schul- und Volkshygiene^ erkennbar, das soll uns abw nicht ab-
halten, BEBNiNasKs Arbeiten als dankenswerte Belehrungen der Lehrer-
schaft auf das eindringlichste zu empfehlen. ALTSCHUL-Prag.
Wehmeb, R. EnzyklopSdigches Handbuch der Schulhygiene. IL Ab-
teünng (mit 305 Abbfldungen). S. 401—1055. I— VHI. Wien und
Leipzig, Verlag von Pichlers Witwe & Sohn, 1904. Mk. 15. — .
Das günstige Urteil, das wir über den ersten Teil dieses Werkes ab-
gegeben haben, kennen wir heute, wo auch der zweite, gröCsere Teil vor-
liegt, nur bestätigen. Es bietet einer Reihe wertvoller, zusammenfassender
Abhandlungen aus dem Gebiete der Schulhygiene überhaupt und der Ent-
wicklung derselben in den einzelnen Kulturstaaten im besonderen. Wer
sich über das eine oder andere orientieren will, findet hier ein reichhaltiges
Material und meistens, wenn auch nicht erschöpfende, so doch das wesent-
liche umfassende Literaturangaben. Den gewöhnlichen Handbüchern gegen-
über bietet die Form der Enzyklopädie gewisse Vorteile, einmal der über-
sichtlichen Anordnung des Stoffes wegen, und sodann, weil hier die ein-
zelnen G^enstände, und zwar auch diejenigen von nicht gerade erstklassiger
Bedeutung, in gedrängter Form von Fachleuten behandelt werden können.
Demgegenüber steht der Nachteil, dafs bei enzyklopädischer Behandlung
des Stoffes das Ganze nach Inhalt und Form nicht aus einem Gusse sein
kann und dafs oft dem weniger bedeutenden grö&ere Aufiaierksamkeit ge-
schenkt wird als dem wichtigeren.
Wenn wir nun im folgenden einige Aussetzungen machen, so geschieht
dies durchaus nicht in der Absicht, den Wert des Werkes irgendwie
herabzusetzen, sondern weU, wie uns scheint, sowohl den Autoren als dem
Heransgeber diejenige Kritik die willkommenste sein muls, die unumwunden
die schwachen Seiten andeutet und hiermit den Beteiligten Gelegenheit
gibt, bei einer eventuellen zweiten Auflage entsprechende änderungen vor-
zunehmen.
Der Löwenanteil mit Bezug auf räumliche Ausdehnung und Arbeits-
leistung von Seiten des Verfassers fällt dem Artikel „Schulgebäude^ zu
(S. 590—753). Derselbe behandelt die eigentliche Architektur des Schul-
gebändes, die einzelnen Konstruktionsteile, den Gnudrils, die verschiedenen
Räume, die Schulmöbel, die Beleuchtung, Lüftung, Heizung, Reinigung usw.
Die Behandlung des Stoffes ist im allgemeinen eine vortreffliche; immerhin
wäre eine gewisse Differenziemog desselben wünschenswert gewesen, damit
auch andere Autoren, die sich mit den einschlfigigen Fragen speziell be-
213
schftfligt haben, zum Worte gekommen wären; namentlich hätte es sich
empfohlen, die Schnlbankfrage, das Wachstom der Schuljugend, die Bei-
mgimg der Klassenzimmer und einige andere znm Gegenstand besonderer
Artikel zn machen. Wollte man eine solche Differenziemng nicht, so ist
es nnyerständlich, wamm die Schnlaborte, die Schnlbäder nnd die Schnl-
ustalten (soweit dieser Artikel Konstruktives enthält) nicht in die
Abhandlung Aber das Schulgebäude einbezogen wurden, was um so leichter
hätte geschehen können, als alle diese Artikel von einem und demselben
Antor herrühren. Manche Mängel, die bei der generellen Behandlung des
Gegenstandes durch einen Techniker mit unterlaufen mulsten, hätten bei
der Verteilung der Arbeit auf einzehie Fachleute vermieden werden können.
So z. B. wäre von einem Arzte der Zweifel an der Richtigkeit des Wadis-
tnmsgesetzes (S. 674) sicherlich nicht ausgesprochen worden; so wäre die
Schulbankfirage von jemandem, der sich mit diesem Gegenstand persönlich
be&üst hat (Arzt oder Lehrer) vermutlich prinzipieller und sozusagen durch-
richtiger, fOr den Leser übersichtlicher behandelt worden; so hätte es ver-
mieden werden können, dab man immer noch mit den von H. Cohn
seinerzeit vorgeschlagenen 10 Meterkerzen rechnet ohne beizufügen, dab
GoHN hierbei die Messung im roten Lichte im Auge hatte und dais im
weifsen Lichte diese 10 Meterkerzen sich in 20 — 26 Meterkerzen ver-
wandeln; so wären gewiis durch einen Hygieniker die neuesten, ziemlich
zaUreichen Untersuchungen über die bakterielle Beschaffenheit der Schul-
loft und den diesbezüglichen Einflufe der sog. Stauböle mehr zu ihrem
Rechte gebracht worden als dies jetzt geschehen ist.
Grofses Interesse bieten die Schilderungen der schulhygienischen Be-
strebungen in verschiedenen Ländern ; aber es darf wohl ein gewisses Be-
dauern darüber ausgesprochen werden, dais diese Abschnitte nicht nach
dnem einheitlichen Plane bearbeitet sind. Nicht selten tritt das eigentlich
schnlhygienische in den Hintergrund und wird der an und für sich
gewjfe wichtigen, aber dem Charakter des Werkes weniger entsprechenden
DanteDung des ünterrichtswesens ein relativ zu grofser Platz an-
gewiesen. Vorbildlich für diese Artikel scheint uns der von Dr. Sghmib
Ter&bte über die Schweiz zu sein, der nach kurzen einleitenden Be-
merkungBi über das Schulwesen im allgemeinen die einzehien, hygienisch
wichtigen Fragen des Schulbaues und Schulbetriebes der Eeihe nach be-
bsDdelt. Eine derartige, planmäfsige Schilderung der Entwicklung der
Schulhygiene in den verschiedenen Ländern hätte unstreitig einen groben
Wert Beim Artikel „Ruisland** fällt auf, dais die reichhaltige schul-
bygienische Literatur dieses Landes, und die damit verbundenen Bestre-
Inmgen, mit keiner Silbe erwähnt sind; es scheint hier nicht der richtige
Beferent gefunden worden zu sein.
Einzelne Gegenstände haben eine im Vergleiche zu ihrer Wichtigkeit
«Um knappe Behandlung erfahren. So z. B. die Frage der Rflckgrats-
Teiirttmmungen in ihrer Beziehung zur Schule, die Frage der Steil- und
Sclirlgschrift, der ärztlichen Beaufsichtigung der Schulen, der direkten und
iidirekten Beleuchtung der Schulzimmer, der Nervosität und Neurasthenie
to Schulkinder usw. Dagegen hätten andere Dinge, die mit der Schule
mir einen sehr losen Zusammenhang haben, wie z. B. die Epidemiologie
214
and Pathologie der Pocken und des Abdominaltypbas, kflrzer bebandelt
werden können.
Sebr viel beberzigenswertes enthalten die Artikel „Sport", „Stunden-
plan*', „Oberbflrdong", „Zahnkrankbeiten** nnd „Zeichnen". Dieselben
amfassen alles wichtige and wünschenswerte and vermeiden alles flberflflssige ;
sie halten sich nach Form and Inhalt in den richtigen Grenzen und
sprechen von gro&er Sachkenntnis von seiten der Antoren.
Der Vollständigkeit halber will ich noch einiger Unrichtigkeiten Er-
wähnung tan, die hier and da mit unterlaufen sind. Im Artilcel „Ohren-
krankheiten'' (S. 446) wird angenommen, daTs die „Schalzimmer etwa 20
bis 35 m lang zu sein pflegen'', während 11 bis 12 m mit Recht als
Maximallänge für ein Klassenzimmer gelten. Im Artikel „Rufsland*'
(S. 527) wird behauptet, die rassischen Militärgymnasien (die übrigens seit
vielen Jahren nicht mehr existieren) trügen „teilweise den Charakter einer
Hochschule'', während sie durchaus Mittelschulen waren, was auch von den
sie jetzt ersetzenden Institutionen gilt. Im Artikel „Schnlgebäude", speziell
„SchulbankmaTse" (S. 677) findet sich eine unzutreffende Angabe über die
sog. Ellenbogenhöhe, d. h. den zwischen Sitz und Ellenbogen beim Sitzen
freibleibenden Raum, der „2 cm nicht übersteigen darf". Bei der künst-
lichen Beleuchtung heifst es irrtümlicherweise, dafs das Leuchtgas „nicht
unbeträchtliche Mengen Kohlenoxyd und noch gröbere Mengen Kohlen-
säure enthält", während in der Tat das quantitative Verhältnis dieser
zwei Bestandteile des Leuchtgases das umgekehrte ist. Zu Mißverständ-
nissen kann es femer Veranlassung geben, wenn auf S. 657, wo von den
Gängen der Lehrzimmer die Rede ist, diejenigen als Quergänge bezeichnet
werden, welche der Fensterwand und der gegenüberliegenden Wand parallel
laufen.
Wie gesagt, haben alle diese Bemerkungen nur den Zweck, dem
Heransgeber und den Autoren behilflich zu sein, bei einer zweiten Aus-
gabe gewisse ünvollkommenheiten der ersten zu vermeiden. Im übrigen
empfehlen wir das Werk allen denjenigen angelegentlichst, welche sich über
die eine oder andere Frage aus dem Gebiete der Schulhygiene orientieren
wollen. EBiSMANN-Zürich.
Ziehen, Th., Prof. Dr. Über den Einflnfg des Alkohols auf das
Nervensystem.
Der Verfasser, der ja auf dem Gebiet der Experimentalpsycbologie
Autorität ist, referiert in dieser Arbeit über eine Anzahl verschiedenartiger
Reaktionsversuche bei normalen Menschen vor und nach AlkobolgenoCs;
dieselben ergeben das Resultat, dab der Alkohol zuerst eine (vielleicht nur
scheinbare, d. Ref.) Steigerung der Arbeitsleistung bewirkt, welche bald,
besonders nach gröberen Dosen, von einer deutlichen Verminderung der-
selben gefolgt ist. Wir finden ferner eine populäre Darstellung der nerveo-
zerstörenden Wirkung des chronischen Alkoholismus, eine kurze Statistik
der Alkoholkranken in den Irrenanstalten, und schliefidich warnt der Ver-
fasser noch ausdrücklich davor, dem kindlichen Nervensystem Alkohol zu-
zumuten: Kinder bis zum 15. Lebensjahre sollten überhaupt
keinen Alkohol, in keiner Form und bei keiner Gelegenheit
215
erhalten, ein Satz, den ein jeder Sachverständige ohne weiteres nnter-
schreiben wird. Die Schrift ist als knrze und klare Darstellung der
BerrendeletAren Wirkung des Alkohols jedem zur Lektüre zu empfehlen.
Dr. K. WEHRLIN-Zttrich.
Gbotjahn, A. Der Alkoholismng. Separat -Abdruck aus dem Hand-
buch für Hygiene von Wetl. (Suppl.-Bd. „Soziale Hygiene**.) Jena,
G. Fischer, 1904. Gr. 8<>. 14 S. Mk. —.50.
Es ist charakteristisch für eine jede Bewegung, dals ihr stets am An-
fang leidenschaftliche Verteidiger und ebensolche Gegner erstehen, und dafs
erst viel später objektive Beurteilungen erfolgen. — Diese Schrift ist
eine der ersten, die „sine ira et studio** die Alkoholfrage und mit ihr die
moderne Antialkoholbewegung bespricht; Alkoholkonsum, Alkoholstatistik,
soziale Bedingungen des Alkoholismus, Bekämpfung desselben usw., alles
ist kurz und klar referiert ; die Bedeutung der Statistik wird auf ihr rich-
tiges Hals zurflckgefdhrt, die sozialen Vorbedingungen des Alkoholismus
werden genflgend gewürdigt, der schwere Schaden, den die Trinksitten
stiften, wird nicht unterschätzt. Allein der Totalabstinenz wird der Ver-
fasser vielleicht nicht ganz gerecht: solange die Durchschnittsbevölkerung
aUer Länder noch so wenig Verständnis für die Dringlichkeit der Alkohol-
frage und überhaupt so wenig Kenntnisse auf diesem Gebiete hat, brauchen
▼ir noch energische „Draufgänger*', die unermüdlich immer wieder das
Gleiche predigen, und das sind erfahrungsgemäfs stets die „Totalabsti-
oenten*^, kaum je die „Mäfsigkeitsapostel** ; ohne die extreme Partei der
Totalabstinenten würde, auch heute noch, die ganze Antialkoholbewegung
bald wieder einschlafen. — Ferner — davon weife nachgerade jeder
Psychiater und Nervenarzt zu erzählen — wird die Totalabstinenz als
Therapie für Trinker und Psychopathen nie zu entbehren sein.
Dr. K. WEHRLIN-Zürich.
CoTTA, Dr. Leitfaden fBr den Unterricht in der Tnrngescbiehte.
R. Voigtländers Verlag. Leipzig, 1902. Preis Mk. 1.40.
Der Verfasser des handlichen Buches hat seit Jahren an dem staat-
lichen Turnlehrer- und -lehrerinnenkursus in Breslau den Geschichts-
mtemcht zu erteilen und will den Lehrenden eine brauchbare Grundlage
f&r ihre Vorträge, den Lernenden ein praktisches und willkommenes Hilfs-
niittel für Aneignung und Befestigung des Stoffes bieten.
Je kürzer ein Leitfaden ist, desto mehr erfüllt er seinen Zweck;
freflich muls der Verfasser es verstehen, den Stoff so durchzusieben,
dab er allenthalben das Wichtige mit sachkundigem Urteile von dem
Nebensächlichen trennt. Das CoTXAsche Buch übertrifft an Kürze und
scharfer Betonung des Charakteristischen tatsächlich die meisten tum-
geschichtlichen Arbeiten der neueren Literatur. Die Sprache ist klar und
Tcrständlich; die Stoff behandlung lälst erkennen, dafe der Verfasser sich
selbst ein gesundes Urteil über die Ziele der gynmastischen Erziehung ge-
bildet hat. Gewünscht hätte ich eine Berücksichtigung des Wasserturnens,
das in der Tumlehrervorbildung doch auch seine Stelle hat. Eine neue
216
Auflage wird — das darf man annehmen — auch dem Schwimmen und
Rndem die ?oUe Wflrdignng zn teil werden lassen.
Wer sich Aber Entwicklung und Wesen der deutschen Tnmkunst ia
Schule und Öffentlichkeit belehren will, wird das Ck>TTAsche Buch mit
Vorteil benutzen. Prof. WiGKENHAGEN-Berlin.
Bibliographie.
Die mit * bezeichneten Werke worden der Redaktion zugesandt.
*Alt80HUL, Theodor, Dr. Die Schulargtfrage in Österreich. Vortr. geh.
in d. Wintergeneralversammlung d. Zentralvereins deutsch. Ärzte in
Böhmen am 16. Dez. 1904. Sond.-Abdr. a. d. Prag. med. Wochenschr.,
XXX, Nr. 4—5, 1906.
* Weft der Experimente bei Sckülerunterauchungen. Sep.-Abdr.
a. d. Bericht über d. I. intern. Kongr. f. Schulhygiene in Nflmberg.
*Archivio di Ortopedia, Dir. Dott. A. CODIYILLA u. R. Galeazzi. Anno
XXII, Fase. 1*, 1905.
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chüdren, (Bemerkungen über Refraktion und Augenfiberanstrengung bei
206 Schulkindern.) Cleveland med. Joum., Dez. 1904.
Bericht über den XVL Kongreß des Deutschen Veräns für Knaben-
handarbeit ssu Worms vom 1. bis 3. Juli 1904. Mit 8 Abbfldgn.
Herausgeg. v. D. Verein f. Knabenhandarbeit. Leipzig, Frankenstein &
Wagner, 1905. 8^ 89 S.
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G. Neugebauer. 8^ 28 S.
BüROBKSTEiN, Lso, Dr. Zur hämUehen Gesundheitspflege der Schul-
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Zehnte, durchgesehene Aufl. Leipzig, Teubner, 1905. 8^. 16 S.
JK 0.10.
Qesundheitsregeln für S(Mler und Schülerinnen aUer Lehr-
anstalten. Zehnte, durchgesehene Aufl. Leipzig, Teubner, 1905. 8®.
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Qeeunde Jugend, Zeitschrift für Gesundheitspflege in Schule und Hans.
lY. Jahrg., H. 5/6. Leipzig u. Berlin, Teubner, 1905. 8^ S. 274
bis 296. Mit einem Gesamt-Mitgliedenrerzeichnis des AUg. D. Vereins
f. Schulgesundheitspfl.
QesundheHsregetn für die Schuljugend, zusammengest. y. d. Vereinig, f.
Schulgesundheitspfl. d. Berl. Lehrenrereins. Berlin, W. Möller, 1905.
16^ 28 S. JK 0.20. (Möllers Bibliothek f. Gesundheitspfl. usw. H. 29.)
217
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JMUution eu nennen? Wien u. Leipzig, W. BranmtUler. 8^ 115 S.
JK 1.60.
Intemaüandles Archiv für Schulhygieney heransgeg. yon Dr. med. AZBL
J0HANNE88BN, Prof, in Christiania, n. Dr. med. et phil. Hbrm. Gribs-
BAOH, Prof. in Mflhlhansen. I. Bd., 1. H. Mit 26 Fig. im Text.
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Buchdrackerei, 1905. 4<>. 36 S.
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Lampe, Mit Abbildgn. Jena, 1905. Gr. 8^ 10 8.
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Ober die Ergebnisse einer Umfrage bei den gröfseren Städten des
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bei der von d. Pestalozzigesellschaft u. d. Lehrerverein Zürich am
8. Jan. 1905 in d. St. Peterskirche in Zürich veranstalteten Pestalozzi-
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7. Deg. 1904 eu Berlin. Beriin, C. Heymann, 1905. 4<>. 49 S.
Vierieljahrsschrift für körperliche Erziehung. Organ des Vereines zur Pflege
des Jugendspiels in Wien, herausgeg. v. Prof. Dr. Lbo Bürqerstbix
und Bürgerschullehrer Dr. phil. Viktor Pimmer in Wien. I. Jahrg.,
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*WiCHMANN, Ralf, Dr. med. Geistige Leistungsfähigkeit und Nervosität
bei Lehrern und Lehrerinnen. Eine stat. Untersuchung. Halle a. S.,
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Wildbrmuth, Dr. med. Schule und Nervenkrankheiten. Vortrag, geh.
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und Hdmng. Die Heizung. Bd. IV. Mit 333 Abbildgn. im Text.
Beriin C, W. & S. Loewenthal. Gr. 8®. 475 S.
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Zeitschr. f. Gemeinnfltzigkeit, XLIV. Jahrg. 1905, 1. Heft.
§tv ^äfnlavit
m. Jahrgang. 1905. No. 3 u. 4.
(ftriginalab^itblitititeii.
Wie bertünmen wir die Konstitntion der Schttler?
Von
Dr. med. O. Koppe,
Sohalarzt in Pemau (Rafsland).
(Mit B TabeUen.)
Nachdem bisher bei den SohülernntersuchuDgen gewissermaÜBen
die negatiye Seite der körperlichen Eigenschaften der Schüler:
die Enrzsichtigkeit, die GehörstöraDgen, die Nasen- und Bachen-
erkranknngen, die Verkrümmungen der Wirbelsäule, die Zahnkrank-
leiten usw. Gegenstand statistischer Erhebungen war, taucht jetzt
das Bestreben auf, auch die positiye Seite, die Gesamtkonstitution,
in die schulärztliche Untersuchung einzuschliefsen. Bei den Wies-
badener Untersuchungen [diese Zeitschr., Jahrg. 1900, S, 620) finden
vir zum ersten Male die Schüler als „gut^, „mittel ** und „schiecht''
mbriziert. Auch in Rufsland enthalten die offiziellen Schemata ftlr
die alljährlichen schulärztlichen Untersuchungen die Rubrik „Kon-
stitation"; dasjenige des Rigaschen Lehrbezirks lautet: „GröÜBe,
Brustumfang, Gewicht, Konstitution, Gesicht, Gehör und Sprache,
Krankheiten."
Da im Schulleben Rufslands für die Bezeichnung der Fort-
schritte der Schüler nachstehender Zensus üblich ist: 5 = sehr gut,
4 = gut, 3 = genügend, 2 = ungenügend, 1 == schlecht, so liegt
nichts näher, als diesen Zensus auch auf die Bezeichung der Kon-
stitution der Schüler anzuwenden, und es unterliegt keinem Zweifel,
dais jeder Schularzt bei einiger Übung ohne weiteres imstande sein
wird, am entblöfsten Oberkörper die Konstitution jedes Schülers
nach diesen fünf Stufen zu bewerten mit einer Genauigkeit, welche
Der Sehalarxt. III. 5
48 220
für den praktischen Zweck dieser Untersnchnngen ausreicht. — Den-
noch schien es mir wünschenswert, noch genauere und möglichst ob-
jektive Daten fttr die Beurteilung der Konstitution zu gewinnen,
und ich konstruierte mir deshalb zu meinem Privatgebrauch noch
ein Schema, in welchem die Oesamtkonstitution gewissermalsen in
folgende Komponenten aufgelöst ist:
Gesichtsfarbe, Knochen, Muskeln, Fettpolster, Haut, Drfieen,
Lungen, Herz.
Diese Rubriken sind natürlich nicht gleichwertig ; vielmehr werden
wir auf Störungen von Herz und Lungen das gröiste Gewicht legen
müssen. Für die Bewertung der einzelnen Rubriken gilt folgendes
zur Richtschnur:
Gesichtsfarbe:
5 = rote, luftgebräunte Wangen;
4 = Wangen und Lippen rot;
3 = n » n rosig;
2 = „ „ „ farblos;
1 = „ „ „ blaüs, elend.
Knochen:
5 = sehr stark
4 = stark
3 = mittelmäßig
2 = ungenügend, etwas Hühnerbrust oder eingesunkenes
Brustbein, Verdickungen der Rippenknorpel;
1 = schwach. Rhachitis, Spondylitis, Garies.
Muskeln:
5 = sehr gut entwickelt
kenntlich besonders an den Schlüssel-
beinen und den Radii;
4 = gut „
3 = genügend „
2 =
»
1 = sehr schwach M
kenntlich an den grofsen Brust-
muskeln und den Bioeps.
Fettpolster: Hier tritt insofern eine Abweichung der Wert-
schätzung ein, als zu grofser Fettansatz (Adipositas) mit zu geringem
(Magerkeit) auf eine Stufe gesetzt werden; daher:
5 = entsprechendes Fettpolster: Rippen bedeckt;
4 = Rippen treten etwas hervor;
3 = etwas mager, etwas fett;
2 = zu fett, zu mager;
1 t=z sehr fett, sehr mager.
221 49
Hant:
5 = weüjs, weich, rein;
4 = rein;
3 = etwas Akne;
2 = etwas Ekzem, Pityriasis, Liehen usw.;
1 = ausgebreitetes Ekzem, Psoriasis usw.
Drüsen:
5 = gar keine Drüsen;
4 = etwas Hals- oder Aohseldrüsen;
3 = etwas Hals- und Achseldrüsen;
2 = grölsere Drüsenpakete am Halse oder in der Achselhöhle ;
1 = Lymphome, tuberkulöse Drüsenyereiterungen.
Lungen:
5 = breiter Thorax, ausgiebige Kapazität; guter Läufer;
4 = ausgiebige Kapazität;
3 =- schlanker Thorax, mittelmälsige Kapazität;
2 = ungenügende Kapazität; schwacher Läufer; überstandene
Bronchitis oder Pleuritis;
1 = Asthma, chronische Bronchitis oder Pleuritis.
Herz:
5 = Herzschlag wenig fühlbar, langsam; guter Turner und
Läufer ;
4 = Herzschlag weich, langsam; guter Turner;
3 = Herzschlag fühlbar, schneller; mäfsiger Turner;
2 = Herzschlag klopfend, kommt leicht aufser Atem;
1 = Herzfehler.
Die Summe aller Werte, dividiert durch die Summe der Ru-
briken (8), gibt die G^esamtkonstitution. Der Überschuls kann durch
einen Dezimalbruch, z. B. : 4,«S5, oder Einschaltung von Mittelwerten :
2—3, 3 — 4, 4 — 5 ausgedrückt werden. Ein Beispiel wird dieses
illustrieren:
Tabelle L
Die linke Seite der Tabelle (bis zum Doppelstrich) zeigt das
offirielle Schema, die rechte Seite zeigt, wie die Konstitution aus
den Komponenten berechnet ist. Wir sehen einen Schüler, der trotz
Beines Klumpfulses durch systematische Gymnastik (eifriger Turner)
Bebe Konstitution in die Höhe bringt (Lungenkapazität 14cml).
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61
Tabelle IL
Wir sehen hier eine phthisisohe Veranlagung mit Asthma nnd
schweren Lungenattaeken (Bluthusten, ohronisehe Pleuritis und
BroDohitis) sich allmählich ausgleichen.
In dieser Weise sind die Schüler des Pemansohen Gymnasiums
and seiner Vorbereitungsklassen (im ganzen ca. 1000 Schüler) im
Laufe der letzten zehn Jahre alljährlich Tom Verfasser untersucht
worden. Nachstehende Tabelle zeigt die Verhältnisse im zehnjährigen
Dorehschnitt
Tabelle IL
Schüler H. G. (Nr. 881 des Joarnals).
1
1
s
5
1
cm
em
in
mm.
1
'S
8
o
'S
o
•
1
Krankheiten
18d7
n
11
142
61/67
80
2—3
5
4
8
K, 0, r\, Asthma
1898
III
12
18
150
65/70
87
2-3
5
5
3
-©■, Bronchitis
1899
IV
153
64/71
94
2-3
5
5
3
Bronchitis
1900
V
14
157
67/73
105
2-3
5
5
3
Haemoptoe, Pleuritis
1901
V
16
162
69/75
113
2-3
5
5
4
—
1902
VI
16
169
71/79
120
3
5
5
4
—
1903
VII
17
175
74/84
129
3
5
5
4
—
1904
VIII
18
177
76/84
135
3-4
5
5
4
—
Erklärung der Zeichen:
K = Eeuchhusten.
0 = Masern.
O = LungenentEÜndung.
^ = Scharlach.
Tabelle HL
Im ganzen steigt die Konstitntion Ton 3,94 bis 4,47. Der
geringe Rüokscblag beim Eintritt in die Sohnle gleicht sich all^
mählich ans. Ein zweiter Rückschlag findet in den oberen Klassen
statt — eine ernste Mahnung, die physischen Übungen hier, wo
Bacohns und Venus die Entwicklung bedrohen, nicht zu vemaoh-
lisngen.
Der Sehiüant. Ul. 6
52
224
Tabelle IH.
Darchsohoittawerte der körperlichen Entwioklang der Sohfiler
für sehn Jahre.
KlMB«
Alier
In em
Brustumfang
in em
Gewieht
in ruis. %
Konstüation
A
8,8
181,6
60,9-66,6
74,6
3,94
B
10,8
140,7
63,2-70,8
86,3
3.58
I
11^
140,0
63,9-70,2
88,1
3,75
n
11,9
148,6
66,6-73,6
98,7
3.88
m
13,1
147,0
68,3-76,6
106,4
8,88
IV
14,7
167,4
76,6-85,2
142,1
4,17
V
15,3
164,3
74,4-82,7
140,1
4,17
VI
16,6
172,0
78,8-88,2
162,5
4,51
vn
17,6
172,0
78,9-88,1
167,7
4,28
vm
18,8
174,8
82,9-92,8
173,3
M7
tiitintxt Miitt\inn%tn.
Zur Schülarstfrage in 8tiitt|;art. Der Stattgarter 1. Stadtarzt,
Dr. Gastpab, hat im Auftrage des Gemeinderates ein Gutachten Aber die
Schnlarztfrage in Stattgart, in Verbindung mit den Resultaten einer Enquete,
erscheinen lassen, das allgemeines Interesse bietet und dem wir, einem
Bericht des ^Schwab. Merkur'^ entsprechend, folgendes entnehmen:
Über die häuslichen Verhältnisse der Kinder: 3,6 % der Kinder
schlafen nicht im Bett, sondern sonstwo, meist auf dem Sofa. Nicht ein-
mal die Hälfte der Kinder hat ein eigenes Bett, 5,9 % der Kinder schlafen
bei den Eltern im Bett, 40,6% schlafen mit Geschwistern gleichen Ge-
schlechts, 6^0 schlafen mit Geschwistern des anderen Geschlechts, 95 Kinder
== 0,8% schlafen bei fremden Personen gleichen G^chlechts, ein Drittel
aller Schulkinder schläft in überfüllten Räumen; im übrigen ist nur ein
Drittel der Schüler intakt; nach zwei Dritteln der Schüler mufs wegen
irgendeines Gebrechens gesehen werden. Von 100 Kindern haben wir
also nur 15,7, die allen Anforderungen in gesundheitlicher Beziehung ent-
sprechen, die anderen 84,3 Vo haben irgendeinen gesundheitlichen Schaden
oder Fehler au&uweisen. An oberster Stelle steht Rhachitis mit 44,2%,
225 53
an zweiter Stelle steht der mangelhafte Ernfthrongszustand mit 18,9%;
hier ergibt sich ein Unterschied der Geschlechter zugunsten der Knaben.
Ad dritter Stelle steht das Ungeziefer mit 18,9Vo. Die Mädchen über-
ragen mit 32,2% die Knaben, die nnr 1,2% aufweisen, um das 30fache»
was natürlich in der Haartracht seinen Grund hat. Bei den Kindern der
Armenpraxis ist sowohl bei den Knaben als auch bei den Mftdchen eine
Zunahme des Ungeziefers zu bemerken. An vierter Stelle kommen Augen-
leiden mit 15,1 Vo; dann kommen adenoide Wucherungen, Ohrenleiden,
Hantkrankheiten, Verkrümmungen des Rückgrats, Skrophnlose, Verdacht auf
Tuberkulose (2,0%).
Die Frage, ob in Stuttgart das Bedürfnis nach einer schul-
ärztlichen Beaufsichtigung der Schuljugend vorhanden ist,
bejaht der Verfasser. Er geht dabei von folgenden Gesichtspunkten aus:
Die seither durch den Stadtarzt geübte Aufsicht über den Gesundheitszustand
der Schüler mufste sich darauf beschränken, dafs diejenigen Kinder unter-
socht wurden, die vom Lehrer geschickt wurden. Das bis jetzt in Stutt-
gart geübte System — Vorführung beanstandeter Kinder — leidet unter
Fehlem^ die hauptsächlich dahin sich kumulieren, dafis man den Gesundheits-
znstaad viel zu optimistisch beurteilt. Die schulärztliche Überwachung der
Kinder in Stuttgart hat daher, so wie sie bisher geübt wird, nur einen
sehr beschränkten Wert. Wenn der Wunsch nach einer ärztlichen Über-
wachung der Schulkinder so pronondert ausgesprochen wird wie in den
letzten Jahren, so hat ein Gemeinwesen von der Gröfee Stuttgarts zum
mindesten die Pflicht, einmal nachzusehen, ob tatsächlich Zustände bestehen,
die eine solche Überwachung angezeigt erscheinen lassen. Die Feststellung
der Schäden unter der Stuttgarter Schu^ugend hat ergeben, dafs etwa nur
33% aller Schulkinder (nach Abrechnung der Fälle von nur mit Rhachitis
und Ungeziefer behafteten) vollständig intakt sind. In rund 67% wurden
Schäden der verschiedensten Art aufgedeckt, die zu einem grofsen Prozent-
satz den Kindern, Eltern und Lehrern unbekannt geblieben waren. Es
worden femer beobachtet Fälle von Krankheiten, akuter und chronischer
Natur, die durch den Schulbesuch einer fortgesetzten Verschlimmerung
ausgesetzt sind; es wurden Fälle beobachtet, in denen Kinder mit an-
steckenden Krtmkheiten ohne weiteres die Schule besuchten. Auch Krank-
heiten, für deren Entstehung die Schule verantwortlich gemacht werden
komte, lieisen sich nachweisen. Man sollte der Volksschule, in der die
Kinder täglich nur zirka sechs Stunden zubringen — die Ferien ganz aufser
seht gelassen — , weniger Schuld beimessen als ungünstigen häuslichen und
sozialen Verhältnissen. Ich kann mir — sagt Dr. G. — nicht recht vorstellen,
wie der Aufenthalt in unseren Schulpalästen zu gro&en Schädigungen fahren
sollte, während die häuslichen und sozialen Verhältnisse (dunkle, enge
Wohnungen — schwere frühzeitige Arbeit — ungünstige und mangelhafte
£mähmng — Mangel an Beaufsichtigung — Gassenaufenthalt) eine be-
deutende Reihe von Schädigungen während etwa 18 Stunden des Tages
auf die Kinder einwirken lassen. Wie gerade das Erwerbsleben schon
aber die Grenzen der Schule hereingreift, zeigt die Tatsache, dafs 2028
Kinder von den Klassen 3 bis 7 erwerbstätig sind; dazu kommen noch
etwa 4000 Kinder, die im Haushalt der Eltern gelegentlich beschäftigt
6»
54 226
werden. Hier dürfte der Ursprung der meisten Gebrechen zu suchen sein,
an welchen die Yolksschulkinder leiden. So wird auch eine erfolgreiche
Bekämpfung aller dieser bei den Volksschulkindern zutage tretenden Schädi-
gungen nicht in der Schule erfolgen können, sondern zu Hause, während
die Schule selbst wieder Gelegenheit gibt, die Kinder zu untersuchen und
zu kontrollieren. Auf diese Weise wird sowohl das Interesse der Schule
als auch das soziale Interesse gewahrt. Hieraus ergibt sich auch das Ver-
hältnis des Arztes zur Schule ganz von selbst. Nicht die Schule und von
dieser ausgehende Schädigungen sind in erster Linie zu überwachen, sondern
der Arzt macht von der Erlaubnis der Schulbehörde Gebrauch, um in der
Sdiule die Kinder kennen zu lernen, denen er dann anfserhalb der Schule
nachzugeben hat. Wenn er dann dieses Entgegenkommen damit vergilt,
dafe er sich auch bei Gelegenheit der Klassenbesetzung, der Frage der
Heizung und Ventilation, der Beleuchtung, Oberhaupt in allen schulhygieni-
schen Fragen als technischer Berater zur Verfügung stellt, so erfüllt er
damit nur die Pflicht der Dankbarkeit für das Entgegenkommen der Schul-
behörden. Es versteht sich wohl ganz von selbst, dafs der Schularzt auch
den technischen, schulhygienischen Fragen seine Aufmerksamkeit zu schenken
hat. Nur wird er dies mit mehr und mit gröfserem Erfolg tun können,
wenn er nicht die Schule von vornherein als das Karnickel ansieht.
Ein Hauptzweig der schulärztlichen Tätigkeit mufs das Bemühen sein,
mit den Eltern der Pflegebefohlenen in einen regen persönlichen Verkehr
zu treten. Dabei hat der Schularzt sich streng an seine Aufgabe zu halten,
nie darf er selbst therapeutische Mafsnahmen treffen; dies ist stets den
betreffenden Kassen-, Armen- und Hansärzten zu überlassen. Auch den
Rat zum Gebranch dieses oder jenes Mittels, dieser oder jener Kur hat
er stets dem Hausarzt zu überlassen, und in solchen Fällen, wo ein Arzt
überhaupt noch nicht zugezogen wurde, die Eltern zu diesem Schritt za
veranlassen. Es wird nun jedermann einsehen, dafs eine solche Täti^ceit
des Schularztes, die sich der Schule als Vermittlerin für die Lösung sozial-
hygienischer Aufgaben bedient, nur dann von Erfolg sein kann, wenn ihm
die Möglichkeit zu Gebot steht, die pekuniären Schwierigkeiten zu be-
seitigen. Erst wenn ihm dies gelingt, werden die vorgeschlagenen Mittel
anwendbar sein, erst dann kann seine Tätigkeit den Nutzen stiften, der
allein für die Einführung des Schularztes entscheidend sein kann. Stehen
ihm aber Geldmittel zur Verfügung, ans denen er solche bedürftige Kinder
unterstützen kann, für die eine Kasse sonst nicht aufkommt und deren
Eltern eine Armenunterstützung nicht nachsuchen wollen, dann glaube ich
fest daran, dafs es ihm auch gelingen wird, in einer grofsen Anzahl von
Fällen das Kind vor körperlichen Schäden zu bewahren.
So kommt der Verfasser zu folgenden Schlnfssätzen : 1. In Stuttgart
wird mit Wirkung vom I.April 1905 an ein Schularzt (ohne Privatpraxis)
angestellt mit dem Anfangsgehalt von ÖOOO Mark. 2. Das Verhältnis des
Stadtarztes und Schularztes wird in der Weise geregelt, dafs der Schularzt
in den Verband der Stadtarztstelle tritt. 3. Den bürgerlichen Kollegien
wird die dringende Bitte vorgetragen, sobald als möglich die Frage der
Gründung einer „Zentralstelle für Jugendfürsorge^ und einer „Schulkinder-
kranken- und Erholungskasse'' zu behandeln. 4. Ftlr das Jahr 1905 wird
227 55
eine Summe von 10000 Mark in den Etat der Scholpfiege einzastellen
sein, ans der kranken and erholangsbedfirftigen unbemittelten Yolksschfllem,
soweit sie nieht der Armen- oder Kassenffirsorge anheimfallen, Beiträge znr
Bestreitung von Arzt nnd Apotheke, sowie zur Aafnahme in Solbäder, in
Erholnngsheime, znr Abgabe besserer Kost gereicht werden können.
Im Anschluls an diese Mitteilung gibt die ^Leipziger Volksgeitung'^
loch genaueren Aufschlufs Aber den Plan der yon Dr. Gastpab angeregten
Krankenkasse fflr Schulkinder: Gegenwärtig stehen 72% der Kinder
in Kassenbehandlung dadurch, dafs ihre Eltern solchen Krankenkassen an-
gehören, die auch fOr die Familienangehörigen ärztliche Hilfe und Heil-
mittel gewähren. 4Vo der Kinder unterliegen der ArmenfOrsorge; dagegen
steht fQr 24 7o weder der Kassen- noch der Armenarzt zur Verfügung.
Diese befinden sich in einer besonders ttblen Lage, da die Armut der
Eltern in vielen Fällen ein Hindernis für Inanspruchnahme des Arztes ist.
Um diesem Übel abzuhelfen, wird vorgeschlagen, für alle Schulkinder eine
gemeinsame Kasseneinrichtnng zu schaffen. Diese wäre zu unterhalten aus
Beiträgen, die die Ortskrankenkasse, die Armenkasse, die Stadt und der
Staat leisten. Auberdem mfissen Beiträge für solche Kinder vorgesehen
werden, die gegen Krankheit versichert werden sollen.
Die Krankenversicherung für Kinder ist eine notwendige Ergänzung
mm Institut der Schulärzte. Es ist daher sehr dankenswert, dafs diese
Angelegenheit angeregt wurde. Ob der von Dr. Gastpab gemachte Vor*
schlag die beste Lösung der Frage bedeutet, möge dahingestellt bleiben.
Jedenfalls handelt es sich um ein Problem, das den praktischen Sozial-
politikem zu ernsthafter Prüfung empfohlen werden kann.
Me SeiiHlarztfrage in Stettin ist bekanntlich seit Jahren Gegenstand
eines Kompetenzkonfliktes zwischen Regierung und Gemeindeverwaltung.
Nach der j^Osisee^Zeitimg'* hat diese Angelegenheit nunmehr einen sehr
bedauerlichen Abschluis gefunden. Es verlautet darüber folgendes:
Der Magistrat von Stettin hat an die Stadtverordnetenversammlung
eine Vorlage gerichtet, mit dem Ersuchen, „Kenntnis davon zu nehmen,
dafe der Magistrat beschlossen hat, 1. von der Anstellung von Schulärzten
Abstand zu nehmen und 2. den gegenwärtigen Schulärzten zu kündigen*.
Zu der Vorlage bemerkt der Magistrat : „Durch den Erlafs des Ministers,
mitgeteilt von der königlichen Regierung unterm 1. Februar dieses Jahres,
gegen welchen ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben ist, sind die Rechte
der Selbstverwaltung auf diesem Gebiet nicht anerkannt, obwohl in anderen
Städten, z. B. in Kassel, Dortmund, Magdeburg und Kiel, die Dienst-
ordnungen für Schulärzte ohne Mitwirkung der Schulaufsichtsbehörde er-
kttsen sind. Der Magistrat wünscht die Zahl der Einrichtungen nicht zu
vennehren, welche zwar finanziell der Stadt zufielen, aber nach dem Er-
messen anderer Behörden zu verwalten wären.*
Die Schularztfrage in Stettin spielt schon ziemlich lange. Schon
bei der Beratung über die Obliegenheiten der Schulärzte herrschte
zwischen dem Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung eine Meinungs-
Tersehiedenheit darüber, ob den Schulärzten auch die gesundheit-
liehe Oberwachuig der Lehrer zu übertragen sei. Der Magistrat verlangte
dies, während die groise Mehrzahl der Stadtverordneten den Standpunkt
56 228
vertrat, im Interesse eines gedeihlichen Wirkens der Schulärzte sei von
einer gesundheitlichen Überwachung der Lehrer durch sie Abstand zu
nehmen. Der Schularzt bedürfe fflr seine T&tigkeit dringend der Unter-
stQtzung der Lehrer, und es sei zwischen beiden Teilen ein Vertrauens-
yerhältnis nötig; dies aber könnte durch die Forderung des Magistrats
leicht gefährdet werden. Der Magistrat beharrte bei seiner Meinung, und
die Stadtverordnetenversammlung gab schliefslich nach, um nicht das Ganze
zu gefährden ; jetzt griff die Regierung als Aufsichtsbehörde ein und stellte
sich auf denselben Standpunkt, den von vornherein die Mehrheit der Stadt-
verordnetenversammlung vertreten hatte. Der Magistrat nahm fär sich in
Anspruch, dafs er befugt sei, die Angelegenheit selbständig zu regeln, hat
dabei aber, wie sich aus obiger Begründung ergibt, nicht die Zustimmung
der Ministerialinstanz gefanden.
Eine schulärztliche Krisis hat der Vorort einer nicht näher be-
zeichneten ^grofsen Stadt Thflringens*^ durchgemacht. Wie Schularzt
Dr. AXMANN in der „Lisch, med, Wochenschr.** (1905, Nr. 5) mitteilt,
war dortselbst die Gesundheitskommission, welcher aach der zuständige
Kreisarzt beigewohnt hatte, zu der Überzeagung gelangt, dafs die vor-
handene schulärztliche Einrichtung sich nicht bewährt habe und darum
aufzuheben sei. In Zukunft sollten die Lehrer unter Verständigung der
Polizei sowie des Kommunalarztes die hygienische Überwachung der Kinder
allein besorgen. Der bisherige, bereits ein Jahr amtierende Schularzt
hatte seine Stelle niedergelegt aus berechtigtem Unwillen Aber die Mils-
erfolge bezüglich der Behandlung erkrankter Kinder infolge Gleichgültigkeit
der benachrichtigten Eltern. In der sich entspinnenden Debatte siegte aber
schliefslich doch der Fortschritt, so dais man weitere, bessere Besultate im
Laufe der Zeit abzuwarten beschloß und der Schularzt erhalten blieb.
Neue Schulärzte. In Köpenick, Reg.-Bez. Potsdam, hat die
Stadtverordnetenversammlung dem Magistrat einen Antrag auf Anstellung
eines Schularztes übermittelt. — In Radeberg bei Dresden beschlossen die
Stadtverordneten, für beide evangelische Schulen einen Schularzt anzustellen
und dieses Amt Herrn Sanitätsrat Dr. Dillner zu übertragen. — In
Hanau teilte Oberbürgermeister Dr. Gebeschus in der Stadtverordneten-
versammlung mit, es werde als Vergütung für ärztliche Überwachung der
Schulkinder seit dem vorigen Jahre die Summe von 300 Mark in den
Haushalt eingestellt, und allijährlich 300 Mark mehr, bis zum Höchstbetrage
von 2400 Mark. Die Kinder werden bei der Aufnahme untersucht und
bei Krankheitsbefnnd in Kontrollisten eingetragen. — In Heidelberg
sind für das laufende Jahr 1500 Mark für schulärztliche Zwecke vorgesorgt.
Die schwebenden Verhandlungen lassen erwarten, dafs im Laufe des Jahres
dem Bürgerausschnfs eine Vorlage über Regelung der Schukirztfrage gemacht
werden wird. — In Bismarkhütte (Schlesien) wurde die Anstellung eines
Schularztes vom I.April d. J. ab beschlossen. — In Spandau, wo bisher
die schulärztliche Funktion provisorisch freiwillig vom Kreisarzt ausgeübt
worden war, hat der Magistrat der Anstellang von Schulärzten an den
Gemeindescbulen zugestimmt, den Betrag aber von 3500 auf 3100 Mark
herabgesetzt, weil an höheren Schulen keine schulärztliche Aufsicht nötig 8ei(?),
da die betreffenden Eltern in der Lage seien, selber für den Arzt zu
229 57
sorgen. — In Bernbnrg ist ein Schularzt in der Person des Herrn
Medisinairat Dr. Esleben angestellt worden. — Im Königreich Sachsen
wurde nach erfolgter Anregung darch die Amtshauptmannschaft' von den
Landgemeinden Raschaa, Voigtsberg, MaxgrOn und Lanterbach
die Ansteüiuig eines Schularztes auf gemeinsame Kosten der vier Gemeinden
besdilossen.
Über die TStigkeit der SebuUrzte in Berlin entnehmen wir dem
,Berl. Taghl"^ folgende knrze Mitteilung: Seit Beginn des Winterhalb-
jahres sind 36 Schulärzte tätig. Je sieben bis acht Gemeindeschulen
bilden einen Schularztkreis und unterstehen einem Schularzte. Von den
im Herbst 1903 neu eingeschulten 17482 Kindern wurden 16539 durch
die Schulärzte auf ihre Schulfthigkeit untersucht und 1101 als ungeeignet
fBr den Schulbesuch zurtickgestellt. Die Zahl der Kinder, die zwar als
schulfähig, aber nicht als völlig gesund ermittelt wurden, betrug 12897.
In dieser Zahl befinden sich auch die Kinder, die die Schulen schon seit
längerer Zeit besuchten. Fflr den Nebenunterricht wurden 568 Kmder
in Vorschlag gebracht und untersucht, ?on denen 499 den Nebenklassen
überwiesen wurden; 290 Kinder wurden fttr die Aufnahme in Stotterer-
korse untersucht. Ein Besuch der Schulen durch die Schulärzte fand in
1231 Fällen statt.
Behandlnog der WirbelsialeTerkrfimmnngen bei Schulkindern.
Die Schularzt -Konferenz in Mainz hat beschlossen, bei der Stadt-
verwaltung dahin vorstellig zu werden, dafs die Mittel bereit gestellt
Verden, um Verkrtlmmungen bei den Schulkindern durch orthopädi-
scbe Behandlung im therapeutischen Institute möglichst zur Heilung zu
Zur Sehvlarztfrage veröffentlicht Dr. A. Schott in der ,,Münch.
med. Wochen$chr.*^ (1904, Nr. 44) einen Aufsatz, in welchem er verlangt,
dals der Schularzt sich nicht nur mit der allgemeinen Schulhygiene be-
scliäftige, sondern hauptsächlich auch das Nerven- und Geistesleben
seiner Schüler überwache und bei etwaigen Störungen ratend und helfend
eingreife. Der Schularzt mufs Eltern und Lehrer auf das Vorhandensein
nervöser, moralischer und psychischer Veränderungen, Defekte und Er-
krankungen aufmerksam machen und über deren Bedeutung und Folgen
ufklfiren und zweckwidrige, ungünstig wirkende pädagogische MaCsnahmen
verhflten; er hat die Pflicht, körperliche und geistige Überanstrengung
jedes einzelnen Schülers hintanzuhalten und bei geistig zurückgebliebenen
Kindern auf Reduktion der Anforderungen seitens der Eltern und Lehrer
zn dringen; er mufs daher an dem Unterrichte der geistig schwachen und
der körperlich minderwertigen Schüler teilnehmen; vor sein Forum ge-
hören die Disziplinierungen moralisch defekter Kinder und die Beurteilung
sexueller Verfehlungen, die meist Folge krankhafter Veranlagung, nicht so
&st der Bestrafung als der Behandlung bedürfen; ihm obliegt es endlich,
den Schülern der höheren Klassen Vorträge über Anatomie und Physiologie
des Menschen zu halten, sie über die sexuellen Verhältnisse aufzuklären
ond vor Alkohol, Nikotin und Geschlechtskrankheiten zu warnen. Soll
<to die Tätigkeit des Schularztes eine wirklich erspriefsliche sein, dann
»als er in den Stand gesetzt werden, sich ihr ausschliefslich zu widmen;
58 880
Qod das ist nur möglich, wenn er darch einen auskömmlichen festen Ge-
balt finanziell nnabh&ngig gestellt ist. Dann allerdings wird er nicht nnr
segensreich für Scbnle and Schüler wirken können, seine Tätigkeit hfttte
auch rein wissenschaftlich grofsen Wert; denn Anthropologie, Psychologie,
Nenropathologie, Psychiatrie and Krimiaalpsychologie, sowie das ganze
grolse Gebiet der inneren Medizin können von systematischen Untersnchmigen
und Beobachtungen der SchuUugend wertvolle Aufschlüsse erwarten.
Dr. GÖTZ-Mflnchen.
Zur Schnlarztfrage in Hamburg stellte Karl JafvA in der Ver-
einigung für Scbulgesundheitspflege zu Hamburg am 29. August 1904
folgende Leits&tze auf:
1. Die Einführung von Schulärzten erscheint, nachdem eine groisa
Reihe von Städten mit gutem Erfolge darin vorangegangen ist, im Interesse
der heranwachsenden Jugend auch in Hamburg geboten.
2. Es genügt zunächst die Anstellung von etwa 60 Schulärzten ffXt
die hiesigen Volks- und die Hilfsschulen für Schwachbegabte. Einem Scbui-
arzte dürfen höchstens zwei Schulen überwiesen werden.
3. Die Anstellung der Schulärzte geschieht nach öffentlicher Aus*
Schreibung durch die Oberschulbehörde auf Vorschlag des Medizinalkollegiums
(bezw. der Ärztekammer) aus der Zahl der Bewerber.
4. Die Dienstordnung für die Schulkommission erläfst die Oberschul-
behörde im Einvernehmen mit dem Medizinalkollegium.
5. Sämtliche Schulärzte bilden zusammen eine Vereinigung, die dieaat-
lieh der Oberschulbehörde untersteht. Als Vorsitzender oder Vertreter
wirkt ein von der letzteren erwählter Stadtarzt, der jedoch keine diszipli-
narischen Befugnisse über die Schulärzte ausübt. (Nach y,Münc!h. med.
Wochenschr.", 1904, Nr. 47.) Dr. GÖTZ-Mttnchen.
Scbvl&rste für Wien, Das „N. Wim. Tagebl^ berichtet: Bekannt-
lich wurde die Anstellung eigener Schulärzte für die Wiener städtischen
Schulen von der Kommune bisher perhorresziert. Dagegen hat der
Magistrat eine Ausdehnung der Amtswirksamkeit der Bezirksärzte auf die
Wiener Schulen befürwortet Die Bezirksärzte, deren Zahl natüriich ver-
mehrt werden müfste, sollten obligatorisch zur Untersuchung und gelegent-
lichen ärztlichen Hilfeleistung in den Schulen herangezogen werden. Dem-
nächst wird der Stadtrat über diese Reform zu entscheiden haben.
Schularzt in Helsingfors. Hier ist seit Beginn 1905 ein Schul-
arzt angestellt, und zwar in der Person des Dozenten der Physiologie,
Dr. Max Okbb-Blom. Alle Volksschüler, 8000 bis 9000, sind zunächst
diesem einen Schularzt zugewiesen; hoffentlich ist dies nur als Übergangs-
stadium zu betrachten. L. Bu&asBBTBiK-Wien.
Sehal&rste in Elmsbom. Hier sind seit Jahren drei Schulärzte
angestellt mit einem Gesamtgehalte von 600 Mark, wozu noch für Be-
handlung unbemittelter kranker Kinder 600 Mark kommen. Das Stadt-
verordnetenkollegium nahm einen Antrag an, die Summe für die Schulärzte
zu verdoppeln, der Magistrat lehnte jedoch, trotz Befürwortung durck den
Bürgermeister, die Erhöhung ab. Es bleibt also beim alten.
BerichtiglUlg. In Ergänzung und Berichtigung der Mitteilung Obor
die Schulärzte Darmstadts (8diular0t, 1905, Nr. 1, S. 16) taut uns der
281 69
Alteste Schalarzt in Darmstadt, Dr. Buohhold, freondlichst mit, dads
Bcbon seit 1. April 1898 in Darmstadt Scholärzte angestellt sind, und
zwar bis I.April 1903 deren vier, seit dieser Zeit fflnf an zehn Schul«
groppen mit dnrchschnittlich 800 Kindern. Die Namen dieser fflnf Schul-
ärzte sind: Dr. Buchhold (erster Schularzt), Dr. Göbino, Dr. Guten-
BS&a, Dr. Langsdobf und Dr. Leybhxckeb. Die Dienstordnung lehnt
sieh im allgemeinen an diejenige der Stadt Wiesbaden an, wonach samt-
liehe Kinder einer körperlichen Untersuchung unterzogt werden und fftr
jedes einzelne ein Überwachungsbogen angelegt wird (vgl. auch BckuHargt^
1903, S. 174 [676]).
iCttttattft^e Befyret^niiiieii.
Dr. Thbodob Ajütschul, k. k. Sanitfttsrat, Prag. Die Schiilarztfrage
IB Österreich. {Prag. med. Wochemchr., 1905, Nr. 4--5.)
Der Arbeit A's. li^t ein im Zentralverein deutscher Ärzte in Böhmen
gehaltener Vortrag zugrunde. Verfasser klagt, da(s in Österreich jeder, der
die Einführung von Schulärzten fordert, als Neuerer, ja als Stflrmer und
Dr&nger angesehen wird, der sein Land in hygienische Abenteuer stürzen
will. Man begegnet in Österreich heute noch denselben Widerständen,
wie sie vor etwa 15 Jahren in Deutschland bestanden, wo sie gegenwärtig
vollständig niedergeruDgen sind, nachdem eine langjährige Erfahrung die
leichte Durchführbarkeit und den greisen Nutzen der schulärztlichen Auf-
sicht unwiderleglich dargetan hat.
Allerdings stehen in Deutschland fast ausschlielslich Volksschulen unter
schulärztlicher Überwachung, in Ungarn und Ruisland nur Mittelschulen,
während für alle Schulkategorien hygienische Aufsicht gefordert werden mufs.
Die Angaben über die Zahl der zurzeit in Österreich angestellten
Sehulärzte schwanken sehr, und dies erklärt sich daraus, dafs der Begriff
„Schularzt^ bald im engeren bald im weiteren Sinne gefalst wird. Nicht
nur die eigens angestellten Schulärzte mit bestimmter Instruktion und mit
Verpflichtung regelmäfsiger Untersuchung der Schüler werden hierher ge-
rechnet, sondern auch jene städtischen oder staatlichen Amtsärzte, die
gelegentlich Schulinspektionen vornehmen. So kommt es, dab bei der
Volksschulkonskription im Jahre 1900 in Österreich 56 Schulärzte gezählt
wurd^, während Professor Schatteneboh im Jahre 1902 nur 21 anzu-
fahren weüs.
Von einer schulärztlichen Organisation kann somit in Österreich
noch nicht gesprochen werden. Nur Brunn hat einen wohlorganisierten,
allen Anforderungen entsprechenden schulärztlichen Dienst, unter der muster-
haften Leitung des Stadtphysikus Dr. Igl.
Verfasser begrülst daher die von Dr. Wolfaam in der „Brag. med.
Woekemchr.*' ^ 1904, Nr. 36, zur Diskussion gestellten Thesen zugunsten
60 232
allgemeiner EinfÜhniDg von Schulärzten. Die Schwierigkeit, dafe die
Volksschulen dem Wirkungskreise der Gemeinde unterstellt sind, währ^d
die Mittelschulen fast alle staatlich sind, teilt Österreich mit Deutschland.
Verfasser stellt die beachtenswerte Forderung auf, dafs weder staaüiche
Amtsärzte, noch Stadtärzte (ausgenommen in kleinen Gemeinden) als Schul-
ärzte angestellt werden, damit diese einen gewissen Grad von Unabhängig-
keit erhalten, allerdings unter OberaufBicht der Gemeinde- und Amtsärzte.
Obwohl in dem einseitigen Vorgehen der grOlseren Städte mit AnsteUung
Yon Schulärzten eine endgaltige Lösung der Frage nicht erblickt werden
kann, weil die Mittelschulen und die Landgemeinden fehlen, so wünsdit
Verfasser doch fUrs erste, die gröfseren Städte, insbesondere in Deutsch-
böhmen, mögen nach dem Muster Deutschlands vorgehen und dem Staate
ein gutes Beispiel geben, bis sich dieser entschliefst, die ärztliche Schul-
aufsicht obligatorisch zu machen. Die einzelnen Gemeinden müssen dabei
den örtlichen Verhältnissen Rechnung tragen, und können nicht alle einer
einheitlichen Dienstordnung folgen. In den wichtigsten Stocken, deren
Verfasser zehn aufzählt, soll indessen unbedingt Einigkeit herrschen; es
sind dies Minimalforderungen, die in keiner Instruktion fOr Schulärzte
fehlen dürfen. Sie beziehen sich der Hauptsache nach auf mindestens
zweimal im Jahre stattfindende Besichtigung der Schullokale, auf Unter-
suchung aller Schulrekruten, Anlegung von Gesundheitsscbeinen, dauernde
Überwachung krank befundener Kinder, Verteilung auf die Plätze nach
Gröfee, Seh- und Hör&higkeit, alljährliche Untersuchung aller älteren
Schüler, Einschreiten bei Infektionskrankheit, monatliche Abhaltung einer
Sprechstunde im Schulhause, Teilnahme an den amtlichen Scbulrevisionen
und Aufstellung einer Morbiditätsstatistik. Dr. ScHUBEBT-Nümberg.
Ileferate übtx nvx erfd)iettette fdiular^tlidit 3a^reBber!dite.
Wir bitten, neu erschienene, Bchulärztliche Jahresberichte direkt an
unseren Bearbeiter derselben, Herrn Stadtarzt Dr. Obbbbckb, Breslau, Nikolai-
stadtgraben, übersenden zu wollen. D. Bed.
Jahresbericht Aber die schvl&rztliche T&tigkeit an den Hilfs-
klassen der städtisehen Volksaehnle in Worms (Schuljahr 1903/04),
yon Dr. Bayebthal, Nervenarzt in Worms. In den beiden Hilfsklassen
wurden im Berichtsjahre 51 Kinder gemeinsam unterrichtet. Die schwach-
sinnigen Knaben waren in der Mehrzahl gegenüber den Mädchen. Die
definitive Aufnahme in die Hilfsklasse war abhängig von dem Ergebnis einer
Prüfung, die von dem Schulinspektor, dem Lehrer der Hilfsklassen und
dem Schularzt angestellt wurde. Auüser recht häufiger erblicher Belastung
lieiBen sich bei den meisten Kindern eine Reihe für die geistige Entwicklung
schädigende Momente auf nervösem und körperlichem Gebiete nachweisen.
Im Durchschnitt wöchentlich ein- bis zweimal erfolgende Besuche des
233 61
Sehnlarztes dieDten znr Kontrolle, inwieweit der aUjährlich bei den Ärzt-
lichen Anfhabmenntersnchnngen gegebenen Ratscblftge Folge geleistet worden
war. Aach von Seiten der Eltern wnrde ein erfreuliches Interesse dafür
an den Tag gelegt. Die angenftrztliche Behandlung unbemittelter Kinder
ist durch die stadtische Armenverwaltung ermöglicht worden. Die dringende
Notwendigkeit einer zahnärztlichen Behandlung wird vom Verfasser noch
besonders betont. An einzelnen Beispielen wird gezeigt, in welcher Weise
die Hilfsschule imstande war, die Schüler auch sittlich zu beeinflussen und
zu heben. Bei den am Ende des Schu^ahres zur Entlassung gelangenden
Zöglingen wurde von dem Schularzt in gemeinsamer Beratung mit dem
Lehrer die Frage erörtert, welcher Beruf im Hinblick auf die
körperlichen und geistigen Eigenschaften für das einzelne
Kind am zuträglichsten erscheine, und den Eltern entsprechender
Rat erteilt. Der inhaltsreiche und interessante Bericht läfst erkennen, in
welch vorzüglicher Weise in einer verhältnismäisig kleinen Stadt wie Worms
das Hilfeschulweaen geregelt ist. Dr. Y. RAD-Nürnberg.
Dien^riitttitgett fnr S^nlitjtt.
Dienstanweisung
fBr die Schnl&rzte der Stadt KSnigsberg i. Pr.
§ 1. Die Schulärzte haben den Gesundheitsznstand der Schüler der
ihnen überwiesenen Schulen, sowie die Schubräumlichkeiten dauernd zu
flberwachen, sie sollen femer den Leitern und Lehrern der Schulen in
schnlhygienischen Fragen die nötige Auskunft erteilen.
Sie sind daher verpflichtet, alle in diese Aufgaben fallenden Aufträge
des Magistrats gewissenhaft auszuführen. Insbesondere wird den Schnl-
Irzten folgendes obliegen.
§ 2. Neueintretende Schüler sind von dem Schularzte möglichst bald
nach ihrem Eintritt genau auf ihren Gesundheitszustand zu untersuchen,
wobei festzustellen ist, ob das Kind einer besonderen Berücksichtigung
beim Unterricht bedarf (z. B. Ausschliefsung oder Beschränkung in einzelnen
Fichem, Turnen, Singen, oder Anweisung besonderer Sitzplätze bei Kurz-
skhtigkeit, Schwerhörigkeit). Über jedes Kind wird ein Gesundheitsbogen
ansgefftllt, welcher das Kind von Klasse zu Klasse bis zur vollendeten
Sdiulzeit begleitet und bei etwaigem Schnlwechsel ebenfalls mitgegeben
wird. Kinder, welche einer besonderen ärztlichen Beobachtung bedürfen,
eriialten einen diesbezüglichen Vermerk auf den Gesundheitsbogen.
Die halbjährigen Körperwägungen und -Messungen sind vom Klassen-
lehrer und nicht vom Schularzt auszuführen. Der Brustumfang wird dagegen
vom Arzte gemessen, aber nur, wenn Verdacht auf chronische Lungen-
erkrankung vorliegt.
62 234
§ 3. In jeder Schale ivird alle 14 Tage von dem Schalante eine
Sprectastonde abgehalten, deren Zeit vorher mit dem Leiter der Schule
verabredet ist and in die Schalstanden fallen mab. In der Regel soll die
^rechstonde nicht ttber zwei Stunden aasgedehnt werden. Ist der Schal-
arzt ansnahmsweise verhindert» die Sprechstande abzuhalten, so hat er dem
Leiter der Schale davon möglichst frühzeitig Kenntnis za geben und
sa^eich einen anderen Tag, etwa acht Tage später, fttr die Sprechatande
vorzaschlagen.
Im ersten Teile der Sprechstande werden stets zwei bis vier Klassen
einem etwa 10 bis 15 Minaten daaemden Besache des Schalarztes oiiter-
zogen, wobei dieser die sämtlichen Kinder der Klasse äalserlich untersacht
and die etwa einer genaneren Untersachnng bedflrftigen Kinder zorflck-
gestellt. Die Gesnndheitsbogen mit dem Vermerk „Ärztliche Beobachtung*
sind dem Arzte hierbei jedesmal besonders vorzulegen.
Anfeerdem wird der Schalarzt selbstverständlich bei diesen Besachen
anch sein Aagenmerk aaf die Heiznng, Ventilation, Beleachtang ujMi
sonstigen hygienischen Einrichtungen der Klasse zu richten haben. Etwa
entdeckte Mängel sind, soweit sie von der Schule selbst beseitigt werden
können, sofort zur Sprache zu bringen, jedoch nicht in Gegenwart der
Schulkinder. Soweit sie nicht von der Schale selbst beseitigt werden
können, ist dem Magistrat Anzeige zu machen.
Jede Klasse soll möglichst zweimal im Schulhalbjahr in dieser Weise
vom Schularzt besichtigt werden.
Den zweiten Teil der Sprechstunde bildet die genauere untersachnng
der zurückgestellten, sowie der dem Schularzt von den Lehrern aas be-
sonderer Veranlassung (Krankheitsverdacbt) zugefohrten Kinder anderer
Klassen. Zu diesem Zweck wird dem Schularzt ein geeigneter leerstehender
Raum (Klasse, Konferenzzimmer) zur Verfügung zu stellen sein.
Der Gesundheitsbogen ist von dem Klassenlehrer, der, wenn möglich,
bei der Untersuchung zugegen sein mufs, zur Stelle zu bringen.
Kinder, welche sich als krank oder behandlungsbedürftig erweisen,
werden mit einer diesbezüglichen schriftlichen Meldung — Probe bei-
liegend — versehen den Eltern nach Hause geschickt.
Eine Behandlung der Kinder hat nicht durch den Schularzt z«
erfdgen. (Ausnahme Trachom.)
§ 4. Erscheinen dem Schulleiter Kinder seiner Schule einer an-
steckenden Krankheit verdächtig, so kann dieser die Kinder dem Schulärzte
jederzeit in seine Sprechstunde senden oder in dringlichen Fällen denselben
ersuchen, auch aufserhalb der im § 3 festgesetzten Zeit eine Sprechstoade
in der Schale abzuhalten.
§ 5. Zweimal im Jahre sind von dem Schularzte die gesamten
Räume der Schule auf ihre gesundheitliche Beschaffenheit uoter Zuzidiong
des Schulleiters, sowie des zuständigen städtischen Baubeamten genauer zu
untersuchen. Etwa sich zeigende Mängel und daran sich anschlieCseBde
Vorschläge zur Abstellung derselben sind von dem Schularzt dem Magistrat
mitzuteilen.
§ 6. Um ein möglichst einheitliches Vorgehen der Schulärzte herbei-
zuführen, haben sich diese monatlich einmal zu einer gemeinsamen Be-
286 68
sprechnng zasammenzufinden. Der Magistrat deputiert dazu Mitglieder,
eines derselben führt den Vorsitz.
§ 7. Im Winter haben die Scbnlftrzte den Lehrern Vorträge aber
die wichtigsteD Fragen der Schnlliygiene zn halten.
§ 8. Zum Ende des Etatsjahres sind von den einzelnen Schulärzten
dem Magistrat Berichte Aber ihre Tätigkeit als Schularzt einzureichen, fOr
iraldie besondere Formulare zur Verfügung gestellt werden.
§ 9. Muüs ein Schularzt auüserhalb der Schulferienzeit die Stadt auf
langer als acht Tage yerlassen, oder ist er Ober diese Zeit hinaus durch
Kiankii^ verhindert, so hat er auf seine Kosten für seine Vertretung zu
sorgen und hat den Magistrat hiervon in Kenntnis zu setzen.
§ 10. Für ihre Mühewaltung erhalten die Schulärzte eine Vergütung,
welche vierteljährlich postnumerando denselben ausgezahlt wird.
§ 11. Die Annahme der Schulärzte erfolgt auf unbestimmte Zeit
Bit dem jedem Teile jederzeit zustehenden Recht einer yierteUährlichen
Kändigung.
§ 12. Der Magistrat behält sich vor, diese Dienstordnung abzuändern
oder zu erweitem.
Königsberg, den 30. März 1898.
Magistrat. Hoffmamk.
Dienstanweisnog für die Scbul&rcte in Frankftirt a. 0.
1. Dem Schularzte liegt ob:
, a) die Stadtgemeinde bei der ihr als dem schulnnterhaltungspflichtigen
Subjekte obliegenden Herstellung und Instandhaltung der äufiseren
Schnleinriditnngen ärztlich zu beraten, insbesondere alle ihm von
der Schuldeputation zugehenden Vorlagen, betreffend Ankauf von
Bauplätzen für Schulen, Errichtung neuer oder Erweiterung be-
stehender Schulgebände und deren Zubehör, als: Turnhalle, Abort usw.,
Konstruktion von Sdiulbänken, Wandtafeln u. dgl., Beschaffenheit
der Fenstervorhänge, Anstrich des Fufsbodens und der Wände
u. dgl. mehr vom Standpunkte der Schulgesnndheitspflege aus zu
begatachen;
b) sich an den regelmäfeigen jährlichen Besichtigungen der Schulgebäude
durch die städtischen Deputationen zu beteiligen;
c) zu beobachten, ob die vom Magistrate im Interesse der Gesundheit
der Schulkinder erlassenen Vorschriften über den Gebrauch und die
Erhaltung der äufseren Schuleinrichtungen befolgt werden, ins-
sondere diejenigen über Heizung, Lüftung und Reinigung der Sdiul-
räome und die Desinfektion der Aborte, auch etwa erfordeiliche
Abänderungsvorschriften vorzuschlagen und neu zu erlassende Vor»
sdiriften zu begutachten.
Zur Erfüllung der in Abs. 1 bestimmten Verpflichtung hob der
Sebnlarzt die ihm zugewiesenen Schulen während der Unterrichtezeit,
so oft es nach seinem Ermessen erforderlich ist, mindestensi aber
im Sommerhalbjahre sechsmal, im Winterhalbjahre neunmal zU' be-
64 236
Sachen, hierbei sein Augenmerk auch darauf zu richten, ob etwaige
andere hygienische Mängel sich zeigen — z. B. anzweckm&£Bige
Stellong von Schulbänken, strahlende Ofenwärme, schädliche Gestalt
oder Beschaffenheit der Vorhänge usw. — und Vorschläge wegen
Abstellung der Mängel und wegen Verbesserungen zu machen;
d) die in die unterste Klasse neu eintretenden Schulkinder bei der
Aufnahme auf die Schalfähigkeit und etwaige körperliche Mängel
hin zu untersuchen, besonders darauf zu achten, ob das Seh- und
Hörvermögen normal ist und ob Wucherungen in den Nasenhöhlen
vorhanden sind, auch die entsprechende Rubrik im Gesundheitsschein
auszufüllen.
Er hat
e) die durch den Lehrer ausgemusterten Kinder der älteren Jahrgänge
mit nicht normalem Seh-, Sprech- oder Hörvermögen und solche,
welche ansteckender oder ekelerregender Krankheiten verdächtig
sind, genau zu untersuchen, den Befund zu verzeichnen und an-
zugeben, ob eine ärztliche Behandlung, insbesondere auch dorch
einen Spezialarzt, erforderlich ist. Sofern die Störungen oder ün-
regelmäisigkeiten durch einfache, durch die Eltern selbst anwend-
bare Mittel gehoben und ausgeglichen werden können, z. B. Ent-
fernung von Ohrenschmalz, ist dies im Befund zu vermerken,
desgleichen ob das Tragen einer Brille, eventuell welcher Art und
Nummer, nötig ist.
f) Er hat femer auch diejenigen Kinder zu untersuchen und danemd
zu kontrollieren, bei welchen nach seiner Beobachtung oder der des
Lehrers der Verdacht der beginnenden Wirbelsäalenverkrflmmang
besteht, sowie diejenigen, welche zur Teilnahme an dem Unterricht
für Stotterer oder fflr den Unterricht in den noch einzurichtenden
sogenannten Hilfsklassen vorgeschlagen werden.
Dem Schularzte liegt weiter ob:
g) während des Auftretens von ansteckenden Krankheiten gefilhrlicheren
Charakters auf Ersuchen des Schulvorstehers die ihm bezeichneten,
der Ansteckung verdächtigen Kinder zu untersuchen und die zur
Abwehr des Umsichgreifens der Krankheit erforderlichen Mafsregeln
vorzuschlagen ;
h) auf Ersuchen der Schudeputation ärztliche Gutachen Aber sonstige
Fragen des Schulbetriebes abzugeben.
2. Jedem Schularzte werden mehrere Schulen zugewiesen, bei denen er die
in Ziffer 1 aufgeführten Geschäfte zu erledigen hat. Handelt es sich
um Fragen, welche sich auf noch nicht eingerichtete Schulsysteme be-
ziehen, z. B. Begutachtung yon Bauplätzen, Bauprojekten u. dgl., so steht
• die Auswahl des zuzuziehenden Schularztes der Schuldeputation frei.
3. Dem Schularzte steht eine Aufsicht Ober die Lehrer und den Schol-
betrieb nicht zu, er soll die Schuldeputation und die Lehrer bei Aus-
übung ihrer Befugnisse lediglich unter stutzen, er darf deshalb weder
den Lehrern noch dem Schuldiener direkte Anweisungen erteilen oder
das von ihm fOr erforderlich Erachtete selbst ausfähren. Handelt es
sich um Malsregeln, welche sofort getroffen werden mttssen — z. B.
237 65
Entferniing kranker Kinder — oder die ohne besondere Kosten and
Umstände vom Schalvorsteher, den Lehrern oder dem Schaldiener aas-
gefabrt werden können, so hat er dem Scholvorsteher die nötigen
Eröffiiangen za machen. In anderen Fällen hat er der Schaldepatation
Anzeige za erstatten, desgleichen auch dann, wenn er bei dem nächsten
Besach finden sollte, daTs der Schalvorsteher es anterlassen hat, die
vorerwähnten Maisnahmen wirklich aoszafQhren.
4. Der Schalarzt hat halbjährlich nach dem Schiasse des Semesters dem
Magistrate einen Generalbericht za erstatten. Die Benntzang von Forma-
laren für diese and andere Berichte kann gestattet werden, sofern die
Formalare von der Schaldepatation genehmigt werden.
6. Der Schalarzt hat aaf besondeie Einladnng an den Sitznngen der Schal-
depatation mit beratender Stimme teilznnehmen and aaf Ersachen in
den Angelegenheiten seines schalärztlichen Wirkangskreises zu referieren.
Aach wird von ihm erwartet, dals er sich bereit finden läfst, in Yer-
sammlangen der Lehrer Vorträge Aber Schalgesandheitspflege za halten.
6. Die Schalärzte haben, soweit sie zagezogen werden, die erste Hilfe in
Unglücksfällen in der Schale zu leisten.
7. Der Schalarzt hat nicht die Eigenschaft eines städtischen Beamten im
Sinne der Städteordnong and keinen Ansprach aaf Pension oder Hinter-
bliebenenfOrsorge. Seine Annähme dnrch den Magistrat erfolgt gegen
dreimonatige, beiden Teilen zustehende Kündigung.
8. Das Annahmeschreiben gilt als Vollmacht bezw. Auftrag zum Betreten
der städtischen Schulgmndstücke einschlielslich der dem Schulbetriebe
gewidmeten Räumlichkeiten, doch hat er, so oft ihn sein Dienst in eine
Schule führt, zunächst den Schulvorsteher bezw. Stellvertreter, falls diese
anwesend sind, aufzusuchen.
9. Die Abänderung und Ergänzung dieser Anweisung bleibt vorbehalten.
Frankfurt a. 0., den 29. April 1901.
Der Magistrat.
Adolph Fbaktz.
Sehulärztliche Verwaltungs- und Jahresberichte.
Diejenigen Herren Schulärzte bezw. Obmänner i^ulärztHeher KoUegien
des In- und Auslandes, deren Verwaltungsbehörde einen regelmässigen
gedruckten schulärztUehen Verwaltungsbericht oder Jahresbericht heraus^
gibt, werden ergebenst gebeten^ ihre Adressen dem Unterzeichneten mit'
zuteilen.
Der Unterzeichnete wird diese Adressen in einer laufendfortgefiihrten
Idste vereinigen und in der Zeitschrift für Sekulgesundheitspflege periodis^
zur VeröfferUliehung bringen. Es kann dann nach dieser Liste der Aus-
tausch von Berichten zwischen den einzelnen Herausgebern regebnässig
erfolgen. Bei der Wichtigkeit, welche ein solcher gegenseitiger und regel-
mässiger Austausch für die einheitUehe Entwicklung des schulärzttiehen
Dienstes hat, dürfte eine recht rege Talnahme sehr erwünscht sem.
Dr. OEBBECKE,
Stadtarxt,
BRESLAU, Bureau: Nikolaistadtgraben 25.
Iritfilrif) fax 3iß\if^mV^\ii4t^t
XVin. Jahrgang- 1905. No. 5.
(bxi%xnaUb}ianUunitn.
^pie praktiflchcoi Sehwierigkeiten bei der Beftriedignng
der hygienitehen Forderungen an die Snbsellien.
(Resultate einer üntersnohung in Schalen nut „NormaLBubsellien^.)
Von
Dr. Gb. Rostowzbff,
Sanitätsarzt der Goavemementslandschaft in Hotkao«
Die Frage der BeschafPang hygienisch konstruierter Schulbänke
bildet gewils auch heute noch einen der wichtigsten Abschnitte der
Schulgesundheitspflege. Es ist dies durchaus verständlich schon des-
halb^ weil diese Frage bis jetzt noch keine endgültige Lösung ge-
fanden hat. In wissenschaftlicher Beziehung — theoretisch — kann
zwar die Subsellienfrage mehr oder weniger als erledigt gelten, denn
tatsächlich sind die Normen, denen die Schulbänke Genüge leisten
sollen, schon längst festgelegt. Anders aber yerhält es sich mit
Bezug auf die praktische Durchführung der wissenschaftlichen Forde-
rungen. Man kann wohl mit Becht sagen, dafe hier die Subsellien-
frage noch weit entfernt ist von ihrer befriedigenden Lösung, ob-
gleich in letzter Zeit diejenigen Schulen, in denen mehr oder weniger
eine schulhygienische Beaufsichtigung stattfindet, fast' durchwegs mit
sogenannten rationellen Schulbänken dieser oder jener Konstruktion
versorgt worden sind.
Diese Behauptung wird durch die Untersuchung bestätigt, welche
ich in 41 Volksschulen mit dreijährigem Kursus im Kreise Dmitroff
(Grouvernement Moskau) vorgenommen habe, die alle mit nach den
Angaben von Prof. Ebismakn konstruierten Schulbänken versehen sind.
Die Untersuchung wurde ohne vorherige Benachrichtigung des
Lebrpersonals vorgenommen; doch hatte das letztere in dem dem
betreffenden Schuljahre vorausgegangenen Sommer während des Be-
Sebolgetandheitspflege. XVIII. 18
240
suohes eines pädagogischen Fortbildungsknrses auch Vorlesungen über
Schulgesundheitspflege angehört und war infolgedessen mehr oder
weniger eingehend mit den Anforderungen der Hygiene an die
Schulbänke vertraut.
Das ganze in 41 Schulen gesammelte Material ist f£Lr jede
Schule einzeln bearbeitet worden. Im yorliegenden Auszug aus
dieser Arbeit führen wir nur die gewonnenen Endresultate an.
Tabelle I.
Allgemeine Obersieht über die Grappiernog der Kinder nach ihrer
Körpergrtljse nnd über die Orappiernng der Sebolblnke nach
Nnmmern in allen untersuchten Schulen.
In der Schale vorhan-
dene Schulbänke ver-
schiedener Nammem
des Systems EauMAinr
(1144)
Anzahl der Schul-
kinderpaare, in ihre
entsprechenden
Gh^isengruppen (nach
Erismann) eingeteilt
Minus (— ) oder Plus (+)
an Schulbänken
der entsprechenden Nummern
1
2
3
4
5
6
7
1
2
3
4
5
6
7
1
2
8
4
5
6
7
113
385
398
173
88
42
—
118
388
292
54
8
7
1
-5
-3
-1-101
-fll9
-h30
+35
— 1
Die erste Rubrik der Tabelle gibt die Anzahl der Schulbänke
des Normalsystems, welche der (jtesamtzahl der Schulen zur Ver-
fügung stehen, an. Diese Schulbänke sind nach ihren G-röisenverhält-
nissen in sieben Gruppen eingeteilt, wie es die folgende, von Eribmann
angegebene Tabelle bestimmt.
Tabelle
II (nach Eeibmann).
Höhe
Breite
Höhe
der
Lehne
über
Körper-
der
vor-
der
hin-
Diffe-
Bank-
des ge-
neigten
des
horizon
talen
Tisch-
Minus-
länge
deren
teren
renz
höhe
Teiles
Teiles
länge
Distanz
der
Tiach-
kinte
Tiach-
kante
Tisch-
platte
der
Tisch-
platte
Sitz-
bank
109-119
Ö6,5
48.6
18,5
do
40
10
110
—5
18,5
120-130
m
Ö4
20
34
40
10
110
-6
20
131^141
67,5
59^
21,6
38
40
10
120
-5
21,5
142-152
73
65
23
42
40
10
120
-6
23
163^163
78,6
70,6
24,5
46
40
10
120
-5
24,5
164^174
85 ,
76 1
26
50
45
10
120
-6
26
17Ö üiw.
91
83
28
67
45
10
120
-5
28
241
Ans der zweiten Bnbrik der Tabelle I ersieht man, wie die
Sehnlkinder ihrem KOrpennalse entepreehend sich in die yersohiedenen
GrOisengnippen (nach der Tabelle II) einteilen. Die Angaben
dieser Bnbrik können selbstverständlioh anoh darauf hinweisen,
wie yiele Snbsellien der einzelnen Nnmmem ftlr das betreffende
Sehülerkontingent nötig sind. Ein Vergleich der Zahlenreihen der
ersten und zweiten Rubrik der Tabelle ergibt dann den Mangel oder
anderseits den Überfluis an dieser oder jener Nummer von Schul-
bänken, wie es in der dritten Bubrik der Tabelle dargestellt ist.
Aus den Zahlen der Tabelle I ersehen wir, dafs im ganzen in
allen 41 Schulen den Bedürfnissen der Körperlänge entsprechend
fbnf Schulbftnke der ersten Nummer, drei Sdiulbftnke der zweiten
und eine Schulbank der siebenten Nummer fehlen. Mit anderen
Worten, es scheinen im ganzen 18 Schulkinder in dieser Hinsicht
unbefriedigt zu bleiben, was im Verhältnis zur Gesamtzahl der Kinder
in allen 41 Schulen (1666) den geringen Prozentsatz von nur 1,08
ausmacht.
Auf Grund der gegebenen Gesamtzahlen für alle Schulen
könnte man also annehmen, dafs dieselben in richtiger Weise mit
normalen Schulbänken versorgt seien, so dafs die Schulkinder sich
ihrem Körpermals entsprechend mehr oder weniger regelrecht an
den Schultischen placieren können.
Zur richtigen Beurteilung des eben Gesagten verfügen wir über
ein Material, das die Körpergrö&e jedes einzelnen Schulkindes und
die Subselliennummer, welche das Schulkind zur Zeit der Unter-
SQchung der Schule durch den Arzt einnahm, feststellt. Das Er-
gebnis der statistischen Bearbeitung dieses Materials befindet sich in
unstehender Tabelle.
Die Tabelle zeigt, dab das Gröisenmafs der Schulbänke mit
dem Körpermals der Schulkinder in 30,97% aller Fälle voll-
kommen übereinstimmt, dals aber diese Übereinstimmung in 69,03 7<^
der Fälle fehlt. Allerdings macht die Differenz zwischen der dem
Körpermafse der Schulkinder entsprechenden und der wirklich von
ihnen benutzten Schulbank bei 45,20% der Gesamtzahl der Schul-
kinder nur eine Subselliennummer aus; aber doch sitzen und ar-
beiten 23,83% der Gesamtzahl der Schulkinder an Schul-
bänken, deren Gröfsenverhältnisse um zwei und mehr
Nummern gröfser oder kleiner sind als diejenigen, die
dem Körpermafse der betreffenden Kinder entsprechend
erforderlich wären. Schon dieser Umstand allein, dafs fast ein.
13*
242
Tabelle IH.
ÜbereiBstiBiniiiig iwigehen KSrperwnelui iiii4 SabaelUeBinuMt
in 41 S«liHleB.
Kna-
ben
Mäd-
oben
Im
ganzen
Kna-
ben
•/o
Mad-
eben
•/o
Im
gfansen
Zahl der Schalkinder, deren Körper-
länge und Schulbänke gemeasen
wnrdeD
1102
564
1666
100
100
100
Zahl der Schulkinder, deren Sub-
selliennummer mit derjenigen, die
ihrer Körpergrö&e entspricht,
übereinstimmt
363
163
616
82,03
28^
8ojn
Zahl der Schulkinder, bei denen
diese Übereinstimmung nicht statt-
749
findet
401
1150 1 67,96
51,09
09,01
Zahl der Schulkinder, deren Sub-
sellium um eine Nummer Yon
dem ihrem Korperwuehs ent^
sprechenden abweicht
485
268
758
44,01
47,61
45,20
Zahl der Schulkinder, deren Sub-
sellium um zwei Nummern von
dem richtigen abweicht
184
99
288 16,96
17,65
16,00
Zahl der Schulkinder, deren Sub-
sellium um drei Nummern von
dem richtigen abweicht
58
18
76 5^6
3,19
M«
Zahl der Schulkinder, deren Sub-
sellium um mehr als drei Num-
mern von dem richtigen abweicht
22
16
88
1,99
2,83
tfi
Viertel der Sohulkinder gezwungen ist, auf Schulbänken zn eitEen,
deren Qrölsenyerhältnifise denjenigen ihrer Körperteile um zwei und
mehr Nummern nicht angepa&t sind, hat eine weittragende hygräiisehe
Bedeutung. Es fragt sieh aber, ob wir das Recht haben, jene
Elategorie der Sohulkinder, bei denen die Nichtübereinstimmung der
Yorhandenen Subselliennummer mit der für sie nach ihrem Körper-
mause erforderlichen nur in einer Nummer besteht, aolser acht so
assen? Ich bin überzeugt, dafs schon diese Differenz keine gwingi
st, sondern dab ihr eine gewisse gesundheitliche Bedeutung zukommt
Zu dieser Meinung haben mich folgende Erwägungen geführt.
Es ist allgemein bekannt, dals die Gröisenverhältnisse der yei
schiedenen Subselliennummem auf die Durohschnittsmafise gewiasei
Körperteile des kindlichen Organismus (Unterschenkel, Obersehenkel
243
Ereiugegend, Höhenlage des Ellenbogens) der betreffenden Grölaen-
gmppe berechnet sind. Nnn können aber im Einzelfalle die indi-
Tidnellen Abweichnngen vom DorohsohnittsmaTs mehr oder weniger
beträchtlich sein. Den Beweis hierfür habe ich schon früher in
einem anf Tatsachen und Zahlen beruhenden Bericht gebracht.^
Daraus ist zu ersehen, daüs in konkreten FftUen das Schulkind schon
danmter etwas leidet, dafs es genötigt ist, sich mit dem individuellen
GrOüsenmaüs seiner Körperteile den Durchschnittsmalsen des ent-
sprechenden Subselliums aneupassen. Dieser Übektand muls sich
natürlich noch verstärken, sobald das Schulkind während der Arbeit
nicht eine Schulbank mit Durchsohnittsmaben, die im allgemeinen
seiner Körpergrö&e entsprechen, einnimmt, sondern eine solche,
deren Durohsohnittsmalse für Kinder von gröüserer oder kleinerer
EOrpergrölse berechnet sind.
Doch unabhängig von diesen ESrwägungen wollen wir uns klar
zu machen suchen, welche gesundheitliche Bedeutung eine Differenz
von nur einer Nummer zwischen dem erforderlichen und dem
wirkUch vorhandenen Subsellium haben mag.
Setzen wir den Fall, dals für ein Schulkind die zweite Nummer
des Subselliensystems von Prof. Ebishann erforderlich ist, dafs also
z. B. die Höhe der hinteren Tischkante 54 cm, die Sitzhöbe 34 cm,
die „Differenz*' und Lehnenhöhe 20 cm usw. betragen sollte. Setzt
sieh dieses Kind auf eine Schulbank Nr. 1 oder Nr. 3, so wird die
flöhe der hinteren Tischkante von der ihm erforderlichen um 4,5
oder 5,5 cm abweichen, die „Differenz** und Lehnenhöhe um 1,5 cm,
die Sitzhöhe um 4 cm. Genau solche Abweichungen erhalten wir
bei verschiedenen anderen Kombinationen, die den soeben angeführten
gleichen; z. B. bei Benutzung der Schulbank Nr. 5, wenn Nr. 4 oder
Nr. 6 erforderlich wäre. Der Mafstmtersohied von 4,5 oder sogar
von 5,5 cm ist natürlich kein geringer, und wenn z. B. die Sitzbank
mn einen solchen Höhenunterschied von der für das Kind not-
wendigen abweicht, so werden seine Füise, statt horizontal auf
dem Fdsbrett zu ruhen, entweder in der Luft baumeln und sich
tnf die Zehen stützen, oder aber es werden, bei zu niedriger Höhen-
1^ der Sitzbank, die Oberschenkel gehoben und keine Horizontal-
Isge einnehmen. Kurz gesagt, die Grenzen der Schwankungen in
den Gröüsenmaisen der Subsellienteile sind in einem solchen Falle
niobt 80 eng, dafs man es gering schätzen könnte, wenn das Schul*
' S. diese Zeitschrift, Jahrg. 1900, 8. 295 ff.
244
kind genötigt ist, eine Schulbank einzonehmen, die seiner Körper-
lange nicht entspricht, sei es auch nnr nm eine Nummer. Die Zahl
solcher Schulkinder belftnft sich in unserer Statistik (siehe Tabelle TTT)
auf 46,20 7o.
Eine noch weittragendere gesundheitliche Bedeutung erhält der
Fall, wenn die NichtfLbereinstimmung zwischen dem benutzten Schul-
tisch und dem theoretiBch erforderlichen zwei Subselliennummem
betragt. Es ist dann die hintere Tischkante um 11 cm höher oder
niedriger als erforderlich, die „ Differenz" und die Lehnenhöhe um
3 cm, die Sitzbank sogar am 8 cm — alles Grölsen, welche für eine
richtige Körperhaltung sehr in Betracht fallen.
Es ist wohl kaum nötig, auf die noch grölseren Übelstftnde hin-
zuweisen, die dann entstehen, wenn die Nichtübereinstimmung zwischen
der erforderlichen und der tatsächlich benutzten Schulbank drei oder
mehr Subselliennummem beträgt.
Wir sind folglich zu sagen verpflichtet, dafs in unseren
Schulen, auch in solchen, die mit sogenannten rationellen,
normal konstruierten Schulbänken versorgt sind, immer-
hin nicht weniger als 69,03% der Schulkinder (siehe Ta-
belle ni) Schulbänke einnehmen, die ihrer Körpergröfse
nicht angepafst sind. Dieser Umstand muis natürlich als ein
sehr unangenehmer anerkannt werden, denn augenscheinlich werden
die Bemühungen, die Schulen mit normalen Schulbänken zu ver-
sorgen, sowie der dafür gemachte Kostenaufwand nicht in erwünschter
Weise belohnt.
Ich will dem eben Gesagten nur noch hinzufügen, dafs bei uns
die Knaben sich in dieser Hinsicht in etwas besseren Verhältnissen
befinden ak die Mädchen (siehe Tabelle III).
Gehen wir jetzt zum wesentlichsten Teil unserer Arbeit über —
zur Klarlegung der Ursachen, welche die soeben erwähnte unliebsame
Erscheinung hervorgerufen haben.
Als wahrscheinlichste dieser Ursachen erachten wir vor allem
die unrichtige Gruppierung der Subselliennummem, in den einzelnen
Klassen oder Schulen. In der Tat ist bis heute keine mehr oder
weniger befriedigende Richtschnur für die Versorgung der Schul-
klassen mit normalen Schulbänken in richtigem Zahlenverhältnis der
einzelnen Subselliennummem vorgeschlagen worden.
Und doch mü&te es nicht so schwer sein, eine derartige Richt-
schnur zu finden. Man hätte nur die Körpergröfse aller Schulkinder
246
zn bestimmen and das Messnngsergebnis in Gruppen zu teilen, die
den vorhandenen Grölsennummem eines beliebigen Subselliensjstems
entsprechen (in unserem Falle z. 6. in Gruppen, die dem oben an-
gefahrten System von Prof. Ebismann entsprechen). loh habe diese
Bestimmung gemacht und das Resultat in der zweiten Rubrik der
Tabelle I angeführt. Es ergibt sich, dafa in 41 Schulen in die erste
Gruppe (109 — 119 cm) 118 Paar Schulkinder fallen, in die zweite
388 Paar usw. Lassen wir die fünfte, sechste und siebente Gruppe
der geringen Zahl der Fälle wegen weg, so erhalten wir für die
eisten yier Gruppen folgende Zahlenreihe (ftlr die 41 Schulen):
118:388:292:64.
Reduzieren wir diese Zahlen, indem wir die kleinste von ihnen
~ 54 — als gemeinschaftlichen Divisor nehmen, so erhalten wir
folgende Reihe:
2,2:7,2:5,4:1.
Der gröiseren Einfachheit wegen können wir ganze Zahlen
setzen und erhalten dann:
2:7:5:1.
Das bedeutet, daüs auf Grund der bei der Einteilung der Schul-
kinder in GröIscDgruppen erhaltenen Resultate (Mittelzahlen) die
Anzahl der Kinder in der ersten, zweiten, dritten und vierten Gruppe
sich verhält wie 2 zu 7 zu 5 zu 1. Wir müssen also, um zu er-
&hren, wieviel Schulbänke der verschiedenen Nummern für die be-
treffende Schule (oder Klasse) erforderlich sind, die Hälfte der
Gesamtzahl der Schulkinder in Gruppen einteilen, die untereinander
in einem Verhältnis stehen, welches der obigen Zahlenreihe entspricht.
Wenn wir jetzt, nachdem wir über diese Verhältniszahlen
verfügen, sie mit der wirklichen Einteilung der Subsellien-
nummem in den von uns untersuchten Schulen vergleichen (siehe
Tabelle I), so finden wir, dais in den zu vergleichenden Zahlen-
reihen die einzelnen Zahlen untereinander in verschiedenem Verhält-
nisse stehen. Wir können also sagen, dafs die Versorgung
unserer Schulen mit Schulbänken eines normalen Systems
im Sinne des erforderlichen Zahlenverhältnisses der
einzelnen Subselliennummern keine richtige ist. und hier-
aus folgt als selbstverständlich, dals den Anforderungen der Schul-
gesundheitspflege bezüglich eines richtigen Setzens der Schulkinder
nicht Genüge geleistet werden kann. Damit könnte man auch auf
den ersten Blick die ungünstigen Resultate unserer Untersuchung
erklären. Allein es ist noch unbekannt, ob wir nicht zu demselben
246
Resultate gekommen wären, wenn unsere Schulen mit Normal-
subsellien in Übereinstimmung mit den hier berechneten mittleren
Yerhältniszahlen versorgt wären.
In der Tat» sobald wir diese Yerhältniszahlenreihe mit der wirk-
lichen Einteilung der Schulkinder nach Grölsengruppen in den ein-
zelnen Schulen vergleichen, so finden wir auch keine Überein-
stimmung. Da nun aber die Frage der richtigen Versorgung der
Schulen mit normal konstruierten Schulbänken eine sehr ernste ist,
so wollen wir die Mühe nicht scheuen, uns ein allgemeines Bild der
Versorgung der Schulen in Übereinstimmung mit der Verhältnis-
Zahlenreihe 2:7:5:1 vorzufbhren.
Entwerfen wir, gleich der ersten, eine neue Tabelle, iu welcher
wir jedoch an Stelle der ersten Rubrik diejenige der theoretischen
(nach der Berechnung der Endsummen) Einteilung der Schulbänke
nach Systemnummem setzen, während die zweite Rubrik unverändert
bleibt und die dritte sich in Abhängigkeit von der ersten ändert.
Tabelle IV (im Auszug angeführt).
Resultate der Befriedigung der Ferdemngen der Schulgesundheits-
pflege bei der Versorgung der Schulen mit Schulbänken im Ver-
hältnis ihrer Zahl nach Nummern, wie 2:7:5:1.
Theoretisch nötige Zahl
der Schulbänke
In Wirklichkeit
erforderliche Zahl der Minus (— ), Plus (+)
Schulbänke
1
2
3
4 1 5 6
7
1
2
8
4
5
6
7 II 1
2
3
4
5
6
7
116
404
292
79
—
—
—
118
388
292
54
8
7
1L2
+16
0
+26
-8
-7
— 1
Vergleichen wir die Endsummen der zwei ersten Rubriken dieser
Tabelle (bis und mit Gruppe 4), so bemerken wir, dafs hier nur eine
unbedeutende Zahl der Schulkinder, und zwar 36 in 41 Schulen,
unbefriedigt bleibt, während in der Praxis (siehe Tabelle I) nach der
Berechnung der Endsummen im ersten Fall 242 und im zweiten
18 unbefriedigt geblieben sind.
Der günstigere Sachverhalt des zweiten Falles der wirklichen
Einteilung der Schulbänke in den Schulen im Verhältnis zu den
theoretischen (nach den gegebenen Endsummen) kann man mit der
gröiseren Anzahl derselben im Vergleich zum Bedürfnis im ersten
Fall und der fast bis auf das genaueste ausgeführten theoretischen
Berechnung bei der Versorgung der Schulen mit Schulbänken er-
klären. Im ersten Fall (Tabelle 1) haben wir wirklich 1144, im
247
sweiten (Tabelle IV) aber nur 891, d. h. um 253 weniger Schul-
bänke, und deesenungeachtet hat sich die Sachlage nnr nm ein
Weniges yerschlimmert.
Kurz gesagt, bei der Yersorgang der Schulen mit Schulbänken
nach Berechnung der Proportionalteilung der Hälfte der Schulkinderzahl
durch 2:7:5:1 erhalten wir, nach den Endsummen zu urteilen, im
allgemeinen in einer grolsen Anzahl Schulen gleichsam ein Re-
sultat, das den schulhygienischen Forderungen entspricht.
Allein die DurchfQhrung der hygienischen Aufgaben dart keines-
wegs nur darin bestehen, dafs man bestrebt. ist, den Durchschnitts-
▼erhaltnissen zu genügen» Es muüs eine genauere Individuali-
sierung eintreten, weil sonst das Ganze leidet. Dies können wir in
unserem Fall wirklich beobachten.
Lenken wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf die Schulkinder-
zahl, die keine ihren BedQrfnissen angepafste Schulbank benutzen
würden, falls die Schulen mit Schulbänken nach der von uns an-
genommenen theoretischen Berechnung versorgt worden wären.
Hierzu zählen wir die Minusse in den beiden letzten Spalten der
Tabelle lY (einer vollen Tabelle, die hier nur im Auszug angeführt
wird) zusammen.
Nach dieser Tabelle erhalten wir folgendes Bild:
Tabelle V.
Kiekt ausreichende Zahl der Sehaltisehe bei der Verserfnuig der
Sehiltn mit Sehnltisehen in Übereinstimmiuig mit den VerbUtnis-
zahlen 2 : 7 : 5 : 1 (in 41 Sehnlen).
Nunmem der Sobnltische 1
Anzahl derselben 74
104
78
7| Im gansen
1 272
Bei der Betrachtung dieser Zahlen finden wir, dais das Resultat
ein wenig günstiges ist, da die Anzahl der Schulkinder, die kein für
sie passendes Subsellium haben, 272 X 2 «= 544 ist, d. h. fast ein
Drittel der Ghesamtzahl. Hierbei muls man nicht aufser acht lassen,
dals in vielen Fällen, infolge verschiedener pädagogischer Rücksichten,
es ttidit möglich ist, den Schulkindern die ihren Bedürfnissen genau
ftngepabte Schulbank anzuweisen. Deswegen mufe in der Tat die
oben angeführte Zahl noch grölser sein, selbst dann, wenn die
Lehrer dieser Sache grofse Aufinerksamkeit schenken. Hiermit erklärt
sich natürlich auch in imserem Fall der namhaft höhere Prozent-
248
satz der Schulkinder, welche ihren Bedür&issen nicht entsprechende
Schulbänke in Gebrauch haben.
Auf diese Weise kann auch die Versorgung der Schulen mit
Schulbänken nach der oben ausgeführten theoretischen Berechnung
der Verhältniszahlen nicht den Forderungen der Schulgesundheite-
pflege entsprechen. Diese Verhältniszahlen können sich zwar bei
Bestimmung derselben aus um&ngreicherem Material etwas ändern«
jedoch würde es schwer fallen, unter Berücksichtigung des Sohüler-
bestandes jeder einzelnen Schule eine mehr oder weniger bedeutende
Verbesserung zu erwarten.
Fassen wir zum Schlüsse die Folgerungen, die meiner Vorstellung
nach aus dieser Arbeit hervorgehen, zusammen:
1. Die Versorgung der Schulen mit Normalsubsellien wird in
den Volksschulen der Landschaft Dmitroff nicht in richtiger Weise
vorgenommen. Es kommt dies hauptsächlich daher, dab eine Richt-
schnur für die Bestimmung der nötigen Anzahl von Schulbänken
jeder einzelnen Nummer fehlt.
2. Eine richtige Lösung dieser Frage stölst auf beträchtliche
Schwierigkeiten dank der starken individuellen Differenzen in der
Gruppierung der Schulkinder nach der KörpergröJse in den einzelnen
Schulen (oder Klassen).
3. Infolge dieser beiden Ursachen erhalten wir die bedeutende
Schulkinderzahl, die in den von uns untersuchten, mit normalen
Schulbänken versorgten Schulen Subsellien benutzen, welche ihrer
individuellen Eigenart nicht angepaist sind. Die Zahl dieser Kinder
belauft sich im ganzen in allen Schulen auf 69,03%. Dabei arbeiten
23,83^0 der Gesamtzahl an solchen Sohultischen, welche von dem
erforderlichen GröÜBenmals um zwei und mehr Nummern nach der
Seite des Minus oder des Plus differieren.
4. Die Anzahl der Mädchen, welche keine für sie genau ange-
pafste Schulbänke haben, ist gröiser als die entsprechende Zahl der
Knaben.
5. Die vollständige Befriedigung der schulhygienischen Forde-
rungen ist nur möglich bei der Versorgung der Schulen mit Schul-
bänken, deren Gröfsenmalse verstellbar sind, da hierbei die Möglichkeit
gegeben ist, die Mafsverhältnisse der Subsellienteile in Übereinstimmung
mit denjenigen der Körperteile der Schulkinder zu bringen (yoUe
Individualisierung).
249
Vierter
Seohenschaftsbericht des Vereins ,,Einderschntsstationen''.
Yeremajahr 1904 (vom 1. Januar bis 31. Dezember 1904).
Von
Direktor Emakuel BAYB-Wien.
Der Verein »Kindersohntzstationen'' ist eine Schöpfung des
nenen Jahrhunderts, er ist eine köstliche Frucht des charitativen
Kongresses, der im Frühjahre 1900 in Wien tagte. Die Anstalten
dieses Vereins gliedern sich in:
1. Tagesheimstätten.
Diese dienen ftlr unbeaufsichtigte schulpflichtige Kinder, deren
Eltern entweder aulser Haus ihren schweren Berufsarbeiten nach-
geben oder die in ihren engen Wohnräumen ihre Arbeitsstätte haben.
Die Heimstätte ist an allen Wochentagen tod 7 Uhr früh bis 7 Uhr
abends geöffnet. Die Kinder befinden sich dort während der schul-
freien Stunden, die sie sonst auf der Gasse oder unbeaufsichtigt zu
Hanse yerbringen würden, unter der liebeFoUen Aufsicht einer tüch-
tigen Lehrkraft oder ehrwürdiger Schwestern.
An Sonntagen bleibt die Heimstätte geschlossen, denn an arbeits-
freien Tagen den Eltern die Kinder zu entziehen, hielse sie ihnen
entfremden oder das Gefühl der Eltempflicht abstumpfen.
In der Heimstätte ersetzt die Leiterin die Mutter. Wenn es
not tnt, kämmt und wäscht sie morgens die Kinder, sorgt für reini-
gende Bäder, was ein yollständig eingerichtetes Badezimmer ermög-
licht, und hält auch teilweise die Kleider in Ordnung. Dir obliegt
die Aufidcht über die Küche und die Führung des Hauswesens; sie
beschäftigt die Kinder in nützlicher Weise, hält sie zum Lernen an
tmd leitet ihre Spiele und Bewegungen im Freien.
Jedes Eand erhält in der Heimstätte folgende Mahlzeiten:
Vormittags: ein Stück Brot
Mittags: Suppe und eine ausgiebige Speise, wie Gemüse-, Milch-,
Hehl- oder Fleischspeise.
Nachmittags: V« 1 Milch und Brot.
Für die Kost sind täglich seitens der Angehörigen 10 Heller
zu entrichten. Dieser kleine Betrag reicht selbstredend nicht aus
260
zur DeokuDg der Kosten» mid muis der Verein durehfiohnittlich per
Kind jährlich 40 Kronen darüber hinans zahlen, wobei nicht berück-
sichtigt wird, dals der Beitrag Yon Seite der Kinder gar häufig
überhaupt nicht eingebracht werden kann. Die Kinder erwerbs-
fthiger Leute unentgeltlich zu verköstigen, läge nicht im Sinne des
Vereins; dieser will das Prinzip aufrechterhalten, dals die Eltern
stets ihrer Pflicht eingedenk bleiben, fHi den Unterhalt ihrer Kinder
zu sorgen; oft aber zwingen die Verhältnisse zur Nachsicht auch
gegenüber den Eltern.
In jeder Vereinsstation steht der Leiterin als treue Ratgeberin
und Freundin eine sogenannte Hausmutter zur Seite^ welche als
tätiges Mitglied des Vereins die rege Fühlung mit der Zentrallaitnng
herstellt; überdies genieist jede Anstalt noch das Wohlwollen einer
Schutzfrau, die mit hingebender Liebe und warmem Interesse alle
Vorkommnisse verfolgt.
n. Scbutzstationen.
Es sind dies Asyle für ganz oder teilweise verlassene und noküs-
handelte Kinder, welche vorübergeh^ad und in vielen Fällen bis
zum vollendeten 14. Lebensjahre unter dem Schutze des Vereins stehen.
Vorübergehend wird ein Kind in Pflege genommen, wenn z. B.
dessen Mutter für längere Zeit im Spital ist oder sich in Haft be-
findet. Dauernd bleibt ein Kind in der Schutzstation, wenn ee voll-
ständig verlassen ist, oder wenn dessen häusliche Verhältnisse so
traurige sind, dals es in ernster sittlicher Gefahr schwebt, oder wenn
seinen Eltern wegen Mifshandlung die elterliche Gewalt gerichtlich
abgesprochen wurde.
Ein Sohutzkind kostet dem Verein (gering berechnet) jährlich
300 Kronen.
m. Erholungsstätten.
In diesen vom niederOsterreichischen Landesausschusse errichteten
Anstalten genielsen kränkliche Kinder, welche nach Wien oder
Niederösterreich zuständig sind, während der heiJsen Sommermonate
einen gesunden Aufenthalt im schönen Wienerwald.
Für die Verpflegung der Kinder (in den Tageserholungsstätten
in Pötzleinsdorf und Hflkeldorf) wurde nach Mafsgabe der Ver-
mögens- und Erwerbsverhältnisse der Eltern eine entsprechende Ver-
pflegungskostenzahlung erhoben, und zwar für einen ganzen Zahl*
platz 1 Krone täglich, in welchem Betrage die Fahrtauslagen für
Hin- und Rückfahrt (10 Heller per Fahrt) nicht inbegrififon sind.
251
Für einen halben Zahlplatz inklnsive Fahrspesen täglich 36 Heller,
„ viertel „ „ „ „ 30 „
„ „ Freiplatz 10 Heller fiegiebeitrag.
Schlielslich waren für besonders zu berüoksichtigende Fälle eine
beschränkte Anzahl Ganz-Freiplätze (Stiftplätze) geschaffen.
Die Verpflegung der zum Aufenthalte in den Erholungsstätten
zugelassenen Kinder umfiEJste die Abgabe:
a) eines Frühstückes zwischen 8 und 9 Uhr morgens;
b) eines Mittagsmahles um 12 Uhr;
e) einer Jause um 3 Uhr nachmittags;
d) eines Nachtmahles um Vs6 Uhr abends.
Es wurde verabreicht pro Kopf als:
Frühstück : Vio 1 Milch, Kaffee oder Kakao mit einem Stück
Weiüsbrot. Mittagsmahl: wenigstens viermal in der Woche Vio 1 ein-
gekochte Rindsuppe, Vio 1 Gemüse, 6 dkg Bindfleisch in gekochtem
Zustande ohne Fett und Knochen, eventuell Braten, Selchfleisch,
Golyas, Beuschel, Brat-, Leber-, Blut- oder Augsburger Würste usw.
Die anderen drei Male: Vio 1 falsche Suppe (eingekocht), Vio 1 sog.
ordinäre Mehlspeise, Backobst, frisches oder geschmortes Obst (Obst-
brei mit Mehlspeise) usw. Jause: Vio 1 Milch oder ein Stück
Butterbrot. Nachtmahl: Vio 1 Milchspeise, Obst und Käse mit einem
Stflck Brot.
Tagesordnung an einem Wochentag:
Von 8 bis Va9 Uhr Frühstück, von Va9. bis 9 Uhr Verlesen
und Abgabe der Tagesmarken, von 9 bis V*ll Uhr Jugendspiel,
Modellieren (Papparbeiten), ^/»ll bis 12 Uhr Freibeschäftigung oder
Lektüre (Vorjause), 12 bis 1 Uhr Mittagessen, l bis 3 Uhr Schlaf-
standen, 3 bis 4 Uhr Freibeschäftigung und Jause, 4 bis Vs6 Uhr
Lektüre, Vorlesen, Erzählen, Gesang, ^/s7 bis 7 Uhr Nachtmahl,
7 bis V»8 Uhr Entlassen der Kinder resp. gruppenweises Fortführen.
Im Schutze des Vereins standen:
800 Kinder in seinen 10 Tagesheimstätten.
150 » „ n 3 Schutzstationen.
210 n n anderen Erziehungsanstalten.
59 ,, „ Familien auf dem Lande.
10 „ bei Kostparteien in Wien.
2200 r» iii zwei vom Vereine betriebenen Tageserholungs-
stätten.
Zusammen also 3440 Kinder.
252
Uns Herfattttttlttttgett ttttb Heretneit.
Ober Krampfkrankheiten im schulpflichtigen Alter.
Vortrag,
gehalten in der gemeinsamen Sitzung der Deutschen
Gesellschaft für öffentliche G-esundheitspflege in Berlin
nnd des Berliner Vereins für Schulgesundheitspflege
am 6. Dezember 1904.
Von
Prof. Dr. Ziehen.
Als die vier Krampfkrankheiten, die für das schulpflichtige
Alter namentlich in Betracht kommen, bezeichnet der Vortragende:
die Epilepsie, die Hysterie, den Veitstanz (Chorea) und den Tic
g^näral; diese Krankheiten entstehen oft schon in frühester Kindheit
und haben ihre Ursache entweder in organischen Hirnerkrank-
ungen, d. h. solchen, die mit nachweisbarer Zerstörung der Hirn-
substanz verbunden sind, oder in Hirnhauterkrankungen. Ein
wichtiges ätiologisches Moment ist ferner die Eklampsie der
Kinder: epilepsieartige An&Ue, die auf G-rundlage einer angeborenen
Disposition oder der Rhaohitis meistens sich an eine bestimmte
Oelegenheitsursache anlehnen, etwa Magendarm- oder fieberhafte
Krankheiten, eventuell auch an einen einfachen Zahnwechsel; eine
dritte wichtige Gruppe bilden die Fälle, die sich auf dem Boden
schwerer erblicher Belastung entwickeln.
Etwa drei Fünftel der Fälle von Epilepsie brechen in den
ersten beiden Lebensjahrzehnten aus : eine erste Morbiditätswelle wird
gebildet von den Erkrankungen, die sich zum gröfsten Teil auf
Eklampsie oder Himerkrankung zurückführen lassen, eine zweite
Welle beginnt um das zehnte Jahr und zieht sich hin bis an das
Ende der Pubertät. — Man unterscheidet zwei Gruppen von E!pi-
leptikem: die einen bieten den Symptomenkomplez des Grand mal,
meist beginnend mit einem „initialen Schrei'', dem tonische (d. h.
ununterbrochene) und klonische (d. h. unterbrochene) Muskelkrämpfe
folgen. Der ganze Vorgang spielt sich innerhalb weniger Minuten
253
ab. Die Bewulstlosigkeit, in die das Kind fällt, bftlt gewöhnlicli
noch längere Zeit nach dem Anfall an nnd gebt in einen tiefen
Schlaf über, der bis mehrere Standen währen kann. Die zweite
Gruppe ist fast frei von Krampfan&llen. Das Petit mal besteht
meist nnr in einer ganz kurzen BeYnodstseinspause von einigen Sekunden.
Das Kind erblafst, starrt in die Leere, der Durchmesser der Pupillen
YsrgrOlsert sich, und bei aufmerksamer Beobachtung bemerkt man
auch leichte Augen- oder Kopfbewegtmgen; spricht das £ind ge-
rade, so stockt es in der B.ede, oder es läist z. B. einen Gegenstand,
den es hält, fallen. — Die Intelligenz der epileptischen Kinder ist
oft eine minderwertige, sei es, dafs sich die Störung der intellek-
taellen Entwicklung auf eine Hirnerkrankung zurückführen läfst, sei
OB, dals eine solche nicht nachweisbar ist; es entsteht das Bild des
epileptischen Schwachsinns.
Die Ursachen der Hysterie, die ungemein häufig schon in
der Kindheit einsetzt, bestehen meistens in einer erblichen Prädis-
position, zu der weitere Schädlichkeiten hinzutreten. Der Vortragende
unterscheidet: Erziehimgs-, Erschöpfungs-, Ermündungshysterie; am
häufigsten sind die Fälle, wo psychische Momente, wie starke Ge-
mütsbewegungen usw., die Erkrankung auslösen.
Die psychische Veränderung, die mit solchen Kindern vor sich
geht, eine erhöhte Phantasietätigkeit und ein rascher Wechsel in den
Affekten, mangelnde Konzentration der Aufmerksamkeit sind die
ersten Signale der Erkrankung, in deren Gefolge sich ebenfalls
Erampfan&Ue entwickeln können; diese unterscheiden sich von den
epileptischen Krämpfen dadurch, dals nach einer vorausgehenden
„epilepsieähnlichen Phase'' ein Zustand sich entwickelt, in dem die
Kranken komplizierte Bewegungen machen, die ganz bestimmten Vor-
stellungen entsprechen, z. B. Betstellung einnehmen oder Purzelbäume
sehlagen usw. Im Gegensatz zur Epilepsie führt die Hysterie nicht
zum Intelligenzdefekt.
Der Veitstanz (Chorea) läist sich in erster Linie auf gewisse
Infektionskrankheiten, wie akuten Gelenkrheumatismus, Scharlach,
Masern, Typhus, zurückführen ; der Schreck, der sehr oft von den
Befallenen als Ursache des Ausbruchs angegeben wird, bildet meist
nur die Gelegenheitsveranlassung. — Sehr wichtig ist für die Päda-
g(^en, den Beginn einer solchen Erkrankung richtig zu erkennen.
Die Unruhe, Zappligkeit und Zerstreutheit solcher Kinder bietet oft
Anlals zu ungerechtfertigten Bestrafungen. — In voller Ausbildung ist
Akr die Erkrankung die unwillkürliche, den ganzen Tag über anhaltende
254
Bewegangsnnriilie obarakteristisoh» die namentlioh bei willkfirlicheo
Bewegungen herFortritt. Die Daner der Erkrankung beläuft sieh
auf zwei bis drei Monate; der Übergang in ein ebronisohes Stadium
ist sebr selten.
Der Tic g^nöral besteht in monotonen, ganz bestimmten Zwangs-
bewegungen, die immer wiederkehren, wie z. B. Schulterzucken
Schnalzen, eventuell auch Ausstofsen von unanständigen Worten.
Alle diese an Epilepsie, Hysterie, Chorea und Tic göneral er-
krankten Kinder müssen den Unterricht wesentlich stören; es fragt
sich daher, was man mit ihnen anfangen soll.
Die an Chorea leidenden £inder müssen für die Zeit ihrer
Krankheit der Schule fernbleiben, einmal, weil von ihnen selbst
möglichst alle Beize femgehalten werden sollen, und femer, weil die
Erkrankung auf psychischem Wege „ansteckend*", d. h. übertragbar
für andere hysterische Kinder ist; man hat auf diese Weise förm-
liche Schulepidemien von Veitstanz entstehen sehen.
Viel schwieriger gestaltet sich das Problem für die Kinder, die
mit den anderen drei Krampf krankheiten behaftet sind. Vortragender
fordert für die epileptischen Kinder entweder „Epileptiker-
schulen'' oder Überweisung in die Hilfsschulen resp.
-klassen, die ja schon jetzt in grofser Anzahl bestehen und meist
schwachsinnige Kinder beherbergen; diese werden durch den Anblick
der epileptischen Krämpfe viel weniger erregt als normale.
Unbedingt den Aufenthalt in den allgemeinen Schulen
fordert der Vortragende für die hysterischen Kinder, weil
ihre Elrampfan&Ue im ganzen glimpflich verlaufen, erfahrangsgemäls
seltener einen tiefen Eindruck auf die übrigen Kinder machen und
vor allen Dingen das Interesse des hysterischen Kindes die Erziehung
in einer öffentlichen Schule verlangt.
Die Fälle von Tic gän^ral sind seltener; die leichten Fälle
soll man ganz ruhig in den Schulen belassen, ihnen eventuell
geeignete Plätze in den hinteren Beiben anweisen und die übrigen
Kinder zweckmäfsig belehren; schwerere Fälle sollte man der
Einzelerziehung überweisen, weil derartig erkrankte Kinder
unter Umständen den Unterricht erheblich stören können.
A. PBOSKAüsn-Berlin.
255
Die Hyfpene des Schulkindes.
Ans einem Vortrage des Geh. Med.-Rat Dr. Hirsch
im Magdebnrger Verein fflr öffentliche Gesundheitspflege.
(,Magdeb. Ztg.^)
Der Redner betonte in erster Linie, dafs Aber der Sorge für prächtige
Schnlbanten, die nach Möglichkeit allen Anfordemngen der Gesundheitspflege
entsprachen, man hftnfig vergesse, die besonderen Eigenarten des Schulkindes
za berücksichtigen. Dessen Beobachtung in seiner Gesundheit und bei
beginnender Erkrankung sei aber von der allergrößten Bedeutung, um
gesundheitliche Schädigungen von der Schuljugend fem zu halten. Der
Schwerpunkt fflr die individuelle Hygiene des Schulkindes falle allerdings
in das Elternhaus. Die Überwachung des Gesundheitszustandes Jedes ein-
zelnen Schulkindes liege aber auch im öffentlichen Interesse, und zwar
deswegen, weil die Einrichtungen unserer öffentlichen Schulen, auch wenn
sie für ein normales Kind aufs beste hygienisch bestellt seien, fflr einzelne
mit gewissen Krankheiten oder Erankheitsaniagen behaftete Kinder Schädi-
gungen herbeiführen können, und weil fOr diese Kinder infolgedessen gewisse
Ausnahmen und Berflcksichtigungen Platz greifen müssen. Zweitens bestehe
ein öffentliches Interesse deswegen, weil die Erreichung eines bestimmten
Unterrichtszieles erschwert oder ganz unmöglich gemacht würde, wenn
gewisse körperliche und geistige Fehler nicht rechtzeitig erkannt und ent-
sprechend berücksichtigt würden. Drittens sei die genaue Kenntnis der
Gesundheit jedes einzelnen Kindes notwendig, um den Gefahren der Über-
tragung ansteckender Krankheiten vorzubeugen, und zwar nicht nur der
akuten Infektionskrankheiten, wie Scharlach, Diphtherie usw., sondern auch
der chronischen, wie Tuberkulose u. a.
An eine Schilderung der besonderen Eigentümlichkeiten im
Körperbau des normalen Schulkindes im Alter von 6 — 14 Jahren und
der diesem Alter eigenen Lebensbedingungen knüpfte der Vortragende
man-^igfaltige V^inke und praktische Ratschläge an Eltern und Erzieher
ftr Behandlung des Schulkindes. D'e Wichtigkeit einer regelmäfsigen
Feststellung des Längenwachstums un der Gewichtszunahme wurde betont
and dabei der interessanten Tatsache Erwähnung getan, da(s die gröfste
Gewichtszunahme bei Schulkindern durchschnittlich nicht in die grofsen
Ferien falle, sondern in die Schulzeit, und zwar in die Herbstmonate
August, September und Oktober. Die besondere Beschaffenheit des kind-
lichen Mnskelsystems und der BlutgefäCse bringe es mit sich, dafs schneller
Ermüdung, aber auch leichter Erholung eintrete ; aus diesem Grunde seien
im Turnunterricht zu schwere und andauernde Übungen zu vermeiden.
Die Menge des für Schulkinder notwendigen Schlafes werde meist unter-
schätzt. Im allgemeinen müssen für die Kinder von 6 — 8 Jahren 1 1 bis
12 Stunden Schlaf, für solche im Alter von 9—10 Jahren 10 — 11 Stunden,
im Alter von 11—12 Jahren 10—107« Stunden, von 13—14 Jahren
9Vi— 10 Stunden Schlaf verlangt werden.
Mit Bezug auf die Ernährung empfahl der Redner reichliche
Beigabe von Milch zur Kost. Bei solchen Kindern, welche reine Milch
verweigern, empfehle sich als Beimischung anstatt des Kaffees, der
Behulipesandheitspflegre. XVIII. 14
256
schftdliche Wirkungen auf das Nervensystem ausübe, eher der Zusatz des
unschuldigeren Kakaos. Alkohol in jeder Form sei bei gesunden Schul-
kindern strengstens zu verbieten. — Hinsichtlich der Kleidung gab der
Vortragende den Rat, ftbr den Winter woUene Stoffe, für den Sommer leinene
Stoffe oder leichte FlaneUe für die Unterkleidung zu bevorzugen; er warnte
dringend vor Verweichlichung der Kinder.
Schliefslich schilderte der Redner dann noch die Erscheinungen beim
Kinde, welche den sorgfältig beobachtenden Lehrer darauf aufmerksam
machen müssen, dafs es sich nicht um ein gesundes Schulkind handelt,
sondern dais krankhafte Abweichungen vorliegen, deren frühzeitige Er-
kenntnis von der gröCsten Bedeutung für das Wohl des Kindes sein kann.
Die Behandlung der sexuellen Frage im natnrwissenscliaftliclien
Unterricht.
Aus einem Vortrage von Prof. Dr. v. Sigmund
im Verein „Mittelschule". {„IHe Zäi^)
Der Vortragende gab einleitend zur Charakterisierung des augenblick-
lichen Standes der Frage eine kurze Analyse der auf dem ersten hygieni-
schen Kongrefs in Nürnberg vorgebrachten Anschauungen und der von
diesem Kongrefs angenommenen Thesen. Einstimmig war man in der
Würdigung der Bedeutung des naturwissenschaftlichen Unterrichts fOr diese
Dinge, ebenso einstimmig aber auch in der Erkenntnis der Schwierigkeiten
der Methode. Durch eine eingehende Betrachtung der psychologischen
Grundlagen, des Einflusses der Gestaltung des Vorstellungslebens, speziell
auf das sexuelle Triebleben, bahnte sich der Vortragende den Weg zur
Darlegung und Rechtfertigung des von ihm empfohlenen Vorgehens. Der
Unterricht wird als zweistufig gedacht: analytisch in den Unterklassen,
indem an Tieren und Pflanzen das Werden und Wachsen des neuen
Organismus im Mutterkörper dargestellt vrird, ohne dafs vorläufig der
Begattungsakt Erw&hnung &nde. Synthetisch, unter Berücksichtigung der
Zeugung, wird die Darstellung, und zwar mit der Botanik beginnend, in
den Oberklassen; sie schreitet dann von den niederen Tieren zu den
höchsten S&ugetieren vor, wobei auch eine ganze Reihe wichtiger biologischer
Begriffe erörtert werden soll, zum Beispiel der der Vererbung, der natür-
lichen Auslese, der individuellen Variation, der Kreuzung (Verhütung der
Inzucht), der Anlockung durch Reizformen usw.
Ist auf diese Weise der Denkprozefs durch den naturgeschichtlichen
Unterricht in bestimmte Bahnen gelenkt, so mechanisiert, dafs bei den
jeweiligen Wahrnehmungen die entsprechenden VorsteUungselemente sich
einfinden müssen, und zwar in der ernsten Form, in der sie in der Schule
geboten worden sind, dann hat der Schularzt einzutreten. Die Grundlage
für den von ihm zu erteilenden hygienischen Unterricht bietet die aus dem
naturgeschichtlichen Unterricht auszuscheidende Somatologie. Der Arzt
hätte dann alle das menschliche Sexualleben betreffenden Aufklärungen,
das Hygienische und Pathologische zu besprechen. Besonders notwendig
257
erscheint es dem Redner auch, die Eltern durch Elternabende Aber Wert
und Bedentang dieser Frage anfiznklären and sich so ihrer Mitwirkung zu
yersichem.
In der sich an den Vortrag anschliel^enden lebhaften Diskussion wies
der Professor der Hygiene an der Exportakademie Med.-Kat Dr. Ullmann
auf die Notwendigkeit des Znsammenwirkens von Ärzten und Lehrern in
dieser Frage hin und steUte ihre Behandlung im Verein fQr Gresundheits-
pflege in Aussicht, zu der auch die Schuhnänner eingeladen werden sollen.
~ Direktor Thümseb betonte die Notwendigkeit des Einvernehmens mit
den Eltern. — Zustimmung fanden auch die vier von Prof. Dr. Obtmann
aufgestellten Thesen: 1. Die Frage der sexuellen Aufklärung interessiert
nicht nur den Naturhistoriker, sondern ist fOr alle Lehrer wichtig. 2. Es
sind hierbei zwei Probleme voneinander zu scheiden: das der hygienischen
Prophylaxe und die pädagogische Frage des ethischen Wertes. 3. Die
eigentliche Schwierigkeit liegt — wie flbrigens übereinstimmend betont
vnrde — nicht in der Aufklärung über die Entstehung des Menschen im
Matterleibe, sondern in der Zeugungsfrage. 4. Das Elternhaus muls in
der Aufklärung vorausgehen.
^Kleinere ilttttetltin$en.
Eine bessere Einteilnng der Ferien ist gegenwärtig vielerorts
der Gegenstand einläfslicher Besprechungen, zu denen wenigstens teilweise
der diesjährige späte Ostertag Veranlassung gegeben hat. Derselbe hatte
ein überaus langes Schulsemester zur Folge, so dals unter Lehrern und
Schfllem, besonders der oberen Klassen, aJlgemein über Erschöpfung ge-
klagt wird. Wie wir der „D. Tagesetg."' entnehmen, hat kürzlich Sanitäts-
rat Dr. Benda in einer Versammlung im Berliner Rathause mitgeteilt, es
seien an einem Berliner Gymnasium acht Schüler der Unterprima ärztlicher-
seits veranlalst worden, schon einige Wochen vor SemesterschluCs Urlaub
zn nehmen. Grund: allgemeine Überanstrengung und Erschöpfung 1 Be-
hauptet wird weiter, dals die Zahl der verhängten Strafen und Ermahnungen
in den letzten Wochen gröfser gewesen sei als im ganzen ersten Viertel-
jahre zusammengenommen. Von Ärzten und Pädagogen wird bekanntlich seit
laogem erwogen, wie solchen Übelständen vorgebeugt werden könnte,
z. B. hat man eine andere Einteilung des Schuljahres vorgeschlagen, das
mit dem 1. Juli beginnen würde. Im Berliner Verein für Schulgesundheits-
pflege entstand gestern im AnschluDs an einige Vorschläge über Reformen
in der Einteilung des Schu]|jahres eine lebhafte Besprechung über die
Daner der Ferien im aUgemeinen. Dabei standen sich zwei Anschauungen
gegenüber. Die eine, vertreten durch Professor Dr. Baginsky u. a.,
wflnschte kürzere, aber häufigere Ferien, die viel mehr erfrischen
nnd geistig aufnahmefähig machen als lange Sommerferien mit kaum nennens-
14*
258
werten Pansen bis Weihnachten. Die andere, vertreten dnrch Oberlehrer
Weinbebg, war mehr fOr lange Sommerferien (möglichst acht Wochen)
und nur korze Unterbrechnng bis Weihnachten. Professor Weutbebo
führte zu seinen Gunsten besonders die Erfahrungen in Schweden an, wo
man mit Obergrofser Mehrheit sich ftbr lange Sommerferien erklärt habe,
da dann ein Landaufenthalt viel besser wirken könne. In Bayern hätten
die Schulen ja auch schon sieben Wochen. Gegen diesen Yorsclüag sprach
sich besonders der Schularzt Dr. Bebnhabdt aus. Die Eltern der Volks-
schaler wUrden sicherlich nicht damit einverstanden sein, denn die Kinder
verlottern in der Tat oft in solcher langen Zeit Fünf Wochen seien
durchaus genügend, zumal heute schon auch sehr viele Gemeindeschüler
aufs Land geschickt werden. Im übrigen wäre der richtige Grundsatz:
Kürzere, aber häufigere Ferien! — Zu einer Entscheidung ist man nicht
gekommen.
Ober die Folgen der zunehmendeii Knrzsichtigkeit der Schfiler
hSherer Lehranstalten fSr die Landesverteidignng sprach nach einer
Mitteilung der Tagesblätter in Berlin Hauptmann v. Ziegler. Er be-
rechnet, dafs der Armee jährlich 3000 Einjährige wegen Kurzsicbtigkeit
entgehen; das macht bei sieben Jahrgängen 21000 Führer von Zügen
bezw. Kompanien. Dieser Ausfall wiegt schwer, weil es sich um den
Ersatz von Reserveoffizieren handelt. Demgegenüber begründete Hauptmann
V. Ziegleb eine Reihe von Forderungen auf systematische Übungen im
Fernsehen. Er selbst hat darüber auf der Spandauer Militärschieisschule
und mit der I. Klasse einer Rummelsburger Gemeindeschnle Erfahrungen
gesammelt. Besonders sollten im Turnunterricht Sehübnngen getrieben
werden; z. B. Abschätzen von Entfernungen, Übungen im Sehen kleiner
Gegenstände, im schnellen Sehen von Gegenständen, die schneU vrieder
verschwinden, Abstecken von Flächen. Für alle diese Dinge braucht aber
keine besondere Stunde angesetzt zu werden, sondern es genügt der An-
schluDs an einige Fächer. Man soll besonders zur Selbsterziehung an-
leiten. Wünschenswert wären auch längere Ferien, eine längere Unter-
brechung der Unterrichtsstunden, Verlegung gewisser Unterrichtsstunden
ins Freie (bei günstigen Umständen), z. B. von Heimatkunde, Naturkunde,
Turnen, Zeichnen — was auch der Berliner Lehrerverein gefordert hat
Wie mitgeteilt wird, hat der Verein für Schulgesundheitspflege die Absicht,
sich mit der Frage weiter zu beschäftigen.
Kein Korsett mehr ffir Sehnlmädchen. In einem in einer öffent-
lichen Versammlung der Ortsgruppe Berlin des „Deutschen Vereins ftir
Volkshygiene" gehaltenen Vortrage über „Schule und Mädchen-
kleidung ** wurden die Nachteile besprochen, welche dem jugendlichen
Körper durch das Verhindern der Bewegungsfreiheit entstehen, und allge-
mein ein staatliches Verbot gegen das Korsettragen der Schulmädchen ge-
fordert. Eine Reihe junger Mädchen zeigten an ihrer Kleidung die ver-
schiedenen Arten einer gesundheitsgemäfsen und zweckentsprechenden
Schul- und Turnkleidung. Bemerkenswert war, dafs die meisten der an-
wesenden Damen in Reformkleidung erschienen waren; auch sah man viel-
fach eine sehr praktische Turnkleidung. Die Schwester der bekannten
Miüs DüNCAN stellte sogar zwei Mädchen in griechischer Tracht vor. Die
259
Eleidang bestand nach der „Nardd. AUgem. Zig,^ nur ans drei Stücken:
Hemdhose, Unterrock and äeid.
Die Schulhygiene in Charlottenbnrg, Die Tagesblätter teilen mit,
dals die grolsen Erwartungen, die im yorigen Jahre einige teils aasgeffthrte,
teils geplante Nenerungen der Charlottenburger Schnlverwaltong auf dem
Gebiete der Schulhygiene hervorriefen, sich vorderhand noch nicht er-
Men werden. Von der Yerstadtlichung der Ferienkolonien hat
der Magistrat nun ganz Abstand genommen, aber er hat auch dem Vor-
schlage der gemischten Deputation, mit dem Verein für Ferienkolonien
einen festen Vertrag abzuschließen und dadurch einen Einflufs auf die Be-
rücksichtigung einer ausreichend grofsen Zahl von Charlottenburger Kindern zu
gewinnen, nicht zugestimmt. Er ist lediglich bereit, den Beitrag der Stadt
Charlottenburg durch eine j&hrlich neu zu bewilligende Extrabeihilfe von
6000 Mark zu erhoben, unter der Voraussetzung, daCs der Verein wenig-
stens 500 ihm von der Schulverwaltung überwiesene Kinder einen Monat
Modarch in die Ferienkolonien schickt. Auch aus einer Erweiterung der
Waldschule wird vorläufig nichts, obwohl die gemischte Deputation, ge-
rade sie als einen Ersatz für die ausbleibende Verstadtlichung der Ferien-
kolonien vorgeschlagen hatte, und obwohl, wie kürzlich Stadtschulrat Neüfeb
versicherte, die allerbesten Erfahrungen mit dem Institut gemacht worden
sind. Es wird bei der einen Waldschule auch in diesem Jahre und so
lange bleiben, bis noch „weitere Erfahrungen" vorliegen.
Gehirnarbeit nnd Lebensalter. Dr. Dukey hat auf statistischem
Wege zu ermitteln versucht, welches Quantum von Gehimarbeit der Mensch
in den verschiedenen Lebensaltern ohne Überanstrengung zu leisten ver-
mag. Insbesondere kam es ihm darauf an, festzustellen, was der Jugend
während der ersten beiden Jahrzehnte des Lebens in dieser Hinsicht zu-
gemutet werden darf. Von der Ansicht ausgehend, dafs das Gehirn
ebenso wie die Muskeln erst allmählich durch eine richtig bemessene
Übung seine Fähigkeiten entwickelt, kommt Duket zu dem Schlüsse, daCs
es durch Überanstrengung nur geschwächt werden kann. Um nun einen
Maßstab dafür zu gewinnen, ob die Schulen die ihnen zugewiesene Jugend
überanstrengen, hat der Arzt zunächst eine Erhebung über die geistige
Arbeit junger Mädchen angesteUt. Seine Ergebnisse stellen folgende
Zahlen als das richtige Mala für die betreffenden Altersstufen fest:
5-8 Jahre 12 Stunden wöchentHch, 8—10 Jahre 18 Stunden, 10—12
Jahre 21, 11—14 Jahre 25, 14—15 Jahre 30, 15—16 Jahre 35,
16—17 Jahre 40, 17—18 Jahre 45, 18—19 Jahre 50 Stunden.
Tom- und Spielplätze in Berlin und Mfinchen. Das neueste
Heft der von den Eäten im preufsischen Kultusministerium Köpke und
Matthias herausgegebenen „Monatsschrift für höhere Schulen'* bringt in
einem Artikel von Rud. Lai^ge bemerkenswerte Angaben über das Vor-
handensein von Spielplätzen für die Jugend in den Hauptstädten der beiden
grölsten deutschen Bundesstaaten.
In Preufsen hat der Minister yok Gossleb bereits 1882 in einem Er-
lasse darauf hingewiesen, dafs es Sache der Schulaufsichtsbehörden sei, da-
fc zu sorgen, dals dem dringenden Bedürfhisse der Beschaffung und Ein-
riehtong eines geeigneten freien Turnplatzes bei den höheren Lehranstalten
260
möglichst bald Oenflge geschehe. Es scheint jedoch, daCs diesem änfeerst
segensreichen Erlasse nicht die gehörige Beachtung zuteil geworden ist.
Denn in der Reichshauptstadt Berlin sind, wie die „MonaissfArift" aus-
führt, unter den 33 städtischen höheren Schulen bis jetzt nur acht mit
einem Spiel- und Turnplatz versehen. Dagegen ist Mflndien auf diesem Ge-
biete der Stadt Berlin weit überlegen. In München ist, nach dem ofifiziellen
Bericht des dortigen Stadtschuhrats, seit dem Jahre 1890 kein Schnlhaus
mehr gebaut worden, das nicht über einen Spielplatz verfügte; in den
zwölf Jahren von 1890 bis 1902 haben sich die Spielplatzfii&chen in
München um 12 ha im Innern der Stadt vermehrt In Berlin ist nichts
Ähnliches geschehen. Zwar hat auf eine Eingabe des Berliner Turnlehrer^
Vereins, der neben jeder neu zu errichtenden TumhaUe einen zweckm&fsig
eingerichteten Turnplatz wünschte, die Deputation für das städtische Tum-
und Badewesen geantwortet, sie werde sich bemühen, dem Antrage nach
Möglichkeit Folge zu leisten. Aber in Wirklichkeit ist bei den Neubauten
höherer Lehranstalten in Berlin ein Erfolg nicht sichtbar geworden. Die
yt Monatsschrift*^ beklagt, dafe das neue Friedrichs- Werdersche Gymnasium^
das in Moabit erbaut werden soll, wieder nicht mit einem Spielplatz aus-
gerüstet wird. Ein ausreichender Platz stände zwar zur Veiffigung; aber
von diesem Gelände soll eben mehr als die Hälfte mit einer Doppel-
Gemeindeschule für Knaben und Mädchen bebaut werden, so daCs kein
Raum ftbr einen Spielplatz übrig bleibt. Wenn in der Tat die Dinge so
liegen, so sollten die städtischen Behörden in eine nochmalige Erwägung
darüber eintreten, wie dem beregten Übelstand abzuhelfen ist.
Der obli^torisehe Scbwimmunterrieht in der Volksscliide. Im
Auftrage und Verlag der „Deutschen Schwimmerschaft^ ist soeben eine
von Rektor LOTZ-Elberfeld verfafete Broschüre erschienen über die »Not-
wendigkeit und Möglichkeit des pflichtmäfsigen Schwimmunterrichts in der
Volksschule, vornehmlich der Industrie- und Gro&stadt^. Das wesentlichste
und nach dem Urteil ärztlicher Gröfsen geeignetste und wirksamste Gegen-
gewicht gegen die Schädlichkeiten des Industrie- und Groisstadtlebens ist
die Pflege körperlicher Übungen, die das Turnen, das Spielen in freier
Luft, das Schwimmen, das Wandern und Eislaufen uns bieten. Während
nun das Wandern und Eislaufen nur als gelegentliche Abwechslung im
Getriebe der Leibesübungen betrachtet werden können, sind das Turnen,
das Bewegungsspiel und das Schwimmen in ihrer gegenseitigen Wechsel-
wirkung und Ergänzung so recht geeignet, das Wesen der gesamten
Leibesübungen darzustellen. Von diesen drei vollkommensten Leibes-
übungen hat nun seither nur das Turnen in den Volksschulen allgemeine
Ausbreitung erlangt, während das Bewegungsspiel erst in den Anfängen
seiner Entwicklung steht. Dafs aber das Turnen allein mit seinen zwei
wöchentlichen Übungsstunden völlig unzureichend ist, den Körper des
Städtkindes nennenswert zu kräftigen, zu stählen und abzuhärten: diese
Erkenntnis ist wohl heutzutage allgemein. Der Lehrplan für die körper-
liche Erziehung unserer Jugend benötigt daher einer Ergänzung, und es ist
ganz natürlich, dafs die Auftnerksamkeit in erster Linie dem Sch?rimmen
sich zuwendet. Dafs solcher Unterricht bisher nicht erteilt worden ist,
findet seine Begründung vorzugsweise in der Tatsache, dafs es einerseits
261
an Schwimmgelegenheit fehlte, anderseits die bisherige Art und Weise des
Schwimmenlebrens solches Unterfangen unmöglich machte. Nachdem aber
alle Gro&stftdte, aach viele mittlere and sogar Kieinstädte in den beiden letzten
Jahrzehnten Hallenschwimmbäder errichtet haben, nnd nachdem in neuerer
Zeit auch die Methode des Schwimmunterrichts bedeutend yerbessert
worden ist, sind nun die Yorbedingungen fftr die Einfahrung solchen Unter-
richts erf&llt. In Elberfeld hat Lotz seit mehr als drei Jahren den
SchOlerschwimmunterricht in dieser Weise geleitet; hierbei sind von den
imgefthr 3000 Knaben mehr als 90% zu Freischwimmem ausgebildet
worden. Auch mit dem Mftdchenschwimmunterricht hat man seit Anfang
dieses Jahres begonnen und bereits die besten Erfolge erzielt. Wie yer-
lautet, beabsichtigt die Deutsche Schwimmerschaft, unter Beifügung der
Denkschrift, beim Kultusminister fflr alle diejenigen Orte, in denen Bade-
gelegenheit Yorhanden ist, die EinAlhrung des pflichtmäfsigen Schwimm-
unterrichts zu beantragen. ^
Über Orthoptdie und Sehnle schreibt Dr. Wahl -Mönchen im
^Bayer/ßTMÜ. Karrespondenghl'' (1905, Nr. 2). Der Autor stellt folgende
Leitsfttze auf:
1. Es gibt gewisse KOrpermiCsbildungen, die hinsichtlich ihrer Ent-
stehung bezw. Verschlimmerung auf den gegenwärtigen Schulbetrieb zurflck-
znfthren sind.
2. Die in dieser Hinsicht am meisten gefährdeten Körperteile sind
Wirbelsäule, Brustkorb und Becken.
3. In erster Reihe, sowohl was Häufigkeit als Gefährlichkeit der Er-
krankung anbelangt, steht der Schiefwuchs der Wirbelsäule.
4. Bei umfangreichen Untersuchungen von Schulkindern vmrden bis
zn 70% der Wirbelsäulen als von der ^ Norm abweichend befunden.
(Bardehheüsr-Göüi.)
5. Die Mädchen liefern einen grOlseren Prozentsatz als die Knaben.
6. Fälle Yon Schiefwuchs werden auch schon vor dem schulpflichtigen
Alter beobachtet, doch ist ein Ansteigen der Häufigkeit sowohl wie der
Schwere der Fälle mit dem Ansteigen der Klasse nachgewiesen (Kbüg,
SCHOLDEB und Gombb).
7. Angesichts der letzteren Tatsache ftllt der Schule die Aufgabe zu,
an der Yerhtttnng dieser professionellen Erkrankung in erster Linie mit-
zuwirken.
8. Als Hauptnrsache der hier in Betracht kommenden Formen von
Schiefwuchs ist neben der Disposition andauernde asymmetrische Haltung
der Wirbelsäule zu nennen.
9. Asymmetrische Haltung der Wirbelsäule wird begünstigt durch un-
richtige Konstruktion der Schulbank, schräge Heft- und Schriftlage,
k(^erliche und geistige Überanstrengung, Annahme ge?risser Haltungstypen
durch Innehaben ein und desselben Platzes während des ganzen Schuljahres,
einseitiges Tragen der Schulbflcher.
10. Als positive Punkte der Prophylaxe wären zu nennen : Kräftigung
der Wirbelsäule vor Beginn der Schulpflicht, ärztliche Untersuchung der
Wirbelsäule bei Eintritt in die Schule, ausgiebige Ausnutzung der Frei-
riertelstunde zu Körperbewegung, gröfste Aufmerksamkeit der
262
Klassen- und Turnlehrer aaf Zatagetreten auffallender
Körperhaltung, Verbot aller die Körperhaltung verdeckender Kleidungs-
stücke, wie der Matrosen- und Institutskragen, gröfsere BerQclEsichtigung
der speziellen Wirbelsäulengymnastik in und aufserhalb der Tumstonden,
Einschränkung der Sitzstunden bei schwächlichen und rekonvaleszenten
Kindern und während der ersten Schu^ahre, gründliche Revision der noch
heute für Mädchen geltenden £rziehungssysteme.
(Dr. med. OÖTZ-Mflnchen.)
Leitsktse fSr die üntersnehiing des Ohres in der Sehnle werden
von Prof. Dr. Bezold - Manchen im „Bayer. ärMtl, Korrespandenshl^
(1905, Nr. l) aufgestellt. Nach B. erwachsen der ärztlichen Tätigkeit in
der Schule für die Überwachung des Ohres folgende Aufgaben: Alle neu-
eintretenden Schulkinder sind auf ihr Hörvermögen zu prüfen und mit dem
Ohrenspiegel zu untersuchen; bei Kindern, die mit offenem Munde atmen,
müssen aufserdem Nase und Nasenrachenraum untersucht werden. Finden
sich Erkrankungen, die geheilt oder gebessert werden können, dann werden
die £ltem aufgefordert, das Kind der Behandlung zuzuführen. Kinder mit
Ohreneiterung dürfen die Schule so lange nicht besuchen, bis der Ausflufs
zum mindesten so weit gebessert ist, dafs er nicht mehr äuiserlich sichtbar
hervortritt. Speziell zu beachten sind diejenigen AUgemeinerkrankungen,
die häufig zu Ohrenleiden führen; das sind die akuten Infektionskrankheiten,
namentlich Masern und Scharlach, nach deren Ablauf die Kinder einer
genauen Ohrenuntersuchung zu unterziehen sind, und die Erkrankungen der
Nase und des Nasenrachenraums, insbesondere wenn sie eine Behinderung
der Nasenatmung bewirken. — Vor Schulvorständen und Lehrern sollen
von Zeit zu Zeit Vorträge über Gehör und Ohrenkrankheiten gehalten
werden. — Beim Eintritt des Kindes in die Schule haben die Angehörigen
einen Fragebogen über seinen Gesundheitszustand auszufüllen; in diesem
sind auch die vorausgegangenen oder noch bestehenden Erkrankungen des
Ohres anzufahren.
Für den Besuch der Normalschule ist eine beiderseitige Hörweite von
2 m für B'lüstersprache zu verlangen. Mit Kindern von geringerer Hör-
weite kann man einen Versuch in den Normalklassen machen; vermögen
sie mit den Vollsinnigen nicht gleichen Schritt zu halten, so werden sie
mit den hochgradig Schwerhörigen in eigenen Klassen vereinigt, die
nach den Grundsätzen der Hörklassen in den Taubstummeninstituten ein-
zurichten sind. Kinder, bei denen die Hörstörnng so bedeutend ist, dafs
der Unterricht von Mund zu Ohr unvollkommen bleibt, werden Taub-
stummenanstalten überwiesen. An den „Hilfsschulen für Schwachsinnige**
müssen getrennte Klassen für Schwerhörige und für wirklich Schwachsinnige
errichtet werden. (Dr. med. Göxz-München.)
Der gemeinsame Unterricht beider Geschlechter, der in den
kleinen Orten die Regel bildet, hat sich, wie die „iV. Lihr.-Ztg.^ mit-
teilt, auch in einer gröfseren Anzahl von Berliner Schulen erhalten. Wenn
von den zahlreichen Schulzirkeln und Vorbereitnngskursen für höhere Lehr-
anstalten abgesehen wird, sind es in erster Linie die 25 katholischen Ge-
meindeschulen, wo sich der für beide Geschlechter gemeinsame Unterricht
in den Unter- und vereinzelt auch in den Mittelklassen erhalten hat. Der
263
Gnmd li^ darin, dab bei einer Trennung die betreifenden Klassen fiel
n schwach besetzt sein würden. Ans demselben Gmnde ist anch in den
Nebenklassen für schwachbefähigte Kinder der gemeinsame Unterricht
flblich geworden. An einer Gemeindeschule wurden bisher selbst in den
oberen Klassen Knaben und Madchen zusammen unterrichtet; dazu sind
in neuerer Zeit noch zwei andere getreten, bei denen die Mischung der
Geschlechter bis in die oberen Klassen reicht. Nachteile oder Übelstände
haben sich aus dieser Einrichtung nicht ergeben.
Co-Edneation. Die kleine Stadt Langenschwalb ach besitzt ein
Gynmasium für Knaben und Mädchen bereits seit einer Reihe von Jahren ;
bßide Geschlechter genielsen den Unterricht gemeinschaftlich und — honny
seit, qui mal y pense — in drei Klassen ist der „primus** weiblich. Wie
wir den „IVauenhestrebungen^ entnehmen, konstatieren die Lehrer, daCs
der gemeinschaftliche Unterricht von Knaben und Mädchen keinerlei oder
doch nur sehr unbedeutende Schwierigkeiten macht, ebenso sind die Eltern
mit den Resultaten des Unterrichts äuCserst zufrieden. Nach uns gemachten
Angaben handelt es sich um ein Yollgymnasium.
Auch das humanistische Gymnasium in Ulm nimmt Mädchen unter
denselben Bedingungen wie Knaben auf. Die ErfahruDgen, die man bis
jetzt dort gemacht hat, werden als günstige bezeichnet.
Der Zasammenhug cwisehen Zahnaffektionen und Liin|;en-
ipitzentuberknlose. In der ^Niederländ. Zeiischr. f. HeUhde^ (1904,
S. 609) teilt Dr. Reinders mit, dals er, früher immer ganz gesund, an
Longentuberkulose erkrankte, nachdem er monatelang an einer Vereiterung
im Munde gelitten hatte, welche entstanden war in Zusammenhang mit dem
Weisheitszahne unten rechts. Seine tuberkulöse Lungenaffektion ist eine
beinahe aussdiliefelich rechtseitige. Ein Jahr später litt er an Periodon-
titis eines grofsen Zahnes im rechten oberen Kinnbacken, und kurz nachher
uurde der Auswurf aus der Lunge massenhafter. Sowohl der Zahnschmerz
wie das Sputum yerschwand wieder, aber der Auswurf trat wieder auf und
blieb während einiger Wochen, als der Zahn wieder zu schmerzen anfing,
bis derselbe schlie&lich entfernt wurde.
Angeregt durch diese Tatsachen, untersuchte Dr. Reindebs die 64
Patienten, welche sich vom 1. Juni bis zum 6. Juli 1904 im niederlän-
dischen Yolkssanatorium zu Hellen doorn befanden, um einen allfälligen
Zosammenhang zwischen Zahn- und Lungenleiden zu finden. Bei neun
Pitienten fand er in der Tat Zahnschmerzen auf einer Seite (einmal mit
eitriger Mittelohrentzündung) und Lungenleiden entweder ausschlieislich oder
hauptsächlich an derselben Seite.
Bei 14 anderen Patienten war das Zahnleiden hauptsächlich einseitig
nnd bei zwölf von ihnen das Lungenleiden auch in der Hauptsache auf
derselben Seite.
Bei 23 Patienten waren Zahn- und Lungenleiden beiderseitig.
In elf Fällen konnte kein Zahnleiden konstatiert werden, und in den
sieben übrigen Fällen war entweder das Dasein des Zahnleidens oder das
des Lungenleidens sehr zweifelhaft.
Bei den meisten der erstgenannten 46 Patienten hatte sich das
Lnngenleiden zu gleicher Zeit mit dem Zahnschmerz entwickelt oder einige
264
Zeit nacbher» oder der LüngenprozeCB wnrde schlimmer nach Beginn des
Zahnleidens.
In drei Fällen wurde im Sanatorium selbst knrze Zeit nach einer
akuten Periodontitis eine Yerschlimmemng des Lungenleidens an derselben
Seite konstatiert.
Dr. Redtdebs gibt fOr die von ihm konstatierten Tatsachen folgende
Erklärung:
Es ist bekannt, dafs sekundäre Infektionen, namentlich die durch
Streptokokken bedingten, einen groben Einflufs auf den Verlauf der Lungen-
tuberkulose haben. Bei Zahnentzflndungen, welche gewöhnlich von Strepto-
kokken yerursacht werden, können die Bakterien durch die Lymphwege
des Halses nach der Lunge abgeführt werden und in der Weise eine Ver-
schlimmerung eines yon Tuberkulose angegriffenen Organteiles zustande
bringen.
Es scheint, dais diese Beobachtung von Dr. Reinbebs, vorausgesetzt,
dab sie auch von anderer Seite bestätigt wird, fftr die Schulgesundheits-
pflege von gro&em Wert ist.
Die Untersuchungen der letzten Zeit haben nämlich gezeigt, dab
die flbergrobe Mehrzahl (hier und da sogar 90%) der Kinder in den
Elementarschulen ein krankhaftes GebiTs besitzt. Von mehr als einer Seite
hat man die Aufmerksamkeit der Schulärzte auf dieses Übel gelenkt, und
in einigen Orten hat man sich sogar entschlossen, Schulzahnkliniken zu
grfinden, wie z. B. in Strafisburg, Essen und Darmstadt.
Von befugter Seite wurde besonders die Aufmerksamkeit auf die
Tatsache gelenkt, dafs die Verdauung leiden muis, wenn die Zähne nicht
in Ordnung sind, und dafs daher der allgemeine Zustand des Schulkindes
viel zu wünschen flbrig lassen wird. Wflrden die Beobachtungen von
Dr. Rbinbebs bestätigt, dann wird man noch besser als zuvor den grofeen
Wert eines guten Gebisses fOr das Schulkind, und ebenso für die ganze
Menschheit ans Licht bringen können.
Im grofsen Kampfe gegen die Tuberkulose wird dann die Sorge fDr
gesunde Zähne einen bedeutenderen Platz einnehmen, als es bis jetzt ge-
schehen ist. (Dr. med. J. M. G. MouTON-Haag.)
Sajessefditditltdies.
Die VI. Jahresyersammlnng der sehweüerischen Gesellschaft
für Schnlgesnndheitspflege findet Sonntag und Montag, den 14. und
15. Mai 1905 in Luzern statt. Das Programm lautet folgendermafsen :
Sonntag, den 14. Mai, in der Aula des Kantonsschulgebäudes,
vormittags 10 Vs Uhr: I. Hauptversammlung.
1. Eröffnungswort des Präsidenten des Organisations-
komi te es, Begierungsrat Dübing, Erziehungsdirektor des
Kantons Luzern.
265
2. Heizung and Ventilation von Scbulhänsern und Turn-
hallen. Referent Ingenieur Reinhabd von der Firma Gebr.
Sulzer, Winterthur. Korreferent: Dr. 0. Roth, Professor der
Hygiene am eidgenössischen Polytechnikum in Zürich.
Nachmittags 3 Uhr: 11. Hauptversammlung.
Die Pflege der LeibesObungen im nachschulpflich-
tigen Alter. Referenten: Rektor Dr. Flatt, Basel, und Joh.
SPüHiiEB, Lehrer an der höheren Töchterschule in Zürich.
Montag, den 15. Mai, in der Aula des Eantonsschulgebäudes, yor-
mittags 8 Uhr: Jahresgeschafte ; 8Va Uhr: HI. Hauptversammlung.
Die Schularztfrage auf Grund bisheriger Erfah-
rungen. Referent: Dr. med. Feibde. Stockes, Luzem. Kor-
referent: Dr. med. Teechsel, Schularzt, Locle.
Die Tl. Jahresyeraammlnng des AUgemeinen dentsehen Vereins
fitr Sebnlgesnndbeitspflege findet vom 13.— 15. Juni 1905 in Stutt-
gart im Landesgewerbemuseum statt.
Dienstag, den 13. Juni, abends: Empfang im Stadtgarten.
Mittwoch, den 14. Juni: Eröffnung der Versammlung, vorm. 9 Uhr.
I. Offizielle Begrülsungsansprachen.
II. Vortrag: Anfang und Anordnung des fremdsprachlichen Unter-
richts. Pädagogischer Referent: Dr. phil. Vietoe, Professor an
der Universit&t Marburg. Medizinischer Referent: Dr. med. Jagee,
Arzt in Schwäbisch-Hall.
Donnerstag, den 15. Juni, morgens 8 Uhr:
I. Gesch&ftssitzung: a) Satzungen; b) Neuwahl des Vorstandes;
c) Antrag der Ortsgruppe Stuttgart, die Schulbankfrage betreffend; d) Un-
II. Vorträge: 1. Über Schüleruntersuchungen. Ärztliches Referat:
Dr. med. Gastpae, Stadtarzt in Stuttgart. 2. Der ungeteilte Unterricht
(Kürzung der einzelnen Unterrichtsstunden und Verlegung des Unterrichts
auf den Vormittag). Pädagogische Referenten: a) für höhere
Schulen, Oberrealschuldirektor Dr. HiNTZMANN-Elberfeld; b) für Volks-
schulen, Rektor Müllee - Eilenburg. Medizinischer Referent:
Dr. med. et phil. Willy Hbllpach, Nervenarzt in Karlsruhe.
Spielknrse zur Ansbildung von Lehrkräften. Der Zentralausschufs
tOr Volks- und Jugendspiele in Deutschland hat die diesjährigen Spielkurse
wie folgt festgesetzt:
1. Für Lehrer: a) Aachen, 13. — 17. Juni, anzumelden beim Stadt.
Turnlehrer J. Velz; b) Altena a. E., 26. — 30. April, Turninspektor
Kabl Mölleb; c) Bonn a. Rh., 4. — 10. Juni, Sanitätsrat Dr. F. A.
ScH3ra>T; d) Braunschweig, 4. — 10. Juni, Gymnasialdirektor Prof. Dr.
Koldewey ; e) Frankfurt a. M., 13. — 19. Juni, Tuminspektor W. Weiden-
busch ; f) Hamburg, 1. — 7. April, Lehrer Eekst Fischee, Hamburg-
Eilbeck, Hasselbrookstraise 13; g) Haspe i. Westf., 4.— 10. Juni, Real-
schuldirigent Dr. Nbtjendoefp ; h) Ohrdruf, 19. — 26. Juli, Landrat
WiLHASH.
2. Für Lehrerinnen: a) Altena a. E., 9. — 15. April, anzumelden beim
Tonunspektor Kabl Möllee; b) Bielefeld, 4. — 10. Juni, Obertumlehrer
266
Fe. Schmale; c) Bonn a. Rh., 16.— 20. Juni, SanitÄtsrat Dr. F. A.
SCHMIDT; d) Braunschweig, 12. — 17. Juni, Tnrninspektor A. Hebmann;
e) Crefeld, 22.-27. Mai, Turnlehrerin Fri. Martha Tübm; f) Frank-
furt a. M., 25.— 30. September, Turninspektor W. Wbidenbüsch;
g) Hamburg, 1.— 6. Mai, Lehrer E. Fischer, Hamburg-Eilbeck, Hassel-
brookstra&e 13; h) Zweibrücken, 15.-19. Juli, Lehrer Fritz Bühlbr.
Mafsnahmen gegen die Weiterverbreitiing der epidemischen
Genickstarre dnrch die Schale werden ver^chiedenerorts durch die
österreichischen und die preufsischen Behörden vorgeschrieben.
In einem allgemeinen diesbezüglichen Erlafs der k. k. schlesischen
Landesregierung vom 13. April d. J. werden u. a. auch die Schulleitungen
beauftragt, dem Gesundheitszustande der Schüler ein erhöhtes Augenmerk
zuzuwenden und darauf zu achten, dafs bei allen, wegen Krankheit Yom
Schulunterrichte fembleibenden Kindern die Natur der Erkrankung
„ehestens im Wege des Gemeindeamtes" ärztlich festgestellt werde. Zög-
linge von Erziehungsanstalten, welche aus infizierten Gemeinden Preufsisch-
Schlesiens oder anderer Länder stammen und die Osterferien zu Hause
verbringen, sind zu verhalten, bei ihrer Rückkehr ein gemeindeamtliches
Zeugnis beizubringen, dafs weder in ihrer Familie noch unter den übrigen
Hausgenossen Erkrankungen an Genickstarre vorgekonmien sind. {vJ^cis
österr. Saniiäiswesm*' , 1905, Nr. 16.)
Durch einen Erlafs des Oberpräsidenten der Provinz Schlesien
wird u. a. folgendes verordnet : § 3. „Die erkrankten Personen sind, so-
weit als tunlich, von anderen abgesondert zu halten. Kinder aus einem
Hausstand, in welchem ein Fall jener Krankheit (epidemische Genickstarre)
sich ereignet, sind vom Schulbesuche fem zu halten. Die Vorschriften,
welche in der zur ministeriellen Zirkularverfügung vom 14. Juli 1884,
betreffend die Schließung der Schulen bei ansteckenden Krankheiten, bei-
gefügten Anweisung hinsichtlich der zu Ziffer la daselbst genannten Krank-
heiten gegeben sind, haben auch auf den epidemischen Kopfgenickkrampf
sinngemäfse Anwendung zu finden.**
Unter den Mafsnahmen, die nach Feststellung des Aus-
bruchs der Krankheit zu treffen sind, kommen hier folgende in
Betracht :
7. »Die Kinder aus dem Haushalte, zu dem der Kranke gehört, sind
vom Besuche der Schulen, Kleinkinderbewahranstalten, Kindergärten, des
Konfiirmandenunterrichts und ähnlicher Zusammenkünfte vieler Kinder für
die Dauer der Erkrankung bis zur Schlufsdesinfektion auszuschliefsen. Hat
die Überführung in ein Krankenhaus stattgefunden, so soll die AusschlieCsung
14 Tage lang nach Ausführung der Wohnungsdesinfektion dauern.''
„Das gleiche gilt, wenn es die besonderen Umstände des Falles
nach dem Gutachten des Kreisarztes erfordern, für alle oder einen Teil
der Kinder, die in demselben Hause wie der Kranke wohnen.**
8. „Bei Todesfällen an der ansteckenden Genickstarre sind die Be-
teiligung der Schulkinder an den Trauerfeierlichkeiten, ferner Versamm-
lungen im Trauerhause, Leichenschmäuse und das Tragen der Särge zu
verbieten. {„Techn. Gemeindebl'' 20. Aprü 1905, Nr. 2, Jahrg. VIII.)
267
Der Unterriclifsplaii am 6ym]ia8inm zn SeUedam (Holland).
In dieser Zeiisckriß (Jahrg. 1904, S. 507) teilten wir mit, dafe man zu
Leiden einen Versuch macht, die Unterrichtszeit soviel wie möglich in
die Morgenstunden zu verlegen. Diese Mafsregel hat die Aufmerksamkeit
der Schulbehörden des Gymnasiums zu Schiedam auf sich gezogen, weil
sie der Meinung waren, dals die dort bestehende Stundeneinteilung weder
f&r die Schfller noch für den Unterricht günstig sei. Es ist hier nämlich
der ganze Morgen und auch der Nachmittag von Unterrichtsstunden ein-
genommen, wobei der Schüler aufserdem den gröfsten Teil des Abends
seinen Schularbeiten zu Hause widmen mufs; es bleibt ihm auf diese
Weise keine Zeit, um irgendwelche Liebhabereien zu treiben oder körper-
lichen Übungen und freiem Studium obzuliegen. Deshalb finden die Be-
hörden diese Einteilung sowohl hygienisch als pädagogisch falsch : hygienisch,
weil der Schüler beinahe den ganzen Tag geistig angestrengt ist, und
pädagogisch, weil durch diese Belastung mit Schularbeit die Lust und
Fähigkeit zu selbständigem Studium, die sich auf dem Gymnasium ent-
wickeln sollen, geradezu unterdrückt werden.
Da nun nach einer Mitteilung des Rektors des Gymnasiums zu Leiden
die neue Einteilung sich als sehr praktisch erwies, so machten die Schul-
behörden in Schiedam beim Rektor und den Lehrern, welche sich hierfür
gerne zur YerfQgung stellten, den Vorschlag, den Schülern behilflich zu
sein, ihre freien Nachmittage nützlich zuzubringen, und stellten im Ge-
meindevorstand den Antrag, vorläufig als Probe, die Unterrichtsstunden je-
weilen auf 8'A bis 12V4 Uhr anzusetzen, mit Ausnahme der Montage und
Donnerstage, an denen der Unterricht morgens von 8'A bis ll'A Uhr
und nachmittags von 1 bis 4 Uhr stattfinden solle.
Obgleich der Bürgermeister und Beigeordnete dem Antrage nicht bei-
stimmen konnten, entschied sich der Gemeindevorstand in seiner Mehrheit
ftbr die neue Ordnung der Dinge am Gymnasium. Dem Rektor des Gym-
nasiums zu Schiedam verdanken wir nun die liebenswürdige Mitteilung,
dais jetzt die Unterrichtszeiten von vier Stunden nach Verflufs der ersten
zwei Stunden durch eine Pause von 20 Minuten unterbrochen wird, welche
die Schüler im Freien zubringen ; erlaubt dies das Wetter nicht, so macht
man nach der zweiten und nach der dritten Stunde eine Pause von je
10 Minuten, wobei dann die Schüler im Schullokal bleiben. Die Schiü-
zeiten von drei Stunden am Montag und Donnerstag werden nach Beendi-
gung der zweiten Stunde durch eine Pause von 10 Minuten unterbrochen,
die je nach dem Wetter entweder draufsen oder in der Schulstube zu-
gebracht wird. Manchem wird hierbei die freie Zeit von 11% bis 1 Uhr
an diesen Tagen viel zu kurz erscheinen, um erst nach Hause und dann
wieder zur Schule zu gehen und aufserdem noch zu essen. Hierzu ist
aber zu bemerken, da(s man in Holland erst um 5 oder 6 Uhr zu Mittag
i&t und zwischen 12 und 1 Uhr nur ein zweites Frühstück (Butterbrot
und Milch, Schokolade oder Kaffee) zu sich nimmt. Aufserdem ist
Schiedam eine kleine Stadt und sind fünf Viertelstunden also mehr als
genügend. (Dr. med. J. M. C. MouTON-Haag.)
Ein obligatorischer freier Spielnaehmittag fSr die Schiller
aOor Sehalon wird immer aUgemeiner gefordert. Der „Verein für Jugend-
268
und Yolksspiele" in Leipzig hat bereits alle Schnlverwaltangen um Er-
örterungen über den obligatorischen freien Spielnachmittag, der ja auch mit
der ungeteilten durchgehenden Unterrichtszeit in engster Beziehung steht,
ersucht, und auch der Verein ftlr Schnlgesundheitspflege ist der Frage
schon näher getreten an einem entsprechenden Vortragsabend mit Handels-
hochschuldirektor Prof. Raydt als Referenten. Vor kurzem hat nun die
Leipziger Sektion des „Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege" eine
öffentliche Versammlung veranstaltet, in welcher Prof. Dr. E. Kohlrausch
aus Hannover das Referat über diese Frage hielt. Wie die y^Ldpe. Zig,^
mitteilt, schilderte K. zuerst Anfänge und weitere bisherige Entwicklung
der Bestrebungen, die auf Einführung von Jugendspielen im Freien hin-
zielen, und erläuterte sodann die in dieser Beziehung vom Zentralausschuls
für Jugendspiele aufgestellten Leitsätze, die insbesondere den hohen ge-
sundheitlichen und erzieherischen Wert der Jugendspiele betonen und die
Forderung aufstellen, dals die Schule selbst diese Spiele regeln, durch-
führen und überwachen soU.
Der Vortrag rief einen lebhaften Meinungsaustausch hervor, der
zur Annahme folgender Erklärung führte: „Die am 21. März in der
Aula der städtischen höheren Mädchenschule stattgehabte Versammlung
beauftragt den Vorstand der Sektion Leipzig des Deutschen Vereins
für Schulgesundheitspflege im Anschlufs an den Vortrag des Herrn
Prof. Dr. EoHLBAüSCH und die ihm nachfolgende allseitige Aussprache,
an den Rat der Stadt Leipzig das Gesuch zu richten, zunächst an einigen
besonders hierfür geeigneten Schulen einen obligatorischen freien Spiel-
nachmittag einzurichten, aber zu gestatten, daCs an Stelle des Spiels auch
geeignete anderweitige Beschäftigungen (Wanderungen, Turnmärsche,
Schwimmen, Schlittschuhlaufen usw.) treten dürfen, wie dies auch der
Beschluls des Zentralausschusses für Jngendspiele vorsieht.^
Kinderansflfige in Berlin. Zur Weiterverbreitung dieses seit
mehreren Jahren bestehenden Unternehmens hat sich, wie die y^Deuische
Warte"' mitteilt, kürzlich in Berlin ein Verein unter dem Namen
„Einderausflüge" gebildet Derselbe bezweckt, besonders bedürftigen
und schwächlichen Kindern der Volksschulen allwöchentlich einmal Gelegenheit
zu Wanderungen in die freie Natur zu geben, um dadurch die Kinder
körperlich und seelisch zu stärken und die Liebe zur Natur in ihnen zu
entfalten. Jede Einderabteilung besteht aus 12 — 15 Knaben und Mädchen
im Alter von 8 — 14 Jahren, die unter Leitung von zwei freiwilligen
Hilfskräften die Ausflüge machen. Die Helferinnen sind Frauen und
Mädchen gebildeter Kreise. Im vergangenen Sommer sind neun Abtei-
lungen eingestellt worden; jede von ihnen hat 28 — 30 Wanderungen ge-
macht. Jede Abteilung hatte ein anderes Ziel, so dafs die Uniformität
des Massenbetriebs vollständig vermieden wird. Die Beförderung der
Kinder erfolgt per Stadtbahn, als Rastpunkte werden meist die Grunewald-
seen, deren Ufer sich ja auch zum Botanisieren am besten eignen, gewählt. Die
Kosten für Milch, Verproviantierung und Beförderung trägt der Verein;
der Proviant wird von den Helferinnen besorgt. In diesem Frühjahr liegt
die Absicht vor, neue Abteilungen einzustellen und so die Zahl der Teil-
nehmer wesentlich zu erhöhen.
269
Ein Hneitgeltlielies Braaseliad yerabfolgt die Gemeinde Grnne-
wald ihren Mitgliedern in ihrem neuen Gemeindeschalhans, Torläufig jeden
Donnerstagabend. Wie die „ Vossische Ztg." mitteilt, hat die Gemeinde
in dem neuen Schnlhaase, das mit einem Kostenanfwande von 483600 Mark
errichtet (damnter fOr Grand und Boden 156000 Mark) and am 1. April
eingeweiht wnrde, neben den Badeeinrichtongen fQr die Schfller auch eine
solche für erwachsene Gemeindemitglieder vorgesehen. Mit der Schale ist
eine Volksbibliothek and ein Lesezimmer verbanden, das ebenfalls Don-
nerstagabend (von 7 — 9 ühr) zar anentgeltlichen Benatzang geö&et wird.
Eine Sappenanstalt fOr Kinder, deren Eltern znr Mittagszeit nicht
nach Hanse kommen, wnrde vor karzem in der Fröbelschale in Frank-
furt a. M., Kristelerstralse, eröffnet. — In den Einderhorten warden im
Torigen Jahre 96000 Portionen Sappe an Kranke verteilt.
Der Stiftung cnr Unterstfltznng armer Kinder, die von dem
1889 verstorbenen ELaafmann LüDvna Hauswalbt mit einem Kapital
TOD 30000 Mark za dem Zwecke begründet worden ist, armen Schal-
kindern znr Winterszeit ein warmes Frühstück za verabreichen, sind, wie
die Brannschweiger Tagesblätter mitteilen, von dem kürzlich verstor-
benen Brnder des Stifters, Kasl HaüSv^aiiBT, ebenfalls 30000 Mark
testamentarisch vermacht worden.
Eine Ansstellnng von Lehrmitteln f&r Mensclienknnde nnd
fiesuidheitslehre sowie der einschlägigen Literatar soll in der Zeit vom
5. bis 18. Jnli d. J. von der Abteilang für Scholgesandheitspflege des
Leipziger Lehrervereins im städtischen Kanfhaase za Leipzig veranstaltet
werden. Die Ansstellang ist, wie wir dem j^Leipe. TagebL^ entnehmen,
Ton dem Rate and der Schalbehörde der Stadt Leipzig genehmigt worden
nnd wird von ihnen in der entgegenkommendsten Weise nnterstützt. Sie
soll vornehmlich den Zweck haben, den gegenwärtigen Stand des Lehr-
mittelwesens anf dem bezeichneten Gebiete zor Darstellnng za bringen, am
eine allgemeinere nnd sachgemäfsere Würdigang des menschenknndlichen
Unterrichtes herbeiznführen, dann aber aach auf noch vorhandene Lücken
aufmerksam machen nnd die Erfindertätigkeit im Interesse dieses Schnl-
fitöhes anregen. Insbesondere sollen aach die Lehrer Anregnngen and
Fingerzeige erhalten, in welcher Weise sie dorch Zeichnnngen, darch Her-
stellong einfacher Modelle und darch entsprechende Experimente den
Unterricht in dieser wichtigen Disziplin fördern können.
270
}ltittli4ie ))erfti0tttt)en.
SieherbeitsvorkehriiDgen bei ScbUleryorstelliuigen.
Bezirksschulrat
der k. k.
Reichshaupt, und Residenzstadt y^^ ^ ,3 ^^ 19Q5
Wien. *^
Z. 545 ex 1904.
An sämtliche Schalleitnngen.
Der Bezirksschulrat der Stadt Wien hat sich hestimmt gefunden,
nachstehende Grundsätze, nach welchen Ansuchen um die Bewilligung oder
Förderung von Schaustellungen, Vorstellungen, Vorträgen, Konzerten und
anderen Veranstaltungen für Schulkinder in Hinkunft der Beratung und
Beschlulsfassung zugefohrt werden sollen, aufzustellen:
1. Der Bezirksschulrat wird in Hinkunft Ansuchen, dahingehend,
Schaustellungen, Vorstellungen, Vorträge, Konzerte, Vorführungen von
Lichteffekten in Theatern und diesen gleichzuhaltenden Räundichkeiten fClr
schulpflichtige Kinder zu fördern, nur dann in Beratung ziehen, wenn akten-
mäfsig nachgewiesen ist, dafs die Bewilligung k. k. n.-ö. Statthalterei oder
der k. k. Polizeidirektion zur Veranstaltung erteilt worden und die Über-
wachung durch die k. k. Polizei und das Stadtbauamt sichergestellt ist.
Im Falle einer zustimmenden Erledigung eines solchen Ansuchens durch
den Bezirksschulrat ist in der Verlautbarung an die Schulleitungen aus-
drücklich zu sagen, dafs trotz der grundsätzlichen Genehmigung des An-
suchens die Schulkinder nur dann zum korporativen Besuche, sei es auch
nur durch Anbringung von Ankündigungen im Schulhause oder durch Ver-
teilung von Eintrittskarten oder Anweisungen angeregt werden dürfen,
wenn für ihre Beaufsichtigung durch Lehrpersonen der jeweiligen Anstalt
vorgesorgt ist.
2. Gesuche an den Bezirksschalrat, dahingehend, Schaustellungen,
Vorstellungen usw. zu fördern, die in Konzert- oder Gasthaussälen oder
gleichartigen örtlichkeiten für Schulkinder ahgehalten weiden sollen, werden
nur dann in Beratung gezogen, wenn aktenmäfsig nachgewiesen ist, dals
seitens der k. k. Polizei und des zuständigen magistratischen Bezirksamtes
die Bewilligung erteilt und die Überwachung der Veranstaltung durch
Organe dieser Stellen sichergestellt und namentlich bei Vorführung von
Lichteffekten (Skioptikon, Kinematographen), ein ausgerüsteter Feuerwehr-
mann anwesend ist. im Falle der zustimmenden Erledigung eines solchen
Ansuchens durch den Bezirksschulrat ist ausdrücklich zu sagen, dafs die
Schulkinder trotz der grundsätzlichen Genehmigung des Ansuchens nur
dann zum Besuche angeregt werden dürfen, wenn für ihre Beaufsichtigung
durch Lehrpersonen der jeweiligen Anstalt vorgesorgt ist.
271
3. Ansuchen yoq schulfremden Personen, in Schnlrftnmlichkeiten Vor-
stdlongen irgendeiner Art gegen ein bestimmtes oder freigestelltes Eintritts-
geld abhalten zn dürfen, sind in Hinknnft unbedingt abzuweisen.
4. Von Lehrkörpern ausgehende Ansuchen, dahingehend, der Bezirks-
schnlrat bewillige, dab in SchulBftlen Schaustellungen, Yortrftge, musikalische
AnfitÜirungen, Vorführungen von Lichteffekten (SJdoptikon, Einematographen)
und dergleichen fftr Schulkinder und Erwachsene abgehalten werden dürfen,
sind mit der Zustimmung des magistratischen Bezirksamtes vom Stand-
pimkte der Sicherheit der Teilnehmer zu belegen. Im Falle der Bewilligung
eines derartigen Ansuchens sind die Veranstalter fOr die Durchführung der
erforderlichen Sicherheitsmafsregeln ausdrflcklich verantwortlich zu machen.
5. In allen diesen Fällen bleibt es dem Bezirksschulrate anheim-
gestellt, seine Entschlttsse von der Erwägung abhängig zu machen, ob den
Kindern aus der geplanten Veranstaltung ein erziehlicher Nutzen erwachse
und ihnen nicht die innere Sammlung genommen werde, die zur Erfüllung
ihrer Pflichten gegen die Schule im Eltemhause erforderlich ist.
6. Bei den üblichen Schulfesten und Schulfeierlichkeiten, die einer
besonderen Bewilligung durch den Bezirksschulrat nicht unterliegen, femer
bei Vorführung von Lichtbildern für mehrere Elassenabteilungen obliegt
es dem Lehrkörper und in erster Linie dem Schulleiter, für die Sicherheit
der Kinder zn sorgen; sie haben unter Würdigung der in den Gutachten
des Stadtbauamtes und des Feuerwehrkommandos enthaltenen Batschläge
die den örtlichen Verhältnissen entsprechenden Vorkehrungen zu treffen,
gegebenen Falles sich deren Unterstützung zu sichern.
7. Die in den Punkten 1 bis einschlieislich 6 aufgestellten Grund-
sätze beziehen sich auf die öffentlichen Volks- und Bürgerschulen. Die
Leitungen der Privat- Volks- und Bürgerschulen (Lehr- und Erziehungs-
anstalten) haben bisher die Bewilligung des Bezirksschulrates zu den von
fluaen veranstalteten Vorstellungen, Vorträgen usw. nicht eingeholt. Es
liegt auch kein Anlafe vor, diese Bewilligung als erforderlich zu erklären,
insolange diesen Veranstaltungen der interne Charakter gewahrt bleibt,
womit zugleich gesagt sein soll, dab die Inhaber und Leiter dieser An-
stalten für die Sicherheit der Kinder in vollem Umfange verantwortlich sind.
Hiervon wird die SchuUeitung unter Anschlufis des Gutachtens der
k. k. Polizeidirektion, des Stadtbauamtes und des Feuerwehrkonunandos zur
genauen Damachachtung in Kenntnis gesetzt.
Vom Bezirksschulrate der Stadt Wien.
Der Vorsitzende-Stellvertreter:
GüaLEB.
SebidgeBnndheitspflege. XVIII. 15
272
Brlafs von 15. Hin 1905, betreffend die Besiehti^ugen der den
ProTincial-Sehnlkollegien nnterstellten hSheren Lehranstalten dnrch
die Kreisirste.
Die Dienstanweisang fbr die Kreisärzte vom 23. März 1901 (ZeDtral-
blatt fOr die gesamte ünterrichtsYerwaltung von 1902, S. 217 ff.) bestimmt
im § 94, Abs. 7, dafs die den ProTinzial-ScbnlkoUegieD nntersteUten
boheren Lehranstalten nor auf Grand besonderen Auftrages einer Be-
sichtigung zn unterziehen sind. In Ausführung dieser Bestimmung wird
folgendes angeordnet:
1. Der Auftrag zu solchen Besichtigungen ist den Ejreis&rzten auf
Ersuchen des Königlichen ProTinzial-SchulkoUegiums durch den Regienmgs-
prftsidenten zu erteilen. In dringenden Fällen ist der Anstaltsleiter, bei
nichtstaatlichen Anstalten auch der Patron befugt, den Kreisarzt um eine
gutachtliche Äufeerung Aber hygienische Angelegenheiten der Schule zu
ersuchen. Trftgt dieser Bedenken, dem Ersuchen zu entsprechen, so hat
er dem Regierungspräsidenten Bericht zu erstatten, welcher erforderlichen
FaUes nach Benehmen mit dem Königlichen Provinzial-Schulkolleginm das
Weitere veranlafst.
2. Bei der Ausarbeitung von Neubau- und ümbauplAnen ist dem
Kreisarzt in der Regel Gelegenheit zur Äulserung zu geben, am zweck-
m&isigsten in der Weise, dafe der Anstaltsleiter, mit welchem der Bau-
beamte in jedem Falle in Verbindung tritt, eine gemeinsame Besprechung
unter Zuziehung des Kreisarztes veranlafst.
3. Im flbrigen ist es mir erwünscht, dafis mit der hygienischen Unter-
suchung der Verhaltnisse der höheren Lehranstalten durch die Kreisärzte
angefangen und diese in einem Zeitraum Ton fOnf Jahren allmählich durch-
geführt wird. Die Berichte über das Ergebnis dieser Untersuchungen
sollen die in hygienischer Hinsicht sich ergebenden Beanstandungen ent-
halten und sind durch den Regierangspräsidenten dem Königlichen Prorinzial-
Schulkollegium zu übermitteln.
Bis zum 1. April 1910 sehe ich einer Anzeige über die Ausführung
dieses Erlasses und die dabei gemachten Erfahrangen entgegen.
(Unterschrift.)
An die Königlichen Provinzial-Schulkollegien.
Abschrift übersende ich Ew. Hochwohlgeboren zur Keuntnisnahme
und Beachtung.
Berlin, den 15. März 1905.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal -Angelegenheiten.
In Vertretung.
Wevbb.
An die Herren Regierungspräsidenten.
U. n. 254 M.
(yfMinist-Bl f. Medmnal- und medus. ünterrichts-ÄngelegekheUeH'^ ^
Nr. 7, 1905.)
273
Brtsdiireii Ober Oesudlieitspflege von Prof. Dr. Leo BnrgerBtein.
Bezirksschalrat
der k. k.
Reichshaupt- and Residenzstadt ^^ ^^ 7 ^^ 1905
Wien.
G. Z. 1797.
An sämtliche Schalleitnngen.
Mit Hinweis aaf das h. ä. Dekret vom 12. April 1904, Z. 1211,
wird die Schalleitang neuerlich darauf aufinerksam gemacht, dafe die Not-
wendigkeit und Bedeutung hygienischer Jugenderziehung und Belehrung
immer mehr anerkannt wird, und dafs es daher auch von Nutzen ist, wenn
die £ltem der Schulkinder sowie diese letzteren selbst einen Behelf in die
Hand bekommen, welcher geeignet erscheint, die Gesundheitspflege in Schule
and Haas zu fördern, sowie Lehrern und Eltern gute Anhaltspunkte zu
bieten, um mit den Kindern darüber zu sprechen.
Zu diesem Behufe hat der k. k. Schnlbflcher-Verlag auf Anordnung
des k. k. Ministeriums fttr Kultus und Unterricht die beiden von Professor
Dr. Leo Bubobbstein yerfa&ten Broschflren: ^Zur hämUchm Gesund-
heiispflege. Bemerkungen für die EUem und Pfleger von KosUöglingen'^ j
sowie j^GesundheUsregeln für Schüler und Schälerinnen^ j beide zum
Preise von je 10 Hellern, herausgegeben. Diese Schriften sind auch
80 abgefa&t, da(s den Kindern der erklärte Text einleuchtet.
Obwohl diese Broschttren im Yoijahre bereits eine weite Verbreitung
gefunden haben, wird neuerlich auf das Erscheinen der beiden Schriftchen
hingewiesen, welche verdienten, in jeder Schule alljährlich den Eltern
der Kinder einer bestimmten Klasse, beziehungsweise diesen letzteren selbst
nahegelegt zu werden, wie dies tatsächlich an einer Reihe von Schulen
bereits geschieht.
FOr den Fall der Einfahrung dieser Broschüren, beziehungsweise deren
BesteDung, hat sich der k. k. Schulbücher-Verlag gerne bereit erklärt, eine
entsprechende Anzahl von Exemplaren für unbemittelte Schüler oder
SchtQerinnen unentgeltlich zu überlassen.
Vom Bezirksschulrate der Stadt Wien.
Der Vorsitzende-Stellvertreter: (gez.) Gugleb.
(Direktor Emanubl BAYB-Wien.)
Die LugensehwiBdsneht, ihre Verhfltnng, Bebandlnng und Heilmigy
von Dr. A. Bitter von Weismayr.
Bezirksschulrat
der k k
Reichshaupt. und Besidenzstedt ^^^^^ ™ 22. März 1906.
Wien.
An sämtliche Schulleitungen.
Im Verlage der Buchhandlung Wilhelm Braumüller in Wien ist das
Werk: „Die Lungenschwindsucht^ ihre Verhütung, Behandlung und
15*
274
Heilung'^, in gemeinverstftndlicher Weise dargesteUt vom ehem. Direktor
der Heilanstalt Alland, Dozent Dr. ALEXAin>£B Ritter von Weismayb,
erschienen. Dieses der Bek&mpfang eines der gefllhrlichsten Feinde,
namentlich der in Groüsstädten lebenden Menschen — der Lungenschwind-
sucht — gewidmete Werk verdient die weiteste Verbreitung, da es von
dem Streben der modernen Krankheitslehre ausgeht, den Menschen durch
Belehrung Aber eine entsprechende Lebensweise gesund zu erhalten. Die
Behörden leisten den Hygienikem und Verordnungen Vorschub; diese
werden also nur in dem Mafse von der Bevölkerung gewürdigt, als das
Verständnis derselben vorhanden ist. Die Schule mufe naturgemäß bei
der Erziehung des heranwachsenden Geschlechtes auch in dieser Hinsicht
mithelfen. Der Lehrer ist aber in medizinischen Dingen Laie, er muls
sich aber durdi populäre Schriften selbst unterrichten, und je mehr er
selbst von der Wichtigkeit der bezüglichen Verordnungen überzeugt ist,
desto überzeugender wird seine Mithilfe an dem grofeeu Werke sein.
Die Schulleitungen werden daher auf das Erscheinen des oben-
bezeichneten Buches mit dem Bemerken aufmerksam gemacht, dafs dasselbe
zum Ankaufe und zur Einstellung in die Lokal-Lehrerbibliothek sehr
geeignet erscheint.
Vom Bezirksschulrate der Stadt Wien.
Der Vorsitzende-Stellvertreter: (gez.) Gügleb.
(Direktor Emanueij BATB-Wien.)
fiieratitr*
Besprechungen.
Dr. Leo Bübgebbtein. 1. Gesnndheitsregeln fBr Sehfller und Schflle-
rinnen aller Lehranstalten. Zehnte durchgesehene Auflage. Leipzig,
für das Deutsche Reich in Kommission bei B. G. Teubner. 1905. —
2. Znr hlnalichen Gesimdlieitgpflege der Sehnljngend. Bemer-
kungen für die Eltern und die Pfleger von Eostzöglingen.
Zwei ausgezeichnete kleine Broschüren über Schulhygiene für Schüler
und Lehrer, verfalst von Buboebstein, der durch sein grofses Handbuch
der Schulhygiene sich in allen Ländern einen hervorragenden Namen er-
worben. Beide Hefte können gar nicht warm genug empfohlen werden;
sind sie doch auch in Wien auf oberstamtlichen Auftrag herausgegeben
worden. Das für die Schulkinder berechnete Heftchen enthält auf nur
16 Seiten in leichtestverständlicher Form, oft in Versen, alle hygienischen
Anordnungen, welche das Kind in bezug auf Tagesordnung, Bett, Kleidung,
Essen, Trinken, Zahnpflege, Atmung, Bewegung, Hautpflege, Auge, Ohr,
Körperhaltung, Sitzen und ansteckende Krankheiten zu befolgen hat. Das
sind alles goldene Regeln, die in jedem Kinderzimmer ihren Platz finden
275
und den Sditdern immer wieder von nenem eingeprägt werden sollten. Da
das Heftchen, das bei Teubner in Leipzig erschienen, nur zehn Pfennige
kostet, so kaon es wohl auch die ärmste Familie anschaffen. In keinem
Klassenzimmer dürfte es fehlen. Dasselbe gilt Yon dem zweiten Hefte,
das sich an die Eltern wendet nnd eine Reihe wertvoUer Winke f&r die
hj^enische Erziehung gibt. Würden die Lehren dieser Schriften allgemein
beherzigt, so könnte vielem Unheil rechtzeitig vorgebengt werden.
Geh. Med.-Rat Prof. Dr. Hermann Gohn- Breslau.
BÖ8BAUEB, MiKLAS, ScHiNEB. Handbnch der SehwachsinnigenfBr-
sorge. Leipzig nnd Wien 1905. K. Graeser & Cie. nnd B. G. Tenbner.
8« 167 S. Mk. 3,20.
Die Schrift gibt in gedrängter Übersicht Auskunft Ober das gesamte
Gebiet der Schwachsinnigenfflrsorge. Abgesehen von einzelnen Ausführungen
erscheint sie zur Orientierung über das fragliche Gebiet sehr geeignet und
Terdient darum die vollste Beachtung aller interessierten Kreise. Manche
Kapitel sind trotz ihrer Kürze sehr anregend und interessant geschrieben;
wir können aus ihnen auch verschiedene Folgerungen für unsere Verhältnisse
ziehen. Sehr ernste Erwägungen bringt das Schlulswort; die Verfasser
behandeln darin die Fürsorgemafsnahmen für schwachsinnige Fürsorge-
zöglmge. Das Literaturverzeichnis, welches 33 Seiten umfafst, ist sehr
sorgfältig zusammengestellt; es dürfte meines Wissens nach das bis jetzt
mnfaDgreichste Verzeichnis dieser Art sein. Ein dem Buche beigegebenes
Sachregister erscheint fOr Nachschlagezwecke sehr wertvoll. Überhaupt
wird das Handbuch allen, die infolge beruflicher Tätigkeit oder sonstiger
"Wirksamkeit es mit den Schwachsinnigen zu tun haben, gute Dienste
leisten. Es sei darum Ärzten, Juristen, Geistlichen und Pädagogen bestens
empfohlen. Fbanz FBENZEL-Stolp i. Pom.
LiEPE, AiiBEBT. Über die schwachsinnigen Schfiler und ihre Be-
handlung. Berlin 1905, Fr. Zillessen. 8^ 47 S. Mk. 0,75.
Die kleine Schrift wiU einen Einblick in das Gebiet der Schwach-
sinnigenbildung vermitteLi. Die Darlegungen umfassen folgende Punkte:
1. Arten der Kinder in Hinsicht ihrer Bildungsfähigkeit; 2. Wesen und
Kennzeichen des Schwachsinns; 3. Ursachen des Schwachsinns; 4. Behand-
hmg der Schwachsinnigen; 5. Die Bildungsstätte der Schwachsinnigen. —
Die ersten Abschnitte sind recht anregend behandelt und bieten zutreffende
Schilderungen der in Betracht kommenden Gegenstände und Verhältnisse.
Die beiden letzten Abschnitte dagegen bringen in der Hauptsache skizzen-
hafte Aufzeichnungen, die sich nur auf die Hauptmomente der Behandlungs-
mafsnahmen und auf einzelne Organisationsangelegenheiten der Bildungs-
stätten filr Schwachsinnige beziehen. Doch können auch diese Aufzeich-
mmgen für Orientierungszwecke von Nutzen sein. Die Literatur des
Gegenstandes findet mit Ausnahme einzelner neuerer Schriften eingehende
Beaditnng und kritische Würdigung. Zur Einfährung in das Gebiet der
Schwachsinnigenbildung wird die Schrift am besten ihren Zweck erfüllen.
Fbanz FBENZEL-Stolp i. Pom.
276
Fuchs, Akno. Dispogitionssehwankuf^eii bei nomalen und sehwaek-
siBnil^eii EiBdern. Eine pädagogische Untersüchimg. Gflterdoh 1904.
C. Bertelsmann. Beitrage znr pädagogischen Pathologie, Y. Heft. 8^ 62 S.
Mit 1 Tafel. Mk. 1,20.
Die Schrift bietet in der Hauptsache einen interessanten Beitrag zur
experimentellen Physiologie. Der Verfasser spricht zunächst über Stim-
mnngs- nnd Dispositionsschwanknngen bei Erwachsenen, begrenzt dann den
Begriff der Dispositionsschwanknngen im aUgemeinen nnd verbreitet sich
hieraof eingehend über diese Erscheinungen bei normalen, hauptsächlich
aber bei schwachsinnigen Kindern. Der SchluTs behandelt die Bedeutong
der Dispositionsschwankungen für Unterricht und Erziehung Schwach-
sinniger. Die Beispiele aus dem Beobachtungs- und Untersuchungsmaterial
sind sehr interessant entwickelt und dargestellt und behandeln ändserst
typische Fälle der schwachen Begabung. Der Einfluls der Dispositions-
schwankungen auf die unterrichtlichen und erziehlichen Erfolge wird
überall zutreffend nachgewiesen, der Heilpädagoge kann aus den Ans-
führungen vieles fdr seine Wirksamkeit an den Schwachsinnigen lernen.
Zur richtigen Beurteilung der Dispositionsschwankungen ist ein genaues
Beobachten der Kindesseele erforderlich; Richtlinien fCür diesen Zweck
bietet die Schrift in ausgiebiger Weise, gerade darin ist ihr Schweipnnkt
zu suchen. Überhaupt sind die gesamten Darbietungen nicht nur inter-
essant, sondern sie erscheinen auch zeitgemälk, da sie heilpädagogische
Gesichtspunkte von größter Bedeutung beleuchten und Fragen von tief
einschneidender Tragweite zweckmäßig erörtern. Der Verfasser hat sich
unstreitig ein grobes Verdienst mit der Lösung der in der Schrift ge-
stellten Aufgaben erworben. Franz FBBNZEL-Stolp i. Pom.
§tv ^Ainlav^t
m. Jahrgang. 1905. No. 5.
•rt9ttiaUkl|ati)l]ttt|eti«
Znr Scholarstfrage in Österreich.
Von
k. k. Sanitfttsrat Dr. ÄLTSCHUL-Prag.
Mit einer Tabelle.
In Nr. 2 (Februar 1905) der y,Monats8chr. f. Oesundheüspfi^
(Organ der Österreichischen Gesellschaft für Gesundheitspflege), Wien,
Kommissionsyerlag von Moritz Perles, ist die Petition abgedruckt,
welche an das Ministerium für Kultus und Unterricht und an das
Ministerium des Innern von der Österreich. Gesellschaft ftLr G^und-
heitspflege gerichtet wurde. Die Vorgeschichte dieser Petition ist
folgende :
Am 29. Oktober 1902 hielt Professor Sohattenfboh in Wien
in der Versammlung der Österr. Gesellschaft für Gesundheitspflege —
wie ich im ^Schtdarat^ 1903, S. 103 bereits mitgeteilt habe und
J. Pawel im selben Jahrgang S. 7 schon angedeutet hatte — einen
Vortrag über die Schularztfrage in Österreich. Auf Grund
dieeee Vortrages wurde ein Komitee eingesetzt, welches (allerdings
etwas spfttl) im Februar 1902 das erwähnte Gutachten in Form einer
Eingabe an die Ministerien für Kultus und Unterricht und des Innern
erstattete.
In dieser Petition wird vorerst die Notwendigkeit der Ein-
tehrung der ärztlichen Schulaufsicht in Österreich dargetan und die
Tätigkeit des Schularztes umschrieben und dann vorgeschlagen:
»eine gemischte Kommission, die aus Vertretern der interessierten
Ressorts der hohen Unterrichts- und Sanitätsverwaltung sowie aus
erfahrenen Ärzten und Schulmännern bestehend, die einschlägigen
Fragen, speziell unter Berücksichtigung der heimatlichen Verhält-
Der Sehularit IIL 7
68 278
niflse, eingehend za studieren und darüber Bericht zu erstatten
hfttte*. Die wichtigste Vorarbeit fflr die Tätigkeit dieser Kommis-
sion sollte die Untersuchung einer gröfseren Anzahl von Schul-
kindern verBchiedener GFegenden sein — 10 000 bis 20000 — , und zirar
mfiftten hierzu landliche und stadtische Volks- und Mittelsohulen
gleichmaisig ausgewählt werden. (Ein Formular [siehe Beilage] des
hierbei zu benutzenden Oesundheitsscheines ist der Petition an-
geschlossen.) Zur Durchfahrung dieser Untersuchungen, die in
erster Linie durch die far den Sanitatsdienst bestellten Ärzte vor-
zunehmen waren, scheint der „Gesellschaft für Gesundheitspflege*
das Zusammenwirken der k. k. ünterrichtsverwaltung mit der vom
Ministerium des Innern gehandhabten Sanitatsverwaltung unerl&blich.
Die „Österreich. Gesellschaft fbr Gesundheitspflege" wiederholt
schlielslich die Bitte, „das hohe Ministerium far Kultus und Unter-
richt wolle die Torgetragene Angelegenheit im Interesse des Unter-
richts wie der Gesundheit der Schuljugend einer geneigten Würdigung
unterziehen und derselben ehemöglichst Gelegenheit geben, die dies-
faÜB malsgebenden Intentionen der hohen ünterrichtsverwaltung im
Wege der Vereinstatigkeit und Popularisierung derselben fi)rdem zu
können**. —
Meiner bescheidenen Meinung nach hat diese Petition nioht in
allen Punkten das Richtige getroffen, so freudig es auch zu be-
grttliBen ist, da(s die Österreich. Gesellschaft far Gesundheitspflege,
deren Vorsitzender Sektionschef Dr. von Kusy, SanitatBreferent im
Ministerium des Innern ist, die Schularztfrage in Österreich endlich
ins Rollen bringt.
Ich vermag nicht einzusehen, welchen Nutzen die vorhergehende
Untersuchung von 10 — 20000 Schulkindern durch Amtsarzte far
die Losung der Schularztfrage bringen soll. Wenn sich die Petition
darauf beruft, dafs auch die preußische Schulbehörde im Jahre 1897
„einen derartigen Weg eingeschlagen hat"* und Kommissionare zum
Studium der schulärztlichen Einrichtung nach Wiesbaden entsandte,
wo im Jahre 1895 der Magistrat die gesundheitliche Untersuchung
von 7000 Schülern der Volks- und Mittelschulen veranlalst hat —
so mufs man bedenken, dals damals die Dinge noch anders lagen
wie heute. Damals galt es, Er&hrungen zu sammeln, heute sind
aber genügende Erfahrungen bereits vorhanden und in Sghübbbts
„Bericht über das Schularztwesen in Deutschland*' (Hamburg, Verlag
von Leopold Voss) sind all die in Deutschland gemachten Er-
fahrungen vollständig wiedergegeben.
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Die für die Lösung der Sohularztfrage mafsgebenden Verhält-
nisse können bei uns in Östeireioh nicht anders liegen, and es er-
scheint nur als eine unnötige Zeitverschwendung, die Lösung der
Schularztfrage von einer vorhergehenden Untersuchung von 10 — 20000
Schülern abhängig zu machen, und dies um so mehr, als von
Dr. Igl in Brunn und Dr. Quibsfbld in Rumburg (wie der
j^Schidargi*' seinerzeit berichtete) derartige Untersuchungen bereits
vorgenommen wurden, welche bewiesen — was auch a priori nicht
anders zu erwarten stand — » dafs auch in Österreich bezüglich der
Gesundheitsverhältnisse der Schuljugend die gleichen Momente zu-
tage treten wie in Deutschland und in den anderen Kulturstaaten.
Da(s gerade Amtsärzte ,,in erster Linie^ berufen wären, diese
Untersuchungen vorzunehmen, kann ich auch nicht ohne weiteres
zugeben: Man kann ein ausgezeichneter Amtsarzt sein, ohne die
Eignung zur Vornahme von schulhygienischen Untersuchungen zu
besitzen.
Viel wichtiger wäre es, die Lösung der Schularztfrage in Öster-
reich dadurch zu beschleunigen, dais die angeregte Kommission
sich mit der Frage beschäftigt, ob es nicht möglich wäre, durch
ein neu zu erlassendes Oesetz die ärztliche Schulaufsicht obliga-
torisch zu machen; wäre das letztere unmöglich, dann sollte die
Kommission „Musterinstruktionen'' für Schulärzte verfassen, und der
Staat sollte den Gemeinden mit gutem Beispiel vorangehen und
für seine Schulen (die Mittelschulen) Schulärzte anstellen (wie sie
in der anderen Beichshälfte — Ungarn — bereits seit zehn Jahren
bestehen). — Durch den in der Petition vorgeschlagenen Vorgang
wird die Lösung der Schularztfrage verzögert, während die Be-
schleunigung der Angelegenheit dringend not tut.
tUtinttt Jttttetliitt|eti.
Anstellung von Schulärzten in Bremen. Infolge des Beschlusses
der Bürgerschaft vom 30. November 1904 hat die Schnldeputation die
Frage, ob in Bremen Schulärzte anzustellen seien, gemeinschaftlich mit der
Deputation für das Gesundheitswesen einer erneuten Prüfung unterzogen.
Wie wir den y^Bremer Nachr,^ entnehmen, hat darauf der von der Medi-
zinalkommission aufgeforderte Gesundheitsrat, dessen Ausführungen beide
Deputationen beigetreten sind, am 24. November 1904 anheimgegeben, von
281 71
Anten für die höheren Schnlen zonftchst noch ahznsehen, fOr alle Volksschulen
sber Schnlfirzte anzustellen, ihre Zahl zunächst anf sechs zn normieren and
einem jeden derselben ein Honorar von 760 Mk. für seine Bemtthnngen
zu bewilligen.
'<<. Die aber die rechtliche SteUnng und Dienstanweisung dieser Ärzte
zwischen den beiden städtischen Deputationen gepflogenen Verhandlungen
haben sich flber die fttr die Budgetberatung bestimmte Zeit ausgedehnt, sodafe
der Antrag auf Bewilligung der erforderlichen Mittel erst jetzt gestellt
werden kann und infolgedessen eine Ergänzung des Budgetantrages der
Deputation iHr das Gesundheitswesen beantragt werden muls. Die Depu-
tation beantragt die Anstellung von sechs Schulärzten mit einem Jahres-
gehalte von je 750 Mk. und die einmalige Bewilligung von 1 000 Mk. für
die zu den Untersuchungen und Berichten erforderlichen Formulare und
sonstigen Schreibsachen. Der Senat hat sich seine Erklärung vorbehalten.
Der Bericht des Gesundheitsrats bringt im wesentlichen eine Erläute-
ning der folgenden Dienstordnung fOr die Schulärzte an den Volksschulen
in Bremen:
§ 1 . Die Schulärzte sind der Medizinalkommission des Senats unter-
stellt. Anweisungen in betreff ihrer amtlichen Wirksamkeit gehen ihnen
durch diese Behörde zu. Soweit die Senatskommission für das ünterricbts-
wesen derartige Anweisungen fttr geboten erachtet, wird sie das Erforder-
liche bei der Medizinalkommission beantragen.
§ 2. Den Schulärzten steht eine Befugnis zu Anordnungen in der
Schule nicht zu. Falls der Schularzt und der Schulvorsteher sich flber
eine von dem ersteren fOr nötig erachtete Malsregel nicht verständigen,
hat dieser das Erforderliche bei der Medizinalkommission des Senats zu
beantragen, die sich darflber geeignetenfalls mit der Unterrichtskommission
ins Benehmen setzen wird.
§ 3. Die Schulärzte haben bei der Einschulung die Kinder auf ihre
Schuliähi£^eit zu untersuchen. Diejenigen Kinder, deren Schulfähigkeit
dem Schulvorsteher bei der Anmeldung zweifelhaft erscheint, sind dem
Schulärzte zuzusenden.
§ 4. Innerhalb der ersten sechs Wochen nach Beginn des Schu^ahres
sind die neuaufgenommenen Kinder auf ihre Körperbeschaffenheit und ihren
Gesundheitszustand in der Schule zu untersuchen. Die Eltern sind vorher
zu benachrichtigen und können eventuell zugegen sein. Bringen sie einen
Schein ihres Arztes flber die erfolgte Untersuchung und den Befund in
aasreichender Weise bei, so unterbleibt die Untersuchung des Schularztes.
Die als nicht schulfähig erkannten Kinder sind auf ein Jahr zurückzustellen.
Ober den Befund eines jeden Kindes ist ein „Gesundheitsschein'' nach
näher zu bestimmendem Formular auszufflUen, der in der Schule auf-
bewahrt wird; ist ein Gesundheitsmangel aufzufinden, so ist der betreffende
Schein mit dem Vermerk „ärztliche Kontrolle'' zu versehen.
§ 5. In den ersten vier Wochen nach Beginn des zweiten Halbjahres
sind die Kinder der untersten Klassen abermals zu untersuchen und hierbei
namentlich auf die Sinnesorgane — Augen, Ohren, Nase — und auf ihre
geistige Entwicklung zu prflfen. Die Lehrer werden zu dem Zwecke ihre
Beobachtungen an den Kindern mitteilen.
72 282
§ 6. Gegen Schlofii des Schii^ahres — spätestens drei Wochen vor-
her — werden aUe Kinder, deren Scheine den Vermerk „ärztliche K(m-
trolle^ tragen, wieder einer Untersnehnng unterzogen; in Znknnft anch die,
welche in höhere Klassen aufgerückt sind.
§ 7. Dem Schulärzte steht das Recht zu, eine hesondere Berück-
sichtigung heim Schulunterricht Ar einzelne Kinder hei dem Vorsteher der
Schule zu veranlassen; z. B. Ansschlie&ung vom Unterricht in einzelnai
Fächln, wie Turnen und Gesang, oder Beschränkung in der Teilnahme
am Unterricht, Anweisung eines besonderen Sitzplatzes bei Gesichts- oder
Gehörfehlem usw. Liegen in der Beziehung bereits Atteste von anderen
Ärzten vor, so ist diesen Folge zu geben.
§ 8. Die Behandlung der Kinder ist nicht Aufgabe der Schulärzte.
§ 9. Bei dem Verdacht auf ansteckende Krankheiten, sowie bei
solchen Krankheiten, welche Veranlassung zu Störungen im Unterrichts-
betriebe geben, hat der Vorsteher das Recht, die Kinder dem Schularzte
zur Untersuchung zuzusenden, der darüber sein Gutachten abgibt.
§ 10. Kommen dem Schularzte hygienische Mängel in bezug auf die
Schuleinrichtungen — Heizung, Ventilation, Subsellien, Tafeln, Bücher usw. —
zur Kenntnis, so hat er darüber nach Besprechung in der im § 11 vor-
gesehenen Sitzung zu berichten. In eilig erscheinenden Fällen hat der
Schularzt sofort der Medizinalkommission zu berichten.
§ 11. Mindestens einmal jährlich findet eine gemeinschaftliche Sitzung
sämtlicher Schulärzte mit dem Gesundheitsrate statt. — In derselben wird
über alle einschlägigen Fragen verhandelt und Protokoll geführt.
§ 12. Die Schulärzte haben spätestens zwei Wochen vor der Sitzung
dem Gesundheitsrat ihre Berichte einzureichen. Diese, sowie eine Über-
sicht und etwaige in der gemeinschaftlichen Sitzung beschlossene Anträge
sind vom Gesundheitsrat der Medizinalkommission zu übermitteln.
Die Notwendigkeit der Anfstelliuig von Sohnlangeiiärsteii be-
gründet im ri-^ayer. äreü, Korrespondemhlait'* (1906, Nr. 2) Generalarzt
Dr. SsaChELc Mit Bezug auf ihre Tätigkeit stellt er folgenden Entwurf auf:
1. Regelmäßige, zweimal jährlich zu wiederholende Untersuchung
beider Augen sämtlicher Schulkinder. Das Ergebnis der halbjährlichen
Untersuchungen, die sich auf alle Einzelheiten zu erstrecken haben, ist in
Tabellen einzutragen.
2. Alle kranken oder sehschwachen Augen müssen öfter kontrolliert
und eventuell der Behandlung zugeführt werden. Für die Untersuchung
der augenkranken oder sehschwachen Kinder wird allwöchentlich eine
Sprechstunde in jeder Schule festgesetzt; die Behandlung liegt dem Schularzt
nicht ob. Die Verständigung der Eltern über den Zustand der Augen
ihrer Kinder findet durch den Schulvorstand statt.
3. Kontagiöse Augenkrankheiten erfordern bei gröfserer Ausbreitung
nach Anzeige an den amtlichen Arzt und unter dessen Zustimmung anfser-
ordentliche MaCsregehi.
4. a) Lichtrevision der Plätze in sämtlichen Schulklassen bei Tages-
und bei künstlicher Beleuchtung, insbesondere wenn Neubauten in der Um-
gebung der Schule entstehen und die künstliche Beleuchtung verändert wird
oder Schwankungen unterworfen ist.
283 73
b) PrOfang der Lichtabsorption der Yorbftnge.
c) Platzyerteilang der Schüler nach ihrem Lichtbedttrfnis.
5. Kontrolle ttber Wechsel zwischen Arbeit und Rnhe, Aber die Schüler-
plfttze, ob die Schrift bequem auf 33 cm gelesen werden kann, eventnell
welche Brille hierfür notwendig ist.
6. Kontrolle über die Schulbücher (Dmck, Papier).
7. Belehrong der Lehrer ttber ihre Mitwirkung and der Eltern der
Kinder über Angenhygiene im Hanse.
Für 5000 SchtUer ist ein Augenarzt erforderlich, wenn derselbe die
Fonktion im Nebenamt versieht nnd die Yorontersnchnng durch den Lehrer
stattfindet. (Dr. med. GÖTZ-Mttnchen.).
Sehilarst zn Zaandan (Holland). Dr. C. A. v. d. Loo, prakt.
Arzt in Rotterdam, ist als Schularzt in Zaandam ernannt worden. Man
hat ihn beauftragt, an den Gemeindevorstand Bericht zu erstatten und Vor-
schlüge zu machen über:
1. Alle Pläne zum Bau und Umbau von Schulzimmem, vom hygienischen
Standpunkte aus;
2. die Zahl und die Einteilung der wöchentlichen ünterrichtsstonden ;
3. die Dauer des Schulunterrichtes;
4. die Untersuchung der Schüler bei ihrem Eintritt in die Schule;
5. die Haltung der Schüler beim Unterricht;
6. die Quantität der Hausaufgaben;
7. die Verordnung zur Vorbeugung und Einschränkung von ansteckenden
Krankheiten. — Der Schularzt muls den Sitzungen der Schulkommission
beiwohnen und dort alle gewünschten Aufklärungen geben.
Die Tätigkeit des Schularztes zu Zaandam muis sich also auf dem
Gebiete der Hygiene des Schulhauses, des Unterrichts und der Kinder
bewegen. Er erhält eine Jahresbesoldung von Fl. 1000 = 1700 Mark.
(Dr. med. MouTON-Haag.)
Sehnlirstliclies ans Holland. „Medizinische Aufsicht in den
Schulen*' war das Thema eines Vortrages, gehalten von dem Inspektor
der Volksgesundheit Dr. med. Oo8T£Bba^l(? in der Generalversammlung der
Sektion fOr Hygiene des Niederländischen Vereins zur Beförderung der
Heilkunde im Jahre 1904.
Die Erfahrung hat Dr. Ostebbaan gelehrt, dafs die Lehrer die die
Gesundheit befördernden Mittel in der Schule im ganzen nicht richtig an-
wenden, daCs Aufsicht von hygienischen Sachverständigen über die Be-
schaffung der Lehrmittel usw. sehr nötig sei, dafs immer und immer wieder
in der Schule die Ursache für Verbreitung epidemischer Krankheiten gesucht
werden mtlsse, und dafs wiederholt in der Schule das ätiologische Moment
ftr krankhafte Abweichungen in der Entwicklung der Kinder gesucht
werden muls. Wenn es sich so verhält, ist es Pflicht, nach Verbesserungen
zu streben, und jetzt noch viel mehr aQs früher, seit die Eltern durch das
Gesetz gezwungen sind, ihre Kinder in die Schule zu schicken, wo zu-
weüen die notwendigsten Bedingungen für das Gelingen der geistigen
Arbeit nicht vorhanden sind und öfters der Keim gelegt wird für krank-
hafte Zustände, welche das Kind für sein ganzes weiteres Leben mehr
oder weniger untauglich machen.
74 284
Aufsicht ist also nötig, and diese Aufsicht mnfs von Ärzten ansgefiht
werden, denn nur sie besitzen die hierzu nötigen Kenntnisse in genttgendem
Ma(se. Wir gelangen also selbstredend zu der Anstellung von SchuUrzten;
aber da die in anderen Ländern gemachten Erfahrungen zeigten, dafo
Widerstand zu erwarten sei, und zwar sowohl von selten der Behörden
als auch der Lehrer und Eltern, so erschien es vernünftiger, nicht gleich
einen Schularzt in optima forma zu berufen, sondern zuerst den Boden
für die Tätigkeit desselben vorzubereiten.
Erstens mfissen wir Malsregeln ergreifen, um besser als bis jetzt ge-
schehen ist, die Verbreitung der ansteckenden Krankheiten durch die Schule
zu verhindern. Wenn einmal ein Arzt diese Arbeit auf sich genommen
hat, so wird er natflrlich allmählich seine Aufmerksamkeit auch den anderen
Störungen der Gesundheit der Schüler widmen. Dann wird es nötig er-
scheinen, dais, wenn überhaupt eine derartige Aufisicht etwas erreichen will,
die^Schfller ärztlich untersucht werden, ehe sie zur Schule zugelassen werden.
So wird allmählich der Schularzt entstehen und heranwachsen und sich
die Sympathien der Lehrer, der Eltern und seiner KoUegen erobern, weil
jedermann anerkennen mufs, wie segensreich seine Arbeit ist.
Dr. SCHBEVE aus Amsterdam teilte weiter mit, wie schon seit sieben
Jahren Ärzte, als Mitglieder der örtlichen Schulkommission, unentgeltlich
auf schulhygienischem Gebiete in der Hauptstadt Hollands arbeiten und
bereits auch Erfolge erzielt haben. Aber Dr. Schbeye geht mit Dr. Oostsb-
BAAN einig in der Anschauung, dais dies auf die Daner nicht genügt,
sondern daüs eigentliche Schulärzte nötig sind. Doch warnt auch er vor
Übereilung. Man untersuche soviel wie möglich in jeder Gemeinde, in
welcher Art für dieselbe am besten die Schuhirztfrage zu lösen sei, damit
diese Sache, deren groise soziale Wichtigkeit nicht zu leugnen ist, mit der
dem Holländer eigenen ruhigen Überlegung zum Heil des Volkes zustande
gebracht werde. Dafs eine schulärztliche Aufsicht in den Schulen Hollands
notwendig ist, das möchte der Referent zum Schlüsse ausdrücklich betonen,
geht deutlich hervor aus der Berichterstattung der Gesundheitskommission
im Jahre 1903, wovon Dr. G. W. Bbuinsma in der ,,Niederländischm
Zeitschrift für Heilkunde*' vom 24. September 1904 einen Überblick ge-
geben hat, dem wir noch das Folgende entnehmen:
Ein königliches Dekret schreibt verschiedene Forderungen vor, welchen
die Schulzimmer und ihre Einrichtung genügen müssen. Aber gegen diese
Bestimmungen wird hier und dort nicht selten gesündigt. So fehlen bis-
weilen an den Schulbänken die Rücken- oder Lendenlehnen, dann ist das
Lokal nicht genügend beleuchtet und öfters sind keine Vorrichtungen für
Luftemeuerung angebracht. Im weiteren waren an verschiedenen Orten die
Pissoirs verstopft und ganz schmutzig, die Abtritte unrein und verbreiteten
schlechten Geruch in der Schule ; die Schulstuben selbst waren ungenügend
gereinigt, der Spielplatz eine Pfütze ; es fehlte an gutem Trinkwasser u. dgl.
Man braucht nicht daran zu zweifeln, dais der zukünftige Schularzt
viel Gutes wird stiften können. (Dr. med. J. M. G. MouTON-Haag.)
Zur sehiilärztlieh<$ii Aufsicht macht Dr. H. Submont, Professor
an der medizinischen Fakultät in Lille, in der ^Presse M^dieale^ Nr. 25
vom 29. März 1905 den Vorschlag, an jeder Schule oder einer unter der-
286 75
selben Yerwaltimg stehenden Gruppe von Schalen einen schnlhygieni-
sehen Beirat einzurichten, hestehend ans dem Schulleiter oder den Dele-
gierten des Lehrkörpers, den Schulärzten und, worauf er besonderes Gewicht
legt, aus einem oder mehreren Delegierten der Eltern, welche nicht ernannt,
solidem Yon den Eltern sel]bst gewählt werden sollen. Diesem Beirate
könnten noch beigeftlgt werden Vertreter der obersten Schulverwaltung und
in gröberen Städten auch sonstige an schnlhygienischen Dingen interessierte
Sachverstftiidige, wie Architekten, Chemiker usw. Derselbe hätte die Auf-
gibe, in periodischen Sitzungen über alle schulhygienischen Angelegenheiten
Sich Anhörung der von Schulärzten gehaltenen Referate endgültige Be-
schlflsse zu fassen.
Von dieser Institution verspricht sich der Autor mehrfache Vorteile,
und zwar : leichtere Geneigtheit der obersten Schulverwaltungen, auf die von
den Schulärzten erstatteten, durch einen Beirat sanktionierten Anträge ein-
zugehen, — raschere Abwicklung der schulhygienischen Agenden, — Ver-
meidung von Reibereien zwischen Schulärzten einerseits, Verwaltungsbehörden
and Lehrkörper anderseits, — und schließlich vor allem regere Anteil-
nahme der Eltern an allen schnlhygienischen Fragen und geringeres MiOs-
trauen derselben gegenflber schulhygienischen Verordnungen, da sie ja an
deren Beschlußfassung durch ihre Delegierten selbst beteiligt wären.
(Dr. AiiBEBT Flachs, Moinesti, Rumänien.)
Über die Angaben eines Schularztes an den Hüfssehnlen fBr
SehwaehbeflUligte schreibt Nervenarzt Dr. Feseb im ^Bayer, ärzü.
KorrespondeMhlaH' (1905, Nr. 2):
1. Die Einschulung eines Kindes in die Hilfsschule f&r Schwach-
befthigte hat auf Grund eines ausführlichen, besonders auf den Geistes-
zustand und die nervösen Störungen Rücksicht nehmenden ärztlichen und
pädagogischen Gutachtens zu geschehen;
2. dieses Gutachten bildet die Grundlage für den über jeden Schüler
zu führenden Individualbogen, der über Entwicklung, Fortschritte, auf-
tretende physische, nervöse oder rein somatische Störungen, besonders aber
auch über etwaige moralische und Willensdefekte ausführlich berichten soll.
In Anbetracht des unbedingt notwendigen individuellen Vorgehens in Er-
ziehung und Unterricht bei diesen Rindern und des hohen psychopathologi-
scben Interesses, das sie bieten, sind diese Bogen von Arzt und Lehrer
gemeinsam monatlich einmal mindestens in eingehender Weise zu ergänzen ;
3. der Lehrer ist bei dieser Gelegenheit vom Arzt über die Patho-
logie des einzelnen Falles, Anlage, Ermüdbarkeit, nervöse Störungen usw.
za beraten; besondere heilpädagogische Mafsnahmen sind beiderseitig zu
besprechen;
4. bei der Entlassung des Schülers sind die bisherigen Erfahrungen
Aber ihn zusammenfassend in einem Schlulsurteil zu verwerten, das be-
sonders auch die Zurechnungsfähigkeit, erwiesenen moralischen Defekte,
Militärtanglichkeit in Erwägung zieht.
Der Schularzt der Hilfsschule, dessen Aufgaben vor allem auf dem
Gebiete der Nerven- und Geisteshygiene liegen und oft direkt auf päda-
gogisches Gebiet führen, muTs mit der Pädagogik theoretisch und praktisch
Tertraut sein. (Dr. med. GÖTZ-München.)
76 286
Ärztliche Selmlatteste. Die Eltern, deren Kinder jetzt die Schule
verlassen und ins öffentliche Leben treten, werden in der „Deuischen
Beichseig,^ dringend aufgefordert, sich alle Ärztlichen Atteste, die
ihre Kinder betreffen, von der Schule zurückgeben zu lassen. Letztere
bedarf dieser Atteste nicht mehr, auch sind dieselben ja Eigentum der
Eltern und dürfen ihnen nicht vorenthalten werden. Die Zeugnisse sind
sorgfältig aufzubewahren, denn sie können unter Umstanden spftter von
greiser Bedeutung werden. Die Milit&rersatzkommission verlangt aus-
drücklich: „Die an Schwerhörigkeit, stotternder Spradie usw. leidenden
Militärpflichtigen haben durch Atteste von Geistlichen, Lehrern oder Orts-
behörden nachzuweisen, dafs nach den gemachten Wahrnehmungen das be-
treffende Übel wirklich vorhanden ist. Ohne solche Atteste wird auf
bloise mündliche Angabe keine Rücksicht genommen.'' Nun kommt es
sehr h&ufig vor, daüs Militärpflichtige lange Jahre nach ihrer Schul-
entlassung vom Lehrer oder Schulleiter verlangen, dais nachträglich be-
scheinigt werde, sie hätten bereits in der Schule an Schwerhörigkeit,
Kurzsichtigkeit usw. gelitten. Das kann freilich nur in den seltensten
Fällen geschehen, besonders wenn die betreffenden Lehrpersonen sich
nicht mehr an derselben Stelle befinden. Das groiise Publikum sollte sich
auch nach dieser Richtung hin die Einrichtung der schulärztlichen
Beaufsichtigung zunutze machen, denn jetzt wird jedes Kind auf seine
Schulbesnchsfähigkeit untersucht und das Ergebnis schriftlich festgelegt;
jedes körperliche oder seelische Gebrechen wird untersucht und bestätigt,
so dafs späterhin der Militärbehörde damit gegenflbergetreten werden kann
und es z. B. nicht mehr vorkommen dürfte, dafis ganz oder halb blödsinnige
Soldaten eingestellt werden. Geschieht dies dennoch, so tragen die be-
treffenden Eltern die Schuld, welche sich die Schäden des Kindes nicht
rechtzeitig bestätigen liefsen.
AnstelluDg von Schnltrzten in Breslau. In der Stadtverordneten-
versammlung kam unlängst, wie wir der „Bres^. Morgemtg.^ entnehmen,
der Antrag des Magistrats zur Beratung, das in den Etat itor die Ver-
waltung der Lehrerbesoldungen bei den höheren und mittleren Schalen
für 1905 eingestellte Honorar für zwei Schulärzte mit je 500 Mark zu
bewilligen. Der Etatsausschuls empfiehlt dagegen, eine Schularztstelle nur
für die höheren und mittleren Mädchenschulen zu bewilligen. — Stadtv.
Dr. RiCHTEB erklärt, dab er und seine Kollegen an den höheren Lehr*
anstalten sich nicht nur gegen die Anstellung von Ärzten an den höheren
Knabenschulen, sondern auch an höheren und mittleren Mädchenschulen
ausgesprochen haben. Es würde hierin ein Eingriff in die Rechte der
Familie liegen und zugleich ein Vorwurf, da(s die Familien nicht genügend
für die Gesundheit ihrer Kinder sorgten. Er bitte, beide Schulärzte ab-
zulehnen, nicht nur den einen. — Stadtv. Dr. Rbioh möchte dem Urteil
nicht beitreten, dals für die höheren Mädchenschulen ein Schularzt nicht
nötig sei. Man könnte ebenso gut sagen, dais die Schulärzte in den
Volksschulen einen Eingriff in das Recht der Familie darstellten. Die
Eltern von Gymnasiasten seien nichts anderes als die Eltern von Volks-
schülem. Er beantrage, die Vorlage noch einmal an die Ausschüsse m
und VI zu überweisen. — Geh. Reg.-Rat Dr. Ppündtner schlieüst sich
287 77
dcD AosAhningeii des Vorredners an. Die Anschanong, dafs mit dem
Schularzt ein störendes Moment in die Schnle komme, werde nicht von
aUen Schnlleitern geteilt. Das Provinzialschalkolleginm habe es geradezu
begrO&t, dals in dieser Beziehung einmal ein Anfang gemacht werde. — Fflr
den StadtY. Simon wflrde die Vorlage unannehmbar werden, wenn in den
MSdchenschnlen eine Schnlärztin angestellt werden sollte. Vorläufig ge-
nielse der männliche Arzt noch ein gröiseres Vertrauen als der weibliche.
Es wflrde auch die Konkurrenz unterbieten, da doch hier sehr wenige
Ärztinnen vorhanden seien. — Stadtv. Dr. Tietze tritt mit grofeer Wfirme
ftr die Vorlage des Magistrats ein. — Oberbürgermeister Dr. Bendeb
fthrt aus, dafs einem jungen Arzt die Untersuchung von jungen M&dchen
nicht Obertragen werden könnte. Es handle sich tibrigens nicht um Be-
handlung Ton Kranken, sondern um Beobachtung der Schfllerinnen. Es
seien oft yersteckte Krankheiten oder Anlagen dazu Torhanden, die nur
nicht entdeckt werden, weil die Kinder nach den Symptomen nicht gefragt
worden seien. Es sei nur konsequent^ dafs, wenn an den Volksschulen
Sdiulftrzte angestellt seien, solche auch an den höheren und mittleren
Sdiulen eingeführt wflrden. — Nachdem Stadtarzt Dr. Oebbeke die Auf-
gabe der Schulftrzte beleuchtet und ersucht hatte, den Antrag des Etats-
ansschusses anzunehmen, gelangte ein Antrag auf Schlufs der Debatte zur
Annahme. Nach dem Schlufswort des Berichterstatters wurde die Vorlage
den Ausschüssen in und VI überwiesen.
Sehalbesichtignngen dareh die Kreisärzte. In der Dienstanwei-
sung ftlr die Kreisärzte ist, wie schon mitgeteilt, vorgesehen, dafs die den
ProYinzialschulkollegien unterstellten höheren Lehranstalten von den Kreis-
ärzten besichtigt werden. Die einschlägigen Befugnisse der Kreisärzte
sind durch den folgenden Erlafs des Kultusministeriums neu geordnet
worden:
1. Der Auftrag zu solchen Besichtigungen ist den Kreisärzten auf
Ersuchen des Königlichen Provinzialschulkollegiums durch den Regierungs-
präsidenten zu erteilen. In dringenden Fällen ist der Anstaltsleiter, bei
nichtstaatlichen Anstalten auch der Patron, befugt, den Kreisarzt um eine
gutachtliche Äufserung über hygienische Angelegenheiten der Schule zu
ersuchen. Trägt dieser Bedenken, dem Ersuchen zu entsprechen, so hat
er dem Regierungspräsidenten Bericht zu erstatten, welcher erforderlichen-
faDs nach Benehmen mit dem Königlichen Provinzialschulkollegium das
Weitere veranlafst. 2. Bei der Ausarbeitung von Neubau- und Umbau-
planen ist dem Kreisarzt in der Regel Gelegenheit zur ÄuTsernng zu
geben, am zweckmäßigsten in der Weise, dafs der Anstaltsleiter, mit
welchem der Baubeamte in jedem Falle in Verbindung tritt, eine gemein-
same Besprechung unter Zuziehung des Kreisarztes veranlafst. 3. Im
übrigen ist es mir erwünscht, dafs mit der hygienischen Untersuchung der
Verhältnisse der höheren Lehranstalten durch die Kreisärzte angefangen
mid diese in einem Zeitraum von fünf Jahren allmählich durchgeführt wird.
Die Berichte über das Ergebnis dieser Untersuchungen sollen die in hygie-
nischer Hinsicht sich ergebenden Beanstandungen enthalten und sind durch
den Regierungspräsidenten dem Königlichen Provinzialschulkollegium zu
übermitteln.
D«r Schalarst. III. 8
78 288
Aistolluig YM Sehultnteii ii Hubnrg. Nach einer Mitoilwng
des „Hamb, Gwresp.** sollen in dieser Stadt drei Schnl&rzte angestelU
werden. In der Begründung des Senatsantrages heilst es: Bisher haben
die Stadtftrzte bei AufsteUnng der Scholbanplftne mitgewirkt, die r^d-
mftbigen Prüfungen der hygienischen Verhältnisse in den Yolksscholeii
sowie in den höheren Staats- und höheren Privatscholen vorgenommen und
sich bei Vorkommen ansteckender Krankheiten in den Schulen mit allen
einschlägigen Fragen befafet. £s wird jetzt beabsichtigt, in GenkäMdt
einer mit der Oberschnlbehörde, Sektion fQr das Volksschnlwesen, ge-
troffenen Vereinbarung in zwölf Volksschulen eine ärztliche Untersuchung
und Oberwachung der Kinder durch die Stadtärzte zunächst versuchsweise
einzuführen, um fQr weitere Vorschläge auf diesem Gebiete die nötigen
Erfahrungen zu sammeln. Dieser ärztlichen Überwachung der Kinder
werden in den zwölf Schulen etwa 9000 Kinder unterstehen. Um wirk-
lich ausreichende Erfahrungen zu sammeln, ist es nicht empfehlenswert,
die Einführung dieser Malsregel auf eine geringere Anzahl von Schiden
zu beschränken. Nach dem Urteil des Medizinalkollegiums ist die dvrdi
diese beiden neuen Aufgaben bedingte Erweiterung der Tätigkeit der Stadt-
ärzte so erheblich, dals die Heranziehung von drei w^teren ärztlichen
Hilfskräften und die Einstellung ihrer BezQge für V« Jahr mit dreimal
1360 Mark in das Budget für 1905 notwendig wird.
)DieitMi^)ttitit$ett für <3(^itlar;te.
DienstaBweisug für die Schulärzte au den Mittel- ud VelkaadialeB
£u Darmstadt.
I. Aufgabe der Schulärzte im allgemeinen.
§ 1. Die Schulärzte haben die Aufgabe, unbeschadet der Tätigkeit
des Kreisarztes, den Gesundheitszustand der ihnen zugeväesenen Schtüer zu
flberwachen und bei der ärztlichen Beaufsichtigung der Schulgrundstäcke
und der zu den Schalen gehörenden Räumlichkeiten und Einrichtungen
mitzuwirken. Sie sind demgemäls verpflichtet, die in diese Gebiete ein-
schlagenden Aufträge der Bürgermeisterei bezw. des Vorsitzenden der
Schalvorstände auszuführen.
n. Gesundheitliche Überwachung der Schulkinder.
§ 2. Die Schulärzte haben die neueintretenden Schfller auf ihre
Körperbeschaffenheit und ihren Gesundheitszustand zu untersuchen, um fest-
zustellen, ob sie körperlich und geistig fflr den regelmälsigen Schulunterricht
reif oder ob sie noch eine Zeitlang vom Schulbesuch frei zu geben siad
289 79
bow. ob wegen Gebreehen ihre Anfhahme in besondere UnterriehtB*
«Birieiitiisgen herbeiznftthren ist. Besttgüeh der in die Mittel- nd 8Udt*
sehvlen «nfhahmef&hig befondenen Kinder ist dabei fesiznstellea, Ob sie
einer dauernden ftrztMchra Überwachung oder besonderen BeH&cksiditignng
beim Schnlanterricht (z. B. Ansschlieisung Tom Unterricht in einzebien
FIckem, oder Beschränkung in der Teünahme am ünterridit, Anweisung
emes besonderen Sitzplatzes wegen Gesichts- oder Gehörfehlern nsw.)
tsdflrfen.
Über Jedes nntersnchte Kind ist ein dasselbe während seiner ganzen
Sdudseil begleitender „Überwachnngsbogen*^ anszofAHra.
§ 3. Erscheint ein Kind danemder ärztlicher Überwachung bedflrftjg,
so ini dm anf dem Überwachnngsbogen xn Termerken. Die Spalte betr.
.algemeine Kdrperbesehaffenheit'' ist bei der An&ahme ftr jedes Kind
anszofnllen, und zwar nach den Kategorien „gut, mittel und schlecht^,
jedodi sind nnr die Anfangsbuchstaben dieser Worte in die Bogen einzu-
tragen. Die Bezeichnung „gut* ist nur bei tadellosem Gesundheitszustand
und Bschlechf nur bei ausgesprochenen Krankheitsanlagen oder chronischen
Erkrankungen anzuwenden.
Die anderen Rubriken des Überwachungsbpgens werden nur im Be-
dflrfnisfane ausgeftOlt, und zwar sowohl bei der Aufhahmeuntersuchung wie
bei den im Laufe der Schulzeit bemerkbar werdenden Erkrankungen. Die
Messungen und Wägungen werden Ton den betreffenden Elassenlehrem
Torgenommen und sind in jedem Semester in die betreffende Spalte mit
Abrundungen auf 0,5 cm und auf 0»25 kg einzutragen. Der Bmstumfang
wird vom Arzt gemessen, und zwar nur bei Kindern, die einer Lungen-
ecknudoiag verdächtig sind.
§ 4. Alle 14 Tage, bei epidemischem Auftreten ansteckender Krank-
heiten auch häufiger, hält der Schularzt an einem mit dem Schulleiter
Yoiher verabredeten Tage in der Schule Sprechstunden ab. Da jedem
Schularzte zwei Schulgruppen überwiesen sind, so ist, zur Vermeidung von
Überhäafiing in ders^ben Woche, die Zeiteinteilung derart zu treffen, dals
in der einen Woche die eine, in der anderen Woche die andere Sehsl-
gnqype von dem Schulant besucht wird. Wflnseht der Arzt an etaeni
anderen als dem verabredeten Tage die Schule zu besuchen, so ist dies
iriftieitgina drei Tage vorher dem Schulleiter mitzuteilen. Bei mvoriier«
gesehener Yerhisdening gilt der nächstfc^gende Wochentag als Besodistag.
Der Besuch findet zu der ebenfalls vorher verabredeten Zelt vormittags
sftstt, dasert in der Regel mtht unter einer Stande und ist nidit Aber
12 Uhr anssudehnen.
§ 5. Die erste Hälfte der Besuchszeit dient zur Revision von etwa
zwei bis fünf Klassen während des Unterrichts, und zwar soll jede Klasse
mindestens zweimal während eines Halbjahres besucht werden.
Bd diesen Besuchen werden sämtliche Kinder der betreffisnden Klassen
im allgemeinen besichtigt; die unter dauernder ärztlicher Überwachung
stehenden, sowie sonstige, krankheitsverdächtige Kinder werden einzeln
untersucht. Die genaueren Untersudiungen werden entweder sofort oder
8*
80 290
in der zweiten Hfilfte der Besnchszeit in dem ärztlichen Sprechzimmer
vorgenommen. Ebenso sind in dem letzterwähnten Teile der Besuchszeit
ELinder aus anderen, an dem- fraglichen Tage nicht besuchten Klassen in
dringenden F&Ilen, insbesondere bei Verdacht ansteckender Erkrankung,
dem Arzte zuzuführen.
Eine eingehende Einzeluntersuchung sämtlicher Schfller findet, auTser
bei der Aufnahme in die Schule, im 3., 5. und 8. Schu^ahre statt.
Der Schularzt wird dafür Sorge tiagen, dafs bei der Untersuchung
der Kinder das Schamgefähl nicht verletzt wird. Bei Untersuchung von
Mädchen hat stets eine Lehrerin, bei der Untersuchung der Knaben ein
Lehrer, wenn irgend möglich, der betreffende Klassenlehrer anwesend
zu sein.
Die Überwachungsbogen sämtlicher zur Untersuchung kommenden
Kinder sind von dem Klassenlehrer dem Arzte vorzulegen bezw. zuzustellen.
§ 6. Da die ärztliche Behandlung erkrankter Schulkinder nicht
Sache des Schularztes ist, so sind Kinder, welche in ihrem oder im Schul-
interesse solcher bedürfen, an ihren Hausarzt oder den zuständigen Armen-
arzt resp. an einen Spezialarzt, eventuell an die Poliklinik des städtischen
Krankenhauses zu verweisen. Bei älteren Kindern kann dies mündlich
geschehen. Im Falle der Erfolglosigkeit einer derartigen Ermahnung so-
wie bei jüngeren Kindern, sind jedoch die gedruckten „Mitteilungen'^ aus-
zufüllen. Bei Ausfüllung der betreffenden Formulare ist jede Schroffheit
des Ausdrucks zu vermeiden. Die Zusendung der Mitteilungen an die
Eltern ist Sache des Schulleiters.
§ 7. Eltern, welche wünschen, dafs ihre Kinder nicht durch den
Schularzt untersucht bezw. überwacht werden, haben dies dem betreffenden
SchuUeiter mitzuteilen und müssen den erforderlichen gesundheitlichen
Nachweis durch Zeugnisse des Hausarztes erbringen. Formulare für diese
Zeugnisse werden im Stadthaus, sowie von den Schuldienem unentgeltlich
verabfolgt.
§ 8. Die Überwachungsbogen sind in den betreffenden Klassen in
einem dauerhaften Umschlage aufeubewahren und bleiben so lange in der
Schule, als sie nicht von der Bürgermeisterei, der Schul- oder der Gesund-
heitsbehörde eingefordert werden. Die Überwachungsbogen bezüglich der^
jenigen Kinder, für welche dauernde ärztliche Kontrolle von dem Schularzt
als erforderlich bezeichnet wurde, sind dem letzteren bei jedem Besuch
der Klasse vorzulegen.
Beim Übertritt von Kindern aus einer Schulgmppe in eine andere
haben die Schulleiter einander die betreffenden Überwachungsbogen zu-
zusenden.
§ 9. Auf Ersuchen der Schulleiter haben die Schulärzte, falls die
Eltern nicht ein ausreichendes ärztliches Zeugais beibringen, einzelne Kinder
in ihrer Wohnung zu untersuchen, um festzustellen, ob eine Schulversäumnis
gerechtfertigt ist oder nicht.
Bei der Auswahl der Kinder für Ferienkolonien und für Milchfrflhstück
hat der Schularzt ebenfalls mitzuwirken.
291 81
m. Mitwirkung bei der Überwachung der gesundheitlichen
Verhältnisse des Schulhauses.
§ 10. Die Schularzte haben mindestens einmal im Sommer und
einmal im Winter die sämtlichen, ihnen überwiesenen Schullokalitäten (Lehr-
ximmer, Turnhallen, Bäder, Aborte usw.) und deren Einrichtungen ein-
gehend zu besichtigen.
Die hierbei wie bei den sonstigen Besuchen gelegentlich gemachten
Beobachtungen Aber die Beschaffenheit der zu überwachenden Gegenstände
sowie über die Handhabung der Reinigung, Lüftung, Heizung und Be-
leochtung und die etwa an diese Beobachtungen sich anschlielsenden Vor-
schläge sind in das für diese Zwecke bei dem Schulleiter aufliegende Buch
einzutragen.
§ 11. An den al^ährlich zum Zweck der Aufstellung der Unter-
haltungSYoranschläge stattfindenden Begehungen der Schulgrundstücke durch
die hiermit beauftragten Beamten des Stadtbauamtes haben die Schulärzte,
die durch das Stadtbauamt rechtzeitig zu benachrichtigen sind, teilzunehmen
und hierbei etwaige Verändemngen, Verbesserungen usw. anzuregen.
rv. Geschäftsführung und Sonstiges.
§ 12. Da der Schularzt lediglich technischer Berater der Schule sein
soll, so steht demselben ein Recht zu selbständigen Anweisungen an Schul-
leiter, Lehrer und Schuldiener nicht zu.
Die SchuUeiter haben, sofern sie nicht selbst in der Lage sind, die
erforderlichen Anordnungen zu treffen, über die von den Schulärzten er-
hobenen Anstände, Verbesserungsvorschläge usw., ungesäumt der Grofsh.
Bürgermeisterei schriftlichen Bericht zu erstatten.
§ 13. Zur Erreichung eines möglichst gleichartigen Vorgehens werden
die Schulärzte von Zeit zu Zeit gemeinsame Besprechungen abhalten. Die
Einhuiung zu diesen Besprechungen erfolgt, wenn nichts anderes bestimmt
ist, durch den ältesten Schularzt, der auch den Vorsitz in den Sitzungen
fthrt und etwaige Anträge des Schularztkollegiums der Bürgermeisterei
unterbreitet. Bis spätestens zum 15. Mai haben die Schulärzte über ihre
Tätigkeit im abgelaufenen Schu^ahr der Bürgermeisterei einen schriftlichen
Bericht einzureichen. Dieser Jahresbericht hat u. a. zu enthalten tabella-
rische, ziffermäisige Zusammenstellungen:
1. Der Resultate bei den Aufhahmeuntersnchungen;
2. der Zahl der abgehaltenen Sprechstunden bezw. der ärztlichen
Besuche der Klassen;
3. der Anzahl und Art der wichtigeren Erkrankungsfälle, die zur
Untersuchung in den Sprechstunden gekommen sind;
4. der Anzahl der an die Eltern gesandten schriftlichen „Mitteilungen'* ;
5. der Anzahl der unter „dauernder ärztlicher Überwachung** stehenden
Schulkinder;
6. summarische Angabe der erhobenen Beanstandungen bezüglich der
Schulräume usw.;
7. etwaige besondere, seitens der Schulärzte veranlagte Anordnungen
(Beschränkung der Unterrichtsstunden, des Turnens usw.).
82 292
§ 14. Im Winter werden die Schnltarte in Lehrerrersaamliiiigen
kürze Vorträge Aber die wichtigsten Fragen der Schnlhygiene halten.
§ 15. Will ein Schnlarzt aolkerhalb der Zeit der Schulferien fAr
Itager als mne Woche <Me Stadt verlassen, so h«t er ^e Dfligeimeistei^i
reehtieitig hiervon zu benachrichtigen nnd für kostenlose ged§^ete Steß-
vertretnng zu sorgen.
§ 16. Die Bürgermeisterei behftlt sich jederzeitige Ab&ndemng oder
£rweitening gegenwärtiger Dienstanweisung vor.
Darmstadt, den 9. Mai 1899.
Grofsh. Bürgermeisterei Darmstadt.
MOBN£WE0.
I Zahn's Schulbank I
I Patnti«rt in d«a »iMMi KnltimtMtaii M
Bei Klauen mit Zahn's Sehulb&nken bleibt der
FuMboden rtllig frei und belichtet, so dass der-
telke wie bei keiner anderen Bank, selinell,
l«ieht und gründlich gereini^ werden kann.
Zahn's Seholbank besteht aus einseinen, swei-
iHiicea Biaken, welehe naeh CMsse der Schttier
in neun yersclüedenen Stufen angefertigt werden,
n Reihen yerbunden und jede Bank schneH und
leielit ausgewechselt werden kann.
welche Ton ersten Autorit&ten« kgl. und
st&dt Behörden des In- und Auslaades als
gegenwärtig in Jeder Hinsicht praküsohst»,
billigste imd danerliaftaste Subssilie aner-
kannt und empfohlen wird. Ein Versuch
mit Zahn's Schulbank wird die glinsende
Überlegenheit derselben beseugen und su
grossen Kashbestellungen yeranlassen. Be-
deutende Behörden, Schulhygieniker und
P&dagogen, welehe in letster Zeit umfang-
reiche Versuche mit neuen Banksystemen —
auch umleerbaren — angestellt liaben, geben
Zahn*s Schulbank den Vorzug. Kaum 4 Jalire
Existens sind allein ^^ in Oross-Berlin
88 000 Sitse im Gebrauch, ^m
Allein im Jahre 1904 sind unter den yielen
hundert Aufträgen an grosseren Bestellungen
eingegangen: Berlin 9510 Sitse, Triest 1800
Sitse, Pankow 1450 Sitse, Strassburg 1000
Sitse, Homberg 980 Sitse, Driesen 800 Sitse,
Kiel 514 Sitse, Köpenick 520 Sitse, Gr.-Lichter-
felde fiOO Sitze, Budapest 300 Sitse, Wannsee-
Potsdam 500 Sitse u. V. a. m.
(^
A.Zahn,Spezlalfabril( f. SoliDfeinricIitungen, Berlin SO 26
Zirka
30000
Sitze im
Gebrancti
Hannovei^^ Schulbankfabrik
G. Spellmann, Hannover.
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Irttfdinfl fiii: Si|inl{|rfiiii)i|tfitü)i|lriit
XVIIL Jahrgang. 1905. No. 6.
ibvx%xnaiab\^anUnn%tn.
Ein Beitrag rar WachstnmsphyBiologie des Menschen.
Nach statistisohen Erhebungen an der SxoTBohen Erziehungsanstalt
in Jena.
Von
Dr. AtiExandeb Kogh-Hbbse
in Grora-Liohterfelde.
Einleitnng.
Folgende Abhandlung entstand bereits im Jahre 1897 und ist
(abgesehen vom Schlulswort) der unveränderte Abdruck des damaligen
Manuskripts. Hiermit wolle man es entschuldigen, wenn später ent-
standene einschlägige Literatur nicht berücksichtigt wurde. Der
Direktor des hygienischen Instituts der Universität Jena, der jetzige
Geheime Hofrat Prof. Dr. GÄBTinsB war es, der mich zu der Arbeit
Teianlalste und mich auch in dankenswerter Weise auf wichtige
Untersuchungen ähnlicher Art aufmerksam machte. Dagegen ent-
stammt das Material der eigenen Initiative des Direktors der Stoy-
schen Erziehungsanstalt in Jena, Privatdozent Dr. Heinbigh Stot,
der hierdurch allen Schuldirektoren ein nachahmenswertes Beispiel
gegeben hat. Beiden Herren war es bei ihrem Interesse für die Arbeit
vorzugsweise um speziellere schulhygienische und schulanthropologische
Fragen zu tun. In diesem Sinne habe ich auch die Arbeit zunächst
angefalst, ich dachte z. B. daran, den EinfluJs der Ferien zu er-
mittehi, ich suchte die Kinder nach dem Stande und der Heimat
der Eltern in Gruppen zu sondern usw. Aber sehr bald verschob
sieh mein Ziel. Mir schien, dals es unmöglich sei, die Hygiene
und die Rassenlehre des Wachstums zu untersuchen, so-
lange die Physiologie des Wachstums noch ein Feld von
Irrtümern ist. Ich beschränkte mich also im wesentlichen
Sehnlgesnndheittpfleffe. XVIIL 16
294
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295
296
darauf, alles das aus meinem Material zu ermitteln, was f&r die
Physiologie des Wachstums und seine statistische Erfassung von
Wert ist, und muüste zu diesem Zwecke mir teilweise erst
neue Bereohnungsmethoden ausarbeiten. Alle spezielleren Probleme
habe ich unvollendet abgebrochen, so dals das STOYSche Material
nach dieser Seite leider noch nicht ausgenutzt ist und auch von
mir nicht ausgenutzt werden kann, da ich mich seitdem anderem
Wissenschaften zugewandt habe. Um aber wenigstens etwas von
den damals abgebrochenen Spezialuntersuchungen hiermit zu ver-
öffentlichen, füge ich zwei Tabellen (S. 294 u. 295) bei, aus denen
hervorzugehen scheint: 1. dals die von Anthropologen aufgestellten
Theorien sich bestätigen, nach denen die oberen Schichten der
europäischen Völker, teils weil sie reineres germanisches Blut haben,
teils weil sie sich besser nähren, gröüser und schwerer sind, und
2. daJis die Mafse der Knaben der STOYSchen Erziehungsanstalt be-
sonders günstige sind.
I. Die ESrperUsge im YerhJÜtnis zum Lebensalter.
Um die Körperlänge in Beziehung auf das Lebensalter zu
studieren, kann man auf verschiedene Weise vorgehen. Immer hat
man das Interesse, einen Durchschnittswert für einen ganz bestimmten
Moment des Lebens, am besten wohl immer für ein gerade
vollendetes Jahr festzustellen. Dies würde man am direktesten
erreichen, wenn man die einzelnen Individuen möglichst genau je an
ihrem Geburtstage messen würde; da sich aber diese Geburtstage
über das ganze Jahr hin verteilen, so hätte man, bei einigermalsen
groüsem Material, die Unannehmlichkeit, Tag für Tag einige Personen
einer Messung unterziehen zu müssen. Deshalb ist diese Methode
in gröfserem Umfange wohl niemals zur Anwendung gebracht worden.
Man ist vielmehr durchgängig so verfahren, dals man auf einmal
eine möglichst gro&e Zahl von Individuen mals und die so erhaltenen
Zahlen nach dem Alter zusammenfaüste. Auf diese Weise sind
namentlich die bekannten greisen Untersuchungen in Stockholm,
Kopenhagen und Boston angestellt worden. Man fEtTste hier
stets die Kinder eines ganzen Jahrganges zusammen und berechnete
aus ihnen eine Durchschnittszahl. Dies Verfahren hat nun aber
doch entschieden seine Bedenken. Wenn z. B. alle Kinder des
vollendeten 15. Jahres vereinigt werden, so sind darunter solche mit
16, mit 157*, mit 15V«, mit 157* und mit fast 16 Jahren. Wären
dann zufällig innerhalb dieses Jahrganges die Kinder mit soeben
297
▼oUendetem 15. Jahre überwiegend, so würde dadarch der Durch-
sehnitt herabgedrüokt. Selbst für ganz groJse Erhebungen kann
dieser umstand in Betracht kommen. Denn wenn die Moralstatistik
ergibt, daGs im Februar erheblich mehr Geburten stattfinden als im
Juni,^ so würde eine am 1. April aufgenommene Erhebung obiger
Art bedeutend mehr Kinder mit 15^/4 Jahren vorfinden als solche
mit 15 V« Jahren, und der Durchschnitt dieser wie aller anderen
Jahresklassen würde durch diesen Umstand ftlschlich zu niedrig
ausfallen. Eine andere im Herbst angestellte Untersuchung würde
umgekehrt zu grobe Werte geben. Den Unterschied beider Er-
hebungen würde man dann vielleicht auf alle möglichen Ursachen
zurückführen und zu irgendwelchen sozialhygienischen Schlüssen
benützen, w&hrend er doch lediglich auf einem durch die übliche
bequeme, aber nicht ganz genaue Methode hervorgerufenen Beob-
aohtungsfehler beruht. Besser ist es schon, wenn man wie Cabstabt^
die Zahlen halbjährlich zusammenstellt; hier vermeidet man eher die
Jahressohwankungen in der Geburtenzahl. Doch erhält man auch
hier nicht die Gröfse für einen bestimmten Lebenstermin, sondern
einen Durchschnittswert einer Anzahl Kinder, deren Alter zwischen
zwei Orenzterminen liegt. Selbst wenn wir annehmen wollen, dafs
dieser Wert für die Mitte zwischen beiden Grenzterminen berechnet
wird, so ist diese Methode für genauere Untersuchungen unzureichend,
da es bei diesen, wie wir unten sehen werden, wesentlich auch auf die
Streuung, d. h. auf die Verteilung der einzelnen Werte um den
Mittelwert ankommt. Diese Streuung muts aber naturgemäß viel
gröfser sein, wenn die zu einem Mittelwerte vereinigten Zahlen
nicht einmal genau dem gleichen Alter entsprechen.
Om solchen Übelständen abzuhelfen, hat Direktor Röüx in
Lausanne eine neue Methode' ersonnen, indem er die Messungen
nicht nach Jahrgängen, sondern nach Monatgängen zusammenfafiste
ond nun zunächst die Durchschnittswerte für jeden Monat berechnete.
Dann ]ieb er die zwölf Monatskurven graphisch auftragen und für die
Eonre, in deren Monate die Messung stattgefunden hatte, welche
also ungefähr die Werte für ein gerade vollendetes Jahr repräsentierte,
* Vergl. Hatb: „Die Gesetsmälsigkeit im Gesellsohaftsleben.'' Manchen
1877. Dort iat jener ünterBchied für vier Länder nachgewieaen (etwa 60
gegen 45).
' Bektor Fbitz CabstIdt: „Über das Waohstnm der Knaben vom 6. bii
nun 16. Lebenijahre.'' Zeitschr. f. 3ckiägest4ndheii8pfl. I. Jahrg. Nr. 3.
* Vergl. Zeitachr^ f. ScfwigesundheUspfl. IX. Jahrg. Nr. 11. 8. 572 ff.
298
die Ordinate pro Jahr einzeichnen. Indem die übrigen Monatskorven
diese Ordinalen schneiden, entstehen für jedes eben vollendete Jahr
zwölf Ordinaten, ans denen dann der Mittelwert direkt berechnet
werden kann.
Diese Methode ermöglicht also eine etwas genauere Feststellung
des Mittelwertes für ein gerade vollendetes Jahr und aulserdem die
Beobachtung, dafs der G-eburtsmonat in meteorologischer Hinsicht
nicht ohne Einfluüs auf die Körpergröfse sei. Die Berechnung der
Streuung ist jedoch nur für die einzelnen Monate möglich, und hier
wegen der zwar gröfseren, aber noch nicht vollkommenen Gleich-
altrigkeit und aufserdem wegen des stark verringerten Materials nicht
unbedingt zuverlässig.
Eine noch gröfsere Genauigkeit zu erreichen war deshalb mein
Ziel, um so mehr, da das gewonnene Material von vornherein nicht s o
grob war, dals eine Zersplitterung ohne Schaden geblieben wäre.
Dafür lagen die Verhältnisse hier um so günstiger, als die Messungen
nicht einmal im Jahre, sondern etwa zehnmal in ziemlich regel-
mälsigen Abstünden vorgenommen wurden. Es handelt sich um im
ganzen gegen 300 Schüler, welche, je nach ihrem längeren oder
kürzeren Aufenthalte in der Anstalt, verschieden häufig gemessen
worden waren. Das Material ist also ähnlich dem von Lihabzik,^
welcher 200 Kinder vom 8. bis zum 14. Jahre beobachtet hatte.
Bei Verwertung meines Materials verfuhr ich folgendermafsen :
Ich hatte eine Tabelle sämtlicher Knaben ; hinter dem Namen standen
der genaue Geburtstag und das Geburtsjahr; dahinter kamen dann 13
Spalten für die Jahrgänge VIII bis XX. Dann suchte ich mir für
jeden einzelnen E[naben und für jedes einzelne von demselben in der
Anstalt zugebrachte Jahr in den Mefsbüchem diejenigen zwei Zahlen
auf, welche an Tagen beobachtet waren, zwischen denen der Geburtstag
des betreffenden Knaben lag. Differierten, was in der Regel der
Fall war, diese beiden Zahlen untereinander, so muiste ich die
praktisch wohl zutreffende Annahme machen, dafs das Wachstum
während dieser wenigen Wochen gleichmäßig vor sich gegangen sei.
Dann berechnete ich die Anzahl Tage, welche zwischen den beiden
aufgesuchten Terminen lagen und ebenso die, welche zwischen dem
ersten Termine und dem Geburtstage lagen, und sah mich nun vor
das fiegel-de-tri-Exempel gestellt, wieviel der Knabe in x Tagen
gewachsen war, wenn er in y Tagen um z cm gröfser geworden war.
.Das Oeietz des menschlichen Wachstums.*' Wien 1856. 1. Anfl.
299
Ein Beispiel erläutere das: Wilhelm Meyer ist geboren am 10. Mai
1873. Am 7. April 1891 milst er 168,2 om, am 26. Mai dess. J.
164,0 cm. Er hat also in 49 Tagen 0,8 om an Grölse zugenommen.
Vom 7. April bis znm 10. Mai sind 33 Tage. Mntmalslioh ist er
SS 0 8
also bis zu seinem Gleburtstag um ' * = 0,5 cm gewachsen.
Von 1878 bis 1891 sind 18 Jahre verflossen, also trage ich in der
Spalte XVm unter Wilhelm Meyer (163,2 + 0,5 =) 163,7 ein.
Ebenso verfahre ich für alle anderen Jahre und für alle anderen
Namen.
So erhielt ich neue Urtabellen, in deren senkrechten Spalten für
die einzelnen Jahre die GröJsen sämtlicher Schüler, die das entsprechende
Jahr auf der Anstalt verlebt haben, möglichst genau bis auf den Tag der
Geburt, eingetragen waren. Eis kam nun darauf an, diese einzelnen
Werte auf einen gemeinsamen, möglichst kurzen, mit den Ergebnissen
anderer Untersuchungen vergleichbaren Zahlenwert zu bringen. Die
allgemein übliche Methode hierfür ist die des arithmetischen
2a
Mittels. Man verfahrt nach der Formel: M = — , d. h. man
n '
addiert alle zusammengehörigen, also hier alle wegen des genau
gleichen Alters strikte zu vergleichenden Werte und dividiert die
Summe durch die Anzahl dieser Werte. — Eine andere Methode ist
die des wahrscheinlichen Mittels. EQer ordnet man am ein-
fachsten die Einzelwerte eines jeden Jahrganges nach ihrer absoluten
Gröise an und erhält so eine Skala, über deren besondere Eigentüm-
lichkeiten weiter unten die Bede sein wird. Nun zählt man sich in
dieser Skala diejenige Zahl ab, welche genau in der Mitte liegt. (Ist
die Anzahl der Zahlen gerade, so muis man aus den beiden mittelsten
das arithmetische Mittel nehmen.) Auf diese Weise kann man, wenn
das Material genügend groJs und unter sich nicht allzu heterogen
ist, das sonst erst durch schwierigere mathematische Operationen er-
IiftlÜiche wahrscheinliche Mittel finden. Es kann mehr oder
weniger gut mit dem arithmetischen Mittel übereinstimmen. Findet
man die Abweichung beider Mittelwerte nur gering, so kann man
wohl sicher darauf rechnen, dais die Einzelwerte sich ziemlich sym-
metrisch um den Mittelwert verteilen, während im entgegengesetzten
Falle nach der Seite, wohin der arithmetische Mittelwert liegt, eine
grölsere individuelle Abweichung stattfindet. Bei der Auffindung des
wahrscheinlichen Mittels zählt nämlich jede Einzelbestimmung nur
als -f 1 oder als — 1, bei der des arithmetischen Mittels dagegen
300
wird gleichsam jede Stimme nicht gezählt, sondern gewogen, d. h.
ihre Abweichung wird genau in Betracht gezogen. Deshalb wird
das arithmetische Mittel schon durch verhältnismäbig wenige, aber
stark differenzierte Einzelwerte wesentlich beeinflnist, während das
wahrscheinliche Mittel eine mehr stabile Gröfse darstellt. Es mnls
jedoch noch hinzugesetzt werden, daüs überhaupt die Anwendung des
wahrscheinlichen Mittels an die Bedingung geknüpft ist, dafs sich die
Einzelwerte um dasselbe wesentlich stärker häufen als nach den
beiden Extremen zu. Diese Bedingung war bei dem Materiale der
St ersehen Erziehungsanstalt, wie sich weiter unten zeigen wird,
erfüllt. — Indem wir noch die üblichen Maxima und Minima an-
fügten, erhielten wir folgende Zahlenreihe:
Tabelle der mittleren Eörpergröfse.
Gerade
vollendetes
Jahr
Arith-
metisches
Mittel
Wahr-
scheinliches
Mittel
Minimum
Mazimom
Anzahl
der Unter-
suchungen
V
(109,26)
—
(106,6)
(112,0)
2
VI
(114,00)
—
—
—
1
vn
—
—
—
—
—
VIII
122,89
(124,6)
116,8
129,0
9
IX
128.96
(130,7)
130,6
136,6
10
X
138.80
184,0
123,9
148.0
23
XI
136,49
137,0
126,0
144,2
88
xn
140,86
141,0
126,8
166,6
69
XTTT
145,61
146,0
120,6
178,4
87
XIV
168,65
161,6
133,8
179,8
111
XV
168,64
168,7
137.7
184,0
147
XVI
164,88
166,0
138,0
186,8
163
XVII
168,16
168,8
142,4
186.6
127
xvm
169,23
169,7
146,8
181,6
70
XIX
170,80
171,0
167,8
182,0
36
XX
170,71
(172,0)
161,0
177,0
7
XXI
(175,16)
—
(169,3)
(181,0)
2
Anm.:
Die einffeklan
imerten Zahle
n erschienen :
Summe
mir wegen de
886
• SU spir-
liehen Materials als unsicher.
301
Vergleiehen wir in der yorliegenden Tabelle die ariihmetischen
und die wahrsclieinliohen Mittel, so fioden wir, obgleich das Material
für die Auszählung des wahrscheinlichen Mittels nicht übermälsig
grols ist, eine recht gute Übereinstimmung beider Mittel-
werte. Dies hat eine grofse praktische Bedeutung. Je gröber
nämlich das Material und je genauer die Einzelmessungen werden,
desto umständlicher, zeitraubender und zu Rechenfehlern anlafs-
gebender wird die Methode des arithmetischen Mittels. Das Addieren
yieler Tausend yierziffriger Zahlen gehört nicht zu den Annehmlich-
keiten einer wissenschaftlichen Untersuchung! Dagegen ist die Me-
thode des wahrscheinlichen Mittels, welche unter der obigen Voraus-
setzung der mittleren Häufung desto genauer aus&Ut, je gröfser das
Material wird, sehr viel einfacher, namentlich wenn die statistische
Erhebung mittels einzelner Mefskarten geschieht, die dann einfach,
bereits von den Untersuchten selbst, mechanisch sortiert werden
können. Ja, man kann es sogar ernstlich in Erwägung ziehen, ob
das wahrscheinliche Mittel — immer groJses Material vorausgesetzt —
nicht nur einfacher, sondern auch zweckentsprechender ist. Denn
wenn wir eine grobe, zusammengehörende Zahlenreihe durch einen
Mittelwert interpretieren wollen, haben wir da nicht das Bestreben, in
diesem das n ormale, das typische Verhältnis auszudrücken ? Und wird
das wahrscheinliche Mittel, das uns den Wert, um den herum sich
die Einzelmessungen am dichtesten gruppieren, angibt, unserem Be-
streben nach der Auffindung des Normalen nicht besser entsprechen
ab das arithmetische, welches sich bereits durch wenige, stark ab-
weichende Eiztreme, die doch stets etwat Zufälliges, etwas Anormales
baben, beeinflulst wird?
In der Tat scheinen die Messungen der 17000 dänischen und
der 15000 schwedischen Knaben durch die dänische und die schwedische
Kommission nach der Methode des wahrscheinlichen Mittels berechnet
worden zu sein, obgleich dies aus der exzerpierenden deutschen
Übersetzung^ nicht mit aller Sicherheit hervorgeht. Bedenken könnte
es allerdings erregen, wenn man diese Messungen mit anderen, nach der
Methode des arithmetischen Mittels berechneten, vergleichen wollte.
So sagt z. ß. Emil Schmidt : ' „Ihre Ergebnisse sind mit denen der
^ AxsL KxTB „Schalhygienische Untersuchungen'', übers, von Dr. Lbo
BuRonsTBor. Hamburg und Leipsig 1889. S. 211—297.
' £. Schmidt: „Die Körpergrofse und das Gewicht der Schulkinder im
Kreise Saalfeld.'' Archiv ßr ÄnOirqpologie, XXI, S. 397.
302
übrigen Beobachter nicht gnt zn vergleichen.^ Dieser Übelfitand ist
jedoch in Wirklichkeit nicht so schlimm. Ans der obigen Tabelle
geht ja hervor, dafs die Differenz beider Mittelwerte schon bei dem
Konren der mittleren KörpergröXiM.
hiesigen, verhältnismälsig geringen Materiale nnr einmal 1 cm etwas
übersteigt, meist aber weit darunter bleibt. Da nun die schwedischen
Untersnohnngen in ganzen Zentimetern, die dänischen gar in ganzen
Zollen aufgenommcD waren, so kann man bestimmt darauf rechnen,
303
dals sich bei ihnen keine Differenzen zwischen beiden Mittelwerten
herausgestellt haben würden. Sie sind deshalb, trotz der verschie-
denen Methoden, mit anderen Messungen vergleichbar.
Bei unserem Materiale dagegen, wo die Millimeter mitgemessen
wnrden, lälst sich das Verhältnis beider Mittelwerte noch genauer
studieren. Wir sehen nämlich, dafs bis zum 11. Jahre das wahr-
scheinliche Mittel gröfser ist; im 12. sind sie beide etwa gleich grob,
im 13. und 14. ist das arithmetische entschieden gröfser, im 15. und
16. sind sie wieder etwa gleich grofs, und von da an gewinnt das
wahrscheinliche Mittel wieder einen merklichen Yorsprung. Noch
deutlicher werden diese Verhältnisse, wenn wir die Werte graphisch
darstellen (Fig. 1). Wir nehmen zur Abscisse das Lebensalter, zu
ihrer Einheit das Jahr, tragen als Ordinaten je die gefundenen zwei
Werte ab und ziehen dann die Kurve des arithmetischen Mittels
in ganzer, die des wahrscheinlichen Mittels in gebrochener Linie.
Wir sehen hier auf den ersten Blick:
1. Den geringen, gegenüber beiden Wachstumsdifferenzen ver-
schwindenden Unterschied beider Kurven.
2. Drei Perioden im Verhältnis beider Kurven:
A. Bis zum 12. Jahr: Die des wahrscheinlichen Mittels steht
höher.
B. Vom 13. bis zum 15. Jahr: Die des arithmetischen Mittels
steht höher.
C. Vom 15. Jahr an: Wie bei A.
Da, wie wir gesehen haben, das arithmetische Mittel mehr von
(unsynunetrisch gelegenen) Extremen beeinfluist wird als das wahr-
scheinliche, so können wir schon jetzt die Vermutung aussprechen,
dafe während der Jahre 13 — 15 besonders viele, im Verhältnis zum
Durchschnitt extrem grolse Individuen vorhanden seien, während vor
und nach dieser Periode das Verhältnis gerade umgekehrt liegt. Auf
den Grund dieser zunächst seltsam aussehenden Erscheinung wird
weiter xmten zurückgekommen werden.
Betrachten wir jetzt die Kurve des arithmetischen Mittels für
sich allein, so können wir auch hier drei Perioden unterscheiden: Die
Kurve beginnt nämlich im Anfange des untersuchten Lebensabschnittes
steil, um dann allmählich mehr eben zu werden. Das Minimum der
Steigung erreicht sie zwischen X und XI, also im elften Lebens-
jahre. Jetzt beginnt sie wieder stärker und stärker anzusteigen, bis
sie nach dem 16. Jahre wieder nach der Horizontalen umbiegt und
sich derselben mehr und mehr nähert. Vergleichen wir hiermit die ge-
304
brochene KurTe, so finden wir ganz dieselben Wachstumsmiterscliiede,
nur noch etwas stärker ausgeprägt: Im 11. Jahre ist sie nooli
flacher, im 15. Jahre noch steiler als die ganze Linie. So
finden wir es hier praktisch bestätigt, was wir oben auf Grand theo-
retischer Überlegungen vermuteten, dals sich nämlich zum Studium
des normalen Wachstums die Methode des wahrscheinlichen Hittels
(bei grofsem Materiale) noch besser eigne als die des arithmetischeD,
weil ersteres von einzelnen Extremen weniger beeinfluist werde. Diese
Methode zeigt in der Tat die Gesetzmälsigkeit des typischen Wachsens
am deutlichsten, da sie am schärfsten die Unterschiede der einzelnen
Lebensjahre ausdrückt.
Vergleicht man das Wachstum mit einer Bewegung, so kann
man die der stärker ansteigenden Kurve entsprechende Periode die
des beschleunigten, die Periode der sanfter werdenden Steigung
die des verzögerten Wachstums nennen. Mit den so gewonnenen,
wenn auch nur bildlichen ^ Ausdrücken kann man das Wachstum der
gemessenen Knaben folgendermaisen kurz beschreiben: Bis zum
11. Jahre verzögertes, dann bis zum 15. Jahre beschleu-
nigtes, zuletzt wieder verzögertes Wachstum, das schliefe-
lieh jenseits des beobachteten Alters in den Stillstand, vielleicht sogar
Bückgang übergeht. Es sei gleich hier gesagt, dais sich dieselben
Perioden bei allen anderen vorliegenden Untersuchungen desselben
Gegenstandes wiederfinden, wenn auch, gemäfs den sonstigen anthro-
pologisohen und sozialen Unterschieden, etwas nach dem Alter ve^
schoben, und wenn auch selten so ausgeprägt, so regelm&Isig inein-
ander übergehend wie hier, vielmehr oft durch zu&Uige Sprünge
undeutlich geworden. Wir glauben nicht fehl zu gehen, wenn wir
die hier beobachtete gröüsere Begelmäfsigkeit auf zwei Umstände
zurttckbeziehen :
1. Die weit genauere Berechnung auf den Tag des gerade voll-
endeten Jahres.
2. Die durchaus einheitliche Lebensweise der untersuchten
Knaben, denen freilich eine ziemlich mannigfaltige geographische
Herkunft gegenübersteht. Aber man hat oft beobachtet, dals die
sozialen Differenzen viel ausschlaggebender für unsere Probleme sind
als die geographischen.
Die Periode des beschleunigten Wachstums fehlt nur bei
^ Aber auch die Karve selbst ist ja doch eigentlich nur ein BUd, ein
Symbol 1
305
QuETELET^. Wat betrftgt die j&hrliche Znnahine vom 5. bis zum
17. Lebensjahre stets etwa 5 cm, ohne periodische Schwankungen
ZQ zeigen. E!s war ein HilsTerständnis, wenn Kotelmakn' die
Worte QuxTELBTs: f^racroissement de taille devient r^gnlier
jnsqne ycts 16 ans" als in Übereinstimmung mit seinen, Kotelmanns,
Zahlen deutete, da sich in letzteren ein Minimum des Wachstums
im 13., ein Maximum im 16. Jahre findet, so dais auch hier die
drei Perioden, nur etwas später einsetzend, sich yorfijiden wie bei
unseren und allen anderenüntersuchungen, auiser derjenigen Qoetblets.
Auf letztere ist aber diesbezüglich wegen des geringen Materials kein
Gewicht zu legen, und wir können das Bestehen der drei
Perioden als eine durchgängige Gesetzmftfsigkeit des
menschlichen Wachstums ansehen. Vergleichen wir sie mit den
drei in dem Verhältnis der beiden Kurren zueinander gefundenen
Perioden, so sehen wir, dais sich beide Arten von Perioden
ziemlich genau entsprechen, nur dais die Beschleunigungsperiode
etwas froher an&ngt als der Zeitraum, in dem das arithmetische
Mittel gxGlser ist als das wahrscheinliche. Letzterer Zeitraum fi&Ut
also nicht mit der ganzen Beschleunigungsperiode zusammen, sondern
nur mit demjenigen Abschnitte derselben, in welchem sich die
Wirkungen der Beschleunigung so angehäuft haben, dais dadurch
eine etwa entgegenstehende Tendenz überwunden wird. Diese ent-
gegenstehende Tendenz ist darin ausgedrückt, dais das arithmetische
Mittel bei den meisten Jahresklassen unter dem wahrscheinlichen
bleibt Berücksichtigt man die mutmaisliche Ursache des Zurück-
bleibens des arithmetischen Mittels, so kann man annehmen, dais
im allgemeinen mehr extrem Kleine als extrem Greise vorhanden
sind, was sich am einfachsten durch Zumischung einer klein-
wüchsigen, also wohl der „alpinen*' Rasse, zum germanischen
Typus erklärt Infolge dieser o£fenbaren Rassenzumischung also
wird die Gleichzeitigkeit der beiden Phänome, nämlich des Tempos
der Kurren und ihrer gegenseitigen Lage gestört. Die Kurve des
arithmetischen Mittels bedarf einer gewissen Zeit, um die Störung
zu ftberwinden und die ihr während der Beschleunigungsperiode
zukommende Lage oberhalb der anderen einzunehmen. Wir werden
später sehen, dais die Mutmaisung durchaus zutrifft.
^ Ad. Qubtblbt: ,Anthropom6trie ou mesnre des dififörentes facult^ de
Hiomme.'' BnxzeUes 1871. page 177, 204 et 418.
' «Die Korperverhaltnisse der Gelehrtenschale des Johanneums in Harn-
bnig « Zätadmft d. kgl preuß. stat Bureaus, 1879, Seite 6.
306
Was DUD die Minima und Maxima betrifft, d. h. den geringsten
nnd den grOüsten Wert, welcher sich für jede Altersklasse findet, so
pflegen sie bei allen anthropometrischen üntersnchnngen angegeben
zu werden. Man will nämlich nicht nur wissen, wie die KOrper-
grölsebei einem bestimmten Alter durchschnittlich ist, sondern ancb,
wie eng nnd wie weitläufig sich die einzelnen Werte um den
Mittelwert verteilen. Zu diesem Zwecke, glaubte man, genüge es,
wenn man die Grenzwerte angebe, zwischen denen jeder Einzelwert
liegen müsse. Je weiter oder je näher diese Grenzwerte im einzelnen
Falle lägen, desto weitläufiger, so kalkulierte man weiter, bez. desto
gedrängter sei die Verteilung um den Mittelwert. Diese Kalkulation
ist jedoch leider falsch. Es kann nämlich die allgemeine Streuung
sehr gering sein, es können, um einen extremen Fall zu nehmen,
fast alle Individuen genau den Durchschnittswert zeigen, daneben
kann aber ein Biese und ein Zwerg sein. Die üblichen anthropo-
logischen Statistiken würden dann den Mittelwert und aufserdem
die Gröise des Riesen und die des Zwerges angeben, und der Leser
würde daraus auf eine sehr weitläufige Verteilung schliefsen. Man
fählt das Prekäre und Irreführende dieses Verfahrens. Man hilft
sich, so gut als man kann. So sagt Dr. H. Lübben^: „Bei
Messung der Körperlänge wurden ein paar Fälle von deutlichem
Zwergwuchs auiser Betracht gelassen. ** Das heiist aber der Willkür
Tür und Tor öffnen; es mufs unbedingt daran festgehalten werden,
alle in Betracht kommenden Individuen zu berücksichtigen. Und
dieses Vertuschen unbequemer Extreme führt ja auch noch nicht
einmal zum Ziele. Auch abgesehen von dem eigentlichen Zwerg-
und Riesenwuchs hängt es rein vom Zufall ab, ob der Kleinste
resp. Grölste, der meist in einiger Entfernung von dem Nächsten
wird zu stehen kommen, ein paar Zentimeter kleiner oder grölser
ist. Alle Angaben über Maxima und Minima haben daher etwas
durchaus unregelmäfsiges, auch die des Dr. Lübben nicht ausge-
nommen. Nur um diese ünregelmälsigkeit und daher Wertlosigkeit
der Maxima und Minima zu zeigen, sind sie in obige Tabelle mit
aufgenommen. Da fällt das Maximum z. B. im 11. und 20. Jahre
plötzlich um 4 — 5 cm herunter, was doch niemals durch eine physio-
logische Ursache zu erklären wäre. Es entscheidet da stets der
^ „Die körperliche Entwicklung der Schulkinder^S CorrespondensibläUer des
Allgemeinen äretUchen Vereins van Thüringen. Weimar 1893. S. 54.
307
ganz zufUlige Aus- und Eintritt einzelner sehr Gro&er oder sehr
Kleiner in den Kreis der untersuchten, also hier der Anstalt.
Es fragt sich, was wir an die Stelle dieser unbrauchbaren
Methode setzen können? Um das zu entscheiden, muis man vor
allem den praktischen, speziell den hygienischen Zweck solcher
Messungen im Auge behalten. Alle Messungen und Wägungen an
Schulkindern können praktisch doch nur in der Absicht geschehen,
dab die £ltem und Erzieher eines jeden einzelnen Kindes desselben
Kreises stets einen Anhaltspunkt haben, ob es sich normal
entwickelt oder nicht. Da kann es ihnen noch nicht viel nützen,
wenn sie hören, die Durchschnittsgröüse der Altersgenossen ihres
Sohnes betrage z. B. 150,0 cm, während ihr Sohn selbst 140,0 cm
mifst; das kann ebensowohl noch normal sein als schon bedenklich.
Es nützt den Eltern auch nichts, wenn sie hören, dafs in jenem
Distrikt ein gleichaltriges Indinduum von 125,0 cm existiert. Sie
interessiert die Grenze der normalen Breite, die Frage, ob die
bei ihrem Sohne konstatierte Abweichung von 10 cm besorgnis-
erregend ist oder ob sie so häufig ist, daüs man sie noch normal
nennen kann. Sie können also erst beruhigt sein, wenn sie die
Gröüse der durchschnittlichen Abweichung vom Mittelwerte
hören. Diese durchschnittliche Abweichung findet man nach der
Formel 0 = — ; man hat die Abweichung d jedes einzelnen Wertes
Yom Durchschnitt zu bestimmen, aus diesen Abweichungen die
Summe zu nehmen und diese durch die Anzahl der Werte zu
dividieren. Diese Methode ist in der Statistik^ schon vielfiich an-
gewandt worden. Das Verdienst, dieselbe in die Anthropologie ein-
gef&hrt zu haben, hat H. von Ihesino*. Er schlug vor, diese
Zahl, welche die durchschnittliche Oszillation der Einzel-
werte um den Mittelwert angibt, dem Mittelwert als Exponenten
hinzuzufügen. Für praktische Zwecke scheint mir diese Methode
durchaus brauchbar zu sein, für streng theoretische dagegen geht
man noch einen Schritt weiter, indem man die Wahrscheinlichkeits-
rechnung heranzieht. Schon Laplace, Foübieb* und Qüetblet
' So Albxakdbb t. Obttihobn in seiner „MoralatatiBtik**, Adolf Wagnbr
in seiner „Selbstmordstatistik" u. a.
' „Zar Binfahning des Ossillationsexponenten in die Eraniometrie.'^ Archiv
f. Anihropciogie, 1877, Bd. X, S. 411--lld.
' „Becherches statistiqaes snr la ville de Paris.'' Paris 1826, page XV.
308
haben dies getan. Quetelet^ unterscheidet sehr geschickt, wie mir
scheint, zwischen „moyenne" und „mediane**. Letztere ist eine rein
rechnerische Grölse (ein „nombre abstrait^), die man, um ein krasses
Beispiel zu nehmen, erhalten wtbrde, wenn man z. B. Yon der ge-
samten BeyOlkerung Südafrikas eine „mittlere" Körpergröise be-
rechnen wollte, wobei dann die Engländer mit etwa 170,0 cm und
die Buschmänner mit 140,0 cm zu einem Mittelwert von vielleicht
155,0 cm künstlich zusammennumeriert würden. Dagegen stellt die
„mcyenne'^ einen Typus dar, um den herum sich die Einzelwerte
so gruppieren, dals die Abweichungen desto seltener vorkommen,
je gröfser sie sind. Nun zeigte Qüetblet an einer Reihe von ihm
bereits vorliegenden Untersuchungen' über die Körpergröise Er-
wachsener in Amerika, Frankreich, Belgien und Italien, dafs, wenn
man zusieht, wieviel Einzelwerte in jede Rubrik ä 3 cm fallen^
man findet, dafs sich diese Einzelwerte £ast genau so verteilen, wie
es die aufeinanderfolgenden Koeffizienten des binomischen
Lehrsatzes verlangen, wobei die mittelste, am stärksten besetzte
Rubrik natürlich die ist, in welche auch der Mittelwert ftllt.
QuETELET stellte daher die Verteilung der Einzel werte in Form der
NEWTONSchen Binomialkurve dar. Dieselbe Kurve aber findet der
Physiker, wenn er die verschiedenen Beobachtungen eines und des-
selben Vorgangs zu einer sogenannten Fehlerkurve anordnet.
QüETELET machte daher den Vergleich, auch die Natur strebe nach
Hervorbringung einer und derselben Grö&e, dem Typus, verfehle
dieselbe aber ebenso oft nach oben wie nach unten. Damit ist
natürlich noch keine Erklärung, sondern nur eine geistreiche Um-
schreibung des Phänomens gegeben; doch schwebte Quetelet die
richtige Erklärung schon vor, wenn er jedes Individuum mit einer
Ziehung aus der Urne des Schicksals, in der gleich viel schwarise
und weilse Kugeln liegen, verglich. Kkapp* hat das näher er-
läutert: die schwarzen und weiisen Kugeln sind die ungünstigen
und günstigen Bedingungen, unter denen ein Mensch entsteht und
aufwächst; da sich beide in den meisten Fällen (relativ zu der be-
trefienden Bevölkerungsgruppe) etwa die Wage halten, so sind auch
^ „Lettres aar la theorie des probabilitSs appliquöes auz scienoei moralea
et politiques.*' Bmxelles 1846.
' Anthropometrie, page 269 et 287.
' „QuBTELET als Theoretiker/ Jährbücher /l Naüm^-Ökon, u. Statistik Toa
Bildebrand und Covrad, Jena 1872, Bd. II, 8. 107.
309
die mittelgrofsen Individuen weitaus die zahlreichsten. Nun aher
ist es sehr auffallend, dafs Quetelet, dessen Bücher von An-
spielungen auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung erfüllt sind, keine
rechte praktische Verwertung dafOr gefunden hat. Seine sehr aus-
fährlichen Betrachtungen üher die tatsächliche und wahrscheinliche
Verteilung der Einzel werte um das Mittel schliefsen damit, dafs
er auiser der Berechnung des arithmetischen Mittels die Angabe —
der Mazima und Minima fordert. Er war so begeistert Air die von
ihm im Qesellschaftslehen gefundenen Gesetzmälsigkeiten, daCs er
die Gewalt, die im einzelnen doch immer der Zufall hat, unter-
schätzte. So glaubte er, wenn er nur die Schnittpunkte seiner
Binomialkurve mit der Abscissenaxe, d. h. die Abscissen, zu
denen die Ordinaten 0 gehören, d. h. die Körpergrölse, unter der
und über der keine Einzel werte mehr vorkommen, also die beiden
äulsersten Extreme wüiste, so könne er sich die ganze Kurve
rekonstruiei-en. — Erst wenn die Wahrscheinlichkeitsrechnung in
der Form des GAUSSschen Fehlergesetzes angewendet wird, entstehen
praktische Vorteile daraus. In die Statistik ist dasselbe von Lexis^
eingefährt worden, in die Anthropologie von Stieda'. Es handelt
sich hier zunächst darum, den sogenannten Oszillationsindex zu
finden, d. h. die wahrscheinliche Abweichung eines jeden Einzel-
wertes vom Mittelwert. Man findet ihn nach der genauen Formel:
r = 0,6745
r n— 1 ,
wobei 2d^ die Summe aus den Quadraten sämtlicher beobachteter
Abweichungen und n die Zahl der betreffenden Messungen ist. Ist
n mindestens =10, so kann man statt obiger Formel die einfachere
r = 0,8463 —
w
nehmen, wobei 2d die Summe der Abweichungen vorstellt. Die
Gröfse r drückt für jede Altersklasse diejenige Abweichung aus,
welche, sei sie positiv oder negativ, von den einzelnen Individuen
ebenso wahrscheinlich überschritten, als nicht erreicht werden kann.
Da r in der einfacheren Formel aber nichts weiter ist als der mit etwa
^ „Über die Theorie der Stabilität statistischer Reihen.^ Jahrbücher f.
Nathn.-Ökon. u. Statistik von Hildxbrakd und Cofbad, Jena 1879, Bd. 32,
8. 60-97.
' Ȇber die Anwendung der Wahrscheinliohkeitsrechnung in der anthropo-
logischen SUtistik/* Archiv f. Anthropologie, 1883, Bd. XIV, S. 167—182.
SchnlgeiiuidheHspflegre. XVIIL 17
310
V» multiplizierte InsBiNasche Oszillationsexponeiit, so wftn bis jetzt
durch Anwendung der Wahrsoheinlichkeitsreohnung noch kein wesent-
licher Vorteil erzielt. Man kann jedoch mittels derselben auch die
wahrscheinliche Abweichung des Mittelwertes selbst be-
stimmen. Dies geschieht nach der Formel:
B = 0,6744896 1/ — ^^-rr = i?^
Durch diese Berechnung erlangt man die Sicherung des
Mittelwertes. Je kleiner jR ist, einen desto gröfseren Wert kann
man einer Untersuchung in der Vergleichung mit anderen analogen
beilegen. — Au/serdem kann die Wahrscheinlichkeitsrechnung noch
zur Abrundung und Korrektion der empirisch gefundenen Ver-
teilungskurren benutzt werden. Aus der annähernden Übereinstim-
mung dieser berechneten Kurve mit der tatsfichlich beobachteten
kann man dann den Bflckschlufs ziehen, ob die Wahrscheinlichkeits-
rechnung überhaupt für die vorliegende Dntersuchung anwendbar
ist. QuETELET hat die Frage nur an militftrstatistischem Material,
also an Erwachsenen, geprüft und bestätigt gefunden. £Ss ist damit
noch nicht gesagt, dafs die Verteilung der Einzelwerte auch während
der Jahre des Wachstums nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeits*
rechnung erfolge. In einer Arbeit von Geisbleb und ühutzsch^ ist
der dankenswerte Versuch gemacht, für das zehnte, elfte, drei-
zehnte und vierzehnte Jahr die empirische und die theoretische
Verteilung zu berechnen. Da beide in der Tat im grofsen und
ganzen übereinstimmen, so haben die erwähnten Beobachter fär alle
untersuchten Jahrgänge r und R berechnet und sich damit das
Verdienst erworben, die Wahrscheinlichkeitsrechnung in die schul-
hygienischen und wachstumsphysiologischen Untersuchungen einge-
führt zu haben. Derselben Untersuchung hat sich Ebismanv* unter-
zogen. Man kann daher E. Schmidt' wohl beistimmen, wenn er
eine nochmalige Berechnung der theoretischen, idealen VerteiluDg
für überflüssig hält, weil die Anwendbarkeit der Methode fest-
steht. Aber eben deswegen sollte die Anwendung derselben in
einer sonst so ausführlichen Arbeit nicht unterlassen sein!
^ Die Orörsenverhältniise der Schnlkinder im SchulinspekiionsbeEirk Frei-
berg.'' Zeitsehr. d. Kgl Sachs. Statist Bureaus, 1888, S. 85.
' „Uuterfluohungen über die körperliche Entwicklung der Fabrikarbeiter
in Zentralrursland." Brauns Archiv f» soz. Gesetzgfhung u. Statistik, Tübingen
1889.
• Vgl. oben Archiv /. Änthrqpoly S. 386.
311
Die Anwendbarkeit der Methode kann man sich noch auf eine
andere Weise klar machen. Das GrAüSSSohe Fehlergesetz hat nftm-
lieh drei Voraussetzungen. Erstens müssen absolute Grenzen für
die Abweichungen vorhanden sein; dies ist für die Messungen der
KOrpergröfse, des Gewichts usw. selbstverständlich der Fall. Zweitens
müssen gleich groJse positive oder negative Abweichungen gleich
wahrscheinlich, und drittens kleine Abweichungen viel häufiger als
grolse sein. Von dem Vorhandensein dieser beiden Bedingungen
könnte der Leser sich bequem durch den Augenschein überzeugen,
wenn man, wie Paoliam es getan hat,^ das gesamte Material, aus
dem man schöpft, beigeben oder, noch besser, nicht die Einzel-
werte selbst, sondern ihre individuellen Abweichungen vom Mittel-
werte, also die Werte für d dem Leser übersichtlich geordnet vor-
führen würde. Dann könnte auch der Leser sich sofort davon
überzeugen, dals die dritte Bedingung des GAUSSschen Gesetzes
erfüllt ist. Der erste Blick auf diese, aus technischen Gründen
hier weggelassenen Tafeln würde zeigen, wie zuerst grofse Strecken
von demselben Einer erfüllt sind, wie dann von jedem Einer
immer weniger Exemplare auftreten, bis zuletzt groüse Sprünge
kommen. Nicht ganz ebenso steht es mit der zweiten Gauss-
sehen Bedingung. Wäre sie vollständig erfüllt, so mü&ten stets
die beiden zusammengehörigen Kolumnen, die positive und die
negative, auf gleicher Höhe etwa dieselben Werte zeigen, was sich
ftuüserlich in der gleichen Länge beider Kolumnen und in der an-
nähernden Identität der beiden Extreme ausprägen würde. Prüft
man daraufhin die Tafel, so findet man, wenn man nur die durch
einigermafsen zahlreiches Material vertretenen Jahrgänge berück-
sichtigt, diese Bedingung mit annähernder Exaktheit nur bei den
Jahrgängen Xu und XV erfüllt. Hier haben in der Tat beide
Kolumnen eine frappierende Ähnlichkeit. Bei den übrigen Jahren
hat immer eine Kolumne ein bedeutendes Übergewicht an Zahl,
während die andere dasselbe durch die Gröise der Einzelwerte aus-
gleicht. Man könnte diese verhältnismäürig doch immer geringen
Abweichungen vom Mittelwert vielleicht als Zufall ansehen, wenn
sich nicht gerade in diesem, anscheinend ungesetzlichen, Verhalten
eine neue Gesetzmäfsigkeit ausspräche. Vor dem zwölften
^ Sopra alciini fattori dello Bviluppo umano. Bicerche antropometriche.
(Die Tafeln 2a, 9a, 17a geben die Körpergrolfle in Zentimetern.) Atti deUa
reale Academia deUe sdeme, Torino 1876-76, pag. 694—760.
17*
312
Jahre sind nftmlieh die positiven Werte, zwischen dem zwölften und
dem fGLnfzehnten die negativen und nach dem fünfzehnten wiedemm
die positiven Werte zahlreicher. Es sind mithin genau dieselben
drei Perioden, welche man oben (Fig. 1) bei Vergleichong des arith-
metischen und des wahrscheinlichen Mittels beobachten konnte. Auf
Kurven der Häuflgkeit positiver und negativer Abweichungen.
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Fig. 8.
der dort gezeichneten Kurventafel schnitten sich beide Kurven
unmittelbar hinter dem zwölften und um das fünfzehnte Jahr
herum. Zeichnet man auch hier die Kurven (Fig. 2), nimmt man als
Abscissenaxe wiederum das Lebensalter, als Ordinaten jedoch die
Anzahl der nach der positiven resp. negativen Seite abgewichenen
Einzel werte, so erhält man auch hier zwei Kurven, welche sich
313
ebenfalls unmittelbar nach dem zwölften nnd mit dem ftlnfzehnten
Jahre krenzen. Die Kurven selbst bedeuten ganz etwas anderes,
wie die obigen, da die GröJse ihrer jedesmaligen Ordinaten hier yo
allem von dem ftir den Jahrgang vorhandenen Material abhängt,
dort aber die Körpergrö&e ausdrückte. Aber das Verhältnis beider
Kurven zeigt genau denselben zeitlichen Verlauf hier wie dort. In
der Tat beruht es nämlich hier wie dort auf derselben Ursache.
Eine grölsere Ordinate der punktierten Kurve bedeutet hier eine grölsere
Anzahl positiv abgewichener Einzelwerte vom arithmetischen Mittel.
Da aber die Summe aller positiven Abweichungen gleich der aller
negativen sein muls (denn darin liegt ja das Wesen des arithmetischen
Mittels! ), so sind in den Jahren, wo mehr positive Abweichungen
vorhanden sind, diese positiven Abweichungen selbst kleiner. Der
höhere Stand der punktierten Kurve vor dem zwölften und nachdem
fanfisehnten Jahre bedeutet also tatsächlich das Vorhandensein
besonders starker Abweichung nach unten, während in der Zwischen-
periode die positiven Abweichungen stärker sind. Genau das gleiche
konnte und mulste aber oben als Grund des wechselnden Verhält-
nisses beider Kurven der mittleren Körpergröfsen angegeben werden,
allerdings nur vermutungsweise. Die Bestätigung ergibt sich nun
ans der jetzigen Untersuchung. Zugleich sind die Abweichungen
beider Kurven jetzt grölser, als vorhin, woraus man schliefeen kann,
dafs die hier angewandte Methode ein empfindlicheres Reagens auf
das fragliche Verhalten bildet, als die dortige. Man kann dieser Methode
noch einen prägnanteren Ausdruck geben: man erinnere sich des
iHEBiNaschen Oszillationsexponentenl Er stellte die durchschnitt-
liche Abweichung ohne Rücksicht auf das Vorzeichen dar. Mir
scheint es nun praktisch zu sein, diese durchschnittliche Oszillation
vorerst nach beiden Seiten einzeln zu berechnen. Im zwölften und
im fünfzehnten Jahre werden diese halbseitigen Oszillations-
ezponenten ungefUir gleich sein und so den iHEBiKaschen Ex-
ponenten doppelt angeben. In den übrigen Jahren wird man aus
dem gröfseren oder kleineren Unterschied zwischen ihnen auf die
geringere oder gröfsere Symmetrie in der Verteilung der Einzelwerte
schlieüsen.
In der Ausfiihrung dieses Verfahrens ergibt sich noch ein
Übelstand. Addiert man nämlich die sämtlichen Differenzwerte der
beiden zusammengehörigen Kolumnen, so geben diese nicht, wie es
sein müIste, dieselben Summen, und zwar deswegen nicht, weil die arith-
metischen Mittel, von denen bei Aufstellung der Tafel I ausgegangen
304
brochene Karre, so finden wir ganz dieselben Wachstumsuntersohiede,
nur noch etwas stärker ausgeprägt: Im 11. Jahre ist sie noch
flacher, im 15. Jahre noch steiler als die ganze Linie. So
finden wir es hier praktisch bestätigt, was wir oben auf Grand theo-
retischer Überlegangen vermnteten, dafs sich nämlich zam Stadium
des normalen Wachstums die Methode des wahrscheinlichen Mittels
(bei grofsem Materiale) noch besser eigne als die des arithmetischen,
weil ersteres von einzelnen Extremen weniger beeinfluist werde. Diese
Methode zeigt in der Tat die Gesetzmäisigkeit des typischen Wachsens
am deutlichsten, da sie am schärfsten die unterschiede der einzelnen
Lebensjahre ausdrückt.
Vergleicht man das Wachstum mit einer Bewegung, so kann
man die der stärker ansteigenden Kurve entsprechende Periode die
des beschleunigten, die Periode der sanfter werdenden Steigung
die des verzögerten Wachstums nennen. Mit den so gewonnenen,
wenn auch nur bildlichen ^ Ausdrücken kann man das Wachstum der
gemessenen Knaben folgendermaisen kurz beschreiben: Bis zum
11. Jahre verzögertes, dann bis zum 15. Jahre beschleu-
nigtes, zuletzt wieder verzögertes Wachstum, das schliefs-
lioh jenseits des beobachteten Alters in den Stillstand, vielleicht sogar
Rückgang übergeht. Es sei gleich hier gesagt, dafs sich dieselben
Perioden bei allen anderen vorliegenden Untersuchungen desselben
Gegenstandes wiederfinden, wenn auch, gemäfs den sonstigen anthro-
pologischen und sozialen Unterschieden, etwas nach dem Alter ver-
schoben, und wenn auch selten so ausgeprägt, so regelmäßig inein-
ander übergehend wie hier, vielmehr oft durch zufällige Sprünge
undeutlich geworden. Wir glauben nicht fehl zu gehen, wenn wir
die hier beobachtete gröbere Regelmäfsigkeit auf zwei Umstände
zurttckbeziehen :
1. Die weit genauere Berechnung auf den Tag des gerade voll-
endeten Jahres.
2. Die durchaus einheitliche Lebensweise der untersuchten
Knaben, denen freilich eine ziemlich mannigfaltige geographische
Herkunft gegenübersteht. Aber man hat oft beobachtet, dais die
sozialen Differenzen viel ausschlaggebender für unsere Probleme sind
als die geographischen.
Die Periode des beschleunigten Wachstums fehlt nur bei
^ Aber auch die Kurve selbst ist ja dooh eigentlich nur ein Bild, eia
Symbol 1
306
QüETELET^. Hier beträgt die jährliche Zunahme YOin 5. bis zum
17. Lebensjahre stets etwa 5 cm, ohne periodische Schwankungen
za zeigen. Es war ein Mifsverständnis, wenn Eotelmann* die
Worte QüETELETs: „racroissement de taille devient regulier
jnsque vers 16 ans" als in Übereinstimmung mit seinen, Eotelmanns,
Zahlen deutete, da sich in letzteren ein Minimum des Wachstums
im 13., ein Maximum im 16. Jahre findet, so dafs auch hier die
drei Perioden, nur etwas später einsetzend, sich vorfinden wie bei
unseren und allen aDderenüntersuchungen, aufser derjenigen Qoetslets.
Auf letztere ist aber diesbezüglich wegen des geringen Materials kein
Gewicht zu legen, und wir können das Bestehen der drei
Perioden als eine durchgängige Gesetzmäfsigkeit des
menschlichen Wachstums ansehen. Vergleichen wir sie mit den
drei in dem Verhältnis der beiden Eurren zueinander gefundenen
Perioden, so sehen wir, dals sich beide Arten von Perioden
ziemlich genau entsprechen, nur dals die Beschleunigungsperiode
etwas früher anfängt als der Zeitraum, in dem das arithmetische
Mittel grölser ist als das wahrscheinliche. Letzterer Zeitraum fällt
also nicht mit der ganzen Besohleunigungsperiode zusammen, sondern
nur mit demjenigen Abschnitte derselben, in welchem sich die
Wirkungen der Beschleunigung so angehäuft haben, dafs dadurch
eine etwa entgegenstehende Tendenz überwunden wird. Diese ent-
gegenstehende Tendenz ist darin ausgedrückt, dafs das arithmetische
Mittel bei den meisten Jahresklassen unter dem wahrscheinlichen
bleibt. Berücksichtigt man die mutmaüsliche Ursache des Zurück-
bleibens des arithmetischen Mittels, so kann man annehmen, dals
im allgemeinen mehr extrem Kleine als extrem Grofse vorhanden
sind, was sich am einfachsten durch Zumischung einer klein-
wüchsigen, also wohl der „ alpinen ** Basse, zum germanischen
Typus erklärt. Infolge dieser offenbaren Rassenzumischung also
wird die Gleichzeitigkeit der beiden Phänome, nämlich des Tempos
der Kurven und ihrer gegenseitigen Lage gestört. Die Kurve des
arithmetischen Mittels bedarf einer gewissen Zeit, um die Störung
zu überwinden und die ihr während der Beschleunigungsperiode
zukommende Lage oberhalb der anderen einzunehmen. Wir werden
später sehen, dafs die Mutmafsung durchaus zutriSt.
^ Ad. Qüktblkt: yAnihropomStrie ou mesure des diffi§rente8 facultas de
l'homme.'' Broxelles 1871. page 177, 204 et 418.
* „Die KörperverhSltnisse der GelehrtenBchuIe des Johanneums in Ham-
burg.«' Zeitachrift d. kgl preufs. etat Bwreaua, 1879, Seite 6.
304
brocbene Karre, so finden wir ganz dieselben Waohstumsuntersohiede,
nur nocb etwas stärker ausgeprägt: Im 11. Jahre ist sie noch
flacher, im 15. Jahre noch steiler als die ganze Linie. So
finden wir es hier praktisch bestätigt, was wir oben auf Grand theo-
retischer Überlegungen vermnteten, dafs sich nämlich zam Stadium
des normalen Wachstums die Methode des wahrscheinlichen Mittels
(bei grofsem Materiale) noch besser eigne als die des arithmetischen,
weil ersteres von einzelnen Extremen weniger beeinflaist werde. Diese
Methode zeigt in der Tat die Gesetzmäfsigkeit des typischen Wachsens
am deutlichsten, da sie am schärfsten die unterschiede der einzelnen
Lebensjahre ausdrückt.
Vergleicht man das Wachstum mit einer Bewegung, so kann
man die der stärker ansteigenden Kurve entsprechende Periode die
des beschleunigten, die Periode der sanfter werdenden Steigung
die des verzögerten Wachstums nennen. Mit den so gewonnenen,
wenn auch nur bildlichen ^ Ausdrücken kann man das Wachstum der
gemessenen Knaben folgendermalsen kurz beschreiben: Bis zum
11. Jahre verzögertes, dann bis zum 15. Jahre beschleu-
nigtes, zuletzt wieder verzögertes Wachstum, das schliefs-
lich jenseits des beobachteten Alters in den Stillstand, vielleicht sogar
Rückgang übergeht. Es sei gleich hier gesagt, dafs sich dieselben
Perioden bei allen anderen vorliegenden Untersuchungen desselben
Gegenstandes wiederfinden, wenn auch, gemäfs den sonstigen anthro-
pologischen und sozialen Unterschieden, etwas nach dem Alter ver-
schoben, und wenn auch selten so ausgeprägt, so regelmälsig inein-
ander übergehend wie hier, vielmehr oft durch zufällige Sprünge
undeutlich geworden. Wir glauben nicht fehl zu gehen, wenn wir
die hier beobachtete grölsere Regelmäfsigkeit auf zwei Umstände
zurttckbeziehen :
1. Die weit genauere Berechnung auf den Tag des gerade voll-
endeten Jahres.
2. Die durchaus einheitliche Lebensweise der untersuchten
Knaben, denen freilich eine ziemlich mannigfaltige geographische
Herkunft gegenübersteht. Aber man hat oft beobachtet, dats die
sozialen Differenzen viel ausschlaggebender für unsere Probleme sind
als die geographischen.
Die Periode des beschleunigten Wachstums fehlt nur bei
^ Aber auch die Kurve selbst ist ja doch eigentlich nur ein Bild, ein
Symboll
306
QuETELET^. Hier beträgt die jährliche Zunahme vom 5. bis zum
17. Lebensjahre stets etwa 5 om, ohne periodische Schwankungen
za zeigen. Es war ein Mifsverständnis, wenn Kotelmann* die
Worte QuETEiiETs: „racroissement de taille devient .... regulier
jusque vers 16 ans" als in Übereinstimmung mit seinen, Kotblhanns,
Zahlen deutete, da sich in letzteren ein Minimum des Wachstums
im 13., ein Maximum im 16. Jahre findet, so dafs auch hier die
drei Perioden, nur etwas später einsetzend, sich vorfinden wie bei
unseren und allen anderenüntersuchungen, aufser derjenigen Qoetelets.
Auf letztere ist aber diesbezüglich wegen des geringen Materials kein
Gewicht zu legen, tmd wir können das Bestehen der drei
Perioden als eine durchgängige Gesetzmäfsigkeit des
menschlichen Wachstums ansehen. Vergleichen wir sie mit den
drei in dem Verhältnis der beiden Kurren zueinander gefundenen
Perioden, so sehen wir, dals sich beide Arten von Perioden
ziemlich genau entsprechen, nur dafs die Beschleunigungsperiode
etwas früher anfangt als der Zeitraum, in dem das arithmetische
Mittel grölser ist als das wahrscheinliche. Letzterer Zeitraum fällt
also nicht mit der ganzen Beschleunigungsperiode zusammen, sondern
nur mit demjenigen Abschnitte derselben, in welchem sich die
Wirkungen der Beschleunigung so angehäuft haben, dals dadurch
eine etwa entgegenstehende Tendenz überwunden wird. Diese ent-
gegenstehende Tendenz ist darin ausgedrückt, dafs das arithmetische
Mittel bei den meisten Jahresklassen unter dem wahrscheinlichen
bleibt. Berücksichtigt man die mutmaüsliche Ursache des Zurück-
bleibens des arithmetischen Mittels, so kann man annehmen, dals
im allgemeinen mehr extrem Kleine als extrem Grofse vorhanden
sind, was sich am einfachsten durch Zumischung einer klein-
wüchsigen, also wohl der „alpinen ** Rasse, zum germanischen
Typus erklärt. Infolge dieser offenbaren Rassenzumischung also
wird die Gleichzeitigkeit der beiden Phänome, nämlich des Tempos
der Kurven und ihrer gegenseitigen Lage gestört. Die Kurve des
arithmetischen Mittels bedarf einer gewissen Zeit, um die Störung
zu überwinden und die ihr während der Beschleunigungsperiode
zukommende Lage oberhalb der anderen einzunehmen. Wir werden
später sehen, dals die Mutmafsung durchaus zutrifit.
^ Ad. Qüstblkt: yAnthropomStrie ou mesure des diffiärentes facultas de
lliomme.'' BmxeHes 1871. page 177, 204 et 418.
* „Die KorperverhältniBse der Gelehrtenschale des Johanneums in Ham-
burg.« Zeitachrift d, kgl preufs. stat Bureaus, 1879, Seite 6.
304
brocbene Kurve, so finden wir ganz dieselben Waobstnmsontersohiede,
nur noch etwas stärker ausgeprägt: Im 11. Jahre ist sie noch
flacher, im 15. Jahre noch steiler als die ganze Linie. So
finden wir es hier praktisch bestätigt, was wir oben auf Grund theo-
retischer Überlegungen vermuteten, dais sich nämlich zum Studium
des normalen Wachstums die Methode des wahrscheinlichen Mittels
(bei grofsem Materiale) noch besser eigne als die des arithmetischen,
weil ersteres von einzelnen Extremen weniger beeinfluist werde. Diese
Methode zeigt in der Tat die G-esetzmäisigkeit des typischen Wachsens
am deutlichsten, da sie am schärfsten die unterschiede der einzelnen
Lebensjahre ausdrückt.
Vergleicht man das Wachstum mit einer Bewegung, so kann
man die der stärker ansteigenden Kurve entsprechende Periode die
des beschleunigten, die Periode der sanfter werdenden Steigung
die des verzögerten Wachstums nennen. Mit den so gewonnenen,
wenn auch nur bildlichen ^ Ausdrücken kann man das Wachstum der
gemessenen Knaben folgendermalsen kurz beschreiben: Bis zum
11. Jahre verzögertes, dann bis zum 15. Jahre beschleu-
nigtes, zuletzt wieder verzögertes Wachstum, das schliefe-
lieh jenseits des beobachteten Alters in den Stillstand, vielleicht sogar
Rückgang übergeht. Es sei gleich hier gesagt, daüs sich dieselben
Perioden bei allen anderen vorliegenden Untersuchungen desselben
Gegenstandes wiederfinden, wenn auch, gemäfs den sonstigen anthro-
pologischen und sozialen Unterschieden, etwas nach dem Alter ver-
schoben, und wenn auch selten so ausgeprägt, so regelmälsig inein-
ander übergehend wie hier, vielmehr oft durch zufällige Sprünge
undeutlich geworden. Wir glauben nicht fehl zu gehen, wenn wir
die hier beobachtete grölsere Regelmäfsigkeit auf zwei Umstände
zurttckbeziehen :
1. Die weit genauere Berechnung auf den Tag des gerade voll-
endeten Jahres.
2. Die durchaus einheitliche Lebensweise der untersuchten
Knaben, denen freilich eine ziemlich mannigÜEtltige geographische
Herkunft gegenübersteht. Aber man hat oft beobachtet, daCs die
sozialen Differenzen viel ausschlaggebender für unsere Probleme sind
als die geographischen.
Die Periode des beschleunigten Wachstums fehlt nur bei
^ Aber auch die Kurve lelbfit ist ja doch eigentlich nur ein Bild, ein
Symbol 1
306
QuETELBT^. Hier beträgt die jährliche Zunahme vom 5. bis znm
17. Lebensjahre stets etwa 5 cm, ohne periodische Schwankungen
za zeigen. Es war ein Mifsverständnis, wenn Kotelmann* die
Worte QuETELETs: „racroissement de taille devient .... regulier
jüsque vers 16 ans" als in Übereinstimmung mit seinen, Kotelmanns,
Zahlen deutete, da sich in letzteren ein Minimum des Wachstums
im 13., ein Maximum im 16. Jahre findet, so dafs auch hier die
drei Perioden, nur etwas später einsetzend, sich vorfinden wie bei
unseren und allen anderenüntersuchungen, auiser derjenigen Qctetslets.
Auf letztere ist aber diesbezüglich wegen des geringen Materials kein
Gewicht zu legen, und wir können das Bestehen der drei
Perioden als eine durchgängige Gesetzmäfsigkeit des
menschlichen Wachstums ansehen. Vergleichen wir sie mit den
drei in dem Verhältnis der beiden Kurven zueinander gefundenen
Perioden, so sehen wir, dals sich beide Arten von Perioden
ziemlich genau entsprechen, nur dals die Beschleunigungsperiode
etwas früher anfängt als der Zeitraum, in dem das arithmetische
Mittel grülser ist als das wahrscheinliche. Letzterer Zeitraum filllt
also nicht mit der ganzen Beschleunigungsperiode zusammen, sondern
nnr mit demjenigen Abschnitte derselben, in welchem sich die
Wirkungen der Beschleunigung so angehäuft haben, dafs dadurch
eine etwa entgegenstehende Tendenz überwunden wird. Diese ent-
gegenstehende Tendenz ist darin ausgedrückt, dafs das arithmetische
Mittel bei den meisten Jahresklassen unter dem wahrscheinlichen
bleibt. Berücksichtigt man die mutmaüsliche Ursache des Zurück-
bleibens des arithmetischen Mittels, so kann man annehmen, dafs
im allgemeinen mehr extrem Kleine als extrem Grofse vorhanden
Bind, was sich am einfachsten durch Zumischung einer klein-
wüchsigen, also wohl der „ alpinen ** Basse, zum germanischen
Typus erklärt. Infolge dieser offenbaren Rassenzumischung also
wird die Gleichzeitigkeit der beiden Phänome, nämlich des Tempos
der Kurven und ihrer gegenseitigen Lage gestört. Die Kurve des
arithmetischen Mittels bedarf einer gewissen Zeit, um die Störung
zu überwinden und die ihr während der Beschleunigungsperiode
zukommende Lage oberhalb der anderen einzunehmen. Wir werden
später sehen, dals die Mutmafsung durchaus zutrifil.
' An. Qüstblkt: yAnthropomötrie ou mesure des diffi§rente8 facultas de
Hkomme." Bnixelles 1871. page 177, 204 et 418.
* „Die Körperverhältnisse der Gelehrtenschule des Johanneums in Ham-
bug.<< Zeiischrift d, kgl preufs. etat Sureaus, 1879, Seite 6.
320
empfehlenswert, die EinfÜliraDg dieser MaTsregel auf eine geringere
AnzaU von Schalen zu beschränken. Nach dem Urteile des Medizinal-
koUegioms ist die durch diese beiden neuen Aufgaben bedingte Er-
weiterung der Tätigkeit der Stadtärzte so erheblich, dais die Heran-
ziehuDg von drei weiteren ärztlichen Hilfskräften und die Einstellung
ihrer Bezüge für V« Jahr mit dreimal 1350 Mark in das Budget
für 1905 notwendig wird."
Damit sollte der erste Schritt zur Einführung von Schulärzten
in Hamburg getan werden, eine Einrichtung, mit der andere deutsche
Staaten und Städte uns längst vorangegangen sind.
Die Vereinigung für Schulgesundheitspflege in Ham-
burg, die sich wesentlich aus Ärzten und Lehrern bezw. Lehrerinnen
zusammensetzt, hat die Schularztfrage in Hamburg am Ende des
vorigen und Anfang dieses Jahres in mehreren Sitzungen eingehend
diskutiert und ist zu bestimmten Leitsätzen gekommen, die am
Schlüsse aufgeführt werden. Bei der bevorstehenden Anstellung von
Schulärzten hält sie den Zeitpunkt für geeignet, den maCsgebenden
Behörden ihre Vorschläge zu unterbreiten, und ho£Et auf deren Be-
rücksichtigung. Zur näheren Erläuterung seien die folgenden Aus-
führungen vorangeschickt.
Schon im Jahre 1897 hatte der deutsche Ärztetag zu Eisenach
die folgende Resolution gefa&t: »Die bisherigen Erfahrungen lassen
die Einsetzung von Schulärzten allgemein als dringend erfor-
derlich erscheinen. Die Tätigkeit dieser Ärzte hat sich ebensowohl
auf die Hygiene der Schulräume und Schulkinder wie auf eine sach-
verständige Mitwirkung hinsichtlich der Hygiene des Unterrichts zu
erstrecken.'' Die damaligen Erfahrungen stammten wesentlich aus
Sachsen, das seit 1891 (Leipzig) bezw. 1893 (Dresden) Schulärzte,
allerdings vorwiegend zur Überwachung der Hygiene der Sohul-
gebäude, angestellt hatte. Andere Länder waren Deutschland aller-
dings in der schulärztlichen Auüsicht lange vorangegangen. Dieselbe
besteht z. B. in Schweden seit 1863, in England seit 1870, in Eufs-
land seit 1871 (? D. Bed.), in Österreich seit 1873, in Belgien seit
1874, in Frankreich seit 1879, in der Schweiz seit 1883 und in den
Vereinigten Staaten Amerikas seit 1894.
Ein Umschwung bei uns erfolgte erst seit 1897, wo Wiesbaden
zuerst mit der ärztlichen Untersuchung der Schüler voranging und
eine Schularztordnung erlieüs, die für die meisten Städte vor-
bildlich geworden ist. Nun machte die Entwicklung des Schularzt-
wesens rapide Fortschritte. Im vorigen Jahre hatten bereits über
321
100 Städte mit mehr als 20000 Einwolmem rand 550 Schulärzte,
dien Yoran das Herzogtum MeiniDgen, in dem das Sohularztwesen
staatlich ist und das in allen seinen Gemeinden Schulärzte besitzt.
An/ser einigen kleineren Bundesstaaten fehlen dieselben zurzeit nur
noch in Altena und den Hansestädten Bremen und Lübeck.
Über die Notwendigkeit der Anstellung von Schul-
ärzten ist man also fast allerorts einig geworden, und auch der
hamburgische Staat hat durch den eingangs erwähnten, von der
Bürgerschaft angenommenen Antrag dieselbe anerkannt. Wie grofs
sie im hygienischen Interesse der Schule ist, mögen aus dem reich-
haltig vorliegenden Material nur die folgenden Zahlen beweisen.
Bei der ärztlichen Revision in Wiesbaden zeigten sich von
7000 Schulkindern 25 7o mit körperlichen Fehlem behaftet, zum Teil
an ansteckenden Krankheiten leidend, in Schweden sogar 44 Vo. In
Lansanne wurden 24,6% Skoliotische festgestellt, in Neuchatel 29%,
in Dresden 26 7o, in Moskau 29%, in Petersburg 26 7o. Lbubusoheb
fand in Meiningen Kurzsichtigkeit bei 34%, Herzleiden bei 7%,
Brüche und Bruchanlagen bei 8,4%, Erkrankungen von Mund-,
Nasen- und Bachenhöhle bei 7.6 Vo, Kröpfe bei 6,2%, schlechte
Zahne bei 55%. BiiBZINOEB hat in Württemberg
im Jahre 1900 schadhaft gefunden 8,9% Kinder
n „ 1901 „ , 9,4% „
„ 1902 „ „ 10,57o .
„ r. 1908 , „ 10,87o „
Diese Zahlen lie&en sich beliebig vermehren.
Die Aufgaben des Schularztes sind mannigfache, aber sie
besohrftnken sich alle auf das Gebiet der Hygiene. Es sei vorweg
bemerkt, dals nach Ansicht aller kompetenten Beurteiler die Be-
handlung der etwa erkrankten Schulkinder nicht zu diesen Auf-
gaben gehört. Die Schulhygiene ist ein Teil der öffentlichen Hygiene,
und die Tätigkeit des Schularztes zer&Ut von diesem Gesichtspunkt
aus in drei Hauptgruppen: in Betätigung auf dem Gebiete der
Hygiene des Schulkindes, des Unterrichts und des Schul-
hauses.
Die wichtigste Aufgabe ist die erstgenannte, die Fürsorge für
das einzelne Kind. Die Ziele dieser individuellen Hygiene sind
Erkennung von Defekten, durch welche die Entwicklung des Kindes
gestört wird, als Augenfehler, Schwerhörigkeit, adenoide Vegetationen,
nervöse Störungen, geistige Leistungsunfähigkeit, angeborener Schwach-
sinn, femer die Abwehr ansteckender Krankheiten von der Schule,
322
wie MaseTD, Soharlaoh, Keuchliasten, Diphtherie, Trachom, Tuber-
kulose, endlich auch die Erkennung übertragbarer Parasiten, als
Erätze und Läuse.
Die Hygiene des Unterrichts hat sich vor allem auf die Lehrw
mittel zu erstrecken. Der Schularzt muls der beratende Sachverständige
des Lehrers sein, der ihn auf Überbürdung einzelner Kinder, Mängel
der Bücher in bezug auf Druck u. dgl. aufmerksam machen soll.
Auch erscheint es imLiteresse einer richtigen pädagogisoh-hygienischen
Behandlung erwünscht, dalis der Lehrer von den vielfachen Schäden,
welche das schulpflichtige Eindesalter betrefiEen, durch den Schularzt
Kenntnis erhält, damit ersterer diese Schäden kennt, ehe er mit den
Anforderungen der Schule an die Einder herantritt. Dies lälst sich
durch regelmäfsige hygienische Vorträge, welche vom Schularzt ge-
halten werden, am besten erreichen. Diese Vorträge über Schul-
gesundheitspflege könnten an den Seminaren für die zukünftigen und
in den Schulen für die jetzigen Lehrer abgehalten werden.
Mit dem inneren Leben der Schule, mit der Einrichtung von
Stunden- und Pensenplan usw. hat die Tätigkeit des Schularztes
nichts zu 8cha£Fen.
Die dritte Aufgabe des Schularztes, die Überwachung der Hy gi ene
des Schulhauses, war früher seine einzige Tätigkeit und darf
auch jetzt hinter den übrigen Aufgaben nicht zurückstehen. Er hat
zu diesem Zwecke den Bauplan und Platz eines zu erbauenden
Schulgebäudes von hygienischen G^esichtspunkten aus zu prüfen,
sowie femer das Schulhaus mehrmals im Jahre in bezug auf Reini-
gung, Beleuchtung, Ventilation, Heizung, Abortanlagen, Turnhallen,
Schulbäder, Subsellien u. dgl. zu prüfen. Nach der Wiesbadener
Schularztordnung besucht der Schularzt bei seinen 14tägigen Sprech-
stunden zwei bis fünf Elassen und revidiert dieselben; jede Elaase
soll etwa zweimal im Semester an die Reihe kommen. Gefundene
Mängel werden in das sog. „Hygienebuch^ eingetragen und der zu-
ständigen Behörde vorgelegt.
Auf Grund dieser Darlegungen hält die Vereinigung für
Schulgesundheitspflege die Einführung von Schulärzten
in Hamburg sowohl für alle Volksschulen als auch für
höhere und Privatschulen für eine Notwendigkeit. Sie
erwartet dadurch für die Schüler eine erhöhte Leistungsfidiigkeit
und die Erhaltung ihrer Gesundheit, indem Ejrankheiten der
Schüler verhindert bezw. in einem früheren Stadium erkannt
und geheilt werden, und indem unhygienische Einrichtungen des
323
Schnlgebäudes und des ÜDterriolits beseitigt werden köcnen. Für
die Lebrer erwartet die Vereinigung darcb die Einfäbrung von
Schulärzten, dals ihr Sinn und Interesse für hygienisohe Dinge ge-
weckt und belebt werde. Der Schularzt ist im eigenen Interesse der
Lehrer tfttig, indem er an der Verbesserung der Räume, in denen
sie einen grolsen Teil ihres Lebens zubringen müssen, wirksam sich
beteiligt, indem er ihnen behilflich ist, bei der Beurteilung von
Leistungen ihrer Schüler auch das medizinisch -psychische Moment
nnd eventuell Störungen ihrer Gesundheit mit heranzuziehen, und
endlich, indem er ihnen einen Teil der durch das Bürgerliche Gesetz-
buch zugefallenen Haftpflicht abnimmt.
Wenn die Tätigkeit des Schularztes aber eine erspriefsliche sein
soll, so mnfs seine Stellung in materieller wie idealer Hinsicht so
beschaflTen sein, dafis er seinem Amte genügend Zeit und Interesse
widmen kann. Vor allem darf er in seiner Tätigkeit nicht über-
bürdet werden und höchstens zwei Schulen mit 30 Klassen, also
1300 — 1500 £inder, zugeteilt erhalten. Auf einen Schularzt kommen
in Hannover 12, in Leipzig 50, in Magdeburg 18, in Erfurt 25, in
Frankfurt a. M. 32, in Nürnberg 40, in Wiesbaden 26, in Breslau
40 Klassen. Für die periodischen Untersuchimgen bleiben dem
Arzte, wenn wir die Ferien abrechnen, etwas mehr als 40 Wochen
im Jahre. Er mübte also, wenn er wie in Wiesbaden alle 14 Tage
seinen Besuch macht, der etwa zwei Stunden dauern wird, und jede
Eksse zweimal im Jahre besehen soll, jedesmal drei Klassen mit
etwa 120£andem untersuchen. Diese Untersuchung wird nur eine
oberflächliche sein können und für jede Klasse 15—20 Minuten be-
tragen. Aber diese Zeit wird auch genügen, da der Arzt die Kinder
sdion kennt und weils, worauf er hauptsächlich zu achten hat. Der
zweite Teil der Sprechstunde wird dann der eingehenderen Unter-
sachimg der vom Klassenlehrer nach Rücksprache mit dem Leiter
der Schule besonders bestimmten Schüler gewidmet sein.
Auf die Besoldung der Schulärzte, die auf das Interesse und
die Zeit, welche dieselben ihrem Amt widmen, von groisem Einfluls
sein wird, soll hier nicht näher eingegangen werden.
Dagegen hat sich die Vereinigung für Schulgesundheitspflege
wiederholt mit der Stellung der Schulärzte zu den beiden für
sie in Betracht kommenden Behörden, der Oberschulbehörde und
dem Medizinalkollegium, beschäftigt. Für die Unterstellung derselben
unter das Medizinalkollegium wurde angeführt, dafs die Schulärzte
hierdurch eine unabhängigere xmd einflufsreichere Stellung erhalten
324
würden, als w6dii sie von der Oberschulbehörde abhängig werden.
Sie würden der letzteren gegenüber nur unter Mitwirkung der Medi-
zinalbehörde die nötige Wirksamkeit entfalten; auch läge die Ge&hr
vor, dafs die Oberschulbehörde leicht unbequeme Ärzte entfernen
könnte, wenn sie allein über Anstellung und Entlassung der Schul-
ärzte zu bestimmen habe. Dagegen wurde geltend gemacht, dab
durch die Unterstellung der Schulärzte unter die Obersohulbehörde
ihre Wirksamkeit erleichtert werde, da sie etwa vorhandene Schäden
direkt zur Abstellung bringen könnten. Auch würde bei allen ein-
schneidenden hygienischen Fragen das Medizinalkollegium zur Be-
gutachtung dech mit herangezogen werden. Auch wurde auf das
Beispiel verschiedener preufsischer Städte hingewiesen, in welchen
die Schulärzte der Schuldeputation unterstellt seien. Die Vereinigung
kam auf Grund dieser Erörterungen zu dem Ergebnis, zu empfehlen,
dafs die Dienstordnung für die Schulärzte von der Oberschulbehörde
im Einvernehmen mit dem Medizinalkollegium zu erlassen sei, sowie
dafs sämtliche Schulärzte Hamburgs eine einheitliche Organisation
bilden sollten, die dienstlich der Oberschulbehörde untersteht. Da-
gegen sollte als Vorsitzender oder Vertreter der Schulärzte ein Stadt-
arzt wirken, also ein Mitglied des Medizinalkollegiums, dem jedoch
keine disziplinarischen Befugnisse über die Schulärzte zukommen
sollen. Sehr erwünscht erschiene es, wenn dieser Stadtarzt zugleich
Mitglied der Oberschulbehörde werden würde. Auf diese Weise
würden die beiderseitigen, so oft ineinander greifenden Interessen
der beiden Behörden am besten gewahrt werden.
Auf Grund dieser Ausführungen bittet die Vereinigung ftlr
Schulgesundheitspflege um tunlichste Berücksichtigung der folgenden
Leitsätze bei der Anstellung bezw. Vermehrung der Schulärzte in
Hamburg.
Leitsätze,
betr. die Schalarztfrage in Hamburg, welche von der Ver-
einigung für Schulgesundheitspflege angenommen worden sind.
I. Es erscheint notwendig, dafs die gegenwärtig in Hamburg geltenden
Bestimmungen über die gesundheitliche Überwachung dw Schulen und
Schulkinder ergänzt bezw. erweitert werden.
II. Gründe.
1. Die Schulhygiene ist ein Teil der öffentlichen Hygiene.
2. Aus vielen Untersuchungen von Schulkindern geht hervor, dals
bei denselben bis zu 50% und je nach der Individualität des unter-
suchenden Arztes bis zu 70% körperliche Schäden gefunden sind.
325
Im Interesse einer richtigen pfidagogisch-hygienischen Behandlang er-
scheint es wünschenswert, dafs die Lehrer von solchen Schäden
Kenntnis erhalten, ehe sie mit den Anfordemngen der Schnle an die
Kinder herantreten.
3. Die Einfahnmg von Schnlftrzten erscheint sowohl fttr Volks-
schulen als anch ffir höhere nnd Privatschnlen als eine Notwendig-
keity weil
a) mit Hilfe des Schularztes nnhygienische Einrichtnngen des
Schnlgehändes, die geeignet sind, die Kinder an ihrer Gesund-
heit zn sch&digen und die Erfolge des Unterrichts zu ver-
mindern, heseitigt werden können;
h) durch die prophylaktische Tätigkeit des Schularztes die Möglich-
keit gegehen ist, Krankheiten der Schüler zu verhindern oder
in einem frühen Stadium zu erkennen und zu heilen und dadurch
die Leistungsfähigkeit der Schüler im Unterricht zu steigern;
c) die Einrichtung der Schulärzte geeignet ist, Interesse und Sinn
für hygienische Dinge bei Lehrern und Lehrerinnen zu beleben.
4. Die Einführung von Schulärzten erscheint, nachdem eine grobe
Reihe von Städten mit gutem Erfolge darin vorangegangen ist, im
Interesse der heranwachsenden Jugend auch für Hamburg geraten.
m. Yorschläge für neue Maßnahmen und Einrichtungen.
1. um zu verhindern, dab im Verlauf der Schulzeit die Schüler
durch den Schulbesuch Schaden an ihrer Gesundheit erleiden, empfiehlt
die Vereinigung für Schulgesundheitspflege, an den Seminaren Vor-
lesungen über Schulgesundheitspflege halten zu lassen und auf diese
Weise die künftigen Lehrer auf die ihren Schülern drohenden Ge-
fshren aufmerksam zu machen und ihnen die Mitarbeit an der Be-
kämpfung derselben ans Herz zu legen.
2. Anstellung von Schulärzten.
a) Aufgaben derselben. Die Tätigkeit der Schulärzte hat mit
dem inneren Leben der Schule, mit Einrichtung von Stunden-
und Pensenplan usw. nichts zu schaffen. Sie ist eine zweifache.
Der Schularzt hat
aa) Bauplan und Platz des zu erbauenden Schulgebäudes von
hygienischen Gesichtspunkten aus zu prüfen und das
Schulhaus mindesteus zweimal im Jahre in bezug auf
Reinigung, Heizung, Beleuchtung, Ventilation, Abortanlagen,
Turnhalle, Schulbad, Subsellien usw. zu kontrollieren;
bb) jedes Kind bei seinem Eintritt in die Schule gründlich
zu untersuchen, femer nach näheren Feststellungen (In-
struktionen) den Gesundheitszustand der Schüler zu über-
wachen.
b) Stellung derselben. Die Stellung des Schularztes mufs in ma-
terieller wie in idealer Hinsicht so beschaffen sein, dab er
seinem Amte genügend Zeit und Interesse widmen und seine
Anordnungen mit Nachdruck vertreten kann. Er ist der fach-
männische Berater des Lehrers, hat aber weder dem Leiter
noch den Lehrern der Schule direkte Anweisung zu geben.
Sehtügerandbeitspflege. XVIIL 18
326
Die Dienstordnung fflr die Schalftrzte erl&bt die Ober-
schnlbehörde im Einvernehmen mit dem Medizinalkollegiom.
Sämtliche Schulärzte bilden zusammen eine Vereinigung, die
dienstlich der Oberschulbehörde untersteht. Als Vorsitzender
oder Vertreter wirkt ein Stadtarzt, der Mitglied der Oberschul-
behörde sein sollte. Derselbe soll jedoch keine disziplinariBchen
Befugnisse ttber die Schulärzte ausüben,
c) Anstellung derselben. Die Anstellung der Schulärzte geschieht
nach öffentlicher Ausschreibung durch die Oberschulbehörde
auf Vorschlag des Medizinalkollegiums aus der Zahl der Bewerber.
Dr. med. M. Püest. Lehrer F. Gebken.
Hub Derfattttttlttttgett ttttb Dereittett.
y. Sebweuerisebe Konferenz fOr das Idiotenwesen
am 5. und 6. Juni 1905 in St Gallen.
Unter den Verhandlungsgegenständen dieser Versammlung bieten vom
Standpunkte der Schulhygiene aus besonderes Interesse die Referate von
Stadtschukat Dr. SiCKiNaEB- Mannheim und Lehrer Hdwtakd- Zürich
ttber die Frage: „Welche Forderungen ergeben sich aus der
seelischen Verschiedenheit der Kinder fttr die Art ihrer
Gruppierung im Unterricht der Volksschule?^ Die von den
beiden Referenten aufgestellten Thesen lauten folgendermafsen:
Dr. SiCKiNOEB:
1, Die geistige Förderungsfähigkeit der Schulkinder gleicher Alters-
stufe ist aus physiologischen, psychologischen, pathologischen und sozialen
Grttnden auiserordentlich verschieden.
2. Die Unterrichtsergebnisse der Volksschule, die in der Annahme,
gleiches Alter bedinge gleiche Erziehungsfähigkeit und gleiche Erziehnngs-
bedttrftigkeit, bisher fttr alle Kinder ein und denselben Unterrichtsgang
vorgesehen hat, bringen diese Verschiedenheit der Fördemngsfähigkeit zu
sichtbarem Ausdruck, insofern sich erfahrungsgemäfe die Schttler der gleichen
Altersstufe hinsichtlich ihrer tatsächlichen Fortschritte im Schulunterricht
in folgende drei Kategorien scheiden:
a) Besser befähigte Schttler, die die vorgesehenen Klassenstufen regelmäfing
zu durchlaufen vermögen.
b) Minder befähigte und durch äufsere Ursachen (wie Krankheit, Zuzug)
im regelmäfsigen Aufrttcken behinderte Schttler, die infolgedessen mit
einer trttmmerhaften und deshalb unzulänglichen Vorbildung ins beruf-
liche Leben treten.
c) Krankhaft schwach befähigte Schttler, die ihre achtjährige Schulpflicht
auf den untersten Klassenstufen besdüieCsen.
3. Die der obligatorischen Volksschule zugrunde liegende Forderung,
^gleiches Recht für alle^, verlangt aber gebieterisch, dafs allen Kindern
eine ihrer individuellen Leistungsfthigkeit entsprechende planvolle und zu-
gleich intensive Förderung zuteil werde.
4. Zu diesem Behufe muls zu der bisherigen Differenzierung des
Unterrichtsbetriebs durch die HOhengliederung des SchulkOrpers (nach
Jahresstufen) noch eine Differenzierung des Unterrichtsbetriebs in der
Breitengliederung innerhalb der Parallelabteilungen der einzelnen Klassen)
hinzutreten.
5. Entsprechend den oben angegebenen drei Kategorien von Schfllem
der gleichen Altersstufe sind in der Breitengliederung des SchulkOrpers
zoffl mindesten drei nach Unterrichtsbedingungen verschieden geartete Ans-
bildnngsmOglichkeiten (Unterrichtsabteilungen) vorzusehen, wobei nach dem
p&dagogisch-hygienischen Grundsatz zu verfahren ist: „Je ungfinstiger die
physische und psychische Beschaffenheit des Erziehungsobjektes ist, desto
gfinstiger mflssen die Unterrichtsbedingungen sein.^
6. Als erster Versuch, die geforderte Psychologisierung der Unterrichts-
arbeit innerhalb eines grossen Schulkörpers konsequent durchzuführen, ist
die Di^eigliederung der Mannheimer Volksschule in Hauptklassen, Förder-
klassen and Hilfsklassen zu betrachten.
Lehrer Hiestand:
1. Die schweizerische Konferenz für das Idiotenwesen anerkennt, dab
die Mannheimer Schulorganisation mit der Scheidung der gleichaltrigen
Schüler in drei verschiedene Fähigkeitsgruppen der seelischen Verschieden-
heit der Kinder besser gerecht werden kann, als dies bei der jetzigen,
nnr nach Altersstufen Ablieben Einteilung mögUch ist.
2. JMe durch Herrn Stadtschulrat Dr. SiCKiNOSii theoretisch ttber-
zeogend bewiesene wohltätige Wirkung einer Gliederung der gleichaltrigen
Scbfiler nach Fähigkeiten wird bestätigt durch die in Mannheim mit der
neuen Organisation erzielten günstigen Resultate, welche sich zeigen in
der auffallenden Verminderung der Zurückversetzten.
3. Auch bei uns ist die Zahl der nicht regelmäfsig aufsteigenden
Schüler keine geringe und daher Abhilfe in dieser Richtung dringend ge-
boten.
4. Die Repetentennot zu lindem, wird dem Lehrer nur gelingen, wenn
er sich den schwächeren Schülern mehr widmen kann als es die jetzige
Organisation erlaubt. Die beste Möglichkeit hierzu bietet der Fähigkeits-
gmppenunterricht nach Mannheimer Art.
5. Die schweizerische Konferenz f&r das Idiotenwesen gibt daher der
Ho&ung Raum, dafs auch bei uns überall da, wo es die Verhältnisse ge-
statten. Versuche nach dem Fähigkeitsprinzip gemacht werden; denn es
hegt im Interesse des Einzelnen wie der Gesamtheit, auch den minder be-
fugten und schwächeren Schülern einen regehnäfsig fortschreitenden, ihre
Arbeitskraft nicht überfordernden Unterricht zu vermitteln und ihnen eine
eioigennaCsen abschliefsende Bildung zu ermöglichen.
18*
328
Der SehwimmiiiitoiTicbt in den Sebnlen.
Ans einem Vortrage Ton Schnlinspektor Fbicke,
gehalten am 19. Yerbandstag des Deutschen Schwimmverbandes
in Hamburg (Ostern 1905).
Der Vortragende betrachtet es nicht als seine Aufgabe, über den
sanitären Wert des Schwimmens im allgemeinen zu sprechen. Gegenstand
seines Referates sei nur der Schwimmunterricht in den Schulen. Branse-
b&der seien eine schöne Einrichtung, und es sei dagegen nichts einzu-
wenden, wenn die Schullehrer sich dazu hergeben, die Kinder an Reinlich-
keit in richtigerweise zu gewöhnen. Leider nehmen, wie die Er&hrung
gelehrt habe, die schmutzigen Kinder an diesen so nützlichen Waschungen
nicht teil. Schwimmen sei nichts anderes als eine Tumflbung, denn wie
das Turnen den Körper bilden wolle, so bezweckt auch das Schwimmen,
den Menschen gesund, kräftig und gewandt zu machen. Beim Schwimmen
kommen alle Muskeln und nicht nur einseitig in Bewegung. Die Lunge
wird in staubfreier Luft zur höchsten Ausdehnung gebracht. Die Herz-
tätigkeit wird angeregt und die Nervosität und das Schwimmen sind zwei
Dinge, die einander vollständig ausschliefsen. Ein Schwimmer ist nicht
nervös. Doch nicht nur der Körper, sondern auch der Geist wird durch
das Schwimmen gebildet, denn das Schwimmen erzieht zum Mut und zur
Geistesgegenwart, und schlie&lich macht das Schwinmien Vergnügen und
bringt auch in unserem wasserreichen Hamburg Nutzen. Die Gegner des
Schwinununterrichts in Schulen seien merkwürdigerweise in der Hauptsache
unter den Turnlehrern zu suchen. Dieselben wendeten ein, dafs der
Schwimmunterricht die für den Turnunterricht notwendige Zeit einschränke,
und dafs in dem Turnunterricht das gesteckte Ziel daher nicht erreicht
werden könne. Dieses sei aber ein vollständiges Verkennen der Wiridich-
keit. Das Turnen habe nicht den Zweck, dals gewisse Übungen gemacht
werden, sondern es würde aus dem Grunde geübt, um den Körper und
den Geist zu stählen, gesund zu machen und zu erhalten.
In Hamburg hat die Schulbehörde auf Anregung des Hamburger
Verbandes das Schwimmen in den Schulunterricht eingestellt und es sind
hierin so gute Erfahrungen gemacht worden, dals Senat und Bürgerschaft
beschlossen haben, noch weitere Schwimmhallen einzurichten. In diesen
Tagen werde man auf dieser Bahn noch einen Schritt weiter gehen, denn
es soll nun auch mit dem Schwimmunterricht in den Mädchenschulen be-
gonnen werden. Zurzeit ist der Schwimmunterricht in 36 Knabenschulen
eingeführt und im Durchschnitt seien 91 Vo der am Unterrichte teil-
genommenen Knaben ausgebildet worden. Vierzehn Schulen bilden ihre
Schüler in Fluisbädem aus, die Qbrigen halten den Unterricht in den Bade-
anstalten ab. Es sind für angehende Schwimmlehrer Kurse eingerichtet
worden, und zurzeit sind so viele Lehrer ausgebildet, dals allen
Nachfragen genügt werden kann. Der Schwimmunterricht in der Schule
mufs naturgemäß ein ganz anderer sein, wie der Unterricht, der von
Fachlehrern in den Badeanstalten erteilt wird, denn dort handelt es sich
um Einzelunterricht, in der Schule ist aber in Gruppen oder Klassen zu
unterrichten. Es ist in der Schule eine andere Methode beim Schwimm-
329
nnterricht zu befolgen. In Hamburg sind zwei Parallelklassen kombiniert.
Ein Viertel der Schüler wird Ton einem Schwimmlehrer zum Schwimm-
unterricht geschickt und die übrigen gehen mit dem Turnlehrer zum
Tarnen. Die im Schwimmen ausgebildeten Schüler treten in die Turn-
abteflnng wieder ein, wohingegen ein Teil der turnenden Schüler in den
Schwimmunterricht eintritt. Die meisten Schwimmschüler sind in fünfizehn
Stnnden ausgebOdet. Der Schwimmunterricht beginnt mit Trockenübungen
in der Turnhalle. Diese Übungen werden nicht an besonderen Apparaten,
sondern auf gewöhnlichen Schwebeb&umen gemacht, damit die Knaben
Ton Yomherein auf eine richtige Körperhaltung hin erzogen werden.
(Herr Turnlehrer Mabx liels einige Knaben antreten, die durch praktische
Übnngen diesen Lehrgang Torführten.) Nachdem nun diese Trocken-
flbnngen bis zur Bewuistlosigkeit (Heiterkeit) geübt sind, kommt der
Schüler an der Schwimmleine und dann mit dem Schwimmgürtel in flaches
Wasser und später unter Benutzung derselben Hilfsmittel in tiefes Wasser.
Wenn nun die Schüler in der Brustlage das Bassin in der L&nge durch-
schwimmen können, haben sie die Prüfung bestanden. Hieran anschlieijsend
folgt eine weitere Ausbildung, die darauf hinausgeht, den Schüler in der
Aasflbung der Bettung zu befähigen. Als Vorbedingung gehört hierzu
das Wassertreten, das Rückenschwimmen und das Tauchen. Anschlielsend
hieran wird der gewöhnliche Sprung aus dem Stande und mit Anlauf ge-
lehrt und den Schülern der Barrierensprung beigebracht. Alles dieses
sind unerlftfsliche Vorübungen, die den Schüler fähig machen sollen, eine
Rettung ausführen zu können. Diese Methode hat grolsen Anklang ge-
funden, sie ist aber aufser in Hamburg noch nirgends eingeführt worden.
Hauptsache ist, dals der Schwimmunterricht nicht vom Fachlehrer, sondern
Tom Schullehrer, und zwar innerhalb des Schulunterrichts erteilt wird.
Redner schloß seinen Vortrag mit der Ermahnung an die aus allen Gauen
Dentschlands erschienenen Delegierten, doch dahin wirken zu wollen, dafe
überall der Schwimmunterricht in die Schule eingeführt werde, wodurch
dem Vaterlande ein groiser Dienst geleistet werde, denn Schwimmen
mache die Jugend gesund, stark und mutig.
(„Äwnft. Nachr.'', 1905, 26. April.)
illetttere Jtitteilttttgett.
Die UnterernUrnng yieler Sehnlkinder in England wurde in
der Budgetberatung unlftngst zur Sprache gebracht Wie wir der „Fädag,
Bef.^ (Nr. 19) entnehmen, erkl&rte es Dr. Macnamaba, ehemals Leiter
einer Schule im ärmsten Teile yon Bristol, für einen grolsen Zynismus,
da(s man Unsummen für die geistige Ausbildung der Jugend ausgebe und
dieselben Kinder vor Hunger umkommen lasse. Die yon ihm geleitete
Schnle in Bristol wurde yon äOO Knaben der arbeitenden Klasse besucht;
830
von diesen genossen 30 w&hrend der Mittagspause überhaupt nichts ; etwa
60 verzehrten als Mittagessen ein Stttckchen Brot, das im günstigen Falle
mit Margarine bestrichen war. Wenn man bedenke, führ Redner fort,
dafs in allen grolsen Städten die Verhältnisse ähnlich lägen, besonders im
Winter, wenn die Bauarbeiten ruhen, so müsse man zugeben, da(s schon
das Staatsinteresse ernste Maisnahmen gebiete. Der Staat habe die Ver-
pflichtung, dafür zu sorgen, dafs kein Kind Hunger leide. Wenn die Schuld
bei den Eltern liege, so müsse diese die ganze Härte des Gesetzes treffen;
wenn aber die Eltern wegen Arbeitslosigkeit oder anderer Umstände nicht
in der Lage seien, ihre Kinder genügend zu ernähren, so müsse der Staat
die Sorge für die Kinder übernehmen. Es müsse die Anschauung zum
Durchbruch kommen, dafs in der Verpflegung durch den Staat nichts
Ehrenrühriges fQr die Eltern liege, deren Rechte auf die Kinder davon
auch in keiner Weise berührt würden. Dr. Macnamara verwies auf Paris,
wo die Stadtverwaltung es bereits seit Jahren übernommen habe, Mittag-
essen für Kinder zu liefern. Dort würden den Eltern gratis oder gegen
Bezahlung Kupons auf Mittagessen für Kinder verabreicht; ein Unterschied
zwischen den Kupons bestehe natürlich nicht.
In der Debatte hob der Regierungsvertreter hervor, dafs die Regierung
nicht in das Familienleben eingreifen dürfe und dafs noch mehr Unter-
suchungen über den Umfang des Notstandes und über die rationellste Art
der Bekämpfung desselben angestellt werden müfsten. Darauf nahm das
Unterhaus eine Resolution an, durch welche die Regierung aufgefordert
wird, baldigst Mittel zur Bekämpfung der Unterernährung der Schuljugend
bereit zu stellen.
Die BescUfti^ng von Schulkindern in Mflnchen im Hanshalt
nnd in der Landwirtschaft. Die auf Anregung des Reichstages vom
Reichskanzler angeordnete, am 15. Nov. 1904 vollzogene Erhebung hat
nach einem Bericht der ^Mündi. N, Nachr." für München folgendes er-
geben: Es kämen in dieser Stadt im ganzen 46 Schulen mit 1101 Klassen
in Betracht. Die Gesamteahl der Schüler war 56426 (27227 Knaben
und 29199 Mädchen). Davon waren gegen Lohn beschäftigt im Haushalte
340 Knaben und 796 Mädchen, in der Landwirtschaft 328 Knaben und
140 Mädchen, mithin im ganzen 1694 Kinder = 2,84%. Bei der
Ausscheidung nach drei Altersklassen ergibt sich, dals die gröliste Zahl der
beschäftigten Kinder auf die Altersstufe von 10 — 12 Jahren entfällt (662),
dann auf das Alter unter 10 Jahren (521) und am wenigsten (421) auf
das Alter über 12 Jahre. Schon in der ersten Klasse (6 — 7jährige)
wurden 30 Kinder gegen Lohn beschäftigt. An 5 Schulen fanden sich
je über 6 7o lohnbeschäftigter Kinder.
Eine Vergiftung zahlreicher Schnlmftdchen durch Eohlendnnst
infolge mangelhafter Heiznngsvorrichtnngen ereignete sich vor kurzem
in Berlin (54. Mädchenschule, Schlesische Str. 4). Am ersten Tage nach
den Osterferien hatte der Rektor der Schule dem Schuldiener den Auftrag
gegeben, die Klassenzimmer zu heizen, und dieser hatte auch die im Keller
befindliche Luftheizung, die mit Koks bedient wird, in Tätigkeit gesetzt.
Nachdem nun morgens um 7 Uhr der Unterricht begonnen hatte, machte
sich in den Schulräumen starker Kohlendunst bemerkbar, dessen Ein-
331
Wirkungen anf zahlreiche Schülerinnen und mehrere Lehrerinnen so heftig
wurden, dafs der Bektor, der sich seihst angegriffen fQhlte, um T'A Uhr
den Unterricht schliefsen and die Kinder ins Freie hringen lieis. Als die
Kinder in die Lnft des Treppenhauses kamen, sollen sie, wie die Tages-
blätter melden, ,,wie die Fliegen hingefallen^ sein. Viele Mädchen wurden
ohnmächtig, erholten sich aber bald im Freien. Der Schularzt Dr. Gramm,
der von der nahen Kettungswache unterstützt wurde, bemühte sich um die
Kranken, von denen sich alle bis auf zwei im Laufe des Tages wieder
erholten. Über die Luftheizungsanlage dieser Schule sollen schon mehrfach
Beschwerden erhoben worden sein.
Über die von der prenfsischen ünterriehtsverwaltiiiig ange-
ordnete hygienische Untersuchung der hSheren Lehranstalten dnrch
die KreisSrzte (diese Zeiisckr., H. 5) bringt das ,,Berl. Tagehl" einige
durchaus zutreffende Bemerkungen, denen wir folgendes entnehmen: Für
die Durchführung dieser an und für sich sehr dankenswerten MaCsregel
ist ein Zeitraum von fünf Jahren vorgesehen. Allerdings eine gehörig
grofee Zeitspanne, und mancher Schulhygieniker wird über dieses langsame
Zeitmafs unwillig die Achseln zucken. Denn wenn man bedenkt, dafs die
wissenschaftliche Durcharbeitung des grofsen, in den kreisärztlichen Berichten
enthaltenen Materials wiederum ein tüchtiges Stück Arbeit beanspruchen
wird, dafs dann weitere Begutachtungen durch die wissenschaftliche Depu-
tation, durch Schultechniker erforderlich sein werden, bis endlich ein greif-
bares Ergebnis in Gestalt von neuen hygienischen Schuleinrichtungen zu-
stande kommt, dann kann ein Jahrzehnt vergehen, bis hygienische Reformen
eingeführt werden. Allerdings muls man aber auch bedenken, dais die
wenigen voll besoldeten Kreismedizinalbeamten mit der Erledigung ihrer
laufenden Berufsgeschäfte schon genug zu tun haben, um noch viel Zeit
auf derartige auiserordentiiche Leistungen aufwenden zu können. Es ist
aber der Mangel an geeigneten Arbeitskräften auf diesem Gebiet, der die
Langsamkeit in der Durchführung einer vernünftigen Mafsregel bedingt.
Die Frage ist nur, ob es sich bei einem Jahresbudget von etwa zwei
Milliarden nicht ermöglichen liefse, eine genügende Anzahl von Arbeits-
kräften einzustellen, damit diese hygienische Berichterstattung rascher
erfolgen könnte. Wie nämlich unter den obwaltenden Umständen die An-
gelegenheit sich abspielen wird, kann erst die nächste Generation in den
höhten Lehranstalten einen wirklichen Nutzen von dieser Anordnung
verspüren.
Aber noch ein anderer Punkt darf nicht aufser acht gelassen werden.
Wo bleibt die hygienische Untersuchung, das heifst die
methodische Untersuchung 'der Volksschulen durch die Kreis-
ärzte? Diese Arbeit wäre unseres Dafürhaltens zu allererst vorzunehmen,
denn die hygienischen MiCsstände in unseren Volksschulen sind ungleich
schlimmer als in den höheren Lehranstalten, und auiserdem sind die Nach-
wirkungen anf die Volksschüler aus leicht begreiflichen Ursachen viel nach-
haltiger, als es die hygienischen Mängel in den höheren Lehranstalten
anf die dortigen Schüler sein können. Deshalb wäre es besser am Platze
gewesen, diese schulhygienische Untersuchung durch die Kreisärzte bei den
Volksschulen zuerst eintreten zu lassen, um schlielslich das Werk mit der
332
Darchmnstening der hygienischen Znstftnde in den üniyersitätsanditorien
zu krönen. Denn anch in unseren Hochscholsftlen ist es mit der Hygiene
zumeist recht schlimm bestellt.
Über die gemeinsame Erzleknng beider Oeschleehter referierte
an der 14. Hanptyersammlung des „Vereins der Freunde HEBBARXscher
Pädagogik'' am 24. und 26. April d. J. in Erfurt Direktor TBÜPEB-Jena.
Nach einem Berichte des ^Berl. TagehL*^ gipfelte das Referat in folgenden
Leitsätzen: 1. Die Vereinigung der beiden Geschlechter in aUen unseren
Schulen ist natürlich und praktisch, da sie dem Bau und Wesen der Familie
und Gesellschaft folgt. 2. Die Vereinigung ist unparteiisch, billig und
gerecht, da sie dem einen Geschlecht dieselbe Bildungsmöglichkeit gewährt
wie dem anderen. 3. Die Vereinigung ist sparsam und finanzwirtschaftlich
am zweckmäßigsten, weil die fOr unsere Schulen bestimmten Gelder so
am nutzbringendsten verwendet werden können. 4. Die Vereinigung wirkt
Torteilhaft auf die Entwicklung von Geist, Moral und Gewohnheiten der
Zöglinge. 5. Die Vereinigung erleichtert sowohl den Eltern wie den
Leitern und Lehrern der Schulen die Erziehungsaufgaben und beeinfiulst
das Familienleben wie das Schulleben und den Unterricht in gaostigem
Sinne.
Zur Kontrolle fiber die in den Sehnlen verabfolgte Mileb. Nach
einer Mitteilung des r,Qtneralan0, für Hämburg-Altona^ vnirde unlängst
im West-Eimsbütteler Mrgerverein (Hamburg) eine längere Debatte geführt
über die Beschaffenheit der in den dortigen Schulen an die Kinder verab-
folgten Getränke, insbesondere der Milch. Es war von verschiedenen
Seiten darauf hingewiesen worden, daüs in einigen Schulen den Kindern
wiederholt verdorbene Milch verkauft worden sei, nach deren Genuis sogar
Erkrankungen erfolgt seien. Von einem Kedner wurde ausdrflcklich betont,
dab die geschäftsmälsige Pantscherei mit der Milch ein öffentliches Ge-
heimnis sei. Die zur Sprache gebrachten Einzelheiten erregten gerechtes
Aufsehen, und es wurde vom Verein einstimmig beschlossen, die Angelegenheit
in einer Eingabe der MedizinalbehOrde zu unterbreiten und die Ein-
ftthrung einer Kontrolle über die in den Schulen verabfolgte
Milch, sowie der übrigen Getränke zu beantragen.
Ein eigenes Heim snm Sehntze der Kinder vor Ansnntnng
nnd MiCshandlang hat der Berliner Verein, der sich diese Aufgabe ge-
stellt hat, wie aus seinem letzten Jahresberichte ersichtlich ist, erhalten.
Die Herren James Simon und Franz y. Mendelssohn erbauten dem
Verein ein Heim für 70 Kinder, das bereits im Oktober bezogen werden
soll. Beim Verein wurden im Berichtfijjahre 182 neue Fälle mit 332
Kindern gemeldet, zumeist Kinder von Arbeitern und Handwerkern. In
26 Fällen waren die Kinder unehelich. Die Ursachen der Anzeigen waren
MUshandlung (68), Ausnutzung (20), sittliche Verkommenheit (5), Ver-
ni^ässigung infolge von Armut und Krankheit (19), Verwahriosung (60).
Mit 76 Pflegekindern ist das Jahr begonnen, mit 113 beschlossen, 97
davon sind in das neue Vereinsjahr übernommen, sie wurden zumeist in
Privat- oder Anstaltspflege genommen. Vom Etat 1906 in Höhe von
19200 Mark sind für Pflegegelder, Schulgeld, Arzt und Apotheker
12000 Mark ausgeworfen worden.
333
Die kygieiiiselieii Anfordeniiigeii an den Drnek der Jngend-
aekriften. In einem Aufsatz Ober diesen Gegenstand in der „Jugend-
schrifien-Warte^ (Nr. 5) von Hbbm. GBAüPNEB-Dresden führt der Autor
n. a. folgendes ans : „Der Dresdner Prflfongsansschnfs hat im Verein mit
dem Jagendschriftenansschnis des Dresdner Anzeigers im vergangenen
Dezember in dankenswerter Weise eine Ausstellung der im Weihnachts-
Terzeichnis 1904 empfohlenen Bflcher veranstaltet. Ich habe dort 221
Schriften auf ihren Druck geprüft. Als Malsstab habe ich fQr alle das
Minimum von 1,5 mm Druckhöhe und 2,5 mm Durchschuts gewählt. Un-
gefi&hr 25 % aller Schriften genügten den genannten Anforderungen nicht.
Von den Büchern, welche für das 13. Lebensjahr und darüber bestimmt
waren, wiesen 33 % schlechten Druck auf. Ganz besonderes Interesse
schenkte ich den billigen Ausgaben. Von ihnen waren 40% ungenügend
gedruckt. Aber dieser hohen Zahl standen ebensoviele gegenüber, die in
dieser Hinsicht als „sehr gut** bezeichnet werden mulsten, da sie zum
Teil weit über das hygienische Mindestmafs hinausgingen. Bedenkt man
nun, dals diese gut gedruckten Bücher auch mit den schlechten in Wett-
bewerb treten müssen, so haben wir durchaus keine Veranlassung, etwa bei
den „billigen Ausgaben^, die minderwertigen Drucke zu dulden. Oft liegen
von denselben Verfassern und Verlagsanstalten sehr gute und ungenügende
Dncke nebeneinander vor. Diese Tatsache ist es auch, welche mich ab-
gebalten hat, hier einzelne Werke namhaft zu machen. Ich glaubte aus
ihr zu erkennen, dais die beteiligten Kreise nicht aus Gesch&ftsrücksichten
die minderwertigen Drucke der öffentlickeit übergeben haben, sondern weil
ihnen die typographischen Anforderungen der heutigen Schulhygiene nicht
gel&ufig waren. Ein Hinweis auf die bestehenden Normen wird in den
meisten Füllen genügen, daüs sie bei Neuerscheinungen und neuen Auflagen
berücksichtigt werden, zumal, wenn die Jugendschriftenausschüsse bei der
Beurteilung den Druck einer Prüfung nach den angegebenen Grundsätzen
unterziehen und das Ergebnis mit veröffentlichen. Von 1906 oder 1907
an aber würe bei neuen Werken und neuen Auflagen von einer
Empfehlung dann abzusehen, wenn gegen den Druck hygieni-
sche Bedenken erhoben werden müssen. Der gröMe Teil der
Verlagsanstalten, die jetzt schon gut gedruckte Bücher auf den Markt
bringen, wird den Jugendschriftenausschüssen dankbar sein, wenn ihnen
der Wettbewerb erleichtert wird durch eine entsprechende Würdigung der
Snberen Ausstattung ihrer Bücher. Eine Jugendschrift, welche keines ein-
wandfreien Druckes wert ist, sollte überhaupt nicht gedruckt werden. Und
sollten sich manche Schriften um wenige Pfennige verteuern, so fällt das
nicht ins Gewicht gegenüber dem gesundheitlichen Vorteil und dem er-
höhten Genuis beim Lesen.
Vernaehlksaisiiiig der Jngendapiele dureh Utere Mädchen.
Dem ^Bericht der ZenircUschtdpflege*^ für die Stadt Zürich über die Jugend-
spiele entnehmen wir die vom Standpunkt der Gresundheitspflege der weib-
lichen Jugend bedauernswerte Erscheinung, dafe die Beteiligung der Mädchen
in den oberen Schulklassen neuerdings erheblich abgenommen hat. Sie
wird wohl demnächst ganz auf den Nullpunkt sinken. Neben der ver-
mehrten Inanspruchnahme durch hftusliche Betätigung, Privatstunden usw.
334
mag der Hauptgrund dieser nnerfrenlichen Tatsache darin liegen, dafe die
Spiele für die Mädchen, nachdem sie bereits in der lY. — ^VI. Klasse sich
daran beteiligt haben, den Beiz der Neuheit eingebflüst haben, nnd dais
dadurch das Vorurteil begtLnstigt wird, es seien die Spiele fOr kleinere
SchtQerinnen wohl ein passender Zeitvertreib, ftJtere Mädchen seien ihnen
aber nachgerade denn doch entwachsen und hätten dies auch durch allge-
meines Fembleiben deutlich zu markieren. Diese von Schfllerinnen und
wohl auch von kurzsichtigen Eltern gehegte Anschauung über Wert and
Bedeutung des gesunden Sportes in Irischer Luft ist aber ganz falsch.
Gerade den älteren SchtQerinnen, die ohnehin mehr und mehr einer ein-
seitigen sitzenden Lebensweise verfallen, täte fröhliche Bewegung im Freien
doppelt not. Auch sind es wieder andere Spiele, die auf dieser Stufe
zur Verwendung kommen. Kichtige und eindringliche Belehrung durch die
Klassenlehrer sollte dieser Erkenntnis doch wohl einige Bahn zu brechen
vermögen. Aus der IV. — VL Klasse beteiligten sich 1358 Mädchen oder
35,9 Vo, so dafs die Verhältnisse hier wesentlich besser liegen als bei den
oberen Klassen mit nur 3^/o!
Die Zentralschulpflege hat den Schulvorstand eingeladen, in den
Frtthlingsferien einen etwa drei halbe Tage umfassenden Instruktions-
kurs fQr Spielleiter, hauptsächlich zur Einübung von Spielen der II. Stufe
zu veranstalten.
Benutzung der Schnlhans-Branse-BSder in Nfliuberg. Im Jahre
1904 sind in den 19 städtischen Schulbrausebädem an 1587 Badetagen
von 491 Volksschulklassen mit 25765 Schulkindern (12644 Knaben,
13121 Mädchen) im ganzen 351573 Bäder genommen worden und treffen
auf einen Badetag durchschnittlich 222 Bäder. Gegenüber der Benutzung
im Jahre 1903 ergibt sich eine Mehrung von 3 neueingerichteten Schul-
brausebädem (welche im November bezw. Dezember 1904 in Betrieb
gesetzt wurden), 15Vs Badetagen, 72 Schulklassen mit 3447 Kindern
(1980 Knaben, 1467 Mädchen), 7884 Bädern und durchschnitüich 3 Bädern
an einem Badetage. Jedes Kind konnte wöchentlich einmal baden. Eine
teilweise Einstellung des Badens erfolgte ün Januar 1904 wegen grolser Kälte.
Zar Hy^ene der SehnlkSuser in den Vereinigten Staaten.
Die Bestrebungen der schulfreundlichen Kreise in den Vereinigten Staaten
illustriert durch nachstehende Verordnung betreffend die Heizung, Beleuch-
tung und Lüftung von öffentlichen Schulgebäuden, die vom Komitee fOr
Schulgesetzgebung (bestehend aus je einem Mitgliede jedes Staates und Terri-
toriums der Vereinigten Staaten) aufgestellt und vom Departement fOr
Schulverwaltung der National Educational Association zur Beschlufsfassung
unterbreitet worden ist. Dieselbe lautet:
Verordnung, enthaltend Vorschriften über Heizung, Beleuchtung und
Lüftung von öffentlichen Schulgebäuden, und Strafen bei Übertretungen
derselben:
§ 1. Es wird durch das Volk des Staates als Gesetz erklärt ....
Es soll von jetzt an als gesetzwidrig gelten, für die Errichtung eines
öffentlichen Schulgebäudes einen Vertrag abzuschlielsen oder ein Schal-
gebäude, beziehungsweise ein anderes Gebäude, welches später lär Schul-
zwecke verwendet werden soll, zu bauen, wenn dieses Gebäude hinsichtlich
335
seiDer Belenchtang, Heizung und Lüftung mit den Bestimmungen dieser
Verordnung nicht in yoller Übereinstimmung steht.
§ 2. Alle kttnftighin erbauten Schulgebäude oder Gebäude, welche
später fOr Schulzwecke umgestaltet werden sollen, müssen die Beleuchtung
durch Fenster erhalten, welche in einer rückwärtigen oder seitlichen Mauer
eines Klassen- oder Lehrzimmers angebracht sind und deren Glasfläche
nicht weniger als V& der Bodenfläche des betreffenden Raumes beträgt,
dDe Pulte und Sitze sollen so angeordnet sein, da(s die Fenster links oder
rückwärts der Schüler sind.
§ 3. Alle Klassen- und Lehrzinuner sollen nicht weniger als 15
Qnadratfuls (= 1,4 m') Bodenfläche und nicht weniger als 180 Kubikfufs
(= 5,04 m') Luftraum per Schüler aufweisen.
§ 4. Alle öffentlichen Schulhäuser oder Schulgebäude mit mehr als
drei Räumen, sowie jedes von nun ab erbaute oder für Schulzwecke umge-
baute Gebäude soll ausgestattet sein: mit solchen Heiznngs- und Lüftungs-
einrichtungen, welche es ermöglichen a) die warme Luft, wenn erforderlich,
mit Leichtigkeit in jedes Klassen- oder Lehrzimmer in einer Höhe von
wenigstens 8 Fufs (= 2,4 m) über dem Fufeboden einzuführen, b) die ver-
dorbene Luft im Fufsbodenniveau fortzuschaffen. Diese Einrichtungen sollen
so getroffen sein, dafs die erforderliche Temperatur von 70® F (=20^0)
in jedem Räume auch bei kältestem Wetter erreicht wird, und der Luft-
wechsel in jedem Räume, bestimmt durch kombinierte Durchschnitts-
messungen bei den Eintritts- und Austrittsöffhungen, wenigstens ein acht-
maliger pro Stunde ist, ohne dafs hierbei die Temperatur herabginge oder
ein merkbarer Zug in oder unterhalb der Höhe der Brustlinie entsteht.
§ 5. Alle Klosetts und Pissoirs müssen so hergestellt sein, dafs eine
absolute Trennung der sie benützenden Schüler vorhanden ist. Sie müssen
femer mit Abzugsöffiiungen versehen sein, die derart angebracht sind, dafs
alle schlechten Gase unterhalb des Brustlinien-Niveaus abgeführt werden.
§ 6. Jeder Vertrag für den Bau oder Umbau irgend eines Schul-
gebäudes, welcher diesen hier festgesetzten Bedingungen nicht entspricht,
soll ungültig sein; und jeder Schulvorstand sowie jeder Unternehmer,
welcher die Bestimmungen und Bedingungen dieser Verordnung verletzt,
indem er einen auf die Errichtung respektive Umwandlung eines Schol-
hanses oder Schulgebäudes Bezug habenden Vertrag abschlielst oder an-
nimmt, der nicht in Übereinstimmung mit dieser Verordnung steht, soll
eines Vergehens für schuldig erkannt werden und einer Strafe von nicht
weniger als 200 Dollar (= 1000 Kr.) und nicht mehr als 1000 DoUar
(= 6000 Kr.) für jeden Fall unterliegen.
K. K. Baurat Ing. A. G. STSADAL-Wien.
336
Sagesgefditditlidief.
Foli^ende Spielkurse fflr Lehrer und Lekrerinnen — au&er
den im fOnfteo Heft dieser Zeitschrift genannten — finden nach einer Zn-
sammenstellnng von Prof. K. RAYDT-Leipzig im Jahre 1905 noch statt:
A. für Lehrer: a) Bisnuuxkhtttte (Oberschlesien), 25. April bis 1. Mai
and 2. bis 8. Okt., Spielinspektor Münzeb; b) Ratibor 15. bis 20. Mai,
Derselbe; c) Oppeln, 28. Mai bis 3. Jnni, Derselbe; d) Bybnik,
13. bis 19. Jnni, Derselbe; e) Gleiwitz, 26. Juni bis 1. Jnli, Der-
selbe; 1) Tamowitz, 24. bis 30. Jnli, Derselbe; g) Beneschaa, 7. bis
17. Aug., Derselbe; h) Neustadt (Oberschlesien), 4. bis 9. Septbr.,
Derselbe; i) Greifswald i. Pr., 24. bis 29. Jnli, Universitätstamlehrer
Dr. H. Wetlitz, Oberlehrer Dr. Medkb, Gymnas.-Tomlehrer A. Schmoll ;
k) Königsberg i. Pr., 1. bis 8. Aug.; 1) PleCs (Oberschlesien) 13. bis
19. Juni Lehrer Steueb; m) Stolp i. Pomm., 15. bis 22. Jnni Dr.
0. Pbeüssneb.
6. fOr Lehrerinnen: a) Bismarckhütte, 25. April bis 1. Mai und 2. bis
8. Okt., Spielinspektor Münzeb; b) Ratibor, 15. bis 20. Mai, Der-
selbe; c) Oppeln, 28. Mai bis 3. Juni, Derselbe; d) Rybnik, 13. bis
19. Jnni, Derselbe; e) Gleiwitz, 26. Juni bis 1. Juli, Derselbe;
f) Königsberg i. Pr. 1. bis 8. Aug.; g) Liegnitz, 13. bis 17. Juni,
Gymnasialtumlehrer M. Gebste.
Die Jugendspiele zu Mfihlhaasen sollen, wie wir dem „Mahlh.
Tagebl.** entnehmen, auch im kommenden Sommer wieder gepflegt werden.
Zum Besuche der Spiele werden die Kinder der V. bis 11. Klassen zuge-
lassen. Die Kinder der I. (obersten) Klassen sind durch häusliche Arbeiten
meist am regehn&fsigen Spielbesuche verhindert, dflrfen aber auch aus-
nahmsweise mitspielen. Die Spielzeit ist Ton 3 bis 5 ühr nachmittags
festgesetzt. An heifsen Tagen werden die Kinder zum Baden in das
Yolksbad bezw. in das neue Frauenbad geführt. In der Spielpause er-
halte die Kinder Brot. Auf allen Spielplätzen ist gutes Trinkwasser.
Die Eltern werden hiermit ersucht, ihre Kinder in der ersten Schulwoche
zu den Jugendspielen anzumelden; aber auch dieselben zum fleilsigen Spiel-
besuch anhalten zu wollen. Im Jahre 1903 besuchten 9118 Kinder und
im Jahre 1904 — 40 628 Kinder die Spiele. Die Ausgaben beliefen sich
auf 3153,72 Mark bezw. 12042,39 Mark.
Der franxSsiseke Kongrefs Ar Schnlbygiene hat seine zweite
Versammlung in diesem Jahre in Paris zur Pfingstzeit abgehalten. Das
Programm der Versammlung war folgendes: 1. Die ärztliche Beaufeichtigung
der Elementarschulen. 2. Die Familienerziehung und die Schulhygiene.
3. Schulferien und Feiertage. 4. Tuberkulose und Lehrer. 5. Die Über-
bflrdung in den Schulplänen. 6. Eingaben zur Einfahrung von geräumigen
Schulgebäuden. — Die Professoren Debove, Gbancheb, Landouzy
und PiNABD waren Ehrenpräsidenten des Kongresses.
337
Eifle DnrchlSchernng des Kindersekntzgesetzes erstrebt, wie die
„Pädag. Bef,^ (Nr. 16) mitteilt, der Verband s&cbsischer Bftckerinnnngen
„Sazonia*' zu Dresden. In einer Petition an den Reichstag fordert er eine
Änderung der gesetzlichen Bestimmangen, die es zulassen wttrde, dafs ältere
Kinder im Bäckergewerbe vor dem Vormittagsunterricht wieder zwei
Standen beschäftigt werden. Als Symptom eines starken Erwerbsinnes,
Terbmiden mit schwach entwickeltem sozialem Bewnfstsein, beachtenswert.
Alkokolmerkblatt fBr Seknlen. Der Deutsche Verein abstinenter
Lehrerinnen hat als Mittel znr Bekämpfung des Alkoholismns ein Alkohol-
merkblatt abgefafst nnd an die Magistrate von 300 deutschen Städten die
Bitte gerichtet, dieses Merkblatt bei allen Neneinschnlnngen in höheren,
mittleren nnd Volksschulen zu Ostern bezw. Michaelis den Müttern fOr
das Haus mitzugeben. Bestellungen auf das Merkblatt sind zu richten an
E. RÖHN, Berlin, N. 54, Lotbringerstr. 112.
(Münck. med. Woehmschr., Nr. 16.)
Dr. Hyaeintk Knborii in Lfittieh, Präsident der von ihm begrfln-
deten „Soci^t^ Royale de M^didne publique et de Topographie m^dicale*'
in Brüssel feiert in Bälde sein 50 jähriges Doktoijubiläum, da er am
11. September 1855 zum Doktor der Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe
promoviert worden ist. Wir wUnschen dem verehrten Jubilar, dessen Ver-
dienste auch um die Schulhygiene allgemein bekannt sind, aus voUem
Herzen das beste zu seinem Jubeltage.
Oemeiiisamer Unterricht von Kiaben und MSdchen in den
hSheren Seknlen. Wie die y^Pädag. Bef^ (Nr. 17) mitteilt, haben in
Frankfurt a. M. zahlreiche Bflrger und Bflrgerinnen in ihrer Eigenschaft
als Eltern und Erzieher eine Petition eingereicht, in der das Ministerium
ersucht wird, eine Verfolgung zu erlassen, nach welcher es den Direktoren
der höheren Knabenschulen gestattet ist, Mädchen in ihre Anstalten auf-
zunehmen. In der Begründung wird angegeben, dafs die bestehenden
Privatinstitute zu zeitraubend, teuer und unsicher seien, der Unterricht in
ungesunden Bäumen, zu ungünstiger Zeit nur von Lehrern im Nebenamt
erteOt wird. Durch Zusammenarbeiten mit den Knaben würde gegen-
seitiges Verstehen, gegenseitige Wertschätzung und gesundes Selbstbewufst-
aein geweckt. GegenteUige Meinungen werden durch die günstigen Er-
fahrungen, die man in Amerika, Finland, Baden und Württemberg, und
Oberall in den ländlichen Volksschulen gemacht hat, widerlegt. Da der
Magistrat in Frankfttrt a. M. grundsätzlich mit dem Eintritt von Mädchen
in die Knabenschulen einverstanden ist, die Rektoren der in Frage
kommenden Schulen sich bereit erklärt haben, Mädchen in ihre Schulen
aufzunehmen, dürfte die Bitte der Frankfurter Erfüllung finden. — Auch
in Darmstadt haben mehrere Eltern um Aufnahme ihrer Töchter in das
dortige Realgymnasium ersucht. Dire Bitte wurde von der Regierung ge-
nehmigt unter der Bedingung, dafs sich die Mädchen, die im Alter von
14 bis 16 Jahren stehen, einer Anhiahmeprüfnng für Obertertia unter-
ziehen.
Die Waldseknle in Ckarlottenbnrg ist, wie wir den Tagesblättem
entnehmen, in diesem Jahre mit dem 1. Mai eröffiiet worden. Von den
Schulärzten sind etwa 300 Kinder zum Besuche dieser Schule aus ge-
338
sondheitlichen Rücksichten vorgeschlagen worden, jedoch können nor etwa
zwei Drittel derselben die Wohltat dieser Schiüe geniefsen. Die not-
wendigen Beparatnrarbeiten, die hanptsilchlieh dorch die Unbill der Witte-
rung entstanden sind, sowie einige kleinere Verbesserungen der Gresamt-
anlage wnrden vorher fertiggestellt.
Ein Schnkimnier fiber einem Stall existiert in Weilbach. Der
Hanptlehrer Landsrath daselbst hatte, wie das „ Wieshad. Tagebl.^ mit-
teiltj in einem zu seiner Dienstwohnung gehörenden Raum, der unter dem
Zimmer der Mftdchenklasse liegt, Vieh untergebracht. Im Juni 1904 gab
die Polizeiverwaltnng ihm auf, das Vieh aus jenem Räume zu entfernen
und ihn grfindlich zu s&ubern. Zur Begründung wurde ausgef&hrt, dab
die aus dem Räume aufsteigenden Dünste für Lehrerinnen und Schülerinnen
gesundheitsschädlich seien. Vor ErlaCs dieser Verfügung war eine Be-
schwerde der Lehrerinnen bei der Polizeiverwaltung eingegangen, worauf
sie den Eommunalarzt um eine gutachtliche ÄuCsemng ersuchten. Sie er-
ging dahin, dafs es sich nicht empfehle, den Raum als Stall zu benatzen.
In ihm sich erzeugende Gerüche verbreiteten sich durch seine nur aus
Lehm bestehende Decke und durch die Fenster in das Klassenzimmer.
Lanbbeath erhob gegen die polizeiliche Verfügung Beschwerde. Er
machte geltend, daüs seit jeher der Raum als Stall benutzt worden sei;
anderswo wiesen Schulhftnser ähnliche Einrichtungen auf; er halte übrigens
in dem Räume nur eine Ziege und etwa ein Dutzend Hühner. Der
Ijandrat wies die Beschwerde ab. Als sich auf die weitere Beschwerde
der Regierungspräsident zu Wiesbaden in der gleichen Richtung schlüssig
machte, focht Landsrath dessen Bescheid mit der Klage an. Gegenüber
dem Einwände des Klägers, dafs der frühere Lehrer denselben Raum als
Schweinestall benutzt habe, führte der Regierungspräsident in der Klage-
vertretung aus, dals es den jetzigen hygienischen Grundsätzen nicht ent-
spreche, wenn in einem Räume unter der Schulstube Vieh gehalten werde.
Der erste Senat des Oberverwaltungsgerichts hat auch am 18. April 1905
die Klage zurückgewiesen.
Der nnentgeltliehe Sehwimmnntemcht in Gera soll eine Er-
weiterung erfahren insofern, als nach einem Bericht des „Geraisch. Tctgehl.^
der vorbereitende Trockenschwimmunterricht in diesem Jahre auch den
Mädchen erteilt werden und von Ostern bis Pfingsten stattfinden soll.
Mit dem Wasserschwimmunterricht in den Badeanstalten soll sofort nach
Pfingsten begonnen werden. Die beim Baden und Schwimmen im kühlen
Wasser zu befolgenden Gesundheitsregeln sollen nicht blois, wie seither,
mündlich mitgeteilt und erläutert, sondern auch gedruckt den Kindern in
die Hand gegeben werden. Die abschliefsende öffentliche Vorführung wird
für die Schwimmschüler am 20. Aug., für die Schülerinnen am 27. Aug.
stattfinden. Für die Dauerschwimmprüfung soll blofs noch ein 10 Minuten
langes Brustschwimmen verlangt werden.
Der Verein abstinenter Lehrer in Bern, vor einem Jahre ge-
gründet, zählt heute schon 114 Mitglieder und entwickelt eine rege Tätig-
keit. Im Dezember wurden sämtliche Schulkommissionen des Kantons
gebeten, den Kampf der Schule gegen den Alkohol durch Veranstaltung
von Vorträgen, zu denen der Verein die Referenten stellt, zu unterstützen.
339
Wie die j^Zürch. Äbstin.'Bl.^ melden, haben bereits 40 Schnlkommissionen
zustimmend geantwortet, andere werden noch folgen, and so entwickelte
sich diesen Winter landauf nnd -ab eine rege Propaganda, die überall in
der Forderung gipfelte: Kindern keinen Alkohol! Der Verein bereitet
ein Lehrmittel fdr die Schaler vor, ebenso die Herausgabe graphischer
Tabellen zur Untersttttzung des anti-alkoholischen Unterrichts.
^nttlit^e tterfdgnngen.
Die fimehtuog, die Erkaltung und der Besnek der Sffentlichen
Volksschnleii.
Gesetz vom 25. Dezember 1904,
L. G. u. V. Bl. Nr. 98,
wirksam für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns.
Beschaffenheit der Schulhäuser und deren Einrichtung.
§ 15. Das Schulhaus soll womöglich in der Mitte des Schulsprengels,
trocken gelegen und so beschaffen sein, dab weder die Gesundheit der
SchtÜer gefthrdet noch die Buhe während des Unterrichtes gestört er-
scheine.
§ 16. Die Anzahl der Lehrzimmer richtet sich nach der Zahl der
f&r die Schule erforderlichen Lehrkräfte (§11 des Beichs -Yolksschul-
Sie sollen bei einer Höhe von 3,8 m fdr jedes Kind einen Luft-
ranm von 3,8' m besitzen, nebstbei aber hinreichenden Baum fOr die
übrigen Unterrichtserfordemisse bieten, wobei auf einen wahrscheinlichen
Zuwachs von Schtdem Bedacht zu nehmen ist. Ausnahmsweise kann eine
Reduktion der Lehrzimmerhöhe bis auf 3,2 m und des Luftraumes fQr
jedes Kind auf 3 m' zugelassen werden.
Alle Lehrzimmer müssen gehörig hell und gut heizbar sein und eine
entsprechende Ventilation besitzen.
§ 17. Jedes Schulhaus soll mit dem nötigen Trink- und Nutzwasser
versehen werden.
§ 18. Jedes Schulhaus in einer stark bevölkerten Schulgemeinde
soll einen geschlossenen heizbaren Tumraum von der erforderlichen Grölse
und mit den nötigen Turngeräten besitzen. In kleineren Schulgemeinden
kann von dem Erfordernisse eines gedeckten Tumraumes abgesehen werden,
wenn ein Tumraum im Freien beigestellt wird.
§ 19. Die Bezirksschulbehörde fixiert die Auslagen fttr Beheizung,
Beleuchtung und Beinigung der Schullokalitäten, indem sie für jede Schule
nach Flächenraum, kubischem Inhalt und Situierung derselben ein Minimum
der bezflglichen Kosten feststellt, unter welches nicht herabgegangen
werden darf.
340
§ 20. Die näheren Anordnungen über die Beschaffenheit der Schol-
gebände nnd ihre Teile sowie über die erforderlichen Schnleinrichtongen
werden in zwei Verordnungen vom Landesschnlrate getroffen, von welchen
die eine, betreffend den Wiener Schnlbezirk, im Einvernehmen mit der
Gemeinde Wien, die andere, betreffend sftmtliche übrigen Schalbezirke, im
Einvernehmen mit dem Landesansschnsse zn erlassen ist Hierbei ist auf
die Ortlichen Verhilltniese and aaf die finanzielle Leistangsfähigkeit der
Schalgemeinde Rtlcksicht zu nehmen.
Diese Yerordnangen normieren anch die Modalltfiten, anter denen die
Organe der politischen Behörden, der Landesvertretnng oder einer Gremeinde
bei Approbierang and Aasfllhrang der Baapl&ne, Beschaffang der Schnl-
einrichtang, Überwachang des zweckentsprechenden Zastandes der Gebäude
and ihrer Einrichtang za intervenieren haben.
(„D. öaierr. SanUOtswemt'' , 1905, Nr. 8.)
tbenieht fiber den Stand der Sehnleinrichtaneen fllr niekt nomal
begabte Kinder im Scknljahre 1903/04.
Berlin, den 2. Janaar 1906.
Der Königlichen Begiernng , A ' h H' V A
Dem Königlichen ProviDsial-Schnlkolleginm egena
Übersicht^ als Ergebnis der aaf den Erlafs vom 27. Jani 1903 — um A
1654 — tlber den zeitigen Stand des Hilfsschnlwesens erstatteten Berichte,
wobei ich aaf die betreffenden froheren Erlasse, insbesondere vom 16. Joni
1894 — U m A 1030 — , vom 28. Aagast 1896 — U ÜI Nr. 1384 —
and vom 6. April 1901 — U XU A 2606 — (Zentralblatt 1894 S. 568,
1896 S. 665 and 1901 S. 412) Bezag nehme.
Die Zahl der Hilfsschalen ist seit 1892 von 26 mit 64 Lehrkräften
nnd 700 Schalkindem aaf 143 mit 498 vollbeschäftigten Lehrern and
Lehrerinnen nebst 31 Handarbeitslehrerinnen nnd 8207 Schalkindem ge-
stiegen.
Wie ich aas den Berichten ersehen habe, wird die Überweisnng der
Zöglinge in die Hilfsschale Oberall von vorheriger eingehender üntersnchong
darch einen wenn möglich mit amtlichem Charakter versehenen Arzt ab-
hängig gemacht, die körperliche nnd geistige Entwicklang der Schaler
daaemder Überwachang anter steter ärztlicher Mitwirkang nnterstellt.
Von allen Seiten wird femer anerkannt, dafs fär den Lehrplan der
Hilfsschale, ihre Elassengliederang nnd für die Lehrziele der einzelnen
Klassen allgemein gültige Vorschriften nicht gegeben werden können, dab
vielmehr dabei den besonderen Verhältnissen der Schale in jedem einzelnen
Falle Rechnnng zn tragen sei.
Endlich geben fast sämtliche Berichterstatter dem Wansche Aasdrack»
dafs den an Hilfsschalen zn beschäftigenden Lehrem nnd Lehrerinnen
^ Siehe ZentrcJbl f, d, ges, ünierrichtavenoaltitng, Febraarheft 19C5»
S. 230-251.
341
Gelegenheit geboten werden möge, sich unter sachverständiger Leitung eine
den Zwecken dieser Anstalten entsprechende besondere Ausbildung zu er-
werben.
Indem ich mir in letzterer Beziehung weiteres vorbehalten muls, teile
ich Aber die nach den erwähnten Berichten in den letzten Jahren an den
Hüfisschulen gemachten Erfahrungen folgendes mit:
In die Hilfsschule gehören nicht die an sich normal beanUgten
Kinder, die erziehlich vernachlässigt oder infolge von Kränklichkeit usw.
zurflckgeblieben sind, sondern nur die für den Volksschulunterricht als
zweifellos nicht hinreichend begabt erkannten Kinder. Die ärztlichen Er-
fahrungen sprechen dafür, dafs bei diesen Kindern regelmäßig eine krank-
hafte Störung vorliegt, auf deren Heilung nicht immer zu rechneu ist.
Die Hilfsschule ist keine Nachhilfeschule und sie verfolgt nicht das Be-
streben, die ihr anvertrauten Kinder nach einiger Zeit in die Volksschule
zarfickzubringen. Wo Kinder aus einer Hilfsschule anders als ausnahms-
weise in die Volksschule zurflckversetzt worden sind, darf man vermuten,
dafs bei der Aufnahme in die erstere fehlgegriffen ist. Sollten aber aus
Rflcksichten der Überf&llung od«r aus sonstigen äulserlichen Gründen
wirklich Schwachbegabte Kinder in Klassen normal beanlagter Schulkinder
zurflckversetzt worden sein, so ist ein solches Vorgehen unbedingt zu ver-
bieten.
Die Schwierigkeiten, welche die schwachsinnigen Kinder einem ge-
regelten Unterrichte bereiten, werden dadurch noch vermehrt, dafs diese
Kinder untereinander sehr verschieden geartet sind, sowohl nach ihren
geistigen Fähigkeiten, als auch in ihren sittlichen Neigungen und in ihrem
ethischen Verständnis. Deshalb ist hier eine weitgehende individuelle Be-
handlung erforderlich, die nur in kleinen Klassen durchführbar ist.
Es ist femer daran festzuhalten, dafs die eigentliche Erziehung, die
Anleitung des Kindes zum Guten, die Anregung und Pflege seines Gemüts,
die Gewöhnung an gute Sitte und Ordnung die Hauptaufgabe der Hilfs-
schule sein mufs, gegen welche die Aneignung von Kenntnissen zurück-
zutreten hat. Neben der Erziehung verlangt aber auch die Vorbildung
der Erwerbsfähigkeit bei diesen Kindern, die meistens in hohem Mafse auf
diese angewiesen sind, eine weitgehende Berücksichtigung. Deshalb wird
in guten Hilfsschulen eine ausgiebige Übung von Auge und Hand durch
allerlei Handarbeiten und Handfertigkeiten, Gartenbau, Blumenpflege n. dergl.
erstrebt Auch die geistig beschränktesten Kinder können für gewisse
Fertigkeiten ein Geschick erwerben. Nichts vermag aber diese ELinder in
ihrem persönlichen und sittlichen Empfinden mehr zu heben, als das Be-
wuistsein irgend einer Leistungsfähigkeit.
Besondere Aufmerksamkeit wird mit Recht der Verteilung der Kinder
auf die einzelnen Klassen der mehrklassigen Hilfsschulen zugewandt, weil
hierbei völlig andere Gegensätze zu gelten haben, als bei Schülerversetzungen
in anderen Schulen. Denn hier handelt es sich nicht darum, zur Er-
reichung eines Endzieles der Anstalt möglichst alle Kinder durch alle
Klassen zu bringen, sondern darum, jedes Kind in die für seine Bean-
lagung passendsten Klassen gelangen zu lassen. Diese Kinder sind weder
lür alle Lehrgegenstände in gleichem Grade minderbegabt, noch schreiten
SehalgetnndheiUpflege. XVIII. 19
342
sie auf den yerschiedenen Gebieten gleichm&fsig nebeneinander fort. Ein
Kind kann im Rechnen eine Zeitlang leidliche Fortschritte machen, wfihrend
es im Deutschen stehen bleibt; bei einem anderen kann das umgekehrte
eintreten. Das eine Kind lernt verhältnismäfsig gut zeichnen, ein anderes
ist fQr die Zeichenkonst unzugänglich. Es gehört daher aach zu den Be-
sonderheiten der Hüfsschnle, dafs ein Teil der Kinder über das Ziel der
untersten Klasse überhaupt nicht hinauskommt, ein Teil bis zum Ende der
Schulpflichtzeit in der zweiten Klasse sitzen bleibt, usf., und nur ein
kleinerer Teil die oberste Klasse einer mehrklassigen Hilfsschule erledigt.
Die Erfahrung zeigt femer, dafs ein Kind in mehreren Lehrgegenstftnden
fOr die nächstfolgende Klasse reif sein kann, während es in dem einen
oder anderen Fache ganz zurückgeblieben ist und infolgedessen mit der
Mafsgabe in die andere Klasse yersetzt werden mufs, dafs es in verschie-
denen Stunden in seiner bisherigen Klasse weiter arbeitet. Daher hat die
Einrichtung der Überordnung mehrerer Klassen hier hauptsächlich den
Zweck, die einzelnen Kinder je nach dem Grade ihrer Fähigkeiten weiter-
zubringen und nach Möglichkeit die Kinder gleicher Arbeitsfähigkeit zu
vereinigen. Fernzuhalten ist das Bestreben, das Lemziel der Schule durch
Einrichtung vieler Klassen möglichst hoch zu treiben.
Gleichwohl mufs aber darauf Bedacht genommen werden, daCs die
Vorbildung der aus der Schule ins Leben hinaustretenden Kinder vor ihrer
Entlassung zu einem gewissen Abschlüsse gebracht werde.
Es ist nicht zu verwundem, wenn so vielfach auf die grofsen Schwierig-
keiten hingewiesen wird, welche der Aufstellung eines guten Lehrplan»
entgegenstehen, und doch kann auf einen solchen hier am wenigsten ver-
zichtet werden. Der Lehrplan muls sogar vielfach jahrweise durchgesehen
werden, damit die gemachten Erfahmngen verwertet und zugleich die oft
grofsen Unterschiede der aufeinanderfolgenden Schülerjahrgänge berück-
sichtigt werden können.
Für eine grundsätzliche Trennung der Knaben und Mädchen im
Unterrichte der Hilfsschule spricht die Eriahmng nicht. Man hat daher in
kleineren Orten auch nicht nötig, gleich mit zwei Klassen anzufangen.
Wenn die beiliegende Übersicht in einem Punkte, nämlich in betreff
der wöchentlichen Schulstunden — Spalte 3 f. — recht grofse Unterschiede
zeigt, so bemht dies wohl nur darauf, dafs die Spiel- und Arbeitsstunden
nicht überall in gleicher Weise von den Lemstunden getrennt gehalten sind.
In Wirklichkeit wird darüber keine Meinungsverschiedenheit bestehen, dafo
die geistig leicht ermüdenden Hilfsschulkinder nicht über vier Stunden
täglich mit Lemen zu beschäftigen sind. Nach ^/« — 'A stündiger Lern-
arbeit mufs regelmäfsig eine kleine Erholung oder die Beschäftigung mit
Gartenbau, mit Turnen, Handarbeiten oder Handfertigkeiten eintreten. Da
aber auch hierbei die Lehrer und Lehrerinnen in Tätigkeit bleiben, so er-
gibt sich ein Unterschied zwischen der Zahl der Gesamtschulstunden und
der der wirklichen Lemstunden der Hilfsschule. Anerkennung verdient es,
wenn Lehrer und Lehrerinnen mit den Hilfsschulkindem häufigere Spazier-
gänge unternehmen und sich mit ihnen im Freien unterhalten.
Über das prozentuale Verhältnis der Hilfsschulkinderzahl zur Gesamt-
zahl der schulpflichtigen Kinder läfst die Übersicht einen sicheren Schlafe
343
noch nicht zu, wenn auch manche Angaben auf etwa 1 % hinweisen. Es
kommt zunächst darauf an, alle Kinder, die in der Hilfsschule besser auf-
gehoben sind als in der allgemeinen Volksschule, in der ersteren unter-
zubringen. Dies wird in den grölseren Städten hoffentlich bald erreicht
sein, da auch der frühere Widerstand der Eltern gegen die Überweisung
ihrer Kinder in die Hilfsschule immer mehr schwindet. In verschiedenen
St&dten sind Muster Ton Hilfsschulen entstanden, dank der wohlwollenden
Fflrsorge, mit welcher die st&dtischen Behörden den Schulbehörden, Lehrern
mid Ärzten die Arbeit an den armen Kindern erleichtert haben. Ich Ter-
traue daher, dab dieses segensreiche Werk unter dem yerdienstvollen Zu-
sammenwirken aUer dabei Beteiligten auch fernerhin sich erfreulich ent-
wickeb werde.
Der Minister der geistlichen usw. Angelegenheiten.
Stüdt.
An die Königlichen Regierungen und das Königliche
ProTinzial-Schulkollegium zu Berlin, ü HI A 82/04.
{„Die Jugendfarsorge'', 1905, Nr. 8.)
tWtxainx.
Besprechungen.
Jahrbueli der SekweiMriselieii OeseUsehaft fBr Sckalgetfiindheits-
füegt. y. Jahrgang 1904, H. Teil. Zflrich, Zürcher & Furres, 1905.
Gr. 8«. S. 208—536. Mit Illustrationen. Fr. 5.—
Das umfangreiche und gehaltvolle Buch yermittelt uns den Inhalt der
gelegentlich der Y. Jahresversammlung der Schweizerischen Gesellschaft fQr
Schulgesundheitspflege am 11. und 12. Juni 1904 in Bern gehaltenen
Tortrftge und wird eingeleitet durch eine von der städtischen Schul-
ond Baudirektion in Bern bearbeitete Zusammenstellung der „Schulh&user
ond Wohl&hrtseinrichtungen der Stadt Bern''.
Die letzterwähnte Zusammenstellung liefert an der Hand zahlreicher
Photogravuren den Beweis, dafe die Stadt Bern auf dem Gebiete der
Schulhausbauten und in der Pflege der Ferienkolonien ebenso, wie bezüglich
der anderen den Schulkindem zugute kommenden Wohlfahrtseinrichtungen
(Scholbaden, Speisung dürftiger Schulkinder, Kinderhorte, Schulreisen)
ErsprieMiches und Nachahmenswertes geleistet hat.
Das Programm der Verhandlungen der Schweizerischen Gesellschaft
tor Schulgesundheitspflege zeichnet sich dadurch aus, dafs es nur einige,
man kann sagen „brennende** Tagesfragen der Schulhygiene umfafst und
nicht, wie dies bisher üblich war, Einzelvorträge de omnibus et quibusdam
sliis bietet, die in der Regel für den Vortragenden mehr Interesse haben
als fBr die Zuhörer.
19»
344
Das Verdienst, diese wohltuende and zweckm&Gsige Konzentrienmg
der Arbeit für Kongresse angeregt zu haben, gebührt dem TortrefflicheD
Redakteur dieser Zeitschrift, Prof. Eribmann, und das Ergebnis der nach
diesem Vorschlage eingerichteten Verhandlung der Schweizerischen Gesell-
schaft für Schulgesungheitspflege hat ihm vollkommen recht gegeben.
Über „Schule und Zahnpflege'^ erstatteten Dr. EüasN Mülleb
und Dr. Eduard Fetschehin Referate, in welchen die Notwendigkeit
und die Durchführbarkeit einer rationellen Zahnpflege bei der Schuljugend
überzeugend dargetan wird.
Ober „die Beleuchtung der Schulzimmer^ sprachen Prof.
Erismank und Prof. 0. Roth. Beide Referenten haben auf gmnd exakter
Experimente für die Beleuchtung der Schulzimmer Normen aufgestellt,
welche die Praxis in Hinkunft wird berücksichtigen müssen. Als Korreferent
fangiert Prof. Emmert.
Erismann beweist einwandfrei, dals der doppelten Tagesbeleuchtung
Ton der Seite und vom Rücken der Schüler aus nicht einmal bezüglich
des Lichtquantums Vorteile gegenüber dem einseitigen linksseitlichen Licht-
einfall zukommen, während die nachteilige Schattenbildung bei der Doppel-
belichtung sich störend geltend macht. In einem Wohnräume mag wohl
die Doppelbelichtung eine gröfsere Helligkeit ergeben, aber in der Schule
wird beim Schreiben bei Lichteinfall Ton hinten durch die auf die Schreib-
hefte sich lagernden Schatten die Helligkeit der Arbeitsplätze wesentlich
beeinträchtigt, was Eribmann durch direkte photometrische Messungen
unzweideutig beweisen konnte. So fand er z. B. in einem neuem Schol-
hause (am Hirschengraben), bei leerem Platze, an einer der hintersten Bänke,
die ihr Licht zu einem grofsen Teile direkt durch das rückwärtige Fenster
erhielt, 279 Meterkerzen, bei Besetzung des Platzes durch einen auf-
recht sitzenden Schüler 132, und nachdem der Schüler Schreibstellung
angenommen hatte, 92 Meterkerzen — , 66 % des Lichtes sind demnach
für den schreibenden Schüler verloren gegangen, er erhielt eigentlich
sein Licht nur Ton der Seite her.
Überaus beachtenswert und der üblichen Schablone scharf entgegen-
tretend, sind die Bemerkungen Erismanns über die Orientierung der
Schulzimmer; er konnte durch eine grofse Reihe von Untersuchungen
nachweisen, daCs die direkte Insolation der Schulzimmer während des
Unterrichtes zu sehr grofsen Schwankungen und Kontrasten in der Be-
leuchtung der Arbeitsplätze führt und dafs die nördliche Orientierung
der Klassenzimmer eine gleichmäfsige und genügende Beleuchtung sogar
der am ungünstigsten situierten Arbeitsplätze gewährleistet.
Prof. Roth tritt in seinem vortrefflichen Referate für die in-
direkte Beleuchtung ein; er wägt den Wert (auch nach der Seite der
Kosten frage) der in Frage kommenden Beleuchtungsarten (Gasglühlicht,
elektrische Lampen und Petroleumbeleuchtung) gegeneinander ab und gibt
nach Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile in hygienischer Beziehung
dem elektrischen Lichte den Vorzug Tor anderen Beleuchtungsarten.
Prof. Emmebt gelangt im wesentlichen zu denselben Ergebnissen,
die er im Detail begründet.
Über die Methoden der Ermüdungsmessungen bei Sdiülem
346
erstattet Dr. Yaknod ein erschöpfendes Referat und h< aof gnind seiner
eigenen Untersnchnngen die ästhesiometrische Methode ftlr die exakteste,
wobei er zugibt, daüs man Ton den Differenzen, welche die Sensibilitftt
der Haut an den yerschiedenen gemessenen Stellen ergibt, überrascht
(„frapp6^) sein mnfs. Knaben zeigen im allgemeinen eine gröfsere £r-
mOdlMurkeit als M&dchen; von Einflnfs auf die gefundenen Werte sind
Temperatur, der jeweilige Gesundheitszustand der Schiller und die Auf-
fassungsgabe bei den einzelnen Unterrichtsfächern. Vannod fordert zu
ausgedehnten Untersuchungen mit allen gebräuchlichen Methoden durch
Ärzte und Lehrpersonen in der Schweiz auf.
Überaus lehrreich sind die Referate aber die Schulbankfrage. Es
spiegelt sich in diesen von Ärzten und Lehrern erstatteten Referaten die
dem Sachverständigen keineswegs ttberraschende Tatsache wieder, dals wir
von einer alle Interessenten befriedigenden Lösung der Schulbankfrage
noch recht weit entfernt sind.
Ich kann leider bei dem einer Besprechung naturgemäß knapp zu-
gemessenen Raum, den ich ohnehin mit Rflcksicht auf die prinzipielle
Bedeutung der BehandlungsgegenstAnde vielleicht schon zu sehr in Anspruch
genommen habe, auf die mteressanten Details der erwähnten Referate nicht
Dikher eingehen und will nur einige Fundamentalsätze besonders hervorheben.
Prof. GiSABD, der den Gregenstand vom ärztlichen Standpunkte sach-
kundig beleuchtet, betont mit vollem Rechte, dafs jede Schulbank dem
SchlÜer eine gewisse Bewegungsfreiheit gewähren mufs; er glaubt nicht,
dais eine schlechte Schulbank die Ursache der Skoliose abgibt (? Ref.),
er verwirft die Reklination des Sitzes und die grofse Minusdistanz, weil
sie die vorgebeugte Sitzstellung erschweren.
Lehrer Wipf formuliert eingehend die pädagogischen Forderungen
an die Schulbank und zieht die fixen Systeme den verstellbaren vor; es
besteht kein Bedflrfhis, die Schulbank auch zur Steharbeit einzurichten.
Hanchoz, Schulinspektor in Lausanne tritt ebenfalls für eine mäCsige
Minusdistanz ein.
Sehr radikal — und dabei dennoch nicht mit einem vornehmen
Achselzucken abzutun — sind die Bemerkungen des Korreferenten Lehrer
J. Gbob. Er verwirft das „Nnmmernsystem** und betont, gewiis nicht
mit Unrecht, dals Menschen, welche der Norm entsprechen, die Ausnahme
bilden, wenn er auch gewifs damit zu weit geht, das Nummemsystem als
nhinftllig^ zu bezeichnen und als „eine verfehlte Spekulation, die begraben
werden darf**. £r hat eine verstellbare „Universalbank" konstruiert, die er ver-
teidigt, die sich aber gewiis nicht als eine einfache und stabile Konstruktion
bezeichnen läfet; er betont, auch dies vielleicht nicht mit Unrecht, dals
die Schulbankfrage erst gelöst werden wird, wenn die Schreibfrage auf
eine natärliche und vemtlnftige Basis gestellt wird und beantragt, dafs die
schweizerische GeseUschaft fOr Schulgesundheitspflege eine Reform der
Sdiriftfrage anregen und fördern möge.
Die Behandlung der Frage der Steil- und Schrägschrift wird hierauf
fikr eine der nächsten Jahresversammlungen in Aussicht genommen. Erwähne
ich noch den Bericht über die „Ausstellung^ und auch die Tatsache, daüs
bei dem Schlnlsbankett Prof. Ebismann, der bewährte Schulhygieniker,
346
sich in einem gelungenen Gedichte: »Geschichte der Schnlhygiene*' als
Poet vorteilhaft einfahrt, dann habe ich das wesentliche des Inhaltes des
lesenswerten ^Jahrbnches^ angedeutet — wenn anch keinesfalls erschöpft.
Dr. ALT8GHüL-Prag.
Ralp Wichmann, Dr. med. Geistige LeistnBgafllhif^keit und Nervo-
sitftt bei Lehrern und Lehrerinnen. Carl Marhold, Halle a. S.,
1905, 80 Seiten, Mk. 2.—.
Verfasser hat sich dadurch einen Einblick in die gesundheitlichen
Verhältnisse von Lehrern und Lehrerinnen zu Terschaffen versucht, dals
er ausführliche Fragebogen versandte. Er erhielt Antwort von 344
Lehrern und 780 Lehrerinnen. Dieses Material studierte er unter den
verschiedensten Gesichtspunkten und kommt zu dem Schlüsse, dafs die
Frauen auch im Lehrerbemfe viel weniger leistungsfähig seien als die M&nner. Die
Arbeit ist sehr verdienstlich als Grundlage fflr weitere Studien ; das vorliegende
Material berechtigt aber noch nicht zu den gezogenen Schlüssen. Lehrer
und Lehrerinnen stammen z. B. aus verschiedenen Kreisen und leben teil-
weise in ungleichen sozialen Verhältnissen; vor allem aber geht es doch
gerade im Lehrerberufe nicht an, die geleistete Arbeit einfach nach
Stundenzahl und Schfllerzahl zu bewerten, und noch weniger die dabei
verbrauchte Energie. Fflr die letztere kommt ja viel weniger die Arbeit
als solche als die Befriedigung resp. Unbefriedigung, die sie begleitet, in
Betracht, also Faktoren, die bei der verschiedenen Stellung von Lehrern
und Lehrerinnen in sozialer und familiärer Hinsicht einander fflr beide
Geschlechter nicht gleichgestellt werden können.
Prof. BLEULEB-Burghölzli.
Jayal, Emile, Dr. Der Blinde und seine Welt (Entre Avengles.)
Ratschläge zum Nutzen fflr Erblindete. Übersetzt von Dr. med. J. Tuek-
HEIM-Hamburg. Hamburg-Leipzig, L. Voss, 1904, 8^ 160 S.
Als vor einigen Jahren die schmerzliche Kunde von der völligen Er*
blindung Jayals durch die ophthalmologische Welt drang, da mischte sich
zum Gefühle des innigsten Mitleides mit dem vortrefflichen Mensdien das
schmerzliche Bedauern, für die Wissenschaft diesen unermüdlichen Forscher
zur Untätigkeit verdammt zu sehen.
Die Energie Jayals aber machte die Kleinmfltigen zu Schanden.
Am letztjährigen internationalen Ophthalmologenkongrefs in Luzem wohnte
der Blinde nicht nur allen Sitzungen bei, sondern griff wiederholt mit der
alten Lebhaftigkeit in die Debatten ein.
So werden wir denn nicht allzusehr erstaunt sein, dafs Jayal noch
mit neuen literarischen Gaben erscheint. Auf einem durchaus neuen Ge-
biete sich schriftstellerisch zu betätigen nach einem solchen Schicksals-
schlage, setzt aber doch einen ganz ungewöhnlich tätigen Geist voraus und
ein warmes Herz fflr seine Mitmenschen; denn das gab den Anstols zu
dieser interessanten Arbeit, dalis Jayal nach seiner plötzlichen Erblindung
umsonst nach Aufklärung suchte, wie man unter solchen Umständen ein
gedeihliches Weiterleben einzurichten habe. Seine Erfahrungen wollte er
nun auch den Leidensgenossen zugute kommen lassen. „Hauptsächlich
347
den unterrichteten Männern, die plötzlich erblinden, gewidmet, wären
folgende Blätter ohne das Unglück, das mich betroffen, nie geschrieben
worden, nnd wenn sie, wie ich hoffe, ein ähnliches Mi&geschick wie das
meinige za lindem yermögen, so wird mir diese Befriedigung zom Trost
gereichen/
Das Buch ist allen Augenärzten, Ärzten, Lehrern und allen, die sich
berafsmäfsig mit Blinden zu beschäftigen haben oder blinde Angehörige
besitzen, warm zum Studium zu empfehlen. Ich will daher auch der Ver-
suchung widerstehen, hier Proben mitzuteilen. — Die deutsche Übersetzung
von Dr. med. TÜBKH£iM-Hambnrg ist im ganzen sehr gut, viel besser,
als man aus dem oben zitierten Satz aus der Vorrede vielleicht schlieisen
mödite. Dr. SxEiGEB-Zarich.
Bibliographie.
Die mit ^ bezeichneten Werke wurden der Redaktion zugesandt.
*Anales de Inatnteciön Prinuma, Tome n, No. 8, 9 7 10. Montevideo,
1904. 8^ S. 409—762.
*AnnaU d'igiene sperimentale, e Dxretti del Prof. Angblo Gblli, Vol. XV
(N. S.), Fase. II, anno 1905. Gr. 8^ S. 151—411.
^Archiv für Soziale Medizin und Hygiene. I. Bd., 4. H. Mit 12 Kurven.
Leipzig, F. C. W. Nagel, 1905. 8^ S. 289—376.
Marb, 6., Dr. med. Unierst4chung der Zöglinge der Hamburger
Hilfsschulen im Jahrgang 1903.
Bmj)KIAn, K. Welche Nachteile kann Kwrgsichtigkeit im Gefolge
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AXMANN, Dr. med. Crcsundheitslehre für die Jugend. Die Jugendftkrsorge,
H. 4, 1905.
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Manchen, Verl. d. Ärzü. Rundschan, 1905. S^. 100 S.
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Berlin, E. Oldenbourg, 1905. Mit 177 AbbUdgn. in Holzschnitt. Kl. 8^.
22 S. Ji. 2.80.
Dbliüs. Ober die Behandlung der Wandflächen in den Unterrichts^
räumen unserer Schulen. Die Gesundheitswarte d. Schule, Nr. 5, 1905.
*DkxtfuS8, J., Dr. med. Das Wesentliche der Schularg^age. Sonder-
abdr. a. d. Vereinsbl. d. PfUz. Ärzte, 1905, Nr. 3. Frankenthal,
L. Göhring. 8^ 18 S.
*FiHKB, J., Dr. Die Nervenkrankheiten. Dritte, verb. u. venu. Aufl.
Eine gemeinverständliche Darstellung. „Der Arzt als Erzieher*', H. 3.
Manchen, Veri. d. ÄrzÜ. Rundschau, 1905. 8^ 82 S.
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348
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YOORMANN, Dr. med. Orthopädische Tumkurse an den städtischen
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* V. Jahrg., H. 1 u. 2. Leipzig n. Berlin, Teubner, 1905.
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§tv $d^ularfi
m. Jahrgang. 1905. No. 6.
(9(i0tttalab^ttbltttt$ett.
Betrachtimgen ftber schnlftrsfliche Statistik und Vorschläge
snr HerbeiAhnmg einer Einheitlichkeit in derselben.
Von
Dr. SAMOBCH-Breslau.
Auf dem 1. internationalen Sohnlhy^ene-Kongrefs in Nürnberg
(April 1904) ist die Frage der sohnlärztlichen Statistik entsprechend
ilirer Wichtigkeit eingehend gewürdigt worden. Als offizielle Referenten
sprachen in der Sektion E. (2. Abteilung) über das Thema „Morbiditäts-
statistik*' die Herren Sanitätsrat Dr. AiiTSCHüL-Prag und Dr. Bubghel-
Nümberg, die, jeder 7on seinem Standpunkt, der erste als Arzt, der
zweite als Statistiker, ihre Anschauungen in bestimmten Leitsätzen for-
mulierten. In derselben Sektion hatte der Verfasser dieses Aufsatzes
in einem Vortrage: „Über die Notwendigkeit einer einheit-
lichen Organisation des schulärztlichen Dienstes" darauf
hingewiesen, dals es zurzeit infolge der verschiedenartigen schulärztlichen
Organisation und Dienstführung eine wissenschaftlich verwertbare oder
überhaupt nur brauchbare medizinische Schulstatistik nicht gäbe,
d&b aber die Herbeiführung einer solchen eine conditio sine qua non
f&r die Fortentwicklung der Schulhygiene sei. Die Verhandlungen
der Sektion fahrten zu dem Ergebnis, dafs allseitig das Bedürfnis
nach Aufetellung einheitlicher Grundsätze für den schulärztlichen
Dienst anerkannt wurde. Ein Antrag von LEUBüBCHEB-Meiningen,
zu diesem Zwecke eine Kommission zu wählen, die in erster Reihe
die Aufgabe hätte, zweckmäbige und allgemein zu empfehlende
Formulare für den schulärztlichen Dienst zusammenzustellen, fand
Annahme, und dieser von der Sektion E gebilligte Antrag wurde
von der allgemeinen Versammlung zum Beschluis erhoben. In die
l>tr SehnUrit IIL 9
84 352
Kommission wurden gewählt: Prof. LEüBUSCHEB-Meiningen, Hofrat
ScHüBEBT-Nürnberg, erster Schularzt Dr. Cüktz- Wiesbaden, Schul-
arzt Dr, BEBKHABDT-Berlin, Schularzt Dr. SAMOSCH-Breslau. Es
war von vornherein klar, dals die Kommission zur Lösung der ihr
gestellten Aufgabe sich die bisherigen Erfahrungen des schulärztlichen
Dienstes nutzbar machen mufste, d. h. sie mulste in erster Reihe das
bisherige schulärztliche Formularwesen sichten und studieren, um
hieraus entnehmen zu können, welche Ansprüche bisher an den
Schularzt hinsichtlich seiner Untersuchungen und seiner Bericht-
erstattung gestellt worden waren. Herr Prof. Leubuscheb übernahm
es, für genügendes Material als Unterlage weiterer Kommissionsarbeit
zu sorgen. Es gelang ihm, von 127 Städten und Gemeinden Deutsch-
lands die in dem schulärztlichen Dienst gebräuchlichen Formulare
zu sammeln. Das eingegangene Material wurde dem Verfasser dieses
Aufsatzes zur weiteren Durcharbeitung übergeben in der Erwartung,
dafs sich auf diesem Wege Vielleicht gleichsam von selbst bestimmte
Vorschläge für die zukünftige einheitliche Gestaltung der im schul-
ärztlichen Dienst gebräuchlichen Formulare ergeben würden. Zweck
dieser Zeilen ist es nun, die Resultate dieser Arbeit, die sich tat-
sächlich der Erwartung entsprechend zu bestimmten Vorschlägen
verdichtet haben, mitzuteilen.^
Vorweg seien jedoch über die Aufgaben, Zwecke und
Ziele der schulärztlichen Statistik einige allgemeine Be-
merkungen gestattet, die den Unterschied zwischen dem theoretisch
Erstrebenswerten und zurzeit praktisch Durchführbaren dartun
sollen.'
^ Damit ist die EommiBBionsarbeit natürlich noch nicht erledigt; die Tom
Verfasser gemachten Vorschläge sollen nnr eine Unterlage fär weitere Kommissions-
beratungen sein. Bemerkt sei noch, dafs aufser dem von Lsubusohbb gesammelten
Material die obengenannten Referate Altschuls und Bvbchbls, sowie die Arbeit
ScHUBBBTs „Über das Sohularztwesen in Deutschland** eingehendste Berüoksioh-
sichtignng bei Bearbeitung des Themas fanden. Femer lieh Herr Stadtant
Dr. OsBBEKB-Breslau, der in die Kommission nachträglich eingetreten war, der
Arbeit seine gütige Unterstützung. Auch war der Umstand, dafs der Bericht-
erstatter selbst seit vier Jahren in Breslau als Schularzt tätig ist, nicht ohne
Einflufs auf das Ergebnis der Arbeit
* Es lassen sich hier einige Wiederholungen aus den in Fulsnote 1 ge-
nannten Arbeiten und aus den eigenen Aufsätzen des Verfassers: ^Über schul-
ärztliche Statistik", Zeitschrift für Schulgesundheitspflege, 1908, Seite 255, und
„Über die Notwendigkeit einer einheitlichen Organisation des schulärztlichen
Dienstes'' (Nürnberger Eongrefsbericht Bd. III Seite 309) nicht vermeiden.
3Ö3 85
Vom theoretisch wissensohaftliohen Standpunkt müssen wir an
eine Schfiler-Morbiditäts-Statistik in erster Reihe folgende zweiAn-
fordemngen stellen. 1. Sie mofe, auf grofse Zahlen gestützt, in zweck-
mftlsiger Gruppierung eine klare Übersicht über die Morbidität der
Schüler zu einem bestimmten Zeitpunkt geben. 2. Sie muiCs die Be-
wegung dieser Morbidität von einem Zeitpunkt bis zu einem andern
klar yeranschauliohen. — Zur Erfüllung dieser Aufgaben wäre Vorbe-
dingung, dals, erstens, zu einem bestimmten Zeitpunkt in grolsem Mafs-
fitabe Schulkinderuntersuchungen durch Ärzte vorgenommen und ein-
heitlich registriert würden, und dafs, zweitens, jede Veränderung des
Gesundheits- bezw. Krankheitszustandes jedes einzelnen Schulkindes
sofort Yom Arzte festgestellt und ebenfalls registriert würde. Es
müfste also der Schularzt in der Schulorganisation genau dieselbe
Stellung einnehmen wie der Militärarzt in der Armee. Prüfen wir
nun an der Hand der Literatur und insbesondere mit Hilfe der
ScHüBEBTSchen Arbeit die bisherigen schulärztlichen Dienstordnungen
und Verwaltungsberiohte daraufhin, ob zurzeit die genannten Vor-
bedingungen für eine einwandfreie Statistik groben sind, so wird
diese Prüfung ein negatives Ergebnis haben. In denjenigen Orten,
die nach Sghubebt die bisher weitgehendste schulhygienische Fürsorge
getroffen haben und seinem Typus B entsprechen, wird nur die durch-
gehende Untersuchung sämtlicher Lernanfänger und Ausstellung
von Gesundheitsscheinen für dieselben verlangt.^
Von dem Gesundheitszustande des übrigen Schülermaterials er-
hält der Schularzt nur gelegentlich seiner mehr oder minder häufigen
Schulbesuche, die nur die Untersuchung einer beschränkten Anzahl
von Kindern gestatten, Kenntnis. Nur sehr wenige grofse Kom-
munen haben die Einrichtung getroffen, dafs aulser den Schulrekruten
noch einzelne spätere Jahrgänge durchgehende untersucht werden.
Die Frage also, ob z. Z. die Vorbedingungen für eine Arzt und
Statistiker gleichmä&ig befriedigende Statistik gegeben sind, müssen
wir deshalb ohne Scheu glatt verneinen; es dürfte auch nicht als ein
Zeichen grofser Prophetengabe anzusehen sein, wenn man annimmt,
dab sich auch in nächster Zukunft die Verhältnisse nicht bessern
werden. Vielleicht dürfte es einst Mannheim, das bisher als erste
^ Einige wenige, meist kleinere Eommiinen schreiben jährliche oder gar
halbjahrliche üntersnchnng aller Kinder vor; Berichte über derartige umfang-
reiche, sich ständig wiederholende allgemeine Untersnchungen liegen aber meines
Wissens bisher nicht vor.
86 354
und einzige Stadt Deutschlands einen Schularzt im Hauptamt an-
gestellt hat, beschieden sein, bahnbrechende Arbeit hinsichtlich der
Ausdehnung und der Technik der schulärztlichen DienstftLhrung zu
leisten, nachdem Wiesbaden Torbildlich gewesen ist ftr das Prinzip
der gesundheitlichen Beobachtung des Schulkindes seitens eigens an*
gestellter Schulärzte überhaupt. Es sei hier die Zwischenbemerkung
gestattet, dais vielleicht doch die Zeit nicht mehr fem ist, wo wir
tlberlegen müssen, ob nicht der Segen der Schul- und Schülerhygiene
erst dann zur vollen Entfaltung und Geltung kommen wird, wenn
allerwärts, oder wenigstens in den Städten, der schul-
ärztliche Dienst im Hauptamt ausgeübt wird.
Indes kehren wir zur Gegenwart und zum Thema zurück and
prüfen wir, ob nicht auch unter den gegenwärtigen Verhältmssen siok
für die Statistik verwertbare Besultate würden erzielen lassen. Diese
Prüfung dürfte ein positives B.e6ultat haben ; wir können zwar nicht
alles erreichen, aber doch vieles. Da ist zunächst zu betonen, dafis
in einer groben Anzahl von Kommunen, greisen und kleinen, zum Teil
auch auf dem Lande — jedenfalls genug, um ein hinreichend groiaeB
Zahlenmaterial zu gewährleisten, — die Untersuchung sämtlicher
Leman&nger vorgeschrieben ist. Damit ist also die Möglichkeit ge-
geben, festzustellen, wie die Schuljugend, sowohl in groisen wie in
kleinen Städten als auch auf dem Luide, beim Schuleintritt gesundheit-
lich beschaffen ist, — eine Feststellung, die anerkanntermalsen das Fun-
dament der Schülerhygiene darstellt. Nun ist es mit der Untersuchung
allein nicht getan; sollen vergleichbare Ergebnisse erzielt werden,
so muls die Untersuchung überall gleichmäTsig nach einem bestimmten
Schema erfolgen ; es muTs ein Belag als Niederschlag des Untersuchunga-
ergebnisses, d. h. es muls ein Aufiiahmeuntersuchungsbogen resp.
ein G-esundheitsschein vorhanden sein, der einmal f^r die weitere
Beobachtung des Kindes von prinzipieller Bedeutung ist und zweitens
die Grundlage der Statistik sein soll; und es mufs drittens in den
Verwaltungsberichten das Ergebnis der Aufnahmeuntersuchungen ge-
sondert von den sonstigen Resultaten der schulärztlichen Tätigkeit
angegeben sein, ein wichtiger Punkt, der häufig genug nicht berück-
sichtigt worden ist.
Was die Untersuchung selbst anlangt, so ist hier zu berück-
sichtigen 1. der Zeitpunkt, in dem die Untersuchung stattfinden soll,
und 2. der Gang der eigentlichen Untersuchung. Ad 1 wäre zu
bemerken, dafs es nach den bisherigen Erfahrungen am ratsamsten
zu sein scheint, sofort nach Beginn des Schuljahres die Neu-Ankömm-
355 87
lioge in einer Yorantersuchung auf Sohtd&higkeit zu untersuchen,
die definitive genaue Untersuchung aber auf eine Zeit zu verschieben,
zu der die Kinder in der Schule schon etwas heimisch geworden
sind, also etwa auf den 3. — 6. Monat nach Schuleintritt. Diese
Verschiebung der Hauptuntersuchung bringt zwei Vorteile mit sich.
b) Die Kinder sind an sich etwas zugänglicher, b) der Lehrer hat Zeit
gehabt, die Kinder etwas kennen zu lernen und kann infolgedessen
den Arzt durch mancherlei wertvolle Angaben über körperliche und
psychische Eigentümlichkeiten unterstützen. Ob es empfehlenswert
ist, noch eine dritte Untersuchung, etwa im zweiten Sohulsemester,
die sieh nur auf die Funktionsprüfung der höheren Sinnesorgane zu
erstrecken hätte, festzusetzen, erscheint zweifelhaft. Wenn von Seiten
der Lehrer die Kinder auf diese Funktionsprüfung vorher ein-
exerziert werden, was die Lehrer meist gern tun, und wenn man zur
Sehprüfung sich der CoHNSchen Hakentafel bedient,^ dann dürften nach
den Er&hrungen des Berichterstatters, der bisher ca. 1200 LemanfiUiger
imtersucht hat, sich schon im dritten Schulmonat sichere Resultate
erzielen lassen. In den Fällen, wo ein Kind um diese Zeit einer
Seh- und Hörprüfung noch völUg unzugänglich ist, dürfte darin viel-
heh wenigstens ein Hinweis auf mangelhafte geistige Entwicklung
des Kindes gegeben sein. Bezüglich des Zeitpunktes der Aufnahme-
Untersuchung würde also der Berichterstatter vorschlagen: 1. Vor-
untersuchung auf Schulfähigkeit sofort nach dem Schul-
eintritt. 2. Hauptuntersuchung im 8. — 6. Schulmonat.
Was den Gang der Untersuchung selbst anbetrifFt, so dürfte eine
systematische lückenlose Untersuchung gewährleistet sein durch den
Zwang, ein bestimmtes Schema auszufüllen. Dieses Schema ist ge-
geben in einem Personalbogen, den man „Aufnahme-Untersuchungs-
bogen" nennen mag, wenn er nur das Ergebnis der ersten Untersuchung
aufnehmen soll, und der „Gesundheitsschein*' heiüsen sollte, wenn er
auch gleichzeitig für Eintragungen in der weiteren Schulzeit be-
stimmt ist.
Es mufs an dieser Stelle striktest die Forderung aufgestellt werden,
dafs für jedes in die Schule eintretende Kind ein solches
Formular angelegt werde; es genügt durchaus nicht, nur für krank
^ Dr. Hambuiigsb hat auf dem Nürnberger EoDgreib auf Grand seiner
Erfahrungen die HBTUAiiNsche Tafel znr Sehprnfang empfohlen. Eongrefsbericht
Bd. 3, 8. 826. In Nr. 7 der ZeiUehnft fHir Scktdgesundheitspflege, Jahrg. 1904,
hat er aber diese Empfehlnng wieder zaräokgezogen, weil die genannte Seh-
probe nidit richtig konstmiert ist.
88 356
befundene Kinder ein solches auszufüllen. Zur Begründung dieser
Forderung sei, neben dem bereits angeführten umstände, dals die Aus-
füllung eines Schemas eine lückenlose systematische Untersuchung
gewährleistet, folgendes angeführt:
1. Ein ärztliches Urteil über die gesundheitliche Entwicklung eines
Kindes während der Schulzeit und über die Relation zwischen Schul-
besuch und Krankheit ist nur möglich, wenn ein dokumentarischer
Belag für den Gesundheitszustand des Kindes beim Schuleintritt
vorliegt.
2. Die Verwertung schulärztlicher Beobachtungen zu allgemein
hygienischen, wissenschaftlichen und statistischen Zwecken ist nur
möglich, wenn diese Beobachtungen in einer greifbaren Form fixiert
sind; auch negative Ergebnisse müssen als solche kenntlich sein.
3. Es gibt eine grobe Anzahl von Kindern, die, ohne eigentlich
krank zu sein, gewisse Eigentümlichkeiten haben, die wert sind,
notiert und weiter verfolgt zu werden. Diese Kinder würden wahr-
scheinlich aufser Betracht bleiben, wenn nur für ausgesprochen kranke
Kinder ein Gesundheitsschein verlangt wird.
4. Im Falle des Fehlens einer solchen Bestimmung würden vor-
aussichtlich bei einer sehr grofsen Anzahl später erkrankter Kinder
Zweifel auftauchen können, ob der Aufnahmebogen deshalb fehlt,
weil das Kind gesund war, oder aber weil die Untersuchung aus
irgend einem Grunde unterblieben ist. Beim Vorhandensein einer
solchen Bestimmung dagegen werden viel seltener Zweifel nach der
genannten Richtung entstehen können.
5. Der Mehraufwand an Schreibarbeit, der durch die Ausfüllung
von Aufnahmebogen bezw. Gesundheitsscheinen auch bei gesunden
Kindern entsteht, ist bei zweckmäfsiger Konstruktion der Formulare
ein minimaler.
Über die Gestaltung und den Inhalt der von uns für jedes Kind
verlangten Aufhahmebogen soll weiter unten in Form detaillierter
Vorschläge berichtet werden.
Zur statistischen Verwertung der Aufnahme-Untersuchungsergeb-
nisse gehört nun noch eine zweckmäfsige Berichterstattung über
dieselben. Die Berichte werden einheitlich und dadurch vergleichbar
sein, wenn gleichmäfsig gestaltete Formulare ihnen zugrunde liegen,
und die Formulierung der Berichte wird sehr einfach sein, denn sie
stellen ja nur eine Sunmiation der Einzelergebnisse dar.
367 89
Wir haben aomit gesehen, dafs wir bezüglich der Morbidität der
Lemanftnger tatsäohlich ein exaktes statistisches Material anter den
jetsigen Verhältnissen beibringen können; wir müssen nns nnr ent-
schlielsen, einheitlich zu arbeiten.
Wie steht es nun mit den Veränderungen der Morbidität der
Lemanftnger im weiteren Schulleben, und wie steht es mit dem
Schülermaterial, dessen Morbidität durch eine gemeinsame, alle Indi-
Tiduen umfassende Untersuchung überhaupt nicht festgestellt worden
ist. Es ist bereits oben auseinandergesetzt worden, dais wir nach
diesen Bichtungen hin etwas Vollkommenes nicht leisten können;
gleichwohl können auch in dieser Beziehung unter bestimmten Kautelen
unsere Zusammenstellungen von erheblicher Bedeutung sein. Wir
können nämlich eine jedenfalls nicht unwichtige Mindest-Morbiditäts-
Statistik zuwege bringen. In fast allen Dienstanweisungen ist es
den Schulärzten vorgeschrieben, in bestimmten Zeitintervallen die
Schule immer wieder zu besuchen. Bei dieser Gelegenheit kontrolliert
der Arzt die schon früher der ärztlichen Kontrolle bedürftig erklärten
Kinder und untersucht andere, die aus irgendeinem Grunde auf
Krankheit verdächtig sind. Auf diese Weise lernt der Schularzt im
Laufe des Schuljahres eine Anzahl von Kindern kennen, von denen
er sagen kann, diese sind mindestens krank gewesen; ob nicht mehr,
das bleibt dahingestellt.
Die Zahl der für krank befundenen Kinder wird, abgesehen
von der tatsäohlich vorhandenen, aber in ihrem ganzen umfange leider
Dicht erkennbaren Morbidität und einigen äuüseren Umständen, im
wesentlichen abhängen 1. von der Zahl der untersuchten Kinder,
die wiederum abhängig ist a) von der Zahl der schulärztlichen Besuche,
b) von dem für dieselben verwandten Zeitaufwand, 2. von der Indivi-
dualität des Arztes in der Beurteilung von Gesundheit und Ejrank-
beit. In diesen Punkten sind Momente gegeben, die einen Vergleich
veischiedener Berichte von vornherein ausschlieisen können, aber doch
nicht müssen. Der ad 2 genannte Moment kann ausgeschaltet werden,
wenn die Berichte einer groben Anzahl von Ärzten verglichen werden.
Die übrigen drei Momente verlieren an Bedeutung, sobald sie berück-
siehtigt werden, d. h. sobald z. B. festgesetzt wird, dafs pro 100 unter-
BQchte Sehulkinder, zu deren Untersuchung sich so und so viel schul-
&rztIiohe Besuche mit einem Zeitaufwand von so und so viel Stunden
als nötig erwiesen, so und so viel Kranke herausgefunden wurden.
Auf diese Weise könnten Zusammenstellimgen zustande kommen^
die Rückschlüsse auf eine Mindest-Morbidität zuliefsen, und die unter-
Oer Sehvlant. UL 10
90 358
einander vergleichbar wären. Femer könnten dnroh Vergleich der
aus verschiedenen Ealenderjahren stammenden Berichte Schlüsse auf
die Bewegung der Morbidität in den verschiedenen Jahren gezogen
werden. Es liegt nahe, dadurch, daCs die Zahlen der im Laufe des
Jahres fOr krank befundenen nach Klassen resp. Schuljahren gruppiert
werden, zu versuchen, Anhaltspunkte fCLr die Relation zwischen
Morbidität und Schulbesuch zu finden. In dieser Beziehung mufs
aber grofse Vorsicht empfohlen werden. Denn es wird natnrgemäfs
in der untersten Klasse die Zahl der Kranken ganz besonders grofs
sein, schon deswegen, weil hier sämtliche Eänder beim Schuleintritt
untersucht werden; es werden vermutlich von der untersten Klasse
nach aufwärts die Zahlen der Kranken allmählich geringer werden,
weil ein Teil der kranken Lemanfilnger allmählich gesund wird. Der
Abgang durch G^sundwerden wird nun nicht auch bei gleicher oder
noch grölBerer Morbidität durch entsprechenden Zugang neu Erkrankter
ergänzt werden können, weil die Zahl der Untersuchten von der
untersten zur zweituntersten Klasse schroff abfallt, und zwar so schroff,
dals die Prozentberechnung nicht vor Fehlem schützt Anderseits
ist es denkbar, dals in der Abgangsklasse eine Anzahl Kranker sich
befinden, die während des ganzen Sohullebens krank waren. Diese be-
lasten also zu Unrecht die Klasse. Es genügen also weder die ab-
soluten noch die Prozentzahlen von kranken Kindern einer Klasse,
um hinsichtlich der Bewegung der Morbidität aus dem Vergleich mit
den entsprechenden Zahlen einer andem Klasse einen Schluis ziehen
zu lassen; es mufs zum mindesten verlangt werden, dafs in jeder
Klasse die Zugänge gesondert von dem aus der vorhergehenden
Klasse übernommenen Bestände am Anfange des Schuljahres auf-
gezählt werden, wobei jedoch die Aufnahmeklassen oder diejenigen
Klassen, in denen sämtliche Kinder untersucht werden, auüser
Spiel bleiben müssen. Wenn es sich z. B. bei vorsichtiger Be-
rechnung zeigen sollte, dals in* den den letzten Schuljahren ent-
sprechenden Klassen die Zahl der im Laufe des Jahres zum Bestände
am An&ng hinzukommenden immer mehr steigt, so dürfte darin
eine Aufforderang enthalten sein, zu prüfen, ob nicht ceteris paribus
der Aufenthalt in diesen Klassen zu Krankheiten prädisponiert. Für
einen solchen Bückschluis wäre aber auch die Natur der beobachteten
Krankheitszustände von Bedeutung; und deshalb empfiehlt es sich,
in den Jahresberichten eine Verteilung der Krankheitszustände fiuf
die einzelnen Klassen zu geben. Wenn z. B. Myopie und Rückgrats-
verbiegung in den oberen Klassen konstant eine gröisere Ausdehnung
zeigen als in den unteren, so werden wir wohl vermuten können,
359 91
daXs das SohuUebön nicht ohne Einfluüs auf die Krankheit war. Be-
wiesen kann aber diese Sohlnfsfolgerong durch die Zahlen derVer-
waltnngs- bezw. Jahresberichte nie werden, weil denselben, wie aus-
einandergesetzt, denn doch zu viel Fehlerquellen anhaften. Man kann
sie durch Beobachtung verschiedener Yorsichtsmalsregeln, z. B. durch
Angabe der Krankenzahlen in Prozenten der Untersuchten, durch
die Zahlung der in jeder Klasse neu krank gewordenen, durch An-
gabe über die Verbreitung der einzelnen Krankheitszustände in den
einzelnen Klassen zu einer wertvollen Unterlage für weitere Studien
gestalten, aber man kann nie aus ihnen bindende Schlüsse über die
Beziehung des Schullebens zur Gesundheit des Kindes erreichen.
Dieses Ziel werden wir erst erreichen durch exakte wissenschaftliche
statistische Verwertung von Tausenden von Einzelbeobachtungen am
einzelnen Kinde während seiner ganzen Schulzeit; oder anders aus-
gedrückt, nur an der Hand und auf Grund von Tausenden
yon Gesundheitsscheinen, die vom Anfang bis zum Ende
der Schulzeit gut fortgeführt sind, wird es der Statistik
möglich sein, ein Material zu schaffen, auf Grund
dessen der Arzt und Schulhygieniker urteilen kann über
den Einflufs des Schullebens auf die Gesundheit.
Aus vorstehendem ergibt sich, dais für den schulärztlichen Dienst,
insbesondere für die Schaffung einer möglichst guten Statistik, fol-
gende einheitlich zu gestaltende Formulare notwendig sind. 1. Der
Aufnahme bogen, der zur Aufnahme des Untersuchungsbefundes
beim Schuleintritt bestimmt ist, 2. ein Personalbogen, der zur
Eintragung der im weiteren Schulleben des Kindes gemachten schul-
ärztlichen Beobachtungen dienen soll, und 3. ein Schema für den
Jahresbericht. In der bei weitem überwiegenden Mehrzahl der
Städte sind die unter 1. und 2. genannten Formulare in Form des
Geeundheitsscheines vereint; wo dies nicht der Fall ist, wird aulser dem
Aufiaahme-Untersuchungsbogen, den jedes Kind erhält, für die im
weiteren SohuUeben krank befundenen ein besonderer Überwachungs-
bogen angelegt. Berlin legt nur solche Überwachungsbogen an, die, wie
ScHüBEBT richtig meint, „Krankheitscheine" heiTsen sollten; gesunde
Kinder erhalten dort gar kein ärztliches Personalpapier. Mit Bücksicht
darauf, daCs zurzeit wenigstens der sogenannte Gesundheitsschein, d. i«
ein ärztlicher Pers(walbogen für jedes Eand für die ganze Schulzeit,
allgemein gebräuchlich ist, soll im folgenden nur über die praktisch
beste und allgemein zu empfehlende Gestaltung dieses Formulars ab-
gehandelt werden.
(FortBet«mg folgt.) 10*
360
Altintxt Jttttetltitigeii.
Nene Sehnllrzte« In Bremen hat die Deputaüon für das Schul-
wesen bei der Bürgerschaft die Anstellung von sechs Schnlftrzten mit
einem Jahresgehalte von je 750 Mark und die einmalige Bewilligang von
1000 Mark iür Schreibsachen osw. bewilligt. Die Einrichtung ist nur
für Volksschulen gedacht. — Die Vorlage ist nach einem Gutachten und
unter Mitwirkung des Gesundheitsrates ausgearbeitet. Da sie einem
Wunsche der Bürgerschaft entspricht, so ist nicht daran zu zweifeln, daCs
sie glatte Aufnahme findet.
In gleicher Angelegenheit teilt uns Professor Tjaden aus Bremen
mit: Die Bremische Bürgerschaft (unser Parlament) hat am 29. März d. J.
einstimmig den Antrag der Deputation ftür das Gesundheitswesen auf An-
stellung von sechs Schulärzten angenommen. Die Deputation hatte dabei
ausdrücklich erklärt, dafs sie den weitergehenden Wünschen der Bürger-
schaft auf Anstellung von Schulärzten bei sämtlichen Schulen (ein-
schlieislich der höheren) zurzeit nur deshalb nicht Folge leiste, weü in
den nächsten zwei Jahren erst Erfahrungen gesammelt werden soUen.
Nach zwei Jahren würde man mit erweiterten Anträgen an die Bürger-
schaft herantreten.
In Hannover hat der Magistrat nunmehr elf Schulärzte angestellt:
em zwölfter wird noch ernannt werden. Die Tätigkeit dieser Ärate soll
sich auf die Bürgerschulen erstrecken und zunächst nur die Untersuchung
der neuaufgenommenen Kinder umfassen. Spätere periodische Unter-
suchung der Schüler ist in Aussicht genommen. Gewählt wurden zu Schul-
ärzten die Herren: Sanitätsrat Bleokwenn, Sanitätsrat LtJmcH sowie
die Ärzte Leimbach, Kbeipe, Nolte, Breül, Paulsen, Tüoh, Kratz,
Wahbendobff und Wasmus.
In Stötteritz, einem Vororte von Leipzig, hat der Schulvorstand
beschlossen, einen Schularzt in der Person des Herrn Dr. Cappbs mit
einem Honorar Ton Mk. 400. — anzusteUen.
In Wiesbaden haben die Zahnärzte einstimmig die Errichtung einer
Schulzahnarztstelle beim Magistrat beantragt.
Die Schularztfrage in Stettin hat eine neue Wendung genommen.
Der Magistrat hat, um die Einführung dieser segensreichen Maßnahme
nicht zu gefiUirden, die von der Regierung beanstandete Untersuchung der
Lehrer aus dem Entwürfe der Schularztordnung gestrichen und diese abge-
änderte Schularztordnung aufs neue der Regierung zur Genehmigung yor-
gelegt.
In Bochum ist eine Vorlage in Vorbereitung, nach welcher die Stadt
in mehrere Schularztbezirke mit 1000 — 1500 Kindern eingeteilt werden
soll. Alle Kinder sollen zweimal im Jahre auf ihre geistigen und körper-
lichen Anlagen untersucht werden. Die kranken Kinder werden eine ent-
sprechende Behandlung erfahren. Die Organisation soll vorläufig keine
vollständige sein, weil sowohl in technisch-ärztlichen wie in pädagogischen
Kreisen die Erfahrungen noch nicht hinreichend geklärt sind.
361 93
In Berlin sind ^m 1. Juli drei neue Gemeindeschnlarztstellen za
besetzen; die Verwaltung der Stellen wird nur im Wege des Privatdienst-
Vertrages flbertragen. Bewerbungen sind bis zum 15. Mai an das Bureau
der Schüldeputation, Rathaus, zu richten. Jede Stelle umfafst acht Schulen.
In Karlsruhe sollen, nachdem der Bflrgerausschuis die Mittel zur An-
stellung von Schulärzten dahier im Betrage von 3000 Mk. jährlich bewilligt
hat, neben dem bisher schon als Schularzt tätigen Herrn Stadtarzt
Dr. Stehteb vier weitere Schulärzte im Nebenamt angestellt werden. Dies
wird dem „Ärztlichen yerein** dahier mit dem Ersuchen zur Kenntnis ge-
bracht, diejenigen Herren Ärzte, welche Lust tragen, das Amt eines Schul-
arztes zu tlbemehmen, zu veranlassen, dals sie sich durch Vermittlung des
Vereins innerhalb 14 Tagen beim Stadtrat melden.
In Hamburg sollen nach einem der Bflrgerschaft zugegangenen
Senatsantrage drei Schulärzte angestellt werden. In der Begründung des
Senatsantrages heilst es: Bisher haben die Stadtärzte bei Aufstellung der
Schulbaupläne mitgewirkt, die regehnäfsigen Prüfungen der hygienischen
Verbältnisse in den Volksschulen sowie in den höheren Staats- und höheren
Privatschulen vorgenommen, und sich bei Vorkommen ansteckender Krank-
heiten in den Schulen mit allen einschlägigen Fragen befafst. Es wird
jetzt beabsichtigt, in Gemäfisheit einer mit der Oberschulbehörde, Sektion
für das Volksschulwesen, getroffenen Vereinbarung in zwölf Volksschulen
eine ärztliche Untersuchung und Überwachung der Kinder durch die Stadt-
ärzte zunächst versuchsweise einzufahren, um für weitere Vorschläge auf
diesem Gebiete die nötigen Erfahrungen zu sammeln. Dieser ärztlichen
Überwachung der Kbder werden in den zwölf Schulen etwa 9000 Kinder
unterstehen. Um wirklich ausreichende Erfahrungen zu sammeln, ist es
nicht empfehlenswert, die Einführung dieser Malsregel auf eine geringere
Anzahl von Schulen zu beschränken. Nach dem Urteile des Medizinal-
kollegiums ist die durch diese beiden neuen Aufgaben bedingte Erweite-
rung der Tätigkeit der Stadtärzte so erheblich, dafs die Heranziehung
von drei weiteren ärztlichen Hilfskräften und die Einstellung ihrer Bezüge
fär dreiviertel Jahr mit dreimal 1360 Mark in das Budget für 1905 not-
wendig wird.
Abgelehnte Sehnlärzte: In Lüdenscheid lehnten die Stadtver-
ordneten einen Antrag des Magistrats auf Anstellung von vier Schul-
ärzten für die hiesigen Volksschulen mit Hinweis auf die im allgemeinen
günstigen Gesundheitsverhältnisse ab. Auch ein Vermittlungsantrag, die
ärzäiche Untersuchung zunächst auf die Lemanfänger zu beschränken, fand
keine Mehrheit.
In Schmölln bei Altenburg beschäftigte sich der Schulvorstand mit
ein^n vom Bürgermeister lebhaft befürworteten Antrage auf Anstellung
eines Schularztes, gelangte jedoch zur Ablehnung des Antrages unter Hin-
weis darauf) daOs diese Frage angeblich landesgesetzlicher Erledigung ent-
gegengefOhrt werden soll.
In Colberg stand die Anstellung von Schulärzten zum zweiten Mal
in der Stadtverordnetensitzung zur Beratung. Trotz Befürwortung durch
den Bürgermeister und Medizinalrat Dr. Behhend wurde die Vorlage
wiederum mit 14 gegen 11 Stimmen abgelehnt.
94 362
Ans Breslau teilt Herr Stadtarzt Dr. Oebbeke mit, dafs die Schul-
ärzte daselbst Ton jetzt ab zweimal alle drei Jahre eine Zulage von
Mk. 150. — erhalten. Sie steigen also vom Anfangsgebalt von Mk. 500. —
bis auf Mk. 800. — ; die bisherige Dienstzeit wird angerechnet. Man
hofft dadurch jflngere Ärzte zu gewinnen, die sich lAngere Zeit dem schul-
ärztlichen Dienste widmen wollen.
Ober die Magdeburger aehnUrztüehen Verhiltniase teilt uns
Medizinalrat Dr. Stbasbneb in Ergänzung und teilweiser Berichtigung der
bisher im „Schularet*^ enthaltenen Notizen folgendes mit:
Die Spezialärzte (Augenarzt Sanitätsrat Dr. Schbeibeb, Augenarzt
Dr. Sandmann, Ohren-, Nasen- und Halsarzt Dr. Richteb) erhalten je
Mk. 1000, wie die Schulärzte, welche den Titel Bezirksarzt führen, weil
sie gleichzeitig Armenärzte sind und als Protokollfflhrer bezw. medi-
zinische Sachverständige in den 23 Unterabteilungen der Gesundheits-
kommission zu wirken haben. Es sind also 23 Bezirksärzte, drei Spezial-
ärzte und ein Stadtarzt vorhanden.
Alle Kinder werden von den Bezirksärzten bei jeder geringsten, durch
die Untersuchung festgestellten Anomalie den Spezialärzten Überwiesen,
welche selbst auf den Gesundheitsscbeinen das Nötige bemerken, eine Frist
zur Nachuntersuchung bestimmen, auch auf etwaige Operationen aufmerksam
machen. Die notwendigen Brillen liefert eventuell die Armendeputation
umsonst. Ohne Angabe der Brillennummer und ohne Gratislieferung wurden
keine Brillen von den Eltern beschafft; deshalb auf Wunsch aller Ärzte
das jetzige Verfahren.
Operationen und sonstige Behandlung werden sogar gelegentlich in den
Polikliniken der Krankenhäuser gratis nachgesucht. In den Polikliniken
wirken die Spezialärzte nicht mit, dagegen ist an jedem der zwei grofsen
Krankenhäuser je einer der Augenärzte Konsiliarius; bei armen Kindern
tritt die Armenpflege ein.
Für die Hilfsklassen wollten die Lehrer Spezialnervenärzte, was
bisher nicht für notwendig erachtet werden konnte, da in diesen Erlassen
ausreichend auf diesem Gebiete erfahrene Ärzte wirken. Auch durch Zahn-
ärzte sind bereits privatim Untersuchungen angestellt worden, und hat man
die Absicht, auch solche anzustellen.
In Magdeburg soll der Kreisarzt auch zugleich Stadt arzt sein, um
Differenzen zwischen beiden zu vermeiden. Für die Schulzwecke hat dies
gute Bedeutung; gerade die Verbindung beider Stellungen schafft ein aober-
ordentlich günstiges Zusammenwirken aller Faktoren und gleichzeitig schnellste
Erledigung, häufig durch telephonische Besprechungen zwischen Schularzt
und Stadtarzt (beide besitzen amtliche städtische Femsprecher). Vor allen
Dingen ftllt auch jedes Mifsverständnis oder Gereiztsein der Kollegen weg.
Die Schulärzte müssen laut Dienstanweisung der preuüsischen £[reis-
ärzte bei amtlichen Besichtigungen der letzteren zugezogen werden, außer-
dem teilen sie dem Stadtarzt ihre Beobachtungen und WtUische mit (was
bei dem Amtsarzt oft gern vermieden wird), der Stadtarzt aber vermittelt
das weitere. Somit klappt es hier ganz gut.
363 95
l^xtnfiüxHnn^tn für S^niäx^tt.
Belehrang fBr Sehnlirzte der Stadt Prag.
Herausgegeben am 16. November 1904 vom Stadtphysikat der Stadt Prag.
Die fQr die Volks- and Bargerschalen angestellten Schalärzte sind
Ao&ichtsorgane Aber die Sanit&tsznst&nde der Schalen and über die 6e-
sondheit der Schfller, worflber sie an den Stadtphysikas za berichten ver-
pflichtet sind.
Die üntersachang der Kinder geschieht mit entsprechender Rücksicht
gegen den Schüler in einer mit der Schnlleitong festgestellten, aber aaber
dem unterrichte vorgeschriebenen Zeit. Sie findet in einem Separatzimmer
and womöglich in der Gegenwart des Lehrers, bei Mädchen stets in An-
Wesenheit der Lehrerin oder mit Rücksicht aaf besonderen Wnnsch in der
Gegenwart der Eltern statt.
Die nmständlichere üntersachang jener Kinder, deren Eltern oder
Stellvertreter an den Klassenlehrer einen begründeten Antrag aaf ünter-
lassang der üntersachang noch vor der festgesetzten Zeit einreichen, sollen
nicht vorgenommen werden, wenn es sich sonst am keine verdächtige, über-
tragbare Krankheiten handelt, oder solche, welche besondere Yerfügangen
eriordert (z. B. Schwachsinnigkeit a. a.)
Ärztliche Behandlang erkrankter Schalkinder ist nicht die Sache des
Schalarztes.
Bei seinem Schalbesnche soll der Schalarzt den Unterricht nicht
stören, sondern er soll sich aaf stille Beobachtang der Schüler beschränken.
Ist vielleicht ein Gespräch, eine Beratang oder Yerabredang mit dem
Lehrer erforderlich, so soll es am Ende des Unterrichtes geschehen, die
Fälle der aas Yersäamnis drohender Gefahr aasgenommen.
In den Unterricht eingreifen, oder dem Lehrer oder Schaldiener Rat-
schläge erteilen, ist der Schalarzt nicht befagt. Die Kritik über Qaantität
oder Qualität des Lehrstoffes kann er den kompetenten Behörden überreichen.
Der Schalarzt soll in der Schale nar im Einvernehmen mit der
Schnlleitang handeln. Kommt es za Differenzen, so hat jeder seine
daranf bezüglichen Beschwerden in erster Linie an die vorgesetzte Behörde
za richten.
Bei den Sanitätsverordnangen ist aaf die geltenden Vorschriften über
behördliche Kompetenz za achten.
Der weitere Teil der Dienstordnnng ist intimen Inhalts and der
Öffentlichkeit anbekannt. Wir glauben, die Dienstordnungen für Schul-
ärzte sollten geheimnisleer lauten. Wozu bei solchen Sachen Geheimnis-
tuerei? Mitgeteilt von Lehrer J. ZsMAN-Nachod.
Verlag von Leopold Voss in Hamburg.
Ästhetik
Psychologie des Schönen und der Kunst
roD
Theodor Lipps.
Erster Teil: (lmiidl«iimg der Ästhetik.
190S* Preis broachiert M. 10. — , gebunden M. 12.—*
Die ethischen Grundfragen.
Zehn Vorträge von Theodor Lipps.
Teil webe gehalten im VolkshocliaGhu [verein eq Mnnohen.
Zweite, tellirebe imifearbeLiete AnflAge.
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ii3inn3i ITber das Seelenleben der Fflaizenp
Von Gustav Theodor PectiD«r.
Hit etiler BiiüeitUEig von Kurd Jjaaewitz.
Dritte Aufl. 1908. Eleg. geb. M. 6.-.
Das Büchlein Tom Leben nach dem Tode
von Gustav Theodor Fechuer.
FUnfte Auflage. 1908* M. 1.50, elegant gebunden M. 2.50.
Zend Avesta
oder Über die Dinge des Himmels und des Jeaseita.
Vom Standpunkt der Naturbetracbtüng tod
Gustav Theodor Fechner.
SEweite AuJlage. Besorgt voa Kitrd Lssawlti.
Erster Band broacli. M, 6.—, gb, M. 7.50. Zweiter Band broacb. M. 7.—, gb. M, S.&ö.
Vorlegingen Menschen- und Tierseele.
Von Wilhelm Wuudt.
Dritte r umgearbeitete Auflage. M. 12.—^ geb. M. 14.—,
Itttfdirifl ^r Si||iil|eftini||Htii|i)l(||t
■ ■■ — ■ ■ ■ ■ — . _— ■ ■ - —
XVIII. Jahrgang. 1905. No. 7.
®rt$tiialabl)aii)tl]tii9eii.
Die sechste Jahresversammlung
des Allgemeinen Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege
am 14. und 15. Juni 1905 in Stuttgart.
Bericht von
Dr. Rudolf Abel,
RegierangB- und Medizinalrat in Oppeln.
Im vergangenen Jahre hatte der Allgemeine Deutsche Verein
ftr Schnlgesnndheitspflege im Anschlnsse an den Internationalen
KongreiSs für Schnlgesnndheitspflege in Nürnberg nur eine kurze,
ausschlieiSslich gesohäftliohe Fragen behandelnde Sitzung abgebalten.
In diesem Jahre wandte er sich wieder wissenschaftlichen Ver-
handlungen zu und hatte dazu seine Mitglieder auf den 14. und
15. Juni nach Stuttgart eingeladen.
Dem dort für die Vorbereitung der Versammlung gebildeten
OrtsausschuJis war es gelungen, in dem Vortragssaal des Landes-
gewerbemuseimis eine allen Anforderungen genügende Stätte für die
Tagung zu gewinnen. Auch sonst war er für einen erfreulichen
Verlauf der Versammlung durch Veranstaltung von Besichtigungen
und Ausflügen, sowie eines Festessens bemüht gewesen.
Die Stadtgemeinde Stuttgart widmete den Kongrefsteilnehmem
neben einem Führer durch die Stadt eine wertrolle Festgabe in
Qestalt eines mit Abbildungen von Plänen und Gebäuden reich ver-
zierten Werkchens über das Schulwesen der Stadt Stuttgart. Aufser
einer Übersicht über die gesamten vorhandenen Schulen alier Art
enthalt das 60 Seiten starke Heftchen eine Beschreibung der neueren
Schulbauten und eine Darlegung der für ihre Errichtung angewandten
Grundsätze. Es sei erwähnt, dafs seit 1885 in den Volksschulen
SehaliresnndheitBpflegre. XVIII.. 20
366
Brausebäder für die Schulkinder angelegt werden, w&hrend die
Schüler der höheren Schulen regelmäfsig klassenweise das Schwimm-
bad der Badgesellschaft besuchen, welch letztere übrigens auch den
Volksschülem jährlich Tausende von Freikarten schenkt. Um un-
erwartet auftretendem Bedürfnis nach Vermehrung der Schulzimmer
sofort gerecht werden zu können, hat die Stadt drei je zweiklassige
Schulbaracken beschafft, die, nach System Doeckeb von Oubistoph
& Unmack in Niesky gebaut, je nach den umständen bald hier
bald dort aufgestellt werden können und nach den bisherigen Er-
fahrungen ihren Zweck vollkommen erfüllen. Hervorgehoben werden
muTs femer das segensreiche Wirken des Stuttgarter Vereins für
Knabenhorte, der die zu Hause nicht beaufsichtigten Kinder in der
schulfreien Zeit sammelt, bei ihren Schularbeiten überwachen labt,
sie mit Spaziergängen, Spielen, Baden, Schlittschuhlaufen usw. be-
schäftigt, mit Vesperbrot versieht oder auch wohl ganz speist und
diese Tätigkeit auch in den Ferien fortsetzt. Eben so gemeinnützig
ist die Arbeit des Stuttgarter Vereins für Ferienkolonien, der allein
1904 539 Kinder in Stadt- und Landkolonien unterbrachte und seit
dem Voijahre aufserdem aus einer Schenkung ein eigenes Erholungs-
heim für schwächliche und von Krankheiten genesende Kinder
besitzt.
Die ärztlichen Vereine Stuttgarts und der Württembergische
ärztliche Landesverein brachten dem Kongreis als Festgabe ein Heft
ihres Medizinischen Korrespondenzblattes dar, das wertvolle Arbeiten
von Dr. Oamebeb jr. über „Gewichts- und Längenwachstum der
Kinder", von Dr. Zahn über „Das Stottern", Prof. Dr. Königshöfeb
über „Kurzsichtigkeit", Dr. Bauer über „Die Schule als Auslese-
faktor'', Dr. Beihlen und Dr. Gastpab über „Schulkinderunter-
suchungen und schulhygienische Verhältnisse in Stuttgart überhaupt*'
enthält.
Die Zahl der Versammlungsteilnehmer soll nach Mitteilungen
des Ortsausschusses über 600 betragen haben. Die nach Schiulis
der Tagung ausgegebene Teilnehmerliste zählt 483 Namen auf.
Diese im Vergleich zu den früheren Versammlungen auffallend
grofse Teilnehmerzahl erklärt sich dadurch, dals unmittelbar vor der
Tagung eine Versammlung des Württembergischen Volksschullehrer-
vereins in Stuttgart abgehalten worden war, deren Besucher alsdann
auch an den Sitzungen des Vereins für Schulgesundheitspflege sich
beteiligten und dabei die ganz überwiegende Mehrzahl der Ver-
sammlungsteilnehmer bildeten. Zieht man die Kongrefsbesucher aus
367
Württemberg von der GesamtteilDehmerzabl Ten 483, wie sie die
gedruckte Pr&senzliste angibt» ab, so bleiben im ganzen nur etwa
40 nicht württembergiBche Teilnehmer übrig, von denen insgesamt
nur fünf in deutschen Landen östlich der Elbe ihren Wohnsitz
haben (Hamburg, Berlin-Oharlottenburg, Oppeln). Kaum mehr als
20 von den diesjährigen KongreHsbesuchem dürften auch den früheren
Versammlungen des Vereins beigewohnt haben. Von Männern, die
durcb organisatorische oder wissenschaftliche Tätigkeit auf dem
Grebiete der Schulhygiene bekannt sind, waren nur einige wenige
anwesend, von Hochschullehrern der Hygiene allein Prof. Dr. Jaeoeb
aus Strasburg i. E. Inwieweit diese Zusammensetzung des Kongresses
für die Wertung der von ihm gepflogenen Verhandlungen und ge«
bJsb&n Beschlüsse von Bedeutung sein muls, wird weiter unten noch
erörtert werden.
Aus der am Morgen des zweiten Tages abgehaltenen Geschäfts-
sitzung sei hier gleich das wichtigste rorweggenommen. Bei Gegen-
wart von 28 Kongrelsteilnehmem, einschliefslich des Vorstandes,
wurden zunächst die gemäls Beschlufs der Toijährigen Versammlung
aufgestellten neuen Satzungen des Vereins ohne Besprechung an-
genommen. Die Satzungen sind im Anhange zu diesem Berichte
abgedruckt; eine kleine, vom Vorstand beantragte Änderung in § 4
ist durch Schrägdruck bemerkbar gemacht worden. Als Vorsitzender
wurde Prof. Dr. Gbiesbagh in Mülhausen i. E. durch Zuruf wieder-
gewählt, als Beisitzer wurden auf Vorschlag des Ortsausschusses
Stuttgart gewählt Dr. Koemank - Leipzig, Dr. Bauer - Stuttgart,
Sanitätsrat Prof. Dr. Habthann- Berlin, Geh. Oberbaurat Deliüs-
Berlin, Stadtschubrat Dr. WEHBHAHN-Hannover, Oberbürgermeister
MüLiiEB-Kassel, Sanitätsrat Dr. ScHMiDT-Bonn, Gemeinderat Stock-
HATBB-Stuttgart.
Im Auftrage der Stadt Karlsruhe lud Dr. Steineb den Verein
dorthin für nächstes oder übernächstes Jahr zur Tagung ein. Es
wurde aus der Versammlung geltend gemacht, man müsse einmal in
Nord- oder Ostdeutschland, im ELinblick auf die geringe dort vor-
handene Beteiligung an den Vereinsbestrebungen, tagen. Schlielslich
wurde dem Vorstande die Bestimmung des Ortes für die nächst-
jährige Tagung überlassen.
Als Gegenstand für die Verhandlungen im kommenden Jahre
schlug die Ortsgruppe Stuttgart des Vereins die „Schulbankfrage''
vor, Schulrat Dr. SALZMANN-Stuttgart „Die körperliche Züchtigung
der Schulkinder''.
20»
368
Einen knrzeD Bericht über die Tätigkeit des Vereins im Jahre
1904 erstattete Dr. KoRMANN-Leipzig. Welches Geschick und welche
Wirkung die früheren Beschlüsse der Vereinsyersammlungen gehabt
haben, erfahr man wiederum nicht. Ebensowenig wurde mitgeteilt,
was aus dem Beschlüsse der vorjährigen Versammlung geworden sei,
nach dem mit der Zeüschrifl für Schtdgesundheitspflege wegen Ge-
winnung dieser als Vereinsorgan Verhandlungen eingeleitet werden
sollten. Die B.echnungslegung ergab einen günstigen Abschluüs; der
Verein hat ein kleines Vermögen von 1764 Mark angesammelt.
Es folge nunmehr die Schilderung des Verlaufes der wissen-
schaftlichen Verhandlungen, wobei bemerkt sein mag, dals diesmal
die Leitsätze der Berichterstatter den Kongrefsteilnehmem bereits
vor der Versammlung durch eine kurz zuvor versandte Nummer der
Gesunden Jugend, des Vereinsorgans, bekannt gegeben worden waren.
Erster Tag.
Der Vorsitzende, Prof. Dr. GmESBACH-Mülhausen i. E., erteilte
zunächst das Wort zu BegrüCsungsansprachen. Der württembergische
Kultusminister Dr. von Weizsäckeb begrüüste den Verein im Namen
des Königs. Er betonte, dals nicht allein der Satz „Mens sana in
corpore sano'^ zutreffe, sondern daCs man umgekehrt auch die Wirkung,
die ein allseitig gebildeter, an strenge Pflichterfüllung gewöhnter
Geist auf die Stählung des Körpers habe, würdigen müsse. — Als
Vertreter der preuüsischen Minister des Kultus und der öffentlichen
Arbeiten gab Geheimer Oberbaurat Deliüs deren Interesse an dem
Kongresse Ausdruck. — Geheimrat Dr. Rettich als Vertreter der
Stadt Stuttgart hob hervor, dafs von den Eandem, die die Schulen
einer Groisstadt besuchen, kaum 20 7o später in dieser Stadt ver-
bleiben, während die anderen sich über Land und Reich zerstreuen.
Darum sei, wenn in der Schule „künftighin nicht nur gelehrt,
sondern auch gepflegt und geheilt" werden solle, an allen Orten
damit vorzugehen und Staat und Reich zur Mitwirkung verpflichtet. —
Der Präsident des württembergischen Medizinalkollegiums, vonNbstlb,
wies darauf hin, dafs die Gresundheit der Jugend nicht nur durch
die vielberufene Überbürdung in der Schule, sondern in nicht ge-
ringem Malse auch durch vorzeitige Genüsse im gesellschaftlichen
Leben gefährdet wird. — Für die technische Hochschule zu Stuttgart
sprach deren Prorektor, Prof. Dr. von Weyrauch. Die technische
Hochschule habe die Forderungen der Hygiene auf technischem Ge-
biete in die Tat umzusetzen, sie nehme daher gröistes Literesse an
369
den Verbandliiiigen. — Femer brachten BegrüDsungen dar, zum Teil
auf besonderen Wnnsob des Vorsitzenden, der württembergisebe ärzt-
liche Landesverein, der Stuttgarter Zweigverein des tagenden Vereins,
der Deutsche Lehrerverein, der Zentralausschufs zur Förderung der
Volks- und Jugendspiele, der Verband der Vereine akademisch ge-
bildeter Lehrer, und die schweizerische Gesellschaf); für Schulgesund-
heitspflege. Am nächsten Tage schlols sich noch der Bund deutscher
Frauenvereine mit einer BegrüJsung an. Der französische Verein
fOr Schulgesundheitspflege sandte ein Telegramm.
Der Vorsitzende äuiserte mit seinem Danke für die Begrülisungs-
reden seine Freude darüber, dals „der Verein überall Anklang finde ^.
Seine Kenntnis selbst älterer Bände der Fliegenden Blätter bewies
er durch Anbringung des alten Kalauers: der Saal sei wohl schon
voller, wohl auch schon leerer, aber noch nie so voller Lehrer
gewesen. Dann gab er eine Art von Programmrede. Nicht das
Inordnunghalten der Schulgebäude sei das wesentliche der Schul-
hygiene, wie noch oft in weiten Kreisen angenommen werde, sondern
die Hygiene des Unterrichts sei das wichtigste. Das Nervensystem
der Schüler in den höheren Lehranstalten werde unverantwortlich
überanstrengt. Durchweg gingen die Anstalten in ihren Anforde-
rungen über den achtstündigen Arbeitstag hinaus. Für die Erholung
und eine wirkliche Teilnahme der Schüler am Familienleben fehle
die Zeit. Stets wüchsen die Ansprüche der Examina. Er sei über-
zeugt, niemand aus der Versammlung würde sofort das Abiturienten-
ezamen bestehen können, — ja selbst die Mitglieder der Prüfungs-
kommission fiir die Abiturienten veimöchten dies nicht! Die höhere
Schule möge sich mit dem Ziele begnügen, allgemeine Bildung zu
vermitteln, nicht aber solle sie ein mathematisches, naturwissenschaft-
liches oder philologisches Fachstudium beginnen, denn das sei Sache
der Universität. Die Verschlechterung des Nervensystems vererbe
sich; die Folge müsse sein, dais die nächste, wieder überanstrengte
Generation noch weniger leistungsfähig werde. Abhilfe könne nur
eine Vereinfachung und Vereinheitlichung des gesamten Schulunter-
richts schaffen. In den einzelnen Bundesstaaten müfsten die An-
forderungen gleiche sein. Besonders aber solle auch die Volksschule
einheitlich sein. Nichts von konfessioneller Abbröckelungl
Alsdann nahm zum ersten Verhandlungsgegenstande
Anfang nnd Anordnung des fremdsprachlichen Unterrichts
Universitätsprofessor Dr. Vietob aus Marburg das Wort. Redner
bittet zunächst um Entschuldigung dafür, dais seine Leitsätze dem
370
Thema nicht entsprächen. Er habe angenommen, das Hinanfischieben
des fremdsprachlichen Unterrichts um ein Schuljahr solle als be-
schlossen gelten und nur die Art der Durchftihrung besprochen
werden. Die gröJjste Gefahr für die Schüler sieht der Redner, aulser
in der Überbürdung durch zu viele Stunden und zu vielerlei Stoff,
in dem Umstände des Unterrichts durch Fachlehrer. Die akademisch
gebildeten Lehrer würden zu sehr wissenschaftlich und zu wenig in
der Praxis des Unterrichtens geschnlt. Jeder neige dazu, sein Fach
für das wichtigste zu halten und dem Schüler möglichst viel davon
beizubringen. Der Vortragende zieht den Vergleich: Die Bühne,
die zum Spezialitätentheater wird, ist keine moralische Anstalt mehr
und übt daher auch keine moralische Wirkung. Der Redner wendet
sich weiter der viel zu starken Bevorzugung der fremden Sprachen
zu. Schon auf der untersten Gymnasialstufe sind dem Lateinischen
doppelt soviel Stunden wie dem Deutschen gewidmet. Und immer
noch werde auf die grammatische Schulung der Hauptwert gelegt.
Systematischer Sprachunterricht zur sicheren Einprägung und Hand-
habung der Sprachformen mit dem Ziele der Übersetzung von einer
Sprache in die andere, Einpauken von Gedächtnisstoff auf den unteren
Stufen statt Einführung in den Geist der Sprache sei das verfolgte
Ziel. Grammatik ist Abstraktion, entspricht daher dem kindlichen
Verstände und seiner auf Beobachtung xmd Erfassung des rein Sinn-
lichen gerichteten Geistesanlage nicht. Dem so auf ihm fremde
Wege gezwungeneu Geiste bleibe die Grammatik die bitterste Er-
innerung an die Schule. Unnatürlich sei es auch, daijs eine tote
Sprache, das Lateinische, zur ersten Einführung des Schülers in eine
fremde Welt der Gedankenäuiserung diene. Dazu sei nur eine
lebende Sprache geeignet, am meisten das Englische, in zweiter Linie
das Französische. Vietob gelangt zur Aufstellung folgender Leitsätze:
1. Es ist wünschenswert, daüs dem fremdsprachlichen Unterricht
eine längere Beschäftigung mit der Muttersprache vorausgeht,
wobei nicht auf den grammatischen Betrieb, sondern auf
die Erweckung und Festigung des Sprachgefühls — in Ver-
bindung hiermit auch auf die lautliche Schulung an der
Hand der Mundart — das Hauptgewicht zu legen ist.
2. Die gewonnene Zeit ist nur zum Teil auf den Unterricht
im Deutschen, zum anderen Teil auf Erholung, Spiel und
freie Betätigung, sowie auf die Anleitung zum Beobachten
und auch zeichnerischen Darstellen des Beobachteten zu
verwenden.
371
3. Das HinanfBchieben des fremdsprachlichen Unterrichts darf
der überhaupt zu fordernden Yerkürzimg der täglichen
Unterrichtszeit keinen Eintrag tun, also keine spätere Ver-
mehrung der fremdsprachlichen Stunden herbeiführen.
Der medizinische Beferent, Dr. JAEOEB-Schwäbisch Hall, kommt
imter umfangreichen Literaturzitaten auf Grund ärztlicher Erwägungen
zu dem gleichen Besultate. Die Schule habe nicht nur, wie Kaiser
Wilhelm 11. gesagt hat, den Zusammenhang mit dem Leben ver-
loren, sondern auch den Zusammenhang mit der Natur. Die Sinne
sind die Tore des Geistes ; das Kind namentlich eignet sich nur an,
was ihm sinnlich begreifbar ist. Schon Lütheb hat gewarnt, die
Buben würden vom vielen Sitzen in der Schule dumm. Bedner
ergeht sich zur Begründung seiner Anschauungen in Erörterungen
fiber die Anatomie und Physiologie des Gehirns. Beim Lernen
fremder Sprachen, führt er dann weiter aus, solle man den Zweck
des praktischen Gebrauches im Auge behalten. Die alten Sprachen
8eien kein unentbehrlicher Bestandteil der allgemeinen Bildung.
Keinesfalls dürfe fremden Sprachen zu Liebe die Muttersprache zu
kurz konmien.
Das Ergebnis seines Vortrags bilden folgende Leitsätze:
Mit der Frage des Themas ist die Grundfrage unseres ge-
samten heute bestehenden höheren Schulwesens angeschnitten.
In dieser Beziehung ist in erster Linie zweierlei zu wünschen:
1. Der Unterricht ist im ganzen und seinen Teilen zeitgemäfser
zu gestalten. Die Schule muJjs die, vornehmlich mit dem alten
klasnschen Unterricht beschrittenen Bahnen weltfremder Ideologie
verlassen und sich mit ihren Zielen auf den Boden der Bedürf-
nisse des Lebens und der Forderungen der Zeit stellen. 2. Der
Unterricht ist im ganzen und seinen Teilen naturgemäfser zu
gestalten. Er muis den Gesetzen der Biologie und Physiologie
des jugendlichen Organismus, insonderheit des Gehirns angepafst
werden. Die Schule muJis die, namentlich mit dem grammatikalisch-
fremdsprachlichen Unterricht beschrittenen Bahnen des einseitigen
Intellektualismus und Formalismus verlassen und eine naturgemä&e,
auf der Grundlage der Sinne und ihrer Tätigkeit aufgebaute,
möglichst gleichmälsige und harmonische Ausbildung aller G^istes-
und Körperkräfte ins Auge fassen. Unter Berücksichtigung dieser
Punkte ergibt sich für den Sprachunterricht im besonderen:
1. Die Muttersprache ist in den Mittelpunkt dieses Unterrichts zu
stellen. 2. Die Frage nach dem Beginn des fremdsprachlichen
372
Unterriclits ifit in zwei zu zerlegen, da es zwei Wege der Erlernung
gibt: a) den Weg, wie das Kind die Muttersprache erlernt; b) den
Weg der Grammatik. Der erstere ist der natürliche, physiologisch-
biologische Weg. Er entspricht dem erwerbenden, sto&ammelnden
Denken der Jugend und der allmählichen Entwicklung des Gehirns
an der fiand der Sinne und der Anschauung. Diese Art kann
einsetzen : so früh sie will. Der andere Weg, der der Grammatik,
entspricht dem ordnenden Denken des Erwachsenen, dem fertig-
entwickelten, für den verwickelten ProzeliB abstrakt- philosophischer
Denkoperationen ausgereiften Gehirn. Für diese Art gilt deshalb:
so spät als möglich. Der fremdsprachliche Unterricht ist jedenfalls
auf der Unterstufe, soweit es irgend die Eigenart des Massen-
betriebs der Schule ermöglicht, der ersten Art zuzuweisen. Hier-
aus ergibt sich für die B ei hen folge der Fremdsprachen: 1. Zu-
nächst lebende Sprachen, da sie allein der Forderung der natürlichen
Erlernung genügen können. 2. Ihre Folge müfste sein: erst Eng-
lisch, dann Französisch, weil der Gang vom Näherstehenden und
damit Leichteren zum Femstehenden und Schwierigeren der natür-
lichen Entwicklung der jugendlichen Kräfte mehr entspricht.
3. Der ausschliefslich grammatikalische Betrieb der toten Sprachen
(Latein, Griechisch und fiebräisch) ist den höheren und höchsten
Altersstufen zuzuweisen.
Li der an die Vorträge sich anschlieisenden lebhaften Diskussion
nahm zuerst Oberrealschuldirektor Dr. Hintzmann - Elberfeld das
Wort. Er spricht sich entschieden für die Verschiebung des Be-
ginnes fremdsprachlichen Unterrichtes um ein Jahr aus. Als Be-
gründung dafür bringt er noch einen neuen Gesichtspunkt vor, nämlich
dafs für das Schulkind der Übergang von der Vorschule auf die
höhere Schule schon an und für sich einen eingreifenden Wechsel
bedeute. Bis dahin von einem Lehrer in allen Fächern unterrichtet,
erhält es nun Unterricht von verschiedenen Lehrern. Daran muls
es sich erst allmählich gewöhnen, — und nun solle es dabei zugleich
noch eine fremde Sprache lernen I Warm nimmt sich der Redner
des Gymnasiums an. Auch die Leute, die bei uns in Deutschland
Grofses in Handel und Industrie geleistet haben, sind doch meistens
Schüler des Gymnasiums gewesen, das damit seine Fähigkeit, auch
für das praktische Leben zu bilden, erwiesen hat. Man dürfe auch
nicht vergessen, dafs das Gymnasium sich ebenfalls weiter entwickelt
habe, z. B. dem naturwissenschaftlichen Unterricht heute viel mehr
Sorge angedeihen lasse als früher. — Die Frage, wie im Unterrichte
373
die Fremdsprachen aufeinander zu folgen haben, solle und könne
man nur durch praktische Unterrichtsversuche entscheiden. Schliefs-
lich betont der Bedner, dals das Erlernen einer fremden Sprache in
einigen wenigen Unterrichtsstunden wöchentlich doch etwas anderes
sei als das Erlernen der Muttersprache, — einerlei, welche Methode
man anwende. Man dürfe so gar viel Ersparnis an Zeit gegenüber
der bisherigen Unterrichtsmethode nicht erwarten.
Dieser Auffassung schlieJjst sich Professor MüLLEB-Stuttgart
ganz an. Nur wer dauernd in fremdsprachiger Umgebung lebt,
lernt auch die fremde Sprache schnell. Das Kind vergiist aber auch
ebenso schnell wieder, wie die Erfahrungen mit ausländischen Bonnen
zeigen.
Professor ViETOR-Marburg bemerkt, worauf es ankomme, sei ja
nicht Zeitersparnis, sondern Beseitigung des mechanisch einzulernenden
gramnaatischen Ballastes durch Einführung der induktiven Unter-
richtsmethode.
Direktor TbeütiiEIN - Karlsruhe berichtet über günstige Erfah-
nmgen am Beformgymnasium zu Karlsruhe, das fün&tufigen gemein-
samen Unterbau für Gymnasium und Bealgymnasium hat und
Französisch als erste Fremdsprache lehrt.
Professor FEüCHT-Stuttgart glaubt, das Gymnasium werde viel
SU scharf verurteilt. Auch das Griechische lasse sich nach induktiver
Methode (Gouin) lehren.
Direktor Dr. HoRN-Prankfurt a. M. führt unter dem Beifall der
Versammlung aus, wir Deutschen krankten überhaupt an einer Über-
schätzung der fremden Sprachen gegenüber unserer Muttersprache.
Je mehr fremde Sprachen eine Schule lehre, desto angesehener sei
sie. Als Beispiel dafür, dais ein späterer als der gegenwärtig übliche
Beginn des fremdsprachigen Unterrichts dem Lehrerfolge nichts
schade, zieht er die Erfahrungen einer Madchenschule in Tilsit an.
Dort habe man versuchsweise statt im vierten erst im fünften Schul-
jahr mit dem Französischen begonnen, aber am Schlüsse des Schul-
kursus, obwohl 158 Unterrichtsstunden weniger erteilt worden waren,
das gleiche Lehrziel erreicht.
Nachdem noch Lehrer Beichebt- Stuttgart nach seinen Er-
fahrungen in der Volksschule ebenfalls es als wünschenswert be-
zeichnet hat, das vierte Schuljahr noch ausschlielslich für die Pflege
der deutschen Sprache zu verwenden, und Lehrer BEUTTEB-Göppingen
vergeblich den Antrag gestellt hat, doch statt des Französischen das
Italienische als erste Fremdsprache zu lehren, wird zur Abstimmung
374
über einen Ton Vietob eingebrachten Antrag folgenden Wortlauts
geschritten :
„Die sechste Jahresversammlung des Allgemeinen deutschen
Vereins für Schulgesundheitspflege spricht den Wunsch aus, es möge
den Schulen, die sich dazu bereit erklären, versuchsweise erlaubt
werden, den fremdsprachlichen Unterricht erst in der zweituntersten
Klasse zu beginnen; sie bittet den Vorstand, diesen Beschluls den
deutschen Regierungen zu übermitteln.^
Der Antrag wird mit 72 gegen 3 Stimmen bei insgesamt 75
Anwesenden angenommen.
Damit schlössen die wissenschaftlichen Verhandlungen des ersten
Tages. Am Nachmittage folgten die Kongrefsbesucher einer Ein-
ladung des Königs von Württemberg zu einem Sommerfeste in sein
prachtiges Lustschlofs Wilhelma, wo sie mit einem Imbüs bewirtet
und vom Oberhofmarschall im Namen des Königs begrüüst wurden.
Zweiter Tag.
Die wissenschaftlichen Arbeiten des zweiten Tages begannen mit
einem Vortrage des Ersten Stadtarztes Dr. GASTPAB-Stuttgart über
Sehfllernntersnchniigen.
Es sei vorweg bemerkt, daüs der Vortragende zu einem Heferat
über diesen Gegenstand besonders geeignet erscheinen muiste, da im
letzten Jahre nach seinem Plane und unter seiner Leitung in Stutt-
gart ausgedehnte Untersuchungen von Volksschülem mit ganz be-
sonderer Gründlichkeit vorgenommen worden sind.
An der Notwendigkeit einer von der Schule ausgehenden
gesundheitlichen Überwachung der Kinder, führt der Redner aus,
könne kein Zweifel bestehen. In der Stadt seien die Kinder allgemein
in der Entwicklung benachteiligt, wie die Bekrutenstatistik zeigt
Das liege an schlechter Ernährung, mangelhafter Wohnung, un-
günstigen sozialen Verhältnissen überhaupt. Aber auch auf dem
Lande scheine die Kinderpflege schlechter zu werden. Redner weist
darauf hin, dafs die Bauern z. B. immer mehr Milch zur Stadt
liefern, die früher ihren Kindern zugute kam. Die schädlichen
Wirkungen der Schule auf die Gesundheit der Kinder durch Über-
füUung der Klassen, Licht- und Luftmangel, Überbürdung usw. sind
anerkannt. Die Schule ist nach der ganzen Lage der Dinge der
Ort, an dem man am besten Massenuntersuchungen von Kindern
auf ihre Gesundheit vornehmen kann. Wie oft die Untersuchungen
375
erfolgen sollen, dafür gibt es noch keine allgemein angenommenen
Grundsätze. Aasznführen sind die üntersachongen yom Arzt, nicht
Tom Lehrer, der jedoch mitwirken kann und mnis. Die Unter-
SQohungen sollen den Schnlbetrieb möglichst wenig stören. Sie sollen
mit Einverständnis der Eltern und ohne Kosten für sie geschehen,
sie sollen rasch und für die Kinder schonend sein, aber dabei doch
80 genau, daJjs der Arzt ein vollständiges Bild des Gesundheits-
zustandes gewinnt.
Redner führt des näheren aus, wie diesen allgemeinen An-
forderungen bei den Schuluntersuchungen in Stuttgart genügt worden
ist. Es wurde dort ein besonderer Dienstraum als Ort für die
Untersuchungen bereitgestellt, der vor und nach der Untersuchung
gereinigt und nach Bedarf mit Formalin desinfiziert wurde. Es wurde
darauf gesehen, dafs die Kinder nicht zu weite Wege zurückzulegen
hatten und einschlieMich der Wege nicht über vier Stunden durch
die Untersuchung aufgehalten wurden. Wägen und Messen der
Kinder nahmen erwachsene Hil&personen des gleichen Geschlechts
vor. Die Kinder wurden bei der Untersuchung bis aufs Hemd
entkleidet, nur wo besondere Gründe vorlagen, ganz, doch wurde
der Oberkörper für die physikalische Untersuchung von Lungen und
Herz stets entblöüst. Bei der Untersuchung des Bachens wurde ein
Spatel nicht benutzt, sondern die Zunge mit dem Taschentuch her-
vorgezogen.
Die Entscheidung, ob überhaupt eine Untersuchung stattfinden
sollte, wurde den Eltern überlassen. 92,% der Eltern schickten ihre
Kinder, viele begleiteten sie selbst. Etwa 500 Kinder, die für
Ferienkolonien usw. bestimmt waren, wurden wiederholt bestellt; sie
kamen alle, und zwar fast immer in Begleitung der Eltern.
Den Lehrern wurde von dem Untersuchungsbefande Mitteilung
gemacht. Redner hält eine Entschädigung der Lehrer für die Mehr-
belastung, die ihnen durch die Führung von Gesundheitsscheinen
und die Ausfüllung von Fragebogen erwächst, für recht und billig.
Der die Untersuchung ausführende Arzt mufs aulser der genauen
Au&ahme des Status auch der Anamnese gröfsten Wert beimessen.
Spezialärzte müssen für schwieriger zu beurteilende Fälle zur Yer-
fägung stehen.
Die Schüleruntersuchungen in Stuttgart haben in mehrfacher
Beziehung wichtige Befunde ergeben. Es seien nur die Streiflichter
erwähnt, die sie auf die allgemeinen hygienischen Verhältnisse
werfen. Etwa die Hälfte der Yolksschüler hat kein eigenes Bett,
376
ein grolser Prozentsatz überhaupt kein Bett znr Yerfügang. Der
Einfluls der Wohnung auf die Gresundheit zeigt sich in der Beob-
achtung, dafs die innere Stadt für Augenleiden und Tuberkulose die
höchsten Ziffern ergab. Besonders auffallend ist der hohe Prozent-
satz von Albuminurie unter den Knaben, von denen bei etwa 5000
der Urin auf Eiweils untersucht wurde. Nicht weniger als 3%
aller untersuchten hatten mehr als iVoo Eiweifs (nach Essbach
bestimmt) im Urin ; mit dem Alter wuchs die Häufigkeit der Albu-
minurie. (Bei den Mädchen wurden keine Urinuntersuchungen vor-
genommen.) — Der Vortragende zieht aus den Stuttgarter Unter-
suchungsbefunden den gewifs berechtigten Schluis, dafs für den
Gesundheitszustand der Yolksschüler sicher die häuslichen oder
sonstigen Lebensverhältnisse von weit gröiiserer Bedeutung sind als
die Einwirkungen der Schule.
Die Honorar- und Anstellungsverhältnisse (Beamteneigenschaft)
der Schulärzte liels der Redner aulser Betracht. Stark betonte er
die Notwendigkeit schulärztlicher Überwachung aller Schulen, auch
der höheren. Dreifach sei die Aufgabe des Schularztes: den Eltern
müsse er Weisungen geben, was sie für die Genesung oder Gesund-
erhaltung ihrer Kinder zu tun hätten; im Schulbetriebe müsse er
BAt erteilen, um gesundheitsschädliche Einwirkungen fernzuhalten;
in die Öffentlichkeit müsse er gehen, um zu belehren, das allgemeine
Interesse für seine Bestrebungen zu erwecken und Mithelfer an dem
wichtigen Werke der Erziehung einer gesunden Jugend zu ge-
winnen.
Die von Dr. Gastpab aufgestellten Leitsätze lauten folgender-
maisen :
1. Unser modernes Leben mit dem raschen Verbrauch der
Kräfte, wie er namentlich in unseren groüsen Städten nachweisbar
ist, zwingt uns, unsere Sorge der heranwachsenden Jugend mehr
als seither zuzuwenden.
2. Es ist insbesondere notwendig, dafs wir sowohl die körper-
lichen Verhältnisse unserer Jugend in der Stadt und auf dem
Lande kennen lernen, als auch die hereditären, häuslichen und
sozialen Verhältnisse, in denen sie aufwächst, erfassen. Alle die
normale Entwicklung hemmenden Einflüsse, mögen sie ausgehen,
von welcher Seite sie wollen, sind dabei besonders zu berück-
sichtigen.
3. Alle die Untersuchungen wären sinnlos, wenn ihnen nicht
der Gedanke der energischen Abhilfe der gefundenen Schäden
377
zugrunde liegen würde, möge der Schwerpunkt im einzelnen Fall
nnn mehr auf allgemein hygienischem, rein ärztlichem oder päda-
gogischem Gebiet liegen.
Der yorzügliohe Vortrag Gastpabs wurde mit lebhaftem Beifall
aufgenommen und yeranlaiste eine umfangreiche Debatte.
Geheimrat Prof. Dr. LEiTBUSCHEB-Meiningen sieht die wichtigste
Aufgabe darin, die Eltern für die durch die Bestellung von Schul-
ftrzten betätigte Fürsorge für die Gesundheit ihrer Kinder zu inter-
essieren, wozu die Veranstaltung yon Elternabenden wohl geeignet
erscheint, um wirksam mithelfen zu können, müfsten die Lehrer
hygienisch gebildet sein. Damit hapere es noch vielfach; es seien
z. B. die hygienischen Vorlesungen für Philologen auf den üni-
▼ersitäten mehrfach wegen mangelnder Beteiligung eingestellt worden«
Als Schularzt eigne sich am besten der praktische Arzt, weil er über
die häuslichen Verhältnisse der Kinder durch seinen Beruf schon
Kenntnis hat.
Lehrer RsiCHEBT-Stuttgart hat die Erfahrung gemacht, dafs
selbst kräftige, gut genährte Kinder im ersten Schuljahre körperlich
zurückgehen, weil die Anforderungen der Schule zu hohe sind.
Wichtig erscheint ihm eine Feststellung der Beziehungen zwischen
Sehvermögen und schlechter Belichtung der Klassenräume.
Kreisarzt Dr. KaiEGE-Barmen will bei den Schulkindern dreierlei
Arten von Krankheiten unterschieden wissen, nämlich vor der
Schule erworbene, während der Schulzeit, aber nicht durch Schuld
der Schule entstandene, und während der Schulzeit und durch die
Schule erzeugte. Es sei nötig, das schon erarbeitete imd noch
weiter zu gewinnende Material an Untersuchungsbefunden nach be-
stimmten Grundsätzen statistisch zu verwerten und dazu ein Formular
aufzustellen.
Geheimrat Prof. Dr. LEUBUSCHEB-Meiningen bemerkt dazu, dals
die im Vorjahre in Nürnberg gebildete Kommission demnächst ein
solches Formular vorlegen werde.
Die Schulinspektoren ScHMEHL-Worms und Mülleb- Wiesbaden
halten dafür, man solle bei der Aufnahme der Kinder in die Schule
vorsichtig verfahren und zu junge Kinder nicht aufnehmen. Man
erreiche so ein kräftigeres und bildungsfähigeres Schülermaterial.
Die als Folge der späteren Aufnahme sich ergebende spätere Schul-
entlassung sei kein Fehler, vielmehr von Vorteil für die Kinder,
die dann körperlich besser entwickelt und sittlich reifer ins Berufis-
leben einträten. Ein Hindernis für den späteren Schulbeginn bildet
378
der Wnnscli manober Eltern, ihre Kinder, die sie zn Hanse nicht
genügend überwachen können, möglichst früh der ScbnlanfBicht zu
übergeben. Die Stadt Wiesbaden hat da ein zweckmärsiges Aas-
kunftsmittel gefanden, indem sie in ihrem Haushalt 2000 Mark zur
Unterbringung wenig entwickelter schulfähiger Kinder in Kinder-
gärten eingestellt hat.
Lebhaft erörtert wird die Frage, ob auch für die höheren
Schulen die Anstellung von Schulärzten nötig und nützlich sei.
Dabei wird zugleich über das Thema hinaus die Notwendigkeit einer
Ausrüstung der akademisch gebildeten Lehrer mit hygienischen
Kenntnissen diskutiert. Übereinstimmend sind alle Redner, wie
Direktor Dr. HoRN-Frankfurt a. M., Prof. Dr. Habtmann- Leipzig,
Prof. Dr. JAEOEB-Straisburg i. E., Geheimrat Prof. Dr. Leubuschbb-
Meiningen, also Philologen und Ärzte, dafür, einzig Oberstudienrat
Dr. EoELHAAE-Stuttgart spricht dagegen. In den höheren Schulen,
meint er, seien die Kinder vom Eltemhause her hygienisch besser
versorgt, vom Hausarzte gesundheitlich überwacht. Die Lehrer der
höheren Schule würden infolgedessen yon der Sorge für die hygie-
nischen Verhältnisse ihrer Schüler nicht entfernt so berührt wie die
VolksschuUehrer, und daraus erkläre es sich, dafs sie auch nicht der
Hygiene das gleiche Literesse entgegenbrächten wie jene.
Dr. GrASTPAB konnte noch die Mitteilung machen, dals nach
einer ihm soeben gewordenen Nachricht in Württemberg Schulärzte
für alle Schulen anzustellen beabsichtigt werde. Dann fand der
folgende, yon ihm eingebrachte Antrag fast einstimmige Annahme:
„Die Versammlung wolle beschliefsen, den Regierungen nahe
zu legen, daCs die schulärztliche Überwachung nicht nur auf die
Volksschulen, sondern auf sämtliche Schulen, insbesondere auch auf
die höheren Knaben- und Mädchenschulen ausgedehnt werde."
Als letzter Gregenstand der Tagung kam danach zur Ver-
handlung
Der ungeteilte Unterricht
(Kürzung der einzelnen Unterrichtsstunden und Verlegung des
wissenschaftlichen Unterrichts auf den Vormittag.)
Für diesen Gregenstand waren drei Referenten bestellt, je ein
Philologe für die höheren und für die Volksschulen und ausserdem
ein Arzt.
Oberrealschuldirektor Dr. HiNTZMANN-Elberfeld legte dar, in
den preuisischen höheren Schulen erreichen die Unterrichtsstunden
in den Oberklassen die Zahl von 39 wöchentlich. Rechne man
379
dazu nook täglich drei Standen Hausarbeit und eine Stunde Schul-
weg, 80 würden etwa elf Standen täglich von der Schule beschlag-
nahmt. Da müsse es den Schülern an Zeit zu Körperübungen, zu
eigener geistiger Arbeit und zur Pflege des Familienlebens fehlen.
Eine Verminderung der Schulstundenzahl sei kaum möglich, nur
ihre Dauer könne yerringert werden, und dann gelinge es, den ge-
samten Unterricht am Vormittage zu erledigen. Man müsse die
Schulau&ichtsbehörden bitten, Versuche mit solch abgekürzter Stunden-
dauer unter Fortfall des Nachmittagsunterrichts zu gestatten.
Lehrer BASS-Stuttgart kommt vom Standpunkt der Volksschule
za dem gleichen Wunsche. Alles Wesentliche seiner Ausführungen
geben seine Leitsätze wieder.
Dr. med. et phil. HELLPACH-Earlsruhe yerlangt vor allem, dals
die höhere Schule auf den Eintritt der Geschlechtsreife mehr Rück-
sicht nehme und nicht den Primaner wie den Sextaner behandle.
Dementsprechend sei auch bei der Regelung der Unterrichtszeit für
die Unterklassen anders als für die Oberklassen zu verfahren. Im
sechsten bis achten Lebensjahre sei eine Stundendauer von 30 Mi-
nuten anzustreben, bis zur Pabertät die Zeit von 45 Minuten das
Höchstmais. Pausen von fünf Minuten seien wertlos, Zehnminuten-
pausen das mindeste, zugleich aber sei eine Steigerung der Pausen-
dauer von Stunde zu Stunde nötig. Q>elinge es nicht, die Stunden-
dauer so zu kürzen, daijs sich der Unterricht in 4Vi Vormittags-
standen erledigen lä&t, so müsse wohl oder übel der Nachmittags-
unterricht aushelfen. Dafür sind aber die Stunden von 2—4 Uhr
nicht brauchbar, weil sie die Verdauungszeit darstellen, sondern nur
die Stunden von 4 — 7 Uhr. Auch sie sind aber nicht günstig, denn
im Sonuner sind sie heifs, im Winter erfordern sie künstliche Be-
leuchtung. Man müsse auch den geistigen Druck bedenken, unter
dem der Schüler den ganzen Tag steht, wenn er Vor- und Nach-
mittags Unterricht hat. Das Ideal bleibe der freie Nachmittag.
Von der Pubertätszeit an müsse die ganze Unterrichtsart wechseln.
Der Schüler müsse mehr Freiheit haben, vom Lehrer nur angeregt
selbständig denken lernen. Der Unterricht müsse aber auch als
Gegengewicht gegen die Neigung der Pubertätszeit zu Gredanken-
sprüngen Stetigkeit zeigen, nicht so häufig den Stoff wechseln wie
auf der Unterstufe. Es seien dann in den weniger den Geist an-
strengenden Fächern Doppelstunden von 80 Minuten Dauer zulässig.
— Ein Vorschlag, wie der Stoff stundenmäfsig zu verteilen sei, ist
in den Leitsätzen des Redners enthalten. Auch er betont, man
380
müsse experimentell die beste Lösung finden, ohne Versuche sei eine
Entscheidung nicht herbeizuführen.
Die Leitsätze der drei Redner lauten:
A) Hintzmann:
1. Die Unterrichtszeit, welche die preuisischen Lehrpläne von
1901 für die mittleren und oberen Klassen fordern, ist zu grofs.
Die Zahl der Unterrichtsstunden steigt unter Einschluis von
3 Tum-, 2 Chorgesang-^ 1 Schreib-, 2 wahlfreien Zeichen- nnd
2 wahlfreien englischen oder hebräischen Stunden bis auf 39; die
Schüler müssen also durchschnittlich bis zu 6Vs Stunde tftglioh,
d. h. an mehreren Tagen bis zu 7, ja an einzelnen Tagen sogar
8 Stunden in der Schule zubringen.
2. Daraus folgt, dafs die Schüler zum Anfertigen der häus-
lichen Schularbeiten weder die notwendige oder geeignete Zeit
noch die erforderliche geistige Kraft und Frische haben.
3. Den Schülern fehlt weiter erst recht die Zeit und darum
auch die Möglichkeit, für ihre körperliche Ertüchtigung zu sorgen,
ihrer Individualität entsprechenden wissenschaftlichen oder künst-
lerischen Neigungen nachzugehen oder gröfsere selbständige
Arbeiten anzufertigen.
4. Die Erziehung zu selbständiger geistiger Tätigkeit ist aber
die vornehmste Aufgabe der höheren Schulen.
5. Um jene Übelstände zu beseitigen und diese Aufgaben
sicherer lösen zu können, erscheint es geboten, abgesehen vom
Turnen, den gesamten in den Lehrplänen genannten Unterricht
auf den Vormittag, als die für geistige Arbeit geeignetste Zeit, zu
verlegen, die Nachmittage also für Turnen und andere körperliche
Übungen (Spielen, Schwimmen, Rudern) und für die häusliche
Arbeit und selbstgewählte Beschäftigungen freizuhalten.
6. Das ist nur möglich, wenn jede Unterrichtsstunde auf
45 Minuten beschränkt wird. Es können dann an den sechs
Wochentagen bis zu 36 Unterrichtsstunden vormittags erteilt
werden, etwa nach folgendem Plan:
1. Stunde 7— 7*^ (46 Min.)
1. Pause 7«— 7«^« (5 Min.)
2. Stunde 7*<>— 8«* (46 Min.)
2. Pause 8»»— 8^<> (16 Min.)
3. Stunde 8^«— 9»«^ (46 Min.)
3. Pause 9»^— 9*<» (5 Min.)
381
4. Stunde 9*»— 10« (45 Min.)
4. Panse 10«— 10*^ (20 Min.)
5. Stunde 10*«^— 11»<> (45 Min.)
5. Pause 11»«— 11*^ (15 Min.)
6. Stunde 11«— 12»« (45 Min.)
7. Derartige Pläne sind jahrelang erprobt und haben sich
nicht nur als durohfährbar, sondern als anderen Plänen überlegen
erwiesen. Die Schüler sind im Unterricht frischer und lebendiger,
im Hause arbeitsfreudiger.
8. Die Schulverwaltungen sind zu bitten, zunächst wenigstens
Versuche mit derartigen Lehrplänen machen zu lassen.
B) Bass:
1. Die far die ungeteilte Unterrichtszeit im allgemeinen geltend
gemachten sanitären und sozialen Gründe treffen für die
Schüler der Volksschule ebenfalls, teilweise sogar in yerstärktem
Mafse zu.
2. Wenn auch die Überbürdung der Schüler durch die An-
forderungen des Lehrplans und die Zahl der Unterrichtsstunden
hier nicht so bedeutend ist wie in den höheren Schulen, so ist
doch auch für die Volksschüler ein Gregengewicht gegen die geistige
Anstrengung und eine zusammenhängende schulfreie Zeit
im Interesse einer günstigen körperlichen und somit auch geistigen
Entwicklung wünschenswert.
3. Eine pädagogisch und psychologisch begründete Not-
wendigkeit für die uDgeteilte Unterrichtszeit besteht nicht. Doch
ist die Minderwertigkeit des Nachmittagsunterrichts nicht
nur experimcDtell nachgewiesen, sondern auch erfahrungsgemäfs
anerkannt. Die Gründe gegen den reinen Vormittagsunterricht
bieten manches Beachtenswerte, bilden aber bei einer richtigen
Regelung dieser Einrichtung kein absolutes Hindernis für deren
Einführung. Persönliche Interessen der Lehrer kommen bei dieser
Frage nur in geringem Mafse in Betracht.
4. Die praktische Durchführung der ungeteilten Unter-
richtszeit ist wegen der geringen wöchentlichen Stundenzahl und
der gröfseren Mannigfaltigkeit der Unterrichtsfächer in der Volks-
schule leichter möglich als in den höheren Schulen.
5. Eine Verringerung der wöchentlichen Stunden-
zahl müüste nur in Oberklassen städtischer Volksschulen sowie
in mittleren und oberen Klassen der Bürger- und Mädchen-
Schnlgesandheitspflege. XVIII. 21
382
mittelscholeD eintreten; durch die Verlegung der technischen
Fächer auf den Nachmittag könnte eine solche ganz umgangen
werden. Eine Verminderung auf 30 Stunden wöchentlich dürfte
keinerlei Schädigung der allgemeinen Volksbildung mit sich
bringen, falls durch eine richtige Verteilung der Stunden auf die
einzelnen Fächer, durch eine psychologisch begründete Methode
und durch Vermeidung der nur äulseres Wortwissen yermittelnden
Stoffe eine Vertiefung der Schularbeit eintritt
6. Einer durch einen höchstens fünfstündigen Vormittags-
unterricht befürchteten Ermüdung der Schüler soll durch zweck-
mäfsige Aufeinanderfolge der Fächer, besonders aber auch durch
genügende Pausen nach jeder Stunde begegnet werden.
7. Es empfiehlt sich, zunächst im Sommer, einen Versuch
mit der ungeteilten Unterrichtszeit in denjenigen Orten zu machen,
in denen die Eltern nach vorausgegangener Belehrung dieser Ein-
richtung zustimmen. In vielen Städten hat der Versuch zur
dauernden Einrichtung geführt und den Beweis erbracht, dab,
wenn das Problem der durchgehenden Arbeitszeit einmal im
breiten Volksleben durchgeführt wird, es für die Volksschule nur
wünschenswert und förderlich sein kann.
0) HELLP ach:
1. Die Aufgabe der geistigen Gesundheitspflege gegenüber
dem Problem der ünterrichtsverteilung kann nicht in der Ein-
mischung in materielle Dnterrichtsreformfragen gesucht werden,
wofern nicht gerade Zustände vorliegen^ die mit dem Postulat der
Gesunderhaltung der Jugend absolut unvereinbar sind. Vielmehr
ist es unsere Sache, mit dem bestehenden Unterricht nach Um-
fang und Inhalt, ja selbst mit einer weiteren Verschiebung in der
Richtung wachsender Vielgestaltigkeit (z. B. durch Einführung
neuer Disziplinen, etwa der Biologie) zu rechnen und auf dieser
Basis eine hygienisch möglichst einwandfreie Unterrichtsverteilung
anzustreben.
2. Die Unterrichtsverteilung darf nicht eine für das gesamte
Schulwesen schematische sein. Sie hat sich zu orientieren nach
dem wichtigsten Marksteine im jugendlichen Leben: der Pubertät
3. Für die Schulstufen bis zur Pubertät, also Volksschule
und Unter- und Mittelstufe der höheren Schule, ist es hygienisch
und psychologisch in gleichem Malse zweckmäfsig, die einzelne
Unterrichtsstunde auf 45 Minuten zu normieren und unter Ein-
383
ffiguDg einer lömiDutigen und mehrerer lOminntigen Pausen den
gesamten wissenschaftlichen Unterricht anf den Vormittag
zu konzentrieren.
4. a) Für die Oberstufe ist weitgehende fakultative ünter-
riohtsgestaltung anzustreben,
b) Die Ausdehnung der Unterrichtsstunde auf
80 Minuten ist für solche Fächer, welche keine un-
ausgesetzte einseitige oder maximale Aufmerksamkeits-
spannung fordern^, als psychologisch vorteilhaft und
hygienisch unbedenklich ins Auge zu fassen,
o) Der Unterricht soll an drei Wochentagen nur vormittags,
und zwar in vier Zeitstunden (= fünf Unterrichtsstunden),
an den drei anderen Tagen vor- und nachmittags in je
drei Zeitstunden (= zwei Unterrichts-Doppelstunden)
erteilt werden.
d) Dabei ist der Nachmittagsunterricht aus hygienischen
wie psychologischen Gründen auf den Spätnachmittag
(4 — 7 Uhr) zu verlegen.
e) Während der Zeit vom 1. Juni bis 31. August ist,
soweit nicht Ferien sind, der Stundenplan dahin ab-
zuändern, dafe unter Kürzung desselben um mindestens
drei Stunden der wöchentliche Unterricht in sechs Vor-
mittagen zu je vier Zeitstunden und zwei Nachmittagen
zu je 1^/s Zeitstunden erledigt werden kann.
Master:
Oberprima einer Oberrealsehule.
Montag
8—9*^ Mathematik
9*>— 11 Deutsch
i — . 5*« Franzosisch
5«- 7 Geschichte
Dienstag
8—8^» Mathematik
9«)_iQMy Physik
1Q48 11» \
ll«__i2»<»| Zeichnen
Nachmittag
freil
Mittwoch
8 — 9~ Mathematik
9*«-ll Physik
4 — 5"® Chemie
4*«— 7 EngUsoh
^ Z. B. Dentsch, Geschichte, experimentierende nnd beschreibende Natur-
wissenschaften. Ungeeignet sind Mathematik, mathematische Physik und
grammatische Fächer.
21»
384
Donnentag
Freitag
Sonnabend
8 — 8«» Mathematik
8«>- 9" Physik
95o_io»» Französisch
10*»— II«« Englisch
11"— 12«* Deutsch
Nachmittag
freil
8 — 9«o Englisch
9*^—11 Französisch
4 — 6>o DenUoh
ö**^— 7 Geschichte
8*0«. 9S6| Religion
1Q«»_11W r Zeichnen
114»_12»o Gesang
Nachmittag
freil
Es entfallen aaf je ein Fach wöchentlich:
nach dem alten Plan:
(z. B. 0 I Karlsruhe)
nach vorstehendem Plan:
Religion
Deutsch
Geschichte
Französisch
100 Minuten
200 „
150 „
200 „
200 „
260 „
200 :
100 „
200 „
ßo „
90 Minuten
206 „
160 „
205 ,
Englisch
Mathematik
Physik
Chemie
Zeichnen
Gesang
205 ,
260 ,
216 l
80 :
180 „
45 „
Summa :
1660 Minuten
1685 Minuten
5. Die gymnastisobe Betätigung ist auf der Ober-
stufe fakultativ und die Teilnahme aller an ihr durch mög-
lichst vorzügliche Organisation seitens der Schule ohne Zwang
zu sichern.
6. Für Springstunden, wie sie bei einer hinreichend
fakultativen Unterriohtsgestaltung unyermeidlich werden, sind
Arbeitsräume (nach dem Muster der seminaristischen und ähn-
lichen Räume an Hochschulen) bereitzustellen.
In der Diskussion macht sich in Übereinstimmung mit den
Referenten ganz allgemein der Wunsch nach AbschafiFung des Nach-
mittagsunterrichts bemerkbar. Stadtschulrat Dr. WEHBHAHK«Hannover
und Direktor REINMÜLLEB-Hamburg zweifeln nach ihren Erfahrungen
nicht daran, dafs die Eltern in ihrer überwiegenden Mehrzahl mit
einer Verlängerung des Vormittagsunterrichts unter Freihaltung der
Nachmittage einverstanden sein werden. Studienrat Professor Ra.tdt-
Leipzig verlangt, die Jugendspiele am Nachmittage jedenfalls obli-
gatorisch zu machen, damit nicht gerade die Schüler dabei fehlen,
für deren körperliche Ausbildung die Teilnahme am nötigsten ist.
Sehr entschieden sprechen sich mehrere Redner gegen das Abitu-
rientenezamen aus, das zu riesiger Überlastung der Schüler im letzten
385
Schuljahr Anlafis gebe und zum öden JSinpauken von Wissensstoff
fahre.
Von mehreren, der Versammlung vorgelegten Antrfigen, die in-
haltlich etwa das gleiche besagen wollen, wird schlielslich folgender
Antrag Hintzmann einstimmig angenommen:
„Gkgen die heute allgemein übUohe Sohulzeiteinteilung sind im
hygienisch und unterrichtlioh-erziehüchen Interesse schwere Bedenken
zu erheben. Der Vorstand wird daher beauftragt, die geeigneten
Schritte bei den JElegierungen zu tun, um zahlreiche Versuche an
Volks- und höheren Schulen zu veranlassen, durch die die Frage
der zweckmftisigen Unterrichtszeit ihrer Lösung entgegengeführt wird,
auch die Ärzte und Lehrervereine um ihre Mitarbeit hierbei anzu-
gehen.*'
Die Tagesordnung war damit erschöpft. Der Nachmittag brachte
den Versammlungsteilnehmern Gelegenheit, verschiedene Schulen der
Stadt zu besichtigen, unter denen sich sehr schöne neue Gebäude
befinden. Abends fanden sich 40 — 50 Personen zu einem Festessen
zusankmen, das in angeregter Stimmung verlief. Für den folgenden
Tag endlich hatte der OrtsausschuJs einige Ausflüge in die land-
schaftlich schöne Umgebung der Stadt vorbereitet.
Überblickt man den Verlauf der Versammlung und sucht man
sich ein Bild von dem Ergebnis der Tagung zu machen, so mufs
man ohne Einschränkung zugeben, dals sie weit zweckmäfsiger vor-
bereitet war als die letzte wissenschaftliche Versammlung des Ver-
eins zu Bonn 1903, über die in dieser Zeitschrift, Bd. XVI, S. 463
berichtet worden ist. Der Fehler einer Überladung der Tagesordnung
mit Verhandlungsgegenständen war diesmal vermieden worden. Die
Vereinsmitglieder hatten die Leitsätze der Eeferenten rechtzeitig in
die Hände bekommen, so dafs sie noch vor der Abreise zum Kon-
greis Zeit hatten, sie zu durchdenken. Über die verhandelten Fragen
wurden kurze und bündige Beschlüsse gefafst — kurz, äuüserlich
war alles in Ordnung. Es sei auch ganz davon abgesehen, dafs das
Thema des ungeteilten Unterrichtes bereits 1903 schon (Referat
von Dr. BjBNSBUBa-SoUngen) behandelt worden war und zu Be-
schlüssen Veranlassung gegeben hatte — , die Wichtigkeit des Gegen-
standes mag die wiederholte Besprechung rechtfertigen.
Haben aber die Beschlüsse des Vereins wirklich die Bedeutung,
die er selbst ihnen beilegt? Sind sie von solchem Gewicht, dafs
386
die Schnlaufsichtsbehörden mit ihnen notwendig rechnen, sieh vor
der Sachkenntnis der Leute, die sie gefa&t haben, beugen müssen?
Diese Frage mnis verneint werden. Der Verein hat es bisher
nicht verstanden, die hervorragenden Kräfte der Schulgesnndheits-
pflege so in sich zu vereinen und so zu tätiger Mitarbeit anzuregen,
daJs er wirklich als „Deutscher Verein fQr Schulgesundheitspfiege''
gelten könnte. Jede Tagung zeigt ein neues Bild, — um den
Vorstand geschart die Freunde der Schule aus dem Versammlungs-
orte un^ seiner Umgebung, die von den früheren Verhandlungen
nichts wissen und größtenteils auch von der Schulgesundheitspflege
nicht viel mehr. Dem Verein fehlt das, was Dr. Hellpach in
seinem diesjährigen Vortrage für ein mannbares Individuum als
unentbehrlich bezeichnete, die Stetigkeit. In jeder Versammlung
führen andere Redner in der Diskussion das Wort. Aufiser den
Mitgliedern des Vorstandes wird man nicht zehn Teilnehmer finden,
die mehr als zwei Vereinsversammlungen beigewohnt haben. Der
Vorstand ist also eigentlich der Verein und die alljährlichen Vereins-
beschlüsse sind der Ausdruck der von ihm einer Versammlung von
lokalen Schulhygieneamateuren saggerierten Gedanken. Als Meinungs-
äulserungen eines kleinen für die Schulhygiene interessierten 6e-
lehrtenkreises mögen sie ja ihren Wert haben, aber eine über-
zeugende, zwingende Kraft, wie sie ihnen eignen müfste, wären
sie das Ergebnis einer Verhandlung aller Besten und Ersten auf
dem Gebiete der Schulgesundheitspflege, — eine solche Kraft gebt
ihnen völlig ab. Und dafs die Verhandlungen des Vereins an den
zuständigen Stellen tatsächlich nicht hoch eingeschätzt werden, geht
zur Genüge daraus hervor, dafs im Gegensatze zu ihrer anfiUiglicheii
Gepflogenheit diesmal nur ganz vereinzelt Regierungen und gröfsere
Städte Fachleute zu der Tagung als Vertreter entsandt hatten.
Anhang.
Satzungen des Deutsehen Vereins fBr Schulgesundheitspflege.
§ 1. Der Verein führt den Namen:
Dentscher Verein für Schnlgesundheitspflege (D. Y. f. Seh.)
and verfolgt den Zweck:
Die Kenntnis der Lehren der Hygiene in den Schulen des Deutschen
Reiches zu verbreiten and die der Gesundheit der Lehrer und Schüler
durch die Schale drohenden Gefahren zu beseitigen.
387
Dieser Zweck soll erreicht werden
a) durch Yeranstaltimg von YersammliiDgen, in denen Vorträge nnd
Verhandlnngen über Fragen ans dem Gebiete der Schulgesnndheits-
pflege stattfinden,
b) dnrch Gründung von Ortsgruppen,
c) dnrch Heransgabe einer regelmäfsig erscheinenden Zeitschrift:
,,Gesnnde Jugend '^ mit dem Znsatze: Mitteilungen des Deutschen
Vereins für Schulgesnndheitspflege. Diese Zeitschrift soll bringen :
1. Protokolle und Berichte über die Vereinsangelegenheiten und
Vereinsversammlungen, insbesondere auch die dort gehaltenen
Vorträge,
2. fortlaufenden Nachrichtendienst über alle Gebiete der Schul-
hygiene.
§ 2. Die Mitgliedschaft wird erworben durch Zahlung eines einmaligen
Beitrags von mindestens 50 Mark oder eines jährlichen von mindestens
3 Mark. Das Recht, als Ehren-Förderer des Vereins genannt zu
«erden, wird erworben durch Zahlung eines einmaligen Beitrags von
500 Mark und darüber.
Vereine und Körperschaften erlangen die Mitgliedschaft durch Zahlung
eines jährlichen Beitrags von mindestens 10 Mark.
Jedes Mitglied ist berechtigt, an allen Versammlungen des Vereins teil-
zunehmen und erhält die vom Verein herausgegebene Zeitschrift unentgeltlich.
Die Mitgliedschaft erlischt durch freiwilliges Ausscheiden des Mit-
gliedes oder wenn ein Mitglied die Zahlung des Jahresbeitrages verweigert
oder trotz wiederholter Mahnung unterlälst, durch Beschlufs des Vorstandes.
§ 3. Die Organe des Vereins sind:
a) der Vorstand,
b) die Mitgliederversammlung.
§ 4. Der Vorstand besteht aus:
einem Vorsitzenden,
einem ständigen Geschäftsführer,
einem Schatzmeister und
acht Beisitzern.
Der Vorsitzende und die Beisitzer werden von der Mitglieder- Ver-
sammlung (§ 8) auf die Dauer von zwei Jahren gewählt. Wiederwahl ist
Zulässig mit der Emst^ränhung, dafa die Hälfte der Beisitzer neu gewählt
werden mufs.
Die Wahl erfolgt durch einfache Stimmenmehrheit im Wege der
schriftlichen Abstimmung, kann aber auf Antrag auch durch Zuruf erfolgen,
wenn hiergegen von niemand Widerspruch erhoben wird.
Bei der schriftlichen Abstimmung ist im ersten Wahlgange der Vor-
sitzende zu wählen. Ergibt sich hierbei Stimmengleichheit, so entscheidet
das vom Vorsitzenden der Versammlung zu ziehende Los.
Die Beisitzer werden hierauf in einem Wahlgange gewählt, und die-
jenigen acht Mitglieder sind als gewählt zu betrachten, welche die meisten
Stimmen erhalten haben. Der neugewählte Vorstand übernimmt die Ge-
schäfte unmittelbar nach der Jahresversammlung, in der seine Wahl erfolgt
ist, und wählt aus seiner Mitte zwei Stellvertreter des Vorsitzenden.
388
Der Geschäftsführer und der Schatzmeister werden Tom Vorstand za-
gewählt nnd haben das gesamte Schriftwesen und die Kassengeschäfte des
Vereins zu besorgen; der Geschäftsführer bezieht eine Tom Vorstände fest-
zusetzende Vergütung.
Der Vorstand kann sich selbst ergänzen, falls eines oder mehrere
seiner Mitglieder im Laufe der Wahlzeit ausscheiden.
§ 5. Der Vorstand setzt seine Geschäftsordnung selbst fest ; er sorgt
ftlr die Ausfährung der Beschlttsse der Mitgliederversanmüung, bestimmt
Zeit und Ort dieser Versammlungen, trifft die hierzu erforderlichen Vor-
bereitungen, setzt die Tagesordnung fest und ernennt die Berichterstatter;
er nimmt Beitrittserklärungen neuer Mitglieder entgegen, fertigt die
Mitgliedskarten aus, empfängt die Beiträge und sonstigen Einnahmen, be-
streitet die Ausgaben und hat überhaupt alle sonstigen Vereinsangelegen-
heiten, insbesondere die mit der Heransgabe der Zeitschrift des Vereins
yerbundenen Geschäfte wahrzunehmen; er hat alljährlich der Mitglieder-
Tersammlung über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben und des
VereinsvermOgens Rechnung abzulegen, sowie über seine gesamte Geschäfts-
führung Bericht zu erstatten.
§ 6. Zur Bearbeitung einzelner Angelegenheiten, die der Beschluls-
fassung der Mitgliederversammlung zu unterbreiten sind, kann der Vorstand
— auch ohne besonderen Auftrag der Mitgliederversammlung — Ansflchflsse
einsetzen, die das Recht haben, sich durch weitere Mitglieder zu ergänzen.
Der Vorsitzende des Ausschusses hat dem Vorstande vor der nächsten Mit-
gliederversammlung über die Tätigkeit des Ausschusses Bericht zu erstatten.
§ 7. Den Mitgliedern des Vorstandes und der Ausschüsse (§ 6)
werden die ihnen aus ihrer Geschäftsführung erwachsenen notwendigen
baren Auslagen, bei Reisen aufserdem angemessene Tagegelder, vergütet
Die erforderlichen Bestimmungen hierüber werden vom Vorstande getroffen.
§ 8. Eine Versammlung der Mitglieder des Vereins findet regel-
mäßig einmal im Jahre statt. Aufserordentliche Versammlungen können
berufen werden, wenn es der Vorstand für zweckmäCsig hält oder wenn
30 Mitglieder es verlangen.
Zutritt zu den Versammlungen, soweit sie nicht als öffentliche gelten,
haben nur die Mitglieder gegen Vorzeigung ihrer Mitgliedskarte und vom
Vorstande etwa besonders eingeladene Personen.
§ 9. Der Beschlufsfassung der Mitgliederrersammlung unterliegen
folgende Angelegenheiten:
1. Die Wahl des Vorsitzenden und der Mitglieder des Vorstandes mit
Ausnahme des ständigen Geschäftsführers und des Schatzmeisters,
2. die Jahresrechnung und der Geschäftsbericht des Vorstandes,
3. die Wahl zweier Rechnungsprüfer für die nächste Mitglieder-
versammlung (diese prüfen das Rechnungswerk und erstatten der
nächsten Versammlung Bericht, nachdem der Vorstand üher
Beanstandungen gehört worden ist),
4. alle sonstigen Vorlagen des Vorstandes,
5. Anträge die von Vereinsmitgliedem spätestens vier Wochen vor
der Versammlung beim Vorsitzenden schriftlich angemeldet sind,
6. jede Änderung der Satzungen.
389
Bei allen Beschlttssen der Mitgliederversammlaog entscheidet die
einfache Stimmenmehrheit der Anwesenden. Bei Stiomiengleichheit gibt
die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag, bei Wahlen jedoch das vom
Vorsitzenden zu ziehende Los.
§ 10. Zar Deckung der Kosten einer Mitgliederrersammlang kann
Ton jedem Teibiehmer ein dnrch den Vorstand vorher festzusetzender
Beitrag erhoben werden.
§ 11. Die AnflOsnng des Vereins kann nnr eine besonders zn dem
Zweck einberufene Versammlung beschließen. Der Beschlufs tritt nur in
Kraft, wenn zwei Drittel der anwesenden Mitglieder daftLr sind.
§ 12. Das Rechnung^ahr des Vereins l&uft vom 1. Oktober bis
30. September.
§ 13. Diese Satzungen treten mit dem Tage ihrer Genehmigung
durch die Mitgliederversammlung an Stelle der bisherigen Satzungen in
Kraft (d. h. also vom 15. Juni 1905 an).
Erinnemng an gemeixuam mit Professor VON MIKULIOZ
gemachte schnlhygienische Beobachtungen.
Von
Hebmank Cohn in Breslau.
Vortrag,
gehalten in der hygienischen Sektion der Sohlesischen Gesellachafi
am 21. Juni 1905 im Füntensaale des Rathauses.
Geehrte Herren 1
Vor wenig Tagen hat sioh das Grab gesohlossen über einem
Manne, deesen Name und Leistungen wohl jedem Ar^te im In- und
Auslände rtlhmlichst bekannt waren. Johannes von Mikulicz ist
am 14. Juni nach schwerem Leiden versohieden» ein Mann, der nach
dem übereinstimmenden urteile seiner bedeutendsten Faohgenossen
einer der hervorragendsten und technisch begabtesten Chirurgen ge-
wesen, die es je gegeben hat.
Übermorgen wird die medizinische Sektion unserer Gesellschaft
fbr den uns allen auch persönlich so teuer gewesenen Professor
YON Mikulicz eine Trauerfeier veranstalten, um das Andenken des
bewundernswürdigen Operateurs, des hervorragenden Diagnostikers,
des genialen Forschers, des treuesten, menschenfreundlichsten Arztes,
des unvergefelichen Lehrers der Studenten und der Ärzte würdig
zn ehren.
390
Trotzdem hoffe ich, dafs Sie, geehrte Herren, mir darin bei-
stimmen werden, dafs auch wir H jgieniker unsere heutige Sitzung
nicht beginnen dürfen, ohne in Dankbarkeit der grofsen Verdienste
zu gedenken, welche sich der Verstorbene erworben; denn Mikt7i«icz
war auch ein ausgezeichneter Hygieniker.
Mikulicz wurde am 16. Mai 1850 in Ozemowitz geboren,
promovierte in Wien 1876, war dann bei Billboth in Wien Assistent
bis 1881; er habilitierte sich 1880 in Wien, wurde 1881 nach
Krakau, 1887 nach Königsberg und 1890 nach Breslau als ordent-
licher Professor der Chirurgie und als Direktor der chirurgischen
Klinik berufen, so dafs wir ihn 15 Jahre den unsrigen nennen
durften.
Es ist hier nicht der Ort, seine Schriften und Aufsätze, deren
Zahl 100 übersteigt, einzeln zu nennen; wir wollen heute nur auf
seine hygienischen Arbeiten hinweisen.
Die Hygiene ist ja die Lehre von der Verhütung der Krank-
heiten! Wenn Mikulicz seine heryorragenden Arbeiten auch nicht
unter der Flagge der Hygiene segeln lieüs, sondern sie nur unter
orthopädischen, bakteriologischen und chirurgischen Titeln herausgab,
so sind doch diese alle zur Verhütung von Ejrankheiten geschrieben
worden, also als hygienisch zu bezeichnen.
Wir bedauern natürlich, dafs sich in seinem Nachlafs keine
schulhygienische Arbeit vorgefunden hat.
£s ist wohl einleuchtend, dafs ein so hervorragender Orthopäde
auch das lebhafteste Interesse für die Schulbankfrage und die
Haltung der Schulkinder beim Schreiben haben mulste; die
skoliotischen Mädchen, die seinen Rat einholten, mulsten ja fast
täglich seinen Blick auf diese Frage hinlenken.
Gleich beim ersten Besuch, den mir Mikulicz nach seiner Be-
rufung nach Breslau machte, besprachen wir lange dieses Kapitel,
und ich war erstaunt, zu sehen, welche ausgezeichnete Kenntnis der
mächtigen Literatur ihm eigen, und ich war hoch erfreut, zu hören,
wie sehr er die modernen Subsellien verteidigte. Leider war er
durch andere Pflichten und Arbeiten verhindert, hier in Schulen
Versuche und Beobachtungen anzustellen und die noch offenen Fragen
studieren zu können.
Da half ein glücklicher Zufall. Am 8. April 1892 traf ich auf
der Bahn Herrn von Mikulicz, der im Begriff war, zur Erholung
391
von den Anstrengungen des Wintersemesters über Wien nach dem
von ihm so selir geliebten Semmering zu reisen. lob erzählte ihm»
dals ich von Direktor Bayb in Wien eingeladen worden, um in einer
Wiener Schule, in welcher schon seit einiger Zeit die Steilsohrift
eingeführt, Beobachtungen anzustellen. „Nehmen Sie mich mit'',
rief Mikulicz, und seine schönen blauen Augen leuchteten freudig.
Ich selbst war glücklich in der frohen Aussicht, mit einem Ortho-
päden ersten Ranges meine Untersuchungen anstellen zu können in
einer Zeit, in welcher der Kampf zwischen Steilschrift und Schräg-
schrift noch am stärksten wogte.
Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich hier einige Worte über
die Geschichte der Steilschrift einschieben muJs.
Bekanntlich hatte schon Dr. Fahbner- Zürich im Jahre 1863
in seiner grundlegenden Arbeit „Das Kind und der Schultisoh'' das
berühmte Wort gesprochen: Man lasse die Kinder schief sitzen,
damit nur die Schrift hübsch schief werde; er entdeckte damals die
groisen Fehler der alten Sohultische und leitete gute Beformen ein.
Aber dais nicht blofs die Bänke, sondern auch die Rechts-
schief Schrift als Ursache von Skoliose und Kurzsichtigkeit anzu*
sehen sei, das hat, wie nur wenigen bekannt sein dürfte, erst
Dr. Gboss in Stuttgart 1879 behauptet.
Ich habe mich schon 1880 von der Richtigkeit dieser Ansicht
in einer Volksschule in Aussee überzeugt. Damals machte ich folgende
Beobachtung, die ich in meiner Rede in der allgemeinen Sitzung
der Naturforscherversammlung zu Danzig 1880 mitgeteilt habe.
Sämtliche Kinder safsen kerzengerade, wenn ich sie ein Diktat senk-
recht nachschreiben liels; wie mit einem Zauberschlage aber
stürzte die ganze Klasse nach vom, sobald wieder schräg geschrieben
werden soUte. Es ist ja auch längst bekannt, dafs die Kinder, welche
eben erst .Buchstaben zu schreiben beginnen, stets die Striche senkrecht
machen und nur mit gröfster Konsequenz des Lehrers erst zu schrägen
Grundstrichen gebracht werden können. Ich erklärte schon damals
die senkrechte Schrift für die Schrift der Zukunft.
Ein Jahr später erschienen die ausgezeichneten theoretischen
Aufsätze von Dr. Schubebt in Nürnberg über Körperhaltung und
Steilschrift. Ein heifser Kampf entbrannte in den Jahren 1883 — 1885
zwischen ihm und Professor Beblin in Stuttgart. Der letztere wollte
schräge Schrift bei schräger Papierhaltung.
392
ScHUBEBT wies nach, dals man bis zum 17. Jahrhundert all-
gemein senkrecht geschrieben habe, und er bewies dies durch Kopien
von Urkunden aus dem germanischen Museum in Nürnberg.
Ich habe dann auch im Jahre 1891 eine Reihe von Handsohriften
der berühmtesten Männer aus dem britischen Museum in London
herausgesucht und photographiert. Die Handschriften von Michel
ÄNaELO (1510), von Albbecht DtJBEB (1505), von Lbonabdo da Vinci
(1517), das Kollegienheft von Habvet, des Entdeckers des Blut-
kreislaufes (1616), waren senkrecht geschrieben, erst Newton (1682)
schrieb schräg. (In meinem Lehrbuch der Hygiene des Auges, Wien
1892, findet man die Handschriften abgebildet.) Sehr interessant
war es mir, daCs die drei gröfsten Maler: Michel Angelo, Leonakdo
und DÜBEB, die sich ja bekanntlich auch eingehend mit Anatomie
beschäftigt haben, steil schrieben; sie hätten gewifs die Steilsobrift
verlassen, wenn sie gegen die Anatomie der Hand rerstielsey wie
die Gegner behaupteten.
(Beiläufig lege ich Ihnen einen Stich von Holbein aus dem
Baseler Museum vor, in dem die merkwürdige Haltung von Schreiben-
lernenden in der Wohnung eines Schulmeisters 1516 gezeichnet ist;
ob die Schrift senkrecht oder schräg war, läCst sich leider hier nicht
feststellen.)
Entscheidend konnten natürlich nur langdauernde und plan-
mäfsig angestellte Versuche in Schulklassen sein. Zuerst
wurden solche Versuche in Nürnberg von Schubbbt gemacht und
von ihm photographische Homentau&ahmen der Steilschreiber 1889
herausgegeben, ähnlich später 1891 von Schabe in Schleswig und
von Bayb in Wien.
Waren auch diese für mich schon allein überzeugend, so war
es mir doch anderseits sehr wünschenswert, einmal selbst Beobachtungen
in steilschreibenden Klassen anzustellen. Hier in Breslau fand ich
dazu keine Gelegenheit.
So kam mir damals gerade die Einladung nach Wien sehr er-
wünscht, und so fahr ich denn mit Professor Mikulicz am nächsten
Morgen nach unserer Ankunft am 9. April 1892 schon sehr früh in
die Volksschule für Mädchen, welche in der Kopemikusgasse be-
findlich, unter der ausgezeichneten Leitung des Direktors Emanübl
Bayb stand und noch steht.
393
Sowohl Mikulicz als ich waren gleich überrascht, beim Beginn
des Unterrichts des Direktors dort eine hygienische Anordnung zn
sehen, die ich, obgleich ich ja seit 25 Jahren Tansende von
Klassen besucht, doch noch niemals wahrgenommen. Jedes Mädchen
wurde vorgerufen und mufste zunächst Zähne und Nägel vor-
seigen. Wenn diese nicht ganz sauber waren, mufste das Ejnd in
der Klasse selbst sofort eine Reinigung vornehmen; diese Unter-
fluehung geschah jeden Morgen vor Beginn des Unterrichts.
Dann beobachteten wir die Haltung der Kinder bei Steilschrift
und bei Schrägschrift. Da zeigte sich die feine und objektive,
niemals von vorgefafsten Ansichten beeinfluüste Beobachtungsgabe von
Mikulicz in schönster Weise.
Zu Anfang, sobald der Lehrer ruft: „Gerade sitzen I Federn
bereit!^, da sitzen auch oft an den schlechtesten Tischen die Kinder
gerade, aber sehr bald kommt der Zerfall. Mikulicz wünschte
also, dab die Kinder eine ganze Stunde lang schreiben sollten,
damit er die Ermüdungsstellungen beobachten konnte. Safs ein Kind
trotz der Steilschrift schlecht, so untersuchte er im speziellen Fall
die Wirbelsäule und die Gesamtkonstitution. Mitunter trat der Zer-
iall ein trotz Steilschrift, wenn die Gröfse des Subselliums ausnahms-
weise nicht zu der des Kindes pafste. Aber in der Überzahl der
Fälle blieb die Haltung gut.
In der zweiten Stunde studierten wir in einer anderen Klasse
die Haltung der Kinder von voru, von hinten, von der Seite auf
das sorgsamste, in der dritten beobachteten wir die Steilschrift bei
verschieden grofsen Kindern an verschiedenen Sohultischen, alles mit
jener Gründlichkeit, die Mikulicz zur zweiten Natur geworden.
Endlich bestätigte er mir, dais meine Beobachtungen in Aussee
im Jahre 1880 zutreffend gewesen seien, und dafs wirklich wie mit
einem Zaubersohlagedie Klasse bei Schrägschrift nach vom stürzt,
so dals im Durchschnitt aller Kinder die Haltung bei Steilschrift
eine weit bessere sei als bei Schrägschrift.
Auch in bezug auf Schnelligkeit des Schreibens machten wir
Versuche. Man hatte oft behauptet, dais die Steilschreiber langsamer
schreiben; das sahen wir aber hier nicht.
Wir konnten auch eine wichtige Beobachtung von Professor
Fuchs bestätigen. Überblickt man die Klasse von hinten und läfst
die Kinder schreiben, wie sie wollen, schräg oder steil, und notiert
man sich die schlecht sitzenden Kinder, so findet man dann, dais es
die schräg schreibenden Kinder gewesen waren, die schlecht safsen.
394
Auch das verstellbare Lesepult des Direktor Bayb fanden wir
sehr zweckmä&ig, da durch dasselbe die Kinder selbst beim Lesen
oder Abschreiben aus einem Buche die gerade, aufrechte Haltung
bewahren konnten.
DaCs Mikulicz natürlich gegen jede Plusdistanz beim Schreiben
war, ist selbstverständlich, und ebenso, dafs er als beste Lehne die
Kreuzlehne bevorzugte. Es war dies um so erfreulicher fdr mich,
als ich gerade über diese fundamental wichtigen Punkte leider jahr-
zehntelang mit der hiesigen Schuldeputation die bittersten Kämpfe
habe führen müssen.
Li der vierten Stunde wurde geturnt, imd dals dabei der
groise Meister seine Ansichten über das Turnen gesunder Kinder
entwickelte, war für Herrn Direktor Bayb und für mich gleich
lehrreich.
Wie Mikulicz unsere Schultischbestrebungen anerkannte, kann
man aus seinem allgemein geschätzten Buche „Über orthopädische
Gymnastik" ersehen, das er zehn Jahre nach unserem Besuche der
Wiener Schule gemeinsam mit Frau Thomaszewski herausgegeben
und in welchem er als empfehlenswerteste Bank (Seite 11) die von
HoLsCHEB bezeichnet, welche negative Distanz und eine vortreffliche
Kreuzlehne beim Schreiben bietet.
Mit den schönen, von Professor Edeb gemachten Moment-
photographien der schräg- und steilschreibenden Kinder beschenkt,
verlieisen wir die Töchterschule, und wir waren zu der Überzeugung
gelangt, dais Geobge Sand sehr richtig verlangt hat: „Oorps droit,
Papier droit, ^criture droite.^ Wir konuten uns durchaus dem Gut-
achten anschlieis6D, welches in der Schule des Herrn Bayb von
einer Kommission ausgezeichoeter Wiener Fachmänner zugunsten
der Steilschrift abgegeben worden; es war das der Professor der
Anatomie Toldt, die Augenärzte Professor Fuchs und von Reuss und
die Orthopäden Professoren Albebt und Lobenz.
Und wie steht es heute dort? Die Wiener Behörde unterstützt
den Direktor Bayb, und noch heute schreiben alle Klassen
in dieser Schule steil, und noch heute erklären die dortigen
Lehrer, „dais trotz aller Mühe diese dauernde aufrechte Körpei^
haltung mit Schrägschrift nicht zu erreichen sei^.
Wie abersteht es hier in Breslau mit der Steilschrift? Nach-
dem ich vielfach Vorträge über den Vorteil der Steilschrift in unserer
hygienischen Sektion und in verschiedenen Vereinen gehalten, wurde
beschlossen, im Jahre 1892 hier einen Versuch mit Steilschrift zu
395
beginnen. Was daraus geworden, weüs ich nicht; ob jetzt in unseren
öffentlichen Schulen und eventuell in welchen Steilschrift geschrieben
wird, weüs ich nicht. In keinem der ofiiziellen' schulärztlichen Berichte
ist hierüber eine Andeutung zu finden. Es wäre gewifs überaus
wichtig, hierüber Näheres zu erfahren. Denn durch die
Einfthrung der Steilschrift könnte auch hier viel hygienisch Gutes
geleistet werden.
Wir müssen es aufrichtig bedauern, dafs Professor Mikulicz
dnrch unzählige andere Aid^ben verhindert war, seine malsgebenden
Ansichten auch unseren Schulen zugute kommen zu lassen.
Aber nicht blofs in bezug auf Schrift und Schultisch, noch viel
mehr müssen wir Mikulicz als den unserigen, als den groüsen
Hygieniker feiern, da er die bedeutendsten Arbeiten geliefert hat
über die Verhütung der Wundkrankheiten.
Wir alten Ärzte, die wir in den sechziger Jahren Assistenten
waren, zu einer Zeit, wo man noch gar nicht das Wort Bacillus
kannte, und wo man noch gar weit davon entfernt war, diese ge-
fährlichen Feinde des menschlichen Geschlechts als Krankheits-
erreger zu betrachten, wir konnten uns später nur sehr langsam
in die neue Antisepsis und Asepsis hineinfinden, speziell wir Augen-
ärzte, da wir ja Tausende von Schieloperationen und von künst-
lichen Pupillenbildungen ohne jede Spur von Antisepsis
hatten glänzend heilen sehen.
Die jüngeren Ärzte wissen heute gar nicht, wie sorglos in dieser
Hinsicht in den alten Augenkliniken unsere grölsten Meister vor-
gingen.
Wie oft habe ich meine vorzüglichen Lehrer Gräfe, Foebsteb
und Aklt in demselben Zimmer, in welchem eben noch Hunderte
Ton Kranken poliklinisch behandelt worden waren, ohne jede
Desinfektion der Hände, der Augen, ja oft nur nach notdürftigem
Abwischen der Instrumente grofse Augenoperationen machen sehen,
die von den schönsten Erfolgen begleitet waren.
Als dann die Kenntnis der Bazillen kam, sagte eines Tages
mein Lehrer Foe&steb zu mir: „Die Bindehaut muls wohl die
Bazillen fressen, sonst könnten wir doch nicht jahrzehntelang ohne
jede Antisepsis oder Asepsis operieren, ohne je einen einzigen
Schielfall zu verlieren.'*
Anders freilich lag die Sache bei der Staroperation. Ich
396
studierte noch zu einer Zeit, wo meist der fünfte (!) Fall von
granem Star am dritten Tage nach der Operation vereiterte. Idi
habe noch vor 45 Jahren gesehen, dafs JüNaKEN in Berlin, seiner-
zeit ein sehr geschickter Operatenr, gleich nach der Operation zwölf
Blutegel neben das Bett des Kranken stellen lieJs, damit sie ja
gleich an die Schläfen gesetzt werden könnten, wenn am Abend die
Entzündung begann.
Freilich fing schon in den sechziger Jahren die f&rchterliche
Zahl von 20% der Vereiterungen an abzunehmen, da Gbape die
Schnittrichtung nicht in die Hornhaut, sondern in die viel weniger
zu Eiterungen neigende Lederhaut legte. Aber ich habe auch
noch gesehen, wie Gbape das Starmesser aus dem schönen blauen
Sammetkästchen zur Operation herausnahm, und wie der vortreffliche
Ablt das StarmeFser vor der Operation in seinen Mund nahm. Man
glaubte, dafs seine Mundhöhle, da er starker Raucher war, besonders
desinfiziert war.
In der Tat vereiterte Ende der sechziger Jahre nicht mehr
der fünfte, sondern erst der zwanzigste Fall bei Staroperationen.
LiSTEBs Antiseptik begann, und im französischen Kriege 1870,
wo ich alle möglichen Operationen, auch Amputationen im Elriegs-
lazarett machen mufste, erhofften wir alles Heil vom Karbolspray
und von der Bedeckung der Wunde mit Stanniol. Wieviel Ver-
wundete hätte man retten können, wenn man die heutige anti-
septische Methode von Mikulicz gekannt hättet
Aber wie die Erkenntnis, dals die Bazillen ausschliefslioh die
Ursache der Vereiterung sind, von dem hervorragendsten Einflufs
auf die ganze neuere Chirurgie geworden ist, so feierte diese Lehre
auch bald ihre Triumphe in der Augen Wundbehandlung; denn vorher
waren doch immer unbegreifliche Fälle von Vereiterungen den besten
Operateuren zugestoisen. Mein unvergeMioher Lehrer v. Gbäfe teilte
voll Freude einmal mit, dafs es ihm endlich gelungen sei, 61 Star-
operationen hintereinander ohne jede Eiterung heilen ssu sehen. Er
glaubte, dafs seine feine Technik dieses herrliche Resultat herbei-
geführt. Allein als dann gleich darauf die 62., 63. und 64. Star-
operation zur völligen Vereiterung der operierten Augen führte,
schrieb Gbafe im Jahre 1867 den interessanten Satz: „Man sieht
eben, dab die Fenster der Augenkliniken nicht alle nach der
Glück Seite hingehen. '^
Heutzutage sehen die Fenster aller chirurgischen Kliniken
allerdings vielmehr nach der Glüokseite als damals.
897
Heute weifs man eben, daik, wenn keine Bazillen in das Ange
gelangen, keine Eiterung stattfinden kann. Man zerstört daher die
Keime der Bazillen, die etwa aus der Lufi; auf die Instrumente
gefallen sind, indem man sie vor dem Gebrauoh in strömenden
Wasserdampf bringt, sie sterilisiert. Es bleibt ja ein unvergftng-
liohes Verdienst von Bobbbt Koch, den Nachweis geführt zu
haben, dafs alle Bazillen dem strömenden Wasserdampf erliegen.
Infolge dieser sorgsamen Desinfektion gehören Augenvereiterungen
jetzt zu so grolsen Seltenheiten, dals man sie seit einigen Jahren
kaum mehr den Studierenden der Medizin zeigen kann.
Sind die Bazillen aber erst eingedrungen in die Wunde, so ist
es bei der fabelhaft schnellen Vermehrung derselben nur höchst
selten noch möglich, gegen sie anzukämpfen und man steht erschüttert
dem unrettbar yerbrennenden Gebäude gegenüber.
Um so wichtiger und segensreicher jeder Schritt der Ver-
hütung des Eindringens der Bazillen.
Und hier war es gerade Prof Mikulicz, der nicht aufhörte,
neue Sicherungen gegen das Eindringen der Wundbazillen aus-
zusinnen. Er fand in dem Seifenspiritus ein vorzügliches Mittel für
die Reinigung der Hände und des Wundgebietes; er führte die
sorgsamste Reinigung der Finger, der Nägel und der Hände ein,
die freilich die Vorbereitungen der Operation bedeutend verzögern,
aber dafür gestatten, in die tiefsten Eörperhöhlen mit dem Finger
einzugehen und so Operationen zu wagen, die früher ganz unmöglich
eiBohienen.
MiKUiiioz erfand besondere Operationshandschuhe, die auch
während der Operation, wenn sie blutdurchtränkt waren, mit neuen
Handschuhen gewechselt wurden. Er lehrte, das Hineinfallen von
Keimen vom Gesicht und den Haaren des Operateurs in die Wunde
durch Q^ichtsmaske und Kopfbedeckung zu verhindern.
Freilich erklärte Mikulicz selbst auf einem chirurgischen
Kongresse in seiner geistreichen Weise, dafs er seine beständigen
Bestrebungen nur mit denen nach der Lösung der Quadratur des
Kreises vergleichen könne. So wenig wie dieses Problem jemals
absolut gelöst werden könne, sondern wie man nur immer neue
Dezimalstellen entwickeln könne, um den Fehler möglichst klein
zu machen, so müsse auch der Chirurg unermüdlich die Fehlerquellen
wenigstens auf ein immer kleineres Minimum zu reduzieren suchen.
Eine grofse Zahl seiner neuen und neuesten Arbeiten zeigen
uns sein Bestreben immer Volkommeneres zu erreichen und die
Seholgesimdheitspflege. XVIIL 22
398
Erbauangseines aseptischen Operationssaales, der von Hunderten
von Ohinurgen Europas und Amerikas besucht und nachgeahmt wird,
sind unvergängliche Verdienste des grofsen Hygienikers. MiKUiiicz'
Asepsis ist für alle Anstalten mafsgebend geworden.
Wir Älteren haben früher wohl über die fast übertriebene
Aseptik, namentlich in der Augenchirurgie, gelächelt, da ja doch
das Auge trotz aller Vorbeugungsmalsregeln niemals ganz keimfrei
2u machen ist; aber wenn wir einmal ganz ausnahmsweise doch
einmal eine Eiterung entstehen sahen, sagten wir uns: Vielleicht
hätten wir doch die MiKüLiczschen Lehren noch penibler befolgen
sollen I
und trotz der enormsten praktischen, wissenschaftlichen und
Lehrtätigkeit fand Mikulicz immer noch Zeit, die hervorragendsten
Fachjoumale zu redigieren. Er gab mit Bbuns und BsnaMANN das
gegenwärtig mafsgebendste Handbuch der prakUschen Chirurgie
heraus; er redigierte mit Nauntn die MUteihingen des QrenegAides
der Medism und Chirurgie^ eine der angesehensten Zeitsoluiften;
er gab in neuester Zeit die VoLKMAKNsche Sarnrnf/ang lädmseher
Vorträge heraus.
Habe ich nötig, Ihnen, meine Herren, die Sie Miktjucz ja
alle kannten und liebten, die bezaubernde Persönlichkeit
dieses bescheidenen, dünkellosen Mannes in das G^edftohtnis
zu rufen? Er war ja ein nie von oben stolz auf die Kollegen herab-
schauender, sich als Autorität fühlender Konsiliarius. Was ioli aber
heut noch besonders betonen möchte, ist sein liebenswürdiges Be«
nehmen gegen diejenigen Ärzte gewesen, die selbst oder deren
Familienmitglieder erkrankt waren, und die ihn besorgt um Hilfe
und um Bat ersuchten. Bekanntlich sind wir Ärzte, wenn uns oder
dieUnserigen selbst E^rankheit beschleicht, meist Pessimisten, und
wir sehen namentlich chronische oder sich entwickelnde Leiden oft
viel schlimmer an, als nötig; da war Mikulicz, selbst wenn er
wohl Wulste, wie schlimm es stand, immer der liebevolle treue
Tröster, der den Mut des Kranken selbst noch in dem letzten
Stadium in seiner liebevollen Weise zu heben wufste.
Dafs Mikulicz nicht nur als Forscher, Operateur, Praktiker
und Hygieniker Unvergleichliches geleistet, sondern auch als ge-
borener Lehrer es verstand, ohne grofse Schönrednerei, aber mit
goldener Klarheit zu unterrichten, das haben nicht blois unsere
399
Studenten wohl zu schätzen verstanden» sondern auch wir Ärzte
liatten ja oft genug Gelegenheit, seine Demonstrationen und Vor-
trfige in unserer Gesellschaft bewundernd zu sehen und zu hören.
Welch ein Unglück, dals ein solcher Mann uns so früh ent-
rissen wurdet
Die Griechen sagten: Wen die Götter lieben, den lassen sie
jung sterben. Mikulicz ist jung gestorben, in der Blüte seiner
reich gesegneten Tätigkeit, und beglückt von der Anerkennung, die
ihm von allen Fachgenossen geworden ist.
Es unterliegt freilich keinem Zweifel, dals bei der heutzutage
auf allen Gebieten der Medizin sich überhastenden Arbeit ein Tag
kommen wird, wo die Asepsis durch neue Mittel und neue Ver-
fahren dem Tode und der Krankheit noch mehr Opfer abringen
wird, als heut schon infolge der Arbeiten von Mikulicz möglich
geworden. Aber das wird niemals hindern, dafs sein Name als
Yerhüter der Wundkrankheiten in der Geschichte der Hygiene
jahrhundertelang mit gröüsten Ehren genannt werden wird. „Denn
wer den Besten seiner Zeit genug getan, der hat gelebt für alle
Zeitenl''
Wir alle aber, die wir das Glück hatten, sein reiches Talent,
seine enorme Arbeitskraft, seine persönliche Liebenswürdigkeit zu
bewundern, wir betrauern seinen frühen Heimgang aufs innigste und
werden niemals vergessen unseres ausgezeichneten, ich darf wohl
sagen von allen geliebten
JoHANinss VON Mikulicz.
400
■in Beitraf nr Wacliskiiiiuiphysiologie des Meniehen.
Nach statistischen Erhebungen an der STOYSchen Erziehungsanstalt
in Jena.
Von
Dr. ALEXAimEB Koch-Hesse
in GroA-Lichterfelde.
(Fortsetiong.)
II. Das KSrpergewicht in YerhUtnis cnin Lebensalter
und cur KSrperjcrSlse.
Da zur Untersuchung des Körpergewichts in Relation auf das
Lebensalter genau dieselben Methoden, welche bisher fOr die K5rpe^
grobe entwickelt wurden, in Anwendung gebracht werden sollen, so
kann hier gleich in medias res eingetreten werden. A priori wird
man annehmen, dais auch die Resultate genau analog sein werden.
Nun fand aber QüeteletS dals hier die Verteilung der Einzelwerte
um das Mittel sich nicht in einer symmetrischen Binomialkurre dar-
stelle, sondern in einer unsymmetrischen, nach der positiven Seite
hin mehr ausholenden Linie zum Ausdruck komme, und Knapp'
sagt kurz und bündig: „Die Verteilung nach dem Körpergewicht ist
dem (sei. Verhalten der Körpergröfse) nicht entsprechend.*' Wie
diese anscheinend paradoxe Differenz sich sehr ein-
fach erklart, wird weiter unten gezeigt werden können.
Es ist auch hier für jeden einzelnen Schüler der STOYSchen
Erziehungsanstalt und für jeden während des hiesigen Aufenthaltes
verbrachten Geburtstag möglichst genau bis auf die Zehntel Eilo'
gramme das Gewicht berechnet worden. Aus diesen Zahlen ergab
sich dann nachstehende Tabelle.
^ ÄnthropomSirie, S. 341 n. 849.
• Jahrbücher f. Nat-Ök. u. Stat. S. 108.
401
Tabelle des mittleren Körpergewichts.
Gerade
ToUendetes
Jahr
Arith-
metischea
Mittel
Wahr-
Bcheinliches
Mittel
MinimTiin
Maximum
Anzahl
V
(18,10)
—
(16,7)
(19,5)
2
VI
(20,4)
—
—
—
1
vn
—
—
—
—
—
VJLU
28,88
(23,8)
21,4
27,5
9
EX
26,70
27,6
22,9
30,2
10
X
29,04
28,9
25,0
38,4
23
XI
81,19
81,0
25,3
39,0
38
XQ
84,41
84,2
26,3
48,5
59
xm
37,21
36,6
28.8
54,8
87
XIV
42,47
41,2
29,2
64,0
111
XV
48,04
47,0
30,0
69,6
149
XVI
64,00
64,0
82,5
77,2
165
XVll
67,67
67,7
35,9
75,0
127
xvm
69,46
68,7
40,8
73,2
71
XTX
68,67
61,8
52,3
79,9
35
XX
(60,66)
(62,8)
51,3
65,0
8
XXT
(62,8)
—
(62,0)
(63,3)
2
Summe
892^
^ Bas Material ist allerdingps nicht ganz identisch mit dem für die Eörper-
groise, da in einigen wenigen Fällen bei einem Knaben nur der eine yon
beiden Werten berechnet werden konnte.
402
Auoh hier sind, wie bei der Tabelle der mittleren Körpergrölse,
die Differenzen zwisoben beiden Mittelwerten relativ recht gering.
Znm unterschiede von dem dortigen Verhalten zeigt hier das arith-
metische Mittel im allgemeinen die Tendenz, das wahrscheinliche
Knrren des mittleren Ktfxpergewichta
(arithmetisches und wahrscheinliches Mittel).
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Mittel zn überflügeln, während es dort umgekehrt war. Erinnert
man sich, was ein solches Überflügeln bedeutet, so kann man ver-
muten, dafs das Abweichen nach der positiven Seite hier im all-
gemeinen stärker ist, während die Einzelwerte bei der üntersuchong
403
der EörpergrölBe das entgegengesetzte Verhalten zeigten^ ; aber auch
nur yermuten, nicht wissen. Nur im Alter von neun und von 17
Jahren wird das arithmetische Mittel kleiner, und beides sind
Jahre, die auch bei der Eörpergröfse das arithmetische
Mittel besonders tief haben sinken lassen, so dals in dieser
Kurven der Hftuflgkeit positlTer und negaÜTor Abweichungen.
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Fig. 6.
Hinsicht der Einfluls des Alters auf Grölse und Gewicht doch der-
selbe zu sein scheint.
^ Vielleioht hängt dies Verhalten mit dem weit stärkeren relativen
Wachitnm des Gewichts zusammen. Vgl. Abschnitt m.
404
Die zugehörigen Kurven zeigen deutlich verschiedene Perioden
dee Wachstums: Zunächst eine Periode der verzögerten Zunahme,
welche auch hier ihr Minimum im elften Lebensjahre erreicht. Nach
dem elften, noch konsequenter aber nach dem 13. Jahre ist die 6e-
wichtszunahme entschieden beschleunigt, erreicht den Höhepunkt
dieser Beschleunigung aber erst mit dem vollendeten 16. Jahre,
während die Periode des beschleunigten Längenzuwachses bereits
etwas firüher aufhört. Nach dem 16. Jahre beginnt auch die
Gewichtszunahme zögernder zu werden; während aber der Gröfsen-
zuwachs in dieser dritten Periode allmählich ganz aufhörte, dauert
die Verzögerung der Gewichtszunahme nur zwei Jahre. Nach dem
18. Jahre beginnt dann augenscheinlich eine vierte Periode, eine
Periode der wieder beschleunigten Zunahme des Körpergewichtes,
welche genauer zu studieren das Material leider nicht gestattet
Vergleichen wir das Verhalten der Kurven auf S. 402 und
S. 403 (Fig. 4 u. 5) zueinander, so liegt die des arithmetischen
Mittels während der beiden Perioden der Beschleunigung dauernd
unter der anderen und während der beiden Verzögerungsperioden
wenigstens zeitweise über der des wahrscheinlichen Mittels. Ab-
gesehen also von dem offenbar atypischen Verhalten im zehnten
Jahre findet man auch hier, ebenso wie bei der Betrachtung der
Körpergrölse, einen durchgängigen Parallelismus der beiden,
an sich völlig verschiedenen Vorgänge: Ist die Zunahme
verzögert, müssen die negativen, ist sie beschleunigt,
müssen die positiven Abweichungen vom Mittelwerte
stärker ausgeprägt sein.
Auf die Minima und Maxima kann auch hier kein Gewicht
gelegt werden : sie zeigen deutlich den Charakter des Zufälligen, der
sich namentlich in dem widersinnigen Fallen des Maximums nach
dem 16. Jahre infolge der zunehmenden Material Verringerung
ausprägt.
Ein Blick in die nicht abgedruckte Tafel der Einzelwerte lehrt,
dals das Verhältnis der Gesamtzahl der positiven zu der der nega-
tiven Abweichungen pro Jahr genau mit der oben aus dem Verhältnis
der beiden Mittelwerte geschlossenen Vermutung übereinstimmt« Das
zeigt sich am besten, wenn wir wieder beide Zahlen zur Kurven-
zeichnung benutzen.
Abgesehen von dem auch hierin atypischen Verhalten des
zehnten Jahrgangs zeigt sich durchaus Übereinstimmung mit der
oben skizzierten, periodisch wechselnden Geschwindigkeit der Ge*
406
1
>
+
Summe
der halb-
zeitigen
Diffe-
renzen
9,0
9,2
Rektifikation
Rekti-
fizierte
Summe
HitÜere
Summe
7
S
<
Halbseitiger
Oszillations-
exponent
vm
+ 4.0,02
-5.0,02
+ 0,08
-0,10
9,08
9,10
} 9,09
4
5
2,27
1,82
IX
+
11,8
11,8
—
—
—
} 11,80
6
4
1,97
2,95
X
+
29,4
28,4
- 9.0,04
-f. 14.0,04
-0,36
+ 0,52
29,04
28,92
1 28,98
9
14
3,29
2,07
XI
+
44,6
44.9
+ 16.0,01
— 17.0,01
+ 0,16
-0,17
44.76
44,73
} 44,75
16
17
2,80
2,63
xn
+
100,1
99,6
— 29.0,01
+ 30.0,01
— 0,29
+ 0,30
99,81
99,90
} 99,86
29
80
8,44
3,33
na
+
189,1
188,5
— 39.0,01
+ 48.0,01
-0,39
+ 0,48
188,71
188,98
1 188,86
39
48
4.84
3,94
XIV
+
303,5
806,7
+ 51.0,03
- 60.0,08
+ 1,53
-1,80
305,03
304,90
} 304,97
61
60
5,98
5,08
XV
+
473,6
468,2
-69.0,04
+ 80.0,04
— 2,76
+ 3,20
470,84
471,40
} 471,12
69
80
6,83
6,89
XVI
+
521,6
621,4
—
—
—
1 521,50
85
80
6,14
6,82
ivii
+
851,6
354,7
+ 64.0,08
— 63.0,03
+ 1,92
-1,89
353,52
352,89
} 353,21
64
63
5,52
5,61
IVUI
+
179,3
182,5
+ 32.0,04
-39.0,04
+ 1,28
-1,56
180,58
180,94
J 180,76
32
39
6,65
4,65
XIX
+
95,1
96,2
+ 15.0,03
— 20.0,03
+ 0,46
-0,60
95,55
95,60
1 95,58
15
20
6,37
4,78
XX
+
15,3
15,7
+ 5.0,05
-3.0,05
+ 0.25
-0,15
15,65
15,55
} 15,55
5
3
3,11
5,18
406
wiohtszunahme. Die Kurven berühren oder schneiden sich wfthrend
des zwölften, des 16. und des 18. Jahres und sondern so die yier
für das Körpergewicht innerhalb des untersuchten Zeit-
raums konstatierten Perioden.
Nunmehr folge die Berechnung des halbseitigen Oszillations-
ezponenten, welche sich auf vorhergehender Seite befindet. Das
Besultat dieser Berechnung zeigen die Kurven der halbseitigen
Oszillationsexponenten (Fig. 6).
Kurven der halbseitigen OuUlationsexponenten.
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Es zeigt sich zunftchst, was sich zeigen mufa: Die Kurven
haben gleiche Ordinaten, d. h. schneiden oder berühren sich (abge-
sehen von den beiden ersten und dem letzten Jahrgang, wo das
Material höchstens zehn beträgt), nur wfthrend des ganzen zwölften
Jahres, in der Mitte des 16. und am Anfange des 18. Jahres, sodaEs
die vier Perioden gekennzeichnet sind, von denen aber die erste, wie
oben, durch die Irregularität des zehnten Jahrganges gestört wiid.
Sucht man nun wiederum für jeden Jahrgang die in der Mitte
407
zwischen den beiden eingetragenen liegende Ordinate, nnd zeichnet
80 die Kurve des allgemeinen Oszillationsexponenten, so zeigt
diese, wie bei der KörpergröÜBe ein periodisches Steigen nnd Fallen,
welches gleichzeitig mit den Phasen der übrigen Phänomene ver-
Ifluft. Nur die erste Periode ist dnrch das geringe Material des
achten nnd nennten, sowie dnrch das schon bekannte atypische Ver-
halten des z^nten Jahres gestört nnd zeigt, statt der zu erwartenden
Senkung eine, wenn auch nur ganz geringe Steigung.
Die zweite, dritte und vierte Periode dagegen zeigen aufs deut-
lichste das Vorhandensein jenes schon bei der Körper-
gröfse konstatierten, aber bis jetzt unaufgeklärten
Parallelismus zwischen den drei, scheinbar ganz unab-
hängigen Erscheinungen: der Beschleunigung resp. Ver-
zögerung der jährlichen Zunahme, des Überwiegens der
Übermittelgrofsen bezw. Untermittelgrofsen und der
stärker resp. schwächer werdenden Differenzierung.
Allee ist, abgesehen von der einen, aber in sich auch wieder konse-
quenten Ausnahme des zehnten Jahrganges genau so, wie es bei der
EörpergTöüse beobachtet, aber noch nicht begründet wurde, nur dafs
dort drei, hier aber vier völlig getrennte Perioden zu unterscheiden
sind.
Nunmehr sind auch für das Körpergewicht der Oszillationsindex,
die Sicherung des Mittelwertes, die wahrscheinliche Oszillationsbreite
der im „mittleren Kern" liegenden halben Anzahl der Einzelwerte
und die Zahl der tatsächlich in dieser Breite beobachteten Einzel-
werte berechnet worden. Aber waren nicht im Ajifange dieses Ab-
fiehnittes Qüetelet und Knapp zitiert, welche einen fundamentalen
unterschied zwischen der Körpergrölse und dem Körpergewichte an-
nahmen, indem bei jener die Verteilung der Einzelwerte symmetrisch,
bei diesem aber unsymmetrisch sein sollte? Die Schwierigkeit
löst sich jetzt leicht. Es waren nämlich erwachsene
Personen gemessen worden, bei denen das Längen-
wachstum stillstand; es kann also auch von einer Be-
schleunigung und Verzögerung nicht die Bede sein, und
da stets nur eine solche von einer Asymmetrie begleitet
ist, wie sich aus der ganzen vorliegenden Arbeit ergibt,
80 ist für die Verteilung der einzelnen Gröfsenbestim-
mungen um die mittlere Körpergröfse kein Grund vor-
handen, nicht symmetrisch zu sein. Anders aber liegen
die Verhältnisse beim Körpergewicht. Hier ist die Zu-
408
nähme beim Anfhören des Längenwaohstoms noch keineswegs ab-
geschlossen; ee hat sich im Gegenteil gezeigt, dafis etwa mit dem
18. Jahre eine neue Periode der beschleunigten Zunahme, gesteigerten
Differensierung und stärkerem Abweichen nach der positiven Seite
beginnt. Nun stellt aber Qubtelets asymmetrische, nach der
positiven Seite stärker ausweichende Kurve ^les poids des femmes
de 18 ä 25 ans^^ dar, fUlt also genau in die beschleunigte
Jahrgang
r
Wahrschein-
liche
Abweichung
der
üinzelwerte
R
Wahrschein-
liche
Abweichung
des
Mittelwertes
3f— r bis M+r
Grenzen
des mittleren
Kernes
n
"2 Tat-
Berech- sächliche
nete
Zahl der im
mittleren Kern
enthaltenen
1
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1,6892*
0,52971
22,29-25.47
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8
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IX
1,9949
0,68064
24,71-28,69
5
5
0
X
2,1802
0,44519
26,91-31,17
11,5
11
0
XI
2,2928
0,89904
28,90-83,48
16,5
14
-2
XU
2,7961
0,86408
81,61-87,21
29,6
28
-1
xni
8,6697
0,40260
88,54—40,88
48,5
44
0
XIV
4,6448
0,43614
87.88-47,11
55,5
58
+ 2
XV
4,9666
0,40688
48,07—58,01
74.5
71
-3
XVI
5,8438
0,41598
48,66-59,84
82,5
80
-2
xvn
4,7009
0,41709
52,97-62,87
68,5
63
0
xvm
8,9254
0,46586
55,58-68,89
85,5
86
0
XIX
4,6155
0.78015
59,05-68,29
17,5
20
+ 2
XX
(8,8555*)
1,18682
57,29-64,01
4
4
0
Die mit * versehenen Zahlen sind nach der genauen, die übrigen nach
der angenäherten Formel berechnet.
Periode, deren Beginn sich in der vorliegenden Unter-
suchung hat zeigen lassen; erst aus den Ergebnissen
dieser Arbeit heraus Iftfst sich also der von Qübtelst
beobachtete Unterschied im Verhalten der Körpergröfse
und des Körpergeveichts bei Erwachsenen begreifen: es
ist kein Unterschied der Phänomene als solcher, die Er-
^ AnthraponUtne, S. 848.
409
scheinung beruht lediglioli auf dem früheren Stillstände
des Längenwachstum im Verhältnis zur Gewichtszunahme.
Deshalb ist auch kein Grund vorhanden, die Anwendung der aus
dem GAUSSSchen Gesetze folgenden Formeln beim Körpergewicht
zu unterlassen, während sie bei der KOrpergrölse angewendet sind.
Die Berechnungen sind demnach (S. 408) ausgeführt.
Die wahrscheinliche Fehlergrenze des Mittelwertes ist hier, ver-
glichen mit der Einheit des Kilogramms, in den meisten Jahren
noch erheblich kleiner, d. h. also die Zuverlässigkeit der ganzen
Untersuchung noch grölser als bei der Körpergröfse, verglichen mit
der Einheit eines Zentimeters. Auch die Übereinstimmung der
Anzahl der tatsächlich in den Grenzen des mittleren Kerns ent-
haltenen Einzelwerte mit der berechneten Anzahl ist hier noch
gröfser und übersteigt nirgends den Fehler von drei Werten, was
die Anwendbarkeit der Methode auch hier beweist.
Auch die Oszillationsindices (r) des Körpergewichts würden,
wenn man sie als unbenannte Zahlen betrachten würde, in den
meisten Jahren als kleiner imponieren als die der Körpergröfse. Will
man jedoch die Macht der Differenzierung bei beiden Phänomene
vergleichen, so darf man nicht die absoluten, wahrscheinlichen Ab-
weichungen benutzen, sondern mufs zuerst die relativen Oszillations-
indices berechnen. Man frage zuerst, wie sich die Oszillation
relativ zurGröfse des Durchschnittswertes in Prozenten
verhalte, rechne also den Quotienten — =;^ für die Körpergrölse
Ja.
sowohl als für das Körpergewicht aus. Dies ist nun geschehen,
jedoch sind hier, wie in allen folgenden Betrachtungen dieses Ab-
schnittee, die Jahrgänge, welche ein Yiertelhundert Einzelwerte nicht
aQÜEuweisen hatten, auGser Betracht gelassen.
Die Differenzierung des Gewichts ist, wie die Tabelle
(S. 410) zeigt, im grofsen und ganzen etwa dreimal so grofs
als die der Statur; beide steigen etwa bis zur Pubertät und fallen
dami wieder; die des Gewichts steigt zuletzt wieder, gemäfs der uns
schon bekannten, im 18. Jahre beginnenden Periode der beschleu-
nigten Zunahme; die relativen Gewichtsoszillationen pendeln etwa
zwischen 6V«% und 11%, die relativen Gröfsenoszillationen zwischen
2%nnd3V»%. Letztere sind also nicht nur kleiner, sondern
anoh konstanter.
Schlieüslich müssen nun noch die arithmetischen Mittel der
ÖröÜBe und des Gewichts miteinander verglichen werden. Es sind
410
Jahrgang
Arithmetischei
Mittel
Abtolater
Ossillationsindex
Relativer
Otzillationiindex
in Prozenten
Oröffle
Gewicht Orofte
Gewicht
Grofse
Gewicht
XI
186,49
81,19
3,425
2,292
2,51 o/o
7,38V«
xn
140,86
84,41
8,594
2,796
2,550/0
8,12%
xm
145,61
87,21
4,298
8,670
2,95%
9,84%
XIV
152,65
42,47
4,878
4,645
8,19Vo
10,94%
XV
158,64
48,04 5,238
4,967
8,29 Vo
10,84%
XVI
164,88
54,00 5,059
5,848
3,07 Vo
9,90%
xvn
168,16
67,67 4,429
4,701
2,68 Vo
8,15%
xvni
169,23
59,40 4,077
8,925
2,41 Vo
6,69%
XIX
170,80
68,67
8,792
4,616
2,23 «/•
7,25%
hier von bisherigen üntersnchem verschiedene Methoden in An-
wendung gebracht worden, je nachdem die Frage gestellt wird.
Nenne ich die Körperlänge des |>-ten Jahrganges Zp, das Körper-
gewicht Op, so kann ich den Quotienten y^ berechnen. So beant-
wertete Kotslmann^ an seinem und an Qüetelets Material, ebenso
Pbbcy Boülton* die Frage, wieviel Kilogramm kommen auf einen
Meter? Ebenso berechnete E. Schmidt' an seinen Saalfelder und
den Bostoner und Gohliser Kindern die Anzahl Gramm, die je
auf einen Zentimeter kommen. Aber ein Lftngenmafs und eine
Oewichtszahl als solche sind, physikalisch betrachtet,
eigentlich gar nicht direkt zu vergleichen. Tatsftchlich
interessierte die genannten beiden Untersucher auch gar nicht der
gefundene Quotient selbst, sondern lediglich dessen Veränderung mit
den irahren. Man müfsiie also, um dies rein zum Ausdruck zu
bringen, erst wieder das Verhältnis dieser Quotienten zueinander
oder zu dem des Neugeborenen, d. h. des o-ten Jahrgangs, also den
Bruch: G^
Zp ^Op.Lo
Qo^ Lp.Go
^ Siehe oben : Zeitschr. d, Kgl preuft. aUUiat. Bureaus, 1879, 8. 6.
* „Anthropometrisohe Beobachtungen.'' Brit, med, Joum* 1876.
' Siehe oben: Arch. f. AnOiropoL S. 401, 402 and 403.
411
ansFeehnen. Dieser Bmcli entsteht aber auch ans dem Verhältnis
^ : 7~, so dafs man das Verfahren auch in umgekehrter Reihen-
folge anstellen kann. Dies hat Qüetelet^ selbst getan. Er ver-
gtioh sämtliche mittleren Gewichte und Gröfsen mit dem Gewichte
und der Qtröbe des Neugeborenen und fand, dais die Gewichte
im allgemeinen stärker als die Quadrate der Gröfsen,
aber schwächer als die Kuben der Gröfsen zunahmen. Dies
Verfahren hat den Nachteil, dafs man die zu einer Beobachtungs-
leihe gehörigen Messungen der Neugeborenen meist nicht kennt,
und die B.e8ultate verschiedener, an verschiedenen Orten und
Bevölkerungsschichten erfolgten Messungen zu einer einzigen Bech*
nuig ssu vereinigen, wie es z. B. Visboedt* vielfach getan hat,
seheint mir wegen der sozialen und anthropologischen Variabilität
aller anthropometrischen Phänome nicht statthaft zu sein.
E. Schmidt' hat sich geholfen, indem er für jede Untersuchung
das Jahr als MaCsstab der anderen Jahre benutzte, von dem zuerst
genügend Material vorhanden war. Das hat aber wieder den Übel-
stand, itib dann die bei verschiedenen Untersuchungen so erhaltenen
Zahlen nicht direkt vergleichbar sind. Auiserdem drücken beide
Methoden etwas anderes aus, als man eigentlich will : man will das
jährliche Verhalten des relativen Gröfsenzuwachses zur relativen
Gewichtszunahme wissen, erhält aber tatsächlich die in dem ganzen
Zeitraum vom Ausgangsjahr bis zu dem betreffenden Termin hin
erfolgte Verschiebung in der Zunahme beider Zahlenreihen, also ein
Verhältnis, welches durch das fragliche Wachstum des letzten Jahres
nur ganz unwesentlich beeinflufst wird.
Im folgenden werde ich daher als erster so verfahren, dafs ich
▼on jedem Jahrgang das Verhältnis zu dem vorherigen unter-
snche, also die Quotienten:
^pjLLnnd%tl
berechne.
Dann könnte ich nach dem Vorgange PeegtBoultons, Quetelets
nnd E. Schmidts ersteren Quotienten jedesmal ins Quadrat und in
den Kubus erheben und zusehen, ob es sich bestätigt, dafs der andere
^ Anihropomitrie, S. 344.
' „Physiologie des Eindesalters " in Gbhrhabdts HancR), d, Kinderkrank-
keäm. TfibinRen 1877. Bd. I.
' Siehe oben: Arth. f. Anihropol, 1892, S. 400.
412
Quotient seinem ZahleDwerte nach zwisohen diesen beiden Potenzen
liegt. — Ein genaueres Resultat bekomme ich aber durch Logarith-
mierung der Gleichung:
Dann ist
^^foggp + i — tog&p
log Lp — hg Lp ^i
Der erhaltene Wert für x drückt dann direkt die
Potenz aus, in welche ich den jährlichen relativen OrOfsen-
zuwaohs erheben mufs, um die jährliche relative Oewiohts-
zunähme zu erhalten.
Absoluter Jahreawert
EelaÜve Znnahme
zum vorhergehenden Jahre
in Proienten
Potenz der
rel. Gewichts-
zunahme
zur Groiaen-
Grölse
Gewicht
Orölse
Gewicht
zunähme
XI
186,49
81,19
2,89%
6,91%
2,8261
xn
140,86
84,41
8,20%
10,82 Vo
3,1154
xra
145,61
37,21
8,61 »/o
8,14%
2,2065
XIV
152,66
42,47
4,85%
14,13%
2.7894
XV
158,64
48,64
4,15%
18,12%
8,0841
XVI
164,88
54,00
8,98%
12,89%
8,0281
xvn
168,15
57,67
1.98%
6,81 %
3,3529
xvm
169,23
59,46
0,64 7o
8,83%
5,1213
XIX
170,30
63,67
0,68 Vo
7,08 Vo
10,883
Diese Tabelle ergibt, dals bei den Knaben der SroYSchen Er-
ziehungsanstalt das Körpergewicht in den meisten Jahren, namentlich
in denen der eigentlichen Pubertätsentwicklung, etwa im Kubus der
KörperläDge zunimmt. Es bleibt dahingestellt, wieweit dieses Ver-
halten nur auf die günstigen Ernährungs- und Lebensverhältnisse der
gemessenen Schüler zurückzuführen ißt und wieweit es den allgemeinen
Wachstumsgeeetzen entspricht.
Die Yergleichung mit den bisherigen Untersuchungen
gibt darüber keinen sicheren Aufschlufs, da diese, wie
gesagt, wider ihre Absicht nicht das jährliche Verhalten
der beiden Zunahmen betrachten, sondern die seit der
Geburt resp. seit einem willkürlichen Anfangsjahre an
413
eingetretene Yersohiebung. ESs wäre a priori sehr wohl denk-
bar, daüs in den Jahren, welche unseren Messungen voraufgehen,
das Körpergewicht yielleicht nur im Quadrat der Lftnge zugenommen
hat. Wenn dann auch nachher die Zunahme des Gewichtes im
vollen Kubus des Körperlängenzuwachses erfolgte, so würde nach
den bisher üblichen Methoden eine bedeutend niedrigere Potenz
herausgerechnet worden sein. Um wenigstens einen ungefähren
Anhaltspunkt über das relative Wachstum des der untersuchten
Lebenszeit voraufgehenden Alters zu haben, vergleiche ich die arith-
metischen Mittel mit den allgemeinen für den Neugeborenen ange-
nommenen Zahlen. Danach scheint bei den STOTBchen die
Körpergrö/se in den ersten elf Lebensjahren um ca. 275 7o, das
Körpergewicht aber etwa um 1000%, letzteres also nur etwas stärker,
als dem Quadrat der Längenvermehrung entspricht, zugenommen zu
haben. Nur im 13. Jahre ist der Exponent noch einmal nur etwas
über 2, während der Pubertätsentwicklung dagegen etwa = 3;
nachher, indem das Längenwachstum immer geringer wird, die
Gewichtszunahme aber vom 18. Jahre an, wie oben gezeigt, wieder
stark zunimmt, steigt der Exponent der untersuchten Potenz sehr
rasch an. Li einem Jahre, in dem das Längenwachstum bereits
aufgehört hätte, die Gewichtszunahme aber, wenn auch noch so
gering, doch noch vorhanden wäre, würde der Exponent den Wert cx>
erreichen. Hieran zeigt sich, dals die Methode noch verbesserungs-
bedürftig ist.
Auiserdem kann jeder billig fragen: was bedeutet denn
der Exponent dieser fraglichen Potenz für die Physio-
logie des Wachstums? Um dies zu beantworten, sei eine all-
gemeine theoretiBche Überlegung gestattet. Das Gewicht eines
Körpers ist gleich seinem Volumen, multipliziert mit dem spezifischen
Gewichte. Das Volumen aber ist eine Grölse dritter Dimension,
kann also stets als Produkt dreier Linien aufgefaist werden. Wächst
nun ein Körper, so kann dies geschehen dadurch, dals nur eine der
drei Dimensionen, oder daCs beide, oder dalüs alle drei zunehmen.
Soll der Körper stets dieselbe Form behalten, soll er im geome-
trischen Sinne sich stets „ähnlich'' bleiben, so müssen alle drei
Dimensionen in demselben Verhältnis zunehmen. So wächst ein frei in
einer Mutterlauge hängender Kristall. Auch für den menschlichen
Körper wäre dies gewissermaCsen das ideale Wachstum; das Volumen
nähme dann genau in der dritten Potenz des linearen Wachstums
zu. Nun liefse sich aber das wachsende Volumen des Menschen nur
SehulgreBandhefUpflegre. XVIIL 28
414
schwer regelmftfsig beobachten. Man könnte es zwar aus dem Grewicht
berechnen, wenn man das spezifische Gewicht, d. h. die Dichte ((Q
kennen würde. Aber dessen etwaige jährliche Veränderong liefse
sich erst recht nicht regelmä&ig messen. Es sind verschiedene Mög-
lichkeiten vorhanden, wodurch sich das spezifische Grewicht ftndem
könnte: So die Verdrängung des Knorpelsystems durch das Knochen-
system ; so umfangreiche Petrifizierungs-, Ossifizierungs-, Sklerosierungs
prozesse und andere degenerative Vorgänge; so die Ersetzung fester
Knochensubstanz durch Spongiosa. Doch alle diese Prozesse spielen
in den in Betracht kommenden Jahren wohl keine erhebliche Rolle.
Femer könnte reichlicher Ansatz des spezifisch leichten Fettes das
spezifische Gewicht des ganzen Körpers herabsetzen. Für die Perioden
der Pubertätsentwicklung könnte dieser Prozels einen wesentlichen
EinfluGs vielleicht bei Mädchen haben, wo in der Tat gerade in dieser
Zeit die eckigen Formen des Backfisches^ in die durch Fettpolster
abgerundeten Formen der Jungfirau übergehen; bei Knaben tritt der
Vorgang mehr zurück. Wichtiger ist das verschieden starke Wachs-
tum verschieden schwerer Organe; namentlich die stark lufthaltige
Lunge könnte, wenn ihr Wachstum das des Gesamtkörpers wesent-
lich überstiege oder wesentlich hinter demselben zurückbUebe, das
spezifische Gewicht des ganzen Individuums verändern. Nun aber
ist von allen parenchymatösen Organen gerade die Lunge dasjenige,
dessen Wachstum am genauesten mit dem des Gesamtkörpers über-
einstimmt.* Die übrigen Eingeweide werden zwar mit den Jahren
relativ kleiner, die Masse der Muskeln entsprechend gröiser; doch
dürfte das spezifische Gewicht dieser verschiedenen Gewebe kaum
di£ferent genug sein, um eine Änderung der Gesamtdichte des Körpers
herbeizuführen. Auf Grund dieser theoretischen Erwägungen, da
experimentelle Untersuchungen dieser Frage meines Wissens fehlen,
nehme ich an, dafs das spezifische Gewicht der Knaben in der be-
obachteten Periode im wesentlichen konstant bleibt. Da nun
G = Volp ist, 80 wird der Quotient ^^ zu dem Quotienten
-^=^^. Nun aber kann das Volumen, wie oben gesagt, als
Produkt dreier Linien, der drei Dimensionen, aufgefaist werden.
^ Vgl. Ploss: „Das Weib in Natur- und Völkerkunde." Bd, I, § 54.
* Vgl. K. Oppekhbuieb: „Über die WaohBtumsverhältnitse des Körper»
and der Organe/ Dissertation, München 1888. Tafel IL
415
Eine dieser Dimensionen ist die Körperlänge. Hätten wir also ein
ideales Wachstum, d. h. nähme der menschliche Körper auch in der
Breite und Dicke in demselben Verhältnis zu wie in der Länge, so
li&tten wir, wenn wir die Breite mit B, die Dicke mit D bezeichnen
folgende Gleichungen:
Lp Bp Dp Gp
^- Lp - Bp - Dp
Also ft— ) = -§*^, d. t. beim „idealen" Wachstum
nimmt das Gewicht im Kubus der Länge zu. Soweit
also die in obiger Tabelle enthaltenen Exponenten ungefähr gleich 3
waren, geben sie einen verständlichen Sinn. Wenn dagegen der
Exponent z. B. gleich 5 ist, so kann man daraus nur das lernen,
dals entweder das Breitenwachstum oder das Dickenwachstum oder,
wahrscheinlicher, beides stärker gewesen ist als das Längenwachstum.
Um wieviel es aber stärker gewesen ist, das können wir nie aus dem
Exponenten einer Potenz lernen. Vielmehr müssen wir hierzu eine
andere Zahl berechnen: Man denke sich statt des menschlichen
Körpers einen geraden Oylinder von gleicher Höhe und gleichem
spezifischen und absoluten Gewichte, also auch gleichem Volumen.
Nennen wir den Radius des Mantels q, so ist das Volumen gleich
L.Q^n. Wächst nun dieser Cy linder in demselben Verhältnis wie
der Mensch, nach dem er in der Idee gebildet wurde, so ist
Gp Volp Lp .Qp^.n
Die Auflösung dieser Gleichung ergibt die Formel:
Qp V Gp ' ip + i
In dieser Formel erst ist der Wert enthalten, auf den
es, imter der Voraussetzung der spezifischen Gewichtskonstanz, bei
jeder Vergleichung der Gewichtszunahme und der
Gröfsenzunahme ankommt. Der Quotient 100.^^ drückt
Qp
das durchschnittliche prozentuale relative Wachstum in
der Horizontalen während eines Jahres aus und laust sich direkt mit
23»
416
dem prozentualen relativen Waobstum in der Vertikalen yergleiohen.
In der folgenden Tabelle ist er berechnet.
Zeitraam
RelaÜTe
GewiohU-
zunähme
Relaüre
LSngen-
zunahme
Relati?e
Horizontal-
zunahme
X-XI
6,91V*
2,39%
2,18 V«
xi-xn
10,82 Vo
8,20%
8,89 «/o
xii-xra
8,14 Vo
8,61%
2.15 •/•
xm-xiv
14,13 Vo
4,85%
4,88 »/o
XIV-XV
18.12%
4,15%
4,22%
xv-xvi
12,39%
3,98%
8,93%
XVI— xvn
6,81%
1,98%
2.81%
xvn-xvm
8,83 Vo
0.64%
1,29%
XVIII-XIX
7,08%
0,63%
8,15 Vo
(Fortsetzung folgt.)
iXttf Derfammlttttgett ttttb Dereinett.
Die Schnlantfraffe auf Onmd bisheriger ErfUininffen.
Vortrag an der 6. Jahresyersammlnng der schweiserisohen
Oesellschaft für Schulgesundheitspflege, 14. und 16. Mai
in Luzern.
Von
Dr. med. Fbibdbich Stogkbb, Augenarzt, Luzern.
(Autoreferat.)
Um den Zuhörern und späteren Lesern den aktuellen Stand der
Schularztfrage und die, aus den bis jetzt funktionierenden schal-
ilrztlichen Einrichtungen zu ziehenden Erfahrungen verständlich za
machen, konnte Referent sich nicht von einem historischen Bück-
blick über die Entwicklung der ganzen Angelegenheit dispensieres.
Die historische Einleitung holte aber nicht so weit aus, um bei
den ersten, schon im Altertum und Mittelalter sich bemerkba^
417
machenden Bewegungen einzusetzen, die ein Ebenmafs der Er-
ziehung in geistiger und körperlicher Hiusicht postulierten. Vor
allem wurde den internationalen Hygienekongressen vermehrte Auf-
merksamkeit geschenkt, die sich speziell mit der Schaffung eines
„Schularztes** und der Umschreibung der Funktionen desselben
befaTsten.
Hier ist unbestritten der Ophtalmologe und Schulhygieniker Oohn
in Breslau auf dem internationalen hygienischen Kougrefs
in Genf anno 1882 der erste gewesen, der direkt die Mitwirkung
der Ärzte bei der Jugenderziehung, die Anstellung von Schulärzten
mit gröDstem Nachdruck postulierte. Wenn dieser Pionier für den
Schularzt auch mit seinen 18 Thesen der damaligen Behörden- und
P&dagogenwelt einen unsanften Bippenstofs zum Aufwachen zuteil
werden liefe, so sind doch verschiedene seiner Postulate zur Stunde
noch auf unser Programm zu setzen.
Referent ging sodann zur Besprechung der interessanten Schul-
arztdebatte auf dem internationalen Hygienekongrefs in Wien
im Jahre 1887 über, wo Cohn, unterstützt von Prof. Bübgebbtein,
Gelegenheit nahm, das Unsinnige der Argumentation des Breslauer
Magistrates darzutun, der im Jahre 1886 das Anerbieten von 57
Ärzten, unentgeltlich sich der Schule zur Verfügung zu stellen, ab-
lehnte, mit der Begründung, dafs „pädagogische Bedenken^, „MiTs*
trauen und Vorurteil gegenüber der Schule in Eltemkreisen^ diese
ärztlichen Schulberater als unzulässig erscheinen lieUsen.
Der Wiener Kougrefs ist für uns Schweizer speziell noch wichtig,
weil schon damals Dr. Kübteb aus Zürich und Dr. GüiLiiAUME aus
Neuenburg (der jetzige Direktor des eidg. statistischen Bureaus) über
schulärztliche Einrichtungen in der Schweiz (Basel, Lausanne und
die Enquete im Kanton Neuenbürg) Bericht erstatten konnten.
Hervorzuheben ist, dafs schon an diesem Kongresse in These 6
postuliert wurde, dals die schulhygienische Au&icht sachver-
ständigen Ärzten anvertraut werde, gleichviel ob sie beamtete
Ärzte seien oder nicht.
Hier erwähnte B«ferent nebenbei, dais drei Jahre früher auf
der Versammlung des deutschen Vereins für öffentliche Gesundheits-
pflege in Hannover der Vorstand der Stadtschulen von Berlin,
Dr. Bebtbah, die hygienische Überwachung der Schulen nur hygie-
nisch vorgebildeten Lehrern überlassen wollte. Als direkter prak-
tisdier Erfolg des Wiener Kougresses ist das Gutachten der wissen-
schaftlichen Deputation für das Medizinalwesen in Preulsen (Oktober
418
1888) aufzn£Btf86n, welches ärztliobe SchulanfiBicht forderte und
detaillierte Wegleitung zur Organisation derselben gab.
Immerhin dauerte der Kampf der Pädagogen and Behörden
einerseits und der drängenden Mediziner andererseits um das Prinzip
des Schularztes noch an bis zum 25. Deutschen Ärztetag in Eisenadi
(10. und 11. September 1897), wo der Gymnasialdirektor Dettweileb
Ton Darmstadt erklärte, dab die EinfOhrung von Schulärzten all-
gemein dringend erforderlich sei. Referent geht denn auch mit der
Auffassung von Edel einig, der {EneylUopäd. Jahrbücher d. ges.
Heäkunde, 1899, ü. Hälfte) diesen Tag als „einen Wendepunkt in
Deutschland' bezeichnet, „von welchem an nun auch ein grober Teil
der Pädagogen sich gegenüber dem Schularzt nicht mehr ablehnend
verhielt".
Im weiteren ging Referent über zur Behandlung der Frage der
ärztlichen Schulaufsioht auf dem internationalen Kongrefs
für Hygienie und Dermographie in Brüssel im September
1903. Er konstatierte au Hand der dort akzeptierten Thesen, dais
man allgemein das Prinzip der ärztlichen Überwachung der Schulen
unumwunden anerkannt hat.
Hier bot sich Gelegenheit, etwas näher auf die schulhygienischen
Institutionen des östlichen Inselreiches Japan einzugehen, da Referent
persönlich die Ausführungen des japanischen Vertreters Dr. Mishiea
in Brüssel angehört hatte. Unser Staunen über die Intelligenz dieser
„gelben Rasse** ist in stetem Steigen begriffen, wenn wir yemehmen,
dafs das ganze Hikadoreich schon seit den neunziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts mit Schulärzten versehen ist und dals dort
nicht nur für Kanonen und Panzerschiffe, sondern auch für Ein-
richtungen der öffentlichen sozialen Wohlfahrt kolossale Summen von
Staates wegen ausgegeben werden.
Einer näheren Analyse unterwarf Referent den I. französi-
schen Kongrefs für Schulhygiene vom 1. und 2. November
1903 in Paris, veranstaltet von der Ligue des Mödecins et des
Familles pour l'hygi^ne soolaire.
Die Kongrefsverhandlungen (siehe Bapports et Communications,
Paris, Massen & Oie., 1904) sind besonders deshalb interessant, weil
wir daraus ersehen, dafs in Paris und Frankreich seit 1886, wo der
Grundsatz der ärztlichen Beaufsichtigung der Schulen in einem Ge-
setz niedergelegt wurde, praktisch in der Ausführung des Gedankens
nicht mehr viel geschehen ist. In Paris und einigen Gro&stftdten
gibt es wohl sogenannte Lycealärzte; auf der Landschaft aber und in
419
den kleineren Städten ist gar nichts derartiges entstanden. Vor
allem ansznstudieren sind die Beferate von Dr. P. le Gendke
«Rapport snr le röle dn medecin soolaire^, nnd yon
Dr. H. Meby „Rapport snr Tlnspection m^dicale des Cooles
prima ir es ^, sowie die Disknssion, aus der man ersieht, dafs man
nun in Frankreich lebhaft anstrebt nnd postuliert, was sich in
anderen Staaten, speziell in Deutschland nnd der Schweiz, schon als
gut erwiesen hat.
Die einstimmig angenommenen Thesen verlangen in erster Linie
eine sanitäre Eintrittsuntersuchung der Schulkinder und
die Einführung eines Gesundheitsscheines (Wiesbadener Muster),
und in zweiter Linie Anstellung von Schulärzten, die sich in Schul-
hygiene unterrichtet haben.
Ebenso eingehend wurden die Verhandlungen des letztjährigen
L internationalen Kongresses für Schulhygiene in
Nürnberg vom Referenten herangezogen, soweit sie die ärztliche
Au&icht und den schulärztlichen Dienst betreffen. Gegenüber den
Äulsernngen von Professor Dr. Lieberhakk aus Budapest „die Schule
sei keine Sanitätsinstitution'' glaubte der Referent vom praktischen
Standpunkt aus Stellung nehmen zu müssen. Die Schule ist ja
allerdings vorab eine Bildungs- und Erziehungsanstalt, aber nebenher
verlangt ja gerade die moderne Schulhygiene, dals sie gewissermaisen
eine Sanitätsinstitution sei. (Vergleich mit der Armee und dem
organisierten Militärsanitätsdienst, der auch nicht erst dann zu funktio-
nieren an&ngt, wenn der einzelne Soldat eine Gefahr für die
übrigen wird.) Für die weiteren Ausführungen und Motivierungen
über diesen Punkt verweisen wir auf den im „Jahrbuch der schweif
Befischen Gesetkchafi für Schulgesundheüspflege^ in extenso erscheinen-
den Vortrag.
Referent nimmt dann Notiz davon, dals auch der Nürnberger
Eongrefs grundsätzlich einer Eintrittsuntersuchung der Schulkinder und
der Erstellung eines Gesundheitsscheines für jedes Kind das Wort redet.
Nach Behandlung dieser, für die Entwicklung des Gedankens
der Schularztauüsicht so eminent wichtigen Kongresse trat Referent
noch speziell auf das Schularztwesen Deutschlands ein, wobei ihm
die in dieser Zeitschrift vor kurzem publizierte prächtige Arbeit von
Hofrat Dr. Schubbbt in Nürnberg das Material quasi auf dem
Prfisentierteller darbot. Einige Zusammenstellungen dieses Autors
sowie solche von Dr. WEx-Lübeck hat Referent graphisch dargestellt
und werden sie sich im oben erwähnten Jahrbuch vorfinden.
420
Betreffend das Schalarztwesen unserer Schweiz hat Referent
schon Tor fünf Jahren, bevor er die schulärztliche Einrichtung in
Luzern einführte, durch persönliche Erhebungen in diversen schweizeri-
schen Städten und in Wiesbaden sich eine Summe von Erfahrungen
geholt, die nun noch durch eine schriftliche Enqudte im vergangenen
Frühling ergänzt wurde.
Die Zeit fehlte, um im Bahmen des Vortrages nur einiger-
maJsen detailliertere Angaben zu bringen, doch hofft Referent, eine
das „Schularztwesen der Schweiz^ betreffende Arbeit für diese
Zeitschrift im laufenden Jahre noch schreiben zu können.
Erwähnt wurde kurz, was bereits in unserer kleinen Republik
in Sachen geschehen und dafs gerade wie in Deutschland in weitaus
den meisten Fällen die Gemeinden es waren, die das Schularzt-
system wählten und es einrichteten.
Sodann muis bemerkt werden, dals die schweizerische Gesellschaft
für Schulgesundheitspflege schon in ihrer Gründungsversammlung
im Oktober 1899 nach einem Vortrage von Stadtarzt Dr. MuiiLBB
in Zürich „Über den heutigen Stand der Schularzt&age" einige nach
dem Vorschlage von Professor Dr. Ebisbcann modifizierte Thesen
annahm, welche forderten, dals eine ständige hygienische Beauf-
sichtigung aller Schulen sowohl auf dem Lande als in der Stadt
einzuführen sei; femer, dafs wo die Verhältnisse es gestatten, hierfür
hygienisch gebildete Schulärzte anzustellen seien, und dab
auch der Lehrerstand schulhygienisch ausgebildet werden solle.
Das Studium der einschlägigen Literatur sowie persönliche Er-
hebungen fahrten den Referenten zu folgenden Erfahrungssätzen und
Postulaten betreffend das moderne Schularztwesen.
Diese Leitsätze konnten unmöglich mehr nur allgemeiner Natur
sein, sondern mulsten in das Detail einer schulärztlichen Einrichtung
eingehen. Sie lauteten inhaltlich ungefthr wie folgt:
Die Einführung von schulärztlicher Au&icht in allen städtischen
und ländlichen Bezirken, bei öffentlichen und privaten Schulen eines
modernen Eulturstaates hat sich durch die Erfahrung als not-
wendig und segensreich erwiesen. Sie ist für den Staat eine
Pflicht, bringt demselben aber wiederum grofsen Nutzen und liegt
also in seinem eigenen Interesse. Eine schulärztliche Einrichtang
an den Bildungsstätten unserer Jugend ist von hervorragend so-
zialer Bedeutung.
421
Die Notwendigkeit des Sohularztee ist durch tausend und
abertausend Beobachtungen der eigentlichen Schulkrankheiten, durch
die Massenuntersuohungen von SchulkiDdem in jedem Schulzeitalter
daigetan.
Aus dem Schulzwang erwächst für den Staat die Pflicht der
hygienischen Überwachung. Wenn der Staat bei der Schule wie
beim Militärdienst für jede Erkrankung und jeden ünfaQ finanziell
aufkommen müüste, wfire der schulärztliche Dienst wohl schon längst
überall da eingefiihrt, wo Schulzwang besteht.
Der Staat zieht aber selber Nutzen und Segen aus dieser In-
stitution, weil durch das frühzeitige Entdecken und zur Heilungführen
von Erkrankungen oder krankhaften Veranlagungen der Staatsbürger
die Yolksgesundheit wächst. Je gesunder ein Volk, desto produk-
tiyer ist es, je produktiver und arbeitsfähiger, desto unabhängiger
wird es sein.
Die hervorragend soziale Bedeutung der schulärztlichen Aufsicht
liegt in der Tatsache, dafs gerade der Pauperismus im kindlichen
Alter schon eine solche Menge von Leiden aufweist, dals das Kind
der armen Hütte am meisten der schulhygienischen Fürsorge bedarf.
Die modernen Schulhausbauten werden dem armen Kinde zu einem
angenehmen und gesunden Aufenthaltsort, nach welchem es sich
sehnt. Die Empfindung des Schulzwanges schwindet und macht dem
Gefühl der Freude Platz, in die Schule gehen zu dürfen. Durch
frühzeitige Entdeckung und Korrektur von Fehlem an Augen, Ohr,
.Rückgrat und anderen Körperorganen wird der junge, bedürftige
Staatsbürger später in den Stand gesetzt, sein Brod redlich zu ver-
dienen. Gesundheit ist für jeden Bürger das beste Kapital, für den
Armen ist sie das einzige. Das Proletariat mub in Ansicht der
ärztlichen Fürsorge für seine Kinder im schulpflichtigen Alter ein
Moment erblicken, das es mit dem Staate im ganzen versöhnlich
stimmt.
n.
Das oberste Leitmotiv jeder schulärztlichen Tätigkeit soll der
effektive praktische Nutzen sein für unsere Schuljugend, für unser Volk
imd damit für unseren Staat Der Staatsbürger mufs durch die Art
und Weise, wie die schulärztliche Aufsicht betrieben wird, zur Über-
zeugung gedrängt werden, dais diese etwas nütze und dem sozialen
Poetnlate, das sie in sich birgt, gerecht werde.
Die Enqueten und Massenuntersuohungen der Schüler haben
422
nun zur Grenüge die Notwendigkeit dieser Einrichtung dargetan, und
weitere statistische, „wissenschaftliche*' Ausbeuten sind, soweit sie
nicht einer Verbesserung schulhygienischer Mafsnahmen
dienen, als Nebengewinn zu betrachten.
m.
Um das zu erreichen, was Leitsatz II verlangt, ist erforderUoh,
daüs neben der hygienischen Kontrolle der Schulhausbauten, deren
Einrichtungen und des Unterrichts, namentlich der hygienischen
Überwachung des einzelnen Schulkindes erhöhte Aufmerksamkeit
geschenkt werde.
Mit der Hygiene des Unterrichts, der Schulh&user usw. ist es
nicht getan, mit Le Gendse und H. Meby in Paris postuliert Refe-
rent eine wirksame Schule rhygiene. Es ist dies der Gedanke, welcher
in der nach Schubert benannten Vorwiesbadener Zeit einen Um-
schwung in der Auffassung der schulärztlichen Tätigkeit heryorrief.
Wir wollen wie H. Meby (siehe Kongre&bericht, S. 46, Paris 1903):
„que le medecin scolaire soit avant tont un pu6riculteur.*^
Unerlälslich hierzu sind:
1. Eine sanitäre EintrittsmusteruDg aller Schulrekruten, gleich-
viel ob diese vom Schul- oder Hausarzt vorgenommen werde.
Diese Untersuchung soll sich nicht nur auf die höheren
Sinnesorgane, sondern auf den ganzen Körper des Kindes
erstrecken.
2. Die UntersuchuDgsresultate der Eintrittsmusterung sind anf
einem, für alle Gemeinwesen möglichst gleichartig zu ge-
staltenden Gesundheitsschein (fiche mödicale) zu notieren, in
welchem vom Schularzte alle Veränderungen des Gesundheits-
zustandes des Kindes für und für im Laufe der Schulzeit
eingetragen werden.
3. Zur stetigen Kontrolle der Schulkinder wie zur Überwachung
der Hygiene des Unterrichts und des Schulhauses sind
Klassenvisiten des Schularztes notwendig. Auch soll der
Schularzt eine gewisse fixierte Zeit zur Verfügung halten
für diejenigen Schulkinder, die ihm von der Lehrerschaft
ab krankheitsverdächtig zugeschickt werden, damit die not-
wendige Hilfe sofort vermittelt werden kann.
4. Zum vollendeten Ausbau einer schulärztlichen Einrichtung
gehört überall da, wo kein poliklinisches Institut besteht,
eine Art Schulpoliklinik, Dispensarium oder etwas ähnliches,
423
was gestattet, unbemittelten die notwendigen Utensilien
(Bruchbänder, Brillen usw.) gratis sofort zu verabfolgen,
sowie kleinere nötige ärztliche Verrichtungen an Augen»
Ohren, Zähnen, Nasen, Bachenraum usw. vor sich gehen zu
lassen. Die Zwangsreinigung von Parasiten bei Kindern
renitenter Eltern konnte auch diesem Institute zugewiesen
werden.
Für eine wirksame Tätigkeit des Schularztes in Epidemien-
zeiten ist durchaus erforderlich, dals präzise, einer rationellen
öffentlichen Hygiene genügende staatliche oder kommunale
Polizeiverordnungen, wo solche noch nicht existieren, ge-
schaffen und mit aller Energie gehandhabt werden (Karenz-
6. Dem Schulärzte sollen nicht zuviel Kinder zur Kontrolle
unterstellt werden, sonst wird seine überwachende Tätigkeit
illusorisch. Der Schularzt ist nicht behandelnder Arzt der
Schulkinder von Amtes wegen.
Die nähere Motivierung aller dieser. Punkte mufs hier weg-
gelassen und diesbezüglich auf die in extenso erscheinende Arbeit
des Referenten verwiesen werden.
Hervorgehoben sei nur, dals Referent besonderen Wert auch auf
die sofortige Erledigung der Sachen nach Punkt 4 legt, um wirk-
lichen Nutzen für die Schuljugend nach der Richtung der sani-
tären Überwachung zu erreichen, Nutzen für das Schulkind und
die Schule (Sanierung des Absenzenwesens).
Sodann leuchtet ein, dals in Ergänzung von Punkt ö jedes
sehi^lärztliche präventive Handeln in Epidemiezeiten versagt und
beim Publikum unpopulär wird, wenn einerseits die Anzeige der
ansteckenden Krankheitsfälle von Seiten der Ärzte vernachlässigt
wird, anderseits zur Durchführung von Karenzzeiten und Quaranta-
nierungen dem Schularzte kein strammes staatliches, sanitätspolizei-
liches Gesetz den Rücken deckt.
Die Forderung von Punkt 6, dafs nur eine beschränkte Zahl
von Schulkindern einem Arzte unterstellt werden soll, ist seit den
CoHNschen Thesen (Genf 1882) stets und überall wiederholt worden;
es ist dies nicht nur ein leicht aphoristisch zu beweisender Satz,
sondern eine eigentliche Erfahrungstatsache. Immerhin wird auch
hier eine Stadtgemeinde andere Normen aufstellen als das Land.
Ebenso wichtig ist es zur Vermeidung von Kollisionen und
Animositäten mit den Hausärzten, dals der Schularzt nicht die Schul-
424
kinder von Amtes wegen behandle, und das Postulat in Punkt 4
ist auch nur dahin ssu verstehen, daüs der Schularzt die betreffenden
Sünder sofort einer richtigen Hilfsstelle (Armenarzt, Poliklinik usw.)
zuweisen solle.
IV.
Als weitere leitende G-rundsätze empfiehlt Referent femer:
1. Der stets mit der Schule in Kontakt tretende eigentliche
Schularzt; kann ein diplomierter, allgemein praktizierender
Arzt sein, der sich sohulhygienisch ausgebildet hat. Damit
jeder patentierte Arzt über sohulhygienische Kenntnisse nach
seinem Examen verfüge, soll auf den Hochschulen im Unter-
richt und beim Examinieren der Hygiene ein gewichtiger
Teil der Schulgesundheitspflege zugemessen werden.
In gröfseren Städten mögen zur besseren Zentralisierung
und äleichgestaltung der schulärztlichen Tätigkeit und zur
Zusammenstellung der Resultate derselben Schularztbeamte
am Platze sein, welche nebenbei nicht ärztliche Praxis be-
treiben.
2. Der Schularzt soll bezahlt werden. Die Gratisbemühungen
ärztlicher Mitglieder von Schulkommissionen können einer
intensiven schulärztlichen Tätigkeit erfahrungsgemäüs nicht
genügen.
3. Das schon oft aufgestellte Postulat der schulhygienisohen
Durchbildung unserer Lehrerschaft wird erneuert, weil es
noch nicht allgemein realisiert ist. Wenn einmal alle Lehrer
hygienisch gebildet sind, kann das Pflichtenheft des Schul-
arztes, soweit es nicht seine spezifisch medizinische Tätigkeit
betrifft, bedeutend gekürzt werden.
4. Mit dem Unterricht in Gesundheitspflege durch die Lehrer
kann und soll an den Volksschulen schon früh begonnen
werden (Einflechten hygienischer Belehrungen beinahe in
jedem Dnterrichtszweig).
Referent glaubt dann schlieMioh, dais die Erfahrung uns gelehrt
hat, daJjs bis jetzt der Kampf ums Prinzip des Schularztes wirklich
im grofen und ganzen als beendigt betrachtet werden kann. Immer-
hin ist es schwierig, für die Art und Weise der schulärztlichen
Arbeit eine allen diversen Anschauungen und finanziellen Verhält-
nissen von Staaten, Stadt- und Land-, privaten und öffentlichen Unter-
richtsanstalten gerecht werdende Form zu finden. So sehr der Antrag
425
Leubüsghbb auf dem Nürnberger EongreiB als ideales Postulat zu
begrüJben ist, neigt Referent doch mehr der Ansicht von Samosoh-
Breslau (ebenda geäulsert) zu, welche die einheitliche Regulierung
der schulärztlichen Tätigkeit für ein Ding von ungeheurer Schwierig-
keit hält. Immerhin ist der Gedanke sehr wertvoll und die Reali-
sierung der Idee zu wünschen, wenn wir einst ein klares Bild davon
erhalten wollen, was an Krankhaftem, das sich während der Schul-
zeit bei unserer Jugend zeigt, wirklich nur der Schule und welchen
Einrichtungen derselben ätiologisch zugewiesen werden soll. Auf alle
Fälle ist eine gründliche Erforschung der Lebensweise der Kinder
bei sich zu Hause zu einer solchen internationalen Schulmorbiditäts«
Statistik nnerläfslich.
Der Stoff war grofs und die Zeit drängte; Referent schlois mit
einem Appell an die Ärzte, sich der Sache der Schulgesundheitspflege
mehr als bisher zuzuwenden, und mit einem Aufruf an die Behörden,
den Arbeiten der Schweizerischen ßesellsohaft für Schulgesundheits-
pflege ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken.
Speziell wird die ärztliche Überwachung der Schulen, wenn die
Frage einmal in praktischer Weise überall im Lande gelöst ist, ein
hervorragendes öffentliches Werk von tiefgehendster sozialer Be-
deutung darstellen.
Hleiiiere iHittetliiii$eii.
über die Beziehangen zwischen Schule und Infektionskrank-
keiten hielt Professor WASSBBMANN-Berlin, wie in einem Berliner Brief
der „Manch, med. Wochenschr. (1905 Nr. 8) berichtet wird, im Verein
ftr Schnlgesondheitspflege einen Vortrag. W. wies darauf hin, dafs die
in Berlin geltenden Bestimmangen über das Verhalten der Schüler bei an-
steckenden Krankheiten viel zu schematisch sind und mit dem heutigen
Stand der Wissenschaft nicht mehr übereinstimmen. So sollen z. B. ein
diphtheriekrankes Kind and seine Geschwister 30 Tage vom Beginne der
Erkankong an der Schule fernbleiben, während bei Scharlach sechs Wochen
ab normale Erankheitsdauer gelten. Derartige Bestimmungen sind natürlich
ganz willkflilich, denn die Dauer der Anstecknngsfähigkeit richtet sich
mcht nach der Zeit. Ftlr Kinder, die Scharlach gehabt haben, ist der
Wiedereintritt in die Schule vielmehr abhängig zu machen von der Be-
endiguDg der Abschuppung, und bezüglich der Diphtherie müfsten die Be-
stimmmigen dahin gehen, dafs die Kinder erst dann wieder zum Schul-
426
besQch zugelassen werden, wenn sie nach Aasweis der bakteriologischen
Untersnchnng frei von Diphtheriebazillen sind. Fttr die Ansftthrang dieser
und ahnlicher Untersachnngen wäre ein öffentliches bakteriologisches
Laboratoriom and für die Darchfahrung der notwendigen Mafsnahmen zur
Yerhütang der Yerschleppang ansteckender Krankheiten eine städtische
Gesnndheitsbehörde nötig. In New York bestehen derartige Institate schon
seit längerer Zeit and funktionieren Yorzüglich.
Dr. med. Göxz-Mündien.
Die ÜberfBUnng der prenfsischen Tolkssehnlen. Hierüber fahrte
in seiner Rede im prenfsischen Abgeordnetenhause in der Sitzung vom
25. Februar d. J. der Abgeordnete Ernst folgendes aus (amtl. stenogr.
Bericht) : Die Zahl von 70 bis 80 Schülern in einer Klasse, die noch als
normal gilt, ist eine viel zu hohe. Wenn für die höheren Knaben- und
Mädchenschulen 40 als Maximalzahl yorgeschrieben ist, so meine ich,
dürfte auch bei den Yolksschulen die Zahl nicht höher sein; denn der
Unterricht in den Yolksschulen ist wahrlich nicht leichter als der in den
höheren Schulen. Bei uns in den Ostmarken müfste die Zahl, wenn irgend
möglich, noch ermäfsigt werden. Wenn wir die Maximalzahlen für die
höheren Schulen als Mafsstab für die Yolksschulen anlegen, dann brauchen
wir noch 40000 Lehrer mehr.
Bestrafaog eines Lehrers wegen KSrperyerletzang. Ein Lehrer
in Oldenburg bestrafte einen Schüler mit einem Stocke. Infolge des
Widerstandes des Schülers kam ein Schlag statt auf das Gesäfs an den
Hinterkopf, der infolgedessen anschwoll. Wie wir „ Wissensch. m. St^tüe*^
(Nr. 5) entnehmen, wurde der Lehrer verklagt und wegen Körperverletzung
zu 50 Mk. Strafe verurteilt. In dem Urteile heifst es, der Angeklagte
habe fahrlässig gebandelt, weil er sich sagen mufste, dafs bei dem Wider-
stände des Knaben leicht ein Schlag einen anderen Körperteil treffen könne.
Die Revision des Angeklagten wurde vom Reichsgericht verworfen.
Waschgelegenheiten in der Schule. Mit Recht wird in den
y^Frankf. N. Nachr." erklärt, es sei zu bedauern, dafe in einer Anzahl
Frankfurter Schulen, sogar in den höheren Lehranstalten, Waschvor-
richtungen mit Handtüchern fehlen. Man baut Schulpaläste und lälst es im
Innern der Schulen am nötigsten fehlen. Hier liegt ein Mangel vor, dem
abzuhelfen das Bestreben aller Pädagogen bilden sollte. Wenn man bedenkt,
wie viel Staub sich in den Büchern und Heften und in der Klasse selbst,
auf Tischen und Bänken ansammelt, wenn man in Betracht zieht, mit
welchen anderen Substanzen (Tinte, Blei, Schiefer, Kreide, Radiergummi,
Klebestoff usw.) die Hände der Kinder noch in Berührung kommen, dann
mufs man sich eigentlich wundem, dafs derartige Einrichtungen noch nicht
getroffen worden sind. Die Kinder sollten sich unbedingt in den Pausen
ihre Hände reinigen. Möge ein neu heranwachsendes Geschlecht sich mehr
der ersten Erfordernis unseres Lebens, der Reinlichkeit, annehmen, und es
wird zum Wohl der Kinder, zum Segen der Schule ausschlagen.
Auf allzDfrfihen Schulbeginn im Orte Arteishof en (Frank. Schweiz)
macht der j^Mainß. Ane.^ aufmerksam. In diesem Orte wird seit Jahren
in den Monaten von April bis September der Schulbeginn auf morgens
6 Uhr festgesetzt. Das geschieht auf Betreiben einiger Bauern, die die
427
Schnlkommission beherrschen nnd die die Kinder möglichst bald wieder
daheim haben wollen, damit sie bei der Landwirtschaft helfen können. Za
dem Schulsprengel gehören nun aber Ortschaften, die vom Sitz der Schnle
mehr als eine Stande entfernt sind, so dals die betreffenden Kinder um
halb 5 Uhr nnd noch früher aofstehen müssen, wenn sie rechtzeitig am
Platze sein wollen. Der Lehrer wehrt sich dagegen im Interesse der
Schnle, aber die Bauern meinen höhnisch : Der Schulmeister will nur nicht
aufstehen! Das Schönste ist, dafs die vorgesetzten Behörden diese weder
m pädagogischer noch gesundheitlicher Beziehung der Jugend förderliche
Mafsregel dulden.
Über die ZahnyerhUtiiisse der Schulkinder in den Landgemeinden
des Kreises Worms machte, wie wir dem y^Maing. Äne."' entnehmen, der
Schularzt des betr. Kreises interessante Mitteilungen. Unter 8000 vom
Arzte untersuchten Kindern sämticher Schulklassen kamen bezüglich des
Emfthrungszustandes, der Reinlichkeit und des Cresundheitszustandes 2582
Beanstandungen vor. Bei der Besichtigung der Zahne stellte sich ein
recht ungünstiges Resultat heraus, ^ur in sehr wenigen Ortschaften be-
trug in den Oberklassen die Zahl deijenigen Gebisse, die noch als gut
und zurzeit zahnärztlicher Hilfe nicht bedürftig bezeichnet werden konnten,
50 Prozent. In den übrigen Klassen sind unter 100 Schulkindem nur
10 bis 15, die ein normal entwickeltes, nicht defektes Gebifs besitzen.
Von den 1000 Schulanfängern zeigten 721 Kinder Gebisse mit schadhaften
Zahnen. Auch mit der Zahnpflege ist es noch sehr schlecht bestellt; die
Zahnbürste ist yielen Kindern ein gänzlich unbekanntes Werkzeug. Manche
Kmder machten sogar die überraschende Mitteilung, dafs die einzige vor-
handene Zahnbtlrste Gemeingut der Familie sei.
Zahnverderbiiis und kSrperliehe Entwicklung. Wie wir den
Tagesblattem entnehmen, wurde im „Verein für Volkshygiene" in Dresden
mitgeteilt, dals nach den in ganz Deutschland vorgenommenen umfassenden
Untersuchungen der Zentralstelle für Zahnhygiene in Dresden die engsten
Beziehungen zwischen der Zahnverderbnis und der Entwicklung der Schul-
kinder sowie der Musterungspflichtigen bestehen. Schlechtbezahnte Kinder
bleiben in der Ernährung zurück und haben ein geringeres Körpergewicht
als gutbezahnte. Schlechtbezahnte Rekruten liefern um ein Drittel weniger
taugliche Soldaten als gut bezahnte. Während von den Besitzern guter
Gebisse 47,8 Prozent militärtauglich waren, liefern die schlechtbezahnten
Leute nur 32,2 Prozent Taugliche, Von den in Dresden untersuchten
47000 Schulkindem und 2500 Rekruten entfielen auf jedes Kind im
Durchschnitt 7Vt, auf jeden Rekruten 3^/s kranke Zähne.
Vor dem Ankairf gebrauchter Sehnlbficher warnt bei Beginn des
neuen Schuljahres das „Leipz, Tcigehl.*', Es erwähnt die Tatsache, dals
oft die abgehenden oder in höhere Klassen versetzten Schüler und Schüler-
mnen ihre überflüssig werdenden Bücher an die nachrückenden verkaufen.
Soweit das gebrauchte Schulbuch noch in gutem Zustande ist, kann gegen
diese Praxis nichts eingewendet werden, denn viele Eltern haben mit ihren
Mitteln hauszuhalten und sind wohl berechtigt, auch bei dem Ankauf
von Schulbüchern auf Ersparnisse auszugehen. Oft sind aber diese ge-
brauchten Schulbücher in einem derartig schlechten Zustande, dafs die
428
Ersparnis unerheblich ist, gegenüber dem Eradehongsfehler, der darin liegt,
da(s die Kinder so von Jagend auf an nnsanbere Bücher gewöhnt werden.
Freilich wird dieser Übelstand noch nicht überall so stark empfänden, als
er wohl sein sollte, weil in Deutschland die Benntznng geliehener oder sonst
gebraucht erworbener Bücher sogar oft von solchen Leuten nicht als un-
gehörig gilt, die auf Kleider, Wäsche oder Hausrat gro&e Summen ver-
wenden. Aber auch aufserdem hat der Ankauf von alten Schulbüchern
und ihr Gebrauch Nachteile im Gefolge: Stark gebrauchte Bücher sind oft
gesundheitsgefährlich, weil sie von firüheren Besitzern her mit den Keimen
ansteckender Krankheiten, unter denen namentlich Masern, Scharlach und
Diphtherie zu nennen wären, behaftet sbd. (Durch Einführung der ün-
entgeltlichkeit der Lehrmittel in den Volksschulen werden die hier mit
Recht gerügten Übelstände mehr oder weniger beseitigt. D. B.)
Speisung armer Schulkinder in Stettin. Wie in der letzten
Sitzung des Vereins für Ferienkolonien und Speisung armer Schulkinder
mitgeteilt wurde, sind im verflossenen Winter täglich 1449 Kinder gespeist
worden. Um Mittagessen beworben hatten sich 1746 Kinder. Davon
waren: von arbeitslosen Vätern 643, von Witwen 555, von kranken Eltern
164, ans sehr armen Familien 99, von eheveriassenen Frauen 92, mutterlos
10. Von 4 Kindern war der Vater im Gef&ngnis, von 8 in der Irren-
anstalt. Von 62 Kinder hatten die Mtem 6, von 36 7, von 18 8, von
6 9, von 4 10, von 3 11, von 2 12 und von 1 13 Kinder.
Die Aborteinriehtnngen in den Berliner Schnlen befinden sidi
bekanntlich in einem besonderen Gebäude auf dem Hofe. Nun wurde,
vne wir den Tagesblättem entnehmen, in einer der letzten Stadtverordnetea-
yersamndungen bei den Etatsberatungen von verschiedenen Seiten der
Wunsch ausgesprochen, es sollten für die Aborte, namentlich in den
Mädchenschulen, Wartefirauen angestellt werden, die daselbst nicht nur für
Reinlichkeit, sondern auch für die Sicherheit der Mädchen zu sorgen
hätten. Da werde man sich denn doch die Frage vorlegen, warum eigentlich
die Aborte in allen Schulen in einem Extrahäuschen am Ende des Schoi-
hofes angelegt sind, und nicht wie sonst in öffentlichen Gebäuden nnd
Privathänsem im Hause selbst. Das könne bei den überall vorhandene,
gut funktionierenden Spülvorrichtungen an ein oder zwei Stellen der
Korridore ohne weiteres geschehen und böte eine entschiedene Verbesserang,
denn die Kinder brauchten dann nicht in Wind und Wetter über den
groben Hof zu laufen und könnten sich so leichter vor Erkältungen nnd
ähnlichen Erkrankungen schützen. Mit dieser Einrichtung könne man
aufserdem gleichzeitig eine neue verknüpfen, die durchaus nicht überfl&ssig
erscheint. Man könnte Waschbecken für die Kinder einrichten, die —
so sonderbar es ist — heutzutage noch in keiner Beriiner Schule zu finden
sind. Wer sich die schmutzigen Hände von Schulkindern einmal angesehen
hat, wird doch wohl der Ansicht sein, dafs solche Waschbecken eine un-
bedingte Notwendigkeit bedeuten. Denn wie soll man die Kinder zur
Sauberkeit erziehen, wie sollen sie ihre Hefte und Bücher sauber erhalten,
wenn ihnen die Möglichkeit, sich zu reinigen, am wichtigsten Teil des
Tages mangelt!
429
Sajesjefditditlidies.
über jagendliehe Verbrecher fafste der Kantonsrat von Zürich
bei Gelegenheit der Aasarbeitang der Grundlagen eines verbesserten Rechts-
pflegegesetzes folgende Bestimmungen:
^Kinder, die das 15. Altersjahr noch nicht zurückgelegt haben, soUen
nicht mit Polizeibnlsen belegt, sondern der Schulpflege zur disziplinarischen
Bestrafung überwiesen werden. Bei Kindern, die das 16. Alter^ahr noch
nicht zurückgelegt haben, kann der Bichter an Stelle der Strafe richter-
lichen Verweis oder Disziplinarstrafe eintreten lassen, oder, sofern das
Kind noch schulpflichtig ist, es der Schulpflege zur disziplinarischen Be-
strafang überweisen.^
„Mindeijährige, die an Stelle einer Strafe in eine Besserungs-
anstalt eingewiesen wurden, können bei Wohlverhalten nach sechs Monaten
ans der Besserungsanstalt entlassen werden; erweist sich die Dauer der
Einweisung als ungenügend, so kann das Gericht auf Antrag des Staats-
anwalts und der (Anstalts-) Aufsichtskommission den Aufenthalt verlängern,
doch höchstens um ein Jahr. Kann die eingewiesene Person nicht mit
£rfolg behandelt werden, so ist eine angemessene Freiheitsstrafe auszu-
sprechen." [Schweiß. Lehrerztg.f 1905, Nr. 10.)
Belehrung der Schfller der höheren Lehranstalten Aber die
Geseklechtskrailkheiten. Yor kurzem wurden in Frankfurt a. M.
die Abiturienten der höheren Lehranstalten durch einen besonderen Vor-
trag mit den Gefahren des aufserehelichen Geschlechtsverkehrs bekannt
gemacht. Hierzu schreibt der ^Mln, Ztg,^ ein Arzt aus Dortmund,
dab er schon anfangs März für die dortigen Abiturienten auf Anordnung
der Schulleitung einen Vortrag über denselben Gegenstand gehalten habe,
jedoch im Gegensatz zu Frankfurt, in Abwesenheit von Eltern und Lehrern.
»Die Abiturienten", heilst es in dem Schreiben weiter, „waren für die
ihnen gegebene Aufklärung sehr dankbar. Die Stadt Dortmund hat also
danach den Vorzug, zum ersten Male eine derartige Einrichtung, die un-
zweifelhaft grofsen Vorteil verspricht, getroffen zu haben, ebenso wie sie
die in Deutschland wohl bis jetzt einzigartige Einrichtung besitzt, den
Schalem der oberen Klassen Unterricht in der ersten Hilfeleistung bei
Unglücksfällen und in der öffentlichen Gesundheitspflege durch einen be-
sonders vorgebildeten Arzt erteilen zu lassen."
Ferienwandernngeii der Volksschfller wird zum ersten Male in
diesem Jahre der „Deutsche Verein für Volkshygiene**, Ortsgruppe Berlin,
veranstalten, und zwar zunächst mit 100 Schülern, welche in Gruppen zu
20 eine sechstägige Wanderung unter Führung je eines Lehrers während
der greisen Ferien machen werden. Die Kosten hierfür hat der Verein
im Kreise seiner Mitglieder aufgebracht. Wie wir der „Deutsch. Warte^
entnehmen, beabsichtigt der Verein, auf diese Weise die gesunden Grols-
stadtkinder der ärmeren Kreise wieder in engere Fühlung mit der Natur
Sehalgesuiidh^iUpfleffe. XVIIL 24
430
zu bringen, und wenn dieser erste Versuch sich bewährt, so soll diese
Einrichtung vom nächsten Jahre ab ständig und in groi^m MaCsstabe
ausgeführt werden. Nähere Auskunft erteilt die Geschäftsstelle, Berlin W.,
MotzstraCse 7, wo aber Anmeldungen zur Teilnahme an den diesjährigen
Wanderungen nicht mehr angenommen werden.
Bin Schnkahnarzt in Wiesbaden. Aus Wiesbaden kommt die
Nachricht, dafs die dortigen Zahnärzte einstimmig die Ernchtnng einer
SchulzahnarztsteUe beim Magistrat beantragt haben«
Die H8fe der Sehnlen in Budapest als SpielpUtze. Der„JRßs(.
Lloyd^ teilt mit, dafs die Unterrichtssektion des Magistrats die allgemeine
Verwendung der Höfe als Spielplätze für die Schulkinder beabsichtige.
Vor der Durchfährung dieser Mafsregel wünscht die Sektion sich darüber
zu orientieren, inwiefern die Höfe zu diesem Zwecke geeignet sind und
hat an die Direktoren sämtlicher Eommunalschulen im Zirkularwege dies-
bezügliche Anfragen gerichtet.
Ferienkolonien in Stettin. Zur Entsendung in die die^ährigen
Ferienkolonien wurden von den Volksschulen der Stadt vorgeschlagen
786 Mädchen. Bei Untersuchung derselben durch die Ärzte zeigte sich
das alljährlich wiederkehrende Bild: neben schwerkranken Kindern eine
Menge schwachernährter Rekonvaleszenten, Bleichsüchtiger und Skrophu-
loser. Ans der Menge sind zunächst 82 ausgewählt worden, die dann
nach vierwöchentlichem Aufenthalt in den Kolonien durch andere ersetzt
werden sollen.
Sanitäre Fragebogen wurden nach einer Mitteilung des j^Hannov,
Äng."^ den Eltern deijenigen Kinder zugestellt, welche zu Ostern d. J. in
die Bürgerschulen in Hannover eingeschult worden sind. Im Interesse
der Kinder sollten diese Fragebogen aufs sorgfältigste beantwortet werden.
Sie enthalten u. a. folgende Fragen: In welchem Leben&ijabre hat das
Kind Krankheiten durchgemacht und welche waren das? Haben diese
Krankheiten dauernde schädliche Folgen hinterlassen? Hat das Kind
Verletzungen mit dauernden Folgen erlitten? Ist es schwerhörig, kurz-
oder weitsichtig? Hat das Kind sonstige Gebrechen und Schwächen
(Krämpfe nsw.)? Wann lernte es sprechen?
Fnrsballspiel nnd Rudersport in den Heidelberger Sehnlen.
Wie wir dem „Heidelb. Tagehl.'* entnehmen, soll von dieser Stadt aus
eine Eingabe an den Oberschulrat in Karlsruhe gerichtet werden, in der
die Bitte ausgesprochen ist, „den Zöglingen der Heidelberger Oberreal-
schule gestatten zu wollen, am Fufsballspiele sowie am Rndersporte teil-
zunehmen*'. Die Eingabe bezweckt die Aufhebung des Verbotes seitens
der hiesigen Oberrealschule, das den Schülern der Anstalt „jede Art des
Spiels mit einem Fu&ball untersagt und sie auberdem daran hindert, zum
Zwecke des Rudersports irgend einer Vereinigung beizutreten^ (I Red.). Es wird
darauf hingewiesen, dafs „Tausende von deutschen Kindern unter An-
leitung ihrer Erzieher das Glück freier systematischer körperlicher Aus-
bildung durch den Sport geniefsen und auch die Zöglinge des Heidelberger
Gynmasiums sich seit Jahren mit bestem Erfolge sowohl dem Fufsball-
spiele als auch dem Rudern haben hingeben dürfen**. Die von der Ober-
realschule eingeführten Jugendspiele, welche mit Zwang nnd Bestrafiiog
431
Terbnoden seien, „werden von einer grolsen Anzahl der Schüler nnr sehr
unwillig ertragen nnd können schon ans diesem Gmnde niemals die Ent-
lastung bringen", welche der Zweck jeden Spieles sei. Anfserdem werden
eine Menge hygienischer Bedenken gegen diese Jagendspiele geltend ge-
macht. Die Eingabe ist mit 155 Unterschriften versehen. Unter den Unter-
zeichnern befinden sich 7 Universitätslehrer, 25 Ärzte, 85 frühere Schüler
der Oberrealschnle Heidelberg sowie der Verband ehemaliger Abiturienten
der Oberrealschnle nsw.
The Royal lostitate of Pnblie Health hält seinen Kongrefs vom
19. bis 25. Jnli in London ab. In Abteilnng 6. werden n. a. folgende
Themata behandelt: Die Behandlung kranker Kinder in der Schule, die
Ernährung der Schulkinder, Schulschwimmen, körperliche Übungen in der
Schule. Die Abteilung 0. umfafst speziell: Das Studium des Kindes und
Schulhygiene. In einem Begleitschreiben zu dem übersandten Programm
wird zum Besuch des Kongresses eingeladen.
Eine Ansstellnng ffir Sehiügesiuidheitspflege findet vom 3. bis
5. Oktober dieses Jahres in Hannover statt, und zwar anläfslich der
22. Versammlung des Hannoverschen Provinzial-Lehrervereins. Neben der
Literatur über das gesunde und kranke, das geistig schwache, das idiotische
nnd das anormale Schulkind sollen Apparate und Anschauungstafeln, Lehr-
mittel und Tabellen über die innere nnd äufsere Ausstattung der Schul-
räame, Ventilation, Heizung, Beleuchtung, die Raumverhältnisse, die Schul-
banksysteme, die Hygiene des Unterrichts, die Wirkung des Alkohols usw.
gexeigt werden.
Hmüx^t ^ttfu^nn^tn.
Pflege des MkdcheDtnrneBs in den Städten nnd stadtähnlichen
Ortschaften.
Berlin, den 20. März 1905.
Aus den Berichten der Königlichen Regierungen über den Stand des
M&dchentnmens in den Städten habe ich mit Befriedigung ersehen, wie die
gesundheitliche und erziehliche Bedeutung des Turnunterrichts für die weib-
liche Jugend in immer weiteren Kreisen die gebührende Würdigung findet.
Inscmderheit habe ich gern auch davon Kenntnis genommen, dafs in einer
Anzahl von Städten dieser Unterricht nicht nnr für die höheren Mädchen-
schulen, sondern für alle Schülerinnen, auch für diejenigen der Volksschule,
eingerichtet worden ist. Die hierbei gewonnenen günstigen Erfahrungen,
die angenfUligen segensreichen Wirkungen, welche eine sachgemäCs geleitete,
der Eigenart des Mädchens angepafste turnerische Betätigung für die be-
treffenden Schülerinnen gehabt hat, lassen es angezeigt erscheinen, dem
Midchentumen tunlichste Verbreitung zu geben.
24*
432
Zu diesem Zwecke ist anznstreben, dals in den St&dten and stadt-
ähnlichen Ortschaften — von letzteren kommen namentlich solche mit vor-
wiegend industrieller Beschäftigung der Bewohner in Frage — anch in den
Volks- and, soweit dies nicht bereits geschieht, den Mittelschalen, and
zwar auf der Mittel- and der Oberstufe, in wöchentlich zwei Standen ver-
bindlicher Turnunterricht erteilt wird. Wo es ohne Schwierigkeiten und
Zeitverlust möglich ist, kann derselbe statt in zwei ganzen auch in vier
halben Stunden gegeben werden. Wünschenswert ist, dafs auch auf der
Unterstufe Tumspiele und Vorübungen stattfinden. Daneben ist tunlichst
auch aulserhalb der Schulstunden Anregung und Gelegenheit zur Teilnahme
an Jugendspielen im Freien zu geben.
Da zur sofortigen Durchführung einer bezüglichen allgemeinen An-
ordnung in vielen Städten die notwendigen Vorbedingungen mehr oder
weniger noch fehlen, so ist zur Erreichung des bezeichneten Ziels nach
Mafsgabe der örtlichen Verhältnisse allmählich vorzugehen und hierbei fol-
gendes zu beachten:
1. Wo bereits neben Turnplätzen auch Turnhallen zur Mitbenutzung
verfügbar oder geeignete Lehrkräfte vorhanden oder unschwer zu beschaffen
sind, hat die Einführung des verbindlichen Mädchentumens für das ganze
Jahr alsbald zu erfolgen.
2. Wo zwar noch keine Turnhallen, aber geeignete Turnplätze oder
als solche brauchbare Schulhöfe und die erforderlichen Lehrkräfte vor-
handen sind, ist das Mädchentumen für das Sommerhalbjahr verbindlich
zu machen. Demnächst ist behufs Ausdehnung dieses Unterrichts auch
auf das Winterhalbjahr für allmähliche Beschaffung von Turnhallen Sorge
zu tragen.
3. Soweit der Mangel brauchbarer Turnplätze oder einer ausreichenden
Zahl geeigneter Lehrkräfte das Mädchenturnen zurzeit überhaupt noch nicht
gestattet, sind die einleitenden Schritte zu tun, um möglichst bald die er-
forderlichen Voraussetzungen für die verbindliche Einführung desselben zu-
nächst für das Sommerhalbjahr zu schaffen. Hierbei wird es sich in einigen
Bezirken besonders auch darum handeln, in gröfserem Umfange als bisher
an den städtischen Mädchenvolksschulen Lehrerinnenstellen einzurichten und
mit solchen Lehrerinnen zu besetzen, welche auch für den Turnunterricht
beffthigt sind. Ob und wie weit dieser Unterricht in der Übergangszeit
auch geeigneten Lehrern übertragen werden kann, bleibt dem pflichtm&fsigen
Ermessen der Schulaufisichtsbehörde überlassen.
4. Sofern die Befreiung von der Teilnahme an dem verbindlich ein-
geführten Turnunterrichte aus Gesundheitsrücksichten nötig erscheint, ist
ein ärztliches Zeugnis beizubringen.
5. Bezüglich des Stundenplans ist daran festzuhalten, dafs über die in
den allgemeinen Bestinunungen vom 15. Oktober 1872 — B 2311 —
festgesetzte Gesamtzahl wöchentlicher Unterrichtsstunden für die Oberstufe
nicht hinauszugehen ist. Um die ftlr den Turnunterricht erforderlichen
Stunden zu gewinnen, kommt in erster Linie der Wegfall der für mehr-
klassige Volksschulen angesetzten zwei Raumlehrestunden oder, wo die
letzteren auf Grund des Erlasses vom 6. März 1873 [ZmUralbh 1873,
S. 294) bisher durch vermehrten Handarbeitsunterricht ersetzt werden,
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der Wegfall dieser beiden Handarbeitsstunden in Frage.
Sollten hiergegen Bedenken bestehen, so sind anderweite Vorschläge za
machen and vorzulegen.
6. Die Grundsätze und methodischen Bemerkungen über das Tarnen
in höheren Mädchenschulen, welche in den Lehrplänen vom 31. Mai 1894
sich finden, sind unbeschadet der vorstehend im Schlufssatze von Ziffer 3
einstweilen zugelassenen Ausnahme bis auf weiteres auch für das Turnen
in den übrigen Mädchenschulen mafsgebend. Ein Übermafs von Ordnungs-
und Reigenübungen ist ebenso zu vermeiden wie die übertriebene Inan-
spruchnahme der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses bei Gestaltung der
Freiübungen. Auf Bewegungs-, namentlich Laufspiele im Freien ist be-
sonderer Wert zu legen.
Tumsprache und Befehlsformen richten sich nach dem amtlichen Leit-
faden für den Turnunterricht in den preufsischen Volksschulen von 1895.
Die Herausgabe eines besonderen Leitfadens für das Mädchentumen bleibt
vorbehalten.
7. Unter Bezugnahme auf die in den Lehrplänen vom 31. Mai 1894
über den Anzug der Schülerinnen gegebene Anweisung weise ich wiederholt
nachdrücklich auf die schwere gesundheitliche Schädigung hin, welche dem
sich entwickelnden weiblichen Körper durch einschnürende Kleidung zu-
gefügt wird. £s kann keinem Zweifel unterliegen, dafs der Zwöck des
Turnunterrichts bei solchen Schülerinnen, welche im Korsett turnen, nicht
erreicht werden kann, da es die ausgiebige und wirkungsvolle AusfGihrang
der wichtigsten Übungen, insonderheit auch derjenigen der RumpfQbnngen,
hindert, welche der Gesundheit besonders dienlich sind und eine freie, auf-
rechte, schöne Körperhaltung fördern. Das Tragen einschnürender
Kleidung beim Turnen ist daher nicht zu dulden.
Ich vertraue, dafs die Königlichen Regierungen der Pflege und Förde-
rung dieses Unterrichtsgegenstandes, welcher zur Erhaltung und Kräftigung
der Volksgesundheit beizutragen in hervorragendem Mafse geeignet ist, be-
sondere Fürsorge zuwenden werden.
Über das binnen drei Jahren in dieser Beziehung Erreichte ist ein
näherer Bericht in Gestalt einer Nachweisung über den Stand des Mädchen-
tumens am 1. Mai 1908 nach dem beifolgenden Formulare vorzulegen.
Der Minister der geistlichen usw. Angelegenheiten.
Studt.
An die Königlichen Regierungen und das
Königliehe Provinzial-Schulkollegium zu
„ ,. U III B. 3174
Berhn.
ü III A. ü III D. M.
{„Zm&albl /*. d. ges, ünterrichtsverwaltg. in Preußen^, Aprilheft 1905.)
435
y6fMta]ig flbertri6beDeD Anfirands bei SehfileifestUehkeiteD.
Berlin, den 19. Jannar 1905.
Dem königlichen Provinzial-Scholkollegium übersende ich anbei znr
Kenntnisnahme Abschrift eines Rnndschreibens, das die Direktoren der
höheren Lehranstalten in der Stadt N. betreffs des flbertriebenen Aufwands
bei ScbOlerfestlichkeiten an die Eitern ihrer Schiller nnter dem 1 . Oktober
1904 gerichtet haben.
Das Königliche Provinzial-Schnlkolleginm veranlasse ich, wenn ähnliche
Erscheinungen, wie sie in dem Rundschreiben zur Sprache gekommen sind»
auch in dem dortigen Amtsbereiche zutage getreten sein sollten, ebenfalls
in angemessener Weise vorzugehen.
Der Minister der geistlichen usw. Angelegenheiten.
Stüdt.
An die Königlichen Provinzial-Schulkollegien
mit Ausnahme von N. U II 8540.
N., den 1. Oktober 1904.
An die Eltern unserer Schüler.
Die unterzeichneten Direktoren möchten es bei der diesmaligen
Zeugniserteilung nicht unterlassen, die geehrten Eltern der Schüler ihrer
oberen Klassen von gemeinsamen Wahrnehmungen zu unterrichten, die ganz
besonders im Winterhalbjahr ein Zusammenwirken der Eltern und Lehrer
wünschenswert machen.
Von allen Anstalten wird den älteren Schülern im Leben aufserhalb
der Schule eine freiere Bewegung eingeräumt. So ist innerhalb
gewisser Grenzen der Besuch von Wirtshäusern gestattet; mit Zustimmung
der Direktoren bestehen Vereine zu löblichen Zwecken, und wenn es sich
hie und da um besondere Vergnflglichkeiten handelt, legt die Schule, falls
es sich mit ihrer Arbeit vereinigen lälst, kein Hindernis in den Weg.
Aber Ausschreitungen bleiben nicht aus, manchmal dadurch hervor-
gerufen, däls die eine Schule sich vor der anderen oder der eine Verein
vor dem anderen in Ausnutzung der gegönnten Freiheit und der Gestaltung
von Festlichkeiten hervortun möchte. Die Direktoren sind deshalb über-
eingekommen, den an ihren Schulen bestehenden Vereinen strenge Ab-
fichliebung nach aulsen zur Pflicht zu machen und den Besuch von geselligen
Zusammenkünften der einzelnen Schulen durch Schüler anderer Anstalten
zu untersagen.
Nach einer vielfach gemachten Beobachtung nimmt ferner der Aufwand
bei festlichen Gelegenheiten immer mehr zu. Die Kosten von Abiturienten-
konunersen, bei denen jetzt manchmal auch Damen als Zuschauerinnen
nicht fehlen, gehen weit über das Mafs hinaus, und für Tanzereien werden
ganz unverhftltnilsmäisige Mittel verwandt. Dazu werden die zeitlichen
Grenzen, die fOr solche Vergnügungen bestehen sollten, in vielen Fällen
nicht innegehalten. Auch nach dieser Seite hin sehen die Direktoren es
als ihre Pflicht an, ernstlich einzugreifen.
436
Besonderen Anlals zur Klage bieten anch Yersetznngkneipen, wie sie
Ton Unter-Seknndanem, für die überhaupt strengere Vorschriften bestehen,
ohne irgendwelche Erlaubnis manchmal abgehalten werden, sowie Störungen,
die im Znsammenhange mit der Tanzstunde sich leicht wiederholen.
Die hervorgehobenen Übelstände werden, wie den Direktoren aus
manchen Mitteilungen bekannt geworden ist, auch in den Eltemkreisen stark
empfunden. Haus und Schule sind auf gemeinschaftliche Wirksamkeit an-
gewiesen und dazu verpflichtet. Gewifs begegnen die Direktoren der Zn-
Stimmung der Eltern, wenn sie für den Jüngling eine andere Lebensordnnng
für richtig halten, als für den Knaben und wenn sie den auf Geselligkeit
gerichteten Wünschen der älteren Schüler Spielraum gewähren; zu strenge,
undurchführbare Verbote bewirken oft das Gegenteil der Absicht. Aber
die Eltern sind gewifs auch damit einverstanden, daCs die Schule nicht
alles der Willkür der Schüler überlassen kann, sondern eine bestimmte
Ordnung auch für das Leben auliserhalb der Unterrichtsstunden festsetzen
mufs. Der Schule stehen aber, zumal in der Grofsstadt, nur geringe Mittel
zu Gebot, um das für die Jugend Heilsame durchzuführen. Von der
gemeinsamen Aufgabe der Erziehung mufs auf diesem Gebiete das Haus
den gröberen Teil auf sich nehmen, die Schule kann nur zur Unterstützung
eintreten. .
Deshalb empfehlen die Direktoren das Vorstehende der freundlichen
Aufmerksamkeit der geehrten Eltern und bitten sie vertrauensvoll um ihre
tatkräftige Unterstützung zur Erreichung des gemeinschaftlichen Ziels.
Die Direktionen. (Unterschriften.)
Zentralhl f. d, ge$, UnierrichtsvenvcUtg. m Preufsenj Märzheft 1905.
tittxatnx.
Besprechungen.
Petzold, J. SoDdersehulen ffir hervorragend Befähigte« Leipzig
und Berlin, Teubner, 1906. 8^ 51 S. AI.— .
Die nivellierenden Tendenzen des einheitlichen Schulbetriebes, die
durch die Errichtung der Hilfsklassen für Schwachbefähigte und durch das
Mannheimer System erschüttert worden sind, müssen sich neuerdings eine
Einschränkung gefallen lassen, dieses Mal zugunsten der hervorragend
Befähigten, für die der Verfasser obengenannter Schrift Sondersdinlen
vorschlägt. Die Idee einer unterrichtlichen Sonderbehandlung der Best-
befähigten hat innerhalb der SiCKiNGEBSchen Volksschulorganisation in der
Gestalt der Vorbereitungsklassen bereits eine gewisse praktische Verwirk-
lichung erfahren. Petzolds Vorschläge beziehen sich besonders aof die
Mittelschulen. Er weist nach, dafs die hervorragend Befähigten bei der
heutigen Unterrichtspraxis, wo die letzten noch ans Ziel zu bringenden
mittelbefähigten Schüler das Tempo des Fortschrittes einer Klasse be-
437
stünmen, in der geistigen Bildung nnd im Charakter Schaden erleiden,
mshesondere wird eine Charakterseite vernachlässigt, der Fleifs. Es ist
den herrorragend Befähigten die Möglichkeit benommen, ihre Kräfte aus-
reichend zu betätigen, sie verfallen dadurch leicht dem Massiggange. Die
selbstgewählte Beschäftigung solcher Schüler kann keinen ausreichenden
Ersatz für die fehlende methodische Anspannuug bieten. Viele der besten
Köpfe gelangen dadurch nie dazu, das zu werden, wozu sie befähigt sind,
und der Gesamtheit erwächst ein bedauernswerter Schaden durch die un-
genflgende Entwicklung ihrer bestveranlagten Glieder.
Der Verfasser gibt eine erschöpfende psychologische Analyse der
hervorragenden Befähigung (des Genies, des Talents), um auf Grund
psychologischer Tatsachen den Satz zu bekämpfen, daifs das Genie sich
selbst durchringe. Auch der hervorragendst Befähigte ist einer Erziehung
bedürftig, die seine Kräfte besonders durch methodisches Arbeiten zur
Entwicklung bringt. Diese Erziehung kann nur in Sonderschulen erreicht
werden. Verfasser widerlegt sehr überzeugend die Einwenduug, dais eine
Trennung der hervorragend Begabten etwa durch Wecken von Hochmut
vnd Einbildung gefährlich werden könne und führt dann im einzelnen aus,
wie er sich die Sonderschulen in der Praxis ausgestaltet denkt. Die
näheren Details mögen in dem Büchlein nachgelesen werden; es sei hier
nur von Einzelheiten, die schulhygienisches Interesse bieten, erwähnt: Die
Frequenz der Klassen soll die Zahl 20 nicht überschreiten; es sollen nur
vier wissenschaftliche Lehrstunden im Tage stattfinden, da mit voller An-
spannung gearbeitet wird und bei der kleinen Schülerzahl und der Qualität
der Schüler und Lehrer das KBAPELiNsche Sicherheitsventil der Unauf-
merksamkeit und Langeweile entfällt; der Lehrplan mufs für zwei Stunden
körperlicher Tätigkeit im Tage sorgen. Bemerkenswert ist femer, dafe
der Verfasser für seine Schülerkategorie vor allem eine tief eindringende
naturwissenschaftliche Bildung fordert, und dafs es einem psychologisch
nnd pädagogisch geschulten Nervenarzte als gleichberechtigtem Mitgliede
des Lehrerkollegiums eine wichtige Rolle bei der Neueinrichtung zuweist.
Der Verfasser verbreitet sich schliefislich noch über die finanztech-
nischen und ähnliche Fragen, die das Problem in sich schliefst. Die vor-
trefflich geschriebene Arbeil Petzolds stellt einen bedeutsamen Beitrag
dar zu der sich gegenwärtig im Vordergrund des schulhygienischen Inter-
esses behauptenden Frage der Differenzierung der Schüler nach ihrer Be-
iUiigung. Die Ausführungen des Verfassers sind schon Gegenstand eifriger
Erörterungen in pädagogischen Fachkreisen geworden und sind in hohem
Grade geeignet, unseren schulhygienischen Gesichtskreis zu erweitem.
Dr. MOSES-Mannheim.
Alex. Hiktebbebgeb, Dr. med. Ist unser Gymnasium eine zweck-
■ifsige Institution zu nennen? Wien und Leipzig, W. Braumüller,
1905. L u. 116 S. 8^ 1 Krone 80 Heller (M 1.50).
Das Buch plädiert für Abschaffung des Lateinischen und Griechischen
im Schulunterrichte. Die ganze Frage, ob altphilologischer oder modern-
sprachlicher Unterricht, ist keine schulhygienische; ftlr die Schulhygiene
konunt nach dem derzeitigen Stande unseres Wissens nur in Betracht, ob
438
die Scbnlfordenmgen innerhalb der Grenze der zulässigen totalen Be-
lastung bleiben, nicht ob die totale Belastung der Jugend wesentlich durch
ein klassisches oder modernes Programm mitbedingt ist; dies wird hier
bemerkt, um zu sagen, da(s der eigentliche Inhalt des Buches kein Objekt
fUr die Kritik in dieser Zeitschr^ ist.
Einige wenige Stellen berflhren schulhygienische Momente, teils Selbst-
verständliches, wie Eliminieruttg von Memorierarbeit, die nur „ephemeren
Wert" hat (S. 68), Belehrung über Berufswahl yom hygienischen Gesichts-
punkt (S. 89), teils verbreiten sie sich Ober Dinge, Aber die sich hin-
sichtlich der vom Autor gewünschten Art vom schulhygienischen Stand-
punkte mindestens streiten Heise, bezw. die nur unter entsprechender
anderweitiger Entlastung als zulässig erklärt werden konnten (ausgiebiger
körperlicher Drill, S. 73—74, Hygiene- Unterricht, S. 79—81); ein
Exkurs (Jahresprüfungen, Maturitätsprüfungen, S. 101) verblüfft von selten
eines Arztes und läfst wünschen, dafs der Autor vor allem die einschlSgige
exakte Forschungsarbeit studieren möchte. Vom schulhygienischen Gesichts-
punkt beherzigenswert ist die Forderung, in den einzelnen Unterrichts-
stunden das Prüfen dem Vorbringen neuen Lehrstoffes vorangehen zu
lassen (S. 104).
Dem Wunsche des Autors nach Widerlegung zu entsprechen — es
ist an dieser Stelle selbstverständlich nur an die bemängelten schulhygie-
nischen Punkte gedacht — verbietet dem Referenten der verfügbare Baum.
L. BüBGEBSTEIN-Wien.
Rabziejbwbky, M. SekalXrztliehe TXtigkdt UDd Angell!nlte^
sneknnj^en. Zeüsi^, f. äreü, Fortbildung, IL Jahrgang, 1905, Nr. 5.
Der Verfasser tritt warm für die Mitwirkung der Augenärzte beim
schulärztlidien Dienst ein. Selbstredend kann ihm darin der Referent
nach 11 jähriger Tätigkeit als Schulaugenarzt nur beistimmen. Es genügt
in der Tat ntcht, einfach die Diagnose „Sehschwäche" zu stellen. Etwas
anderes aber ist dem Nicht-Augenarzt in sehr vielen Fällen einfach nicht
möglich.
Über die Art dieses Untersuchungsbetriebes und die Zahl der zuzu-
teilenden Kinder kann man in guten Treuen verschiedener Meinung sein.
Interessenten ist die Lektüre des aus reidier Erfahrung entsprungenen
Vortrages sehr zu empfehlen. Dr. STEiGEB-Ztrich.
§tv ^itfulurfi
ni. Jahrgang. 1905. No. 7.
(9rt9tttalab^ttMittt$ett.
Betrachtangen ftber sehnlärstliche Statistik und Vonehl&ge
jrar Herbeiftthmng einer Einheitlichkeit in derselben.
Von
Dr. SAMOSGH-Breslau.
(Fortsetzung.)
Das von Herrn Professor Lrubübcheb gesammelte Material
enthält 87 Gresandheitsscheine.
Dieselben variieren nach Form und Inhalt mannigfach.
Immerhin lassen sich einige gemeinsame Grundeüge herausschälen,
die wenigstens in der überwiegenden Mehrzahl der Scheine er-
kennbar sind. Dazu gehören 1. Personalangaben das Kind
betreffend, z. B. Name, Geburtsdatum, Sohn bezw. Tochter,
den geimpft, wieder geimpft , Seh.' , Kl
2. Ein Krankheitssohema. 3. Eine Baumeinteilung, welche
Eintragungen der ärztlichen Untersuchungsbefunde an der Hand
des Schemas pro Schuljahr oder pro Schulsemester oder fflr be-
liebige Zeiträume ermöglicht. 4. Eine Rubrik: Bemerkungen
des Arztes (Vorschläge für die Behandlung in der Schule,
Vermerk über die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung). 5. EHne
Rubrik: Bemerkungen des Lehrers, z. B. betr. psychische
Eigentümlichkeiten. 6. Vermerk über ey. ärztlicherseits verfügte
besondere Kontrolle und Entlassung aus derselben. Seltener
wurde Auskunft verlangt über: Gröfse, Gewicht und Brustumfang
des Sandes, über den Erfolg schulärztlicher Mitteilungen an die
Eltern, über ursächliche Verhältnisse. Hie und da werden vom
Schularzt Eintragungen über vor der Schulzeit überstandene Krank-
heiten verlangt, etwa in Form eines Resume der diesbezüglichen
Der Schnlarsi. IIL 11
98 440
Angaben der Eltern. Vereinzelt wird auch die Frage gestellt, ob das
Kind Lohnarbeit verrichtet, ob es ein warmes Frühstück erbfilt usw.
Prüfen wir nun das vorhandene Material daraufhin, ob es den
Anforderungen entspricht, die zurzeit der Schulhygieniker natürlich noi
unter Berücksichtigung der praktisch durchführbaren stellen muss, und
prüfen wir weiterhin, ob das vorhandene Material geeignet ist, Grund-
lagen für eine brauchbare Statistik zu schaffen, so werden wir fdr
einen Teil des Materials im Prinzip diese Frage bejahen, für einen
anderen Teil verneinen müssen. Lu Detail dürfte wohl keines der
vorhandenen Formulare den zu stellenden Ansprüchen genügen, und
daher dürfte es berechtigt sein, über neue Vorschläge nachzudenken
und solche dem allgemeinen Urteil zu unterbreiten. £& dürfte sich
empfehlen, gleich in medias res zu gehen und die wesentlichen Be-
standteile, die das zu empfehlende Formular haben mufs, gesondert
zu besprechen. Nebenbei sei noch bemerkt, dafs für die Gestaltung
der Formulare die Anschauung massgebend war, dals ein Formular
um so besser ausgefüllt wird, je weniger Schreibarbeit es erfordert,
d. h. die auf bestimmte Fragen zu erwartenden Antworten müssen
vorgesehen sein, so dals die Beantwortung durch ein einfaches Schrift-
zeichen, Strich oder -f- o^^i* — Zeichen, oder durch eine Zahl er-
folgen kann.
Wir würden also an den Gesundheitsschein folgende Ansprüche
stellen:
1. Der Kopf des Gesundheitsscheines mufs die Angaben
betr. die Personalien des Kindes enthalten, also Name,
Geburtsdatum, Schule und Klasse. Hierbei muss berücksichtigt
werden, dals bei Schulwechsel sofort die neue Schule, und bei Ver-
setzungen die neue Klasse eingetragen werden muss. Auch empfiehlt
es sich, das Datum der Aufnahme-Untersuchung angeben zu lassen.
Die in manchen Gesundheitsscheinen vorgesehenen Angaben über
Impfung und Wiederimpfung können wohl im Lande des obligatorischen
Impfzwanges wegbleiben.
2. Der Gesundheitsschein mufs eine auf den ersten Blick
übersehbare Zusammenstellung der für das Kind zu Beginn
und während des Schullebens in gesundheitlicher Beziehung
besonders wichtigen Momente enthalten, d. h. er mufs enthalten:
a) einen Veimerk über ev. Schulunfähigkeit; b) Angaben darüber,
ob und wie oft, in welchen Schuljahren und Klassen eine besondere
ärztliche Kontrolle verfügt resp. wieder aufgehoben ist; c) eine
Bemerkung darüber, ob das Kind als dauernd kränklich zu bezeichnen
441 99
war. Mit dem Pankte o gelangt liier ein Moment zur Erörterung, das
anfeer in Breslau noch nirgends sonst berüoksiohtigt worden ist und
das insbesondere für die Berichterstattung, Morbidität betre£fend, von
Bedeutung ist, jedenfalls aber auch im Formular des Gesundheits-
scheines nicht aulser acht gelassen werden darf. Es gibt nämlich
eine grolse Zahl von Kindern, die körperliche Mängel erheblichen
Grades zeigen und bei denen doch jede ärztliche Kontrolle überflüssig
ist; es sind das z. B. solche mit nicht besserungsfähigen Augenfehlern,
Taubheit auf einem Ohre, mit kongenitalen Entwicklungsstörungen usw.
Diese Kinder bedürfen aber gerade in der Schule der weitgehendsten
Berücksichtigung, sie sind, wie sie in Breslau genannt werden, die
eigentlichen Schulinvaliden. Als solche müssen sie auf dem G^sund-
heitsschein möglichst auffallend kenntlich gemacht werden, damit der
Lehrer sofort und eindringlich auf ihre Schwächen aufmerksam wird.
3. Der Gesundheitsschein mufs ein Krankheitsschema
enthalten, das eine Eintragung aller mehr oder minder häufig
bei Kindern beobachteten Krankheitszustände, subakuter
und chronischer Natur gestattet. Die akuten Krankheiten,
insbesondere Infektionskrankheiten, kommen meist nur auf Umwegen
durch die Schule zur Kenntnis des Schularztes. Ihre Rubrizierung
muis an anderer Stelle erfolgen. Nun ist es natürlich nicht möglich,
in dem gedruckten Schema alle möglichen Diagnosen vorzusehen, es
erweist sich die Zusammenziehung mehrerer Krankheitszustände
unter eine Hauptgruppe als notwendig. Um Klarheit über die Anzahl
und Bezeichnung solcher Hauptgruppen zu gewinnen, wurden sämtliche
in den vorliegenden Gesundheitsscheinen vorgesehenen Diagnosen und
alle in den Berichten angegebenen Krankheitszustände zusammengestellt.
Auf diese Weise ergab sich als das den bisherigen Erfahrungen
am meisten entsprechende Schema, das im Entwurf I angegebene.
Die Znsammenstellung desselben beruht auf roher Empirie und macht
dnrchaTis nicht den Anspruch, als wissenschaftlich berechtigt angesehen
zu werden. Aber schliefslich dürfte es für den Schularzt besser sein,
ein praktisch handliches Schema zu besitzen, als ein dem Stande der
Wissenschaft entsprechendes, mit dem er nichts rechtes anzufangen
weiis. Ab Hinweis darauf, welche spezielle Diagnosen in die Haupt-
gruppen einrangiert werden können, sind noch in einer besonderen
E[olonne fast alle bisher in schulärztlichen Berichten erwähnten Dia-
gnosen aufgeführt. Vielleicht wäre es angebracht, auch diese speziellen
Diagnosen in jedem Gesundheitsschein vorzudrucken. Besondere Er-
wähnung verdienen die Rubriken: Allgemeine körperliche Be-
100 442
sohaffenheit and allgemeine geistige Beschaffenheit Fifit
alle Dienatanweifiongen verlangen, dab das Urteil des SehalantsB über
diese ewei Kardinalpnnkte in Form einer Zensnr I = gnt, 11 = mittel,
in =^ schlecht ansammenge&sst werde. Sghubsbt ist ron dieser
Bestimmung nicht sehr entzückt, weil die Orensen zwischen «gnt^,
„mittel^ und „schledit'' schwer zu ziehen sind. AltschitIi verlangt
die Einteilung der Kinder in: notorisch gesund, krankheitsverdftektig
und notorisch krank. Ob mit dem ALTSCHULschen Vorschlag eekr
viel gewonnen ist, erscheint zweifelhaft. Denn hier stehen wir
wieder vor dem Dilemna, entscheiden zu müssen, wo hört der Ver-
dacht auf, und wo &ngt die Grewilsheit an. AuJserdem ist es bei
dem ALTSCHULschen Vorschlag nicht recht klar, ob die empfohlene
Einteilung nur für die Beurteilung der allgemeinen Konstitution
gelteo soll, oder ob sie mafsgebend sein soll fKr die Beurteilung des
Gesamtkörperzustandes. Wäre das letztere der Fall, so würden
mancherlei Verlegenheiten entstehen können; z. B. ist ein von Ge-
sundheit strotzendes Kind mit einem leichten Sprachfehler und einer
mft&igen Hyperopie oder Myopie vollkommen gesund oder notorieeb
krank? Es dürfte sich also empfehlen, faut de mieoz bei der bis-
herigen Praxis zu bleiben. In gewissem Sinne wird den AltscbuIt
sehen Wünschen in dem Entwurf I Rechnung getragen, indem hier
nicht blofs die Abweichungen von der Norm eingetragen, sondern
auch das Vorhandensein der Norm^ kenntlich gemacht werden soll.
Bei den Eintragungen der Anomalien könnte man durch ein ? die
nur als zweifelhaft anzusehenden Krankheitszustände hervorheben.
Was die Beurteilung des allgemeinen geistigen Zustandes anbetriffi,
so dürfte es zweokmftisig sein, als ^normal^ diejenigen Kinder zn be-
zeichnen, bei denen über ihre Eignung zum Besuch der allgemeinen
Volksschule . kein Zweifel besteht; unter ^zurückgeblieben*^ wären
diejenigen Kinder zu rubrizieren, bei denen ein länger dauernder
Versuch, sie in der allgemeinen Volksschule fortzubilden, noch ge-
macht werden kann. Die Erfi&hrung hat gelehrt, dafs Kinder, die
in den ersten Wochen nahezu unbrauchbar für den Unterricht
schienen, später ganz gut fortkamen. Als „defekt* sind diejenigen
Kinder zu betrachten, die auf keinen Fall in die Schule hinein-
gehören. Diese Einteilung ist nun durchaus nicht wissenschaftlich,
aber sie dürfte in der Praxis sich bewähren.
Die Rubrik „Normal"^ des Formulars I deutet darauf hin, dals
^ In Brealan seit längerer Zeit in Anwenduag.
443 101
mit der buher nicht so seltenen Praxis, derzofolge bei der Aufnahme-
Cntersnohung nur Eintragungen gemacht werden sollen, wenn Ab-
weiohungen von der Norm vorlagen» gebroohen werden soll. Der
Zwang, auch einen Dormalon Befund duroh einen Strich- kenntlich
zu machen, garantiert eine systematische Untersuchung» wie. wir sie
bei der Aufnahme- Untersuchung zum mindesten verlangen.
4. Der Gesundheitsschein mufs in Rücksicht darauf,
dafs er das Kind während des ganzen Schullebens begleiten
soll, genügend Raum für Eintragungen im späteren Sohul-
leben lassen. In den meisten der vorliegenden Gesundheitssidieiney
und zwar auch in den besten, ist der Baum so klein bemessen, dafs
es scheinen will, als ob bei in ärztlicher Kontrolle stehenden Kindern
eine mehr als zweimalige Untersuchung pro Jahr nicht erwartet wird.
Xm Interesse einer praktisch wirksamen schulärztlichen Au&icht und
im Interesse ^iner leidlich brauchbaren. Morbiditäts-Statistik ist aber
zu verlangen, dab der Schularzt mehrmals im Halbjahr in jeder
Klasse Schuluntersuohungen vornimmt und somit auch öfters die
fieobachtungsschüler zu Gesicht bekommt. Das Ideal, von jeder
Änderung der Morbidität einer Klasse Kenntnis .zu erhalten, werden
wir zurs^eit nicht erreichen; je öfter wir aber Untersuchungen vor-
nehmen, desto näher kommen wir auch einer guten Statistik. Halb-
jährliche Untersuchungen sind gewils nicht wertlos; auf dem Lande
insbeeopdere bieten sie schon einen sehr erfreulichen Fortschritt gegen
früher dar; für die Statistik haben sie natürlich nur einen sehr .be-
dingten und nur lokalen Wert. In dem Formular I ist für die Ein-
tragung im späteren SchuUeben ein grölserer Raum vorgesehen. Amsh
ist hier versucht worden, durch einige Vordrucke, die bestimmte,
mit „ja^* oder „nein** oder Datumsangaben zu beantwortende Fragen
enthalten, die Schreibarbeit möglichst gering zu gestalten«
5. Der Gesundheitsschein mufs Angaben betr. ärzt-
licher Anordnungen, Anträge, Vorschläge hinsichtlich der
Behandlung und Berücksichtigung der Kinder in der Schule
enthalten. Die Erfahrung in Breslau hat gelehrt, da& sich für
die besonderen Bemerkungen und Notizen des. Schularztes ein be-
sonderes Schema entwerfen läfst. Der Schularzt hat also nur im
Bedarfsfalle in die entsprechende Rubrik ein einfaches Schriftzeichen
hineinzusetzen, wodurch die Schreibarbeit bedeutend herabgesetzt wird.
6. Der Gesundheitsschein anufs Raum bieten für be-
sondere Bemerkungen des Lehrers. In einer Reihe von Qe-
sundheitsscheinen wird den Lehrern nahegelegt, Auskunft zu geben
102 444
über Schulvenftainnisse nnd deren Ursachen, über Reinlichkeit des
Kindes, psychische Eigentümlichkeiten desselben, Fortschritte in der
Schnle, hflnsliche Verhältnisse usw. Es liegt nahe, Yom Lehrer ob-
ligatorische Auskunft zu verlangen über der Schule gemeldete
Infektionskrankheiten des betreffenden Kindes. Ob das aber in
nennenswertem ümfiBinge möglich sein wird, erscheint zweifelhaft.
7. Der Gesundheitssohein soll überall dort, wo Schul-
kinder-Messungen und -Wftgungen stattfinden, diesbezüg-
liche Zahlenangaben enthalten. Diese Forderung bedarf wohl
keiner weiteren Begründung.
8. Der Oesundheitsschein soll für das die Schule yer-
lassende Kind ein zusammenfassendes urteil des Arztes
über die gesundheitliche Entwicklung desselben wfthrend
der Schulzeit enthalten; gleichzeitig soll damit ein Ratschlag f&r
die Berufiswahl verbunden sein; selbstverständlich wären diesbezüg-
liche Bemerkungen nur bei Kindern zu machen, die zu Bean-
standungen vielfach Anlafs gegeben haben. Es wäre zu wünschen,
dab nach dieser Richtung hin ärztliches Wissen und Können mehr
in Anspruch genommen würde als bisher. Die Schularztinstiiution
würde dadurch in sozialer Beziehung an Bedeutung gewinnen und
vermutlich auch populärer werden.
Die soeben stipulierten acht Forderungen, die .wir an einen
Gesundheitsschein stellen müssen» sind in dem anliegenden Entwurf I
zusammengestellt, wobei natürlich auf die äulsere Form gar kein
Gewicht gelegt wird. In inhaltlicher und prinzipieller Hinsicht
dürfte aber das Formular als eine Zusammenfassung alles dessen
anzusehen sein, was ein Gesundheitsschein enthalten muls, wenn er
den von uns zu stellenden Ansprüchen genügen soll, d. h. wenn er
erstens eine Übersicht über die gesundheitliche Entwicklung eines
Kindes während der Schulzeit gewähren und wenn er zweitens eine
Grundlage für eine brauchbare Statistik abgeben soll. Eine auf
tausenden von solchen gut ausgefüllten Scheinen beruhende Statistik
könnte einen wertvollen Beitrag zur Lösung des Problems von den
sogenannten Schulkrankheiten geben.
Es fragt sich nun noch, ob der Entwurf nicht zu kompliziert
ist, ob bei den heutigen Verhältnissen anzunehmen ist, dals
ein derartiger Entwurf zur allgemeinen Einführung gelangen
könnte, und ob er auch wirklich von den Schulärzten in sach-
gemäCser Art gehandhabt werden könnte. Darauf ist zu e^
widern, dafs der Entwurf nur einen Extrakt aus bereits vor-
445 103
handenem darstellt; es ist in ihm nichts prinzipiell Neues ent-
halten; die Arbeit, die er verlangt, wird schon seit Jahren in einer
mehr oder minder groCsen Zahl von Städten verlangt; es handelte
sich ja nur darum, prinzipiell schon längst als berechtigt anerkann-
ten Wünschen eine einheitliche Gestaltung zu geben, damit auf
eindeutige Fragen eindeutige Antworten erhalten werden können,
und damit vergleichbare und für die Statistik verwertbare Ergebnisse
erzielt werden können. Nun könnte aber jemand und mit Recht
sagen, dafs in einem grolsen Teile Deutschlands das Schularztwesen
doch nicht so weit ausgebildet ist, um den Anforderungen zu ge-
nügen, die der Entwurf stellt. Darauf ist zu erwidern, dab solche
schulärztliche Organisationen, die etwa dem Typus A. Schubebts
angehören, auch keinen Anspruch machen können, irgendeinen
wertvollen Beitrag zur Kenntnis des Gesundheitszustandes unserer
Schuljugend, d. h. zu einer allgemeinen Morbiditäts-Statistik, zu
liefern. Sollen nun aber derartige Organisationen bei der all-
gemeinen Betrachtung ganz ausgeschaltet werden? Sollen wir nicht
doch den Versuch machen, auch die Ergebnisse, die unter ungünsti-
geren Verhältnissen gewonnen werden, einheitlich zu verwerten?
Der Versuch dürfte zum mindesten nichts schaden, und im Falle
des Gelingens dürften sich doch Resultate erzielen lassen, die unter
bestimmten Voraussetzungen und mit groisen Kautelen belehrende
und verwertbare Vergleiche zulielsen. Dieser Überlegung verdanken
die Entwürfe la und Ib ihre Entstehung. Nr. la ist für solche
Schularztorganisationen bestimmt, bei denen die Dienstordnung mir
halbjährliche oder jährliche Eintragungen bei für krank befundenen
Kindern gewährleistet. Nr. Ib, das sich ziemlich eng an das
Meiningensche Muster anschliefst, dürfte überall da am Platze sein,
wo eine möglichst kurze und einfache Fassung der schulärztlichen
Eintragungen geboten erscheint. Der Unterschied zwischen den
Entwürfen I, la, Ib ist im wesentlichen nur ein quantitativer und
nicht ein qualitativer.
Neben dem für die zukünftige Statistik fundamental wichtigen
ßesundheitsschein verdient der schulärztliche Verwaltungs-
berioht in statistischer Beziehung, soweit er sich auf die Morbidität
der Kinder bezieht, noch eine besondere Betrachtung. Es ist bereits
mehrÜEUih darauf hingewiesen worden, dafs über die Ergebnisse der
Lemanfängeruntersuchungen und über die Morbidität des übrigen
Schülermaterials gesondert berichtet werden muls. Es ergibt sich
das ja schon daraus , dafs fast überall eine genaue Untersuchung
Der Schalarzt. IIL 12
104 446
der LernaDflänger vorgeschrieben ist, während die Beobaohtang des
übrigen Sohülermaterials allgemein lückenhaft ist. Man kann nan
nicht Besultate, die auf verschiedene Weise gewonnen sind, in einen
Bericht zusammenfassen. In denjenigen .Städten, die eine genaue
und durchgehende Untersuchung einzelner Jahrgänge vorschreiben,
wird natürlich der Bericht über diese Untersuchungen ganz analog
dem über die Anfnahmeuntersuchungen gestaltet sein müssen.
Wenn wir also die Formulare für schulärztliche JahreBberiobte
besprechen wollen, so haben wir zu unterscheiden
a) Formulare für den Bericht über die Lemanfängenmter-
suchungen;
b) Formulare für den Bericht betreffend schulärztliche Beob-
achtungen des Gesundheitszustandes der G-esamtschülermasse während
der Schulzeit.
Mit Bücksicht darauf, dafs in dem LBüBüSCHEBschen Material
überhaupt verhältnismäisig wenig Berichtsformulare enthalten waren,
und dafs in den vorhandenen nur sehr selten die von uns verlangte
Trennung durchgeführt war, konnten die bezüglich der Berichte zn
machenden Vorschläge nicht auf einer besonders breiten Grundlage
aufgebaut werden, zumal es nicht gelang, auf anderem Wege eine
gröfsere Anzahl von schulärztlichen Berichten zu erlangen. Gleich-
wohl waren für den zu verlangenden Inhalt der Berichte genügend
Anhaltspunkte in dem G^undheitsschein und in den Erwägungen,
welche weiter oben über den Wert und die Bedeutung der schul-
ärztlichen Jahresberichte angestellt wurden, gegeben. Der Bericht
über die Lernanfängeruntersuohungen war einfach aus dem Gesund-
heitsschein herauszulesen. Der Entwurf II entspricht nahezu voll-
ständig demjenigen Teile des Entwurfs I, der sich auf die Auf-
nahmeuntersuchung bezieht. Er enthält nahezu alle die Angaben
für Kinder zusammen, die im Gesundheitsschein für jedes Kind
einzeln verlangt werden. Die Trennung der Geschlechter im Be-
richte ist wohl selbstverständlich. Entwurf II stellt eine kürzere
Form des Berichts dar, die aber vielleicht als genügend angesehen
werden könnte. Eine genauere Erläuterung der Schenoata erscheint
überflüssig.
Was nun die Jahresberichte über die Morbidität der Gresamt-
schülerzahl betrifft, so war von vornherein klar, dals nur die
Zahl und die Krankheitszustände der Überwachungsschüler und
Schulinvaliden hier Anhaltspunkte über die Morbidität geben können.
Die Entwürfe III, Illa und Illb enthalten Schemata, die eine
447 105
mehr oder minder vollstäDdige Übersicht nach der gewünschten
Seite hin ermöglichen sollen. In dem Entwarf III und Illa sind
alle die Vorsichtsmafsregeln berücksichtigt, die, wie oben anseinander-
gesetzt, notwendig sind, nm dem ärztlichen Verwaltangsbericht einen
gewissen Wert zu verleihen. Die beiden unterscheiden sich nur
dadurch, dafs in dem ersteren Eintragungen für jede Klasse vor-
gesehen werden, während in dem letzteren die Klasse erst besonders
▼ermerkt werden mufe. Der Entwurf III ist daher dort am Platze,
wo anzunehmen ist, dafs in jeder Klasse Überwachungsschüler oder
Schulinvaliden vorhanden sind, der Entwurf IHa empfiehlt sich
dort, wo das nicht der Fall ist. Der Entwurf mb verzichtet über
haupt darauf, eine Übersicht über die Verteilung der Krankheits-
zustände auf die einzelnen Klassen zu geben; er teilt nur die bei
den Überwachungsschülem und Schulinvaliden beobachteten Krank
heiten mit Es könnte mit Recht auffallen, da(s in den Entwürfen
Berichte betreffend, eine Ausgliederung nach Klassen und nicht,
wie im Gesundheitsschein, nach Schuljahren verlangt wird. Es
liegt das daran, dals der Schularzt in praxi bei seinen Besuchen
die Kinder nach Klassen und nicht nach Schuljahren geordnet zu
Gesicht bekommt; dem entsprechend mufs er auch die kranken
Kinder in seinen Listen nach Klassen geordnet aufführen; wollte
er sie nach den Schuljahren ordnen, so müfste er bei seinen Be-
suchen sich Kinder ein und desselben Jahrgangs häufig aus
mehreren Erlassen zusammensuchen, ein umstand, der sicher zu
Unznträgliohkeiten AnlalB gäbe. Nun ist es sicherlich sehr leicht,
bei dem einzelnen Eande sowohl Schuljahr wie Klasse festzustellen
und im Gesundheitsschein Eintragungen, dem Schuljahr entsprechend,
zu machen. Wenn man aber in einem summarischen Bericht über
eine grölsere Anzahl von Ejndem, die man nur klassenweise zu
Gesicht bekommt, eine Ausgliederung noch nach Schuljahren vor-
nehmen soll, so dürfte ein derartiges Verlangen vom statistischen
Standpunkte aus berechtigt und wohl auch durchführbar erscheinen,
tatsächlich würde aber ein solcher Bericht für den Schularzt so
▼erwickelt und schwierig erscheinen, dals er einfach nicht gemacht
wird. — Nochmals sei betont, daXs Verwaltungsberichte für die
Statistik immer nur einen bedingten Wert haben. Einer weiteren
Erläuterung bedürfen die Entwürfe LEI, Illa und Illb wohl nicht,
da sie ja nur eine in bestimmte Form gegossene Zusammenstellung
von genugsam erläuterten Wünschen darstellen.
(Fortsetsung folgt.)
12*
106 448
Hefrratt über tieit erfdiieittite fd|itlac}tltd|e ^af^xtsbm^k.
Wir bitten, nen erschienene, «chnlärztliche JahreBberiohte direkt an
unteren Bearbeiter derselben, Herrn Stadtarst Dr. Obbbbckb, Breslau, Nikolai-
stadtgraben, übersenden eu wollen. D. Bed.
Zweiter und dritter Bericht (Selinljahr 1902/1903 und 1903/1904)
Aber die Tktigkeit der stftdtiselien Bezirkskrzte in Brfinn als Schnl-
krite, erstattet Tom Stadtphysikus Dr. Igl. (Verlag des Gemeinderats
der Stadt Brann.)
Diese ausführlichen Berichte (ca. 60 Druckseiten) enthalten ein sehr
sorgfältig bearbeitetes Material. Sie zerfallen in zwei Hauptabschnitte:
1. Allgemeine schulärztliche Untersuchungen.
2. Die Augen- und Ohrenuntersnchungen der Schulkinder.
Als Schulärzte tätig sind Stadtphysikus Dr. Igl und städtischer Be-
zirksarzt Dr. BOCHNEB, gewesener Assistent der Augenklinik in Wien,
welcher letztere die Ohren- und Angenuntersuchungen sowie die Kontrolle
der Lichtverhältnisse in den Schulen versieht.
Von ca. 14000 Kindern gelangten 98 ^/o. zur schulärztlichen ÜDte^
suchung.
2549 schulärztliche Atteste an die Schulyerwaltung oder an die Eltern
wurden ausgestellt. 238 Brillen wurden angewiesen, darunter 74 konkave,
160 konvexe, 4 zylindrische.
Im übrigen fand keine ärztliche Behandlung durch die Schulärzte statt,
sondern ihre Tätigkeit erstreckte sich lediglich auf die Ausübung hygie-
nischer Prophylaxe.
Die jährlichen Messungen und Wägungen werden auch in Brunn durch
die Lehrer vorgenommen; die Resultate werden auf dem Gesundheitsscheio
des Schülers von ihnen eingetragen und nachher von den Schulärzten sum-
marisch (Klassensummarien nach Alter und Geschlecht) zusammengestellt
zur weiteren Bearbeitung durch das Stadtphysikat. Der Bericht hebt die
Wichtigkeit dieser schulärztlichen Arbeit hervor und bezeichnet die Resul-
tate als 9 sichere Kennzeichen der Entwicklung der Kinder^.
In den Schnlklassen wurden allgemein verständliche Tabellen über
„Yorerscheinungen und Zeichen der ansteckenden Krankheiten, welche sich
in Schulen verbreiten können^, sowie über einzelne ftkr Schulen wichtige
Leiden angebracht. Diese Krankheiten sind Croup (häutige Bräune),
Diphtheritis (brandige Bräune), Blattern oder Pocken, Wind- oder Wasser-
pocken, Scharlach, Masern, Keuchhusten, Ruhr, Cholera, Danntyphus,
Gesichtsrose (Rotlauf), Lungenschwindsucht und Beinfrafs, Mumps und
Speicheldrüsenentzündung, Krätze, ägyptische Augenentzündung, Veitstanz,
Epilepsie (hinfallende Krankheit).
Ebenso wurde ein recht bemerkenswertes Tuberkulosemerkblatt zu
gleichem Zweck aufgestellt, welches sich durch seine Kürze und seinen
durchaus allgemein verständlichen Inhalt vorteilhaft von dengenigen unseres
449
107
Reichsgesnndheitsamts unterscheidet. Wir in Breslau mufsten es wenigstens
erleben, dais unsere Lehrer und Schuldirektoren dasselbe anzunehmen ver-
weigerten, wegen seines manchmal zu wissenschaftlichen und für Kinder
und Laien anstö&ig wirkenden Inhalts.
Das Brflnner Merkblatt lautet:
Schutz vor Tuberkulose.
1. Die Tuberkulose (Lungenschwindsucht, Auszehrung) ist eine tibertrag-
bare Krankheit und kann durch den Auswurf solcher Kranken ver-
breitet werden.
2. Spucke nie auf den Boden.
3. Beim Husten halte die Hand oder ein Taschentuch vor den Mund.
4. Halte dich in angemessener Entfernung von Hustenden.
5. Kflsse nie kranke, hustende Personen.
6. Esset kein rohes Fleisch oder ungekochte Milch.
7. Übenn&Csiges Trinken geistiger Oetr&nke leisten dieser Krankheit Vor-
schub; seid daher mälsig.
8. Dunkle, feuchte Wohnungen sind gesundheitsschädlich.
9. Licht, Luft und Reinlichkeit smd die besten Schutzmaisregeln gegen
diese wie tlberhaupt jede Erkrankung.
10. Lüftet eure Wohnungen fieiCsig, gehet möglichst viel in frische Luft,
reinigt euren Körper oft, besonders die H&nde vor dem Essen.
11. Tuberkulose ist heilbar, aber nur wenn frühzeitig Rat bei einem Arzte
geholt wird.
Es schliefet sich diese Fassung dem Erlais des k. k. Ministeriums des
Innern vom 14. Juli 1902, Z. 29. 949, an. Auch sonst wurde darauf
hingearbeitet, in der Schule fllr methodische, vorsichtige Abh&rtung, nicht
ausweichende, hygienische Verweichlichung zu sorgen.
Die Tabellen dieser Berichte sind dadurch interessant, dafs die Resul-
tate für deutsche und tschechische Schulen getrennt gehalten wurden, wodurch
manche bemerkenswerte Differenzen sich ergaben, trotz der gleichen äuDser-
lichen Verhältnisse.
Ergebnissummarium betreffs allgemeiner Körperbeschaffenheit.
1902/1903
Anzahl
über-
haupt
Unter-
sucht
Gut
Mittel
Schlecht
Zahl der vor-
gefundenen
Gebrechen
Deutsche Knaben . .
„ Mädchen.
Tscbechiach. Knaben
„ Mädchen
5611
5721
1276
1260
>
99.13
98,43
99,37
99,29
% .
68,97
67,89
75.87
73,70
Vo
30,17
31,20
23,34
25,50
%
0,86
0,91
0,79
0,80
7o
795 = 14,29
790 = 14,(»
169 = 12,71
139 = 10,96
108
450
Nach Klassen geordnet ergibt
sich:
Deutsche
DeuUche
Tschechische
Tschechische
Knaben
Mädchen
Knaben
Mädchen
SS
o
••*
i
1
1
SS
o
3
■g
1
5S
5
i
1
s a
1
ja
1
1. Klasse (An-
1
1
Tanger)
634
320
12
861
582
256
13
242
165
83
4
268
163
1031 2
4. Klasse
879
633
242
4
841
590
243
8
206
161
44
1
210
161
48' 1
8. Klasse
225
157
66
2
388
262
126
—
—
—
—
—
—
—
-
7. nnd 8. Klasse bei den tschechischen Mädchen nicht mehr vorhanden
8. „ „ „ „ Knaben „ „ »
Einige bemerkenswerte Leiden in prozentneller Zusammensetzung*.
Art des Leidens
Deutsche
Knaben
Vo
Deutsche
Mädchen
Vo
Tscheoh.
Knaben
Vo
Tschech.
Mädchen
Blutleere
4,69
4,61
2.60
4,00
Herzleiden
0,34
0,48
0,39
0,24
Skrophulose
0,70
0,66
0,79
0,25
Beinfrafs
0,20
0,12
0,16
0,08
Englische Krankheit (Rhachitis) . . .
2,84
1,56
0,95
0,96
Böokenyerkrümmung
0,45
1,90
0,39
0,72
Chronische Hüftgelenkentzündung .
0,16
0,23
0,08
0,16
Spreohfehler
0,61
0,21
0,87
0,08
Stottern
0,23
0,02
0,39
—
Im ganzen wurden Leiden vorgefunden:
bei 14,29% deutscher Knaben, 14,03 7o deutscher M&dchen
„ 10,96% tschechischer „ 12,71% tschechischer „
An die Eltern oder Quartiergeber der beanstandeten Kinder ergingen
folgende Verständigungen: Bei Knaben 340; bei M&dchen 1179.
Wegen Ungeziefer 1093; Unreinlichkeit 279; Hautausschlag 16;
Rhachitis 1; Sprechfehler 1; Skrophulose 25; Flechte 38; Veitstanz 1;
Augen 30; Ohrenflufs 18; blutarm 32.
Das Jahr 1903/1904 zeigt bezüglich dieser Tabellen zwischen Alter,
Geschlecht und Rasse im wesentlichen die Verhältnisse des Voijahres.
Körperliche Gebrechen und Fehler wurden vorgefunden:
1901/1902 (1. Bericht^ahr) bei 9,13% der Schulkinder
1902/1903 (2. „ ) „ 13,737o „
1903/1904 (3. „ ) , 12,18Vo „
451
109
Im Berichtsjahre 1903 (September) ergab sich bezüglich der Klassen
folgendes Ansteigen der Enrzsichtigkeit:
Mädchen
Knaben
2. Klasse
(jängerer Jahrgang).
7,5
6,0
3. Klasse
7,9
6,2
4. Klasse
9,6
6,5
5. Klasse
11,6
7,6
6. Klasse
14,0
7,7
7. Klasse
9,5
10,0
8. Klasse
14,4
10,0
Also ein bedeutend stärkeres Ansteigen bei den Mädchen, welches der
Bericht anf Rechnung der feinen weiblichen Handarbeiten stellt. Jedenfalls
ergibt sich hier der Satz : Die Knrzsichtigkeit steigt von Klasse zu Klasse
und ist den eigentlichen Schulschäden zuzurechnen, wegen ungenügender
Belichtung, schlechter Körperhaltung bezw. unzweekmäfsiger Subsellien.
Die Gröfsen- und Gewichtstabellen ergeben folgende interessante Re-
sultate (1903/1904):
Alljährlich im allgemeinen eine Gröfsenzunahme von 3 cm bei den Knaben,
nnr im 14. und 15. Lebensjahre 4 cm ; im 12. und 13. Lebensjahre bleibt
die Körpergröfse fast ganz gleich. Die Hauptzunahme (2 cm) fand stets
in den groDsen Ferien statt. Bei den Mädchen sind bis zum 9. Lebens-
jahre die Ergebnisse geringer, übertreffen die der Knaben aber vom
10. Lebensjahre ab. Die Gewichtsverhältnisse sind entsprechend.
Die Sterblichkeit im schulpflichtigen Alter (5. bis 15. Lebensjahr) ergibt
^otz Infektionskrankheiten nichts Nachteiliges für die Schule.
Im übrigen weist der Bericht noch hin auf die grolse Wichtigkeit
hygienischer Einrichtungen der Schule für die allgemeine Kräftigung und
Reinlichkeit, so der Schulbrausebäder, Pausenlüftung, Garderobe aufserhalb
der Klasse, warmes Schulfrühstück usw., da gerade die Tuberkulose und
sonstige chronische Kinderkrankheiten auf dem Boden allgemein geschwächter
Konstitution am leichtesten zur Ansiedlung kommen. In pädagogischer
Hinsicht wird auf die Wichtigkeit von Abschlufsklassen für die minder be-
föhigten Schüler hingewiesen (Mannheimer System). In Brunn findet des-
halb vielfach ein Übergang der Volksschüler von der 4. oder 5. Klasse zur
Mittelschule statt. Die Schwierigkeit, alte Schulgebäude an moderne hygie-
nische Forderungen zu adoptieren, wird auch noch hervorgehoben. Es bleibt
hier meist nur übrig, das Alte allmählich durch Neues zu ersetzen und
die gefährdeten Organe mehr zu schonen beim Unterricht.
Dr. Oebbecke- Breslau.
110 452
ftlttttere Ütitttilttttjett.
Weibliche Schulärzte. Wie die r^Kons. Praxis^ mitteilt, werden
in diesem Sommer in Hannover zum ersten Male vier städtische Sdinlärzte
angestellt, darunter auch ein weiblicher Arzt.
Schularit in Barmen. Diese Stadt, die nebst Hamburg nnd Altena
zu den wenigen Grofsstädten Deutschlands zählte, die bisher keine Schul-
ärzte hatten, hat jetzt seinen Schularzt bekommen. Nun fehlt nur noch
Altona.
Als Schnlarit in StStteritc wurde der praktische Arzt M. ScBffliDT
gewählt. {nLeipe. Tagebl")
Schnlärite in kleinen Stidten. Seitens der Schulverwaltungen
wird angestrebt, auch in kleinen Städten Schulärzte anzustellen. Auf dem
letzten Städtetage wurden zwar dagegen Bedenken laut. Demgegentlber meldet
die y,Märk, Ztg.^^ dafs in Rhinow die Schularzteinrichtung ganz vorzflglich
funktioniere. Jedes zu Ostern neu eintretende Kind wird im Beisein der
Eltern auf seinen Gesundheitszustand, betreffend Sinnesorgane, Atmung
und Herz, untersucht und erhält einen Gesundheitsschein, der mit dem
Kinde von Klasse zu Klasse wandert und jeden Lehrer Aber etwaige Ge-
brechen des Kindes unterrichtet und zur Rücksichtnahme veranlafst. Aufser-
dem finden im Jahre zwei- bis dreimal Revisionen statt, bei denen der
Schularzt die Kinder auf etwaige Krankheiten zur Yerhtltung von Epide-
mien untersucht.
Schnlärcte in Bnnrian. Die geplante Anstellung zweier Schulärzte
auf 1. April 1904 hat der Magistrat der Stadt Bunzlau fallen lassen mflssen,
weil es wegen der von ihm protegierten Bewerber zu einem Konflikt mit
der Stadtverordneten- Versammlung gekommen war. Einer dieser Bewerber
wohnte damals noch gar nicht in Bunzlau, während zwei seit Jahren hier
ansässige Ärzte bei der Bewerbung einfach übergangen worden waren.
Nun hat der Magistrat die beiden Stellen neuerdings, und zwar mit einem
Jahresgehalt von je 250 Mk. (! D. Red.), ausgeschrieben.
Sehnlärcte in Saarbrncken. Dem Antrage der Gesundheitskom-
mission entsprechend, sind seit 1. April 1905 drei Schulärzte für den
Stadtbezirk angestellt, und zwar für die Altstadt zwei gegen eine Ent-
schädigung von zusammen 1000 Mk. und für den Stadtteil St. Amaal
einen gegen eine Entschädigung von 250 Mk.
Die Anstellung von Schulärzten in Werdan ist beschlossen worden.
Die Ausführung steht bevor, nachdem die langwierigen Verhandlungen mit
dem Ärztlichen Bezirksverein Zwickau wegen der Honorarfrage beendet
worden sind.
Fftr die schnlärctiiche Untersnchnng der nen eininschnlendea
Kinder hatten die Schulkommissionen in Berlin ein einheitliches Verfahren
gewünscht. Manche Ärzte untersuchen die Kinder schon vor der Ein-
453 111
schnlnng, andere warten damit, bis die £inschalaDg erfolgt ist. Bei dem
letztgenannten Verfahren kann die Schnle den Ärzten Fingerzeige geben,
doch ist mit ihm der Übelstand verknüpft, dafs Kinder Tom Schulanterricht
nachträglich ausgeschlossen werden müssen, nachdem sie bereits einige Zeit
daran teilgenommen haben. Eine Einigung darüber, welches Yerfidiren das
beste ist, konnte unter den Schulärzten nicht erreicht werden; nur die
von vornherein als krank bezeichneten Kinder wollen alle sofort unter-
suchen. Wie der „ Vorwärts^ mitteilt, haben daher die Schnlkommissionen
auf ihren Wunsch, dafs stets vor der Einschulung untersucht werde, vor-
läufig verzichten müssen.
Schularit im Nebenamte oder Berofsschularzt. Über diese
Frage entnehmen wir einem Aufsatze von Dr med. et phil. Hellbach in
Karlsruhe folgende Bemerkungen („Mannh, 0-ener,'ÄfUf.'^):
Die frühere, gröfstenteils schroff ablehnende Haltung der Lehrerschaft
gegen das Schulärzteprojekt ist verschwunden, und an ihrer Stelle finden
wir alle Schattierungen der Stellungnahme, von dem energischen Verlangen
nach Schulärzten bis zu einem immer noch nicht ganz geschwundenen
Mißtrauen. Dieser leidige Rest von Mifstrauen, so fand ich in meinem
vielseitigen Verkehr mit Lehrern aller Stufen, richtet sich aber erfreulicher-
weise weniger gegen die Sache selber, als gegen gewisse Möglichkeiten
ihrer Ausführung. Die Lehrer wünschen ehrlich ein erspriefsliches Zu-
sammenarbeiten mit dem Schularzt im Interesse der Kinder, aber sie
wehren sich (und das mit gutem Recht!) allerdings dagegen, dafs ihnen in
Gestalt der Schulärzte eine Art von bureaukratisch gearteter Aufsichts-
behörde vorgesetzt werde. Auf der anderen Seite bemerkte ich, dafs
namentlich in den Kreisen der Direktoren und Schulräte vielfach noch eine
grundsätzliche Abneigung gegen die Einsetzung von Schulärzten besteht, die
gelegentlich dazu geführt hat, die ganze Institution, wo sie eingeführt
wurde, durch einen ruhigen, passiven Widerstand lahmzulegen, ihre Wirksam-
keit illusorisch zu machen. Solcher Möglichkeit kann nur vorgebeugt
werden, wenn der Schularzt mit hinreichenden Kompetenzen ausgestattet
wird-, aber diese Kompetenzen und die ganze Organisation dürfen wieder-
um nicht so sein, dafs die Schule das ärztliche Wirken als eine lästige
und behindernde Aufsicht empfindet.
Doch die Sache kompliziert sich noch mehr! Das Mifstrauen gegen
die Schulärzte gedeiht nämlich auch noch auf ganz anderer Seite : bei den
Ärzten selber. Ich habe einen grofsen Teil des Schularztkampfes in Berlin
seinerzeit miterlebt und dabei die Erfahrung gemacht, da(s viele Ärzte durch
die Schulärzte eine empfindliche Beeinträchtigung ihrer Lage, nämlich eine
Art von Monopolisierung der Kinderpraxis in den Händen der Schulärzte
befürchten. Nun ist die Erlangung der Kinderpraxis gerade für den
jungen praktischen Arzt von oft ausschlaggebender Bedeutung für seine
Existenz. Die Kinderpraxis ist vielfach,' wenn ich es einmal so nennen
darf, das Sprungbrett, um in hausärztliche Positionen zu gelangen, und man
wird es den Ärzten nicht verdenken können, wenn sie den Zugang zu
diesem Sprungbrett dem freien Wettbewerb erhalten wissen wollen. Alle
die unangenehmen Nebenwirkungen nun, die ich bisher skizziert habe, vermag
eine und nur diese eine Lösung der Schularztfrage zu vermeiden : die An-
112 454
stellang von Berufsschnlärzten. Würde man anstelle deren mehrere Ton
den in der Stadt ansässigen Ärzten mit schulärztlichen Funktionen be-
trauen (Dr. NEüMANN-Earlsruhe z. B. schlägt die Bildung eines aus praktischen
Ärzten und Spezialärzten gemischten Kollegiums vor — s. ÄrßiUche
Miliähmgen für Beiden, Nr. 19), so ist es ganz unausbleiblich, dafs diese
Ärzte einen erheblichen Teil der Kinderpraxis an sich ziehen — auch
ohne dals sie dies beabsichtigen. Da würde eine sehr erhebliche Benach-
teiligung der praktischen Ärzte durch die zwei oder drei im Schulärzte-
kollegium sitzenden Kollegen sich fühlbar machen, die nur durch einen
Verzicht der schulärztlich tätigen Ärzte auf alle PriTatpraxis beseitigt
werden könnte.
Au&erdem würde den ,, Schulärzten im Nebenberuf^ eine Hauptsache
abgehen: die Möglichkeit, einen inneren Kontakt mit der Schule zu ge-
winnen. Zuvörderst schon darum, weil Ärzte mit ausgedehnter Praxis
einfach nicht die nötige Zeit hätten, um diesen Kontakt zu suchen. Es
ist aber wahrscheinlich, dafs die Schularztkollegien sich inuner aus solchen
Ärzten rekrutieren würden, denn eben erst niedergelassene Ärzte werden
ja kaum berücksichtigt werden. Neümann fordert (in dem zitierten Auf-
satz) sogar eine mehrjährige Ansässigkeit als Vorbedingung — nehmen wir
einmal, was doch sicher nicht zu hoch gegriffen ist, an, eine sechs- bis
achtjährige, so kann es sich im Durchschnitt nur um YoUbeschäftigte Ärzte
handeln. Und das ist schon sehr schlimm. Denn dann sind die KoUi-
sionen zwischen der Privatpraxis und den Schularztfnnktionen schlechter-
dings unvermeidlich; und darunter müfste, den gröDsten Idealismus der
Schulärzte angenommen, doch Lust und Liebe zu der schulärztlichen Be-
rufsseite unweigerlich getrübt werden. Man kann eben den Pflichtenkreis
des Schularztes mit dem des beamteten Arztes (etwa des Bezirks- oder
Kreisarztes) nicht ohne weiteres yergleichen. Ich bin überzeugt, die be-
amteten Ärzte sind in der Mehrzahl mit voller Seele bei ihrem Beruf,
aber — wenn sie es nicht wären, so wäre der Schaden ein relativ geringer;
ist doch ihr Pflichtenkreis ein wesentlich organisatorisch-verwaltungsmäikiger.
Der Schularzt jedoch wird mit Einsetzung seiner ganzen Persönlichkeit
Schularzt sein — oder er wird es nicht sein. Ärzte mit umfangreicher
Privatpraxis, die der Schule gerade so viel Zeit widmen können, wie ihnen
dann noch bleibt oder wie sie zu widmen verpflichtet sind — nein. Das
wäre die Stagnation, die Versauerung des ganzen Schulärztetums, and lieber
noch, sage ich, gar keine als blolse Titularschulärzte!
Suchen wir nun, nach Erledigung der negativen Arbeit, ungefähr ein
positives Bild vom Berufsschularzt zu machen! Das wird mit der Fest-
stellung beginnen müssen, dafs die schulärztliche Tätigkeit eine spezia-
listische Vorbildung in dem Sinne, wie der Spezialarzt sie benötigt, gar
nicht voraussetzt. Die Basis für den Schularzt ist die Approbation zum
praktischen Arzt. Die weitere Ausbildung mufs dann einen ganz eigen-
artigen, mit keiner anderen Spezialausbildung vergleichbaren Charakter
zeigen. Gewils, auch der Schularzt muTs einzelne Zweige besonders stu-
dieren, um sie besonders zu beherrschen. Es sind dies die Augenheil-
kunde, die Ohrenheilkunde, die Psychiatrie, die Orthopädie und daneben
aufs gründlichste — das Unterrichtswesen. In jenen vier medizinischen
455 113
soll er kein Spezialist sein; aber seine Beschlagenheit in ihnen muis über
diejenige des praktischen Arztes insofern hinausgehen, als ihm die Sympto-
matologie der jugendlichen Erkrankungen, die besonderen Verhältnisse, die
das Kindesalter bei der Stellung der Diagnose und der Prognose und der
Abwägung des ärztlichen, namentlich des vorbeugenden Handelns bietet,
aufs genaueste vertraut sein müssen. Allein auch damit würde der Schul-
arzt noch nicht auf festem Boden stehen. Unbedingt mufs er einen gründ-
lichen Einblick in die Theorie und die Praxis des Unterrichtswesens getan
haben, um eben vor allem das Verhältnis der jeweils ihm begegnenden
Gebrechen und Abnormitäten zu den Anforderungen der Schule richtig ab-
schätzen zu können, und (was das noch höhere Ziel bedeutet) um gemein-
sam mit der Lehrerschaft zur Entfaltung einer zweckvollen, der Schule
wie den Zöglingen in gleicher Weise gerecht werdenden Schulhygiene zu-
sammenwirken. Eine Schulhygiene des Körpers und des Geistes! Gerade
darin wird seine eigentlichste, freilich auch seine schwerste Aufgabe zu
suchen sein, und mit ihrer Inangriffnahme wird sich auch das Vertrauen
der anfangs noch abseits stehenden Teile der Lehrerschaft und der Schul-
behörde zu erobern und es zu festigen haben.
Ich kann mich natürlich nicht darauf einlassen, auszumalen, welche
Wege der Arzt, der sich zum Schularztberufe vorbereiten wiU, nun im
einzelnen beschreiten mag. Zunächst wird er naturgemäfs den medizinischen
Teil absolvieren. Ist er erledigt, vielleicht nach einer festzusetzenden
Minimalfrist, so mag er als Schularztassistent (oder als Hilfsschularzt, wie
man will) zur Aneignung der nötigen praktischen Erfahrung und zum
Stadium des Unterrichtswesens unter die Leitung eines ordentlichen Schul-
arztes treten. Nach wiederum einer Mindestfrist erhält er dann die Quali-
fikation zum Schularzt und wird nach Maisgabe der Vakanzen (die ja mit
dem steten Wachstum der Städte immer noch sich vermehren werden)
angestellt. Ich betone ausdrücklich, dafs ich mir eine Prüfung als. gar
nicht nötig oder auch nur wünschenswert vorstelle. Will man sie dennoch
einführen — gut. Mir liegt lediglich daran, zu zeigen, dals es auch ohne
sie geht und dafs alle Einwände, die sich gegen diesen Punkt richten,
von vornherein hinfällig bleiben. Die Voraussetzung aller weiteren, selb-
ständigen Tätigkeit des angestellten Schularztes ist nun die Erteilung weit-
reichender Kompetenzen. Dabei handelt es sich um drei Punkte : Massen-
nnd Einzeluntersuchungen, Umfragen an die Eltern, Besuch des Unterrichts.
Auf das Letzte lege ich den Hauptton. Der Schularzt mufs das Recht
haben, den Unterricht jedes Faches, unangemeldet jederzeit und beliebig
oft besuchen zu können. Vorbereitete „Besichtigungen^ sind ein barer
Unsinn; damit würde das Schularzttum zur lächerlichen Farce werden,
und mit den Untersuchungen und Umfragen allein ist es auch nicht getan.
Nur im Rahmen des lebendigen Unterrichts ist eine gedeihliche schdärzt-
liehe Fürsorge, ist ein verständnisvolles, wechselseitiges Einleben von Arzt
und Lehrer möglich.
Für grofee Städte wird ein Schularzt natürlich nicht genügen. Man
wird dort mehrere brauchen. Und ob dann vielleicht eine Arbeitsteilung
nach Schulstufen sich entwickeln wird, derart also, dafs einer die Volks-
schulen, einer die Mittelschulen übernimmt, dafs endlich die Mädchen-
114 456
schalen einer Schulftrztin unterstellt werden (was bei den besonderen
Schädigungen, die in gewissen Schuljahren dem weiblichen Organismus
drohen, dringend zu wünschen wäre): das wird ja die Zeit lehren. Je
freier man diese Möglichkeiten der Entwicklung überlälst, je weniger maa
sie von Yomherein schablonenhaft einzwängt, desto besser wird die ganze
Sache gedeihen.
Aller Anfang ist schwer, aber er mufs doch gemacht werden. So-
lange wir noch keine besonders Torgebildeten Schulärzte haben, wird man
praktische Ärzte anstellen müssen; und sie werden sich nun Schritt für
Schritt in all' die schwierigen Aufgaben ihrer Stellung einzuarbeiten haben.
Aber auch sie sollen Schulärzte und nur Schulärzte sein! Jede Yer-
quickung des schulärztlichen Berufs mit Privatpraxis ist vom Übel, ist ein
Schritt auf die schiefe Ebene. Der Schularzt darf kein Interesse hahen,
das Aber oder auch nur neben dem Interesse an semem Beruf stände.
Und diese erste Vorbedingung trifft nur auf den Bemfsschnlarzt zu. Was
ich hier dargelegt habe, ist so wenig ein Phantasma, dais es vielmehr nur
die einzige (im Prinzip einzige) mögliche Lösung der Schularztfrage in
einem alle Teile befriedigenden und fördernden Sinne bedeutet. Alle Teile,
das heiüist: die Schule, die Kinder, die Eltern, die Ärzte, den Schularzt
selber — und nicht zum wenigsten die Städte, die auf diesem Wege in
die gewifs erfreuliche Lage kommen, das Beste zugleich auf die am
wenigsten kostspielige Weise zu schaffen.
Verlag von Leopold Voss in Hamburg,
Ästhetik
Psychologie des Schönen und der Kunst
yoQ
Tbeodor Lipps.
Ertter Teil: Gmndlegimg der ÄBthetlk.
1908. Preii broBühiert M. 10.—, gebunden M. 12.—.
Die ethischen Grundfragen.
Zehn Vorträge von Theodor Lipps.
Teilweise j^eh alten ira Volksbochschal verein zn München.
Zwelt^i tellwelge umgearbeitete Auflage.
PreU broschiert M* 5.—, gebunden M, 6.
il3ilin3i Ül)er das Seelenleben der Pflanzen.
Von Gustav Theodor Fechner.
Mit einer EiiUeltung von Kurd Lasswlts«
Dritte Aufl. 1903. Elei;. freb. M. 8.—.
Das Büchlein vom Leben nach dem Tode
von Gustav Theodor Pechner,
Fflnfte Auflage. 1008, M. L50, elegant gebunden H. 2.50.
Zend Avesta
oder Über die Dinge des Himmels und des Jenseits*
Vom Standpunkt der Nftturbetrflchtuug Ton
Gustav Theodor Fechner.
Zweite Auflage« Besorgt von Kard Lasswitz.
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das Wesen und die Verbreitnn^weise der flbertaragfoareii
Krankheiten und Aber gesnndheimche Fragen im allgemeineM
zn unterrichten.
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Fussboden vOllig frei und belichtet, so dass der-
selbe wie bei keiner anderen Bank, schnell,
leicht und gründlich gereinigt werden kann.
Zahn's Schulbank besteht aus einzelnen, zwei-
•itsigen BAnken, welche nach Grösse der Schüler
in neun verschiedenen Stufen angefertigt werden,
SU Reihen verbunden und Jede Bank schnell und
leicht ausgewechselt werden kann.
welche von ersten Autoritäten, kg^. und
stAdt Behörden des In- und Auslandes alt
gegenwärtig in Jeder Hinsicht praktiaeliBte,
billigste und danarhaf taste Snbaalli« aner-
kannt und empfohlen wird. Ein Versuch
mit Zahn's Schulbank wird die glänzende
Überlegenheit derselben bezeugen und zn
grossen Kachbestellungen veranlassen. Be-
deutende Behörden, Schulhygieniker und
Pädagogen, welche in letzter Zeit umfang-
reiche Versuche mit neuen Banksystemen —
auch umlegbaren — angestellt haben, geben
Zahn's Schulbank den Vorzug. Kaum 4 Jahre
Existenz sind allein ^hm in Gross-Berlin
88 OOQ Sitze im Gebrauch. ~
Allein im Jahre 1904 sind unter den vielen
hundert Aufträgen an grösseren Bestellungen
eingegangen: Berlin 9510 Sitze, Triest 1800
Sitze, Pankow 1450 Sitze, Strassburg 1000
Sitze, Homberg 980 Sitze, Driesen 800 Sitze,
Kiel 514 Sitze, Köpenick 520 Sitze, Gr.-Lichter-
felde 500 Sitze, Budapest 860 Sitze, Wannsee-
Potsdam 500 Sitze u. V. a. m.
A.Zähn,Spezialfabrik f. Schuleinrichtungen, Borlin
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Sitze im
Gebraucli
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30000
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G. Spellmann, Hannover.
Hannoversche Schulbank, glänzend bewährt.
Ferner; Tafeln, Po dien ^ Zeichentisohe usw.
Jettfilrift für Si|iHlj|(fitxb|iett0|i|l(ge.
XVm. Jahrgang, 1905. No. 8.
9Ti%inaiah\^an%ivin^tvi.
Ein Beitrag lur WachBtnmsphysiologie des Meiuichen.
Naeh statistisolien Erhebungen an der STOTsohen Erziehungsanstalt
in Jena.
Von
Dr. Alexanpeb Koch-Hesse
in Grofa-Liobterfelde.
(Forisetrang und Schlafs.)
Die Vergleichung des so berechneten Horizontalwaohstums mit
dem gemessenen vertikalen kann von greiser praktischer Bedeutung
werden, wenn die oben Torgeschlagene und entwickelte Bechnung
nicht nur an den arithmetischen Mitteln ausgeführt, sondern Yon
Eltern, Pädagogen und Ärzten auch an den einzelnen Messungen
der ihrer Fürsorge anvertrauten Kinder angestellt wird. Ein
dauerndes erhebliches relatives Herabsinken der hori-
zontalen Zunahme unter das Längenwachstum wäre ent-
schieden ein hygienisch ungünstiges Zeichen. Trotz der
Wichtigkeit des Gegenstandes herrschte unter sonst sehr umsichtigen
Beobachtern hier grolse Verwirrung. So schreibt Kotelmann, nach-
dem er den Quotienten — ^ — ^ berechnet und gefanden hatte, daüg
derselbe mit den Jahren ständig zunimmt, folgendes : ,,Es zeigte sich
hiemach, dals das Wachstum ... in der Breite und Tiefe
im Verhältnis zur Höhe mit dem steigenden Alter immer be-
trächtlicher wird.*' ^ Trotzdem EoTELMANN für die Richtigkeit dieser
* Vgl. oben „Zeüschr. d. Kgl Preuß. stat Bureaus^f 1879, S. 7.
Behnlgeinndheltflpfleffe. XVIII. 26
458
Scblufefolgerniig noch Percy Boijlton zitiert, ist dieselbe unriolitig.
Wäre nämlich jener Quotient konstant geblieben, so würde jedes
horizontale Wachstum gefehlt haben, hätte er ebenso zugenommen
wie die Grölse, so wäre das horizontale Wachstum immer noch als
durchaus ungenügend zu betrachten gewesen, erst wenn er im Quadrat
Kurven des relativen Jährlichen Wachstums.
Fig. 7.
459
der Grölfle zugenommen hätte, wäre „das Waohstum in die Breite
and Tiefe im Verhältnis znr Höhe** gleich, aber noch immer nicht
»beträchtlicher^ gewesen.
Trägt man nun die drei relativen Wachstnmszahlen als Kurven
anf (Fig. 7), so zeigt sich deutlich, dafs bei den untersuchten Elnaben in
den meisten Jahren das vertikale xmd das horizontale ziemlich gleich
sind, also dafs hier ein „ideales" Wachstum vorliegt. Nur zwei
Ausnahmen existieren hiervon: einmal bleibt im 13. Jahre die
horizontale Zunahme auffallend hinter der vertikalen
zurück: der Knabe dieser Entwicklungsperiode verbraucht
fast alle seine Kräfte, um sich zu strecken; auch der 14jäh-
rige Knabe wird noch unproportionierter schlank, während vom
15. Jahre an die übrigen Wachstumsrichtungen das Versäumte nach-
zuholen beginnen. Die Ausnahme bezieht sich also im wesentlichen auf
die Jahre zwischen dem 12.und dem 15. Geburtstage, einen Zeitraum,
welcher sich mit der früher gefundenen Beschleunigungs-
periode im wesentlichen deckt Es ist die der Pubertät unmittelbar
vorhergehende Zeit, in der die „hoch aufgeschossenen^ Elnaben in ihrer,
oft komisch wirkenden, übermälsigen Schlankheit nicht wissen, was
sie mit ihren plötzlich so unheimlich verlängerten Gliedmaisen an-
fangen sollen, und auiserdem gewisse charakteristische psychische
Erscheinungen darbieten. Dieser Symptomkomplez pflegt in der
vulgären Pädagogik kurzweg als „Flegeljahre", „dge des folies'',
njears of wild oats", „aflos de tunandada'' usw. bezeichnet zu werden.
Der zweite wesentliche Unterschied im Wachstum in die Höhe
und in die Breite beginnt mit dem 18. Jahre und zeigt sich im Über-
wiegen des horizontalen Wachstums, welches nach dem 18. Geburtstag
sogar wieder sehr kräftig zu werden verspricht, während das vertikale
allmählich aufhört. Dabei muis zunächst die verlorene Längenbreiten-
proportion der Kindheit wieder erreicht werden, um dann in den „breit-
schultrigen'', „gedrungenen'' Typus des Mannes überzugehen. Dies
zeigt sich, wenn man jetzt die Zahlen der beiden letzten beobachteten
Jahre mit denen des 11. Jahres vergleicht.
2ieitraam
Relative
Gewichta-
znnahme
EeUtive
Längen-
zunahme
Relative
Horizontal-
zunähme
xi-xvin
104,75 Vo
26,96 Vo
27,00%
XI-XTX
119,25 Vo
27,79 Vo
30,99 7o
25*
460
Fafst man also den Zeitraum der sieben Jahre vom
Yollendeten 11. bis zum YoUendeten 18. Jahre als Ganzes
auf, so haben in ihm alle drei Dimensionen in demselben
Verhältnis zugenommen. Bereehnet man noch die Potenz der
Gewichtszunahme zur Längenzunahme, so erhält man den E2xponenten:
3,0016. Das Gewicht hat also genau im Kubus der Länge
zugenommen, die Jünglinge haben am Ende des 18. Jahres
wieder dieselbe, nur gleiohmäfsig vergrOfserte Figur wie
Yor Beginn der durch die Vorjahre der Pubertät bedingten
ttbermäfsigen Gröfsenzunahme. Ein Jahr später dagegen
ist, wie die kleine Tabelle zeigt, der Habitus schon ungleich
„männlicher".
Werfen wir noch einen Blick auf die letzte Kunrentafel (Fig. 7), so
sieht man, wie die Eunre der relativen Gkwichtszxmahme durch die
beiden Kurven der linearen Zunahmen beeinflufst wird, aber natftrlidh
durch die ausgezogene (horizontales Wachstum) viel stärker, da deren
Ordinaten als Quadrate die Gewichtsordinaten produzieren helfen.
Die relative Gewichtszunahme zeigt daher ebenfalls im 13. Jahre einen
Bflckgang, der sich übrigens auf der „Kurve des mittleren Körper-
gewichts*' als vorübergehende Einziehung des aufsteigenden Schenkels
markierte, so dafs, ganz streng genommen, man eigentlich nicht vier,
sondern sechs Perioden der Gewichtszunahme unterscheiden mülste.
Diese eingeschobene Periode ist aber zu kurz und zu wenig aus-
geprägt, als dafs sie die vom 11. bis zum 16. Jahre dauernde grobe
Periode in deren übrigen Eigenschaften stören könnte.
Die von mir vorgeschlagene Berechnung der duroh-
chnittlichen relativen Horizontalzunahme (^^1 kann
auch noch zu anderen wissenschaftlichen Zwecken, als
hier geschehen ist, benutzt werden. Die Gröfse q ist freilich ein
idealer Horizontalhalbmesser, der in Wirklichkeit nicht existiert
Statt dessen milst der Anthropologe mehrere wirklich vorhandene
horizontale Durchmesser. So milst Qüetelet das jährliche Wachs-
tum der anteroposterioren Durchmesser des Kopfes, des Rumpfes in
Schlüsselbeinhöhe, in Brusthöhe, femer der bilateralen Durchmesser
der Schläfen, der Scheitelbeine, des Halses, der Schultern, der
Achseln, der Hüften und der Trochanteren. Für das Wachstam
aller dieser Diameter, welches man zweokmäfsig in der Form r}^t\
461
2iim Ausdruck bringt, kann der Qnotient ^ , den man nach
Gewichts- und Lfingenzunalime berechnet, ein passendes Mafs ab-
geben. Man könnte dann unmittelbar sehen, in welchen Regionen
die Breiten- resp. Diokenzunahme das allgemeine horizontale Wachs.
tum des Körpers überflügelt bez. hinter ihm zurückbleibt. Auch
das Wachstum schräg angelegter Linien, wie die Oonjugata ex-
terna der Geburtshelfer, kann in diesem allgemeinen Mais gemessen
werden, wenn nur sicher ist, dals der Winkel mit der Horizontalen
derselbe bleibt. Da endlich auch der Umfang eines Kreises und
jeder in sich zurücklaufenden JBHgur, wenn das Wachstum gleich-
mäisig geschieht, im Verhältnis der BAdien zunimmt, so können auch
die Veränderungen der von Quetblbt u. a. gemessenen Umfange
des Kopfes, des Halses, des Rumpfes in Schulter-, Achsel-, Brust-
bein-, Oürtel- und Hüftenhöhe, sowie der Extremitäten an verschie-
denen Stellen direkt an der Gröüse ^"*"* gemessen werden. Nament-
lieh das relative Wachstum des Brustumfanges hat eine groise
praktische Bedeutung. Der Brustumfang Erwachsener beträgt nach
den Untersuchungen von A. Chatelanat^ an fast einer halben
Million Soldaten zwar nicht über die Hälfte, wie sonst vielfach an-
genommen wurde, aber doch durchschnittlich fast die Hälfte der
Zeitraum
Relative prozentuale Zunahme
liaterial
der Lange
des idealen
Horizontald.
der Thorax-
peripherie
Hamburger
XI~XV
14,16 Vo
14,39%
17,76%
GymnasiBsten, gemeBsen
XV-XIX
8,22 Vo
11,67%
12,69 Vo
von Eotblmann'
XI— XIX
28,65%
27,730/0
13,84%
32,68%
Italienische Waisen des
Isiituto Bonafous, ge-
meseen von Paoliani'
XI-XV
16.00 Vo
13,66 Vo
XV-XIX
4,98 Vo
6,26%
6,76 Vo
vor dem Eintritt in die
Anstalt
XI-XTX
21,78 <»/o
20,96%
21,24 Vo
^ „Militärstatistisches aus Österreich.** Zeitschr. f. aehmeizeriache SiaUsUky
Bern 1875, S. 278-285, 293—308.
• Vgl. oben. j^Skitschr, d, Kgl prmfs. atat. Buream", 1879, 8. 13—14.
' Vgl. oben. y^Atti della reale Äcademia delle Scieme di Torino'', XI,
1875—76, pag. 708.
462
KörperläDge, beim Kinde dagegen bedeutend weniger, mnfe also in
den Jahren der Entwicklung im ganzen stärker zunehmen als die
Körpergröfse; es ist interessant und vor allem praktisch wichtig, die
Zeit dieser Herausbildung der Brust genau zu kennen, um beim
Nichteintritt des Phänomen sogleich die notwendigen hygienischen Mais-
regeln tre£Een zu können. Da an den Jenenser Knaben diese Mes-
sungen nicht yorgenommen wurden, so sei hier die Rechnung in der
oben angegebenen Weise an zwei anderen Materialien (Tab. S. 461)
ausgeführt.
Bei den Hamburger Gymnasiasten ist also die Zunahme der
Thorazperipherie gröfser als das allgemeine Horizontalwaohstum,
dieses gröiser als das Längenwachstum; bei den Turiner Waisen sind
alle drei Zahlen ziemlich gleich. Man kann annehmen, dals der
erste Fall dem gesunden, der zweite Fall dem ungesunden Wachstum
entspricht.
III. Das jShrliche Wachstum der einzelnen Schfiler.
Man kann zwei Hauptmethoden unterscheiden, die in der E^
forsohung des menschlichen Wachstums eingeschlagen werden, die
direkte und die indirekte. Die direkte miüst in Wirklichkeit die
Zunahme, welche im Laufe eines bestimmten Zeitabschnittes, meist
eines Jahres, erfolgt ist. Die indirekte miist nur die Grölsen-
differenz yon gleichzeitig lebenden Gruppen, deren Durchschnittsalter
um je ein Jahr oder um je einen Monat differiert. Die direkte
mifst also dieselben Individuen zu verschiedenen, aber in regelmälsigen
Zeitintervallen gewählten Terminen, die indirekte mifst zu derselben
Zeit verschiedene, aber in regelmäfsige Altersintervalle klassifizierte
Individuen. Erstere pflegt man die Individual-^, letztere die
Kollektiv- oder generalisierende Methode zu nennen. Es fragt
sich, ob beide dieselben Resultate geben. Vierbodt und Axel Key
behaupten es; letzterer sagt: „Wenn ich durch zehn Jahre nach-
einander jährlich 1000 Individuen prüfe, so komme ich zu keinem
sichereren Resultate, als wenn ich auf einmal 10000 Individuen
untersuche.'* Vielleicht; aber vielleicht zu einem weniger sicheren?
Man muls sich überlegen, wodurch überhaupt Differenzen zwischen
den Resultaten beider Methoden entstehen können. Zwei Möglich-
keiten sind hierfür denkbar. Die eine entsteht durch Vermischung
^ Namentlich von Liharzik an^rewandt: „Das Geaets des menschlichen
Wachstums", 2. Aufl., Wien 1862.
' Vergl. oben. „Schul hygienische Untersuchungen", S. 212.
463
mit einer anthropometrisoli yersohiedenen Bevölkerungsgruppe, die
beBtimmten Jahrgängen angehört. Ein paar Beispiele mögen dies
erläutern: Die Messungen betreffen die A.grarbeyölkerung des deutschen
Ostens, welche Sommer für Sommer durch polnische Arbeiter unter-
mischt wird. Eine z. B. am 1. Juli angestellte generalisierende
Messung würde für das Alter bis etwa zum 16. Jahre eine wesent-
liche deutsche, von da an eine gemischte deutsch-polnische Beyölke-
rang messen; die Zunahme des 16. Jahres und auch noch der fol-
genden Jahre würde hier fälschlich zu gering bei der Bechnung
herauskommen. — Oder die Messung umfasse z. B. die Berliner
G-ymnasien. Nun weüs man, dals. hier die kräftigen Knaben meist
im neunten, schwächliche aber erst im zehnten Lebensjahre die Sexta
erreichen. Die KoUektiymethode wird also hier den Durchschnitt
des neunten Jahrganges wesentlich zu hoch im Verhältnis zu den
anderen und die Zunahme des zehnten Jahres zu gering angeben. —
Oder es ist durch einen kürzlich yorhergegangenen Krieg gerade der
kräftigst entwickelte Teil der Stellungspflichtigen Jahrgänge dezimiert
worden. Auch dann wird die KoUektiymethode die Zunahme für
diese Jahre zu gering angeben. — Oder eine Keuohhustenepidemie
habe umgekehrt den schwächsten Teil der Kinder weggerafft, so wird
die in der auf die empfänglichen Kindheitsjahre folgenden Lebenszeit
beobachtete Zunahme zu klein werden. — Das sind Beispiele fbr
Unterschiede zwischen den Methoden, welche durch Mischung oder
Auslese, die nicht für alle Lebensjahre die gleiche Bolle spielen,
bedingt sind. Li allen solchen Fällen wird die KoUektiymethode
weniger genau als die Indiyidualmethode arbeiten. Die andere Haupt-
mögUchkeit für Abweichungen der Besultate beider Methoden yon-
einander liegt in dem etwaigen Einfluis yerschiedener Kalenderjahre
auf die Ernährung und damit die Entwicklung der gesamten Be-
yölkerung. Die Statistik zeigt z. B., wie sowohl die somatischen als
die moralischen Phänomene sich ziemlich genau parallel dem Fallen
und Steigen der Kompreise yerändem. Oder es tritt in einzelnen
Jahren gar eine Hungersnot auf! Nähme mau sich nun nach der
Lidiyidualmethode 1000 Neugeborene heraus und würde dieselben
20 Jahre hinduroh messend beobachten, so würden sämtliche berech-
nete Jahreszunahmen nur zum Teil yon dem Lebensalter, zum TeU
dagegen durch den Einflufs des betreffenden Kalenderjahres bedingt
sein. Die KoUektiymethode dagegen würde hier zwar ihre sämtlichen
Zahlen etwas zu hoch oder etwas zu tief angeben; aber dieser Fehler
würde wenigstens alle Jahrgänge gleiohmälsig betreffen.
464
Man tieht also, dafe jede der beiden Hauptmeihoden je nach
dem einzelnen Falle ihre Lieht- oder Sdhatteneeiten zeigt. In der
Torliegenden Arbeit wnrde bisher eine Methode angewandt, die im
wesentlichen mit der Kollektivmethode identisch war. Zwar waren
die Messungen nicht auf einmal, sondern durch 16 Jahre hindurch
angestellt; auch stammten nicht alle 986 bes. 992 Zahlen Ton yer-
schiedenen IndiTiduen, sondern die meisten Schüler traten in mehreren
Jahrgängen auf. Aber sämtliche Mittelzahlen sind wesentlich durch
die Schüler beeinfluTst, die in dem dem betre£Eenden Alter y orhergehenden
Lebensjahre in die Anstalt aufgenommen wurden« Alle bisherigen
Ergebnisse der Torliegenden Arbeit sind also den etwaigen Fehler-
quellen ausgesetzt, welche aus den oben an den Berliner Gymnasien
beispielsweise erörterten Möglichkeiten entstehen können. Eis gilt
also, die wichtigsten dieser Besultate nunmehr mittels einer indivi-
dualisierenden Methode zu prüfen, wobei sich freilich jetzt die Fehler-
quelle des weit geringeren Materials auftut. Der etwaige Einflufs des
Kalenderjahres fUlt jedoch hier praktisch fort, da die einzelnen die
betreffenden Lebensjahre nicht in demselben anno domini p. Ohr. n.
erreichten.
Es ist also nunmehr so verfahren worden, dals von jedem ein-
zelnen Schüler der Unterschied zwischen zwei aufeinander folgenden,
in der Anstalt verlebten Geburtstagen, sowohl für die Eörpergrölse
als für das Körpergewicht, bestimmt worden ist. Die nur unvoll-
ständig in der Anstalt verbrachten Lebensjahre vor dem ersten und
nach dem letzten Geburtstage, far den Messungen zur Berechnung
vorhanden sind, mufsten dagegen unberücksichtigt gelassen werden.
Aus diesem, also beträchtlich verkleinerten Materiale vnirde die
individuelle, jährliche Zunahme berechnet. Setzt man da-
neben die kollektive, jährliche Zunahme, und zwar in zwei Formen,
einmal als Differenzen zweier aufeinander folgender arithmetischer,
einmal als Differenzen der entsprechenden wahrscheinlichen Mittel,
so erhält man die auf Seite 465 folgenden Besulte.
Die in beiden Tabellen berechneten Kollektivzunahmen zeigen
in Zahlenwerten das an, was wir bereits in den beiden früheren
Abschnitten an dem stärkeren oder schwächeren Ansteigen der
„Kurven der mittleren Körpergröüse^ und „des mittleren Körper-
gewichts^ beobachtet hatten. Man erkennt hier noch deutlicher die
drei bez. vier Perioden der abwechselnden Verzögerung und Be-
schleunigung des Wachstums. Auch die Individualzunahme zeigt
diese Perioden deutiich, nur die bei der kollektiv berechneten Gewichts-
465
Tabellen des absoluten jährlichen Waohstnms.
I. Gewichtasunahme in Kilogrammen.
Indiyidnalzonahme
EoUektiyzunahme
Zeitraum
Ansahl
Zunahme
ausdemwahr-
Bcheinl. Mittel
ausdemarith-
met. Mittel
Anzahl .
vm— IX
8
1,89
(4,3)
2,82
•Ao
IX-X
7
2,37
1,3
2,34
"/t.
X-XI
16
1,79
2,1
2,15
"•/«
xi-xn
24
2,77
3,2
3,22
•»/»•
XTT— XTTI
49
3,19
2,3
2,80
»>
XUl-XlV
67
4,43
4,7
6,26
w/i«
XIV— XV
87
6.20
5,8
5,67
"Vl4«
XV-X7I
113
6,14
7,0
5,96
i*Vi«
XVI-XVII
100
4,64
3,7
3,67
»«/ll7
xvii-xvm
51
4,02
1,0
1,79
»w/ti
XVIII— xrx
30
2,80
3,1
4,21
"/•»
XTX— XX
11. QrÖfBenznnahme in Zentimetern.
IndiTidnalzunahme
XoUektiyzanahme
Zeitraum
Anzahl
Zunahme
aasdemwahr-
Bcheinl. Mittel
aus dem arith-
met. Mittel
Anzahl
vm— IX
8
439
(6,2)
6,07
•Ao
IX-X
7
4,10
3,3
4,34
'Vu
X-XI
16
8,71
3,0
3,19
»/«
xi-xn
24
3,85
4,0
4,37
w/w
XTT-XTTI
48
4,24
4,0
4,75
-/8T
XIM-XIV
66
5,63
6,5
7,04
•Vui
XIV— XV
89
6,44
7,2
5,99
"Vi«
XV-XVI
111
5,70
6,3
6,24
*«A«
xvi-xvn
105
3,93
3,8
3,27
>«/l.7
xvn-xvm
54
2,89
0,9
1,08
"V'O
xvm-xix
31
2,03
1.8
0,41
'Vu
vnnahme auftretende vierte Periode der beginnenden Beschlennigung
ist hier noch nicht ausgeprägt. Auch die erste Periode der Yer-
sOgerung zeigt sich hier weniger deutlich. Offenbar ist in den
466
ersten und den letzten Jahrgängen durch die oben erwfthnte Re-
daktion das Material zu gering geworden. In den mittleren Jahren
zeigt dagegen die indiTidoalisierend berechnete jährliche Zunahme die
meiste Regelmäijsigkeit. Man kann also sagen, dafs bei einiger-
mafsen grofsem Material die Indiyidualmethode die
sicherste ist zur Bestimmung der jährlichen Veränderung
des Wachstums.
Kurven der absoluten Jährlielien Gewichtsiunalime.
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C2I
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EIS
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Fig. 8.
Beim Eintragen in Kuryentafeln (EHg. 8 und 9) wird dies alles
auf den ersten Blick sichtbar. Die Kurven der Kollektiyzunahme
zeigen dieselben Erscheinungen wie beim Eintragen der mittleren
Gröfsen und Gewichte. Nur dafs hier Ordinate ist, was dort Ordi-
natenunterschied war, so dafs hier die Kurven ungleich springender
erscheinen. So erscheint die leichte Einsenkung des Gewichtes im
13. Jahre, die später bereits bei den „Kurven des relativen jähr-
lichen Wachstums" stark in die Augen gesprungen war, auch hier
467
bei den „Kurven der absoluten Zunahme'^ als deutliche Bemission.
Die Kurre der Individualzunahme dagegen lälst nichts von dieser
UnregelmftiBigkeit merken, und man kann sich in diesem Falle wohl
auf sie mehr als auf die beiden anderen, nach roherer Methode ge-
fundenen Kurven verlassen.
Schliefet man hieran eine Vergleichung der beiden Kurventafeln
als Gtinzes, so findet man aufeer der vom 18. Jahre an durch die
Kurven der absoluten Jährliehen GköÜBenzunahme.
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Fig.».
vierte Gewichtsperiode bedingten Differenz noch einen wesent-
lichen Unterschied zwischen dem Wachstum des Grewichts und
der Länge: Die Körpergröfse erreicht in allen drei
Kurven ein wenig früher ihr stärkstes Wachstum als
das Körpergewicht. Diese Tatsache ist übrigens von anderen
Beobachtern bereits konstatiert worden. Bei den STOYSchen Knaben
&llt die Grenze des stärksten Längenwachstums, soweit es auf
der Anstalt erlebt wurde, auf die Mitte des 15. Jahres, die
468
Grenae der stärksten Gewiehtssnnahme dagegen etwa aaf das
vollendete 16. Jahr, also ein halbes Jahr spftter. Unter der
Voranssetsong der Konstanz des spezifischen Gewichtes mufis also die
grölste dnroh die Pubertät bedingte Horizontalznnahme später fallen
als die gröfste entsprechende Längenzonahme. In der Tat scheidet
»die Knrye der relativen Horizontalzonahme'' nach der Mitte dee
15. Jahres die „der relativen Vertikalznnahme^, welche bis dahin
weit oberhalb von ihr stand.
Nachdem so die erste unterscheidende Eigenschaft der Waohstoms-
perioden, die der positiven oder negativen Beschlennignng, auch
individualisierend nachgewiesen werden konnte, soll nunmehr auch
die zweite, generalisierend gefundene Eigenschaft, die fortschreitende
reep. sich verringernde Differenzierung individuell geprüft werden
Man mache sich klar, wie eine Differenzierung zustande kommen
kann. Handelt es sich nur um zwei Individuen, so ist der Vorgang
leicht verständlich: es mufs, um zunächst beim Gewicht zu bleiben,
entweder der, welcher schon schwerer ist, noch mehr zunehmen als
der, welcher bereits leichter ist. Es ist aber auch möglich, dals der
Leichte mehr zunimmt als der Schwere, dals sie aber gewissermaCsen
weiter am Ziele vorbeischiefsen, als sie vorher abstanden, d. h. dafs
der, welcher jetzt der Schwerere ist, mehr positiv abweicht, als er
vorher negativ differierte. Den ersteren Fall könnte man die natür-
liche oder gerade, den letzteren Fall die gekreuzte Differen-
zierung nennen. Ganz ebenso steht es mit dem G^^nteil der
Differenzierung, woftbr ich den Ausdruck Assimilierung in Vor-
schlag bringe. Ea sind also im ganzen vier Fälle möglich, welche
durch die folgenden graphischen Beispiele illustriert sein mögen.
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Gerade
Gerade Gekrenste
Gekreuste
Dlffereniierang.
ÄMimilierang. ABsimilierang.
Fig. 10.
Differensiening.
Aulserdem existiert natürlich noch der Grenzfeill, dab das
Wachstum beider ganz gleich ist. Nur in den ersten der gezeich*
neten Fälle besteht eine eigentliche, individuelle Tendenz der
469
Differenzienug, nur hier waohflen sie buohstäblioh auseinander. In den
drei anderen Fällen wachsen sie beide ursprünglich einander entgegen;
aber der stärkste Fall dieses Entgegenwachsens führt auch wieder
zur Differenzierung. Und auch bei der gekreuzten Assimilierung ist
der Effekt nicht so stark, als es der ursprünglichen Neigung ent-
sprechen würde. Die Ej^uzung schwächt also in jedem Falle die
Tendenz, sich zu assimilieren, ab. Werden es nun mehr als zwei
Individuen, so sind natürlich alle möglichen Kombinationen zwischen
diesen vier Modis möglich. Immerhin kann man zwei Hauptfillle
unterscheiden: Entweder überwiegt die Tendenz des Entgegen Wachsens
oder die entgegengesetzte. Im ersteren Falle wird die Zunahme der
Untermittelgrölsen durchschnittlich grölser, die der Übermittelgröfsen
durchschnittlich kleiner sein als die Gesamtdurchschnittszunahme, im
letzteren Falle wird das Gegenteil der Fall sein. Nimmt man nun an,
dafe beide Tendenzen in der Natur gleich stark vertreten sind, so
werden alle Fälle, in denen die Auseinanderwachsungstendenz über-
wiegt, zur schliefslichen Differenzierung führen, die Fälle aber, in
denen die entgegengesetzte Tendenz obwaltet, werden nur zum Teil
das Resultat der schliefslichen Assimilierung herbeiführen; ein anderer,
wenn auch vielleicht nur kleiner Teil führt ebenfalls zur resultierenden
Differenzierung, und auferdem vernichten sich die geraden und die
gekreuzten Assimilationen zum Teil gegenseitig. Ist also die An-
nahme richtig, so mufs überall sohliefslich die Differen-
zierung das Übergewicht erhalten. Und in der Tat lehren
uns alle Wissenschaften, dafs dies durchgängig der Fall
ist: Entwicklung und Differenzierung gehen überall
Hand in Hand; nur vorübergehend macht Assimilierung eine zu
weit gegangene Differenz wieder rückgängig. So wenigstens in der
Anthropometrie, phylogenetisch wie ontogenetisch: die Kulturmenschen
sind unendlich viel differenter als ihre Vorfahren, die Erwachsenen
ungleich viel differenter wie die Kinder. Das zeigte sich auch schon
an unseren Zahlen. Trotz der in den Jahren nach der Pubertät
konsequent herrschenden Assimilierung war der den Grad der indi-
viduellen Differenz ausdrückende Oszillationsexponent am Schlüsse
dieser Periode doch noch grö&er, als er vor Beginn der Pubertäts-
entwicklung gewesen war.
Prüft man also jetzt die individuelle Neigung der Gewichte der
einzelnen, sich im ganzen anzunähern oder zu entfernen, und be-
rechnet man zu diesem Zwecke die durchschnittliche individuelle
jährliche absolute Gewichtszunahme der leichteren und dann der
470
schwereren Hälfte der in einem jeden Jahrgange yeriretenen Eänsel-
werte, so erhält man folgende Tabelle:
Nach der Individnalmethode berechnete jährliche, absolnte
Gewichtszunahme
Zeitraom
des Gesamt-
durchschnitts
der leichteren
Hälfte
der achweren
Hälfte
Differenz
beider
Hälften
IX-X
2,37 2,67
2,15
+ 0,52
X-XI
1,79
1,90
1,64
+ 0,26
xi-xn
2,77
3,02
2,53
+ 0,49
xii-xm
8,19
2,84
8,M
-0,72
xni-xiv
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8,M
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-1,74
XIV-XV
6,20
ß,»4
8,46
-0,62
XV~XVI
6,14
6,89
5,91
+ 0,48
XVI— XVII
4,64
5,20
3.84
+ 1,39
xvn-xvm
4,02 4,64
2,98
+ 1,66
XVIII-XTX
2,80
«,71
2,85
-0,14
Die letzte Spalte gibt die Differenzen in der Znnahme der beiden
Hälften nnd hat periodenweise positives resp. negatires Vorzeichen.
Das positive Zeichen bedeutet Annähemngstendenz, das negative
Entfemnngstendenz. Da nun diese Perioden im ganzen mit den
vier für die Gewichtszunahme konstatierbaren Wachstumsperioden
gut übereinstimmen, so wäre bis jetzt Übereinstimmung, zwischen
der kollektiv gefundenen tatsächlichen Differenzierung und Assimi-
liemng und den individual berechneten Neigungen der Einzelwerte
sich anzunähern resp. sich zu entfernen, vorhanden. Es fragt sich
aber, ob die jetzt gefundene Neigung auch wirklich ausreicht, die
früher gefondenen Resultate in ihrem numerischen Werte zu erklären.
In diesem Falle könnten wir nicht nur Übereinstimmung der Indi-
vidual- und EoUektivmethode, sondern auch das Fehlen der oben
skizzierten Ejeuzung des Individualwachstums konstatieren. Es
lielse sich dann die ganze Kurve des Oszillationsexponenten kon-
struieren, indem man den einmaligen Wert desselben (ich wähle
den des Jahrganges X) mit den in der letzteren Tabelle enthaltenen
Differenzen in der Gewichtszunahme der beiden Hälften Jahr für
Jahr algebraisch hinzuaddiert. Auf diese Weise erhält man eine
471
Kurre, welohe unter der obigen Annahme mit der des OszUlations-
exponenten etwa identisch wäre (Fig. 11). loh zeiohne zum Vergleich die
Knnre des wirklichen Oszillationsexponenten ^ dazn, und finde, dafs
beide Kuryen nicht übereinstimmen: Die wirkliche Oszillation
ist vielmehr gröfser als die angenommene und wird es fast
regelmftlsig von Jahr zu Jahr mehr. Offenbar kann das nicht auf
den zufiillig wechselnden Unterschieden zwischen der Kollektiv- und
Indiyidualmethode beruhen, sondern mufs einen tieferen Grund
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Enrreii der CkwichtsoBsUlatioiien
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Fig. 11.
haben ; und der Grund kann nur der sein, dafs eben jene Kreuzung
im Wachstum der Einzelwerte darüber und darunter in dem Durch*
schnittswerte tatsächlich vorhanden ist. Durch jede Kreuzung
aber wird Assimilierung vermindert, Differenzierung
vermehrt. So nimmt letztere in Wirklichkeit von Jahr zu Jahr
im Vergleich mit der berechneten Kurve mehr zu; nur im vier-
^ YgL die punktierte Kurve Nr. 6.
472
zehnten Jahre nicht, wo offenbar die besonders grofse
Abweichnngsneigung die Kreuzung im wesentlichen ver-
hindert. — Während daher die berechnete Kurve nach Schlafs
der dritten Periode mindestens ebenso starke Assimilierung wie vor
Beginn der zweiten Periode anzeigt, hat die Assimilierung tatsfiohlioh
immer mehr das Feld räumen müssen. An unserem Beispiele zeigt
sich also augenfUlig, wie eine überwiegende Differenzierung durch
Kreuzung und dadurch bedingte gegenseitige Aufhebung der ursprüng-
lich mindestens ebenso starken Annäherungsneigung zustande kommt.
— Übrigens ergibt sich die hier geschlossene Kreuzung auch durch
jeden Blick in das ürmaterial.
Interessant ist noch die Beobachtung, dals die Individualmethode
hier nach dem achtzehnten Jahre wieder eine Steigerung der ideellen
Oszillationskurve zeigt, ein Verhalten, das nach allem Bisherigen auf
ein gleichzeitig beschleunigtes Wachstum hinweist. So wird uns
hier in Umwegen die Existenz der vierten Periode der Gewichts-
zunahme verraten, die sich direkt nur durch die Kollektivmethode
hatte zeigen lassen.
Es gilt nun, dieselbe Prüfung für das Längenwachstum vorzu-
nehmen. Auch hier ist jetzt die durchschnittliche jährUohe Zunahme
individualisierend berechnet und miteinander verglichen:
Nach der Individualmethode berechnete jährliche, absolute
Längen zunähme
Zeitnram
des Gesamt-
durchschnitts
der längeren
Hälfte
der körseren
Hälfte
Differenz
beider
Hälften
IX-X
4,10
4,10
4,10
±0
X-XI
8,71
3,91
3,47
+ 0,44
xi-xn
8,86
8.76
8,94
-0,18
XTT-xm
4,84
4,88
4,09
+ 0,29
xni-xiv
5,68
6,61
6,66
-0,06
XIV~XV
6,44
6,69
6,20
+ 0,49
XV-XVI
6,70
6,95
4,50
+ 2,46
xvi-xvn
3,93
5.28
2,66
+ 2.62
XVll-XVlll
2,89 3.47
2,80
+ 0,67
xvm-xTx
2,08
2,41
1,62
+ 0,79
473
Das dreizehnte Jalir zeigt hier gerade das Gegenteil von dem,
was es unter der obigen irrealen Annahme zeigen sollte. Zeichnet
man auch hier die entsprechenden Kurven (Fig. 12), so haben dieselben
einen durchaus yerschiedenen Verlauf. Die einzige Ähnlichkeit, die
sie noch zeigen, ist die, daiCs solange die Kurve des tatsächlichen
Kurven der OröüBenosidllationen.
*2J»
3L 31 3Dr 3ff JSSE ^t
Fig. 12.
JSSL
Oszillationsexponenten ansteigt, die des ideell berechneten wenigstens
sich im ganzen etwa auf gleicher Höhe hält, während nachher, wo
die obere Kurve sanft abfällt, die untere rapide bis weit unter den
Nullpunkt, also weiter als reell möglich wäre, herabsinkt. Man
kann also wohl annehmen, dafs ursprünglich auch in der individu-
ellen Neigung der einzelnen zum Mittelwerte die Hauptwachstums-
Sehnlgesimdheitopflege. XVIIL 26
474
Perioden ausgeprägt sind, and zwar so, dals bis znr Pubertät die
Neigung 0, nach derselben die positive Annäherungsneigung besteht.
Nun kommt tatsächlich die Kreuzung mit ihrer diffsrenzieienden
Wirkung hinzu; so entsteht yor der Pubertät jene Differenzierung,
nach derselben jene abgeschwächte Assimilierung, wie sie die tat-
sächliche Oszillation zeigt. Ich wülste nicht, wie die gefundenen
Tatsachen anders zu erklären wären.
Nun aber besteht hier doch ein Unterschied gegenüber dem Ver-
halten beim Körpergewicht. Dort zeigte die berechnete ideelle
Oszillationskurre vor der Pubertät eine deutliche Steigung, hier nicht 1
Zur Erklärung dieses Unterschiedes wage ich folgende Hypothese:
Die Annäherungsneigung, worunter ich den Unterschied der
jährlichen Zunahme der kräftigeren und der schwächeren Hälfte ver-
steheS richtet sich etwa nach der relativen Zunahme des Granzen,
nicht nach der absoluten: je kleiner die relative Zunahme, desto
positiver (zur Assimilation strebender) wird die Neigung; je grö&er
die Zunahme, desto kleinere positive resp. grö&ere negative Werte
nimmt die Annäherungsneigung an. Die relativen Zunahmen finden
sich im zweiten Abschnitt auf S. 416 verzeichnet. Die geringste
relative Zunahme zeigt die Länge nach der Pubertät: übermäfsige
positive Annäherungsneigung. Gröfser schon ist die relative Gewichts-
zunahme nach der Pubertät, so im achtzehnten Jahre: bedeutend
geringere positive Neigung. Noch etwas stärkere relative Zunahme
zeigt die Länge vor der Pubertät: die positive Neigung ist nur noch
gering, fast gleich 0. Die gewaltigste Zunahme aber zeigt das
Körpergewicht vor der Pubertät: hier ist die Neigung bereits negativ
geworden, schon die Einzelwerte zeigen die Tendenz, sich za diffe-
renzieren. Auf eine genaue Übereinstimmung in den Zahlenwerten
darf man nicht rechnen, schon weil die eine GröJGse kollektiv an
allen Schülern, die andere individuell an nur etwa der Hälfte berechnet
wurde. Immerhin halte ich mich für berechtigt, den Parallelismus
zwischen beiden Vorgängen auszusprechen, da nur er mir den auf-
fallenden Unterschied zwischen dem Verhalten des Gewichts und
der Länge zu erklären scheint.
Auf diese, bei Gröfse und Gewicht verschiedene indi-
viduelle Annäherungs- und Entfernungsneigung wirkt
nun in beiden Fällen die Kreuzung mit ihrer differenzierenden Wirkung
ein; je stärker jedoch die positive Neigung ist, desto mehr tritt
^ Vgl. letzte Spalte in den beiden vorigen Tabellen (S. 470 u. 472).
476
Kreaznng ein. Die Folge ist, daCs in den Fällen, in denen schon
Ton Tomherein eine Differenziemng wegen der negativen Neigung
entstehen würde, diese nur unbedeutend yerstftrkt wird. Eine neu-
trale Neigung wird negativ, führt also auch zur Differenzierung;
alle positiven Annftherungsneigungen werden, je gröDser sie sind,
desto mehr reduziert. So kommt es, dals das Verhalten bei der
Körperlftnge durch die Elreuzung der Körperlänge viel stärker, viel
mehr differenzierend beeinflulst wird und am Ende ein ähnliches
Aussehen in den drei Perioden zeigt wie das Körpergewicht in den
entsprechenden.
Dafs die relative jährliche Zunahme, welche in dem einen Falle
etwa die dritte Potenz von der des anderen Falles ist, die Oszillation
bestimmen hilft, wird auch dadurch bewiesen, dals die auf S. 410
berechneten relativen Oszillationsindices in beiden Fällen sehr un-
gleich sind, obgleich die absolute jährliche Zunahme hier etwa
ebensoviel Kilogramm betragen hatte als dort Zentimeter. Aber
man sieht auch, dafs die steigende oder fallende Differenzierung
nicht allein direkt durch die relative jährliche Zunahme bestimmt
wird; denn dann müTsten beide relativen Indices sich ebenfalls wie
erste und dritte Potenz verhalten. Tatsächlich aber ist die relative
Oewichtsdifferenzierung nur etwa das Quadrat der relativen Grölsen-
differenzierung, d. h. letztere ist gröDser, als es der primären Neigung
der Einzelwerte entsprochen hatte. Dnd sie ist gröJser geworden
dadurch, dals die stärkere Kreuzung Über dem Mittel hier einen
grOliseren Teil der beabsichtigten Assimilation aufhob als beim
Gewicht.
So entsprechen nur noch beim Gewicht die tatsächlich beob-
achteten abwechselnden Perioden der Differenzierung und Assi-
milierung der primären Tendenz im Wachstum der Einzelwerte.
Nur hier kann deshalb die individualisierende Methode noch weiter
fortgesetzt werden. Das Ideal dieser Methode wäre, dafs jeder ein-
zelne Wert in beschleunigten Wachstumsperioden selbst diese Be-
schleunigung gegenüber dem Vorjahre zeigte, und auüserdem weniger
zunehme als sein oberer, mehr als sein unterer Nachbarwert. Würde
man dann für sämtliche Individuen die Oewichtskurven zeichnen,
so mülsten dieselben in Verzögerungsperioden sich nähern, in Be-
schleunigungsperioden sich voneinander entfernen, und sämtlich
mülsten sie die charakteristischen Biegungen nach links und rechts
zeigen, wie sie die mittleren Wachstumskurven haben. Selbst-
verständlich ist dieses in Wirklichkeit nicht der Fall, sondern es
476
finden hier fortwährend Kreuzungen ewisohen den Einzelentwieklnnga-
knrven statt. Aber trotz dieser nnberechenbaren Zoftlle im einzelnen
hatten die beiden Hälften aller Werte jene oben besprochene Gfesets-
mäfsigkeit gezeigt. Es fragt sich nun, wie klein wir die Omppen
maohen können, ohne das Oesetz auszulöschen? Je kleiner die
Gruppe, desto stärker regiert der Zufidl; aus der für das Gesetz
notwendigen Anzahl der in einer Gruppe enthaltenen Indiyiduen
können wir auf die Macht des Zufalls rückschlieisen.
Wir teilen nunmehr die Gesamtzahl aller in einem Jahrgange
enthaltenen und nach dem Gewicht geordneten Individuen in vier
gleiche Teile imd berechnen fbr jedes Viertel die durchschnittliche
Individualzunahme aus denen, welche das ganze nächste Jahr der
Anstalt treu bleiben. So erhalten wir die folgende Tabelle der Ge-
wichtszunahme der vier Viertel.
Zeitrmnm
I. Viertel
gans Leichte
n. Viertel
Leiolite
m. Viertel
Schwere
IV. Viertel
gaiuSohwer»
X— XI
1.98
1,80
1,80
8.M
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xm— XIV
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4,4»
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6,71
«,16
«.«0
6,83
XV-XVI
«,19
«,61
«,«6
6,25
xvi-xvn
5,66
4,79
4,73
2,71
xvu-xvm
4,69
4,67
8,20
2,60
xvm-xix
3,16
2,05
1,88
«,«8
Die Tabelle ist sehr interessant; sie hat nur zwei kleine Un»
regelmälsigkeiten in den mittleren Vierteln zweier Übergangsjahre,
welche daher zu einer mittleren Hälfte zusammengefaist sind. Da
die markierten, nach oben steigenden Zahlen negative Neigung, d. h.
individuelle Tendenz zur Differenzierung, die nicht markierten aber
eine solche zur Assimilierung kundgeben, so findet im dreizehnten
und vierzehnten Jahre, welche wir als beschleunigte Wachstumsjahre
477
Itennen, auch hier eine durchgängige individaelle Tendenz znr
Differenzierung, im siebzehnten und achtzehnten Jahre, welche Ter«
nngertes Wachstum haben, dagegen eine durchgängige Assimilations-
neigung statt. Soweit ergibt sich also eine fast frappierende Bestäti-
gung der kollektiv gefundenen Tatsachen durch die individual beob-
achtete Neigung der Einzelwerte. Nun aber sieht man jetzt noch
etwas Neues: die übrigen Jahre nämlich zeigen deutlich Übergangs-
charakter. So beginnen im elften und zwölften Jahre, welche im
wesentlichen Assimilationsjahre sind, die Viertel der ganz Schweren
eich zu differenzieren. Im fünfzehnten und sechzehnten Jahre ist
genau das Umgekehrte der Fall: Assimilation bei den ganz Schweren,
Differenzierung der übrigen. Das neunzehnte Jahr aber zeigt wieder
den Charakter des elften und verkündet so die abermals beginnende
Differenzierung! Man kann also alles an der Tabelle Beobachtete
in den Sätzen zusammenfassen: In Perioden der beschleunigten
Gewichtszunahme zeigen die Einzelwerte das Bestreben
der Differenzierung, in Perioden der verzögerten Gewichts-
zunahme das der Assimilierung; in Übergangsjahren
folgen die Schwersten schon dem Typus der kommenden,
die übrigen noch dem der vorhergehenden Periode.
Stellt man hier die Differenzen zwischen der Zunahme des
ersten und des letzten Viertels fest, so kann man auch diese Zahlen
benutzen, um aus ihnen mit Hilfe der gegebenen Oszillation des
JahrgangsX eine ideelle Oszillationskurve (Fig. 13) zu berechnen, ebenso
wie das oben mit den Differenzen in der Zxmahme der beiden Hälften
geschehen ist. Die oben berechnete Kurve (Fig. 11) blieb dauernd
wegen der differenzierenden Kreuzung unter der tatsächlichen zurück.
Es wäre nun denkbar, dafs die Kreuzungen gerade die Tendenzen
der mittelsten beiden Viertel, zwischen denen sie hauptsächlich
stattfinden, paralysierten, und dafs die Neigungen der beiden äulseren
Viertel für die (j^esamtoszillation schlieDslich ausschlaggebend würden.
In diesem Falle müfsten die tatsächliche und die jetzt berechnete
Kurve übereinstimmen. In Wirklichkeit geschieht dies auch in den
ersten drei Jahren; dann aber steigt die berechnete Kurve viel zu
steil an, d. h. es finden in diesen Jahren des stark beschlexmigten
Waohstums und der starken Differenzierung relativ wenige Ejreuzungen
statt, wie es a priori klar und überdies an der oben berechneten
Kurve auch schon beobachtet war. In der nächsten Periode ist es
umgekehrt, die Elreuzungen sind hier wegen der starken Assimi-
lationsneigung so zahlreich, dais auch noch ein Teil der Assimi*
478
lationsneigong der äalseren Viertel dadurch reduziert wird. Die
berechnete Kurve zeigt also deutlich die bekannten Perioden, nur
viel kraseer ausgesprochen, als es der Wirklichkeit entspricht, j
Kurven der Qewichtsosiillationen.
Nunmehr soll die individualisierende Methode noch weiter fortr
gesetzt und die Viertel wiederum in zwei Hälften geteilt werden.
Die mittelsten Viertel jedoch zeigen zu geringe Differenzen, als dais
sie, ohne dem Zufall zu sehr Baum zu geben, noch weiter gespalten
werden könnten. Sie seien vielmehr umgekehrt zu einer mittleren
479
Hälfte Tereinigt, welche dann ako nahezu dieselben Einzel werte
mnfalst als der oben benatzte .mittlere Kern "'s ^
Gewichtssnnahine nach Achteln gesondert
Zeitnnm
I. Achtet
extrem
Leichte
n. Aohtel
«ehr
Leichte
in-VI. Aohtel
Kern
VU. Achtel
sehr
Schwere
VUl. Achtel
extrem
Schwere
Xm— XI7
«,7*
8,40
4,26
4,82
7,1«
XIV— XV
6,68
6,81
6,87
7,04
6,75
XV-XVI
6,7*
6,68
6,68
6,17
4,32
xvi-xvn
6,0»
4.91
4,76
8,61
1,51
Die Tabelle ist so regelmäüsig, wie man sie sich nnr wünschen
kann. Man sieht hier, wie das fünfzehnte und sechzehnte
Jahr, welche in voriger Tabelle beide als gleich erschienen, doch
noch deutlich sich unterscheiden: im ersteren Jahre sind es
nur die Allerschwersten, welche sich bereits assimilieren
müssen, im letzteren schon die ganze obere Hälfte. Beide
Jahre zeigen als Übergangsjahre eine regelmäisige Kurve mit einem
an- und einem absteigenden Schenkel, während das vierzehnte Jahr
nur den aufsteigenden, das siebzehnte Jahr nur den absteigenden
Schenkel aufweisen. Doch damit ist die Begelmälsigkeit in dieser
Tabelle (sowie in der vorigen) noch nicht erschöpft. Denn auch
die vertikalen Spalten zeigen typischen Verlauf. Auch hier haben
die drei mittelsten Kolumnen einen auf- und einen absteigenden
Schenkel, die erste nur einen auf- die letzte nur einen absteigenden.
Der höchste Punkt liegt in der ersten Spalte in der vierten Reihe,
rückt dann allmählich vor und liegt in der letzten Kolumne ganz .
am Anfang. AuTserdem ist dieser höchste Punkt in allen fünf
Kolumnen imgefähr gleich hoch. Das Oanze macht den Eindruck,
als blicke man auf fünf nebeneinander laufende Wellen von gleicher
Länge und Amplitude, aber verschiedener Phase. Dies wird noch
klarer, wenn man für jede Kolumne eine Kurve (Fig. 14) zeichnet, wobei
Steigen der Kurve eine beschleunigte. Fallen der Kurve eine ver-
zögerte Zunahme bedeutet. Man sieht jetzt deutlich, wie einerseits
» Vgl. S. 818 u. 408.
480
die anfeteigendei), anderseits die absteigenden Schenkel der yier ersten
Karren sich fast mathematisch parallel laufen. Leider umfasflen
die Karven nnr yier Jahre.
Es seien, um auch die übrigen Jahre übersehen zu können,
auch die für die Viertel berechneten Zahlen der vorhergehenden
Tabelle (S. 476) in derselben Weise zur Kurvenzeichnung herangezogen.
Auch diese drei Kurven (Fig. 15) zeigen denselben Parallelismus und
Kurven der Oewichtssunahme (nach Achteln geordnet).
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erscheinen als drei nahezu identische Schwingungen, die sich nur
durch Phasenabstände von je ^/t bis 1 Jahr unterscheiden. Dies
Verhalten wirft nun aber ein aufklärendes Licht auf die
gesamten Wachstumserscheinungen der Pubertät. Wir
lernen nämlich jetzt endlich die Gründe für alles das
kennen, was über die gegenseitige Bedingtheit der
Wachstumsgeschwindigkeit und der Oszillation überall
konstatiert werden konnte.
481
Überlegt man sich ganz im allgemeinen die Verhältnisse,
welche das Wachstnm beeinflussen können, so mnls man unter-
scheiden: ^änerseits die sozialen und überhaupt alle äufseren, und
anderseits die inneren Bedingungen, welche als latente Kräfte im
Keimplasma schlummern, welche je nach der Zahl der ihrer
Wirkung gleiohmälsig unterworfenen Personen als allgemein mensch-
liche Eigenschaften, als Bassesonderheiten, als Volksoharaktere, als
Familienhabitus, als individuelle Eigentümlichkeiten in die Er-
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Kurven der Ctowichtszunahme (nach Vierteln gesondert).
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31
Fig. 15.
scheiQung treten. Wenn man annimmt, dafis gleiche äuDsere Be-
dingungen die Einzelnen assimilieren, ungleiche aber sie di£feren*
zieren, so ist das vorliegende Untersuchungsmaterial durchaus
geeignet, den ersteren Fall zu demonstrieren: die Knaben der
STOYschen Erziehungsanstalt wachsen in genau der gleichen
Lebensweise auf. In der Tat hatte sich oben gezeigt, dafs hier
ursprünglich überall die positive Assimilationsneigung vorwaltet:
infolge des gleichen Milieus sollen alle einzelnen dem Typus an-
482
genfthert werden; aber es tritt in diesem Ansgleick entstandener Ab-
weichungen yielfaob . eine Überkompensiernng, welche mathe-
matisch als Erenmng der Waohstnmsriohtnngen erschien , ein, wo-
durch die ursprünglich stärkere Assimilientngsneigung abgeschwächt
wird. Die Differenzierung jedoch Iftlst sich durch ftulsere Ursachen
hier nicht erklären.
Diejenigen inneren Ursachen, an welche man nun zunächst
denkt, können als die der Konstitution zusammengefiedst werden.
Hierdurch entstehen in der Tat fortschreitende Differenzierungen.
Mag man dieselben nun, wie oben versucht, durch Paralysierung der
primär in gleicher Kraft wirkenden indiyiduellen Neigungen, sich
entgegenzuwachsen, erklären, oder mag man sie anderswo her ableiten
— die Tatsache ihres Bestehens unterliegt keinem ZweifeL Denn stets
sind die Erwachsenen, auch bei gleichem äuiserem Milieu, differen-
zierter als die Neugeborenen; a priori würde man vielleicht an-
nehmen, daüs von Jahr zu Jahr die Differenzierung gleichmäfsig mit
dem Wachstum zunehme, so dafs die „Kurven der mittleren GrOfse
usw.^ aller Individuen stets nebeneinander herliefen und sich dabei
allmählich voneinander entfernten. In Wirklichkeit aber ist das
Verhalten ganz anders: Zeichnet man z. B. die Kurven des mitt-
leren Körpergewichts für das unterste und oberste Viertel und den
mittleren Kern der £inzelwerte (Fig. 16), so sieht man, gemäls allen
anderen hier angestellten Berechnungen, die übergroüse Differenzierung
bis zum sechzehnten und die Assimiliernng dann bis zum achtzehnten
Jahre. Dieses periodische Abwechseln der grölseren und kleineren
Oszillation läfst sich durch die Annahme der in der Konstitution
begründeten Differenzierung nicht erklären.
Und doch muls eine innere Ursache fär alle die G^esetzmäCdg-
keiten vorhanden sein, die sich auf mehrfachem Wege hatten zeigen
lassen. Nun, die oben geschilderte primSre Identität imd die nur
durch den Phasenabstand hervorgerufene Verschiedenheit der Kurven
der nach Vierteln oder Achteln gesonderten Gewichtszunahme geben
den Schlüssel. Er besteht in dem Phasenabstand der Kurven, d. h.
in den zeitlichen Differenzen im Einsetzen, Verlaufen und Sich-
vollenden einer jeden Periode des Wachstums bei den verschiedenen
Individuen. Selbstverständlich gehen aufserdem noch bleibende
Differenzierungen der Konstitution nebenher, denn die Oszillations-
indices sind am Ende der dritten Periode grö&er als am Ende der
ersten; aber diese konstitutiven Unterschiede sind verhältnis-
mälsig recht gering (r^g = 3,92 gegen r^^ = 2,29 beim Gewicht und
483.
rj9 = 8,79 gegen r^^ = B,42 bei der Länge), können jedenfalls
gegenüber den grofeen periodischen Schwankungen der
zeitlichen Verschiedenheiten gar nicht aufkommen und
können hier yemachlfissigt werden, während man in einer anthro-
Knnren der mittleren Körpergewichte.
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Fiff. 16.
pologischen Untersuchung, in der man gerade sie erforschen wollte,
die Wirkungen der zeitlichen Differenzen erst abziehen mttfste, was
bisher in solchen Untersuchungen versäumt wurde.
Wie aber der verschiedene Eintritt der Pubertät mit
ihren Vor- und Nachwirkungen jene periodischen Schwankungen der
484
Ossillation erklären könne, das maolie man sich am besten an ein
paar Beispielen klar.
Man denke sich eine Abteilung Soldaten auf der Landstrafse;
die Zehntelkilometersteine zur Seite symbolisieren uns die Kilo-
gramme des Körpergewichts resp. die Zentimeter der Köiperlftnge.
Dann stellt die Entfernung des ersten bis zum letzten die Oszillation
dar. Die Soldaten marschieren gleiohmäJbig und legen in jeder
Stunde, die uns einen Lebensabschnitt repräsentieren möge, ihre
4 oder 5 km zurück. Die Soldaten bleiben gleichmäfsig angeschlossen
und nehmen immer die gleichgrofse Strecke der Chaussee (Oszillation)
ein. Da wird Laufschritt kommandiert. Könnten jetzt alle gleich-
zeitig mit dem Laufen beginnen, so würde die Ausdehnung des
Zuges auch jetzt noch die gleiche bleiben. Aber es ist kein Raum
für alle, gleichzeitig auszuholen: Der Laufschritt beginnt von vom
an» sich ganz allmählich auf die ganze Abteilung fortzusetzen. Der
Zug dehnt sich immer mehr aus. (Periode der Beschleunigung und
Differenzierung.) Endlich laufen alle, die Ausdehnung hat ihr
Maximum erreicht, aber da wird auch schon „Halt* kommandiert.
Die ersten halten sofort an (Aufhören des Längenwachstums bei
den grölsten), die anderen aber ziehen erst ganz dicht heran und
machen erst dann ruckweise Halt. (Periode der Verzögerung und
Assimilation.) Das nicht gleichzeitige Einsetzen und Auf-
hören der schnelleren Bewegung ist also der wahre G-rund
des gröfser und geringer werdendenünterschiedes zwischen
der Tdte und dem Queu. — Das Beispiel hinkt jedoch insofern,
als hier die gröfsere Entfernung der einzelnen nicht durch die
Schnelligkeit der Bewegung selbst, sondern durch einen Neben-
umstand, das Nichtplatzhaben, bewirkt wird. Man gestatte daher
noch folgendes Beispiel: ich vergleiche die untersuchten Schüler mit
einer bestimmten Menge bunter Holzkugeln, welche in einen Bach
geworfen sind. Sie schwimmen in einiger Entfernung voneinander.
Da naht sich ein Wasserfall; die Kugeln können ihn nicht alle
gleichzeitig passieren; die vordersten nahen sich seinem Bande und
gleiten pfeilschnell von den anderen fort. Einen Augenblick später
ist der ganze Wasserfall von den Kugeln eingenommen. Je weiter
nach unten, desto schneller fällt das Wasser, desto gröiser der Abstand
der Kugeln. Da erreichen die ersten die Talsohle, und nun fällt der
lange bunte Streifen wieder ganz in sich zusammen und sieht dann
als schmaler Strich weiter durch das Gelände, bald sich verbreiternd,
bald sich verschmälemd, je nachdem das Gefälle zu- oder abnimmt.
485
Der Anwendimg dieser Beispiele auf nnser Thema braucht wohl
nichts hinzugesetzt werden. Die gegebene nnd als konstant ange-
sehene Zeitdifferenz des Eintretens der einzelnen in die yersohiedenen
Geschwindigkeitsphasen erkl&rt alles. Ware im letzteren Beispiele die
gegebene Zeitdifferenz der Kngeln gegeben, so könnte für jeden
Abschnitt des Baches ans dem vorhandenen GefUle genau die da-
selbst entstehende Differenzierung berechnet werden: der Abstand
der Kugeln ist eine einfache mathematische Funktion des Gefälles. So
ist auch die Oszillation eine Funktion der relativen jähr-
lichen Zunahme. — Photographierte man aus der Vogelperspektive
jenen sich dehnenden und sich verkürzenden farbigen Streifen auf
eine nach Art des Sphygmographen verschiebliche, aber lichtempfind-
liche Platte in einer Reihe von gleichmäfsig folgenden Moment-
anfiiahmen, so würde man ganz dasselbe Bild bekommen, welches
wir jetzt für unsere Messungen herstellen wollen. Wir fragen jetzt
nämlich, wie sich die Einzelwerte auf die verschiedenen Gewichte
tatsächlich in den verschiedenen Jahren verteilen, während wir dort
in unserer Phantasie die Verteilung der einzelnen Kugeln auf die
verschiedenen Örtlichen Stellen in den verschiedenen zeitlichen Auf-
nahmen photographierten. — Wir nehmen Bubriken, von je zwei
zu zwei Kilogramm steigend, und tragen die Anzahl der Werte,
welche als innerhalb dieser Rubrik liegend gefunden wurden, in die-
selbe ein (S. 486).
Überschaut man hier die vertikalen Spalten von links nach
rechts, so sieht man sofort, wie tatsächlich schon auf diesem höchst
einfachen Wege die zu- und abnehmende DifferenzieruDg nach*
gewiesen werden kann. Allerdings ist der Versuch wegen des in
den verschiedenen Jahren ungleichen Materials nicht ganz rein. Es
sind deshalb (auiser den mittleren Gewichten) die halbseitigen Os-
zillationsezponenten (vergl. S. 314) nach oben und nach unten vom
Mittel in G^talt von Pfeilen eingezeichnet worden.
Obgleich die ganze Erörterung nur an das Verhalten der Einzel-
gewichte angeknüpft wurde, gilt sie natürlich auch für die KOrper-
grOüie. Man kann einwenden, dals ja hier nicht die Identität der
Kurven, welche nach der individuellen Jahreszunahme der einzelnen
Viertel resp. Achtel gezeichnet waren, nachgewiesen werden konnte,
man also annehmen müsse, dals sie sich, zeichnete man sie, durch
mehr als durch den gleichmäfsigen Phasenabstand unterschieden!
Dagegen muiCs betont werden, dals die Kurven der einzelnen Viertel
usw. insofern ein Kunstprodukt sind, als z. B. das Viertel der ganz
486
leiohten, keineswegs immer genaa aus den gleichen Individuen sich
ssnsammensetzt, dals man also keineswegs von dieser künstlioh kon-
struierten Kurye unbedingt erwarten kann, sie zeige noch die Iden-
tität der wirklich vorhandenen Waohstumskurve der einzelnen. Nur
wegen der sehr kräftigen relativen Gewichtszunahme und ihrer
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XX XXI
sehr deutlichen relativen Schwankungen sind hier die vorhandenen,
aber nicht gezeichneten Kurven der Zunahme bei den einzelnen mit
so weiter Amplitude versehen, dals trotz der angefahrten, ziemlich
ergiebigen Fehlerquelle beim Zusammensetzen der Einzelkurven in
Viertel- oder Achtelkurven die Oesetzmftbigkeit noch deutlich war.
487
Bei der EOrpergrölse, welche relativ viel geringer zunimmt, hatten
die Einzelknrven eine so geringe Amplitude, dalls ihre Gesetzmäfsig-
keit beim Aufstellen der Viertelkurven von der Fehlerquelle weg-
geschwemmt wurde. Die Identität der Viertelkurven beweist
die oben erörterten Verhältnisse für das Gewicht, ihre
Nichtidentität beweist nichts gegen das Vorhandensein
bei der Eörpergröfse. Nun zeigte diese aber während der ganzen
Untersuchung ein ganz analoges Verhalten wie das Körpergewicht.
Was sich also nur bei dem einen Phänomene infolge günstiger Neben-
umstände nachweisen lieis, lälst sich imbedenklich auf das andere,
welches ganz die gleichen Eigenschaften, nur relativ schwächer aus-
gebildet, zeigt, durch Analogieschlufs übertragen. Dazu kommt, dals
eine andere Erklärung der Erscheinungen kaum möglich sein dürfte,
80 dafs man schon per exdusionem auf diesen Erklärungsgrund ge-
f&brt wird, der bei dem einen Phänomene so schön illustriert werden
konnte. Es kann also angenommen werden, dals auch für die Körper«
grö&e jene induktiv gefundene zeitliche Übereinstimmung zwischen
der Geschwindigkeit des Wachstums und der Oszillation der Einzel-
werte um den Mittelwert darauf beruht, dals die einzelnen, in der
gleichen Lebensweise der Erziehungsanstalt, ganz dieselben Wachs-
tamsphasen durchlaufen, aber nicht alle zur gleichen Zeit;
diesen Umstand sollten die Pädagogen beaohtenl Auch
ftir die Körpergrölse ist die Verteilung der einzelnen auf die von
2 zu 2 cm steigenden Rubriken dargestellt und die halbseitigen
Oszillationsexponenten dazu gezeichnet (S. 488). Das Bild ist dasselbe
wie beim Körpergewicht, rechtfertigt also unseren Analogieschluls.
Diese Verteilungstabelle kann auch zu praktischen, schulhygie-
nischen Zwecken benutzt werden. Da die Schulbank den Körper-
proportionen angepafst sein soll, diese aber ihren kürzesten statisti-
schen Ausdruck in den Zahlen des Längenwachstums finden, so
müssen die Subsellien je nach der Körpergrölse der vorhandenen
Schüler angescha£ft werden. Nach den Angaben von A. Spibss^
mub für je 10 cm Körpergrölse eine neue Banknummer vorhanden
sein. Nach unserer Tabelle müDsten also für die Hauptentwicklungs-
jahre mehr Banknummem angeschafft werden als für das übrige
Lebensalter, so dals die sonst üblichen drei Nummern pro Klasse
hier kaum genügen. — Auch die Verteilungstabelle der Körper-
^ ifZnr praktischen Losung der Snbsellienfrage.^ Deutsche VierUi^ahra^
*^^ft für öffenüiche Gesundheitapflege. 1885.
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gewichte könnte eventaell für die Konstruktion Ton Turngerät-
sohaften und dergl. von praktischem l^ntzen sein.
489
Ans beiden Tabellen kann man auch nachtrftglicb noch sehen, wie
wenig wissenschaftliohen nnd praktischen Wert der üblichen Methode,
dem Mittelwerte nur die Maxima und Minima hinznznfflgen, beizu-
legen ist. Wie sehr herrscht hier der Zufall 1 Wie irreführend sind
£. B. beide Extreme der Körperlftnge des dreizehnten Jahrs, wo das
Maximum etwa 14 cm über dem nClchsthOheren Wert liegt, also
einen ganz exzeptionellen Fall darstellt, der mit der übrigen Ver-
teilnng der Einzelwerte nichts zu tun hat. Und dies gilt mehr
oder weniger für alle Extreme.
So hat also die in diesem Abschnitte eingeschlagene Methode,
ans dem jährlichen Wachstum der einzelnen heraus die Tatsachen»
weiche durch Yergleichnng der Mittelwerte und der Oszillations-
exponenten in den früheren beiden Abschnitten eruiert waren, zu
erklftren, durchaus befriedigende, bestätigende und erweiternde Be-
sultate geliefert Namentlich hat sich der eigentliche Grund des
vorher beobachteten engen Zusammenhangs zwischen der relativen
j&hrliohen Zunahme und der gleichzeitigen Oszillation in dem zeit-
lich verschiedenen Einsetzen der Pubertät bei den einzelnen (trotz
der gleichen Lebensweisel) ergeben. Aber noch etwas Drittes stand
laut den Ergebnissen der ersten Abschnitte aufs innigste in Ver-
bindung damit: In beschleunigten Wachstumsperioden wichen die
Übermittelkräftigen mehr ab, in verzögerten die üntermittelkräftigen.
Lslst sich auch dieser Zusammenhang aus demselben Grund erklären?
Gewüa. Denn um bei dem obigen Beispiele zu bleiben, müssen,
solange noch Kugeln oberhalb des Wasserfalls sind, diese enger
zusammengedrängt, d. h. weniger oszillierend liegen als die vorderen,
durch die schnelle Bewegung vom Mittel weit Entfernten. So würde
auch die jährliche Verteilungskurve der Einzelwerte bei der statisti-
schen Untersuchung des Wachstums nur bei gleichmäiSsigem oder
erloschenem Wachstum gleichschenklig sein, sonst dagegen nach
oben oder nach unten auf gröiseren Abszissenabschnitten fa&en, je
nachdem die Geschwindigkeit des Wachstums und die Differenz der
Einzelwerte zu- oder abnimmt. Der erste, linke Schenkel weist auf
die Formation der Kurve in der Vergangenheit, der zweite, rechte
auf die in der Zukunft.
Schlufswort.
In der hiermit abgeschlossenen Untersuchung wurde das Haupt-
augenmerk auf die Weiterbildung der bisher namentlich durch
Ihsriho (1877), Stieda (1883), Gsisslbr und Uhlitzsch (1888)
Schalcresandheitipfleire« XVIII. 27
490
sowie Erismann (1889) geförderten, aber immer nooh recht mangel-
haften und daher vielfach zu Fehlschlüssen fahrenden rechne-
rischen Methodik für Wachstnmsphysiologie und Anthro-
pometrie gelegt. Namentlich sei auf die auch schulhygienisch
wichtige hier gefundene Methode der Bestimmung des jährlichen
relativen Horizontalwachstums (als Quadratwurzel aus dem Quo-
tienten der jährlichen relativen Gewichtsvermehrung durch die rela-
tive jährliche Längenzunahme) und femer auf die methodologische
Ergründung des von Qubtblbt gefundenen, aber weder von ihm
noch von E^kapp richtig gedeuteten Unterschiedes der Streuung der
Gewichtszahlen Erwachsener gegenüber der Streuung ihrer Längen-
maCse hingewiesen.
Aber neben der Weiterbildung der Methode konnten auch schon
Resultate gefördert werden. Diese gipfeln in dem exakten Nachweis
mehrerer einander entgegengesetzter Perioden im schulpfliohtlichen
Alter und der sie trennenden Wendepunkte.
Der wichtigste Wendepunkt (der bei den STOYschen Knaben
durchschnittlich mit dem vollendeten fünfzehnten Lebensjahre ein-
tritt) ist allerdings allbekannt , er ist der Höhepunkt des Einsetzens
der geschlechtlichen Reife, der Pubertätstermin, der bei Knaben
am deutlichsten durch den Stimmwechsel markiert ist. Neu ist
dagegen, dafs man für diesen Wendepunkt nicht weniger als fünf
rechnerische Indizien aufstellen kann, von denen jedes der
ersten vier Gewichts- und Längenzunahme, das fünfte aber ihr gegen-
seitiges Verhältnis betrifft.
Es sind folgende:
1. Die Kurve des „wahrscheinlichen Mittels^ überholt die des „arith-
metischen Mittels".
2. Beide Kurven beginnen flacher zu werden.
3. Positive Abweichungen vom Mittelwert sind gleich häufig und
gleich stark, während in den Jahren vorher die positiven, in
den Jahren nachher die negativen Abweichungen stärker aus-
geprägt sind.
4. Die Gesamtstreuung der Einzelwerte um den Mittelwert, die in
den letzten Jahren in steter Zunahme begriffen gewesen war,
nimmt von nun an wieder ab.
5. Die relative jährliche Zunahme (eine Gröfse, die trotz ihrer domi-
nierenden Bedeutung für die Wachstumsphysiologie überhaupt
erst in dieser Arbeit richtig bestimmt worden ist) ist für die
Körperlänge in den Jahren vorher gröDser, in den Jahren nach-
491
her kleiner als die dritte Wurzel der relativen j&hrlichen Zunahme
f&r xias Körpergewicht.
Diese detaillierte Definition des waohstomsphysiologisohen Wende-
punktes der Pubertät durch f&nf mathematische Indizien erlaubt nun
mit voller Sicherheit zu sagen, daüs in jeder Phase des Wachs-
tums, in der sich die fünf Indizien nachweisen lassen,
ein dem Pubertätstermin gleichwertiger Wendepunkt der
Entwicklung stattfindet.
Nun zeigten die STOYschen Knaben gegen Ende des zwölften
Lebensjahres einen Wendepunkt, an dem sich sämtliche fünf Indizien,
allerdings sämtlich so, dalis Vergangenheit und Zukunft miteinander
umgetauscht sind. Man kann ihn im Verhältnis zu jenem als einen
negativen Wendepunkt bezeichnen. Stellt der „positive^ Wende-
punkt des Pubertätstermins den Höhepunkt eines Wachstumsalters
dar, so bezeichnet ein solcher „negativer*' Wendepunkt den Tief-
punkt zwischen zwei sich ablösenden Wachstumsaltem.
Ein genau gleicher „negativer** Wendepunkt mit fünf „umge-
tauschten*' Indizien stellt das Ende des achtzehnten Lebensjahrs dar,
aber nur für das Körpergewicht. Vom Längenwachstum dagegen
kann man praktisch wohl sagen, dafis es in irgendeiner Zeit auf-
hört, aber da keine neue Wachstumsperiode folgt, handelt es sich
dabei um keinen Wendepunkt. Streng theoretisch also gehört für
das Längenwachstum die ganze auf den Pubertätstermin
folgende Lebenszeit zu einer einzigen Periode.
Wohl aber liegen zwischen der Geburt und dem gegen Ende
des zwölften Lebensjahres gefundenen Tiefpunkt des Wachstums
mehrere Perioden. Deutlich weisen die verschiedenen Kurven auf
einen zweiten Höhepunkt des Wachstums hin, dessen Termin sich
an den STOTschen Knaben wegen des meist späteren Eintritts in die
Anstalt nicht genau bestimmen läfst, der aber alle fünf Indizien in
der gleichen Sichtung wie das der Pubertät aufweisen muls und der
in das achte Lebensjahr fallen dürfte. Wegen der völligen Gleich-
heit der statistischcD Erscheinung möchte ich ihn kurz als Proto-
pubertätstermin bezeichnen. Wie der Pubertätstermin durch den
Stimmwechsel, so ist er durch den Zahnwechsel markiert.
Wenn aber der Durchbruch der zweiten Zähne einen solchen
Höhepunkt der Wachstumsenergie markiert, so dürfte der der ersten
Zähne, der mit Sprach- und Gangerlernung voll zusammen-
fiült, gleichfalls einen solchen darstellen. Wir hätten also im zweiten,
achten und am Ende des fünfzehnten Lebensjahres einen „positiven",
27»
492
und dazwiMhen, etwa im fünften und gegen Ende des zwölften,
einen .»negaÜTen" Wendepunkt.
Wenn diese Ergebnisse anoh an anderem Materiale yOllig sicher
gestellt sein werden, werden sie nicht nnr eine natar-, sondern auch
eine knltnrwissenschaftliohe fiedentang erlangen.^ Wenigstens wird
derjenige, der der Überzengnng lebt, dals Körper und G^ist un-
möglich wie zwei disharmonierende Uhren nebeneinander herpendeln
können, den waohstnmsphysiologiBchen Perioden eine Bedentang
anch für die pädagogische Psychologie und damit mittelbar
fOr die praktischen Erziehnngsfragen geben. Und an diesem Punkte
der Überlegnng wird man sich stets des groüsen von so yielen
Gfeistesheroen yon Kant, Hbrdbu und Gobthb bis Ooxtb, Hboel
und Hbrbabt geänlSgerten Gedankens vom ParalleUsmus der Indi*
yidnalentwicklung mit der Knltnrentwicklnng erinnern, einen G^
danken, der in einer Zeit, wo Haeckels „biogenetisches (Grund-
gesetz'' zum eisernen Bestand der Naturwissenschaften gehört, nicht
mehr angezweifelt werden sollte.* Dals die die Bassenyei^angenheit
rekapitulierenden Tendenzen des heranwachsenden Individuums von
den Einfltkssen der eigenen Zeit lebhaft gekreuzt werden, gilt fOr
die geistige Entwicklung ebenso wie für die körperliche. (Habcksls
Kainogenesis = Neuentwicklung.)
Aber ein noch weiterer Fingerzeig läfst sich geben: selbst in
der Frage, welche Lebensalter, mit welchen „historischen'' und so-
genannten „prähistorischen'^ Kulturperioden der europäischen Bässen^
in Parallele zu setzen seien, wird die yorliegende Untersuchung ein
ganz klein wenig mitreden können. Denn wenn im wachsenden
Menschen alte Bassenzustände rekapituliert werden sollen, so bedeutet
Wac^stumsbeschleunigung Rekapitulation von Bassenvergröügenuig,
Waohstumsyerzögerung Rekapitulation von Rassenyerkleinerung. Eine
solche abwechselnde Yergröfserung und Verkleinerung des ftkhrenden
Rassentypus in Europa lielSge sich aber yielleicht schon aus den
gegenwärtig yorliegenden spärlichen Nachrichten und Funden wahr*
soheinlich machen. Doch dayon ein anderes MaL
^ Vgl. Koch-Hs88e: „Wachstamiperioden beim Menschen.'' IbUtis^
anihrapol Beme, m. Jahrg. Nr. 11.
' EnergiBoh vertreten auch vom Philosophen Vaihinobr „Natorforschung
und Sohnle**. Göln nnd Leipzig, 1889. Albert Ahn. Daselbst viele Literatur.
' Von einer Verallgemeinerung der Perioden auf die Menschheit sei
dringend gewarnt. Die Untersuchungen müssen womöglich für jede Nation
besonders gefuhrt werden.
493
Uns ^txfammiun^tn nnb Deretnen.
Die Pflege
der körperlichen Übnngen im nachschnlpflichtigen Alter.
Vortrag an der 6. JahreBversammlung
der Sohweizerisohen Gesellschaft für Sohalgesundheits-
pflege, 14. und 15. Mai in Luzern.
Von
JoH. Spvhleb, Seminarlehrer in Zürich.
Es erfüllt den fühlenden Menschenfreund mit Befriedigung und
mit Genugtuung, wenn er auf die Menge von WohlfEihrtseinrichtungen
schaut, welche das 19. Jahrhundert bereits geschaffen und die zweifel-
los das 20. Jahrhundert vermehren wird. Es sei erinnert an die
Yersorgungsanstalten für körperlich, geistig und sittlich Minder-
entwickelte im Kindesalter, an die staatlichen und privaten Heil-
anstalten und Sanatorien, an die Besserungs- und Bewahranstalten
jedweder Art und an die Fürsorge für Krüppel, Geistesschwache und
Verbrecher.
Allein die Sache hat auch eine andere Seite. Worauf weist
das Bedürfnis nach so vielen Wohl&hrtseinrichtungen hin? GewUs
auf eine starke Geffthrdung der Yolkskraft und der Yolks-
gesundheit. Diese ist nachgewiesen durch die Krankheits- und
Sterblichkeitsstatistik einerseits und durch die Ergebnisse der sanita-
rischen Untersuchungen und der sie ergänzenden phjrsischen Leistungs-
fthigkeitsprüfungen anläßlich der Bekrutenaushebungen andererseits.
Überaus betrübend sind diese letzteren, und gewüs hat unsere
Yolkskraft schon eine starke Einbulse erlitten; gibt es doch Gegenden,
wo kaum mehr als 40% der Jungmannschaft rekrutiert werden
können.
Wie viele Tausende kommen jährlich um als Opfer des Alkoho-
lismus und der Geschlechtskrankheiten, oder füllen die Kranken- und
Irrenanstalten I Und die Lungenschwindsucht erst, die verderblichste
und verbreitetste Yolksseuohel In den letzten zebn Jabren des ver-
flossenen Jahrhunderts erlagen in Deutschland jährlich 87 600 Menschen
494
im Alter yon über 16 Jahren dieser Krankheit — über ein Drittel
sämtlicher Todesf&lle in diesem Alter. Gegen 226000 Personen
befanden sich nach der Sohtttzong als unproduktiv in Kranken-
behandlnng.^
[Jnd nun die Verhältnisse der Schweiz. Nach den Angaben des
statistischen Bureau des Departements des Innern, fielen von den
37 125 Todesfällen des Jahres 1903 in der Schweiz nur 2360 (6.36%)
auf Alterschwäche, dagegen 3987 (10,74 Vo) auf angeborene Lebens-
schwäche. Von der Lungentuberkulose wurden 6381 Menschen(17,2Vo)
dahingera£ft, von andern tuberkulösen Elrankheiten 2585 Menschen
(6,97 7«). Subtrahieren wir von der Gesamtzahl der Todesfelle nur
die 3987 aus angeborener Lebensschwäche erfolgten und die 3812
im ersten Lebensjahr dem Darmkatarrh erlegenen Kinder, so
macht die Lungentuberkulose 21,76 Vo der übrigen (29 326) Todes-
fUle aus, und zögen wir nur die Todes&lle vom 15. Altersjahr an,
da die Tuberkulosis einzusetzen beginnt, in Betracht, so würden wir
wohl erkennen, dafs auch bei uns ein Drittel sämtlicher Todes&lle
durch die Lungenschwindsucht veranlafst wird.
Gegen diese Schädigung der Volkskraft und Yolksgesundheit
gibt es kein Allheilmittel; aber als einer der wirkungsvolliiten Ver-
bündeten im Kampfe gegen die gesundheitliche Verlotterung unseres
Volkes ist geregelte Tätigkeit, ist hinreichende körper-
liche Bewegung zu betrachten. In Städten und Lidustriezentren,
wo der Kampf ums Dasein sich hauptsächlich mit geistigen Wa£fen
abspielt, liefert das Beru&leben entweder nicht genügend körperliche
Anstrengung oder es ist diese nur einseitig. Ein ganzes Heer von
Krankheiten ist die Folge dieser körperlichen Untätigkeit oder ein-
seitigen Beschäftigung, zum mindesten aber erzeugen die nicht voll-
ständig ausgeschiedenen Ermüdungsstoffe, jene als Schlacken im
Körper zurückbleibenden Endprodukte der Verbrennung, Unlust-
gefühle und lassen beim Individuum keine rechte Arbeitslust und
keine richtige Lebensfreude aufkommen.
Der wichtigste Bundesgenosse des Ansteckungsstoffes für die
Entstehung der Schwindsucht ist Mangel an Bewegung. Weit mehr
als mangelhafte Nahrung, schlechte Beschaffenheit der Wohnung,
sogar als verdorbene Luft, schwächt, nach den Untersuchungen des
berühmten Arztes Bbehmeb, Mangel an Bewegung den Körper so
sehr, dafs er der Schwindsucht anheimfällt. Die in Menagerien ge-
^Dr. F. A. SoBMiDT, Jahrbuch der Volks- und Jugendipiele.
495
brachten Tiere der Wildnis verfallen wie die ansschlielslich im Stalle
znrückbelialtenen Haustiere rettungslos der Schwindsucht. Unter der
oberschlesischen Beyölkerung und in Island ist trotz kümmerlicher
Lebensbedingungen die Schwindsucht selten; in ganz gut eingerich-
teten Ge&ngnissen dagegen nimmt sie bei ^reichlichster Nahrung mit
der Dauer der Strafzeit zu. In einer kaiserlichen Manufaktur —
80 erzählt Dr. F. A. Schmidt, dem ich hier großenteils folge, in
den Jahrbüchern für Volks- und Jugendspiele — erkrankten 9 %
der internen Arbeiter an Tuberkulosis, von denen, die mehrere
Meilen zur Fabrik zu gehen hatten, nur 2%. In einer ganz gleich
eingerichteten Priyatfabrik erkrankten 40% der jugendlichen Arbeiter
an Schwindsucht; hier hielten sich die Arbeiter während der Muüse-
zeit hauptsächlich in ihren dumpfen Schlafräumen auf und lagerten
träge auf den Betten, während in jener Anstalt, die nur 9,5% Er-
krankungen aufwies, die Arbeiter ihre Freistunden mit Bewegung
und Spiel im Freien zubrachten.
Den Yom Schulleben yerursachten gesundheitlichen
Schädigungen entgegenzutreten und positiy gesundheitsfördernd zu
wirken, hat der Staat yerschiedene Veranstaltungen getroffen und
u. a. auch das Schulturnen eingeführt. Vielfach sind die Gemeinden
über das Verlangte hinausgegangen und haben freiwillig das Pro-
gramm der körperlichen Übungen durch Jugendspiele, Schüler-
wanderungen, Schwimmunterricht usw. erweitert. Vieles wird getan,
mehr noch könnte getan werden und wtLrde zweifelsohne auch ge-
schehen, wenn der Bund auch einmal auf diesem Gebiete Nachschau
halten würde. Was hilft die nach richtigen Grundsätzen ausge-
arbeitete eidgenössische Turnschule, wenn nicht alle Lehrer befähigt
werden, sie richtig anzuwenden oder wenn die Gemeinden keinen
Turnplatz und keine Geräte zur Verfügung stellen?
Immerhin wird auf dem Gebiete der körperlichen Erziehung bis
zum 14. oder 15. Altersjahr Schönes geleistet, dann aber klafft eine
gewaltige Lücke, bis der junge Mann im Wehrdienste der Segnungen
tüchtiger Leibeszucht teilhaftig wird und in die Behandlung des
«Biesendoktors^ kommt. Allerdings hat ein gewisser Bruchteil der
der Schule entlassenen Jugend in den Mittelschulen Gelegenheit, das
Turnen fortzusetzen; körperliche und geistige Arbeit stehen aber
kaum im Gleichgewicht, und mit Besorgnis sehen viele Väter und
Mütter die auf die Abschlufsprüfungen hin arbeitenden Söhne und
Töchter hinwelken und an Gesundheit und Lebensfrische abnehmen.
Generaloberarzt und Regimentsarzt Dr. Heleebich in München be-
496
richtet^ dab die Bilder, die sich dem MilitOrarst, ganz besondere
bei der UnterBnobong der zum Einj&hrig-Freiwilligendienet Berech-
tigten, bieten, fast durchweg äalserst betrübende seien. „Allgemeine
Körperscbwäcbe, ganz ungenügende Entwicklung der Brust und in
dieser meist ein krankhaft erregbares Herz von augenscheinlich ge-
ringer Leistungsfthigkeit bei deutlichen Zeichen von Blutarmut,
vielfach grobe Vernachlässigung der Haut, Fehlen jeder jugendlichen
Frische bei müdem Wesen und schlechter Haltung, in anderen Fällen
vrieder unruhiges Verhalten und Zitterbewegungen als Zeichen
schwachen Nerrensystems lassen in düstern Farben die schädlichen
Wirkungen der yiel zu einseitig den G^ist in Anspruch nehmenden
und zum gro&en Teil in hygienisch zu beanstandenden, geschlossenen
Bnumen sich abwickelnden Schuljahre erkennen.'' G^wiis ein
düsteres Bild, das dadurch nicht heller wird, dafs derselbe Beobachter
urteilt, unter den heranwachsenden Mädchen finden sich nur selten
erfreuliche Gesundheits- und Entwicklungsverhältnisse.
Und nun die Kinder des arbeitenden Volkes, die Lehrlinge
und L ehrtöchter? Ihre ununterbrochene Inanspruchnahme in der
Handwerkstube, im Fabriksaal, im Atelier, im Kontor usw. geht
nicht spurlos an dem Körper vorüber und bewirkt eine Verlang-
samung und Hemmung in der körperlichen Entwicklung. Die auf
den späten Abend und auf den Sonntag angesetzten Bildungskurse
sind für die Lehrlinge ja sehr gut gemeint, aber ihr Besuch ver-
mehrt die gesundheitlichen Schädigungen noch. Nicht zu vergessen
sind femer die sittlichen G-efahren, die dem Lehrlinge bei ungenügen-
der Beaufsichtigung drohen, Verrohung und Verführungen zu allerlei
echädlichen Genüssen und Ausschweifungen.
Jedem Lebensalter kommen besondere Lebensbedürfnisse sn;
fragen wir beim Physiologen nach denjenigen der Reifezeit. Er wird
uns sagen, daCs in dieser Periode das Herz tatsächlich um das
Doppelte grö&er wird und auch die Lunge ein ungemein starkes
Wachstum er&hrt, dafs sich also in dieser Zeit die für das ganze
Leben entscheidende Ausbildung der genannten Organe vollzieht.
Wird versäumt, der Körperentwicklung zu Hilfe zu kommen, so ve^
kümmert die gesamte Lebensenergie, die G^undheit wird hinfällig
und die Widerstandskraft gegen gesundheitliche ' Schädigungen wird
geringer. „Was in diesem Lebensabschnitte für die Entwicklung
des Körpers versäumt wird," sagt Dr. F. A. Schmidt, „ist im spätem
^ Jahrbuch fSr Volki- und Jugfendspiele.
497
Leben nicht mehr einzuholen.'' Überzeugend hat er dies durch die
Erhebungen über die Tuberkulose im Heere nachgewiesen.
Nach den Erhebungen unseres Vorsitzenden, Herrn Dr. Sohmid,
Direktor des Schweiz. Gesundheitsamtes in Bern, ist die Gefithrdnug
des menschlichen Lebens durch Lungeuschwindsucht am gröfsten im
Alter Ton 30 — 39 Jahren (3,5 %o Sterbe&lle), am geringsten dagegen
in der Altersstufe von 2— 14 Jahren (0,5 %o), w&hrend sie im Alter
Ton 15 — 19 Jahren schon wieder gröfser wird (2,1237oo). In dem
Zeiträume von 1882 — 1899 erkrankten von allen denjenigen Soldaten
des deutschen Heeres, welche bereits im Alter von 20 Jahren voll
entwickelt waren und in das Heer eingestellt werden konnten, nicht
mehr als 2,4 Voo an Lungentuberkulose, von denjenigen dagegen, die
wegen ungenttgender Entwicklung, schwächlicher Muskulatur und zu
geringem Brustumfang um zwei Jahre zurückgestellt worden waren,
26,2 7oo, also elfmal mehr. Halten wir die schweizeriM)hen Er-
hebungen mit den deutschen zusammen, so ergibt sich daraus, dafs
in denjenigen Lebensjahren, in welchen die Energie des
Wachstums eine besonders grofse ist, d. i. in den Jahren
vor der beginnenden Reife, auch die grOfste Widerstandskraft
gegen Lungentuberkulose besteht und dafs diese noch
vorhält, wenn sich während der Reifezeit yom 14. — 20.
Lebensjahr ein allseitiges, kräftiges Wachstum des Körpers
noch weiter ohne Verzögerung und ungehemmt voll-
ziehen kann.
Was nun von der Widerstandskraft gegen den Tuberkelbacillus
nachgewiesen worden ist, läfst sich wohl auch auf die Resistenzkraft
gegen andere gesundheitliche Schädlinge ausdehnen, und es ergibt
sich aus diesen Tatsachen die ungemeine sanitäre Wichtigkeit einer
tflchtigen körperlichen Ausbildung des Lidividuums während dessen
Entwicklungsjahren.
Den Jahren der Reifezeit kommt aber noch eine weitere Be-
deutung zu, sind sie doch besonders geeignet, die sichere Beherrschung
der Muskulatur durch Entwicklung der (jl^chicklichkeit zu erzielen.
Wer in diesem Lebensalter nicht erlernt, seinen Körper zu beherr-
fiohen und dessen Bewegungen zu schmeidigen, wird es später nur
schwer noch erlernen. Und wer nicht im Reifealter seinen Körper
dazu erzieht, den Befehlen des ihn beherrschenden Geistes jederzeit
und ungesäumt zu gehorchen, der hat die hierfür geeignetste Zeit
seines Lebens versäumt.
Berücksichtigen wir noch, dals die Betätigung während der
49 8
Beifezeit meist von entscheidender Bedeutung für die spätere Lebens-
haltung ist. Wer sich daran gewöhnt, seine MuJsezeit in trägem
Hindämmern bei Tabaksqualm und Weingeist und seichter Unter-
haltung zuzubringen, wird diese Gewohnheit ins Mannesalter hinüber-
nehmen, und der Hang zur Bequemlichkeit wird sich nicht nur in
Ausnutzung der MuJisezeit, sondern auch in der Berufstätigkeit offen-
baren. Wen aber die Freude anf der sichern Bemeisterung seiner
Kräfte dazu gebracht hat, seine Erholung vorzugsweise im muntern
Elräftespiel zu suchen, der hat für seine Willensbildung ungemein
viel gewonnen. Er lernt sich zusammenzunehmen, seine Aufmerk-
samkeit einem zu erreichenden Ziele zuzuwenden und sich dafür ein-
zusetzen. Die häufige Nötigung, blitzschnell eiuen Entschluüs zu
ÜBUSsen und diesen dann auch ungesäumt auszuführen, schaffen in ihm
die Frädisposition zu tatkräftigem Handeln, bilden überhaupt den
wollenden, den willensstarken Menschen, und dieser nur hat in dem
Konkurrenzkampf des Lebens vollen Wert.
Von welcher Seite wir also die gestellte Frage nach den körper-
lichen Übungen des nachschulpflichtigen Alters ins Auge fassen, ob
wir uns vom Mediziner oder vom Erzieher beraten lassen, immer
lautet die Antwort: Sie sind fOr dieses Lebensalter von allerhöchstem
Wert, sie sind geradezu unentbehrlich.
Fragen wir nun nach der Tumkost dieses Alters, so wird sie
so beschaffen sein müssen, dals die gesteckten gesundheitlichen und
erzieherischen Ziele mit möglichster Vollkommenheit erreicht werden.
Wenn für dieses Alter die kommandierten Übungen schon vollständig
verworfen worden sind, so mufs ich dieser Ansicht aus erzieherischen
G-ründen widersprechen, denn auch die Leibesübungen dieser Stufe
haben die Aufgabe, den Zögling daran zu gewöhnen, auf firemden
Befehl hin sofort in energische Tätigkeit zu treten, gewisse genau
vorgesehene Gefahren zu vermeiden, genau vorgeschriebene Be-
wegungen in verlangter Art auszuführen, kurz, sich dem Willen des
Erziehers unterzuordnen. Es sind darum gerade aus erzieherischen
Ghründen die Marsch-, Frei-, Stab-, Hantel- und Keulenübungen von
unschätzbarem Werte. Daneben allerdings sind Übungen nötig, die
den Übenden in die Lage versetzen, auf eigenen EntschluJs hin zu
handeln, es ist das reiche Gebiet der Gerätübungen und der Tum-
spiele. Li den ersteren möchte ich namentlich die Sprünge nicht
missen, die Sprünge über das Seil und die gemischten Sprünge, die
J. 0. LiON mit Recht die „hohe Schule des Mutes" genannt hat.
Und beim Spiel handelt es sich natürlich nicht mehr um das Scherz-
499
und Neokspiel, sondern um das Parteispiel mit seiner Nötigung zur
Entwicklung der Schlagfertigkeit. Was ich vor allem aber verlangen
möchte, das ist, dais die Übungen möglichst in freier Luft vorge-
nommen werden. Dafs dies besser möglich ist, als man erwarten
dürfte, haben die Turnvereine gezeigt, die im Hochsommer einen
guten Teil des Tumbetriebes bei den langen Sommerabenden ins
Freie verlegen und das Hallentumen noch dadurch ergänzen, dais
sie an freien Sonntagen Wanderungen — Tumfahrten genannt —
ausfahren. Diese seien auch für unser Programm empfohlen, nur
dürfen sie nicht zu Bierfahrten ausarten. Mit derselben Begründung
möchte ich das Baden und Schwimmen, das Schneeball werfen,
Sohlitteln und Schlittschuhlaufen empfehlen, und ich habe durchaus
nichts dagegen einzuwenden, wenn unter die Leibesübungen der
hohem Schulen auch das Rudern, Fechten, Badfahren, Skilaufen
und Bergsteigen aufgenommen werden, allerdings unter dem strikten
Vorbehalte, daGs jedwede sportmäfsige Übertreibung, überhaupt jedes
sportmälsige Getue dabei ausgeschlossen bleibe. Eine Differenzierung
möchte ich eintreten lassen nach den äufsem Lebensumständen.
Dem Gftrtner, dem Landmann sind Ausbildung in Frei- und Gerät-
übungen zur Entwicklung von Geschmeidigkeit, G^chicklichkeit und
Willenskraft in erster Linie Bedürfnis; den Handwerker, den Arbeiter,
den Kaufmanp, den Stubenhocker überhaupt, müssen wir hinausjagen
zu Dauer- und Schnelligkeitsübungen in freier Luft.
Die hohe Wichtigkeit, die den Leibesübungen zukommt, läfst
es als wünschenswert erscheinen, die heranwachsende Jugend auf
deren Bedeutung aufmerksam zu machen. Man mag es versuchen;
man wird einigen Erfolg haben, aber durchschlagend wird er schon aus
dem Grunde nicht sein können, weil es nie gelingen wird, eine
sorgenlose Jugend davon zu überzeugen, dais die Gesundheit ein Gut
ist, dessen Besitz verteidigt werden muJs. Was mir mehr Erfolg
verspricht, das ist, an den Bewegungstrieb zu appellieren, der in
diesem Alter noch nicht ganz verkümmert ist, an die Freude, die
sich beim Gelingen einstellt, und an die Befriedigung, die sich durch
Stillung des Geselligkeitsbedürfnisses kundgibt. Unser Ziel mufs
sein, es dahin zu bringen, dafs jeder Jüngling, dalis jede Jungfrau
^ gewisses Mafs von Eörperübungen als persönliche Pflicht auf
sich nimmt; und wie es gute Sitte ist, sich Hände und Gesicht zu
waschen, um sich sauber zum Tische setzen zu können, so muls es
Brauch werden, sich durch regelmäisige Pflege der Leibesübungen
Bowohl den nötigen Appetit für das Mahl als auch die nötige Arbeits-
500
freadigkeit fdr das Tagewerk zu erwerben. Und wenn wir es dazu
bringen, dais unser Volk das Bedürfnis empfindet, einen Teil seiner
Mufsezeit den Leibesübungen im Freien zu widmen, dann erst dürfen
wir der Verkürzung der täglichen Arbeitszeit ohne Besorgnis ent-
gegensehen.
Unsohwer l&lst sich nun auch einsehen, dals nicht blots der
einzelne, sondern die Gesamtheit, der Staat, ein Interesse daran hat,
dab seine G-lieder sich regelmälsigen körperlichen Übungen hingeben.
Die aus den letztem gewonnene Volkskraft und Yolksgesundhat
kommt ihm direkt zustatten, und nur in einem gesunden, starken,
willenskraftigen und arbeitsfirohen Volke liegt die Garantie für unsere
wirtschaftiiche und politische Unabhängigkeit. Darin liegt nun aber
auch die Pflicht des Staates begründet, der Pflege der Leibesübungen
im nachschulpflichtigen Alter seine Unterstützung angedeihen zu
lassen. Diese muls sowohl eine finanzielle als eine moralische sein.
Sollte er davor zurückschrecken? „EinVolk,^ sagtDr.med.G-.STiCKEB,
Universitätsprofessor in Gie&en,^ „das sich Spielplätze und Turn-
hallen schafft, braucht seine Krankenhäuser und Lrenanstalten und
Gefängnisse nicht zu vermehren. ** Und es ist und bleibt wahr, was
Heinbich y. Tbeitsohke ausgesprochen: «Nicht der GManke, sondern
die Tat bestimmt das Geschick der Völker l''
^ Jahrbuch für Volki- und Jagendspiele.
Über die Verbreitung der Tuberkulose in der Schule.
Vortrag von Dr. Weill-Manton auf dem diesjährigen Kongresse
für Schulhygiene in Paris.
Der Vortragende, Generalsekretär der „Ligae de Pr^servation anti-
taberculeose*', fährte in erster Linie ans, dats die Taberkolose in den über-
vollen and schlecht ventfliertenElassenräomen geradezu als ein Bemfsttbel ffir die
Lehrer anzusehen sei. * Hier mflsse die Hygiene besonders beobachtet werden.
Vor allem sei peinliche Sauberkeit in sämtlichen Räumen, sowohl in den
für den Unterricht bestimmten als in den Speise-, Schlafsälen usw. dringendst
geboten. Man mtLsse auch mit äuberster Sorgfalt darauf achten, dais das
Mobiliar, Geschirr, Bücher usw. reinlich gehalten werden. Sobald ein Fall
von Tuberkulose festgestellt sei, mü&ten auf der Stelle die vorgeschriebenen
Desinfizierungen durchgeführt werden, auch dann, wenn ein Lehrer oder
Angestellter wegen einer tuberkulösen Veranlagung krank werde. Trockenes
Fegen müsse strengstens untersagt werden; alles müsse auf feuchtem Wege
gereinigt werden, besonders seien die Fubböden mindestens einmal wöchent-
lich gründlich aufzuwaschen, das Schulmobiliar und die Wände zweimal
501
monatlich. Speien auf den Boden sei za verbieten und deshalb mflssen
ttberail Spucknapfe angebracht werden. In erster Linie sei stets für reich-
liches Wasser zu Sftuberungszwecken zu sorgen. Es sei tunlichst zu ver-
meiden, die Schulsale ftlr öffentliche Versammlungen herzugeben; ginge daa
nicht an, so müsse nach jeder Versammlung der Boden gründlich aufge-
waschen werden. Werden Schulgebaude für Einquartierungen von Truppen
verwendet, so mülsten sie auf Kosten der Militärbehörde nach Abzug der
Soldaten gründlich desinfiziert werden.
Nach Annahme dieser Vorschlage entwickelte Dr. Weill-Manton eia
sehr ausfahrliches Programm von VorbeugungsmaCsregeln gegen die Tuber-
kulose, wie arztliche Untersuchung der Schüler und der Lehrer, Lüftung
der Blassen und SchlafsAle, rationeDe Heizung, angemessene Nahrung,
körperliche Sauberkeit, richtige Verteilung der Arbeits-, EOrperübungs- und
Erholungsstunden, Schaffung von besonderen Schulanstalten für kränkliche
oder gebrechliche Kinder, hygienische Vorlesungen, Gesundheitshefte usw.
Auch diese Vorschlüge wurden sämtlich angenommen, femer ein Wunsch,
Unterrichtsbeamten, die wegen tuberkulöser Leiden entlassen werden, die
nötigen Mittel für sich und ihre Familien zu gewähren. (^Frankf. Ztg.^)
Aleitiere M\\\tx[nix%tn.
Die Bef^inng der Schfiler von der Teilnahme am Turn-
nnterricht wird, wie die y^Berh Neuest, Nachr. '^ mitteilen, an den
Berliner Gymnasien in ganz verschiedener Weise gehandhabt, was um
so mehr auffÜlt, als sie meist auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses erfolgt.
Beispidsweise sei erwähnt, dafs in dem eben zu Ende gegangenen Schul-
jahr 1904/05 am Eöllnischen Gymnasium im Sommer nur 7,78%, im
Winter 7,54% der Schüler vom Turnen überhaupt befreit waren; dazu
kamen im Sonuner noch 1,70%, im Winter noch 2,26%, die nur von
einzelnen Übungen befreit waren. Dagegen hatte das Friedrich Werdersche-
Gymnasium im Sommer 11,4% und im Winter sogar 20,0% ganz befreito
Schüler, aulserdem im Sommer noch 4,9% und im Winter noch 2,5%
teflweise befreite. Noch höher ist der Anteil der Befreiungen auf dem
Joachimsthalschen Gynmasium, wo im Sonuner 21,46 7o nnd im Winter
23,67% der Schüler vom Turnunterricht ganz befreit und aulserdem im
Sommer 1,11% und im Winter gleichfaUs 1,11% teilweise befreit waren.
Solche Gegensätze sind wohl weniger auf Ungleichheiten der körperlichen
Entwicklung und des Gesundheitsznstandes der Schüler zurückzuführen,
als auf Unterschiede in der Bereitwilligkeit, die erbetene Befreiung von
der Teilnahme am Turnunterricht zu gewähren.
Mit den Benrlanhnngen der Schüler vor nnd nach den Sommer-^
ferien beschäftigt sich ein greiser Teil der soeben erschienenen Jahres-
berichte der höheren Lehranstalten in Berlin. Sobald die Sommerferien
502
herannahen, pflegen die Schulen meist dnrch viele Urlanbsgesnohe bennrnhigt
zu werden, da es in Berlin nnd den Vororten leider Modesache geworden
ist, einige Tage vor Schulschluis zn reisen, so dab der Andrang an den
Bahnhöfen Yor der eigentlichen Ferienzeit fast ebenso grols ist wie bei
ihrem Beginn. Da diese willknrlichen Yerl&ngerangen der Ferien ernste
Störongen im Unterrichtsbetriebe zur Folge haben, so weisen die Schal-
leiter die Eltern darauf hin, dafs, entsprechend den Anordnungen der
Königlichen Provinzialschulkollegien, kfinftighin nur wirklich begrflndete
Urlaubsgesuche Genehmigung finden werden, und dals in zweifelhaften
Fftllen das Zeugnis eines Kreisarztes eingefordert wird.
Zur Ftrdemng der Tum- und Jugendapiele in Dfisseldorf hat
die Schulverwaltung dieser Stadt auch für das laufende Jahr wieder Ver-
anstaltungen getroffen. Es sind dies, wie der „Q^n.*Ang.^ mitteilt, zun&chst
die fbr jede Schule monatlich wiederkehrenden Spielnachmittage, Ar welche
die Stadt die verschiedenen öffentlichen Plätze zur Verfügung gestellt hat.
Die Teilnahme der Schfller an den Schulnachmittagen ist verbindlich,
so dafis alle Kinder die Wohltat derselben geniefsen. Dafs die Einrichtung
der Spielnachmittage nutzbringend ist, zeigt der Umstand, dafs die König-
liche Regierung ihre Nachahmung anderen Städten empfohlen hat. An
denselben, sowie an dem Spielfeste, das ihren Abschluis bildet, nehmen
die zwei oberen Klassen der Volksschule teil. FOr die Sommerferien hat
die Stadt wieder Spiele und Ausflüge geplant.
DesinfljBierende Wandanstriche in Schnlrlnmen. Schon Prof.
LÖFFLEB-Greifswald hatte es ausgesprochen, dafs seiner Ansicht nach die
Wandanstriche auf die Erhaltung der Lebensfähigkeit von feucht auf sie
aufgebrachten pathogenen Bakterien von Einflufs seien. Nun teilt Geh.
Oberbaurat Dblius in der „öes.-TFarfe d, ScÄufe" (Nr. 6, 1906) mit,
dafs diese Anschauung neuerdings durch Untersuchungen von Dr. Heimes
in Greifswald und von Dr. Jacobitz in Halle a. S. bestätigt, worden ist.
Der erstere stellt die Zonca-Farben (Zonca & Cie. in Kitzingen) an die
Spitze aller deijenigen Anstrichstoffe, welche für Räume, in denen kranke
Menschen leben, wie auch für solche, in welchen Wasserdämpfe durch die
Lebenstfltigkdt von Menschen erzeugt werden, in Betracht kommen. Er
empfiehlt sie in erster Linie fär Krankenhäuser, dann aber auch für Schulen,
Bäder, Laboratorien u. dgl., kurz fOr alle Räume, in denen peinlidiste
Sauberkeit erwünscht ist und in welchen ein gründliches Abwaschen der
Wände mit desinfizierenden Lösungen von Zeit zu 2^it vorzunehmen ist
Die nach dem Trocknen des Anstrichs aufgetragenen Reinkulturen patho-
gener Bakterien zeigten in den Versuchen von Heimes auf den Zonca-
Farben kürzere Lebensdauer als auf anderen Wandanstrichen, nur noch
die Ölfarben verhielten sich in dieser Beziehung ähnlich günstig. —
Dr. Jacobitz fand die gröfste desinfizierende Wirkung bei den von ihm
untersuchten Ölfarben und bei zwei Porzellan-Emaillefarben; ihnen folgt
erst die Zonca-Farbe. Viel ungünstigere Resultate ergaben zwei andere
Emaillefarben sowie die Leimfarbe, die Amphibolin- und die Hyperolin-
färben.
Worauf die desinfizierende Wirkung der Farben zurückzuführen ist,
scheint noch nicht ganz klargestellt zu sein. Eine gewichtige RoUe kommt
503
hierbei vermutlich den Bindemitteln zu, welche den Farben beim Anmengen
zugesetzt werden. Jedenfalls ist die desinfizierende Wirkung der Anstrich-
farben wesentlich ihren chemischen Eigenschaften zuzuschreiben, nicht
den physikalischen, wie frfiher vielfach angenommen wurde. Vermutlich
ist das allen den in Betracht kommenden Farben zugesetzte reine Leinöl
mit mehr oder weniger Zusatz von Harz der keimfeindliche Stoff. Die des-
infizierenden Eigenschaften der oben genannten Wandanstriche scheinen sich
bis auf ein Jahr nach Herstellung des Anstrichs zu erhalten. Man ist also
durchaus auf dem richtigen Wege und handelt im Sinne der Hygiene,
wenn man in den Schulr&umen 1,5 — 1,7 m hohe Wandstreifen Aber dem
Fulsboden mit Ölfarbenanstrich versieht. Zonca- Farben und Porzellan-
Emaillefarben empfehlen sich ebenfalls, werden aber in kleinen Städten
und auf dem Lande vorderhand nur eine beschränkte Anwendung finden,
weil die Maler den Stoff nicht zu behandeln wissen, und dann der Anstrich
zu kostspielig wird.
Das Reinigen der Schnllokale durch Schulkinder scheint vieler-
orts im Beichslande noch Mode zu sein und zu zahlreichen Klagen von
Seiten der Eltern Veranlassung zu geben. Infolgedessen hat vor kurzem
die Lehrerschaft des Kantons Neubreisach einstimmig beschlossen, ein
Gesuch an den Kreisdirektor zu richten, er möge gegenüber den Gemeinden
den Wunsch äuTsern, die FuDsböden der Klassenzimmer mittels des bereits
allseitig bekannten Fuisbodenöls staubfrei machen zu lassen. Die y^Straß-
hwrger Fost^ spricht hiezu den Wunsch aus, es möchten sich auch andere
Kantone diesem Gesuche anschliefsen ; sie hält dafür, dasselbe würde am
wirksamsten unterstützt durch eine Verfügung des Kreisdirektors, welche
das Reinigen der Lokale durch Schulkinder nur unter der Bedingung ge-
stattet, dafs die Böden mit dem genannten öle staubfrei gehalten werden.
(Also doch! D. Red.)
Die Lage der Aborte in den Schulen war in Norddeutschland
lange eine Streitfrage, und wird in der Praxis auch jetzt noch der Abort
beinahe ausschliefslich in ein besonderes Gebäude auf den Hof verwiesen,
so dals die Kinder zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse treppab, treppauf
steigen müssen und sich den Unbilden der Witterung auszusetzen genötigt
sind. Auch Wasserspülung und ölpissoire haben in den diesbezüglichen
Anschauungen noch keine wesentliche Änderung zum besseren zu erzielen
vermocht. Immerhin kommt es in neuerer Zeit vor, dals in neuen Schul-
gebäuden die Aborte im Hause selbst angebracht werden. So ist z. B. diese
Frage in einem neuen Schulpalast in Charlottenburg in befriedigender
Weise gelöst worden. Wie die ^BerUner Morgenpost^ mitteilt, sind hier
die Aborte in zwei Seitenflügeln angebracht, die sich dem Hauptgebäude
organisch anschliefsen. Für jede Etage ist eine besondere Abteilung vor*
banden, so dais die Kinder während der rauhen Jahreszeit sich nicht
mehr den Unbilden der Witterung auszusetzen brauchen.
504
Ha^tsitfifiiftli^tB.
Obligatorischer Spielnachmittag an den hSkeren Schulen
Wfirtteaibergs« An einer diesbezflglichen Besprechang, die nnlftngst in
Stuttgart zwischen dem Vorstände der wttrtt. Tnmlehrerbüdnngsanstalt, dem
Vorsitzenden des Tnmansschosses der wOrtt. deutschen Tnmerschaft und
den mit der Leitnng der Spiele beauftragten Lehrern stattfand, wies nach
einer Mitteilung der „Schwab, Ckramk** Oberstudienrat Haubeb darauf
hin, dals die projektierte Einrichtung nur ein Teil eines umfassenden Planes
der SchulbehOrde sei. Dieselbe sei seit Iftngerer Zeit damit beschAftigt,
die Schulstunden sowohl wie auch die Zeit fQr die Hausaufgaben neu und
unter einheitlichen Gesichtspunkten zu regeln. Unsere Jugend mflsse mehr
freie Zeit erhalten; diese müsse zweckmAlsig yerwendet, die körperlichen
Übungen müssen mehr als bisher gepflegt werden durch Bewegung im
Freien, durch wohlorganisierte, gutgeleitete Spiele, die eine wirkliche Er-
holung bilden soUen. Der erste Teil dieses Planes, die genaue Festsetzung
des Stundenplans und der Hausaufgaben, habe noch nicht ausgeführt werden
können, weil das verlangte Gutachten des Medizinalkollegiums erst vor
kurzem eingegangen sei. Diese Behörde habe nun aber ihre volle Über-
einstimmung mit den Absichten der Schulbehörde zum Ausdruck gebracht,
und es stehe deren Verwirklichung von dieser Seite kein Hindernis n^ehr
im Weg; es müsse aber die Frage der voUst&ndigen und umfassenden
Begelung auf den Beginn des Schuljahres 1906 verlegt werden. Der
Versuch der Einführung von Tumspielen noch im laufenden Schuljahr
müsse dagegen an den hierfür ausgewählten Anstalten in energischer Weise
durchgeführt werden. Dabei sei es nicht die Absicht der Behörden, die
bisher für den eigentlichen Turnunterricht festgesetzten zwei wöchentlichen
Stunden einzuschränken, oder den Schülern einen freien Nachmittag zu
nehmen. Die erforderliche Zeit soUe vielmehr nur durch Wegfiall der
dritten Turnstunde oder einer sonstigen Stunde gewonnen werden. Eine
Erleichterung für die zur Probe herangezogenen Klassen trete ja auch ein
durch Nachlals der Hausaufgaben für den betreffenden Nachmittag. Vom
kommenden Schuljahr ab werde die Einführung grundsätzlich auf aUe
Klassen der höheren Knabenschulen ausgedehnt; die Beteiligung der
Schüler müsse eine allgemein verbindliche werden; eine Ausdehnung auf
die höheren Mädchenschulen sei ebenfalls in Aussicht genommen. Der
jetzige Versuch werde als Grundlage fOr die allgemeine Einführung dienen.
Für die Auswahl der betreffenden Anstalten sei malsgebend gewesen, da(s
zunächst nur gröfsere Anstalten (Stuttgart-Gannstadt, Ulm, Heilbronn, Eb-
lingen, Ludwigsburg, Tübingen, Reutlingen, Gmünd, Ehingen, Aalen, Geis-
lingen, Biberach und Böblingen) in Betracht kommen, denen geeignete,
genügend gro&e Spielplätze zur Verfügung stehen.
506
Oeneinsamer Unterricht beider OescUechter. Wie wir der
^Komm. Braxis^ entnehmen, hat der Bürgeraasschuis der badischen Stadt
Ueberlingen Yor kurzem beschlossen, die städtische Töchter -
schale aufzuheben und die Schfllerinnen am Unterricht in der Real-
schule teilnehmen zu lassen. Zuvor hatte die Ortsschulbehörde bei zahl-
reichen Anstalten Erhebungen darüber angestellt, wie sich der gemeinsame
Unterricht von Knaben und M&dchen an höheren Schulen bewährt habe.
Die Antwort lautete einstimmig dahin, dafs die Vereinigung der beiden
Geschlechter zu gemeinsamem Unterricht nie beanstandet worden sei. Im
Gegenteil übten die Mädchen überall einen günstigen Ein-
flufs auf Fleifs und Betragen der Knaben aus.
Eine Kinder-Erholnngsstitte ist unlängst in Charlottenburg, ver-
anlalst durch eine grö&ere Schenkung (10000 Mk.) durch den dortigen
Zweigverein des Vaterländischen Frauenvereins, gegründet worden. Wie
wir dem j^Berl, Lok^-Ang.^ entnehmen, ist die Anstalt in einer umzäunten
Waldparzelle belegen, deren Mittelpunkt eine grofse Baracke bildet, die
die Küche sowie Wohn- und Schlafräume für das Aufsichtspersonal enthält.
In einem Anbau sind Waschvorrichtnngen für Knaben und Mädchen sowie
Brause- und Wannenbäder untergebracht, letztere, um den Schützlingen der
Erholungsstätte ärztlich verordnete Bäder zu verabfolgen. Eine offene
Halle soll ihnen Zuflucht vor den Unbilden des Wetters gewähren, und
zugleich soll sie als Liegehalle dienen. Auf diesem Gelände bleiben die
erholungsbedürftigen Kinder von 7 Uhr früh bis 7 Uhr abends. Sie er-
halten alle Mahlzeiten in Gestalt von Milch und gesunder, reichlicher Kost.
Dicht bei der Erholungsstätte befindet sich die von der Stadt Charlotten-
burg errichtete Waldschule.
FSrdernng dea Badens nnd Schwimmens dnrch die Sehnle.
Diese Frage beschäftigte u. a. die Deutsche Gesellschaft für
Yolksbäder auf ihrer diesjährigen Hauptversammlung in München. Von
Landrat Dr. HAasN-Schmalkalden wurden auf die Frage: „Wie erhöhen
wir die Besuchsziffern der Schulbrausebäder?*^ folgende Thesen aufgestellt :
1. Wo die Verhältnisse es zulassen, ist das Baden obligatorisch zu
machen und in die Schulstunden zu legen. Bezüglich der Befreiung
vom Baden sind besondere Bestimmungen zu erlassen.
2. Die Badeeinrichtungen sind, um jedem ungünstigen Urteil über das
Schulbad vorzubeugen, tunlichst hygienisch einwandsfrei herzustellen
und fortgesetzt in gutem Zustande zu erhalten.
3. Zu gleichem Zwecke ist die Aufsicht beim Baden von einem hygie-
nisch geschulten und mit den Badeeinrichtungen vertrauten Lehrer zu
führen, welchem auch die volle Verantwortung für ein gesundheits-
gemäises Baden der Schulkinder zuzuweisen ist.
4. Es ist angezeigt, dab der zumeist sehr einflulsreiche Klassenlehrer
das Baden leitet oder demselben beiwohnt.
5. In der Schule ist dauernd auf die Bedeutung einer guten Hautpflege
und insbesondere der Reinlichkeit am Körper, der Wohlanständigkeit
hinzuweisen; den Kindern sind kurze gedruckte Belehnmgen über
den gesundheitlichen Wert des Badens zur Abgabe an ihre Ange-
hörigen auszuhändigen.
Sehnlgetmidlieitipflege. XVIII. 28
506
6. Im LehrerkoUeginm mab die Schalhygiene häufig Gegenstand der
Besprechung bilden.
7. An jedem Badetag ist die Zahl der Badenden festzustellen. Zeigt
sie einen merklichen Rflckgang, so ist die Ursache desselben zn er-
mitteln und womöglich zu beseitigen.
8. Beim Baden ist Yon den Kindern jede Unannehmlichkeit und zumal
jedes Unbehagen fernzuhalten. Sie müssen freundlich und fOr-
sorglich behandelt werden. Erkältungsgefahren sind mit Umsicht za
beseitigen^
9. Fällt das Baden nicht in die Schulzeit, so mu(s der das Baden
leitende Lehrer eine ihn für die vorstehend bezeichnete sorgliche
Leitung voll entschädigende Remuneration erhalten.
10. Das Schulbad ist während des Betriebes von Schulaufsichtsbeamten
und, wo ein Schularzt vorhanden ist, auch von diesem häufig za
revidieren. Jeder revidierende Beamte mufs hygienisch geschult and
mit dem Betriebe des Bades vertraut sein.
11. Die Aufsichtsbehörden müssen die jährliche Besuchszififer der Sdml-
bäder feststellen und dieselbe eventuell einer eingehenden Erörterung
unterziehen.
Wilhelm Pfaendeb, städtischer Lehrer in Berlin- Weilsensee, hatte
Leitsätze zu folgenden Fragen aufgestellt:
1. Wie ist das Schwimmen in den Schulen zu fördern?
a) Durch Einfügung in den Turnunterricht als Trocken-
schwimmen.
b) Durch Übungen im Wasser. (Winter und Sommer).
c) Durch Erbauung von Badeanstalten in allen Städten an
stehenden oder fiiefsenden Gewässern.
d) Durch Erbauen von Schwimmhallen durch die Gremeinden.
e) Durch staatliche Unterstützung.
2. Was können die Schwimmvereine zur Förderung des Schwinununter-
richtes tun?
a) Durch Pflege des Schwimmens als Vorbild für den Unter-
richt im Schwimmen.
b) Durch Veranstaltung von Wettschwimmen.
c) Durch Stärkung ihrer Jugendabteilungen.
d) Durch Übernahme von Schwimmschülem auf Kosten der
Gremeinden.
e) Durch Gewinnen der staatlichen und städtischen Behörden
für die Förderung des Schwimmunterrichtes.
Dr. Fritz LoEB-Mfinchen.
507
iiiUvatnv.
Besprechungen.
BuBNHAM. A Contribntion to the Hygiene of Teaching. The Feda-
gogkal Seminary, edited by 6. Stanley Hall, Ph. D., LL. D. Vol. 11.
No. 4, pag. 488, 1904. Worcester Mass.
Verfasser macht die Hygiene des Unterrichtens zom Gegenstande
interessanter Darlegungen, die er unter Berücksichtigung der Untersuchungen
TOD Blöckh, KiiATT, Lexis, Goldhahn, SIEGEL und insbesondere von
Wichmann auf eine in mafsgebenden amerikanischen Kreisen gehaltene
ümfirage aufbaut. Nach den Ausführungen Büsnham's erscheint das
Unterrichten als eine fttr die Gesundheit nicht ungefilhrliche Beschäftigung.
Hals- und Lungenkrankheiten und nervöse Störungen sind bei der Lehrer-
schaft vorherrschend. Mit Hacksicht auf die letztere sollte bei der Ein-
richtung von Schulbauten besondere Sorgfalt auf die Vorkehrungen zur
Reinhaltung der Gebäude, auf Ventilation und Beleuchtung verwendet
werden. Diejenigen Ursachen, die eine Überanspannung der Nerven im
Gefolge haben, sind auf ein Minimum zu beschränken. Am notwendigsten
in dieser Hinsicht erscheint Verfasser eine Reduzierung der Schülerzahl
der den einzelnen Lehrern zugewiesenen Klassen. Fflnf Unterrichtsstunden
täglich ist das Maximum fOr Schfiler und Lehrer (! !) ; diese Unterrichts-
stunden mflssen in geeigneter Weise durch Pausen unterbrochen werden.
Der Schlflssel zur Verbesserung der Gesundheit der Lehrer ist in den
Lehrerbildungsanstalten zu suchen. Dort sollen die Lehrer vorbereitet
werden, sich gegen die mit dem Lehrberufe unvermeidlichen gesund-
heitlichen Schädigungen zu schätzen. Zu diesem Zwecke mflssen die
Seminaristen mit der Hygiene des menschlichen Körpers bekannt-
gemacht werden, dabei ist die Hygiene der Atmungs- und Sprech-
organe und des Nervensystems in den Vordergrund zu stellen.
Aufeerdem sind in jeder Lehrerbildungsanstalt den Lehramtskandidaten die
Grundzflge der Schulhygiene vorzuftLhren. Mit Recht bedauert Verfasser,
dab gerade dieser Gegenstand, einer der Zweige der Pädagogik, die auf
wissenschaftlicher Methode aufgebaut sind, gewöhnlich in dem Programme
der LehrerbOdungsanstalten gänzlich fehlt oder nur dflrftig bedacht wird.
— Wir empfehlen gerne die Lektflre der BuBNHAMschen Abhandlung,
die in jeder Hinsicht die schon vorhandenen Arbeiten Aber dasselbe Thema
illustriert. Oberlehrer Kael RoLLEB-Darmstadt.
Pick, Prof. Dr. A. Über einige bedentsame Psychonenrosen des
Kindesalterg. Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete
der Nerven- und Geisteskrankheiten. V. Band, Heft 1. Halle a. S. Carl
Marhold, 1904, 28 S. Mk. 0,80.
28*
508
Der bekannte Prager Psychiater bespricht in der kleinen Schrift einige
psychopathische Erscheinungen des Eindesalters, welche den Arzt nnd
Pädagogen in hohem Malse interessieren müssen: es sind dies die Fngoes,
Tics, ZwangSYorstellnngen, Skmpnlositftt und die pathologische Tr&unerei.
Unter Fugnes beschrieben die Franzosen zuerst Zustände» die sich
charakterisieren durch mehr oder weniger ausgedehnte Wanderungen, welche
nicht unmittelbar Ansflufs überlegten Denkens sind, sondern ein triebartiges,
pathologisches DaTonlaufen darstellen. Man bezeichnet diese Erscheinung
jetzt auch als pathologischen Wandertrieb, als Poriomanie oder Dromo-
manie, und findet sie nicht selten bei Kindern, besonders in der Form des
„hinter die Schule Gehens **. Es handelt sich um ein Schulschwänzen und
Vagabundieren, das nicht auf Faulheit oder einem moraliachen Defekt
beruht Der pathologische Wandertrieb kann auf der Grundlage der
Epilepsie oder Hysterie entstehen oder aber — nnd dies ist der Fall bei
der Mehrzahl der beobachteten Fälle Yon kindlichem Wandertrieb —
er tritt auf bei Individuen, die sich als vollständig frei von Anfällen irgend-
welcher Art, aber als psychasthenisch, im weiteren Sinne als d^gener^,
oder besser d6s6squilibr6s, als minderwertig erweisen. Es fehlt dabei
jede BewuistseinsstOrung, und die Erinnerung an das bei der Wanderung
Erlebte bleibt erhalten. Der Wanderung geht sehr häufig eine aus äuiserem
Anlab entstandene Verstimmung oder Mifsstimmung (Dysphonie) voraus, und
der Wandertrieb ist gleichsam der Drang zur motorischen Entladung dieses
Verstimmungszustandes. Bei dem hysterischen Wandertriebe ist das aus-
losende Moment eine bestimmte Idee, die so faszinierend oder suggestiv
wirkt, dais ihr widerstandslos nachgegeben wird. Die Erinnerung an die
Erlebnisse während der Wanderung kann bei dieser Form qualitativ ver-
ändert sein. Der epileptische Wandertrieb — bei Kindern selten — ist
besonders charakterisiert durch das Fehlen der Erinnerung und das mangel-
hafte, ungeordnete Verhalten gegenüber den jeweilig vorkommenden Situa-
tionen während der Wanderungen. Beim epileptischen Wandertriebe wird
die Behandlung sich gegen das Orundleiden zu richten haben, bei dem
hysterischen spielt besonders die Wachsuggestion als Heilmittel eine be-
deutende Rolle; bei der im Kindesalter häufigsten psychasthenischen Form
ist die Hauptaufgabe die Verhütung von Verstimmungen, die Erzielung
einer gleichmäfsigen Stimmung in Haus und Schule, weiter die Erziehung
zum Schmerz und Gewöhnung an ünlustgeftüüe. Prügel helfen nichts und
können die Anfälle nur vermehren, die Verstimmung in einzelnen Fällen
so steigern, dafs es zum Selbstmord kommen kann. Bei schlechten häus^
liehen Verhältnissen, wo die günstige psychische Beeinflussung nicht statt-"
finden kann, ist Anstaltsbehandlung angezeigt.
Zwangsvorstellungen sind nach dem Verfasser im Kindesalter häufiger,
als manche Autoren annehmen. Nur entbehren die kindlichen Zwangs-
vorsteDungen häufig des WsSTPHALschen Kriteriums, dals sie von den
Betroffenen als abnorm, fremdartig anerkannt werden. Kinder, mit ihrem
wenig entwickelten Selbstbewufstsein stehen den Zwangsvorstellungen noch
nicht wie der Erwachsene gegenüber. Das erste Stadium der Entwicklung
der Zwangsvorstellungen tritt oft unter dem Bilde übertriebener Pünktlich-
keit, der Skrupulosität auf, die anscheinend noch nichts von dem Charakter
509
der ZwangSTorstellang an sich trägt. Aber es können beim Kinde auch
sonst alle die verschiedenartigen Formen der ZwangSYorstellnngen auftreten,
wie bei Erwachsenen. Die Zwangsvorstellnngen sind oft schwer zu ent-
larren, besonders dort, wo sie nicht zu bestimmten, widersinnigen Hand-
langen ftüiren. Zwangsvorstellnngen treten sowohl bei belasteten, als bei
ganz ausgezeichnet wohlgebildeten Eindem auf. In der Behandlang der
Zwangsvorstellnngen ist es wichtig, den einseitig geistigen Bestrebungen der
davon beMenen Kinder geordnete Bewegungsspiele und das AosUben der
Handfertigkeiten entgegenzustellen; die Selbständigkeit, der Mut d^ Kinder
ist zu heben. Etwaige provokatorisch wirkende Ursachen sind zu ent-
fernen, bezw. soll ihnen durch Ablenkung entgegengearbeitet werden. Bei
stärkeren Affekterregungen kann arzneiliche Behandlung nötig werden.
Zu den Zwangszuständen sind die Tics zu rechnen, Krampfformen,
die bei Kindern häufig als Unarten aufgefa&t werden; hierher gehören:
Blinzeln, Heben der Brauen, Schütteln des Kopfes, Drehen oder Rücken
der Achseln, Mundspitzen, Einziehen des Mundes nach einer Seite, Schnaufen,
Schmeckbewegungen, Hüsteln, Räuspern, Lecken oder Bei&en der Lippen,
Nägelkauen und ähnliches. Die Genese der Tics ist gewöhnlich die, dals
zunächst eine koordinierte Bewegung willkürlich ausgeführt wurde, um
eine unangenehme Empfindung loszuwerden, welche Bewegung aber, nachdem
der Zweck längst erledigt, zurückbleibt und nun unwillkürlich und auto-
matisch wiederholt wird; so kann z. B. ein Fremdkörper im Bindehautsack
des Auges Blinzeln verursachen, das beibehalten wird, wenn der Fremd-
körper längst entfernt ist usw. Die scheinbare geringfägige Bedeutung
dieser „Unarten^ wächst für den Arzt und Lehrer dadurch, dafs die
psjchiafaischen Erfahrungen gezeigt haben, dals die Tics auf dem
Boden eines Geisteszustandes entstehen, der charakterisiert ist durch
ein mangelhaftes seelisches Gleichgewicht, besonders in der Willenssphäre,
durch Mangel an Ausdauer, besonders der Auftnerksamkeit, durch eine
gesteigerte Erregbarkeit und Neigung zu allen möglichen Bizarrerien und
Exzentrizitäten. Die Behandlung besteht hauptsächlich in der Hebung des
Ernährungszustandes und in speziellen methodischen Übungen, welche die
automatischen, unwillkürlichen Bewegungen zu willkürlichen, hemmbaren
machen sollen. Strafen sind meist schädlich. In bezug auf Entstehungsart
«id Behandlung steht den Tics nahe die motorische Unruhe der Schul-
kinder („Zappelphilipp^). Solche unruhige Individuen entwickeln sich leicht
zu Menschen, die stets den Beruf wechseln, eine Neigung zur Bununelei,
Yagabondage usw. an den Tag legen.
Endlich bespricht der Verfasser noch das Wach träumen der Kinder,
das nur Üar ein gewisses frühes Alter als normal angesehen werden kann,
bei nervös disponierten Kindern aber sich zu der sogenannten patholo-
gischen Träumerei entwickeln kann. Referent hat in einer kleinen Ab-
handlung „Vom Seelenbinnenleben der Kinder, 1898" früher schon auf die
Bedeutong der Träumerei für die pädagogische Pathologie hingewiesen.
Der Verfasser legt dar, wie sich mit dem Tagträumen leicht ein phan-
tastiscber Wandertrieb verbinden und es dabei leicht zu Diebstählen und
ähnlichem kommen kann. Gefährlich ist die sich von der Aulsenwelt ab-
schlie&ende, die eigene Person betreffende Phantasietätigkeit. Das Haupt-
610
gewicht der Behandlung ist zn legen anf die Hinlenknng des Interesses za
realen Dingen, Überftlhrang des Phantasiespiels zu zweckbewoister T&tigkeit
(besonders auch hier wieder zu Bewegungsspielen und Handfertigkeiten);
wichtig ist femer Regelm&lsigkeit der geistigen and körperlichen Be-
schäftigung, Vermeiden von rein mechanischen Arbeiten, die der Phantasie
freien Lauf gestatten, wie Sticken, Hfikeln, endlich Einschränkung der
zum stundenlangen Sitzen nötigenden Hausarbeiten.
Die kleine Schrift ist eine reiche Fundgrube ärztlicher und päda-
gogischer Beobachtungen und des schulhygienischen Interesses besonders wert.
Dr. MosES-Mannheim.
ScHBöEB, H. Methodik dea TnrniuitemehtB. Ein Hilfsbueh für
Tnnlehrer und Tnrnlehrerinnen. Leipzig. B. G. Teubner. 1904.
An tummethodischen BQchem ist kein Mangel; wenn jemand es
trotzdem übernimmt, zu den zahlreichen noch ein neues hinzuzufügen, so
ist das ein Zeichen, dals er die Fähigkeit in sich verspürt, der Öffentlich-
keit etwas Besonderes zu bieten. Wer diese natürliche Voraussetzung
gelten lälst, wird allerdings die ScHBÖEBsche Arbeit mit bedenklichem
Kop&chütteln beiseite legen.
Mit einer „psychologisch-methodischen*' Einleitung beginnt das Buch.
£s unrd dem Leser auf Yier(!) Seiten „wissenschaftlich^ klar gemacht,
was man unter Turnen yersteht. — Sodann geht's an die Hauptkapitel:
sStoff, Betrieb, Lehrverfahren, geschichliche Entwicklung.*^ Sein päda-
gogisches Glaubensbekenntnis läfst der Verfasser auf Seite 6 erkennen, wo
man liest: „Wäre den Leibesübungen bereits die Stellung im Lehrplan der
öffentlichen Unterrichtsanstalten eingeräumt, der (?!) ihnen zukommt, so
wären sie mit sechs Wochenstunden bedacht . . . Dann entfielen f&r
jeden Schüler wöchentlich zwei Stunden auf die strenge Tumschule, zwei
Stunden auf das Tumspiel, eine Stunde auf die Turnkür und eine Stunde
auf die Übungen des volkstümlichen Turnens, an dessen Stelle da, wo die
Verhältnisse es gestatten, im Winter ab und zu bei gewissen Klassen (!?)
das Eislaufen, im Sommer desgleichen das Schwimmen oder Rudern treten
könnte. Im Vordergrunde sollen deshalb einstweilen im allgemeinen (sehr
Torsichtig!) die Gerätübungen (?1) stehen.^ „Der Reichtum des deutschen
Turnens an Gerüsten verschiedenster Art ist im allgemeinen ein Vorzug. '^
(S. 76.) — Die Sehnsucht nach täglichen Turnstunden wird dann anf S. 40
noch einmal ausgedrückt und zwar unter Beruftmg auf Gutachten der Ge-
heimräte Y. Ebmabch, Helfebich und Qüincee in Kiel. Schböeb ist
es dabei entgangen, dals diese Herren sehr richtig von täglichem Turnen
in des Wortes weitester Bedeutung, nicht aber von täglichen Turn-
stunden, am wenigsten von einem Unterricht mit „Klassenzielen^,
Klasseneinteilungen (S. 10), Leistungsmessungen (S. 25), „Takttumen mit
Musik** (S. 15, 25) reden, „unterrichte schulgemäls^ wünscht ja Schböeb
(S. 15) d. h. wie in der Schulstube und fQgt beruhigend hinzu: „Freund
jugendlicher Beweglichkeit und Frische, du brauchst über die Forderung
nicht zu erschrecken. Der rechte Lehrer weifs schon, dafs Schulgemäfsheit
nicht Steifheit und Langeweile bedeutet."
Ein Buch, das von solchen Grundanschauungen ausgeht, entspricht
511
nicht dem, was man von einem derartigen Werke erwarten könnte. Einzelnes
sei hier noch erwähnt: Auf S. 5 wird von den „sogenannten volkstüm-
lichen Übungen^ gesprochen. Eine der wichtigsten, nämlich das Springen,
fehlt. Anf S. 58 dagegen liest man: „Zn den volkstümlichen Übungen
rechnet man vornehmlich manche Massenkämpfe (Spiele), das Lanfen,
Springen, Werfen usw. (?!)
In dem Kapitel „Lehrverfahren^ liest man: „Mache wenig Worte^
(S. 14) ; dann wird auf S. 24 mit Fickingeb von „Zurufen an diesen und
jenen*^ geredet und hinzugefügt: „Der Lehrer verbessert ohne ünterlafs
die wahrgenommenen Fehler, unterbricht durch ein gebieterisches Halt das
allgemeine Üben usw.** ; auf S. 29 lautet dann wieder die Vorschrift: „sei
wortkarg**, „keine unnötigen Worte^; „höchstens: Es war gut! Neue
Übung!«
Ein Beispiel der Tonart, in welchem das Buch gehalten, ist folgendes:
«Ein geübter Turnlehrer kündigt den Befehl zum Links- oder Bechtsum-
Drehen während des Marsches an mit langgezogenem L oder R (UUinks
— um! mrechts — um!) und gibt den Ausführungsbefehl („halt"! —
„um^ !) ein klein wenig, fast unmerklich vor dem Aufsetzen des rechten (!)
Fufees." „Aber ja nicht im Unteroffizierston, nicht schnarren!** Vom
Schwimmen sagt der Verfasser von sich aus so gut wie nichts; er
erteilt da anderen (y. Gossleb, Vibchow, Schmidt) das Wort; tume-
nsche Einzelübungen wiederum, wie z. B. der Gerwurf (S. 69), das Ringen
(S. 71), das Tiefspringen werden viel zu lange ausgedehnt; dabei ist der
sehr wichtige Gerweitwurf ganz unberücksichtigt gelassen, und der Tief-
spnmg so behandelt, als ob er sich nur vom Tiefspringel, nicht auch und
vielmehr an den Klettergeräten, dem Pferd usw. ausführen liefse. Warnen
möchte ich vor dem, was der Verfasser über Spielbetrieb sagt (S. 57).
Der Kundige sieht auf den ersten Blick, dais Schböeb hier nicht zu
Hause ist. Prof. WiCKENHAGEN-Berlin.
Bibliographie.
Die mit * bezeichneten Werke wurden der Redaktion zugesandt.
*Da8 Sporüufibad. 4. Sonderheft von „Kraft und Schönheit''. Berlin W.,
Verl. V. „Kraft und Schönheit". Gr. 8^ 47 S. Mit zahlr. Abbildgn.
ü 0.50.
*ElsinmBlOH, L., Schuldirektor. Der Verein für Ferienkolonien in Leipeig
in seiner fünfu/ndetccmzigjährigen Tätigkeit Mit 5 Bildertafeln und
5 Textbildem. Leipzig 1905, Selbstverl. d. Ver. f. Ferienkol. 8®. 70 S.
*Habtmanw, Mabtin, Dr. Die höhere Schule und die Gesundheitspflege.
Leipzig, Teubner, 1905. 8^ 56 S.
*Jahrbuch der praktischen Medüfin, herausgeg. von Prof. Dr. J. Sohwalbe.
Jahrg. 1905. Stuttgart, Enke. 8^ 607 S. M 11.00.
*Jahrhuch für Volks- und Jugend^piele, XVI. Bd. In Gemeinschaft mit
£. y. SCHBNOKENDOBF und Dr. med. F. A. Schmidt herausg. von
Prof. H. WiCKENHAQEN. Leipzig u. Berlin, Teubner, 1905. 8^.
346 S. Kart. M 3.00.
612
Schtdhyg. Abhandlungen:
Koch, Eonrad. Wohnunffsgeseüi und SpidplaUsfrage.
Gbrstbnbbbo, H. Die Leibtsühung im Dienste der socialen Arbeit
in Hamburg.
Rossow, Karl. Die Leibesübungen in den preufsischen SenUnaren.
Nbüfbrt, Dr. Die Charlottenburger Waldschule.
Koch, Konrad. Alte griechische Ärete Über BaUspiel,
F. A. Schmidt. Spiel und Leibesübung auf der WeltaussteUung
in 8L Louis 1904.
Gluhn, Alb. Die körperliche Ereiehung in Japan.
Wbtbkamp, W. Ein erprobter Plan der HausgymnasWc für Jung
und Alt.
BURQASS, Dr. Die Literatur des Spiels und verwandter Übungen
im Jahre 1904.
Die körperliche Ereiehung in den Verhandlungen des preufsi-
schen Landtages 1904 u. 1905.
Bbtbr, 0. W. Wandern cds Mittel der Jugendbüdung.
Bbbrwald, K. Der Spaziergang in gesundheitlicher Bedeutung.
Friceb, H. Der Schwimmunterricht in Hamburg im Jahre 1904.
KOHLRAüSCH, E. Bericht über den unentgeltiichen Schwimm-
unterricht an den Volksschulen in Hannover 1904.
LoTZ, H. Der Schwimmunterri^t in der ElberfeHder Volksschule.
Klahb, M. Schulschwimmbetrieb in Dresden.
Stibglbr, B. Schwimmunterricht an Leipeiger Volksschulen.
'^Internationales Arthiv für Schulhygiene. I. Bd., 3. H. Mit 7 Fig. im
Text. Leipzig, W. Engelmann, 1905.
H. Gribsbach. Weitere Untersuchungen über Beziehungen zwischen
geistiger Ermüdung und HautsensibiUtät.
*MarcinowöKT, J., Dr. med. Im Kampf um gesunde Nerven. 2. um-
gearb. Aufl. Berlin, 0. Salle, 1905. 8^ 148 S. M 2.00.
* Nervosität und Weltanschauung. Berlin, 0. Salle, 1906. 8^
132 S. M 3.00.
Marr, G., Dr. med. Untersuchung der Zöglinge der Hamburger Hi^
schulen im Jahrgang 1903. Archiv f, soz. Medizin u, Hygiene. N. F.
Deutsche Monatsschr. f. soz. Medizin, heransg. von Dr. M. FÜR8T und
Dr. K. JAFPi. I. Bd., 4. H. Mit 12 Kurven. Leipzig, F. C. W. Vogel,
1905.
*Sandow, Eugbn. Kraft und wie man sie erlangt. Mit 1 Übongstafel
und zahlr. Originalphotographien. Berlin, G. Möckel, 1905. Verl. v.
„Kraft und Schönheit«. 8^ 157 S. Kart. A 2.50, eleg. geb. M. 3.00.
§ev ^äfnlavit
m. Jahrgang. 1905. No. 8.
<Drti)inalaiil|aitblititi)eit.
Betrachtungen ftber schnlftrztliche Statistik und Vorschläge
snr HerbeiftQimng einer Einheitlichkeit in derselben.
Von
Dr. SAMOSOH-Breslau.
(Fortsetzung nnd Schlals.)
Es erübrigt zum Sohlufs noch die Prüfung der Frage, anf
welche Art nnd Weise der Schularzt in Stand gesetzt
wird, sein Material am Ende des Jahres in der ge-
wünschten Weise zusammenznstellen. Was den Bericht
über die Anfiiahmeuntersnchnngen anlangt, so sollte dieser Bericht
nicht am Ende des Jahres, sondern sofort nach Abschlnfe der
Untersuchungen erstattet werden. Er könnte dann einfach aus den
gesammelten Gesundheitsscheinen herausgelesen und gleich schriftlich
fixiert werden. Was die Berichte, betreffend die Morbidität des
übrigen Schülermaterials, anlangt, so gibt es zwei Wege, die es
dem Schularzte ermöglichen, jederzeit sein Material zur Bericht-
erstattung zur Hand zu haben:
1. Er benutzt ein Berichtsformular als Notizblatt für jede Schule
und macht sofort bei jedem Besuch die entsprechenden Notizen.
Die Zusammenstellung der auf den Notizblättem eingetragenen
Vermerke ergibt dann den Bericht. (Dies Verfahren ist nach einer
liebenswürdigen brieflichen Mitteilung des Herrn Dr. Buchbold in
Darmstadt üblich.)
2. Es wird ähnlich, wie in Breslau, für jede Klasse eine
Krankenliste angelegt, deren Gestaltung aus dem beigelegten Ent-
wurf IV deutlich ersichtlich ist und keiner weiteren Erläuterung
bedarf. Aus den am Ende des Jahres gesammelten Krankenlisten
könnten dann die im Bericht verlangten Angaben mit Leichtigkeit
herausgezogen werden.
Der Sohnlant. HL 13
116 514
SelbBtreratSiidlioh ist es nooli, dab jeder Sohalarzt ein Tage-
bach ftthren soll, in dem er über die Zahl seiner Besuche, die da-
für aufgewandte Zeit usw. zu notieren und auch sonstige in seinen
Dienstbereich fallende Einträge zu machen hat. Dieses Tagebuch
ist natürlich auch für den Bericht heranzuziehen. Im allgemeinen
kann man wohl sagen, dafs die eben erläuterte Frage, wie es der
Schularzt machen soll, um die verlangten Berichte abzustatten, von
geringerer Bedeutung ist und wohl auch nicht einheitlich geregelt
zu werden braucht. Die Hauptsache ist, dafs die Berichte
einheitlich ausfallen. Ebensowenig ist es nötig, ausfohrlicher auf
die Frage einzugehen, ob vor den Erstunteisuchungen Fragebogen
betreffend die Vorgeschichte des Kindes, an die Eltern abgesandt
werden sollen, und wie ein derartiges Formular beschaffen sein soll.
Die Hauptsache ist, dals wir die Vorgeschichte erfahren, wie ist
Nebensache. Immerhin erscheint es empfehlenswert, die Auskunft
schriftlich yon den Eltern einzuholen, weil der ausgefüllte Frage-
bogen dann dem Gesundheitsschein einfach beigelegt werden kann
und zur vielleicht manchmal recht wertvollen Ergänzung desselben
dienen kann. Empfehlenswerte Formulare für einen Fragebogen
lagen aus Sachsen-Meiningen, wo es die eine Seite des Oesundheits-
scheines einnimmt, Friedrichshagen und Breslau vor. Die Fragebc^en
aus Jena und Alzey gleichen fast vollständig dem aus Meiningen.
Eine Betrachtung der sonst im schulärztlichen Dienst gebräuch-
lichen Formulare entzieht sich dem Rahmen dieser Arbeit.
In dem Vorstehenden hat der Verfasser es versucht, Vorschläge
zur Herbeiführung einer einheitlichen und möglichst brauchbaren
schulärztlichen Morbiditätsstatistik auszuarbeiten, die vielleicht eine
geeignete Grundlage für weitere Beratungen darstellen könnten. Es
wird sich nun darum handeln, einen lebhaften und gründlichen
Meinungsaustausch über diese Vorschläge herbeizuführen. Zweck
dieser Arbeit ist es, eine Anregung nach dieser Seite hin und auch
eine Unterlage für weitere Kommissionsberatungen zu geben, damit wir
endlich zu der allseitig als notwendig anerkannten Einheitlichkeit im
schulärztlichen Dienste — natürlich cum grano salis au&ufassen — ge-
langen. Diese Vorbedingung mufe, wie Verfasser es schon öfters betont hat,
erfüllt sein, wenn das Schularztwesen uns zu einer möglichst exakten
Kenntnis des Gesundheitszustandes unserer Schuljugend führen soll.
Diese Kenntnis ist aber wieder die unentbehrliche Grundlage, auf
der ein weiteres gedeihliches Wirken zum Segen der heranwachsen-
den Generation denkbar ist.
516
117
Entwurf I för einen Gesnndheitasobein.
Vermerk aber larselt bestehende Ant-
liehe Kontrolle, als Hlnweii fQr den
Lehrer, den Schein dem Ante bei Jedem
Beraehe Tonnlegen.
Oesnndbeitsscbein
d Sohüler geb.
Soh. El.
Datum der Aufnahme-Üntenuchong
Antrag auf Zorückstellnng for 1 Jahr.
Wahrend der Schulzeit befand sich das Kind in
arztlicher Eontrolle von bis
im Schulj. Seh. El. wegen
Entlassen wurde es aus
derselben
geh.
wegen
Schulwechsel
Als dauernd kranklich wurde das Eind eingetragen:
Nach vorheriger Beobachtung am wegen
ohne vorherige Beobachtung am wegen
Bemerkungen des Arztes bei Entlassung des Eindes aus der Schule
(Vorschläge für die Berufswahl):
Name des Arstes:
(Vgl. letite Seite.)
Beobachtungen und Bemerkungen der Lehrer während der Schulzeit.
(Mit Angabe dee Schuljahresy der Klaeee und Sehule und NamenBunterschrift in versehen.)
Schulversaumnisse wegen
Erankheiten
118
516
Ergebnifl der Aofnahme-Üntennobniig vom (Dat.)
Schulant: Dr.
Zensnr
Anormal?
In welcher
Weise?
Spezielle Diagnosen.
(Zutreffende su unter-
streichen, nicht Torgedruckte
Diagnosen hinsusofllgen)
Allgemeine KOrperbesohaffen-
heit» Konetitutlon und Er-
nfthrangssnatand, I gut,
II mittel, III BCbleebt
Allgemeine gelatlve Besehaf*
fenhelt, I normaL II sarflck-
ireblleben, III defekt
Normal
Hahnerbrust
Knoebenayetem (Deforml-
aten)
VerkrOmmungen der Extre-
miaten
Schldelanomalien
krankhelten
Knochen. / ?*?'*'*»w*i,j
tube?kSJose||PSi*W«<^
Coxitis
Chron. Arthritis
Angeborene Hilftgelenks-
luxatlon. Schiefhals
HanUelden
Eksem, Psoriasis, Prurigo
Purunkulosls
Parasiten
Pedikulosls, Skabies
Drfiaenschwellangen
Struma
Mund, Naae, Rachen
Qaumendefekt
Ozaena
Aden. Vegetationen
ZMine
I gut, II mittel, III aehleoht
Spraehe
Stottern
Stammeln
Znetand der Langen
Asthma
Tuberkulose
Zustand des Heraena und
HenbeatelB
An&miache Geräusche
Hersfehler
Kongenitale Fehler
Organe der BaaehhOhle
Chron. Peritonaltnberkulose
Würmer
Sonstige Erkrankungen
NerTenaystem
Chorea L&hmungan
Hysterie NerTeniuekungen
Epilepsie Tic couTnlsif
Körperliche Entwicklunga-
Leisten- / «>•"»"«
SehvermOgen
Myopie
Hyperopie
Astiflrmatismus
Amblyopie
Behlelen
Convergent, divergent
Angenmuskellfthmung
Augenkrankheiten
Trachom, SchlohtsUr
SkrqphnlOse Erkrankungen,
s. B. Phlyct&nen, Homhaut-
geschwflre
Blepharitis
Narben und Flecke
Sonstige Augenleiden
Geh9r
herabgeseUt, Taubheit
Ohrenleiden
Ohrenflufs
Sonstige
Sonstige Erkrankungen
Bv. Gesamtdiagnose (Blut-
armut, Bkrophulose, Rha-
ehitis, Lues heredit usw.)
617
119
Arstliclia Beobaobtnageii
währacd der weiteren Schulseii
Anordnungen and ^pecielte
Notizen des Scbularztei
(Vgl. Aufkiahme-Beftuid)
I. Schuljahr Seh. EL
Datum and Befunde bei er. weiteren | J
üntersachnngen
In arsilioher Beobachtung von
bii
Aus derselben entlassen als geheilt
wegen Schulwechsel
Aus derselben entlassen als ungeheilt
Als dauernd kranklich eingetragen am
Name des Schularztes :
Dispens
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EL SchuQahr Seh. Kl.
Datum und Befunde bei er. weiteren
Untersuchungen
In irstlicher Beobachtung von
bis
Aus derselben entlassen als geheilt
wegen Schulwechsel
Ans derselben entlassen als ungeheilt 1
Als dauernd kranklich eingetragen am j
Name des Schularztes:
ni. bis Vm. Schu^'ahr desgleichen.
120
518
MesBongt- und Wignngt-Brgebniaae.
KlMM
Sehule
Nr.
eT., kath.
Gewicht
kg
Lange
cm
BruBt-
umfang
durch Arst
cm
Name dea
und CT. des
AntM
1. Schuljahr
2. Schuljahr
8. Schuiyahr
4. Sohu^ahr
5. Schi4jahr
6. Sohi4jahr
7. Sohu^ahr
8. Schuljahr
Infektions-Erankheiten wahrend der Schulzeit
L Schuljahr Kl. Seh.
n. Schu^ahr
Kl.
Seh.
m. Schuljahr
Kl.
Seh.
IV. Schu^ahr
Kl.
Seh.
V. Schuljahr
Kl.
Seh.
VI. Schuljahr
Kl.
Seh.
Vn. Schuljahr
Kl.
Seh.
Vm. Schuljahr
Kl.
Seh.
Ergänzung der ärztlichen Beobachtungen und Bemerkungen.
Ergänzung der Beobachtungen und Bemerkungen des Lehrers.
519
121
Entwurf la ffir einen GeBnndheitssoliein.
V«rm«rk ab«r inneit bestehend« tnt-
Uobe Kontrolle als Hinwels Hu den
Lehrer, den Sehein dem Ante bei Jedem
BesDcbe Torznleffen.
Cfesnndheitssehein.
d Schaler geb.
Seh. El.
Datam der Anfiiahmeantersnchung
Antrag aof Zoraokstellung für ein Jahr.
Wahrend der Schulzeit befimd sich das Kind in
arztlicher Eontrolle von bis
im Schn^. Seh. El. wegen
Entlassen wurde es aus
derselben
geh.
wogen
Schalwechsel
Als daaemd kranklich wurde das Eind eingetragen:
Nach Yorheriger Beobachtung am wegen
ohne vorherige Beobachtung am wegen
Bemerkungen des Arztes bei Entlassung des Eindes aus der Schule
(Vorschläge für die Berufswahl):
Name des Arstes:
Beobachtungen und Bemerkungen der Lehrer wahrend der Schulzeit,
(mt Angabe des Schuljahres, der Klasse und Schule und Namensunterschrift sn versehen.)
122
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Der Schularzt. IIL
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Kattang«- und W&gangiergebniMe:
Sehule
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(dareh
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Schulxeit:
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Eqräniung der Beobaohtongen und
Bemerkangen des Lehren:
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524
Entwurf n
Sohnlant Dr.
(Bericht über die Aafnahme-
üntertuchapgen). Bericht
fiber die Anfliahiiie-Uiitennichuigeii im Sohuljahr.
IK».
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8a.
•k
Zfthl der LerDftnfSiKrer ............... ^ ...... .
Zahl der ÜDtemchten
(^AffiK flrefnnd witreD
Abweichungen Yon der Norm boten dar
In firztliche Beobachtung wardeo gestellt
Als dauernd krankhoh wurden eingetragen
Zurückstellung vom Unterricht auf ein Jahr wurde
beantragt bei
Die Untersuchung betr. die allgemeine körperliche und geistige Beschaffenheit
ergab folgendes:
Knaben
y&dohen II
%
»btolat
•/o
»btolvi
•h
Allgemeine
gnt.
körperliche
mittel
heit
schlecht....
AUgemeine
normal
geistige
Beschaffen-
zurück-
geblieben .
heit
defekt
Von besonderen schularsüichen Anordnungen resp. Vorschlagen
sind herrorzuheben :
Knjirben
Mldehen
8a.
•/o
abaolut
1 V^
üb sola t
%
Anweisung einet bestimmten Sitsplatzes
Diapens von emzelnen Fächern . , ^ « . . .
Zeitweiier AnsschlufB vom Scbolbesuob
Befiond . Berüokflichti gu ng beimU aterri cht
Überweisung an einen Sprachküraui . •
Mitteilungen an die Eltern, ....,,,.,,,
Angaben betr. die Zahl der eingegangenen Fragebogen und die Art der Aus-
füllung durch die Eltern.
Angaben, inwieweit von den Eltern schulärztliche Untersuchung und Beobadttang
ihrer Kinder abgelehnt wurde.
535
127
(Vgl. 8. 1 betr. aUgemeiM Koneiitatioa
M geistige Betchaffenkeit)
(^* ^) nntenaohten Lenumflngern wnrden folgende
KrankheitszoBtände festgestellt.
Allgemeine
Diagnosen
Kn.
M.
Sa.
SpesieUe Diagnosen
Kn.
M.
Sa.
Be.
merkangen
über"
besondere
Fälle
JLnoehentTstem
(Defemdaten)
Kypbose
Skoliose
Hflknerbrast
Verkrfimmong der Extremi-
aten
Sck&delanomalien
lenke- and Mos-
kelkrankkeiten
"SÄ- { rs.-
Angeborene Hiftgelenfs-
Inxatlon
Cozitis
Ckron. Arthritis
Schief hals
Hantleiden
Bksem
Psoriasis
Furunkolosls
Andere
Parasiten
Pediknlosis
Skabies
Drfisen-
sebirellangen
Nacken- and Kieferdrflsen
Stroma
"s^lr
Oaomendefekie
Osaena
^t?"2"! Veget resp. he-
ZIkne (defekt and
sekr sekleekt)
Spraeke
Stottern
Stammeln
Zastaad
der Langen
Asthma
Taberkalose
Sonstige Erkranknngen
Zastand
des Hersens
Anämische Ger&asche
Hersfehler
Kongenitale Erkrankangen
Organe
Ar Baaekkeble
Würmer
Sonstige Erkrankangen
Merrens/stem
Epilepsie
Hysterie
Chorea
Lähmungen
Nerrensaekangen
128
(Kd.
526
M.) nntennohteii Lernanf&ngern worden folgende
KrankheitBiQstSiide festgeetellt
Allgemeine
Dlegnosen
Kn.
M.
Sa.
Bpesielle Diagnosen
Kn.
M.
Sa.
Be-
merknngen
besondere
FUle
KSrperUehe Bnt-
wJcUnngsfehler
?eÄ. } B'««^e
Myopie
Hyperopie
Astigmatismas
AmbVopIe
Akkomodationsl&hmnng
Schielen
Konvergentes
Divergentes
AngenmnskellUimnng
Angen-
krankheiten
Blepharitis
Phlyktänen und Homhant-
gesehwfire
Narben and Fleeke
Trachom
Sonstige
Oeh«r
Taabheit
OhrenfloTs
Sonstige
Sonitige
Erkrankungen
8a.
Sonstige Bemerkungen:
Folgende sa-
sammenfkssende
samtdlagnose des*
Oesnndheits-
seheines) konnten
gestellt werden
Bkrophulose
Rbaehitis
Lues hereditaria
Blutarmat
527
129
SDiworf na
(Bericht aber Anfnahme-
nnterwiohangen).
Bericht VbtT die Aufiialuneiintersiichiiiigeii
im Schn^ahr
Kn.
if.
Sa.
•h
Zald der Lernanfioger
Zahl der TTnteraiiehteTi r . . .
Als 1rra.n¥ hefDodeii wurden -••
In besondere ärztliche Beobachtung wnrden gestellt
Als dauernd kränklich (Inral.) wnrden eingetragen
ZnrnckstelL v. Unterricht a. 1 Jahr wnrde beantr. bei
Besnltate der üntersnchnngen betr. die allgemeine körperliche nnd
geistige Beschaffenheit:
fir«t
Knaben
Mädchen
ahtolnt
•/.
ahsolnt
•/.
Sa.
•/•
Allgemeine kOrper-
liehe Besehaffenheit
mittel
ichleeht
normal
Allgemeine geistige
Besehaffenheit
snrfick-
geblieben
defekt
180
588
Übersicht über die bei den Lernanfingern gefandenen Kimakhettnuftiiide:
Kn.
IL
Sa.
Bemerk, flh. hes. Fill«
Blntarmat
Berophalosift nntTimralto
Laet hereditaii*
Knooheii-, Gelenks- u. MiukelkrMikheitaii
Haatleiden
Peraaiten
Mnnd, Naho» Rachen, x. x ... ..
Zilwe (defekt, sehr sehleeht)
Sprache
Zustand der Langen
Zustand des Hersens..,
Organe der Bauchhöhle
Nerrensystem
Körperliche Entwicklungsfehler (Brüche)
Schielen
Augenk<'^>iki|f^tf>n ,
Gehör
Sonstige Erkrankungen
Vorschl&ge und Anordnungen des Schnl-
arstes:
Bob
dis
sUge Et
Aufhah
smerkna
neunte]
*suehung betreffend:
529
131
Bntwnrf m.
(Bericht tiber die QeBamUohfllerzahl.)
Bericht fiber die bei der CfesamtsehttlerzaU beobachtete Morbiditlt
(Miodestmiorbidität) und ihre Bewegung im Jahre
Oeeamtsohfllerzahl des Sehnlbesirks:
üntersaohfc worden:
Zähl der schulärztlichen äesache behufs event Vornahme ron Schölemnter-
suohungen:
Dorchschnittficher Zeitaufwand pro Besuch:
Übersieht über die Zahl der Oberwaehniicsschfiler, ihre YerteüiDg atf die
einzelnem Klaesem «nd iber ZagSnge «Bd Abginge.
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Bestand
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des Jiüires
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der Abgang«
Bestand
am Ende
de« Jahres
Übersieht iber die Zahl der segenannten Schnlinvaliden, ihre VerteiliDg anf
die einzelnen Klassen und iber Znginge nnd Abginge.
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Bestand
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des Jalires
Zngftnge
—
Ss.
Abgange
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—
Bestand
am Ende
des Jalires
Berieht iber die Infektienskrankheiten im Sehnlbezirk.
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Bntwprf III >.
(Beripht gber die Qesamtichnlerzshl.)
Beriebt fiber die bei der Oesamtscbfilenabl beobachtete Morbidität
(MiiidestiBorbidität) und ihre Bewe^ng im Jabre
Q«8a]iit8<^alerzalil des Schalarztbezirks:
Untenncht wurden:
Zahl der schtdärztliohen Besnohe behofr eient Vornahme von Schülenmter-
•uchnngen :
DnrchschnitÜioher Zeitamfwand pro Besnch:
Übervidit ttber die Zahl der Oberwaebnncssebiler, ihre Yerteilnig auf die
einEelaen Klassen nnd über Zii|;äoge nid Abgünge.
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KL
KL
KL
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M.
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estand
Benmi
1 Jäires
Bfl
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—
—
-
Sa.
1
Geheilt
iS
Behnlir.
S J
Ungeh.
Sa.
der Abgftnge
Befliand
am Ende
des Jahres
Überflieht ttber die Zahl der sogenannten Sehnlinvaliden, ihre Yerteilnng anf
die einzelnen Klassen nnd fiber ZngSnge nnd Abgänge.
KL
Kl.
KL
Kl.
KL
Kl.
Kl.
Kl.
Sa.
S.Sa.
Kn.
M.
Kn.
M.
Kn;
M.
Kn.
M.
Kn.
M.
Kn.
X.
Kn.
M.
Kn.
X.
Kn.
X.
Bestand
des Jahres
Zugänge
—
Sa.
Abgänge
Bestand
am Ende
des Jahres
Berieht fiber Infektionskrankheiten Tom Schnlarztbezirk
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Entwprf mb B6riclit
(Bericht ober die Gesamt- llb6r di6 Morbidität
Bchäleraahl). im Schulantbeiirk
"" im Jahre
Oesamtachälenahl :
Untersucht worden:
Zahl der sohalfirstlichen Resultate behufi Vornahme von Sohalenxntersochmigen:
Durchschnittlicher Zeitaufwand pro Besnch:
Beobachtnngsschuler :
Bestand xu Beginn des Jahres:
Es kamen hinsu:
Es standen also in Beobachtung insgesamt:
i als geheilt:
Aus Beobachtung wurden entlassen i wegen Schulwechsel:
l ongeheilt:
Summa:
Bestand der Beobachtungsschnler am Ende des Jahres;
Als dauernd kränklich eingetragene Kinder (sogenannte SchnlinTalideD):
Bestand am Anfang:
Es kamen hinzu:
Es gingen ab:
Bestand am Ende des Jahres:
achteten Krankheitssustände:
Beobachtnngs- 11 Sogenannte
sckfller || BehulinTaUden
Bemerk, über
Kn.
M.
Sa. Kn.
11.
Sa.
besond. F&Ue
Blntarmat
Bcrophnlosis.
Rhachitis
Lnes hereditaria
KBoehensyitem (Deformitäten)
Knochen-, Muskel- und Gelenkserkrank.
Hautlelden
Parasiten
Drusenichwellungren
Mnnd, Nase, Rachen
Z&hne (defekt, sehr sehlecht)
Sprache
Zustand der Lun^n
Zustand des Herzens
Organe der Bauchköhle
Nervensystem
Körperliche Entwicklnngrsfehler
Sehvermögen (Schleien)
Augenkrankheiten. . . . V
Gehör
Ohrenleidea
Sonstige Erkrankungen
Bericht Aber Infektions-
krankheiten:
Besondere Bemerkvngen und
Notizen des Sehularstes
(s. B. Dispense, Ifitteilangen
an die Eltern,
Erfolg derselben nsw.):
Kursos ResOmee ( Vergleleli
snm Vorjahre):
537
Entwurf IV.
139
El.
ETa]ik6]ili8to.
Soh.:
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VorBcW&ge und Anordauaspeo
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n. Dauernd kränkliche Kinder.
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Vorscbl&ge and Anordmuigen
des Schularztes
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Der Sehalant. IIL
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140 58»
tUiitere JIHteilitit^eit.
Nev6 8tidtl8eh6 SeknllrEte ftr Hittel8cliiil6B. Nach einer Mitteilung
Ton Stadtarzt Dr. OBBBEOKS-Breslaa sind in Breslau in der Stadtverordneten-
sitznng Tom 15. Jnni zwei Schnlarztstellen fOr die stftdtischen mittleren
and h()heren Schulen bewilligt worden, für die h()heren Knabenschalen
(Gymnasien nsw.) allerdings mit der Bedingung, dafs die Direktoren damit
einverstanden sind, worauf jedoch gerechnet werden darf. Fflr die Töchter-
schulen wird eine Schulärztin angestellt werden; bekanntlich funktioniert
eine solche bereits an den Breslauer Volksschulen.
Die Besoldung dieser Stellen ist die gleiche wie bei den Volksschulen.
An£angsgehalt 500 Hark, steigend nach je drei Jahren um 150 Ifark bia
bis zum Endgehalt Ton 800 Mark. Die Dienstanweisung wird im wesent-
lichen auch die alte bleiben, also Lemanfängeruntersuchung, Klassenbesuche,
Sprechstunden fftr die Überwachungsschttler.
Nach einer Mitteilung der ^Bresl Ztg.^ hatte sich in der Stadtver^
ordnetenyersammlung aber diese Frage eine lebhafte Debatte entsponnen.
Der Ausschuls empfahl, je eine Schularztstelle ftlr die höheren und mitt-
leren Mädchenschulen zu bewilligen, die Ansschflsse ni und VI empfahlen,
die Magistratsvorlage abzulehnen, aus der wir hier nur das Votum des
Oberbflrgermeisters Dr. Bendeb und des Stadtverordneten Feige mitteilen.
Es sei doch eigentlich unbegreiflich — sagte Dr. BEin)EB — wie man sich
gegen eine Sache, die anderweitig erprobt sei, ablehnend yerhalten könne,
bevor man selber einen Versuch gemacht habe. Gerade die höheren Schulen
brauchten einen Schularzt. Wenn ein solcher EinfluA gehabt hätte, wäre
z. B. eine Beschäftigung der Kinder aber fanf Stunden hinaus schon längst
abgeschafft. Man sollte also meinen, dafs gerade die Schulmänner Aber die
geplante Einfahrung von Schulärzten aufR höchste befriedigt sein mfllsten,.
zumal ein Eingriff in die Schulordnung durch den Schularzt gänzlich aus-
geschlossen sei. Geheimrat Flügge habe völlig recht, wenn er einen
erfahrenen Hygieniker verlange, und den hätten wir ja in Stadtarzt
Oebbeokb und in dem Hygienischen Amt. Aber ein Schularzt, der die
Beobachtungen und Feststellungen mache, könne hierdurch nicht ersetzt
werden. Es sei unrichtig, den Schularzt als ein Geschenk an die Eltern
der VolksschOler zu betraditen, es sei das nur eine Gegenleistung gegen den
Schulzwang. Den Übelständen gegenaber, die besonders die höheren Schulen
mit sich bringen, sei der Arzt jetzt die einzige Rettung. Eltern und Lehrer
könnten leider gegen die Übel der Überbardung, der Überanstrengung usw.
nichts tun. Es sei auch nur ein Versuch, der jetzt vorgeschlagen werde;
nach zwei bis drei Jahren könne man sich weiter entscheiden, aber man
darfe nicht von vornherein ablehnen.
Stadtverordneter Feige führte folgendes aus: Die Vorlage verlange
ganze zweimal 500 Mark jährlich. Wer also daftlr stimme, bOrde der
Stadt keine Lasten auf, und wer dagegen sei, könne ohne Bedenken
doch wenigstens den Versuch wagen. Er wolle weder als Arzt noch als
539 141
Sdrabnann, sondern als einfacher Familienvater reden. Er habe auch einen
Hausarzt, aber er lasse ihn nur mfen, wenn jemand erkranke. Er sehe seine
Kinder meist nnr bei den Mahlzeiten; wer könne also prüfen, wie die
Schule gesundheitlich aufs Kind wirkt — doch nur ein Arzt, der es in
der Schule beobachtet. Wie angenehm wäre es ihm, wenn ein Zettel des-
selben an ihn kfime mit einer Warnung. Er sei erstaunt darüber, dals
Dr. RiCHTEB gegen die Vorlage stimmen wolle, gesprochen habe er fOr
dieselbe. Er hätte erwartet, dafs die Herren von der Schule mit Be-
geisterung für die Vorlage stimmen würden. Aber, wenn es eben nötig
sei, 80 müsse diese Sache auch gegen die Meinung der Lehrerschaft durch-
geführt werden.
SehlUrste in HamiOTer. Neben dem seit 1902 an den Hilfsschulen
für schwachbefähigte Schulkinder angestellten Nervenärzte sind seit Beginn
des Schu^ahres 1905/06 noch 11 Schulärzte und 1 Schulärztin an den
Volksschulen in Hannover tätig. Die Vergütung für die Schulärzte, deren
Tätigkeit sich in erster Linie auf die sogenannten Lemanfänger erstrecken
soll, beträgt jährlich 500 Mark. Die gegenwärtig gültige Dienstordnung
der Schulärzte (s. S. 543 ff.) wird nach Ablauf eines Jahres einer Revision
unterzogen werden. Dr. WEHBHAHN-Hannover.
Einige Strelfliehter aif sehnlliygieniaehe YerhUtnisse in Eng-
land werfen die beiden folgenden Artikel:
1. Medical Inspection in Day Schools, by J. B. Wilkinson
M. D. riPubUe Healfft^ 1906. Jan, Vol. XVü. No. 4.
2. Do Infant Schools improve the mental and physical
condition of the children? by Daniel Jaokson M. D. ^Public
HeaUh", 1905. Febr. Vol. XVIL No. 5.
Die beiden Artikel scheinen zu beweisen, dals es mit der Schul-
hygiene in England noch nicht weit her ist. Während Jackson die von
ihm aufgeworfene Frage verneint und dafür plädiert, keinesfalls vor dem
voUendeten fünften Lebensjahre Kinder in Schulpfiege zu geben, da es
nach Aussage der Lehrer erwiesen sei, dals die später eintretenden Kinder
leicht, sieher und dauernd die früh eingezwängten überholen, im übrigen
aber zugibt, dals im allgemeinen ärztliches Einschreiten noch keinen ge-
setzlichen Rückhalt habe, gibt Wileinson, ohne letzteres zu leugnen,
teilweise recht radikale Ratschläge. Er wünscht nicht nur die in
Schulen untergebrachten Kinder allgemein und wiederholt unter-
sudit zu sehen, befürwortet viehnehr mit Recht, vor Eintritt in die
Schule die Kinder auf ihre Tauglichkeit zu prüfen. Besonders hebt er
die akuten Exantheme, Diphtherie und die geistigen Defekte hervor, hin-
sichtlich derer Unterrichts- und Gesundheitsgesetzgebung dem beamteten
Arzte bereits einige Handhaben bieten. Er möchte aber auch den Kindern
in ihr Elternhaus nachgehen, um dort die Ursachen mancher Schäden, für
welche die Schule mit Unrecht verantwortlich gemacht wird, aufzudecken.
Den beamteten Arzt hält er für den berufenen Ratgeber der Unterrichts-
behürden; ihm müssen, wenn seine Arbeitskraft nicht ausreicht, aus der
Reihe der praktischen Ärzte ein oder mehrere Hilfsärzte zur Seite gestellt
werden. Physikus SiEVEKiNa-Hamburg»
15»
142 540
Hefertte fiber ites erfditettette fdiitlaQtliilie StlireslitrUltt.
Wir bitten, neu erschienene, tchularztliohe JahreBberichte direkt an
unseren Bearbeiter derselben, Herrn Stadtant Dr. Obbbbokb, Breslau, Nikolai-
stadtgraben, übersenden su wollen. D. Bed.
Sckvlberielit ftr 190S/04 tob der l>6vtMk6n eyingel. Prifat-
Yolksseknle mit OffBiitliekkeitsreekt in Prag. 8chulärztlieher Tefl,
erstattet yon Dr. med. E. Veit. Es handelt tdch hier nm ein kleines,
aber schnlftrztlich sehr genan sortiertes Schfilermaterial. Die Klassifikation
der Yorgefimdenen Krankheitsbefonde ist die folgende, wobei es sich um
208 Schulkinder, Knaben und Mädchen, handelt und die Zahl der Kranken
in Klammem angegeben ist. Konstitation gut 111, mittel 82, schlecht 15.
Rhachitische Folgeznstftnde (12), Skrophulose (16), Blutleere (52), ehn».
Knochenentxflndung (1), nervöse Zustände (2), schwerere Anomalien der
Intelligenz (1), schlechter Ernährungszustand (66), Folgezostände nach
spinaler Kinderlähmung (2), Lungenerkrankung (11), Herzerfcrankong (11),
Bruchanlage, Kryptorchismus und Hydrocele (26), Hautekzem (IS), DrOsen-
Schwellung, besonders am Hals (7), Neigung zur WirbelsäulenrerkrOmmung
(22)y leichte Wirbelsäulenverkrümmung (9), Lidranderkrankung (10), Binde-
hautkatarrh, einfacher (53), follikulärer (33), ekzematöser (3), Homhaut-
flecke (3), Pupillendifferenz (1), vord. Polarstar (1), Schielen (8), herab-
gesetzte Sehschärfe (14), Kurzsichtigkeit (9), Weitsichtigkeit (16), MitTel-
ohrentzflndung (5), herabgesetztes HOrvermOgen, einseitig (11), beiderseitig
(6), schlechtes Gebils (136), vergrOfserte Gaumenmandel (79), vergr5Jber(e
Rachenmandel (36), Rachenkatarrh (49), Sprache, stotternd (3), zischelnd
(26), nasal (53), heiser (32), chron. Schnupfen (3).
Femer wird erwähnt: Alkoholische Getränke genossen 75 (86%),
Mitteilungen an die Eltern erfolgten 24, Ratschläge an die Schale 62,
Dispense vom Turnen, Schreiben, Handarbeit, vom ganzen Unterricht 13;
Mumps trat in diesem Jahre als epidemische Schulkrankheit auf and lieb
sich von einem bestimmten einzelnen Falle herleiten. Zur Schuldesinfektion
wurde angewandt die Formalin-Gasdesinfektion mit nachfolgender Schmier-
aeifen- Abwaschung von Wandölanstrichen, Bänken, Klosetts. Zur Zeit von
Schulepidemien findet täglicher Besuch des Schularztes statt.
An Vorträgen wurden gehalten durch den Schularzt: In den beiden
oberen Klassen im zweiten Halbjahr wOchentlidi eine Stunde Aber die wich-
tigsten Kapitel der praktischen Gesundheitslehre, in der Lehrerfconferenz
tlber erste Hilfeleistang bei Unfällen und plötzlichen Erkrankungen in den
Schulen. In diesem Jahre wurde für die Schule ein Verbandkasten an-
geschafft. Die ungeteilte Vormittag-Unterrichtszeit warde üast vollständig
durchgeführt. Dr. OEBBBCKE-Breslaa.
Jahresberieht Iber die TItigkeit der Schnlirste im Mails
1903/04. Das Jahr 1903/04 bedeutet fQr Mainz den Beginn des schul-
ärztlichen Dienstes. Der leitende Arzt ist Kreisarzt Dr. Biü^SEB, Heraus-
541 14S
geber des Berichts. Der Dienst wird yersehen von fünf Schnlftrzten bei
8000 Schnlkindem. £s werden regelmä&ige Sprechstanden fDr die Ober-
wachongsschfiler abgehalten, yon denen jeder eine 2^&hlkarte hat, in welche
die Befände sofort eingetragen werden. Eine gemeinsame Krankheits-
klassifikation wnrde f&r die Schalärzte noch nicht vereinbart and soll erst
nach allseitiger Einarbeitnng erfolgen. Die Namen der die Sprechstande
besachenden Kinder werden von den Klassenlehrern in ein besonderes Heft
eingetragen, am danach die Schalkinder in die angemeldete Sprechstande
überweisen za können, also eine fthnliche, zweckmäfsige Einrichtang, wie
sie Breslaa in seinen Klassenlisten der ÜberwachangsschOler and Schol-
inyaliden für jede Klasse hat Zwischen Klassenlehrer and Schalarzt erfolgt
bei Gelegenheit der Sprechstande stets eine Besprechang. Wenn Kinder
längere Zeit ohne ärztliches Attest die Schale yersäamen, werden die Eltern
mit ihren Kindern in die Sprechstande bestellt. Antrag aaf Dispens vom
Unterricht erfolgt stets erst nach Rflcksprache des Schalarztes mit dem
Oberlehrer. Die Messangen and Wägangen werden nar an den Kindern
vorgenommen, welche das der Klasse entsprechende normale Alter haben.
Zar YertUgung der üngezieferplage werden den Eltern kostenlos and ge-
braachsfertig Yertilgangsmittel nebst Anweisang geliefert; der Erfolg wird
vom Schalarzt kontrolliert. Ärztliche Behandlang dnrch den Schalarzt
erfolgt nicht, jedoch wird die Einrichtang einer zahnärztlichen poliklinischen
Behandhmg beabsichtigt. Die klassenweise üntersachang der Angen aaf
Brechzastand and Sehschärfe soll nar vom vierten Scholjahre ab vorge-
nommen werden. Zar Üntersachang stehen den Schalärzten Brillenkasten
und GOHNQche Hackentäfelchen znr YerfOgang. Reichen diese Hilfsmittel
nicht aas, so wird das Kind bezw. die Eltern an einen Aagenarzt verwiesen.
Es hat sich in Mainz die Erfahrnng heransgestellt, dafs, im Gegensatz zu
den höheren Schalen, bei den Yolksschnlen die Mäddien häafiger an Knrz-
ächtigkeit leiden wie die Knaben. Ebenso waren dnrch die schlechte
Haltung bei der Näharbeit aaeh häafiger Rflckgratsverkrflmmnngen bei den
Mädchen vorhanden. Bei chronischen Ohrenleiden wnrde darch die schal«;
ärztliche Mitteilung an die Eltern spezialärztliche Behandlang veranlafst.
Im allgemeinen waren aber die Eltern wenig geneigt, ärztliche Behandlung
aa&nsachen, im ganzen nicht mehr wie in einem Drittel der Fälle. Die
Eltern wurden deshalb öfters in die Sprechstande bestellt durch den Ober-
lehrer, um aof sie einzuwirken, um bestimmte Grundsätze fttr die Bestim-
mung der allgemeinen Konstitution usw. zu erlangen, empfehlen sich
gemeinsame Übungen der Schulärzte und des leitenden Arztes. Es stellte
sich heraus, dals der Ernährungszustand in den oberen Klassen sich bessert.
Zahlenresultate fähre ich diesmal nicht an, da es sich hier um das erste,
noch etwas unsichere Betriebsjahr handelt. Dr. OEBBECKS-Breslau.
28. Jahresbericht des Unterrichtsministers (fir Japan Aber die
Jahre 1900/01. Wir erfahren aus diesem Bericht, daüs sich die Schul-
hygiene im Lande der aufgehenden Sonne eifriger Pflege und schöner
Blflte erfreut. Eine besondere Abteilung für Schulhygiene ist dem Unter-
richtsamt angegliedert. Die Hauptarbeit des Berichtsjahres betraf Durch-
ftthrung allgemeiner hygienischer Verbesserungen an den Schulgebäuden
und ihren Einrichtungen (Ventilation, Beleuchtung, Trinkwasser, Bänke)
144 642
sowie zweckmäbige Herrichtang Yon Neabanten. 7094 Schnlen habea
Schulärzte, daranter 6701 Elementar-, 52 Normal-, 178 Mittel-, 42 höhere,
2 Spezial-, 215 technische, 4 gemischte Schnlen. Im ganzen waren 3758
Ärzte angesteUt, deren Gesamtgehalt 104 225 Ten (ca. 216 788 Mk.)
betrog. Körpermessungen in höheren Schnlen ergaben
kraftige Entwicklung bei 48,87o m&nnl., 50,67o weibL
mitüere „ „ 48,1% „ 45,8% «
schwache „ „ 8,1% „ 44% „
dagegen in öffentlichen Volksschulen:
kräftige Entwicklung bei 45,3% männl., 41,9% weibl.
mitüere „ „ 48,4% „ 49,9% „
schwache „ „ 6,3% „ 8,2% „
Angenuntersuchungen zeigten in höheren Schulen
für Knaben beiderseits normal 61,8%, unter normal 88,7%
, Mädchen „ „ 81,97o, » „ 18,1%
Die Entwicklung bewegt sich bis zum 20. Lebeni^ahre aufwärts, darüber
hinaus nur ausnahmsweise. Knaben erreichen bis dahin ein Durchschnitts-
mals von 161 cm Höhe, 58 kg Gewicht, 81 cm Brustumfang, dagegen
Mädchen 141 cm „ 49 kg „ 80 cm „ , letztere
stehen bis zum 14. Jahre ersteren nach, erreichen sie dann, um später wieder
etwas hinter ihnen zurückzubleiben. — Der im übrigen fQr em kurzes
Referat nicht geeignete Bericht enthält eine Fülle interessanter Mitteilungen
über das anscheinend hochentwickelte japanische Schulwesen.
Physikus Dr. SiEVSKiNa-Hamburg.
BeknfsErleicktemng des so wiehtigen gegenseitigen Anstauschs
▼on schulärztlichen Jahresberichten wird hiermit eine Liste deijenigen Städte
zusammengestellt, welche bisher einen gedruckten Jahresb^cht heraus-
gegeben haben. Wenn derartige Städte hier nicht genannt sind, bitte ich
um Angabe derselben, um dann die Liste entsprechend vervoUständigen
zu können. Angesichts des bald bevorstehenden Erscheinens der neuen
Jahresberichte 1904/05 wäre schleunige Mitteilung erwünscht.
1. Wiesbaden,
Verfasser:
Dr. Frebdb. Cüntz, Schularzt
2. Chemnitz
n
Stadtverwaltung
3. Magdeburg
n
Kreich und Stadtarzt Dr. Strabskeb
4. Darmstadt
1»
Dr. BuCHHOLB, Schularzt
5. Prag
11
Dr. E. Veit, Schularzt
6. Leipzig
n
Der Stadtbezirksarzt
7. Brunn
n
Stadtphysikus Dr. laL
8. Mülhausen i.
Eis. „
Dr. W. Sachs, Schularzt
9. Mainz
n
Kreisarzt Dr. Balsbb
10. Breslau
n
Stadtarzt Dr. Gebbeckb.
Dr. Gebbeckb, Stadtarzt in Breslau.
543 . 146
Dieitflorbitititseit für S^nUt^it.
Dienstordnimg ftr di6 Seknlirzte der ESnigliehen flanpt- und
Residenzstadt Hannover.
§ 1. Die Schulärzte haben in den ihnen ttberwieseoen Schulen den
Cresondheitszostand der Schulkinder za überwachen. Sie sollen femer der
ScholYerwaltong nnd den Lehrpersonen in Fragen der Schnlgesnndheits-
pflege Ansknnft erteilen.
Insbesondere liegt den Schulärzten folgendes ob:
§ 2. Die Schularzte haben in der ersten Woche des Schu^ahrs
festzustellen, ob unter den Lemanfängem sich solche befinden, die wegen
mangelhafter körperlicher oder geistiger Entwicklung oder wegen Krank-
heiten und Gebrechen noch ein Jahr yom Schulbesuch befreit werden mttssen.
Über jedes zurückgestellte Kind hat der Schularzt dem Rektor einen
Zorflckstellungschein einzuhändigen (Anlage 1), der die Gründe der Zurück-
stellung enthält. Die Mitteilung an die Eltern geschieht durch den Rektor.
§ 3. Die gründliche Untersuchung der Lemanfänger hat ionerhalb
sechs Wochen nach Beginn des Schub'ahrs zu erfolgen. Die Untersuchung
geschieht in der Weise, dafe jedesmal in der letzten Unterrichtsstunde
zwei Drittel der Kinder einer Klasse nach Hause entlassen werden und
ein Drittel in Gegenwart des Lehrers — bei Mädchen in Gegenwart einer
Lehrerin — untersucht wird. Durch die Untersuchung soll festgestellt
i^erden:
1. der Gesundheitszustand eines jeden Schülers,
2. ob das Kind einer dauernden ärztlichen Überwachung bedarf,
3« ob ihm besondere Berücksichtigung beim Unterrichte (z. B. An-
weisung eines besonderen Platzes wegen Gesichts- und Gehörfehler,
Befreiung von einzelnen Unterrichtsfächern, wie Schreiben, Zeichnen,
Handarbeit, Turnen und Singen, oder Beschränkung in der Teil-
nahme am Unterrichte) zuteil werden muls.
Kinder mit auffallenden körperlichen Gebrechen sind nicht in Gegen-
wart Ton anderen Kindern zu untersuchen.
Den Eltern ist durch die Rektoren die Zeit der Untersuchung früh
genug bekannt zu machen (Anlage 8) und mitzuteilen, dals sie dabei
anwesend sein dürfen. Sie sind auch aufzufordern, dals sie, wenn sie die
Untersuchung durch den Schularzt nicht wünschen, den erforderlichen
arztlichen Kachweis durch einen approbierten Arzt nach dem vorgeschriebenen
Formular, welches von den Sdiulärzten unentgeltlich verabfolgt wird,
erbringen.
Die Untersuchungen werden im 3., 6. und 8. Schuljahr wiederholt.
Den im letzten Schuljahre stehenden Kindern ist auf ihren Wunsch
ärztlicher Rat in bezug auf die Wahl ihres Berufes zu erteilen.
Jedem Lemanfänger wird ein »Fragebogen an die Eltern** (Anlage 3)
mit nach Hanse gegeben.
146
Anlage 1,
544
An
den Herrn Rektor der Bürgersohule .
hier.
Bei der hentigen üntemchung des jca Oitorn d. J. in die 7. -„^ .
Klaaee aufgenommenen Kindei ~
hat noh ergeben, daf« es an
leidet nnd deshalb noch auf ein Jahr vom Schnlbesnche za befireien ist.
Hanno Ter, den - 190l—
Der Sohnlarit
f.;)
Anlage 2.
GeenndheitsBohein
d Schaler
geboren am
Schule Nr.
Klasse
Tag der üntersnchnng
Schnlarst Dr.
Klasse
Schule
(Hr.;
ev.j k.)
Ge-
wicht
Lfinge
em
Brost-
umfang
(durch
Arzt)
em
Name
des Klassenlehren
und event.
des Arstes
1. Schn^ahr
2. Schnljahr
QSW.
ja, nein.
Antrag auf Zurfiokstellnng f9r 1 Jahr?
Ja, nein.
C
Satreffend
545 147
§ 4. Über jeden Lernanftnger wird ein Gesnndhdtsschein (Anlage 2)
▼om Schnlaizt angelegt «nd wfthrend der Schulzeit weiter gefOhrt. Bei
ümsehnlnngen werden die Gesondheitsscheine vom Bektor in geschlossenen
ümschlftgen an den Bektor. der künftigen Schule des Kindes geschickt.
Die Gesnndheitsscheine sämtlicher Schüler einer Klasse werden in einer
besonderen Mappe im Klassenschranke anfbewahrt.
§ 5. Die za Anfang eines jeden Halbjahres Yorznnehmenden K()rpeF-
wftgnngen und -Messongen werden Tom Schnlarzt nnter Aufsicht des
Klassenlehrers ansgefQhrt; die Ergebnisse sind auf 1 cm und ^U kg ab-
znnmden. Der Klassenlehrer fahrt die in der besonderen Mappe anf-
znbewahrende W&gnngs- nnd Messnngstabelle (Anlage 7) und trägt die
Ergebnisse in die Gesnndheitsscheine ein. Die Messnngen des Brustumfanges
geschieht nnr bei Kindern, die einer Lungenerkranknng verdächtig sind,
und wird stets durch den Schularzt vorgenommen.
§ 6. Über jedes Kind, das dauernd der ärztlichen Überwachung
unterstellt wird, ist während der ganzen Schulzeit ein Überwachungsschein
(Anlage 4) zu fahren. Sämtliche Überwachungsscheine befinden sich in den
Händen des Schularztes, während der Klassenlehrer ein vom Schularzt
aufgestelltes Verzeichnis der in seiner Klasse vorhandenen Überwachungs-
schüler (Anlage 5) besitzt, um danach die Überwachangsschüler dem
Schularzte in seinen dienstlichen Sprechstunden vorzustellen.
Wird ein Kind aus der ärztlichen Überwachung entlassen, so ist dies
in der Liste der Überwachungsschüler vom Schularzt zu vermerken und
der Überwachungsschein dem Klassenlehrer zur Aufbewahrung einzuhändigen.
Der Bektor hat dem Schularzt am Ende eines jeden Monats die
Namen der abgegangenen Überwachungsschfiler mitzuteilen.
Der erste Teil der SprechstUDde dient zu einem Besuche mehrerer
Klassen während des Unterrichts, und zwar in Begleitung des Bektors. Der
Unterricht wird während des Besuches unterbrochen. Jede Klasse soU
einmal in jedem Halbjahr besucht werden. Bei diesen Besuchen ist auf
den allgemeinen Gesundheitszustand der Klasse zu achten, besondere Be-
obachtungen des Klassenlehrers sind zu besprechen und solche Schüler
auszuwählen, die einer genaueren Untersuchung bedürftig erscheinen und
vielleicht in die Liste der Überwachungsschüler aufzunehmen sind.
In dem zweiten Teile der Sprechstunde sind dem Schularzte die Über-
wachungsschüler, die in den besuchten Klassen zu genauerer Untersuchung
ausgewählten Kinder und in dringlichen Fällen auch kranke Kinder aus
andern, an dem Tage nicht besuchten Klassen vorzustellen.
Die ärztliche Behandlung erkrankter Schulkinder ist, abgesehen von
der ersten Hilfeleistung in Notfällen, nicht Sache des Schularztes. Wird
die ärztliche Behandlung eines Kindes für notwendig oder wünschenswert
gehalten, so sind die Eltern durch den Bektor mittels eines vorgedruckten
Formulars (Anlage 6), das vom Schularzt und Bektor zu unterschreiben
ist, zu benachrichtigen. Die Wahl des Arztes bleibt den Eltern überlassen.
Erforderlichenfalls ist die Behandlung durch einen Spezialarzt anzuraten.
§ 8. In der Sprechstunde hat der Schularzt auf Antrag des Bektors
zu begutachten:
148
546
Anlmire S.
Städtische SohuWerwaltuDg in HannoTer.
Fragebogen an die Eltern betreffend das Kind
Schule ~
- Stralse Nr.
1.
Name dei Vaters oder Veriretert:
3.
Wohoung:
8.
Gebarttteg:
4.
In welchen Lebenqahren hat das Kind
Krankheiten und welche durch-
gemacht?
6.
Wurden dauernde schädliche Folgen
davon beobaohtet?
6.
Hat das Kind Verletzungen mit dauern-
den Folgen durchgemacht?
7.
Ist das Kind schwerhörig?
8.
Ist das Kind kursaichtig oder schwach-
sichtig?
9.
Hat das Kind sonstige Gebrechen und
Schwächen? (Kämpfe usw.)
10.
Wann lernte das Kind sprechen?
Im Intereste des Kinde« bebofi BeraekAiehUffon« beim Unierriebt werden die Bltera
um genaue Antworten gebeten.
Anlage 4.
Name: •
Überwaohungssohein Nr....
( m; w.O
geboren am:
Schule:
Klasse:
Diagnose :
In Überwachung genommen am:-
Aus der Überwachung entlassen am:
gebellt, wegen Scbulwecbsel
(unteretreicben).
Aufnahme in die Schulinvalidenliste am:
Unter-
•ttcbungi-
Ug
Jabr
Feststellungen,
Anträge,
AusHihrungen
Ü8W»
il
Ss
s
II
H
X
lIl
rl
Name
dei
Schul-
antei
547
149
Allgemeiner Krlftesiutaiid (Hmkalatar) = ^t» mittel, schleoht.
ZShne = gat, mittel, sohleobt
Allgemeine geistige Beschaffenheit = normal, zurückgeblieben,
angeborener Defekt.
Zutreffendes
unter-
■treiehen.
normal
(=1)
anormal,
in welcher Weise?
(Chronische Zastände
and Defekte.)
1.
Knochensystem (Deformitäten)
3.
3.
Allg. Konstitution und Blutbesohaffen-
heit (Blutarmut, Bleichsucht usw.)
4.
ÄnXsere Haut (ohron. Hautkrankheiten)
6.
Drusen unter der äufseren Haut
6.
Hund-, Bachen- und Nasenschleimhaut
(adenoide Vegetation usw.)
7.
Sehvermögen
8.
Zustand des äuiseren Auges
9.
Hörvermögen
10.
Zustand des äuTseren Gehörgangs
(Ohrenfluft usw.)
11.
Sprache
12.
Zustand der Lungen (Spitzenkatarrh
usw.)
13.
Zustand des Herzens (Herzfehler usw.)
14.
Organe der Bauchhöhle
15.
Zustand des Nervensystems (Chorea usw.)
16.
Körperliche Entwicklungsfehler
(Hernien usw.)
17.
Parasiten
Eventuelle Gesamtdiagnose:
150 548
1. ob eiiie nachgesachte Befreiung yon einzelnen ünterrichtgftfiieni
vom arztlichen Standpunkte zu empfehlen ist,
2. ob ein Band wegen Schwftohlichkeit oder aus anderen gesundheit-
lichen Gründen von der Benutzung des Schulbades auszuschlielsen ist,
3. ob fftr ein Bond wegen Schwachsinns die Aufnahme in eine Hilfs-
schule oder wegen Stottems die Zulassui^^ zu einem Sprachhdl-
kurse in Aussicht zu nehmen ist, oder ob ein schwflchliches Kind
dem Verein fOr Ferienkolonien zur Berücksichtigung empfohlen
werden soll,
4. ob ein Kind wegen Ungeziefer und ansteckender Hautkrankheit^
zeitweise vom Unterricht auszuschliefsen ist, oder wegen Fallsndit
dauernd,
5. ob eine Yorzeitige Entlassung eines Kindes aus Gesundheits-
rflcksichten geboten erscheint.
§ 9. Die ministerieUen Anordnungen Aber die Verhütung der Aus-
breitung ansteckender Krankheiten werden selbstverständlich durch diese
Dienstordnung nicht berührt. Es darf jedoch erwartet werden, daGs der
Schularzt die Schul- und MedizinalbehOrden bei der Ausführung dieser
Anordnungen in zweckdienlicher Weise unterstützt.
§ 10. Der Magistrat bestellt für die Dauer von drei Jahren einen
Obmann der Schularzte, der sie vierteljährlich mindestens einmal zu einer
Konferenz zusammenberufl und dort den Vorsitz führt Die Konferenz ist
beschluüsfilhig, wenn zwei Drittel der Schulärzte anwesend sind; sie ütA
ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gut
der Antrag als abgelehnt.
§ 11. Ein Recht unmittelbarer Anordnung oder Anweisung an
Rektoren, Lehrer, Lehrerinnen oder Schulvögte steht dem Schularzt nicht
zu. Er hat vielmehr, sofern er Mifsstände wahrnimmt, die nicht ohne
weiteres vom Rektor abgestellt werden können, oder wenn er sonst in
Beziehung auf die Behandlung der Kinder Mafsnahmen für erforderlich
erachtet, diese in der Regel in der schulärztlichen Konferenz zur Spradie
zu bringen.
Auf Beschlufs der Konferenz hat der Obmann hierüber schriftliehen
Bericht an den Magistrat zu erstatten. In dringlichen Fällen ist es dem
Schularzt gestattet, sich durch den Rektor an die Stadtschulinspektion zu
wenden. Er hat jedoch gleichzeitig dem Obmann eine entsprechende
Mitteilung zu machen.
§ 12. Der Schularzt hat fOr jede ihm überwiesene Schule folgende
Listen, Formulare usw. zu führen und aufzubewahren:
1. Ein Tagebuch, in das sämtliche Ein- und Ausgänge unter fort-
laufender Numerierung einzutragen sind.
2. Ein Revisionsbuch, in welches kurze Niederschriften über die bei
den Schulbesuchen gemachten Beobachtungen einzutragen sind.
3. Zurückstellungsscheine.
4. Gesundheitsscheine.
5. Fragebogen an die Eltern.
6. Überwachungsscheine.
7. Überwachungslisten.
649
161
Anlage^ 5.
KlaBsenliste
der ÜberwaohongsBchäler der Klaaae- Sohiile Nr..
Schiüarzt Dr Klassenlehrer
er. Knaben (KMt
kath. Mädohen dwebiar.)
Jahr-
Nr.
In die Liste
eiDgetragen
am?
Bemerknng^eii
des Sebularstes
(Diai^noie,
Anweiiang)
Bemerkang
des Lehren
am Jahreeeehluß
Klassenliste
über sonstige zn berücksichtigende Schüler der Klasse (Schnlinvalidität).
Nr.
Name
In die Liste
eingetragen
amP
Bemerkungen
des Sehularitei
(Diagnose,
Anweisung)
Bemerkung
des Lehrers
am Jaliresschlnß
Anlage 6.
An.
Sclmlärztliclie Mitteilung an die Eltern.
Strafse Nr.
Die von dem Magistrat zu Hannover angeordnete ärztliohe Untersuchung
des Kindes — ~
Schale Straise Nr Klasse
hat ergeben, dafs es an
Im Interesse des Kindes und der Schule ist deshalb notig, daüi es in ärzt-
liche Behandlung tritt.
HannoTer, den 190 .
Der Rektor.
Der Schularzt.
Anfragen und Mitteilungen des behandelnden Arstes an den Schularst
werden gern berfioksiehtigt.
Wenden !
152
560
Lediglieh Zihlblatt filr den Sehnlant
Der behandeliida Ant wifd im etelHtiMlMii InterMW
AufSlloBg fiolfender Rubriken:
DiagBOte :
Yerofdimiigfi -
HennoTer, den
190
Der belumdelnde Ant Dr..
Der Spenelersi for
Dr.
Di« EkUrn werd«a Im IntorMM fbrw Kinde« gebetea, diesea ZtiUA sack Aw-
ly dureh den behandelnden Arst dem Herrn Klneeenlehrer anrOcksnliefem,
dieeer Ihn dem Sehnlnnt flberfeben kenn.
Anlage 7.
derKlMte-
Wägunge- und Meeeungstabelle
(Abrandong enf V« ^ benr. 1 em)
eT., keth.,^^^Schiile Nr
1.
3.
Mädchen
Ansf&hrong am
.^tnJae Nr..
Vorbemerkungen für den Elaesenlehrer:
Die Wftgnngen und Measnngen der Schulkinder nnd lu Anfimg einea jedok
Halbjftbret Torznnebmen.
Die Schulkinder rind im Intereme itatistiaoher Berechnungen nach Semeeten
der Qeburt^ahre (Jftnuar-Juni und Juli-Desember) gruppenweiae einzutragen..
Die j fingeren Semester kommen dabei in der Beihenfolge sneni.
Dieae Semeatergruppen sind in den beiden letsten Vertikalspalten durch
eine Querlinie abzugrensen und ist über diese Linie die Summe und der
Durchschnittswert (Summe dividiert durch Zahl der Schulkinder) für Lenge
und Gewicht der Gruppe hinzuschreiben.
Die Wfigunga- und Kessungsresultate sind eufserdem auf dem Au&ahme>
Untersuchungsschein (Kopfbogen) jedes Schulkindes in die Torgedmckte
Bubrik einzutngen.
Schuljahr
19.
Sommerhalbjahr |
Winterhalbjahr
SB
Zu- und
Geburts-
■^
sf
H
n
** s.
II
1
Vornamen
(naeh Oebnrte-
(Menat
1
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11
■emestem
geordnet)
nnd
Jahr)
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OD
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Wieviel Schulkinder fehlten?
Untereehrlft des Sehularstes:
Unteraehrift des Klaasenlehrers:
561 153
Anlage 8,
Benaohnohiigang.
Am , den ^ M., um Uhr findet
eine Untenuehung Ihres Kindes - . —
durch den Schularzt statt. Erwünscht ist die Gegenwart der Mqtter oder des
Vaters.
Die Untersuchung unterbleibt, wenn dies yon den Eltern oder Erziehern
unter Beifügung eines bestimmten von dem Hausarzte ausgefüllten Formulars
beantragt wird«
HannoTcr, den 190 •
Der Rektor:
8. Mitteilungen an die Eltern.
9. W&gungs- nnd MessnngstabeUen.
Diese und sonstige amtlichen Niederschriften sind Eigentum der Stadt
und mflssen bei etwaiger Amtsniederlegnng des Schularztes zurückgegeben
werden.
§ 13. Der Schularzt darf die in dieser Eigenschaft gemachten Be-
obachtungen nur mit Genehmigung des Magistrats veröffentlichen.
§ 14. Der Schularzt hat alljährlich bis zum 15. Mai über seine Tätig-
keit im yergangenen Schutjahr einen Bericht an den Obmann einzureichen,
dieser yersieht die Einzelberichte mit einem übersichtlichen kurzen Gesamt-
bericht und reicht sie bis Ende Mai der Stadtschnlinspektion ein, die sie
an den Magistrat weitergibt.
Die Einzelberichte sollen enthalten:
1. Die tabellarisch zusammengestellten Ergebnisse der Au£[iahme-
Untersuchungen.
2. Zahl der abgehaltenen Sprechstunden bezw. ärztlichen Besncha
der Klassen.
8. Anzahl und Art der ErkrankungsfUle, die in den Sprechstunden
zur Untersuchung gekommen sind.
4. Anzahl der an die Eltern gesandten schriftlichen ^^StCtteilungen**.
5. Anzahl der Überwachungsschüler.
§ 15. Yerläljst ein Schularzt aufserhalb der Schulferien auf länger als
eine Woche die Stadt, oder ist er durch Krankheit oder andere zwingende
Gründe an der Wahrnehmung seiner Obliegenheiten verhindert, so hat er
den Obmann und die Rektoren der ihm überwiesenen Schulen rechtzeitig
hiervon zu benachrichtigen und für kostenlose Vertretung zu sorgen.
Hannover, den 18. April 1905.
Der Magistrat der Königlichen Haupt- und Residenzstadt.
(Unterschrift.)
Verlag von Leopold Voss in Hamburg.
Die Feuergefahr im Hause
Allgemeinverständlich dargestellt
von
Professor Dr. M. Dennstedt
Direktor dei Chemiachen Staats - Laboratoriums in Hamburg
Preis geb. Mk. 2.50
In einem effektvollen, dreifarbigen Einband.
Man müßte das ganze aus etwa 350 Schlagworten bestehende alpha-
betische Register abdrucken, wenn man dartun wollte, wie der Verfasser
alle Verhältnisse des täglichen Lebens in seinem allgemeinverständ-
lich geschriebenen Werkchen berücksichtigt, alle Verhältnisse in dem kleinsten
wie in dem elegantesten mit allen modernen Errungenschaften ausgestatteten
Haushalt
Die Öffentliche 6esuniüieltspflese
Mit besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse
in den kleineren Städten und auf dem Lande
Gemeinverständlich dargestellt von
Dr. Gerloff
Kreisarzt In I^aibes
Preis Mk. 2.50
Dieses kleine Werk über öffentliche Gesundheitspflege soll den Laien,
insbesondere den Organen der Selbstverwaltung, die Möglichkeit gewahren,
sich kurz über das Wesen and die Verbreltongswelse der Obertra^aren
Blrankhelten und über gesundheitliche Fragen im allgemeinen sa unter-
richten.
Der Schwerpunkt aller gesundheitlichen Maßregeln liegt in
der Verhiitung von Krankheiten, Insbesondere der ansteckenden
Es ist jedermanns Pflicht, dahin mitzuwirken und deshalb auch sich
ein gewisses Mafi von Kenntnissen in der Gesundheitspflege anzueignen.
Solche Kenntnisse zu verbreiten, ist das Gerloffsche Werk besonders
geeignet
Jeitfdinft fk Si||itliirfKitiii|(it9||l(gr.
XYIII. Jabrgang.
1905.
No. 9.
Von der Bedaktion.
Dr. Paul Schubert t-
Am 22. Anglist erhielten wir ans Nürnberg die erschütternde
Nachricht, dafs nnser tenrer Frennd nnd Mitredaktenr am „Schul-
arzt^, Dr. Paul Sohübebt, am 21. abends sanft yerschieden
sei. Es war bekannt, dals Sghubebts Gesundheit nach dem
I. internationalen Kongresse für Schulhygiene, der in seiner
Vaterstadt im Jahre 1904 stattgefunden hatte und dem er sich
als Generalsekretär mit aller Aufopferung seiner physischen
und geistigen Kraft gewidmet hatte, einige Male schwer ge-
fährdet war, aber die Ho£fDung, sein krftftiger Körper werde
den Kampf mit der tückischen Krankheit siegreich bestehen
und den teuren Freund allen denen, die jetzt um ihn trauern,
erhalten, hatte uns nie yerlassen. Es sollte nicht sein. Die
Schulgeeundheitspflegehat an Schubert einen ihrer tatkräftigsten
Förderer, die Jugend einen liebenden Freund, die Behörden
einen tüchtigen Berater verloren. Wir sind ihm alle dankbar
für das, was er uns in reicher Fülle gegeben, und wir werden
ihm ein herzliches Andenken bewahren. Die nächstfolgende
Nummer der ZeUschrift wird einen besonderen Nachruf auf
den Hingeschiedenen bringen.
Sehalgetimdlieitflpflere. XVin.
29
554
•rtfitttUklptttllttttiett.
tfbtr
die Hebenbasehifticiuig femndOT und kmiker LehrerimiaL*
Von
Dr. RaiiF Wighmann
Nenrenmnt in Hanbarg.
Bei der Suehe naoli den Ursachen, welche som Entotehen der
Nervosität der Lehrerinnen fbhren, kam ich in einer früheren Arbeit
über die sog. Überbürdong der Lehrerinnen zn dem Ergebnis, dab
eine allra grolse Belastong dnroh die Sehnle swar als ziemlieh hAnfig
vorkommend von den Lehrerinnen behauptet wird, keineswegs aber
allgemein ist. Li der Tat ist diese Überbürdong dnrchans nicht so
hftnfig, wie man nach den Angaben der Lehrerinnen annehmen
mülste. Sie spielt deshalb bei dem Zustandekommen der Nervositfit
der Lehrerinnen prozentoaliter jeden&lls keine sehr wesentliche Bolle.
Ich habe sdion in jener oben erwähnten Arbeit „Die Über-
bürdung der Lehrerinnen **, welche im Verlage von Oarl
Marhold in Halle a. 8. erschienen ist, auch auf die mehr oder
weniger grolse Wichtigkeit hingewiesen, welche bezüglich des Zu-
standekommens einer Nervosität der Lehrerin in dem unzweckmäisigen
Verhalten dieser letzteren selbst liegt. Dieses Verhalten kann sich
ganz besonders in der Nebenbeschäftigung zeigen, welche die Lehrerin
neben der Schule pflegt. Sollte dieses Moment vielleicht wichtiger
sein, als die behauptete und doch nicht allzu häufige Überbüidung
durch die Schule selbst? In der vorliegenden kleinen Studie suche
ich mich an der Hand der mir von den Lehrerinnen gemachten An-
gaben über diesen Bunkt ein wenig zu orientieren.
Es ist klar, dab manche Lehrerin ihr Leben auÜBerhalb der
Schule nicht gerade zweckmäfsig im hygienischen Sinne gestaltet
und da(s sie dadurch den Grund zu einer Nervosität legt. Das
haben mir überdies auch verschiedene Lehrerinnen in den Aus-
führungen, welche sie den Antworten auf meine Frage beifügtsn,
auseinandergesetzt. Natflriioh ist in solchen lUlen dann meht die
Berufstätigkeit anzuschuldigen; höchstens filllt auf den Beruf insofern
565
eine gewisae Sohuld, ak er Gelegenheit gibt, die Lebensweise neben-
her gerade so zu gestalten, dals sie als nicht zweckm&lsig sn be-
seiohnen ist. Das scheint beispielsweise nnd besonders dann der
Fall zu sein, wenn der Bemf infolge mangelhafter Besoldung die
Lehrerin zu gewissen Nebenarbeiten zwingt, welche ihr dazu dienen
mtkBsen, ihre pekuniäre Lage zu yerbessem. Es ist schwer zu sagen,
wie oft das der Fall ist. Es scheint mir aber, dafis es nicht sehr
häufig Torkommt. Im allgemeinen befinden sich die deutschen
Lehrerinnen in geordneten Besoldungsverhältnissen und können mit
ihrem Gehalt ihren Lebensunterhalt bestreiten, vielfach auch noch
eine Sommerreise machen.
Aus den mir seitens der Lehrerinnen gemachten Angaben geht
hervor, dafs der Beruf ihnen im allgemeinen noch ziemlich viel Zeit
flbrig läiSit zu anderen Beschäftigungen. Es scheint mir nun ganz
interessant zu sein, einmal festzustellen, welcher Art diese Neben-
beschäftigungen der Lehrerinnen sind. Daraus kann man sich als
Arzt dann vielleicht ein Bild machen darüber, ob und inwieweit
sie ätiologisch eine Bolle bei der Neurasthenie spielen. Ich benutze
hierzu meine 777 Fälle von Lehrerinnen, eine Zahl, die wohl genügt,
solch ein Bild zu entwerfen, und welche ich bereits meiner Arbeit
,,6eistige Leistungsfähigkeit und Nervosität bei Lehrern
und Lehrerinnen^, ebenfetUs im Verlage von Carl Marhold in
Halle a. S. erschienen, zugrunde gelegt habe.
Hier teile ich die Lehrerinnen nun in gesunde und kranke, und
halte mich nicht an die in der letzterwähnten Arbeit ausgeführte
Sonderung in wissenschaftliche, technische usw. Denn diese Trennung
scheint mir für die vorliegende Frage nicht nötig zu sein. Ich
stelle also meinen 228 gesunden Lehrerinnen die 549 kranken
gegenüber:
Unter den 228 gesunden Lehrerinnen haben 87 = 38,1 %
Nebenbeschäftigung; unter den 549 kranken Lehrerinnen haben
271 = 49,3 7o Nebenbeschäftigung.
Die verschiedenen Arten dieser Nebenbeschäftigung lassen sich
zwanglos in grö&ere G-ruppen bringen. So lassen sich z. B. solche
Gruppen bilden aus Beschäftigung mit ,,Kunst", „Haushalt^, „Ver-
einstätigkeit", ,,Schriftstellerei", „Studium^ usw.
1. Beschtftignng mit Kuust.
unter allen Arten von Nebenbeschäftigung nimmt bei den
Lehrerinnen das „Musizieren" die erste Stelle der Häufigkeitsskala
29*
666
ein. Diese Ansttbnng der Musik ist eine freiwillige; sie ist Lieb-
haberei; sie dient niobt zum Broterwerb. Unter Mnsisieren dürfte
im allgemeinen das Klavierspielen verstanden sein. Wahrend sieh
überhaupt 27,6 Vo der Qesnnden mit Ennst besohaftigen, besohiftigon
sich 24,1% mit Musik. Die entsprechenden Zahlen der kranken
Lehrerinnen sind 33,7% und 26,3%. Hierbei ist eine G^sang-
lehrerin mitgezählt.
Viel weniger hftnfig ist die NebenbeschAftignng mit Malerei.
Sie hat, als Liebhaberknnst betrieben, yor dem Musizieren entschieden
den Vorteil, eine wirklieh ablenkende, erholende Beschäftigung fbr
nervöse und nervös werdende Lehrerinnen zu sein, was man von
dem Musizieren bekanntlich nicht in gleichem Malse sagen kann.
Ich habe, wie nachstehende Tabelle zeigt, unter „Kunst* auch
noch einige andere Beschäftigungen, z. B. Brennen, Schnitzen zu-
sammengefaGst.
Zahl der Lehrerinnen:
Art der Kunst gesunde 63 = 27,6%, kranke 186 = 33,7%
„Musizieren" 49
Gesang
Orgelspiel
Konzertvorbereitang . .
Malerei
Zeichnen
Modellieren
Photographieren
Brennen, Schnitzen . . .
„Redekunst**
«Kunst«
4
1
1
66 = 24,27o
7= 3,0%
186
4
139 = 26,3%
1= 0,47o
8 =
1 =
1 =
1 =
6,8%
1.57o
0.2 7o
0,2%
0,2%
0,2%
0.8%
2. BesehUtigang mit Hanshalt.
Ich habe manchmal von Frauen sagen hören: „Eine gute
Lehrerin ist eine schlechte Hausfrau." Es scheint mir etwas wahres
daran zu sein. Doch möchte ich den Satz mindestens insofern ein-
schränken, dals man sagte: „so lange die Lehrerin ledig ist." Wenn
die Lehrerin sich, wie sie es doch eigentlich alle möchten, wenn
sie es auch nicht alle zugestehen, verheiratet, so kann sie sicherlich
eine ganz vortre£fliche Hausfrau werden. Die Lehrerinnen selbst
sagen in ihren Antworten: Ihr Beruf lasse ihnen keine Zeit, den
Haushalt zu führen. Das ist gewifs zum grofsen Teile richtig. Ich
glaube aber auch, die wissenschaftliche Arbeit, welche durch die
557
Schule bedingt ist, nimmt ihnen hftnfig die laust daran. Viele
halten sich auch für zn gut dazu. Viele kommen gar nicht in die
Lage» den Haushalt ftOiren zu müssen, weil sie bei ihren Angehörigen
wohnen, welche ihnen diese Sorgen abnehmen. All das zusammen
erklfirt es, dab nur sehr wenig Lehrerinnen sich mit Hanshalt be-
schäftigen, nämlich von den Gesunden 10 Vo, von den E[ranken
14,7 Vo« Zahl der Lehrerinnen:
Art des Haushaltes, .gesunde 23 = 10,OVo, kranke 81=14,77o
„Haushalt« „ 15= 6,5% „ 57 = 10,4Vo
„Handarbeiten" „ 8 = 3,57o „ 16 = 2,9%
„Nähen, Flicken, Stopfen*' „ 3 = 0,6 7o
„Nähen resp. Listandhaltung der eig. Garderobe" „ 2 = 0,3%
„Eoehe selbst" „ 1 = 0,27o
„Füoken- 1 = 0,2%
„Flicken, Stopfen, Badein und Briefstellern" . „ 1 = 0,2 7o
3. VereinstXtigkeit.
Die gesunden Lehrerinnen sind zu 4,3%, die kranken zu 5,2%
in Vereinen „tätig"". Darunter ist wohl zu verstehen, daCs sie das
Ämtchen als Vorsitzende, Schriftfährerin oder Elassiererin in einem
Vereine bekleiden. Von Vereinen kommen meistens Lehrerinnen-
▼ereine, Frauenvereine, Vereine ehemaliger Schülerinnen usw. in
Betracht. Ich glaube nicht, dals die zu leistende Arbeit in diesen
Vereinen allzuviel Nervenkraft verzehrt. Dagegen scheint nach den
mir gemachten Angaben das Bewu/stsein, solch eine wichtige Ver-
einsstellung innezuhaben, doch manche Lehrerin recht zu befriedigen.
Solch eine Befriedigung wirkt günstig auf die Nerven.
Zahl der Lehrerinnen:
Art der Vereinstätigkeit gesunde 10 = 4,3%, kranke 31 = 5,2 7o.
4. BescbSfügnng mit Schrifbtellerei.
Schriftstellerei als Nebenbeschäftigung der Lehrerinnen ist
sicherlich recht zeitgemäß. Trotzdem beteiligen sich von gesunden
Lehrerinnen nur 4,3 7o, von kranken 7,4 7o daran. Unter den
schriftsteliemden Lehrerinnen befinden sich drei, welche als Neben-
beschäftigung „dichten'' 1 Eine verfalst ^ Rezensionen methodischer
und pädagogischer Werke^l Bei sieben Lehrerinnen besteht die
Nebenbeschäftigung — die ich mit unter die Schriftstellerei rechne —
in Ausübung ihrer „Korrespondenz'' 1 Eine von diesen führt an, sie
habe „schwierigen Briefwechsel" als Nebenbeschäftigung zu erledigen.
&58
Zahl der Lehrerinnen:
Art der Sohriftstellerei gesunde 10 = 4,3Vo, kranke 41 = 7,4%
„SohriftateUerei« . 10 = 4,37o „ 27 = 4,9%
Üherseteen „ 2 = 0,3®/o
Dichten 3 = 0,6%
Referate anfertigen „ 1 = 0,2%
Rezensionen anfertigen „ 1= 0,2%
Korrespondenz „ 7 = 1,3%
5. Beschiftignng mit Stndinm.
Nur eine verhftltnismäfsig geringe Ansahl der Lehrerinnen be-
schäftigt sich mit weiterem „Studium*. Die grolse Mehraahl be-
trachtet eben den Beruf als Brotstudium und ist zufrieden, wenn sie
ihr Examen gemacht hat und angestellt ist. Das betrifft gesunde
und kranke Lehrerinnen in ziemlich gleichem Mabe. Von den ge-
sunden betreiben 4,8%, yon den kranken 6,7% weiteres Studium.
Rechnet man yon den letzteren die sieben Lehrerinnen, welche
»Lektüre" betreiben mit 1,2^0 ab, so kommen f^ gesunde und
kranke Lehrerinnen annähernd gleiche Zahlen heraus. Hiermit bitte
ich nun die Zahlen zu vergleichen, welche weiter unten bei der
Beantwortung der Frage: »wieviel Stunden verwenden Sie täglich
auf Ihre geistige Fortbildung ?*" angegeben sind. Dort ist der
Prozentsatz der Lehrerinnen, welche sich geistig fortbilden, ein weit
grOlserer.
Zahl der Lehrerinnen:
Art des Studiums gesunde 11 = 4,8%, kranke 37 = 6,7%
»Studium- » 7 = 3,1% n 22=4,0%
Hören von Vorträgen und
Vorlesungen „ 2 = 0,9% » 4 = 0,7%
»Examenvorbereitung" » 1 = 0,2%
Studium für Oberlehrerin-
ezamen » 1=0,4% » 1 = 0,2%
Vorbereitung zum Zeichnen-
lehrerinezamen 1 s= 0,4%
StotterheUkursus » 1 =0,2Vo
Stenographie „ 1= 0,2%
»Lektüre- » 7 = l,2Vo
Unier der oben erw8hnten Beseiohnimg „Stadinm- nnd folgende nähere
Angaben gemeebt: 1 Lehrerin nimmt wöchentlich eine Elaviersttmde, 1 lernt
lUlienisoh, 1 Latein, 1 Griechiach, 1 Kathemathik, 4 achreiben «Spraoh-
atadinm" reap. „Fremdapraobe*.
559
6. Unterricht
Neben dem Sohnlnntemoht erteilen manche Lehrerinnen noch
anderen Dnterrioht. Ich meine nicht den „Privatunt^cht'' sensn
strictioni. Darüber werde ich auch gleich sprechen. Die Tabelle
zeigte welche Arten yon Unterricht in Frage kommen. Ob das nun
mehr der »Kot gehorchend, als dem eigenen Triebe*' geschieht, lälist
sich schwer entscheiden. Ich nehme an, dab es der eigene Trieb
ist, der die Lehrerinnen zu dieser Art Unterricht fahrt. Dagegen
dürfte die Erteiinng des eigentlichen „Privatunterrichts* wohl mehr
„der Not gehorchend^ geschehen. Den Unterricht ans „eigenem
Triebe" erteilen nur 4 = 1,7% von den Gesunden und 23 = 4,1%
von den Ejranken. Den eigentlichen Privatunterricht erteilen weit
mehr — das liegt in der UnvoUkommenheit der menschlichen Natur
und der Besoldung genügsam begründet.
Zahl der Lehrerinnen:
Art des Unterrichts gesunde 4 = 1,7%, kranke 23 = 4,1%
Unterricht an Fortbildungs-
schulen „ 5 = 0,97o
Pensionat „ 1=0,4% „ 5 = 0.9%
Leitung von Jugendspielen , 3 = 0,5%
Eindererziehung „ 2 = 0,3%
Vortrüge halten (darunter einmal über .G-esund-
heitslehre-) „ 2 = 0,8%
Eindergottesdienst gesunde 1 = 0.4 7o » J = 0,27o
Leitung einer Schule „ 1 =: 0,4 7o
Leitung von Oberlehrerin-
kursen „ 1 = 0.5%
Leitung von Gymnasialkursen flär Mädchen. . . „ 1 =:0,2%
Erteilung von Unterrichtskursen „ 1= 0,2%
Haushaltungsunterricht „ 1= 0,2%
Unterricht im Einderhort „ 1 = 0,2%
Erteilung von Privatstunden „ 1 = 0,2%
Wie schon gesagt, der eigentliche Privatunterricht wird von
einer grüüseren Anzahl von Lehrerinnen erteilt. Ich habe unter
meinen antwortenden Lehrerinnen 6 gesunde und 82 kranke Privat-
lehrerinnen. Diese müssen von der Zahl der übrigen bei der Be-
antwortung dieser Frage abgezogen werden. Dann erteilen unter
222 geeunden 59 = 26,5% Privatunterricht; und unter 517 kranken
152=: 29,4%. Die Zahlen stimmen ziemlich überein.
660
Gesunde LehrerinDen erteilen Privataniemolit pro Woehe:
bis
2 Stunden 23 Lehrerinnen
= 10.4 «/•
4 „
16
»
= 7,2 Vo
6 .
13
V
= 5.9 •/•
8 ,
8
n
= 1,4 «/o
10 „
1
»
= 0,4%
12 „
1
rt
= 0,4%
18 „
1
n
= 0,4%
26 „
1
n
= 0.4 »/o
Diese letztere scheint eine „reine Privatlehrerin'' zu sein.
Kranke Lehrerinnen erteilen Privatunterricht pro Woehe:
bis 2 Stunden 41 Lehrerinnen = 7,9 %
- 4
n
48
W
= 9.2%
, 6
w
32
w
= 6.2%
n 8
»
20
1t
= 3,9 %
„ 10
n
6
n
= 1,2%
, 12
n
2
»
= 0,4%
n 14
n
1
»
= 0.2 •/•
unbestimmt
»
2
»
= 0,4V«
Aus diesen Zahlen meiner Statistik scheint hervorzugehen, dab
die Lehrerinnen mit Privatstunden nicht überhäuft sind. Zunächst
gibt noch nicht der dritte Teil der Lehrerinnen überhaupt Privat-
stunden. Darf man daraus schliefsen, dafs — mindestens — zwei
Drittel pekuDiftr durch ihren Beruf usw. günstig gestellt sind? Das
mag der Leser entscheiden. Von den Lehrerinnen, welche Privat-
stunden geben, erteilt nur eine geringe Anzahl mehr als eine Stunde
pro Tag. Nimmt man an, dafs alle, welche mehr als sechs Privat-
stunden wöchentlich geben, pekuniär besonders schlecht — von Haus
oder von der Schule aus — gestellt seien, und dafs sie deshalb zu
diesen Privatstunden gezwungen seien, so kommen bei den gesunden
Lehrerinnen etwa 8Vo, bei den kranken etwa 6% in Betracht.
7. Soziale Bettti^ng.
Sehr gering ist nach meiner Statistik die Betätigung der
Lehrerinnen im sozialen Leben, im weiteren Sinne, neben der Schule.
Nur 4 Gesunde = 1,7% und 8 Kranke = 1,4% beteiligen sich
daran, und zwar in folgender Weise:
Zahl der Lehrerinnen:
Soziale. Betätigung gesunde 4 = 1,7%, kranke 8 = 1,4%
Waisenpflege „ 1 = 0,4% „ 1 =0,2%
561
Armenpflege kranke 1 = 0,2%
Pfl^ einer Freundin „ 1 = 0,27o
Tierpflege „ 1 = 0,27o
Bibliothekarin gesunde 1 =0,4Vo „ 1 =0,27o
»Geflellschafterin« „ 1=0,2%
.Outtemplerin" gesunde 2 = 0,97o
, Humane Angelegenheiten" „ 1 = 0,1 %
, Langweilige Menschen unterhalten" „ 1 = 0,l7o
8. Sonstiges.
Die Nebenbeschäftigungen yon ein paar Lehrerinnen lassen sich
nicht gut in die vorbenannten G-ruppen einreihen. Das betrifft zwei
Gesunde und drei Kranke. Zwei derselben betreiben Sport: „Tennis-
spielen und Budem", und drei beschäftigen sich mit GklrtnereL
loh möchte yom ärztlichen Standpunkte gerade auf den günstigen
gesundheitlichen Einfluls der G-artenbeschäftigung hinweisen!
Hoffentlich findet diese Beschäftigung recht vielen Anklang bei den
Lehrerinnen und häufigere Nacheiferung.
Überblickt man das bisher Angeführte, so muls man, glaube
ich, sagen, dafs die Lehrerinnen doch Ycrhältnismäfsig
wenig Nebenbeschäftigungen haben. Die unterhaltende Musik,
welche zum eigenen Vergnügen ausgeübt wird, steht der Häufigkeit
nach an der Spitze. An zweiter Stelle folgt dann die Beschäftigung
im Haushalt, aber doch nur mit 10 == 14,7 %• Die Sorge um den
eigenen Haushalt ist also bei den Lehrerinnen wahrscheinlich doch
wohl nicht so grols wie so häufig behauptet wird. Und jeden&lls
scheint mir diese Beschäftigung im Haushalt, welche in 15 7o der
Fälle neben der Schule einhergeht, keine der wichtigsten Bollen beim
Zustandekommen der Neurasthenie zu spielen.
Ernstere wissenschaftliche Beschäftigung scheinen nach meiner
Statistik nur verhältnismäfsig wenig Lehrerinnen auüserhalb ihres
Berufes zu betreiben. Ich rechne dahin alles, was unter der Bubrik
»Studium" steht. Dayon werden nur 4,8 resp. 6,7 % der Lehrerinnen
betroffen. Es ist vielleicht erlaubt, anzuzweifeln, ob man, was mit
»Sehriftstellerei" bezeichnet wird, immer wirklich zu einer ernsten
wissenschaftlichen Beschäftigung rechnen darf. Ich möchte darüber
mir kein Urteil erlauben. Aber der Leser hat die Möglichkeit, sich
ein Drteil darüber zu bilden, wenn er sich die schriftstellerischen
Leistungen, wie sie in manchen der modernen Frauenzeitschriften
ja jedem zur Verfügung stehen, des näheren ansieht. Ich glaube
562
aber, Männer werden nÜberaetzen, Dichten, Referieren, ResendeieD
nnd Korrespondenz" wohl ksnm xn den ernsteren wissensehafUieheA
Stadien rechnen.
Anch die Yereinstätigkeit der Lehrerinnen halt sich in m&lsigen
Grencen. Bbenso der Unterricht in weiterem Sinne neben der
Schule — abgesehen yon dem sog. eigentlichen PriTatnnterrichte.
Von den übrigen Punkten der sozialen Betfttigang und aonstigem
kann man schweigen. Der Sinn fiir soziale Beschäftigung scheint
nach den mir gemachten Angaben bei den Lehrerinnen zurzeit noch
wenig ausgebildet zu sein. Jene einzige Lehrerin, welche die Neben-
besohftftigung hat, »langweilige Menschen zu unterhalten", ist wohl
des Bedauerns des Lesers sidier.
Bs ergab sich aus meiner Statistik, dab über 50 bezw. 60%
der gesunden und kranken Lehrerinnen keine Nebenbesohftftigang
haben. Zieht man hiervon selbst noch die 26,5 resp. 29,4% ab,
welche Privatstunden« erteilen — was man man eigentlich nicht dar^
da Priratstunden und Nebenbeschäftigung sich nidit ausschlielsen —
so bleiben immer noch ca. 23— >307o übrig. Woran liegt es, dab
kein weit grölserer Prozentsatz der Lehrerinnen Nebenbeschäfti-
gungen hat? Es könnte gesagt werden, die Lehrerinnen haben zu
viel Korrekturen und Schulvorbereitungen. Diese füllen ihre ganze
übrige freie Zeit aus. Sehen wir, wie es damit steht:
unter den gesunden Lehrerinnen haben 205 die Frage nach
der Zeit, welche sie täglich auf Korrekturen und Schulyorbereitong
yerwenden, beantwortet Es verwenden darauf
bis 1 Stunde 58 Lehrerinnen «= 28,3%
„ 2 Stunden 78 „ = 38,0 7o
n 3 „ 46 „ =22,0%
« 4 n 16 . = 7,3%
« 6 „ 8 „ = 3,9%
« 6 „ 1 „ = 0,67o
Dazu ist zu bemerken: Zwei der Lehrerinnen, welche bis fllnf
Stunden täglich auf Korrekturen und Schulvorbereitung yerwenden
— sie geben an 4 — 6 Stunden — , sind Schwestern.
Unter den kranken Lehrerinnen haben 495 die Frage beant-
wortet Dayon geben einige ungenau an, z. B. „ganz yersohieden'^ usw.
Die übrigen 481 geben an:
bis 0 Stunden 4 Lehrerinnen = 0,8 %
n 1 « 116 „ = 24,0%
» 2 „ 208 , =43,2%
568
bis 3 Standen 109 Lehrerümen = 22,7 7o
4 „
29
»
= 6,0 Vo
6 „
9
»
= 1,9%
6 „
5
»
= 1.0%
7 ,
1
»
= 0,2 V»
8-10 „
1
n
= 0,2 Vo
Hierzu sind folgende ETgänznngen zu machen: Eine Lehrerin
aohreibt „3 — 5 Standen**. Eine weitere „da ich die Anfnahme-
klaase habe, so habe ich wenig mit Schulyorbereitang zu tan. Die
Korrektoren nehmen jetzt 2 — 3 Standen wöchentlich, spftter 6 — 8
Standen in Ansprach". Eine schreibt „3 — 6 Standen**; eine „1 — 6",
eine andere „2 — 6" Standen. Diejenige Lehrerin, welche 7 Standen
angibt, ist eine früher blatarme Seminarlehrerin, welche nenn Jahre
an einer Privatschnle tätig ist, nicht für Angehörige za sorgen hat,
kernen Privatanterrioht erteilt, 30 Kinder in ihrer Klasse hat and
Yonnittags 4 — 5 Standen onterrichtet.
Die Lehrerin, welche 8 — 10 Standen für Korrektaren and
Sehalyorbereitang anzuwenden angibt, wohnt in der Rheingegend,
ist erblich nenrös belastet, war Yor dem Lehrerinezamen nicht immer
gesand, litt an Blntarmat. Wahrend des Lehrerinezamens litt sie
nicht an nervösen Beschwerden, sie blieb nach dem Lehrerinexamen,
einige TJnpftJslichkeiten aasgenommen, bis jetzt angeblich daaemd
gesand; trägt ein Aagenglas; hat weitere Examina nicht gemacht;
hat nicht fbr Angehörige za sorgen ; nnterrichtet seit ca. 26 Jahren
an einer Priyatschale; erteilt 17 Standen Schal- and 6 Standen
PriTatanterricht wöchentlich; hat 20 — 30 Kinder in ihrer Klasse;
gibt keinen Handarbeits- and Tnrnanterricht; hat keine Neben-
beschäftigang wie Masizieren oder Schriffstellerei; yerwendet aaf
ihre körperliche Erholung and Pflege 1 — 2 Standen täglich, aaf ihre
geistige Fortbildung „soviel Zeit wie die Verhältnisse erlauben";
würde nicht mehr als fünf Standen täglich, ohne selbst daaemd zu
übermüden, unterrichten können, beginnt den Unterricht nach den
Ferien nicht immer erfrischt; hat die Ferien nicht verlängert, den
Unterricht wegen nervöser Beschwerden nicht ausgesetzt, leidet nicht
an Angstzuständen, Zwangsgedanken, Kopfdruck, Herzklopfen; ist
der Ansicht, dafs es „an manchen einklassigen Schulen Ober-
bürdung der Lehrerinnen gibt".
Aus den vorstehenden Zahlen scheint mir hervorzugehen, dals
die Lehrerinnen mit Korrekturen und Schulvorbereitung im allge-
memen nicht überlastet sind. Auch unterscheiden sich die Zahlen
564
der gesunden Lehrerinnen nicht wesentlich von denen der
kranken. Die Mehrzahl, nämlich 33,0 bezw. 43,2%, hat zwei
Stunden Korrekturen und Schulyorbereitung tftglioh nötig. Drei
Standen verwenden darauf 22,0 bezw. 22,7 %. Man darf vielleielit
sagen, was fiber drei Standen Korrektur und Schulyorbereitung tfiglioh
ist, sei Tom Übel. Davon würden dann etwa 10% der Lehrerinnen
betroffen sein. 90% der Lehrerinnen haben also Zeit fibrig su
anderen Sachen, die mit der Schule nicht direkt in Verbindung
stehen. Diese 90 Ve könnten ihre Zeit zu den yerschiedensten
Kebenbeschäftigungen yerwenden. Wir sahen aber, dab diese Zahl
nicht erreicht wurde.
Zur weiteren Orientierung habe ich nachgefragt nach der Zeit»
welche die Lehrerinnen auf ihre geistige Fortbildung und auf
ihre körperliche Erholung und Pflege yerwenden. Diese
Fragen sind freilich schwierig zu beantworten und die erhaltenen
Antworten sind mit einer gewissen Skepsis aufzunehmen. Immerhin
scheint das Zahlenergebnis doch nicht uninteressant zu sein.
Auf die Frage, wieviel Zeit yerwenden Sie tAglich auf Ihre
geistige Fortbildung, haben 167 Lehrerinnen unter Gesunden
geantwortet in folgender Weise:
„Unbestimmte Zeit^ . . 21 Lehrerinnen = 13,4 %
„gar keine« 2 „ = 1,3 7o
bis 1 Stunde 63 „ = 33,7 7e
„ 2 Stunden 66 „ = 36,7 %
. 3 „ 15 ^ = 9,6%
. 4 . 9 n = M%
».6 V — V ^ —
n 6 , 1 „ = 0,6%
femer gibt eine Lehrerin an, 13 — 14 Stunden.
Von den kranken Lehrerinnen antworten 407:
„Unbestimmte Zeit« . . 71 Lehrerinnen = 17,6 %
„gar keine« 11 „ = 2,7 %
bis 1 Stunde 120 „ »»29,6%
„ 2 Stunden 146 „ =36,6%
n 8 „ 47 „ =11,6%
. 4 „ 12 „ = 2,9%
»5 n — n = —
« 6 „ 1 „ = 0,2%
Bs scheint beachtenswert, daJs nur 1,3% der gesunden und
2,7 % der kranken Lehrerinnen „gar keine« Zeit auf ihre geistige
565
Fortbildung ta rerwenden angeben. Möglicherweise ist das der
Prosentsate derjenigen, welche doroh die Schale überbürdet sind.
Das wftre ein recht geringer Prozentsatz. In meiner eingangs er*
wfthnten Arbeit über die Überbürdnng der Lehrerinnen hatten 53%
die Behauptung auj^g^estellt, dab es OberbürduDg gebe. Wenn sich
aber tatsächlich nur ein so geringer Prozentsatz von überbürdeten
Lehrerinnen findet, so kann eine Oberbürdung nicht die Haupt-
Ursache der weit hftufigeren Nervosität sein.
Nutzen nun die Lehrerinnen, die ihnen zur Yerfiigung stehende
freie Zeit wohl hinreichend aus zur körperlichen Erholung und
Pflege? Die Antworten der Lehrerinnen ergaben darüber fol-
gendes an:
Von den gesunden Lehrerinnen haben 152 Angaben gemacht.
Bs rerwenden auf körperliche Erholung und Pflege:
Unbestimmte Zeit .... 13 Lehrerinnen = 8,5 Vo
keine Zeit 6 „ == 4,0 7«
1 Stunde 43 ^ = 28,3 Vo
2 Stunden 66 „ = 48,4 7o
3 „ 15 „ = 9,97o
4 « 6 , = 4,07o
5 ^ 1 „ = 0,6%
6 „ 2 , = 1,80/0
Femer schreiben je eine Lehrerin: ,,8 Stunden Schlaft;
,9 Stunden, davon eine auf Spazierengehen**; ^11 Stunden **;
„12 Stunden«; »13—14 Stunden«.
Von den kranken Lehrerinnen haben 402 Angaben gemacht.
Sie rerwenden auf körperliche Erholung und Pflege:
unbestimmte Zeit . . 18 Lehrerinnen = 3,2 %
keine Zeit 7 „ = 1,7 7<
0
1 Stunde 114 „ = 28,4%
2 Stunden 181 » = 45,0 %
3 ^ 67 „ = 16,7 Vo
4 „ 12 . = 3,07o
5 „ 7 , = 1,8%
6 „ 1 „ = 0,2%
Femer schreiben zwei: ,12 resp. 17 Stunden einschlieDslich
Schlaf«. Erfreulicherweise sehen wir aus diesen Zahlen, dafs auf
die körperliche Erholung und Pflege yon den meisten Lehrerinnen
Wert gelegt wird. Es ist nur ein ganz kleiner Prozentsatz, welcher
gar keine Zeit darauf verwendet. Mir scheint, das sind wieder die
666
ÜberbOideten. Die Zalilen stimmen gans gut mit den oben äng^
fdlurten Überein. Bb sind 3,9 7o der gesunden und 1,7% der krsakeii
Lehrerinnen, welche ihren Körper nicht so pflegen, wie sie es mttbtsn.
Yoranssichtlich tun sie es nicht, weil ihnen die Zeit daen fehlt
Hoffentlieh wird dieser geringe Prosentsats auch bald so gCLnstig
gestellt sein, wie die greise Mehrzahl der übrigen, dab ihm die
nötige Zeit snr körperlichen Erholung und das noch fehlende Geld
sur geistigen Fortbildung Yon denen, die dasu berufen sind, gewihr-
leistet wird.
Es ist schwer, aus dieser Studie ein sicheres Sohlubergebnis ni
ziehen. Ich möchte mit der nötigen Beserre etwa folgendes sagen.
Ich finde eine Bestätigung meiner schon früher angeführten Be-
hauptung, dab eine Überbürdung der Lehrerinnen duroh die Schale
selten ist und sich unter 10 Vo der Lehrerinnen zu halten soheini
loh meine femer, dafs die Lehrerinnen neben ihrer Schultätigkeit
genügend fi^ie Zeit zu Nebenbeschäftigungen, zur körperlichen Er-
holung und zur geistigen Fortbildung haben; dab diese Zeit aber
Ton nur TerhältniBmäTsig einer kleinen Anzahl ausgenutzt wird.
Eine Überlastung kann ich hierin nicht finden und ich bin der
Meinung, dafs die Nebenbeschäftigungen der Lehrerinnen
beim Zustandekommen der Neryosität keine sehr wichtige
Bolle spielen.
567
Dr. BonowzBFF aber die OmppenbanlL
Von
Armin v. DoMiTRoyiOH-Berlin.
In seinem im Heft 5 (1905) dieser Zeitschrift enohienenen Auf-
flttbe: „Die praktischen Schwierigkeiten bei der Befrie-
digung der hygienischen Forderungen an die Snbsellien'^
behauptet Dr. Bostowzbvf, dafs mit dem System der Gmppenbank^
die Anpassung an die Eörpergrölse und -Proportion der Schulkinder
nicht in dem Mause erfüllt werden kann, wie dies die Hygiene fordern
mfisse und sucht daftir Beweise zu erbringen. Bei der Wichtigkeit,
welche die Beschaffenheit der Schulbank auf die Gesundheitsyer-
faältnisse der Eulturrölker ausübt, ist es geboten, die Ausführungen
des Aufsatzes auf ihre Beweiskraft genauer zu untersuchen.
Dr. BosTOWZBFF glaubt in zwei von ihm erbrachten Tatsachen
Beweisgründe gefunden zu haben, und stützt seine Behauptungen
auf folgende zwei Schein- Argumente :
Erstens, dafs in den von ihm „untersuchten 41 Schulen (wie
aus dem Au&atze hervorgeht, sind es eigentlich nur Klassen) im
Kreise Dmitroff in Bufsland, die alle mit nach den Angaben von
Professor Dr. Ebismann konstruierten Schulbänken versehen sind^,
die Anzahl der verschiedenen Bankgröisen nicht dem Verhältnisse
der wirklich vorhandenen KindergröDsen entspricht, die Dr. BosTOW-
ZKvr durch Messen gefunden hat.
Zweitens, dals man auch dann nicht imstande ist, die Verteilung
der Bankgröfisen in einem der Wirklichkeit vollkommen entsprechenden
Verhältnisse vorzunehmen, wenn man dafür die von Dr. Bostowzbff
aus dem Wirklichkeitsbefunde aufgestellte Proportionalteilung (fttr
die Bankgröisen Nr. 1 bis 4) 2:7:6:1 zugrunde legt; dals es also
gewissermaisen keine Möglichkeit gibt, die nötige Anzahl der ver-
flchiedenen Bankgröisen zum voraus durch Berechnung genau fest-
igen zu können.
^ Der Anfrats knüpft zwar Bpesiell an das System Brumahit an, es handelt
voll aber dabei am die Prinsipien des Systems der Qmppenbank im allgemeinen.
668
Was noB das erste Argument anbelangt, so braucht eigenÜioh
gar nicht erst gesagt zu werden, dals man aus dem Umstände, weQ
„die Versorgung der Schulen im Kreise Dmitroff mit Schulbftnken
eines normalen Systems im Sinne des erforderlichen Zahlen-
Verhältnisses der einselnen Subselliennummem keine richtige ist^,
noch nicht den Beweis ableiten kann, dals mit dem System Erismahh
(überhaupt mit dem System der Gruppenbank) „den Anforderungen
der Schulgesundheitspflege besttglich eines richtigen Setzens der
Schulkinder nicht Genüge geleistet werden kann". Hat jemand für
seine Familie die Schuhe nicht im richtigen Verhältnis zur Gbröfse
der Torhandenen Fülse angeschafft, so ist damit noch nicht der
Beweis erbracht, dafa der betreffende Schuster der Anforderung
richtig sitzender Schuhe nicht Genüge leisten kann. Wenn man
aber im Kreise Dmitroff durch zehn oder wenigstens f&nf Jahre
hinduroh die Körperlängen der Schulkinder jährlich zweimal müst,
dann wird man in der Lage sein, den Durchschnitt der Schwankungen
der Körperlängen, die in den einzelnen Klassen von Jahr zu Jahr
vorkommen, zu ermitteln, um auf Grund dieser Ermittlung das er-
forderliche Zahlenverhältnis der verschiedenen Bankgrölsen festlegen
zu können.
Was aber das zweite Argument des Aufi»tzes anbelangt, so
mufs zunächst auf einige Fehler oder Unrichtigkeiten desselben hin-
gewiesen werden. Es findet sich nämlich auf Seite 240 — ^241
folgendes :
„Tabelle I.
Allgemeine Obersicht über die Gruppierung der Kinder
nach ihrer Körpergrölse und über die Gruppierung der Schul-
bänke nach Nummern in allen untersuchten Schulen.
In der Schule TorhAndene
Knmmeni dei Syitems
Eribmahn (LliAy^
Aiiiahl der Schulkinder- ^^^^ ^^^^ p,^ ^ j
""!:•?' nJ^' •"*■ " Sehnlbtoken der
(nach EBiBMAnr) elnsetellt «toprechenoen Ammnem
1
2
8
4
6
6
7
l
2
8
892
4
54
6
6
7 1
2
-8
8
4
6
6
7«
HS
8M
898
178
88
42
-
118
888
8
7
1 -6
+101
+U9
4-Mi
4-tll
^1
Baakgrdflen Nr. 1—7.
Die erste Rubrik der Tabelle gibt die Anzahl der Schul-
bänke des Normalsystems an, welche der Gesamtzahl der Schulen
KU Verfügung stehen.
569
Aafi der zweiten Rubrik der Tabelle I sieht man, wie die
Schulkinder ihrem KOrpermafee entsprechend sich in die ver-
Bohiedenen Gröfsengruppen einteilen. Die Angaben dieser Rubrik
kennen selbstTcrständlich auch darauf hinweisen, wie viele Sub-
sellien der einzelnen Nummern fttr das betreffende Schülerkontingent
nötig sind.^
Hieraus ergibt sich also, dab nach der eisten Rubrik der Tabelle:
118 + 386 + 393 + 173 + 38 + 42 = 1144 Bänke, und nach der
zweiten Rubrik: 118 + 388 + 292 + 54 + 8 + 7 + 1 = 868 Kinder-
paare, d. i. 1736 Kinder yorhanden sind. Dessenungeachtet heilst
es aber auf Seite 241, daGs „die Gesamtzahl der Kinder in allen
41 Schulen 1666 ausmacht^. Ein Druckfehler ist jedoch diese Zahl
nicht, denn es werden mit ihr auf Seite 242 in der Tabelle XU
viele Experimente gemacht; andererseits wiederholen sich aber die
Zahlen der zweiten Rubrik der Tabelle I in der zweiten Rubrik
der Tabelle IV und stehen auch sonst noch in Verwendung, sie
können demnach auch kein Druckfehler sein. Der Aufsatz reitet
also gewissermafsen auf zwei Pferden, indem bald mit der Gesamt-
kinderzahl 1666, bald mit der Anzahl der Schulkinderpaare
868 = 1736 Kinder der zweiten Rubrik der Tabellen I und IV
manövriert wird.
Dr. RosTOWZBFF sucht nun nachzuweisen, dafs wenn man auf
Grund der Anzahl der Kinderpaare, die in der zweiten Rubrik
der Tabelle I bezw. IV angegeben ist, einen Berechnungsmodus
aufrtellt und dann hiernach das erforderliche Zahlenverhältnis der
einzelnen Snbselliennummem bestimmt, dieses wieder nicht richtig
ausfallen wird. Er verfthrt hierbei folgendermalisen (s. Seite 245):
„Es ergibt sidi, dafs in 41 Schulen in die erste Gbnppe
118 Paar Schulkinder fiallen, in die zweite 388 Paar usw. Lassen
wir die fbnfte, sechste und siebente Gruppe der geringen Zahl
der FftUe wegen weg, so erhalten wir für die ersten vier Gruppen
folgende Zahlenreihe fftr die 41 Sehnleii:
118 : 388 : 292 : 54.
Reduzieren wir diese Zahlen, indem wir die kleinste von
ihnen — 54 — als gemeinschaftlichen Divisor nehmen, so er-
halten wir folgende Reihe:
2,2:7,2:6,4:1.
Der gröfseren Einfachheit wegen können wir ganze Zahlen
setsen und erhalten dann:
2:7:5:1.
SeholgMiindlieittpflege. XVIIL 30
670
Das bedeutet, dab auf 6nind der bei der Einteilimg der
Schulkinder in Gröftengnippen erhaltenen Reenltate die Anzahl
der Kinder in der ersten, sweiten, dritten und vierten Gruppe
sich verhält wie 2:7:5:1. Wir mttssen also, um bu er&hren,
wieviel Schnlbftnke der verschiedenen Nummern ftr die beiretffisnde
Schule (oder Klasse) erforderlich sind, die Hälfte der Gteeamt-
sahl der Schulkinder in G-ruppen einteilen, die untereinander in
einem Verhältnis stehen, welches der obigen Zahlenreihe ent-
spricht."
Man braucht noch kein Mathematiker bu sein, um sofort su er-
kennen, dals eine so beiläufige Rechnungsweise natOrlieh keine
genauen Besultate ergeben kann, und es ist gar nicht verwunderlich,
dab „diese Yerhältniszahlenreihe mit der wirklichen Einteilung ier
Schulkinder nach Gröisengmppen in den einzelnen Schulen ver-
glichen, keine Übereinstimmung zeigt'', wie der Au&atz treuherzig
versichert. Allein, wenn jemand nicht imstande ist, nach der ge-
gebenen Anzahl von FuÜBpaaren genau zu berechnen, wieviele Sohuh-
paare die Familie von dieser und Jener GrOlsennummer erfordert,
dann ist dies noch kein Beweis dafür, dals eine genaue Berechnung
nicht möglich ist. — Man kann sehr wohl eine vollkommene
Übereinstimmung mit der wirklichen Einteilung erzielen, wenn man
die Zahlen 118, 388 usw. durch Prozente der Gesamtsahl der
Kinderpaare 868 (siehe Summe der zweiten Rubrik der Tabelle I
bezw. IV) ausdrackt, wonach 118 = 18,6%, 388 = 44,7%, 292»
38,6% und 54 = 6,2% von 868 ist.
Damit ist eigentlich die Hinfiilligkeit des zweiten Argumentes,
welches der AuÜBatz vorführt, schon erwiesen und somit die Beweis-
fbhrung, dafs sich die wirkliche Einteilung durch Berechnung nicht
genau wiedergeben lasse, widerlegt. „Da nun aber die Frage der
richtigen Versorgung der Schulen mit normal konstruierten Sehul-
bänken eine sehr ernste ist", wie der Aufsatz richtig bemerkt, so
darf man auch hier nicht „die Mtthe scheuen", den weiteren Irr-
gängen des Au&atzes „bei der Versorgung der Schulen in Überein-
stimmung mit der Verhältnisreihe 2:7:5:1^ zu folgen.
Auf Seite 246 heifst es:
„Entwerfen wir, gleich der ersten, eine neue Tabelle, in
welcher wir jedoch an Stelle der ersten Rubrik diejenige der
theoretischen Einteilung der Schulbänke nach Systenmummem
setzen, während die zweite Rubrik unverändert bleibt und die
dritte sich in Abhängigkeit von der ersten ändert
671
Tabelle lY (im Auszug angefahrt).
Besnitate der Befriedigung der Forderungen der Schulgeeund-
heitspflege bei der Versorgang der Schulen mit Schulbänken im
Verhältnis ihrer Zahl nach Nummern, wie 2:7:5:1."
Theoretisoh
In Wirklichkeit
erforderliebe Zahl der Minus (-), Flu (+)
Sehnlbänke
1
2
4M
8
SM
4
7»
5
6
7
1
2
8
4
6
6
7 1
2
8
4
6
6
7«
116
118
«
S92
64
8
7
1 -2
+16
0
+26
-8
-7
-1
' BankflrrSften Kr. 1—7.
Die Zahlen der ersten Rubrik dieser Tabelle, nämlich 116, 404,
292 und 79, sollen also im Verhältnisse von 2:7:6:1 stehen.
Das ist aber nicht der Fall, denn 79X2 ist nicht 116, 79X7 nicht
404 und 79X5 nicht 292. Die Zahl 79 kann aber wieder kein
1 1ß 1 1 ß
Druckfehler sein, denn -^ X 7 ist auch nicht 404 und -^ X 6
auch nicht 292. Auch stimmen die Minus bezw. Plus der dritten
Rubrik der Tabelle und es stimmt auch die Zahl 891, die als Ge-
samtzahl der ersten Rubrik angegeben wird (siehe dort Seite 247,
erste Zeile oben).
Mit der Zahl 891 als Summe der Bankgruppen 1 bis 4 der
ersten Rubrik stö&t man wieder auf einen Fehler, denn sie mttüste
doch gleich der Summe der gleichen Bankgruppen der zweiten Rubrik
sein, diese ist aber 118 + 388 + 292 + 54 = 852.
Ghinz unyerständlich bleibt aber die Sohluisfolgerung, die aus
diesen Ausführungen mit folgenden Worten gezogen wird:
„Lenken wir jetzt unsere Aufmerksamkeit auf die Schulkinder-
zahl, die keine ihren Bedürfhissen angepafste Schulbank benutzen
würden, falls die Schulen mit Schulbänken nach der von uns
angenommenen theoretischen Berechnung versorgt worden wären.
Hierzu zählen wir die Minnsse in den beiden letzten Spalten der
Tabelle IV (einer yoUen Tabelle, die hier nur im Auszug ange-
führt wird) zusammen.
Nach dieser Tabelle erhalten wir folgendes Bild:
„Tabelle V.
Nicht ausreichende Zahl der Schultische bei der Versorgung
der Schulen mit Schultisohen in Übereinstimmung mit den Ver-
hältniszahlen 2 : 7 : 5 : 1 (in 41 Schulen).''
80»
672
Nommern der SohulUtoha.
Ansfthl denelben
1
174
2
104
Iin guuen
97S
Wie kommt man ans der Tabelle IV 2sa den grofsen Fehl-
beträgen der Tabelle V? Dort waren es in der dritten Babrik für
die Bankgröfsen 1, 6, 6 nnd 7 doch nur — 2-8--7 — 1 = —18.
Oder sollte etwa die obige in Klammem stehende Bemerkung, dafs
die Tabelle lY „nor im Anssng angeführt wird^ wirklich besagen
wollen, es seien noch Minnsse, von deren Existenz der Leser nichts
weiJs, ans zwei ,,letzten Spalten der Tabelle IV, die der Anfaats
ebenfalls yerborgen hält, hinzugekommen? Dann wftre also ein ge-
heimes Depot vorhanden, ans dem die BeweisfOhrnng ihre erforde^
liehen Fehlbeträge zusammenstellt. Die Beweisführung des Aafisatzss
kann nicht ernst genommen werden; unhaltbare, aus der Luft ge-
griffene Beweise aber stehen nicht im Dienste der Wissenschaft, und
Konseqnenzen, die daraus gezogen werden, sind für sie wertlos.
Da indes von einzelnen immer wieder die Indiyiduali-
sierung der Schulbank (Prinzip der Universalbank oder ver-
stellbaren Bank) gegen die G-eneralisierung (Prinzip der G-ruppen-
bank) aufs Tapet gebracht wird, so dürfte es am Platze sein, hier
über die Individualisierung eingehendere Betrachtungen anzustellen.
Dabei gelangt man zu folgenden Fragen:
L Wodurch wurde die Bestrebung zu individuali-
sieren eigentlich hervorgerufen?
Die alte vielsitzige Schulbank, die kaum in zwei GrOisen fibr
eine Schule hergestellt worden war und in der acht und auch mehr
Kinder safsen, was die Notwendigkeit eines sehr grofsen Lehnen-
abstandes zur Folge hatte, da dieser sich nicht blols fttr das Auf-
stehen in der Bank, sondern auch für das aneinander Vorbeipaasieren
der Kinder beim Bin- und Austreten eignen mulste — diese alte,
aus der vorschulpflichtigen Zeit überkommene Schulbank war der
KörpergrOfse und -Proportion nicht besser angepalst, als es die Kinde^
kleider der Biedermeier-Zeit waren, die mit Rücksicht auf das
Wachstum für längere Zeit voraus bemessen wurden. Denn neben
der Yielsitzigkeit hatte namentlich der umstand, dab neben dem
Siebenjährigen noch der Zehn- oder gar Fünfzehnjährige sitzen
mulste, zur Folge, dafa auch die Schulbank einige Jahre voraus,
d. h. dafs sie mit Bücksicht auf die älteren, also gröfseren Bank-
insassen bemessen werden mufste.
673
AIb dann später mit der praktischen DuroUtiliraiig der allge-
omnen Sohulpflicht die Kinder gleichen Alters in den einzelnen
Klassen zusammengeführt wnrden, infolgedessen die GrOüsennnter-
schiede der Kinder sich in engeren Grenzen bewegten, besonders
aber, als zugleich bei dem länger andauernden Unterricht Schäd-
lichkeiten an dem kindlichen Körper zutage traten, da wurde
man auf die höchst unvollkommene AnpaCsbarkeit der allzu reichlich
bemeflsenen alten Schulbänke aufmerksam. Zuerst Barnard, 1860
(,i8ohool Architecture''), dann der ZOricher Arzt Fahrnjsr, 1863 („Das
Kind und der Schultisch^) wiesen in yorzüglichen Schriften auf
diese Mangelhaftigkeit des Schulgestühls hin. Später glaubte dann
die Theorie nunmehr einzig nur in der dem Individuum ent-
sprechenden absolut YoUkommenen Anpassung das Heil erblicken
zu mfissen. Da haben sich besonders Ärzte mit der Schulbank be-
fsüst, von denen dann einige die Schulbank wie einen orthopädischen
Apparat konstruieren zu sollen glaubten. Das ist in Kürze die
G^esis der Individualisierung.
Damit ist jedoch die Theorie ins Extreme geraten, denn die
Schulbank ist kein orthopädischer Apparat, sondern ein Kinder-
möbel, bei dem es sich zunächst darum handelte, es nun für kleinere
Kinder 2U bemessen, da es vordem für gröbere bemessen worden war.
Richtiger war daher der Weg, den die Praxis einschlug, die
mit Büoksicht auf die beiden obwaltenden Umstände vorging, indem
sie: 1.» da infolge der allgemeinen Schulpflicht in den Klassen die
Gröisenunterschiede der Kinder sich jetzt in engeren Grenzen be-
wegten als ehedem, die Abmessungen des Gestühls dementsprechend
reduzierte, und 2., da der Unterricht andauernder und die Schreib-
tätigkeit der Kinder langwieriger geworden war als vordem, den
Lehnenabstand jetzt demgemäfs bemafs. Beides ist mit der
zweisitzigen Gruppenbank erfüllt worden, die einerseits für je
um 10 cm differierende Gröüsengruppen (das Intervall kann, wenn
es nötig isti noch kleiner bemessen werden) eine nach der mittleren
Körpergrölse der Gruppe bemessene Bankgröfse bietet, wobei es sich
im ungünstigsten Falle nur um einen Gröisenunterschied der
Kinder von 5 cm handelt, dessen Wirkung in den Abmessungen
des Gestühls, da diese nur Prozentsätze der Körpergrölse betragen,
noch herabgemindert wird; anderseits hat die Gruppenbank den un-
veränderlichen, für das Schreibsitzen bemessenen Lehnen-
abstand eingeführt. Die Argumentation, die in den schulhygieni-
sehen Handbüehem und vereinzelten Schulbankschriften vorgebracht
574
wird, bei der schreibende Kinder abgebildet werden, die an der
Kante eines ihnen fast nnter das Kinn reichenden Tisches hftngen,
hat mit der Gruppenbank absolut nichts zu tan; solche Ab-
bildungen beziehen sich nur auf die unvollkommenen Abmessungen
der alten Schulbänke längst yergangener Zeit, und es ist ganz un-
berechtigt, mit solchen Spukgebilden aus der Vergangenheit, die mit
den Abmessungen der Gruppenbank in gar keinem Zusammenhang
stehen, heute noch auf die Notwendigkeit des Individualisierens hin-
zuweisen. Wer aber vermag nachzuweisen, dafr die nach den An-
gaben von Dr. SPIBSS-Frankfnrt oder anderer bemessene Gruppen-
bank Schädlichkeiten für die Entwicklung des kindlichen Körpers
zur Folge hat? Mit der Gruppenbank ist die hygienisch notwendige
Anpassung der Schulbank erfdUt, ja sie ist vollkommener erreicht
als sie mit der sogenannten Individualisierung erreicht werden kann,
wie die Urwägung der nachfolgenden zweiten Frage erweisen wird.
II. Ermöglicht die Individualisierung (Universal-
bank) eine genauere Anpassung als die Generalisierung
(Gruppenbank)?
Es sind zwei Arten der Individualisierung zu unterscheiden:
1. Die volle IndividualisieruDg, die ermöglichen würde, dab alle Ab-
messungen, und zwar unabhängig voneinander, angepafst werden
können, also vor allem: Sitzhöhe, Differenz, Lehnenabstand,
Dimension und Form des Sitzbrettes sowie der Lehne.
Ein derartiges Gkstühl würde aber eine so komplizierte Konstruktion,
so groise Herstellungs- und Unterhaltungskosten erfordern, dab es nach
menschlichem Ermessen niemals als Schulbank Verwendung finden
könnte, selbst wenn es schon erfunden wäre, was aber noch gar nicht
der Fall ist. 2. Die teilweise Individulasierung, bei der, von-
einander nach einer gewissen Gesetzmäfsigkeit abhängig, nur
Sitzhöhe, Differenz und Lehnenabstand geändert werden können,
während Sitzbrett und Lehne ihrer Form und Abmessung nach
stets gleich bleiben. Abgesehen von den Unzuträglichkeiten, die
eine aus beweglichen Teilen bestehende verstellbare Bank im Gefolge
hat, ist nach dem gegenwärtigen Stand unserer sozial-wirtschaftlichen
Verhältnisse auch die Anwendung dieses Systems, dessen Kosten
doppelt so hoch als jene der zweisitzigen (festen) Gruppen k>ank
kommen, ausgeschlossen. Gegenwärtig glaubt man doch noch nicht
einmal die Mittel für die zweisitzige Gruppenbank an allen Orten
erschwingen zu können. Sieht man aber von dem Kostenpunkt ab
und erwägt nur, wie sich die Anpafsbarkeit der teilweise indivi-
576
dualisierten oder Teistellbaren Bank su jener der Gmppenbank ver-
hält, dann gelangt man zu naohfolgenden Brgebniaaen:
Als Grondlage fflr die G-esetzmäfsigkeit» nach welcher
die Ab- und Zunahme der Dimenaionen der reretellbaren Bank zu
erfolgen hat, können natürlich nur die Eörperverhaltnisse des normal
gewachsenen Kindes dienen. Erwftgt man nun, daCs yon den
fiknf Millionen Kindern der deutschen Volksschule alles in allem etwa
100000 gemessen worden^ also nicht mehr als 2%, daTs sich diese
Messungen aber auch nur erst auf die Körpergröfse (d. i. Länge),
nicht aber auf die Körperproportion* erstrecken, die in den ein-
zelnen Gtegenden sehr rerschieden sein wird, so ergibt sich, dab
zurzeit eine Grundlage fOr die Indiyidualisierung noch gar nicht
gegeben ist. Aber selbst wenn eine fehlerfreie Ghrundlage bereits
vorhanden, d. h. die genaue Körperproportion des normal ge»
wachsenen Kindes fUr die einzelnen Orte bekannt wäre, dann würden
die danach bestimmten Einstellungen des Qestühls allen anormal ge«
wachsenen Kindern (worunter nicht etwa Krüppel zu verstehen sind)
— also der weitaus überwiegenden Mehrzahl — gar nicht passen.
Während bei der Gleneralisierung durch die Gruppenbank, da die
Abmessungen der letzteren nach dem mittleren Körper-Längenmafii
der Grölsengruppe bemessen werden, ein Spielraum für den Aus-
gleich der durch die Anormalität des Körperwuchses bestehenden
Fehler gegeben ist, bleibt bei der Individualisierung ein Ausgleich
der Fehler ausgeschlossen. Nun ist aber der Fehler-Ausgleich ein
Grundprinzip aller Genauigkeits-Bestrebungen, und deshalb ist mit
der Gteneralisierung eine grö&ere Gtenauigkeit der Anpassung verbürgt
als mit der Individualisierung, die im besten Falle nur eine Indivi-
dualisierung fElr die nach dem Elanon Gewachsenen sein kann, fOr
alle aulserhalb des Kanons Stehenden dagegen ein Zwang ist. Allein
nicht einmal die nach dem Kanon Gewachsenen kommen ganz auf
ihre Bechnung, weil ja der Kanon in den verschiedenen Lebensaltem
des Entwicklungsstadiums ein verschiedener ist, und weil bei
der Universalbank Sitzbrett und Lehne der Form und Abmessung
nach nicht geändert werden können oder doch nur mit einem so
komplizierten Mechanismus, dab er sich für die Praxis von selbst ver-
bietet In der Tatsache aber, dab Bmtowziff seine verstellbare
Bank in mehreren Gröfsen herstellt, also damit zum Prinzip der
Gmppenbank greift, liegt zugleich das Eingeständnis der Unvoll-
kommenheit der auf dem Wege des Individualisierens erreichbaren
Anpassung.
576
m. Ist es überhaupt möglich, stets gleichwertig und
damit auch richtig einsustellen?
Man kann mit voller Sicherheit des Zntrefiens behaupten, dab
dieser Lehrer, Schularzt oder wer sonst die Einstellung des OestOUs
besorgen soll, fftr ein und dasselbe Kind nicht ebenso einstellen
wird, wie jener, ja da(s nicht einmal ein und dieselbe Peisoa
morgen ebenso einstellen wird, wie sie heute oder gestern an-
stellte.
Da nun aber die Einstellung variabel ist — und es sind
sogar sehr grolse Schwankungen dabei nicht ausgeschlossen — so
kann sie auch nicht richtig sein. Die Variabilität der Binstellungs-
werte ist ein weiterer Fehler in der Anpa&barkeit der Universal-
bank. Dazu kommt noch, dafs Wohl und Wehe der Kinder hin-
sichtlich der Anpassung in die Hand eines Menschen gegeben ist,
und man, besonders bei der Mühe und dem Zeitverlust, die die
Einstellung von nicht wenigen und nicht leicht bestimmbaren Ma&ea
an 50 — 60 Sitzen in der Klasse verursachen, vor allem auch die
Unvollkommenheit und Verschiedenheit der menschlichen Oharakter-
eigenschaften in Bechnung ziehen muis. Das praktische Leben
rechnet stets mit diesem Faktor, indem es überall da, wo es von
Wichtigkeit ist, dafs etwas in absolut richtiger Weise und zur ge-
nauen Zeit erfolge, die Zuverlässigkeit automatisch tätiger Mechanismen
in seinen Dienst stellt. Eine gleiche Wirkung übt die G-ruppenbank
aus, indem sie für eine bestimmte Körperlänge die Anpassung des
Gestühls fix und fertig bietet, es ist also nur nötig, ein einziges
Mafs, nämlich die Körperlänge des Kindes zu kennen. Wenn wir
es aber — leider I — zurzeit noch nicht einmal so weit gebracht
haben, dals dieses eine Mab an allen Orten jährlich zweimal ge-
messen, gewissermaisen die Körperlänge eingestellt wird, wie kann
man da (abgesehen von allem anderen) annehmen wollen, es würden
jährlich zweimal etwa ein halbes Dutzend Mause genau eingestellt
werden, die richtig einzustellen noch dazu viel schwieriger ist als
die eine Körperllbige mit der ganz bestimmten Begrenzung durch
die festaufliegende Fuissohle des Stehenden und den festen Knochen
seiner Schädeldecke?!
Darauf zu dringen, dals tunlichst an allen Orten die Schulkmder
jährlich mindestens zweimal gemessen werden, und dabei nach Kräften
mitzuwirken, darin sollte gerade der Arzt als Anatom und Hygieniker
seine Hauptaufgabe erblicken (als leuchtendes Vorbild hierfiBr mnla
an die so ersprielsliche Tätigkeit von Dr. SPIBSS-Frankfurt erinnert
577
werden^), nicht aber in der Erfindung solcher orihopädifloher Schul-
bank-Apparate, die für die Praxis in mehr als einer Beziehung
wertloB sind nnd deren Anwendung sich von selbst unmöglich macht;
denn „die praktischen Schwierigkeiten bei der Befriedigung der
hygienischen Forderungen an die Subsellien" sind bei der Universal-
bank nicht nur grOlser als bei der G-ruppenbank, sondern lassen sich
durch die Individualisierung überhaupt nicht in dem Grade über-
windeuy der als noch annehmbar gelten darf.
* „Zur praktischen Lösiing der SabBellienfrage.^ Von Stadtant Dr. Sphss-
Fnaklart a. IL Dtsche. Vierte^ahrsrnskr. f. öffmtl Gtaundhi^fl. Bd. 17. HeR 2.
Berichtigung nnd Abwehr,
die Stuttgarter Jahresversammlung des Deutschen Vereins
für Sohulgesundheitspflege betreffend.
Von
dem Vorsitzenden.
Wie schon in vergangenen Jahren hat auch in diesem Jahre
Hear Begierungs- und Medizinalrat Dr. Abbl Veranlassung genommen,
über die Versammlung unseres Vereins in der Zeitschrift fwr Schul-
gemudheUspflege Nr. 7, S. 365 ff. zu referieren. Zunächst ist ein
Irrtum auf S. 869 zu berichtigen. Keinerlei Begrüüsungsansprachen
worden auf besonderen Wunsch des Vorsitzenden, sondern alle nach
Vereinbarung zwischen Vorstand und Ortsausschuls bestimmt. —
fiebreffis der gegen den Verein und die Teilnehmer seiner Jahres-
versammlungen gerichteten Äufserungen des Herrn Abel hftlt es
isi »Vorstand'' für seine Pflidit, auf das entschiedenste und naoh-
drüekUchste Einspruch zu erheben.
Der Ausspruch des Herrn Abel: „Der Verein hat es bisher
nicht verstanden» die hervorragenden Kräfte der Schulgesundheits-
pflsge so in sich zu vereinen und so zu tätiger Mitarbeit anzuregeui
dab er wirklich als Deutscher Verein für Sohulgesundheitspflege
gölten könnte^ — beruht auf einer Verkennung der Tatsachen.
Das in Heft 5/6 des 4. Jahrganges der y^Qesimden Jugend^ ver-
^dbntUchte Gesamtmitgliederverzeichnis enthalt aus allen Gegenden
578
DentBohlands herrorrageiide Mediziner, Pftdagogen, Verwaltongs-
beamte und Techniker, die sich teils in wissensidiafUicher, teils in
praktischer Hinsicht auf dem Gebiete der Schulhygiene mit Erfolg
betätigt, an den Arbeiten des Vereins mit grOlstem Interesse Anteil
genommen und seine Bestrebungen energisch gefordert haben.
Eis liegt in der Natnr einer Wanderveisammlung, insbesondere
aber dann, wenn diese erst auf ein fünfjähriges Bestehen surCli^-
blicken kann, dals ihre Tagungen meistens andere Teilnehmer und
andere Redner aufweisen. Ich habe bei persönlicher Beteiligung
schon allerlei Wanderrersammlungen kennen gelernt, habe auch
einige derselben mehrere Jahre hintereinander besucht, ich habe aber
dieselben Versammlungen folgeweise nie homogen gefunden und auch
beim Vergleich der Teilnehmerlisten mehrerer Jahre hat sich eine
Homogenität nicht entdecken lassen. Auch fttr die Jahresrersamm-
lungen des Deutschen Vereins für Schulgesundheitspfiege dürfte eine
solche wohl kaum erreichbar sein.
Stets wird ein grofser Prozentsatz der Teilnehmer (ein Drittel
und mehr) dem Versammlungsorte und seiner Umgebung bezw. der
Provinz oder dem Bundesstaate augehören, wo der Ort gelegen isi
So war es beispielsweise in Weimar und Bonn. Für den Deutschen
Verein für Schulgesundheitspflege ist eine derartige Zusammensetzung
nicht ohne Vorteil; denn er bezweckt gerade diejenige Landschaft,
in welcher der Versammlungsort liegt, mit seinen Ideen zu imbibieren.
Bei der Zusammenkunft unseres Vereins in Stuttgart, die ron allen
bisherigen Tagungen wohl am stärksten besucht war, kommt für die
erfreulich grolse Teilnehmerzahl aus dem württembergischen Lande
ein ganz besonderer umstand in Betracht, der nämlich, daCs das Königl.
Ministerium des Kirchen- und Schulwesens wegen der ErmOgliohung der
Teilnahme der dem Departement angehorigen Lehrer die erforderlichen
Weisungen an die beteiligten Behörden ergehen liels. Im übrigen
darf man für die Beteiligung ron auswärts mancherlei EViktoren
nicht aulser acht lassen. Insbesondere kommen in Frage die mit
der Länge der Reise yerbundenen Kosten sowie der Verlust an Zeit
und Bequemlichkeit. Derartige Faktoren sind trotz allen Interessss
und trotz des Wunsches nach Beteiligung fbr manchen nicht selten
ausschlaggebend. Dals die Stuttgarter Versammlung von auswärtigen
Regierungen weniger beschickt war als frühere Versammlungen, beruht
auf umständen, die sich hier der Erörterung entziehen. Besonderss
Wohlwollen brachte aber die württembeigische Regierung der Ver-
sanunlung entgegen. Als Vertreter des Königl. Ministeriums des
679
Eiicben- und Sohulwesens nahm der Minister selbst, als Vertreter
des Königl. Ministeriums des Innern der President des Medisinai-
kollegfinrns an der Veraammlung teil.
Völlig Terfehlt wäre es, wenn man, wie Herr Abbl es tut, ans
der yerschiedenen Zusammensetzung der Jahresversammlnngen
eines Vereins einen Mangel an Stetigkeit innerhalb desselben
konstmieren wollte.
Die Stetigkeit, insbesondere unseres Vereines, liegt ganz ander-
wärts. Sie liegt in der Verfolgung genau yorgeschriebener Wege
und in dem Erstreben ganz bestimmter Ziele.
Zunächst handelt es sich für unseren Verein darum, die Kennt-
nis der Schulhygiene in den Schulen des Deutschen Reiches zu yer-
breiten, sowie auf die der Gesundheit ron Lehrern und Schülern
durch die Schule drohenden Gefahren aufmerksam zu machen und
ihre Beseitigung anzustreben. Zu diesem Zwecke muis der Verein
insbesondere den Lehrern und Ärzten schulhygienische Fragen
unterbreiten und zur Losung derselben die Mitarbeit beider in har-
monischem Zusammenwirken und in möglichst umfassender und er-
giebiger Weise zu gewinnen suchen. Hierzu sollen in erster Linie
die Jahresversammlungen, und ferner die Ortsgruppen beitragen, da
andere Mittel und Wege zur Erreichung dieses Zieles zurzeit nicht
oder doch nur sehr spärlich Torhanden sind.
Wo sind die „Ersten und Besten" auf dem Gebiete der
Schulhygiene — ron denen Herr Abel spricht — , die in dem ge-
nannten Sinne helfend zu wirken vermöchten?
Sind etwa schulhygienische Lehrstühle vorhanden, deren Lihaber
der Verein um ihre Mitarbeit ersuchen könnte? Schulhygieniker von
Beruf, beamtete Personen mit einer ebenso vollständigen medizini-
schen als auch pädagogischen Vor- und Durchbildung, die aus eigener
Anschauung und Er&hrung den Schulbetrieb kennen und zugleich
über schulhygienische Arbeitsstätten verfügen, gibt es weder in den
Verwaltungen noch an den Hochschulen in Deutschland. Solange
es aber noch an einem derartigen System mangelt, durch welches
einerseits die zukünftigen Lehrer der Volks- und höheren Schulen,
andererseits die zukünftigen Schulärzte und Medizinalbeamten im
Schulressort theoretisch und praktisch in der Schulhygiene heran-
gebildet werden, solange insbesondere die eigentliche Unterrichts-
hygiene und die physiologische Bxperimentalpädagogik noch keinen
oder doch nur geringen Eingang in das ünterrichtswesen gefunden
haben, müssen Schulmänner und Ärzte, die sich für einen gesunden
680
Sohulbetrieb intereeBieren und ihm ihre Krftfte widmen, sich den
richtigen Mafeetab hygienischer Fürsorge selbst konstruieren. Von
diesen Gesichtspunkten aus wurde der Deutsche Verein fbr Schol-
gesundheitspflege gegründet, und er ist eurzeit in Deutschland die
einzige Institution, welche die Schulhygiene nach allen Richtungen
hin fordert. Seine Versammlungen haben Ton Jahr zu Jahr deut-
licher ein harmonisches Znsammenwirken von Ärzten und Lehrern
gezeigt und ihre gemeinsame Arbeit gekrftfdgt. Dals das Zusammen-
wirken der „ Schulhygieneamateure " — wie sich Herr AbbIi aus-
drückt — auch von Erfolg gewesen ist, wird dadurch bewiesen, dab
Vorschlftge, welche aus dem SchoÜBe der Versammlungen heryor-
gegangen sind, bei yersehiedenen Behörden zur Erwägung und zur
Einführung des Vorgeschlagenen führten. Ich erinnere nur an
die Antworten auf die Weimarer Petition (y^Gesunde Jugend*,
m. Jahrg., Heft 1/2, S.48£F., und IV. Jahrg., Heft S/4, S. 128 ff.).
Der Erfolg spricht sich auch darin aus, dafs bereits eine grOfsere
Anzahl staatlicher und städtischer Behörden dem Verein als Mitglied
beigetreten sind. Unter ihnen sind auch solche, die zu jeder Ver-
sammlung der letzten Jahre Vertreter entsandten.
Die Behauptung des Herrn Abbl, die Teilnehmer unserer Ver-
sammlungen ständen unter dem suggestiven Einfluls des Vereins-
Yorstandes, und der grölste Teil von ihnen wisse von den früheren
Verhandlungen — dieselben werden bekanntlich in extenso in unseren
Berichten abgedruckt — nichts und von der Schulhygiene
nicht viel mehr, erweckt, wie mich däucht, den Schein einer
aulserordentlich grolsen Selbstüberhebung, indem sie die Sachkundig-
keit und Urteilsftlhigkeit hochangesehener, erfahrener und
bewährter Schulmänner, Ärzte und Verwaltungsbeamten
herabzusetzen sucht.
581
Srwidenmg auf Tontehende Bericlitiguig und Abwehr.
Von
Dr. Abbl in Oppeln.
Der Vontand des DentBchen Vereins für Sohulgesondheitspflege
bestreitet die Richtigkeit der Ansfübrangen, die iob am Schlnsse
meines Berichts über die letzte JahresTersammlnng des Vereins
{diese ZeitsArifi, Bd. XVIII, S. 365—389) gemacht habe. Ich sehe
mich dadaroh genötigt, meine kritischen Bemerkungen ntther su be-
grOnden, nnd werde mich dabei yomehmlich auf Tatsachen and
Zahlen stützen, die ich den Veröffentlichnagen des Vereins in seiner
Zeitschrift, der ^Gesunden Jugend^ (abgekürzt j^Q.J,^), entnehme.
1. Wie der Vereinsvorstand zutreffend ansftthrt, gibt es bisher
in Deatsohland Männer, deren Bernf aasschliefslich in der Pflege
der Schulhygiene besteht, noch nicht« Um so mehr hätte sich der
Verein aber bemühen sollen, die Personen als Mitglieder zu ge-
gewinnen, in deren Berufsarbeit die Schulhygiene einen wesentlichen
Bestandteil ausmacht. Das sind, neben den Schulärzten, die Lehrer
der Hygiene an den Hochschulen, die beamteten Ärzte, denen die
Forderung der Schulhygiene z. B. in Preufsen als besondere Aufgabe
amtlich übertragen ist, die Schulmänner femer, denen der Staat die
Beaufsichtigung des Schulwesens anvertraut hat.
Nun finden sich in der letzten Zusammenstellung der Mitglieder-
liste des Vereins („G. J,^ Bd. IV, Heft 5/6, Anhang) vom Frühjahr
1905 als Mi<;glieder verzeichnet z. B.
von den ordentlichen Professoren der Hygiene an den
deutschen Hochschulen nur 2
von den auüserordentlichen Professoren und Privat-
dozenten der Hygiene nur 4
von den rund 680 Medizinalbeamten Prealsens nur 18
von den 134 Begierungs- und Provinzialsohulräten
Preulsens nur 2
von den 324 hauptamtlichen Kreisschulinspektoren
Preulisens nur 4
Fügen wir hinzu, dals der Verein z. B. in den östlichen Pro-
vinzen Preulsens (Ost- und Westpreufsen, Pommern, Posen, Schlesien)
682
mit rund 7Vt Millionen Einwohner inageeamt nur 44 ICtglieder
zählt, in Hannover» Westfalen, Schleswig-Holstein mit rund 7,2
Mill. Einwohner ebenfalls nnr 42, so erhellt die Berechtigung meiner
Bemerkung: «Der Verein hat es bisher nicht rerstanden, die hervor-
ragenden Kräfte der Schulgesundheitspflege so in sich zu vereinen^
dals er wirklich als Deutscher Verein fCLr Schulgesundheitspflege
gelten könnte. ** Alle ^Besten und Ersten^ umfafst er nicht entfernt
2. Indessen bestreitet niemand, daCi der Verein eine greise Zahl
auf dem Oebietö der Schulhygiene hervorragender Kräfte in sich
birgt. Aber „er hat es nicht rerstanden, sie zu tätiger Mitarbeit
anzuregen". Zum Beweise dafOr mögen folgende Zahlen aus den
in der „Q. J.* veröffentlichten TeilnehmerUsten der Jahresversamm-
lungen, in denen sich zugestandenermafsen die Hauptarbeit dea
Vereins abspielt, dienen.
ESs nahmen Teil an der Jahresversammlung zu
Eniammeii davon aus dem Versamm- entfernter
Penonen Inngvort and seiner näheren wohnende
ümgebang Personen
Wiesbaden 1901 185 135 50
Weimar 1902 175 124 51
Bonn' 1903 152 103 49
Stuttgart 1905 485 443 42
Es stammten also stets nur ein Viertel bis ein Drittel, 1905
sogar nur ein Zwölftel der Teilnehmer nicht aus dem Versamm-
lungsorte und seiner näheren Umgebung. Die Zahl der Personen,
die aus Interesse an den Versammlungen weitere Reisen unternehmen»
ist von Tagung zu Tagung nicht gestiegen, sondern, da die Mit-
gliederzahl inzwischen zunahm, absolut und im Verhältnis eher ge-
sunken. Im Frtthjahr 1905 zählte der Verein nach dem bei 1. er-
wähnten Mitgliederverzeichnis in Deutschland auiser Württemberg
830 Einzelmitglieder (neben 193 Magistraten, Vereinen usw.). Von
ihnen waren im ganzen nur 40 auf der Versammlung erschienen
oder vertreten.
Noch schlagender geht die mangelnde tätige Mitarbeit der Ve^
einsmitglieder an den Versammlungen aus einer Berechnung darüber
hervor, wieviel Mitglieder mehreren Tagungen beigewohnt haben.
^ Die Liste boII nicht gans vollständig sein, vermntlioh sind es auch die
anderen nicht, doch kann eine wesentliche Verschiebung des Ergebnisses^
dadurch nicht bedingt werden.
683
Eb war«n anwesend (1904 fand nnr eine Qeschäfiasitzung statt):
in Weimar 1902 nnd zugleich in Bonn 1903 21 Mitglieder,
davon 8 vom Vorstand;
. in Weimar 1902 nnd zugleich in Stuttgart 1905 11 Hitglieder,
davon 6 vom Vorstand;
in Bonn 1903 und zugleich in Stuttgart 1905 11 Mitglieder,
davon 4 vom Vorstand.
In 3 Versammlungen (Weimar, Bonn, Stuttgart) waren 7 Mit-
glieder, davon 4 vom Vorstand, zugegen.
An 4 Tagungen (Wiesbaden, Weimar, Bonn, Stuttgart) be-
teiligten sich 3 Mitglieder (der Vorsitzende, Gemeinderat SrocEMAYEii-
Stattgart, Abbl).
Es geht daraus hervor^ dab die meisten Teilnehmer nur je eine
Tagung mitgemacht haben, dals nur 10 bis 20 an 2 Versammlungen
sieh beteiligt haben und dafs nur ganz vereinzelte Mitglieder mehr
als zwei Tagungen besucht haben. „Jede Tagung zeigt ein neues
Bild, — um den Vorstand geschart die Freunde der Schule aus
dem Versammlungsorte und seiner Umgebung.^
3. Die Ausführungen zu 2 belegen bereits die Berechtigung
der Ansicht, es fehle dem Verein an „Stetigkeit^. Der Vorstand
entgegnet dem, alle Wanderversammlungen von Vereinen seien folge-
weise nie homogen« Er scheint mir dabei aber einen wesentlichen
Umstand zu ttbersehen. Tagungen mit grofsen Arbeitsgebieten, wie
die Naturforscherversammlung oder die des Deutschen Vereins für
öffnitliehe Gesundheitspflege, mögen alle Jahre wechselnde Zu-
sammensetzung zeigen, denn jedes Jahr verhandeln sie über andere
Fragen, die mit den früheren Tagesordnungen keinen Zusammenhang
haben (tatsächlich ist auch bei den Tagungen dieser grofsen Vereine die
«Stetigkeit** des Teilnehmerkreises eine ganz andere, als bei dem Verein
fbr Schulgesundheitspflege). Anders liegen die Dinge aber bei einem
Verein, der ein so kleines Gebiet wie die Schulgesundheitspflege,
imd daraus bis jetzt auch nur einzelne Gegenstände bearbeitet, die
in kaum veränderter Gestalt fast alle Jahre wieder auf der Tages-
ordnung erscheinen. Er mufs auch Stetigkeit in den Personen der
Teilnehmer haben, sonst kommt er in Gefahr, wie es in dieser
Zeitschrift, Bd. XVI, S. 490/491, an Beispielen dargetan worden
ist» von Jahr zu Jahr wechselnde Beschlüsse zu fassen.
4. Nach den Ausführungen des Vereinsvorstandes liegt aber die
Stetigkeit des Vereins in der Verfolgung genau vorgeschriebener
Wege und in dem Erstreben ganz bestimmter Ziele. Als solche
684
beieiohnet er Verbreitung der Lehren der SdhnUiygiene, Gewinnung
der Ärzte und Lehrer zur Mitarbeit durch die Jahresremmmliuigen
und die Ortsgruppen. Der Vorstand mnls sieh aber dooh selbst sagen,
dais Versammlungen, in denen erst Propaganda fOr die Sdhiulhygieiie
gemacht, Interesse für sie erweckt, in denen die Gegend des Tagungs-
ortes, wie der Vorstand sagt, mit den Ideen des Vereins y,imbibiert*
werden soll, nicht ein Forum darstellen, auf dem ohne Beteiligung
zahlreicher schulhygienischer Erftfte aus allen deutschen Gkuen Be-
sohlflsse von „überzeugender, zwingender Kraft* gefafst werden
können. Dazu gehört eben doch eine andere Zusammensetzung, ab
sie z. B. die Stuttgarter Versammlung zeigte (820 württembeigis^Ae
Volksschullehrer, 120 Lehrer höherer Schulen, Ärzte usw. aus Würt-
temberg und nur 40 Niohtwürttemberger Deutsche). Was er erstrebt,
die Mitarbeit der Lehrer und Ärzte „in möglichst umfieusender und
ergiebiger Weise zu gewinnen*^, ist dem Verein eben noch nieht
gelungnen.
Als Beweis für die Erfolge der Vereinsversammlungen führt
der Vorstand die Antworten auf die Weimarer Petition an. Dieee
Petition bittet fiegierung und Stadtverwaltungen um die Eiinführung
von Schulärzten in den Stftdten und auf dem Lande. Wenn man
bedenkt, dafs 1902, als diese Petition erfolgte, wohl schon 60—80
deutsche Stfidte Schulärzte hatten, in Sachsen-Meiningen auch schon
Landschulftrzte tätig waren, allerorten die Schularzt£rage lebhaft e^
örtert und gefördert wurde, so kann man die Petition, auf die
einige kleinere Staaten reagierten, als eine wirklich bemerkenswerte
Tat wohl nicht ansehen. So erwähnt sie denn auch Sohubbbt in
seinem Buche über das Schularztwesen in Deutschland (Hamburg,
Leopold Voss, 1905) bei seinem Überblick über die Entwicklung des
Sohularztwesens in Deutschland nicht.
Dagegen kann man dem Verein vorhalten, dals er einen
Mangel an Stetigkeit bewiesen hat, indem er Arbeiten aufnahm,
ohne sie zu Ende zu führen. Was ist z. B. aus der 1901 gebildeten
Antiqua- Kommission geworden, die 1908 in Bonn berichten sollts?
(nO. J^ Bd. IV, Ergänz. Heft S. 60.) Was aus den Weimarer Be-
schlüssen über die Ferienfrage, nach deren Erfolg schon 1903 ver-
geblich gefragt wurde? [Ebenda S. 66.)
Ortsgruppen hat der Verein bisher anscheinend sechs. Nur
von zweien hat man bisher Verhandlungen im Vereinsorgan ge-
lesen. In der Stuttgarter Versammlung wurde nichts über sie be-
richtet.
685
5. SohaTf wendet sich der Voratand gegen meine Behauptung,
die Veisammlungsteilnehmer wülsten von den früheren Yerhandlnngen
nichts. Der Beweis dafür ist leicht zu führen. Es genügt ein Ver-
gleich der Verhandlnngsherichte, um zu sehen, da& stets wieder die
gleichen, längst in früheren Versammlungen erledigten Erörterungen
▼orgebraoht werdmi. Ja selbst dem Vorstande sind die früheren
Verhandlungen und ihre Ergebnisse nicht stets gegenwartig, sonst
könnte er nicht einander so widersprechende Beschlüsse zulassen,
wie ich deren in dieser Zütsdir., Bd. XVI, S. 490/491 mehrere er-
wähnt habe.
Ein richtiges Bild von den Verhandlungen bekommt nur, wer
ihnen selbst beigewohnt hat, und, wie gezeigt, haben nur wenige
Vereinsmitglieder mehr als eine Versammlung besucht. Gedruckte
Berichte können nur einen ungefthren Eindruck vermitteln. Die
in der „Q-. J.*^ veröffentlichten Sitzungsberichte sind aber nicht einmal
▼ollständig. Bei dem Bericht nber die Bonner Versammlung fehlt
der Vortrag von Dr. Kastbnho^, der mit der Diskussion die Ver-
sammlung mehrere Stunden bescG|ftigte, als nachträglich vom Bedner
zurückgezogen, ganz. (Vgl. „O.X'', Bd. IV, Ergänz. Heft S. 9 und
diese Zeitsehr. Bd. XVI, S. 466—471.) In „ö. J.^ Bd. V, Ergänz.-
Heft, fehlt Geschäft»- und Kassenbericht.
6. Weiter beanstandet der Vorstand meine Bemerkung, dals
die Versammlungsteilnehmer gröistenteils auch von der Schulhygiene
nicht viel mehr wüfsten als von den Vereinsverhandlungen. Das
ist natürlich bis zu einem gewissen Grade ein subjektiver Eindruck,
loh stütze mich auf Beobachtungen, die ich sowohl während der
Verhandlungen in der Diskussion, im Gespräch mit Teilnehmern,
wie nach den Verhandlungen bei der Besichtigung von Schul-
gebäuden gemacht habe, wo z, B. die Bettigbank regelmälsig als
den meisten Teilnehmern unbekannt sich erwies. Übrigens bestärkt
mich der Verein selbst in meiner Ansicht. Er hält bessere Unter-
weisung der Lehrer in der Schulhygiene für nötig („G.J.^ Bd. III,
Eärgänz.-Heft S. 52—71, Beschluß ebenda S. 102), er nimmt Klagen
über geringes schulhygienisches Interesse der Lehrer an den höheren
Schulen widerspruchslos entgegen {ebenda 8. 105, Bd. V, Ergänz. Heft
S. 57—58), er will nach eigener Erklärung des Vorstandes die
regionären Versammlungsteilnehmer erst mit seinen hygienischen
Ideen „imbibieren" (ich brauche den Ausdruck „suggerieren*^ — zu
deutsch: einflöÜBen, beeinflussen — , da der Verein zum Teil seine
besonderen Ziele verfolgt. Auch der Verein sieht demnach in einem
Selia1g«iiiiidlMitspflege. XVIII. 31
586
weeentliobeii Teile Beiner Tagnngsgenossen nicht perfekte Sclial-
hygieniker. Nienumd kann ja anoh wohl mit Eleehi annehmen, dafs
eine Versammlnng von der Zusammensetzung wie die Stuttgarter
zum Beispiel zu mehr als einem kleinen Teile aus Mftnnem besteht«
die wirklich Fachleute in der Schulhygiene, die mehr als ,,Preunde
der Schule^, als „Schulhygieneamateure'* (ich weifs auch jetzt noch
keinen Ausdruck, der» ohne yerletzen zu können, ebenso bündig das-
selbe sagte) sind. Bin Vorwurf fttr i]*gend jemand liegt in meinen
Worten nicht und kann m. E. auch nicht daraus entnommen werden.
Die Tüchtigkeit der Versammlungsteilnehmer in ihrem Berufe habe
idi nicht angezweifelt, ebensowenig ihre allgemeine Urteils&htgkeit,
aber in ihrer Mehrzahl kann ich sie nicht fbr kompetente Beurteiler
auf dem Gebiete der Schulhygiene halten und glaube auch, dab sie
sich zumeist wohl selbst nicht als solche betrachten. Da meine
eigene Qualifikation in der Schtdgeeundheitspflege dabei ganz auiser
Betracht bleibt, bin ich mir nicht bewulst, auch nur entfernt „einer
aulserordentlich groisen Selbstüberhebung" mich schuldig gemacht
zu haben.
7. Die Angabe, es seien die BegrüÜBungsreden zum Teil auf
besonderen Wunsch des Vorsitzenden gehalten worden, beruhte auf
mündlichen Mitteilungen. Es ist richtig, wie ich mich brieflich
überzeugt habe, dab dabei der Ortsausschuis die Vermittelung gemacht
hat. Im übrigen lege ich auf diesen auch in meinem Bericht ganz
nebensachlich behandelten Punkt keinerlei Wert.
8. In meinen Berichten über die Vereinsversammlungen die
Orenzen einer erlaubten Kritik irgendwie überschritten zu haben,
muls ich entschieden bestreiten. Wo irgend Grund zur Anerkennung
sich bot, habe ich stets mich lobender Worte bedient; ich verweise
auf meine in dieser ZeUaehr. Bd. XV, XVI und XVIII er-
schienenen Berichte. Wo jedoch meiner Meinung nach in den
Verhandlungen Fehler begangen worden waren, da habe ich auch
ungescheut meine Ansicht kundgetan, nicht aus NOrgelsuoht, sondern
in dem aufrichtigen Bestreben, die Sache der Schulhygiene und
damit auch die des Vereins zu fördern, deutlich und ohne Ansehen
der Person, aber auch stets sachlich und ohne jede Absicht, persön-
lich zu verletzen. Ich glaube noch jetzt, den Interessen des Vereins
damit am besten gedient zu haben.
Mit dieser eingehenden Begründung meiner kritischen Be-
merkungen ist die Diskussion filr mich geschlossen.
587
3lits Derfantntlttniett tttt]> Dereittett.
Der 5. Terbandstag der Hilfaschnlen Deutschlands in Bremen
(25. bis 27. April 1905).
Von
A. Henze,
Bektor in Hannover.
Vom 25. bis 27. April fieuid im GreseUsohaftshanse „Union** in
Bremen der 5. Verbandstag der Hilfsschulen Deutschlands
statt Gegenüber den früheren Tagungen des Hil£Bsohulverbandes
hatte auch diese wiederum eine wesentliche Steigerung der Teil-
nehmersabl aufzuweisen. Es nahmen an den Verhandlungen rund
400 Personen teil. Unter diesen waren neben den Leitern und
Lehrern der Hilfsschulen sowie Vertretern sonstiger Sohulgattungen
und Anstalten für Schwachsinnige fünf Ministerialvertreter, vier Ver-
treter königlich preuisischer Begierungen, etwa 40 Stadtschulräte und
•Lispektoren und eine gröisere Anzahl von Juristen, Ärzten und
Geistlichen. Mit dem Verbandstage war eine Ausstellung von Hilfs-
sdhnlliteratur und Lehrmitteln verbunden. Von letzteren wurden
mehrere von den Erfindern vorgeführt. Am Abend des 25. April
fand von 6 bis UV« Uhr die Vor Versammlung statt. Nach einer
kurzen Eröffnungsansprache des ersten Vorsitzenden, Stadtschulrat
Dr. WEHBHAHN-Hannover, sprach zunftchst Hilfsschullehrer Busoh-
Magdeburg über die Ausbildung der Hilfsschullehrer. Nach
einer Darlegung der dem Hilfsschullehrer aus der Eigenart seiner
Zöglinge erwachsenden besonderen Aufgaben begründete der Vor-
tragende damit die Notwendigkeit einer besonderen wiBsenschaftliohen
imd praktischen Ausbildung der Lehrpersonen, die der Hilfsschul-
tfttigkeit sich zuwenden. Er forderte für diesen Zweck staatlicher-
seits einzurichtende Kurse und legte dar, was etwa in diesen den
Teilnehmern geboten werden müiste. Zur Gewährleistung der für
den HUfsschuUehrer unerlalslichen Kenntnisse in Theorie und Praxis
hielt er eine Prüfung fOr Hilfsschullehrer, ähnlich der für Taub*
etummenlehrer, der eine mindestens zweijährige Betätigung in der
31*
588
Hilfsflohnle yoran&ngehen habe, für dnrohaiiB notwendig. — Die
Yersammlang erklärte sich mit der Forderung Ton Ansbildangdnmen,
die auch von Städten und Vereinen eingerichtet werden könnten,
emyerstanden, lehnte aber eine besondere PrOfung fbr Yolkasehnl-
lehrer ab.
Einen zweiten Vortrag hielt Dr. med. WiKKLBB-Bremen, Special-
arzt für Sprachstörungen, über das Thema: Behandlung von
Sprachgebreohen in der Hilfsschule. Redner beschränkte sich
in seinen Ausftthrungen auf die gemeinsame Tätigkeit des Schularstes
und Hilfsschullehrers auf dieeem Gebiete. Ausgehend von der Tat-
sache, dals ein hoher Prozentsatz der Hilfsschulzöglinge mit Spiaoh-
gebrechen behaftet sei, wies er zunächst nach, dals eine präzise Ein-
teilung der Sprachgebrechen auf anatomisch-pathologischer Orundlage
bislang nicht möglich gewesen sei. Er charakterisierte alsdann die
einzelnen Sprachstörungen, indem er im Anschluß an Rungb sieben
Funktionen zum normalen Sprechen als notwendig bezeichnete und
ausführte, welche von diesen bei den einzelnen Sprachstörungen
fehlen. Er betonte alsdann mit Nachdruck, daft die schwereren
Formen sprachlicher Störungen in der Hilfsschule als solche nicht
behandelt werden könnten, z. B. Hörstummheit, Aphasie, Hotten-
tottismus, Echolalie, dalis die Hilfsschule vielmehr sich auf den
Agrammatismus, die Bradyphasie, das Poltern und gewisse Fälle des
Stottems zu beschränken habe. Wegen der aufserordentlichen Be-
deutung des Gkhör- und Oesiohtsorgans, speziell auch fär die sprach-
liche Entwicklung, hielt der Referent eine sorg<ige Prüfung dieser
Organe durch tüchtige Spezialisten für notwendig, mit Hinweis darauf,
dafs sonst leicht Schwachsinn und Sprachstörungen fälschlich an-
genommen werden könnten. In bezug auf Operationen innerhalb des
Bereichs des eigentlichen Sprachapparates zum Zwecke der Beeserung
der sprachlichen Leistungen ermahnte Redner zu grolser Voreicht
und warnte davor, zu greise Hoffnungen daran zu knüpfen. Er ist
der Ansicht, dals solche Eingriffe, und sei es auch nur die Entfernung
von Gaumen- und Knochenmandeln, stets nur in der Narkose und
wegen der starken Einwirkung auf das schwache Zentralnervensystem
der Schwachsinnigen nur in den Fällen vorzunehmen seien, wenn
davon zugleich eine wesentliche Förderung der Gesamtentwicklnng
oder die Beseitigung lebensgefährlicher Zustände zu erhoffen sein
würde. — An den Vortrag schlols sich eine längere Debatte an, die
viel interessantes Material über Sprachstörungen aus der Praxis zu-
tage forderte.
589
Es wurde darauf nooli eiue Beihe von geBohäfUidien Angelegen-
heiten erledigt. Der Vorsitzende bat dringend, einem vom Verbände-
Torstande aus zwei Juristen, zwei Psychiatern und zwei Pädagogen
gebildeten Ausschüsse zum Rechtssohutze für die geistig Minder^
wertigen oder dem Vorstande selbst alle Fälle zur Kenntnis zu
bringen, wo Art und Maus von gerichtlichen Bestrafungen Schwach-
sinniger als unrichtig erscheinen, femer alle Jahre zeitig genug dem
Zivilvorsitzenden der Aushebungskommissionen und den Bezirks-
kommandos die Personalien der in dem betreffenden Jahre gestellungs-
pflichtigen firüheren Hilfsschulzöglinge einzureichen, um so einerseits
Material zur Herbeiführung einer entsprechenden Rücksichtnahme
auf die Q^istesschwachen im Strafrecht zu beschaffen, anderseits sie
▼or feüsoher Behandlung beim Militär möglichst zu schützen. Bei
der Vorstandswahl wurden Stadtschulrat Dr. Webbhahn (erster Vor-
sitzender), Rektor HBNZE-Hannoyer (zweiter Schriftführer) und Lehrer
BooK-Braunschweig (erster Kassierer) wiedergewählt.
Am 26. April fand von morgens 9 Uhr bis nachmittags 2^/a Uhr
die Hauptversammlung statt. In dieser gab zunächst der Vor-
sitzende einen Überblick über die äulsere und innere Entwicklung
des Hilftschulwesens in den seit dem vorigen Verbandstage verflossenen
zwei Jahren. ESs bestehen zurzeit in über 150 deutschen Städten
230 Hilfsschulen mit 660 Klassen und 15000. Kindern. Das be-
deutet abermals eine wesentliche Zunahme um 25 Schulen und
60 Klassen gegenüber den vor zwei Jahren mitgeteilten Zahlen.
Das preuisische Kultusministerium hat wieder verschieden&ch sein
lebhaftes Interesse für das Hilfsschulwesen und die Bestrebungen des
Verbandes bekundet, so im Sommer 1903 durch Veranstaltung einer
Hil&schulstatistik, die für Preufsen in 76 Städten 143 Schulen mit
885 Klassen und 8207 Kindern, unterrichtet von 317 Lehrern,
81 Lehrerinnen und 31 technischen Lehrerinnen, ergab, sowie durch
einen Erlais vom 2. Januar 1905, der sich in völliger Überein-
stimmung mit den aus der Hilfsschulpraxis erwachsenen Grundsätzen
hält In England, wo bereits über 150 Hilfsschulen mit über 7000
Zöglingen bestehen, wo femer infolge gesetzlicher Regelung die
Kinder bis zum 16. Jahre in den Hilfsschulen festgehalten werden
können, ist im Herbst 1903 ebenfalls ein HilÜBSchulverband gegründet
worden. Auch sonst gewinnt die HilGsschule im Auslande immer
mehr an Verbreitung. Durchdrungen von der Überzeugung, daüa die
onterriehtliche Tätigkeit der Hilfsschulen der Ergänzung durch Mab:
iMihmen zu sozialer Fürsorge für deren Zöglinge auiserhalb der
590
Schale und nach der SohulenÜaaeang dringend bedarf, haben aidi
fllr letzteren Zweck in mehreren Städten, z. B. Berlin, Leipzig,
Königsberg, Breslau, besondere Fürsorgevereine gebildet^ die mit
reichem Segen arbeiten. — Nach einer Beihe von BegrfiJBungen der
Versammlung durch einen Vertreter des Bremer Senats, der Ministerien,
der Stadt Berlin, mehrerer Vereine, sowie des Ortsausschusses wurde
von Dr. med. NsüHABK-Bremen ein Vortrag des schwer erkranktm
Dr. med. SoHOLZ*Bremen ttber moralische Anästhesie yerleeen.
Nach einigen geschichtlichen Daten über diese meist als „moral in-
sanity'', moralischer Schwachsinn usw. bezeichnete Erscheinung be-
grtindet Beferent die von ihm geschaffene obige Bezeichnung damit»
daüa sie besser als andere den Kernpunkt der Sache, die Gefühls-
abnormität, treffe. Er charakterisiert die Erscheinung als eine an-
geborene oder sehr früh erworbene, habituell im Streben und Handeln
sich kundgebende abnorme Veränderung und Herabminderung mo-
ralischer Gefühle, die mit der Intelligenz zunächst nichts zu tun zu
haben braucht. Es werden vier Typen unterschieden und erörtert:
1. der des unbewuisten Motiys, 2. der des ZwangsmäGsigen, 3. der
perverse Typus und 4. der vor allem in Frage kommende Typus
des gesteigerten und yerminderten Strebens. Für die Diagnose im
Kindesalter kommen besonders zwei Kindestypen, das boshafte und
das indolente Kind, in Frage, die beide genauer charakterisiert
werden. Bei beiden läfet vor allem der völlige Mangel an Mitleid
auf moralische Anästhesie schlieisen. Daneben gibt es verschiedene
Stigmata, die zwar allein zur Diagnose nicht ausreichen, aber zur
Vorsicht mahnen. Dahin zählen vor allem mangelnde Spiellust»
ausgeprägte Zerstörungswut, Lüge und Jähzorn, sowie mancherlei
Perversitäten im Verhalten. Bechtzeitig erkannt, kann die moralische
Anästhesie in vielen Fällen durch geeignete Erziehung mit Erfolg
bekämpft werden. — Von einer Debatte sah man wegen der Ab-
wesenheit des Beferenten ab.
Es sprach sodann Oberamtsrichter Noltb - Braunschweig, der
schon auf dem 4. Verbandstage einen Vortrag über die Berück-
sichtigung der Schwachsinnigen im bürgerlichen Becht des Deutschen
Beiches gehalten hatte, in Fortsetzung desselben über die Berück-
sichtigung der Schwachsinnigen im Strafrecht des Deut-
schen Beiches. Bedner ging zunächst auf die Gründe ein, die
nach dem geltenden Strafrecht die Strafe ausschlielsen oder sie
.mildem. Zu jenen gehört z. B. Strafnnmündigkeit, fehlende Ein-
sicht in die Strafbarkeit einer Tat bei Jugendlichen, Notwehr,
591
kftrperlioher od«r psyohisolier Zwang, nnd ror allem BewtifsÜosigkeit
und OeistesstönmgeD, welche die freie Willensbestimmiing anssohliefsen;
xa letzteren s. B. jugendliches Alter, schlechte Erziehung, erbliche
Belastong» Selbstanzeige, schwache Beanlagnng. Zar Zoreohnungs-
&higkeit im Sinne des Strafrechts gehört SelbetbewnTstsein, Bewnlat-
sein der Aofsenwelt und entwickeltes Pflichtbewufstsein. Bei ans-
gesprochener Geisteskrankheit ist das alles nnd damit eine volle freie
Willensbestimmnng nicht vorhanden nnd daher Strafbarkeit aus-
geschlossen. Daneben gibt es nun aber viele Falle, wo die freie
Willensbestimmung nicht aufgehoben, sondern nur gehemmt ist. Das
ist der Fall bei blolser Trübung des Bewulstseins, z. B. durch
Trunkenheit oder Affekt, femer bei Störungen der Geistestätigkeit
(Beschrftoktheit, leichtem Schwachsinn, krankhafter Erregbarkeit, ab-
normen Zuständen des Nervensystems). Für diese ist der Ausdruck
der „verminderten ZurechnungsfUiigkeit'^ geschaffen. Im Strafgesetz-
buch werden sie nicht hesonders berücksichtigt. Die Annahme mil-
dernder Umstände bietet nach Überzeugung der Psychiater und sehr
vieler Juristen für diese Fälle keinen ausreichenden Schutz^ da die-
selbe auf eine geringere Anzahl von Straftaten beschränkt ist. Der
eitte Entwurf eines Strafgesetzbuches für den norddeutschen Bund
enthielt einen entsprechenden Passus, der aber nachher wieder ge-
strichen wurde. Dagegen erkennen zahlreiche Strafgesetze des Aus-
landes die „verminderte Zurechnungsffthigkeit" bereits an. In neuester
Zeit zielen die Forderungen weniger auf mildere Bestrafung als auf
zweckentsprechende Behandlung beim Strafvollzug und auf dauernden
Schutz der Gesellschaft gegen hierhin zählende gemeingefährliche
Individuen hin. Referent teilt den Wunsch des Prof. Liszt, dals
mit Rücksicht auf die Schwierigkeiten der Umarbeitung des ganzen
Strafgesetzbuches ein Teilgesetz für den Bereich der verminderten
Zurechnungsftlhigkeit schon vorher und baldmöglichst ausgearbeitet
werden möge.
Den letzten Vortrag hielt Hauptlehrer Schenk -Breslau über
den gegenwärtigen Stand der Fürsorge für die aus der
Hilfsschule entlassenen Kinder. Der Vortragende wies ein-
leitend darauf hin, dab es sich bei dieser Frage darum handele, dem
Staate eine sehr bedeutende Anzahl nützlicher Glieder zu verschaffen,
bei denen die Gkfahr drohe, dals sie ohne besondere Maisnahmen
auf die Bahn des Verbrechens geraten oder der Armenversorgung
zur Lost fallen könnten. Er hält zunächst eine Verlängerung
der Schuljahre in der HilCBSchule für wünschenswert und fordert
592
danim eine Überfilhning in die letstere bereits nach einjährigem,
nioht, wie es bialang allgemeiner Gebrauch war, erat naoh zwei-
jährigem Besnohe einer Mormaleohnle, da für eine Verlftngemng der
Schulzeit ttber das 14. Jahr hinaus die gesetzlichen Grundlagen fehlen.
FtUr unbedingt notwendig halt der Referent eine obligatorische Fort-
bildungsschule filr die schulentlassenen HiUsschulzöglioge, wie sie
z. B. DOaseldorf und Breslau bereits besitzen. Alz wichtige
Yeranztaltungen zur Verbesserung der sozialen Verhältnisse der HUCb-
schulzöglioge empfiehlt er die Gründung besonderer Fürsorgevereine
nach Muster der in Berlin, Leipzig, Königsberg, Breslau uaw. schon
bestehenden. Diese würden sich das leibliche Wohl der Kinder
während der Schulzeit (Kleidung, Nahrung, Ferienkolonien, Kinder-
heilstätteu usw.) und nach derselben angelegen sein lassen müssen.
Sie würden für jeden Zögling einen Pfleger einzusetzen, auf eine
richtige Berufswahl hinzuwirken^ geeignete Dienst- und Lehrherren
ausfindig zu machen haben. Es empfiehlt sich, letzteren neben dem
Lehrgeld für gute Resultate in der Ausbildung SchwachbefUiigter
Prämien zuzuerkennen. In manchen Fällen wird direkt eine völlige
beruf liehe Ausbildung in besonderen Lehrwerkstätten zu geben sein.
Diese könnten zugleich zu Arbeitskolonien für solche Schwachbegabte
ausgebildet werden, die sich nicht selbständig durchs Leben zu
schlagen vermögen, dann aber auch anderen in Zeiten vorüber-
gehender Arbeitslosigkeit eine Zuflucht bieten. Als letztes Ziel
wüfden endlich Alters- und Inyalidenheime für Schwachsinnige ins
Auge zu fassen sein. Die durch den Vortrag hervorgerufene Debatte
brachte vor allem viele interessante Einzelheiten aus der Arbeit und
den Resultaten der bereits auf diesem Gebiete tätigen Vereine«
Wesen ud Bedeutung der Kaabenhandarbeitssehnle
im Rahmen des Volksschalwesens gröfserer Städte.
Aus einem Vortrage Yon Stadtschulrat Dr. SiCKiNaBB-Mannheim
an der diesjährigen Jahresyersammlung des Deutschen Vereins
für Knabenhandarbeit in Görlitz.
Die Einrichtong einer Knabenhandarbeitsschule als eines besonderen
Gliedes innerhalb eines gröberen Volksschnlkörpers beleuchtete Bedner
dnrch Schilderung der an der Mannheimer Volksschnle bestehenden Ein-
richtungen für die Erteilung des Knabenhandarbeitsnnterrichts. Da die
städtischen Behörden, die Bürgerschaft und besonders die gewerblichen
Kreise Mannheims dem neuen Unterrichtszweige sehr sympathisch gegen-
über stehen, so zeigt die 1895 gegründete Mannheimer Knabenhandarbeits-
593
schule eine hoffirangsfireadige Entwiddimg. Trotz des feknltaÜTeii Charak-
ters des Arbeitsunterrichts ist die Zahl der Teilnehmer innerhalb der
letzten zehn Jahre Yon 80 anf 1280 gestiegen. An Arbdtsfächem stehen
den Zöglingen zur Auswahl: Schnitzen, Pappen, Hobeln, Metallarbeiten,
Modellieren« Die Notwendigkeit der Enabenhandarbeitsschole, die der
städtischen Jngend regelm&lsige Gelegenheit zur Betätigung der praktischen
Anlagen und Kräfte bieten will, begrflndete Redner zunächst damit, dais
bei den yeränderten Lebensyerhältnissen die städtische Jugend der mannig-
fachen praktischen Betätigungen im häuslichen Bereiche und der vielfachen
Beobachtungen gewerblicher Arbeit, die eine wertvolle Ergänzung der
schulmäfeigen Ausbildung darstellen, heute entbehren muls. Aufserdem
erfordern es die im Konkurrenzkampfe notwendige Steigerung der Qualität
der Arbeit, dals die Übung der Muskeln und Nerven, auf der die Ge-
schicklichkeit der Hand und die Schulung des Auges beruht, schon in der
Zeit begonnen und intensiv betrieben werden, in der jene Organe sich
noch bilden und durch mannigfache Betätigung zur vollen Entwicklung ge-
bracht werden können. (£. v. SCHBNKENBOEFF-Görlitz.)
Altintxt Jtittetltt]t0e!i.
ÜbfT Überbfirdniig in den Bealgymnasien ud Realschulen
schreibt der „NeckarjBtg.'' ein Oberreallehrer u. a. folgendes: Es ist
au&erordentlich erfreulich, dals der Kultminister an der 4. und 5. Gymnasial-
klasse eine Überbfirdung der Schüler anerkennt; der Schluft auf die
Überbfirdung der Lehrer liegt so nahe! Bei genauerem Zusehen wird
man auch leicht finden, dafs dieselbe Tatsache bei der Realschule fest-
gestellt werden kann und noch mehr beim Realgymnasium. Ist diese
Erkenntnis von zwei Klassen auf die ganze Anstalt und von der einen
Schulgattung auf die anderen ausgedehnt und setzt sich diese Erkenntnis
80 in Taten um, dals man den Schulwagen leichter belastet, dann lä&t sich
vieles auf einmal erreichen. „Weniger wäre mehr^ ; wir werden nicht mflde
werden, diese Anschauung immer und immer zn wiederholen. Man würde
mehr erreichen, wenn die wöchentliche Stundenzahl beschränkt würde für
Klasse I— H auf 24; Klasse IH— V auf 25—30; Klasse VI-IX auf
30 — ^32. Setzt man die Menge des Lernstoffes dadurch herab, dafs man
manches hinauswirft, manches kürzt, so geht das ganz gut, und der Schul-
mann sollte ebensogut wie der Fabrikant es wissen (oder weüs er es und
traut sich nicht, es gegen oben auszusprechen), dals, je kürzer die Arbeits-
zeit, um so potenzierter die Leistung. Für Klasse I und U wäre damit
der Nachmittagsunterricht ganz weg, für die übrigen Klassen wären ein bis
swei freie Nachmittage gewonnen, die dann fOr das Spielen eine herrliche
YerweDdung finden würden. Die Lehrer, die mit ihren 30 Pflichtstunden
doch wohl auch überbürdet sein dürften — in Norddeutschland sind es
22, in Frankreich zum Teil nur 15 — würden auch etwas entlastet, was
594
wiederum gflnstig anf die Leitung der Schale zarflckwiricea dürfte. Damii
wftre anch die Frage der Dnrcharbeitazeit in der Schule, die Ja in der
Luft liegt, eben&lls leichter zn lösen. Wenn der Knltminister eeme
Überzengong Yon der Überbttrdang der Schnle anf einen breiteren Boden
•teilt und die Taten folgen l&fet, dann Heil der Schale nnd Heil der
deatschen Jagend nnd dem deutschen Volkl
Die Havaarbeiten an der Realschule hieis der Titel eines Vortrages,
den Rektor MBTBS-Gannstatt aof der Jahresrersammlong des Vereins
realistischer Lehrer Wfirttembergs in Stattgart gehalten hat. Seine Thesen
lanten folgendermaTsen:
1. Die Klagen Aber die Überbürdnng der SchOler der höheren
Unterrichtsanstalten durch Hausaufgaben hangen mit der neueren Entwicklung
des höheren Unterrichtswesen aufs engste zusammen und verdienen auch
seitens der Realschule alle Beachtung.
2. Die Hausaufgaben mflssen grundsatzlich beibehalten werden, weil
sie ein Mittel sind: a) die Schaler zur Befestigung des in der Schule
Gelernten anzuhalten; b) sie an Ordnung und Sauberkeit in der schriftlichen
Darstellung zu gewöhnen; c) sie zu zweckm&fsiger Verwendung ihrer freien
Zeit anzuleiten; d) sie nach und nach zu selbständiger geistiger Arbeit zu
erziehen.
3. Damit die Hausaufgaben ihrem Zweck in der richtigen Weise
dienen, dflrfen sie im Schulbetrieb aus der ihnen zukommenden, unter-
geordneten Rolle nicht heraustreten. Dazu gehört, a) sie dflrfen nie als
Ersatz dessen angesehen werden, was der Unterricht zu leisten hat; b) der
Lehrer hat durch sorgfUtlge Ausnfltzung der Zeit, durch grflndliche Vor-
bereitung und durch eine klare Methode dafflr zu sorgen, dais die Hanp^
arbeit der Schaler in die Unterrichtszeit fällt und dab auch die Haus-
aufgaben mittelbar oder unmittelbar vorbereitet werden; c) die Hausaufgaben
dflrfen auch vor den schriftlichen Prflfimgen keine besondere Steigerung
erfahren; der Lehrer hat darauf zu verzichten, die Schfller vor diesen
Prflfnngen zu flbermabigen Wiederholungsarbeiten zu nötigen.
4. Die Ausnfltzung der unterrichtsfreien Zeit su gesundhdtlidien
Zwecken darf durch die Hausaufgaben nicht unmöglich gemacht und ein
bestimmtes Höchstmab derselben daher nicht Überschritten werden. Dieses
Höchstmafs ist so zu berechnen, da(s die Zeit ftir Unterricht und Hans-
aufgaben zusammen an den Unterklassen nicht flber 6 — 6, an den Mittel-
klassen nicht flber 6—7 und an den Oberklassen nicht flber 7 — 8 Stunden
tagUch betragt.
5. In bezug auf die Anforderungen, welche die emzelnen Fächer aa
den Fleils der Schfller zu stellen berechtigt sind, gilt vor allem der
Grundsatz, dals die Fächer, die ein Durcharbeiten nnd Durchdringen des
Gelernten durch die Schfller beanspruchen, bei den Hausaufgaben in erster
Linie berflcksichtigt werden mflssen. Daher soll a) das Zeichnen und
Sehreiben als solches nie Gegenstand der Hausaufgaben sein; b) in Geschichte,
Geographie und in den Naturwissenschaften keine schriftlidie Hausaufgabe
gegeben und c) die den Hausaufgaben zugewiesene Zeit zwischen den
beiden Hauptgebieten der Realschule, dem sprachlichen und dem mathe-
matischen, in annfthemd gleicher Weise verteilt werden.
596
6. um die richtige Behandlang der Haa&anfgabeD vor Znftlligkeiten
ZB schotzen, ist nöUg, daüs a) in jeder Klasse zu Beginn jedes Halbjahrs
durch gegenseitige Verständigung der Lehrer ein Schema angefertigt wird,
nach der die Hansanfgaben Tag für Tag gegeben werden; b) der Klassen-
lehrer dieses Schema durch jeweilige Erforschung der Zeit, die die
Schtder tatsächlich auf die Hausaufgabe verwenden, richtig stellt; c) jeder
Lehrer die von ihm aufgegebenen Hausarbeiten sorgfältig beaufsichtigt.
DrHck der Schnlbfieber. Wie wir der y,Wockmsdyr, f. Therapie
u. Hyg. d, Äuges^ entnehmen, hat Doktor J. Eliasbebg in Yitebsk
nach der Methode Prof. Cohns mit dessen Zeilenzähler 87 russische
HandbQcher, wissenschaftliche Werke und verschiedene periodisch und
nicht periodisch erscheinende Schriften, aufserdem noch 44 französische
Worke verschiedener Gattung untersucht. Das Resultat dieser Prüfung
ist kein erfreuliches. Unter 52 HandbQchem und wissenschaftlichen
Werken, die an den Schulen zu Yitebsk gebräuchlich sind, waren nur
3—5,7% befriedigend, 6 — 11,5 Vo sehr schlecht (drei bis vier Zeilen auf
den Quadratzentimeter), 2 — 3,2% mehr oder weniger befriedigend (Text
zwei Zeilen, Anmerkimg drei Zeilen), alle übrigen schlecht (drei Zeilen
auf den Quadratzentimeter). Bemerkenswerterweise hatte eines der in
aagenhygienischer Hinsicht schlechtesten Handbücher die 64., ein anderes
die 17. Auflage erlebt. — Von den 35 anderen Werken waren fünf
Tagesblätter, sechs Wochenschriften (zwei medizinische), zwei Halbmonats-
scbriften (eine medizinische), fünf Monatsschriften (eine medizinische), eine
erschien alle zwei Monate und 15 hatten keine periodische Ausgabe.
Von den Tagesblättern war das verbreiteste sehr schlecht gedruckt — fänf
Zeilen auf den Quadratzentimeter, das Papier sehr schlecht; von vier anderen
entsprach nur eins den augenhygienischen Anforderungen Cohns und zwai*
rar bezüglich der Hauptabschnitte und Telegramme. Die übrigen Blätter
nnd sehr schlecht gedruckt, drei bis vier Zeilen im Quadratzentimeter. Von
den Wochenschriften ist die verbreiteste, die „Niwa', am schlechtesten
gedruckt, vier bis fünf Zeilen auf den Qnadiatzentimeter, die anderen,
darunter auch die beiden medizinischen, sind auch sehr schlecht, drei bis
vier Zeilen auf den Quadratzentimeter. Die beiden Halbmonatsschriften
ergaben 8 — ^3,5 Zeilen im Quadratzentimeter. Von den Monatsrevuen
entsprachen nur eine politische und eine medizinische den Anforderungen,
die anderen ergaben: drei bis drei, fünf bis vier Zeilen auf den Quadrat-
zentimeter. Von den 15 nicht periodisch erscheinenden Schriften fanden
sich nur zwei als befriedigend. Von den 44 verschiedenen französischen
Werken, die Verfasser nach der CoHNschen Methode untersuchen konnte,
waren nur fünf gut gedruckt, besonders Pakas: Trait^ de maladies des
yenx und Le^^ns de dinique ophthalmol., femer Duolaux: Pasteur, sowie
ViOTO&HucK) : Notre Dame de Paris; fQnf sind nur unvollständig befriedigend,
<la ihre Anmerkungen drei Zeilen auf den Quadratzentimeter enthalten.
^ anderen Werke, darunter alle dem Verfasser zugänglichen medizinischen
Flitter, sind schlecht gedruckt, drei bis vier Zeilen auf den Quadrat-
'^Btimetttr. Verfasser schliefst mit der Bemerkung, dafs Bücher und Zeit-
^rifken in Rufsland, wie diesseits und jenseits der Vogesen, schlecht
S^draekt sind.
596
Vber das Tirnkleid der Frauen entnehmen wir der „DmistA.
Tumerglg,^ folgende Bemerkangen von Stephanie Eapka: Die firllhei eo
Tielgeschmfthte Pumphose ist glQcklicher- and selbstverändlicherweise fiberaD
in engerer oder weiterer Form durchgedrungen. Doch wird sie oft nodi snim
Schaden der Turnerin und der Tumeroi ganz oder teilweise durch eisen
Bock oder eine Jacke gedeckt. Das Röcklein hat ja als höchst anmutiges
und spezifisch weibliches Kleidungsstück bei Schauturnen und öffentlich
betriebenen Sportarten, wie z. B. beim Radfahren, seine Berechtigung;
aber Tom Turnplätze bleibe es verbannt. Wie oft bemerkt man doch,
dafs auch ein ziemlich kurzer Rock die Trägerin beim Geräteturnen behindert:
bei verschiedenen Barrensitzen, bei Schwüngen am Pferd und vor allem
beim Hochspringen, wo gewöhnlich die Schnur mit dem Bock zu Fall
gebracht oder doch gestreift wird. Also weg mit dem Rock und als
Ersatz hierfür etwa der geteilte Rock, die sogenannte „Rockhose"!
Wieviel wird noch in bezug auf die „Gesundheit'^ durch das Tom-
kleid gesündigt! Manche Leute, auch Turnerinnen, haben wirklich von
Hygiene keine Ahnung! Es fehlte nur noch, dab sie aus „Bequemlichkeit'^
Hackenschuhe und Mieder abzulegen „ vergessen *', wiewohl ich es mir nicht
besonders „bequem '^ denke, in diesen Marterwerkzeugen Leibesübungen zu
machen, und da werden allerhand himmelschreiende Sünden gegen das
liebe „Corpus delicti^ begangen: hohe, steife Kragen, enge Manschetten,
dito Ärmelausschnitte und Strumpfbänder, steife Gürtel mit harten schwenn
Schnallen, die einen Druck auf den Magen ausüben-, lauter Yorrichtungea,
die den Blutkreislauf und die Bewegungsfreiheit möglichst hemmen, die
Turnerin übermäßig ermüden, abspannen, verdriefslich machen und das
Turnen, das eine Quelle des Frohsinns und der Gesundheit sein sollte,
zur Hölle machen nnd damit seinen physischen und psychischen Zweck
gänzlich verfehlen. Folglich lose Taille, bequemer Schnitt, freier Hals,
stöckellose Turnschuhe!
Auch soll das Tumgewand aus nicht zu dichten und schweren Stoffen
gearbeitet sein. Im Sommer friert man bekanntlich nidit, und im Winter
sind die Hallen meist genügend geheizt, und sollte das letztere auch
nicht der Fall sein, so „heizen^ die fleifng und stramm ausgeführten Turn-
übungen schon ein. Nichts erschöpft und belästigt beim Turnen so sehr
als ein zu enges oder auch zu warmes Turnkleid, das übermäßige Schweils-
bildung verursacht; aulserdem gibt es leicht zu nachträglicher Erkältung
Anlats.
Bei UnfUIen in den Schulen sollte es vermieden werde, daCs die
Beschaffung ärztlicher Hilfe verzögert und den Eltern überlassen wird.
Wo hierbei ärztliche Hilfe erforderlich erscheint, gehört ihre Beschaffong
zu den Pflichten der Schule. Denn wenn die Eltern gezwungen werden
ihre Kinder in die Schule zu schicken — schreibt der j^Vanaärts*' — ,
so hat die Schule auch die Verpflichtung, die ihr anvertrauten Kinder
vor Schaden zu bewahren oder entstandenen Schaden wieder gut machen
zu helfen. Eine Schwierigkeit liegt aber darin, dafs das Lehrpersonal
von erster Samariterhilfe nichts versteht und daher selten ein znträffendes
Urteil über die Art des Unfalles haben kann. Da wird dann im besten
Glauben wieder zu dem alten Mittel gegriffen, ein verunglücktes Kind den
697
Ettern zozvfilhTen. Angeaehts dieser Tatsache sollte die Schalverwaltimg
eMfgiach auf die Aasbildung der Lehrer und Lehrerinnen in Samariter-
laUt hinwirken.
AbiadeniBg der BiaeobahnTerkehrabeatiiiiiiingen betreiend
fikrpreiseniiiltiigaog bei SehfilerfahrteB. Nach den Eisenbahnverkehrs-
bertimmnngen Yom 1. April 1904 werden Schüler Öffentlicher Schulen oder
staatMch konzessionierter nnd beaufsichtigter Privatscholen bei gemeinschaft-
lichen, vnter Aufsicht der Lehrer unternommenen Ausflogen, in der dritten
Wagenklasse bei einfacher oder Hin- und Rückfahrt zum halben Fahrpreise
bsAMert, wenn die Teilnehmerzahl mindestens 10 betrügt. Diese Bestimmung
bedeutet für einfache Fahrten gegenüber den vor dem 1. 'April 1904 gel-
Bestimmungen eine Erhöhung des Fahrpreises um V> I^g* P^^o km,
nach den firüheren Bestimmungen wurde in den bezeichneten Füllen
durchweg nur der MilitüriahrpreiB erhoben.
Die Erhöhung der Fahrpreise wird besonders hart empfunden Ton den
Volksschulen, deren Schüler der grolsen Mehrzahl nach den ürmeren Volks»
sefaiehten angehören, für die eine Steigerung des Preises um V' Pfg- pro km
bei weiteren Fahrten sehr wohl Veranlassung werden kann, ihre Kinder
foi der TeOnäbme an der Fahrt zurückzuhalten.
So dankbar die Erleichterung zu begrüiSsen ist, die darin liegt, dala
zwei Schüler, die das zehnte Lebensjahr noch nicht überschritten haben,
oder die eine zur unteren Hfilfte der Volksschule gehörige Klasse besuchen,
ftr eine Person gerechnet werden, also zusammen nur 2 Pfg. resp. iVt Pfg.
pro km zu zahlen haben, so kommt sie doch leider verhftltaism&foig nur
weaigen zugute ; denn Schülerfahrten auf weitere Entfernungen werden fast
iur Yon den oberen Klassen unternommen. Die Schülerfahrten würden
eine erfreuliche Förderung erfahren, wenn die genannte Beschränkung in
FortM k&me, wenn also durchweg zwei Schüler der Volksschulen iür eine
Person gerechnet würden.
Der Deutsche Lehrerverein richtet daher, wie die j^Fädag. Bef.^ mit-
tsilt, an die deutschen Eisenbahnverwaltungen die Bitte:
1. Es möge im Femverkehr bei Schülerfahrten der Militftrfahrpreis
(IVs Pfg- pro km) bei einfacher wie bei Hin- und Rückfahrt in
der preise erhoben werden, daTs je zwei Schüler einer Volksschule
für eine Person gerechnet werden.
In der Eingabe wird weiter auf die besondere Notwendigkeit und den
oaennelslichen Segen der Schülerfahrten für die Kinder der Grolsstadt hin-
gewiesen. Es würde eine Tat von sozialer Bedeutung sein, wenn die Staats-
bahnen im Vorortsverkehr der Grolsstädte bei Schülerfahrten vollständig
freie Fahrt gewährten. Kann man sich aus verkehrstechnischen Erwägungen
dam vorläufig nicht entschlielsen, so wünscht der Deutsche Lehrerverein
2. es möge im Vorortsverkehr bei Schülerfahrten nicht nur den Kindern
unter zehn Jahren, sondern allen Schülern der Volksschulen die
Fahrt zum halben Preise gestattet werden.
Kin beaoBderer Tarnnnterrieht (fir aehwieUlehe Schvlkiider,
BiMatlich für an Engbrüstigkeit leidende und unter dem Verdacht erb-
licher Tuberkulose stehende Volksschüler, ist, wie wir dem „^5. Jahresber.
d. k. 8. Med.'Kbü. über d. MediM,- Wes. im Klhugr. Sathdm*' entnehmen,
598
in Leipzig eingerichtet worden. FOr die Dorchfühning desselben waren
Ton der Konferenz der Schnlftrzte folgende OmndsAtze TorgescfalAgen worden:
1. Ein besonderer Turnunterricht an engbrüstige und tnberknloseverdichtige
Kinder soll eingeführt werden, jedoch nicht in besonderen Turnstunden tnf
Kosten der Ferienzeit der Kinder, sondern in den Turnstunden ihrer
Klasse in einer Nebenriege, sofern Oberhaupt der Fall eintritt, daft die
AllgemeinObung der Klasse nicht geeignet ist, die betreffenden Kinder daran
teilnehmen zu lassen. 2. Die Kinder sollen zu häufiger Wiederholung der
zweckdienlichen Tumbewegungen in freier Zeit aufserhalb der Turnhalle in
guter Luft angehalten und Ober tiefes Ein- und Ausatmen belehrt werden;
Atemgymnastik soll auch in den Singstunden getrieben werden. 3. Um
die besonderen Nebenunterrichts bedürftigen Schulkinder zu ermitteln, aollea
die in die ftnfte Schulklasse eintretenden Kinder bei entblOfstem Oberleibe
▼om Schularzte untersucht werden. 4. In den ersten bis vierten Klaasea
werden die des Nebenunterrichts bedtkrftigen Schulkinder in der Weise er>
mittelt, daCs Klassen- oder Turnlehrer dem Schularzte die ihnen als eog-
brflstig oder tnbeital(ys erscheinenden Kinder zur Untersuchung bezetdmen.
Die Untersuchungen der Schul&rzte ergaben in einzelnen Schulen einen
ziemlich bedeutenden Prozentsatz schwächlicher Schfller, so daCs die Frage
der Bildung einer besonderen Tumklasse ins Auge zu fassen war; in anderen
Schulen war der Prozentsatz so gering (pro Klasse ein oder zwei Kinder),
dafs die Bildung Ton Sonderidassen oder Nebenriegen nicht in Frage kommen
konnte. Die betreffenden Kinder werden dann von den schwierigeren
Übungen dispensiert und bei Atemübungen besonders berücksichtigt.
Der Anweisung für die Turnlehrer (genaue Anleitung zu rationelleB
Atemübungen aus dem Werke von Dr. F. A. Schmidt, »Unser Körper*)
sind noch folgende Grundsätze beigegeben worden: 1. Die Übungen, die
zum besonderen Nutz und Frommen schwachbrüstiger oder skoliotlBcher
Kinder Torgenommen werden, dürfen io keinem Falle das Turnen der
körperlich normalen irgendwie beeinträchtigen. 2. Es erscheint als ge-
nügend, wenn mehr, als es bisher der Fall war, in geeigneten Freiübungen
ausgiebiges Ein- und Ausatmen auf Befehl angeordnet wird; bei diesen
Übungen wird Torausgesetzt, dafs sie stets mit geschlossenem Hunde und
nur in freier, möglichst reiner Luft Torgenommen werden, wie es ja über-
haupt zu wünschen ist, dafs der Turnunterricht, wenn es das Wetter irgend-
wie zuläfst, im Freien erteilt wird. 3. Im übrigen bleibt es dabei, daft
das Laufspiel und die LauAübungen beim Turnunterricht als die natüilidiften
und ausgiebigsten Übungen zur Stärkung der Lunge zu gelten haben.
Ordnungsübungen, zumal Reigen, können am ehesten zugunsten des Lanfeas
zurücktreten. 4. Für die skoliotiscben Kinder kommen natürlich weit mehr
die Übungen des reinen und gemischten Oanges in Betracht. Bei dem
Werte, den diese Übungen auch für die normalen Kinder haben, und bei
der Mannigfaltigkeit der Geräte, an denen sie ausführbar sind, können
auch sie oft genug Ton allen Kindern geübt werden.
Über die Mkeren Beinliehkeita- and Hygieieiiatiide ia dei
Sehnlen sprach auf dem dieejährigen französischen Kongreb ftlr Sdml-
hygiene in Paris der Akademiker Prof. Layisse, indem er zugleich auf
die erzielten Fortschritte hinwies. Er erzählte, daft es früher fast an-
599
tauglich war, in den Gymnasien sich zu waschen. Damals galt es als ein
Verbrechen, beim Essen zu reden, dagegen nicht einmal als ein Vergehen,
Behmutzig zu sein. Das Schnlregime war dem Klosterregime nachgeahmt
tmd später dem der Kaserne. Heute sei das aber anders geworden. Die
modernen Schulen yerlangen Luft, Licht und Bewegung. Die körperliche
Erziehung mflsse noch mehr gefördert werden, besonders seitens der Mtem,
die auch heute noch zuviel darauf halten, die Kinder „büffeln" zu sehen,
und sie allzusehr zum Lernen und Lesen zwingen.
An diese Ausführungen schlössen sich, wie wir der y^Frlcf, Ztg.** ent-
nehmen, zahlreiche Erörterungen, worauf die Professoren Ohabot und
BoüaBAT folgende vier Beschlüsse zur Annahme vorschlugen: 1. Die Er-
siehung der Familien fftr die Schulhygiene ist uneii&folich, denn die Hygiene
des Schülers und der Schule kann ohne Mithilfe der Familien nicht ge-
sichert werden ; 2. sie ist schwierig zu organisieren wegen der unzureichenden
Zeit oder der nicht genügenden Hilfsquellen der Familien, wegen der Un-
wissenheit, der Voreingenommenheit, Erschlafifung oder der Schwachen, die
zu bekämpfen sind, wegen der unzureichenden Rolle des Schularztes, des
Fehlens einer Organisation der Beziehungen zwischen Sohule und Familie;
3. nach den interessanten, aber beschrankten Versuchen der Privatinitiative
in Frankreich oder im Auslande scheinen als Mittel empfohlen werden zu
müssen: die aUgemeine Propaganda, das individuelle Wirken in den all-
täglichen Beziehungen, die Vereinigungen und freiorganisierten Gesellschaften
von Eltern, Ärzten und Lehrern, und schliefsiich ein offiziell organisiertes
Zusammenwirken der Schulen und der Familien; 4. das Progranun dieser
Erziehung, das von einer allgemeinen p&dagogischen Erziehung der Familie
untrennbar ist, mülste besonders zu Anfiang auf die einfachsten und wesent-
lichsten Prinzipien beschrftnkt bleiben.
Das Korsett in der Schule. Wie die „Köln. Ztg.*" mitteilt, hat
der bulgarische Schulgesundheitsrat über das Tragen des Korsetts in den
Töchterschulen folgendes Gutachten abgegeben; „Das Mieder trftgt nicht
znr Verschönerung der weiblichen Formen bei, wie man vielfach zu glauben
scheint; im Gegenteil, es prebt den Körper ein, verursacht Unbehagen,
und anstatt die natürliche Entwicklung des Körpers zu fördern, erzeugt es
unnatürliche Formen. Nicht das Korsett, sondern gjrmnastische Übungen
sowie aufrechte Haltung und gerader Gang können der physischen Ent-
wicklung förderlich sein. Das Mieder verhindert das freie Atmen, stört
den Blutnmlanf und verursacht infolgedessen sehr h&ufig Störungen in den
nmeren Organen. Das Korsett ist im allgemeinen als Hanptursache mancher
bösen Leiden zu betrachten und seine Benutzung kann blols in gewissen
pathologischen Füllen als gerechtfertigt gelten, aber auch hier nur in Form
eines orthopftdischen Mieders. ** Auf Grund dieses fiachmünnischen Gut-
achtens hat nun der bulgarische Unterrichtsminister Dr. Schismanow ein
Bnndschreiben erlassen, wodurch die Schuldirektoren angewiesen werden,
den Schülerinnen das Tragen des Korsetts unbedingt zu untersagen.
Über die iwansigklassige Barackensehnle in Berlin (Schulstrabe)
bringt die „Städtejrtg.'' folgende Mitteilung: Seit geraumer Zeit bereits
sehen sich staatliche sowie grobe und kleine Stadtbehörden bei Um- resp.
Erweiterungsbauten bestehender Schulhüuser oder bei unerwartet schnellem
600
Anwachsen der Bevölkerung in gewissen Stadtteilen Tertnlalst, zur Unter-
bringung von Schnlklassen sofort beziehbare, transportable nnd zerlegbare
Pavillons in Benutzung zu nehmen. Wenngleich es in Fällen dringender
Schulnot auch vorerst dabei blieb, nur einzelnen Klassen, die man nidit
in gemietete unhygienische R&nme verlegen wollte, in sogenannten Sdiul-
pavillons ein vorQbergehendes Heim zu geben, so haben die guten Er-
fahrungen, welche man in gesundheitlicher und erzieherischer Hinsicht mit
diesen Bauten machte, in letzter Zeit den Entschlula gereift, ganze Schulen
und gleich fflr eine lange Zeitdauer in transpjortable Pavillonanlagen zu
verlegen. Unter diesen ist die zu An&ng des Jahres von der Stadt Berlin
in der Schulstraüse an der Nazarethkirche in transportabler Art errichtete
Barackenschule wohl die gröbte, die bisher auf dem Kontinente besteht.
Diese wurde von der Firma Christoph A ünmack, Aktiengesellschaft,
Niesky, O.-Laus., in der kurzen Zeit von ca. 70 Arbeitstagen bezugsfthig
hergestellt. Eine Beschreibung dieser eigenartigen Schulanlage dürfte wohl
bei der allgemeinen Bedeutung des Gegenstandes Interesse bieten. Die
Anlage besteht aus zehn zweiklassigen, transportablen, zerlegbaren DöCKSBr
sehen Schulpavillons sowie einer transportablen, zerlegbaren DöcsxBscfaen
Turnhalle und ist auf dem städtischen Grundstock an der Nazarethldrcfae
errichtet, welches von vier Strafsen umzogen wird. Die einzelnen Baulich-
keiten sind so gruppiert, dals nach jeder Richtung hin einer guten Be-
lichtung und LuftzüdfQhrung Rechnung getragen ist. Jeder der zehn zwei-
klassigen DÖGKEBschen Schulpavillons hat bei einer SeitenwandhOhe von
ca. 3,40 m und einer Firsthöhe von ca. 4,90 m eine Länge von ca. 27,12 m
und eine Breite von ca. 6,14 m. Seine Inneneinteilung ist eine recht
zweckmäbige. Aufser zwei je ca. 9X6 in messenden, durch sieben grobe
Fenster belichteten Klassenzimmern befindet sich in jedem Pavillon ein
Lehrerzimmer mit vorgelagertem Flur von je ca. 6x3 m Grundfläche und
zwischen diesen und den Klassenräumen je eine ca. 6X2 ni grobe Kleider-
ablage. Dadurch, da(s alle Umfassungen starke ruhende Luftechichten ia
den Seitenwänden sowie in der gewölbten Decke, außerdem noch in Ver-
bindung mit Korksteineinlagen in sich tragen, ist ein guter Wetterschuts
sowie eine leicht durchzufahrende und dennoch wenig kostspielige Beheizung
gewährleistet. Aulserdem besitzen diese Schulpavillons völlig glatte, leicht
abwaschbare und säurebeständige Waudflächen. Auf diese Weise wird die
Innenwand der Gebäude vor den gefährlichsten Staubfängern, den Holzrissen
und Fugen, bewahrt, eine ebenso schnelle wie gründliche Beseitigung des
Schulstaubes erzielt und bei Schulepidemien eine sichere, schadlose Des-
infizierung ermöglicht.
Spielen, Sport md Tnraen wurden in der Jahresversammlung des
„Vereins der Turnlehrer in Holland" im April 1906 zu Amsterdam
besprochen von y. d. Boom, Turnlehrer, und Prof. WBNOHBBAOH-Groningen.
Herr y. b. Book verteidigte den Lehrsatz, dais man beim methodischen
Turnunterricht das Gehirn nicht zu sehr anzustrengen braucht. Als Beispiel
fahrte er u. a. an das Gehenlemen des Kindes, das Radek, das Klavier-
spielen usw., welche in gewisser Hinsicht als analog dem Turnen betrachtet
werden können. Beim Erlernen dieser Obungen hat man wirklich mit
grober Anstrengung des psychomotorischen Zentrums des Gehirns zu tun,
601
aber nachher werden die Bewegungen einfach automatisch und die geistige
Anstrengiing daher anf Nnll reduziert oder wenigstens äuTserst gering.
Einzelne Schtder der zum Lehrerseminar in Haarlem gehörenden Übungs-
achule machten hierbei einige Übungen, welche andeuteten, welche Methode
befolgt wird, um das Komplizierte aus dem Einfachen aufzubauen, mit
anderen Worten, wie während der Unterrichtszeit das Automatische der
Bewegungen allmählich errungen wird. Was die Spiele im Freien anbelangt,
bei denen die automatischen Bewegungen ausgeschlossen sind, weil die
Spiele immer Überraschungen mit sich bringen, so sind sie doch dem
Redner dann wenigstens sympathisch, wenn sie nicht in gefährliche Wett-
kämpfe ausarten. Prof. Dr. Wenchebagh sprach dann ttber Turnen und
Sport in Beziehung auf den pädagogischen Wert dieser beiden Arten
körperlicher Übungen. Seine Anschauung geht daMn, dals sowohl das
Turnen wie auch der Sport als Mittel der körperlichen Erziehung für
unsere Jugend gesund sein kann, wenn ihre Ausübung eine zweckmälsige
nnd den Bedingungen des Organismus angepaist ist. Überhaupt betrachtet
der Bedner das Turnen als eins der besten Erziehungsmittel. Mit Bezug
auf den Einflufe der beiden auf die GharakterbilduDg kann man sagen, dals
der Sj^ort den persönlichen Mut fördert, während das methodische Turnen
die Kinder Zucht uud Subordination lehrt. Zusammenfassend sagte der
Redner, dafs die Turnlehrer mit yoUstem Recht das Turnen gegen nntlber-
legte Angriffe verteidigen, dals aber immerhin diese selben Lehrer sich
etwas zu wenig mit der Ftthrung des Sports beschäftigen. Denn beide
Arten Ton körperlichen Übungen sind zusammen eng verwandt und ver-
dienen in gleicher Weise Berücksichtigung bei der körperlichen Erziehung
der Jugend. Dr. med. J. M. C. MoüxoN-Haag.
filier die Yerbreitiing der Tnberknlose nnter den Lehrern
enthält der offizielle Bericht über „Das Gesundheitswesen des preufsi-
schen Staates im Jahre lOOS** aus dem Bezirk Schleswig folgende
bemerkenswerte Mitteilung: Unter rund 4000 Yolksschullehrem sind vom
1. Januar 1898 bis 31. Dezember 1902 79 gestorben, darunter 21 an
Tuberkulose; von den letzteren standen zehn in den zwanziger, fünf in den
dreiüsiger und sechs in den vierziger Jahren.
Ib dem Beriebte fiber die KindererboInngsstAtten vom Roten
Kreu bei Berlin (Schönholz und Sadowa) für das Betrieb^ahr 1904
findet sich, wie wir der „Voss, Ztg.*^ entnehmen, eine interessante Be-
merkung über die gewerbliche Beschäftigung kranker Schul-
kinder. In dem Berichte des Arztes der Kindererholungsstätte Schönholz
wird darüber gesagt: „Als schädigend hat sich die gewerbliche Beschäftigung
einer verhältnismäßig beträchtlichen Zahl von kranken Kindern erwiesen.
Darauf ist die vorzeitige Abbrechung der Kur in vielen Fällen zurück-
zutehren, ebenso das Aufgeben des Besuches der Erholungsstätte nach
wenigen Tagen ; die Eltern oder Pfleger meinten, den Verdienst des Kindes
nicht entbehren zu können. Vielfach wurde verlangt, dafs wir die Kinder
schon in den Nachmittagsstunden von 2 Uhr an nach Hause schicken
sollten, damit sie dann ihre Austrägerstelle versehen könnten. Es zeigt
sich, wie dringend eine ErweiteruDg des Kinderschntzgesetzes durch ein
Verbot ist, dahin gehend, dals die gewerbliche Beschäftigung kränklicher
SehnlgreBiuidheiUpflege. XVIII. 32
oder kranker Kinder gmndsfttzlich untersagt wird. Mehrfach haben Pfleg-
linge, ehe sie morgens in die Erholongsstfttte kommen, in den FrAhstanden
schon Arbeit als Anstrftger getan. ^ In dem Berichte Ober dieselbe £r-
holnngsstAtte fanden sich noch iwei YorschlAge von praktischen Mafanahmen
znr Tnberknlosebek&mpfnng : „Es sei noch anf die Tatsache hingewiesen,
dafs Kinder mit Lungentuberkulose, auch mit offener, bis unmittelbar oder
kurz Yor dem Eintritte in die Erholungsstätte die Schule besucht hatten.
Diese Feststellung spricht fftr die Forderung einer planm&isigen Durch-
musterung sämtlicher Schulkinder. Die neuerliche Einrichtung der Prftfnng
der Neueingeschulten auf Schulfähigkeit hat den Nutzen gebracht, dab uns
vielfach noch nicht schulfähige kränkliche Schulkinder zugewiesen wurden.
Die Herbeiführung einer festen Beziehung zwischen den Schulärzten und
den Ärzten der Kindererholungsstätten wäre sehr zweckmäfsig. Die Er-
fahrung lehrt, dafs die Zahl der Tuberkulösen mit dem Eintreten der
Pubertät wächst. Unter unseren Pfleglingen sind die Schulentlassenen stark
vertreten. Die Errichtung der pflichtmäfsigen Fortbildungsschule in Berlin
wflrde die Gelegenheit geben, die Schulentlassenen insbesondere auf Tube^
kulose zu durchmustern, zum wenigsten die männlichen. Wflrde man die
krank befundenen einem Heilverfahren znftkhren, so lieiBe sich der Tuber-
kuloseverschleppnnc? ein nicht geringes Stfick Feld entziehen. Es bietet sidi
hier gerade den Kindererholungsstätten eine sehr lohnende Aufgabe."
^.afittfitf^i^ni^tt.
Schnlpansen in Holland. Die Abteilung Rotterdam I der „Nieder-
ländischen Lehrergenossenschaft^ hat sich an den Btlrgermeister Toa
Rotterdam gewandt mit einer Eingabe, in welcher darauf hingewiesen wird,
dafs allgemein über Übertreibung des Unterrichts geklagt wird. Infolgedessen
war auch in der ,,Abteilung'' diese Frage zur Sprache gekommen und man
hatte nach Mitteln gesucht, dem Übelstande vorzubeugen. Eine ununter-
brochene Schulzeit von zirka drei Stunden (die Unterrichtszeit in Holland
dauert meistens von 9 bis 12 Uhr und von 2 bis 4 Uhr) ist fllr Kinder
von 6 bis 14 Jahren sowohl aus hygienischen wie ans pädagogischen
Grflnden als zu lang zu betrachten, und mnfs diese zu lange Schulzeit za
nachteiligen Folgen für Unterricht, Schüler und Lehrer fbhren.
Nach der Meinung der „Abteilung* ist eines der besten Mittel, um
diesen Nachteil zu vermeiden, das regelmäfsige, systematische
Unterbrechen des Unterrichts durch eine kurze Pause; man
hat allerdings in Rotterdam in einzelnen Schulen diese Pause eingeführt,
aber diese gehören noch zu den Ausnahmen.
Daher bittet die „Abteilung*', die Schulpausen in den Stundenplan
einzutragen. Dem Gesuche sind beigefügt verschiedene Urteile von Ärzten
und bekannten Pädagogen, welche sich zugunsten der Schnlpansen aus-
sprechen.
603
Nar ein Arzt erachtete beim Unterricht von nicht länger als drei
Stunden Pansen als überflfissig. Die übrigen halten Schnlpansen fflr
wünschenswert oder notwendig. Alle Ärzte sind der Meinung, da(s die
Schnlpansen in allen, anch in den höheren Abteilungen eingeführt werden
müssen, besonders weil der Unterrichtsstoff in den oberen Klassen schwerer
ZQ bewältigen ist, und wegen der ersten Symptome der Pubertät bei Mädchen
in diesem Alter. Die Pansen müssen soviel wie möglich anfserhalb der
Schulzimmer zugebracht werden. Die Schüler können in den Gängen auf
und ab gehen, spazieren oder marschieren, auf der Straise spielen oder mit
dem Lehrer während einer Viertelstunde spazieren gehen, wie das in deutschen
Städten der Fall ist. Man hat dann während der Pause genügend Zeit,
die Schulzimmer zu lüften.
Die Meinungen der Ärzte über die Dauer der Pausen sind ziemlich
verschieden. Die dafür angegebene Zeit wechselt zwischen fünf Minuten
und einer halben Stunde. Einige wünschen die Dauer der Pausen abhängig
zu machen von den Verhältnissen, von den Lehrfächern, von der Individualität
der Schüler usw. Andere finden, nach je dreiviertel Stunden Unterricht
sei eine Pause notwendig. Die Ärzte behaupten, dals, nachdem man drei-
viertel Stunden geistige Nahrung genossen hat, das Gehirn ermüdet sei.
Das Gehirn könne, wie die Glieder, nur eine bestimmte Quantität von Arbeit
verrichten. Bei den meisten Kindern hat das Überschreiten dieser Grenze
schädliche Folgen. So behauptet man, daüs allgemeine Ermüdung, Appetit-
losigkeit, Kopfweh, Verkrümmung der Wirbelsäule und Schwäche der Augen
daraus entstehen können. Zu lange Schulzeit ohne Pausen ist Hauptursache
von verschiedenen Übeln, die sich im späteren Leben offenbaren.
Zum Schlüsse können wir mitteilen, dafe die Bittschrift der Nieder-
ländischen Lehrergenossenschaft ernen unmittelbaren Erfolg erzielt hat: In
allen öffentlichen Elementarschulen in Rotterdam sind jetzt Schulpausen
eingeführt.
Der neue Lehrplan bestimmt, da& die Schulpause für die beiden
ersten Schuljahre für jeden Vormittag oder Nachmittag der Schulzeit eine
halbe Stunde dauern soll, für die beiden mittleren Schuljahre 20 Minuten
und für die beiden ältesten Klassen eine Viertelstunde.
Während der Schulpaasen müssen die Lokale ventiliert werden und
die Schüler dieselben verlassen. Dr. med. J. M. C. MouTON-Haag.
DesiDfektioD der Kleider bei Scharlach oder Diphtherie. Wie
wir der ^Ntyrdhäuser Ztg^ entnehmen, sollten nach den Verfügungen des
Magistrats in Nordhausen vom 16. und 21. Februar 1901 die an Scharlach
oder Diphtheritis erkrankten Kinder nicht eher wieder zum Schulbesuch
zugelassen werden dürfen, bis eine Bescheinigung des Kreisarztes über die
erfolgte Desinfektion der Kleider beigebracht war. Diese Vorschrift hat
sich aber in der Praxis als nicht durchführbar erwiesen. (Warum? D. Red.)
Deshalb sind diese Verfügungen aufgehoben worden, und es genügt für die
Zukunft wieder wie früher das Zeugnis des die Krankheit behandelnden
Arztes für den Wiedereintritt des Kindes in die Schule.
Gewicht der Schnlmappei. Weil Schüler und Schülerinnen sich
oft mit Büchern usw. schleppen, die sie in der Schule nicht benutzen, soll,
nach einer Verfügung des Provinzialschnlkollegiums in Berlin, darauf ge-
82*
604
halten werden, dab das Höchstgewicht der Mappen fOr die Schfller der
unteren Klassen den Betrag von etwa dem achten oder nennten Teil des
Körpergewichts nicht Oberschreite. Die Angehörigen werden ersucht, im
Interesse der Gesundheit ihrer Kinder hierauf zu achten. Aulserdem werden
sie gebeten, die Kinder statt mit Mappen mit Tornistern auszurasten, die
aber auch nicht schwerer sein dürfen. („Nordd. Mlg. Ztg.*^)
Jofreodspiele in MBlhauen i. E« Wie die „S^afsh. Fösr mit-
teilt, fanden die Mitte Mai in MQlhausen begonnenen Jugendspiele eine
grofee Beteiligung; am ersten Spieltag waren auf den vier Spielplätzen
2161, am zweiten 1828 Kinder anwesend. Die Kinder Terzehrten an
diesen beiden Tagen 250 Laib Brot, die die Stadt zur Verfügung stellte.
Im Tergangenen Jahre war der höchste Tagesbesuch 1007 Kinder.
Eine Internationnle Ansstellang für Sffentliehe allf^emeioe 6e-
SQDdkeitseinrichlnnf^en und Hygiene und sanitkre Hilfe bei Tnan-
porten findet 1906 in Mailand statt, vom Aprü bis November. Die erste
Abteilung umfa&t „Allgemeine öffentliche Hygiene und öffentliche hygienische
Einrichtungen**. In Kategorie III sind insbesondere genannt: öffentliche
Schulen und Asyle. — Gynwastik und Handarbeiten.
F&r die Einfilhrnng eines obligatorischen freien Spielnacli-
mittags in den geeigneten Schulen hat sich nach einer Meldung der
„Berl N. Nachr. ^ der ftrztliche Bezirksverein in Leipzig unlängst aus-
gesprochen.
Den Ferienkolonien in Berlin werden von Vereinen, Instituten und
industriellen Unternehmungen zahlreiche Kinder zur Unterbringung gegen
volle Bezahlung abergeben: 182 Kinder von der Allgemeinen Elektrizitats-
Gesellschaft, 100 Kinder von Siemens & Halske, 98 von der st&dtischen
Waisenverwaltung, liiO von der Armendirektion, 10 vom Kinderkranken^
haus, 20 von der Luisenstadtkirchgemeinde, 8 von der Friedrich- Werder-
Gemeinde, 36 von der Stiftung Töchterhort der Reichspost, 74 von der
GroCsloge von Hamburg, 9 vom Böhmischen Brauhaus, 7 Kinder von könig-
lichen Militärinstituten in Spandau und 72 Kinder von den Eisenbahner-
vereinen 1, 4, 6, 7, 8 und den Eisenbahn-Betriebsinspektionen a und b.
Auferdem haben eine Anzahl Vereine und Institute die Kosten für die von
ihnen ausgewählten Kinder tibemommen. Dennoch bleibt fUr die Ferien-
kolonien noch die Beschaffung grofser Geldmittel nötig, 5000 Kinder sollen
in diesem Jahre hinansgeachickt werden; und ist auch fttr zirka 1000 in
der oben angeführten Weise gesorgt, so bleiben doch immer noch die
Kosten fttr die 4000 übrigen Kinder aufzubringen. Deshalb mub immer
aufs neue an die Herzen und die Beutel appelliert werden.
Waldschnlen, die den Unterricht im Freien ermöglichen, sind für
grolse Städte, deren Yolksschnlkinder zu einem erheblichen Teil schlecht
gen&hrt und körperlich mangelhaft entwickelt sind, ein dringendes Be-
dürfnis. Wie bekannt, hat Gharlottenburg mit der Gründung einer solchen
Schule den Anfang gemacht. Im laufenden Jahre ist, wie wir der ^LeipM.
Volksetg.*' entnehmen, der Charlottenburger Gründung eine zweite in
Dresden gefolgt. Ein vermögender Mann hat sein Grundstück zur Ver-
fügung gestellt, andere Menschenfreunde haben die Mittel geschafft, nm
eioe Waldschule zu begründen, die in gleicher Weise wie die Charlotten^
606
bnrger kränklichen Kindern die grofsen gesundheitlichen Vorteile des
Aufenthalts nnd Unterrichts im Freien zu vermitteln yersncht Die Stadt-
gemeinde Dresden ist im Gegensatz zu Charlottenbnrg an der Gründung
nicht beteiligt. Und doch ist es eine unabweisbare Verpflichtung der
st&dtischen Behörden, durch derartige segensreiche Einrichtungen für das
körperliche Wohl der schulpflichtigen Jugend zu sorgen. So wurde z. B.
schon oft die Notwendigkeit betont, aus städtischen Mitteln die heute fast
ausschliefslich auf private Wohltätigkeit angewiesene Einrichtung der
Ferienkolonien so auszubauen, dafs möglichst alle erholungsbedürftigen
Kinder der ärmeren Bevölkerung, namentlich der Grofsstädte, von ihnen
Gewinn haben. Die Waldschule ist eine solche erweiterte, ausgebaute
Form der Ferienkolonien, und die Gemeinde Charlottenburg ist bisher die
einzige Stadtgemeinde gewesen, die soziale Einsicht genug besessen hat,
um ihre Pflichten gegenüber der leidenden Jugend des Proletariats nach
dieser Richtung hin zu begreifen.
Die Dresdener Waldschule (in Blasewitz) nimmt vor der Hand 20
Knaben und Mädchen auf, die aus den Schülern der 19. Bezirksschule
nach dem Gesichtspunkte der gröfeten körperlichen Bedflrftigkeit ausgewählt
werden. Der Betrieb der Schule vollzieht sich so, dafs die Kinder mit
einem besonderen Wagen der Strafsenbahn heraus- und abends herein-
befördert werden. Sie erhalten täglich vier, nach ärztlicher Vorschrift zu-
sammengestellte Mahlzeiten, um 9 Uhr beginnt auf dem Wiesenplane,
auf dem die Schulbänke anfgestellt sind, der Unterricht durch eine städtische
Lehrerin. Nach jeder Unterrichtsstunde findet eine kürzere Rast (nach
dem Mittagessen auf Liegestühlen) statt. Nachmittags wird nur noch eine
Stunde vor dem Vesper zu Schularbeiten verweudet. Der Rest des Tages
wird zu Gartenarbeiten oder Spaziergängen benutzt. Aufser der ärztlichen
Kontrolle unterliegt die Einrichtung der täglichen Überwachung von Frau
PADEB8TEIN, einer auf diesem Gebiete sacbgemäfs waltenden Dame. Die
gegenwärtige Veranstaltung ist nur eine Probe; wenn sie gut ausfallt, dann
wird wohl die Grundlage dafür gewonnen sein, dafs im nächsten Jahre einer
grOfseren Anzahl von Kindern der Segen der Waldschule zugänglich ge-
macht werden kann.
Fflr die Bewe^ogsspiele der Kinder ib Berlin geschieht, wie
der „Vortcärts'*^ meint, nicht genug. Die Stadt — sagt er — hat im
Mai wieder ihre öffenüichen Spielplätze der Benutzung übergeben. Dort
kommen Kinder der einzelnen Schulen an unterrichtsfreien Nachmittagen
zusammen, um unter Aufsicht von Lehrern ein paar Stunden zu spielen.
Die höheren Schulen machen von dieser Einrichtung reichlicher Gebrauch
als die Gemeindeschulen. Ob das nur an der Verschiedenheit des „Schüler-
materials** liegt, oder ob dabei auch eine gewisse Ungleichheit des Inter-
eeses der Lehrenden mitspricht? Denn der Eifer, mit dem die Kinder
sich an den Spielen betefligen, wird wesentlich beeinflufst durch den
stärkeren oder geringeren Grad des mittätigen Wohlwollens, das die Schule
diesen Spielen entgegenbringt.
Man kann nun freilich nicht erwarten, dab die Lehrer der Volks-
schule den Spielen der ihnen anvertrauten Jugend viel Förderung zuteil
werden lassen, wenn die Schulverwaltung selber nicht mit gutem Beispiel
606
vorangeht. Wie wenig Wert die Sc^olverwaltong anf die Pflege der Be-
wegungsspiele bei Gemeindeschulkindern 1^, das zeigt schon die
geringe Höhe der Mittel, die hierfür in den Etat eingestellt werden. In
diesem Jahre sollen ausgegeben werden : 4470 Mark Honorar ftlr die leitenden
Lehrer nnd 640 Mark für Unterhaitang der Spielgeräte. Dagegen sind
tXr die Bewegungsspiele der SchOler höherer Lehranstalten bewilligt:
8900 Mark Honorar der leitenden Lehrer und 2100 Mark für die Spiel-
geräte. Dieser Unterschied sei im wesentlichen darin begrflndety daCi das
Bedürfnis für systematischen Spielübnngen an den Oemeindeschulen vid
geringer erscheine als an den höheren Schulen. Das kann stimmen. Aber
vielleicht bleibt dort nur deshalb das Bedürfnis so gering, weil nicht mehr
dazn getan wird, es zu wecken und zu steigern, was allerdings ohne Be-
willigung grölserer Mittel schwer möglich ist.
Für die Gemeindeschulkinder sind» wie bekannt, seit mehreren Jahren
auch etliche Schulhöfe zu Bewegungsspielen freigegeben worden, nicht für
den ganzen Sommer, aber wenigstens für die paar Wochen der groisen
Ferien. Es hat lange gedauert, ehe man den Versuch wagte; und obwohl
er glückte, hat man nur sehr langsam und sehr widerstrebend sich dazu
bequemt, noch mehr Schulhöfe herzugeben. Gelegentlich wurde offiziös
den Zeitungen mitgeteilt, es sei mit diesen Spielen nicht viel los, die Be-
teiligung der Kinder lasse sehr zu wünschen übrig. Doch im Widerspruch
hierzu mubte dann in den Erläuterungen des nächsten Stadthaushaltsetats
zugegeben werden, dafs die Sache sich durchaus bewährt habe.
Auch der die^äbrige Etat hat das wieder bestätigen müssen und hat
deshalb eine Vermehrung um fünf Schulhöfe sowie eine Erhöhung der
Mittel gefordert. Hinzugefügt wurde indes, dafs „eine weitere Vermehrung
sich nicht ermöglichen lassen dürfte ^S weil nicht alle Höfe geeignet seien
und viele in den Ferien durch Bauarbeiten unbenutzbar würden. Soll die
Stadt Berlin hiermit wirklich schon am Ende ihres Könnens angelangt
sein? Wieviel Höfe nun für Spiele benutzt werden dürfen, sagt der Etat
nicht, aber es scheint das Viertelhundert noch nicht voll zu sein. Auch
die Kosten für Beaufsichtigung dieser Ferienspiele sowie für Spielgeräte usw.
belaufen sich jetzt erst auf 15000 Mark.
Zwei Berliner Waldschulen in Sieht Wie der „JSerZ. Lokal'
AnM.^ mitteilt, unterhält der Volksheilstätten- Verein vom Roten Kreuz in
den Sommermonaten in den Vororten Schönholz und Sadowa bei Köpenick
Erholungsstätten für Kinder, die fast ausschliefslich den Berliner Gemeinde-
schnlen entnommen sind. Damit die Kinder durch das Fembleiben vom
Unterricht nicht zurückbleiben, beabsichtigt der Verein in den Erholungs-
stätten nach dem Muster der Charlottenburger Waldschule Unterricht er-
teilen zu lassen. Da ihm die Mittel für die Erteilung des Unterrichts
fehlen, hat der Berliner Magistrat beschlossen, vorbehaltlich der Zustimmung
der Stadtverordnetenversammlung diese zu bewilligen. Berlin hat dann
gleich zwei Waldschulen.
Über die Sehalversinmnisse am Montag hat die Schuldepntation
von Höchst a. M. folgenden Erlais an die Eltern gerichtet: Die Lehrer-
schaft unserer Schulen hat vielfach die betrübende Wahrnehmung machen
müssen, dals die Zahl der Schulversäumnisse am Montag verhältnismälsig
607
grob ist, und daüs manche Schfiler sich an diesem Tage weniger leistongs-
fthig zeigen als an den übrigen Schaltagen. Sie sind abgespannt, schläfrig
und onlnstig zur Arbeit. Dieser Tiefstand der geistigen nnd körperlichen
Leistongsfilhigkeit erklärt sich nnr daraas» da(s der Sonntag ftar viele
Kinder nicht ein Tag wirklicher Erholung, sondern ein Tag anstrengender
und geradezu gesandheitsschädiicher YergnOgangen ist. Wir haben fest-
stellen können, dab manche SchQler am Sonntag nicht rechtzeitig ins Bett
kommen, oder dals ihnen gar alkoholische Getränke verabreicht werden,
wenn sie an den Yergnfigangen der Erwachsenen teilnehmen. Die von
ans beobachteten and in Erfahrung gebrachten Vorgänge verpflichten uns
dazu, an die Eltern unserer SchtUer die herzliche Bitte zu richten, bei den
Sonntagsvergnttgungen doch alles zu vermeiden, was geeignet ist, die Er-
schlaffung der Kinder am Montag oder überhaupt eine Schädigung ihrer
körperlichen und geistigen Entwicklung herbeizufähren.
Die Schuldeputation: PaIiLESKe.
Die /p^ofsen Sommerferien in den Schulen sollen nach einem Be-
schlüsse, der auf dem Kongresse für Schulhygiene in Paris im
Juni d. J. gefafst worden ist, mindestens zwei Monate dauern, ohne
dais deshalb die anderen Unterbrechungen der Schule durch Festtage usw.
verkürzt werden dürften. Diese grolsen Ferien sollen Mitte Juli ihren
Anfang nehmen.
,,Pflege fBr das sehwachsinnige Kind/^ unter diesem Namen
bat sich in s'Gravenhage ein Verein gegründet, welcher beabsichtigt, Schüler
aus den Anstalten, in erster Linie für Schwachsinnige zu s'Gravenhage,
jährlich in die Ferienkolonien zu schicken. Der Verein kann aber auch
seinen Arbeitskreis weiter ausdehnen, indem er für die Kinder in anderer
Weise sorgt, ihnen z. B. beim Verlassen der Schule behilflich ist, eine
passende Stelle zu finden usw. Der Jahresbeitrag beläuft sich für Aktiv-
mitglieder auf 10 Gulden, fär andere Teilnehmer auf 2 Gulden öO Gents.
Dr. med. J. M. 0. MouxoN-Haag.
3ltitilii^e ^ttfüqnnqtu.
Die Abhaltung von Fortbildungsturnknrsen beaw. Wanderknrsen
Ar VolkasebBllebrer und -Lehrerinnen in der Leitung von Volks-
und Jngendspielen.
Erlafs vom 10. Mai 1905.
In den letzten Jahren sind von einigen Regierungen mit diesseitiger
Unterstützung Fortbildungstumkurse ftlr VolksschuUehrer und -Lehrerinnen
bezw. Wanderkurse zur Ausbildung von Lehrern in der Leitung von Volks-
nnd Jngoidspielen veranstaltet worden. Der günstige Ausfall dieser Ver-
suche, über welche sich aus zwei im Auszuge zur Kenntnisnahme beigefügten
608
Berichten das N&here ergibt, Iftbt es angezeigt erscheineD, ilmlidie Yer-
anstaltnngen, dem yorbandenen BedOrfiÜBse entsprechend, auch in anderea
Bezirken ins Leben zn rufen.
Hierbei wird es einerseits daranf ankommen, dnrcb geeignete Kursus-
leiter praktisch zeigen zu lassen, da(s nnd wie sich auch bei einfachen
Tnmeinrichtnngen ein anregender nnd wirksamer Tnnmnterricht erteilen
labt. Andererseits ist im Hinblick anf den von der UnterrichtsTerwaltong
wiederholt herrorgehobenen hohen gesundheitlichen und erziehlichen Wert
der Jugend- und Volkspiele, namentlich der Bewegungsspiele im Freien,
Wert darauf zu legen, zu einer anregenden Pflege dieser Spiele gemiii
der Vorschrift des Leitfadens fftr den Turnunterricht in den preulsisdien
Volksschulen anzuleiten.
Ich yeranlasse die Königliche Regierung, zunächst im laufenden Sdnil-
jahre einen entsprechenden Fortbildungskursus durch eine hierzu geeignete
Persönlichkeit abhalten zu lassen. Fttr den Fall, dafs die besonderen
Bedürfnisse des dortigen Bezirkes die Beschränkung auf nur einen der
▼orbezeichneten Zwecke erwünscht machen sollten, weise ich bezüglich der
Anleitung zur Pflege der Jugendspiele darauf hin, dafs sich in Wander-
kursen mit etwa gleichem Kostenaufwande eine erheblich gröisere Zahl Yon
Lehrern ausbilden labt als durch solche, welche an demselben Orte wiede^
kehren.
Ich bin geneigt, die Kurse durch mäfsige Beihilfen unter der Voraus-
setzung zu unterstützen, da(s auch die in Frage kommenden Gemeinden
sich nach Möglichkeit finanziell beteiligen.
Den bezüglichen Anträgen sehe ich baldigst, spätestens binnen drei
Wochen entgegen.
Berlin, den 10. Mai 1905.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal« Angelegenheiten.
Im Auftrage.
TON Bremen.
An die Königlichen Regierungen, mit Ausnahme von Minden, Münster,
Wiesbaden und Oppeln.
ü m. B. No. 668.
(^Mimst-Bl. f. MeäM. u, medU. ünterricMs-Angdegekheitm'', Nr. 12.)
Die üntertiiehiiDg der iE das sehElpflichtige Alter
elBgetretonen Kinder auf das YorbaEdeEsein Urperlicher
EEd geistiger OebreeheB.
Kreisschreiben der Erziehungsdirektion des Kantons Zürich
an die Schulbehörden und die Lehrerschaft der Primarschulen.
Die Gemeindeschulpflegen und die Lehrerschaft der Primarschule
werden neuerdings auf die Bedeutung der Untersuchung der Schüler anf
allfällig Yorhandene körperliche und geistige Gebrechen aufmeitecm ge-
macht und eingeladen, den einschlägigen Bestimmungen des Tolkssdral-
gesetzes (vom 7. April 1900) alle Aufmerksamkeit zu schenken. Als
Grundlage für die Prüfung der Schüler dient die seinerzeit vom eid-
609
genöBsischeD Departement des Innern erlassene Anleitung; soweit sie nicht
im Besitze der SchulbehOrden and der Lehrer ist, können Exemplare anf
der Kanzlei des Erziehangswesens bezogen werden. Diese Anleitung soll den
Lehrer in den Stand setzen, eine allgemeine Prüfung vorzunehmen. Wenn
immer möglich, sollte indessen die Untersuchung in die Hand eines Arztes
gelegt' werden, in der Meinung, dafs der Lehrer sowohl als auch die
Eltern zum Zwecke der Auskunfterteilnng herbeigezogen werden. Fflr die
Prftfung der Sehorgane sind im Verlage von Hofer & Cie. in Zürich Seh-
proben Ton Augenarzt Dr. med. Stbigbb erschienen, die den Schulpflegen
zur Anschaffung empfohlen werden (Preis Fr. 1). Es empfiehlt sich femer,
diese Untersuchungen der Schüler nicht gleich zu Anfang des Schuljahres
Torzunehmen, sondern dem Lehrer erst einige Wochen, wenn nötig, einige
Monate zu weiteren Beobachtungen Zeit zu lassen.
Nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen (vergleiche § 38
der Verordnung betreffend das Yolksschulwesen) kommen bei den Schüler-
untersnchungen insbesondere in Betracht: allflUlige Fehler des Gesiditssinnes,
des Gehöres oder überhaupt solche Gebrechen, welche einem ersprielslichen
unterrichte hinderlich sind und welche die Schnlpflegen zu bestimmten
Mafsnahmen oder zur Erteilung von geeigneten Ratschlägen an die Eltern
veranlassen können.
Sodann ist zu beachten:
1. Körperlich oder geistig schwache Kinder können von der Schul-
pflege für kürzere oder längere Zeit zurückgestellt oder besonderen Klassen
zugeteilt werden.
2. Kindern, welche bei der ärztlichen Untersuchung als kurzsichtig,
schwerhörig oder kränklich befunden wurden, ohne deshalb zurückgestellt
oder besonderen Klassen zugeteilt worden zu sein, soll betreffend
Fladerung und Behandlung im Unterrichte besondere Rücksicht getragen
. werden.
3. Kinder, welche wegen Schwachsinns oder körperlicher Gebrechen
dem Schulunterrichte nicht folgen können oder demselben hinderlich sind,
sollen nach Einholung eines amtsärztlichen Zeugnisses und unter Voraus-
setzung der Genehmigung durch die Bezirksschulpflege von der Schule aus-
geschlossen werden und es soll für sie, soweit möglicii, eine besondere
Fflrsorge geschaffen werden (§11 des Volksschulgesetzes).
Von dem Resultate der Untersuchungen ist den Eltern Kenntnis zu
geben; ferner sind die Resultate in die Absenzenliste einzutragen und
behn Übertritt in eine folgende Klasse nachzuf&hren; im weiteren ist wie
bisher das vom eidgenössischen Departement des Innern festgesetzte
Formular genau auszufüllen und bis spätestens Ende Dezember der Er-
ziehungsdirektion zu Händen des eidgenössischen statistischen Bureaus zu-
zusteBen. Bei diesen Schüleruntersuchungen handelt es sich keineswegs
in erster Linie um die Sammlung statistischen Materials für wissenschaft-
liche Zwecke; der Hauptzweck besteht vielmehr darin, Mittel und Wege
ausfindig zu madien, um vorhandene Gebrechen zu heben oder zu mildem
and so die physische und geistige Leistungsfähigkeit des Kindes zu
stäiken. Die Schulbehörden, die Lehrer und die untersuchenden Ärzte
soHen die treuen Berater der Eltern sein; wo Anstaltserziehung notwendig
610
encheiiit, sollen sie die Eltern hierflber auf klAren nnd sie zor Einwülignng
in die Yeraorgnog veranlassai; das belehrende Wort oder die Besichtigimg
einer solchen Anstalt darch die Eltern werden in den meisten Fallen dem
Zwang flberflflssig machen. Im FaUe des fiedOrfhisses können Staats-
beitrage an die Kosten der Versorgung nnd des Unterrichts verabreicht
werden. Die Einreichong bezflglicher Oesache ist Sache der Schnlpflege;
almosengenössige Kinder kommen dabei nicht in Betracht, weil sie in der
Regel in den Anstalten bereits Yergflnstigungen genlefsen nnd weil d»
Gemeinden an ihre Armenansgaben besondere Staatsbeitrftge ausgerichtet
werden.
Bei diesem Anlals wird den Schalpflegen nnd der Lehrerschaft die
Fürsorge fftr diejenigen Schaler der Yolksschnle noch ganz besonders
empfohlen, die in körperlicher oder geistiger Hinsicht als gebrechlich, zn-
rflckgeblieben oder schwach bezeichnet werden müssen, oder denen es in-
folge der sozialen Verhältnisse der Eltern an ausreichender Nahrung und
Kleidung gebricht. In manchen Fällen sind die geringwertigen LeistongeD
oder der mangelnde Fleils des Schtüers die Folgen ungenttgender Er-
nährung; wird die letztere verbessert, so tritt vielfach ein gtlnstiger Einfluß
auf den Unterricht hervor. An die Kosten der Fürsorge für bedürftige
Schulkinder durch Abgabe von Nahrung und Kleidung werden den Scfaul-
gemeinden aus dem Alkoholzehntel Beiträge verabreicht.
Zürich, 21. Juni 1905.
Der Direktor des Erziehungswesens: H. Ernst.
Der Sekretär: Zollinger.
(j^AmÜ. Schulbl. d. Et ZOrich*', Nr. 7.)
Die Verwendang transportabler Pavillons fflr Sebnlsweeke.
Erlafs der k. k. steiermärkischen Statthalterei
vom 28. April 1905, Z. 16897, an die unterstehenden Bezirks-
hauptmannschaften.
Das k. k. Ministerium hat in einem an den steiermärkischen Landes-
schulrat gerichteten und von diesem in Abschrift anher übermittelten Er-
lasse vom 8. März 1905, Z. 19S63 ex 1904, auf die Zweckmäßigkeit
der Verwendung transportabler Pavillons für Schulzwecke aufmerksam ge-
macht und darauf hingewiesen, dals deren weitere Verbreitung zur Er-
leichterung der Schulbaukosten keinem Anstände unterliegt, während die
seinerzeit für Oebirgsscbulen als zulässig erklärten prorisorischen Holz-
bauten nur unter erheblichen Einschränkungen Verwendung finden können.
In dem angefahrten Erlasse wird des weiteren hervorgehoben, dals
sich die Verwendung transportabler Pavillons, wie solche längst in der
Armee, im Dienste der Sanitätspflege u. dgl. Verwendung finden, auch für
Schulzwecke mehr und mehr einzuleben beginnt, solche Schulpavillons be-
reits in vielen Städten Deutsclüands dermalen — wenn auch selbstredend
nicht ansschlieCBlich — im Gebrauche stehen und das System als solches,
wie auch insbesondere die Leistungen der auf diesem Gebiete derzeit be-
sonders hervortretenden Firma Christoph & ünmack (mit einer Zweig-
611
niederlassüDg in fiunzendorf bei Friedland in Böhmen) anf einigen grOliseren
Aoastellnngen der letzten Zeit, so auf dem „I. internationalen Kongresse
fbr Gesundheitspflege in Nürnberg" und anf der internationalen Ausstellung
«Die Kinderwelt" in St Petersburg allgemeine Anerkennung gefunden,
und dafs sich auch das Departement fftr Hochbau im Ministerium des
Innern sowie der Oberste Sanitfttsrat in gleich günstigem Sinne über diese
Einrichtung ausgesprochen haben.
Bei der Bedeutung, welche dem Gegenstände, insbesondere aus dem
Cresichtspunkte der tunlichsten Entlastung der Gemeinden von Bauauslagen
zukommt, wird die k. k. Bezirkshauptmannschaft auf die mehrerwähnte
Einrichtung zu dem Zwecke aufmerksam gemacht, damit in vorkommenden
Fflllen erwogen werde, ob nicht einem unmittelbar auftretenden Lokalitäten-
bedarfe zweckmäßig und mit minderen Kosten auf diesem Wege abgeholfen
werden könnte.
Insbesondere dürfte diese Eyentualität ins Auge zu fassen sein^ wenn
es sich um die notwendige Angliederung einer Klasse an eine Schule
handelt, die in einem für die vorhandenen Klassen zulänglichen, aber zur
baulichen Erweiterung nicht wohl geeigneten Sohulhause untergebracht ist,
oder wenn plötzliche Notstände (Brandunglflck u. dgl.) sich ergeben oder
die Errichtung von Turnhallen, Kinderhorten, Fortbildungsschulen u. dgl.
in Frage steht.
Bemerkt wird, dals ein derartiger Pavillon, der im Falle seiner
späteren Entbehrlichkeit für Schulzwecke anderen Gemeindezwecken dienen
könnte, sich fttr eine einklasdge Volksschule auf zirka 7000 Kr. inklusive
Aufstellung und Montierung stellt, daCs ein solcher binnen wenigen Wochen
beschafft und errichtet sein kann, und dais bei einer rationellen Erhaltung
eine zirka öOjährige Gebrauchsdauer in Aussicht gestellt wird.
Von dem Inhalte voranstehenden Erlasses ist der Amtsarzt in die
Kenntnis zu setzen. („D. österr. 8afntät8we8m'^ , Nr. 22.)
£\tttatnx.
Besprechangen.
Schmidt, Dr. med. F. A. Physiologie der Leibesftbugen. Leipzig,
R. Voigüänder 1905. 8^ löö S. Mk. 3.00.
Die Fachliteratur ist nicht arm an Arbeiten über Leibesübungen;
aber diese Arbeiten stehen zumeist entweder auf rein theoretischer Grundlage
und nehmen auf die Praxis keine oder nur wenig Rücksicht, oder sie sind
nur für das praktische Bedürfnis geschrieben und glauben die theoretischen
Voraussetzungen gänzlich ignorieren zu dürfen. Schmidt hat in der an-
gezeigten Schrift Theorie und Praxis glOcklich vereint: seine höchst be-
achtenswerten praktischen Vorschläge sind durch physiologische Tatsachen
612
und Oberlegüiigen gestfltzt, der ganze Stoff ist systematisch gegliedert und
die Schlafsfolgerangeii, zn denen der Verfasser gelangt, sind mit logischer
Schärfe ans den physiologischen Prämissen abgeleitet; die Arbeit Schmidts
ist den besten Erzengnissen der Weltliteratur beizuzählen. Damit ist
natOrlich nicht gesagt, dafs jedes Detail, das der Verfasser vorbringt, on-
anfechtbar ist, und man wird in manchen Dingen anderer Anschauung sein
können; so z. B. scheint dem Referenten die prinzipielle Ablehnung der
Ordnungsflbungen und salbst der „Reigen^ ebenso etwas zu weit geganfrea,
als die Behauptung, dafs mit vollendetem 40. Lebensjahre die leibliche
Leistungsfähigkeit bereits sich in absteigender Linie befindet, und dais die
Wände der Schlagadern starrer werden und an Elastizität einbfldsen. Ge-
rade bei Personen, welche von Jugend' an Leibesübungen pflegen, ist die
Altersgrenze von 40 Jahren als Beginn der Arteriosklerose in dieser aU-
gemeinen Fassung doch zu eng gezogen.
Was bedeuten aber diese kleinen „Hyperbeln^ gegen die Ftllle von
Anregungen und Belehrungen, die wir aus dem prächtigen Buche zu
schöpfen vermögen! Was der Verfasser an verschiedenen Stellen seiner
Schrift aber die Gefahren der Atempressung bei Kraftübungen sagt, ist
so flberzeugend und so flberaus wichtig, dalis es besonders hervorgehoben
zu werden verdient; bezflglich der vielen anderen lehrreichen und inter-
essanten Details mufs auf das Original verwiesen werden, und es seien
hier nur noch die Überschriften der einzelnen Abschnitte behufs Orien-
tierung Ober die Anordnung des Stoffes angefahrt. Die „Einleitung*' be-
schäftigt sich mit einer objektiven Abschätzung der deutschen gegenüber
der schwedischen Schul gymnastik, die folgenden Kapitel besprechen:
I. ,,Die physiologische Betrachtung der Leibesübungen^; II. „Einwirkung
der Leibesübungen auf die Knochen und Gelenke"; lU. „Einwirkung der
Leibesübungen auf die verschiedenen Muskeln im örtlichen Sinne**;
rv. „Die physiologischen Vorgänge im Muskelgewebe bei Muskelarbeit
und ihre Beeinflussung durch Leibesflbung^; V. „Die physiologische Er-
ziehung des Nervensystems bei den Leibesübungen **; VI. „Einwirkung von
Leibesübungen auf die Atmung und die LungenentwicUung** ; VII. „Be-
einflussung des Herzens und seiner Tätigkeit durch Leibesübungen'';
Vni. „Einflufe der Leibesübungen auf den Gesamtstoffwechsel des Körpers";
IX. „Physiologischer Übungswert der verschiedenen Arten der Leibes-
übungen"; X. „Das Übungsbedürfais in den verschiedenen Lebensaltern^.
Dadurch, dafs überall auf die Schulverhältnipse besondere Rücksicht
genommen ist, ist das Buch für Schulhygieniker und Pädagogen, namentlich
aber für Turnlehrer, ein „Leitfaden für Körperübungen in der Schule*",
dem man die weiteste Verbreitung und die gebührende Beachtung schon
im Interesse unserer Schuljugend vrünschen mufs.
Die überaus empfehlenswerte Schrift ist eine Umarbeitung von zehn
Vorträgen, die Dr. Schmidt vom 15. bis 29. August 1904 gelegentlidi
der Weltausstellung in St. Louis gehalten hat. Dr. ALTSCHüii-Prag.
KoTELMANK, LüDwiG, Dr. med. et phil. Behnlgesniidbeitepflege.
Handbuch der Erziehungs- und ünterrichtslehre fir höhere Schulen,
herausgegeben von Dr. A. Battmeistsb. II. Bd., 3. Abt., 2. Hälfte.
613
Zweite, nenbearbdtete Auflage. Manchen, C. H. fieck, 1904. 8^.
216 S. Mit zahlreichen Abbildungen. Geb. Mk. 5. — , in Leinen geb.
Mk. 6.—.
Nachdem vor beil&nfig zehn Jahren dieses Werk in erster Auflage
encbienen war, tritt nun der Verfasser, der BegrOnder nnd langjährige
Redakteor der „ZeUschr. f. SchUgesundheitspfl/', an ans heran mit einer
sweiten Auflage, in welcher sowohl die von der Kritik geänCserten Be-
merkongen als auch die von der Scbulgesnndheitspflege in diesen zehn
Jahren gemachten Fortschritte gebührende Berücksichtigung gefunden
haben. K. wollte kein Lehr- oder Handbuch, nicht einmal einen „Grund-
TiSa^ der Schulhygiene schreiben, sondern nur ausgewählte Kapitel der-
selben bearbeiten, und zwar diejenigen Gebiete, in welchen der Lehrer,
vorausgesetzt, dafs er Verständnis dafür besitzt, Verbesserungen eintreten
lassen kann. Der Verfasser hätte mit gutem Gewissen den Kreis der-
jenigen, welche aus seiner Arbeit Nutzen ziehen können, erweitern dürfen,
denn auch für die Mitglieder der Schulbehörden, für die Eltern und über-
baapt für alle, denen das Wohl der Schale am Herzen liegt, enthält die-
selbe sehr Yiel Wertvolles. Und gerade diesen Kreisen ist das Buch K.s
durch die glückliche Beschränkung auf gewisse Gebiete ungemein mund-
gerecht gemacht worden, denn der Verfasser hat sich hierdurch den Vor-
teil gesichert, da(s er manche Abteilungen der Schulhygiene, welche für
Tiele Leser als schwerverdaulicher Ballast erscheinen, wie z. B. die tech-
aischen Details über Bau und Anlagen von Schulhäusem, einfach unberück-
sichtigt lassen konnte.
Das Buch K.s zerfällt, nach einer kurzen Einleitung über die Ge-
schichte der Schulgesundheitspilege in Deutschland, in zwei Hauptabschnitte,
von denen der erste die Hygiene der Schulräume (Orientierung der
Sehnlzimmer, natürliche und künstliche Beleuchtung, Ventilation und
Heizung, Reinhaltung und innere Ausstattung), der zweite die Hygiene
der Schüler (des Nervensystems, der Sinnesorgane, der Stimm- und
Sprachoi^ane, des übrigen Körpers) behandelt Die Sprache ist eine ein-
fache, die Schilderung eine anziehende, sehr objektiv gehaltene, die An-
ordnung und Behandlung des Stoffes entspricht durchaus dem vom Ver-
fasser gewollten Zweck und die grofse Belesenheit K.s tritt, ohne auf-
dringlich zu sein, ins richtige Licht. Wir haben alle Ursache, dem Buche
einen möglichst groben Leserkreis zu wünschen und können es mit gutem
Gewissen allen Interessenten lebhaft empfehlen.
Nun kann man ja in guten Treuen über manche vom Verfasser be-
arbeitete Fragen verschiedener Ansicht sein, und vieles ist noch nicht so
abgeklärt, dafe man die eine oder die andere Anschauung als die allein
nchüge zu halten gezwungen wäre. Wir wollen also über die Punkte, in
denen wir mit dem Verfasser auseinandergehen, nicht mit ihm rechten;
dagegen möge er uns gestatten, ihn auf einiges aufmerksam zu machen,
was, wie wir glauben, bei einer eventuellen Neuauflage des Buches Be-
rücksichtigung finden dürfte.
Bei dem aufmerksamen Leser entsteht der Wunsch, es möchten die
Literaturangaben bei einzelnen Kapiteln (z. B. Orientierung der Schul-
zimmer, natürliche und künstliche Beleuchtung, Ventilation und Heizung,
614
Reinigung, innere Ausstattung) etwas vervollständigt werden, was dem
Verfasser bei seiner aasgedehnten Literatarkenntnis nicht schwer ftUen
dflrfte. — Die Frage der Steilschrift, die durchaus in den von E. selbst
gesteckten Rahmen seines Buches pafst, dflrfte ansfobrlicher and grand-
s&tzlicher behandelt werden. Was darüber auf S. 153 and 181 gesagt
ist, genflgt nicht. Wenn irgendwo anf dem Gebiete der Schalhjgiene, so
könnte hier der Lehrer helfend einschreiten; statt dessen verhalt sich die
Lehrerschaft in ihrer Allgemeinheit dieser wichtigen Frage g^enflber
dorchaas ablehnend. Sie versteht bis jetzt nicht, dafs die flbliche Schräg-
schrift einen der wichtigsten Faktoren in der Entstehung der Wirbelsanle-
verkrflmmang and der Karzsichtigkeit bei Schalkindem darstellt. Dals
sie hierdurch einen unverzeihlichen Fehler begeht, sollte ihr in einem
Buche von der Bedeutung des hier besprochenen in flberzeugender Weise
vorgefahrt werden. — Im Abschnitt Aber die innere Aunstattnng der
Schulzimmer wäre es wflnschenswert, dafs den Details Aber die Konstruk-
tion der Schulbank eine allgemeine Betrachtung Aber die auf der Statik
und Dynamik der Sitzstellung aufgebauten grundsätzlichen Forderungen
der Hygiene an die Schulbank vorausgeschickt wflrde. Diese Forderungen
bilden die Grundlage der hygienischen Beurteilung der Schulbank; ohne
vorgängige AufsteUung und Begrflndung derselben ist es schwer, sich in
dem Walde von Schulbankkonstruktionen, die von allen Seiten empfohlen
werden, zurecht zu finden. Und gerade den Lehrern gegenflber, die aus
begreiflichen Grflnden geneigt sind, hygienisch nebensächlichen Dingen
eine vorwiegende Bedeutung beizumessen, müssen diese grundsätzlichen
Forderungen der Hygiene immer wieder betont werden I — Etwas stief<^
mtttteriich ist auch die Schularztfrage behandelt; namentlich dflrfte gerade
in diesem Buche das gegenseitige Verhältnis von Lehrer und Arzt und
das Ineinandergreifen ihrer Tätigkeit im Interesse der Schfller etwas mehr
betont werden. — Zu Mifsverständnissen kann folgender Satz auf S. 34
Veranlassung geben: .Diese 56S4 ccm Luft, reduziert auf eine Temperatur
von 23^ C und 766 mm Barometerdruck ....*'; es soll natflrlich heifeeik
„reduziert auf eine Temperatur von 0^ C. und 760 mm . . . ." Wir
hegen die Oberzeugung, dafs der geehrte Verfasser diese wenigen kritischen
Bemerkungen so aufnehmen wird, wie sie gemeint sind — als einfachen
Ausdruck der Wünsche eines auifmerksamen Lesers, dem es am Herzen
liegt, dafs das Werk K.s der Schulhygiene den gewollten Dienst in mög-
lichst weitgehendem Mabe leiste. F. EBiBMAK-Zürich.
NoLL, F. C. Natnrgesehiebte des Menselieii. 5. Aufl.* Besorgt von
Prof. Dr. H. Reichenbach. Mit 113 Abbildungen im Text, 2 Tafeb
und 1 Karte in Farbendruck. Breslau, F. Hirt, 1906. 8<*. 120 S.
Mk. 1.50.
Das Buch ist zu bekannt, als dafs man es besonders empfehlen
mOfste. Alles, was der Laie von der Anthropologie, Anatomie, Physio-
logie und von der Gesundheitslehre gewöhnlich zu wissen wünscht, wird
er in der einen oder anderen Form darin finden. Die allgemeinen Ge-
sundheitsregeln gefallen uns am besten. Dr. Kübt WEHRLIN-Zttrich.
§tv $(t)ulitrfi
in. Jahrgang. 1905. No. 9.
<l>rt$itialabl|ati)ltttt0eti.
Die Sohvlantfrage vom Btaadpiinkt des Hediiinalbeamten.
Von
Medizinalrat Dr. BLBZiNOEB-Oamistait.
Vortrag
gehalten in der 4. JahresvemmmluDg de« württemb. KedizinalbeamtenTereins
am 14. Hai 1905 in Stattgart
Meiner nahezu seohsjährigen Tätigkeit als Versaohssohnlarzt in
Stadt und Bezirk Oannstatt habe ich es zu danken, dab mir die
Ehre zuteil wurde, heute vor Ihnen über die Schularztfrage rom
Staudpunkt des Medizinalbeamten zu sprechen. Die Notwendigkeit
hygienischer Fürsorge für die Schule und die Schüler hat die Eönigl.
württembergische Regierung seit den yierziger Jahren des vorigen
Jahrhunderts durch eine Reihe von Erlassen anerkannt. Die Ver-
flQgung des Ministers des Kirchen- und Schulwesens, betreffend die
Einrichtung der Schulhauser und die Gesundheitspflege in den
Schalen, vom 28. Dezember 1870, hat auch aulserhalb Württembergs
Anerkennung und Nachahmung gefunden. Bei den vom Königl.
Minister des Innern durch Erlab vom 20. Oktober 1876 angeordneten
oberamtsärztlichen Oemeinde-Medizinalvisitationen, welche wir den
Anregungen ton Kochs verdanken, hat die Schule ganz besondere
Berücksichtigung gefunden. Die beiden höchst zweckmäßigen Ein-
richtungen sind wohl daran schuldig, dals in Württemberg das Be-
dürfnis besonderer Schulärzte nicht so früh erwachte als in anderen
Staaten, welche ähnliche Einrichtungen nicht besafsen. Die nie
rastende Zeit sorgte jedoch dafür, dalis auch bei uns die Schularzt-
frage rege wurde. Bei den gesteigerten Ansprüchen an die Schule
konnte es nicht ausbleiben, dalis das Verlangen nach Verbesserung
des Schulwesens auch in hygienischer Beziehung immer lauter wurde.
Der gehnlarst. lO. 16
156 616
Wohl hatten die oberamtsärEtliohenGkmeindemediEinalyisitationen
im Laufe der Zeit manohen Schaden in den Sohnlen aufgedeckt,
manches Gute geschaiOPen. Heute noch stehen die Schulen an der
Spitze der öffentlichen £mrichtungen, auf welche der Oberamtsarzt
bei diesen Visitationen hauptsächlich sein Augenmerk zu richten hat
Andererseits waren die Erlasse von 1870 und 1875 vielfach auf dem
Papier stehen geblieben oder hatten wenigstens nicht die beabsichtigte
Berücksichtigung und Würdigung gefunden. Wie hätte auch durch
die nur alle sechs Jahre in einer Gemeinde stattfindenden Visitationen
ein grofses Interesse für die Schulgesundheitspflege bei dem Visitator,
bei den Ortsschulbehörden, bei den Lehrern geweckt werden können 1
Der Oberamtsarzt war froh, wenn er jeweils einige Verbesserungen
durchsetzen konnte, glücklich, wenn eine neue Wandtafel oder neue
Subsellien oder dergl. zugesagt wurden, und überglücklich, wenn an
Stelle des alten, verlotterten, ein neues Scbulbaus für die nächsten
Jahre in Aussicht gestellt wurde. Das Schultheilsenamt aber lächelte
um so mehr, je weniger Ausstellungen gemacht wurden. Die Lehrer
endlich, so manches sie auf dem Herzen hatten, schwiegen, weil sie
das Verhältnis zum Herrn SchultheiÜBen nicht trüben wollten oder
auch weil ihnen die hygienische Zutat nicht recht munden wollte.
Und was geschah mit den Schülern? Die übel hörenden oder übel
sehenden wurden, wenn's gut ging, in die vordersten Bänke gesetzt,
die Körperhaltung im allgemeinen gelobt oder getadelt. Dabei blieb's,
wenn nicht ein gar zu auffallendes körperliches Leiden eines armen
Schülers die amtliche Behandlung geradezu herausforderte«
Das ist ganz anders geworden im Laufe der letzten Jahrzehnte
durch die gewaltigen Fortschritte der öffentlichen Gesundheitspflege
sowie namentlich auch der Sozialpolitik.
Es liegt mir ferne, vor einer solchen Versammlung eingehendere
Mitteilungen machen zu wollen von den ersten Anfängen des Schul-
arztweeens bis zum heutigen Tage. Aber das darf ich anführen, dafs
schon im Jahre 1901 auf der Jahresversammlung des Allgemeinen
deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege, bei welcher die Mehr-
zahl der Erschienenen aus Bürgermeistern und Pädagogen bestand,
auf Grund der gemachten Erfahrungen der BesohluTs gefalst wurde,
bei den Regierungen und Stadtverwaltungen dahin zu wirken, dab
Schulärzte in allen deutschen Bundesstaaten, in den Städten und auf
dem Lande, angestellt werden sollten. So kann es nicht wunder-
nehmen, dafs Schubert - Nürnberg in seinem neuesten Bericht über
das Schularzt wesen in Deutschland vom Jahre 1905 schon allein
617 167
560 ftoloher Sehtilärzte zfthli, welche das Wiesbadener System, mehr
oder weniger modifiziert, sich zun Vorbild genommen haben. Dabei
ist ans Württemberg nnr Heilbronn aufgeführt. Eine Anzahl weiterer
Schulärzte in Deutschland ist seit dem Erscheinen des Berichts dazu
gekommen. Diese verhaltnismälsig grofse Zahl von Schulflrzten ist
ein Beweis dafür, daJs die Frage, ob Schulärzte nötig sind, praktisch
gelöst erscheint, und was mir das wichtigste an der Lösung erscheint, ist
das, dafs dabei die Schulkinder in den Vordergrund gestellt sind.
Anerkannt ist, dals den künftigen Generationen in der langen B.eihe
von Jahren, in welchen sie die Schule zu besuchen haben, und gerade
in der Zeit, in welcher Leib und Seele in der gröfsten Entwicklung
begriffen und am leichtesten zu schädigen sind, die Errungenschaften
der hygienischen Wissenschaft in ausgiebigster Weise zuteil werden
^sollen". Die bisherigen Erfahrungen der Schulärzte lassen keinen
Zweifel darüber, dalis regelmässige Untersuchungen der Schulkinder
notwendig sind. Die Zahl der mit Oebrechen aller Art behafteten
Kinder ist trotz Armen- und Kassenarzt viel grölser als man er-
wartet hatte. Das haben auch unsere Cannstatter Dntersuchungen
dargetan. Nicht selten bilden diese Gebrechen eine Störung und
Behinderung des Unterrichts. Die Aufdeckung und wenn irgend
möglich die Beseitigung der Gebrechen liegt also nicht nur im Inter-
esse der Schüler, sondern ganz besonders auch in dem der Schule.
Meines Erachtens gehört zu einem geregelten Schulbetrieb ein ärzt-
licher Berater, ein Schularzt. Dem Lehrer mufs Gelegenheit gegeben
sein, ohne umständlichen Instanzengang ärztlichen Rat einzuholen in
hygienischen Anständen und ganz besonders auch hinsichtlich des
Befindens der Schüler; ich denke dabei an die Reinhaltung, Heizung
der Schulzimmer u. dgl., an beginnende epidemische Krankheiten,
an die Schulversäumnisse, Tum- und Baddispensationen usw. Nicht
ganz belanglos scheint mir auch der Umstand zu sein, dals durch
den Schularzt der Sinn und das Verständnis für Gesundheits- und
Körperpflege bei Lehrern und Schülern geweckt und gefördert wird.
Endlich aber hat der Staat das grölste Interesse daran, dafs
durch die Vermittlung des Schularztes die Gebrechen der Schul-
kinder wenn möglich beseitigt werden, dals der Nachwuchs ein ge-
sunder und kräftiger werde. Wie es in der Wirklichkeit damit
bestellt ist, darüber reden die Aushebungsresultate, was den männ-
lichen Teil unserer Jugend anlangt, eine laute Sprache, und es ist
kein Zweifel, dafs es beim weiblichen Teil nicht besser bestellt ist.
Mit dem bisher Gesagten glaube ich den Beweis für die Zweck-
Der Sohnlarst. UL 17
158 618
mäCrigkeit, ja ftbr die Notwendigkeit von Sohnlärzten erbracht zu
haben. Wir kommen nnn an die Frage, von wem die Schul-
ärzte anzustellen und wem die schulärztlichen Funktionen
zu übertragen sind.
Bisher hat der Staat die schulärztliche Frage den Gemeinden
bezw., wie bei uns in Cannstatt, dem Bezirk überlassen; er hatte ja
für hygienische Überwachung der Schule durch die oben erwähnten
Erlasse und Einrichtungen gesorgt. Er hatte damit zugleich an-
erkannt, dalis er, der den Schulzwang gesetzlich eingefllhrt hatte,
auch verpflichtet sei, Air gesundheitsgemäls eingerichtete Schulen
sowie für die Femhaltung von Schädigungen der G^undheit der
Schüler, eventuell auch für die Beseitigung etwa vorhandener Schäden
zu sorgen. Ist dies aber seit langer Zeit anerkannte Aufgabe des
Staates, so kann er sich auch nicht der als notwendig anerkannten
erweiterten Fürsorge entziehen.
Mit der Überwachung der Schule nach der hygienischen Seite
sind bis jetzt ausschlielslich die Oberamtsärzte beauftragt gewesen
als die mit der Sorge für die öffentliche Gesundheitspflege betrauten
Organe des Staates ; die hygienische Fürsorge im Schulbetrieb bildete
einen wesentlichen Bestandteil ihrer amtlichen Obliegenheiten, und
ganz mit Recht. Oder ist es nicht selbstverständlich, dals dem
Manne, welchem die Gesundheitspflege im Bezirk anvertraut ist, auch
der wichtigste Teil derselben, die Fürsorge für die heranwachsende
Jugend, anvertraut wurde?
Soll nun die Schulgesundheitspflege erweitert und insonderheit
auf die körperliche und geistige Beschaffenheit der Schüler das
Augenmerk gerichtet werden, so fällt auch diese erweiterte Au^be
in erster Linie dem Oberamtsarzt zu. Die allgemeine hygienische
Fürsorge gehört seit Jahrzehnten zu den amtlichen Obliegenheiten
des Oberamtsarztes, der speziellere, eingehendere Teil muis ihm auch
werden. Wer mit der einen Hälfte betraut ist, muls auch mit der
anderen betraut werden. Trennen kann man die Aufgabe nicht, da
der allgemein hygienische und der spezielle, auf die Schüler sich
erstreckende Teil so vielfache Beziehungen zueinander haben und so
innig ineinander übergreifen.
Auch nicht darum kann es sich handeln, wenn dem Oberamts-
arzt die schulärztlichen Funktionen in toto übertragen werden, dais
demselben damit ein neues Privilegium geschaffen werde. Ich kenne
überhaupt Privilegien des Oberamtsarztes nicht, au&er das eine, dals
er in öffentlichen hygienischen Dingen gehört wird und gehört werden
619 159
moTs. Also nicht um ein weiteres Privilegium würde es sich bei
der Übertragung der schulärztlichen Funktionen handeln, sondern
darum, dafs dem Oberamtsarzt das wird, was ihm gehört.
Der Oberamtsarzt hat aber meines Erachtens nicht nur das
Recht auf die Übertragung der erweiterten schulärztlichen Funktionen,
sondern auch, wenn er es mit seiner amtlichen Stellung ernst nimmt,
die Pflicht, die vergröiserte Aufgabe auf sich zu nehmen.
Der Oberamtsarzt ist auch der geeignete Mann dazu vermöge
seiner Stellung, seines Alters, seiner Erfahrung.
Der Schularzt mufs eine gewisse Autorität haben den Ortsschul-
behörden und Lehrern gegenüber; das werde ich nicht des weiteren
auszuführen haben.
Der Schularzt soll ein älterer Arzt sein, dem praktische Er-
fahrung in der allgemeinen ärztlichen Praxis und in hygienischen
Dingen zu Gebot steht.
Der Schularzt soll ein se/shafter Mann sein, der längere Zeit
durch seine Stellung an einen Bezirk gebunden ist; häufigerer Wechsel
würde der schulärztlichen Sache schaden.
Alle diese Eigenschaften kommen in der Regel dem Oberamts-
arzte zu. Geborene Schulärzte sind die Oberamtsärzte freilich auch
nicht; sie werden aber, das ist meine Erfahrung und feste Über-
zeugung, hineinwachsen in die schulärztliche Tätigkeit; ihr Interesse
für die Schule und ihren Betrieb wird von Jahr zu Jahr zunehmen,
und je länger, je mehr werden sie zu der Einsicht kommen, dals
die schulärztliche Aufgabe eine der dankbarsten in ihrer amtlichen
Tätigkeit ist.
Damit, dab ich dem Oberamtsarzt die schulärztlichen Funktionen
übertragen wissen will, bin ich weit entfernt davon, zu behaupten,
dals es nicht auch unter den nichtbeamteten Ärzten eine Anzahl
solcher geben wird, welche die für den Schularzt notwendigen Eigen-
schaften besitzen.
Halten Sie nun dafür — ich mufs diese Frage auch streifen — ,
dab, wenn die Anstellung von Schulärzten den Gemeinden oder den
Bezirken überlassen würde, immer die tüchtigen Ärzte zu Schulärzten
auserlesen würden? Ist nicht vielmehr zu befürchten, dals ungeeignete
Männer angestellt würden oder solche, welche die niedrigsten Gehalts-
ansprüche machen, oder Ärzte, welche die Schularztstelle als Sprung-
brett in eine ausgedehntere Praxis benutzen, um sie wieder auf-
zugeben, sobald die Praxis grofs genug ist? und was dann, wenn
der Schularzt streikt?
17» '
KM) 620
Auch solche Beflexionen bewegen mich, am Oberamtaant als
Schularzt festzuhalten. Nur die staatliche Regelung der Sohularzt-
einriohtung wird die nötige Begelmftlaigkeit und 01eichm|dsigkeit
garantieren und die Möglichkeit durchgreifender Verbesserungen auf
dem ganzen Gebiet der Schulgesundheitspflege gewähren.
Eine wichtige Frage ist nun freilich die: Ist die Übertragung
der erweiterten schulflrztlichen Funktionen an den Oberamtsarzt bei
seiner dermaligen Stellung auch ausführbar und möglich? Ich bejahe
die Frage für die kleinen und mittelgroisen Bezirke, gebe aber zu,
dals das, was in Oannstatt seit nahezu sechs Jahren ausfährbar war,
nicht ohne weiteres verallgemeinert werden kann. Die Frage ist in
erster Linie eine Geldfrage. Die schulärztliche Tätigkeit erfordert
auch in der einfachen Weise, wie ich sie betreibe, viel Arbeit und
Zeit. Neben ausgedehnter Privatpraxis kann der Oberamtsarzt die
schulärztlichen Funktionen nicht oder nur mit grofser Aufopferung
und Selbstverleugnung besorgen. Der Oberamtsarzt muls, wenn er
die schulärztlichen Funktionen übernehmen soll, einen Teil seiner
Praxis darangeben. Dafür muls er durch ein nicht zu karg be-
messenes Honorar entschädigt werden. Bei der Bestimmung der
Höhe des Honorars wird es hauptsächlich darauf ankommen, in
welcher Weise die Aufgabe dem Schularzt gestellt wird. Wir in
Oannstatt haben uns sehr beschränkt mit Büoksicht auf die Neuheit
der Sache in der Überzeugung, dals die schulärztlichen Untersuchungen
um so leichter Eingang finden dürften, je einfacher wir zunächst die
Sache anfassen und je mehr Erfolge wir in kurzer Zeit aufweisen
können. Soll der Oberamtsarzt in seiner bisherigen Stellang der
Schularzt werden, so muTs eine gewisse Beschränkung in der Auf-
gabenstellung stattfinden. Ganz anders wird sich die Sache gestalten,
wenn der Oberamtsarzt zum vollbeschäftigten staatlichen Sanitäts-
beamten gemacht, wenn ihm die ärztliche Praxis mit Ausnahme von
konsultativer Erankenhauspraxis abgenommen würde. Das wird, das
muls kommen, dafür werden die täglich wachsenden Anforderungen
der Hygiene sorgen. An Arbeit wird es dem beamteten Arzt nicht
fehlen, wenn ihm der Staat neben der Stellung als Qerichtsarzt die
gesamte öffentliche Gesundheitspflege in allen Zweigen der Verwaltxmg
überträgt.
Im Verkehrswesen, im Nahrungsmittel verkehr, in der Wohnungs-
frage, in der Industrie, im Armenwesen usw. muTs die öffentliche
Gesundheitspflege eine viel gröfsere Bolle spielen, als dies bis jetzt
der Fall ist. Erst dann, wenn der Sanitätsbeamte seine Tätigkeit
621 161
auf alle dieee Dinge aufiBtidebneii die amÜiohe Pflicht hat, erst dann
können die Anforderungen der öfiSantlichen Q^nndheitspflege in ge-
nügender Weise erfüllt werden. Erst dann aber auch» wenn der
OberamtsaTzty von der Praxis unabhängig, sich ganz seinen amtlichen
Aufgaben hingeben kann und mufs, erst dann wird er sowohl dem
Staat und der Gemeinde als auch dem Publikum und den Kollegen
gegenüber die Stellung einnehmen, welche zu einer richtigen amt-
lichen Tätigkeit gehört und welche dem staatlichen Vertreter der
Hygiene gebührt.
Nach dieser Abschweifung in die Zukunft komme ich nochmals
kurz auf die Schularztfrage zurück. Bei meinen Ausftlhrungen habe
ich bisher nur die kleinen und mittelgrolsen Bezirke ins Auge gefafst,
weil sie bei uns in Württemberg hauptsächlich vertreten sind. Für
grofe Bezirke oder Städte wird ein anderer Modus zu suchen sein,
sei es, dafs der Staat in denselben zwei oder mehrere OberamtBärzte
mit getrennten Funktionen oder abgeteilten Distrikten, oder neben
dem Oberamts- und G^richtsarzt besondere Schulärzte anstellt, unter
allen umständen aber muis der Staat das Becht der Oberaufsicht
über die Schule auch nach der hygienischen Seite, sowie das Recht
der Übertragung der schulärztlichen Funktionen bezw. der Anstellung
der Schulärzte sich vorbehalten, um eine regelmälsige und gleich-
mäbige Durchführung der schulärztlichen Fürsorge gewährleisten zu
können.
Ich bin zu Ende und fasse das, was ich ausgeführt habe, in
folgende vier Sätze zusammen:
1. Eingehendere ärztliche Fürsorge für die Schule mit besonderer
Berücksichtigung des körperlichen und geistigen Befindens der Schüler
ist notwendig.
2. Die Fürsorge ist Sache des Staates, wie er das ja seit Jahr-
zehnten anerkannt hat.
8. Der Staat hat den Oberamtsarzt auch mit den erweiterten
sehulärztlichen Funktionen zu beauftragen. Der Oberamtsarzt hat
als öffentlicher Sanitätsbeamter nicht nur ein Recht darauf, sondern
auch die Pflicht, sie zu übernehmen.
4. Die zweckmälsigste Lösung wäre die Übertragung der schul-
ärztUoben Funktionen an den von der Praxis unabhängig gemachten
Oberamtsarzt.
162 622
Anmerknng der Sedaktion.
Wir sind mit den Ansichten des VerfSassers einverstanden, soweit
es sich um die ärztliche Schnlanfsicht in Landbezirken handelt; da-
gegen halten wir ganz entschieden dafür, daJs in den Städten das
Recht, die Schulärzte zu wählen, den städtischen Verwaltungen vor-
behalten werden muls; nur dann werden die letzteren der Schularzt-
institution das nötige Interesse entgegen bringen.
ftleinere Jttttetltitt$ev.
Bessentellnng der BebnUrzte in Cbennifz. ürsprongllcb er-
hielten sämtliche Schulärzte 500 Mark bei einem Wirkungsbereich von drei
Schnleinheiten, Nonmehr ist diese Zahl von drei Schalkörpern nicht allem
auf zwei reduziert worden, sondern die Entschädigung auf der gleichen
Höhe geblieben und weiterhin festgesetzt worden, dals der „Gehalt** eines
Schularztes nach drei Jahren Amtierung um 150 Mark steigt. Dies wieder-
holt sich nach weiteren drei Jahren noch zweimal bis zum Höchstgehalt
von 950 Mark, welches also im zehnten Jahre schulärztlicher Tätigkeit
eintreten wfirde. Es scheint dies, da dieser Modus in Chemnitz bereits
Ostern 1904 in Kraft trat, der erste Fall in Deutschland zu sein, wo man
durch Aussicht auf erhöhtes Honorar sich eine konstantere Schalärzteschaft
zu sichern versuchte, und dieser Fortschritt ist entschieden des Dankes
und der Anerkennung wert. In Breslau, wo man (cfr. „Schtdaret'^ , 1905,
8. 94) ebenso wie in Chemnitz diese Steigerung eingefährt hat, befindet
sich jedoch die Grenze schon bei 800 Mark. Dazu kommt in Chemnitz
noch die Einrichtung, dals der durch Wahl der Schulärzte zum ersten
Schularzt bestimmte Kollege aulser seinem schulärztlichen Gehalt noch
800 Mark ftr diese seine geschäftsfohrende Tätigkeit bezieht. — Seit Be-
stehen der schulärztlichen Institution hat bis* jetzt jedes Jahr der Bat den
ersten Schularzt zur Teilnahme an den Tagungen des Deutschen Vereins
fl^r Schulgesundheitspflege abgeordnety so auch Ostern 1904 zu den Nttni-
berger Tagen, welche uns allen schöne Stunden der Erinnemog geworden sind.
Dr. AiilCKB-Chrämitz.
Über die Tätigkeit des Kreissebnlarates in Offenbaeh machen
die ^Frankf. N. Nachr.'* u. a. folgende Mitteilungen: Fflr den Kreis
Offen b ach ist seit einigen Jahren in dem dortigen Kreisassistenzarzte ein
Kreisschularzt bestellt. Sein Bericht fttr das Jahr 1904 ist bereits er-
schienen und in der Kreistagssitzung vom 19. Juni besprochen worden. Er
wirft auf das Schulwesen des Kreises bemerkenswerte Streiflichtery obwohl
die Tätigkeit des Arztes mehr in die Breite als in die Tiefe gegangen sdn
623 163
mnlB, da er 216 Klassen in 33 Landgemeinden zn beanftichtigen hatte.
Mftngel und Mifsstände wnrden trotz dieser Riesenanfgabe in ausgiebiger
Zahl festgestellt, nnd das Drängen auf ihre Abänderung und Abstellang
I&fst den Schularzt manchem Gemeindevertreter bereits als eine lästige Ein-
richtung und den eifrigen Förderer unnützer Anschläge erscheinen. £s ist
im hessischen Lehrerstande längst bekannt, dafe in den Gemeinden des
Kreises Offenbach, die Stadt eingerechnet, die durchschnittlich stärksten
Klassen Hessens zu finden sind. Die Klassenstärke beträgt in den Land-
gemeinden durchschnittlich 65. In manchen Gemeinden finden sich mehr
als 80 Schiller in einer Klasse. Der Schularzt ist der Ansicht, dafs die
Zustände, wo sich mehr als 60 Schüler in einer Klasse befinden, kerne befriedi-
genden mehr sind. Die durchschnittliche Klassenstärke you 60 Schülern
ist aber nur in zehn Gemeinden, einem Drittel des Kreises, vorhanden.
Von 2093 Kindern, die in dem Berichtsjahre in die untersten Klassen ein-
traten, hatten 922 schlechte Zähne. Die unsauberen Schüler haben ver-
hältnismäfsig abgenommen. Das Bild ist nicht allzu rosig, das der Schularzt
hier von den Volksschulen eines Kreises entwirft, der zu den wirtschaftlich
am besten entwickelten im Deutschen Reiche gehört. Die Hoffnung, es
werde in den nächsten Jahren wesentlich besser werden, ist jedoch gering.
Man kann das aus einer Bemerkung schliefsen, die ein Mitglied des Kreis-
amtes bei der Besprechung des Schularztberichtes auf dem letzten Kreistage
einflielsen lieis. £r meinte, man wolle den Gemeinden gegenüber keinen
Zwang ausüben und eine Besserung der Verhältnisse in gutem zu erreichen
suchen. Wenn die Gemeinden nicht imstande sind, den berechtigten hygie-
nischen Anforderungen gerecht zu werden, so muls eben der Staat ein-
springen. Die Schulverwaltung und die Kreisbehörde dürfen die Anspruchs-
losigkeit an Staat und Gemeinde nicht so weit treiben, dafe der Kreis
Offenbach seit fast einem Menschenalter in der Klassenstärke die letzte
Stelle im ganzen Grofsherzogtum einnimmt.
Die Schnlarztfrage in Warttemberg. Wie das Stuttgarter „i^.
Taghh'^ mitteilt, hat sich kürzlich der Württembergische Medizinalbeamten-
verein mit der Schularztfrage beschäftigt und sich einstinunig dahin aus-
gesprochen, dafs in der Regel die Oberamtsärzte unter entsprechender
Regulierung ihrer Gehaltsverhältnisse mit den schulärztlichen Aufgaben
betraut werden sollen, wobei es aber nicht ausgeschlossen sei, dab in
grölseren Städten auch andere Ärzte mit diesen Aufgaben betraut werden
könnte, unter Wahrung der staatlichen Oberaufsicht durch den Oberamtsarzt.
Über die Ergebniaae aelmlftrztlicher Untergnchangen in Wilmen-
derf teilen die ^Berl. N.Nachr^ folgendes mit: Seit dem 1. April 1904
finden in Wilmersdorf regelmäDsige ärztliche Untersuchungen der Gemeinde-
schüler statt. Die Untersuchungen werden bald nach der Einschulung in
Gegenwart der vorher benachrichtigten Eltern vorgenommen. Sie erstrecken
sich auf den körperlichen Allgemeinzustand, auf die inneren Organe, Sinnes-
organe, Sprache und auf das Nervensystem. Im letzten Quartalsjahr wurden
575 Kinder eingeschult. Von diesen wurden wegen körperlicher oder
geistiger Entwicklung, oder weil sie die Folgen schwerer Erkrankungen
noch nicht überwunden hatten, 54 Kinder auf Vs bis 1 Jahr zurückgestellt.
Der Hilfsschule überwiesen wurden mit Einwilligung der Eltern zwei Kinder.
164 624
Oftnzlich Tom Scholbesach befreit wurde ein Kind. Bei der Bearteflang
der allgemeinen EOrperbeschaffenheit der Schaler nach den drei Gesnndheits-
klassen f^gnt**, „mittel^, „schlecht **, und zwar in der Weise, dab das
Prftdikat „gnt^ nur bei vollkommen tadellosem Gesnndheitsznstande,
«schlecht*' bei ansgesprochenen Krankheitsanlagen oder chronischen £r-
kranknngen erteilt wurde, konnten als »gut*' bezeichnet werden 107, d. h.
18,6l7o, als „schlecht'' 36, d. h. 6,26%. Alle übrigen 75,13% worden
als •mittel*' bezeichnet. In jedem Halbjahre wurden sämtliche . flbrigen
Klassen während des Unterrichts durch Ärzte besucht und hierbei kranken
oder behandlnngsbedOrftigen Kindern durch geeignete Mafsnahmen und ärzt-
lichen Rat zu helfen gesucht. Schwerhörige oder kurzsichtige Kinder wurden
veranlafst, die vorderen Sitzreihen einzunehmen, Herz-, Lungen- oder Bruch-
leidende wurden vom Turnunterricht, schwächliche und nervöse Kinder von
einzelnen Fächern dispensiert usw. Auch die Untersuchung der Kinder fttr
die Ferienkolonien wurde zum ersten Male durch den Schularzt vor-
genommen. Es fanden hierbei vor allem solche Kinder BerQcksichtignng,
die an allgemeiner Körperschwäche, Blutarmut, Nervosität, skrophnloser und
englischer Krankheit litten. Im allgemeinen war der Gesundheitszustand
der Kinder ein guter.
Sebnllrzte in Treptow. Wie wir dem ^Berl. Loh-Äns^ ent-
nehmen, wurde unlängst in einer Sitzung der Gemeindevertretung fttr die
Gemeindeschulen die Anstellung zweier Schulärzte beschlossen, und zwsr
wurde fOr die Gremeindeschule I in der Bonch^strasse Herr Dr. Schmidt
und ffir die Gemeindeschnle n in der Kiefholzstra&e Herr Dr. Bilbt als
Schularzt bestimmt. Die kg^. Regierung hat die Dienstordnung ftlr die Schul-
ärzte bestätigt.
Sehnltrate in den Dlaseldorfer Landgeneinden. Wie die
„üftem.-TPestr. Ztg.*" mitteilt, referierte in der 9. Generalversammlung des
Yereins der Landgemeinden, Bflrgermeistereien und Bürgermeister der
Bürgermeister Wibtz - Schiefbahn über die Anstellung von Schulärzten
auch in kleineren Landgemeinden. Der Vortragende kam auf Grund seiner
Erfahrungen und eines interessanten Materials zur unbedingten Empfehlung
der Anstellnng von Schulärzten.
Die Aostelinng eines Sebniaratea in Nietleben will, wie die
r^HaUesche AUg. Z/^." mitteilt, die Gesundheitskommission bei der Gemeinde-
vertretung beantragen.
Die drei ScbnitrEte in Mlblbnnsen, die von der Stadt auf Grund
eines Stadtverordnetenbeschlusses ernannt wurden, haben seit einiger Zeit
ihre Tätigkeit aufgenommen. Die in den untersten Klassen der dortigen
Schulen vorgenommenen Untersuchungen hatten das Ergebnis, dals eine
Anzahl Kinder, als zum Unterricht noch nicht befthigt, zurückgewiesen und
infolgedessen aus der Schule entlassen werden mnfsten.
Die 8f bnlarztfrage in Frankreieb gibt, ebenso wie in Deutschland,
in ärztlichen Kreisen zu lebhaften Erörterungen Anlafs. Nachdem in der
Deputiertenkammer Yaillant die Bezahlung der Pariser Schulärzte mit
800 Frcs. pro Jahr als eine „lächerlich geringe" bezeichnet und auch noch
andere Wünsche der Ärzte bezüglich der ärztlichen Schulaufsicht vorgebracht
hatte, entschlols sich die Verwaltung zu folgender „Reorganisation^: Die
625 165
Zahl der Schul&rzte fbr Paris wird von 126 aaf 175 erhöht, deren Honorar
soll statt wie hisher 800 künftig 900 Frcs. pro Jahr betragen. Je ein
Schularzt (m^decin inspectenr) soll im Mittel 20 — 25 Klassen zur Aufsicht
haben. Die Frivatschnlen und die Abendkurse (wohl analog unseren Fort-
bildungsklassen) soUen in die ärztliche Aufsicht inbegriffen sein, ebenso wie
die höheren Elementar- und Fachschulen. Der Schularzt soUte jeden
Schfller einmal im Jahr, und zwar womöglich bei Eintritt in die Schule,
grflndlich untersuchen. Er soll viermal im Monat jede Schule besuchen
und bei einem dieser Besuche die Schullokalitäten während des Unterrichts
inspizieren, vorher aber die Schulleitung davon benachrichtigen. (Siel Das
erinnert an die wochenlang vorher angekündigten Kasemeninspektionen.
Refer.) Überall, wo es möglich ist, soll dem Schularzte ein eigenes Zimmer
zur Untersuchung der Kinder und speziell zur Ausstellung der Zeugnisse
nach überstandenen Infektionskrankheiten eingeräumt werden. Die Kontrolle
der schulärztlichen Tätigkeit wird dem obersten Sanitätsrat (inspectenr
g^n^ral de l'assainissement) übertragen. Diese sog. Reformen unterzieht
Gbakjux im y^BuOeim mdd^ (1905, Nr. 29) einer scharfen Kritik und
Stent ihnen folgende Forderungen der Ärzte gegenüber: 1. Alle Elementar-
schulen, seien sie öffentlich oder privat, müssen eine ärztliche Aufsicht
haben, und zwar je ein Arzt auf 1000 Kinder. 2. Jedes Kind soll bei
seinem Eintritt genau untersucht und entsprechend notiert werden (Sanitäts-
liste unter Wahrung des Berufsgeheimnisses). 3. Die schulärztlichen Be-
suche sollen zweimal im Monat erfolgen. 4. Die Ernennung der Schulärzte
soll durch eine Prüfung (concours) bei Festsetzung eines Minimalalters er-
folgen. Zum Schutze gegen die Infektionskrankheiten sollte in jeder Schule
ein Isolierraum vorhanden sein, der behandelnde Arzt jeden Fall sofort
(telephonisch) an die Schule melden, ebenso die betreffende Schule, wo ein
Fall von Infektionskrankheit vorgekommen ist, unverzüglich der Sanitäts-
behörde Mitteilung machen. Die Schnlgebäude, -räume und -Utensilien
müssen nach einem bestimmten Schema revidiert werden. Die Schulärzte
sollen wenigstens 30 Jahre alt sein und fünf Jahre Praxis hinter sich,
Sitz und Stimme in den oberen Schulbehörden haben. Die Schulhygiene
soll von dem Schulärzte, welcher dafür je nach der Stundenzahl speziell
honoriert wird, gelehrt werden; Schularzt und Schnlvorstände sollen regel-
mälsige Besprechungen zusammen abhalten. Das Honorar für den Schularzt
betrage 2500 Frcs. für 1000 Kinder, d. i. 2,50 Frcs, pro Kind und Jahr.
Die „Manch, med. Wochenschr.^, der wir diese Notiz entnehmen, macht
dazu folgende richtige Bemerkung: So ideal und pekuniär verlockend diese
Forderungen auch klingen, so dürften dieselben vor allem am Kostenpunkte
scheitern; sie lehren jedoch auch das eine, daüs mit dem Schulärzte im
Nebenamte und bei schlechter Bezahlung nicht viel zu erreichen und das
Erstrebenswerte Schulärzte im Hauptamte sind, mit entsprechender Bezahlung
und der Yerpflichtung, keine ärztliche Besuchspraxis anzunehmen.
Über die Tätigkeit der Schulärzte in Lichtenberg entnehmen
wir dem ^iLokalam. f. Driedrichsfelde'* folgenden Bericht: Über die
Schulen in der Dorfstrafse und in Wilhelmsberg wacht Herr Sanitäts-
rat Dr. Bbocemakn. Nach seinem Bericht wurden 26 Revisionen resp.
Sprechstunden abgehalten, außerdem kamen Kinder hin und wieder zur
166 626
Untersachang. Er ermittelte als schwerhörig resp« ohrenleidend 4 Kinder,
als schielend 9, als skrophnlös 1 Kind, als langenleidend resp. hrostfell-
leidend 7 Schfller, als herzkrank 4, 2 als nervOs, 2 als mit einem Bmch
hehaftet, 11 als kurzsichtig. Bei 3 Mftdchen worden Krämpfe festgestellt,
bei einem davon infolge von Saggestion. Rhachitis hatten 3 Kinder, angen-
leidend waren 11, an Inflnenza krank waren 3, Schwäche wurde bei
6 Kindern festgestellt, Sprachfehler bei 2, Knochenbrttche ebenfalls bei 2,
bei 4 Mädchen wurde Magenkrampf ermittelt. Als krank wurden somit
93 Kinder befunden. Bei 1 1 mufste Befreiung vom Turnen eintreten. Bei
1 Kinde wurde wegen Rhachitis Umschulung des weiten Weges halber an-
geordnet ; 1 Kind wurde wegen Krätze untersucht, 1 Kind fOr die Lungen-
heilstätte vorgeschlagen, 3 Kindern sind Brillen verordnet. — Die Schule
in der Kronprinzenstrafse und die KfiAUSEsche höhere Töchter-
schule unterstehen der ärztlichen Aufsicht des Herrn Dr. Eichstardt.
Es wurden ermittelt als schielend 5 Kinder, als kurzsichtig 14, als augen-
krank 51, als schwerhörig 7 Kinder. An Ohreneiterung litten 49 Kinder,
erhebliche Sprachfehler besitzen 2 SchtUer, als schwachsinnig sind 4 und
als blutarm 11 Kinder ermittelt. Skrophnlös sind 13, lungenkrank 22.
Einen Herzklappenfehler besitzen 4 Kinder. An Neuralgie der Kopfnerven
leiden 4 Schüler. 30 Kinder mit beginnender Verkrümmung der Wirbel-
säule wurden in orthopädische Anstalten geschickt, einige von ihnen auch
mit Erfolg behandelt, mehrere erhielten Geradehalter. 22 kurzsichtigen
Kindern wurde das Tragen von Brillen anempfohlen, 1 schielendes Kind
wurde mit Erfolg operiert, während 2 Kinder durch Tragen von Brillen
geheilt werden konnten. 40 Kinder stehen ständig unter ärztlicher Kon-
trolle. Wünschenswert, so setzt in seinem Bericht Herr Dr. Eichstaedt
hinzu, wäre die Einrichtung von Hilfsklassen wegen der schwerhörigen und
Schwachbegabten Kinder und das Besteben einer Einrichtung, die ein Ver-
schicken der skrophulösen, blutarmen und lungenleidenden Kinder an die
See oder in Erholungsstätten ermöglicht. — Die 5., 6. und 7. Gemeinde-
schule in der Siegfried- und Atzpodienstrafse unterstehen der ärzt-
lichen Aufsicht des Herrn Dr. Zieoles, der in ihnen für die 2597 Kinder
59 mal Sprechstunde abgehalten und die Klassen in jedem Halbjahre mehrere
Male besucht hat. Dabei vnirden an wichtigeren Erkrankungen festgesteUt:
Herzfehler 3, Ohrenerkrankungen 54, Augenerkrankungen 100, Leisten-
bruch 22, Sprachfehler 31, Verkrüppelungen 15, Nervenschwäche 33,
Krämpfe 4, Skrophulose 18, Lungenschwäche 131. Vom Turnunterricht
wurden 18 Kinder, vom Handarbeitsunterricht 2 Mädchen befreit Im
Spätherbst 1904 wurden sämtliche Kinder, in deren Familie ein Mitglied
seit längerer Zeit durch Husten auf Lungenkrankheit verdächtig war, anf
den Zustand ihrer Lunge untersucht. Von den 302 Kindern gab bei 131
der Zustand der Lunge zu Bedenken für die Zukunft Anlals, und lieft
Herr Dr. ZiEGhLEB den Eltern derselben eine schriftliche Mitteilung fol-
genden Inhalts zugehen: „Bei der heute durch den Schularzt vorgenommenen
Untersuchung der Lunge Ihres Kindes .... (Käme) ... hat sich eine
Schwäche derselben ergeben. Sie werden hierdurch darauf aufmerksam
gemacht, um beizeiten etwas fär die Gesundheit des Kindes tun zu können."
Diese Anregung ist, wie sich später zeigte, bei einer ganzen Reihe von
627
167
Eltern auf firnchtbaren Boden gefallen, so daüs die doch recht erhebliche
Arbeit im Interesse der Kinder nicht vergeblich gewesen ist. unter stän-
diger ärztlicher Eontrolle standen 34 Kinder. In den Schnllokalit&ten
mofste der Arzt den umstand bemängeln, dafs in den Klassenzimmern stets alle
Bänke gleiche Höhe nnd Weite hatten, trozdem der Gröfsennnterschied der
einzelnen Schiller oft ein recht erheblicher war. Anf seinen Antrag hin
wurde denn anch umgehend in dankenswerter Weise von der Schulverwaltung
dadurch Abhilfe geschaffen, dafs die einzelnen Klassen Bänke von zwei- bis
dreifitch verschiedener Höhe erhielten, wodurch fär den Körper der Kinder
eine gesündere Haltung im Sitzen ermöglicht ist. Auch den Heizungs- und
Ltlftungsanlagen wurde die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt.
Htferrttt nbtx neu tx^^itntnt f^üiat^üxA^t 3a\^xtibtxi^k.
Jahresberieht fiber die schulärztliche Tätigkeit
in den Mittel- «nd Stadtschulen zn Damstadt 1903/1904,
erstattet von Dr. Buohhold.
Der Bericht erwähnt zunächst den Zutritt eines fflnften Schularztes.
Gleichwie in Wiesbaden ist jetzt auch in Darmstadt die jährliche Unter-
suchung der Klassen VIII, VI, lY, I vorgeschrieben.
Die Tabelle la gibt die Untersuchungsresultate Aber die allgemeine
Konstitntion nach Schulen und Geschlecht getrennt; TabeUe Ib umfafist in
gleicher Weise die speziellen Erkrankungsformen. Tabelle II ergibt dann
noch eine summarische Zusammenstellung nach £rkrankungsformen.
Im folgenden sind die wichtigsten TabeUenresultate zusammengestellt,
gleidizeitig ist die Darmstädter Klassifikation der speziellen Krankheits-
formen ersichtlich.
untersucht wurden 1597 Knaben und 1684 Mädchen (zusammen 3181).
Allgemeine Konstitution.
Knaben:
Ki«88e ym:
gut 2S7, mittel 325,
schlecht 13
n ^■■
. 171, „ 296,
„ 16
r, ^••
„ 126. ; 210,
7
1 =
, 86, „ 107,
4
620 938
39
Mftdchen:
Klasse VIU:
gat 184, mittel 358,
schlecht 36
» VI:
, 148, „ 271,
, 21
» IV:
, IM, „ 280,
, 10
I:
n 73, „ 149,
« 5
554
1058
72
168
Die prozentLsche Vergleidmng der Gesamtschfller ergibt:
1901/1902: gnt 30,59%, mittel 66,397o, schlecht 3,00%
1902/1903: „ 32,67 7o, , 63,59«/o, , 3.64V»
1903/1904: . 36,727o, , 60,83«/*. » 3,38%
Bezflglich der speziellen Erkrankongsformen hebe ich folgende Zahles
nnd Jahresrergleiche (Yoijahr io Klammem) hervor:
KUsnfikation
Knaben
%
Wdoben
1. BlatArmot
&,8S (6,02)
7.18 (7,10)
2. Skrophalose
0,08 (0.62)
1,16 (0,96)
8. Bhaohitis
1.92 (1,48)
1,61 (1,11)
4. Wirbels&ole and Extremitäten ....
0.64 (0,98)
1,78 (0,64)
5. Mond. Nise. Hak
7,22 (4,41)
2,96 (1.85)
6. Bronchien. Langen, Pieora
0,67 (0,80)
0,67 (0,48)
7 Hers nnd Henbeatel
0,16 (0,87)
0,88 (0,40)
—
—
9. Unterleibsbrfiohe
0,60 (0,67)
—
10. HanterkrMikaiigen
1,16 (1,20)
0.94 (0,86)
11. PwMiten
0,38 (0,16)
6,73 (6,75)
12. Aag«n
8,08 (2,68)
4,67 (8.66)
18. Ohren
0,79 (1,14)
1,19 (1,08)
14. SpraohfeUer
0,98 (0,77)
0,67 (0,«)
16. Gairtig« Sohwioh«
0,18 (0,81)
0.16 (0,28)
16. Bpilepaie
—
—
17. Soiutige allgemeine Brknutkangen,
sabjdttiye Stomngen osw
0,66 (0.66)
0,46 (0,27)
Die Prozente sind aaf die GesamtschOlerzahl berechnet.
Betreffend die Rabrik „Angen'' ist za bemerken, dafs dort auch die
Refiraktionsanomalien neben entzündlichen Prozessen, Defekten nsw. mit
eingerechnet sind. Von einer besonderen Rubrik „Korzsichtigkeit'' wurde
Abstand genommen.
Die Fftlle geistiger Schwäche sind dadurch geringer geworden, da6
an die Hilfisschnle, welche jetzt vier Klassen nmfabt nnd welche einen be-
sonderen Bericht erstattet, mehr Schüler überwiesen wurden. Bei den
Fällen von geistiger Schwäche wurden auffällig oft Erkrankungen des Ntsen-
rachenraums festgestellt.
Bezflglich der Parasiten bewährte sich bei den Knaben die Torschrift,
das Haar kurz geschnitten zu tragen.
629 169
Anch der Darmstftdter Bericht gibt (wie der Breslaner) in den Tabellen
eine zahlenm&lsige Zosammenstellimg der Erkranknngsformen, von denen
aber mehrere bei einer Person vorkonunen können. Eine BeifOgong der
Personenzahl der Erkrankten dürfte deshalb noch stattzufinden haben. Bei
der Personenzahl der sftmtlichen üntersachten von 3281 wurden 1650 Er-
kranknngsformen gefunden, davon auf Klasse YIII = 617, VI = 455,
IV = 388, I = 190.
Die Anzahl der
abgehaltenen Sprechstunden bezw. Schulbesuche beträgt 245 (196 Yoxjahr),
unter dauernder Überwachung stehenden Kinder ^ 573 (592 » ),
beim Unterricht zu berücksichtigenden „ „ 224 (150 „ ),
den Eltern gesandten schriftlichen Mitteilungen „ 448 (273 ^ ).
Die Teihiehmerzahl an den Schulb&dern war in der YII. und YIII. Klasse
fast die gleiche wie in den höheren Klassen.
Bei Entlassung der SchtQer wurde in geeigneten Fftllen den Eltern
nach einem besonderen Formular Ratschlag des Schularztes und Lehrers
angeboten bezüglich der Berufswahl.
Bei Aufnahme in die Hilfsschule machte sich oft Widerstand der
Eltern bemerkbar.
Hit Zustimmung der Eltern wurde die Schulzeit in der Hil&schole
über das 14. Lebensjahr hinaus verlängert. Die Schüler werden in der
Regel erst nach zwe^ährigem Unterricht in der unteren Klasse der Volks-
schule in die Hilfsschule aufgenommen. Schülerzahl 91 in rier Klassen.
Spezielle Erkrankungsformen kamen in der Hilfisschule (Dr. LAKasDOBF)
vor in Klasse IV = 14, UI = 26, H = 30, I = 14. Die Anzahl der
Sprechstunden betrug 10, der Mitteilungen an die Eltern 7.
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Jeitffdrifl fitt Silinl(|efnnlil|etto)i|lr(|e.
XVIII. JahrgaDg. 1905.
No. 10.
Schulgesundheitspfles^. XVIIL
33
632
(Briginalab^nMnngeii.
Nachruf fttr Hofrat Dr. PAüL SOHÜBBRT
den Nttmberffer Schulhygieniker.
Vorgetragen in der hygienischen Sektion der schlesischea
Gesellschaft am 13. September 1905
im Fürstensaale des Rathauses zu Breslau.
Von
Hermann Cohn.
Sehr geehrte Herren!
Es sind jetzt fast 30 Jahre verflossen, als sich bei einer VakaDZ
in meiner Augenklinik ein Dr. Paul Schubert als Assistent meldete.
Bei der Auswahl der Assistenten hat es der Augenarzt schwerer als
andere Kliniker; wir brauchen Männer, die mathematisch und speziell
optisch sehr gut vorgebildet sind. Aber damit ist es unter der
Studentenschaft schlecht bestellt. Unter zehn Medizinern im achten
Semester finde ich immer kaum einen, der überhaupt noch einen
Logarithmus aufschlagen kann; die meisten schliefen widerwillig
ein Buch, wenn cos. x ^^^^ taug, d vorkommt. Fehlen aber mathe*
matische Kenntnisse, ' so erziehen wir wohl gute augen&rztliche
Handwerker, aber Ic^ine Ophthalmologen. Dafs aufserdem
der Assistent eine aufseilt geschickte Hand haben und in der all-
gemeinen Medizin und Bakteriologie fest sein muis, ist selbst-
verständlich; auch mufs er natürlich pünktlich, penibel sauber,
fieifsig, mit den anderen Assistenten verträglich sein und selbst mit
dem ärmsten Patienten liebevoll und human zu verkehren verstehen.
Ich habe bei einigen vierzig Assistenten, die ich herangebildet,
meist Glück gehabt und sie als dankbare Schüler und tüchtige
Augenärzte aus meiner Anstalt scheiden sehen. Freilich ist mir
aber auch, wie jedem andern Chef, grober Undank nicht erspart
geblieben.
633^
Paul Schubert jedoch war in jeder Weise ein Mnsterassistent;
in allen Gebieten der Medizin wohl bewandert; er hatte eine so
geschickte Hand, dafs ich ihm bald das Starmesser am Lebetiden
übergeben konnte; er war mit der höheren Mathematik völlig vertraut
und war dabei von einer Bescheidenheit und Liebenswürdigkeit
gegen Ärzte nfad Publikum, dafs ich ihn nach etwa zwei Jahren,
Ostern 1878, nur höchst ungern die Klinik verl&ssen sah. Es hatte
sich bald eine wahre, innige Freundschaft zwischen Schubert und
mir entwickelt, die uns bis an sein nur allzu früh erfolgtes Ende
durchs ganze Leben begleitete.
Schubert' war am 17. Januar 1849 in Neilse geboren. Sein
Vater war Landmann; er besuchte anfangs eine Dorfschule, spfitier
die städtische Schule in Konstadt in Schlesien und dann das G-yml-
oasium in Neisse, an welchem er kurz vor der firanzösisohen Kriegs-
erklärung im Juli 1870 das Abiturientenexamen glänzend bestand.
Seine patriotische Begeisterung veranlafste ihn, ohne erst den Ge-
stellungsbefehl abzuwarten, gegen den Willen seiner Eltern, sogleich
beim 6. Schlesischen Husarenregiment als Freiwilliger einzutreten.
Er studierte in Breslau, Berlin, Wien und Würzburg, wo er
1875 auf Grund einer Dissertation über Physiologie der Ernährung
promoviert wurde und 1876 das Staatsexamen vorzüglich absolvierte.
Dann trat er in meine Klinik, und es gelang mir zu meiner
Freude, ihn bald für diejenigen Kapitel der Ophthalmologie zu ge-
winnen, mit denen ich mich seit langen Jahren speziell beschäftigt,
ftlr die Kapitel: Kurzsichtigkeit, Statistik der Augenkrankheiten,
Beleuchtung, Schulbänke und für alle Zweige der Augenhygienel
und er ist diesen Kapiteln treu geblieben sein ganzes Leben lang
und hat sie in treflf lieber Weise gefördert.
Auch in der Ohrenheilkunde hat er sich bei Prof. Politzer
tüchtig ausgebildet. Dann liefs er sich im Jahre 1879 in Nürnberg
als Augen- und Ohrenarzt nieder, eröffnete eine eigene Augen- und
Ohrenklinik, die bis an sein Ende blühte, und in der er zahlreiche
Schüler ausbildete.
Literarisch war Schubert aufserordentlich tätig bis Anfang
dieses Jahres, wo ihn eine höchst schmerzhafte Darmkrankheit auf
das Kränkenlager warf, und der er am 21. August d. J. nach
schweren Leiden, die er mit grofser Geduld ertrug, erlag.
Schon • früh begann Schubert mit der literarischen Arbeit.
Unter Zugrundelegung der Krankengeschichten aus meinen klinischen
Journalen gab er 1880 ein lehrreiches Buch „Über syphilitische
33»
634
Augenkrankheiten^ (Verlag Ton Letto in Berlin) heraus, das erste
über diese Spezialität, das auch heute noch wegen seiner Kasuistik
und Statistik riel zitiert wird.
Von rein okulistischeu Arbeiten verfalste er später noch:
„Beobachtungen über Amaurose bei Bleivergiftungen ** (1880), „Über
Retinitis luetica'' (1881), „Ober Blepharospasmus'' (1884), „Ober
Pigmentpunkte auf der vorderen Kapsel'' (1887) und „Ober Disti-
chiasis^, bei der er die Haarbälge mittels Elektrolyse zerstörte und
so sehr genaue Dosierungen machen konnte.
Aber seine Hauptarbeitskraft wandte er, wie schon oben erwähnt,
der Augenhygiene in Schulen zu, in der er unermüdlich
25 Jahre gearbeitet und sich einen unbestrittenen Platz unter den
ersten Augenhygienikern der ganzen Welt erobert hat. Denn alles,
was er mitteilte und behauptete, wurde, oft freilich erst nach hartem
Kampf, als reif und wahr befunden. £r hat nichts von älteren
Behauptungen zurückzunehmen brauchen.
Auch verdient es Erwähnung, dafs er sowohl in Sammelwerken
wie in Beins Handbuch der Pädagogik und in den Pädagogischen
Blättern für Lehrerbildung, sowie in seinen Nürnberger Vereinen
wichtige Kapitel, wie Farbenblindheit, Augenkrankheiten, Steil-
schrift, Kurzsichtigkeit, populär dargestellt, d. h. in jener trefflichen,
populären Weise, die keine Hypochondrie, aber auch keine
Oberhebung im Wissen erzeugt.
Schuberts beste Arbeiten sind der Steilschrift gewidmet
Schon in den sechsziger Jahren hatten wir bei einer groüsen Statistik
über die Kurzsichiigkeit der Kinder nach allen möglichen Drsaehen
gesucht und besonders die Beleuchtung und die Schulbänke zu der
Frage herangezogen, aber die »Schriftrichtung" nur flüchtig als
schädlich behandelt. Erst die ausgezeichneten Arbeiten von Schubert
im Jahre 1881 über Schriftrichtung und Körperhaltung
lösten die wichtige Frage in der exaktesten Weise und müssen daher
besonders gewürdigt werden.
Es gibt bekanntlich vier Lagen, in denen das Heft vor dem
Schreibenden liegen kann: 1. in gerader Mittellage, 2. in gerader
Rechtslage, 3. in schiefer Mittellage und 4. in schiefer B.echtslage.
Schubert wies nach, dafs bei gerader Mittellage die Augen
den rechts-schiefen Schriftzügen leicht folgen; doch ist dabei technisch
eine solche Schrift unausführbar, da die anatomiechen Verhältnisse
des Handgelenks yerhindem, den Federhalter so zu drehen, dafs die
Striche schräg von oben rechts nach unten links gerichtet werden.
685
Schubert wies ferner naob, dafs bei gerader Rechtslage die
Schiefisohrift wohl ansgefohrt werden kann; allein das linke Auge
mnfs beim Verschieben des Heftes nach rechts einen fünfmal
gröfseren Bogen beschreiben als das rechte, was sehr bald nn-
ertrftglich wird. Femer macht bei maximaler Bechtswendung das
linke Ange am Anfang der Zeile eine Rechts wendung von 25 bis
27^, beim Fixieren des Endes der Zeile eine Wendung von 48^.
Es werden also, selbst wenn man das Papier nur 10 cm nach rechts
rückt, maximale und zum Teil unmögliche Forderungen von den
Rechtswendem des Blickpunktes verlangt. Diese kann das Kind
auf die Dauer nicht aushalten.
Wollte man diese Ermüdung durch Kopfdrehung kompensieren,
so müfste man den Kopf um S4® drehen, aber auch hierbei würde
bald Ermüdung eintreten, da die maximal mögliche Drehung des
Kopfgelenks nur 45^ beträgt. Um die Ermüdung zu beseitigen,
wird also der Rumpf nach rechts gedreht und so der Zerfall der
Stellung eingeleitet werden, der zur gefürchteten Annäherung des
Auges an die Schrift führt.
Ferner wies Schubert nach, dafs bei der Rechtslage des
Heftes der An&ng der Zeile der Schrift um 2, die Mitte um 3,
das Ende um 4 cm dem rechten Auge näher sein müsse als dem
linken, was zu ungleichmäfsiger Akkomodation führen und durch
Rumpfdrehung umgangen werden würde.
Bei der schiefen Rechtslage laufen die Zeilen schräg von
links unten nach rechts oben. Zu den geschilderten Übelständen
der graden Rechtslage kommt nun noch eine neue Schwierigkeit
hinzu. Die Basallinie, das ist bekanntlich die die Mittelpunkte
beider Augen verbindende wagerechte Linie, soll wag[erecht stehen.
Hier mufs sie aber durch Raddrehung der Augen den schräg in
die Höhe laufenden Zeilen folgen. Da die Netzhäute nun nicht
mehr symmetrisch liegen, müssen im peripherischen Gesichtsfelde
Zerstreuungskreise entstehen. Deshalb neigt man, wie Schubert
nachwies, den Kopf nach der linken Schulter, solange die Basal-
linie parallel zur Zeilenrichtung steht, und diese gefürchtete Stellung
leitet wieder den Zerfall der Körperhaltung ein.
Wir sehen die Richtigkeit von Schubbrts Behauptungen durch
alltägliche Beobachtungen. Wir halten jedes Buch und jedes
Zeitungsblatt senkrecht, um die Grundstriche senkrecht und die
Basallinie wagerecht zu stellen. Bei grader Kopfhaltung können
wir, wenn wir das Blatt in eine schräge Mittellage drehen, nicht
.636
lesen. Wir können keine Münze lesen, ohne die Münze
oder den Kopf zu drehen.
Endlich ist erwiesen, dais die schiefe Mittellage die Übelst&nde
der ersten und dritten L^e verbindet, und daher empfahl Schubbrt
mit Recht, die gerade Mittellage mit senkrechter Schrift.
Auch sei noch erwähnt, dais Schubert durch Tausende von
Beobachtungen erwies, da£s gerade das rechte Auge am häuEgsten
das kurzsichtigere oder das stärker brechende war, da(s bei
915 Kindern Nürnbergs in 34% und dafs bei 21949 von anderen
Autoren untersuchten Kindern 3263 rechts stärkere Brechung hatten.
Sehr schöne Beobachtungen hat Schubert gemacht, indem er
mit einem eigenen sinnreichen Apparate die Haltung des Kopfes der
Kinder von hinten beobachtet hat (Demonstration des Apparates).
Bei Tausenden von Messungen, die der unermüdliche machte, konnte
er feststellen, dais die Kopfhaltung bei der schrägen Mittellage
schlechter ist als bei gerader Mittellage, und dais die Schiefneigung
des Kopfes abhängig ist von der Richtung der Zeile. Bei gerader
Mittellage betrug bei 400 Schreibversuchen die Linksneigung 2,8^
bei 543 Versuchen mit schiefer Mittellage 7,9®. Also kann nur die
Zeilenrichtung die stärkere Linksneigung bei schräger HefÜage
bedingenl
Wir müssen zum Studium aller feinen Proben von Schubert
auf das Original verweisen, auf die schöne stereometrische Arbeit
Schuberts in Gräfes Archiv (Band 32, Abteilung I, 1884), »Über
die Haltung des Kopfes beim Schreiben'*, welche leider, da es
sich vielfach um sin. ^ und taug, v handelt, von vielen Hygienikem
nicht studiert und auch wohl schwer verstanden werden wird. Und
doch ist diese Frage von der gröfsten hygienischen Bedeutung, denn
die Erzielung einer guten Haltung ist die beste Prophylaxe der
Schulmyopie.
Aber noch eine sehr praktische Seite der Frage mulSs als ein
Verdienst von Schubbrt besonders gerühmt werden. Er zeigte, dais
diese Steilschrift eine. gute Gelegenheit bietet, auch bei den häus-
lichen Arbeiten der Schüler gerade Haltung zu erzwingen.
Gerade Schrift kann nur bei gerader Mittellage in gerader
Haltung ohne Seitwärtskrümmung des Körpers überhaupt geschrieben
werden; in einer andei*en Heftlage ist es gar^ nicht möglich, sie aus^
zuführen. Daher ist alles Hocken und Schiefsitzen bei
Steilschrift ausgeschlossen, selbst wenn die Kinder ohne
Aufsicht sind. Die Schie&chrift kann aber in. allen tadelnswerten
v637
Heftlagen geschrieben werden. Die Steilschrift birgt eben nicht in
sich selbst wie die Schiefschrift den Keim znm Schiefsitzen, Schief-
wnchs nnd Knrzsiohtigkeit.
Zehn Jahre später, 1895, zeigte Schcbbrt durch graphische
Darstellung nach Parallelversuchen, welche in München, Nürn-
berg, Fürth, Würzburg und Zürich bei Steilschrift und Schrägschrift
gemacht wurden, dafs die Kopfneigung nach links und die Schulter-
neiguDg nach links viel häufiger bei Schrägschrift als bei Steil-
schrift sind.
Nach fün^ährigen Beobachtungen und nach eingehender rein
sachlicher .Diskussion mit B.emboli> und Berlin, den Verteidigern
der alten Schrägschrift, konnte Schubert seine Arbeit 1895 mit
folgenden Sätzen schliefsen:
a) dals das Schreiben bei gerader Mittellage des Heftes in den
Schulen irgendwelchen Schwierigkeiten nicht begegnet, und
b) dals durch diese .Heftlage die schiefe Schreibhaltung sowohl
der Häufigkeit als dem Grade nach wesentlich vermindert
wird.
„Die Steilschrift hat also ihre Probe bestanden, schloDs Schubert.
Sache der Behörden wird es nun sein, auf diese Prüfungsergebnisse
hin nicht mit einem zaudernden „Ja, aber*", sondern mit einem tat-
kräftigen „Ja, also" zu antworten."
Der wissenschaftliche Streit ist beendet, Schubert ist nicht
widerlegt worden. Wenn die Steilschrift trotz alledem noch nicht
allgemein eingeführt ist, so trifft Schubert keine Schuld; aber sie
wird so sicher allgemein werden wie die Einführung von Schulärzten^
gegen die ja der Kampf auch jahrzehntelang gedauert hat.
Übrigens wies auch Schubert aus der Geschichte der Hand-
schriften nach, dafs man früher fast nur Steilschrift geschrieben
habe; er veröfifentlichte zahlreiche Abbildungen von älteren Hand-
schriften, die das Germanische Museum in Nürnberg enthält, und
zeigte, dafs bis zum 14. Jahrhundert die Zeilen der Handschriften
wagerecht und die Grundstriche in alten Briefen und Urkunden senk-
recht waren, und er konnte Hunderte von Handschriften durch-
mustern, ehe er eine nach rechts aufsteigende Zeile oder einen
schrägen Grundstrich fand. Man hatte ihm erwidert, die alten Hand-
schriften bewiesen nichts, da man damals langsamer schrieb.
Schubert ist auch der Ansicht, dals man schräger zu schreiben
begann, um schneller schreiben zu können. Aber auch in dieser
Beziehung mache man sich übertriebene Vorstellungen. Denn es
638
fichrieb z. ß. AoAifBBRT im Jahre 886 den Kommentar des Hiero-
nymus zn Jeremias, welcher 182 Blatt mit je S2 Zeilen enthält,
binnen einem Monat.
ScHUBBBT aber hatte ja keineswegs behauptet, dals die senkrechte
Schrift sich zur Schnellsohrift eigne, sondern er wollte durch die
Schriftproben ans der alten Zeit nur dartnn, dafs unsere Vorfahren
schon in Mittellage geschrieben haben, und dafs also diese Heftlage
nicht eine unphysiologische sein und nicht den Bewegunt^sgesetzen
der Hand zuwiderlaufen könne; denn es würde absurd sein, anzu-
nehmen, dafs man seit Erfindung der Buchstabenschrift bis in die
neuere Zeit beim Schreiben eine unbequeme und naturwidrige Hand-
bewegung vorgezogen haben soll, nur weil man mehr übrige Zeit
gehabt habe als heute.
Wie jeder denkende Arzt, interessierte sich auch Schubert für
die Geschichte der Medizin, und ihm namentlich ist es zu ver-
danken, dafs ein medizinisch-geschichtliches Kabinett im Germanischen
Museum in Nürnberg gegründet wurde, welches von vielen Ärzten
unterstützt wird und höchst interessante Apparate und Bücher enthfilt.
Er hat meist sehr merkwürdige historische Details in seine
Aufsätze eingefiochten. So teilt er in seinem Aufsatz über Schiefer-
tafeln, in dem er für weifse Tafeln plädierte, von welchen die
Lehrerschaft nichts wissen wollte, im Jahre 1886 folgendes bisher
Unbekannte mit : ^Im Jahre 1485 waren in Nürnbergs Lateinschulen
noch Wachs tafeln in Gebrauch, wie zur Zeit des alten B.om. Die
auf schmutziggrauem Wachs eingeritzten Buchstaben konnten natürlich
nur mit relativ grofser Anstrengung lesbar sein; dennoch, setzt
Schubert treffend sarkastisch hinzu, zweifle ich nicht, dafs es auch
damals Lobredner ,der altbewährten Wachstafeln^ gegeben hat, welche
dieselben als bestes und zweckmäJsigstes Utensil in der Volksschule
priesen."
Aber nicht blofs mit der Schrift, sondern auch mit dem Druck
hat sich Schubert eingehend beschäftigt. Er hat nicht nur in Ge-
meinschaft mit Dr. Neubürger in Nürnberg alle bayerischen Schul-
bücher auf Buchstabengröfse, Dicke usw. wiederholentlich untersucht
und sie in drei Katogerien, in gute, mittlere und schlechte, eingeteilt,
indem er denselben meine Mafse zugrunde legte und dem Ministerium
wiederholt berichtete, sondern er hat auch einen neuen Faktor hinzu-
gefügt, nämlich die Druckdichtigkeit. Die Buchstaben mehrerer
Zeilen zählte er zusammen und dividierte die gefundene Zahl der
von diesen Zeilen eingenommenen Quadratzentimeter. In guten ge-
639
drackten Büchern war sie 7 bis 8, in schlecht gedruckten 16 bis 23.
Diese Prüfung ist allerdings umständlich und zeitraubend, wie
ScHUBEBT mir selbst später zugab; viel einfacher ist sie mit meinem
Zeilenzähler, bei welchem nur abgezählt wird, wie viele Zeilen
in einem Quadratzentimeterloche sichtbar sind; mehr wie zwei sind
schädlich.
Auch bezüglich der Vorhänge in den Schulen hat uns Schubert
durch ein Modell eine Bereicherung gegeben, durch ein nach ameri-
kanischer Art in alle Stellungen vorzuziehendes, oben, unten oder
in der Mitte festzustellendes Rouleau. Auch empfahl er Kathedral-
glas, das in mehreren Schieberahmen im unteren Fensterviertel
hintereinander geschaltet ist und zum Schutz gegen die Sonne wie
bei den Waggonfenstem emporgehoben werden und in jeder Lage
in Ruhe bleiben kann. —
Bei der gro&en Zahl von Fabrikarbeitern in Nürnberg, die bei
Schubert Hilfe suchten, mufste er natürlich auch der Frage der
Schutzbrille nähertreten, und er erfand eine Schutzbrille, welche
den Arbeiter vor dem seitlichen Hineinspringen durch Drahtgitter
schützte, während das Glas beibehalten werden konnte, welches der
Arbeiter zum Sehen braucht. Die Gläser, welche Drahtgitter rings
um das Auge haben, weichen beim Umbinden von der Stimebene ab,
bekommen eine Neigung nach der Schläfe, und der Fixierpunkt wird
von einem Gewirr von Drahtstäbchen verdeckt. Schuberts Vor-
richtung aber, die nur 5 g wiegt und an jedem Brillengestell be-
festigt werden kann, beeinträchtigt das Gesichtsfeld nicht. Da be-
kanntlich die Arbeiter die Brillen überhaupt nicht lieben, so ist
diese Schutzbrille ihnen immer noch lieber als die üblichen.
Sein Hauptinteresse aber wandte Schubert in den letzten Jahren
namentlich der praktischen Frage der Einführung von Schul-
ärzten zu; gehört doch Nürnberg zu den Städten, die zu allererst
in Deutschland Schulärzte auf seinen Rat einführte. Freilich wurden
ihm seine Bestrebungen in Nürnberg leichter gemacht als mir und
anderen Ärzten in anderen Städten; er hatte eine Kommission zur
Seite, die immer zur rechten Zeit auf seine Vorschläge einging.
Schubert betrachtete es als seine Aufgabe, in die Redaktion
eines besonderen Teils der ausgezeichneten Zeüschrift für Schtd-
gesundheitspflege, der unter dem Titel j^ScJmlaris^^ seit drei Jahren
erscheint, einzutreten. Das Material ist auch jetzt so kolossal ge-
wachsen, dals wir 17 stattliche Bände der Zeitschrift, die Kotblmank
1887 begonnen und Erismann eifrig fortsetzt, vor uns haben. Die
640
Zeitsohrift war und ist eine Fundgrube ftir die gesamte Sohulliygiene;
sie ist samt dem „SchtUarzt"^ allen Schulärzten und Behörden voll-
kommen unentbehrlich geworden.
In den Jahren 1904 und 190Ö erschienen viele Aufsätze von
Schubert in seiner Zeitschrift über daa Schularzt wesen in
Deutschland, die auch ab Buch bei Vofs in Hamburg in diesem
Jahre herausgegeben worden sind, und die die Ergebnisse einer
Umfrage bei den Magistraten und Kreisärzten in mehr als hundert
deutschen Städten mit 550 Schulärzten enthalten.
Mit gröDster Gründlichkeit hat Schubsrt hier die Schularzt&age,
die allgemeinen Beziehungen derselben, die verschiedenen Arten der
Überwachung der Kinder, alle Formulare, die Überwachung der all-
gemeinen und individuellen Hygiene, die Malsregeln gegen die In-
fektionskrankheiten usw. dargestellt. Wir finden hier aus 114 Städten
alles über die Voruntersuchung der Lemanfänger, ihre Konstitution,
Wägung, Messung, Gesundheitsbogen, Überwachungsschüler und die
Unterauchung der Kinder während der späteren Schulzeit, betreff»
der Sprechstunde im Schulhause und beim Arzte, über die Zuziehung
von Spezialärzten, über die Überwachung des Schulhauses und seiner
Einrichtungen, über Hygiene des Unterrichts und der Unterrichts-
mittel, über hygienische Vorträge, über das Honorar der Schulärzte,
kurz alles, was nur einen Schularzt interessieren kann, mit Schubert-
scher Gründlichkeit dargestellt und beurteilt.
Nur wer selbst einmal ein ähnliches Sammelwerk angeregt und
durchgearbeitet hat, wie ich es bei der Eixquete über die Augen-
eiterungen bei Neugeborenen vor zehn Jahren getan, kann den
immensen Fleifs und die gute Kritik von Schubert schätzen.
Wie Schubert von allen Fachgenossen geehrt wurde, konnte
man am besten bei dem grofsen internationalen Kongrefs für
Schulhygiene im vorigen Jahre in Nürnberg sehen. Seinen rast-
losen Bemühungen war es gelungen, mit Prof. Gbiesbach ein aus-
gezeichnetes Programm für diesen KongreCs aufzustellen, die geeigneten
Redner aus allen Ländern für die vielen Vorträge zu gewinnen und
die riesigen Vorarbeiten für den Kongrefs, der über Erwarten glänzend
verlief, als Generalsekretär des Kongresses zu bewältigen. Dort
konnte man auch sehen, wie geehrt und beliebt Schubert bei allen
Kollegen des Inlandes und des Auslandes war, und wie jeder Arzt
nicht nur die reichen Kenntnisse und Leistungen, sondern auch die
liebenswürdigen Formen dieses wahrhaft vornehmen Kollegen zu
schätzen wufste.
641
Es ist einleuchtend, dals ein Mann, der sich nm unser Spezial-
gebiet so verdient gemacht hat, von allen Faohgenossen tief betrauert
wird. Er verschied am 21. August d. J. in Nürnberg in den Armen
seiner zärtlich geliebten Frau und seines hoffnungsvollen Sohnes, der
bald seine medizinischen Studien beendet haben wird. Das Familien-
leben war ein überaus glückliches.
Aber nicht blois die Wissenschaft und die Familie trauert um
ihn, sondern man kann sagen, die ganze Stadt Nürnberg, was
sich durch die ungeheure Beteiligung der Einwohnerschaft aus allen
Kreisen der Stadt bei seiner Beerdigung zeigte; denn er hatte ver-
standen, seine bedeutenden Geistesgaben und seine vortrefflichen
Charaktereigenschaften auch zum Besten der Allgemeinheit zu be-
nutzen. Fand er doch auch noch Zeit, als liberaler Stadtver-
ordneter fleifsig für Nürnbergs Wohl zu arbeiten. Sehr treffend
schrieb Dr. Franeenbürgbr in der Nürnberger Zeitung: „Schubert
war das Ideal eines Arztes. Er war allen, die ihm vertrauten»
nicht nur ein Helfer, sondern ein Freund, und für jeden seiner
Patienten, ob hoch, eb niedrig, hatte er die gleiche Hil&bereitschaft,
die gleiche Sorgfalt, die gleiche Liebenswürdigkeit. Grerade, offen
und ehrlich, aber von seltener Herzensgüte und herzgewinnender
Liebenswürdigkeit, stellte er sich denen gegenüber, welche ihm als
Freunde nahe treten durften. Es war ein Genufs, mit ihm vertraut
zu plaudern, von ihm Belehrung und Anregung zu ziehen. Dabei
war er seinen Freunden ein treuer, stets hilfi- und tatbereiter Freund.*^
So ist er geschieden, verehrt von Kranken und von Kollegen
und Freunden.
Geehrte Herren 1 Zum Andenken an einen Mann, der so viel
und so Bleibendes für das Wohl der Schuljugend geleistet, ersuche
ich Sie, sich von den Plätzen zu erheben, zur letzten Ehrung für
Paul Schubert.
642
AnfsXtze and Schriften von HoCrat Dr. SCHUBERT.
Zusammengestellt von H. Cohn, ergänzt von F. Erismann.
1875. „Die Physiologie der Ernährung^ (Verdanang, Sfifteweg, Atmnng)
vor der Entdeckung des Blutkreislaufes. Inaugnral-Dissertation,
Würzburg.
1880. „Amaurose bei Bleivergiftung." ÄrßÜ. InteUigene-Blatij München.
1881. y,Über den Einflufs rechtsschiefer Schrift auf das Auge des Schul-
kindes." Ärßti. Intelligene-Blatt, München, Nr. 6.
„Über syphilitische Augenerkrankungen." Berlin, Yeriag von Panl
Letto.
„Zur Kasuistik der Retinitis luetica."
1882. „Über den Einfluls der Schiefschrift auf die Augen der Kinder.*
ÄreÜ, Inielligene-Blatt, München, Nr. 21.
„Über die Pflege des Auges in der Schule." Fränkischer Kurier,
Nürnberg, 16., 17. und 18. Januar, und Beiblatt der Karrespon-
äene von und für Deutschland.
1883. „Aspergillus mycose." Deutsches ArcJnv für hUniscIie Medmn.
1884. „Über den heutigen Stand der Schiefschriftfrage." Berliner klinische
Wochenschrift. Referat an die mittelfränkische Ärztekammer 1883.
„Über die Schiefertafel." Tagespresse.
1885. „Die Steilschriftfrage." Berliner klinische Woc^ienschrift. Berlin,
und Schubert (Eine Entgegnung von Prof. Berlin und Hedi-
zinalrat Dr. Rbmbold).
„Antwort auf die Entgegnung von Prof. Berlin." (Dieselbe Zeitschrift.)
„Die BERLiNsche Polemik auf dem Ophthalmologenkongrefs in
Heidelberg."
„Bericht über das zweite ohrenärztliche Lustrum." Archiv für
Ohrenheilkunde, Band XXX.
1886. „Über die Haltung des Kopfes beim Schreiben. Graefes ÄrcMv,
32. Jahrg.
1887. „Ein Fall von Blepharospasmus." Münch. med. Wochensdir., Nr. 28.
1888. „Arbeiterschutzbrillen. "
1889. „Über Heftlage und Schriftrichtung.** Zeitschrift für Schulgestmä-
heitspflege, Nr. 2.
„Zur Verteidigung der Steilschrift." Dieselbe Zeitschrift, Nr. 8.
„Fadenpilze in der Nase." Berl. klin. Wochenschr., Nr. 39.
„Dr. August Kreitmbier f" Münch. med. Wochenschr., Ne-
krolog bei Enthüllung der Büste Krbitmbibrs in der Poliklinik
zu Nürnberg.
1890. „Über senkrechte Schrift in Schulen." Nach einem am 23. Okt.
1890 im Verein für öff. Gesundheitspflege zu Nürnberg gehaltenen
Vortrage. (S. ebenfalls Bayerische Lehrerjgig. Jan. 1891.)
„Über Steilschriftversuche in Schulen.** Zeitschrift für Schul-
gesundheitspflegCf Nr. 1.
64a
„Stahlfeder und Steilschrift/ Zeiischrift für das Österreich, Volks-
schuhoesen, XI.
„Bericht über die 10. Yersammlung befreundeter süddeutscher und
schweizerischer Ohren&rzte zu Nürnberg^ am 25. Mai 1890 im
Hause Schuberts.
1891. „Über senkrechte Schrift.'' Bericht über die 21. Vers, der OpJi-
ihalmologischen QeseUschafi in Heidelberg.
„Über Pigmentpnnkte auf der vorderen Kapsel.^ Daselbst.
„Über Steilschrift.'' Wim, med, Wochensehr,, XLI.
„Für die Steilschrift.'' Freie SchtOsftg., XVHI. Jahrg., XHI.
1892. „Bericht über die Sitzungen der Steilschriftkommission des Vereins
ftlr öff. Gesundheitspflege zu Nürnberg." Zeitschrift für Schul-
gemndheitspflege^ Nr. 10.
„Über Messungen der Schreibhaltung in den Volksschulen zu Nürn-
berg im Schuljahr 1890/91." Mü/ndi. med. Wochenschr., XXI,
Beilage.
„Steilschrift oder Schrägschrift?" BlätL f. d, S(^ulpraxi8, X.
1893. ,,Über die hygienische Bedeutung der senkrechten Schulschrift. "
Pädagog. Blätter für Lehrerbildung, Heft I.
1894. „Hilfsschulen für schwachsinnige Kinder." Münch. med. Wochensdir,,
XLU.
„Über Steilschrift." Ck)mptes rendns du VUI. Congr. intern. d'Hyg.
et de D^mogr. Tome III.
„Eingabe der Kommission für Schulgesundheitspflege in Nürnberg
an den dortigen Magistrat wegen Einrichtung von Heilkursen für
Stotterer." Zeitschrift für Schulgesundheitspflege, Nr. 2.
„Über Speisung unbemittelter Schulkinder." Vortrag in der Sitzung
der Komm. f. Schulgesundheitspfl. in Nürnberg. (Zeitschrift für
Schulgesundheitspflege, 1895, Nr. 8 u. 9.)
1895. „Die Steilschrilt während der letzten fünf Jahre." Zeitschrift für
Schulgesundheitspflege^ Nr. 3 u. 4.
„Über Steilschrift." Neue Bahnen, VI.
„Bericht über die Kommission für Schulgesundheitspflege."
1896. „5. Versammlung der otologischen Gesellschaft in Nürnberg."
„Znr Schularztfrage." Ref., erstattet an die Komm. f. Schulgesund-
heitspflege in Nürnberg. Zeitschrift für Schulgesundheitspflege,
Band IX, Nr. t), 7 u. 8;
1898. „Bericht über die Gesnndheitsverhältnisse und Gesandheitsanstalten
in Nürnberg." Bericht d. Komm. f. Schulgesundheitspfl., 1898.
»Steilschrift." W. Reins Encykl. Handbuch d. Pädagogik.
„Kurzsichtigkeit." An dems. Orte.
„Augengläser." An dems. Orte.
„Augenkrankheiten." Au dems. Orte.
„Über Schulfenster und Vorhänge." Münch, med. Wochenschr., Nr. 14.
^Über künstliche Beleuchtung vom augenärztlichen Standpunkt. **
Hygienische Bundschau, Nr. 21.
„Bemerkungen über die Fibelschrift des Herrn Spibser. Zeitschrift
für Schulgesundheitspflege, Nr. 8 u. 9.
»*
644
1899. „Über Steilscbrift und Schrägschrift." Festschrift zur 24. Ver-
sammluDg des Deutschen Vereins far öffentliche Gesundheitspflege
in Namberg.
„Vorschläge zum weiteren Ausbau des Schnlarztwesens." ZeUscknfl
für Sckulgesundheitapflege, Nr. 8 u. 9.
„Bedeutung und Aufgaben des Schularztes.'* (Dieselbe Zeltschrift)
und Bericht über die 24. Versammlung des Deutschen Vereins
ftlr öffentliche Gesundheitspflege zu Nflrnberg. (S. auch Diseh.
Vieriefjährsschr. f, öff. Gemnöheitspfl,, XXXII, 1. H.
1900. ,,Soll der Schularzt durch den Lehrer ersetzt werden?" Zdischrifi
für SehtOgesundhätspflege^ Nr. 11.
1901. „Die Nürnberger Schulbank. "^ (Dieselbe Zeitschrift, Nr. 2.)
^Nochmals die Nürnberger Schulbank." (Dieselbe Zeitschrift, Nr. 9.)
1902. „Taubstummenuntersuchungen an den Anstalten von Nürnberg, Zell
und Altdorf." Festschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens
des ärztlichen Vereins Nürnberg, 1902.
1904. „Das Schuktrztwesen in Deutschland. ** Bericht für den 14. inter-
nationalen medizinischen Kongrefs in Madrid, April 1904, Sektion
für Hygiene, Sitzung vom 25. April. (Auszug aus dem folgenden.)
1905. „Das Schularztwesen in Deutschland.*' Leopold Voss, Hamburg.
(S. auch „Der Schularzt'', 1903/04.)
Ohne Angabe der Jahreszahl:
„Veröffentlichungen und Referate" in der Zeitschrift fnr Sdiul-
gesundheifspflege und im SchtdarzL
„Farbenblindheit.^ W. Rbtns Encyklopädisches Handbuch der
Pädagogik.
„Untersuchungen über Rückgratsverkrümmungen in der Schule.**
„Arbeiten über Bücherdruck.**
„Ausgewählte Kapitel der Augenheilkunde.** Aus: Moderne Heil-
methoden.
„Augenerkrankungeu durch die Einwirkung des elektrischen Licht-
bogens." Ärztlkhe Sachverständigen-Zeitung.
„Über intrakranielle Komplikationen der Otitis und deren operatiTe
Behandlung.'' Müncfi. med. Wochenschr.
„Über die hygienische Bedeutung der senkrechten Schulschrift."
Pädagogische Blätter für Lehrerbildung.
„Ein Galvanokauter für das Trommelfell.**
„Der Schwabacher Federhalter zur Beseitigung der krummen Haltung
beim Schreiben." ÄrzÜ. Intelligenzbl, München.
„Über die Pflege des Auges in der Schule." Tagespresse.
„Über die Schiefertafel.** Ebenda.
„Bericht über das zweite ohrenftrztliche Lustrum.** Archiv für
Ohrenheilkunde, Bd. XXX.
„Weltletter**, Referat über Dr. BüRQERSTEINs gleichnamige Ab-
handlung, und andere Referate.
645
Von der Redaktion.
Zum Andenken Schuberts.
Der vorstehende Nachruf, den Hbrm. Cohk unserem Freunde
und treuen Mitarbeiter Paul Schubert gewidmet hat, ist umfassend
und von warmem Gefflhl, wie es seit beinahe 30 Jahren den jetzt
noch rüstigen Lehrer mit dem nun dahingeschiedenen Schüler ver-
bunden hat, durchdrungen. Er entwirft ein schönes Bild der wissen-
schaftlichen Leistungen Schuberts und namentlich auch seiner Be-
deutung für die Ausbildung der Schulhygiene in Theorie und Praxis.
und dennoch drängt es uns, auch unsererseits dem Verblichenen
noch einige Worte der Anhänglichkeit und der Dankbarkeit zu widmen
für die freundschaftliche Gesinnung, die er der Zeitschrift für Schul-
g&tundheäspflege vom ersten Momente ihres Erscheinens an bewiesen
bat, und für die treue Mitarbeiterschaft, deren sie sich von seiner
Seite bis zum letzten Augenblicke erfreut hat. Wes das Herz voll
ist, des laufb der Mund über.
Das obige Verzeichnis der von Schubert veröffentlichten Arbeiten,
«las übrigens trotz der grofsen, auf seine Zusammenstellung verwendeten
Mühe kaum ganz vollständig sein dürfte, zeigt, dafs alle grundlegenden
Anschauungen Schuberts über die Steilsohrift, die Heftlage und die
Körperhaltung beim Schreiben, sowie seine wesentlichsten Arbeiten
über die Schularztfrage und ein greiser Teil seiner übrigen Veröffent-
lichungen auf dem Gebiete der Schulhygiene in der Zeitschrift für
Schidgestmdheilspflege erschienen sind. Unter den vorhandenen 17
Bänden der Zeitschrift gibt es sozusagen nicht einen, in welchem
nicht Schubert als Autor von Originalabhandlungeo, als Bericht-
erstatter über Versammlungen oder als Verfasser literarischer Be-
sprechungen aufträte. Und seine Arbeiten waren immer nach Inhalt
und Form derart, dafs sie der Zeitschrift zu grofser Zierde dienten.
Sie hatten den Keiz der Originalität und der Selbständigkeit. Und
wenn er auch öfters in immer neuen Publikationen sich den von
ihm mit besonderer Überzeugungstreue verfolgten Ideen der Steil-
schrift und der Schularzteinrichtung zuwandte, so wufste er doch
immer der Sache wieder eine neue Seite abzugewinnen, neues
Beweismaterial für das, was er als das Richtige betrachtete, bei-
zubringen.
646
Unter diesen Umständen war es begreiflich, dals, als es sich
vor einigen Jahren darum handelte, alles auf die Schularztfrage Be-
zügliche in einer besonderen ßeilage zu den Monatsheften der Zeit-
schrift — dem y^Schularete^ — zu sammeln und die Redaktion durch
eine zweite Kraft zu verstärken, nur Schubert in Frage kommen
konnte. Wir sind ihm tiefen Dank schuldig für die Bereitwilligkeit,
mit der er die seinerzeit in diesem Sinne an ihn ergangene
Eünladung annahm, sowie auch für den Eifer, mit welchem er
sich, trotz seiner anderweitigen grofsen Arbeitsbelastung, dieser neuen
Aufgabe unterzog. In fruchtbarster Weise wufste er diese Stellung
unter anderem dadurch auszunutzen, dafs er auf dem Zirkularwege
bei den deutschen Städten genaue Erkundigungen über die Schularzt-
institution einzog und das so gewonnene reichhaltige Material mit
enormem FleiTse verarbeitete. Es entstand auf diese Weise das
zuerst in zahlreichen Nummern des j^SchulargV' und nachher als be-
sonderer Band erschienene Werk ^Das Schularztwesen in Deutsch-
land^, das eine erschöpfende Darstellung der derzeitigen Entwicklung
der ärztlichen Schulaufsicht in Deutschland gibt und das seinem
Verfasser sowie der deutschen Literatur über Schulgesundheitspäege
zur Zierde gereicht. Dasselbe ist eine reiche Fandgrube für jeden,
der sich ernsthaft mit der Frage über die Organisation des schulärzt-
lichen Dienstes befassen will.
Neben der Selbständigkeit des Denkens, neben dem umfassenden
Wissen und der grofsen Arbeitskraft war es vor allem auch die seiner
Herzensgüte entstammende Liebenswürdigkeit im Verkehr, welche
Schubert auszeichnete und welche den Umgang mit ihm so sehr
erleichterte. Diese Charaktereigenschaft Schuberts hier besonders
zu erwähnen, ist nötig, weil sie nach aufsen in ungemein wohltuender
Weise in die Erscheinung trat und weil sie das liebe Bild, das wir von
dem Hingeschiedenen in unseren Herzen behalten, vervollständigen
hilft. Diese Eigenschaft war es auch, welche seiner Polemik mit
wissenschaftlichen und literarischen Gegnern den Stempel der Vor*
nehmheit aufdrückte und ihn vor der leider heutzutage nicht seltenen
persönlichen Anfeindung Andersdenkender bewahrte.
So ist es begreiflich, dafs man Schubert sowohl auf dem engeren
Gebiete seiner praktischen Tätigkeit als auch in weiteren Kreisen
ein sozusagen unbegrenztes Vertrauen entgegenbrachte, und dab er
trotz seiner Bescheidenheit überall in den Vordergrund gestellt wurde,
wo es galt, eine tüchtige Kraft zu gewinnen oder einen Mann der
Wissenschaft in verdienter Weise auszuzeichnen.
«47
Beispielsweise sei nach dieser Bichtung hin folgendes erwähnt:
Im Jahre 1889 hat die Nürnberger medizinische G-esellschaft
ScHUBBBT zn ihrem Vorsitzenden erwählt.
1890 wnrde Sohubbrt znm Vorsitzenden des in Nürnberg
tagenden X. Kongresses süddeutscher nnd schweizerischer Ohrenärzte
gewählt.
1891 wurde ihm der Vorsitz einer aus Nürnberger Schulvor-
stehem und Ärzten bestehenden Kommission zur Förderung der
Steilschrift übertragen.
1892 ist Sohubbrt für die 65. Versammlung deutscher Natur-
forscher und Ärzte zu Nürnberg die Einführung in die Sektion für
Ohrenheilkunde übertragen worden. — In demselben Jahre wurde
er zum Vorsitzenden der vom Verein für ö£fentliche Gesundheits-
pflege in Nürnberg gebildeten Sektion für Schulgesundheitspflege
ernannt.
1894 wurde Sohubbrt als einer der Ehrenpräsidenten der schul-
hygienischen Sektion des VIII. internationalen Kongresses für Hygiene
und Demographie in Budapest bezeichnet.
1895 hat der ungarische Landesverein für Hygiene aus Anlafs
des Vni. internationalen Kongresses für Hygiene und Demographie
in Budapest Schubert zu seinem Ehrenmitgliede ernannt.
1896 wurde Schubert durch das Vertrauen seiner Mitbürger in
das Kollegium der Stadtverordneten berufen.
1902 wurde ihm der Titel eines kgl. bayr. Hofrates verliehen.
190S wurde ihm das Generalsekretariat des l. internationalen
Kongresses für Schulgesundheitspflege, der im Jahre 1904 in Nürn-
berg stattfinden sollte, übertragen.
1905, wenige Tage vor seinem Tode, wurde Schubert zum
wissenschaftlichen Direktor der neuerrichteten Taubsiummenschule in
Nürnberg ernannt; es war ihm leider nicht vergönnt, die Eröffnung
dieses Institutes — am 1. September 1905 — zu erleben.
Die letzte grofse Leistung Schuberts war die Bewältigung der
ungeheuren Arbeit, welche ihm die Übernahme des Generalsekretariats
des l. internationalen Kongresses für Schulgesundheitspflege auferlegte
und der er sich unter den gegebenen Verhältnissen nicht entziehen
konnte, denn es war wohl mit Rücksicht auf seine Persönlichkeit
Nürnberg als Versammlungsort gewählt worden. Hier trat nun
Schubert mit seiner ganzen gewaltigen Arbeitskraft ein und erfüllte
voll und ganz die Hoffnungen, die man allerseits auf ihn und seine
Leistungsfähigkeit gesetzt hatte. Ohne die gewiis grofsen Verdienste
SchnlgetaDdheitspfle^e. XVIII. 34
648
seiner Mitarbeiter zu verkennen, darf man doch sagen, dais der
Erfolg des Kongresses zu einem guten Teile dem gewesenen Greneral-
Sekretär zu verdanken ist. Als äufseres Wahrzeichen dieses Erfolges
dienen die vier stattlichen Bände, in denen der Bericht über den
Kongrefs niedergelegt ist und deren Redaktion an Schubert noch-
mals ungewöhnliche Anforderungen stellte. War es zu verwundem,
dals ScHUBSRT nach Vollendung dieser gewaltigen Arbeit sich körper-
lich reduziert fühlte und der Ruhe und Erholung bedurfte? So
falsten wir Fernerstehenden, die über die Natur des Leidens, das
sich seit Anfang dieses Jahres in seinem sonst so starken Organismus
entwickelte, nicht orientiert waren, die Sache auf, als ScHUBfifiT sich
im Frühjahr nach dem südlichen Tirol begab. Wir hielten 9einen
krankhaften Zustand für eine Folge der vorausgegangenen, lange
dauernden körperlichen und geistigen Überanstrengung und hofften,
ihn bald wieder gesund und rüstig auf seinem Posten zu finden.
Unsere Hoffnung sollte grausam getäuscht werden. Einige Wochen
vor seinem Tode schon erhielten wir in einem Briefe seines Sohnes zu-
gleich mit der Mitteilung, dafs der Vater immer noch krank darnieder-
liege, Andeutungen über die verhängnisvolle Natur des Leidens.
Und dann am 22. August das kurze und traurige Telegramm: „Papa
gestern abend sanft entschlafen.^ ....
Die Zeitschrifl für Schulgesundheüspflege hat einen grolsen Verlust
erlitten. Mit allen denen, welchen die Schulhygiene und das Wohl
der lernenden Jugend am Herzen liegt, betrauen wir den Hinscheid
eines treuen Freundes. Und wenn er für uns, wenn er für alle
diejenigen, mit welchen und für welche er arbeitete, so viel bedeutete,
um wieviel mehr mag er denen gewesen sein, die durch Familien-
bande mit ihm verknüpft waren! Ihre unermefsliche Trauer möge
einen Trost in dem Bewufstsein finden, dafs ihr Gatte und Vater
nicht umsonst gelebt und sich in den Herzen aller, die mit ihm in
nähere Berührung kamen, ein schönes Denkmal gesetzt hat. Er
wird uns unvergeislich sein. . . .
649
'Oberbfirdungspsychosen bei minderwertigen Kindern.
Von
Dr. phil. Theobob Hbllbb,
Direktor der Erziehungsanstalt Wien-Grinsing.
Das Überbürdnngsproblem ist in letzterer Zeit wiederholt von
pädagogischen und ärztlichen Autoren bearbeitet worden. Die all-
gemeinen Ergebnisse dieser Untersuchungen können als bekannt
vorausgesetzt werden, ich möchte zur Ergänzung der letzteren an
dieser Stelle eine Beihe von Beobachtungen anführen, die beweisen,
dais bei abnormen Kindern, insbesondere bei den nervösen und
imbecillen, unter der Einwirkung der Überbürdung Störungen des
geistigen Gleichgewichts entstehen können, die den Charakter einer
Psychose tragen und einer entsprechenden heilpädagogischen Be-
handlung bedürfen. Bei dieser Gelegenheit will ich kurz erwähnen,
dafs die häufigste Psychose der Pubertätsjahre, die Hebephrenie, oft
auf dem Boden einer abnormen Veranlagung entsteht und durch
allzugrofse unterrichtiiche Anforderungen als nächste Ursache ver-
anlafst wird. Die folgenden Beobachtungen sind jedoch der Hebe-
phrenie nicht zuzuzählen, wie in jedem einzelnen Falle durch eine
eingehende psychiatrische Untersuchung nachgewiesen werden konnte.
1. Knabe, geb. 1886. Die Eltern des Knaben sind gesund,
doch scheint eine erbliche Belastung vorhanden zu sein, da die
Grofsmutter mütterlicherseits an epileptischen Anfällen litt. Der
Knabe wurde in früher Kindheit von Malaria befallen und blieb
seither in seiner geistigen Entwicklung beträchtlich zurück. Trotz-
dem absolvierte er die Elementarschule ohne erhebliche Schwierig»
keiten und bestand die Aufnahmsprüfung in ein Gymnasium. Hier
fiel dem Jungen die Auffassung des Unterrichts sehr schwer. Er
erhielt einen Hauslehrer, der ihm nach den Schulstunden den Unter-
richt noch einmal erteilen mufste. Dieser Nachhilfeunterricht nahm
ofl drei bis vier Stunden in Anspruch. Über freie Zeit verfügte
der Junge nicht, da auch die Sonn- und Feiertage zum gröfsten
Teil zum Unterricht verwendet wurden. Der Knabe liels es an
FleiTs nicht fehlen. Trotzdem mufste er am Ende des ersten Schul-
jahres zu einer Nachprüfung verhalten werden, wodurch auch die
34*
650
Ferien für ihn verloren gingen. Die Schwierigkeiten hftnften sieh
im zweiten Schuljahr, in dem er einen anderen Hanslehrer erhielt,
der mit grofiser Strenge vorging und ihn oft wegen seiner vermeint-
lichen Nachl&Bsigkeit scharf zur Bede stellte. Wfthrend dieser Zeit
verlor der Junge seine frühere Munterkeit; er wurde verschlossen,
sonderte sich ab und war oft derart reizbar, daCs es zu unan-
genehmen AuseinandersetzuDgen mit den Eltern kam. Auch sein
Aussehen änderte sich auffUlig; er wurde deshalb der Masturbation
verdächtigt, doch konnte man diesbezüglich trotz verschiedener,
dem Jungen sehr peinlicher Nachforschungen keine Gewüsheit er-
langen. Zu Beginn des dritten Jahres sahen sich die Eltern ver-
anlafst, den nunmehr vierzehnjährigen Knaben einem Pensionat zu
übergeben. Hier hatte er viel unter der Verspottnog seiner Kame-
raden zu leiden. Mit den Aufgaben kam er, obzwar er oft bis in
die späte Nacht aufblieb, nicht zu Ende. Als er am Schlüsse des
ersten Semesters ein schlechtes Zeugnis erhielt, stellte sieh tiefe
Depression ein; er schlofs sich in sein Zimmer ein, wollte nicht
essen, sich nicht zu Bett begeben. Auch äufserte er Selbstmord-
gedanken und drohte, sich zum Fenster hinauszustürzen. Trotzdem
gelang es dem Zureden der Mutter, ihn vorübergehend zu be-
schwichtigen. Er kehrte in das Pensionat zurück, nahm seine
Studien wieder auf, war aber vollkommen gleichgültig, machte trotz
aller Ermahnungen keine Aufgaben, nahm oft keine Bücher in die
Schule mit und schien derart zerstreut, dals die Professoren den
Eltern den Rat gaben, ihn aus der Schule zu entfernen. Er kehrte
nach Hause zurück, wo er die Eltern durch sein verstörtes Wesen
in Angst versetzte. Tagelang sprach er kein Wort, brütete dumpf
vor sich hin; dann war er zeitweise sehr reizbar, schrie,
schimpfte, warf die Türen zu, beschuldigte die Eltern, sie wollten
ihn zugrunde richten, er sei das Stiefkind usw. Bisweilen entlief
er, irrte längere Zeit auf den Strafsen hemm und kam dann ver-
stört und mit glühendem Kopf nach Hause zurück. Die Elteni,
aufs äufserste erschreckt, brachten ihn auf Anraten eines hervor-
ragenden Nervenarztes im Mai 1901 in meine Anstalt. Hier zeigte
er längere Zeit tiefe Apathie, doch war er gehorsam und benahm
sich sehr anständig. Am Unterricht nahm er im Anfang nicht teil,
doch zeigte er Interesse für verschiedene Arbeiten in der Schul-
werkstätte und im Garten. Der Beschäftigungsplan trug dieser
Vorliebe des Knaben Bechnung. Er wurde zum Oärtner ausgebildet
und fand an diesen Arbeiten aulserordentlich viel Freude. Dabei
651
erlangte er immer gröfsere Selbständigkeit, so dals er am Schlüsse
des zweiten Jahres die Pflege des Blumengartens vertretungsweise
übernehmen konnte. Sein Wesen hatte sich vollkommen geändert.
Er war wieder heiter und fröhlich geworden, nahm auch am unter-
richte teil, der sehr malsvoll und nur zu dem Zwecke gegeben
wurde, um ihm die für das praktische Leben notwendigen
Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Sein Aussehen war
blühend. Gkinz beträchtlich hatte seine Intelligenz zugenommen,
was sich namentlich in der Zweckmäüsigkeit der auf die Pflege des
Gartens bezüglichen Handlungen zeigte. Seinem eigenen Wunsche
entsprechend kam er nach zweijährigem Anstaltsaufenthalt in eine
niedere landwirtschaftliche Schule. Seit heuer ist er Volontär auf
einem gröfseren Gute, wo er, soviel ich höre, recht fleiüng und zur
Zufriedenheit seines Chefs arbeitet.
Während sich im vorstehend beschriebenen Fall die Psychose
als eine depressive Störung manifestiert hatte, tritt in den beiden
folgenden Fällen der ethische Defekt besonders auffallend hervor.
2. Mädchen aus einer angesehenen Wiener Familie, geboren
1889. Die Geburt verlief sehr schwer, im ersten Lebensjahre
stellten sich Konvulsionen ein. Das Kind entwickelte sich späterhin
körperlich befriedigend, war aber geistig stark zurückgeblieben, so
dals erst im achten Lebensjahre mit dem Schulunterrichte begonnen
werden konnte. Während der beiden Jahre, in welchen es die
öflfentliche Schule besuchen durfte, machte das Kind im Verkehr mit
seinen allerdings zumeist um zwei Jahre jüngeren Mitschülerinnen
einen durchaus normalen Eindruck, fiel durch seine Munterkeit und
seine Frische angenehm auf. Die scheinbare Leichtigkeit, mit
welcher das Mädchen dem elementaren Unterricht folgte, brachte
die Eltern auf den unglücklichen Gedanken, das Kind, welches
mittlerweile zehn Jahre alt geworden war und sich körperlich sehr
gekräftigt hatte, nunmehr daheim in der Weise unterrichten zu
lassen, dafs das Lehrziel der dritten und vierten Klasse in einem
Jahre erreicht werde. ^ Auf diese Weise hofften sie den durch den
verspäteten Beginn des Schulbesuches bedingten Zeitverlust wieder
hereinzubringen. Es fand sich auch eine Lehrerin, die bereit war,
dieses abgekürzte Lehrverfahren nach dem Wunsche der Eltern
durchzuführen. Nunmehr begann für das bedauernswerte Kind,
^ In Osterreich wird in allen Schalen bei der Zählung der Klassen mit
der antenten begonnen.
652
welches die Entfemusg aus der öffentlichen Schule sehr schmerzlich
empfand, eine Zeit schlimmster Üherbürdung. Die Lehrerin sachte
durch grofse Strenge die Aufmerksamkeit des Kindes wfthrend einer
täglich ununterbrochen dreistündigen Unterrichtszeit zu erzwingen
und überhäufte das Mädchen überdies noch mit Hausaufgaben. Zur
selben Zeit wurde das für Musik gänzlich unbegabte Mädchen noch
mit Klavierstunden gequält. Die Undurchführbarkeit des ein-
geschlagenen Lehrverfahrens zeigte sich bald darin, dafs das Kind
nicht entsprach, die Aufgaben nicht vollständig oder sehr unordent-
lich machte. Darüber wurde seitens der Lehrerin Klage bei den
Eltern geführt, die, in der Meinung, es fehle dem Kinde an
gutem Willen, es sei nur verspielt usw., mit Strafen und Er-
mahnungen nicht sparsam waren. Bald zeigte das vorher aufrichtig
gewesene Kind den Hang zum Lügen. Diese Lügen betrafen
nicht blofs sein Verhältnis zur Lehrerin, um die Nachlässigkeit
seiner häuslichen Arbeiten zu beschönigen. In diesen Lügen prägte
sich auch deutlich der Hafe gegen die Hausgenossen aus, von denen
sich jeder berufen fühlte, das Kind zu moralisieren und ihm seine
Fehler vorzuhalten. Diese Abneigung führte auch bald zu dem
Bestreben, anderen Schaden zuzufügen. So wies die Schürze der
Schwester Schnitte auf, das Dienstmädchen fand ihre Brosche ver-
bogen und mit herausgerissenen Steinen, der Lehrerin selbst war
der Hut durch Auszupfen der Schmuckfedem verunstaltet u. dgl. m.
Alle diese Übeltaten stellte das Mädchen in Abrede, obzwar es
nach den bestehenden Verhältnissen niemand sonst getan haben
konnte. Auch wurde es mitunter in flagranti ertappt, so z. B. ein-
mal, als es mit voller Absichtliohkeit und in aller Buhe ein Butter-
brot wiederholt mit der fetten Seite auf die stoffbezogenen Salon-
möbel drückte. Während sich allmählich dieser ethische Bückgang
einstellte, änderte sich das Aussehen des Kindes; es wurde bleich,
afs weniger, magerte ab und war in der Nacht oft stundenlang
wach. Allen Bekannten fiel diese Veränderung im Aussehen des
Mädchens auf. Weiterhin entwickelte sich als nervöses Symptom
eine auTserordentliche Reizbarkeit, so dafs es oft zu häfsliohen
Exzessen kam. Dabei zeigte es eine vollkommene Gleichgültigkeit
gegen Strafen. Schliefslich war die Familie durch das obstinate
Betragen der Kleinen so erregt, dafs man beschlois, das Kind in
ein gut empfohlenes Töchterpensionat nach Deutschland zu bringen.
Von dort kamen schon in den ersten Wochen viele Klagen über
ungebührliches Betragen, Faulheit und geringes Ehrgefühl. Als
653
aber das Kind anlä&lich eines Kirchganges seinen Platz im
Grotteshanse verunreinigt hatte, wnrde die sofortige Abholnng
mit gröfster Dringlichkeit verlangt. Charakteristisch für den
damaligen sittlichen Tiefstand des Kindes ist die Antwort auf die
Frage der Mutter, warum es die letzterwähnte Schändlichkeit be-
gangen habe: „Ich habe es getan, um von dort wegzukommen l*'
Im Frühjahr 1901 wurde das Mädchen von der Mutter in meine
Anstalt gebracht; bei der Aufnahme erzählte die Dame vor dem
Kind alle Übeltaten, die es in der letzten Zeit vollbracht hatte,
ohne dals dieses Sündenregister auf das Kind irgendwelchen Ein-
druck gemacht hätte. Ich gewann nach längerer Beobachtung die
Überzeugung, dafs dem Kinde von seinen eigenen Eltern durch die
beobachtete Methode fortwährenden Moralisierens das Bewufstsein
seiner eigenen Minderwertigkeit und Schlechtigkeit beigebracht
worden, dals die ursprünglich vielleicht auf normale Ursachen
zurückzuführende Fehlerhaftigkeit des Kindes durch die von der
autoritativsten Seite erfolgte beständige Verurteilung seiner Hand-
lungen zu einem so hochgradigen ethischen Defekt erwachsen sei.
Bestätigt wurde diese Annahme durch den ersten Besuch der Mutter
und der Schwester, bei welchem die letztere, ein Kind von acht
Jahren, sich gleichfalls berufen fühlte, seiner Schwester in einer
unangenehm frühreifen Art Moral zu predigen. In der Anstalt
kam man dem Kinde mit grofsem Wohlwollen entgegen; auf meine
Veranlassung sprach niemand von seinem früheren ungehörigen
Verhalten. Da ich mich mit der Erziehungsmethode der Eltern
nicht einverstanden erklären konnte, bat ich die Dame, so lange ihre
und die Besuche der Verwandten zu sistieren, bis eine entschiedene
Besserung des Zustandes eingetreten sei. In der Anstalt wurde es
wenig durch unterrichtliche Anforderungen in Anspruch genommen;
vielmehr fand es Anregung und Beschäftigung im Haushalt und
im Garten. Gerne benutzte man jede Gelegenheit, das Kind
zu loben, sein gedrücktes Selbstbewufstsein aufzurichten. Es
schien allmälich die vorangegangene böse Zeit zu vergessen,^
niemand konnte sich über sein Verhalten in irgendeiner Weise be-
klagen, es kam zu keiner Sachbeschädigung, nie kam eine Lüge
über seine Lippen. Merkwürdigerweise sprach das Kind nie von
seinen häuslichen Verhältnissen und äufserte auch nicht den Wunsch,
seine Verwandten zu sehen oder zu sprechen. Nach mehreren
Wochen gab ich die Erlaubnis zu einem Wiedersehen zwischen
Mutter und Tochter. Die erstere hatte ich zuvor von der ver-
654
ftnderten Sachlage unterriohtet und sie dringend gebeten, das Ver-
gangene ruhen zu lassen und die Kleine wohlwollend zu behandeln.
Später wurden die Besuche häufiger, auch gestattete ich Spazier-
gange in die nächste Umgebung. Das Verhältnis zwischen Kind,
den Eltern und G^eschwistem gestaltete sich sehr liebevoll und nach
zehnmonatlichem Anstaltsaufenthalt konnte ich die Kleine unbedenk-
lich nach Hause entlassen. Seither machte das Kind, das wieder
nach dem gewöhnlichen Lehrplan unterrichtet wurde, ohne dab
man versuchte, die beiden Jahre des verspäteten Schulbesuches ein-
zubringen, ganz befriedigende Fortschritte, wiederholte freiwillig die
5. Volksschulklasse und kam dann nach Hause, wo es unter der
Aufsicht einer wohlwollenden Erzieherin zu allen wirtschaftlichen
Geschäften ausgebildet wurde. Die Intelligenz des Mädchens ist
unter dem Durchschnitt geblieben, doch hat es ein derart anständiges
Betragen erlangt, dals es überall verkehren kann, ohne irgendwie
Anstols zu erregen. In sittlicher Beziehung konnte seither keine
Klage erhoben werden.
Ich habe den zweiten Fall ausführlicher beschrieben, weil er
beweist, w i e der ethische Defekt bei derartigen Kindern zu werten
ist und dals die Ursache desselben oft weniger in der psychischen
Beschaffenheit der Kinder als in der höchst ungünstigen Einwirkung
der Umgebung gesucht werden mufs, die, wie in dem oben ge-
schilderten Fall, allerdings in der Meinung erfolgen kann, im
Interesse des Kindes zu handeln. Die Eltern sind ganz erfüllt von
dem Gedanken, dafs das Kind schlecht und verderbt sei. Es hört
immer wieder und von allen Seiten, es werde nichts aus ihm
werden, es sei ein boshaftes Geschöpf, man halte es aller schlechten
Handlungen für fähig. Diese Vorstellungen werden schliefslich zur
Suggestion und das Kind handelt tatsächlich schlecht, weil es in
seinem krankhaft veränderten Bewufstsein von den Motiven bestinunt
wird, die ihm von anderer Seite suggeriert worden sind. Ein
solches Kind wird in den Familien auch leicht zum Sündenbock,
dem man Übeltaten in die Schuhe schiebt, die es gar nicht be-
gangen hat. Die Intelligenz der Kinder ist aber zu gering, als dals
sie sich derartigen Anschuldigungen gegenüber erfolgreich verteidigen
könnten. Die Abneigung gegen ihre Umgebung, die sich bis zum
Hals steigern kann, hat ihre nächste Ursache in der übelwollenden
Behandlung, die ihnen zuteil wird. Unter demselben Gesichtspunkt
ist auch die Entfremdung der Kinder ihren Eltern gegenüber zu
beurteilen. Allen diesen Erscheinungen liegt die Überbürdung durch
655
den Unterricht zugrunde. Man verlangt hier von den geistig zu-
rückgebliebenen oder selbst m&fsig schwachsinnigen Individuen
Leistungen, denen sie ihrer gesamten psychischen Verfassung nach
nicht gewachsen sind. Die Eltern wollen nichts davon wissen, daCs
ihr Kind geistig zurückgeblieben sei. Sie halten es für faul,
unaufmerksam, störrisch und suchen durch groliae Strenge zu er-
zwingen, was fireiwillig nicht vollbracht werden kann. Tatsächlich
hat die Anwendung gro&er Strenge zur Folge, daCs sich die
Leistungen der Kinder zeitweise bessern. Diese vermeintliche
Besserung aber bedeutet in jedem einzelnen Falle eine Anspannung
der Krftfte bis zum äufsersten und hat daher eine Periode der Er-
schlaffung zur Folge. Man könnte diesen Vorgang vergleichen mit
der Arbeit eines vor einen überladenen Wagen gespannten Pferdes,
das durch die Peitschenhiebe des Kutschers veranlalst wird, die
überschwere Last ein kurzes Stück weiterzuschleppen , das aber
schlieislich um so sicherer zusammenbrechen muDs.
Der folgende Fall mag beweisen, wie ungünstig in derartigen
Fällen körperliche Züchtigungen wirken.
3. Ein vierzehnjähriger Knabe hat mit grolser Mühe die Volks-
schule und in einer Privatschule drei Bürgerschulklassen ^ absolviert.
Er soll hierauf eine Handelsschule besuchen, obzwar die Eltern
schon vorher darauf aufmerksam gemacht wurden, dafs der sehr
schwach begabte Junge den Anforderungen dieser Schule nicht ge-
wachsen sein werde. Bald nach Beginn der Schule werden Klagen
laut» der Junge sei unaufmerksam, mache keine Aufgaben und störe
durch sein läppisches Betragen den Unterricht. Der Junge erhielt
nun einen Korrepetitor, der aber gleichfalls über Zerstreutheit und
Mangel an Fleifs klagte. Der Vat^r, ein Tabiker, geriet deshalb
wiederholt in zornige Erregung. Er schlug den Eaxaben, und es
kam bei solchen Gelegenheiten zu furchtbaren Exzessen, die eine
völlige Entfremdung des Jungen in seiner Familie herbeiführten.
Schliefslich bekam der Knabe, sobald er väterlicherseits gezüchtigt
wurde, tobsuchtartige Erregungszustände, in welchen er in sinnloser
Wut um sich schlug und sich sogar an seinem kranken Vater ver-
griff*. Auch stieCs er Schimpfworte aus, die sich der Wiedergabe
entziehen. Nachher überfiel ihn eine völlige Mattigkeit, er konnte
kaum stehen, sprach verworren und machte den Eindruck eines
Kranken. Dieser Zustand soll einer epileptischen Attacke ähnlich
^ Den fiinf VolkischulklaBsen folgen in Österreich drei Bürgertchalklassen.
656'
gesehen haben, doch ist es nach ärztlicher Angabe aasgeschlossen, dafs
es sich tatsächlich um epileptische Anfälle gehandelt habe. In
meine Anstalt gebracht, wurde er mit Gärtnerei und mit yerschie*
denen Werkstätten arbeiten beschäftigt, auch nahm er am Unterricht
teil. Er war fleifsig und benahm sich sehr anständig und gefiQlig.
Sein milstrauisches Wesen, das er an&nglich an den Tag legte,
schwand bald. Nach Jahresfrist konnte er eine öffentliche Gartenbau-
schule besuchen, wo er, soviel ich weiCs, keinen Anlafs zu Klagen gab.
Ich könnte noch mehrere ähnliche Fälle aus meiner Erfahrung
mitteilen, habe mich aber damit begnügt, einige besonders charak-
teristische herauszuheben, welche be weisen, zu welchen krassen
Übelständen die Überbürduug minderwertiger Kinder führen kann.
Es ist mir nicht im mindesten zweifelhaft, dals eine groCse Zahl
von schiffbrüchig oder selbst kriminell gewordenen Individuen der
besseren Stände Schwachsinnige sind, die unter dem Druck allzu-
grofser unterriohtlicher oder beruflicher Anforderungen entarten. Es
wäre eine Pflicht der Ärzte und sachverständigen Pädagogen, die
Eltern nicht aus falschem Mitgefühl über die geistige Inferiorität
ihrer Kinder in Unkenntnis zu lassen, sondern ihnen volle Klarheit
darüber zu geben, wo die Grenzen der Leistungsfähigkeit ihrer
Kinder gelegen sind, und sie auch auf die möglichen Folgen einer
Überbürdung Schwacheinniger oder Schwachbefähigter aufmerksam
zu machen. Durch eine solche volle Aufrichtigkeit würden viele
Kinder vor späterem schweren Schaden und deren Eltern vor
Kummer und grausamen Enttäuschungen bewahrt bleiben; es würde
auch eine Hauptursache unglücklichen Familienlebens beseitigt
werden. Die vorstehend beschriebenen Fälle beweisen, dafs eine
Hilfe noch immer möglich ist, wenn sich unter der Wirkung der
Überbürdung nervöse oder selbst psychopathische Symptome bei
abnormen Kindern zeigen; diese besteht in der Beschäftigungs- und
Arbeitstherapie unter sachverständiger Aufsicht in hierzu geeigneten
Stätten, als deren beste wohl die heilpädagogischen Anitalten zu
betrachten sind.
Nachschrift.
Nach Vollendung vorliegender Arbeit und Übersendung der-
selben an die „Zeitschrift fiir Schuigesundheäspflege^ finde ich in
einem Referat über die VI. Versammlung des Vereins für Kinder-
forschung vom 14. bis 16. Oktober 1904 zu Leipzig einen Auszug
657
aus dem Vortrage des Herrn Professor BiNSWANGEB-Jena über den
Begriff des moralischen Schwachsinns. Professor Binswanger führt
hier ans, daTs die Überbürdnng Schwachbegabter eine Quelle sitt-
licher Entartung werden könne, kommt daher anf Grund seiner
Erfahrungen zu dem gleichen Ergebnis wie ich in vorliegender
Arbeit. Ich betone nochmals, dafs mir Professor Binswanqebs
Vortrag zur Zeit, als ich die Studie über Überbürdungspsychosen
niederschrieb, nicht bekannt war. Hält man die Fälle, über welche
der berühmte Psychiater berichtet, mit den von mir ausführlich be-
schriebenen zusammen, so wird man sich der Erkenntnis nicht ver-
sohlieisen können, dafs es sich hier nicht um vereinzelte Beobach-
tungen handelt, ein Umstand, der dem behandelten Gegenstand
sicherlich erhöhte Bedeutung verleiht.
Ergebnisse der im Schuljahre 1904/1905
an den Schülerinnen der 1. Klasse der allgemeinen Mädchen-
Volksschule in Wien VI, Eopernicusgasse 15, vorgenommenen
ärztlichen Angenuntersnchungen.
Von
Direktor Emanubl BAYB-Wien.
Über meine Anregung wurde in der diesjährigen 1 . Klasse der
mir unterstehenden Anstalt der Sehzustand von 72 Schülerinnen
festgestellt.
Nachdem die E^assenlehrerin, Fräulein Ottilie Simpeb, einige
diesbezügliche Andeutungen in der Klasse gemacht hatte, erschienen
bald mehrere Eltern, welche sich für die Sache lebhaft zu inter-
essieren schienen, sich bereit erklärten, ihr Kind einer augenärzt-
lichen Untersuchung zu unterziehen und sich erkundigten, wohin
sie sich wenden sollten. Selbstverständlich wurde in dieser Be-
ziehung kein Zwang ausgeübt und nur darauf hingewiesen, dals
auch in dem in der Nähe der Schule gelegenen, Eltern und Kindern
wohlbekannten Kaiser Franz Joseph -Ambulatorium, VI, Sandwirt-
gasse, unentgeltlich solche Untersuchungen vorgenommen werden.
Der Anfang war gemacht. Unaufgefordert meldeten sich fast täglich
einige Schülerinnen zur Untersuchung, und nach Verlauf weniger
658
Monate war die Lehrerin in die angenehme Lage versetzt, über das
Sehvermögen fast sämtlicher Schülerinnen genau informiert zn sein.
JNnr drei die Klasse besuchende Mädchen schlössen sich von der
Untersuchung aus. Mit Ausnahme von zwei Schülerinnen, welche
sich an den Hausarzt wandten, wurden die Untersuchungen vom
Herrn Dozenten Dr. Kabl Kuntn im erwähnten Ambulatorium vor-
genommen.
Aus den ärztlichen Bestätigungen, welche den Kindern nach
vollzogener Untersuchung zur Abgabe in der Schule eingehändigt
wurden, resultiert folgendes:
1. Von den untersuchten 72 Schülerinnen sind 30
normalsichtig. Ein Fall, in dem es sich um suggestive E[iirz-
sichtigkeit handelt, ist besonders zu erwähnen. Die Schülerin be-
hauptet, trotzdem auf Grund zweimaliger Untersuchung normaler
Augenbefund nachgewiesen ist, nicht gut zu sehen und muls in
einer der vorderen Bänke sitzen. Im übrigen soll auf Anraten des
Arztes die Störung soviel als möglich ignoriert werden.
2. Hypermetropie wurde bei 25 Schülerinnen konstatiert.
Für 16 von diesen Schülerinnen wurde das Tragen von Brillen
verordnet; 9 derselben schafften sich die Brillen an und tragen sie
seither gewissenhaft. Bei den übrigen Stiels dies auf Widerstand von
Seiten der Eltern, welche teilweise die Anschaffungskosten scheuten,
zum Teil aber in dem Wahne befangen sind, dafs das Brillentragen
unter allen Umständen die Augen schwäche.
3. Schwachsichtigkeit wurde bei 5 Schülerinnen nach-
gewiesen. Sie mufsten nach vom gesetzt werden. Eine von diesen
fünf Schülerinnen, bei welcher der Augenbefund auf „hochgradige
angeborene Schwachsichtigkeit beider Augen'' lautet, trug einige
Monate die vorgeschriebenen Gläser. Gegenwärtig ist die Brille
überflüssig; sie sieht von ihrem zirka 6 m von der Schultafel ent-
fernten Platze sehr gut an dieselbe und zeigt stets die beste Körper-
haltung.
4. Hypermetropie und Schwachsichtigkeit wurde an
9 Schülerinnen festgestellt. Für sieben von ihnen wurden
Brillen verordnet; vier tragen die Gläser und weisen seither eine
entschiedene Besserung der Körperhaltung auf. Bei einer Schülerin
ist das linke Auge normal. Eine Schülerin leidet überdies an Ein-
wärtsschielen. Eine andere Schülerin ist mit hochgradiger Schwach-
sichtigkeit des linken Auges infolge von Homhautfiecken behaftet,
während das rechte Auge hypermetropisch ist.
659
5. Myopie in geringem Grade wurde an 1 Schülerin nach-
gewiesen. Sie sitzt vorne, trägt aber keine Brillen, weil die
Eltern dagegen sind. Ihre Haltung beim Schreiben und Lesen ist
eine vorgebeugte, beim Handarbeiten hält sie die Arbeit sehr nahe
an die Augen, beim Schreiben beachtet sie die Zeilen nicht.
6. An myopischem Astigmatismus leidet 1 Schülerin,
welche in der ersten Bank sitzt;
7. An hypermetropischem Astigmatismus gleichfalls
1 Schülerin; dieselbe trägt eine Brille und sitzt in der ersten Bank.
Anschliefsend folgt nun die Übersichtstabelle:
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^tts 9erfammttttt$ett tinb Verettten.
Die Bedeutung Sffentlicher Spiel- und Sportplätze
fflr die Yolksgesnndheit.
Von der 30. Versammlang des Deatscben Vereins für öffentliche
Gesundheitspflege (Mannheim, 12. bis 16. Septbr. 1905).
Der erste Referent, Sanitätsrat Dr. SOHMIDT-Bonn, hob einleitend die
Bedeutung der Schulärzte für die Gesundheitspflege in der Schale hervor.
Diese Institution habe in den letzten sechs bis sieben Jahren einen er-
freulichen Fortgang genommen. Vorbildlich sei Sachsen -Meiningen, wo
660
jetzt der Schularzt für die letzte Dorfschale eingefOhrt sei. Die Unter-
sachangen mehrerer Forscher haben ergeben, dafs 30, in einzelnen F&Uen
sogar 50 % aller Schulkinder mit chronischen Übeln behaftet sind. Wenn
die Zahl der voUentwickelten Schalkinder kaum die Hälfte, nenerdings
oft nnr ein Drittel oder ein Viertel aasmacht, müsse man zageben, dafs
es keine gesunde, frische, arbeitsfähige Jagend ist, die in unseren Städten
heranwächst. Zum Glück ist in unserer Zeit das hygienische und soziale
Gewissen zu sehr geschärft, als dafs man daran vorbeigehen könnte.
Gewifs spielen auch soziale Miisstände, unzweckmäfsige Ernährung, schlechte
Wohnungsverhältnisse eine Rolle. Waren doch in Stuttgart 1903 fast ein
Fünftel aller Volksschulkinder schlecht ernährt und 44,2 Vo waren rhachitisch.
In München betrug der Prozentsatz der rhachitischen Kinder 34. In
Magdeburg waren 16,5 7o skrophulös, in Bautzen 1901: 21 Vo, 1902:
19%, 1903: 40%. Aber es ist nicht aUein die soziale Notlage schold an
diesen unerfreulichen Gesundheitsverhältnissen, denn auch in den schon
von den besser situierten Ständen besuchten Mittelschulen zeigen sich die
Verhältnisse wenig günstiger. Namentlich die Zahl der blutarmen Kinder
wächst ständig. Neben den sozialen Ursachen ist das unzweckmäfsige
Schulsystem schuld an diesen Umständen, das mit seinem vielen Stillsitzen
der Jugend zu wenig Körperbewegung gewährt. Von den Strafsen der
Grofsstadt ist das Lachen des sich tummelnden jungen Volkes längst ver-
schwunden, man hört nur noch das Klingeln und Tüten der gefahrdrohenden
Strafsenbahnen , Auto -Velos und Automobile. Und wie ist es mit den
Höfen der Häuser geworden? Himmelhoch streben die Mauern der Hinter-
häuser an, und zwischen den Abfallswinkeln der grofsstädtischen Miets-
kasenien ist kein geeigneter Erholungsort für unser Licht und Sonne be-
dürftiges junges Volk. Wir können nicht nach amerikanischem Muster
Arbeits- und Geschäftsstadt von Wohnstadt trennen. Wir sind angewiesen
auf die einmal historisch gegebene Einrichtung unserer Städte. Wollen
die Städte nicht eine schlechte Rasse erzeugen, die ohne steten Zufluß
von anfsen nicht leben kann, so müssen sie den besonderen Verhältnissen
Rechnung tragen. In den Steinwüsten bedürfen wir der Oasen, aber nicht
blol's der Schmuckplätze zum Spazierengehen, sondern auch der sonnigen
Rasenplätze, auf der sich die Jugend tummeln kann. Diese Plätze müssen
besonders in den gedrängten Vierteln, wo die kleinen Leute wohnen,
liegen. Statt in Kleinkinderschulen schicke man die Kleinen dann dorthin.
Auch die Schulhöfe müssen zweckmäfsiger eingerichtet werden. Hoffentlich
kommen wir bald auch in Deutschland dazu, daüs, wie in Nordamerika
und P^ngland, keine Parkanlage ohne weite freie Rasenflächen angel^
wird, zur Erhaltung und Wahrung unserer Volkskraft und Volksgesundheit.
Der zweite Referent, Oberbaurat Klbttb- Dresden, verbreitete sich
im wesentlichen über die zweckmäfsige Einrichtung der Spiel- und Sport-
plätze. Er wies darauf hin, dafs, wenn man das Fufsballspiel zur Grund-
lage der Berechnung nehme mit Bezug auf die für eine gröfsere Stadt
erforderlichen Spielplätze, man zu einem ungeheuren, unerschwinglichen
Flächeninhalte derselben komme, der aber in der Praxis ohne Schaden
sehr bedeutend reduziert werden könne, da doch nur immer eine beschränkte
Anzahl der Knaben und jungen liCute dem Fufsballspiel obliege.
661
Die von den beiden Referenten aufgestellten Leitsätze, die flbrigens
nicht zur Abstimmnng bestimmt waren, lanten folgendermafsen :
1. Reichliche nnd regelmäfsige Bewegung ist fflr die Jagend ein
QDersetzliches liCbensbedürfnis znm vollen Wachstum des Körpers.
2. Neben der Ausbildung der Bewegungsorgane selbst ist vor allem
die Entwicklung eines kräftigen Herzens, einer atemtOchtigen und wider-
standsfähigen LuDge, sowie einer gesunden Blutffllle, entsprechende Er-
nährung vorausgesetzt, gebunden an ein reichliches Mafs von Bewegung im
Freien.
3. Die Pflege geeigneter Leibesbewegung und Leibesübung ist grund-
legend fflr die gesamte spätere Lebensffllle und Arbeitskraft des Individuums,
und anderswie nicht ersetzbar.
4. Eine Jugend, der das Austummeln im Freien, in frischer Luft
und Sonnenschein verwehrt oder verkümmert wird, wird blafs, welk, blutarm
und sucht ihrem Erholnugstriebe auf unhygienischen und meist bedenklichen
Wegen Genüge zu tun.
5. Das ungeheuerliche Wachstum der StMte, die Zunahme der Be-
vOlkerungsdichtigkeit, die immer inteusiver sich gestaltende Ausnutzung
der bebaubaren städtischen Bodeufläche, die Beschlagnahme der öffentlichen
Straüsen und zum Teil auch der Plätze für den Strafsenbahnverkehr —
alles das bedeutet für die grofsen Massen des Volkes die Verkümmerung
eines ihrer wichtigsten Daseins- und Erholungsbedürfnisse, nämlich der
unmittelbaren bequemen Gelegenheit zur Bewegung im Freien.
6. Es ist im Sinne der Volksgesundheitspflege eine unabweisbare
Pflicht der Gemeinden, in allen Stadtgebieten und ganz besonders in den
dichter bewohnten Arbeiter- und Geschäftsvierteln Plätze frei zu halten,
welche der bewegungsbedürftigen Jugend ungehindert zur Benutzung stehen.
Nach dieser Richtung hin mufs namentlich auch der Sucht mancher städtischen
Bauverwaltung Einhalt geschehen, alle und jede freien Plätze mit umgitterten
Schmuckanlagen zu bedecken.
7. Neben diesen bescheidenen Plätzen für die Kleinsten und Kleineren
sind weiterhin, möglichst auf die Haupt-Stadtgebiete verteilt, gröfsere Spiel-
und Sportplätze anzulegen für die gesamte Schuljugend sowie fflr die Leibes-
übungen und Spiele der mehr herangewachsenen jungen Leute.
Am zweckmäfsigsten ist es, wenn diese Spielplätze sich inmitten gröiserer
städtischer Anlagen oder Parks befinden.
8. Da, wo eine Stadtgemeinde ein gröfseres Waldgebiet als „ Stadt-
wald *" u. dergl. eingerichtet hat, ist eine mit Wald umgebene Fläche mit
besonders weiten Abmessungen empfehlenswert, um gröfsere Schul-, Jugend-
oder Volksfeste im Freien abzuhalten.
Es sollten in solchen gröfseren öffentlichen Anlagen aber alle Haupt-
rasenplätze so gehalten sein, da(s sie unbedenklich einem jeden aus dem
Volke zur Erholung zugängltch sind.
9. Alle Spielplätze in Städten sollen so liegen, so angelegt, ausgestattet
und unterhalten sein, dafs sie viel und gern aufgesucht und benutzt werden ;
sie müssen daher, den Wohnungen der SpielbedUrftigen nahe, in freier und
nnd gesunder Gegend liegen nnd bequem zugänglich sein.
10. Für noch nicht schulpflichtige Kinder sollen Spielplätze in reich-
662
lieber und jedenfalls ausreichender Zahl tnnlichst in allen öffentlichen An-
lagen vorgesehen nnd eingerichtet werden.
11. Fflr die schnlpflichtige Jngend sollen — wenn nicht anderweit
grolse nnd beqnem gelegene Tnmmelplätze znr Yerfttgnng stehen — die
Schnlhöfe fttr geleitete nnd beanfsichtigte Bewegungsspiele zn bestimmten
Zeiten geöffnet werden.
12. Fflr die nicht mehr schulpflichtige Jngend soUen möglichst grofse
Rasenflächen, wenn nicht in, so doch nahe der Stadt angelegt bezw. ein-
gerichtet werden. Diese sollen
an der Oberfläche frei, eben nnd möglichst horizontal liegen nnd so
gehalten sein, dafs jede Stanbentwicklnng sowie alle Schlamm- und
Pfützenbildnng ausgeschlossen bleibt,
fttr die Spielenden in unmittelbarer Nähe Unterkunftsränme mit Ge>
legenheit zur Kleiderablage, Verrichtung der Notdurft, Aufbewahrung
der Spielgeräte sowie zum Waschen und Trinken und
fflr die Zuschauer freie Übersicht, Schatten und Sitzgelegenheit
bieten.
Plätze für Lawn- Tennis, Radfahren, Rudern und Schwimmen usw. brauchen
nicht mit den Spielplätzen in unmittelbarer Verbindung zn stehen.
In der Diskussion fahrte Stadtschulrat Dr. SiCKiNGER- Mannheim
folgendes aus: In der vorliegenden Frage greift die Schulgesundheitspflege
in das Gebiet der öffentlichen Gesundheitspflege hinttber. Der Tätigkeits-
bereich der Schule, insbesondere der grofsstädtischen Volksschule, hat sich
im Laufe der Zeit bedeutend erweitert. Die Schule ist heute die Summe
deijenigen Veranstaltungen, die im Laufe der kulturgeschichtlichen Ent-
wicklung fflr die Ergänzung der Familienerziehung unbedingt notwendig
geworden sind. In den gröfseren Städten sind selbst die gutsituierten
Eltern nicht in der Lage, dem Bewegungsbedflrfnis ihrer Kinder durch
Spielgelegenheit Rechnung zu tragen. Zur Beschaffung der erforderlichen
Spielplätze mttssen deshalb alle beteiligten Faktoren zusammenwirken: Der
Staat, die Gemeinde, die Schule und die freie Mithilfe warmherziger, gut-
situierter Bflrger. Dabei sind besonders zwei Momente zu berflcksichtigen:
Nicht jeder Platz von irgendwelcher Lage, von irgendwelcher Beschaffenheit
ist fflr den Spielbetrieb geeignet; sodann bedarf es, wo es sich um
Hunderte von gleichzeitig spielenden Kindern handelt, einer geregelten
Spielerlemung und einer mafevollen Spielleitung. Auch in Mannheim sind
nunmehr erfreuliche Anfänge des Jugendspieles zu yerzeichnen, dank dem
Entgegenkommen des Vereins für Ferienkolonien nnd der städtisdien Be-
hörden. Dem Deutschen Verein fflr öffentliche Gesundheitspflege sind wir
Mannheimer deshalb zu Dank verpflichtet, dafs er die Erörterung der
Frage der Spielplätze gerade hier behandelt und mit dem Referat zwei
der berufensten Sachverständigen betraut hat. Die gegebenen Anregungen
werden der Mannheimer Jugend zustatten kommen.
Dr. med. et phil. GKIBSSBACH-Mfllhausen wendet sich gegen die
Überbflrdung der Schfller, die zunehme, je höher der Schfller aufrflcke.
Nach der unglflckselig langen Sitzzeit in der Schule kommen die häuslichen
Arbeiten. Daher bleiben gerade die fflr die höheren Schulen besteheDden
Spielplätze leer. Es fehle ja an Zeit. Bemerkenswert sei der Rflckgang
663
der Wehrpflichtigen ans den höheren Gesellschaftsschichten. Die Über-
bttrdiing sei, wie man sehe, keine leere Phrase.
Professor BAUMBIBTBR-Earlsrahe möchte an die Hygieniker die Frage
stellen, ob das bei nns aas £ngland importierte und von den Referenten
empfohlene Fofsballspiel wirklich ein so zweckmäJäiges sei. Wir haben
doch sehr schöne einheimische Spiele. Fflr diese Spiele sind anch nicht
so grobe Spielplätze nötig, wie sie der Referent mit Rücksicht auf das
Fo&ballspiel f&r nötig hielt. Die Gemeinden könnten die Spielplätze sodann
mit weit geringeren Kosten einfahren, und es wäre eine Dezentralisation
Tiel leichter durchzufahren.
Dr. WBRNBR-Leipzig regt an, die körperlich Minderwertigen bei An-
lage der Spielplätze besonders zu berflcksichtigen.
Oberbflrgermeister Dr. BBUTLBR-Dresden gibt die Erklämng ab, er
mflsse etwas Wasser in den hygienischen Wein gieisen. £s sei nicht
richtig, dals die Jugend heute in den Grofsstädten von den Rasenplätzen
Tertrieben werde. Das Gegenteil sei der Fall. Bestreiten müsse er auch
den Vorwurf der zu grofsen Wohnungsdichtigkeit der Grofsstädte. Auch
ein Wort zur Ehrenrettung der höheren Schulen halte er sich yerpflichtet
zu sagen, da von ihnen erst das Spielen ausgegangen sei. Er möchte
doch Yor zu weitgehenden Forderungen warnen. Dahin gehöre die von
GRIB88BACH aufgestellte Forderung des freien Nachmittags, bei deren
Durchfflhrung die Erreichung des Unterrichtszieles in Frage gestellt würde.
In einem kurzen Schluiswort nimmt Dr. Schmidt das Schulfursball-
spiel in Schutz, das mit dem sportmäisigen nicht zu vergleichen sei. Jedoch
würde er dem nationalen Ballschlagspiel gerne das Wort reden. Aber die
Yon Professor Baumeistbb angezogenen Kinderspiele seien nichts für die
heranwachsende Jugend.
Altinttt itttttetlitit0en.
Ober die dentschen Landeniehnogsheime macht Dr. med. 0. Katz-
Mannheim in der j^Münch. med. Wochenscihr,*^ (Nr. 28) u. a. folgende yer-
dankenswerte Mitteilung.
Deutsche Landerziehungsheime gibt es seit 1898. Damals gründete
Dr. Hebmann Libtz das erste Heim für Knaben auf einem kleinen Gut
bei Ilsenborg im Harz, das alsbald nur den Jüngsten Yorbehalten blieb.
Die Älteren halfen selbst, die neue Heimat, das zweite Landerziehungsheim,
aufrichten auf dem umfangreichen Gute Harbinda in Thüringen. Seit mehr
als Jahresfrist entsteht ein drittes in Bieberstein, die stille Stndienstätte
der Oberklassen. Das rasche Emporblühen drängte und drängt nach Neu-
grfindnngen, da der familienmäfeige Charakter der »Heime* nur eine be-
sdiränkte Zahl Ton „Bürgern*' gestattet. Die Gliederung nach Altersklassen
ermöglicht eine ganz besonders reiche individuelle Ausgestaltung.
SeholgeramdlMitopflege. XVIII. 85
664
Alsbald machte sich auch das Bedflrfhis nach Landerziehangsheimen
fQr Mädchen geltend. Eine Tochter des Wflrzbnrger Professors v. Rind-
FLBI8GH, Fran Prof. v. Petebsen, gründete 1900 das erste zu Stolpe-
Wannsee in der Mark (jetzige Leiterin Fran Bollert). 1904 folgten
die beiden süddeutschen Mädchenlanderziehnngsheime Geienhofen am
Bodensee (Fran v. Petersen) nnd Breitbrunn am Ammersee. Ein Jahr
früher außerdem das Landerziehnngsheim Laubegast bei Dresden, das
Knaben und Mädchen gemeinschaftlich erzieht.
Alle diese untereinander und mit den Schwesteranstalten in England,
Frankreich und der Schweiz in engster Fühlung lebenden Landerziehungs-
heime entstanden in bewulstem Gegensatz zu der Haupttendenz unserer
heutigen höheren Schulen: der einseitigen Pflege und Heranzflchtung des
Intellekts auf Kosten der anderen seelischen Kräfte und der körperlichen
Ausbildung und deren Betriebsart, die die freie praktische Tätigkeit unter-
bindet und einen innigen Zusammenhang mit der Natur nicht aufkommen
läfet. Nicht schematische bestimmte Lehrziele also, nicht die „Berechti-
gungen", die trotzdem erlangt werden, bilden das Rückgrat dieser Anstalten,
sondern die eigentliche Erziehungsarbeit, die meist von der Schule dem
Haus, Yom Haus hinwiederum der Schule zugeschoben wird. Diese wahre
Erziehungsarbeit kann nur ein Ziel haben: die freie harmonische Aus-
bildung aller Kräfte und Fähigkeiten. Das Resultat wäre die Heras-
bildung ganzer Menschen, deren Leben restlos auszuschöpfen vermag,
was die Natur ihnen mit auf den Weg gab.
Die freie Lage auf dem Lande, die Nähe von Wasser und Wald,
sind hervorstechende Merkmale der Landerziehungsheime. Fast das ganze
Leben spielt sich im Freien ab, auch der gröfisere Teil des Unterrichts,
der sich, den Anregungen der Umgebung folgend, durch eine scharfe
Heranziehung der Sinne zur Mitarbeit in ganz ungeahnter Weise lebensvoll
gestaltet. Die Art, wie dies geschieht, in immer neuen Variationen, weil
immer nenbedingt durch die Stunde, die Sonderart und AufhahmstUiigkeit
der Schüler, die Persönlichkeit des Lehrenden, und wie zugleich der nun
doch einmal vorgeschriebene Lehrstoff in ganz anderem Sinne Eigentum
des Lernenden wird, als dies gewöhnlich der Fall ist, ist für den beob-
achtenden Pädagogen und Mediziner besonders interessant. Der oberste
Grundsatz des Landerziehungsheimes ist: Erziehung zur Selbständig-
keit und Selbsttätigkeit. So gewinnt die geistige Arbeit schon beim
Kinde die gleiche Qualität für das Leben, wie häusliche Arbeit, Handwerk,
Sport und Spiel. Die zweckmäfsige Einfügung der Handwerksarbeiten
zwischen eigentliche Unterrichtsstunden und Sport läfst auf keinem Gebiete
Ermüdung aufkommen. Gerudert, geschwommen, geradelt wird bei jedem
Wetter: die leichte, einfache Kleidung ist allen Erfordernissen angepabt.
Eine bis zwei Stunden stehen dem Zögling jeden Tag zu freier Ver-
fflgungung. Da werden vorzugsweise die Lieblingsbeschäftigungen gepflegt,
die häufig dem beruflichen Leben später die Richtung geben. Oder es
wird gelesen, geschlafen, gerudert usw. Es fragt niemand nach. Ein
herrliches Geschenk für em heranwachsendes Menschenkind! Ein gefähr-
liches, nach städtischen Schulbegriffen. Aber nie noch hat sich ein Be-
dürfnis nach stärkerer Bevormundung gezeigt. Was anderwärts das so
665
bequeme Aasknnftsmittel der Autorität des Erziehers bewirken soll,
erreicht hier dessen Yorbildliches Leben und das herzliche Vertranen, das
ihm Yon den Kindern ausnahmslos entgegengebracht wird.
Fflr von vorneherein geistig oder körperlich Minderwertige sind die
Landerziehungsheime allerdings nicht bestimmt. Aber neben den vielen
glflcklichen Kindern, denen ohne besondere gesundheitliche Veranlassung
einsichtige Eltern das Aufwachsen im Landerziehungsheim bescheren, finden
langsam Entwickelte, zur Blutarmut Neigende, nervös Veranlagte, durch
das Milieu in ihrer Entwicklung Bedrohte recht wohl hier ihre Stätte und
zwar je froher, desto besser. In verhältnismäfsig kurzer Zeit wird durch
ausgiebigen Genuis von Luft und Wasser, durch sorgsame, allerdings nicht
allzu ängstlich abgewogene Abhärtung und gewissenhafte individualisierte
Pflege körperlicher Kraft und Gewandtheit, durch die klaren, tüchtigen
Verhältnisse des ländlichen Lebens ein hohes Mafs von Widerstandsfähig-
keit gegen äufeere und innere Feinde erreicht. Strafen gibt es nicht;
also auch keine Angst, die ein wahrer Schädling kindlicher Entwick-
lung ist.
(Zu bedauern ist nur, dafs all diese Landerziehungsheime bis jetzt
nur den Kindern wohlhabender Eltern zugänglich sind. Es wäre eine
schöne Aufgabe der städtischen Verwaltungen, dafür zu sorgen, dafs auch
die Kinder bedürftiger Eltern, wo es nötig ist, die Wohltat derartiger
Anstalten geniefsen können. Einen bemerkenswerten Anfang in dieser
Richtung bilden allerdings die sogenannten Waldschulen. D. Red.)
Folgendes Alkoholmerkblatt wird in Mannheim bei der Anmeldung
der Schulanfänger an die Eltern abgegeben.
An die Mütter unserer Schüler!
Vielfach ist noch der Glaube verbreitet, dafs die geistigen Getränke,
wie Bier, Wein, Most, Branntwein, Kognak, Malaga, Likör u. a., Stärkungs-
und Nahrungsmittel seien und dafs sie daher auch den Kindern unbedenk-
lich verabreicht werden können.
Das ist ein schwerer und verhängnisvoller Irrtum; denn alle diese
Getränke enthalten ein Gift, dessen Gefährlichkeit schon daraus hervorgeht,
dab schon geringe Mengen genügen, um Tiere und Pflanzen zu töten.
Infolge dieses Giftes sind alle geistigen Getränke auch dem Menschen
verderblich. Sic schädigen die Organe, setzen die natürliche Widerstands-
fthigkeit des Körpers gegen Krankheiten herab und rufen nicht selten
selbst schwere Erkrankungen, wie Leber- und Nierenentzündungen, Gicht,
Langen- und Herzkrankheiten, hervor.
Auch von den Geisteskrankheiten ist die Hälfte auf den Genufs von
alkoholischen Getränken zurückzuführen. . Ebenso ist durch amtliche Er-
hebungen festgestellt, dafs die Hälfte der Insassen der Anstalten für
Epileptische (Fallsüchtige), Idioten und Taubstumme von trunksüchtigen
Eltern abstammen.
Für die Gemeingefährlichkeit des Alkohols reden folgende Zahlen eine
nicht miiszuverstehende Sprache:
In Deutschland sind von 3200 Selbstmorden 1600 auf den Alkohol
zurflckzuführen. Von den Unfällen mit tödlichem Ausgang sind durch-
schnittlich 1800 durch den Alkohol verschuldet.
35»
666
13000 Personen sterben jährlich an Säuferwahnsinn. 47760 Familien
fallen infolge von Tnmksncht jedes Jahr der Annenverwaltnng nen zur
Last, nnd 150000 Personen werden alljährlich in Deutschland von den
Gerichten wegen Roheiten nnd Verbrechen bestraft, die nnr unter dem
Einflnls des Alkohols begangen wurden.
In besonders schwerer Weise haben die Kinder unter dem Alkoholgift
zu leiden. Es genflgt schon eine geringe Menge desselben, um sie zu
berauschen, und häufig genug sind bei Kindern auch Todesfälle infolge
eines Rausches beobachtet worden.
Alle Sachverständigen stimmen darin flberein, dals für den zarten
Organismus des heranwachsenden Menschen die geistigen Getränke von jeder
Art und jeder Menge schädlich sind.
Durch den Alkoholgenuls bleiben die Kinder in ihrem Wachstum und
ihrer Entwicklung zurflck; ihr Appetit leidet not; Verdauung und Stoff-
wechsel werden verlangsamt; die Kinder bleiben schwächlich und werden
leicht von allerlei Krankheiten befallen, denen sie infolge Ton verringerter
Widerstandskraft allzuleicht unterliegen.
Auch die geistige Entwicklung der Kinder wird durch den Genuls
alkoholischer Getränke geschädigt; denn das Alkoholgift wirkt verheerend
auf das Gehirn und das Nervensystem. Die Kinder werden denkfaul,
lemunlustig und dumm. Wie die täglichen Beobachtungen in der Schule
zeigen, gehören die Kinder, die regelmälsig Bier, Wein, Most und dergl.,
wenn auch nur in geringen, Mengen genielsen, immer zu den schlechteren
und schlechtesten Schülern. „Tausende von Mflttem", sagt ein berühmter
Professor, „vergiften in regelrechter Weise ihre Lieblinge durch ein Mittel,
welches sie verdummt, schlaff und energielos und unter Umständen zu
körperlichen und geistigen Krüppeln macht. ^
Der Alkohol beeinflu&t in unheilbringender Weise auch das Betragen,
das Gemüt und den Willen der Kinder. Sie werden launisch, eigensinnig,
reizbar, streitsüchtig und unfolgsam. Auch ihre Sittlichkeit erleidet Gefahr.
Kinder, die von Jugend auf an den Genufs geistiger Getränke gewöhnt
werden, gehen oftmals in ihrem späteren Leben ihrem körperlichen nnd
sittlichen Untergang entgegen. Sie verfallen häufig der Trunksucht nnd
dem Laster und endigen nicht selten in Rettungsanstalten, Arbeits- oder
Zuchthäusern.
Darum, ihr Mütter, schützt eure Kinder vor dem Alkohol! Denn
nur dann, wenn ihr das beherzigt, werden eure Kinder gesunde, arbeits-
frohe und glückliche Menschen werden, die mit Liebe und Dankbarkeit
der verständigen mütterlichen Pflege gedenken werden.
Stadtschulrat Dr. SiCKiNaEB-Mannheim.
Die Verlingernng der Sommerferien durch Vor- oder Naeb-
nrlanby den viele Eltern von der Schule für ihre Kinder erbitten, ist in
Berlin noch immer recht häufig, trotz der seit Jahren ergangenen und
alljährlich wiederholten Verfügungen des Provinzial-SchulkoUegiums gegen
diesen Brauch. In wie grofser Zahl diese Beurlaubungen selbst bei der
strengsten Anwendung der Bestimmungen noch bewilligt werden müssen,
darüber hat der Direktor der städtischen Viktoriaschule in Berlin eine
Statistik für 1904 aufgestellt, die er im „Jahresbericht füt 1904/05'' den
667
Eltern mitteilt, Dicht zur Nacheifernng, sondern znr Warnung. Vor oder
nach den Sommerferien wurden „auf Grund ärztlicher Atteste oder wegen
Auflösung des Haushalts der Eltern** 178 Schülerinnen auf zusammen
1161 Tage beurlaubt, das macht pro Schülerin durchschnittlich 6 — 7 Tage.
Vor- oder Nachurlaub haben im Durchschnitt der ganzen Schule (mit über-
haupt 724 Schülerinnen im Sommer) etwa jede vierte Schülerin. Die
Direktoren weisen vorschriftsgemäfs die Eltern darauf hin, wie sehr hier-
durch der Unterricht erschwert wird. Bewilligt wird der Urlaub nur noch,
wenn ein ärztliches Zeugnis vorliegt oder wenn wegen vorzeitiger Abreise
der ganzen FamOie die etwa zurückbleibenden schulpflichtigen Kinder ohne
Heim wären.
Auf die FerienwaDdernngen fOr die Sehnljngend richtet in
diesem Jahre die Charlottenburger Stadtverwaltung ganz besonders ihr
Augenmerk. Schon in den Etat sind 50U Mark zu Versuchen für solche
Ferienwanderungen eingestellt worden, die unter der Leitung eines Lehrers
ausgeführt und sich in der Regel auf zwei oder drei Tage erstrecken
sollen. Neuerdings hat, wie das y^Berl. Tagehl.^ mitteilt, der Magistrat
beschlossen, dem Charlottenburger Verein für Kinderausflüge eine laufende
Beihilfe von jährlich 300 Mark zu bewilligen und den Betrag für dieses
Jahr dem Dispositionsfonds zu entnehmen. Der Verein steht unter der
Leitung eines Schularztes und bezweckt, schwächlichen und bedürftigen
Oemeindeschülern durch Veranstaltung von Nachmittagsausflügen körperliche
und geistige Erholung, sowie Belehrung und Anregung zuteil werden zu
lassen. Die Ausflüge erfolgen in Abteilungen von je zwölf bis fünfzehn
Knaben und Mädchen im Alter von acht bis vierzehn Jahren ; die Leitung
liegt in den Händen freiwilliger Hilfskräfte, von denen jedesmal zwei bei
einer Abteilung tätig sind. Jedes Kind erhält unentgeltlich ein Glas Milch
und ein Butterbrot, auch werden die etwa erforderlichen Fahrkarten von
dem Verein bezahlt. Im vorigen Jahre waren bereits neun Abteilungen
aus mehreren Gcmeindeschulen vorhanden, von denen jede 28 bis 30 Aus-
flüge gemacht hat.
Die AnsstellnDg von Lehrmitteln fKr Mensehenknnde und Ge-
sundheitspflege, die vom 1. bis 12. Juli dieses Jahres zu Leipzig statt-
fand, hatte, wie L. Modebsohn in der „Päd. Bef.^ (Nr. 31) mitteilt,
bedeutenden Erfolg. Sie umfafste 500 Nummern aufser der Literatur,
die allein 300 Nummern bot.
Sämtliche ausgestellten Gegenstände waren in vier Hauptgruppen ein-
geordnet: Darstellungen der Organe des menschlichen Körpers im Zusammen-
hange: Bau und Leben der einzelnen Organe; Schulhaus, Schulzimmerund
Schulutensilien; Literatur. Der Schwerpunkt der Ausstellung lag nicht in
den ausgestellten Gegenständen, die fast alle bekannt waren, sondern in
der übersichtlichen Gruppierung. Die ausstellenden Firmen hatten sich
in dankenswerter Weise bereit gefunden, trotzdem ihre Gegenstände häufig
über alle Abteilungen verteilt wurden. Die Art der Gruppierung zeigen
am besten einige Beispiele. Die Abteilung „Rückgrat und Brustkasten"
umfaüste; 5 Wirbelknocheu, die 4 ersten Halswirbel, Schädlichkeit des
Korsetts und Rückgratverkrümmungen (4 Tafeln), Querschnitt durch die
Hüfte: Folgen des Schnürens (1 Tafel), Skelett einer Frau, durch Schnüren
668
TeroDstaltet und normal, ein natürlicher and ein durch Schnüren Tenm-
stalteter Bmstkorh, 1 Wirhelsftule mit Knochengewftchs, Reform-Unter-
kleidung f&r Damen und Madchen, Madchen-Tumkleider (Friedrich & Linke,
Leipzig), Reform-Korsetts, Reformkleider (Reformhaus „Gesundheit'', Leipzig),
„Sitze gerad*, Vorrichtung zum Geradehalten des Oberkörpers yon Gey.
In der Abteilung „Arm und Hand** fehlte nicht die Anleitung zur
ersten Hilfeleistung bei Knocheobrachen, ein Entleih-Depot fOr Gegenstände
zur Krankenpflege auf dem Lande usw. An die Darstellung des Fulses
schlofs sich die Ausstellung gesunder Fußbekleidung. Sehr umfang-
reich war die Yeranschaulichung des Nährwertes des Nahrungsmittel. Bei
der Atmung sah man Tafeln zur kflnstlichen Atmung, das staubbindende
Fufebodenöl, die geruchlosen chemischen Präparate zum Desinfizieren yon
Räumen und KleidungsstQcken usw. An die Haut schlois sich gesunde
Unterkleidung, Badeeinrichtung, Seife, Wund-Greme.
Die KindererholnngsstStte in Charlottenbürg, vom vateriändischen
Frauenyerein errichtet, ist, wie wir der j^Deutschen Warte*^ entnehmen,
durch Aufstellung einer weiteren Baracke vergröfsert worden, so daCs nun
die Möglichkeit geschaffen ist, zehn Kinder auch des Nachts draufsen zu
bebalten. In Betracht kommen in erster Reihe solche Kinder, denen
wegen ihres leidenden Zustandes der tägliche Hin- und Rückweg sdiwer
fällt, oder die in so ungflnstigen Verhältnissen leben, dafs es geboten er-
scheint, sie auch des Nachts aus der Häuslichkeit zu entfernen. Ausge-
schlossen yon dem Nachtaufenthalte in der Erholungsstätte sind, da nur
ein Schlafraum zur Verfügung steht, Kinder, deren Zustand eine Ge-
fährdung der anderen Kinder mit sich bringen könnte, insbesondere solche
mit ofifenbarer Tuberkulose. Der tägliche Verpflegungssatz für die Kinder,
die auch nachts draufsen yerbleiben sollen, ist auf 1 Mark festgesetzt
Einen H-Vigifen Ferienspielknrs hat während der Sommerferien
der Verschönerungsyerein inUntertflrkheim errichtet. Derselbe steht unter
der Aufsicht eines Lehrers. Wie wir dem j^Schwäb. Merkur^ entnehmen,
können an diesem Kurs sämtliche schulpflichtige Knaben (warum nicht auch
die Mädchen? D. Red.) teilnehmen, besonders solche, welche in Gärten,
Feld und Weinberg nicht beschäftigt werden können.
Über ohrenkranke Schulkinder sprach auf der 14. Jahresyer-
sammlung der Deutschen Ohrenräzte zu Homburg Prof. HASTMANN-Berlin.
Aus übereinstimmenden Erhebungen der Kliniker ergibt sich, dafs unter
je 100000 Schulkindern über 25000 Ohrenkranke zu finden sind. Nach
Ansicht des Vortragenden ist der Staat schon aus Gründen der Wehr-
fähigkeit yerpflichtet, für eine möglichste Beseitigung dieses Übelstandes
Sorge zu tragen. Die Hälfte der Schwachhörigkeitsfälle ist auf Rachen-
affektionen, welche yielfach heilbar seien, zurückzuführen. — Unter all-
seitiger Zustimmung wurden die Forderungen des Redners aufgenommen,
dafs yon den Schulärzten dahin zu wirken sei, alle Kinder mit Ohrenflufe
und Trommelfelldefekten yon den jetzt yielfach in Gebrauch gekommenen
Brausebädern auszuschliefsen ; auch baden dürfen sie nur in Gegenwart
yon Lehrern, die das Schwimmen zu beaufsichtigen yermögen und das
Untertauchen yerhindem. Das Eindringen yon Wasser in das innere Ohr
könne das Leben gefährden.
669
Die seit mehreren Jahren eingerichteten Bewegungsspiele far
SehOler und Schttlerinnen der Berliner Gemeindeschnlen sind, wie der
yfBerl. Lokalang.^ mitteilt, anch in diesen Sommerferien vom 10. Juli bis
12. Angnst abgehalten worden. Zn diesem Zwecke waren nebst einigen
Spielplfttzen 30 SchnlhOfe täglich von 8—12 und von 3 — 7 Uhr geöffnet.
Die Kinder, welche während dieser Zeit den Gefahren des Stralsenverkehrs
entrflckt sind, unterstehen der Leitung und Aufsicht je zweier Lehrer bezw.
Lehrerinnen, die sie in diBr Veranstaltung von Spielen unterstützen, ihre
etwa vorkommenden Streitigkeiten schlichten, ihnen sonst jedoch möglichst
viel Freiheit lassen sollen. Wöchentlich wird ein Ausflug, meist in zwei
Abteilungen, in die nähere Umgebung Berlins unternommen. Es haben
sich fflr diese Ferien 60 Lehrkräfte in den Dienst der Sache gestellt.
Perienspieltage sind während der Sommerferien auch in Schöne-
berg eingerichtet worden. Fttr alle diejenigen Kinder, denen es nicht
vergönnt ist, in den Ferien zu verreisen oder die Wohltat einer Ferien-
kolonie zu geniefsen, hat die Stadt nach einer Mitteilung der „Deutsch, Ztg."'
einen hinreichend grofsen Spielplatz zur Yerfflgung gestellt. Hier sollen
unter Anleitung von Lehrern während der ganzen Ferien am Vormittage
die Mädchen und am Nachmittage die Knaben spielen und sich erholen.
Dieser Versuch wird dann zur dauernden Einrichtung gemacht und später
bedeutend erweitert werden. Nehmen die Kinder regelmäfsig an diesen
Spielen teil, so wird zweifellos die Whrkung auf ihre Gesundheit zu spttren
sein. Von der Spielleitung wird der pädagogische Grundsatz beobachtet
werden, dafs die Kinder möglichst frühzeitig zur Selbständigkeit erzogen
werden. Deshalb soll alles Reglementieren und Befehlen möglichst ver-
mieden werden. Nur Berater wollen die Spielleiter sein, indem sie die
Spielgmppen arrangieren helfen, neue Spiele einüben und überall da, wo
Störungen und Stockungen eintreten, fördernd und helfend eingreifen ; kurz,
man geht von dem Gedanken aus, die Kinder während der Ferien dem
gefährlichen und gesundheitsschädlichen Strafsenleben zu entziehen und
möglichst ins Freie zu führen. Nach neuesten Nachrichten hat sich diese
Veranstaltung in hervorragendem Mause bewährt und die Sympathie der
Kinder wie auch der Eltern gewonnen.
Über das Zfielitignngsrecht der Lehrer hSherer Unterriehts-
ustalten hat das Provinzial-SchulkoUegium in Berlin folgende Verfügung
eriassen: „Mehrere Fälle von Oberschreitung des Züchtigungsrechts durch
Lehrer usw. veranlassen uns, die amtlichen Vorschriften über körperliche
Züchtigung in Erinnerung zu bringen und folgendes zu bestimmen: auch
Schüler der drei unteren Klassen dürfen ohne Wissen des Direktors und
Ordinarius körperlich nicht gezüchtigt werden. Schläge an den Kopf sind
unter allen Umständen verboten. Von jeder körperlichen Züchtigung sind
die Eltern oder deren Vertreter sofort in Kenntnis zu setzen. Gleichzeitig
sehen wir uns veranlafst, den Gebrauch von Schimpfwörtern im Verkehr
mit den Schülern als ungehörig und als schädigend für das Ansehen des
Lehrers zu bezeichnen und ferner zu bestimmen, dafs häusliche Arbeiten
zum Zweck der Strafe unter keinen Umständen aufgegeben werden dürfen.*'
Ferien-Hygiene. Unter diesem Titel hat Dr. WsiGL-München in
den „Bl. f. Volksgesähtspfl,*^ einen Aufsatz veröffentlicht, in welchem er
670
die Forderungen der Gesondheitspflege mit Bezug auf das Ergehen der
Kinder in den Ferien in zwei Gebote einteilt: Femhalten aller schftdlidien
Einflösse und auf der anderen Seite FOrderang aller solcher, durch die
neue Kräftigung an Körper und Geist erworben wird. Es ist nicht zu
Übersehen, dafs manche Eltern in der besten Absicht ihren Kindern durch
die Art der ihnen bewilligten Ferieuerholung mehr schaden als nützen.
Jedenfalls sollte man überall daran denken, dais den Kindern während der
Ferien Luft und Licht und herzhaftes Austummeln im Freien während
des ganzen Tages not tut, und darin sollen sie auch, wenigstens in ge-
wissen Grenzen, nach ihrem Belieben handeln können. Die Eltern sollten
die Kinder nicht in ihren Kreis und ihre Interessen zu zwingen suchen,
sondern es wird für sie selbst besser sein, wenn sie sich eher den Nei-
gungen der Kinder anzunähern suchen. Zur Bekämpfung der angeblich
zunehmenden Nervosität unserer Jugend, deren Vorhandensein Dr. Wkioi«
übrigens anerkennt und auch der Überbürdung des Lehrstofifo in den
Schulen mit sehr entbehrlichen Dingen zuschreibt, ist die Vornahme körper-
licher Übungen durch einen vemünfügen Sport zu Land oder zu Wasser
geradezu notwendig. Es ist oft darauf hingewiesen, aber kann nicht genug
wiederholt werden, dais namentlich das Schwimmen eine körperliche Bewegung
ist, bei der alle Organe gewinnen, ebensowohl die ganze Haut, die Muskeln,
die Nerven, wie insbesondere auch die Lungen durch mächtige Anregung
zur tiefen Atmung usw. Wenn beim Schwimmen noch besondere Schwimm-
spiele veranstaltet werden können, wird die Begeisterung der Jugend ftlr
diese Form der Gymnastik noch bedeutend wachsen. Femer wird auf die
Wichtigkeit des Schülerrudems verwiesen. Der deutsche Verein fär Volks-
hygiene hat sich seinerseits die Organisation von Wanderungen angelegen
sein lassen, um die Jugend während der Ferien in den ganzen Beichtnm
der Natur einzuführen. Die Ferienkolonien dieses Vereins geben auch
den ärmsten Kindern die Möglichkeit, sich an der Natur zu erholen und
grölsere Teile des Vaterlandes kennen zu lernen, indem mit Vorliebe die
Kinder aus dem Süden nach dem Mittelgebirge oder bis an die Meeres-
küste geführt werden, und umgekehrt die Jugend aus dem Norden bis an
die Südgrenze mit ihren Schneebergen.
Dem Betriebe der Charlottenburger Waldschule widmet Stadt-
schulrat Dr. Neüfebt im XIV. Jahrgang des „Jahrbuch f. Volks- und
Jugendspiele*^ eine längere Betrachtung. Verschiedene seiner Bemerkungen
verdienen die Au&nerksamkeit weiterer Kreise. In den ersten 14 Tagen
nach der Eröffnung — so schreibt er — erfreuten sich die Kinder noch
der Ferien, und das Leben in der Waldschule glich etwa dem in einer
Ferienkolonie; nur muTiste bei allem mehr darauf Bedacht genommen werden,
daCs man lauter Kinder mit ernsterem Leiden vor sich hatte. So zeigte
sich z. B. sofort, dafs den Grofsstadtkindern Gesellschaftsspiele im Freien
fast fremd waren. Wohl wird in Gharlottenburg seit einigen Jahren das
Jugendspiel eifrig gepflegt, doch gerade die kränklichen und schwächlichen
Kinder waren teils von ihren Eltern aus übertriebener Ängstlichkeit vom
Spiel fern gehalten worden, teils hatte der Arzt es nicht gestattet. Anders
nun hier in der Waldschule, wo seitens des Schularztes bestimmt wurde,
wie weit jedes Kind sich beteiligen durfte, und seitens des Lehrers ge-
671
bohrende Bflcksicht daraaf genommen worde. Bald gaben sich olle mit
Lnst dem gemeinsamen Spiele im schönen grünen Walde hin, nnd das
Spiel bewährte sich trefflich als Arzt und als Erzieher. Am 15. Angnst
begann wie in allen anderen Schulen der Unterricht, und nun erst zeigte
«ch das charakteristische Lehen und Treiben in der Waldschule. Der
Lehrplan entsprach dem der entsprechenden Klassen der Gemeindeschulen; nur
dafs der Lehrstoff in den meisten F&chem auf das Hauptsächlichste beschränkt
war; jedoch waren nur 6 — nicht wie in den Gemeindeschulen 7 —
Klassen vertreten, da man von vornherein davon abgesehen hatte, Schüler
der untersten EJasse aufzunehmen. Die Gesamtdauer des Unterrichts war
für die unterste Klasse täglich 2 Stunden, für die 3 obersten täglich
2^/s Stunden, in den beiden Klassen V und IV waren 13 bezw. 14 Stunden
wöchentlich angesetzt. Da für diese 6 Klassen nur 2 Schulzimmer vor-
handen waren, so machte die Aufstellung des Lektions- und Stundenplans
einige Schwierigkeiten, obgleich der Unterricht in Naturwissenschaften,
Turnen und Singen grundsätzlich im Freien zu erteilen war, soweit es das
Wetter irgend zuliels. Der Unterricht wurde, um die Kinder vor Über-^
müdung zu schützen, in halbstündigen Lektionen erteilt ; nach jeder halben
Stunde fand eine Pause von 5 Minuten statt, nach jeder ganzen eine solche
von 10 Minuten. Länger als zwei Stunden hintereinander zu unterrichten,
war überhaupt nicht gestattet. Diese Bestimmung erwies sich in den
meisten und wichtigsten Fällen als recht zweckmässig. Wenn die kränk-
lichen Kinder z. B. eine halbe Stunde intensiv gerechnet hatten, so waren
ihre Kräfte derart verbraucht, dafe eine Pause dringend notwendig war.
Wenige Minuten Bewegung in kräftiger Waldluft erfrischten die Kinder
jedoch hinreichend, um dem Unterricht wieder mit Aufmerksamkeit folgen zu
können. Immerhin erschien es im gesundheitlichen Interesse nicht angängig,
nach der Pause wiederum zu rechnen oder einen anderen gleich an-
strengenden Gegenstand vorzunehmen. Ebenso wie der Lehrplan den be-
sonderen Verhältnissen der Kinder angepalst war, so müfste es auch die
Lehrmethode und insbesondere der Lehrton sein. Körperliche Erholung
und Gesundung sollten ja mit Erziehung und Unterweisung in gleicher
Weise gepflegt werden. Es durften daher Erziehungsmittel, die die Er-
ziehung ungünstig beeinflussen konnten, nicht angewandt werden. Die Kürze
der Lektionen gebot, frisch und flink vorzutragen, von allem Nebensäch-
lichen abzusehen und dem einzelnen, der etwas nicht recht verstanden
hatte, nicht zu viel kostbare Zeit in der Stunde zu widmen, ihn vielmehr
außerhalb dieser noch einmal vorzunehmen. Planmäfsige, wenn auch auf
das Hauptsächlichste beschränkte Wiederholungen erwiesen sich wegen der
vielen Lücken als unumgänglich notwendig. Nachdem die Besserung und
Kräftigung der Gesundheit der Kinder hervorgehoben ist, fährt Dr. Neufest
fort: „Auch in pädagogischer Beziehung haben wir alle Ursache, mit dem
Erfolge der Waldschule zufrieden zu sein. Auf das Betragen der Kinder
hat der Aufenthalt in der Waldschule günstigen Einflufe gehabt, besonders
2ur Ordnung, Sauberkeit und Pünktlichkeit, sowie zur Verträglichkeit unter
einander wurden sie erzogen.'' Aus den amtlichen Berichten über die
Klassenleistungen der ehemaligen Waldschüler geht deutlich hervor, da(s
das pädagogische Ziel, das der Waldschule bei ihrer Gründung gesteckt
672
worden ist, erreichbar und von dem weitaus gröfsten Teil der Kinder auch
erreicht worden ist.
Ober die Morbidititsstetistik in den Schulen nnter Mitwirkung
der Lehrer anisert sich Dr. Altschul in der „QeauncOieiiswarte der
Sckuh"^ (Nr. 6). „Die Morbiditätsstatistik — sagt er — hat natflriich
der Arzt zn führen, die Mitwirkung der Lehrer ist aber unentbehrlich.**
Sie mnfe n. a. immer da einsetzen, wo objektiye Krankheitssymptome fehlen,
da der erfahrene Lehrer weiüs, welchem Schiller er bezüglich der gemachten
Angaben trauen kann nnd welchem nicht. Sodann wird der Lehrer da-
durch, dafs er seine Beobachtungen Aber die „Fehler des Kindes" dem
Schularzte mitteilt, die eingehende Untersuchung einzelner Schiller durch
den letzteren veranlassen. Auch die von den Lehrern zu fahrende
Statistik über die Schulversaumnisse und über die Befähigung der ein-
zelnen Schüler ist für die Morbiditätsverhältnisse der Schuljugend von
grofser Bedeutung. Energisch tritt A. für das verständnisvolle Zu-
sammenwirken von Arzt und Lehrer ein, durch welches die Schul-
hygiene grofse praktische und wissenschaftliche Erfolge erzielen kann.
Ein Schnlbransebad in Amsterdam ist im Zentrum von vier Schulen
erstellt. Dasselbe ist eine Musteranstalt. Der Betrieb steht unter der
Aufsicht der Lehrerschaft. Es ist nicht nach dem Zellensystem gebaut,
und die Praxis zeigt, dafe dies zu keineiiei Unzukömmlichkeiten führt
Auch die Eltern, von denen anfangs Beschwerden ausgingen, haben sich
beruhigt. In der Tat braucht man den Eltern die Einrichtung nur zu
zeigen, um sie zu überzeugen, dafs die üblichen Samstagabendreinigungen
zu Hause ganz armselig sind im Vergleich zu der wöchentlichen Reinigung
im Schulbad.
Jedes Kind erhält ein reines Handtuch mit Seife. Das eigentliche
Waschen währt 5 Minuten ; man braucht zum Aus- und Anziehen, Baden,
zum Gehen nach dem Bad und zurück nicht mehr als 20 Minuten für
eine Abteilung. Das Schulbad zu Amsterdam gibt erfreuliche Resultate.
Das Wegschicken der Kinder aus der Schule wegen Unreinlichkeit gehört
zu den grofsen Ausnahmen. Die Hautkrankheiten verschwinden aus der
Reihe der Schulkrankheiten. Eine indirekte Folge der Benutzung des
Schulbades ist die, dafe die Mütter besser als früher für die Leibwäsche
der Kinder sorgen. Die Eltern werden also nicht sorglos und ihre Gefühle
werden in keiner Weise verletzt. Sechs Tage hindurch mufs die Mutter
für Sauberkeit ihrer Kinder sorgen, am siebenten übernimmt die Schule
diese Aufgabe. Das Baden ist auch eine vortreffliche Gesundheitsmalsregel.
Besser ist es, den Krankheiten vorzubeugen, als sie zu heilen.
Dr. med. J. M. C. MoUTON-Haag.
Alkoholgebranch bei Kindern. Soeben ist im Druck erschienen
ein Bericht der Abteilung s'Gravenhage des niederländischen Lehrer-
Propaganda- Club für Bekämpfung des Alkoholgebrauchs*'. Derselbe enthält
das Urteil von mehr als 100 Ärzten aus s'Gravenhage über Alkohol-
gebrauch bei Kindern. Von einer Anzahl Ärzte wird der Alkohol auch
als heilendes und stärkendes Mittel verurteilt, während andere dem Alkohol
keine stärkende Wirkung beimessen, aber doch die Bedeutung des Alkohols
als Arzneimittel nicht verneinen.
673
Mehr oder weniger bestimmt erklären die Ärzte Wein, Bier, Kognak,
Genever, Eiergetränk nsw. als in ihrer Wirknng gleichbedeutend. Nach
ihrem urteil ist kein einziges alkoholhaltendes Getränk „unschuldig^.
Mit wenigen Ausnahmen halten alle Ärzte den regelmäßigen Älkoholgenufs
für sehr schädlich. Nur yereinzelt erlauben sie nicht zu kleinen Kindern
ab und zu, ein einzelnes Glas helles Bier oder Wein; aber starke Ge-
tränke und Liköre sind allgemein untersagt. Die meisten Ärzte wollen
jedoch den Alkohol als Arznei noch nicht entbehren, lassen ihn aber aller-
dings nur bei bestimmten Krankheiten, nach Verordnung und unter Auf-
sicht eines Arztes zu — also in ganz ausnahmsweisen Fällen, wenn der
praktizierende Arzt es als notwendig betrachtet. Doch gibt es schon viele
Ärzte, welche den Alkohol auch als Arznei abgeschafft haben wollen.
Sicher ist es, da& die Psychiater und die Nervenärzte den Alkohol am
meisten verurteilen. Diese Sachverständigen haben natürlich noch viel
genauer als alle anderen untersucht, welche Faktoren auf das Nervensystem
und auf das moralische Leben vernichtend wirken. Unter diesen steht
der Alkohol in erster Linie. Dies mflssen auch alle Eltem in unserer
Nerven zerstörenden Zeit wohl gut im Auge behalten, wenn sie die Kinder
alkoholhaltige Getränke genieisen lassen.
Dr. med. J. M. C. MoüTON-Haag.
Sajesjefc^tc^tlic^es.
Der VL dentsehe Kongrefs flr Volks- und Jngendspiele wurde
in Frankfurt a. M. vom 15. bis 18. September 1905 abgehalten. Es
standen folgende Vorträge auf der Tagesordnung:
1. „Über die Beziehungen zwischen Schule und Heer," Vom General-
arzt a. D. Dr. M£I8NBR-Berlin.
2. „Über die Erziehung zur Selbständigkeit." Von Professor Dr. KocH-
Braunschweig und Studiendirektor Professor RAYDT-Leipzig.
3. „Über die frühere und jetzige Schwimmethode in FrankJfurt.*' Vom
Tuminspektor W. WsiDENBUSCH-Frankfiirt a. M.
4. „Die körperlichen Anlagen, ihre Entwicklung und Ausbildung. " Von
Professor Dr. Finkler, Direktor des hygienischen Instituts, Bonn.
5. „Über den allgemeinen obligatorischen Spielnachmittag. "^ Von dem
Vorsitzenden des Zentralausschusses v. SCHENCKBNDOBFP-Görlitz.
Aufserdem wurden den Teilnehmern an der Versammlung vorgefahrt:
Spiele der Schaler und Schülerinnen der städtischen Schulen, Schlagball-
Wettspiele der höheren, Mittel- und Volksschulen, Fußballspiele und Fufs-
ballwettspiele der höheren Schulen, SchOlerschwimmen im Main, Spiele der
Frankfurter Turnvereine, Fufsballwettspiele der Spielvereine, Vorführungen
des Verbandes für Tumsport und Vorführungen im städtischen Schwimmbad.
Geschäftsführer war Professor RAYDT-Leipzig.
674
Die Hygiene und Prophylaxe der Tnberkvlose in Kindesilter
stand anf der Tagesordnimg des internationalen Taberkalese-
koDgresses, der am 2. bis 7. Oktober d. J. in Paris statt&nd. Das
Programm dieser Abteilung war, wie wir dem ^Österr. Samiätswesm''
(Nr. 28) entnehmen, folgendes:
Berichte. 1. Yorbengangsmaferegeln in der Familie. Berichterstatter,
Frankreich: Dr. Masfan (Paris); Deutschland: Prof. Heübnbb (Berlin).
2. Vorbengnngsmalsregeln in der Schule. Berichterstatter: Frankreicfa:
Dr. Meby (Paris); Österreich: Prof. Dr. Ganohofbb (Prag).
3. Sanatorien an der See. Berichterstatter, Frankreich: Dr. Abmaim-
GAüB (Bordeaux); Schweiz: Prof. d'£spik£ (Genf).
4. Versicherung der Schulkinder; ihre Bedeutung im Kampfe gegei
Tuberkulose. Berichterstatter, Frankreich: Ckvi und Sayoibb (Paris).
Vom Komitee zur Beratung vorgeschlagene Fragen:
Eingangswege der Tuberkulose beim Kinde.
Tuberkuloseflbertragung durch Nahrungsmittel.
Tuberkuloseflbertragung durch Einatmung.
Tuberkuloseflbertragung vom Munde, von den Mandeln und voa
Rachen aus.
Häufigkeit der verschiedenen Arten der Übertragung.
Infektion kleiner Kinder durch bazillenhaltige Milch.
Hohe Letalität an Tuberkulose in den Familien.
Tuberkulose in den Waisenh&usem.
Tuberkulose in den Gewerbeschulen.
Schulunterricht Aber Tuberkulosevorkehrungen.
Bedeutung der „Gouttes de lait* und der Überwachung der Säuglinge
im Kampfe gegen die Tuberkulose.
Erkrankung der tracheo- bronchialen Lymphdrflsen, Feststellung der-
selben durch radiographische Untersuchung.
ülcerOse Lungentuberkulose der Säuglinge.
Tuberkulöse Enteritis der Säuglinge.
Tuberkulöse Kachexie der Säuglinge. Diagnose derselben.
Aufdeckung latenter tuberkulöser Herde durch Eingriffe an einem
bereits bestehenden Herde.
Behandlung der tuberkulösen Peritonitis am Meere.
Frühzeitige Feststellung der Lungentuberkulose bei Kindern durch
Auskultation.
Tuberkulöse Bazillämie beim Kinde.
Tuberkulöser Rheumatismus beim Kinde.
Tuberkulöse Verwachsung des Herzbeutels bei Kindern.
Gehimtuberkulose.
Mit der Frage der Reiniiping der SehiilrftaBe befabte sich un-
längst der Gesundheitsausschufs fflr die Stadt Braunschweig. Wie wir
dem „Braunsckweiger Angeiger^ entnehmen, beschloß derselbe, das hier-
flber seitens des Stadtmagistrats gewünschte Gutachten in der Richtnng za
erstatten, dafs die regehnä&igen und die aniserordentlichen Reinignagen
häufiger als bisher ausgeführt und durch Beauftragte der städtischen Baa-
verwaltung in geeigneter Weise überwacht werden mögen. Da mit der
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YerwenduDg staabbindenden Öls auf den HolzfofisbOden gnte Erfahnmgen
gemacht sind, wurde empfohlen, Bich dieses Mittels anch fernerhin zn be-
dienen nnd die schon erwähnte Beanfsichtigang daranf auszudehnen, dafo
die Öhing weder flbertrieben stark noch zn schwach erfolgt, dafs ins-
besondere die am meisten betretenen Stellen in den Schnlrftnmen öfters
nachgeölt werden. Im wesentlichen stimmten die gefafsten Beschlüsse mit
denjenigen Yorschlägen flberein, welche der Brannschweiger Verein für
öffentliche Gesundheitspflege dem Stadtmagistrat in einer ursprünglich Tiel
weitergehenden, inzwischen aber nach nochmaliger Prüfung erheblich ein-
geschränkten Form gemacht hat. Der Ausschufs sprach sich im Anschlufs
hieran für die Ersetzung der Kokosspmngmatratzen in den Turnhallen durch
Ledermatratzen aus und hielt es für zweckmäfsig, dem Beispiele des Braun-
schweiger Männertumyereins folgend, in den städtischen Turnhallen einen
Versach mit einer aus Sägespänen bestehenden Fufebodenbedeckung zu
machen, der em Zusatz von Salz mit Chlormagnesium zur Festhaltung der
Feuchtigkeit beigegeben wird.
Waldschulen in Berlin. Wie der y^Berl LoTc-Ane,"^ berichtet,
wurde vor kurzem in einer Sitzung der Stadtyerordnetenyersammlung in
Berlin yom Stadtverordneten Heimann der Antrag gestellt, der Magistrat
möge nach dem von Charlottenburg gegebenen Beispiel Waldschulen
errichten, für deren Zweckmäßigkeit der Redner nicht genug Worte der
Anerkennung zu finden vermochte.
Der Schnlbeginn fflr die ersten Klassen der Yolksschnle in
München ist, wie die ytAUg, Ztg.^ mitteilt, von der Lokalschulkommission
anch für das kommende Wintersemester bezw. Teile desselben auf 9 Uhr
vormittags festgesetzt worden, nachdem einschlägige Versuche, die im
letzten Winter an einigen Schulen gemacht worden sind, sehr günstige Er-
fahrungen ergeben haben. Rinder, deren Eltern früh an die Arbeit gehen
und ihre Kinder deshalb mehrere Stunden lang sich selbst überlassen
müfsten, werden über die Wartezeit hinüber wieder in entsprechenden
Räumen untergebracht und beschäftigt werden.
Vermehmng der Turnstunden nnd EinfShmng von Spiel-
naekmittagen scheint in Nassau bevorzustehen. Wie der j^Rhein. Courier*^
mitteilt, hat die königl. Regierung zu Wiesbaden bei den Schulaufsichts-
beamten Erkundigungen darüber einziehen lassen, ob es wünschenswert und
geboten sei, zur Kräftigung der männlichen und weiblichen Jugend die
Anzahl der Turnstunden zu vermehren, namentlich ob neben den Turn-
stunden noch Spielnachmittage anzusetzen seien. Eventuell soll auch betont
werden, ob im bejahenden Falle andere Stunden in Wegfall kommen sollen
oder nicht. Auch Mädchenschwimmen soll eingeführt werden, eventuell
smd Turnlehrer bezw. Tumlehrerinnen im Schwimmen nachzuprüfen.
Die Ferienhalbkolonien scheinen sich in Berlin gut eingebürgert
zu haben. Wie wir dem „Berl Lokal-Ane.^ entnehmen, befördert jeden
Mittag um 1 Uhr ein grofser Dampfer 452 Kinder von der Jannowitz-
brücke nach Treptow, wo gegen IV« Uhr am Kaiserbad gelandet wird.
Nach dem Genuis von Milch und Wei&brot geht es zum Baden. Die
Kolonien treffen dann gegen 4^/t Uhr auf dem grofsen Spielplatz im
Flänterwald zusammen. AUe Wege, welche die Kolonien passieren, werden
676
auf Anordnung der städtischen Parkdepntation vorher besprengt. EIniroh-
liebes Singen und Spielen beginnt. Jede Kolonie, kenntlich dnrch einen
farbigen Stern aof dem linken Arm, onterstebt der besonderen Aufsicht
eines Lehrers oder einer Lehrerin. Hier spielen gröüsere Knaben Barlauf,
Kettenreifsen, andere Tauziehen, Topfschlagen; die Mädchen flben Reigen,
spielen Blindekuh oder Kreisspiele; die schwächlichen und matten Kinder
lagern unter den grofsen Eichbäumen. Da werden Geschichten erzählt,
Rätsel aufgegeben und Lieder gesungen. Gegen 67* Uhr kehren die
Kinder in die Yerpflegungslokale zurück. Milch, belegte Butterbrote, warme
Würstchen, Eier warten hier der hungrigen Schar. Um 8 Uhr befördern
Extrazttge der Siemens & Halskeschen sowie der Grofsen Strafsenbahn die
Kinder nach Berlin zurück.
Eine Statistik fiber die VerhUtnigse der Schäler, an weldiw
die letzteren selbst teilnehmen sollen, wird nach einer Mitteilung der Tages-
blätter am L Oktober a. c. von der Munizipalität in Nizza aufgenommen
werden. Zu diesem Behufe sollen am genannten Tage an 6000 Kinder
Tabellen verteilt werden, in die sie Eintragungen über ihr Alter, über
Eintritt in die Schule, über Krankheiten und Dauer derselben, über Eltern,
Wohnung, Impfung, Gewicht und Leibesübungen machen müssen. Diese
Statistik der Kinder kann natürlich jeden Augenblick von den Lehrern aof
ihre Richtigkeit hin geprüft werden. Eine zweite Kontrolle übt der Schul-
arzt, der ein nur ihm zugängliches Journal führt, in dem die Hauptsache
genaue Eintragungen bilden über das Resultat der eingeh^dsten Körper-
untersuchungen der Schüler, die zweimal in jedem Jahre stattfinden. Endlidi
müssen auch Lehrer und Lehrerimnen an der Statistik mitarbeiten. Sie
haben Fragen zu beantworten über Luft, Licht und die Gröfse der Klassen-
zimmer sowie über die Anzahl der Schüler in den einzelnen KJassen.
Die Nebenklassen f&r sehwaehbefilhigte Kinder, die an den
Berliner Gemeindesdinlen bestehen, sind nach einer Mitteilung des „Berl.
Lok.'Anjs.^ in diesem Sommerhalbjahr auf 122 Klassen vermehrt worden
und werden von 1848 Kindern besucht. Darunter sind 1074 Knaben und
nur 774 Mädchen, während an der Gesamtzahl der Gemeindeschulkinder die
Mädchen stärker als die Knaben beteiligt sind, jene mit .112805 und diese
nur mit 110 482. Von je 10000 Gemeindeschülem sitzen 97 in einer
Nebenklasse, dagegen von je 10 000 Gemeindeschülerinnen nur 69. Dieser
Unterschied läfst sich nicht nur aus dem einen Halbjahr feststellen. Er
ist ähnlich auch in aUen früheren Halbjahren, solange es Nebenklassen an
den Berliner Gemeindeschulen gibt, zu bemerken gewesen. Der Unter-
schied ist auffällig genug, um den Wunsch nach Erklärung rege zu machen«
Geht er nur auf äufserliche Ursachen zurück, etwa nur auf eine gewisse
Neigung, schlecht vorwärtskommende Mädchen nicht so bald einer Neben-
klasse zu überweisen wie schlecht vorwärtskommende Knaben? Beachtung
verdient übrigens, dafs auch die Idiotenanstalt Dalidorf viel mehr Knaben
als Mädchen in Pflege hat. Z. B. am 1. April d. J. waren dort und in
der dazu gehörigen Familienpflege 189 Knaben, aber nur 72 Mädchen
untergebracht.
Nachhilfeiinterrleht fUr Teilnehmer an Yorkolonien. Durch die
Einrichtung der sogenannten „Yorkolonien*' hat eine gröCsere Zahl von
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Gbarlottenburger Gemeindeschnlkindeni durch Aufenthalt in einer Ferien-
kolonie im Monat Jnni den Scholnnterricht versänmt. Um nach Möglich-
keit zn verhindern, dals die Kinder dadurch in der Schule znrttckbleiben
und am Schlüsse des Schuljahres nicht versetzt werden, wird, wie der
„Berl. Lok.' Asm y^ mitteilt, auf Beschluis der Schuldeputation als £rsatz
filr den versäumten Unterricht in den die^&hrigen Sommerferien drei
Wochen hindurch unentgeltlicher Nachhilfeunterricht in Deutsch und Rechnen
eingerichtet werden, und zwar für Kinder aus den zweiten, dritten, vierten
und fOnften Gemeindeschulklassen.
Eine nene Reformselmle, vielleicht besser „Naturschule*' genannt,
soll im Laufe des Herbstes in einem der westlichen Berliner Vororte
errichtet werden. Wie wir den Tagesblättem entnehmen, will sie nach
den Ideen Bbbthold Ottos in Lichterfelde und Arthur Schulz' in
Friedrichshagen mit der Art des bisherigen Unterrichts brechen. An Stelle
des Lehrplanes soll die Gelegenheit treten. Aus der Lemschule soll eine
Arbeitsschule gemacht werden. An Stelle des zwangsweisen Auswendig-
lernens wollen die Begrtlnder ein organisches Verstehen setzen. An der
Hand praktischer Aufgaben, die das Spiel ergeben, sollen die Kenntnisse
und die Bedttrfriisse nach theoretischen Hilfsmitteln erweitert werden. Die
neue Schule will die natflrliche Lembegier des Kindes benutzen. Selbst-
verstftndlich wird den Zöglingen der Schule ein unbedingtes Fragerecht
eingeräumt. Erst kommt die Praxis, dann die Theorie. Zuerst wird
Formlehre, Messen und Rechnen, Zeichnen und Farbensinn ausgebildet.
Der ganze Unterrichtsstoff von Jahren soll allmählich zu einem lebendigen
Besitztum entwickelt werden. Das Übermals von Eindrücken, welche das
kindliche Gehirn nicht aufzunehmen und zu verarbeiten vermag, soll be-
schrankt werden. An Stelle der gleichförmigen Dressur soll die Erziehung
treten. In abendlichen Zusammenkünften mit den Eltern wollen ferner die
Lehrer ihre Gedanken über die Kinder im einzelnen und über die Aufgabe
der Erziehung im allgemeinen besprechen, um so mehr Fühlung zwischen
Schule und Haus zu erreichen.
Spielnachmittage werden wfthrend der Ferien auch in Rummels-
burg abgehalten. Sie dienen dazu, den Eltern die Sorgen um ihre Kinder
während der freien Tage teilweise abzunehmen und sie mit nützlichen
Bewegungsspielen zu unterhalten.
Die Sommerprüfangen an den hSlieren Schulen. Diese Frage
hat, nach einer Mitteilung des y^Schwab. Merkur^, der Stuttgarter
Verein für Schulgesundheitspflege, nebst der Frage des Schulanfanges
zur Behandlung für den nächsten Winter in Aussicht genommen und auch
bereits ein Mitglied des Ausschusses mit der Berichterstattung beauftragt.
Milchknr (&r die dfirftigen Volksschfiler in Solingen. Die
„Köln. Ztg^ teilt mit, dafs die Stadt Solingen beabsichtige, den Kindern
der Volksschule während der Herbstferien eine erfreuliche soziale und
gesundheitliche Fürsorge zuzuwenden. Augenblicklich sind bei den Rektoren
und HaupÜehrem der Volksschulen Nachfragen im Umlauf, ob und wieviel
Kinder an einer von der Stadt zu veranstaltenden Milchkur teilnehmen
wollen. Der städtische Etat weist die hierzu erforderlichen Mittel auf.
Die Kinder müssen sich dann während der Milchkur nachmittags an ihren
678
Schulen ▼eraammeln, wo die Lehrerfraaen in erfirenlicher Bereitwilligkeit
die Verteilung der Milchportionen nnd der dazu gehörigen BrOtchen be-
sorgen.
Behufs Untersuchung und Pflege der ZUne der Schnlkinder
wurden Tom Oemeinderat in Meiningen bis auf weiteres jährlich 150 Mark
aus Gemeindemitteln zur Verfügung gestellt.
Ferienkolonie in Meerane. Wie die „Chem, ÄUg. Ztg." berichtet^
bewilligte das Meeraner Ratskollegium dem Verein „Meeraner Fechtschule*'
fflr seine diesjährige Ferienkolonie 600 Mark. Die „Fechtschule'' hat in
diesem Jahre während der grofsen Ferien 214 arme, schwächliche Schul-
kinder den ganzen Tag Aber verpflegt.
Sehnkahnkliniken in Mfilhansen. Der ,,Ebä$8er'' teilt mit, dafe
unlängst der Gemeinderat der Stadt Mal hausen die Errichtung von
Schulzahnkliniken beschlossen habe.
Eine Milchkolonie für dttrfüge Kinder wurde, wie wir der
ytChemn, ÄUg. Zig."^ entnehmen, diesen Sommer in Aue Tom Verband
der „Sächsischen Fechtschule*' errichtet. Den Kindern wurde während
der Ferien in der Langeschen Kantine in Auerhammer yier Wochen hin-
durch täglich zweimal, frOh und abends, je ein halbes Liter abgekochte
Vollmilch verabreicht.
Erhebungen ttber den Alkoholgennfs der Schulkinder sind vor
kurzem auf eine Verfügung der Regierung zu Königsberg i. Pr. hm in
allen Schulen der Stadt- und Landgemeinden im Bezirke angestellt worden.
Infolge der eingegangenen Berichte hat die Regierung nun die Schul-
aufsichtsbeamten und Lehrer veranlafst, der Alkoholfrage ihre Aufmerksamkeit
zuzuwenden und besonders dem Branntweingenuls unter den Schulkindein
zu steuern. Gleichzeitig ist angeordnet worden, dafs der Hüteschein flberall
da zu entziehen ist, wo festgestellt ist, dab die Arbeitgeber den Hflte-
kindem Schnaps verabreichen. In Fällen gewohnheitsmäGsiger Verabfolgung
von Schnaps oder Bier seitens der £ltem an Schulkinder soll der Antrag
auf Fürsorgeerziehung gestellt werden.
Fflr die EinfDhmng von Spielstnnden an den Volkssehnleii
wurden nach der y^Barmer Ztg,*^ in Barmen die Mittel bewilligt.
679
^müxift ^txfn^nn^tn.
Die Grtfse der Fenster in den Klassenräumen bei Sclinlnenbanten.
Erlafs vom 17. Mai 1905.
Bei den Verhandlungen des Herrenhauses ist neuerdings wiederum
darüber Klage geführt worden, dals bei Schulneubauten die Fenster in den
Klassenr&umen vielfach zu grofs angelegt würden und infolgedessen die
gehörige Heizung der Schulzimmer erschwert oder gar unmöglich gemacht
werde.
Ich nehme deshalb Veranlassung, die Vorschriften des Runderlasses
vom 20. Dezember 1902 — ü HI E. 9136 — (Zentralbl f. d. ges.
Unterrichtsverw., 1903, S. 224 ff., und YOK Bbbmbk, Die Preufsische
Volkssckule, Berlin 1905, S. 494) insbesondere im Absatz 4 in Erinnerung
zu bringen und deren genaue Beachtung den Königlichen Regierungen zur
Pflicht zu machen.
Berlin, den 17. Mai 1905.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal -Angelegenheiten.
Im Auftrage, von Bbbmbk.
An die Königlichen Regierungen.
U ffl. E. Nr. 6248.
(j,Iißni8t.'BL f. MediMindlr und mediz. Vnterrichts-AngdegenheiUn^ y
Nr. 12, 1905.)
Hintanhaltnng der Verbreitung ansteckender Krankheiten
dnrch die Schulen.
Verordnung des k. k. Statthalters in Steiermark
vom 11, April 1905. L.-G.-Bl. Nr. 62.
Im Einvernehmen mit dem k. k. Landesschulrate und dem steier-
m&rkischen Landesausschusse v^ird zum Zwecke der Hintanhaltung der Ver-
breitung ansteckender Krankheiten durch die Schulen folgendes angeordnet:
§ 1. Die Lehrpersonen sind verpflichtet, den Gesundheitszustand der
ihrer Leitung anvertrauten SchnJiJugend insbesondere bezüglich des Auf-
tretens ansteckender Krankheiten stets auf das sorgfältigste zu überwachen.
Für die Durchführung der nachstehenden Vorschriften sind in der
Schule der Leiter, welcher im Bedarfsfalle die Mitwirkung der Gemeinde-
und Distriktsärzte sowie der staatlichen Sanitätsorgane in Anspruch zu
nehmen hat, außerhalb der Schule die £ltem und Aufsichtspersonen der
Schüler und das Lehrpersonal verantwortlich.
§ 2. Jede Lehrperson ist gegen Anzeige an die Schulleitung be-
rechtigt, kranke oder einer Erkrankung verdächtige Schüler sofort aus dem
Seholgesniidheitopflege. XVIII. 3^
680
Sdmlzimmer za entfernen, wenn dies im Interesse des SehQlers selbst oder
wegen der Gefahr einer Krankheitsflbertragong gerechtfertigt erscheint.
Jeder SchQler, der an einer ansteckenden Krankheit leidet, worunter
am hftnfigsten Blattenii Diphtherie (Cronp), Kenchhnsten, Masern, Mnmps,
Röteln, Rohr, Schafblattern, Scharlach und Typhus in Betracht kommen,
ist Tom Schnlbesnche fernzuhalten.
Die Eltern und yerantwortlichen Pflegepersonen der Schüler sind Ter-
pflichtet, jeden in ihrem Haushalte york<nnmenden Fall der oben genannten
ansteckenden Krankheiten unbeschadet der Anzeige an die Gemeinde-
Yorstehung und der bestehenden ärztlichen Anzeigepflicht unverzüglich der
Schulleitung mitzuteilen.
Die Schulleitungen und Gemeindevorstehungen haben sich gegenseitig
von den zu ihrer Kenntnis gelangenden Fällen ansteckender KrankheiteB
bei Schulkindern oder deren Wohnungsgenossen jeweils unTerzttglich in
Kenntnis zu setzen.
Die Schulleitungen haben diese ErkrankungsfiÜie und die infolge-
dessen yerfitgten Schulbesuchsbeschränkungen in Evidenz zu führen.
§ 3. a) Gesunde Schüler sind vom Schulbesuche unbedingt fern-
zuhalten, wenn in den Familien oder Haushaltungen, denen sie angehören,
ein Fall von Blattern oder Scharlach vorkommt
b) Bei Diphtherie, Röteln, Ruhr und Typhus ist der Schulbesach
gesunder Wohnungsgenossen zulässig, wenn der Amtsarzt zustimmt^ bei
Keuchhusten und Masern, wenn die gesunden Wohnungsgenossen über zwölf
Jahre alt sind oder den Nachweis erbringen, daft sie die Krankheit bereits
überstanden haben.
c) Dagegen bedingen ansteckende Augenentzündung, Influenza, Mumps
und Schafblattern keine Schulbesuchsbeschränkung gesunder Wohnungs-
genossen.
§ 4. Der Wiedereintritt der nach den §§ 2 und 3 vom Schulbesuche
ausgeschlossenen Schüler kann bei ärztlich nicht vollkonunen überwachte
Fällen erst erfolgen, wenn an dem Erkrankten keine Krankheitserschei-
nungen mehr wahrzunehmen und mindestens seit dem Tage der Erkrankung
bei Blattern, Keuchhusten und Ruhr acht Wochen, bei Scharlach sechs
Wochen, bei Diphtherie und Typhus fünf Wochen, bei Masern, Mnmps,
Röteln und Schafblattern drei Wochen verflossen sind.
Bei ärztlich vollkommen überwachten Fällen können diese Fristen bei
Blattern und Ruhr auf sechs Wochen, bei Keuchhusten auf fünf Wochen,
bei Scharlach und Typhus auf vier Wochen, bei Diphtherie auf drei Wochen,
bei Masern und Schafblattern auf zwei Wochen, bei Mumps und Röteln
auf acht Tage herabgesetzt werden, wenn die Beseitigung der Ansteckungs-
gefahr durch ein . ärztliches Zeugnis bestätigt wird, in welchem auch die
Durchführung der Desinfektion und die Vornahme von Reinigungsbädem
zu bescheinigen ist.
In zweifelhaften Fällen hat die Schulleitung die Beibringung eines
vom zuständigen Amtsarzte ausgestellten oder bestätigten Zeugnisses über
die Zulässigkeit des Schulbesuches zu verlangen.
Wenn der Erkrankte oder die gesunden Wohnungsgenossen ans dem
infizierten Haushalte entfernt wurden, kann den nach § 3 ausgeschlossenen
681
Scfafllern der Schnlbesach vom Amtsarzte vor Ablauf der oben festgesetzten
Kontnmazfiist gestattet werden.
§ 5. Ans Pensionaten and anderen Anstalten, in welchem Zöglinge
beherbergt werden, dürfen diese während der Dauer oder unmittelbar nach
dem Erlöschen einer im Hause aufgetretenen ansteckenden Krankheit nur
dann in die Heimat entlassen werden, wnnn dies nach dem Gutachten des
zuständigen Amtsarztes ohne Gefahr einer Krankheitsflbertragung geschehen
kann und aUe vom Amtsärzte angeordneten Yorsichtsmafisregeln beobachtet
werden.
§ 6. Den Schtklem ist das Betreten von Wohnungen, wo ansteckende
Krankheiten herrschen, die nach § 3 Schulbesuchsbeschränkungen zur Folge
haben, und der Verkehr mit solchen Kranken sowie die Beteiligung an
Leichenbegängnissen von Personen, die an solchen Krankheiten gestorben
sind, verboten.
§ 7. Die Bestimmungen der §§ 2 bis 6 gelten in sinngemäüser
Weise auch fftr alle Lehrer und Bediensteten der Schule.
§ 8. Wenn eine im Schulhause wohnende Person an einer an-
steckenden Krankheit erkrankt, hat der Schulleiter sofort fOr ihre Ent-
fernung ans dem Schulhause, oder falls dies nicht möglich ist, für ihre
vollkommene Isolierung sowie fQr die Durchführung aller Anordnungen
der Sanitätsbehörde vorzusorgen.
Ist bei gefährlichen oder besonders ansteckenden Infektionskrankheiten,
wozu unter anderen Diphtherie, Masern, Ruhr, Scharlach und Typhus zu
zählen sind, weder die Entfernung, noch die verläfslich vollkommene Ab-
sonderung des Erkrankten ausfahrbar und überhaupt ein sicherer Schutz
der Schulbesucher nicht zu erreichen, dann ist der Schulleiter verpflichtet,
sofort die vorläufige Schliefsung der Schule anzuordnen.
Bei Vorkommen eines BlattemfaUes im Schulhause ist die Schule
unter allen umständen zu schlieisen.
§ 9. Die in den §§ 7 und 8 erwähnten YorfUle und die vom
Schulleiter hierfiber getrofifenen Verfügungen sind unter gleichzeitiger Be-
nachrichtigung des Ortsschulrates unverzflglich der vorgesetzten Schul-
aufsichtsbehörde (Bezirksschnlbehörde oder Landesschulrat) anzuzeigen,
welche nach Anhörung des zuständigen Amtsarztes die Verfügungen des
Schulleiters zu bestätigen oder abzuändern und deren Durchführung ent-
sprechend zu überwachen hat.
§ 10. Die Schliefsung einzelner Klassen oder einer ganzen Schule
erfolgt:
a) durch die kompetente Schulaufsichtsbehörde aus pädagogischen
Gründen über Antrag der SchuUeitung, wenn eine grobe Zahl von Schülern
erkrankt ist;
b) durch die Sanitätsbehörde aus sanitätspolizeilichen Gründen über
Antrag oder nach Anhörung des Amtsarztes, wenn hierdurch eine Be-
schränkung der Ausbreitung einer gefährlichen Infektionskrankheit erwartet
werden kann.
Bei Gefahr am Verzuge kann der zuständige Amtsarzt die sofortige
Schliefsung einzelner Klassen oder der ganzen Schule gegen nachträgliche
Genehmigung seiner vorgesetzten Behörde verfügen.
86*
682
Der ScholleitaDg ist es mit Ausnahme der im § S angeführten F&Ue
nur ganz ausnahmsweise gestattet, die Schule aus sanit&tspolizeilichen Rück-
sichten zu schlielsen, wenn die rasche Intervention des zust&ndigen Amts-
arztes nicht möglich und die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Schul-
schlusses durch ein anderweitiges motiviertes ärztliches Gutachten dar-
getan ist.
Während eine Schulklasse oder Schule geschlossen ist, dürfen die von
dieser Mafsregel getroffenen Schüler auch an anderen gemeinsamen Unter-
richtskursen, Zusammenkünften und religiösen Ühungen nicht teilnehmen.
§ 11. Eine wegen ansteckender Krankheit geschlossene Klasse oder
Schule darf erst nach gründlicher, den jeweiligen Vorschriften entsprechender
Reinigung und allfWiger Desinfektion wieder eröffnet werden.
Der zuständige Amtsarzt hat die Art der Reinigung und Desinfektion
nach den Umständen des Einzelfalls anzuordnen und zu beaufsichtigen,
wenn hierfür nach seinem Ermessen eine begründete Notwendigkeit vorliegt.
§ 12. Sobald dem Schulleiter das Vorkommen ansteckender Krank-
heiten unter den Schülern oder der sonstigen Bevölkerung zur Kenntnis
kommt, hat dieser mit erhöhter Sorgfalt darüber zu wachen, da& die je-
weiligen Vorschriften der Schulhygiene zur Durchführung gelangen.
Am wichtigsten ist hierbei die Beobachtung sorgfältigster Reinlichkeit
hinsichtlich der Schule selbst und ihrer gesamten Einrichtung sowie die
Anhaltung der Schüler zur Reinlichkeit.
Die Schulzimmer und Gänge sollen täglich gründlich gelüftet und
gereinigt werden, wobei Staubentwicklung sorgfältig zu vermeiden ist. Das
Reinigen geschieht zweckmäfsig durch feuchtes Wischen.
Die Aborte sind gleichfaUs täglich zu reinigen und, wenn erforderlich»
nach ärztlicher Anordnung zu desinfizieren.
Beim Auftreten von Krankheiten der Verdauungsorgane, wie Typhus»
Ruhr u. a. ist in den Aborten oder deren unmittelbaren Nähe eine Wasch-
gelegenheit mit Seife und täglich gewechseltem Handtuch bereitzustellen
und sind die Schüler zu deren Benützung zu verpflichten. Während der
Unterrichtspausen ist den Schülern Bewegung im Freien zu gestatten, und
sind unterdessen die Unterrichtsräume zu lüften.
§ 13. Die Erteilung von Privatunterricht an Schüler, die an einer
ansteckenden Krankheit leiden, ist Schülern und Lehrpersonen so lange
untersagt, als die Kranken nach den Bestimmungen des § 4 vom Schul-
besuche auszuschlielsen sind.
An gesunde Wohnungsgenossen solcher Schüler darf Privatunterricht
nur unter jenen Bedingungen erteilt werden, unter welchen diesen nach
den Bestimmungen des § 3 der Schulbesuch gestattet ist. Ausnahmen sind
auf Grund eines amtsärztlichen Zeugnisses zulässig.
§ 14. Bei Beginn eines jeden Schuljahres und beim Auftreten einer
Epidemie sind die §§ 2, 3, 4, Ö, 6, 13 und der Schlufssatz des § 10
dieser Verordnung in jeder Schnlklasse zu verlesen und ist ein Abdruck
derselben den Eltern und Haushaltnngsvorständen der Schüler gegen
Empfangsbestätigung zu übermitteln.
Gleichzeitig ist die ganze Verordnung sämtlichen Lehrpersonen in
Erinnerung zu bringen.
683.
§ 15. Die vorstehende Verordnung gilt für alle öffentlichen, nnd
privaten Volks-, Bürger* nnd Mittelschulen, Lehrerbildungsanstalten sowie
Handelsschulen, gewerbliche und andere Lehranstalten nnd findet auch auf
Einderbewahranstalten, Eindergärten und Krippen sinngemäfse Anwendung.
§ 16. Unter dem Amtsarzte ist in der vorstehenden Verordnung der
Amtsarzt jener politischen Behörde zu verstehen, in deren Amtsbereich die
betreffende Schule gelegen ist.
Die politische Behörde kann jedoch in Gemeinden, in welchen der/
Sanitätsdienst geregelt ist und zuverlässig besorgt wird, die nach der vor-
stehenden Verordnung dem Amtsarzte zufallenden Obliegenheiten ganz oder
teilweise, von Fall zu Fall oder ständig dem Gemeinde- oder Distrikts-
arzte übertragen, welcher in diesen Fällen die normalmäfsigen Gebühren
aus dem Staatsschatze erhält (§18 alinea 4 des Gesetzes vom 23; Juni
1892, L.-G. u. V.-Bl. Nr. 35). Hiervon sind die in Betracht kommenden
Schulleitungen jeweilig in Kenntnis zu setzen.
Die Amtsärzte der politischen Behörden some die Gemeinde- und.
Distriktsärzte haben sich bei ihren auf Grund dieser Verordnung vorzB-.
nehmenden Amtshandlungen stets im Rahmen der von der k. k. Stadt-
halterei hierfür erlassenen Instruktion zu halten.
§ 17. Der politischen Behörde ist es vorbehalten, Ausnahmen von
den Bestimmungen der vorstehenden Verordnung nach Mafegabe der Ver-
bältnisse über amtsärztliches Gutachten zu verfügen.
§ 18. Übertretungen dieser Verordnung werden, insoweit hierbei
nicht andere Gesetzesbestimmungen oder Disziplinarvorschriften in Betracht
kommen, nach Maisgabe der Ministerialverordnung vom 30. September 1857,.
R.-G.-B1. Nr. 198, bestraft.
§ 19. Die vorstehende Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Kund-
machung in Wirksamkeit, und werden die Bestimmungen der Verordnung,
des k. k. Landesschulrates für Steiermark vom 5. August 1888, L.-G. u.
V.-Bl. Nr. 35 sowie des SUtthaltereierlasses vom 10. Mai 1888, Z. 7593,
mit diesem Zeitpunkte aufser Kraft gesetzt.
Instruktion für die Mitwirkung der Amtsärzte sowie der
Gemeinde- und Distriktsärzte bei der Hintanhaltung der
Verbreitung ansteckender Krankheiten durch die Schulen.
Durch die Verordnung des k. k. Statthalters in Steiermark vom
11. April 1905, L.-G. u. V.-Bl. Nr. 62, wird den Amtsärzten der poli-
tischen Behörden sowie den Gemeinde- und Distriktsärzten ein Einflufs
auf die Verfügungen zur Hintanhaltung der Verbreitung ansteckender Krank-
heiten durch die Schulen eingeräumt, welcher näherer Erläuterung bedarf.'
Der Übersicht wegen wird diese Erläuterung zunächst nach den ein-
zelnen Absätzen der Verordnung, sodann aber nach den wichtigsten Krank-
heiten vorgenommen werden.
I.
ad § 1. Die allgemeine Mitwirkung der Amtsärzte bei Überwachung
des Gesundheitszustandes der Schuljugend setzt voraus, dafs sie den von
den Schulleitungen ihres Verwaltungsbezirkes diesbezfkglich an sie gestellten
Anforderungen stets auf das rascheste und bereitmlligste entsprechen.
684
Einer Überbflrdnsg der AmtsArzte durdi aUznhflnfige Inanspradmahme
ist dadordi Yonrobengen, da& im Sinne des § 16 der Yerordnong die
Obliegenheiten des Amtsarztes in Gemeinden, wo der Sanititsdienst ge-
regelt ist und zuverlässig besorgt wird, von der politischen Behörde dem
Gemeindearzte übertragen werden.
ad § 2. Der Gemeindearzt hat, sobald die Gemeindevorstehnng auf
Grand dieser Bestimmung zor Kenntnis einer ansteckenden Erkranknng
kommt, onyerzflglich die znr Yerhütong der Weiterverbreitang erforder-
lichen Yerfügongen zu beantragen, wobei er sich an die bestehenden Ver-
ordnungen zu halten hat.
Als Erkrankungen, welche die Entfernung des Kranken aus der
Schule gerechtfertigt erscheinen lassen, sind aniser den gewöhnlichen
Infektionskrankheiten zu nennen:
Alle akuten Erkrankungen der Rachengebilde, gonorrhoische Er-
krankungen, Krätze, Herpes tonsurans, Pediculosis, Impetigo, Pemphigus,
ausgedehnte Furunkulose, eiternde Wunden, ekelerregende Hauterkrankungen.
Phlegmone, Erysipel u. a.
Yon besonderer Wichtigkeit wegen der langen Dauer des Zustandes
sind Lues und Tuberkulose.
Schaler und Lehrer mit syphilitischen Effloreszenzen sind von der
Schule fernzuhalten, tuberkulöse Schttler, wenn sie reichlichen Auswurf
haben und unrein sind, oder wenn sie an skrophulösen GeschwUren der
unbedeckten Körperstellen leiden.
Bei tuberkulösen Erkrankungen der Lehrpersonen sind jene Ver-
fügungen zu treffen, welche eine Übertragung der Erkrankung auf die
Schaler zu verhüten vermögen.
ad §§ 3 — 7. Jene Gesichtspunkte, nach welchen sich der Amtsarzt
bei Ausstellung oder Bestätigung der hier erwähnten ärztlichen Zeugnisse
sowie bei der Erstattung von Gutachten zu halten haben wird, sind bei
der Besprechung der einzelnen Krankheiten im Abschnitte II erörtert. Es
wird nur hierzu bemerkt, daCs bei Bestätigung der Kontumazdauer als Be-
ginn der Erkrankung für die akuten Exantheme der Tag des Ausbruches
des Ausschlages, für die anderen Krankheiten der Tag des Auftretens
charakteristischer Krankheitserscheinungen zu rechnen ist, in nicht genauer
eruierbaren Fällen aber der Tag des Fembleibens von der Schule.
Die Ausstellung oder Bestätigung der Zeugnisse durch den Amtsarzt
hat über Anlangen einer Schulleitung oder einer Behörde sowie im Falle
augenscheinlicher Dürftigkeit (erwiesene Armut wird nicht erfordert) un-
entgeltlich zu erfolgen.
Zeugnisse in Schnlangelegenheiten sind stempelfrei.
Beim Auftreten von Infektionskrankheiten in Pensionaten und ähn-
lichen Anstalten wird die Abreise der vorher auf ihren unbedenklichen
Gesundheitszustand untersuchten Zöglinge stets rechtzeitig dem Gemeinde-
vorstande und der politischen Behörde des Reiseziels anzuzeigen sein.
ad § 10. Aus sanitätspolizeilichen Gründen wird eine Schule häufig
zu schliefsen sein, um die allerersten Fälle einer Infektionskrankheit un-
schädlich zu machen und den Ausbruch einer Epidemie zu unterdrücken.
Die Schliefsung wird sich meist nur auf eine oder wenige Klassen,
685
in welchen die ersten FftDe yorgekommen sind nnd auf die Daoer einer
Inknbationsperiode der betreffenden Krankheit beschränken.
Wenn diese Malsregel, die einen geringen pädagogischen Verlust be-
dingt und deshalb sehr zu empfehlen ist, entsprechenden £rfolg haben soll,
mflssen sämtliche Schaler am Tage der Wiedereröffnung der Klasse oder
Schule ärztlich untersucht werden, nnd ist bei jenen, die an diesem Tage
fehlen, der Grund des Ausbleibens gemeindeamtlich iiL ihrer Wohnung zu
erheben.
Dies setzt eine yerläbliche Besorgung des Gemeindesanitätsdienstes
und tatkräftige Unterstützung durch die Gemeinde- und Distriktsärzte
voraus.
Bei besonderer Bösartigkeit der Epidemie oder bei an und fOr sich
gefährlichen Krankheiten wird die Schule aus sanitätspolizeilichen Gründen
auch dann zu schlielsen sein, wenn auf eine volle Unterdrückung des
Epidemieausbruches nicht geredmet werden kann, sondern es nur gilt, die
Ausbreitung zu beschränken.
Unter solchen Umständen wird die Schulschliefsung in der Regel auf
längere Dauer in Aussicht zu nehmen sein, bis die Epidemie eine sicht-
liche Abnahme zeigt oder gänzlich erloschen ist.
Auch in diesen Fällen wird es sich häufig empfehlen, bei der Wieder-
eröffnung der Schule durch ärztliche Untersuchung der Schüler alle jene
Personen von der Schule fernzuhalten, welche noch Ansteckungsgefahr
bedingen und auf diese Weise den wohltätigen Einfluls der Schulschliefsung
auf die Ausbreitung der Epidemie vereiteln können.
ad § 11. Die Desinfektion hat sich nur auf jene, aber auch auf
alle jene Räume des Schulgebäudes zu erstrecken, in welchen ein Yor-
handensein der betreffenden Infektionskeime vorauszusetzen ist.
Es wird daher z. B. nicht notwendig sein, die Schulzimmer zu des-
infizieren, wenn eine Schale auf Grund des § 8 geschlossen worden ist
und die erkrankte Person die Schulzimmer nicht betreten hat.
Die Art der Desinfektion hat sich nach dem jeweiligen Stande der
Wissenschaft zu richten.
Am meisten empfiehlt sich die Formoldesinfektion, welche der gründ-
lichen Reinigung vorauszugehen hat.
Bei Undurchführbarkeit dieser Desinfektionsmethode sind die des-
infizierenden Maisnahmen mit der Reinigung zu verbinden.
Yor der Reinigung der Wände und des Fufebodens sind alle Ein-
richtungsgegenstände aus dem Schulzimmer zu entfernen und im Freien
zu reinigen.
Einfach getünchte Wände können mit frisch bereiteter Kalkmilch
übertüncht werden.
Hierauf sind der Boden und sämtliche Einricbtnngsgegenstände ein-
schliefslich der Tintentiegel, auf welche häufig vergessen wird, mit Soda-
oder Schmierseifenlösung oder mit 2%iger LysoUösuDg zu scheuern, wobei
auf reichliches Eindringen der Flüssigkeit in die Fugen zu achten ist;
endlich sind die Räume durch öffnen sämtlicher Fenster und Türen durch
mindestens 24 Stunden zu lüften.
Nach Influenza, Keuchhusten, Masern, Mumps, Röteln und Schaf-
686
blättern kann die Desinfektion je nach den Umst&nden entweder eingeachrftnkt
werden oder ganz unterbleiben, jedoch hat anch in allen diesen Fällen eine
gründliche Reinigung sämtlicher Ränme zn erfolgen.
n.
Die in Europa nicht einbeimischen, sondern nur zeitweise auftretenden
Infektionskrankheiten, wie Cholera und Pest, erfordern wegen ihrer Selten-
heit und wegen des Umstandes, dafe bei ihrem Auftreten ohnedies jeweilig
die schärfsten Maßnahmen angeordnet werden, keine weitere Besprechung,
und soUen daher im folgenden nur jene Gesichtspunkte erörtert werden,
welche bei den wichtigsten einheimischen Infektionskrankheiten zu berfick-
sichtigen sein werden.
Ansteckende Augenentzündungen.
Blennorrhoe der Bindehaut bedingt AusschlieGsung des Erkrankten fftr
die ganze Dauer der Erkrankung, bei Follikularkatarrh und Trachom kann
die Ausschlielsung eventuell auf die Dauer der deutlichen Eiterabsondemng
beschränkt werden, wobei, wenn möglich, im Einvernehmen mit dem Augen-
ärzte vorzugehen ist.
Mit diesen Krankheiten behaftete Schüler sind jedoch, wenn sie vor
voller Genesung zum Unterricht zugelassen werden, abseits von den anderen
Schülern zu setzen und haben jede Berührung mit den gesunden Schülern
zu vermeiden. ,
Wenn in einer Klasse oder Schule mehrere Fälle von ansteckenden
Augenentzündnngen vorkommen, so ist es geraten, sämtliche Schtller, und
nach Bedarf deren Wohnungsgenossen, ärztlich eventuell periodisch unter-
suchen zu lassen und die einer Erkrankung YerdächUgen während des
Unterrichtes zu separieren, die deutlich Kranken jedoch vom Schulbesuche
gänzlich fernzuhalten und einer entsprechenden ärztlichen Behandlung zu-
zufahren.
Die Schliefsung einer Schule wegen ansteckender Augenentzünduog
wird sehr selten und dann nur aus pädagogischen Rücksichten erforderlich
werden, wenn eine zu groCse Zahl von Schülern vom Schulbesuche aus-
geschlossen ist.
Die Desinfektion hat sich vorwiegend auf die Reinigung der Ein-
richtungsgegenstände, Türen, besonders aber der Türklinken, Abortdeckel
und anderer Gegenstände, welche häufig mit den Händen berührt werden,
mittels desinfizierender Lösung zu erstrecken.
Es empfiehlt sich, diese Reinigung in kürzeren Intervallen auch in
nicht geschlossenen Schulklassen anzuordnen, in welchen mehrere FäUe von
ansteckender Augenentzündung vorgekommen sind.
Blattern.
Blatternkranken ist der Wiedereintritt in die Schule erst zu gestatten,
wenn sie nach Abfall sämtlicher Borken und Heilung allfälliger Geschwüre
mindestens drei desinfizierende Bäder erbalten haben und die Wohnung,
Kleider, Wäsche usw. verläfslich desinfiziert worden sind.
687
Gesunde Wohnongsgenossen Blatternkranker sind fflr die Daner der
Erkrankung anbedingt vom Schulbesuche fernzuhalten, ebenso auch jene
Hausgenossen, welche nicht kürzlich revakziniert worden sind.
Wenn der Kranke aus dem Haushalte entfernt wurde oder gestorben
ist, kann der Schulbesuch gesunden Wohnungsgenossen nach Ablauf von
14 Tagen, vom Tage der Desinfektion an gerechnet, gestattet werden.
In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn die gesunden Wohnungs-
genossen vor Ablauf der Erkrankung aus dem Hause entfernt und ander-
weitig in Pflege untergebracht werden.
Bei jeder Blattemerkrankung eines Schülers, der die Schule noch im
Prodromalstadium besucht hat, ist die betreffende Klasse für zwei Wochen
zu schliefsen und ist sofort die Notimpfung und Revakzination sämtlicher
Schüler dieser Klasse vorzunehmen. (Hofkanzlei-Dekret vom 30. Juli 1840,
Z. 17742, und Erlafs des k. k. Ministeriums des Innern vom 7. September
1885, Z. 14291.)
Bei epidemischer Ausbreitung der Blattern sind sämtliche Schulen des
Epidemiebezirkes bis zum Erloschen der Epidemie zu schliefsen.
Die Erteilung von Privatunterricht ist in Häusern, wo Blattemkranke
sind, unter allen umständen zu verbieten.
Diphtherie.
Die Kontumazdauer bei Diphtherie wird für die Kranken auf min-
destens 14 Tage nach Verschwinden der Beläge sowie eines alltfilligen
Nasenkatarrhes zu erstrecken sein, und ist die Zulassung der Wohnungs-
genossen zum Schulbesuch von der erfolgten Desinfektion des Kranken-
zimmersy der Wäsche und der Kleider des Erkrankten abhängig zu machen.
Den gesunden Wohnungsgenossen wird der Schulbesuch nur ganz aus-
nahmsweise zu gestatten sein, wenn die Isolierung des Kranken vollkommen
verläßlich ist, die gesunden Wohnungsgenossen über zwölf Jahre alt, mit
Heilserum prophylaktisch geimpft worden und seit dieser Impfung nicht
weniger als vier Tage verflossen sind.
Jüngere Wohnungsgenossen sind nur dann zum Schulbesuche zuzulassen,
wenn der Kranke oder die betreffenden gesunden Schüler aus dem infizierten
EUtushalte entfernt wurden und seit dieser Entfernung mindestens acht, bei
prophylaktischer Heilserumimpfung mindestens vier Tage verflossen sind.
Die prophylaktische Schliefsung von Schulen und insbesondere ein-
zelner Klassen wird bei Diphtherie aus sanitären Gründen sehr häufig an-
zuordnen sein.
In allen Fällen hat dies zu geschehen, wenn in einer Klasse bald
hintereinander zwei oder mehrere Erkrankungen an Diphtherie vorgekommen
sind, so dafe die Möglichkeit einer Übertragung in der Schule nahe-
gelegt wird.
Aber selbst bei einem Diphtheriefalle wird die betreffende Klasse zu
schlielisen sein, wenn der Kranke noch nach Ausbruch der ersten Krank-
heitserscheinungen in der Schule gewesen ist.
In aUen diesen Fällen kann die geschlossene Klasse sofort nach
gründlichster Desinfektion wiedereröffnet werden; es empfiehlt sich jedoch,
bei Wiederbeginn des Unterrichtes, jedenfalls aber, wenn neuerliche Er-
688
krankoDgafUle aaftreten, sämtliche SchtÜer ftntlich zu nntersochen, und
jene, bei welchen verdächtige Erscheinongen Yorgefonden werden, Tom Schnl-
besuche anszuschlielsen and der ärztlichen Behandlung zuzuführen.
Auf längere Dauer die Schule zu scblie&en, wird nur dann notwendig
sein, wenn die Epidemie durch die bisherigen Mafor^ln nicht beschränkt
werden konnte oder besondere Verhältnisse ihre Beschränkung yon yome-
herein in Frage stellen.
Während der Dauer einer Diphtherieepidemie empfiehlt es sich, die
Schulkinder daräber zu belehren, dafs das namentlich in Mädchensdralen
abliebe Kflssen, das Anniesen und Anhusten, die Benutzung der gleichen
Taschentflcher, derselben Efe- und Trinkgeräte, das Abbeüsen von dem-
selben Stfick Brot und das Essen mit ungewaschenen Händen mit An-
steckungsgefahr yerbunden ist.
Dieselben Mafsnahmen wie bei Diphtherie sind bei Kehlkopfcroup
durchzuführen.
Influenza.
An Influenza Erkrankte sind für die Dauer der ausgesprochenen Er-
krankung vom Schulbesuche fernzuhalten, gesunde Wohnungsgenossen sind
im Schulbesuche nicht zu beschränken.
Die Schlielsung einer Schule wird wegen epidemischer Influenza meist
nur aus pädagogischen Rflcksichten notwendig werden, und kann in diesem
FaUe* von einer Desinfektion der Schulräume, welche nur grOndlich zu
reinigen und zu Iflften sind, abgesehen werden.
Keuchhusten.
Keuchhustenkranke Schüler sind noch 14 Tage nach Aufhören des
Krampfhustens, im ganzen aber mindestens fünf Wochen, vom Schulbesuche
fernzuhalten.
Da eine Isolierung bei Keuchhusten in der Regel nicht zu erreichen
ist, sind die gesunden Wohnungsgenossen anzuweisen, den Verkehr mit den
Kranken möglichst zu vermeiden.
Die Zulassung gesander Wohnungsgenossen zum Schulbesuche kann
gestattet werden, wenn diese den Keuchhusten nachweisbar überstanden
haben oder über zwölf Jahre alt sind.
Der Nachweis der überstandenen Erkrankung ist nur durch ein Zeugnis
des seinerzeit behandelnden Arztes oder durch Feststellung auf Grund amt-
licher Vormerkungen als erbracht anzusehen. Um diesen Nachweis er-
bringen zu können, ist den Eltern keuchhustenkranker Kinder zu empfehlen,
sich ein bezügliches Zeugnis vom behandelnden Arzte gleich nach der
Heilung des Keuchhustens ihrer Kinder ausstellen zu lassen.
Bei gesicherter ärztlicher Überwachung kann gesunden Wohnungs-
genossen unter zwölf Jahren auch dann, wenn sie den Keuchhusten nicht
überstanden haben, der Schulbesuch ausnahmsweise gestattet werden, in-
solange sie nicht husten.
Es ist jedoch zu verlangen, dafs diese in der Schule abseits von den
anderen Schülern gesetzt und auch am Hin- und Rückwege von jenen
möglichst femgehalten werden.
689
Dasselbe ist hinsichtlich jener SchtQer zu verfftgen, denen 14 Tage
nach Aufhören des Knunpfhüstens der Schnlbesnch wieder gestattet wird,
wenn nnd solange sie überhaupt hasten.
Die Erteilung von Privatunterricht an Schfller, welche an Keuchhusten
erkrankt sind, kann gestattet werden.
W&hrend einer Eeuchhustenepidemie empfiehlt es sich, SchOler, welche
auffollend husten, von der Schule so lange fernzuhalten, bis sich der Husten
als ein Symptom eines einfachen Katarrhs erwiesen hat.
Die Schlielsnng einer Schule wegen Keuchhusten soll in der Regel
nur aus pädagogischen Rücksichten und nur ganz ausnahmsweise bei be-
sonderer Bösartigkeit der Epidemie aus sanitären Gründen erfolgen.
)Krätze.
An Krätze erkrankte Schulkinder sind von der Schale fernzuhalten,
der ärztlichen Behandlung zuzuführen und haben vor dem Wiedereintritte
Wäsche und Kleider zu wechseln.
Masern.
Masemkranke Schüler sind bei Bescheinigung des behandelnden Arztes
über völlige Genesung mindestens zwei Wochen nach Ausbruch des Aus-
schlages, bei mangelndem ärztlichen Zeugnisse sowie in schweren Fällen
oder im Winter aber mindestens drei Wochen vom Schulbesuche fernzuhalten.
Reinigungsbad hat dem Wiedereintritte voranzugehen.
Gesunde Wohnungsgenossen sind zum Schulbesuche zuzulassen, wenn
sie die Masern bereits überstanden haben, was auf dieselbe Weise wie bei
Keuchhusten nachzuweisen ist, oder wenn sie über zwölf Jahre alt sind.
Wenn sie die Masern noch nicht durchgemacht haben, können gesunde
Wohnungsgenossen unter zwölf Jahren nach Ablauf von 14 Tagen, vom
Beginne der Erkrankung gerechnet, zum Schulbesuche zugelassen werden.
Wenn ein Masemfall im Schulhause vorkommt und nicht verläislich
isoliert werden kann, ist die Schale zu schlielsen.
An Orten, wo der Sanitätsdienst verläislich geregelt und die ärztliche
Überwachung eines jeden Krankheitsfalles möglich ist, ist der Versuch zu
machen, einer epidemischen Ausbreitung der Masern dadurch vorzubeugen,
dalfl die Klasse, in welcher die allerersten FäUe vorkommen, vom neunten
Tage» von jenem Tage an gerechnet, an welchem das ersterkrankte Kind
zum letztenmal in der Schule gewesen war, durch fünf Tage geschloesen mrd.
Nach Ablauf dieser Zeit kann die Klasse nach gründlicher Reinigung
wiedereröffnet werden, wobei alle Schüler ärztlich zu untersuchen, die Ver-
dächtigen vom Schulbesuche auszuschlieisen und ebenso wie die mittler-
weile Ausgebliebenen der ärztlichen Behandlung zuzuführen sind.
Bei bereits ausgebreiteter Masernepidemie wird die Schule allenf&lls
aus pädagogischen Gründen, aus sanitären Rücksichten hingegen nur bei
besonderer Bösartigkeit der Epidemie zu schliefen sein.
In aUen anderen Fällen ist von prophylaktischer Schulschlielsung
nichts zu erwarten.
Eine Desinfektion der Schulräume ist nicht notwendig, sondern ist
die gründliche Reinigung und Lüftung als ausreichend zu erachten.
690
Auch während einer Masernepidemie empfiehlt es sich» heftig hastende
Kinder so lange von der Schule fernzuhalten, bis sich der Husten als
Symptom eines einfachen Katarrhs erwiesen hat.
Mumps.
Die Erkrankten sind je nach Intensität der Erkrankung 1 — 3 Wochen
vom Schulbesuche fernzuhalten.
Während des Vorkommens von Mumpserkrankungen von SchuUdnden
sind gemeinsame Trinkbecher vom Schulbrunnen oder der Wasserleitung zu
entfernen.
Röteln.
Die Röteln erfordern, da sie mitunter auch mit Scharlach verwechselt
werden können, eine erhöhte Beachtung seitens der Sanitätsbeamten, wenn
gleichzeitig ScharlachfiUle in der betreffenden Gegend vorkommen.
Dann wird es sich empfehlen, wenn möglich, jeden angezeigten FaU
von Röteln oder Rötelverdacht ärztlich kontrollieren zu lassen und für die
Dauer der Epidemie hinsichtlich der Erkrankungen an Röteln verschärfte
Verfügungen, wie sie für Scharlach gelten, zu treffen.
Abgesehen von dieser Eventualität sind die Röteln in der Regel als
eine harmlose Erkrankung anzusehen, bei welcher alle zulässigen Erleichte-
rungen einzutreten haben; es können daher, wenn die Röteln ärztlich
sichergestellt sind, Schnlbesuchsbeschränkungeu fär Wohnungsgenossen ent-
fallen und können die Genesenen, wenn keine Komplikationen eingetreten
sind, die Schule nach einer Woche wieder besuchen.
Ruhr.
Ruhrkranke sind nicht vor Ablauf von 14 Tagen nach Aufhören des
dysenterischen Charakters der Stuhlentleerungen und erst, nachdem sie ein
Reinigungsbad genommen haben und ihre Wohnung und insbesondere die
Kleider und Wäsche gründlich desinfiziert worden sind, zum Schulb^uche
zuzulassen.
Gesunden Wohnungsgenossen ist der Schulbesuch nur ganz ausnahms-
weise zu gestatten, wenn die Isolierung der Kranken vollkommen veriälslich
ist und der Komfort des Hauses insbesondere eine vollkommene Trennung
in der Verpflegung, Beistellung abgesonderter Efs- und Trinkgefäfse sowie
Waschgelegenheiten, Benutzung abgesonderter Aborte zuläfst und überdies
die ärztliche Beobachtung der gesunden Schüler gewährleistet wird.
Die Schule oder Klasse ist zu schliefsen, wenn ein an Ruhr erkrankter
Schüler sie noch zu einer Zeit besucht hat, in welcher er bereits an
Diarrhöen litt.
Nach gründlicher Reinigung und Desinfektion, welche sich besonders
auf den Platz des Schülers und auf den Abort zu erstrecken hat, kann
der Unterricht sofort wieder aufgenommen werden.
Länger dauernde Schulschliefsungen können nur in dem Bestände be-
sonderer Verhältnisse bedingt sein.
Schafblattern.
Bei Schafblattemerkrankungen können, wenn im Bezirke oder in der
Nachbarschaft keine Blattern vorkommen oder kürzlich vorgekommen sind,
die weitestgehenden Erleichterungen zugestanden werden.
691
Die Kranken können, wenn alle Erscheinungen yerscbwunden sind,
nach Ablauf von 14 Tagen wieder zum Schulbesuche zugebissen werden.
Die gesunden Wohnungsgenossen können die Schule besuchen.
SchulschlieJjsungen sind wegen Schafblattern aus sanitären Gründen
nur zulässig, wenn eine Verwechslung mit Blattern nicht mit voller Be-
stimmtheit ausgeschlossen werden kann.
Wenn aber im Bezirke oder in der Nachbarschaft Blattern auftreten^
sind hinsichtlich der Schafblattern wesentlich verschärfte Verfügungen zu
treffen, womöglich alle Kranken ärztlich zu beobachten und die gesunden
Wohnungsgenossen vom Schulbesuche fernzuhalten, wenn nicht die harmlose
Natur der Erkrankung amtsärztlich zweifellos sichergestellt werden kann.
Scharlach.
Die Kontumazdauer soll bei Scharlach vom Beginne der Erkrankung
an in der Regel mit mindestens sechs Wochen bemessen werden, und soll
selbst bei den leichtesten Fällen, bei welchen gar keine oder nur geringe
Schuppung zu bemerken ist, nicht unter vier Wochen herabgegangen werden.
Aber auch der Termin von sechs Wochen Wird häufig länger aus-
zudehnen sein, und sind scharlachkranke Schüler jedenfalls erst vom neunten
Tage nach vollständig beendeter Schuppung und Ablauf allfälliger Kompli-
kationen zum Schulbesuche zuzulassen, wenn sie drei desinfizierende Bäder
genommen haben und ihre Wohnung, Kleider und Wäsche usw. verläßlich
desinfiziert sind.
Stirbt der Kranke oder wird er aus der Wohnung entfernt, kann der
Schulbesuch den gesunden Wohnungsgenossen, die den Scharlach nachweis-
bar bereits überstanden haben, sofort nach durchgeführter Desinfektion, den
anderen vom neunten Tage an gestattet werden, wenn sie keine Hals-
erscheinungen, keine Schwellung der Drüsen am Halse und keine Schuppung
zeigen.
Analog ist vorzugehen, wenn die gesunden Wohnungsgenossen vor
Beendigung der Krankheit aus dem infizierten Haushalte entfernt und in
anderweitiger Pflege untergebracht werden.
Wenn in einer Schule oder Klasse bald hintereinander zwei oder
mehrere Erkrankungen an Scharlach vorgekommen sind, ist die betreffende
Klasse aus sanitären Gründen auf zehn Tage zu schlielsen, und empfiehlt
es sich, sämtliche Schüler schon vor ihrer Entlassung, jedenfalls aber sofort
bei Wiedereröffnung der Schule auf vorhandene Zeichen eines überstandenen
Scharlach, insbesondere auf etwaige Schuppung oder Halsdrüsenschwellung
ärztlich zu untersuchen und bei den Ausgebliebenen den Grund des Aus-
Ueibens amtlich zu erheben.
Jene Schüler, bei welchen verdächtige Erscheinungen vorgefunden
werden, sind vom Schulbesuche fernzuhalten und ärztlich zu beobachten
oder zu behandeln.
Auf längere Dauer die Schule zu schliefsen, wird nur dann notwendig
sein, wenn die Epidemie durch die bisherigen Mafsregeln nicht beschränkt
werden konnte oder besondere Verhältnisse ihre Beschränkung von vorne-
herein in Frage stellen.
692
Typhas abdominalis.
Fflr den Wiedereintritt eines vom Typhas Genesenen in die Schule
ist ein Reinignngsbad and womöglich die Desinfektion der Kleider and
Wäsche za verlangen.
Gesnnde Wohnnngsgenossen werden nnr dann vom Schnlbesache fein-
znhalten sein, wenn sie entweder im Krankenzimmer wohnen oder sonstige
Mängel in den hygienischen Verhältnissen des desinfizierten Haashaltes eine
KrankheitsObertragnng darch Schiller möglich erscheinen lassen.
Eine Schale oder Klasse, in welcher Erkrankangen an Typhas vor-
gekommen sind, ist anter denselben Bedingangen wie bei Bohr za schliefen.
Aaüserdem kann aber der Schnlschlafs noch erforderlich werden, wenn
eine Typhaserkrankang oder Epidemie darch sanitäre Übelstände im Schol-
haose selbst veranlaüst worden ist, in welchem Falle die WiedererOffioong
erst nach verläfslicher Behebang dieser Übelstände and nach festgestellter
Abnahme der Epidemie za gestatten ist.
Vonekriften nr Hintaihaltniig einer YerbreitmiK anateckeider
Krankheiten durch düe Schnlei«
Erlafs der k. k. steiermärkischen Statthalterei vom 11. April
1905, Z. 9398, an die anterstehenden politischen Behörden.
Im Landesgesetz- and Verordnangsblatte wird gleichzeitig im Ein-
vernehmen mit dem k. k. Landesschnlrate and dem steiermärkischen Landes-
aasschasse eine Verordnang, betreffend die Hintanhaltnng ansteckender
Krankheiten darch die Schalen, verlantbart, darch welche die Bestimmang^i
der Verordnang des k. k. Landesschalrates vom 5. Aagast 1888, L.-6. «.
V.-Bl. Nr. 35, sowie des Stetthaltereierlasses vom 10. Mai 1888, Z. 7593,
aajser Kraft gesetzt werden.
Die Bestinunnngen der nenen Verordnang sind für die SchalleitnngeD
and das Lehrpersonal sowie für die Schaler and deren Aaüsichtspownen
bindend, während für die Amtshandlangen, welche die Amtsärzte der po-
litischen Behörden oder die Gemeinde- and Distriktsärzte anf Grand der
Verordnang vorznnehmen haben, nach § 16 alinea 3 der Verordnang eine
besondere Instrnktion mafsgebend ist.
Diese Instrnktion ist Mt die Zwecke des Bachhandels mit einem Ab-
drucke der Verordnung in Broschürenform vereinigt worden; von diesen
Broschüren, welche bei der Firma Leykam in Graz za dem Einzelpreise
von 12 Heller erhältlich sind, wird in der Anlage eine entsprechende AnzaU
von Exemplaren zar Beteilang der in Betracht kommenden Ärzte übermittelt
Ein anfälliger weiterer Bedarf ist hieramts anzusprechen.
Die Schnlleitangen, für welche die Kenntnis der Instruktion von
Interesse sein wird, obgleich diese keine für sie bindenden Vorschriften
enthält, werden damit im Wege des k. k. Landesschalrates beteilt werden.
Auf das Erscheinen der Verordnung, welche mit dem Tage ihrer
Kundmachung in Wirksamkeit tritt, sind einerseits alle Gemeindevorstehnngw
and Ärzte und andererseits die Leitungen sämtlicher in § 15 erwähnten
693
Schalen und Anstalten sowie die Vorsteher von Pensionaten nnd anderen
Anstalten, welche Zöglinge beherbergen, in entsprechender Weise animerk-
sam zu machen.
Die ständige Übertragung der Obliegenheiten des Amtsarztes an einen
Gemeinde- oder Distriktsarzt im Sinne des § 16 alinea 2 sowie die Ver-
fftgnng von Ausnahmen auf Grund des § 17 der Verordnung ist unter
entsprechender BegrQndung der Statthalterei fallweise anzuzeigen.
(„2>. österr. SanUätswesm'' , Nr. 23.)
fiterattir*
Besprechungen.
SoHKXiDBB, J., Dr. med. Des Volkes Kraft nnd Schanheit Fttr
Erzieher, Lehrer, Eltern, Eflnstler und städtische Verwaltungen. Mit
111 Abbfldungen. Leipzig, Th.. Thomas, 1903. Gr. 8^, 310 S.
Brosch. Mk. 10.—, eleg. geb. Mk. 11.50.
In seinem Vorworte erklärt der Verfasser die gewöhnlichen statistischen
Grundlagen, wie sie durch die Mortalitätsziffem und die Berechnung der
Lebensdauer gegeben sind, als ungenügend fttr die Beurteilung der Volks-
gesundheit. Eine notwendige Ergänzung hierzu, wenn nicht einen noch
weit besseren Malsstab ffir die Volksgesundheit, bilden nach seiner Ansicht
die Kraft und Schönheit des Volkes, seine Widerstandsfähigkeit
und seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Man
kann sich hiermit ohne weiteres einverstanden erklären, aber man erwartet
nun vom Verfasser in der Tat eine Beurteilung des öffentlichen Gesund-
heitszustandes auf Grund vergleichender Angaben und Betrachtungen Aber
die Kraft und Schönheit des Volkes, Ober seine Widerstandsfähigkeit und
seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit. Wir geben zu, dafe
Dr. SOHK. beim Versuche, derartiges Material zusammenzubringen, auf
mancherlei Schwierigkeiten gestolsen und dafs die Ausbeute eine nicht sehr
grobe gewesen wäre, aber auch der blofse Versuch hierzu hätte Aner-
kennung verdient. Sghn. hat diesen Versuch nicht unternommen und statt
dessen eine in ihrer Form allerdings etwas eigenartige populäre Gesund-
heitspflege geschrieben. Von diesem Standpunkte aus ist also sein Werk
zu beurteilen.
Dasselbe zerfallt in zwei grofse Hauptabschnitte, von denen der erste
die Gesundheitspflege der verschiedenen Lebensalter und Geschlechter, der
zweite die öffentliche Gesundheitspflege, insoweit sie in das Gebiet der
Städtehygiene fällt, umfaist. Das 1. Kapitel enthält die Gesundheitspflege
während der Schwangerschaft, der Geburt und des Wochenbettes,
das zweite die Gesundheitspflege des Säuglings, das dritte die Gesund-
heitspflege in der ersten Periode der Kindheit, das vierte die
694
Gesundheitspflege im schulpflichtigen Alter, das fQnfte, sechste und
siebente die Gesundheitspflege des Mannes, der Frau und des Greises;
das achte Kapitel ist der St&dtehygiene gewidmet. Obgleich uns hier
vorzugsweise das Kapitel über die Gesundheitspflege im schulpflichtigen
Alter interessiert, halten wir es doch für angemessen, einige allgemeine
Bemerkungen zu machen.
Zunächst scheint uns die Anordnung und Gliederung des Stoffes eine
glückliche zu sein. Hatte der Verfasser sich vorgenommen, nicht eine
systematische populäre Gesundheitspflege zu schreiben, sondern sich in
seinen Ausführungen auf Lebensalter und Geschlecht zu beschränken, so
konnte er den Stoff kaum besser und fibersichtlicber einteilen; die Be*
Sonderheiten der verschiedenen Altersstufen und der beiden Geschlechter
mit Bezug auf das, was zu ihrer Gesunderhaltung und Kräftigung notwendig
ist, traten bei dieser Anordnung am besten hervor. Einige hierdurch be-
dingte Wiederholungen in der Schilderung der Details fallen nicht in
Betracht. Die Form der Darstellung ist eine durchaus gefällige, dem Ver-
ständnis auch des ohne Fachkenntnisse an das Buch herantretenden Lesers
leicht zugängliche. Der gro&e Umfang des Stoffes bringt es nun allerdings
mit sich, da(s ein tieferes Eingehen auf die zahlreichen offenen Fragen
der Gesundheitspflege ausbleibt, und dafs sich der Verfasser meistens auf
allgemeine Erörterungen und Ratschläge beschränken mufste. Diese Art
der Schilderung hat ihre guten, aber daneben auch ihre schwachen Seiten;
im grolisen und ganzen hat es der Verfasser verstanden, sich den An-
forderungen desjenigen Leserkreises, auf den er reflektiert, anzupassen.
Dafs da, wo von einer wissenschaftlichen Erörterung und Begründung ab-
gesehen wird, Unrichtigkeiten mit unterlaufen und dafs manches apodiktisch
hingestellt wird, was noch als offene Frage zu betrachten ist, darf nie-
manden verwundem. So würden es unsere Zahnärzte schwerlich unter-
schreiben, wenn der Verfasser auf S. 73 sagt: „Nicht eine mangelhafte
Reinigung der Zähne, nicht das Verschmähen von desinfizierenden Mund-
wässern und nicht die unschuldigen Bakterien sind die Ursache der
schlechten und kariösen Zähne, sondern einzig und allein schlechtes Blut,
schlechte Nahrung, heifse Suppen und Fruchteis/ Dafs die Schla&immer
nie geheizt werden dürfen und dais in demselben ständig ein Fenster offen
zu halten sei (S. 7ö), möchten wir jedenfaUs nicht als allgemeinen Grund-
satz aufstellen, weil hier die klimatischen und Witterungsverhältnisse sehr
in Frage kommen. Dafs „Schläge*^ als Strafe für ungehorsame Kinder
direkt empfohlen werden (S. 81), dürfte sich vom Standpunkt einer ge-
sunden Pädagogik aus kaum rechtfertigen lassen. Die Schilderung der
Tätigkeit der Schulärzte (S. 100) ist durchaus unrichtig; auch entbehrt
die Forderung: „Der Nachmittagsunterricht ist ganz abzuschaffen*', so all-
gemein hingestellt, jeder Grundlage. Die Vorteile der Zentralheizung
werden an verschiedenen Stellen vom Verfasser allzu einseitig betont, und
dals vom hygienischen Standpunkte aus Kachelöfen „sich für das Klima in
Deutschland nicht eignen** (S. 246), ist uns völlig neu. Eine falsche Vor-
stellung wird im Leser erweckt, wenn es auf S. 254 heifst, es sei bei
der Wasserheizung das Rohrsystem nicht völlig geschlossen „um eine
Explosion zu verhüten**, während in der Tat die Expansionsgefäfse und
695
Ventile angebracht sind, um den Druck und damit auch die Temperatur
des Wassers in den Röhren zu regulieren. Teilweise unrichtig und un-
genügend ist das auf S. 260 Aber die Beleuchtung Gesagte; die Angabe
der 10 Meterkerzen beruht auf einem Mifsverständnis.
Im aUgemeinen w&re noch zu erwfthnen, dafe der Verfasser im ganzen
ersten Abschnitte viel zu sehr auf die Maüsregeln abstellt, die der einzelne
im Interesse seiner Gesundheit oder deijenigen seiner Angehörigen zu treffen
hat, und dafis auch im zweiten Abschnitte die öffentliche Gesundheitspflege,
mit Ausnahme der Städtehygiene, keinen Platz gefunden hat. So wird
beispielsweise im ersten Kapitel in ausführlicher Weise alles dessen Er-
wähnung getan, was von Seite der Mutter und des Hauses überhaupt für
die Gesundheit des Säuglings geschehen kann; aber wie, wenn die Eltern
ihrer ökonomischen Verhältnisse wegen nicht imstande sind, diese Forde-
rungen zu erfüllen? Was soll dann eintreten? Die Antwort hierauf
bleibt der Verfasser schuldig. Von Säuglingsheimen, Kinderkrippen, öffent-
licher Fürsorge fOr Säuglingsmilch usw. hören wir nichts. Und doch liegt
hierin der Schwerpunkt, wenn es sich um Verhinderung der Massen-
sterblichkeit der Säuglinge handelt. — Ähnlich verhält es sich mit der
Gesundheitspflege des Mannes. Es wird wohl der Berufskrankheiten kurz
Erwähnung getan, aber der Verfasser sagt nichts über Arbeiterschutz-
gesetzgebung, Beschränkung der Arbeitszeit, MinimaUohn usw. — Dinge,
die fär die Gesundheitspflege der arbeitenden Männer von der grölsten
Bedeutung sind.
' Was nun speziell das Kapitel „Schulhygiene^ anbelangt, so enthält
dasselbe, wie auch alle übrigen Kapitel, sehr viel Wahres, Gutes und vom
Leser, namentlich aber von Lehrern und Schulbehörden zu Beherzigendes.
Das meiste, was über den Unterricht gesagt wird, möchten wir vom Stand-
punkte einer gesunden, hygienischen Pädagogik aus, die allerdings mit der
herrschenden Routine nichts gemein hat, voll und gauz unterschreiben.
Auch die Anschauungen des Verfassen über die hygienischen Nachteile
der übertriebenen Pflege der Handarbeiter für Mädchen, was auf Kosten
ihrer Gesundheit und ihrer allgemeinen Bildung geschieht, sind wir durch-
aus einverstanden. Weniger können wir uns mit dem über das Schulhaus
und seine Einrichtung Gesagten befreunden. Wenn COHN eine Beleuch-
tungsintensität der Arbeitsplätze von 10 Meterkerzen als das zulässige
Minimum erklärte, so verstand er darunter die Helligkeit im roten Licht,
was für weifses Licht etwa 25 Meterkerzen ausmacht; wenn man also
ohne weiteres immer wieder die Minimalforderung von 10 Meterkerzen
wiederholt, so beruht dies auf einem sehr fatalen Mifsverständnis. Dais
in einem Schulhause die oberen Fensterflügel „am besten bogenförmig'*
gestaltet werden sollen (S. 109), widerspricht den elementarsten Grund-
sätzen der Schulhygiene. Dafe in der Luft von Wohnzimmern durch-
schnittlich nicht mehr als höchstens 0,75 ^/oo Kohlensäure vorhanden sind,
trifft nicht zu ; es könnte dies nur bei beständiger Lüftung erreicht werden.
Matten oder Abputzer vor den einzelnen Schulzimmem wären kaum zweck-
mäßig, da die Kinder fortwährend darüber stolpern würden. Die (wenn
auch vermutlich nicht beabsichtigte) Reklame für die Rettigbank in Wort
und Bild hätten wir in einem Werke, das sich in derartigen Fragen voll-
Schalp^Bundheitspfle^e. XV HI. 37
696
kommen objektiv verhalten sollte, lieber Termifst; flberiianpt fehlt hier
vollkommen die kritische Betrachtang. Dafs ^die Wichtigkeit recht groCser
Bachstaben für die Schalbücher bisher noch gänzlich übersehen worden*"
sei (S. 118), ist darchaas anrichtig, da schon seit einiger Zeit über diesen
Oegenstand eine ganze Reihe von Arbeiten vorliegt.
Im ganzen ist nnser Urteil über das Bach Sohneibebs ein günstiges
and empfehlen wir dasselbe angelegentlich denjenigen Leserkreisen, fftr
welche es vom Verfasser selbst bestimmt wnrde. F. ERISMANN-Zürich.
Bbebwald, K., Dr. med., and Brauer, Gustav, st&dtischer Tomlehrer.
Das Tarnen im Hanse. Leibesfibnngen inr Fardernng nnd E^
haltnng der tiesnndheit Ar jan^ nnd alt In fortlaufender Reihea-
folge znsammengestellt. Mit 177 Bildern in Holzschnitt. Dritte
verm. a. verb. Aafl. München nnd Berlin, R. Oldenbonrg, 1905. 8*.
222 S. Geb. Mk. 2.80.
Die Übungen der vorliegenden „Haasgymnastik" sind zweckentsprechend
aasgewählt, gat geschrieben nnd darch Zeichnangen vorzüglich veranschanlicht.
Ein „Rezept*' gibt an, wie hänfig sie für jedes Alter and Geschlecht ans-
znführen, nnd ein Anhang weist anf ihre Verwendbarkeit bei krankhafter
Yeranlagnng hin (natürlich anter Ärztlicher Kontrolle).
Nen ist in der dritten Auflage ein 60 Seiten nmfassender Abscfaintt
von Eenlenübangen hinzngekommen. Die meisten davon sind mit Bein-
oder Rnmpfübangen verbanden, wohl om ihnen eine nmfassendere £in-
wirkang aaf dem Organismas za sichern. Es dürfte sich empfehlen, bei
einer Nenaaflage eine Anzahl flüssiger Verbindnngen von Arm- nnd Hand-
kreisen in der Grandstellnng beizufügen, die geradezu zur fortgesetzten
Ausführung anspornen. Einmal wirken diese so intensiv auf den Körper
ein, dafs eine Zuordnung von Arm- und Beinübungen entbehrt werden
kann, und dann sind sie besonders geeignet, die Freude am Oben za
heben, und dies ist doch für den regelm&fsigen Betrieb der Haasgymnastik
kern za unterschätzender Faktor. Das Buch kann nicht nur zur An-
schaffung, sondern namentlich zum Gebranch bestens empfohlen werden.
J. SPÜHLBR-Zürich.
MiLLKR, Edwin L. The Lnnch-Boom at the Englewood High Seheel.
Babrows, Anna. The Lnnch-Room in the High SehooL The School
Review, Chicago, März 1905.
Bei den riesigen Entfernungen, welche die Besucher der höheren
Schulen Chicagos zurückzulegen haben, erwies sich die Einschiebnng
eines Frühstücks zwischen die ungeteilte Unterrichtszeit als unumgänglich
notwendig. Der Besuch benachbarter Wirtschaften führte zu Üntrftgücb-
keiten auch in gesundheitlicher Hinsicht, die mitgebrachten Speisen wurden
unschroackhaft, und so entschlofs sich die Schulleitung zur Errichtnag eines
Frühstücksraums mit Wirtschaft, die im September 1903 in Benutzung
genommen wurden. In einem ebenerdigen Greb&ade (dem Bilde nach
konnte es auch das Dachgeschofs der Schule sein) befinden sich die Küche
and der mit Büfett, Tischen und Stühlen für 432 Kinder ausgestattete
Frühstücksraum. Der Betrieb wird in gemeinnützigem Sinne frei von
697
Miete durch den Englewood Woman's Club geführt. Die Preise sind
gering, das Essen ist einfach, aber schmackhaft. Die Lehrer freuen sich
Aber die weit besseren Leistungen der SchOler in den späteren Unterrichts-
stunden, die SchCder fühlen sich wohler nnd leiden nicht mehr so wie
froher an YerdannngsstOrungen, sie können sich während des FrOhstflcks
imterhalten, und die Versuchung dazu während der Unterrichtsstunden fällt
fort. Natürlich werden die benachbarten Händler (nnd selbst die Ärzte!)
benachteiligt, aber die Schule hat zweifellos auch die rechtlichen Grund-
lagen für ihr Vorgehen, das dem Allgemeinwohl dient. Man hat auch
Ober die Art und den Preis der Speisen genörgelt. Kaffee wird fast gar
nicht und nur sehr schwach verabreicht» dagegen reichlich Milch, Kakao,
Suppe. SüTsigkeiten sind, um ihren Verbrauch einzuschränken, verteuert.
Natürlich sähe es die Schulverwaltung noch lieber, wenn sie nicht durch
diesen Betrieb belastet wäre, aber sie fürchtet mit Recht für die Güte
der Speisen, wenn ein Privater das Unternehmen leitete und keine frei-
willigen Kräfte mitwirken möchten.
Nach Anna Barrows ist Boston die eigentliche Vaterstadt dieser
Schulkantinen, deren erste dort 1890 entstand. Jetzt versieht eine Zen-
trale, die New-England-Kitchen, eine Reihe von Schulen mit Speisen, die
hier auf Gasherden nur aufgewärmt werden. Sie arbeitet nur mit bezahlten
Blilfskräften. Der Geschmack der Kinder ist sehr konservativ, eigenartig
sind einige Moden, die von einem Lehrer oder älteren Schülern — den
swells! — diktiert werden. Ein Lehrer verabscheut Korinthensemmeln
(buns), so verbietet er ihren Verkauf in seiner Schule; ein anderer bevor-
zugt gebackene Bohnen, so Üst die ganze Schule sie mit Wonne, während
sie anderwärts sehr unbeliebt sind. Das Unternehmen hat sich in jeder
Beziehung bewährt und kann sich selbst finanziell halten.
Physikus SlBVBKlNG-Hamburg.
ErkMrang.
Herr Professor Wickenhaqbn, der in Nr. 8 der Zeitsehr, f, 8chui-
gesundheUspfl, meine „Methodik des Turnunterrichts^ bespricht und dabei
sich den Anschein gibt, als hätte er den Lesern die „Grundanschauungen ^
meines Buches mitgeteilt, obwohl er nichts getan hat, als
1. willkürlich auszulegen (T. EsHABOH, Hblfbrioh, Quincke —
„wie in der Schulstube^, 5. Zeile unten auf Seite 510),
2. ungenau zu zitieren (Zeile 4 — 6 oben auf Seite 611),
8. Falsches zu behaupten (Schwimmen, Zeile 20/21 auf Seite 511),
4. Worte und Satzbruchstücke aus dem Zusammenhange zu reüsen
und durch tendenziöse Nebeneinanderstellung milsverständlich
zu machen oder zum Unsinn zu stempeln,
5. durch zahlreiche Ausrufiings- und Fragezeichen, die den Verfasser
weder zur Wahrheit noch zur Genauigkeit verpflichten, anscheinend
einiges zu sagen,
6. selbst einen harmlosen Druckfehler (8. Zeile der Besprechung) zur
morschen Stütze seines kritischen Gebäudes für gut genug zu halten,
37*
698
dem, was mein Bach etwa wirklioh Gutes oder Schlechtes enthftlt,
völlig yerst&ndnislos gegenüber, wie n. a. seine Äo&enmgen Aber Spid
(Torletzte Zeile), Lehrverlahren (7. Zeile), Tonart (14. Zeile auf S. 511),
Klasseneinteüong und Leistnngsmessangen (7. Zeile von nnten S. 510) jedem
Kundigen ohne weiteres yerraten.
Nor der Achtnng yor dem Herausgeber und den Lesern dieser Zeit-
schrift entspringt der Wunsch, meine bescheidene Arbeit gegen unsachliche
Herabsetzung durch den vorstehenden Protest in Schutz zu nehmen. 'Der-
selben Achtung wftre es, wie ich meine, Herr W. schuldig gewesen, seine
Arbeit sich nicht gar so leicht zu machen.
Berlin, den 19. September 1905.
H. Schröer,
Stadt. Tumwart und Mitherausgeber
der Monatsschr. f. d. Tumwesen.
Bibliographie.
Die mit * beseichneten Werke wurden der Redaktion zugesandt
*Ärehiv für Soeiale Medufm und Hygiene, von Dr. M. Fübbt und
Dr. K. jAFrt. n. Bd., 2. H., 1906.
^Bericht des Wiener StadtphysUsates Über seine ÄmtstäUgkät und Ober die
Q^sundheitsverhälinisse der k. k. Beidishaupt- und Besidemfstadi Wien
in den Jähren 1900—1902. Wien, 1905. Gr. 8<». 593 S.
^Bericht und Beckwung über die Ferienkolonien und Mikkkuren erhoU»nga-
bedürftiger Schulkinder der Stadt Zürich, sowie über das Erholungsheim
Schwäbrig, für das Jahr 1904, Zürich, 1905. 16^ 23 S. Mit
4 Abbüdgn.
Buchhold, San.-R. Jahresbericht über aie schulärsfüiche Tätigkeit in den
Mittel- und Stadtschulen der Haupt- und Besidensstadt Darmstadt im
SdiU^cOtre 1904/05, 8^ 84 S.
*BUBGBRSTSIN, Lso, Dr. ZuT häuslichen QesunäheU^fUge der SthOr
Jugend. Bemerkungen fiOr die Eltern und Pfleger von KostzOglingen.
10. durchges. Aufl. Leipzig, B. G. Teubner, 1905. 8^. 16 S. JW, 0,10.
Qesundheitsregdn für Schüler und Schülerinnen aßer Lehr-
anstalten. 10. durchges. Aufl. Leipzig, B. G. Teubner, 1905. 8^
16 S. Ä 0.10.
*Das meidungsheft. 5. H. der Volksbibliothek fftr Körperkultur. Verlag
von „Kraft und Schönheit". Berlin, 1905. Gr. 8^^. 48 S. mit Ab-
bUdgn. M 0.50.
*Deuonhne Congrhs international de VSducation physigue de la jeunesse.
Li^e, du 28. aoüt au 1® Sept. 1905. Reglement et Rapports pr^limi-
naires. Li^, 1905. S^. 115 S.
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gienische Schuluniersuchungen. Sond.-Abdr. a. d. Techn. Gemeindebl.>
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699
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S<^nile eintretenden SSndes. I. anthropometr. Teil. Die experiment.
Pädagogik, heraasgegeben von Lat u. Mbumann. I. Bd., H. S/4, 1905.
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(Fluntem), 1904. Zürich, Zürcher & Forrer, 1905.
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Angestellt und bearbeitet im Auftrage d. k. preofs. Minist, d. geistl.
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schule, des städt. Kindergartens und der Mädchen^Foribüdung89(Me m
Böhm,'Leiipa über das Schuf^ahr 1904/05. 1905. 8^. 34 S. Kr. 0.20.
MüLLBR, Stadtscholinspektor. Was können Lehrer und Lehreri$men teii,
um die Entwicklung und das Fartschreiien der KurMsichUgkeU hei ikrm
Schalem eu verhüten und die Äugen derselben eu schärfen? Die 6e-
snndheitswarte der Schule, 1905, Nr. 7 n. 8.
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♦ 1905. Gr, 8<>. 101 S. il 1.60.
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Klin. Jahrb. XIV. Bd. Jena, Fischer, 1905. 8^ 12 8.
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eyangel. Privatvolksschnle in Prag U. 8^. 12 S.
SCHVLTB, Max, Dr. med. Inwiewät bedarf die si^mläretUche EinriMmg
nodi der Erweiterung? Gentralbl. f. allg. Geanndheitopfl., XXIV. Jahrg.
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richt Vortrag, gehalten anf der Bezirksrersammlnng in Nienburg am
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* Welches ist die vornehmste Aufgabe der Mitglieder eines Aus-
schusses für Schulgesundheitspflege? Hannoyer, 1905. 8®. 14 S.
*SlCKiNOBR, Dr., Stadtschulrat. Jahresbericht über den Stand der dem
Volksschulrektorat untersteUien städtischen Schulen in Mannheim im
Schufiahr 1904/05. Mannheim 1905. 4^. 60 S.
* Vierter Bericht der Schulärzte der Stadt ChemniU. Sond.-Abdr. a. d.
Verwaltungsbericht der Stadt Chemnitz a. d. Jahre 1904. 4^ HS.
Wbgmakn, H. Lichtr und Schattenseiten der häuslichen Ereiehung.
Zttrich, OreU FOssU, 1905. Fr. 1.50.
*Wbhrhabn u. Hbnzb. Bericht Über den Fünften Verbandstag der
Hilfsschulen Deutschlands zu Bremen, am 25.-27. April 1905. HasnoYer,
Gebr. Jänecke, 1905. 8^ 206 S.
Zeiischrift für Lehrmittelwesen und pädagogische Literatur. Heranag. f (a
Franz Frisch. Wien, A. Pichlers Witwe & Sohn. I. Jahif ., Nr. 1
bis 7, 1905.
§tv ^djttliitfi
ni. Jahrgang. 1905. No. 10..
®rt9ttialab^atiblttti$eti.
Bericht fiber die Leistungen und Obliegenbeiten
der in Königsberg i. Pr. tätigen sehn Schnlärzte
in den Jahren 1900—1904.
Von
Dr. fluGO Laseb,
Sohalarzt.
Eine Grannloseepidemie, die sich durch ihren Umfang nnd die
Schwere der Falle auszeichnete, gab Veranlassung dazu, dafe die
Stadt Königsberg eine Anzahl sog. Oranuloseärzte anstellte, denen
die Behandlung der erkrankten Schulkinder übertragen wurde. Es
war damit der Stein ins Bollen gekommen — aus den Granulose-
ftrzten wurden Schulärzte.
Obgleich die Institution der Schulärzte immer noch eine provi-
sorische ist, so hat sich doch die Existenzberechtigung dieser Insti-
tution bewiesen, und wird wohl niemand mehr dafür eintreten, das
einmal Geschaffene wieder zu beseitigen.
Man könnte höchstens darüber streiten, ob man nur einen
Schularzt anstellen solle, der gewissermafsen städtischer Beamter ist
und keine Praxis ausüben darf, oder ob man es vorziehe, das
hierorts eingeführte System beizubehalten, das sich nicht nur hier,
sondern fast überall, wo Schulärzte tätig sind, bewährt hat, und das
darin besteht, dals eine gröfsere Anzahl praktischer Ärzte — hier
sind es zehn — angestellt wird, deren jedem einige Schulen über-
wiesen werden.
Berichterstatter möchte sich für Beibehaltung dieses Systems
aussprechen und gleichzeitig erwähnen, dafs bereits eine Strömung
besteht, die die Einführung von Schulärzten auch an den höheren
Schulen, Gymnasien usw., befürwortet.
Der Sehnlarst III. 18
172 702
Das System ist im wesentlichen nach den Grundsätzen ans-
gearbeitet, die znm ersten Male in der Wiesbadener Dienstanweiaung
fOr Schulärzte zum Ausdruck gekommen sind. Das Grundprinzip
ist, dab der Schularzt nicht behandelnder Arzt ist; seine Tätigkeit
ist yielmehr eine hygienische und prophylaktische, und soll später
geschildert werden, in welcher Weise diese ausgeübt wird.
Vorweg sei betont, dab es mit zu den vomehmsten Aufgaben
des Schularztes gehört, bei der Bekämpfung von epidemisch
auftretenden Infektionskrankheiten sich zu betätigen.
Hier in Königsberg kamen in den letzten Jahren besonders drei
Epidemien in Betracht:
1. Eine Epidemie von Ziegenpeter, die hauptsächlich die Kinder
der unteren Klassen betraf, nur vereinzelt Kinder der höheren Xlassen.
Als der Ziegenpeter in gehäufter Zahl auftrat, haben die Schulärzte
alle Kinder untersucht und jedes der Krankheit auch nur verdächtige
Kind nach Hause geschickt. In kurzer Zeit war die Epidemie
unterdrückt und wurden weitere Fälle nicht mehr beobachtet.
2. Die Granuloseepidemie. Die Granulöse ist so gut wie
ganz verschwunden, dank dem tatkräftigen Eintreten der SchuLärzts
und der dauernden Kontrolle besonders derjenigen Kinder, die einmal
an dieser Ejrankheit gelitten hatten. Es werden nur noch ganz ver-
einzelte Fälle beobachtet, und zwar nur noch ganz leichte.
Wird ein Fall von ansteckender Augenkrankheit konstatiert, so
erhalten die Eltern eine Karte belehrenden Inhalts zwecks Verhütung
der Übertragung der Krankheit auf die Familie folgenden Wortlauts :
„Verhütung ansteckender Augenkrankheiten.
1. Ansteckende Augenleiden werden nur durch Berührung, nie darcfa
die Luft übertragen. Niemals berühre oder reibe man mit den blofses
Händen die kranken Augen, sondern nur mit einem Tuch (Taschentuch)
oder Watte.
2. Sind in einer Wohnung Personen, welche an ansteckender Augen-
krankheit leiden, so müssen:
a) die Augenkranken ihr eigenes Waschgefltfs und eigenes Handtadi
haben;
b) kein Gesunder darf mit Augenkranken in einem Bett zusammen
schlafen;
c) nähere Berührung, z. B. Küssen, Liebkosen, mit Augenkranksn
ist zu vermeiden;
d) alle Familienmitglieder haben sich möglichst oft die Hände mit
Seife zu waschen.
3. Es ist dringend erforderlich, dafs auch die Angehörigen von Augen-
kranken sich die Augen untersuchen lassen. **
703 173
3. Die DiphtheriebekSmpfnDg findet in folgender Weise
statt: Der behandelnde Arzt entnimmt dem Bachen- resp. Mandel*
belag der diphtherieverdäohtigen Kinder eine Probe and sendet die-
selbe Eur bakteriologischen üntersuchnng in das Königl. hygienische
Uniyersitätsinstitnt, welches alsbald dem Absender das Resnltat der
Untersuchung mitteilt. Ist Diphtherie nachgewiesen, so dürfen die
erkrankten Kinder und deren Geschwister nicht die Schule besuchen.
Nach Ablauf der Krankheit genügt nicht mehr, wie früher, eine
einfache Beseheinigung des behandelnden Arztes, daJs das Kind
wieder gesund sei und die Schule besuchen dürfe. Nur wenn eine
nochmalige bakteriologische Untersuchung ergeben hat, dals in dem
Rachen des Kindes Diphtheriebazillen nicht mehr vorhanden sind,
wird das Kind zum Schulbesuch zugelassen. Der behandelnde .Arzt
mufs also eine nochmalige Untersuchung im hygienischen Institut
veranlassen. Dieser Anordnung fügen sich fast alle hiesigen Ärzte
bereitwilligst; tritt dieses einmal nicht ein, dann wird der Schularzt
beauftragt, die Probe zu entnehmen und untersuchen zu lassen.
Es soll nun geschildert werden, in welcher Weise der schulärzt-
liche Dienst geregelt ist.
Zunächst hat der Schularzt die Kinder der ihm überwiesenen
Schulen zu untersuchen; auf welche Organe dabei besonders zu
achten ist, ist aus dem Gesundheitsbogen (s. u.) zu ersehen. Sobald
er bei einem Kinde eine Krankheit diagnostiziert, teilt er dieses auf
einem von dem Rektor der betrefienden Schule unterschriebenen
Formular den Eltern mit. Hierbei wird die Diagnose nicht immer
genau angegeben : es wird z. B., wenn ein Kind an Mittelohrkatarrh
leidet, nur „ Ohrkrankheit **, wenn es an Augenbindehautkatarrh leidet,
nur „Augenkrankheit*' geschrieben. Den Eltern steht dann die Wahl
eines behandelnden Arztes frei.
Der Wortlaut des Formulars ist:
Formular I. „Mitteilung an die Eltern.
An
Unser Schularzt macht Sie darauf aufmerksam, dafis Ihr Kind
an leidet
mit behaftet ist.
Sie werden gut tun, das Kind ärztlich behandeln zu lassen.
Königsberg, den Der Rektor."
Das Formular, das solchen Kindern mitgegeben wird, welche
Ungeziefer, besonders Kopfläuse, haben, enthält noch folgenden Zusatz:
174 704
„Zur Reinigung des Kopfes von Ungexiefer genügt eine eiamnlige
Kopfwaschong mit Petroleum nnd Herttberbinden eines woDenen Tndies
nachtsflber. (Vorsicht mit Licht!)''
Nach einigen Tagen fina^ der betrefiende fiHaasenlelirer, ob di»
Kinder zn einem Arzt gegangen sind, nnd vermerkt die AntwOTt
mit j^ja'' oder „nein*' in dem Oeeandheitsbogen. So l&Cst idoh feafe-
stellen, in wieviel Prozent der Fälle die Mitteilung an die Eätem
Erfolg gehabt hat. Handelt es sieh nm schwere Erkrankungen, die
trotz der Mitteilung an die Eltern nicht behandelt werden, dann
wird durch Vermittelung des Magistrats der Vaterlftndische Frauen-
verein in Anspruch genommen. Der Schularzt sendet in diesem Falle
an den Magistrat eine Karte, worauf derselbe das weitere veranlabi.
Das Schema dieser Karte ist:
Forronlmr IL
^.Magistrat KAnigl. Haopt- und Residenzstadt
Königsberg, den 190.
Mitteilung des Schularztes Dr. ^ über einen Fall,
bei welchem die Mitwirkung des Vaterländischen FrauenvereiBS
erwflnscht ist.
Vor- und Zunamen:
Schfller in SLlasse der - « Schule.
Namen der Eltern :
Stand der Eltern:
Wohnung der Eltern:
Nähere Angaben: ^ *
Bei ganz schweren Fällen von Ungeziefer, bei denen eine Bei-
nigung zu Hause nicht erfolgt, wird das Kind dem Armenhause zur
Säuberung durch den Schuldiener zugeführt.
Erwähnt sei noch, dafs die Armenverwaltung auf Antrag einee
Schularztes ganz unbemittelten Kindern Brillen, Gipskorsetts usw.
liefert.
Der Schularzt, der keine direkten Anordnungen trifft, bespricht
mit dem Klassenlehrer:
1. die Fälle, in denen er einen besonderen Platz wegen Kurz-
sichtigkeit, Schwerhörigkeit oder Körpergröise für notwendig
hält;
2. die Fälle, in denen aus irgendeiner Krankheitsursache Dis-
pensation von einzelnen Fächern zeitweise oder dauernd erfolgen
soll, so von Singen, Handarbeit, Turnen; und
3. die Fälle, in denen Kinder an den Schulbädem nicht teil-
nehmen können (das trifft selbstverständlich nur für die neueren
Schulen zu, die Schulbäder haben).
705 175
Aulserdem mnfs der Schularzt teilnehmen an regelmäXsigen Be-
sichtigungen der Schulen durch Beamte der städtischen Bauahteilung,
in denen die Wünsche der Sektoren und Schulärzte zur Sprache
kommen betreffs Heizung, Beleuchtung, Ventilation, Anschaffung
neuer Schulbänke, Reparaturen von Fulsböden, Anstrich von Decken
und Wänden usw. So sind z. B. verschiedentlich auf Anregung der
Schulärzte die Fufsböden der Klassenzimmer, Korridore und Treppen
mit Dustless-Fufbodenöl gestrichen.
Von dem Klassenlehrer werden die Kinder jährlich gemessen,
lun jedem Kind einen seiner Gröüse entsprechenden Platz anweisen
zu können, und gewogen, was besonders von Interesse für die Kinder
ist, die in Ferienkolonien geschickt werden. Bei der Auswahl dieser
Kinder ist der Schularzt tätig, und wird der Erfolg des Sommer-
aufenthalts in dem Oesundheitsbogen vermerkt.
Bedenkt man femer, dafs viele arme Kinder beköstigt werden^
auch im Sommer, Schwimmunterricht, viele Handfertigkeitsunterricht
erhalten, dafs Mädchen Koch* und Haushaltungsschulen besuchen, so
mufs man wohl anerkennen, dafs die Stadt mit ihrer hygienischen
Fürsorge für die Schulkinder Grofses leistet. Der Widerstand, den
einzelne früher der Institution der Schulärzte entgegenbrachten,
existiert wohl heute nicht mehr. Fast durchwegs ist das Verhältnis
zwischen den Schulleitern und der Lehrerschaft einerseits wie der
Schulärzte anderseits ein gutes gewesen und haben die Lehrer resp.
Lehrerinnen gern freiwillig den Schulärzten bei ihren Untersuchungen
geholfen und die Befunde derselben in die Gesundheitsbogen ein-
getragen. Ein solcher wird flir jedes Kind angelegt. Ein Schema
davon befindet sich auf nächster Seite.
Auf zwei Seiten enthält dieser Bogen 17 Reihen, von denen
jede für ein Semester bestimmt ist. Am unteren Ende der zweiten
Seite sind noch Spalten frei für Notizen des statistischen Amtes.
Dieser Bogen begleitet das Kind während der ganzen Schulzeit
von Erlasse zu Klasse und wird bei etwaigem Wechsel der Schule
eines Kindes dem Bektor der neuen Schule zugesandt.
Zunächst hat der Schularzt alle diejenigen Kinder zu unter-
suchen, die neu eintreten. Sobald eine £[rankheit konstatiert wird,
wird dieses in den Bogen eingetragen; derselbe erhält dann oben
rechts den Vermerk Ä. B. (ärztliche Beobachtung). Dieser Vermerk
bleibt so lange stehen, bis die betreffende Krankheit behoben ist.
Die Bogen einer jeden Klasse liegen in einer besonderen Mappe,
worin alle Bogen mit Ä. B. alphabetisch geordnet, dann alle übrigen»
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ebenfallB alphabetisch geordnet, um ein schnelleres Auffinden eines
jeden Bogens zu ermöglichen, sobald derselbe einen Vermerk er-
halten soU.
Sind die neu eingetretenen Kinder absolviert, dann macht der
Schularzt an bestimmten, mit dem Schulleiter verabredeteD Tagen
Visiten in der Schule, bei deren jeder eine oder mehrere Klassen
besichtigt werden, so zwar, dalis jede EUasse in jedem Semester min-
destens einmal herankommt. Bei diesen Visiten untersucht er zuerst
alle Kinder dieser Klassen mit Ä. B., dann diejenigen, die ihm
krankheitsverdftohtig erscheinen resp. von dem Klassenlehrer, der,
wenn möglich, bei der Visite anwesend sein soll, als krankheits-
yerdächtig vorgestellt werden. Bei jeder derartigen Visite werden
dem Schulärzte auch aus allen anderen Erlassen solche Ejnder vor-
gestellt, die dem betreffenden Klassenlehrer untersuchungsbedürftig
erscheinen.
Im Notfall ist der Bektor sogar berechtigt, Kinder in die
Sprechstunde des Arztes in seine Wohnung zu schicken.
Über alle im Laufe des Jahres gemachten Beobachtungen macht
der Schularzt jfthrlich zu Ostern einen Bericht nach einem bei-
liegenden Muster.
Erwähnt sei noch, dafs in bestimmten Zeitabschnitten Sitzungen
der Schulärzte stattfinden, die von einem Magistratsmitglied ein-
berufen und geleitet werden; denselben wohnen auch die Herren
Stadtschulrat und Stadtschulinspektor bei. Es findet in denselben
eine rege Diskussion flber alle wichtigen Fragen und Beobachtungen
der einzelnen Ärzte statt, und werden besonders solche Punkte be-
sprochen, die im Interesse der Hygiene der Schule resp. der Schul-
kinder liegen und in der ursprflnglichen Dienstanweisung der Schul-
ärzte nicht enthalten sind.
und nun zum Schlufs sollen als sprechender Beweis für die
Wichtigkeit der Schularztinstitution und die Tätigkeit der hiesigen
zehn Schulärzte Zahlen angeführt werden, die den Jahresberichten
entnommen sind und die an sich deutlich genug sprechen, um jeden
weiteren Zusatz zu erübrigen.
In den Berichtsjahren Ostern 1901 bis Ostern 1904, die zusammen-
gefafst werden sollen, wurden in den Bürger-, Volks- und Hilfs-
schulen, die in Betracht kommen, 71367 Kinder untersucht, d.h.
durchschnittlich 17841.
Es kommen also auf jeden Schularzt, da die Schulen möglichst
gleichmälsig verteilt sind, pro Jahr 1784 Kinder.
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Formular IV.
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O Laut Krankbeitsbesoheinigung wurden die folgenden Mitteilung
Erkrankungen anter den Schülern yerseichnet: Eltern
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32
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Akate Infektionskrankheiten
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Bemerkungen su 1 — 88
39
I. über Schullokalitäten;
II. über eyentuelle Ursache, Art und Häufigkeit, Verlauf und Vorbereitongs-
weg der vorgekommenen Erkrankungen, Vorschläge zur Bekämpfung der-
selben ;
IIL über notwendig: gewordene Dispensationen der Schüler, Anweisung von
besonderen Plätzen in der Klasse usw.
709 179
Eis wurden festgestellt:
1. Schlechte Eonstitation, An&mie 2048 F&lle = 2,9 %
2. Skrophulose. Drüsen 2380 „ = 3,3 Vo
3. Krankheiten der Brost 417 „ =0,6 %
4. „ „ Wirbelsäule 576 ,, =0,8 %
6. „ „ Extremitäten 419 „ =0,6 %
6. „ „Haut 824 „ =1,2 %
7. Ungeziefer 1105 „ =1,5 7o
8. Angenkrankheiten exkl. Grannlose 3942 „ =5,5 %
9. Granulöse 1383 „ = 1,9 %
(1900/1901 = 2,2%, 1903/1904 = 1,8%)
10. Krankheiten der Ohren 776 Fälle = 1,1 %
11. „ des Mundes, der Zähne . 2026 „ = 2,8 %
12. „ der Nase 502 „ =0,7 7o
13. „ des Rachens 768 „ =1,1 %
14. „ „ Kehlkopfes 70 „ =0,1 7o
15. „ der Sprache 687 „ =1,0 %
16. Kinderlähmung 8 „ = 0,01 %
17. Zwergbildung 2 „ = 0.002%
18. Kropf 17 „ = 0,02 %
19. Hamträufeln 3 „ = 0,004%
20. Eingeweidebrücbe 90 „ =0,1 %
21. Ziegenpeter 38 „ = 0,05 7o
22. Veitstanz 26 „ = 0,04 %
23. Andere Krankheiten 43 „ = 0,06 %
Mitteilungen an die Eltern, dals ärztliche Behandlung notwendig
ist, erhielten 3164 Kinder =- 4,4%; davon ohne Erfolg 907 Fälle
= 28,7 7o, oder mit anderen Worten: in 71,3% der Fälle wurde
ärztliche Hilfe nachgesucht.
Besondere Plätze erhielten aulser den mit Oranulose behafteten
Kindern :
1. Wegen Kurz- resp. Schwachsichtigkeit . . 899 Kinder = 1,3%
2. „ Schwerhörigkeit 428 „ =- 0,6%
Es wurden dispensiert:
1. Vom Turnen 226 Kinder = 0,3 %
2. Von Handarbeit 50 „ = 0,07%
3. Vom Lesen und Schreiben. 5 „ = 0,01%
4. „ Singen 5 „ =0,01%
Endlich sei noch angegeben, wie viele Kinder laut Krankheits-
bescheinigungen seitens der behandelnden Ärzte in der Beriohtszeit
in der Schule gefehlt haben:
A. Akute Infektionskrankheiten.
1. Wegen Masern 2252 = 3,2 7o
2. „ Scharlach 412 = 0,6 %
3. „ Diphtherie 593 = 0,8 ^/o
180 710
4. Wegen Keachhusten 341
ö. „ Ziegenpeter 187
6. „ Inflnenza 176
7. „ Gehirnentzflndong 2
8. „ Rose i 19
9. „ Ruhr 6
10. „ Wechselfieber 1
11. „ Röteln 109
12. „ Typhus 21
13. „ Windpocken 291
14. ,, Gelenkrhenmatismas ... 48
B. Erkrankungen
1. der AtmnngBorgane 1966
2. des Henens 87
3. der Nieren 186
4. des Magens und Darmes 800
5. Eingeweidewürmer 25
6. des Blntes 233
7. der Blase 4
8. Blinddannentzflndnng 4
9. des Ohres 56
10. der Augen 176
11. „ Hant 96
12. des Halses resp. Rachens 343
13. Gürtelrose 12
14. Skropheln 13
15. Krämpfe 28
16. Muskelrheumatismus . '. 88
17. Verletzungen 489
18. Andere Krankheiten, meist chi-
rurgische 252 = 0.4 Vo
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%
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0.2
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0,3
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0,08
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0,02
%
0,02
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0,04
%
0.1
%
0,7
%
ftleittere Jtttteilitit)eii.
Sekilavgeiiant in Meideriek am Niederrkein. Der Borgei^
m^ister von Meiderich macht in einem Schreiben an die Yeriagsbuch-
handlung dieser Zeitschrift darauf aufmerksam, daCs diese Stadt bereits
seit 1904 einen Schulaugenarzt angestellt hat. Es sind danach die An-
gaben in dieser Zeitschrift, Band 16, Seite 807 sowie in der Sonder«
ausgäbe „Schübbrt, Das Schukurztwesen in Deutschland'', S. 57, zu er-
gänzen.
Nene Seknlirate« In Nietleben hat sich die GemeindoTertretung
mit der Anstellung eines Schularztes einverstanden erklärt, hält jedoch die
711 181
j&hrliche Fixierang der Aasgaben fQr geboten; es wurde beschlossen, ftr
das erste Jahr eine bestimmte Summe festzusetzen. — Die Stadtverordneten-
Versammlung in Marburg hat in einer ihrer letzten Sitzungen die An-
stellung eines Schularztes beschlossen; für die Stelle wurde der Kreisant
Prof. Dr. HiLDBBRANDT in Aussicht genommen. — In Wiebeiskirchen
hat der Gemeinderat beschlossen, den Knappschaftsarzt Dr. Schnkid|;b
als Schularzt anzustellen. Jährlich sollen alle Schulkinder der Volksschulen
einer firztlichen Untersuchung unterworfen werden. Die zu Qstern d. J.
aufgenommenen Kinder müssen sich einer eingehenden Untersuchung unter-
ziehen, weshalb für jedes Kind ein Überwachungsbogen angelegt wird, auf
welchem GröCse, Gewicht und Erkrankungen einzutragen sind. — A|s
Schulärztin in Paris ist Frl. Dr. 'med. Desmoli^rbs gewählt worden.
Ihre Tätigkeit erstreckt sich über das 9. Arrondissement. — Von der
Stadtverordnetenversammlung in Bheine wurde die Anstellung von Schul-
ärzten beschlossen. Es wurden gewählt Dr. HSB8BL, Ekd. Nibmann,
€l. Niemann, Bbermann, Weingbs. Jährlich sollen nur zweimal Unter-
suchungen stattfinden, da nicht mehr als 1000 Mark für diesen Zweck
zur Verfügung stehen. Als Honorar für jede Schulklasse sind 15 Mark
festgesetzt. Da hier zurzeit 30 Schulklassen bestehen, so würden sich die
Kosten auf 900 Mark belaufen.
In Köpenick \nirde unlängst, wie der ^Berl. LoJc-An»,^ mitteilt,
von der Stadtverordnetenversammlung die Anstellung von Schulärzten vom
1 . April 1906 ab beschlossen, welche die Aufgabe haben, den Gesundheits-
zustand der ihnen zugewiesenen Schüler zu überwachen, die Überweisung
in Pflegeanstalten für Epileptische, Taubstumme usw. oder in Hilfsschulen
herbeizuführen und bei der ärztlichen Bevision der zur Schule gehörenden
Räumlichkeiten und Einrichtungen mitzuwirken. Die Schulärzte haben die
neu eintretenden Schüler genau auf ihre Körperbeschaffenheit und ihren
Gesundheitszustand zu untersuchen, um festzustellen, ob sie einer dauernden
ärztlichen Überwachung oder besonderen Berücksichtigung beim Schul-
unterricht (z. B. Ausschliefsung vom Unterricht in einzelnen Fächern, wie
Turnen und Gesang, oder Beschränkung in der Teiluahme am Unterricht,
Anweisung eines besonderen Sitzplatzes wegen Gesichts- oder Gehörfehler usw.)
bedürfen. Über jedes untersuchte Kind ist ein dieses während seiner ganzen
Schulzeit begleitender „Gesundheitsschein" auszufüllen. Wägungen und
Messungen werden von den betreffenden Klassenlehrern möglichst aufserhalb
der Schulzeit vorgenommen. Alle vier Wochen, wenn ansteckende Krankheiten
auftreten, nach Bedarf, hält der Schularzt an einem mit dem Schulleiter
vorher zu verabredenden Tage zu bestimmter Stunde in der Schule Sprech-
stunde ab. Bei diesen Besuchen werden sämtliche Kinder einer äufseren
Revision unterzogen. Erscheinen hierbei einzelne Kinder einer genaueren
Untersuchung bedürftig, so ist diese nachher im ärztlichen Sprechzimmer
vorzunehmen. Gleichzeitig dienen diese Besuche auch zur Revision der
Schullokalitäten und ihrer Einrichtungen sowie zur Kontrolle über Venti-
lation, Heizung, körperlicher Haltung der Schulkinder usw. Die Schulärzte
haben auf Antrag des Schulleiters einzelne Kinder in ihrer Wohnung zu
untersuchen, um falls von den Eltern kein anderweitiges genügendes ärzt-
liches Zeugnis beizubringen ist, festzustellen, ob Schulversäumnis gerecht-
Der Sehularit III. 19
182 712
fertigt ist. Die Schnlftrzte haben miDdestens einmal im Sommer, sowie
einmal im Winter die Schnllokalitfiten nnd deren Einrichtungen zu revidieren.
Staatliche Or/[:aiiisatio]i des Schalarztwesens in Württfinberg»
Wie wir den Tagesblättern entnehmen, hat sich in einer Sitzung des
Medizinalkollegiums , in welcher im Beisein yon KoUegialmitgiiedem des
Ministeriums des Innern, sowie des Kirchen- und Schulwesens Aber die
Schularztfrage verhandelt wurde, die Regierung der Ansicht zugeneigt^
dals das Schularztwesen staatlich zu organisieren und dafs eine ent-
sprechende Instruktion fflr die schulärztlichen Untersnchungen aufzustellen
sei. Dabei entspann sich eine lebhafte Erörterung Aber die Forderung^
dafs sämtliche Schaler (auch die der höheren Lehranstalten) beim Eintritt
in die Schulanstalt und ein- bis zweimal wälirend der Schtüzeit entkleidet
untersucht werden sollen, und dafs Aber den Befund genaue Aufzeichnungen
zu machen seien.
Inwieweit bedarf die schnlkrztlicbe Einrichtnng noch der Er-
weiterung? Diese Frage behandelte ein Vortrag des Schularztes Dr. med.
Max SCHULTE-Cöln an der am 29. Oktober 1904 in M&nchen-Gkdbach
stattgehabten Generalversammlung des Niederrheinischen Vereins fflr öffent-
liche Gesundheitspflege. Besonderes Interesse bietet der zweite Abschnitt
dieses Vortrages, den wir hier im Wortlaute nach dem y^Cenirdlhl. f, aüg.
Oesundhtspfl^ (Heft 1 und 2, 1905) wiedergeben:
„Der schnlärztliche Dienst ist ein Überwachungsdienst; irgendeine
Form der Behandlung steht dem Schularzte nicht zu. So
lautete der Grundsatz bei Einführung unseres Systems, und dieser Grund-
satz gilt auch heute noch bei der Mehrzahl der Sehn hygieniker als Axiom.
Und dennoch ist derselbe sowohl theoretischen Erwägungen gegenttber als
zufolge praktischer Überschreitungen bedenklich ins Wanken geraten. Be-
sonders LiBBBRMANK (Budapest) und Richter (Remscheid) waren es,
welche auf dem ersten Internationalen Schulhygienekongrefs energisch fär
Behandlung erkrankter Schüler bezw. Schülerinnen eintraten, ohne
freilich mit ihren Ansichten besonders Schule gemacht zu haben, yielleicht
aus dem Grunde, weil die Forderung der Schülerbehandlung ganz allge-
mein, ohne die nötige präzise Abgrenzung, gestellt wurde. Libbermank
fordert die Behandlung, ausgehend von dem Grundsatze, dafs der Staate
der das Kind in die Schule zwinge, auch die Pflicht habe, für Abstellung
aller gesundheitlichen Schädigungen Fürsorge zu treffen, welche der Jugend
durch die Schule erwüchsen. Nun ist bekannt, da(ä wir Schulärzte schon
seit langem und mit wahrem Eifer den theoretischen Kampf kämpfen gegen
eine Reihe der erbittertsten Feinde unserer Schuljugend, mit manchem be-
merkenswerten Erfolge zwar, im grofsen aber, um mit statistischem Material
die Stadtarchive zu beglücken.
Ich greife nur zwei der nächstliegenden Schulplagen heraus — die in den
Volksschulen geradezu bedenklich verbreitete Pediculosis und die Zahn-
karies. Mit Ratschlägen, mündlichen und gedruckten, rücken wir diesen
Übeln zu Leibe, um immer wieder das Längst bekannte zu konstatieren,
dafs es eben eine ganze Anzahl von Kindern gibt, welche daran leiden.
Freilich, steter Tropfen höhlt den Stein; aber die schier unglaubliche
Gleichgültigkeit und Wurschtigkeit (sit venia verbo] gewisser Volksschichten.
713 183
die in iliren Alltagssorgen Kopf nnd Zähne, Reinlichkeit nnd Körperpflege
far Lappalien halten, verhindert jeden nachhaltigen Erfolg. Will man hier
etwas erreichen, so mnls man dem Volke die Wohltaten der Hygiene auf-
nötigen oder wenigstens auf dem Präsentierteller hieten. Zürich stellte
denn anch eine besondere Pflegerin für die mit Pedicnlosis behafteten Schul-
kinder an, und Darmstadt und Strafsburg besitzen bereits ihre Schul-
zahnkliniken. Hier haben wir also schon Schülerbehandlung im eigent-
lichen Sinne, offenbar hervorgegangen ans der Erfahrung, daCs man ohne
eine solche nichts Wesentliches erreicht. Was aber dem Kopf und den
Zähnen recht ist, dürfte den Augen billig sein. Dafs eine gro&e Anzahl
von Schulkindern an Refraktionsanomalien, katarrhalischen Prozessen der
Bindehaut, der Lidränder, entzündlichen Veränderungen der Hornhaut leidet,
ist eine bekannte Tatsache. Ebenso ist bekannt, dafs eine Reibe von
Schülern, durch den Schularzt auf ihr Leiden aufmerksam gemacht, bei
einem Arzte, wenn auch oft nach langem Zögern und auf Umwegen
mancherlei Art Hilfe sucht und findet. Unbekannt darf aber nicht bleiben,
da(s ein grofser Teil mit Erkrankungen oft schwerster Art (ich erinnere
nur an die Mittelohreiterungen) hilflos bleibt, entweder durch Vernach-
lässigung oder Leichtsinn der Eltern oder auch infolge absoluter Notlage.
Der Weg zum Armenarzt ist nicht immer gangbar und wird erfahrnngs-
gemäis von vielen auch notorisch Armen verschmäht. Ich könnte weiter
gehen und an die vielen Veränderungen in Hals, Nase, Rachen, Ohr er-
innern, um mit ähnlichen Erfahrungen aufzuwarten.
Man hat nun diese Lücke in der hygienischen Versorgung der Schul-
kinder wohl eingesehen, sowohl seitens der Pädagogen als der Ärzte, und
schOchteme Ratschläge sind bereits hier und da gemacht. Pobttbr wirft
in einem längeren Artikel (1902, „Zeiischr, f. Schulgesundheitspfl.*^) die
Frage auf, wie der Nichtbefolgung ärztlicher Ratschläge, über welche er
2ahlenmäfsig quittiert, in der Folge zu begegnen sei und erinnert an die
Polikliniken der Großstädte, die Krankenkassen, Armenverbände, mit einem
zaghaften Appell an die öffentliche Wohltätigkeit. — Ich gehe hierüber
hinweg, obgleich m. E. in diesem Hinweis eine Verkennung der angezo-
genen Verhältnisse liegt. — Indem Pobtter sodann auf die Schwierigkeit
der Beschaffung verordneter Heilmittel (Brillen, Bandagen, Medikamente)
übergeht, sagt er: „Als weitere Konsequenz der Untersuchungen stellt
sich die Notwendigkeit heraus, die kränklich befundenen Kinder im Auge
zn behalten, eventuell nachzuuntersuchen, bis das Übel, soweit möglich,
behoben bezw. gebessert ist.** Ganz richtig und zugegeben! Aber dennoch
ist mir unverständlich, wie durch Untersuchungen, und mögen sie noch
so oft angestellt werden, eine Besserung oder Heilung zu ermöglichen ist.
Nur Behandlung kann hier zum Ziele führen. Diese aber ist nicht überall
oder, sagen wir besser, nicht einmal in den meisten Fällen, soweit es sich
um die Volksschule handelt, auf dem Wege privater Ärztefürsorge durch-
zuführen, und ich stehe nicht an zu behaupten, dais die hygienischen Be-
strebungen zugunsten der Schuljugend erst dann beginnen, namhaftere
Aulsere Erfolge zu zeitigen, wenn die notorisch armen und verwahrlosten
Kinder, welche infolge ihrer Wohnungs- und Familienverhältnisse wohl
auch die grölsten „Infektionsträger" darstellen dürften, in Zukunft einer
19*
184 714:
frthzeitigen Behaadlnng entgegengefttbrt werden. Armenarzt nnd Annen—
fttrsorge reichen hier nicht ans. Dem Schularzt mnfs vielmehr die
Möglichkeit geschaffen werden, fflr arme Schulkinder flberall
da behandelnd t&tig zn sein, wo auf anderem Wege eine
Behandlung nicht durchzusetzen, und es mflfsten die Mittel
fflr etwa erforderliche Verordnungen auf irgendeinem We^e
unentgeltlich bereit gestellt werden. Vor allem käme hier na-
türlich in Betracht: ambulante Behandlung und die Möglichkeit erleichterter
oder direkter Überweisung an die Krankenanstalten zu unentgeltlicher Be-
handlung. Hierdurch wflrde manche Infektionsquelle, die unter den der-
zeitigen Verhältnissen lustig weiter sprudelt, versiegen und es wflrde neben
dem hygienischen Zwecke auch fflr die Volksschule das soziale Gut er-
wachsen, dalis dem stets sich mehrenden Fortzug der besseren Elemente
Einhült getan und so das Niveau der Volksschule möglichst vor den»
Sinken bewahrt bliebe. Alle anderen Wege aber ?rflrden verfehlt sein^
zumal der Hinweis auf Polikliniken und unentgeltliche Spezialisten-Behand-
lung wflrde die berechtigte Kritik namentlich seitens des Ärztestandes
herausfordern.
Unter diesem Gesichtswinkel gewinnt auch eine andere Frage, welche
bereits vielfach diskutiert wurde, eine andere Bedeutung, ich meine die
Frage nach der Anstellung besonderer Spezialisten insbesondere zunächst
der Schul-Augen&rzte.
Wie H. GoHH z. Z. mit seiner Forderung der Schulärzte immer und
immer wieder auf dem Plane war, so fordert er jetzt mit aller Entschieden-
heit den Schul-Augenarzt. Und mit Recht! schon aus dem Grunde, weil
die Augenerkrankungen mit das gröbte Kontingent unter allen Schul-
etkranknngen stellen. Das Bedflrfhis, fflr die Gesundung der Augen der
lernenden Jugend zu sorgen, ist ein grofses, ebenso grols sind die Be-
strebungen, Abhilfe zu schaffen. Aber H. CoHN gesteht selbst, dafs trotz
m^t Verbesserung der Lichtverhältnisse durch Photometrie, trotz aller
Verbesserungen der Schulbank und der Druckschrift ein Zurflckgehen der
Refraktionsanomalien nicht stattgefunden hat. Das gibt doch in der Tat
zu denken und beweist, dafs unsere bisherige Ffirsorge fär die Augen noch
nicht als eine genflgende zu bezeichnen ist. Es ist nun leicht zu ersehen,
dtBs die flblichen Massenuntersuchungen mittels GoHNscher Gabel, Het-
liAKNscher Sehtafel usw. wesentlich nur auf die Bestimmung der Sehschärfe
hinaüskufen, ohne Rflcksicht auf den Grad der Kurzsichtigkeit, Weitsichtig-
keit oder gar der komplizierteren Verhältnisse des Astigmatismus; und
letzteres ist doch das ungleich wichtigere. Die darauf folgende Benachrich-
tigung der Eltern hat den Effekt, dafs eine gewisse Anzahl den Augenarzt
zu Rate zieht. Ich selbst aber kann bezeugen, dafs eine ganze Reihe
nach wiederholten Ermahnungen und der Aufforderung, im Falle des Un-
vermögens, auf dem Wege der Armenunterstfltzung fflr geeignete Abhilfe
(durch Gläser usw.) zu sorgen, mit oft schweren Formen von Äugen-
anömalien sich weiter quäleti mufs. Also der Schul-Augenarzt ist nötig.
Aber auch hier bleibt bestehen, was ich oben bereits entwickelte, es mufs
däfflr gesorgt werden, dafs derselbe Erkrankungen nicht nur feststeUt, denn
damit sind wir erst den halben Weg gegangen, sondern auch da, wo es
715 186
not tut, YerordnuDgen trifft, und dafs fQr die Beschaffong der erforder-
lichen Heilmittel Sorge getragen wird.
Dals natürlich Eantelen geschaffen werden müssen, um Mifsbr&uchen
Torznbengen, bedarf nnr der Erwähnung, und es liegt kein Grund vor, an
der relativen Leichtigkeit dieser Aufgabe zu zweifeln.
Sollen die schulärztlichen Untersuchungen und Anordnungen ungestört
und exakt vorgenommen werden können, so rnufs dem Arzte ein hierzu
geeigneter Baum zur Verfügung stehen. Häusliche Untersuchungen sind
zu vermeiden, damit der Schein jeder privatärztlichen Tätigkeit vermieden
wird. Wenn man aber die herrlichen Schulneubauten und -Paläste be-
trachtet und mit innerer Freude sieht, wie dieselben von Jahr zu Jahr an
ftuCserer Formschönheit und innerer Vervollkommnung fortschreiten, so
darf doch auch wohl die angeborene Bescheidenheit des Arztes einmal die
Frage wagen : Sollten denn von all den geräumigen mächtigen Hallen nicht
ein paar Quadratmeter Luft und Raum fftr ein einfach und zweckmälsig
herzurichtendes ärztliches Sprech- und üntersuchungskabinett zu erQbrigen
sein? Man sollte meinen: diese Frage stellen, hielse, sie beantworten.
Durch Einrichtung eines solchen Raumes müfsten die Untersuchungen an
Genauigkeit und Schärfe bedeutend gewinnen, kleinere, nötig erscheinende
ärztliche Verrichtungen könnten sozusagen unter der Hand ohne Auf-
bietung eines grölseren Apparates erledigt werden; „der Schulunterricht
endlich würde vor mannigfachen, zurzeit nicht zu vermeidenden Störungen
bewährt sein.''
)leferate uhh ttett nf^mtnt fc^ttlat^tlif^e 3a^tesbtru^te.
In dem soeben erschieneüen Verwaltungsbericht der Stadt ^ülhausen
i. Eis. werden wertvolle Mitteilungen über die Tätigkeit der daselbst seit
19Ö3 eingeführten Schulärzte gemacht, ^ir entnehmen diesem Berichte
folgendes:
Käch der Dienstordnung müssien alle neu in die Schule eintretenden
Kinder in den ersten zwei bis drei Tagen einer Erstuntersuchung unter-
zogen werden. Dabei wurden im ganzen 43 Kinder (14 Knaben und
29 Mädchen) wegen körperlicher und meist auch geistiger Unreife auf ein
Jahr zurückgestellt. Es ist interessant, die Zahlen mit denen anderer Städte
zu vergleichen, die ebenfalls eine ErstuntersuchuDg vornehmen. Für die
Erstuntersuchten ergab sich dabei folgende Verteilung auf die Qualitäten
in Prozenten aller Kinder:
Gut Mittelgut Schlecht
FrÄhkfurt a. M. (1902). . . . S6.Ö 57,2 5,9
Breslau (1902) 45,3 48,0 6,7
Chemnitz (1902/03) 25,4 69,1 5,5
Brunn (1902/03) 6Ö,6 29,5 0,9
Äülhäusen (1903A)4) 4S,4 30,8 25,8
186 716
Die Benrteilang ist sicher nicht so Terschieden, da(s die schlechteit
Konstitutionen zwischen 5,9 Vo nnd 25,8 % schwanken. Der grobe unter-
schied Mülhansens gegen die anderen Städte liegt wohl hauptsächlich an
der anderen Klassißziemng in kräftige, mittelkräftige nnd schwächliche
Kinder. Unter „schwächlich* lassen sich eben noch viele Konstitutionen
unterbringen, die durchaus noch nicht schlecht sind.
Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchungen in Mülhausen sind die
genaueren Untersuchungen der SchQler auf ihre allgemeine Körperkonstitntion.
Es ergab sich, dafs unter 100
kräftige mittelkräftige schwächliche
Knaben 43,8 34,2 22,0
Mädchen 32,7 44,5 22,8
waren. Dabei wurden von den 13 Schulärzten 8440 Schulkinder, und
zwar 4404 Mädchen und 4036 Knaben untersucht. — Bemerkenswerte
Unterschiede ergaben sich nun, wenn man die Zahlen nach Jahrgängen
ordnet. Dann ergibt sich die folgende kleine Aufstellung:
Knaben
Mädchen
kräftig
mittelkr.
scbwftchl.
kräftig
mittelkr.
schw&chL
l. Jahrgang 46,8
28,9
24,8
39,9
32,9
27,3
2. „ 45.7
30,9
23,4
35.2
36,0
28,8
3. „ 39.9
38,2
21,9
34.7
36,9
29,4
4. „ 33,4
40,0
26,6
29,3
60,0
20,7
5. „ 39,5
45,2
15,3
26,6
59,4
14,0
6. „ 58,0
25,2
16,8
28,9
57,2
13,9
7. „ 53,9
41,0
5,1
19,0
76,1
4,9
Im Laufe der Schulzeit zeigt sich also bei den Knaben eine leichte
Zunahme der kräftigen Konstitutionen, während bei den Mädchen eine
stetige Abnahme zn bemerken ist. Die mittelkräftigen Konstitutionen er-
fahren bei den Knaben nur eine sehr geringfügige Zunahme, bei den Mädchen
dagegen eine aufserordentlich starke (von 32,7 bis auf 76,0%); die
schwächlichen Konstitutionen bleiben sich in den ersten vier Jahrgängen
gleich, in den letzten drei Jahrgängen nehmen sie stetig bis auf 5 % >!>•
Dafs die mittelkräftigen Konstitntionen bei den Mädchen eine so erhebliche
Steigerung erfahren, während die kräftigen in ungefähr demselben Mause
abnehmen, dafs diese Verhältnisse bei den Knaben ungleich gOnstiger sind,
ist wahrscheinlich auf den Umstand zurückzufahren, dais die Knaben durch
Turnen, Schwimmen und Bewegung in freier Luft die normale Kräftigung
des jugendlichen Körpers erhalten, während bei den Mädchen keine Para-
lysiemng der in der Schnlluft verbrachten Stunden durch die genannten
Momente eintritt, im Gegenteil eine Summe neuer schädlicher Faktoren
hinzukommt durch Verwendung zu häuslichen Arbeiten, Handarbeit, Beauf-
sichtigung jüngerer Geschwister u. a. m.
Schon bei den Körpermessungen der Kinder fiel die außerordentlich
geringe Bmstweite der Mädchen und die anfserordentlich geringe Fähigkeit,
durch tiefes Einatmen den Brustkorb auszudehnen, auf. Aus dieser Kenntrüs
wird für die Schulhygiene seitens des Obmannes der Mülhansener Schul-
ärzte gefordert, dafs die Mädchen zu obligatorischem Turn- nnd
Schwimmunterricht und zn Jugendspielen angehalten werden.
717 187
Die Tätigkeit der Schulärzte erstreckt sich aach darauf, erkrankte
Kinder den Eltern zur ärztlichen Behandlung zu empfehlen; die Behandlung
selbst ist nicht Sache des Schularztes. Die Untersuchung geschieht in be-
sonderen Sprechstunden im Bureau eines Lehrers oder des Schulleiters. Um
einen Überblick zu geben, in welchem Malse im Laufe der Schulzeit die
Erkrankungsquote schwankt, sei sie nach einzelnen Jahrgängen aufgeführt.
Zur ärztlichen Behandlung wurden empfohlen ina
Knaben Mädchen
1. Jahrgang 27.9 % 37,3 %
2. » 33,9 „ 36,2 „
3. „ 34,8 „ 38,5 „
4. n 65,4 „ 50,0 ,
6. n 45,7 „ 45,7 „
6. „ 40,4 „ 57,1 „
7. „ 28,2 „ 91,8 „
Daraus geht hervor, dals bei den Mädchen eine allmähliche Steigerung
der Erkrankungsziffer stattfindet, die der allmählichen Abnahme der kräftigen
und der allmählichen Zunahme der mittelkrftftigen Konstitutionen entspricht,
während umgekehrt bei den Knaben, entsprechend der Zunahme der kräftigen
Konstitationen, gegen das Ende der Schulzeit ein Sinken der Erkrankungs-
ziffer stattfindet. — Leider werden die Empfehlungen zur ärztlichen Be-
handlung nur in geringem Mafee befolgt; im höchsten Falle wurde
(I.Jahrgang) in 38 % der Empfehlungen nachgekommen. Ursache dieses ist
wohl meist Zeitmangel der Eltern. Überhaupt ist interessant, dafs sich die
zu Anfang erwartete Opposition seitens der Eltern gegenüber
den schulärztlichen Untersuchungen nirgends gezeigt hat.
Kein Kind wurde in Molhausen der Untersuchung entzogen, während in
Frankfurt a. M. sich im zweiten Jahre des schulärztlichen Dienstes noch
28 Kinder der schulärztlichen Erstuntersuchung entzogen haben. In Fällen,
in denen eine RQcksprache mit den Eltern erforderlich schien, smd die
Htltter meist mit grofser Bereitwilligkeit der Aufforderung gefolgt.
Der Schularzt der Stadt Ems, Dr. Ernst, erstattete den städtischen
Behörden jtlngst tiber seine einjährige Tätigkeit einen eingehenden Bericht,
dem wir folgendes entnehmen: Der Schularzt besuchte sämtliche Schul-
klassen der drei hiesigen Volksschulen, 18 an der Zahl, im Laufe des
Schuljahres dreimal, wobei er von den Lehrern zuerst auf die Schtller
anfmerksam gemacht wurde, bei denen besondere Gebrechen zutage
trat^. 106 solcher Kinder wurden zu einer besonderen Untersuchung
in das Sprechzimmer des Arztes beschieden, wobei Blutarmut, Skrophulose,
Wucherungen im Nasenrachenraum und Störungen an Auge und Gehör
festgestellt wurden. 27 Kinder wurden auf Veranlassung des Schularztes
von einem Spezialangenarzt untersucht, der 6 Kindern das ständige Tragen
von BriUen empfahl und bei 6 anderen AugenentzQndung feststellte. Von
den neu aufgenommenen Schtilem, 130 an der Zahl, wurden 115 vom
Schularzt, 15 von ihrem Hausarzt untersucht. 5 Kinder mnfsten auf
Grund des Befundes der ärztlichen Untersuchung auf ein Jahr vom Schul-
besuch zurückgesteUt werden. Bei 72 Kindern war die allgemeine Körper-
188 718
konstitation gnt, bei 44 mittelmäTsig and bei 14 scUecbt. 13,84% litten an
Erkrankungen des Mundes, der Nase und des Halses, 13,07 % an Er-
krankung der Wirbels&nle, 10% ^ schlecbtem Seh- oder HOrrermOgen
und 8,46% an Hauterkrankungen. Im März wurde mit den ans der
Schule abgehenden SchQlem hinsichtlich ihrer Berufswahl in der Klasse
Rücksprache genommen, wobei in zwei Fftllen die Eltern veranlaist wurden,
noch einmal mit ihrem Hausarzte Rflcksprache zu nehmen, bevor das Kind
den gewünschten Beruf ergreife. Der Bericht betont ausdrücklich, da(s
der Gesundheitszustand und die Reinlichkeit der Kinder durchaus gat
waren und die hygienischen Einrichtungen ausreichend sind. Warm
empfohlen wird das Turnen im Winter und das Baden und Schwimmen
im Sommer, wenigstens für die Oberidassen der Knaben und Müdeben.
Sehulärztliehe VerwaUungs- und Jahresberichte.
IXejemgen Herren Sehulärzie bezw. Obmänner MekulärzÜicker Kollegien
des In' und ÄvuiandeSp deren VerwaUungsbehärde einen regeUnäengen
gedruMen sehulärzOiehen VerwaUungsberieht oder Jahresberiehi heraus^
ffibU werden ergebenst gebeten^ ihre Adressen dem ünierzekiineten mit^
ziMlen.
Der UnierzeUhnete wird diese Adressen in einer laufendfortgefökrtem
Uete vereinigen und in der Zmledkrift für SdiulgesundheUapJlege periodis^
eur VerSffenOidiung bringen. Es kann dann nach dieser liste der Aißs-
iauseh von Berichten tufisdien den einzelnen Herausgebern regelmässig
erfolgen. Bei der WidiiigkeU, welche ein solcher gegenseitiger und regd-
massiger Austausch für die einheittidie Entwicklung des sehulärzüiehen
Dienstes hat, durfte eine recht rege Teilnahme sehr erwünsM sein.
Dr. OEBBECKE,
Stedtarxt,
BRESLAU, Bureau: Nikolaistadtgraben 25.
Jtttfillrift fii Si|itil(|ffxii)i||(lt0|ifle9(.
XVIIL Jahrgang. 1905. No. 11.
•ri)iiialab^iiMiiii)ett.
Anthropometrische UntenmchniigeiL
an gesunden nnd kranken Kindern mit besonderer Berftck-
sichtignng des schnlpflichtigen Alters.
Von
Dr. Otto RANKE-Manchen.
Die Arbeit, deren Resnltate hier rorliegen, wurde yeranlalst
doroh eine von der Kieler medizinischen Faknltät für das Studien-
jahr 1902/3 aufgestellte Preisaufgabe, in welcher nach dem Wachstum
des kindlichen Kopfes im Verhältnis zum übrigen Körper gefragt
war. Dieae Aufgabe bezweckte den Versuch, aus einer möglichst
grofsen Anzahl ron Messungen eine Grundlage für Be-
urteilung beginnender Hydrokephalien zu gewinnen.
Der exakteste Weg, diese Frage zu beantworten, wäre un-
zweifelhaft: durch Jahre hindurch häufig wiederholte Messung der
gleichen, möglichst zahlreichen Individuen die allmähliche Ent-
wicklung des Körpers und speziell des Kopfes zu verfolgen, und
aus den normalen Indiyidualkuryen ideale Mittelmabe abzuleiten.
Für unsere Arbeit kam als alleinige Methode die statistische in
Frage: aus einer Menge von Einzelmessungen an verschiedenen
Individuen waren die Mittelzahlen der einzelnen Maise im be-
stimmten Alter zu berechnen, aus den beobachteten normalen
maximalen und minimalen Gröüsen ihre Schwankungsbreite zu
bestimmen, diese etwa noch durch Vergleich mit zweifellos patho-
logischen Malsen zu illustrieren, und endlich durch Untersuchung
mehrerer Kinder der gleichen Familien dem in der Entwicklung
des einzelnen nicht unwichtigen familiären Faktor, soweit möglich,
Bechnung zu tragen.
SeholffaiiiiidlieiUpflege. XVIII. 38
720
Bei diesem Vorgehen liefeen sich Besiütate erwarten, welclie
zur Orientiemng über die gestellte Frage beitragen, daneben aber
auch über manche andere, yomehmlioh den Pädiater und Pftdago^n
interessierende Pnnkte Aufschlüsse oder doch wenigstens Andentungon
zu geben vermochten.
Vor Mitteilung der eigenen Methode und ihrer Resultate erscheint
es zweckmä&ig, die umfftngliche, für die Frage des menschlichen
Wachstums in Betracht kommende Literatur kurz zu besprechen.
Als meist genannter Autor auf diesem Gebiete, der sich ebenso, wie
später QuBTiELBT in Belgien, nicht — wie manche frühere Autoren —
auf die Entwicklung der Eörperlänge beschränkte, sondern über die ver-
schiedeiisten Mafse, speziell auch des horizontalen Kopfumfiuiges ausführlich
AufBchlufs gibt, erscheint fraglos der Wiener Lihakzik.^
Nicht nur nach seiner eigenen Meinung ist das yon ihm aul^estellte
„Wachstümsgesetz ** überaus wichtig und wertvoll, sondern wir finden die
nach dem Schema seines Gesetzes berechneten Zahlen auch in Baginskts
„Lehrbuch der Einderkrankheiten''*, in Vibrordts „TabeUen**', in
F. ScHULTZBs Monographie über die Krankheiten der Hirnhäute und die
Hydrokephalie>
Eine Skizziemng des weittragenden LiHARZiKschen Gesetzes, welches
nach der Meinnng seines Urhebers ermüglicht, die menschliche Gestalt zu
jeder Zeit ihrer Entwicklung mathematisch zu konstruieren, dürfte deshalb
einige Teilnahme beanspruchen. Auf Grund einer grolsen Anzahl von
Messungen kommt Liharzik zu folgenden Resultaten : Das Wachstum der
sämtlichen^ Körpermafse des Menschen findet in einer arithmetischen Pro-
gression der Zeit derart statt, dails die nach Ablauf des ersten Sonnenmonats post
partum erfolgte Wachstumszunahme znerst nach zwei, dann nach drei, ^ier,
fftnf und sechs Monaten wieder erreicht wird. Diese ersten sechs Zeit-
perioden werden als erste Epoche des Wachstums bezeichnet; auf jeder
Stufe dieser ersten Epoche vergröfsert sich z. B. die Kopfperipherie um
2,5, die Körperlänge um 7,5 cm, so dafs jene mit Ablauf des 21. Monats
eine Gesamtzunahme von 15, diese von 45 cm erfahren hat. Mit Beginn
^ Dm Geaeti des menvchliohen Waohttanu und der unter der Norm
curückgebliebene Brustkorb als die erste and wichtigste Ursache der Baohitis,
Skrofalose and Tuberkulose. Wien 1858.
« 7. Auflage, 1902 (S. 18-20).
' H. ViBBORDT, Anatomische, physiologische und physikalische Tabellen
tum Gebrauche für Medianer. 1893.
* In NoTEHAOBLs spcsleller Pathologie und Therapie, IX, 1901.
' In seinem oben genannten Werke beschrankt Loiarkik sich auf Körper^
Ifinge, Kopfumfang und Brustumfang; in einer späteren, weit greiseren Arbeit
(Das Gesets des Wachstums und der Bau des Menschen. Die Proportionslehre
aller menschlicher Körperteile für jedes Alter und beide Geschlechter. Wien
1862) aber yerallgemeinert er sein „Gesetz*' bedeutend, geht sogar weit über die
Verhältnisse des menschlichen Wachstums hinaus.
721
der debenten Zeitperiode, welche sieben Monate, also vom 22. bis zum
28. Lebensmonat währt, nimmt eine zweite Epoche ihren Anfang, welche
in gleicher arithmetischer Progression der Zeiträume, aber mit kleineren
Schritten — fftr die Kopfperipherie beträgt von hier ab die Znnahme in
jeder Periode nor ^Vs«, fflr die Körperlänge 5 cm — das Wachstum zum
Ende fährt. Der Abschluls der Körperentwicklnng wird nach Liharzik
am SchluDs der 23. Periode, also nach 276 Monaten erreicht.
Die durchaus willkOrliche, dem „Gesetz^ zu liebe angenommene
Wachstomsbeendignng nach 276 Monaten Yeranlafst den spekulaÜTen Autor,
schon im ersten Werk sein Gesetz in einer bestimmten Richtung zu er-
weitem. Er schreibt: „. . Jeder Schwangerschaftskalender gibt die Dauer
der menschlichen Inkubationsperiode auf beiläufig 40 Wochen oder 280 Tage
an, wobei stets bemerkt ist, dals zu dieser wahrscheinlichen Frist einige
Tage hinzukommen oder auch fehlen können, kurz, dafs die Dauer bis
jetzt nidit genau auf einen Tag bestimmbar sei. Es lag daher sehr
nahe, in der Zahl 276 ebenso viele Tage des Wachstums am Foetus zu
erblicken, als dasselbe in Monaten nach der Geburt beträgt; und sohin
ma&te auch die Idee gegeben sein, ob nicht hier dasselbe Gesetz nach
gleicher Progression in Tagen verläuft, das nach der Geburt in gleich
viel Monaten seiner Entwicklung zueilf
Die Richtigkeit dieser Überlegung findet Liharzik denn auch durch
einige Messungen an Frühgeburten und abortierten Eiern mit größer
Wahrscheinlichkeit, und zwar werden die 23 Perioden der fötalen Wachstums-
seit wieder in zwei Epochen geteilt, von denen die erste 17 (vom 1. bis
153. Tag), die zweite aber nur 6 Perioden (154. bis 276. Tag) um&lst,
diese mit einem periodenweisen Wachstum von 5 cm fflr die Kopfperipherie,
während fflr jene die Zunahme in jeder Periode so gefunden wird, da&
man die mit Abschluls der 17. Periode erreichte berechnete Zahl durch
17 dividiert
•Mit vortrefflicher Konsequenz wird uns nach diesen Bemerkungen in
der „Tabelle F*' (S. 118) mitgeteilt, dab die Kopfperipherie des Neu-
geborenen von 34 cm am ersten Tage nach der Konzeption Vn
die des Neugeborenen von 37 cm dagegen Vn cm betragen habe usw.!
In seinem zweiten Werke treibt die Gesetzesfreude des Dr. Liharzik
noch buntere Blüten. Es wird hier das seit seiner ersten Veröffentlichung
ein wenig umgeänderte Gesetz auf das Wachstum fast jedes einzelnen
menschlichen KOrpergliedes angewandt; es vrird fttr mathematische Kon-
strnktion der menschlichen Gestalt zu jeder Zeit ihrer Entwicklung benutzt;
in einem die Quintessenz des recht unhandlichen Werkes enthaltenden
„Prospectus"^ wird kurz seine gewaltige, allumfassende Bedeutung
folgendermafsen charakterisiert ^: „• . . Das Gesetz des menschlichen Wachs-
tums erhält (aber) noch eine bei weitem grODsere Tragweite, wenn man
weUs, dails alles Wachstum, ja, die Entstehung alle Dinge, diesem einen
Gesetze untergeordnet sind. So haben, um nur ein Beispiel anzuführen,
12000 binnen zwei Jahren an verschiedenen Obstgattungen, und zwar von
*• Dum Geseii des Wachstums und der Bau des Menschen. Prospectat.
Wien, 1862 (S. 5 o. 6).
38*
722
der Blfltezeit bis znr vollen Reife, fortgesetzte Messungen nswiderl^^iiGi»
bewiesen, dafs bei der Aprikose die Daner ibrer ersten Wachstamsepoehe
nacb abge&llenem Kelche sechs Stunden betrftgt, mitbin ihre ganze Wads-
tmnsdaner 6X300^=1800 Stunden oder 75 Tage nmfttlst. Bei der
Pfirsiche beträgt die erste Epoche nenn Stunden nnd beim s(^. Winter-
obst, wie z. B. bei der Isenbartbime, 13 Stunden. — Ebenso haben die
dnrcb zwei Jahre an beiläufig 20 neugeworfenen Kälbern fortgesetztoi
wöchentlichen Messungen unbestreitbar dargetan, da(s das Wachstum des
Rindes demselben Gesetze folge, nur mit dem unterschiede, dafe bd ihsa
die erste Wachstumsepoche vier Tage beträgt, dafs es daher 4 X 300 =
1200 Tage = S Jahre 15 Wochen zu seinem vollen Wachstum brandit^
Und noch nicht genug: „. . . Dieses wahrhaft universale Gesetz erlangt
endlich dadurch eine unabsehbare Bedeutung, dafe in ihm der Urquell aDer
menschlichen Erkenntnis, unseres gesamten Wissens zu suchen ist.** Aus
einem Werke J. G. Rohdbs über die religiöse Bildung, Mythologie und
Philosophie der Hindus labt sich nämlich „unwiderleglich" nachweisen, ,dals
das in Rede stehende Gesetz, und zwar in seiner gegenwärtigen Fom,
bereits vor mehr als 3000 Jahren bekannt gewesen sein mufste.** Ihm ver-
danken wir unsere ganze Zeitrechnung: Jahres- und Tageseinteilung, di&
Teilung des Tierkreises in seine zwölf Zeichen, die Fonfzahl der Planeten
und noch manches andere!
Es wäre sehr verlockend, ein wenig auf die Kritik und historisdie
Würdigung dieser fast zügellos erscheinenden Phantasien einzugehen, um
so mehr, als uns ans neuester Zeit ein umfängliches Werk* vorliegt, das
an Oberschätzung, ja völliger Yerkennnng der Zahl und ihrer Bedeutung
den LlHARZiKschen Ausführungen durchaus ebenbürtig zur Seite steht;
doch liegt eine solche Abschweifung allzu sehr abseits der in den folgenden
Mitteilungen gesteckten Ziele.
Es mag daher genügen, hier nachdrücklich darauf hinzuweisen, da&
Vär dem LlHARZiKschen ^Wachstumsgesetze*', dem sein Erfinder (resp.
^fWiederentdecker*") eine so überaus grofse Bedeutung zumafs, jede Fähig-
keit absprechen müssen für die Lösung seiner eigentlichen Aufgabe : Über
die Entwicklung des menschlichen Körpers einigermaßen exakten Aufschluß
zu geben, — dies um so mehr, da uns bei Lihabzik schlie(slich über-
haupt keine gemessenen, sondern nur noch nach dem „Gesetze" be-
rechnete Zahlen begegnen, dieselben, welche wir in den oben angeführten
neueren medizinischen Werken wiederfinden.
Die Frage des menschlichen Wachstums fand in neuerer Zeit toa
medizinischer und anthropologischer Seite mehrfach und an verschiedenen
Orten eingehende Bearbeitung.
t Ein Unterschied des hier auigeföhrten von dem 1858 mitgeteilten Geeetae
ist der Abschlaft des Wachstums nach 24 (anstatt nach 23) Perioden, fSr den
Menschen also nach 300 Monaten. Ob uns damit die Anwex^dong des Geaetses
auf die Bmbryonalentwicklnng, z. B. anf den Kopfnmfimg des einen Tag alten
Eies, verloren geht, ist nicht gesagt.
* Vergl. K. WrincBv: Der Anfbaa der Form beim natürlichen Werden
nnd künstlerischen Schafien. Dresden 1904.
723
Fflr die Körperlänge kommen vornehmlich in Betracht: die Unter-
«nchongen yon Eotblmann in HamburgS von Sohmid-Monnard in
Halle a. S.', von Ebismann in Moskau', von Sack in Moskau^ sowie die
ansfflhrliche Arbeit von E. SoHlflDT-Leipäg,^ deren an einem Material von
4nrchscbnittlich je 1173 Kindern vom 7. bis zum 15. Lebensjahre ge^
wonnene Resultate mit denen deutscher und auswärtiger Untersucher in
Freibeig (Geisslbr und Uhlits^oh), Gohlis (£. Hasse), Posen (Lands-
BBBeER), Breslau (CarstAdt), Boston (Bowditch), England (Ch. Roberts),
Skandinavien (A. Hertbl) und Turin (Pagliani) verglichen sind. Endlich
wäre der Aufsatz von E. RiBTZ über das Wachstum Berliner Kinder während
4er Scbu^ahre* zu nennen, auf den im folgenden noch gelegentlich kurz
2urQckgekommen werden soll.
Über das Wachstum des kindlichen Kopfes liegen aufser den kranio-
logischen Mitteilungen von Weloeer^ und F. Birkner® ein paar ein-
gehende Arbeiten von JoH. LüOAE* und F. Reüter^® vor; erstere von
besonderem Interesse, da sie über jährlich (durch fttnf Jahre) angesteHte
Messungen an den Köpfen von 560 Kindern (Knaben) berichtet, letztere
gleich ausführlich die verschiedenen Malse des Körpers und des Kopfes be-
rücksichtigend. Femer finden sich eine Menge interessanter Mitteilungen
in der anthropologischen Studie von F. Daffner über das Wachstum des
Menschen ^\ von speziellem Interesse für die hier gestellte Frage, weil sie
Tergleichende Mitteilungen über Körpergröfse und Kopfumfang nebst Dis-
kussion der beobachteten Maxima und Minima bringt. Endlich ist die
Dissertation von J. BonnifaT: Du d^veloppement de la t^te au point de
vne de la c6phalom6trie depuis la naissance jusqu'ä Tage adulte^* zu nennen,
welche an der Hand eines nicht unbedeutenden Materials besonders ein-
gehend die Wachstumsverhaltnisse von Kopf und Körper während der
ersten Lebensjahre behandelt.*'
^ ZetiKhrift des kgl preufs, Statist Bureaus, 1879.
' Korrespondenzhlatt der Deutschen anthropologischen Gesellschaft^ 1900
in und 12).
' Arch. f. soziale Gesetegehung u. Statistik, 1889.
« Diese Zeitschrift, 1893, Nr. 12.
* Archiv für Anthropologie, XXI, 12 (1892, 1893).
* Archiv für Anthropologie, Bd. I (Neue Folge), Heft 1 (1903).
^ Untersuchungen über Wachstum und Bau des menschlichen Schädels.
I. Teil. Leipzig 1862.
* Über die sogenannten Azteken. Arehm für Anthropologie, Bd. 25 (1895).
* Bin Beitrag zum Wachsen des Kinderkopfes vom 8.-14. Leben^ahre.
In der Festschrift cur 13. Jahresversammlang der Deutschen anthropologischen
-Oesellsohafi zu Frankfurt a. M., 1882.
'« Archiv für Anthropologie, Bd. 28 (1902).
^^ Leipdg 1902 (zweite Auflage).
" 'mse de Lyon, 1897.
'' Vergl, L. d'Astbos: Les hydrocephalies. Paris 1898.
724
Meine eigeiien, im folgenden mitgeteilten Resultate beruhen vd
HeBsnngen, welche im Sommer und Herbst 1902 an 2509 gesnnden
und 298 kranken £andem ausgeführt worden sind. Elrstere habe ich
gemessen: in der geburtshilflichen Ellinik zu Kiel, in Krippen and
Warteschulen Kiels und Lübecks, in der Schule des Dorfes Wik
hei Kiel (Knaben und Mädchen), sowie in je zwei Volkaschnlen
Kiels undLübecks. Letztere wurden untersucht in den Hilfsschulen
iKiels und Lübecks (imbezille, in letzterer daneben auch Taub-
stumme), in den Alsterdorfer Idiotenanstalten bei Hamburg,
und einzelne jugendliche Patienten der medizinischen, eUrurgisehen
und psychiatrischen Klinik zu Kiel.
Bei der Au&tellung eines Messungsschemas leitete mich folgende
Überlegung: Mit alleiniger Untersuchung der ganzen Körperlfinge
und des horizontalen Kopfumfanges, welche beiden Mabe offimbsr
die grOüste Bedeutung für die gestellte Frage beaniipniehen, lasna
sich Resultate von einiger Tragweite nicht erwarten ; yielmehr müsi^
diese beiden komplizierten Gröfsen in ihre Faktoren zerlegt werdeo.
Als solche ergaben sich nach den bei den Anthropologen gebr&ndi-
liehen Bezeichnungen : ^
für die Körperlftnge:
1. die Kopfhalslflnge (rom Scheitel bis zum siebenten Hals-
wirbel),
2. die Rumpf länge (rom siebenten Halswirbel bis zu den Tubeia
ischiad.)
3. die Beinlänge;
für den horizontalen Kopf umfang:^
1. der sagittale Umfang (vom Tuber occipitale zur Glabella),
2. der transyersale Umfang (von der stärksten Srhebung der
Linea temporalis der einen zur gleichen Stelle dar anderea
Seite),
3. der grölste sagittale Durchmesser,
4. der grölste transversale Durchmesser.
Zur Yervollständigung wurde neben dem Alter und G^aohlecht
der Kinder der Geburtsort sowie die Farbe der Haare und Augea
vermerkt, auch wurde, soweit es möglich und von Luterefiee war»
angegeben :
^ Becüglich der bei diesen üntenaohungen angewandten Technik veifL
meinen Aufsatz : Beiträge zur Frage des kindlichen Wachstums, im Afth» fir
Änihropoloffie, Nene Folge, Bd. III, Heft 3 (1905).
' Als Ganzes gemessen vom Taber ocdpitale zn den Tabera firontaha.
726
Die Herknnft der beiden Eltern,
Frohere Krankheiten nnd Intelligenzznstand des Kindes,
Beginn des G-ehens nnd Sprechens,
G-esohlecht nnd Sohnlklasse der eventuellen Gresohwister in der
gleichen Anstalt, der entsprechenden Parallelsohnle oder der
Hilfsschule am gleichen Orte.
Endlich wnrde ans den gemessenen Zahlen berechnet:
Bei jedem Kinde:
Der Lftngenbreitenindez des Kopfes (Kopfbreite br in % der
Kopflänge 1 ansgedrückt, z ),
das prozentuale Verhältnis des horizontalen Kopfnmfanges zur ganzen
das gleiche Verhältnis des Horizontalnm£Btnges zur Rumpflänge
(s „Bumpfkopfindez^);
aus den für die einzelnen Jahre berechneten Mitttelzahlen
Yon Körperlänge und Bumpf länge das prozentuale Verhältnis yon
dieser zu jener („Bumpfindez"),
ebenso das prozentuale Verhältnis der Beinlänge zur Körperlänge
(„Beinindex'').
Aus den nach diesem Schema an gesunden und kranken Blindem
gemessenen Zahlen und aus den yerschiedenen angegebenen Indizes
lassen sich einige nicht ganz uninteressante Besultate ableiten, die
wir kurz betrachten müssen, ehe wir uns ein wenig eingehender mit
der Frage des Hydrokephalus beschäftigen.
Bezüglich des Wachstums unserer £ander können wir bei fast
allen Mafsen mehrere Perioden — wenn auch nicht im Sinne des
LlHARZiKschen Gesetzes I — deutlich unterscheiden.
Bei beiden Geschlechtem folgt auf die enorme Zunahme während
der ersten Jahre nach der Geburt, welche z. B. fär die Körperlänge
im zweiten Jahre beinahe 30% der durchschnittlichen Grölse des
Neugeborenen beträgt (rergl. unten S. 734 u. 736, Tabelle I u. II, Lk), ein
starker Ab£EtlI,der bei denKopftnalsen sidii stets im dritten, bei deuKörper-
malsen der Knaben im vierten, der Mädchen im dritten bis fünften
Jahre einstellt. Nach einigen Jahren geringer Zunahme finden wir
dannim sechsten Lebensjahre (für alle MaÜ9e des Körpers und Kopfes)
bei den Mädchen einen neuen, energischen Antrieb. Bei den Knaben
ist er nicht annähernd so deutlich, tritt etwa zwei Jahre später ein
und scheint sich auf zwei bis drei Jahre zu verteilen. Ofifenbar
726
haben wir es hier mit der Ersoheinang zu tun, welche Stbatx^ als
„erste Streckung'' nach der „Zeit der ersten Falle" beaeichiLet.
Sonst fand ich sie in der anthropologischen Literatur nicht erwähnt,
entnahm nur aus den Tabellen yon Bibtz (1. c.» S. 33), dab die
Berliner Kinder das gleiche Verhalten — wenn auch viel weniger
ausgesprochen — zeigen. Die » zweite Streckung^ zur Pubertfttszeit,
für welche ein früheres Eintreten bei den Mildchen bekannt ist, liefe
sich aus meinem Material nicht deutlich entnehmen; doch zeigt sich
wenigstens zwischen Knaben und Mädchen in den betreffenden Jahren
(11. — 13.) eine besonders starke Differenz zugunsten letzterer für die
Körper- und Rumpflänge.
Während die eben erwähnten Verhältnisse dazu führen, dafis die
Rumpf- und ganze Körperlänge der Mädchen die der Knaben vom
6. — 14. Jahre erheblich übertrifft, finden wir für alle Kopfmafse
stets grölsere Durchschnittszahlen bei den Knaben als bei den
Mädchen. Hierdurch kommt es, dals die Zahl, welche uns das Ver-
hältnis zwischen horizontalem Kopfnmfang und Körper- resp. Rumpf-
länge angibt (Körperkopf- und Rumpf kopf-Index), und deren stän-
diges Absinken mit zunehmendem Alter die Zahlen der Tabelle unter
Ikk und Ikr yeranschaulichen, bei den Mädchen stets kleiner ist als
bei den Knaben.
Über den Längenbreitenindez mögen hier wenige Worte
genügen: Unsere Eünder zeigen sich als durchschnittlich fast durch-
aus brachykefal*, die Mädchen bieten ein wenig niedrigere Mittel-
werte als die Knaben. Eine gesetzmäfsige Änderung des Längen-
breitenindex mit zunehmendem Alter macht sich nicht bemerkbar.
Weit interessanter ist die Betrachtung der normalen Schwan-
kungsbreite für die einzelnen Zahlen und Indices, wie sie unten
aus der Tabelle hervorgeht.' Sie zeigt die enorme Variabilität,
unter welcher sich die individuelle Entwicklung vollzieht, und ihre
Betrachtung gibt uns einen Hinweis darauf, wie vorsichtig man
sein muls, aus absoluten Gröüsen irgendwelche Schlüsse zu ziehen.
^ Der Körper des Kindes. Stuttgart 1908.
' Als Bnchykefalie am Lebenden nach dem Vorgange Bbocai sJle Indioee
über 82,0 gerechnet — vergl. data meinen Aufsats im Archiv für Anthropoid
Bd. III, Heft 3.
' Übersichtlicher dargestellt in der tabellarischen Übersieht der prosen-
tnalen Sohwankungsbreiten vom 6. bis 15. Jahre auf Seite 176 meines erwähnten
An&atses.
727
Emige Beiq^iele mögen genügen: Die normalen Minima fUr die
Körperlänge fallen bei den Knaben bis ins elfte, bei den
M&dehen bis ins zehnte Jahr innerhalb der Sohwankungs-
breite vierjähriger Kinder. Nooh merkwürdiger sind die Ver-
hältnisse der Kopfmalse: Die Minima des horiaontalen Kopf-
nmfanges sind bis znm Ende unserer Beobachtungszeit
(15. Jahr) bei den Knaben weitaus, bei den Mädchen niin-
destens ein wenig kleiner als die entsprechenden Mazima
einjähriger Kinder; ein gleiches finden wir für die Länge
und Breite des Kopfes.
Die oben im Aufiiahmeschema angegebenen anamnestischen
Erhebungen über jedes der gemessenen Kinder erlauben up^, der
Frage nach den Ursachen maximaler und minimaler Q-röfsen
innerhalb der einzelnen Altersklassen ein wenig näher zu treten. Wie
ee zu erwarten war, finden wir in den ersten Lebensjahren fOr die
meisten Mafse minimale Gröfsen bei zu früh geborenen oder
den jüngsten Kindern innerhalb ihrer Gruppen, umgekehrt die
Maxima bei den ältesten Kindern. Mit zunehmendem Alter aber
lassen sich neben diesen Momenten yerschiedene Einflüsse bemerken,
welche schädigend auf die Entwicklung einwirken.
Wir hören bei den minimalen Gröfsen für Körper-, Rumpf-
und Beinlänge anamneetisch von überstandenen schweren Krank-
heiten, besonders von Rachitis der frühen Kindheit, auch von be-
stehender Skrofulöse. Während für die genannten drei Körper-
mafse auch in d^ späteren Jahren noch ein Einfluls des Alters
innerhalb der Gruppe sich recht häufig nachweisen läüst, macht sich
dieser bei den Grenzwerten der Kopf mafse weit seltener, in den letzten
berücksichtigten Jahren kaum mehr geltend ; umgekehrt ist bei diesen
ein hereditärer Faktor nicht selten bemerkbar, der bei jenen nur
kaum andeutungsweise einmal in Betracht kommt. Auf die Bedeutung
solcher familiärer Verhältnisse, die unten bei der Mitteilung des
Materials häufig Erwähnung finden, wurde an anderem Orte ausführ«
licher hingewiesen. An diese«: Stelle genüge die Notiz, dals für eine
genaue Beurteilung maximaler und minimaler Kopfmalse im all-
gemeinen, besonders aber des Längenbreitenindex, die Untersuchung
der Geschwister eines zu beurteilenden Kindes nie yemachläsaigt
werden darf, womöglich auch die betreffenden Eltern zu untersuchen
wären.
Besonders interessante Resultate ergaben sich aus der Betrachtung
der beobachteten Minima für die Schädelmafse unserer Kinder
728
ans denVolkssohulen. In sehr yielen Fftllen findet sich bei ihnen dm
Angabeanfhllend geringer geistiger Fälligkeiten, ohnedabind^
Jngend irgendwelche nachweisbaren Gehirnkrankheiten YoranagegangcKii
zn sein brauchten. Es ist dies ein sehr aa£fallender Befand, d^
sich einstweilen weit besser mit gewissen im Publikum Terbreitetex
Meinungen als mit den Anschauungen wissenschaftlicher Forsohazi^
in Einklang bringen labt. Fast hat es den Eindruck, als ob die
Grenzen zwischen dem kleinen Kopf eines normalen, sierlichen IndiW-
duums und der „Mikrokephalie'' — wenn dieser Ausdruck als Sammel-
begriff filr abnorm kleine, mit Intelligenzdefekt einhergehende Kopf^
maise gestattet ist — gleitende seien. Es genflge einstweilen, hier
und unten bei der Mitteilung des Materials auf diese Beobachtung'
hingewiesen zu haben; sicheren Aubchluis über diese Frage können
erst künftige, eingehendere Untwsuchungen bringen.
Sehr häufig fanden sich abnorm kleine Kopfinaise bei den ge*
messenen idiotischen und imbezillen Kindern; sie sollen im
einzelnen unten als Illustration der normalen Verhältnisse mitgeteilt
werden.
Was sagen uns endlich die beobachteten maximalen Kopf-
maise? Auch bei ihnen macht sich der erwfthnte familiäre Faktor
bemerklich, insofern verschiedene Kinder «groisköpfiger Familien''
in ihren Altersgruppen maximale Werte aufweisen. — Erwfthnenswert
ist die unten auf S. 744 naher mitgeteilte Beobachtung, dab gelegent-
lich von zwei Angehörigen solcher Familien der eine besondere
Lftngen-, der andere besondere Hohenentwicklung des Kopfes
darbietet.
Auch die von verschiedenen Autoren behauptete Disposition
grofsköpfiger Individuen fttr eine besondere Entwicklung
der geistigen Eigenschaften labt sich gel^ntlich konstatieren.
Unter den anamnestischen Angaben pathologischer Faktoren
tftt eine maximale Entwicklung des Kopfes spielt die Rachitis^
eine besondere Bolle. Fflr diese ist es bekannt, dab sie oft eine
Verbreiterung des Kopfes in seinem hinteren Teile herbeiführt, eine
Erscheinung, die eich wohl meist auf rein mechanische Momente
zurttckftthren lafst. Es kommt so einerseits zu einer VerlsgeniDg
der gröfsten Kopfbreite nach hinten, andererseits nicht selten zu
einer geringen Entwicklung des Tuber occipitale, welche eine be-
* Vergl. diasbezfiglioh beBonden F. Rbgkault: Des alt6ratioDi ortniennea
dzm le racbitiime. Ih^e inaugurak, Parii, Stoinheil, 1888.
729
sonders niedrige Gtröbe des Lftngsdurchmessers bedingen kann. Anoh
ein auffallend hoher Lftngenbreitenindex^ lAlst sieh auf diese Weise
gelegenÜieh erkl&ren. In anderen Fällen findet sich bei Rachitis
eine starke Vorwölbnng der Stirn mit besonderer E!ntwicklnng der
Tnbera frontalia — ein Umstand, der hie und da zu auffallend
grolser Kopflänge f&hrt.
In manchen Fällen der Maxima fbr den horisontalen Kopf-
um&ng, die Kopf breite und den Längenbreitenindex fimden sich
anamnestisoh «Krämpfe^ der ersten Lebensjahre notiert, ohne dab
eine gleichseitig bestehende Rachitis angegeben werden konnte. Es
mag dies als Tatsache hier einstweilen registriert werden; eine ge-
nauere Beurteilung der ursächlichen Yerhältnisse entsieht sich einst-
weilen meiner Beurteilung.
Auch ein in der Jugend überstandener Hydrokephalus findet
sich gelegentlich als Ursache abnorm grolser Kopfmaise vermerkt —
eine Tatsache, die wohl niemanden verwundert. Wichtiger aber und
weit interessanter ist die Beobachtung, dab einige Kinder, welche
an Hydrokephalie gelitten hatten und dem Beobachter sofort durch
ihre abnormale Kopfform auffielen, der von uns gewählten messenden
Untersuchung keinerlei Anhaltspunkte für die Beurteilung
darboten. Einige solche Fälle sind weiter unten mitgeteilt Bei
ihnen Mit jedes einzelne genommene Mals des Kopfes in die
Variationsbreite ihres Alters; ebenso ist auch das im KOrperkopf-
und Rumpfkopfindex zum Ausdruck kommende Verhältnis zwischen
Kopfnmfang und Körpermafaen ein durchaus normales.
Dieser Befund fährt uns zu der eingangs gestellten Frage zurück:
Läfst sich aus einem Vergleich der Entwicklung des
kindlichen Körpers mit dem Wachstum des Kopfes ein
Anhaltspunkt für die Beurteilung beginnender Hydroke-
phalien gewinnen? — Und allgemeiner: Inwieweit lassen
sich überhaupt gegebenenfalls Ergebnisse anthropolo-
gischer Kopf- und Körpermessungen für die Beurteilung
pathologischer Zustände bei Kindern verwerten?
Bei der Beantwortung dieser Frage mufs ofienbar zwischen
auffallend hohen und auffallend niederen Werten unter-
schieden werden. Bezüglich letzterer ergaben schon unsere auf
wenige MaTse sich beschränkenden Untersuchungen eine ganze Anzahl
eindeutiger Befunde, welche die Angaben anderer Autoren über ab-
^ Siehe Bbokault, L c, S.
730
norm kleine Kopfmalse bei ausgesprochen idiotischen und imbenllen
Kindern ^ dahin erweitem, dals auch unter den Besuchern der Volks-
schulen sich manche Individuen finden, welche bei geringer In-
telligenz mit ihrer Kopfentwicklung beträchtlich unter der normalen
Variationsbreite stehen, ohne dalis sich irgendwelche das wachsende
Kopfskelett oder Gehirn schädigende Krankheiten fär diesen Befund
verantwortlich machen lie&en. Eine genauere Untersuchung der hier
in Betracht kommenden Verhältnisse, speziell die Berücksichtigung
prämaturer Synostosen, der ViBOHOWschen „Schädelenge^ und des von
Sbgqbl kürzlich in die Anthropologie eingeführten Mafses, von dem
sogleich ausführlicher die Bede sein soll, dürfte nach mancher Rich-
tung hin, so auch für die Frage der „psychopathischen Disposition",
interessante Elrgebnisse zutage fördern.
Weit grtflsere Schwierigkeiten scheint die Beurteilung eines
pathologisch vergröfserten Schädels darzubieten. Wie wir
gesehen haben, lassen uns die Verhältniszahlen der Kopf- und
KOrperlänge ebenso wie die absoluten Mafse in ausgesprochen
pathologischen Fällen im Stiche, ein Umstand| welcher in der
groÜBen Variabilität des Normalen seine Erklärung findet. In seltenen
Fällen mag messende Untersuchung der Geschwister, eventuell
auch der Eltern eines zu beurteilenden Kindes den etwa durch anam-
nestische Angaben geweckten Verdacht einer Störung bestärken, —
zur Gtewifsheit erheben kann sie ihn nie. —
Des weiteren kämen wiederholte ausführliche Messungen
am gleichen Individuum in Betracht, durch welche auffallende
Veränderungen (z. B. eine akute hochgradige HydrokephaUe) ohne
weiteres sich ermitteln liefsen; zum Zwecke feinerer Bestimmungen
wären etwa — wie es in der Literatur über Hydrokefalus häufig an-
gegeben ist — die normalen Wachstumszunahmen im frag-
lichen Alter heranzuziehen. Doch auch hierbei begegnen wir gerade
in den für die in Betracht kommenden Fragen wichtigsten ersten
Lebenqahren einer so grolsen Breite des Gesunden, dals wir bei
eventuellen Schlüssen gröfste Vorsicht müssen walten lassen.
^ Vergl. diasbeEÜglich die Arbeit dei Antwerpeners Lbt (Brüasel, Leb^ae,
1904} and den Auitats Dr. Kellners (AUterdorf): Über KopfmaÜBe bei Idioten.
AUgem, Zeitschrift für Psychiatrie und gerichtliche Mediein. Bd. 58 (1901); vor
allem ancb die AnfiätEe in der Annie psychohgique, Bd. VI und VII, Ton Simok
(Beobercbes antbropomötriquet bot 223 gargont anormaux «g6i de 8 ä 28 ens)
und BnnT.
731
Noch geringere Auasioht aaf Sicherheit bietet wohl das gelegent-
lich in der Literainr erwähnte Absinken des Lftngenbreiten-
index am normalen wachsenden kindlichen Kopfe. Auf dieses
nahm Rbonault^ Bezng, wenn er angab, dafs durch das rnngekehrte
Verhalten, eine Zunahme des Kopfindex während des kindlichen
Wachstoms, der Verdacht einer beginnenden Hydrokephalie gestützt
werden könne. Nun aber labt sich, wie unsere Tabelle zeigt, ein
gesetsmäfeiges Absinken des Kopfindex während der Entwicklung
aus Mittelzahlen durchaus nicht ableiten; zu ähnlichen Resultaten
kamen Lrcoubtois', welcher auf Orund seiner Untersuchungen den
bei der Geburt bestehenden Index als konstant bleibend erklärte, und
J. BoN1lrIFAY^ der in seiner Dissertation eher ein leichtes Ansteigen
des Index mit zunehmendem Alter verzeichnete. Schwerer noch wiegen
die Beobachtungen J. Lucaes. Bei den von diesem Forscher jährlich
ausgeführten Messungen an 20 Knaben macht sich 16 mal ein Ab-
sinken des Index tou durchschnittlich 1,7 Einheiten innerhalb
fünf Jahren bemerklich; in einem Falle bleibt der Index vom
sechsten bis zum zehnten Jahre gleich; in dreien zeigt er ein mäbiges
Ansteigen. Wenn sich also nach Lucas auch häufig ein Sinken des
Kopfindex während der normalen individuellen Entwicklung nach-
weisen lä&t, so ist es doch so gering, dafs es für Beobachtungen
während kürzerer Zeit nicht in Betracht kommt; ja: auch ein im
Verlauf längerer Zeit zu konstatierendes leichtes Ansteigen fiillt in
die Breite des Normalen. Gröbere Störungen des Kopfwachstums
aber, die sich in eindeutig pathologischer Zunahme des Längenbreiten-
index dokumentieren, dürften sich auch ohne Tasterzirkel und Mefs-
band erkennen lassen.
Wir kommen demnach auf Grund des Gesagten zu dem Resul-
tate, dalis die Frage einer leichten, beginnenden Hydrokephalie mit den
bisher zur Anwendung gekommenen Methoden nicht exakt zu lösen
ist, und es wäre zu fragen, ob sich nicht andere Wege auffinden
lassen, um einen diesbezüglichen Verdacht durch messende Unter-
suchung zu bestätigen.
Über andere für die Frühdiagnose einer Hydrokephalie etwa in
Betracht kommende Mause ist in Kürze folgendes mitzuteilen: Wie
^ Forme du crane dam THydrocephalie. Revue meneueUe des nutkidiee de
Venfanee. 1894.
* Bulletin de la Societi d' Anthropologie. 1869, S. 720.
•1. c, S. 76 f.
732
wir schon an anderem Orte^ heryorgehoben haben, ergibt die von
nns Yorgenommene Meesang des Längen- und Breitennmfanges
dee Kopfes — besonders bei den Madehen — wenig sichere BcboI-
täte; . man kann ganz anf sie versichten, wenn man neben dem
Horisontalnmfang nnd den Durchmessern (grölster Llnge und
Breite) nur auch dnrch Messung der Ohrhöhe der Entwicklung des
SchAdels in vertikaler Richtung Rechnung trftgt Leider wurde ich
auf die Bedeutung dieses MaÜMS erst gegen Ende meiner Arbmt
durch Literaturstudien' und Beobachtungen an geistesschwachen
Kindern aufinerksam gemacht, so dab ich su vorläufiger Orientierung
mich in den unten folgenden Tabellen auf die Mitteilung der Resul-
tate RnuTBBs* beschränken mulste.
Gerade für die firahflcitige Erkennung von Hydrokephalien ist
uns aber wohl auch damit noch nicht viel gedient Vielmehr bedarf
es zu diesem Zwecke einiger Malse, welche uns die charakteristische
Schädelveränderung bei dieser Krankheit, die ttbermäfsige Yer-
gröTserung in den ganzen Seitenpartien des Kopfes bei normaler
Entwicklung der Schädelbasis zififemmälsig zum Ausdruck bringen.
Versuche derart sind — soviel ich aus der Literatur weils — bisher
noch kaum oder doch wenigstens nicht systematisch gemacht worden,
und doch scheinen sie mir die einzigen zu sein, welche bei dem —
soeben gezeigten — Versagen der übrigen Messungsmethoden mit
einiger Wahrscheinlichkeit auf Erfolg hoffen lassen.
Zu messender Beurteilung der Schädelbasis am Lebenden
dürften in Betracht kommen:
Der Abstand der Processus mastoidei,
die sog. nL&nge Bbrthillons",
die kleinste Stimbreite,
die „Omndlinie" oder Pupillardistanz.
Über die drei zuerst genannten Malse labt sich einstweilen wenig
mitteilen, da sie nur selten am erwachsenen Lebenden« niemals —
soweit mir bekannt — am kindlichen Kopfe untersucht worden sind.*
Die Mastoidealbreite liebe sich am besten wohl derart bestimmen,
dab man die Spitzen des VntOHOWschen Schiebezirkels oder des
> Arehio /Ar AnOwapologie, Bd. m, Heft 8.
* KmcHHOFF, Die Höhenme«ang das Kopfast betenden die Ohrkohe. AUg,
ZeUmshnft fikr F^ychiairie md geriehü, AMism. Bd. 59 (1902), und Kzllhib,
Über KopfinaÜM der Idioten, l. o.
* A. a. 0.
* Über die kleinste Stirnbreite vergl. saoh Rbovaült, 1. c, S. 18.
733
BAüDBLOOQUBschen Beokenmessers auf den innersten erreichbaren
Punkt der Processus mastoidei aufsetzte» um so von der — nicht
interessierenden — Entwicklung der Cellulae mastoideae und der
dadurch bedingten Breitenausdehnung der Warzenfortsätze abstrahieren
zu können.
BBRTHiUiOirs Schädellänge hat als Endpunkte die Nasenwurzel
vorne, die tiefste Stelle unterhalb der Protuberantia ocoipitalis ex-
terna (am Planum nuchale) hinten, und gibt ein Äquivalent der
Längenentwicklung der Schädelbasis.
Die kleinste Stirnbreite läfst sich am Lebenden mit dem
Instrumente YiRCHOWs oder Baudelooqübs leicht bestimmen; ihre
Durchsohnittsmalse für den Erwachsenen sind von kraniologischer
Seite bereits mehrfach festgestellt worden.
Betre£k der Pupillardistanz endlich, welche uns ein direktes
Urteil über die Entwicklung der vorderen Partie der Schädelbasis,
und zwar im besonderen der vorderen Schädelgmben erlaubt, liegt
für den wachsenden kindlichen Kopf (vom neunten Jahre an) bereits
eine eingehende ^Untersuchung der normalen Mittelwerte sowie der
bei gröüseren Gruppen gleichaltriger Kinder beobachteten Maxima und
Minima vor. Sbggel, der dieses Maus kürzlich in die anthropologische
Literatur eingeführt hat^, machte in seiner Arbeit als erster darauf
aufmerksam, dals diese am Lebenden leicht bestimmbare OrOlse in
pathologischen Fällen sowohl auf die Entwicklung des Gehirns als
auf Anomalien in der Schädelbildung interessante Schlüsse zu ziehen
gestatten dürfte.'
Die Technik der Messung ist die denkbar einfachste: Die zu
untersuchende Person ist zu veranlassen, in die Feme zu schauen;
sobald die Augen ruhig stehen, wird die Entfernung der beiden
Pupillenmitten voneinander an einem festen Maisstab mit Millimeter-
einteilung (am besten einem sog. „Zollstock'') abgelesen. Schwierig-
keiten, die sich durch Geduld aber wohl bis zu einem gewissen
Grade überwinden lassen, dürften sich nur bei Messung kleinerer
Kinder ergeben. Schielende sind natürlich auszuschlielsen.
Durch' die vergleichende Beurteilung der genannten Basismaüse
und der gewöhnlich am Kopfe untersuchten Grö&en (im speziellen
^ Über das Verhältnis von Schädel- and Qehirnentwicklang zum Langen-
Wachstum des Körpers. Archiv für Anihrqpoloffie, Nene Folge, Bd. I, Heft 1
(1905).
* Ober die zu erwartende Bedeotang dieses MafiMS bei Hjdrokephalie rergl.
SxooBL, S. 25.
734
Tabelle l.
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4.
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83.4
73£> 82.389.6
4
150Jl68
15l!l66
74.1
74.3 32 J
74.e82.5
74,7
73.5
745
73.2
75.1
73.7
84.694
93
90
82.093
82.4
d2.392
81,893
81.289.:
3
81.889,9
108
106
107
104
HO
108
102
111
110
(7)1
117
117.
115
113
117.
117,
17
117.
IIÖ
2125
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.2|122
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.6126 48.5
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J|125|50
56.8 59
56.1563
56.15163.5
57.08,65.5
57,88166
58.9 -67
L
%
3.
4.
5.
6.
7-
8.
9.
10.
11.
12,
13.
14.
15.
Rbal
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^3
?! ,28229.H 250'269
50281298
53289.313
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11^325
r0.303322
74:104 331
256
249
251
258286
73308M1
68^09!335
83308336
86309327
175185228
. L
272
272
274
253
246
269
280247
291
285
302
293
298
305
282
286315
29l!326
S7.30€|334 264 293'326
31307:335 264 2951317
26512^^4320
26o|295'328
25r.'295;;22
262.297 1321
lll!ll8
132I139
1511160166
173
179
152165
163170^
134
154
170,181
176185
160
164
160174186
158
159
159
159
159
165
160
170
175188
177
179193
178
179
179
180
193
194
193
1t*3
I8OII9I
120129
90( 94|108
111
130
1.^
125
133
1,^
132
126
136
134
192 134
133
135
137
139
140
141
143
144
144
145
146
I35]l47
147
138^147
1371148157
142
143
146
IM
153
151
160
156
157
16S
159
76.2S80.785.
83.883.9
84
79J 84.7 188,5
5
80.1
83.789
77J
76.082.r87.0
2
i
82 7.88,
76.882.292,
76,382.491.
T5.4p.4 92.
75.ffl80.891,
160 73.9,81.090.
158 73.382.594,
75,081.6(93.
75.182.192,
75.781.389
75.582.288
101
\m
107
100
107
106
99(7)
107
lli
113
114
114
115
lli
115
115
123
124
121
I24i48.0|54.42
12849.0i54 54
5J123 49
SehnlgresnndheiUpflege. XVIIL
55.78
131 150 56 34163
,8,124 5] 57.1265
— 51.557.6865.0 15,
39
*j0.5
61.5
63
L
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13,
14,
736
der BBBTHiLLONSohen Länge mit der „gröCsten Schädellänge^, der
Mastoideal- und Frontalbreite sowie der Pupillardistanz mit der
„gröfsten Breite", eventuell auch der noch wenig beachteten n^^°^'
poralbreite*") liefse sich wohl am ehesten die bisher noch nicht ge-
lungene anthropometrische Diagnose sich entwickelnder Hydrokephalien
ermöglichen; daneben aber ist zu hoffen, dafs uns eine genaue
Kenntnis der normalen Mittelzahlen und der individuellen Variations-
breite der genannten Mafse in der exakten Beurteilung und Ab-
grenzung der verschiedenen, noch so wenig gekannten pathologischen
Entwicklungszustände des menschlichen Schädels, sowie in der
Kenntnis ihrer Bedeutung für Idiotie, Imbezillität und „psycho-
pathische Disposition^ um einen wesentlichen Schritt vorwärts
bringen wird.
Die Zahl der von mir untersuchten Schulkinder belief sich auf
2509; davon waren 1468 Knaben, 1041 Mädchen. Auf die ver-
schiedenen Altersklassen verteilten sie sich folgendermaCsen :
Neugeborene
(bii cum
21. Tag
inklusive)
Altersjahre
1. 2. 3.
4.
ö.t 6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.115.
Knaben
Mädchen
11
9
2 10 21
7 6 11
1
1 1
15
19
35
22
47
43
185
81
189
108
164
114
178
HO
156
125
131
127
131
126
117
105
76
28
In den Tabellen S. 734 u. 735 gebe ich neben den oben (S. 724 und
725) mitgeteilten selbstgenommenen Mafsen und berechneten Indices
auch die von Rbutbr gefundenen Gröüsen der Ohrhöhe^ für 6 — 14-
jährige, sowie Seoqels Mafse der Grundlinie für 9 — 14jährige Kinder.
Erklärung der in den Tabellen und den folgenden
Einzelmitteilungen aus dem Material vorkommenden
abkürzenden Benennungen der Mafse.
Lk as Körper- \
Lr = Rumpf- ^
IA> = Bein- I
Uh = horizontaler \
Ü8 = isgittaler >
Ut = temporaler )
länge.
Kopf-
umfong.
L = Kopflänge.
B = Kopfbreite.
Oh= Ohrhöhe.
Gl= Grundlinie.
Ir =s Eumpf-
Ib = Bein-
Ikk=^ Kopfkörper-
Ikr = Kopfrumpf-
I = Längenbreiten-
0
^ Gemessen „vom vorderen, oberen Rand der rechten Traguswursel bis
SU dem senkrecht dber der Mitte der Verbindungslinien beider Traguswurseln
gelegenen Punkt der Scheitelkurve".
737
Mit möglichster Beschränkung sollen im folgenden einige An-
gaben Ober die einzelnen Kinder gegeben werden, welche die nor-
malen Minima und Maxima in ihren Altersgruppen darboten,
sowie über die kleinen Insassen von Kliniken, Idiotenanstalten
und Hilfsschulen, deren Mafszahlen von diesen beobachteten Grenz«
werten noch nach unten resp. oben abwichen.
Wie schon oben bemerkt wurde, gehörten die Minima der
Körper- und Kopfmafse in den ersten Altersgruppen (bis zum
vierten Jahre einschliefslich) gröfstenteils Frühgeburten, Zwil-
lingen sowie den jüngsten Kindern innerhalb ihrer Gruppe, um-
gekehrt die Maxima den Ältesten Kindern an.
Ein familiärer Faktor spielte in diesem Alter nur selten
eine Rolle. Zu erwähnen wären nach dieser Richtung hin:
1. £iD Mädchen vom Alter IL 3., welches in der Gruppe der Zwei-
jährigen die Maxima aller Kopfmafse (aufser der Breite) darbot; bei einem
Bmder dieses Kindes (Alter : IV. 3.) fanden sich ebenfalls die Maxima des
horizontalen Kopfümfanges und der Schädellänge für seine Gmppe.
2. Das beträchtliche Minimum der Körperlänge unter den dre^ährigen
Mädchen (767 mm), welches fast das der zweijährigen erreicht, fand sich
bei einem durchaus gesunden Kinde vom Alter III. 9. Es bot aufserdem
das angegebene Minimum der Beinlänge sowie die zweitkleinste beobachtete
Gröfse für die Rumpflfinge (330), daneben das Maximum für Ikk, das
zweite Maximum (151,2) fär Ikr dar. Der horizontale Kopfumfang bei
diesem Kinde betrug 499 mm, stand an dritter Stelle der Maxima. Die
vieijährige Schwester dieses Kindes, Älteste in ihrer Gruppe, zeigte gleich-
falls die (in der Tabelle angegebenen) Minima der Bein- und ganzen Körper-
länge ; ihr Horizontalumfang, kleiner als bei der jüngeren Schwester, betrug
484. Das Verhältnis zwischen Körperlänge und Kopfumfang (Ikk) war
ebenfalls minimal für die Jahresklasse.
3. Das Minimum des transversalen Kopfümfanges bei den dreijährigen
Mädchen bot ein Kind dar, bei welchem sich gleichzeitig die zweiten
Minima der Kopf breite (130) und des Längenbreitenindex (76,5) fanden.
Eine siebei^ährige Schwester dieses Kindes zeichnete sich in ihrer Jahres-
klasse ebenfalls durch eine sehr niedrige Kopf breite (135) sowie durch
einen noch kleineren Längenbreitenindex (75,4) aus.
Von pathologischen Beobachtungen in diesen ersten Jahren
sind nur wenige zu erwähnen:
1. Die minimale Beinlänge (231 mm) unter den Knaben des zweiten
Lebenijahres wurde von einem als schwächlich bezeichneten rachitischen
Kinde geliefert, dessen ganze Körperlänge sehr gering war (760 nrni), das
daneben aber sehr grofse Kopfioaaüse darbot (die Maxima der Breite und
des TransYcrsalumfanges; der Horizontalum&ng betrag 503, der sagittale
302 mm).
39*
738
2. Ferner fand ich unter den Knaben des dritten Jahres einen offen-
bar pathologisch yergrölserten Kopfumfang von 533 mm, welcher dem toh
mir beobachteten normalen Maximum unter den Knaben des fOnften Jahres
etwa entspricht, bei einem in die Kieler medizinische Klinik gebrachten
2^/sjährigen Jungen, dessen sagittaler Kopfumfang 322, der tnuis?ersale
312 nmi betrug. Er litt seit frühester Jugend an Krämpfen, konnte noch
nicht gehen und sprechen; seine Thyreoidea war nicht fahlbar. £s liels
sich ein leichter Hydrokephalus bei ihm als nicht unwahrscfaeüüich an-
nehmen. Von den anderen Mafsen des Knaben ist nur die Körperlänge
zu 940 mm (von Herrn Dr. Grogs, dem ersten Assistenten der Klinik)
bestimmt worden; sein Ikk betrug demnach 56,7.
3. Ein 2V2Jähriges Mädchen, das mit allen seinen Mafsen, besonders
aber mit denen des Kopfes, beträchtlich unter dem sonst gefondenea
Minimum seines Alters stand, hatte ich kürzlich in München zu messen
Gelegenheit. Es war das Kind nervöser Eltern, angeblich rechtzeitig ge-
boren, hatte sich auch bis zum Ende des ersten Jahres gut entwickelt.
Dann aber blieb es, ohne dafs eine ersichtliche Krankheit eingesetzt hätte,
körperlich und geistig zurück ; es machte bisher keine Versuche, zu laufen
und zu sprechen. Eine neurologische Untersuchung des Kindes ergab nnr .
einseitigen (? von Geburt an bestehenden) Strabismus convergens und leichte
Spasmen in den unteren Extremitäten (Reflexsteigerung, Spitzfnisstellnng);
eingehendere Beobachtungen auf den Geisteszustand lielsen eine Idiotie
mäCsigen Grades annehmen. In diesem FaUe waren die Mafse: Lk: 750,
Lr: 282, Lb: 326, Uh: 415, Ikk: 55,3, Ikr: 147,2, üs: 255, üt: 248,
L: 141, B: 126, I: 89,4, Oh: 101. Trotz der beträchtlichen Kleinhdt
des Schädels standen also bei den sehr reduzierten Körpermafsen die Kopf-
körper- und Kopfrnmpfindizes noch über dem normalen Durchschnitt
In den höheren Altersklassen (vom fünften Jahre an) machte
sieb der EinSufs des Alters als Begründung minimaler oder maxi-
maler Gröfsen nicht mehr allzu häufig bemerkbar, kam hauptsächlich
noch für die Körper mafse — weit häufiger als für Kopfmafse —
in Betracht.
Die betreffenden Beobachtungen waren:
Minimale Körpermafse gehörten dem jüngsten Kinde (oder
einem der jüngsten) an:
1. Lk (940) und Lr (360) bei. den fün^ährigen Mädchen. Bei einem
Kopfumfang von 495 waren Ikk (52,7) und Ikr (137,5) für die Alters-
klasse maximal, die Beinlänge von 423 mm stand dem Minimum nahe.
2. Lk (980) und Lb (417) bei den sechsjährigen Mädchen. Bei
einem Horizontalumfang von 494 war Ikk maximal (50,4).
3. Lr (385) in der gleichen Altersgruppe. Lk betrag 992, Dh
496, — so war das Verhältnis Ikr maximal (128,8).
4. Lk (1019) und Lr (371) bei den siebei^ährigen Knaben. M
einem Horizontalumfang von 532 waren Ikk (52,2) und Ikr "
maximal.
739
5. Lk (1065) üDd Lr (409) bei den achtj&hrigen Knaben. Maxima
von Ikk (49,6) und Ikr (129,1) — üh: 528.
6. Lk (1137) und Lr (437) bei den nennjährigen Mädchen; bei
demselben Kinde wurden die Minima für Uh, L nnd B beobachtet; es
war also in allen seinen Mafeen besonders zierlich entwickelt.
7. Lr (456) bei den Mädchen des 13. Jahres; es zeigte bei einem
Uh von 513 das Maximum von Ikr.
8. Lr bei den 13jährigen Mädchen; auch bei diesem Kinde war Ikr
maximal (104,3) bei einem Uh von 509.
9. Einen Körperkopfindex von 40,0 (Maximum: 40,5) bot einer der
jüngsten unter den 14jähngen Knaben, bei welchem das zweite Maximum
von Us (323), das dritte von üb (560) gemessen wurde; die Körperlänge
betrug 1400.
Wie die obigen Beispiele zeigen, finden sich bei den jüngsten
Kindern einer Gruppe, welche minimale KörpermaCse besitzen, meist
auch die Maxima der Indices, welche das Verhältnis des Kopfes zam
Körper andeuten, wie ja überhaupt dieses Verhältnis mit zunehmendem
Alter absinkt.^ Weit seltener waren Beobachtungen derart, dafs die
jüngsten Kinder einer Altersklasse mit ihrer Kopfentwicklung voraus-
geeilt waren, also minimale Körperkopf- resp. Körperrumpfindioes
darboten.
1. In der Gruppe der vierjährigen Knaben fand sich das Minimum
von Ikk (46,7) bei einem der jüngsten Individuen, gleichzeitig das Maximum
von Lb (473).
2. Desgleichen bei den fünQährigen Knaben das Minimum von Ikr
{108,5), bei maximaler Grölse von Lr (470) und einem üh von 510.
3. Bei den zehnjährigen Mädchen besafs eines der jüngsten das
Maximum von Lr (576), dementsprechend bei einem Kopfumfang von 506
das Minimum von Ikr (87,8).
4. Einer der jüngsten 14jährigen Knaben besafs das (zweimal be-
obachtete) Minimum fär Ikk (32,1), das zweite Minimum für Ikr (81,0);
Lk betrug bei ihm 1638, Lr: 626, Uh: 526.
5. Das jüngste unter den 14jährigen Mädchen bot mir das Minimum
von Ikk (32,7) bei maximaler Körperlänge (1637). Uh betrug bei ihm 536.
Kleinste Kopfmafse bei den jüngsten Kindern waren nicht
häufig:
1. Das Minimum des Horizontalumfanges unter den siebenjährigen
Knaben. Bei demselben Kinde finde ich das Minimum für Ut (240) notiert;
letzteres Ma(s dürfte falsch genommen sein, da es noch unter dem Minimum
«injähriger Knaben steht.
^ AU besonders auffallendes Beispiel dieser Art ist noch zu erwähnen, dafs
unter den achtjährigen Knaben der jüngste den grofsten Kopfunifang besafs
<548); seine Körperlänge betrug 1228, die Rumpf länge 439, Ikr (124,8) stand
dem Maximum nahe.
740
2. Einer der jüngsten achtjährigen Knaben bot das Minimom für Uh
(482) in seiner Altersklasse dar; daneben bestanden Minima fttr üt (256)
und B (136). Lk betrqg in diesem Falle 1190, Lr: 450.
S. Die minimale Kopflänge von 169 mm nnter den achtjährigen
Mädchen fand sich ebenlalls bei dem jüngsten dieser Gmppe.
4. Bei den 14jährigen Mädchen gehörten die Minima von Uh und L
einem der jüngsten an. B (138) stand dem beobachteten Minimum sehr
nahe. Bei einer Lr von 600 war auch Ikr minimal.
Daia nun umgekehrt die Ältesten ihrer Gmppe die grOfsten
Körpermafse besaisen, war ebenfalls nicht selten.
1. Die zweitgrößte Körper- (1017) und Bumpflänge (399) bei den
Tierjährigen Mädchen besafs eines der ältesten. Sein Kopfnmfang (475)
befand sich weit nnter dem Mittel der Klasse, — so war das Verhältnis
Ikr minimal (119,0).
2. Lk (1180) bei den fünQährigen Knaben. Lr (457) nnd Lb (517)
standen dem Maximum nahe. Uh (506) war ein wenig nnter dem Mittel
der Klasse, die Kopflänge (170) beinahe minimal. Entsprechend diesen
Verhältnissen fand sich das Minimum von Ikk (42,9).
3. Die zweitgröfsten Zahlen fär Lr (500) und Lb (582), eine Lk
Yon 1260, und bei einem Uh von 509 die angegebenen Minima für Ikk
und Ikr fanden sich bei einem der ältesten sechsjährigen Knaben.
4. Lk (1302) unter den siebenjährigen Knaben bei einem in allen
Mafsen auffallend grofsen Indiriduum. Lr: 500, Lb: 607, Uh: 552
(zweites Maximum), Us 334.
5. Ein ähnliches Verhalten zeigte eines der gröfsten (und ältesten)
unter den siebenjährigen Mädchen: Lk (1313) und Lr (532). desgleichen
B (160) waren maximal, Uh (533) und Ut (314) erhoben sich weit über
das Mittel.
6. Auch das zweite Maximum ihr Lk (1280) in dieser Gruppe gehörte
einem der ältesten Kinder an. Seine Lr betrug 508, Uh: 484; soer gaben
sich für Ikk und Ikr die in der Tabelle angegebenen minimalen Gröfsen.
7. Lk bei den achtjährigen Knaben. Lr betrug 526 (zweites Maximum),
Uh: 532.
8. Die gröfete Rumpflänge (554) und die zweitgröfste Körperlänge
(1366) bei den achtjährigen Mädchen fand sich bei einem der ältesten
Kinder. Uh betrug 519; so standen Ikk mit 38,0 und Ikr mit 93,7
den gefundenen Minimalgröfsen nahe.
9. Das gleiche gilt fär die gröfste Beinlänge (669) in derselben
Gmppe. Uh betrug 516.
10. Lr (565) bei den neunjährigen Knaben. Uh: 534.
11. Die gröfste Beinlänge (675) bei den neuigährigen Mädchen.
12. Das Maximum fQr Lk (1481) und Lb(711) bei den zehpjährigen
Mädchen. Dasselbe Kiod hatte die zweitgröfste Rumpflänge (57:^). Uh
betrug 528.
13. Zahlen, welche den beobachteten Minimis für Ikk und Ikr nahe
standen, fanden sich bei einem der ältesten elfjährigen Mädchen; sie be-
trugen 34,2 resp. 85,5. Lk. mafs 1450, Lr: 580, Uh: 496.
741
14. Alle Körpermafse (Lk, Lr, Lb) waren maximal bei dem Zweit-
ältesten unter den 13 jährigen Knaben. Uh betmg 533; so waren
Ikk (31,5) und Ikr (82,5) minimal.
15. Auch das zweite Minimum für Ikk (33,0) in derselben Gruppe
fand sich bei einem der ältesten Kinder. Lk (1603) und Lr (612)
standen dem Maximum nahe; Uh betrug 529
16. Gröfste Körper- (1730) und Rumpf länge (666), zweitgröfste Bein-
läage (845) bot der Zweitälteste unter den 14jährigen Knaben dar.
Sein Uh betmg 556; so resultierte für Ikr sowohl wie fär Ikk das in der
Tabelle angegebene Minimum (letzteres zweimal beobachtet).
Maximale Kopfmafse fanden sich, wie schon bemerkt wurde,
weit seltener bei ältesten Kindern ihrer Altersklassen als die gtöfsten
Körpermaüse. Die betreffenden Beobachtungen waren:
1. Uh bei den fünigährigen Knaben. L (187) stand dem Maximum
nahe, Lk betrug 1146.
2. L (185) bei den ftlnf jährigen Mädchen. Sonst bot das betreffende
Kind nichts Bemerkenswertes.
3. Uh (548) bei den sechsjährigen Knaben.
4. Uh (537) bei den zehnjährigen Mädchen. Us (332) und L (191)
standen den in der Tabelle angegebenen Maximis nahe.
5. In der gleichen Gruppe wurde dieselbe Gröise des Kopfumfanges
noch einmal ebenfalls bei einem der ältesten Kinder beobachtet, das sonst
nichts Bemerkenswertes zeigte.
6. Uh (551) und L (194) bei den elfjährigen Mädchen. Lk betrug
1371, Lr 518.
Entsprechend dem auf Seite 739 für die jüngsten Kinder ihrer
Gruppen angegebenen Verhalten finden wir bei den ältesten, welche
maximale Körpermafse aufweisen, oft auch die Minima des Körper-
kopf- oder Rumpfkopf- Index. Das umgekehrte Verhalten, dais
älteste Kinder ihrer Altersklasse mit maximalem Kopfumfang, auch
maximale Indizes geboten hätten, wurde nicht beobachtet.^ Im
allgemeinen zeigt sich also, dafs das an den Mittelzahlen beobachtete
Verhalten dieser Indizes auch für normale Grenzwerte in den ver-
schiedenen Altersklassen seine Geltung hat, soweit diese durch
Grenzwerte des Alters ihre Erklärung finden.
Anhangsweise mögen noch einige Fälle mitgeteilt werden, bei
denen eine minimale resp. maximale Entwicklung nicht die Körper-
oder Kopfmafse allein betraf, sondern bei denen eine allgemeine
Zierlichkeit oder Gröfse beobachtet wurde. In diesen Fällen ent-
fernten sich die Indexzahlen (Ikk und Ikr) meist wenig tou dem
Mittel der betreffenden Altersklassen.
Vergl. dazu den weiter unten angegebenen Fall.
742
Allgemein zierliche IndiTiduen:
1. Ein 7 ^/s jähriges Mädchen stand mit den Körpermafsen beträchtlich
unter dem Mittel (Lk: 1076, Lr: 409, Lb: 485); von den KopfmaTsea
war L minimal (158), Uh betrag 486, Us: 290, Ut: 281. So ergab
Ikk: 45,2, Ikr: 118,8. Nur B (146) erhob »ch Ober die berechnete
Mittelzahl, so dafs der Längenbreitenindex den maximalen Wert von 92,4
darbot.
2. Die Minima für Lk und Lb bei den achtjährigen Mädchen fanden
sich bei einem Kinde, dessen Kopfmafse gleichfalls erheblich nnter dem
Jahresmittel standen. Uh betrag 495, Us: 292, Ut: 286, L: 167. Anch
hier war nnr die Kopf breite über dem Mittel, betrag 145 and ergab einen
Längenbreitenindex von 86,8.
3. Bei den elfjährigen Mädchen fand sich das Minimam fflr Uh (478)
bei einem Kinde, das gleichzeitig die zweitkleinste 6rö(se ftlr Lb (558)
darbot. Lk betrag 1268, Lr: 503; die übrigen KophnaTse waren:
Us: 296, Ut: 273, L: 165, B: 138. Ikk (37,7) war dem berechneten
Mittel völlig, Ikr (95,0) beinahe gleich.
4. Die Minima von Lk (1261), Lb (591), Uh (476) and L (170)
bei den 13 jährigen Knaben gehörten alle dem gleichen Individnnm an
(Alter XIII, 7). Lr betrag 477, Us: 302, Ut: 281, B: 142. So
ergab Ikk: 37,8, Ikr: 99,8.
5. Das Minimam für B (139) in der gleichen Grappe bot ein Jnnge
dar, welcher den zweitkleinsten Kopfamfang (491) besafs. Die übrigen
Kopfinafse waren: Us: 303, Ut: 264, L: 172; die KörpermaTse: Lk:
1368, Lr: 500, Lb: 666. Es resnltierte für Ikk: 35,9, für Ikr: 98,2.
Allgemein grofse Kinder:
1. Die Maxima für Uh (554), Ut (326) and B (160) bei den nenn-
jährigen Mädchen besafs ein aach in den Körpermaßen weit über dem
Mittel stehendes Kind. Lk betrag 1387, Lr: 522, Lb: 637. Die übrigen
Kopfmafse waren: Us: 326, L: 189, Oh: 125; die Indizes: Ikk: 39,9,
Ikr: 106,1.
2. Aach bei den 12jährigen Mädchen fand sich der gröfste Horizontal-
amfang von 563 mm bei einem allgemein grofs entwickelten Kinde. Die
Körpermafse waren: Lk: 1538, Lr: 633, Lb: 696; die übrigen Kopf-
mafse Us: 320, Ut: 314, L: 193 (Maximal), B 162. Ikk betrag 36,6,
Ikr: 88,9.
Der Einflufs von Zwillingsgeburten, welcher bei minimalen
Gröfsen der ersten Lebensjahre sich sehr häufig bemerkbar machte,
kam in den späteren Altersklassen nur ganz vereinzelt noch zum
Ausdruck. Es wurde diesbezüglich notiert:
1. Den kleinsten Horizontalnmfang (486) anter den fünQährigen
Knaben hatte' ein ' Zwillingskind von reichlich 5Vs Jahren. Die übrigen
Kopfmafse waren: Us: 294, Ut: 262, L: 175, B: 136; die Körperma&e:
Lk: 996, Lr: 397, Lb: 415; die Indizes Ikk: 48,8, Ikr: 124,9. Der
etwas gröfsere, doch ebenfalls beträchtlich anter dem Mittel seiner Alters-
klasse stehende Zwillingsbrnder hatte die MaCse: Lk: 1007, Lr: 398,
743
Lb: 427; üh: 489, üs: 295, Ut: 251 (Minimum), L: 175, B: 135;
Ikk 48,6, Ikr 122,9.
2. Ebenfalls standen stark anter dem Mittelmafs ihrer Altersklasse
zwei 6V4Jttbrige Zwillingsbrüder, von denen der eine das Minimum fftr
Lr (368) besafs. Seine übrigen Mafse waren: Lk: 1056, Lb: 472,
üh: 491, üs: 301, üt: 275. L: 168, B: 140, Ikk: 46,5, Ikr: 133,4.
Am anderen Zwilling wurde gemessen: Lk: 1063, Lr: 377, Lb: 482,
üh: 494, üs: 291, üt: 272, L: 169, B: 141, Ikk: 46,6, Ikr: 131,0.
3. Bei den neui^äbrigen Knaben fanden sich die Minima für üh (479)
und L (164) bei einem Zwillingskinde. Die anderen Eopfmafse waren:
üs: 283, üt: 288, B: 140; als Körpermafse wurden ermittelt: Lk: 1152,
Lr: 473, Lb: 490; endlich, die Indizes: Ikk: 41,6, Ikr: 101,3. Bei
dem im allgemeinen etwas gröfseren Bruder fand sich für Lk: 1206,
Lr: 451, Lb: 554, üh: 498, üs: 297, üt: 282, L: 172, B: 146,
Ikk: 41,3, Ikr: 110,4.
4. Auch bei den neunjährigen Mädchen fanden sich Zwillinge (9^/4 Jahre
alt), welche beide mit mehreren Mafsen den in der Tabelle angegebenen
Minimalzahlen nahe kamen. Die Mafse der kleineren waren: Lk: 1200,
Lr: 438, Lb: 581; üh: 485, üs: 280, üt: 265, L: 167, B: 138,
Ikk: 44,2, Ikr: 110,7. Die Mafse der Zwillingsschwester: Lk: 1236,
Lr: 470, Lb: 580, üh: 494, üs: 286, üt: 264 (Minimum), L: 174,
B: 139, Ikk: 40,0, Ikr: 105,0.
Weit interessanter als diese Tatsache, dafs Zwillingsgeburten^
gelegentlich noch in späteren Kinderjahren durch niedrige Körper-
and Kopfmaüae gekennzeichnet sind, ist eine andere, welche bisher
wohl mehr in Laienkreisen als feststehend angenommen wurde, als
dafs sie durch Messungen auf einen exakten Boden gestellt worden
ist. loh meine den EinfluTs eines familiären Faktors auf die
individuelle Entwicklung. Wie oben in der Übersicht schon ange-
deutet wurde, war unser Material für eine Untersuchung nach dieser
Richtung hin sehr geeignet; im besonderen konnte nachgewiesen
werden, dafs dieser familiäre Faktor weit häufiger in der Entwicklung
des Kopfes als in der des Körpers zum Ausdrucke kommt. Die
einschlägigen Beobachtungen an den Körpermafsen waren folgende:
1. Die in der Tabelle angegebenen Minima der Körper- und Rumpf-
länge bei den siebenjährigen Mädchen fanden sich bei einem Kinde von
7'/« Jahren; Lb betrug 465. Seine Kopfmafse entsprachen etwa dem
Mittel der Jahresklasse (üh: 496, üs: 301, üt: 290, L: 171, B: 145);
60 resultierten für Ikk (47.4) und Ikr (125,2) beinahe maximale Gröfsen.
Ähnlich verhielt sich ein einähriger Bruder dieses Mädchens: Lk (1225),
Lr (453) und Lb (567) standen den Minimis, die Indizes (Ikk: 43,3,
' Besonders betont mag werden, dafs es sich in den oben angefahrten
Fällen stets um gleichgeschlechtige, möglicherweise also eineiige Zwillinge
gehandelt hat.
744
Ikr: 107,2) den Maximis seiaer Gruppe nahe; die KopünuLfse waren:
üh: 631, Us: 317, üt: 291, L: 188, B: 153.
2. Ein anderes Verhalten zeigten zwei Brüder von acht und vierzehn
Jahren. Bei ihnen erhohen sich die Körpermalse heträchtlich flher, standen
die Kopfinafse nnter dem Mittel, und es ergaben sich für Ikk und Ikr
beinahe minimale Zahlen. Die betreffenden Mafse waren beim jüngeren:
Lk: 1328, Lr: 606, Lb: 632, üh: 506, üs: 292, Ut: 280, L: 171,
B: 145, Ikk: 38,1 (Minimom), Ikr: 100,2. Beim älteren: Lk: 1564,
Lr: 683, Lb: 777, üb: 622, üs; 311, üt: 282, L: 179, B: 151,
Ikk: 33,4 (zweites Minimum), Ikr: 89,5.
3. Zwei in allen Körper- und Kopfmafsen sehr grofse Mädchen zeigten
in ihren Altersklassen die maximale Rnmpflänge. Die Mafse waren: Bei
der einährigen Schwester: Lk: 1498, Lr: 606, Lb: 699, üb: 534,
Us: 32Ö, Ut: 312, L: 186, B: 151. Bei der dreizehnjährigen: Lk: 1549,
Lr: 635, Lb: 715, üh: 540, Us: 326, üt: 317, L: 187, B: 153.
Die wichtigsten Notizen bezüglich der Kopfmafse waren:
1. Die kleinste Kopf breite unter den sechsjährigen Knaben (133),
sowie ein Horizontalnmfang von 477 (zweites Minimnm) fand sich bei
einem der ältesten Kinder dieser Jahresklasse. Ein neuigähriger Bmder
dieses Kindes zeigte gleichfalls die Minima für üh und B nnter seinen
Altersgenossen.
2. Die Maxima f&r üs (343) und L (196) bei den siebenjährigen
Knaben, die dritten Maxima fQr üh (539) und L (190) bei den neun-
jährigen Mädchen, die zweiten Maxima für Us (338) und L (193) bei den
elfjährigen Mädchen besafsen drei Geschwister.
3. Zwei Mädchen von zehn und elf Jahren ergaben in ihren Gruppen
die Minima der Kopflänge mit 159 mm, B betrug bei beiden 149, so
dafs gleich-maximale Längenbreitenindizes von 93,7 resultierten. Voo
Rachitis als Ursache des hohen Index liefs sich nichts bemerken. Drei
andere Geschwister dieser Mädchen zeichneten sich nicht durch einzelne
Kopfmafse, wohl aber dadurch aus, dafs auch bei ihnen die Längenbreiten-
indizes bis auf wenige Zehntel übereinstimmten. Sie betrugen 85,1
(cf, sechsjährig), 85,6 (6, achtjährig), 86,2 (9, zwölQährig).
4. Drei Schwestern im Alter von 10, 11 und 13 Jahren zeichneten
sich durch kleine Kopfmafse, besonders durch niedrige Horizontalumfiänge ans.
Die Älteste besafs in ihrer Altersklasse und unter den Geschwistern den
kleinsten üh (479); der Kopfumfang der beiden anderen betrug 488 (bei
der zehnjährigen, Mittel: 511) und 502 (bei der elfjährigen, Mittel: 516).
5. Die Maxima für üs (381) S üt (348) und L (200), das zweite
Maximum von üh (572) bei den zehi^ährigen Knaben fanden sich bei
dem Kinde einer auffallend „grofsköpfigen* Familie. Von dem Träger
dieser für sein Alter enormen Kopfmafse ¥rufste die Mutter zu be-
richten, dafs er schon bei der — erst gegen £nde des elften
* Ein Sagittalumfang von 381 mm wurde nur ein einziges Mal wieder bei
einem 14jährigen hydrokephalischen Idioten in A Uterdorf beobachtet, denen
üh 620 mm betrag.
745
SchwaDgerschaftsmonats erfolgten — Geburt durch seine allgemeine Gröfse^,
besonders aber durch die Mafse des Kopfes aufgefallen sei. (»Das
Kind machte neugeboren den Eindruck eines einjährigen Jungen. *') Ein
siebenjähriger Bmder dieses Knaben zeichnete sich nur dnrch den maxi-
malen Transversalumfang (326) in seiner Gruppe aus; Uh betrug 521
(Mittel: 512). Auffallend war nun, dafs die Obrhöhe dieses jüngeren
Bruders mit 133 mm nicht nur die des älteren (124) weit tiberragte,
sondern weitaus die gröfste war, welche ich überhaupt in den von mir
berücksichtigten Jahren jemals gemessen habe. Da irgendwelche Ein-
wirkungen auf den Kopf während der Geburt oder in den ersten Lebens-
jahren sich durch eingehende Anamnese nicht ermittehi lielsen, so möchte
ich diesen Befund dahin deuten, dals aus uns unbekannten Gründen die
familiäre Disposition zu besonders starker Kopfentwicklung (einhergehend
mit familiärer und auch an den beiden Knaben schon bemerkbarer, über
das Mittelmafs sich beträchtlich erhebender Intelligenz) bei dem einen
Kinde zu einer hauptsächlichen Ausdehnung des Schädels in vertikaler,
bei dem anderen in saglttaler Richtung geführt hatte.
Über das Verhalten des Längenbreitenindex, in welchem eine
familiäre Eigentümlichkeit am deutlichsten zum Ausdruck kommen
dürfte, ifit an anderem Orte schon so viel mitgeteilt worden, dafs
hier nur noch wenige Worte erübrigen. Hervorhebenswert scheinen
mir vor allem die Fälle, in welchen Kinder, die im Alter beträcht-
lich voneinander abstehen, gleiche oder doch sehr ähnliche Indizes
besitzen. Es wären z. B. za nennen:
Ein sechsjähriger Knabe mit 75,0;
seine 13jährige Schwester mit 75,7;
ein siebenjähriger Knabe mit 76,9;
seine 13jährige Schwester mit 77,2;
zwei Schwestern von sechs und zehn Jahren mit 79,6;
zwei Schwestern von fünf und zehn Jahren mit 79,7;
drei Geschwister mit sieben, zehn und dreizehn Jahren mit 86,9,
86,9, 87,2.
Es scheint mir darans hervorzugehen, dafs mit einem relativ
frühen Alter (im siebenten, vielleicht schon im sechsten Jahre) in
vielen Fällen- die definitive Kopfform erreicht ist Über die
interessanteste Fi-age nach dem Verhalten der ersten Lebensjahre
gibt mein Material mir leider keinen Anfschlufs; doch möchte ich
glauben, daJB auch über die Entwicklung des kindlichen Kopfes während
dieser ersten Zeit nicht allein regelmäfsig fortgesetzte Messungen am
Individuum, sondern auch die Untersuchung von Familien bemerkens-
werte Resultate ergeben würde. (Fortsetzung folgt.)
^ Die Körpermafse des Jungen entsprachen zurzeit meiner Messung unge-
fähr dem Mittel der Altersklasse (Lk: 1320, Lr: 509, Lb: 594).
746
Über Versuche mit indirekter Gasbeleuchtung in einigen
Hamburger Volksschulen.
Von
Physikus E. Pfeiffer in Hamburg.
Mit einer Abbildung im Text.
Im Jahre 1904 wurden in einigen Klassen von Volksschnlen
in Hamburg ausgedehnte Beleaobtungsversuohe und Lichtmessungea
vorgenommen, um den Baubehörden generelle Vorschläge machen zu
können. Es handelte sich hierbei nicht in erster Linie darum, ob
Gas oder elektrisches Licht in Anwendung kommen sollte, sondern
um die Frage, ob es möglich sei, vermittels der Gasbeleuchtung einen
guten Beleuchtungseffekt zu erzielen, unter geringerer Lampenzahl
und unter Hintenanhaltung von Schädlichkeiten für Lehrer und
Sander.
Die Zeitschrift für Schulgesundheitspflege bringt eine Reihe
vorzüglicher Arbeiten aus diesem Gebiete; ich erinnere nur an die-
jenigen von Erismann, Batr, Praussnitz und vieler anderer. In
neuerer Zeit sind noch zwei lehrreiche Veröffentlichungen^ erschienen.
Speziell unter Hinweis auf erstere Arbeit, seien die in Hamburg
gesammelten Erfahrungen mitgeteilt, da sie sich mit den darin nieder-
gelegten Beobachtungen decken und manchen Interessenten auch
eine grö&ere Auswahl unter den Lampensystemen gestatten.
Die Messungen wurden ausgeführt mit dem von Dr. Krüss
angegebenen Apparat zur Messung der Fläohenhelligkeit {Joum. f.
Gasbeleuchtung u. Wasserversorgung, 1902, 45, 739.)
Man kann mit diesem Photometer die Helligkeit in Rot, Grün
und Weüjs messen. Zur schnellen Berechnung ist demselben eine
^ Indirekte Beleuchtung von Schul- und Zeichensälen mit Gas- und elek-
triichem Bogenlicht. Bericht über die Versuche in München, erstattet von der
auf Veranlassung des deutschen Vereins von Gas- und Wasserfachmännern
gebildeten Kommission. München und Berlin. R. Oldenbourg. 1905. — Prof
Stelz, Über die Beleuchtung von Schulräumen. Elektrotechnische Zeitschrift
1905. H. 7.
747
Tabelle beigegeben; es wird der Bruch Grün durch Rot bestimmt
und sodann die zu diesem Bruch gehörige Kerzenzahl direkt aus
der Tabelle abgelesen und mit Rot multipliziert.
Zum Beispiel: Es ergibt eine Messung mit Grün die Zahl 29,
in Rot 17,5, so ist der Bruch ^5— —^ = 1,6, die dazu gehörige
Meterkerzenzahl der Tabelle ist 1,40, diese multipliziert mit der
erhaltenen Messung in Rot = 17,5X1,40 = 24,50 Meterkerzen.
Bei einiger Übung gelingen die Messungen sehr schnell, die
Methode ist scharf, der Apparat arbeitet sehr empfindlich, aber auch
80 deutlich, dafs gröbere Differenzen durch verschiedene Beobachter
ausgeschlossen sind.
Bei Beginn der Vei'suche standen zwei Arten von Beleuchtungen
zur Verfügung:
1. Eine grofse Lampe, inmitten der Klasse an der Decke
hängend angebracht, mit drei Auerstarkbrennern, jeder Starklicht-
brenner zu 400 Normalkerzen bestimmt. Unter diesen Brennern be-
fand sieh ein weifs emaillierter Schirm, um die direkten Strahlen
nach unten auszuschalten und zu verhindern, dafs Lehrer und
Schüler unmittelbar in die lichtgebenden Strümpfe sehen müfsten.
2. Das gleiche System, aber etwas kleiner, nur mit zwei Stark-
lichtbrennern, dafür aber inmitten der beiden Bauksäulen ebenso wie
1. ca. 1 m von der Decke entfernt, aufgehängt.
Der Decken- und Wandanstrich bestand in der einen Klasse
bereits ein Jahr, in der anderen Klasse war die Decke &isch ge-
weifst worden.
Die Messungsergebnisse in der verwöhnteren Klasse im Ver-
hältnis zu der partiell renovierten boten auffallende Unterschiede
nach der schlechteren Seite hin dar, so dafs erst einmal eine
Klasse einen neuen Anstrich erhalten mufste.
Es erwies sich als am zweckmäfsigsten, nicht nur einfach
Messungen unter den gegebenen Verhältnissen in den Klassen vor-
zunehmen, sondern unter bestimmten Voraussetzungen und Versuchs-
anordnungen die beste Beleuchtung für eine Normalklasse ausfindig
zu machen.
Die Mafse für die Abstände der lichtgebenden Quelle nach den
verschiedenen Richtungen hin sind im wesentlichen immer die
gleichen geblieben. Da nicht jeder Versuch ausführlich beschrieben
wird, um durch die Unmenge der Zahlen den Leser nicht zu er-
müden, so seien auch nur die Mittelzahlen angegeben.
748
Die grofse Lampe war aufgehängt
in 3,ö5 m von der Katheterwand,
„ 3,75 „ „ „ Rückwand,
„ 3,20 r n n Fensterwand,
„ 8,05 „ „ rf Korridor wand.
NB. Quermitte des Zimmers.
Das Zimmer war 3,60 m hoch.
Die Auerstrumpfunterkante war 0,80 m entfernt von der Decke.
Die Messungen grachahen auf den Pulten der Bänke Nr. 2, mit
Tafelhöhe 60 und Sitzhöhe 35 cm, die Entfernung dee unteren
Reflektors von der Tafelhöhe betrug 2,10 m.
Der Anstrich der Decke war weils, die Wand war in 1 ,60 m vom
Fufsboden bis zur Decke gelblich weifs gestrichen, bis zu 1,50 m
vom Boden an gemessen war die Wand mit brauner Ölfarbe getönt.
Versuch I, gänzlich renovierte Klasse.
Ein groIiBe Lampe mit drei StarklichtbreunerD. Befestigang der
Lampe in der Mitte der Klasse, 90 cm vou der D^cke entfernt die
Lichtquelle, in der Mitte des Ganges, welcher die zwölf vierait^igen
Bänke in zwei Klassenhälften teilt. Die Meterkerzenzahleo wuen
für die inneren Plätze am Mittelgang über 20 Meterkerzen^ nwek
der Innenwand annähernd die gleichen, nach der Feustersaite bis
zu vier Meterkerzen geringer, desgleichen nach den vorderäteo Bätikeii
und dem Katheter hin abnehmend.
Die Fensterplätze wurden wieder eio bis zwei Meterkerzen
günstiger, sobald die Vorhänge zugezogen ^^rden, iodem für dleie
Plätze etwas Reflexion gewonnen wurde.
Der Versuch mit dieser Lampe befriedigte nicht, es wurde für
den Versuch II die Mannheimer Lampe angeschafft Diese besteht
in einem Deckenreflektor aus Emailleblech, weifs, und einem Boden-
reflektor aus Milchglas, welcher gleichzeitig' hnlbz^rstreut^s Licht
lieferte. Die Lampe war eingerichtet für zwei Starklichtbrenner.
Die Lichtmengen waren offensichtlich etwas höher, aber auch
ungleichmäfsiger, da der Unterschied zwischen halb und ganz zer-
streutem Lichte stärker zutage trat. Femer litt diese Versuchs-
lampe noch an dem Fehler, welcher immerhin leicht zu beseitigen
ist, dals die am entferntesten sitzenden Kinder sowie der Lehrer
noch ein Stück der direkten Lichtquelle mit den Augen streifen
mufsten.
Von Messung zu Messung wurden die Versuche immer mehr
nach der yoUständig indirekten Beleuchtung hingeleitet. Da die
749
Rück- und InDenwände der Klasse sich als recht gute Liohtreflek-
toren erwiesen, so wurden zwei Lampenhehälter konstruiert, ähnlich
wie Bühnenreflektoren am Rand der Bühnen, welche ihr Licht auf
die Bühne werfen, ohne das Auge des Beschauers zu stören.
Jeder Behälter war für eine Lampe gedacht, er sollte in dem
Zwischenraum der Fenster aufgehängt werden, das Licht zur Decke
•and der gegenüberliegenden Wand werfen und es von da aus erst
den Plätzen vermitteln.
Man kann sich ungefähr ein Bild davon machen, wenn man
sich die Gestalt einer Pferdekrippe vorstellt, bei welcher die Rück-
wand über doppelt so hoch ist als die Vorderwand. Die Yorder-
wand war beweglich, um durch ihre Stellung dem Licht den Weg
zu geben, welchen der Versuch für nötig halten würden.
Die drei ersten Lampen dieser Art waren aus Weifsblech an-
gefertigt, sie reflektierten recht gut bis zu den Plätzen der gegen-
überliegenden Wand. Nach wenigen Tagen war das Blech ange-
laufen und erbrachte den Beweis, dafs Theorie und Praxis nicht
übereinstimmten. Denn wenn der Schuldiener alle vier bis fünf
Tage diese Lampen putzen muls, so geht das auf Kosten der Halt-
barkeit der Strümpfe.
Es wurde daher an Stelle des Weilsbleches als reflektierende
750
Wand ein weifser Kachelbelag gewählt. Diese Kacheln waren. nieliC
gleichmäfsig in der Farbe geliefert worden, die Reflexion war un—
gleichmäfsig und auch geringwertiger. Die Bankreihen am Fenstox-
bekamen im Durchschnitt 10 Meterkerzen mehr als diejenigen cli3
der inneren Klassenwand.
Alle Messungen führten dazu, diesen Versuch als milsglüokt zu
verlassen und dazu überzugehen, die ursprüngliche grofse Lamp^
wieder zu benutzen, aber als Reflektor an der Decke den der Mann-
heimer Lampe zu nehmen. Der Bodenreflektor wurde einmal vei-—
nickelt, das andere Mal mit Spiegelglas belegt.
Die Erfolge der Reflexion durch den Bodenrefiektor waren so
geringe, dals eine Bewertung in der Praxis ausgeschaltet werden
konnte. Die Beleuchtung der Plätze inmitten der Klasse bewegte
sich in den Grenzen von 25 — 29 Meterkerzen annähernd gleich*
mälsig, wurde aber merklich geringer an den Bankenden; es wurde
offenbar der Hauptmasse des Lichtes eine bestimmte Richtung
gegeben.
£s war daher das gegebene, den Deckenreflektor zu vergröfsero.
Hierdurch wurde der Winkel des reflektierten Lichtkegels ein
gröfserer, die Gleichmäfsigkeit wurde besser, aber durch die Gröfse
des Deckenschirmes entstand ein dunkler Schlagschatten zwischen
Schirmrand und Decke, welcher wieder den Erfolg um zwei bis
drei Meterkerzen verringerte.
Um dieses zu vermeiden, wurde der groise Deckenreflektor um-
gedreht, mit der konkaven Seite nach oben, wie umstehendes
Bild zeigt.
Die Messungen ergaben bei zwei Starklichtbrennern:
An der Fensterseite 19»71 bis 21,9 Meterkerzen.
An der Innenseite 18 bis 26.8 Meterkerzen, Katheter 18,0
Meterkerzen.
An der Wandseite 19,75 bis 21,90 Meterkerzen.
Bei drei Stark lichtbrennem:
An der Fensterseite 20,7 bis 25,55 Meterkerzen.
An der Innenseite 18,75 bis 32,89 Meterkerzen , Katheter
20,735 Meterkerzen.
Die Lichtverteilung im Raum ist gleichmälsig, wohltuend für
das Auge und an jedem Platz so beschaffen, dafs man von Seiten
der Schulhygiene damit zufrieden sein kann. Bedingung ist, der
Schirm mufs gut und schön weifs emailliert sein ; er mufs von Zeit
zu Zeit vom Schuldiener mit einem feuchten Tuch an einer Stange
761
abgewieoht werden, damit die BeflezionsfUiigkeit nicdit verringert
wird. Duroh den Sohirm wird auch das sicli öfter notwendig
machende Streichen der Decke über den Lampen überflüssig.
Es waren folgende Bedenken geäofsert worden : die drei Stark-
liehtbrenner würden das vollbesetzte Klassenzimmer zn sehr erwärmen
und zu viele Verbrennnngsprodnkte liefern, welche Lehrer nnd
Kinder sehfidigen oder deren Arbeitsf rieche beeinträchtigen könnten.
Diese Bedenken erschienen bei guter Ventilation des Baumes
hin&Uig, und freue ich mich, dab die Kommission in dem eingangs
erwähnten Bericht auch wiederholt ausdrücklich betont, und z. B.
in § 4, S. 57 der Zusammenfassung nochmals ausspricht : „Dagegen
haben die Versuche gelehrt, dafs die Konkurrenzfähigkeit des Ghis-
glühlichtes gegenüber dem elektrischen Bogenlichte in ganz uner-
wartetem Malse schon durch höchst primitive Lüftungsvorrichtungen
(Absugsöffiüungen knapp unter der Decke) gesteigert werden kann.
Bei mit Menschen besetztem Saale und geöfiheter Abzugsklappe
waren die Unterschiede in den Temperaturzunahmen bei beiden
Beleuchtungsarten so gering, dafs sie hygienisch als bedeutungslos
beseichnet werden dürfen. Die Bndkohlensäuregehalte waren sogar
bei der Gasbeleuchtung ein wenig kleiner, was durch die ventilierende
Wirkung der durch die Gasbeleuchtung erzeugten grölseren Wärme
menge zu erklären ist.
Ein hygienisches Bedenken gegen die Verwendung von Oüb-
glühlicht zur Litensivbeleuchtung von Zeichensälen u. dgl. Bäumen
auf indirektem Wege liegt durchaus nicht vor, falls die Beleuchtungs-
körper nahe der Decke angebracht sind und für zweckmäßigen
Abzug der Verbrennungsprodukte gesorgt wird.*'
Die Abzugsvorrichtungen an der Decke sind in unseren Schul-
häusem vorhanden, und die Beleuchtungskörper können nahe der
Decke angebracht werden, so dais die Bedingungen der Kommission
erfüllt werden können.
Wer die Wahl hat zwischen elektrischem Licht und Gaslicht,
wird zweifellos ersterem den Vorzug geben. Ejs ist leichter zu be-
dienen, in der Handhabung bequemer, es wärmt weniger, liefert fast
keine Verbrennungsprodukte und ist unter Umständen gefahrloser
Ar ein Schulhaus.
Soll elektrisches Licht gewählt werden, dann kann hauptsächlich
nur die indirekte Beleuchtung in Frage kommen oder matte Birnen
in nicht zu geringer Anzahl in groüsier Deckennähe. Das Bogen-
licht brennt für den Unterrichtsbetrieb nicht ruhig genug, und macht
Schulfl^tnodheittpfleflre. XVIII. 40
762
«ieh bei eiDem grölseren Baum die Beeohaffong von mehreren Bogea-
lampen nötige so kann das Einstellen der Kohlen den Unterricht;
wesentlich stören.
Wird eine gleichmftbige, ausreichende Liohtmenge gewünaohi»
so dftrfte es nnr folgende Wege geben: Entweder eine Gasbelenchtong-
ähnlich der eingangs beschriebenen oder eine indirekte Beleuchtong-
dnroh eine mehr oder weniger greise Anzahl von Glühlampen (die
Anzahl hängt ab ron der OrOlse des Banmes und von der Kersen-
zahl der Birnen), oder eine direkte Deokenbelenchtnng, wobei die
Belenchtnngskörper möglichst an der Decke zn befestigen sind. Diese
letzte Art ist aber nnr ron Fall zn Fall zn wählen, denn beim
Unterricht wirken hellere Punkte in der sonst gleichmäCugen Um-
gebung als Ermüdungskoeffizienten für das Ange.
Die Beleuchtung, wie wir sie aus Schreibstuben kennen, mit
grünem Schirm und Pendelhalter über dem Platze bietet für den, welcher
darunter sitzt, eine recht gute Lichtmenge, aber unter Umständen
für dessen Nachbar das direkte Gegenteil. Eine mit sieben solcher
Lampen ausgerüstete Klasse zeigte recht verworrene Lichtverteilungs-
verhältnisse. Durohgehends wurden pro Bank andere Meterkerzen-
zahlen gewonnen, schwankend zwischen 7,5 und 48 Meterkerzen.
Bei der Belichtung von Klassen durch Tageslicht müssen wir ja
leider manchmal mit ähnlichen Zahlen auszukommen suchen, bei
der künstlichen Belichtung haben wir aber die Begulierung in der
Hand, daher sollten diese Lampen verschwinden.
Zum Schlüsse sei es gestattet noch einige Kostenberechnungen
anzuführen, welche ich durch die Liebenswürdigkeit von Herrn Bau-
meister Pfefferkorn erhalten habe.
Zugrunde gelegt sind die fiUimburger Preise:
0,18 Mark kostet 1 cbm Leuchtgas.
0,60 „ n 1 Kilowattstunde.
Der Stromverbrauch stellt sich für eine
16 Kerzen Kohlenfadenglühlampe 50 Watt auf Mk. 0,03
'2b „ „ 76 , , , 0,045
25 „ Osmiumlampe 40 „ „ , 0,024
8 Ampere Bogenlampe 900 n »» » 0,53.
(800 Kerzen ohne und 600 Kerzen mit Glocke.)
Kohlenstäbe für Bogenlampe stündlich « 0,01
Anschaffungskosten für eine
16 oder 25 Kerzen Kohlenfadenglühlampe „ 0,50
25 Kerzen Osmiumlampe „ 5,50
753
Mk. 0,75 zurück für alte Lampen.
8 Ampere Bogenlampe mit Schalter und Wider-
stand „ 100,—
Einfaches Deokenpendel für Glühlampen ^ 8, — .
Der Gasyerbranch stellt sich stündlich für einen gewöhnlichen
Anerbrenner von 100 Kerzen anf 0,125 cbm = Mk. 0,0225.
Starklichtbrenner „ 400 „ „0,3 « = , 0,054.
Anschaffdngskoeten für einen gewöhnlichen
Anerbrenner yollständig Mk. 2,50
Starklichtbrenner „ 4,50
Lampe mit drei Brennern und emailliertem Schirm ... „ 80, —
Die Entscheidung der Wahl für das eine oder andere System
hängt für jede Gemeinde von speziellen GMchtspnnkten ab, und diese
Freiheit mnJs gewahrt bleiben auch bei hygienischen Fordeningen,
solange die Güte beider Beleuchtongsarten sich noch die Wage hält,
wie es tatsächlich heute noch der Fall ist.
Zur Hygiene der Schulbank
in den Hilfsschulen für SchwachbefUiifte.
Von
Dr. J. MosBB- Mannheim.
„Wer an den Weg baut, hat viele Meister''; wer gar in der
kelÜBumstrittenen Schulbankfrage an die Öffentlichkeit tritt, muls
einer ausgiebigen Kritik gewärtig sein. Meinem in Nr. 12, Jahr-
gang J 904 dieser Zeüschrift veröffentlichten Aufsatze „Die Schulbank
in den Hil&klassen für Schwachbefähigte* lag gerade die Absicht
zugrunde, kritische Urteile erfahrener Sachverständiger in der bisher
literarisch kaum behandelten Frage nach der zweckmälsigsten Bank-
ansstattung der Hilfsschule herauszufordern. Den Herren Otto
Schmitt, F. Wbiol und E. Basbdow, die in Nr. 1 bezw. 2/3, Jahr-
gang 1905 dieser Zeitschrift zu dem von mir angeschnittenen Thema
das Wort nahmen (um zu einer meist ablehnenden Kritik meinee
Standpunktes zu gelangen), kann ich deshalb nur Dank wissen. Wenn
ich, angeregt durch ihre Mitteilungen, mich hier noch einmal zu der
Frage äuligere, so könnte ich auf die gemachten Einwendungen viel-
fach in keiner anderen Form erwidern, als indem ich meine da-
40*
764
maligen Ansfühningen noch eiDnal hierhenetten würde. lob kattv»
dies selbetrenttndlieh ebeneowenig ton, wSb ioh gewillt bin* dasm
Herren Sohmitt und WneL darin su folgen, dab iob für mein«-
Anschannngen in diesem oder jenem Punkte Autoren ins Feld ftthre.
Bei der ins üngemessene angewacbsenen Sohnlbankliteratiir iaft
ee ein leiobtss, jede Ansiebt mit Zitaten su belegen; so könnte max»
z. B. rar Widerlegung der von den Herren gegen die Rime-Bank
erbobenen Einwendungen ein£sob su dem nidhstliegenden greifen,
und auf die LeitsAtie der beiden o£Bsiellen Referenten über dae-
Sebulgebäude auf dem Nflmberger KongreHs verweisen, die als bwvor-
ragende Sacbverstindige auf diesem Gebiete sieh fb die Bime-BaDk:
ausgesproeben baben.
lob will versueben, von den Punkten, die Gegenstand eineir
Kontroverse swisoben den genannten Autoren und mir bilden, einige»
die mir von besonderer bygienisober Bedeutung su sein scheinen^
bier noob einmal einer erneuten Bespreobung su untenieben.
Meine Herren Kritiker mögen snvörderst beaobten, dals iob
mieb in meinem ersten Aufsatse gar niebt auf ein bestimmtes Bank-
system festgelegt, sondern nur gesagt batte, dab „keine der von mir
bis jetst in HiUsklassen in Anwendung gefundenen Konstruktionen
den Ansprttoben, die wir unter den besonderen, oben gekennaeiob-
neten Verbältnissen der HilGBSobule erbeben muftten, so allseit»
genfigt, ab die Rimesebe Sobulbank"*. Es bat für die praktisobe
Entwicklung der gansen Frage bedeutende Vorteile, wenn man sieb
niebt auf ein bestimmtes System von vomberein einsobwOrt, sondern,,
wie iob es versucht habe, die Ansprflobe formuliert, die man unter
den spesiellen Verhältnissen an eine Bank stellen mufs. Die iHbrige
Sobulbankindustrie mag siob dann anstrengen, um durob stetige teoh-
nisebe Verbesserungen jenen hygienisohen Anforderungen gereoht su
werden. Die Richtigkeit der von mir eingeschlagenen Methode wird
dureb folgendes Beispiel bewiesen: Ich hatte in meinem Aufntse
darauf hingewiesen, dais bei den unruhigen Insassen der Hilftklasnen
durch das Bewegen der Ffilse auf dem Fuisbrette ein sehr unange-
nehmes Gkräusch verursacht werden kann. Der Vertreter einer
Rime-Scbulbank&brik unterbreitete mir alsbald einen Verbeasemngs*
Vorschlag, der durch eine einfache technische Vorrichtung, die den
hygienischen Wert der Bank nicht beeinflubt, jenes Geräusch fast
auszuschlielsen verspricht.
Ich habe jetst nach den paar Aufsätsen ttber die Frage den
Eindruck, als ob es nicht ausgeschlossen sei, dals die Diskussion
756
Mldieiislioh dahin fahren könnte, einen besonderen Sohulbanktypns
fbr die zahlreichen, in ständigem Waohstum begrififenen Hilfsklassen
za finden. Die Besonderheit der Verhältnisse verleitet entschieden
4a8n; anf die physische nnd psychische Eigenart des SchOlermaierials
habe ich nachdracklich genng anfmerksam gemacht, auch daranf,
4als die Spezialmethoden dee Unterrichtes eine besondere Konstmktion
•der Bank erheischen. Es treten noch als weitere Momente hinzu:
-einmal die geringe Elassenfreqnenc; wenn die übliche Beeetenng der
Normalklassen die Schnlbanktechnik anspannen mnlste, die Snbsellien
«o sn gestalten, dals sie möglichst wenig Baum beanspruchen, so ist
in der Hilfsschule die Technik weit weniger von den räumlichen
Verhältnissen abhängig; zweitens die von WmoL mit Becht hervor-
^hobene Tatsache, dals in den Hilfsklassen eine bedeutendere Ver-
achiedenheit der Bankgröfsen w^gen der unter sich weit mehr als
in Normalklassen differierenden Körperlänge der Schaler notwendig
ist. Auf diesen Punkt komme ich weiter unten zurück.
Aber wie sich auch schlieislich die technische Erledigung der
wichtigen Schulbankfirage in den EUlfsklassen gestalten wird, gewisse
hygienische Grundforderungen stehen heute genügend fest. Zu diesen
rechne ich die Freilegung des Fufsbodens behufs gründlicher
Steinigung desselben. Ich habe in meinem früheren Aufsätze die
Notwendigkeit einer solchen in den Hilfsschulen genügend begründet.
Zurzeit erfüllt diese Forderung, wenn man von den in der Praxis
noch nicht genügend geprüften Vorrichtungen zur Hochhebung des
gesamten Schulgestühls absieht» keine Methode beeser als das Um-
kippen der Schulbank. AufEallenderweise hat die umlegbare Bank
nicht den Beifall meiner Kritiker gefunden; sie wissen allerdings an
deren Stelle nichts Besseres zu setzen. Herr Schmitt halt die üm-
legbarkeit der Bank für nicht unbedingt notwendig; sie könne bei
«iner genügenden Anzahl von Hilfskräften fär die Schubeinigung
aehr gut vermüst werden. Herr Wbiol glaubt, dab durch auf-
klappbare Tische und bewegliche Sitze sich die Reinigung so günstig
gestalten läfst, als man nur wünschen kann. Herr Bassdow berichtet,
dab man in Bremen die BsTno-Bank von den Schienen gelöst habe,
weil auf den Schienen und Scharnieren Schmutz liegen bleibe. Dem
allem gegenüber kann der Hygieniker nur immer und immer wieder
betonen, dals die Freilegung des Fufsbodens die fundamentalste
Vorbedingung fär eine so gründliche Reinigung darstellt, wie man
me für die Schule und erst recht für die Hilfsschule fordern mufs.
Es ist mir als Arzt schlechterdings unverständlich, wie man alle
766
möglioheii Systeme befürworten kann, bei denen es nnr dnroh allerlei
Kanstgriflfe und -kniffe möglioh iet, den Foisboden cn reinigen. In
der Hygiene gilt unbedingt der Ghrundsatz, dab dae Bessere der Feind
des Ghiten ist. Nach dem heutigen Stand der Technik ist die
Omkippbarkeit der Bank die beste Methode, den Boden für
die Reinigung freizulegen. Nur auf einem freigelegten Boden
laist sich frei und ungehindert mit Besen und Beinigungswerkzeugen
hantieren, und jede Hausfrau, die auf grflndliche Reinigung ihrer Wob*
nung hält, wftre wahrscheinlich glflcklioh, wenn man ihre Möbel ebenao
umklappen könnte wie die BffrriGsche Schulbank. Beachtenswert
sind die Mitteilungen dee Herrn Baskdow. Ich hatte bis jetzt nicht
gehört oder gesehen, daCs die Schienen und Gelenkfdlse der Rnmo-
Bänke fbr die Reinigung Schwierigkeiten ergeben hätten. Wenn
Herr Basbdow beim Besuche fremder Schulen solche Slohmutzablage*
rungen so leicht sehen konnte, dann lag ein yollstftndiges Versagen
der Eontrolle der Reinigung vor, der dies doch auch nicht hätte
entgehen dürfen. Eine Kontrolle der Reinigung ist aber gerade bei
der umkippbaren Schulbank au&erordentlich erleichtert.
Auf eine weitere von mir erhobene Forderung kann ich als
Arst trotz der Einwände des Herrn Schmitt (Herr Wbigl geht auf
diesen Punkt nicht ein, Herr Basbdow stimmt mir zu) nicht ver-
zichten: auf das Fufsbrett. Herr Schmitt wird mit seinem Rufe:
„Fort mit dem Fuisrost, der nicht direkt auf dem Boden aufli^*
unter den Hjgienikem sicher keine Anhänger finden, aber auch
kaum unter den Pädagogen, die neben den gesundheitlichen VorteileD
des Fulsbrettes auch den Wert erkannt haben, den dasselbe' im
Unterrichte durch Ermögliohung eines höheren Sitzens der Kinder
dem Lehrer bietet. Im übrigen habe ich betrefis dee Fulsbrettes in
meinem ersten Artikel alles Nötige gesagt. Herr Schmitt hat von
den dort gemachten Ausführungen die Äulserung angegriffen, dab
das Fulsbrett eine gute Stütze beim Sitzen abgebe. Elr sagt, dafs
„dasselbe keine Stütze des Körpers bieten, sondern vielmehr dem
Unterschenkel als Ruhelage dienen und dadurch die Oberschenkel
entlasten soll''. Dieser Satz ist mir unyerständlich. Wenn man den
Unterschenkeln eine Ruhelage gibt und die Oberschenkel entlastet,
so stützt man doch wohl damit den Körper beim Sitzen.
Herr Schmitt wendet gegen das Fulsbrett weiter ein, dals der
unter demselben liegende Staub und Schmutz nicht genügend berück-
sichtigt wird. „Denn auch der eifrigste Schuldiener wird einmal
Gelegenheit finden, den Schulsaal ohne Umlegen der Subsellien zu
757
reinigen.^ Ich meine, ein Sohuldiener» der die selbst von einer
Kinderhand zu bewerkstelligende Umkippimg der Bank nnterlftbt,
wird siob erst recht manche der schwierigen Manipulationen schenken,
die bei der nicht umlegbaren Bank zur Reinigung nötig sind. DaDs, wie
Schmitt weiter annimmt, Speisereste unter dem FuJbroste verborgen
liegen bleiben und in Fäulnis übergehen können, ist nicht allzu hoch
anzuschlagen. Eine zweimalige Reinigung in der Woche wird man
ja wohl verlangen müssen, und in ^n kurzen Zwischenzeiten ent*
steht wohl kaum eine Fäulnis, die iq;endwelohen gesundheitlichen
Schaden stiften kann. Ein solcher Schaden stünde weit zurück
hinter dem, der ohne Fuisbrett das Aufscharren und Aufwirbeln des
Schmutzes und Staubes verursacht, Denn nicht in ein paar ruhig
liegen gebliebenen Speiseresten haben wir den ge&hrlichsten Feind
dee Kindes in der Schule zu erblicken, sondern in dem Schulstaub.
Das ist eine so elementare hygienische Erkenntnis, dafs man ihr
nicht irgendeinem Banksystem zuleide oder zuliebe Gewalt antun
sollte.
Ich komme nun zu einer weiteren von mir erhobenen Forderung,
um derentwillen ich besonders das Müsfallen des Herrn Weigl ge-
funden habe. Unter Hervorhebung der physischen und psychischen
Schwäche des in Frage kommenden Schülermaterials hatte ich ver-
langt, dafs man bei diesen Kindern sich nicht darauf verlassen solle,
dafs ihre Aufinerksamkeit, Zucht und Selbstbeherrschung das Ein-
nehmen und Einhalten einer richtigen Sitzhaltung ermöglicht, sondern
bestrebt sein solle, die Sitzkonstruktion der Bank so zu gestalten,
dab eine gesundheitsmälsige Haltung gleichsam erzwungen wird.
Das Wort „erzwungen" hat Herrn Wxigl veranlagt, eine Stelle aus
EüLBNBiBChBACH gegen mich zu zitieren, die mich gar nicht trifft.
Dort ist von dem Erzwingen einer aufrechten Haltung die Rede,
das den hygienischen Grundsätzen widerspricht, nach denen den
Schülern stets soviel Raum zu gewähren ist, dab sie keine ein*
gezwängte, sondern eine völlig ungezwungene Sitzlage haben. Ich
habe aber nicht das „Erzwingen^ einer aufrechten Haitang (etwa
durch eine steile Lehne oder eine Zwangseinrichtung) verlangt,
sondern ausdrücklich einer „gesundheitsmäfsigen*^ Haltung; diese
gesundheitsmälsige Haltung, bei der, wie ich sagte, jeder belästigenden
Einengung vorgebeugt werden mufs, wird in der Hilfsschule nicht
leicht durch Energie und Aufmerksamkeit des Schülers erreicht,
sondern die Konstruktion der Bank soll derart sein, dafig der Schüler
gut sitzen mufs. Man weiis, dab es Bänke gibt, in welchen der
758
Sohfller sohleoht aitsen muh, dab es aber woU keine Bank gibt,
in welcher der Sohfller nioht aohleokt sitsen kann. Die EifUlang
der Ton mir erhobenen Ansprache an die Schulbank der Hilfeklaasen,
die sich auf GhröÜBenanpasBnng, Fnüibrett, Lehnenform nnd Ldinen-*
abstand» Sitsbrett nsw. besogen» soll bedingen, dafs der Schale bei
einiger Anfisierksamkeit des Lehrers nicht gnt anders denn ,,gesand-
heitsgemals'^ sich halten kann. Das war der Sinn meber Au»-
ftthmngen. Von einem Eins w&n gen war dabei nur insofern die
Bede» als ich jedes Binswangen Tenirteilte. Herr SoHinn erkannt
dies an nnd sitiert meine Worte: «Dabei mnls jeder belAstigendeii
Einengung yorgebengt werden. ** Er ftlgt hinsn: „Und trotidem
empfiehlt er die einengende RBTTIO-Bankl Wie reimt sich das su-
sammenf* Es ist klar» dafs ich» wenn ich irgendwie die Über-
sengnng hatte gewinnen können, da(s die Bsnra-Bank die yon mir
verurteilte belästigende Einengung mit sich bringt, nicht su dem
Endergebnis bezflglich der Rnme-Bank gekommen wäre, das idi in
meinem ersten Aufsatse verö£fentlichte. Herr Schmitt sieht offenbar die
einengende Wirkung der BiTTi«*Bank darin» dab» wie er sich aus-
drückt, «der Brtistkasten infolge der steilen Lehne an die yordoe
Pulikante angedrückt wird*^. Zahlreiche Messungen hab«i erwiesen»
dab bei richtiger Anpassung der Bimo-Bank an die EörpergröiM
zwischen Bmstwand und hinterer Pultkante eine Distans von 10 cm
vorhanden ist. Herr Schmitt, der die BarTia-Bank auf der einen
Seite beschuldigt, dab in ihr «der Brustkasten infolge der steilen
Lehne an die vordere Pultkante angedrttckt wird*» wendet anderer-
seits meine Worte, die ich in besug auf das unbeaufsichtigte
Sitien der Hilbsohüler in unsweckm&fsigen Bänken gebraudit
habe, auf die BiTTiQ-Bank an: „Die Eörperstellung ist miserabel»
der Bumpf liegt vorgebeugt und susammengedrückt» der gedrehte
Kopf fast auf dem Pulte auf." Da muTs ich nun Herrn Schmitt
mit seinen eigenen Worten fragen: „Wie reimt sich das Eusammen?*
Seine awei Behauptungen in besug auf die BsTTie-Bank lassen sich
schwer vereinen. Entweder ist der Bumpf festgezwängt swisohcD
steiler Lehne und Pultkante» dann kann der dermaben eingeswängte
Bumpf nicht zusammengeknickt und -gebengt auf dem Pulte auf-
liegen, oder der Bumpf liegt wirklich dermaben auf dem Pulte auf»
dann kann er nicht eingezwängt sein.
Herr WiieL hat in verdienstvoller Weise darauf hii^wieseD,
dab die Verschiedenheit der notwendigen Bankgröfsen in den HiUi-
klassen bedeutender ist als in den Normalklassen. Ich war in
759
meinem ersten An&atze aof diesen Punkt deshalb nicht eingegangen,
weil hier beträchtliche lokale Difierenzen bestehen und ich mehr
bestrebt war» die für alle Fälle geltenden einheitlichen Forderungen
zu formulieren. ISs ist klar, dafs die Verschiedenheit der notwendigen
Bankgröfsen dort bedeutender ist, wo mehrere Jahrgänge in einer
Klasse yereint sind, als dort, wo eine gröbere Abstufung der Hilfs-
klassen besteht. Die Frage ist aber auf alle Fälle sehr wichtig.
Nur bestreite ich, dafs sie lediglich durch Verwendung einer
▼erstellbaren Schulbank su lösen ist. Denn sonst würde auch die
Schulbankhygiene einer mehrklassigen Landschule mit der Yeistell*
baren Bank stehen und fiedlen. Ohne damit die Verwendbarkeit
eines anderen Subselliums in der Hilfsschule auszuschliefsen, will
ich in folgendem kuns den Nachweis versuchen, dafe man mit der
▼on dem genannten Autor angegriffenen BBTTIG-Bank der Ver-
mhiedenheit der BankgrOfsen in den Hilfisklassen yollständig gerecht
werden kann. Die WBKftLschen Zahlen sind allerdings zu diesem
Nachweise um dessentwillen nicht gut brauchbar, weil die OrOlsen-
gruppeneinteilung nicht der bei der BicTTiG-Bank üblichen entspricht.
Ich setze deshalb die genauen Gh-öfsenzahlen aus drei anderen Hilfis-
klassen hierher:
Klasse I mit 17 Schülern weist folgende Gröüsen'auf bei einer
Differenzierung des Alters Ton 7 Jahren bis zu 10 Jahren 1 Monat :
107 cm 2 Schüler 116 cm 1 Schüler
108 „ 3 , 117 „ 1 „
109 „ 2 ,. 122 „ 1 „
110 1 „ 128 „ 1 „
112 „ 1 „ 129 „ 2 „
114 1 . 130 „ 1 „
Klasse II mit 18 Schülern weist folgende Orölsen auf (das
Alter differiert Ton 8 Jahren 9 Monaten bis zu 13 Jahren 4 Monaten) :
110 cm 1 Schüler 130 cm 1 Schüler
"6 „ In 131 n 2 ,
120 ^ 2 „ 132 3 „
123 „ 1 „ 133 „ 1 „
124 „ 1 ^ 134 „ 1 ,
125 „ 1 „ 138 „ 1 „
129 „ 1 „ 148 , 1 „
760
KlasBe III mit 16 Sohttlern weist folgende KOrpergrOisen auf
(Alter 10 Jahre bie 18 Jahre 5 Monate):
Schüler 134 cm 3 Schüler
118 om
121 , . . . .
123 .....
126 , . . . .
127 „....
130 , ....
183 , ....
135
187
140
141
144
145
1
1
1
1
1
1
Die Venohiedenhät der KörperUüage innerhalb einer Hil/itHmiiw
ist, wie man aus den angeführten Zahlen enieht» konfonn den be-
trftohtlichen Altersnntersohieden eine sehr giofiM, aber in Veigleieh
zu NormalUaasen gesetst keine ongewChnliohe. Der jflngst in dieser
ZeUaehrifl (Jahrgang 1905, fleft 3/4) verOffnitUehten statistisehen
Arbeit von Dr. EjODAbo Quntsnu) ist m entnehmen, dafr innojialb
desselben Jahrganges bei Kindern im Alter von 6 — 10 Jahren
GrOÜMnnntersohiede Ton 28 — 89 om die Begel bilden. Die Ton den
Bimasohen Sohnlbankfabriken herausgegebenen Normalaofstellongen
sehen für jedes Sohnljahr deshalb drei BankgrOJsen vor. Eine tabel-
larisohe Zusammenstellung unseres Hil&sohfllermaterials ergibt, dab
in den Hilfiklassen bis zu fünf filme -BankgröDsen nötig werden
können.
Zahl der Sohnler mit OrSläe
KlMM
I
unter 116
OlD
II
116-124
om
in
124-132
om
IV
182-141
cm
V
141— löO
om
Summe
I
10
3
4
—
—
17
n
2
4
8
3
1
18
m
—
3
8
7
3
16
12
10
15
10
4
61
Die 51 Sitse würden, wenn die Schüler alle in einer Klasse yer-
einigt wflren, in yerteilen sein auf 6 Bftnke der Grüüse I, 5 Bftnke
der Gröfse U, 8 Bänke der Ghrölse III, 5 B&nke der OrOise lY,
2 Bänke der GbOlse V. Infolge der Verteilnng aher der Schüler
anf drei Klassen würden statt 26 Bftnke nngefilhr 29 nötig sein.
Die Zahl der ftLr eine GrOlse nötigen Sitze ist natürlich nicht immer
761
dnreli 2 teilbar, es köonen 1, 2 oder 3 Sitee unbenutzt bleiben, nnd
bei solob kleinen Klassen kann die Anzahl der Sitze etwas grODser
sein als die Zahl der Schüler. Übrigens lassen sich die Grenzen
der für die einzelnen Banknnmmem festgesetzten Schülergröfeen ohne
das geringste hygienische Bedenken nach oben oder nnten nm etwas
verschieben; ein Kind von 131 cm Körperlänge kann auch Nr. IV,
ein Kind von 133 cm Körperlftnge auch Nr. HE benutzen. Selbst
wenn man die Grenze der Benutzbai^eit einer Rime-Banknummer
um 4 cm über das exakte Gruppenmafe nach oben und unten aus-
dehnt» wodurch man allen jemals vorkommenden Schwankungen ent-
gegenkommen könnte, würde das E^ind nicht geschädigt werden.
Eine Abweichung von 4 cm in der Körpergröfse ergibt bei der
SsTTiG-Bank auf die Sitzhöhe nur 1,1 cm, auf die ,,Differenz^ nur
0,8 cm. Die konkrete Erfüllung der Forderung, dafe jedes Kind
genau die seiner Gröfse entsprechende Bank hat, begegnet hier also
keinesfalls den Schwierigkeiten, welche Weiql annimmt. Auch bei
strengster Einhaltung der RsTTiGschen Normalgröfsen wären für die
drei als Beispiel aufgeführten Hilfsklassen 29 RsTTie-Bänke nötig.
In einem gro&en Schulkörper — und, wo Hilfakassen bestehen, hat
man es immer mit einem mehr oder minder grofsen Volksschnl-
organismus zu tun — ist es erst recht leicht, aus dem Bestand an
RsTTlG-Bänken die nötigen Nummern bereit zu stellen. Die Ver-
schiedenheit der notwendigen Bankgröisen in den Hilfsklassen bedingt
also keineswegs, ein System der Schulbank mit fixen Teilen, das
sonst hygienische Vorteile bietet, zu verlassen zugunsten einer in
Sitz, Pult und Lehne verstellbaren Bank. Gegen letztere habe ich,
wenn sie auch sonst die von mir heute wieder aufgestellten hygieni-
schen Grundforderungen erfQllen sollte, ein Bedenken. Die Bank-
einstellung ist abhängig von dem subjektiven Augenma&e der ein-
stellenden Person. Die Einstellung ist keineswegs so sicher und
ein&ch, und auch bei gröfster Sorgfalt der Person, welche die Ein-
stellung vornimmt, dürften umfangreichere Abweichungen, als sie
die oben angeführten gröisten Schwankungen bei der RsTTlG-Bank
von 1,1 bezw. 0,8 cm darstellen, nicht zu vermeiden sein. Eine präzis
und exakt auf ein bestimmtes Körpermals gearbeitete Gruppenbank
bietet zum mindesten dieselben Garantien für eine gesundheitsgemäfse
Anpassung als die einstellbare Bank. Dabei gebe ich zu, was ich
auch schon in meinem ersten Au&atze angedeutet habe, dals in ein-
zelnen ganz besonderen Fällen die Aufstellung eines individuell
angepafsten Subselliums nötig werden kann.
762
Im übrigen spielen in die jetit begonnene Diakuadon übei di»
Sohnlbankfirage in der Hilfinohnle alle strittigen Probleme der all-
gemeinen Schnlbankürage hinein, über die eben eine Einigung nieht
80 raaoh sioh Yollziehen wird, als es wünsohenswert wäre. YieUeioht
bewährt sioh aber auch in der Sohnlbankfrage eme Er&knmg, die
man in der Medisin und der Pädagogik schon oft machen konnte»
dafs das Stndinm der Verhältnisse am Anormalen (hier an dem körper-
schwachen Schülermaterial der Hilbklassen) Licht wirft in nn*
gddärte Probleme des Normalen.
iXttf Herfattttlitttgett tttt) Heretttett.
Die Bedeutiing öflisntUeher Spiel- und BportpUtM
Ar die Volkigerandheit.
Vortrag, gehalten an der 80. Versammlung des Deutschen
Vereins für öffentliche Oesnndheitspflege in Mannheim,
September 1905» Ton Dr. F. A. Sohmibt in Bonn (Autoreferat).
Wohl selten hat eine hygienische Malsnahme in Deutschland
eine sc schnelle Verbreitung gefunden als die Anstellung Yon
Schulärzten. Seit Erlab der Dienstordnung für die städtischen
Schulärste in Wiesbaden 1896 haben über 100 Städte, mehr oder
weniger dem gegebenen Muster sich anschliebend, ihre Volks- und
zum Teil auch Mittelschulen einer hygienischen Au&icht durch
Schulärzte unterstellt. Für die höheren Schulen steht allerdings
diese Einrichtung noch so gut wie gänslich aus. Diese schnelle
Entwicklung in noch nicht zehn Jahren ist wesentlich der Erkenntnis
zu danken y dab ein überraschend grober Bruchteil der heran-
wachsenden Schuljugend körperlich minderwertig sei. Fast in keiner
Stadt zeigte sich auch nur die Hälfte der Schulkinder voll entwickelt
und Ton guter Konstitution. In manchen Orten waren es weit
geringere Bruchteile, die als von guter EörperbeschafiFenheit be-
zeichnet werden konnten. So in Chemnitz (1902/03) 7,9%, in
Charlottenburg (1900) 11,5%, Offenbach (1897) 20%, Daimstadt
(1898) 26,3% usw. In Wiesbaden waren 1896 2b^/o kränklich,
in Leipzig 1900 41,06% ärztlicher Behandlung bedürftig, in Schöne-
berg (1900) 62%, in Stuttgart (1904) 67% schadhaft. Das aUes
763
sind Ergebnisse einer nur einmaligen Untersnchnng. Sie wären
noeh trauriger, wenn nach der yon Hbbtrl in Kopenhagen und Kat
in Stookholm seinerzeit befolgten Methode auch fiber diejenigen
Sohwächezustftnde, welche wfthrend des Schuljahres sich zeigten
(Eop&chmerzen, Nasenbluten, Appetitlosigkeit, Schlaffheit usw.)^
Angaben seitens der Lehrer und Eltern Yorlfigen und hinzugerechnet
würden. Es wuchst also zurzeit eine körperlich sehr minderwertige
Jugend in unseren Schulen heran.
Kein Zweifel, dab soziale Milsstftnde bei den ärmeren Volks-
sohichten einen greisen Teil der Schuld daran tragen. Es sind vor
allem schlechte oder fehlerhafte Emfthrung (ein Fünftel der Volks-
schaler zeigte sich 1903 als mangelhaft ernährt), weiter ungesunde
Wohnungen u. dergl., welche die hohe Kränklichkeit der Schul-
jugend mit verursachen. Hierhin sind besonders zu zählen die
Skrophulose (in Magdeburg waren |1903 16,5 Vo, bei den Schul-
rekruten der Stadt Bautzen 1901 21%, 1902 19%, 1904 40%
skrophulOsl), sowie die Bhachitis (Stuttgart 1903 44%, München
1900 34%). Es muls aber betont werden, dals auch bei den
Kindern der besser gestellten Volksschichten (z. B. in den Mittel-
schulen) die Kränklichkeitsziffem noch reichlich hohe sind. Während
femer sich Bhachitis und Skrophulose während der Schulzeit natur-
gemäb rermindem, nebmen währenddessen Blutarmut und Bleich-
sucht, nenrOse Schwäche u. dergL zu. So stieg z. B. die Zahl der
an Blutarmut Leidenden während der Schulzeit in Darmstadt Ton
6 auf 13%, in Schöneberg von 14 auf 17 7o. Daraus schon ergibt
sich, dals neben fehlerhsiter Ernährung, ungesunden Wohnungs«
yerhältnissen usw. noch andere im Schulleben begründete Ursachen fftr
die Schwächezustände bei den Schulkindern Yorhanden sein müssen.
AxBL Kbt stellt an die Spitze seiner schulhygienischen Unter-
suchungen den Satz, dab die Schädigungen, welche das Schulleben
auf die Gesundheit der Kinder ausübt, vor allem beruhen auf dem
▼ielen Stillesitzen und der Unzulänglichkeit der Körper-
bewegungen.
In der Tat ist der Bewegungstrieb dem Kinde eingepflanzt als
ein Lebensbedürfnis, ebenso mächtig wie das Verlangen nach Speise
und Trank. Beiohliche, regelmälsige Bewegung zählt zu den „nor-
malen Lebensreizen'' (Buchnbr), d. h. ist ein unersetzliches Er-
fordernis zum vollen gesunden Wachstum des Körpers, und kann
ohne Schädigung der körperlichen Entwicklung nicht remachlässigt
oder eingeschränkt werden. Regelmäßige Bewegung kräftigt in
764
eroter Linie das die Hälfte der gesamten Körpermasse ansmaohende
Muskelgewebe selbst und belebt damit wirksam den Gesamt-
stoffwechsel des Körpers. Ebenso erbält das Knoehengerüst robifl
Festigkeit und typische Ausgestaltung wesentlieh durch die Tätigkeit
der an ihm wirkenden Muskeln. Vor allem aber sind es die natfir-
liehen Schnelligkeitsübungen im Freien — beim Kinde in allererster
Linie das Laufen, dem sich später als ähnlich wirksam das Ha^
schieren und Bergsteigen, das Schwimmen und Rudern beigesellea —
ein anderswie nicht ersetzbares Mittel zur Entwicklung einer atem-
tüchtigen und widerstandsfähigen Lunge, eines kräftigen Hersens,
sowie einer gesunden Blutfülle. Die Jugend ist aber wegen ilusr
besonderen Kreislaufyerhältnisse — verhältnismälsig kleines Herz
bei weiten Schlagadern, während beim Erwachsenen die Verhältniase
geradezu umgekehrt liegen — ganz besonders geeignet zu heftigeren
Laufbewegungen, yerträgt solche weit leichter als der voll E^
wachsene. Die Form aber, in der der Lauf am zuträglichsten geäbt
wird, ist das Jugend spiel. Beim Kinde unter zehn Jahren tragen
die Spiele mehr den Charakter harmlosen fröhlichen Tummebs und
bedeuten durch die hiermit verbundenen Lustgefühle eine wahre
Kervenstärkung. Beim mehr herangewachsenen Knaben erhält das
Spiel, soll es stets fesselnd sein, einen reichen Inhalt und wird zum
fein ausgebildeten wechselvollen Kampfispiel. Hier werden die
wichtigen Eigenschaften der Schlagfertigkeit und Geistesgegenwart
ausgebildet, entwickeln sich Selbständigkeit und frische Liitiati?e.
Wo aber kann sich unsere Jugend solcher Bewegung im Freien
hingeben? In unseren heutigen Grols- und Mittelstädten dienen die
Stralsen lediglich dem immer mehr entwickelten, für die dahin-
wandelnden Kinder zu einer beängstigenden Gefahr gewordenen
Verkehr; die Platzflächen der Städte werden in zunehmendem Malae
mit umgitterten Schmuckanlagen bedeckt und so der spielenden
Jugend verleidet; die Grundstücke im dichtbebauten Kern der Stadt
weisen längst keine gröfseren Hinterhöfe, geschweige denn Haas-
gärten auf, sondern nur noch enge sonnenarme Luftschachte zwischen
hohen Hintergebäuden. Die zum gesunden Gedeihen unerläMiche
Bewegung in guter Luft und Sonnenschein ist dem heranwachsenden
Geschlecht in den Städten immer mehr verwehrt. Kein Wunder,
dals es eine blutarme, schwächliche und schlaffe Jugend ist, welche
unsere Stadtschulen bevölkert.
Diese besonderen Verhältnisse erfordern auch besondere Mab-
nahmen zur Gesunderhaltung des Volkes. Darum bedürfen wir in
765
dem HäQsergewirr der Städte Gelegenheiten znr erholenden Be-
wegung im Freien; nicht nnr Sohmnckanlagen als Schanstüeke für
müJGaige Spaziergänger, sondern sonnige, allgemein zugängliche
Tummelplätze für gesunde kräftige Bewegung.
Nur geringen Raum beanspruchen die Kinderspielplätze
für die S^leinsten, für die noch nicht schulpflichtige Jugend. Es
bestehen solche wohl in den meisten Städten, ihre Zahl ist aber
überall eine zu geringe. Insbesondere fehlen sie meist da, wo sie
am nötigsten wären, nämlich mitten in den gedrängten Wohnvierteln
der Kleinbürger und Arbeiter.
Was femer die Schulhöfe betrifft, so sollen sie eine reich-
liche Gröise haben — das übliche Mats von 2,25 m für jedes Kind
ist nicht genügend, vielfach nicht einmal erreicht. Sie sollen durch-
lässigen trockenen Boden besitzen, bei Staubentmcklung regelmäßig
besprengt werden, und nur im Umkreis mit Bäumen bepflanzt sein,
da der Spiel- und Tumbetrieb nicht möglich ist ohne eine genügende
ununterbrochen freie Fläche.
Für die mehr herangewachsenen Schüler, über das zehnte Lebens-
jahr hinaus, genügt aber nicht der Schulhof. Hier bedürfen wir
weit gröfserer Flächen als Spielplätze, die auf die einzelnen
Stadteile planmäisig verteilt herzustellen sind. Seilen diese Spiel-
plätze aber ihren hygienischen Zweck wirklich erfüllen, so müssen
sie auch zu geordnetem Spielen von der gesamten Schuljugend benutzt
werden, d. h. es sind an den Schulen regelmäfsige für alle ver-
bindliche Spielnachmittage einzuführen. Mit freier Beteiligung
kommen wir nicht weiter; es bleiben dann erfahrungsgemäfs die
echlafien Schüler und die verzärtelten Muttersöhnchen zuerst vom
Spielplatze weg, obschon gerade diesen frische Bewegung im Spiel
mit den Altersgenossen am meisten not täte.
Nach dieser Bichtung hin sollten wir uns mehr die englischen
Verhältnisse zum Muster nehmen. Besonders sollten wir auch von
den Engländern und Nordamerikanem das übernehmen, dafs weite
Basenflächen, für jeden aus dem Volke zu Spiel und sportlicher
Übung ungehemmt zugänglich, einen selbstverständlichen Bestandteil
einer jeden gröüseren öffentlichen Parkanlage zu bilden haben.
Gesunde Form der Erholung müssen wir aber auch den Lehr-
lingen aus dem Kaufmanns-, Handwerker- und Arbeiterstand er-
möglichen. Spiele im Freien, Wanderungen und regelmäfeige Leibes-
übung sind da nicht nur ein wirksamer Bundesgenosse zur Bekämpfung
frühzeitigen Alkoholmifsbrauchs, sondern auch notwendig zur Er-
766
haltoBg und Meknmg körp«rlidher Erisohe nnd ArbeitstftohtiglDait.
Sohon gleioh naeh Vollendnng d«e 14. LebenajahreB, noch mittan in
der Waehrtnmsperiode« werden diese jungen Leate yon frah bis
spät in die Luft des Eontors, der Werkstabe, des FabrikssAleB
gebannt Nicht nur das. Spät in den Feierabendatiinden sollea sie
sich auch aum Fortbildnngsnnterricht auf die Schulbank seteeoi.
Hier wird mithin ein schlimmer Mibbranch warn Schaden der
körperlichen Entwicklung getrieben. Mehr als dies bei unsereD
Gymnasiasten der Fall ist» kann man da von einer ÜberbürdniKg^
reden. —
Es ist endlich dringend su wünschen, daJs auch dem BeetrebeQ
mehr Rechnung getragen werde, unsere Volksfeste su veredeln
und aus der Luft der Wirtssäle wieder mehr hinaus ins Freie sa
yerlegen. Dazu dient die Herstellung yon gr^^iseren freien Wald-
plätsen in bevorsugter Lage. Solche Plätse können dann aueh
far Ferienspiele oder Halbkolonien der Schuljugmd des Ortes
hygienisch nutsbar gemacht werden
0ie Aufgabe der Schule im Kampfe gegen dei Alkehelismu.
Ans einem Vortrage des Lehrers R. ZWBIVBL-Olarns an der
Frtthlingskonferenz der glarneriscben Lehrerschaft
am 24. Mai 1905.
Der Referent stellte, seinen Vortrag resttmiersad, folgende Thesen auf:
1. Der Alkoholismns hemmt die physische mid geistige Entwicklung
des Kindes nnd geiUirdet die Charakterbildung.
2. Die Schale hat die Pflicht, dem schädlichen Einflufe des Alkoholismus
entgegenzutreten.
3. Fflr alle Schulstnfen des Unterrichtes besitzt sie als Mittel die
gelegeatlichen Belehrongen, welche sich durch die Behandlang der einzdnea
UnterrichtsOcher ergeben.
4. Aof den höheren Scholstafea (Sekandar-, Gewerbe- and Fort-
bildangsschnle inbegriffen) soll im Anschlag an die Anatomie des mensch-
lichen Körpers aach der schädliche Einflals des Alkohols aaf Körper und
Geist mit Nachdruck betont werden.
6. Bei der Revision der Lese- nnd Lehrbücher, besonders der nator-
kondlichen Teile derselbeo, sind die Teralteten Anschsnnngen über Wesen
and Wert des Alkohols durch die Ergebnisse der neuesten, exakte»
Forschung zu ersetzen. In jedes Lesebuch der oberen Schulstofe sind je
zwei einschlagige Lesestficke aufzunehmen.
t>. Bei festlichen Anlassen jeglicher Art (Schukusflflge und Schalfeste
inb^ffen) soll die Jugend alkoholfrei verpflegt werden.
767
7. Um in der Schale im angedeuteten Sinne mit Erfolg zn wirken,
ist schon in den Seminarien die Wichtigkeit der Alkobolfrage vom physio-
logisch-psychologischen Standpnnkte ans mit Nachdruck heryorznheben.
8. In die Lehrerbibliothek nnseres Kantons sind die wichtigsten Werke
über die Alkoholfrage aufzunehmen.
These 1 und 2 wurden von der Versammlung gutgeheißen. Thesen 3,
4 und 6 wurden nach Antrag von Herrn Schnlinspektor Dr. Haftbr
ersetzt durch folgende Sätze:
1. Der Jugend soll von den Erwachsenen das Vorbild der Mäfsigkeit
gegeben werden.
2. Aus den Schulbüchern sollen alle Stellen ausgeschieden werden, die
den Alkoholgebrauch begflnstigen.
S. In der Schule soll durch gelegentliche Belehrung die Jugend aber
die Abelen Folgen des Alkoholmißbrauchs unterrichtet werden.
4. Die Schulbehörden sollen die Eltern auf die Schädlichkeit, die
der Alkohol auf den kindlichen Organismus ausflbt, aufmerksam machen.
These 6 rief verschiedene Abänderungsanträge, ebenso einen Antrag
auf Streichung hervor. Diese beliebte nicht; dagegen wurde der Passus
„soll die Jugend alkoholfrei verpflegt werden', abgeändert, und es heifst
nun: „soll die Jugend soviel wie möglich alkoholfrei verpflegt werden**.
These 7 wird nicht angefochten, These 8 gestrichen und hierfür der
Wunsch ausgedrückt, es möge durch die Erziehungsdirektion eine Broschüre,
die der Referent vorwies, an die Lehrer zur Versendung kommen.
Im weiteren wurde beschlossen, es solle der glamerischen gemein-
nützigen Gesellschaft von den Verhandlungen und Beschlüssen Kenntnis
gegeben werden. In der Diskussion betonte Schulpräsident Jrnnt-Stüdbr,
dals die Schule in der Alkoholfrage mit grofser Vorsicht vorgehen müsse,
um Konflikte einerseits zwischen Eltern und Lehrern und andererseits
zwischen Eltern und Kindern zu vermeiden.
(„Schweig. Lehrergig,'', Nr. 24.)
Altxnttt Jtittftlttitseit.
über die Uigezieferplage ii dei Fraikftirter Sehvlei äulsert
fläch der letzte ^Jdhresher. iiber d. VenvalU d, Medigmahoesens d. Stadt
Frankfurt a. M." Vereinzelt kamen FÜle von Krätze vor, deren Be-
seitigung weiter keine Schwierigkeiten machte. Weit häufiger wurden
K<^äuse beobachtet, teils lebend, meist Nisse, und zwar einmal in einer
Kaabenschnle, sonst in fast sämtlichen Mädchenschulen (natürlich kommen
BOT die Schulen in Betracht, in denen Sdiulärzte ihres Amtes walten) in
einer Klasse bis zu 36% der Schülerinnen. Es wird jedoch hervor-
gehoben, dafe die Plage im Berichtsjahre in geringerem Mafse auftrat als
früher. Im allgemeinen hatten die dagegen getroffenen Maisregeln den
Seholgesaiidheitiipflege. XVIIL 41
768
gewtknschton Erfolg; sie bestanden einmal in der Anshftiidigiuig der ^e^
druckten Belehrung zur Beseitigung des Ungeziefers an die Mütter, sodann
in der strengsten Kontrolle dnrch die Ärzte, welche sich die Kinder so lan^^
vorführen lieben, bis „reine Bahnen"* gemacht waren. Natürlich gab es
auch Mfltter, die mit Entrüstung Protest gegen die «Beschuldigung'' ex--
hoben, ihr Kind sei mit Ungeziefer behaftet. Leider gab es auch eine
Anzahl Kinder, bei denen alle Mahnungen wegen des grenzenlosen Schmutzes
im Hause vergeblich waren, so da£s einige Male die Hilfe der Polizei in
Anspruch genommen werden muiste, welche die zwangsweise Reinigung des
Kopfes im st&dtischen Krankenhause veranlafste. Allein selbst diese ftu&erste
Mafsregel vermochte nicht immer eine dauernde Beseitigung des Ungeziefers
herbeizuführen, weil bei der Rückkehr in die alte Wohnung eine erneaCe
Infektion nicht verhindert werden konnte.
Über die Volkaseliiilerguisatioi laeli der Leiatugsftliigkeit
der Schfiler sprach auf der 24. Hauptversammlung des „Deutschen Vereins
für Knabenhandarbeit" in Görlitz Stadtschulrat Dr. SlOEmeER-Mannheim.
Nach AnhOren des interessanten Vortrages, der die bekannte Dreigliederang
der Volksschule in Hauptklassen, Förderklassen und Hilfsklassen zafn
Gegenstande hatte, wurde von der Versammlung einstimmig folg^ide
Resolution angenommen:
„Eine am 3. Juli 1906 in Görlitz stattgefundene öffentliche Versamm-
lung von Schulmännern, Verwaltungsbeamten und Freunden der Jugend-
bildung nimmt mit grofsem Interesse Kenntnis von dem Vortrage des
Herrn Stadtschulrates Dr. SiCKiveiR über den rationellen Ausbau größerer
Volksschulkörper mit besonderer Berflcksichtignng der Mannheimer Schid-
reform; sie anerkennt im Prinzip die Zweckm&bigkeit der Einrichtung voq
Förderklassen zugunsten einer erhöhten Individualisierung des Massenunter-
richtes und spricht den Wunsch aus, dafs auch an anderen Orten Versuche
mit der neuen Klassenorganisation unter Anpassung an die lokalen Schal-
Verhältnisse gemacht weiden.''
Über Waachgelegenkeit in den Seknlei. Die im Mai beziehentlich
Juli 1906 in München abgehaltenen Hauptversammlungen der „Deutschen
Gesellschaft für Volksbäder'' wie des «Deutschen Vereins für VolkshygfeDe"
beschäftigten sich unter anderem auch mit einer Anregung des Arztes
Dr. HOPF-Dresden: Wie steht es mit der Gelegenheit, sich die
Hände zu waschen, in Deutschland? Dr. Hopf stellte folgende
Thesen auf, welche sich zum Teil auch mit der Waschgelegenheit in den
Schulen beschäftigen:
1. Ein häufiges Waschen der Hände ist nicht allein am ästhetischen
Gründen zu befürworten, sondern auch hauptsächlich aus gesundheitlichen
Rücksichten, da gerade die Hand den Hauptttberträger der anstedEenden
Krankheiten des Menschen bildet. Durch Verbreitung der Gelegen-
heit zum Händewaschen wird das grofse Publikum unmerklich,
aber sicher hygienisch erzogen, zumal wenn entsprechende
Aufklärung in Schule und Presse mitwirkend einsetzt. Eine
günstige Rückwirkung auf das allgemeine Badebedürfois wird 4ie unmittel-
bare Folge sein.
2. Die Behörden sind zu ersuchen, in allen behördlichen
769
Neubaaten fflr aasreichende Waschgelegenheit besorgt za
bleiben nnd jedenfalls keine Abortanlage einzurichten ohne
die entsprechende Gelegenheit znm Händewaschen unter
fliefsendem Wasser (mit Seife und Handtuch). Auch werden
die Behörden gebeten, auf dem Wege baupolizeilicher Handhabung im
obigen Sinne bei der Baugenehmigung fttr Privathäuser zu verfahren. Das
^t besonders für Lokale, in denen viele Menschen verkehren, wie Gast-
bfinser, Hotels u. a.
3. In der Schule ist seitens der Lehrer oder Schul&rzte
die Wichtigkeit des Badens sowohl wie der h&ufigen H&nde-
reinigung systematisch zu betonen.
Dr. med. F. E. Hopp-Dresden.
Über nenzeitliclie Anfordenugen an TurnpUtze sprach, wie
-wir der j^Monatsschr. f, d. Tumwesm" (H. 7) entnehmen, Turnlehrer
H. HüBNBR an der 19. Jahresversammlung des Schlesischen Turnlehrer-
Vereins. Er vertrat hierbei u. a. die Ansicht, es soDten die Tumpl&tze
4&hnlich denen in Dresden und Chemnitz mit hohen, geschlossenen Z&unen
umgeben werden, so dafs die Turnenden den Blicken der Vorübergehenden
entzogen sind. Dagegen hfilt er es für wenig vorteilhaft, die Plätze mit
B&umen zu bepflanzen, weil einerseits die B&ume gegen den Wind nur
wenig Schutz gew&hren und sie andererseits immer nur einigen Schülern
Schatten bieten, w&hrend die Mehrzahl doch den Sonnenstrahlen ausgesetzt
ist; sodann aber könne der Umstand, dals die Schüler auf baumlosen
Plätzen unter der Sonnenhitze zu leiden haben, durchaus nicht als Übel
angesehen werden, da durch NiSLS FiNSBN, den Begründer der Licht-
therapie, nachgewiesen sei, dafs die Sonnenstrahlen das Wachstum der
Bakterien hemmen und bei genügend langer Einwirkung dieselben sogar
vernichten. (Gegen diese Anschauungen und den MiTsbrauch, der dabei
mit den Bakterien getrieben wird, mufs man sich vom schulhygienischen
und ästhetischen Standpunkt aus entschieden auflehnen. Niemand wird
wohl die schönen, baumbeschatteten Turnplätze, die man bisher für etwas
.Reizendes und Ideales hielt, preisgeben für kahle, mit hohen Wänden
umzäunte „Zirkusplätze". D. Red.)
l^M städtische SchnlturnweseD hat sich in Berlin gewaltig aus-
i;edehnt und ist zurzeit, nach der Ansicht der „D. Warte^j in den höheren
Schulen musterhaft entwickelt. Die Fürsorge für die Leibeszucht der
Berliner Schuljugend liegt jetzt einerseits der Deputation für das Tum-
und Badewesen, die das Turnen der Yollanstalten unter den höheren
Schulen und die städtischen Spielplätze, Badeanstalten und Eisbahnen zu
verwalten hat, nnd andererseits der städtischen Schuldeputation ob, welche
für die Realschulen, höheren Mädchenschulen, Gemeindeschnlen, die städtische
Taubstummenschule, die städtische Blindenanstalt usw. zu sorgen hat. An
YoUanstalten besitzt die Stadt Berlin 11 Gymnasien, 7 Realgymnasien,
2 Oberrealschulen mit zusammen 14 Turnhallen, von denen die gröüste,
die Halle in der PrinzenstraTse, 46 Vi m lang, 22 m breit und 16 m
hoch ist. Zu den 6 höheren Mädchenschulen gehören 5 Turnhallen, zu
den Realschulen 13 und die 277 Gemeindeschulen weisen 135 Hallen
auf. £:inige Hallen befinden sich noch im Bau. Als Turnplätze dienen in
41»
770
der guten Jahreszeit die Schalhöfe, die für gröfsere Spiele in der Regel
nicht ausreichen. Als Spielplätze fQr die freien Nachmittagsspiele sizidl
deshalb andere Plätze znr VerfQgnng gestellt worden, nnd zwar: 1. ]>ie^
groben Plätze am ürban, in der Wiesen- und Pankstrafse (2 lia)
nnd in der Bremerstrafse; 2. drei grofse Rasenflächen im Friedrichshaiiiy
Hamboldtahain und im Treptower Park (4Vt ha); 3. die vier Exerzier-
plätze: Tempelhofer Feld (451 ha), in Moabit (20 ha], an der Schwedter
StraCse (20 ha) nnd Tor dem Schlesischen Tore die Schfitzenwiese in.
Schonholz (äVs ha). In den königlichen Schalen Berlins (5 Gymnasieo»
1 Realgymnasium, 1 höhere Mädchenschale) ist das Tomen ähnlich orga^
nisiert. Die Anstalten besitzen sämtlich Turnhallen nnd gröfsere Tom—
platze. Darunter die sehr schönen in der Hasenheide. Selbst die höheren
Priyatschulen, unter denen die Mädchenschulen sehr stark überwiegen,
weisen fast alle, wenn auch kleine Tumräume auf, jedoch sind die Be-
wegungsspiele nur bei wenigen durchgeführt.
Die Pflege der kSrperliehen Entwiekloiig der Jugend erfreat
sich gegenwärtig in besonderem Mafse der Fürsorge der Regierungen in
Deutschland. So werden beispielsweise auf Veranlassung der Regierun^^
in Essen a. Ruhr durch die Schulvorstände bezw. Schulleiter Erhebungen
darüber angestellt, was f)lr die körperliche Entwicklung der männlichen
und weiblichen Jugend bisher geschehen ist und ob die getroffenen Ver-
anstaltungen genügen oder ob die daftlr angesetzte wöchentliche Stundenzahl
zu erweitem ist. Insbesondere wünscht die k. Regierung zu wissen, ob auch
Spielnachmittage eingerichtet sind, wie der Besuch derselben sich stellt
und ob es sich empfiehlt, solche Spielnachmittage allgemein einzufthren,
ob die Beteiligung walilfrei oder verbindlich sein soll oder ob die SchOler
nur für einen bestimmten Teil des Nachmittags zum Besuche des Spiel-
platzes verpflichtet sein sollen. Auch soll mitgeteilt werden, welche Unter-
richtsfilcher bei Einführung besonderer Spielstunden ohne Nachteil gekflrzt
werden dürften, um so ohne Überbürdung für die SchuQugend Zeit zu Be-
wegungsspielen zu gewinnen.
Über Einderarbeit schreibt Bezirksarzt Dr. Hbisslbr in der
y,Münch. med. Wochenschr,*' (Nr. 23). Nach einer treffenden Schilderong
der Schattenseiten der Lohnarbeit der Schulkinder — namentlich des
Viehhütens — in körperlicher und moralischer Beziehung, zählt er die
Umstände auf, unter welchen während der besseren Jahreszeit, wo der
Unterricht auf zwei, höchstens drei Vormittagsstunden beschränkt ist, eine
Beschäftigung gesunder Kinder, zur Vermeidung des Müssigganges, nicht nur
geduldet, sondern sogar befürwortet werden kann. Diese Umstände sind:
1. Ein bestimmtes Alter, nicht unter 11, besser 12 Jahren.
2. Die Arbeit mufs von kurzer, genau umschriebener Dauer sein, der
Körperkraft angepafst nnd ohne jede geistige Schädigung.
3. Die Arbeit hat unter Aufsicht erwachsener Angehöriger vor sich
zu gehen.
4. Die Kinder müssen unter allen Umständen bef&higt bleiben, den
Anforderungen der Schule zu genügen.
5. Darum ist jede Kinderarbeit vor dem vormittägigen Unterricht zu
verbieten.
771
6. Unbedingt za verwerfen und daram za verbieten ist das Verdingen
der Kinder nuter 14 Jahren gegen Lohn, wenn damit die Slinder ans
dem Familienverbande gerissen werden und in das Gesinde des Arbeit-
gebers eintreten sollten.
7. Eine die Arbeit solcher Kinder beschränkende, festgesetzte Abend-
stunde soll nur ausnahmsweise und in beschränktem MaCsstabe überschritten
werden dürfen.
8. Mit dieser Stunde haben die Kinder in die Familien zurflckzu-
kehren.
9. Zu verbieten ist das Yiehhüteu für Kinder unter 14 Jahren.
Über die gemeinsame Erziehnng der GescUechter hat Dr. M.
i'RlBDRiGHS in der „Ällg. D, ümversitätsetg,^ beachtenswerte Ansichten
ausgesprochen. Der durch die getrennte Erziehung, bei welcher die Frau
Tiel weniger erhält als der Mann, bedingte Unterschied in der Bildung
führt zu gegenseitiger geistiger Entfremdung; der gröfste Teil der Ge-
dankenwelt und der geistigen Interessen des Mannes bleibt der Frau
fremd, so dals nur die praktischen Lebensverhältnisse und elementare sinn-
liche Genüsse die beiden vereinigen. Dieser Obelstand kann nur beseitigt
werden durch gleiche und gemeinschaftliche Erziehung.
Seltsam ist es, wenn man bei der gemischten Schule sofort an das
Schreckgespenst der gefiLhrdeten Moral denkt. Und so sprechen dieselben
Väter und Mütter, die durchaus keine schlimmen Befürchtungen hegen,
wenn Knaben und Mädchen zusammen tanzen oder sich sonstwie ver-
gnügen. Auch etwa vorkommende Yergelien würden unter anderen Ver-
hältnissen ebenfalls eingetreten sein, das System der Koedukation als
solches hat keine Schuld daran. Eine Menge törichter Vorurteile, falscher
Sittlichkeitsbegriffe usw. würde bei gememschaftlicher Erziehung fortfallen,
und im Verkehr beider Geschlechter würde sich notwendig eine viel gröfeere
Unbefangenheit ausbilden, um so mehr als jedes Geschlecht sich bei dem
anderen der gleichen Hochachtung und Wertschätzung erfreuen würde.
Die Speisnng, Kleidnng und ärztliche Bebandlnng der Schul-
kinder in ßrfissel« Einen interessanten Bericht der y,Lancet^ hierüber
entnehmen wir folgendes: Belgien hat keinen allgemeinen Schulzwang. Es
gibt in Brüssel freie Schulen, die von Klerikern geleitet werden, und öffent-
liche kommunale Schulen. Nur über letztere ist Auskunft zu erlangen.
Sie werden zurzeit von rund 14000 Kindern besucht. Eigentümlicherweise
erstreckt sich die Schulwohltätigkeit Brüssels neben Speisung Bedürftiger
vor allem auf deren Kleidung. Während etwa jedes fünfte Kind gespeist
wird, erhält jedes zweite Kind Kleider, die zum Teil aus gelieferten Roh-
stoffen in den Schulen selbst hergestellt werden. Vielleicht läCst sich dies
aus dem Charakter der Bevölkerung erklären, welche mehr Wert auf
Speisen als auf Kleider legt, und daraus, dafs die Frauen verhältnismäfsig
bessere Köchinnen als Schneiderinnen sind. Femer besteht in Brüssel für
die genannten Schulen ärztliche Aufsicht durch sechs beamtete Ärzte. Alle
Krippen, Kindergärten und Vorschulen werden zweimal, die übrigen Klassen
einmal monatlich besichtigt, und dabei wird auf den Gesundheitszustand
der Kinder geachtet. Im Sinne vorbeugender Gesundheitspflege kann z.B.
Lebertran aus öffentlichen Mittein verschrieben werden. Auch müssen die
772
Ärzte in den oberen Klassen Unterricht in Hygiene erteilen. Die Prophy-
laxe der Infektionskrankheiten wird deshalb besonders gepflegt, weil io
Belgien kein Impfzwang besteht. Seehospize nnd Ferienkolonien werdex^
mit Ärztlich ansgewAhlten Kindern beschickt. Auch den häuslichen Ter-
hftltnissen schenkt man Beachtung. So berichtete Dr. Gastok Dantbi:»
im Februar 1897, daCs von 14000 Schulkindern 684 kein Bett hatteo
und 2474 schlecht genfthrt waren. Ähnlich arbeiten auch benacJibarte
Städte. So gibt — ganz nach amerikanischer Art — die Stadt Anderleeli^
im Schulhause Mahlzeiten zu billigstem Preise an alle SchQler ohne Unter-
schied ab. Physikus SlBVBKnvG-Hambnrg.
Tnrneil and Jngendapiel. In der Zeitschrift y^Körper und Qeist^
(Xin. Nr. 13) bespricht Dr. med. F. A. Schmidt die körperliche Er-
ziehung der Schu^ugend durch Turnen und Jugendspiel. Vorerst weist er
hin auf den Unterschied zwischen dem deutschen und schwedischen
Turnen. Das deutsche Turnen gehe aus Ton der Idee, dab jede Obun^,
die möglich sei, auch Berechtigung habe und dafs mit der BefiLhigung znr
Ausführung von Übungen mit dem Verständnis für dieselbe Hand in Haad
gehe auch die gesamte körperliche Entwicklung. Es sei eine Muskel- und
Nervengymnastik, die den Willen und Mut stärke, aber die so notwendige
Entwicklung auf die Tegetativen Organtätigkeiten (Atmung, Kreislauf) nicht
berücksichtige.
Das schwedische Turnen stelle ab auf den Zweck und Erfolg^
der Übung; für den schwedischen Turner handle es sich darum, dieses
oder jenes Muskelgebiet zu üben, und danach richte sich auch die Auswahl
der Übungen. Der Bewegungszweck sei maßgebend.
Das deutsche Turnen fördere die Sicherheit der Koordination der
Bewegungen, das schwedische Turnen eine schlanke ebenmäfsige Entwickhing
des Körpers und schöne gerade Haltung mit freier Entwicklung des
Brustkorbs.
Beide Turnarten aber nehmen nicht Rücksicht auf die Entwicklung
wichtiger Lebensorgane bei den Kindern und auf die besonderen Ein-
wirkungen des Schuldaseins. Sie müssen deshalb durch eine weitere Form
der Schulgymnastik ergänzt werden, welche in der ersten Zeit des Schul-
lebens den weitaus wichtigsten Teil der Gymnastik bilde. Diese Ergänzung
bestehe in den natürlichen Bewegungsarten des Gehens, Laufens, Hüpfens,
Springens, insbesondere in denen des fröhlichen Jugendspiels. Das
wachsende Kind erfahre durch das Schulleben, insbesondere den stunden-
langen Sitzzwang, nicht unerhebliche Beeinträchtigungen seiner wichtigsten
Organtätigkeiten, nämlich der Atmung, des Kreislaufs und damit des gesamten
Stoffwechsels. Die Atmung werde beim Sitzen oberflächlich, es fehlen die
Anregungen fdx den Blutumlauf, welche Tiefatmen sowie Muskeltätigkeit
als Hilfskräfte der Herzarbeit gewähren.
Diesen Verhältnissen müsse in den ersten Lebensjahren durch reich-
liche Bewegung in frischer Luft entgegengewirkt werden. Das Laufen
steigere die Tätigkeit der Lungen und des Herzens. Bewegung sei über-
haupt dem natürlichen Triebleben des Kindes angemessen, und die physio-
logischen wie anatomischen Yeriiältnisse verschafiten dem Kinde eine be-
deutend leichtere Beweglichkeit als Erwachsenen. Die Eignung zu bestimmten
773
Bewegungsarten in den verschiedenen Altersstufen sei ans physiologischen
Gründen gemftfe den Gesetzen des Wachstums eine verschiedene.
Fflr die ersten Schuljahre eignen sich die Laufspiele, dann weiter die
Auge und Hand fibenden Ballspiele. Der Verfasser weist hin auf die
hygienische Bedeutung der Ferienspiele in verschiedenen deutschen Städten.
In der ersten Schulzeit sei den gesundheitswidrigen Körperhaltungen
ein reges Augenmerk zu schenken. Die Ursache derselben liege in Schwäche
der Rfickenmuskulatur. Die Rumpfmuskulatur sei zu kräftigen, die an-
haltende Spannung der Muskulatur, wie sie beim Sitzen nötig ist, die sehr
ermfldend wirke, mfisse durch Rumpfübungen ersetzt werden, bei denen
ein angemessener Wechsel zwischen Ruhe und Erschlaffung der Muskulatur
eintrete. Bei gerader Haltung der Wirbelsäule entwickle sich auch der
Brustkorb, so dafs ein tiefes, ausgiebiges Atmen erleichtert werde. Das sei
von hygienischer Bedeutung. Aber auch ein ästhetisches Bedürfnis werde
befriedigt, weil eine gerade Haltung der Wirbelsäule und eine richtige
Entwicklung des Brustkorbs zur Förderung der Schönheit der Menschen-
gestalt beitrage.
Hand in Hand mit einer gesunden körperlichen Entwicklung gehe
aber auch, wie die Erfahrung zeigt, die Entwicklung der geistigen Leistungs-
fähigkeit, und indem die geistige Tüchtigkeit gefördert werde, verhüte man
die Möglichkeit einer Überbürdung! Dr. KftAFT-Zttrich.
Sivnlatioii epileptiseher AnfUle. In der „Münch. med. Wochen-
scknfV (7. März 1905. Nr. 10) berichtet Dr. ARONHBIM-Gevelsberg i. W.
über einen Fall von Vortäuschung epileptischer Krämpfe durch einen
Schüler. Es hatte sich bei demselben ein Reflexkrampf eingestellt, da er
mit einem Bandwurm behaftet war. Nach glücklich beendigter Bandwurm-
kur setzten die Krämpfe nicht aus; Anzeichen (stigmata), dafs etwa
Hysterie im Spiele sein müsse, wie Hemianästhesien, Lähmungen und
Kontrakturen, waren nie nachweisbar. Schliefslich gelang es Abonhbim
fiestzustellen, da(s Simulation vorliege. Auf seine ernstlichen Vorstellungen
hin und nach exemplarischer Bestrafung durch die Eltern hörten die
KrampfanfUle dauernd auf, und der Knabe besuchte gesund und munter
die Schule. Er hatte die Rücksicht der Eltern, die durch den ersten
Anfall erschreckt und ängstlich waren, mifsbraucht und aus Dummheit
Krämpfe vorgetäuscht, damit er die Schule nicht besuchen müsse. Aronhbim
weist darauf hin, dafs Epilepsie häufig vorgetäuscht wird, und führt
Stbmpbl an, der jedenfalls ganz richtig betont, dafs Epilepsie nur auf
Grund genauer ärztlicher Beobachtungen hin diagnostiziert werden dürfe.
Allerdings muis auch davor gewarnt werden, Simulation anzunehmen, wo
Krankheit vorliegt. Dr. KRAFT-Zürich.
ÜbertraguD); von Infektionskrankheiten durch Trinkbecher in
den Sehalen. Im „Centralbl f, allg. GesundheUspflege'' (XXIV. 3. und
4. H.) weist Dr. HüQO Lasbr, Schularzt in Königsberg i. Pr., darauf hin,
dab eine Quelle der Verbreitung von Infektionskrankheiten die gemeinsame
Benutzung der Trinkbecher in Schulen sein dürfte. Er glaubte, dafs es
möglich sei, dieser Gefahr vorzubeugen, dadurch, dafs man jedem Kinde
einen ans wasserdichtem Papierstoff verfertigten Trinkbecher zur Verfügung
steDe. Versuche ergaben, dafs solche Becher durchschnittlich 60 Tage
774
gebrauchsfiüiig siod und daCs mit je 10 — 15 Pfenaig j&hrliche Kosten jedes
Kind mit der nötigen Zahl von Trinkbechern ausgerüstet werden könnte.
In einer Versammlung der Königsberger SchnlArzte wurde aber daraof
hingewiesen, dab die Kinder mit den Bechern nicht soi^fUtig umgehen
würden, und dafs deshalb die Becher bald beschmutzt und zerrissen seia
möchten. Ein Anregung ging dahin, es sollten die Becher in der Schule
aufbewahrt werden. Zu diesem Zwecke würden sie in ein mit dem Namen
des Kindes versehenes Kuvert gelegt und im Bedürfnisfalle vom Lehrer
oder einem beauftragten Kinde abgegeben. (Dieser Modus würde allerdin^
in der Praxis auch grofsen Schwierigkeiten begegnen! Ref.) So sehr die
Möglichkeit anerkannt wurde, dafs Trinkbecher zur Verbreitung infektiöser
Krankheiten beitragen könnten, fand man doch eine befriedigende, in der
Praxis anwendbare Lösung zur Beseitigung des Übelstandes noch nicht.
Dr. KBAPT-Zürich.
Kontrolle der Platibelenehtniig in ArbeitsrSnmen. In Jahi^gang
1904, Nr. 1 des ,,Qesundheits-Ingmieur'* hatte Baurat A. WiNOSN die
Forderung einer behördlichen Kontrolle der Platzbeleuchtung behandelt. In
Nr. 12 der nämlichen ZeUsckrift brachte Prof. H. Chr. NUSSBAUM eine
Entgegnung, in der er geltend machte, eine solche Prttfung stofse auf
grolso Schwierigkeiten. So habe er seinerzeit die Einwirkung leicht zer-
streuender Verglasungen und Anstriche auf die Helle der Arbeitsplätze
geprüft und es habe sich eine solche Prüfung als Unding erwiesen. An
einem bestimmten Platze schwanke die Helligkeit um die Mittagsstundea
an wolkenlosen Tagen und je nach der Beschaffenheit der Luft zwischen
30 Meterkerzen und nahezu 300 Meterkerzen bei bewölktem Himmel, und
bei einer amtlichen, nicht streng wissenschaftlichen Untersuchung mOfsten sich
noch weit gröbere Unsicherheiten der Prfifnng ergeben. Er fragt, in
welcher Zeitstunde denn eine solche Prüfung stattfinden müsse und erinnert
an die Differenzen in der Himmelshelligkeit in norddeutschen Küsten*
gebieten und im süddeutschen Alpengebiete, innerhalb der Grofsstädte und
Indutrieorte und auf dem freien Lande oder der See. Er bezweifelt
schlieüslich, dals es auch nur eine sichere Handhabe für die Prüfung der
Tageshelle auf Arbeitsplätzen gebe, sonst hätte man sie schon längst durch-
geführt.
Dieser Kritik gegenüber macht WiNGKN geltend, dafs es sich nicht
darum handle, die Variationen oberhalb eines Minimums, sondern
das Minimum der Platzhelligkeit im Wechsel der Erscheinungen festzustellen,
und dafs auch nicht eine Vergleichung der Himmelshelligkeit an verschiedenen
Orten Deutschlands in Frage stehe. Der Bestimmung des Beleuchtungs-
minimums aber stehen unüberwindliche Schwierigkeiten nicht entgegen. Die
schlechtest beleuchteten Plätze finde ein geübtes Auge rasch herauf und
zur Ermittelung der Plätze, die an der Grenze der Zulässigkeit liegen,
mülsten eben verschiedene KontroUmessungen zu verschiedenen Tagesstunden,
namentlich in der Winterszeit, vorgenommen werden. Als Mindesthelligkeit
wären 10 Meterkerzen aneunehmen (in Rot gemessen).
Selbstredend könnte die Kontrolle nur von geeigneten, wissenschaftlich
vorgebildeten Personen (Bau-, Medizinalbeamten usw.) vorgenommen
werden.
775
Eine brauchbare Handhabe zur Durchführung der betreffenden Messungen
sei auch bereits vorhanden. Winqbn erinnert an den von ihm konstruierten
Helligkeitsprüfer (Ausführungsfonn Krüss) und weist darauf hin,
dafe Prof. Dr. Lbonhard WBBSR-Riel sich dahin ausspreche, daCs zur
EnnitUung der Frage, ob die Grenzen des zulässigen Minimums erreicht
oder überschritten sei, einfachere Apparate, wie z. B. der von Wikqbn
konstruierte, durchaus genügen, um in wohl definierter Weise leicht zu
ermitteln, ob ein gegebener Platz bei gegebener, d. h. momentan vorhandener
Beleuchtung ausreichend beleuchtet sei. In ähnlich günstigem Sinne sprechen
sich auch Dr. WOLFF- Stralsund in der nZätschr. f. Meäiemaiheamte*'
(1902, Nr. 21) und Dr. Hbinrigh WOLPBBT-BerUn („£^. Jahrbwih''
1904, 12. Bd.) aus. Letzterer führt aus: «In erster Linie dürfte somit
dort, wo es sich um eine schnelle und sichere Bestimmung der Helligkeit
von zweifelhaft beleuchteten Arbeitsplätzen handelt, zurzeit der WiKQBNsche
HeUigkeitsprüfer in der ERüssschen Ausführungsfonn als der Apparat der
Praxis in Betracht kommen.^ Dr. KRAFT-Zürich.
9a0es0ef(^i(^tlid|eB.
Anleitung der Jagend znm Sehneeschnhlanf. Der Thüringer
Wintersportverband zu Oberhof hat folgende Leitsätze, betreffend die
Einführung des Schneeschuhlaufeus bei der Jugend, beschlossen:
I. Zur körperlichen Erziehung und gesundheitlichen Erfrischung unserer
Jugend bedarf es in Hinblick auf die hohen Anforderungen, welche die
Neuzeit an die Gesundheit und zumal an die Nerventätigkeit stellt, einer
immer weiteren Ausbildung auch der winterlichen Leibesübungen, und bei
uns im Gebirge insbesondere der Pflege des Schneeschuhlaufens. Es genügt
nicht, da(s in den Sommermonaten geturnt, gespielt, gerudert und ge-
schwommen wird, der jugendliche Körper mufs auch im Winter durch
Leibesübungen im Freien gestärkt und gestählt werden. Hierzu eignet
sich in hervorragender Weise das Schneeschuhlaufen. Es bietet Gelegenheit
zu weiten Wanderungen in die winterliche Pracht unserer herrlichen
Wälder, erhebt das Gemüt, schult die leiblichen und geistigen Kräfte und
lä&t den Körper den gesundheitlichen Wert der frischen, Haut- und
Nerventätigkeit anregenden Winterlnft wohltuend empfinden. Das Schnee-
scbnhlaufen ist bei verständiger Anleitung und richtiger Übung mit keinen
Gefahren für die Gesundheit verbunden.
n. Es ist daher dringend erwünscht, dals seitens des Thüringer
Wintersportverbandes die thüringische und die Thüringen benachbarte
Jugend, und zwar sowohl die Schuljugend als die schulentlassene Jugend,
zum Schneescbuhlaufen angeregt wird.
Hierzu sind geeignet:
1. Die Aufforderung in den Tagesblättem und Zeitschriften und speziell
an die Schulbehörden, die Schulleiter, sowie an die Turn-, Sport- und
776
SpielTereiDigungen, die VorstAnde der Vereine zur Pflege der Jugendfltarsorge-
bestrebnngen usw., das Schneeechahlanfen, soweit irgend tanlich, in die
Reihe der im Interesse der körperlichen Erziehung der Jugend und bd
der sehnlenUassenen Jngend auch im Interesse einer rechten nnd echten
Ansffillnng ihrer Mnfsestnnden zu pflegenden Leibesflbnngen anfennehmen
bezw. zu empfehlen.
2. Die Bezeichnung der Stellen, welche Auskunft erteilen Aber alle
Fragen des Schneeschnhlaufens, insbesondere Aber die Bezugsquellen fBr
billige und zweckmäfsige Schneeschuhe.
8. Die Ausarbeitung einer kurzen Anleitung betreff^end die Anforde-
rungen, welche an einen guten Schneeschuh je nach Zweck und Gelände
zu stellen sind, sowie die Erlernung des Schneeschuhlaufens, und dne
Massenverteilung dieser Anleitung.
4. Die Entsendung geeigneter Mitglieder des Verbandes oder der von
diesem angenommenen Lehrmeister nach Bedarf behufs Belebung des
Schneeachuhlanfena durch persönliche Einwirkung.
5. Die Angliederung von beitragsfreien Jugendabteilungen an die
Ortsgruppen des Verbandes.
6. Die Veranstaltung kleinerer lokaler Winterfeste mit Schneeschuh-
laufen für die Jugend.
7. Die Zulassung der Jugend zu Preislanfen bei dem Wintersportfeste
des Verbandes unter sachgemäfter Erleichterung der Anforderungen.
8. Die Wahl von dauerhaften und zweckm&fsigen Schneeschuhen bei
Aussetzung von Prämien bezw. Preisen bei Schulfeiern und Turn- und
Spielfesten der Jugend. Dr. HAOBN-Schmalkalden.
Eine Spielplatxstadt. Wie die TagesbläUer melden, hat man einen
interessanten Versuch in New York gemacht, indem man einen der dortigen
Parks feierlich der Verwaltung von Knaben unterstellt hat, die ihren
„Bürgermeister" und eine „beratende Körperschaft^ gewählt haben. Der
Park heilst von jetzt an offlziell „Playground City^ (Spielplatzstadt). In der
Verwaltung gibt es Abteilungen für Polizei, Stralsenreinigung, Finanz, Athletik,
Turnen und Spiele. Die Knaben werden eine fast absolute Herrschaft
über den Park ausQben; sie müssen fftr Aufrechterhaltung der Ordnung,
für Reinlichkeit der Wege und gute Pflege des öifentlichen Eigentums
sorgen. Der Hamilton Fish-Park, der den Kindern übergeben ist, liegt
im Osten der Stadt und ist schon lange fQr die Behörden eine Qudle des
Ärgers gewesen; denn da viele arme Kinder ganz und gar in dem Park
lebten, war es ohne die Anstellung sehr vieler Parkwächter unmöglich,
die Ordnung aufrecht zu erhalten. Da man nun den Park nicht
ganz schliefen wollte, verfiel man auf dieses eigenartige Experiment.
Man knüpft daran die Hoffiiung, daiä den Jungen die Schulung in der
Verwaltung des Parks später gut zu statten kommen wird, wenn sie als
Erwachsene die Bürgerpflichten ihrer Stadt gegenüber erfüllen sollen.
Knaben aus allen Ständen und jeden Alters sind mit grofser Begeistening
für die Sache erfüllt. Eifrig treten sie als Kandidaten für die ver-
schiedenen Ämter auf, und in zahlreichen Versammlungen sprachen die
jugendlichen Redner für diesen und jenen Bewerber; ein Versuch, die
Politik ganz von den Kämpfen auszuschließen, gelang nur teilweise.
777
Mädchen sind in der Playgronnd City zwar willkommen, aber bei der
die^äbrigen Wahl waren sie nicht stimmberechtigt. Die Abstimmong war
geheim. Am Wahltage merkte man keinerlei Unordnang. Trotz des
beifeen Wahlkampfes, der eine Woche danerte, and trotz der rücksichts-
losen Anklagen wegen persönlicher Bestechlichkeit, die einzelne Partei-
gänger vorbrachten, schflttelten sich nachher Sieger und Besiegte die
H&nde nnd gelobten, gemeinsam fftr das allgemeine Wohl zn wirken. In
der Regel war Tüchtigkeit in einem besonderen Zweige des Sports mehr
entscheidend für die Wahl als gute Rede Der „Mayor** ist ein sehr
khiger Jnnge von 15 Jahren nnd wahrscheinlich der tüchtigste Athlet der
ganzen Gemeinschaft. Er wird seine Unterbeamten selber ernennen und
absolute Herrschaft über den Park ausüben; der Mayor von New York
bat sich nnr das Vetorecht vorbehalten.
Zum Besuch einer Milehsfation in Saarbrfleken haben sich, wie
die „Saarbr. Ztg,^ mitteilt, 59 Knaben nnd 147 Mfldchen gemeldet,
darunter 20, die selbst zahlen. Bei guter Wittemng wird die Milch im
Waldhans, bei ungünstiger in der Volksküche verabreicht.
Verbot der kSrperliehen Züchtigung in den Saterreichiachen
Yolksachnlen. Nach dem r»Prag. Tagebl^ hat der Leiter des Knltns-
ministerinms, Freiherr Y. Bibkbrth, einer Abordnung der österreichischen
Lehrerschaft, die ihm die Wünsche der letzteren betreffs der neuen Schul-
und Unterrichtsordnung unterbreiten sollte, mitgeteilt, dafs dieselbe in
kürzester Zeit erscheinen werde. Eine Änderung des fertig vorliegenden
Entwurfes sei nicht in Aussicht genommen, doch mufete im § 82, welcher
bekanntlich von dem Strafrechte der Lehrer handelt, das Verbot der
körperlichen Züchtigung besonders h'ervorgehoben werden. Es sei dies
schon mit Rücksicht auf die Lehrerschaft dringend notwendig, da ohne
ausdrückliche Betonung dieses Verbotes besonders bei der jüngeren Lehrer-
schaft die Meinung vorherrschen könnte, aus dem Verbot sei ein Recht
geworden. Auch im Hinblicke auf die Bestrebungen anderer Lehrer,
welche die KOrperzüchtigung in der Schule wieder einzuführen trachten,
sei diese Stellungnahme in der Osterreichischen ünterrichtsverwaltung Gebot.
Speianng von Schulkindern in SchSneberg. Wie die „i\>5^
mitteilt, hat der Magistrat von SchOneberg beschlossen, dem Volksküchen-
verein zur Speisung von Schulkindern für das laufende Winterhalbjahr
eine audserordenüiche Beihilfe von 1000 Mark zu bewilligen. Die Auswahl
der Kinder soll durch die Rektoren und Schulärzte in engster Fühlung
mit der städtischen Armendirektion erfolgen.
Die Schüierherber|;en in Silberberg und in der Eulenbaude sind,
wie der Vorsitzende des Eulengebirgsvereins der y^Breslauer Ztg^ mitteilt,
auch in den Herbstferien geöffnet, da das Eulengebirge in dieser Zeit ganz
besondere Reize gewährt.
Die Vorachriften inr Verhfltnng der Weitcrverbreitung von
ansteckenden Krankheiten nnter den Yolksachülern Münchens hat,
wie der „Jf. Stadt- Ans ^ mitteilt, der königl. Bezirksarzt Dr. Henkbl
einer Revision unterzogen und die revidierten Vorschriften zusammengefafst.
Diese haben bereits die Zustimmung der Lokalschulkommission gefunden.
Auch präzise Erläuterungen betreffend Vorkehrungen bei ansteckenden
778
Krankheiten hat Dr. Henkbl hinzugefagt. Diese Erlftatenmgen solla
nnn vervielfältigt nnd an die Lehrerschaft verteilt werden. Der Yer-
waltangssenat gab hierzu seine Einwilligang.
OrthopSdischer TarDaDterricht soll, wie die Tagesblätter melden,
auf Anregung der Schulärzte in den Schöneberger Gremeindesdndea
nach einem Beschlüsse der Schuldepatation und des Magistrats eingefllhit
werden. Es sollen namentlich Kinder mit RückgratsverkrflnunuBgen heran-
gezogen werden, deren Leiden sich noch im Anfangsstadium befindet, so
dafs eine Heilung zu erwarten steht. Der Kultusminister hat der Ein-
führung des orthopädischen Turnunterrichts im Prinzip zugestimmt und
genehmigt, dafs nach Bedarf einige andere technische Unterrichtsftcher
gekürzt werden dürfen. Um den Unterricht, der bereits mit dem 1. April
nächsten Jahres aufgenommen werden soll, erteilen zu können, werden
zwei Lehrer und eine Lehrerin bei Professor Dr. Joachimsthal,
dem Dozenten für orthopädische Chirurgie an der Universität, ausgebildet
werden.
Schalhygiene für Lehramtskandidaten. Der österreichische Unter-
richtsminister hat an die Direktoren der wissenschaftlichen Prüfungs-
kommission für das Lehramt an Gymnasien und Realschulen einen Eria&
gerichtet, betreffend die Unterweisung der Lehramtskandidaten für Mittel-
schulen in der Schulhygiene, indem auf die grofsen Fortschritte der
Schulhygiene als Wissenschaft hingewiesen und die Direktionen der Prüfungs-
kommissionen verhalten werden, diesem Gegenstand erhöhte Aufmerksam-
keit zuzuweisen. Der Erlais entnält eine Reihe von Bestimmungen über
den Besuch der Vorlesungen über Schulhygiene und bezeichnet die Ein-
führung von Kursen über dieses Thema im Rahmen der Ferialfortbildongs-
kurse als sehr wünschenswert. Scblicfslich erklärt sich das Unterrichts-
ministerium bereit, einzelnen Lehrpersonen zum Zwecke des Besuches von
hygienischen Kongressen Unterstützungen nach Mafsgabe der vorhandenen
Mittel zu gewähren.
Schfilerwandernnf;en in Berlin. Der Bund für Jugendwandenugen
„Alt-Wandervogel" hat, wie wir dem ^Berl Lok.'Änz.^ entnehmen, auch
in diesen Herbstferien wiederum 15 verschiedene mehrtägige Wanderangen
in die schönsten Teile Deutschlands veranstaltet, und zwar gestützt aof
die lebhafte Beteiligung, welche die in den Sommer-, Pfingst- und Oster-
ferien veranstalteten Fahrten aufwiesen und die hoffen liefs, da(s aach in
der besonders zum Wandern geeigneten Herbstzeit recht viele Eltern ihren
Söhnen dieses harrolos -jugendliche Vergnügen gestatten werden. Die Teil-
nahme war jedem Schüler einer höheren Lehranstalt gestattet. Ausfbfar-
liche Programme wurden kostenlos versandt von cand. phil. E. Anklak,
Berlin N. 20, Stettiner Strafse 52. Von dort werden auch Zettel far die
allsonntäglich stattfindenden Halbtags- und Tageswanderungen versandt.
Eine Winterkolonie in Hambnr|>:, errichtet vom „Wohltätigen
Schulverein, ist Anfang Oktober mit 27 Kindern, Knaben und Mädchen,
eröffnet worden. Es sind teils Kinder mit Krankheits- und Schwäche-
erscheinungen, teils solche, die während des Sommers eine vierwöchige
Solbadkur genossen und einer Nachkur dringend bedürfen, teils in Ge-
nesung nach schwerer Krankheit befindliche, die zu Hause nicht genügende
779
Pflege haben können, endlich noch einige Selbstzahler, deren Eltern
wünschen, dafs ihre appetitlosen Kinder „essen lernen sollen **. Unterricht
erbalten die Ferienkolonisten nicht.
Ein Srztlieber Beigeordneter ist in der Stadtverwaltung COlns
angestellt. Unter Nr. 1 der ihm übertragenen 13 Funktionen ist anf-
geftlhrt: „Hygienische Anregung auf allen Gebieten der städtischen Ver-
waltung**; unter Nr. 4: „Schulgesundheitspfiege, ansteckende Krankheiten
unter den Schulkindern, und bei den Lehrpersonen — Schulärzte; unter Nr. 7:
„Begutachtung von Schul-, Krankenhaus- und sonstigen geeigneten Bauten
in hy^enischer Beziehung^, unter Nr. 9: ^ Beisitz in der Schuldeputation^.
Über die ünterernShmng der Sehalkinder in England ent-
nehmen wir der „Lancei*^ folgendes: Die Frage der SchuUdnderspeisung
steht augenblicklich im Brennpunkt des Interesses von Schulldtem und
Philanthropen in England. Man meint, die vielen verhungert drein-
schauenden Geschöpfe litten an Nahrungsmangel und man mflsse sie in
den Schulen speisen. Das ist aber ein oberfläcJiliches Urteil, denn bei
vielen wird nicht Mangel, sondern verkehrte Auswahl und Zubereitung der
Speisen oder Krankheit die Ursache der Hinfälligkeit sein. Sehr dankens-
veert sind deshalb die Feststellungen des Amtsarztes Dr. A. Greenwood
in Blackbum (132000 Einwohner). Von 22952 Volksschulkindem waren
ihm 540 seitens der Lehrer als an schlechter Ernährung krankend' auf-
gegeben. Durch Hausbesuche stellte er fest, dafs nur bei 318 davon, in
95 selbständigen Familien (1,3% sämtlicher Schulkinder) diese Annahme
zutraf. Er meint danach, die Frage der Unterernährung sei keine sehr
dringende und behördliches Einschreiten nicht erforderlich. Die Haupt-
Ursachen lägen im Alkoholismus, Trägheit, Gleichgflltigkeit der Eltern.
Aus mangelnder Kenntnis des Nährwerts vieler Nahrungsmittel werde
viel verschwendet. Unverhältnismälsig viel Geld werde fär Sterbekosten
imd andere Versicherungen ausgegeben. „Pennies are saved but health
is spent.**
Gewifs lassen sich diese Feststellungen nicht ohne weiteres ver-
allgemeinem, doch geben sie zu denken. Die Speisung der Schulkinder
ist kein Allheilmittel gegen die Ursachen ihrer Entwieklungsstörungen.
Diese liegen tiefer und ihnen entgegen zu arbeiten ist auf weiten Gebieten
der Volkswirtschaft nötig. Physikus SIBVEKING- Hamburg.
tiUxatnt.
Besprechungen.
Gaüpp, R., Dr., Über den Selbstmord. Manchen 1905. Verlag der
„ÄrßÜichm Bundschau'' (Otto Gmelin). 8^, 29 Seiten.
Die grofse Zahl der Schttlerselbstmorde, die Eülbnburg fflr Deutsch-
land in der Zeitperiode von 1883 — 1900 auf 950 beziffert, lenkt das
Interesse derer, welchen das körperliche und geistige Wohl der Jugend
780
aiiTertrant ist, auf die wissenschaftliche Lehre voin Selbstmorde. In der
vorliegenden kleinen Schrift, welche die Wiedergabe eines gemeinverstfaid-
liehen, im uMOnchener Volksbildongsvereine^ gehaltenen Vortrages darstellt,
findet man alle einschUgigen Probleme präzis nnd klar erörtol. I>er
Vortrag gliedert sich in zwei Teile: im ersten Teile werden die grund-
legenden statistischen Tatsachen mitgeteilt, der zweite ist der Untersachnng
der Ursachen nnd Motive des Selbstmordes gewidmet.
Was den Selbstmord bei jugendlichen Personen betrifft, so sind fol-
gende Angaben ans der Schrift hervorzoheben : In Preulsen war die Zahl
der jugendlichen Selbstmörder von 1869 — 1898 folgende: im Alter unter
zehn Jahren 73 Knaben, 20 M&dchen, im Alter von 10 — 15 Jahren
1273 Knaben, 342 Mfldchen. Auf vier Knaben ungefiUur trifft ein Mädchen,
das ist das Verhältnis der Geschlechter beim Selbstmord ttberhaupt. Nach
dem 15. Leben^ahre aber, also mit dem Einsetzen der Pubertät, w&chst
die Zahl der weiblichen Selbstmorde relativ viel rascher als die der männ-
lichen (1:2), um nach dem 20. Jahre auf das Verhältnis 1:4 zurftck-
zukehren. Der Selbstmord bei Kindern entspringt fast immer einer krank-
haften Reaktion eines erregbaren Seelenzustandes auf ein an sich gleichgültiges
oder wenigstens nicht wesentliches Erlebnis. Bei Kindern und Halb-
erwachsenen in der Pubertätszeit ist nicht selten die Nachahmung die
auslosende Ursache des Selbstmordes.
Das Studium der verschiedenen Ursachen und Motive des Selbstmordes
bei Erwachsenen, das durch die klare, zusammenfassende DarsteUung
Gaupps sehr erleichtert und bequem gemacht wird, ist geeignet, dem Arzte
und Pädagogen wertvolle Hinweise zur Prophylaxe des Selbstmordes zu
bieten. Die Schrift wird deshalb diesen Kreisen hiermit warm empfohlen.
Dr. MosBS-Mannheim.
Bbubo Lbuschnkr, Der SchnlatnU in der Orappenbank. Breslau,
Ferd. Hirt, J906. 8^ 11 S. Mk. 0,40.
In einer Broschüre von 11 Seiten übergibt der Verfasser seine Er-
findung einer neuen Schulbank der Öffentlichkeit. Solange die Schulbank-
frage nicht als endgültig gelöst und allgemein durchgeführt bezeichnet
werden kann, bietet jede Neuerung, auch die bescheidenste, einen will-
kommenen Anhifs, das Dargebotene zu prüfen und die Lösung der Frage
einen Schritt weiter zu bringen. — Lbuschnsb stellt in seiner Schrift an
eine Schulbank recht weitgehende Anforderungen, und man darf ihn eu
seiner Erfindung beglückwünschen, sofern diese, wie er zwar versichert,
allen von ihm aufgestellten Bedmgungen entspricht. Er verlangt:
1. Jeder Schüler, selbst der nicht normal gewachsene, soll in der
Klasse, je nachdem Unterricht, Zucht oder besondere Umstände es erfordern,
an jeden beliebigen Platz gewiesen werden können.
2. Die Bank soll dem Schüler selbst bei geringem Lehnenabstand
Freiheit in der Bewegung und Bequemlichkeit verschaffen.
3. Sie soll zu jeder Zeit und ohne Umstände die Verwendung des
Tisches als Stehpult ermöglichen.
d. Sie soll in niederen und höheren Schulen, auch an gewerblichen
Fortbildungsschulen, im gesamten Unterricht, also auch Ült Handarbeit,
Singen und Zeichnen verwendbar sein.
781
5. Sie soll am Fafsboden befestigt sein und doch schnelle, sichere
and Tollstftodige BeiDignng des FuDsbodens ermöglichen.
6. Sie soll allerorten von jedem tüchtigen Schreiner zu mä&igem
Preise herstellbar sein.
Der Erfinder hat sich also die Aufgabe nicht leicht gemacht, nnd doch
glanbt er, dais seine Bank allen diesen Anforderungen vollkommen genüge.
Und wie einfach!
Rektor Leusohnbrs Schulbank ist eine in sieben vorschiedenen
Grölsennummern hergestellte Oruppenbank mit besonderen, sehr leicht aus-
wechselbaren und in verschiedener Distanz einstellbaren £inzelBitzeu in
Stuhlfonn. Die Stühle haben verschiedene Sitzhöhe, Breite und Tiefe nnd
eine Kreuzlehne. Der Tisch ruht auf einem am Boden befestigten Längs-
kasten, auf dem die Füise der Schüler ruhen. An diesen Kasten sind die
Fndstritte und daran drehbar und auswechselbar die Stühle befestigt.
Mehrere Lochpaare im Fuistritt ermöglichen die Herstellung verschiedener
Distanz durch einen Drücker. Die Tische werden als Ein- und Zweisitzer
konstruiert, können aber durch Auseinanderschrauben beliebig zu Mehr-
sitzern verwendet werden. Die Stühle können ganz auf die FuÜBkasten und
unter die Tische gestellt werden.
Schulbänke mit festen Tischen und beweglichen Stühlen sind namentlich
in Italien und Amerika längst bekannt und sollen dort allgemein befriedigen.
Als neu kann also bei der LBUSCHNBBschen Bank wohl nur die Art der
Einstellung und Drehbarkeit der Stühle betrachtet werden. Leider hat der
Verfasser genaue Beschreibung aller Teile mit Ma&angaben und Zeichnungen
nur in der Broschüre für die Lizenzerteilung niedergelegt. Ohne ganz
genaue Einsicht in die technische Ausführung, namentlich der Stuhlbewegung,
ist ein Urteil über die Brauchbarkeit dieser Schulbank unmöglich. Die
aufklarende Broschüre wird jedoch nur an die Lizenzinhaber (Gebühr 30 Mark
pro Jahr und pro Sitz 1,50 Mark) abgegeben. Wenn aber auch die Bank
alle die 19 whrtschaftlichen, 16 hygienischen und 17 pädagogischen Vorteile,
die der Erfinder aufzählt, bieten sollte, darf, bessere Belehrung vorbehalten,
doch bezweifelt werden, ob diese Stuhlauswechslung und -Vertanschung den
Unterrichtsgang nicht wesentlich störe. Immerhin ist die Neuerung einer
allseitigen Prüfung durch die Schulbebörden wert. WiPF-Zürich.
G. Gattikbk, Znr Frage der Sehulau&icht. Zürich, Schulthess, 1905.
Kl. 8^ 69 S. Fr. 0,85.
Der Verfasser berührt eine Frage, welche speziell für die Stadt Zürich
von aktueller Bedeutung ist. In Zürich trägt man sich mit dem Gedanken,
die Laienaufeicht, der wesentliche Mängel anhaften, durch das Fachinspek-
torat bis zu einem gewissen Grade zu ergänzen. Gegen diese Fachaufsicht
wendet sich nun die Lehrerschaft, und Gattiker macht sich in seiner
Schrift zum Wortführer der Opposition. Er beruft sich dabei auch auf
deutsche Verhältnisse und macht geltend, dab deutsche Schulmänner und
Lehrerkreise der durch Direktoren, Rektoren und Hauptiehrer ausgeübten
Schulaufsicht kein günstiges Zeugnis ausstellen. Sie arte ans in Pedanterie,
Schablone und kleinliche Kritik der Lehrerschaft, während ein grofser Zug
fehle und jedenfalls das Unterrichtswesen nicht in dem Mabe positiv be-
782
fruchtet und gefördert werde, wie man es von der Fachanfsicbt erwarte.
Nun ist sicher, dafs die Fachanfsicht nnr erspriefslich sein kann, wenn sie
mit vollendetem Takt, weitem Blick, mit Wohlwollen und Liehe ansgettbt;
wird. Das persönliche Element spielt natürlich eine grofee RoUe, nnd es
mols zogegeben werden, dafs die Individualität der einen oder anderei»
Person Air die Ausfihung der Fachaufsicht nicht tanglich sein kann. Dock
scheint uns Gattiksr die persönliche Seite der Frage zu flbertreihen und
allzusehr in den Vordergrund zu rücken. Die durch Fachleute ausgeübte
Schulaufsicht hat doch auch ihre groflien Vorteile, und es scheint uns, der
gute Lehrer sollte gröfseren Wert darauf legen, von fachmännisch geschulten
Leuten beurteilt zu werden, als von einem Kollegium von Persönlichkeiten»
denen die Befähigung nicht abgeht, sich im Schulleben zurechtzufinden, die
aber nicht über die nötige Zeit dazu verfügen, weil sie anderweitig be-
ruflich tätig sind, und die eben doch der fachmännischen Schulung ent-
behren, welche den Blick schärft und ans der Erfahrung, kombiniert mit
geschulter Kritik, neue Anregungen schafft. Wir meinen somit, die Fadi-
aufisicht sei vorzuziehen. Daneben kann ja wohl das Laienelement ergänzend
mitwirken.
Die letzte Delegiertenversammlung des schweizerischen Lehrervereins
in Zürich hat sich ebenfalls mit 69 gegen 31 Stimmen für die Fachanfsicht
ausgesprochen. Es gibt also jedenfalls innerhalb der schweizerischen Lehrer-
schaft eine starke Strömung, welche der Fachaufsicht günstig gesinnt ist,
so dafs die Ansicht Gattikbrs nicht als allgemein gültig betrachtet werden
darf. Ohne Wert ist deshalb Gattikbrs Schriit keineswegs. Wenn auch
die ganze Frage der Fachanfsicbt in allzu trübem Lichte erblickt wird,
gewinnen wir doch einen Einblick in die Gefahren derselben, und indem
Gattikbr die wunden Seiten aufdeckt, erwirbt er sich ein Verdienst.
Allerdings finden sich aber Wege, um den Gefahren, die nicht geleugnet
werden können, vorzubeugen. Eiue sorgfältige Wahl der Person und Um-
schreibung der Kompetenzen wird in dieser Richtung von Gutem sem. Wir
empfehlen die Schrift Gattikbrs jedem zum Studium, der sich mit der
Frage der Schulaufsicht befalst. Schularzt Dr. KRAFT-Zürich.
Dr. SCHMiB-MoNN ARD-Halle und Prof. Dr. A. Hartmakn- Berlin, Soziale
Fürsorge fBr Kinder im aebiüpfliehtigeii Alter. Handbuch der
Hygienie von Wbtl. IV. Supplementband. 1904.
Die Schrift befafst sich mit den verschiedensten Fürsorgeeinrichtnngen
für Kinder: Knabenhandarbeit, Haushaltungsunterricht in den Mftdchen-
schulen, Fürsorge für Stotterer, Hilfsschulen für Schwachbegabte, Schul-
bftder, Jugendspiele, Speisung nnd Kleidung armer Kinder, Ferienkolonien usw.
Wir erhalten einen hübschen summarischen Überblick über die Bestrebungen
auf diesem Gebiet und empfehlen den Abschiedsgruls des leider zu früh
verstorbenen Autors allen zur Beachtung, welche sich auf dem so schönen
Gebiete sozialer Kinderfttrsorge betätigen!
Schularzt Dr. KRAR-Zfliich.
fet $it)uliirfi
m. Jahrgang. 1905. No. 11.
(l^ri|itiaUb^attbl]ttt|eti.
SchnlärstUche Statistik.
Von
Dr. Theodor ALTscHUL-Prag.
In den Heften 6, 7 und 8 (1906) der j^Zdtschrift für ScM-
gesundheäspflege**^ bezw. in der Beilage derselben, „J^er Scholar zV^^
ist [unter dem Titel: „Betrachtungen über schnlftrztliohe Statistik
2aT HerbeifQhmng einer Einheitlichkeit in derselben ''^ eine Artikel-
reihe von Dr. Samosoh* Breslau erschienen, welche laut einer FuJs*
note auf Seite 852 dieser Zeitschrift bezw. Seite 84 des ^Schularat*^
«nur eine Unterlage für weitere Kommissionsberatung*' (der vom
Schulhygienischen Kongresse in Nürnberg 1904 eingesetzten Kom-
mission) bilden soll.
Nachdem ich die Ehre hatte, auf dem Ncimberger Kongresse
das offizielle Referat über die Morbiditätsstatistik in Schulen vom
ftrztUchen Standpunkte zu erstatten, und nachdem ich seit vielen
Jahren in verschiedenen Schriften, so u. a. in meinen Arbeiten
^Kritische Bemerkungen zur medizinischen Statistik**, Wien 1894,
{j^Elinische Zeit- und Sireitfragen*', VIII. Bd., 8. Heft, HOldbb) und
1899 «Eine Beform der Medizinalstatistik^ (Prager med. Wo(hei^-
sdirifl'', XXiy. Bd., Nr. 20—22) für eine Reform der Medizinal-
statistik eingetreten bin, wird man es wohl nicht für unbescheiden
halten, wenn ich als einer der Ersten auf den Plan trete, um einige
Einwände gegen die Vorschläge von S^mosch vorzubringen.
Bei aller Anerkennung der Gründlichkeit, mit der Samosoh an
seine, keineswegs leichte Arbeit heranging, vermag ich in der
fleüsigen Arbeit von Samosoh keine glückliche und zweckentsprechende
Lösung der Frage einer verläfslichen und vergleichbaren schul-
ärztlichen Statistik zu erblicken, wenn ich auch gerne zugestehen
will, dafs einzelne Detailvorschläge des Verfassers (die später
Der SehnUrtt. III. 20
190 784
Dooh hervorgehoben werden eollen) sehr beachtenswert sind and daa
Richtige treffen.
Bei der Krankheitsstatistik in Schalen mnls man zwei Dinge
streng anseinauderhalten: 1. die Statistik des Schalarstes nnd 2. die
Bchnlftrztliche Statistik. Die erstere mnls den praktischen Bedürf-
nissen jedes einzelnen Schularztes angepabt sein nnd hftn^
von lokalen SonderverhAltniasen ab; eine einheitliche Regelong
ist hier weder notwendig, noch auch durchführbar. Die schul-
ärztliche Statistik hingegen ist für die Veröffentlichung gedacht
und soll die Lösung wichtiger schulhygienischer Fragen ermöglichen,
sie muls daher einheitlich durchgeführt werden, um vergleichbar
zu sein. Mit Recht legt Samosch auf die einheitliche Anlage
dieser Art von Statistik das Hauptgewicht, wie ich auch in beiden
obcDgenannten Arbeiten mit Nachdruck betont habe, dab jede
Medizinalstatistik, wenn sie zu wissenschaftlichen SchluTsfolgerungen
verwendet werden soll, die nur auf Grund grolser und untereinander
vergleichbarer ürzahlen möglich sind, nach — womöglich inter-
national vereinbarten — gleichen Grundsätzen und auf gleich-
lautenden Formularen geführt sein muis.
Es kommt für den An&ng gar nicht darauf an, daCs die ge-
wählten Formulare allen wissenschaftlichen Anforderungen ent-
sprechen und der Kritik nicht den geringsten Anstols geben, etwa
mögliche und vielleicht wissenschaftlich zweckmäfsige Änderungen
vorzuschlagen, und es ist gewifs in unserem speziellen Falle auch
nichts dagegen einzuwenden, wenn man sich vorläufig auf die
einheitliche Regelung der schulärztlichen Statistik in Deutschland
beschränkt nnd die internationale Regelung der Angelegenheit, so
erstrebenswert sie ist, der Zukunft überlälst: man beschleunigt da-
durch die Lösung — und das ist ein nicht gering zu bewertender Vor-
teil. Aber die wichtigste Vorbedingung für eine einheitliche und
vergleichbare Statistik ist es, dafs die ürzahlen nach den gleichen
Grundsätzen gewonnen werden und dafs die vereinbarten Rubriken
nicht nur nach denselben Prinzipien ausgefüllt werden können,
sondern ausgefüllt werden müssen. Zweifel darüber, in welche
Kolonne irgendein zu vergleichender statistischer Faktor zu setzen
ist, müssen völlig ausgeschlossen sein; nicht der subjektiven Auf-
fassung und dem Belieben jedes einzelnen darf die Ausfüllung der
verschiedenen Rubriken überlassen werden, sondern eine feste und
unzweifelhafte Vereinbarung mufs die gleiche Bewertung der einzelnen
statistischen Faktoren sichern.
785 191
Darin hat man bisher in der Medizinalstatistik gefehlt, und des-
halb ist anch heute bei der Sterbliohkeitsstatistik eine sichere
Vergleichbarkeit nicht möglich, trotsdem schon im Jahre 1868 (l)
der statistische Kongreis in Brüssel den BeschluTs gefa&t hat, eine
einheitliche Bezeichnung der Todesursachen festzustellen; weder
das lange Zeit fast allgemein angenommene VniOHOWsche Schema^
noch das der Neuzeit (1899) entstammende BERTiLLONsche Schema,
nach welchem gegenwärtig die meisten Statistiker arbeiten, hat
hierin Wandel zu schaffen vermocht. An diesem E[ardinalfehler
leidet auch das für die Krankheitsstatistik in Schulen yorgeschlagene
Schema von Samosch.
Wollen wir eine brauchbare Krankheitsstatistik für das
Schulalter gewinnen, dann müssen wir uns vor allem darüber klar
«ein, was als Krankheit zu gelten hat; deshalb habe ich in
meinem Beferat in Nürnberg in These V die Forderung aufgestellt,
dals eine einheitliche Auffassung bezüglich der Grenze zwischen
Gesundheit und Krankheit erzielt werden muJs, und in These VI
habe ich eine Art der DurchAihrung dieser Forderung angedeutet,
indem ich yorschlug, ein Übereinkommen darüber zu treffen, welche
Verftnderungen bei Schüleruntersuchungen noch als physiologisch
und welche schon als pathologisch anzusehen sind. Samosch hat in
seinen „Betrachtungen'' den an sich gewifs zutreffenden Satz auf-
gestellt (S. 366 bezw. 88): „Es gibt eine grofse Anzahl von Eandem,
die, ohne eigentlich krank zu sein, gewisse Eigentümlichkeiten
haben, die wert sind, notiert und weiter yerfolgt zu werden. Diese
Kinder würden wahrscheinlich au£»er Betracht bleiben, wenn nur
für ausgesprochen kranke Kinder ein Gesundheitsschein verlangt
wird.^ Darin mufs man Samosch unbedingt zustimmen, es muis in
der Tat für jedes Schulkind ein Q^sundheitsschein angelegt werden,
darüber kann kein Zweifel bestehen; eine andere Frage aber ist es,
ob das betreffende Schulkind, ^welches gewisse Eigentümlichkeiten
hat, die wert sind, notiert und weiter verfolgt zu werden '', in der
zur Vergleichung dienenden allgemeinen Krankheitsstatistik den
kranken Kindern beizuzählen ist — oder eigentlich, es ist gar
keine Frage, dafs dies nicht angeht; sagt doch Samosch selbst,
dals diese Kinder nicht „eigentlich krank** sind. Welches sind
aber jene ,, Eigentümlichkeiten", die keine Elrankheit sind, aber
doch notiert zu werden verdienen, und wie soll man diese „Eigen*
tümlichkeiten^ statistisch von den „eigentlichen Krankheiten^
trennen? Auf eine sichere Differenzierung dieser beiden Gruppen
20*
192 786
kommt aber alles an. Eb ist fOr die Statistik als solehe ^gentlich
nicht 80 wichtig, wo wissenschaftlich die „eigenÜiche Krankheit*
beginnt und die „Eigentümlichkeit^* aafhört, nnr darf der eine
nicht das „Krankheit^ nennen, was der andere noch ^»Eigent&m-
lichkeit" nennt, and amgekehrt. Wenn es in der schnlftrstliohMi
Statistik heibt: So nnd so Tiele der Untersuchten waren kranke
so mufs dies in allen Fällen dieselben krankhaften Veränderungen
bedeuten, es darf nicht Torkommen, wie z. B. in der Dresdener
Statistik Ton O. Sohanu {^Gesimde Jugend'', HL Jahrg., Heft 1/2),.
dab die Zahl der Krankbefundenen im Jahre 1899 = 40,2 % und
im Jahre 1902 = 79,01 % der Schüler betrftgt. Dab solch ein»
Statistik nicht richtig sein kann, liegt für jeden Er&hrenen auf
der Hand; gar so krank ist die deutsche Schuljugend doch nicht;
solche Zahlen kann man nur erhalten, wenn man j ede Abnormitftt
als Krankheit bezeichnet und das geht gerade bei der Sohülerststistik
durchaus nicht an.
Nehmen wir an, es wäre vereinbart, alle Abnormitäten in die
Bubrik „Krankheiten" einzuzwängen, und wir würden erfahren, dab
in der Schule A und in der Schule B 60 % der Schüler krank
befunden wurden; ist das in beiden Fällen wirklich der Ausdruck
ftLr eine gleichartige Morbidität? Oewib nicht; wir wissen nicht,
wieviel von wirklichen Krankheiten und wieviel »Eigentümlich-
keiten", um bei der Nomenklatur von Samosoh zu bleiben, in diesen
Zahlen enthalten sind. Nun wird man sagen: Da braucht man
eben nur in der Detailstatistik nachzusehen und kann sich dann di»
Zahl selbst berechnen. Aber auch das würde nicht zum Ziele
führen, weil z. B. die Rubrik „Nervosität** und „Skoliose^ — um
nur zwei Beispiele anzuführen — je nach der Aufbssung dee
imtersuchenden Arztes einmal zu grobe Zahlen und ein andermal
zu kleine Zahlen enthalten kann. Man sollte einmal den Versuch
machen, dasselbe Schülermaterial von zwei verschiedenen Ärzten
untersuchen zu lassen, die vorher nichts miteinander vereinbaren
•dürfen und nur das von Samosch vorgeschlagene Schema auszufallen
haben; ich bin überzeugt, dab da die kolossalsten Differenzen auf-
treten würden — das mub aber unmöglich gemacht werden, und
dies kann nur dadurch geschehen, dab man, wie ich es in These VI
meines Beferats verlangt habe, einheitlich festsetzt, was als „Skoliose',
was als „Nervosität^ u. dgl. m. zu gelten hat. Ich mübte eigent-
lich hier mein ganzes Beferat wiederholen, um sicher zu sein, nicht
mibverstanden zu werden; ich will aber nur als den wichtigsten
787 193
Punkt heryorheben , was ich in These YII zum Ansdraok gebracht
liabe: „Die G-renze des Physiologischen ist möglichst weit zu ziehen;
'der Fehler, leichtere Erkrankungen eventuell nicht mitzuzählen, ist
statistisch und praktisch weit unerheblicher als die Zuzählung aller
nur „Verdächtigen*' in der Rubrik der „Kranken^. Wenn z. B.
4SAM0SCH wirklich so zählt, wie er (auf Seite 357 bezw. 89) in
seinem Referate auf Grund der „Erfahrungen" von vier Jahren
andeutet, dafs er nämlich eine „Mindestmorbidität^ feststellt, so
mag das für seine praktischen Bedürfnisse genügen, aber wenn er
meint, data „die Individualität des Arztes in der Beurteilung von
Oeeundheit und Krankheit'' ausgeschaltet wird, wenn die Berichte
•einer greisen Anzahl von Ärzten verglichen werden, so ist das bei
der Dehnbarkeit der „individuellen Auffassung'', z. B. bei „Skoliose",
bei „Blutarmut" oder bei „IMervosität" gewils unrichtig. Die mög-
lichen Fehler gleichen sich hier nicht aus, weil nicht etwa eine
kleine Oruppe von Schulärzten in ihrer Statistik denselben Fehler
macht, der durch die richtige Statistik der Majorität ausgeglichen
wird; sondern &st jeder Statistik liegen dann andere Auffassungen
und andere Fehler zugrunde, welch letztere sich nicht das Gegen-
gewicht halten, sondern sich summieren; die Vergleichbarkeit
<ier einzelnen Berichte ist eben nicht vorhanden.
Ebensowenig kann man Samosoh zustimmen, wenn er behauptet,
dafs, „sobald z. B. festgesetzt wird, daüs pro 100 untersuchter Schul-
kinder, zu deren Untersuchung sich so und so viele schulärztliche
Besudle mit einem Zeitaufwande von so und so viel Stunden als
nötig erwiesen, so und so viel Kranke herausgefunden wurden, . . .
Zusammenstellungen zustande kommen, die Rückschlüsse auf eine
Mindestmorbidität zulieisen und die untereinander vergleichbar
wären". Ich vermag nicht einzusehen, wodurch hier die Vergleich-
barkeit verbürgt ist. Wenn z. B. ein Arzt pro 100 untersuchter
Schulkinder fünf Besuche zu zwei Stunden verwendet und 30 „Kranke"
gefunden hat, und ein anderer wieder, minder gründlicher oder aber
weit geübterer nur drei Besuche zu IVg Stunden für die Dnter-
euchung von 100 Schülern braucht und 40 Kranke findet, welche
„Rückschlüsse" vermag man da zu machen und wie kann man
diese Znsammenstellungen untereinander vergleichen?
Und ein anderes Beispiel, das ich absichtlich etwas übertreiben
will: Arzt X untersucht 100 Kinder in fünf Besuchen zu zwei
Stunden und findet 40 Kranke, davon sind 20 Myopen, 10 nervüs
und 10 blutleer; Arzt Y untersucht genau in derselben Zeit 100
194 78»
Kinder nnd findet eben&Ils 40 Kranke, davon sind 20 tnberknlös,
10 haben einen Herzfehler und 10 sind rbaohitisoh — was Termag^
man darana besOglich der ,,Minde6tmorbidit&t'' zu eraohlielaen?"
leb habe die Empfindung, data Samo6CH etwas anderes sageo
wollte nnd daÜB ich ihn m iisverstanden habe; aber ans der Fassung'
des oben wörtlich sitierten Satzes kann man nichts anderes ableiten.
Nnn wird man mir mit Recht einwenden, dab die ErfüUnng meiner
Fordemng» dafs eine Vereinbarung darüber» welche Veränderungen
bei Schflleruntersuchungen noch als physiologisch und welche schon
als pathologisch anzuaeben sind, nicht so leicht ist imd vor allem
die Einsetzung von Fachkommissionen, wie ich dies in meinem
Nttmberger Beferate selbst verlangt habe, notwendig macht» so dab
viel Zeit verloren wird, wfthrend die rasche Lösung der „brennendea
Angelegenheit^ nottut. Das gebe ich ohne weiteres zu, das ftndert
aber nichts an der Tatsache, dab wir zu einer wissenschaftlich und
praktisch brauchbaren und dadurch vergleichbaren schulärztlichen Sta-
tistik nicht gelangen werden, bevor man Ober die zu i-^gistrierenden
Krankheitstypen einig ist; es darf z. B. nicht vorkommen, dals ein
Bericht jede Abweichung der Wirbelsäule von der Senkrechten schon
als , Skoliose" bezeichnet, wfthrend ein anderer nur bedeutende
Verkrümmungen, die schon mit dem freien Auge sichtbar sind,
notiert und die Anfangsstadien vemachlftssigt
Hier gibt es vorlaufig nur einen Ausweg: die einheitlichen
Krankheitsschemata so einfach wie möglich zu gestalten
und vorlaufig auf die wichtigsten Scbulkrankheiten zu be-
schränken, und zwar hauptsächlich auf solche, wo die individuell»
Auffassung des einzelnen nicht allzu different sein kann.
Die sehr detaillierten Tabellen, die Samosoh vorschlägt, eignen
sich für die Statistik des Schularztes ganz gut, aber fOr eine
schulärztliche Statistik, die vergleichbar sein soll, weit weniger,
weil sie eben der individuellen AuffiuBsung einen zu weiten Spielraum
lassen, aber auch weil sie „medizinisch" nicht in allen Punkten
eindeutig sind.
Aus all den aDgegebenen Überlegungen habe ich in meinem
Nürnberger Referate voigeschlagen, vor allem die „Konstitution*^ nicht
wie bisher als jigut", „mittel** und .schlecht*^ zu bezeichnen, weil, wie
schon der vortreffliche, leider uns seither durch einen allzufrahen Tod
entrissene Sghubbbt in seiner Arbeit: „Das Schularztwesen in Deutsch-
land^ betont hat, „die Grenzen . . . allzu sehr von dem Ermessen
des untersuchenden Arztes abhängen''; ich habe anstatt dieser un-
7b9 195
verl&fsliohenGesandheitazensuren die Kolonnen: ^vollkommen gesund^,
„notorisch krank^ und «»yerdäohtig^ gesetzt. Ich kann nicht be-
greifen, daiB Samosoh meinen Vorschlag als „nicht recht klar ^ be-
seichnet Es ist ans meinem Referate doch vollkommen „klar^, dafs
ich nnr die sog. Konstitution in die drei vorgeschlagenen Kolonnen
untergebracht wünsche. Wenn — um bei dem Beispiele zu bleiben,
das Samosch anführt — „ein von Gesundheit strotzendes Kind mit
einem leichten Sprachfehler oder einer mftlsigen flyperopie oder
Ifyopie^ behaftet ist, so ist es in seiner Körperkonstitution
zweifellos vollkommen gesund. Wenn wir die wirklich „unklaren*^
Bezeichnungen »gut**, „mittel^, „schlecht^ beibehalten, wie es Samobch
vorschlfigt, ist dann vielleicht die Eintragung eines Kindes, das mit
einem Sprachfehler behaftet ist oder eine Myopie besitzt, dabei aber
^von Gesundheit strotzt^, leichter? Ist dieses Kind rtg^t**, „mittel**
oder „schlecht*'? Auch diese alte, von Samosch beibehaltene Ein-
teilung kann sich doch nur auf die Konstitution beziehen.
Wir müssen in dieser vergleichbaren schulärztlichen Statistik
berücksichtigen 1. die Konstitution und 2. die Schulkrank-
heiten — das Wort im weitesten Sinne genommen — , das sind
zwei grundverschiedene Dinge, die nebeneinander angeführt werden
müssen. Die Aufschrift der Kolonnen bei der Beurteilung der
Konstitution ist nicht unabänderlich; es kommt nur darauf an, dafs
jeder Schularzt in die einzelnen Kolonnen die gleichen Veränderungen
einträgt; man könnte z. B. auch unterscheiden: I. „kräftig*',
IL „schwächlich**, III. „krank^^ Samobch hat, wie er angibt, in
seinem Entwürfe I meinen Vorschlag „in gewissem Sinne*' berück-
sichtigt, indem er das Vorhandensein der „Norm** und die „Ab-
weichungen von der Norm*' einträgt und in zweifelhaften Fällen ein
Fragezeichen hinzufügt. Für den geistigen Zustand ist diese Ein-
teilung ausreichend und zutreffend, bei körperlichen Erkrankungen
aber ist das Wort „normal** und „abnormal** zu vieldeutig, und bei der
Konstitution ist es als Einteilungsprinzip überhaupt nicht zu ver-
wenden. Es wäre sehr zu bedauern, wenn bei einer Beform der
schulärztlichen Statistik die nichtssagenden Kolonnen „gut^, „mittel**,
„schlecht** beibehalten würden.
Ich gehe nun zu den Entwürfen über, die Samosch für die
Gesundheitsscheine ausgearbeitet hat. Samosch gesteht selbst zu,
^ Wie ich schon im Jahre 1890 vorgeschlagen habe (»Zur Schalantfrage"
vergl. nnten).
196 790
dalB die Zosammenstellang „auf roher Empirie" beraht und doioh-
ans nicht den Anepruoh erhebt, „als wisaensohaftlich bereditigt an-
gesehen zu werden** ; es dürfte, meint Samosgb, „für den Sohularzt
besser sein, ein praktisch handliches Schema zu. besitssen, als ein
dem Stande der Wissenschaft entsprechendes, mit dem er nichts
Rechtes anzufangen weifs^. Ist es aber, mufe man fragen, wirklieh
unmöglich, ein dem Stande der Wissenschaft entsprechendes Schema
zu entwerfen, das dabei auch praktisch handlich ist und mit dem
der Schularzt auch etwas Rechtes anzufangen weils? Ich glaube, dab
ich in meinem Referate in dem Entwürfe für die „lokale Statistik*
ein derartiges Schema angegeben habe, das — wie ich ausdrücklich
hervorhob — nicht als unabänderlich gedacht war, das aber die
Einteilung der auch von Samosch registrierten Erkrankungen
in einer Form enthält, welche meines Erachtens einer wissenschaft-
lichen Kritik ziemlich standzuhalten vermag. Mit geringen Ände-
rungen könnte in diesem Schema alles untergebracht werden, was
Samosch vermerkt wissen will.
Die Entwürfe von Samoscb leiden an manchen Stellen in der
Tat an einer wissenschaftlichen Ungenauigkeit, die auch praktisch
Verwirrung hervorzurufen geeignet ist.
Ich will, um nicht zu weitläufig zu werden, nur einiges hervor-
heben. So ist z. B. die Rubrik ^Enochensystem^ sowohl wissen-
schaftlich wie praktisch nicht gerade glücklich zusammengestellt.
Man darf vor allem nicht übersehen, dals man bei der Beschreibung
einer vergleichenden Statistik auf Grund von „tausenden derartiger
gut ausgefüllter Scheine" (Samosch, S. 444 bezw. 102) nicht auf
jede Einzeldiagnose Rücksicht nehmen kann, sondern nur die Krank-
heitsgruppen in Betracht zu ziehen vermag. Nun sind bei Samosch
unter den „Deformitäten" angsführt: Kyphoskoliose, Hühnerbrust,
Verkrümmungen der Extremitäten, Schädelanomalien. Setzen wir
den Fall, dafe zwei einem späteren Bearbeiter vorliegende summarisohe
Ausweise nach dem Schema von Samoboh an Knochendeformitäten
die Zahl 20 enthalten; in dem einen sind darin vermerkt zehn Fälle
von Skoliose und je fünf Fälle von Hühnerbrust und Schädelanomalieo,
in dem anderen ein Fall von Skoliose, zehn Fälle von Hühnerbrust,
fünf Fälle von Verkrümmungen der Extremitäten und vier Fälle von
Schädelanomalien — sind das Gruppen, die praktisch miteinander
vergleichbar sind? Die Skoliose ist eine wichtige „Sohulkrankheit",
deren kausaler Zusammenhang mit dem Schulbetriebe wohl mit Recht
vermutet wird, aber nicht für alle Fälle bewiesen ist; gerade eine
791 197
Auf grolse und naoh einheitlichen Prinzipien bearbeitete Statistik
vermag hier vielleioht die Entscheidung zu bringen — es muls des-
lialb die Skoliose unbedingt eine eigene Kolonne haben. Die
^flOhnerbrust^ hat als solche hingegen für die Schulhygiene hst
keine Bedeutung, sie ist übrigens nur ein Symptom der Ehachitis
und muls, wenn sie überhaupt notiert werden soll, in die Kolonne
Xthaohitis kommen. Ähnliches gilt von den ,, Verkrümmungen der
Sixtremitäien^. Die „Schädelanomalien ^ mögen in einer lokalen
Statistik, wenn der betreffende Schularzt sich für diese Streitfrage
interessiert, Baum finden, Mls sie nicht als rhaohitische Verände-
rungen in die Kolonne „Rhaohitis" gehören; für eine vergleichende
Statistik haben derartige minutiöse Details keinen besonderen Wert
lud können mit anderen „Deformitäten^ in eine gemeinschaftliche
Kolonne kommen (in meinem Schema z. B. in Rubrik 16: y,Mi£9-
bildungen^, die vorteilhafter vielleicht die Aufschrift „Deformitäten''
führen könnte).
Ebenso ist es wissenschaftlich und praktisch unstatthaft, die
„Knochentuberkulose" mit der Arthritis und Ooxitis und sogar der
angeborenen Hüftgelenksluxation und dem Schiefhals in einer
fiubrik zu vereinigen; die tuberkulösen EIrkrankungen gehören alle
zusammen; Wissenschaft imd Praxis haben ein gleich groDses Inter^
esse, sicherzustellen, in welcher Ausdehnung tuberkulöse Erkran-
kungen in den Schulen vorkommen. Dafe die „Spina bifida '^ der
Knochentuberkulose zugezählt ist, ist wohl nur ein Druckfehler
(vielleicht ist die „Spina ventosa'' gemeint), die Spina bifida ist
eine „Djrformität", die mit Tuberkulose nichts zu schafien hat.
2. Nach den „ Hautleiden ** sind „Parasiten'' angeführt, es fehlt
der Zusatz der flaut; hier müssen aber die parasitären EJrkran-
kungen (Herpes tonsurans u. dgl.) ausdrücklich ausgenommen seiui
die Bezeichnung „Parasiten^ kann sonst verschieden gedeutet werden;
es wäre vorteilhafter, „Pediculosis und Skabies" statt „Parasitaria^
anzusetzen.
3. Bei den „Zähnen^ wäre die Gruppierung I, II, III auszulassen
und statt dessen „Oaries der Zähne** zu setzen — oder wenigstens
beide nebeneinander; auch die Ahachitis und die Skrophulose kann
das Gebiüs als „schlecht^ erscheinen lassen, wichtig aber ist doch
nur die Oaries der Zähne.
4. Bei der Kolonne „Zustand der Lungen^ ist das „Asthma"
absolut: nicht am richtigen Platze. Asthma ist überhaupt keine
Krankheit für sich, sondern ein Symptom verschiedener Krank*
198 792
heiten. Wenn z. B. ein Kind einen Hersfehler und ein andern
adenoide Vegetationen bat, können beide „Astbma^ haben (sehrhinfig
ist das Asthma im Kindeealter überhaupt nicht). Daia die Tnber
kulose in eine gesonderte Rubrik gehört, habe ich bereits enrthnt
(Kolonne 14 meines Entwurfes lautet: Tuberkulose a) der Lungen,
b) der Knochen und anderer Organe).
5. In der Kolonne „Zustand des Herzens** sind die ,,aiiftmiaolMi
Geräusche^ nicht einzureihen. Sind die Geräusche wirklich &
Folge von Anämie, dann ist das Herz nicht krank, d. h. dann ist
das Kind anämisch und nicht herzkrank.
6. In der Rubrik „Organe der Bauchhöhle'' ist die chroniaoiie
Peritonaltuberkulose mit den „Würmern*' in einer Kolonne, die
Tuberkulose des Bauchfells ist aber eine Tuberkulose und gehört in
diese Abteilung.
7. Bei der Kolonne y^Augenkrankbeiten*' hält Samoboh an der
vagen Bezeichnung „Skrophulöse Erkrankungen*' fest, trotzdem ieh
in meinem Referate die TJnhaltbarkeit dieser Bezeichnung, wie ich
glaube, einwandfrei nachgewiesen habe. Die Skrophulöse ist eine
Erkrankung für sich imd mufs eine gesonderte Kolonne erhalten.
Ich mufs den Entwürfen von Samosch gegenüber meinen Ent-
wurf als wissenschaftlich und praktisch verläfslicher Terteidigen
und aufirechthalten — ich führe aus meinen Entwürfen im Anhange
nur die Tabelle III an. Ergänzt könnte mein Entwurf immerhin
noch werden, und halte ich z. B. den Vorschlag von Samosch be-
züglich der allgemeinen geistigen Beschaffenheit (normal, zurück-
geblieben, defekt) für eine derartige zweckmälsige Ergänzung.
Die von Samosch vorgeschlagene Form der Beriohteistattnng
ist aber sehr empfehlenswert, ebenso die Anregung, die definiti?e
genaue Untersuchung der Lemanftnger auf den dritten oder sechsten
Monat nach Schuleintritt zu verschieben. Auch muüs man, wie
erwähnt, Samosch darin zustimmen, dab ftir jedes in die Sdinle
eintretende Kind ein Untersuchungsbogen angelegt werden mois.
Mustergültig sind auch die Formulare, welche die „Anordnungen
und spezielle Notizen des Schularztes' enthalten.
Ebenso einverstanden mufs man mit dem Vorschlage von Samosgb
sein, dafs die Lehrer obligatorisch verpflichtet sein müssen, die In-
fektionskrankheiten dem Schularzte anzuzeigen; man kann hinzoftgtn
— die Schulversäumnisse überhaupt und deren Ursache.
Sehr wichtig scheint es mir aber noch, dafs vereinbart wird, wie
man jene Fälle zu registrieren hat, wo ein und dasselbe Kind meh^
793 199
fache Oesnndbeitsstörungen ud<1 Anomalien aufzuweisen hat Man
kann hierbei verschiedene Wege wählen, aber es muls ein einheit-
licher Vorgang in all diesen Fällen gesichert sein, damit keine Ver-
wirrung entsteht.
ESs wäre sehr empfehlenswert, dals die „Kommission" auch
einen Fragebogen für die Lehrer ausarbeiten würde; ich habe ein
Schema für einen derartigen Fragebogen schon im Jahre 1890 in
meiner Arbeit: ,,Zur Schularztfrage** (Pf&g> Fr. Ehrlichs Bachhandlung,
Bernhard Knauer) entworfen; etwas modernisiert, könnte dasselbe
auch heute noch empfohlen werden und würde die Eubrik „Beob-
achtungen und Bemerkungen der Lehrer während der Schulzeit^ im
Entwürfe la von SAMOSch zu einer noch wertvolleren und einheit-
licheren gestalten.
Von den Fragen, die ich damals für den Lehrer vorgeschlagen
habe, wären hervorzuheben: „1. Ist der Schüler besonders begabt»
von durchschnittlicher (mittlerer) Begabung, zerstreut (unaufmerksam),
schwachsinnig? 2. Hat der Schüler eine besondere Be&higung oder
Un&higkeit für besondere Lehrfächer und für welche? 3. Wie ist
die Haltung des Schülers beim Schreiben : gerade, gekrümmt? nähert
er den Kopf in auffallender Weise dem Schreibhefiie, neigt er ihn
zur Seite, auf welche? 4. Sonstige Bemerkungen, die für die Be-
urteilung des geistigen oder körperlichen Zustandes des Schülers von
Wichtigkeit scheinen. 5. Falls der Lehrer Geschwister des be-
treffenden Schülers unterrichtet hat, ist es von Wert, zu erfahren,
ob diese Geschwister Ähnlichkeiten oder Verschiedenheiten in den
früher erwähnten Punkten darboten.^
Der Schularzt kann und wird selbstverständlich im Gespräche
mit dem Lehrer die meisten der angeführten Fragen wohl unwill-
kürlich stellen, aber für die Statistik wäre es höchst erwünscht, die
Beobachtungen der Lehrer unter der vollen Verantwortung der letz-
teren schwarz auf weiis zu besitzen.
Meine zahlreichen Einwendungen sollen durchaus nicht das
Verdienst von Samosoh schmälern; Samosob selbst hat aber eine
lebhafte Diskussion gewünscht, meine Bemerkungen sollen mithelfen,
eine solche einzuleiten. Rom wurde bekanntlich nicht an einem
Tage erbaut, und ein Krankheitsschema für die schulärztliche Sta-
tistik, das allen recht ist, wird nicht auf den ersten Wurf geboren
werden.
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Der Sehnlant flr hthere LehruMtaltei,
eile letweidige ErgiAiug userer SehvlerguisitiM.
Von K. A. Martik-Habtmann.
Leits&tze:
L Die ScholarzteinrichtnDgy die sich Ar Volksschulen als heilsam er-
wiesen hat, so sehr sie anch noch weiter rerrollkommnet werden mnls, ist
anch ftr höhere Lehranstalten als ein Bedflrfnis anzuerkennen.
n. Die Schfller der höheren Lehranstalten, die Iftnger nnd stflrker in
Anspruch genommen werden mflssen als die Volksschfller, flberdies aber
zum grofsen Teile in dem so kritischen Lebensalter der Pubert&tsentwick-
lung stehen, sind nicht minder schwerwiegenden, wenn auch oft anders
gearteten Störungen der Gesundheit ausgesetzt aLs die Volksschfller, und
genieben durchaus nicht regelmftfsig Torbeugende ärztliche Oberwachung.
m. Eltern sowohl als Lehrer haben ein grofsfs Interesse an der Ein-
gliederung des Schularztes in den Organismus der höheren Lehranstalt, als
an einer Reform, die nicht nur dazu dient, die Gesundheit unserer Jogoid
zu wahren und zu fördern, sondern die auch die Arbeit der Lehrer über-
aus wirksam unterstfltzen würde und schließlich nicht ohne Einflub auf
die Hebnng der allgemeinen Lage des höheren Lehrerstandes bleiben könnte.
IV. Die Stellung des Schularztes an der höheren Lehranstalt ist auf-
zufassen als die eines unter der Autorität der Schulleitung wirkenden sach-
verständigen Beraters in allen mit der Hygiene zusammenhängenden Fragen
des Schullebens.
V. Die allgemeine Aufgabe des Schularztes an der höheren Lehranstalt
besteht nicht in der ärztlichen Behandlung der Schfller, die nach wie vor
Sache des Hans- oder des Spezialarztes bleibt, sondern in der hygienisches
Förderung der gesamten Schulgemeinschaft.
Seine Tätigkeit erstreckt sich besonders auf folgende Punkte:
a) die hygienische Überwachung des Schulgebäudes und seiner Ein-
richtungen,
b) die Überwachung des Gesundheitszustandes der Schfller, unbeschadet
der dem Bezirks- oder Kreisarzte zustehenden Befugnisse,
c) die Begutachtung von Gesuchen um Dispens Ton einzelnen Unter-
richtsftchem und Ton Gesuchen um Ferienverlängerung, sowie in zweifel-
haften Fällen die Begutachtung von Gesuchen um Zulassung zum fakulta-
tiven Unterricht.
Als wünschenswert und flberall da berfleksichtigenswert, wo die Ans-
fflhmng möglich ist, erscheint eine Tätigkeit des Schularztes auch nach
folgenden Seiten:
d) die hygienische Belehrung der Schfller, namentlich der älteren, in
allen für ihre Entwicklung bedeutsamen Fragen,
797 203
e) die hygienische Anregang und Avfkl&rnng der Eraiehongspflichtigen,
luif deren tätige Mitwirkong and Unterstützung nicht verzichtet werden kann.
Über seine Amtslfihmng erstattet der Schularzt aUjährlich einen Bericht.
VI. So wie die Verhältnisse zurzeit liegen, ist nicht zu wflnschen,
da& die Schularzteinrichtung mit einem Male für alle höheren Lehranstalten
«Ines grölaeren Bezirkes ins Leben tritt, vielmehr sollten zunächst einzelne
Anstalten, bei denen gflnstige Bedingungen fUr den Erfolg gegeben sind,
gleichsam als Pioniere vorangehen, und erst auf Grund ihrer Erfahrungen
würde später eine allgemeine Organisation zu schaffen sein. Für den Anfang
ist es vor allem wichtig, daßi einerseits die Einrichtung zuerst an solchen
Schulen zur Einführung kommt, wo das Lehrerkollegium sich freundlich
dazu stellt und geneigt ist, sie nach Kräften zu fördern, und dafs anderer-
seits die Persönlichkeit des Schularztes alle wünschenswerten Bürgschaften
für ein gedeihliches Zusammenwirken mit der Lehrerschaft bietet. Je har-
nionischer Schularzt und Lehrer zum Wohle der Jugend zusammenarbeiten,
um so wertvoUere Dienste wird die Einrichtung leisten.
Vn. Die EinfOhrung des Schularztes an höheren Lehranstalten bedeutet
nicht nur fär diese selbst, sondern für das Volkswohl überhaupt einen
wichtigen Fortschritt, insofern sie ein Mittel ist, die auf diesen Schulen
vorgebildeten Kreise von vornherein für die Sache der Gesundheitspflege
zu interessieren und durch sie wiederum auf weitere Volksschiditen hygie-
nisch einzuwirken,
(Sonderabdr. a. d. „F&dagog. WodhmhL f. d. akademisch gebüdetm
Lehrersiand DeutsOdds.'' , XIV. Jahrg., Nr. 47.)
SelmlarEtfrage. Die Vereinigung fOr Schulgesundheitspflege in Ham-
burg befaCste sich, wie im j^Arckiv für sogiaU Medufin und Hygime"^
(Bd. I, Heft 3, 1905) berichtet wird, in ihrer Sitzung vom 14. November
1904 auch mit der Sc hularztf r age. Die Notwendigkeit der schulhygienischen
Aufsicht wurde von allen Rednern anerkannt; Dr. Marr allein wendete
sich gegen die Anstellung besonderer Schulärzte, weil deren Funktionen
in Hamburg bereits durch andere Organe privater und öffentlicher Natur
in genügender Weise besorgt würden. Angenommen wurden folgende Thesen:
I. Die Schulhygiene ist ein Teil der öffentlichen Hygiene (Honbbrinker).
U. Aus vielen Untersuchungen von Schulkindern geht hervor, da(s bei
denselben bis zu 50% und je nach Individualität des untersuchenden
Arztes bis zu 70% körperliche Schäden gefunden werden.
Im Interesse einer richtigen pädagogisch -hygienischen Behandlung
erscheint es wünschenswert, dafs die Lehrer von solchen Schäden Kenntnis
erhalten, ehe sie mit den Anforderungen der Schule an die Kinder heran-
treten (Dr. Marr).
HI. Die Einfahrung von Schulärzten erscheint sowohl für Volksschulen
Als auch für höhere und Privatschulen als eine Notwendigkeit,
1. weil mit Hilfe des Schularztes unhygienische EiArichtungen des
Schulgebäudes, die geeignet sind, die Kinder an ihrer Gresundheit
zu schädigen und die Erfolge des Unterrichts zu vermindern, be-
seitigt werden können,
2. weil durch die prophylaktische Tätigkeit des Schularztes die
Möglichkeit gegeben ist, Krankheiten der Schüler zu verhindern
204 798
oder in einem frohen Stadium za erkennen, za heilen und dadordi
die Leistnngsfilhigkeit der Schtüer im Unterricht zu steigeni,
3. weil die Einrichtung der Schnlftrzte geeignet ist, Interesse und
Sinn fOr hygienische Dinge bei Lehrern und Lehrerinnen zu be*
leben (Risohawt).
IV. Die Eänfnhrung der Schulftrzte erscheint, nachdem eine grobe
Reihe Yon Stftdten mit gutem Erfolg darin vorgegangen ist, im Interesse
der heranwachsenden Jugend auch fftr Hamburg geboten (JaffA).
Dr. KKAPT-Zttrich.
Seklllnte flr die MittelBCkvlei sind in Czernowitz (Bukowina)
angestellt worden. Die Wochenschrift ^Das Ösierr. Samtätswesm*^ (1904,
XVI, Nr. 41) berichtet, dafs im Jahre 1902/03 versuchsweise ein Ant
flir sftmtliche Mittelschulen angesteUt wurde. Er war aber nicht in der
Lage, die ihm abertragene Arbeitskst zu bewAtdgen, welshalb nun ftkr die
drei am Platze befindlichen Mittelschulen je ein Arzt vom Landessdinint
mit der schulArztlichen Funktion betraut wurde.
Der Schularzt soll, laut Instruktion, als Berater der Direktion in
schulhygienischen Fragen fungieren und seine Wahrnehmungen und Bat-
schlage in einer eigens zu diesem Zwecke einzuberufenden Konferenz zum
Ausdruck bringen. Insbesondere hat er folgende Aufgaben zu erfWen:
1. Er wird die hygienischen Zustände des Schulgeb&ndes und der
Klassenzimmer prOfen.
2. Er wird SchtUer untersuchen, die mit einem Gebrechen behaftet sind,
das den Studiengang erschwert, und Vorschläge zur Verhütung
der Schäden, denen solche Schtüer beim Unterrichte ausgesetzt
sind, anbringen.
3. Der Schularzt wird im Sinne des Erlasses des Ministeriums des
Innern vom 10. März 1908, Z. 38731 (Öaterr, SanUäiaweiem,
1908, Nr. 13), auf die Förderung der Zahnpflege bei den
Schfllem Bedacht nehmen.
4. Er untersucht Schiller, welche in hygienischer Beziehung eine
Gefahr für ihre MitschtUer bilden.
5. Bei epidemischen Krankheiten trifft er die nötigen Voii:ehmngeD
zur Verhütung der Übertragung dieser Krankheiten.
6. Bei Anschaffung von Schulgeräten (Bänken, Tafeln), steht er dem
Direktor beratend zur Seite.
7. Alle Untersuchungen sind unentgeltlich.
Empfohlen wird mindestens eine wöchentliche Sprechstunde im Amts-
gebäode zur Besprechung von Fällen, die im Laufe der Woche auftauchen
und nicht dringlich sind. Dr. KRAFT-Zflrich.
Ober die Tätigkeit der Sehnltrite in New Yerk berichtet Dr.
L. WIOHMANN in der „Monatsschrift für Kmderh&Okimde*' (1904, Bd. m
Nr. 6). Im Jahre 1897 wurden zum Zwecke der wirksamen DurchfDhmng
prophylaktischer Mafsnahmen gegen ansteckende Krankheiten auch Schul*
ärzte angestellt, deren Tätigkeit sich im Verlaufe der Zeit in vortrefflicher
Weise ausgebildet hat.
Jedem Schularzte werden ungefähr fünf Schulen zugewiesen, wo täg-
lich revidiert wird. Alle den Lehrern verdächtigen Fälle werden unter-
799 206
sucht. Dabei erstreckt sich die UntersnchiiDg auch auf infektiöse und
parasitäre Krankheiten, z. B. Pediknlose, Favus, Trichophytose, Skabies.
Dem krank gefundenen Kinde wird eine Karte mit Answeisnngsorsache
gefertigt and der Fall an das Gesundheitsamt gemeldet. Die Schulärzte
sowie die Schulbehörde bekommen täglich eine Liste von allen berichteten
Fällen, denn alle Kinder aus Familien mit Fällen von hoch kontagiösen
Krankheiten werden von der Schule ausgeschlossen, und ohne schriftliche
Erlaubnis seitens des Gesundheitsamtes darf der Schulbesuch nicht wieder
anfangen.
Einmal wöchentlich werden alle Schulkinder untersucht; es ist dabei
-namentlich auf chronische, von den Lehrern nicht bemerkte Krankheiten
abgesehen, z. B. Trachom und Tuberkulose. Die Kinder gehen der Reihe
nach am Arzte vorbei, der, von einer geschulten Wärterin unterstfltzt,
Bachen, Augenlider, Kopfhaut und allgemeines Aussehen schnell (I) durch*
mustert. Dabei sind antiseptische Kautelen nicht vernachlässigt, ein sepa-
rater hölzerner Zungenspatel wird für jedes Kind benutzt, und die Augen-
lider werden nie direkt berührt, sondern nur mittels Wattetapfen. Bei
dieser Untersuchung werden eine Masse Kinder wegen Pediculosis capitis,
Trachom und Trichophytose ausgeschlossen. Dr. KRAFT-Zürich.
Anssehlnfs tuberknlSser Kinder ans der Selmle. Auf dem
Kongrefs fQr Kinderschutz in Lottich wurde ein Antrag angenommen,
die Schulbehörden und die zuständigen Regierungen zu ersuchen, häufiger
in den Schulen eine ärztliche Untersuchung der Schulkinder zu veranlassen,
nm tuberkulöse Kinder vom Schulbesuch auszuschliefsen.
Nene Schulärzte. In Stettin haben die Schulärzte nach langen
Yerhandlungnn zwischen Magistrat, Stadtverordneten und Staatsbehörden
ihre Tätigkeit begonnen. — In Fauns dorf hat der Schulvorstand die
Anstellung eines Schularztes beschlossen und als solchen Herrn Dr. med.
Hbikzb bestimmt. — In Lichtenberg wurde das Amt eines Schularztes
fOr die 8./9. Gemeindeschule, welche demnächst in der Pfarrstralse er-
öftnei werden soll, dem praktischen Arzt Dr. Jaeobsohn übertragen. —
In Köpenick hat die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, vom
1. April 1906 ab ingesamt sechs Schulärzte anzustellen. — In Treptow-
Baumschulenweg haben die Schulärzte ihre Tätigkeit am Anfange de»
Sommers begonnen und die an Ostern eingeschulten Kinder untersucht.
Ob weitere Untersuchungen und Beaufsichtigungen folgen werden, weifs-
man nicht. Haben doch selbst die Gemeindeverordneten bis jetzt noch
keine Kenntnis Aber die den Ärzten gesteUten Aufgaben. Als Entschädigung
für zwei Schulärzte sind 400 Mark ausgeworfen worden. Bei der gering-
fügigen Bezahlung kann man eine umfangreiche Tätigkeit freilich nicht
erwarten. — In einer Gemeinderatssitzung der Stadt Marburg (Steiermark)
wurde unlängst von Dr. Rak der Antrag gestellt, den Stadtrat zu er-
suchen, bei Gemeinden mit eigenem Statut, bei denen bereits Schulärzte
angestellt sind, anzufragen, wie daselbst die Tätigkeit der Schulärzte
geregelt ist. Der Antrag wurde angenommen.
Der SchnUrzt. IIL 21
206 800
Hefertte aber nett erfd^iettene fc^nlirjtltdie 3tffxtthtn^it.
OeiierallMricht über dai erste Jahr des sebiUntlielieA Dieistes
in Mfilhausen i. Eis. Tsm 1. AprU 1903 bis 3h Mkn 1904.
Erstattet Ton Dr. med. W. Sachs,
ObmaDD der Sohullrtte.
Die Organisation des schol&rzUichen Dioistes in Mülhaosen i. EU.
ist die jetzt am meisten verbreitete, wonach der Dienst zerfällt in Anf-
nahmeontersachnngen der Lemanfftnger and Sprechscnnden für Überwachungs-
schfller, welchen Klassenbesnche voraosgehen. Die Anfnahmeontersochnng
geschieht znnlchst in den ersten Tagen nach Schillanfang in Form einw
adserlichen Besichtigung, am sofort Yom Schnlbesuch aaszoschlielseade
Kinder aasfindig zu machen. Die genaueren Einzeluntersochnngen folgen
spftter. Alle zwei Jahre wird eine solche allgemeine Klassenantersuchung
aoch an allen abrigen Klassen vorgenommen. Die ScholArzte halten sowohl
unter sich Konferenzen ab wie einmal im Jahre eine gemeinschaftliche
Sitzung mit der Schulkommission des Oemeinderats. Jeder Schularzt hat
aber seine amtliche T&tigkeit einen Jahresbericht auszuarbeiten. Der Vor-
sitzende, welcher jAhrlich von den SchuUrzten gew&hlt wird, hat daraus
eine Gesamtflbersicht anzufertigen. Bei der Aufstellung der Berichte sind
folgende sieben Punkte zu berflcksichtigen:
1. Tabellarische zifFermSTsige Znsammenstellung der bei den Unter-
suchungen der Aufoahmeklassen gewonnenen Ergebnisse, sowie auf beson-^
deren Formularen diejenigen jedes sp&teren Jahrgangs.
2. Zahl der abgehaltenen Sprechstunden und Arztlichen Besuche der
Klassen.
3. Anzahl und Art der wichtigeren ErkraakungsfiUle, die in den
Sprechstunden zur Untersuchung gekonunen sind.
4. Etwa erfolgte besondere Ärztliche Anordnungen (BeschrAnkung der
Unterrichtsstunden usw.).
5. Anzahl der an die Eltern gesandten schriftlichen Mitteilungen und
deren Erfolg.
6. Anzahl der unter «Arztlicher Kontrolle^ stehenden Schulldader
(Überwachungsschaler).
7. Summarische Angabe ttber die in das Hygienebnch eingetragenen
Beanstandungen bezOglich der SchulrAume usw.
Auf den Arzt entfallen 700 — 800 Schfller, d. h. Aür je ein Schul-
gebAude ein Arzt.
Im ersten Dienstjahr waren tAtig 13 SchnlArzte bei 10409 Schul-
kindern. 8440 kamen davon zur Untersuchung, und zwar 4036 Knaben
und 4404 MAdchen aus sAmtlichen sieben Klassen.
Die Tabelle Aber allgemeine Konstitution zeigt folgendes:
801
207
Knaben
Mädchen
Vo
Vo
krafUg
mittel-
krSrtig
28,9
sohwILch-
lich
kräftig
mittel-
kräftig
schwäch-
lich
1. Jahrgang
46,7
24,3
39.9
32,7
27,2
2. „
45,6
30,9
28,4
85,2
36,0
28,8
3. .
39,9
88.1
21,9
84,7
35,9
29,3
4. „
33,3
40.0
26,6
29.3
50,0
20,7
6. .
39,5
45.1
15,3
26,6
59,3
14,0
6. „
58,0
25,2
16,7
28,9
57,2
13,9
7. n
53,8
41,0
6,1
19.0
76,0
4,9
£8 ergibt sich hierans eine leichte Znnahme der kräftigen KonstitQtion
bei den Knaben und eine leichte Abnahme bei den Mfldchen während der
Schulzeit, und eine stärkere Znnahme der mittelkräftigen Konstitution bei
den Mädchen. Bezüglich der schwächlichen Konstitation zeigen erst die
drei letzten Jahrgänge eine Abnahme. Wie sehr bei Bestimmung der
Konstitution das Urteil eine subjektives ist, zeigt folgende Yergleichstabelle :
Frankfurt a. M. (1902)
Breslau (1902)
Chemnitz (1902—1903)
Brunn (1902—1903)
Mülhausen i. Eis. (1903-1904)
Einen Yergleichswert haben daher wohl nur die Resultate, welche
in aufeinander folgenden Jahren in demselben Orte und von denselben
Schulärzten festgestellt werden. Die Tabelle, welche die einzelnen Er-
krankungsformen brmgt, ergibt folgendes:
HSdoben
•/•
•/♦
4,6
7fi
2,9
8,3
9,2
7,8
8.1
1,6
13,8
12,1
2,4
8.0
1.7
8,9
1,1
0,2
Allgemeine Erkrankungen
Erkrankungen des Rückens und der Extremitäten.
„ der Augen
„ „ Ohren
„ von Hals, Nase, Mund
„ der Haut
Ungeziefer
Bruche. . •
In dieser Tabelle, welche eine etwas sehr aUgemein gehaltene ana-
tomische Einteilung hat, ist also wesentlich die Differenz zwischen Knaben
und Mädchen bemerkenswert. Zum Vergleich der Klassen dient noch
folgende Tabelle.
21»
208
802
Empfohlen zor ftrztlicheB Bebandlnng:
KIUM
KnatMn
MSdohen
V«
•/.
1. Jahrgmog
27,9
87,8
2. „
38,9
86,2
8. ,
S4,8
88,6
*. -
66,4
60,0
6. ,
46,7
46,7
fi. ,
40,4
67,1
7. ,
28,3
91,8
Nach dieser Tabelle steigt bei den Knaben die Erkrankungsziffer bis
znr Mitte der Schulzeit und fiült dann wieder. Bei den Mädchen steigt
sie ziemlich bedeutend bis zum Ende der Schulzeit. Auf Grand des
schulftrztlichen Rates wurde ärztliche Behandlung aufgesucht bei dem ersten,
zweiten und dritten Jahrgang der Mädchen in ungefähr 36%. Andere
Schulen zeigen bessere Resultate. Genaueres liefe sich bisher nicht fest-
stellen.
Von dem sonstigen Inhalt dieses ersten Jahresberichts erwähne ich,
dalis eine Opposition der Eltern gegen schulärztliche Untersuchungen nicht
stattfand.
Das Verhältnis zwischen Schulärzten und Lehrern war ein freund-
liches. Ein „Elternabend*^, wo Lehrer oder Schulärzte Vorträge halten^
wurde einmal angesetzt und gut besucht. Gegen die Erteilung hygienischen
Unterrichts durch Schulärzte fttr den ältesten Schflleijahrgang machte sich
zunächst sowohl Opposition der Schulärzte wie der Lehrer geltend. Be-
züglich der genaueren Untersuchung der SchulkiBder durch Spezialäizte
herrscht auch in MtUhausen der Grundsatz, dafs dies in das Gebiet des
behandelnden Arztes gehört. Da in dem Mfllhausener schulärztlichen
Kollegium aber auch Spezialärzte mit den allgemeinen Funktionen des
Schularztes vertreten sind, so konnten diese in geeigneten Fällen zu Rate-
gezogen werden.
Bezüglich der Krankheitsstatistik erklärt sich auch Dr. Sachs daAlr^
dafs neben der Zusammenstellung der Krankheitstypen, deren mehrere bei
einem Individuum vorkommen können, auch noch die Zahl der kranken
Personen anzugeben ist.
Bezflglich der Untersuchung der Lemanfänger wurde auch in Mfll-
hausen festgestellt, dafs die Hör- und Sehschärfe erst einigermalsen sicher
bestimmt werden kann, wenn die Kinder mindestens ein halbes Jahr die^
Schule besuchen.
Auch dieser Bericht gibt uns demnach wertvolle Anhaltspunkte, iü
welcher Richtung sich gemeinsame Dienstformen und schulärztliche Statistik
zu entwickeln haben werden. Dr. OBBBROEB-Breslaa.
l'k<\
Jcftfilinft fk Si||iil|rfiiili|ieit)i|ifl(gt
XVIIL Jahrgang. 1905. No. 12.
<Drt$tttalab^tt)ltttt$ett.
Die 80g. „Eitenbahn^^-Schftler.
Von
Dr. Adolf Jüba,
Mitglied des ünterrichtsrates, Schalant in Budapest
Die Entwicklung der Verkehrsmittel hat anah die ortsfremden
Schüler der Mittel- und Gelehrtenschalen beeinfinist. Ehedem waren
die ortsfremden Eltern gezwungen, ihre Eander in Internaten oder
Kosthänsem unterzubringen, und nur ab und zu traf sich ein Schüler
der oberen Klassen, der aus dem benachbarten Dorfe täglich zu FuTs
zur Schule kam. Nunmehr ist die Zahl derjenigen Kinder keine
unbedeutende, welche die Eisenbahn oder die Elektrische benutzen
und manchmal von sehr weit her zur Schule kommen. Es empfiehlt
sich deshalb, einmal die Lebensweise dieser Schüler Tom Standpunkte
der Schulhygiene zu betrachten.
In den zwei Staatsgymnasien des VII. Bezirkes in Budapest war
die Anzahl der ortsfremden Schüler im Schuljahre 1903/1904 die
folgende:
BarcsaystraTse Damjanichstralse Summe
In Internaten untergebracht.... 42 29 71
Bei Verwandten ^ 40 29 69
« Fremden „ 27 7 34
Eisenbahn fahrende 16 55 71
125 120 245
In diesem Ausweise figurieren nur solche Schüler, welche das
ganze Jahr hindurch die Schule besuchten, und als „ Eisenbahn "-
Schüler nur diejenigen, welche das ganze Jahr hinduroh dieses
Verkehrsmittel benutzt hatten. Schüler, deren Eltern am Frühlings-
Beholgesandheitflpfleg«. XVIIL 42
804
«n&Dg in die Sommerfnaohe logsn und dort bis Spfttherbst yerblieben,
wurden nicht mitgesihlt.
In die Liste der nBiaenbalin'' -Schüler nehme ich noch diejenigen
suf, welche die elektrische oder die Visinalbahn benutzten oder gar
SU Fuls kamen, obwohl sie irgendeine Bahn benutzen konnten. Die
Ansahl der ersteren betrug sechs, der letzteren zwei. Der eine von
diesen (aus Erzsöbelfolya) lernte genflgend, hatte eine gute Note im
Betragen und Tersftumte nur neun Stunden im ganzen Schuljahre.
Der andere (aus ElAposstismegyer) ging jeweilen Ton Hause weg firOh
'/s6 Uhr und kam um 7 in der Schule an; trotz seiner ITuiisschmersen
und trotzdem er als kränklich galt, hatte er keine einzige Stunde
Tersftumt und war sein Betragen tadellos, aber die Fortschritte im
Lernen nur gentlgend; wöchentlich einmal ging er eist abends nach
Hause, das Mittagessen erhielt er dann in der Marien-Kongregation.
„Eisenbahn'^ -Schüler kommen nun überall vor. In Westfalen
belief sich die Anzahl der Gymnasiasten nach Aussage eines Redners
auf dem Schulhygienischen Kongreis in Nürnberg auf 3000. In
meinem Vaterlande kommen noch solche vor in Zseged, Temesvir,
üjridäk usw. Die Untersuchung der Lebensverhftltnisse und Lem-
bedingungen dieser Schüler hat also einen allgemeinen, sozusagen
internationalen Wert, und trotzdem hat sich noch niemand mit dieser
Frage be&bt.
Die Ermüdung des jugendlichen, in der Entwicklung befindlichen
Körpers ist nicht gering einzuschätzen. Am grölsten ist sie wohl bei
denjenigen Schülern, die gar nicht am Orte der Eisenbahnstation,
sondern in einem Nachbarorte wohnen ; solche hatten wir zum Olück
nur zwei. Der eine hatte mit Wagen eine halbstündige Fahrt zurück-
zulegen, um mit dem 6 Uhr-Frühzug nach 7 Uhr in die Hauptstadt
zu gelangen. Zur Rückkehr benutzte er den Zug um 2 Uhr 30 Minuten,
langte gegen 4 Dhr an seiner Eisenbahnstation an und kam um 5 Uhr
nach Hause. Er war also von morgens 6 bis abends 5 Uhr — mit
Ausnahme der im Gasthause zugebrachten Mittagszeit — ununter-
brochen körperlich und geistig angestrengt Die Zahl der Tcrsäumten
Schulstunden betrug 27^ sein Betragen war ein gutes, aber der
Fortschritt nur ein genügender. Der andere Schüler dieser Kategorie
mulste nach einem Fulsmarsch den Vizinalbahnzug um 7i7 Uhr
benutzen, damit er pünktlich zur Schule komme; die Zeit bis zur
Büokfahrt brachte er im Wartesaale zu, denn er speiste zu Hause.
Trotzdem er nur fünf Stunden Schulversftumnis hatte, also genttgenden
Fleils entwickelte, ist er dennoch durchgefallen.
805
Aber auch abgesehen Ton diesen AnsnahmefäUen, können wir
getrost behaupten, dafs die meisten dieser Schüler — aniser der Eisen-
bahnfahrt — einen l&ngeren Fu&marsch Ton und zur Schule haben als
die Stftdtekinder, denn die Entfernung ron den Bahnhöfen za der
Schule ist schon eine beträchtliche; aufserdem haben sie noch den
Weg Tom Eltemhause bis zur Station zurückzulegen, welche selten
in der unmittelbaren N&he des Ortes zu treffen ist. Einige Schüler,
deren V&ter Eisenbahnangestellte sind, wohnen im Stationsgeb&ude
selbst.
Die Ankunftszeit der Morgenzüge ist im allgemeinen ziemlich
entsprechend. Die Abfeihrtszeit von der Heimatsstatioo entspricht am
besten bei den elektrischen und Visinalbahnen, welche sich im all-
gemeinen den Bedürfiiissen des Publikums akkommodieren. Auch
fbr die Rückreise gilt dasselbe. Die mit der Eisenbahn fahrenden
Schüler mubten jedoch teilweise vom Schulschlufs (1 Uhr) bis 2 Uhr
20 Minuten, selbst bis 2 Uhr 40 Minuten auf ihren Zug warten. Sie
kamen auch vor 4 — 5 Uhr nicht am Bestimmungsorte an.
Obwohl der Unterricht ein durchgängiger ist und von 8—1 Uhr
tftglich dauert (in den unteren vier Klassen zweimal bis 12 Uhr),
so ist trotzdem ein guter Teil der Schüler auch nachmittags beschäftigt,
teils mit fakultativen G^gcDSt&nden, teils mit dem obligaten Spiel-
naehmittage, wöchentlich einmal. Die Schüler der zwei protestanti-
schen Konfessionen haben ihren B^ligionsunterricht zumeist am Nach-
mittag. Die „Eisenbahn'' -Schüler nahmen an keinerlei fakultativem
Unterricht teil, von der Teilnahme an den Spielnachmittagen wurden
sie samtlich befreit, aber nicht von der Religionsstunde. Die Religions*
lehrer befreiten sechs von dem Besuche der Beligionsstunde, jedoch
mit der Verpflichtung der Privatprüfung, die vier anderen konnten
erst die Zöge von 5 Uhr 20 Minuten bis 6 Uhr 25 Minuten abends
benutzen; einer dieser Schüler, der regelrnftbig um 6 Uhr abreiste,
kam an diesen zwei Tagen um 7 Uhr 20 Minuten abends nach Hanse-
Wichtig ist die Beantwortung der Frage: Was tun diese Schüler
in ihrer schulfreien Zeit? Sehr oft sieht man Schüler in dunklen
Warteraumen, da sie gewilz vom Spazierengehen bereits ermüdet sind.
Zwei Schüler, die 80 Minuten Zwischenzeit hatten, gaben an, dab
aie im Stadtwald spazierten; der eine speiste zeitweilig bei seiner
Tante. Die grölste Zahl deijenigen, die auch nachmittags beschäftigt
waren, fimden bei Verwandten einen Mittagstisch. Von den »Bisen-
bahn''•Schülern war nur ein einsiger den Winter hindurch in einem
Kosthause untergebracht
42*
806
Auf Ornnd sweier Umstinde, d«r übergrofsen Ermfldmig nnd
d«6 Mangels an entsprechender Aufsicht, war a priori saerwartent,
dafe das sittliche Betragen der nEiBenbahn''-Schfller nicht das
beste sein kann. Mit ermüdetem Körper ist nicht leicht anfinerksann
ZQ sein ; das Anstehen frtthmoigens, die nnregelm&rsige Lebensweia»
zieht 2ierstrentheit, Unaufmerksamkeit nach sich. Da diese Sehttlor
lange Stunden ohne jegliche Aufsicht sind, ist es nicht zu yerwundem,
wenn sie sittlich weniger entwickelt sind. Om einen Einblick za
bekommen, verglich ich ihre Noten im Betragen mit denjenigen der
übrigen ortsfremden Schüler, indem ich mir wohl bewuist war, daTs
der zahlenmaisige Ausdruck für das Betragen ein ziemlich schwieriger
ist. Da die Resultate in beiden Gymnasien gleichlautende waren^
gebe ich hier nur die Qesamtresultate an.
Betragen im Schuljahre 1903/1904.
Schfiler
Note 1
Note 2
Note 8
Summe
Internisten
Bei Verwandten
9 Fremden
„Eisenbahn^-Schüler . .
66
47
27
40
5
21
6
29
1
1
2
71
69
34
71
Summe
180
61
4
246
Die besten Noten im Betragen weisen demnach die Internisten
auf, hierauf folgen die bei Fremden und Verwandten untergebrachten,
in letzter Reihe die „Eisenbahn "-Schüler.
Studienerfolge im Schuljahre 1903/1904.
Schüler
1
vonüglich
2
gut
8
genügend
4
un-
genügend
Summe
Internisten
Bei Verwandten
„ Fremden
„Ei8enbahn«-Schfller
4
3
8
14
10
2
6
42
45
19
86
11
11
10
29
71
69
34
71
Summe
10
82
142
61
245
Werfen wir nun einen Blick auf die Studienerfolge. Die
Grundlage bildete die Klassifikation am Jahresschlufs; die Einreihung
in einzelne Kategorien erfolgte nach dem allgemeinen Usus. Als
vorzügliche Schüler (1) wurden nur solche betrachtet, in deren
807
Zeugnis kein gut (2) Torkommt; das Zeiolineii wurde allerdings nicht
in Betracht gezogen. Hier haben wir natürlich mit der Un Voll-
kommenheit des menschlichen Wissens zu rechnen. Viele glauben
wohl nicht an die Unfehlbarkeit der Lehrer in Beurteilung der
Schüler. Ich meinerseits hege grofses Vertrauen in ihre Urteilskraft,
obwohl ich aus eigener Erfahrung (aus dem Hygieneunterricht) weils,
wie oft es schwer fallt, ein endgültiges urteil abzugeben»
Das Zurückbleiben der ^jEisenbahn^-Schüler ist zum mindesten
sehr auffallend. Wahrend die Zahl der yorzüglichen (10) und guten
(32) Schüler beiläufig ein Sechstel der ganzen Schülerzahl (245) aus-
macht, welchem Durchschnitt die bei Verwandten und Fremden
untergebrachten Eostschüler entsprechen, während ihn die Internisten
sogar übertreffen, beträgt die Zihl der „Eisenbahn'' -Schüler mit vor-
züglichen und guten Noten nicht mehr als ein Zwölftel ihrer Gresamt-
summe. Die Durchgefallenen bilden ein Viertel der Gesamtzahl
(61 : 245), wozu die Internisten und die bei Verwandten untergebrachten
in einem geringeren Maise beitrugen; von den „Eisenbahn^-Schülem
konnten aber 40 7o den Anforderungen an die Schule nicht entsprechen.
Dieser ungenügende Erfolg kann ebensowenig überraschen wie ihr
minderwertiges sittliches Betragen. Vielen der „Eisenbahn'' -Schüler
gebricht es ja an der nötigen Zeit zum Lernen; von frühmorgens
auf den Beinen, langt dieser Schüler beiläufig um 4 — 5 Uhr hungrig
und müde zu Hause an. Es ist kein Wunder, wenn er zuerst zu essen
verlangt, nachher rastet, schliefslich sich schlafen legt, um morgens
seitig wieder aufistehen zu können. Mancher lernt in den finsteren
Wartesälen; im Zuge kommt er nicht dazu, denn in der Frühe
stören die mitfahrenden Schüler, mittags ist er müde.
Dafs der gute Wille bei diesen Schülern vorhanden ist, kann
man aus der Statistik der Schulversäumnisse folgern.
Aus dieser Zahlenreihe ist zu ersehen, dafs beinahe sämtliche
^Eisenbahn" -Schüler dem Unterricht wenigstens einmal nicht bei-
gewohnt haben, ganz so wie die Internisten. Wohingegen die Schul-
Torsäumnisse der letzteren oftmals die Folge einer Erkrankung eines
Internisten an einer ansteckenden Ej'ankheit und des zeitweiligen
Ausschlusses sämtlicher übrigen Internisten vom Unterrichte war,
müssen wir die Häufigkeit der Schulversäumnisse der „Eisenbahn"-
Sehüler in ihrer eigenen Erkrankung suchen. Der Ausschlufs vom
Unterrichte verursachte bei den Internisten die grolse Zahl der ver-
säumten Schulstunden, wozu noch die trotz gröfster Aufsicht nicht
gänzlich ausrottbare Simulation in Betracht zu ziehen ist; bei im
808
Sehfllern des kroatifloh-slaTOiiiMhen InternatM sind « die saUreibben
Feiertage der grieohiaoh nicht Unierten. Die SohnlTereäamniaBe waren
bei den ,|Ei0enbahn''-Sohalem geringer als von Seiten der bei Fremden
untergebrachten Kostsohüler, wenn auch grdlser als Ton Seiten der bei
Verwandten untergebrachten, was beweist» dals die £Ii«rn fOr den
regelmäßigen Soholbesnch ihrer Kinder — auch ans der Feme —
Sorge yerwenden. Diesen Umstand möchte ich gehörig betonen, denn
beim Entscheid über das, was geschehen soll, fUlt er sehr
Gewicht.
Sohfiler
Inter-
nieten
Untergeb
Vei^
wandten
rächt bei
Fremden
„Eiien-
bahn-.
Sohfiler
Summe
Zahl,..
71
69
84
71
245
Zahl der Schfilar
mit Ven&amoiiaen ....
70»
66
29
70
225
ohne Ven&umnine. . . .
1
18
5
1
20
Vertfiamte Sohulstanden .
687&
1440
1466
2614
12089
VenäniDiiis pro Schüler.
Ö2V.
21
48
867«
49Vi
Yertäamnis pro Sohfiler,
die Ten&omtea
94
86
fiO
87
58
Nicht rektifiEierte Ver-
•aamDine
—
9
ö
5
12
Ans den Protokollen ist nicht £n ersehen, wie diese SchnlTcr
Säumnisse entstanden sind, ob infolge von Krankheit, Femhalten Ton
der Schnle wegen ansteckender Krankheit, infolge von Feiertagen oder
einfiAchem Schwänsen. Es war sogar nnmöglioh, su erfishien, ob
ansteckende Krankheiten in den Familien der „Eisenbahn" • Sohfiler
vorkamen. Tatsache ist, dals bisher kein einziger Schüler der Um-
gebung wegen ansteckender Krankheit seiner Person oder eines Fa-
milienmitgliedes von der Schale amtlich femgehalten wurde. Dals
keine ansteckende Krankheit vorgekommen sei, ist allerdings kaum
denkbar, wenn auch möglich. Diesem Milsstande sollte abgeholfen
werden, und es wflrde sich empfehlen, mit besag auf die Schul-
versäumnisse an den staatlichen Lehranstalten dieselben VerfQgungen
SU treffen, welche die Hauptstadt durchgeführt hat Als im vorigen
Schuljahre in einem gröberen Nachbarorte (Qödöllö) eine Scharlach-
epidemie herrschte, erkundigte sich Herr Direktor Tnfin, dem ich.
1 Die Zahl aollte wohl 71 betragen, da wegen antteckender Kran kh
•amtliche Internisten vom Unterricht femgehalten worden.
809
sowie auch Herrn Oberdirektor Chbbybn, für die frenndlioke Einsicht-
nabme in die Protokolle zu groüsem Dank verpfliohet bin^ bei den
S ehttlem ans dem besagten Orte, ob in ihrer Familie kein Krank-
heitsfall vorgekommen sei, nnd appellierte an ihre Einsieht, dals sie
in diesem falle sn flanse bleiben möchten. Von dieser Erlaubnis
machte keiner Oebranoh, nicht einmal zum Schwänzen.
SchlieMich möchte ich noch darauf hinweisen, dab die im
ganzen seltenen nicht entschuldigten StundeuTersaumnisse am häufigsten
bei den in fremden Kosthäusem untergebrachten Schülern Torkamen,
in zweiter Linie bei den „Eisenbahn^-Schülem. Alles in Betracht
gezogen, können wir behaupten, dafs die Noten im Betragen
und die Studienerfolge der ,,Ei8enbahn^-Schüler die
letzte Stelle einnehmen, die Anzahl der Versäumenden eine
gleiche war wie bei den Internisten, also ebenfalls ungünstig, jedoch
aus anderer UrsachCi dab hingegen in bezug auf die Zahl der ver-
säumten Schulstunden die „Eidenbahn ''-Schüler den zweiten
Platz einnehmen, was für die geringe Schwere und Dauer ihrer
Krankheiten sprechen würde.
Obwohl diese Schluisfolgerungen a priori zu erwarten waren,
halte ich es dennoch für nötig, in Zukunft zu prüfen, ob die Er-
gebnisse überall und immer dieselben sind. Am leichtesten kann
dies in den Kittel- und höheren Schulen geschehen, in deren Jahres-
berichte die Ergebnisse dieser Untersuchung publiziert werden können.
Selbstverständlich hätten die übrigen Schulen, so auch die Handels-
mittel- und Bürgerschulen, dieser Frage ebenfalls Aufmerksamkeit
zu schenken.
In bezug auf die Zukunft fallen die lokalen Verhältnisse
ins Gewicht; im übrigen möchte ich mich nur den hauptstädtÜBchen
Verhältnissen zuwenden. Bei der höchst bedauerlichen Überfüllung
der hauptstädtischen Schulen wäre es am einfachsten, das Fahren
der Schüler der Umgebung in die Hauptstadt zu verbieten: sie
mögen entweder irgendwo in Kost gehen, oder aber eine Mittel-
schule in der Nähe der Hauptstadt besuchcD, deren drei vorhanden
sind. Abgesehen von der Schwierigkeit der Kontrolle, ob der
Schüler tatsächlich am angegebenen Orte in Kost gegeben, und ab-
gesehen von dem bisher nicht im mindesten beschränkten Rechte
der Eltern, ihre Kinder in die Schule ihrer Wahl und ihres
Vertrauens zu geben, könnte man es für eine G-ewaltätigkeit be-
trachten, dieselben in eine Schule der Umgebung zu zwingen und
die Eisenbahnfahrt dorthin zu erlauben, hingegen die Beise in die
810
Hauptstadt ra Terbieten, wo riele tod ihnen Verwandte haben und
wohin die Eltern oft in G-eechiften kommen mflBsen. Die gegen-
wärtigen Fahrtgelegenheiten machen ein aolohes Bestreben von vom-
herein unmöglioh. Jeglicher Zugsverkehr tendiert nach der Haupt*
Stadt, und der Tom CeglMer Gymnasialdirektor in seinem Jahres-
berichte ausgedrückte Wunsch, dafs die „Eisenbahn'' -Schüler seine
Schule besuchen möchten, wird, trotzdem dieselbe in der Nfthe des
Bahnhofes liegt, noch lange unerfüllt bleiben müssen.
Ebenso ist eu befürchten, dals an dem jetiigen Zugverkehr von
und nach Budapest in absehbarer Zeit wenig geändert wird, wenigstens
wurde bis jetst das Ersuchen des Herrn Studienoberdirektors ErOdi
bezüglich eines Zuges von der Eisenbahndirektion nicht berücksichtigt
Eigene Schülerzüge waren nötig, wie in Westfalen und anderswo, was
natürlich von der Anzahl der Schüler an den einzelnen Linien ab-
hftngt, welche sich den Bedürfnissen der Schüler völlig akkommodieren
und namentlich schneller fahren. Wenn es in Berlin möglich war,
Lokalzüge mit 60 km 6es<diwindigkeit pro Stunde einzustellen,
sollte man das auch bei uns können; das häufige Halten der Züge
bildete dort kein Hindernis, wohl auch bei uns nicht. Das zu er-
strebende Ziel wäre, dals Schüler aus GödöUö, auch wenn sie erst
um 6 Uhr früh au&tehen, dennoch um 8 Uhr pünktlich zum Unter-
richt erscheinen könnten, wodurch sie eine Stunde Schlafzeit ge-
winnen würden. Wo eine geringere Zahl von Schülern in Betracht
kommt, könnten Motorwagen zur Hin* und Rückbeförderung ein-
gestellt werden.
Ebenso sollte man mit den die Schüler nach Hause befördernden
Zügen vorgehen. Und hier haben wir uns mit der Frage zu be-
fassen, ob der jetzige Zustand aufrechterhalten und vielleicht sogar
weiter entwickelt werden dürfte, nämlich, dafs die in Frage stehenden
Schüler von jedwelcher Nachmittagsbesohafikigung möglichst befreit
werden, oder ob man danach trachten sollte, dais sie an allen
Arbeiten der Schule teilnehmen, gleich den übrigen Schülern. Gegen-
wftrtig — wie oben gesagt — nehmen sie nicht Teil an den Spiel-
nachmittagen und lernen keine fakultativen G^egenstftnde ; auch werden
viele Protestanten von ihren Beligionslehrem vom Religionsunterricht
nthoben. Es liegen also jetzt die Dinge so, dals sämtliche „Eisenbahn*-
Schüler vom Nachmittagsunterrichte ein für allemal befreit sind, und
dais sie aus der Religion zeitweise oder am Jahresschlnis eine private
Prüfung ablegen können.
Unter diesen Umständen sollte man für die «Eisenbahn'' -Schüler
811
entweder in ihrer Solmle oder aber in der unmittelbaren Nähe der
Bahnhöfe ein Tagesheim errichten, wo sie ihre freie Zeit su-
Inringen, ihre Bücher und Utensilien unterbringen» und das mit sich
gebrachte Essen — denn sie kommen, wie wir sahen, spät nach
Hause — aufwärmen und verzehren könnten. Auf den ausgezeich-
neten Stra&en Schwedens ist das Bicycle auch unter den Schülern
sehr verbreitet, und im hohen Souterrain des Nord-Obergymnasiums
in Stockholm sind zwei Speisesäle für die entfernt wohnenden
Schüler eingerichtet, wo sie das mitgebrachte Frühstück verzehren,
eventuell Milch and Butterbrot kaufen können. Meinerseits würde
ich das Befolgen dieses Beispiels bei Errichten neuer Schulgebäude
für sehr empfehlenswert halten. — Aus dem nun zur Verfügung
stehenden Material entnehme ich, dafs die am Ostbahnhofe an-
langenden Gymnasialschüler von dem Grymnasium in der Barcsay-
strafse sich immer mehr dem näheren, unlängst errichteten Gym-
nasium in der Damjanichstralse zuwenden. Für die mit der Westbahn
kommenden wäre das neue (zu errichtende) Gymnasialgebäude im
VI. Bezirk am günstigsten gelegen, insbesondere wenn der Bahnhof
an die Hungariastraüse verlegt wird. Das Errichten der Tagesheime
in den Schulen selbst ist sowohl wegen der pädagogischen
als auch der ärztlichen Au&icht wegen vorzuziehen. Für unbedingt
notwendig und in Hinsicht auf die ansteckenden Krankheiten für
durchführbar erachte ich das Übermitteln der Schülerverzeichnisse
an die Amtsärzte der betreffenden Ortschaften.
Die Lösung der ganzen Angelegenheit derart, dats die „Eisen-
bahn^'-SchüIer von allen Nachmittagsbeschäftigungen befreit werden
sollen, kann ich aber nicht als das Entsprechendste anerkennen.
Die Rückfahrt geht bei Tageshelle, bester Studienzeit, vor sich, mit
ermüdetem Körper langen die Schüler zu Hause an und sind dann
un&hig zum Lernen oder können es nur mit der grölsten An-
strengung tun. Weiterhin, wer haftet dafür, dals sie tatsächlich mit
dem ersten benutzbaren Zuge nach Hause fahren und sich nicht
noch einige Zeit in der Stadt herumtreiben? Schli eislich ist es vom
Standpunkte der Gesundheit als schädlich zu betrachten, wenn sie
nicht zur gewohnten Essenszeit entsprechend zubereitetes Essen in
der nötigen Menge zu sich nehmen können.
Ein Schulbesuch, bei welchem der Schüler nur an den unbe-
dingten Pflichtstunden teilnimmt, entspricht durchaus nicht der
Richtung der modernen Mittelschule, welche mit den verschiedenen
fakultativen Gegenständen und weiteren Einrichtungen (Ausflüge,
812
Spiebaohmitbige usir.) ein weites Feld der BetätigiiDg darbietet ISb
derartiger Soholbeenoh Alinelt dem Leben, welches der aDgenehmea
Seiten entbehrt, der Speise, welche nicht genügend gewürzt wnrde,
nnd ich mnfr Herrn Direktor Auzahder CsRKte (Sseged) redit
geben, wenn er den gegenwärtigen Stndiengang der .Eisenbahn*-
Schüler nicht flir sweckm&lsig hält, obwohl er sich anch ror ixm
Zwang der VerhältDisse bengen mnis.
Der „Eisenbahn'-Schüler wird nnr dann ein richtiger Gymnasiast
werden, wenn er an allen Beschäftigungen seiner Mitschüler teilnimmt,
wenn ihm keine (scheinbaren) Begünstigungen zn teil werden, wenn er,
statt Befreiungen Ton verschiedenen Eächem zu erhalten, in einem
Tagesinternat entsprechend versorgt wird. Würden diese
Schüler weder von den Spielnachmittagen noch von dem Reli-
gionsunterrichte befreit, so müisten sie wöchentlich ein- bis dreimsl
unbedingt über Mittag bis abends in der Hauptstadt bleiben. Und
wenn nun entweder im Rahmen der Schule oder in Verbindung mit
ihr für das Mittagessen, für Beaufeichtigung, selbst fbr gewisse Seiten
des Studiums, was aus diesem Zwange unbedingt folgen würde, gesorgt
wird, so macht die Organisation des Tagesinternates für sftmtlidis
Wochentage schon keine groise Arbeit mehr. Die Vorteile wären: ein
gutes Mittagessen zur gewohnten Zeit, das Erlernen der Au^ben,
so dafs keinerlei Hausarbeit übrig bleibt, Zerstreuung in bestimmten
Pausen, das Vermeiden des Herumlungems, die geringere Anzahl
an Erkrankungen, um so mehr, als eine ständige ärztliche Aufriebt
unentbehrlich wäre, und als pädagogischer Gewinn — die Teilnahme
dieser Schüler an sämtlichen Arbeiten der Schule. Diese groüsen
Vorzüge, welche die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung
der y,Eisenbahn^-Schüler zu gewährleisten imstande sind, würden
viele Eltern zum Hineingeben ihrer Kinder in das Tagesintemat
bewegen, auch in solchen Fällen, wo die Eaoder bei Verwandten
essen könnten. Die Ausgaben können keine grofse sein, da in allen
Schulgebäuden entsprechende Lokalitäten für die Küche und den
Speisesaal zur Verfügung stehen, noch viel mehr könnte hierfür
gesorgt werden in neu zu errichtenden Qebäuden; aufserdem ist
nötig: ein Schülerzimmer (entsprechend der Zahl der Schüler), was
auch überall vorhanden ist, für die wegen dem Religionsunterrichte
aus den Klassensälen verdrängten Schüler anderer Konfessionen, und
endlich der Tumsaal als Erholungsstätte im Falle schlechter Witterung.
Sollte noch ein Saal dem Slöjd gewidmet werden können, so würde
dieses Tagesintemat allen Wünschen entsprechen.
813
Das Essen wäre Gegenstand spezieller Anordnung. Meinerseits
wfirde loh es für wünschenswert erachten, dafs die Schüler noch ein
Frühstück erhalten, auch in dem Falle, wenn sie im EUtemhanse
diesbezüglich versorgt wurden. Dafür würe das Mittagessen durch
Weglassen der Suppe und des Kochens des Suppenfleisches zu ver-
billigen ; die Eltern mögen den Schülern die Mittagssuppe für abends
aufheben. Alles hängt davon ab, welche Mittel die Eltern erschwingen
können. Die Bezahung der Aufsichtspersonen, sowie die Kosten für
die erste Einrichtung würden dem Staate zur Last fallen. Auf diese
Weise wäre das Grieichgewicht zwischen den Stadt- und Land-
Bchülem hergestellt. Die Kosten des Schulbesuches der ersteren sind
bedeutend geringere. Die Befürchtung, dalis die Zahl der „Eisen-
bahn^'-Schüler sich durch solche Maisnahmen vermehren würde, teile
ich nicht, höchstens würde ein Teil derjenigen, die in Kost gegeben
wurden, nun die Eisenbahn benutzen; dagegen werde mit dem Wachsen
der Ausgaben, infolge WegfaUens jedwelcher Begünstigungen und
Befreiungen manche Schüler wegbleiben müssen, die unter den jetzigen
Yerhältnissen halbwegs mitmachen können.
Ähnliche Tagesintemate sollten und könnten in vielen Provinz-
städten errichtet werden; von miteinander wetteifernden Nachbarstädten
wird diejenige eine grölsere Anzahl Schüler zum Besuche ihrer
Schule bewegen, welche, nach dem Muster der österreichischen Städte,
wo dieser Wettstreit ans nationalen Motiven sehr zugespitzt wurde,
für die „Eisenbahn^-Schüler zuerst ein entsprechendes Heim er-
richten, in welchem ihnen die die Schule ergänzende Leitung und
Beaufsichtigung zuteil wird.
Bekanntlich befindet sich die höhere Töchterschule, die sog.
Elisabethschule, welche von Töchtern der besten Familien der ganzen
Stadt besucht wird, am anderen Ende des Stadtwäldchens, so dab
sowohl der Hin- als auch der Bückweg eine Stunde in Anspruch
nimmt. Die Mädchen bleiben infolgedessen den ganzen Tag
hindurch im Internat und können erst abends 6 Uhr abgeholt
werden. Die Eltern sind aufserdem gezwungen, für die Kosten
und Gelegenheit der Begleitung Sorge zu tragen, und trotz-
dem wird jeder freiwerdende Platz sogleich wieder belegt.
Durch Errichten entsprechender Tagesintemate für die „Eisen-
bahn^-Gymnasialschüler wäre ein ähnlicher Erfolg zu erzielen,
um so mehr, weil ein Blick in das Kursbuch überzeugt, dafs
abends 5 — 6 Uhr Züge in jeder flichtung für die Heimfahrt zur
Verfügung stehen.
814
Glellnge « mir, mit diesen 2ieilen die Angelegenheit der „EiseD-
bahn" -Schüler nnr etwas zu fördern, so wftre ich genügend belohnt»
aber im Vertrauen auf die edle Opferwilligkeit unserer leitenden
Kreise im Interesse der Qymnasialschüler, insbesondere des ver-
dienstToUen Leiters der Mittelschnlsektion Ministerialrat Edmund
VON BoHCZ, erhoffe ich noch mehr.
Ente üntersnchnng der Sehkraft der Augen bei den
neneingeschnlten Kindern.
Von
Schul] nspektor A. Oppbrmamk- Braunschweig.
Zu den wichtigsten Obliegenheiten eines Schularztes gehört ohne
Zweifel die Feststellung der Sehschärfe bei den Schulkindern, denn
Ton der Sehkraft der Augen hangt der Erfolg des gesamten Volks-
schulunterrichts, der doch gans und gar auf dem Prinzip der An-
schauung beruht, ab. In allen Dienstordnungen für Schulfirzte, die
mir zu Gesicht gekommen sind, ist deshalb auch die Forderung ent-
halten, schon in den ersten Wochen des Schuljahres die Sehschüift
der ABC-Schützen möglichst sorgftltig festzustellen. Von allen Unter-
suchungen und Feststellungen der körperlichen und geistigen Ge-
brechen Torursacht gerade die Untersuchung der Augen dem Schul-
ärzte die meiste Mühe und führt trotsaUedem doch oft zu keinem
oder, was noch schlimmer ist, zu einem falschen Resultate. Hat doch
neulich ein mir bekannter Schularzt behauptet, dab er bei seinen
Neulingen 65% mit herabgesetzter Sehschärfe gefunden habe. Worin
liegt denn nun die Schwierigkeit bei der Messung der Augenkraftf
Verschiedene Ärzte haben zu diesem Zwecke Tafeln hergestellt, von
denen wohl die SNBLLBKschen und die GoHNschen Tafeln die be-
kanntesten sind und am meisten gebraucht werden. Nach meiner Meinung
sind diese Tabellen fbr grölsere Kinder und erwachsene Leute sehr
brauchbar, aber für unsere Kleinsten der Kleinen^ die weder Zahlen
noch eine Anzahl tou Strichen und Fingern, noch Handstellungen
kennen oder noch weniger unterscheiden können, die viel zu unbehoUen
sind, um mit einer Gabel in der Hand bildliche Darstellnngen nach-
815
zozeigen, zamal wenn sie zum „ersten Male yom Doktor untersuoht
werden sollen^ nnd schon bei diesem Gredanken zu henlen anfangen,
untanglich. loh habe deshalb, da ioh bei unseren Untersuchungen
die Unzulänglichkeit der SNBLLBNsohen Tabellen kennen lernte, eine,
neue Tabelle nach den SNBLLBNschen Gröisenverhältnissen, nur mit
anderen Figuren hergestellt. In den ersten Schulwochen erzählt
der Lehrer seinen Kleinen vom Briefe, Kasten, Tafel, Binge, Rade,
Kreuze, yon der Fahne usw., malt bei den Erzählungen diese Dinge mit
einfachen Strichen auf die Wandtafel, und die Kinder malen sie nach;
diese Dinge lernen sie durch Wort und Zeichnung kennen, an ihnen
mulis man deshalb die Sehschärfe festsellen. Ich habe aus diesem
Grunde mit Tusche in der Gröise der SNBLLKNschen Buchstaben
folgende Figuren
D + iza. si o e r u n
auf gutes Zeichenpapier gezeichnet und zu meiner und des Schul-
arztes Freude gesehen, dafs die Sache tadellos funktionierte. Basch
und sicher konnten die Kinder mit normaler Sehschärfe und normaler
geistiger Beschaffenheit die vom Arzte gezeigten Sachen nennen
während wir bei den schwach- und kurzsichtigen auch ziemlich
schnell den Grad ihres Fehlers feststellen konnten. Nur bei den
geistig minderwertigen fällt es trotz dieses einfachen Mittels noch
oft schwer, zum Ziele zu gelangen ; doch auch das ist kein Nachteil,
denn dadurch erhielten wir auch gleich ein Bild von der geistigen
Aufnahmefähigkeit des Kindes.
Ich bin der festen Überzeugung, dals es uns gelungen ist, in
ziemlich kurzer Zeit auf diese Weise sämtliche Kurzsichtige — un-
ge&hr 5 bis 67o — von den Ostern 1905 in die Schule getretenen
Kindern herauszufinden, zugleich aber auch die geistige Beschaffen-
heit derselben festzustellen. Gerade die möglichst frühe Fest-
stellung der Sehkraft bei den Kindern ist yon besonders greisem
Werte; denn kann das kleine Elind, dem alles in natura oder im
Bilde vor die Augen geführt wird, die zu behandelnden Gegenstände
nicht deutlich erkennen, so wird es schüchtern, yerliert das ohnehin
schon schwache Vertrauen, die anfangs so greise Lust und Freude
an der Schule und am Lernen schwindet, das Kind bleibt gleich
anfangs zurück, wird vom Lehrer falsch beurteilt, gilt als unauf-
merksam, dumm, träge usw., es nimmt Schaden an seiner Erziehung,
der vielleicht während der ganzen Schulzeit nicht wieder gut gemacht
werden kann. Ich richte deshalb an die Herren Schulärzte und
816
Sohalmanner die Bitte, sich Tabellen nach obiger Weise anzufertigen
und es damit zuTersnohen; sie werden erstaunt sein, wie leicht nnd
rasoh nnd doch wieder sicher die Untersuchungen vor sich gehen
werden, zumal wenn der betreffende Lehrer schon in der Klasse dis
kleinen Sätze: Das ist ein Kasten, Kreuz, eine Tafel, ein BrisC
ein Ring usw. öfter hat sprechen lassen.
Anthropometrische Untersuchungen
an geannden und kranken Kindern mit besonderer Berftek-
sichtignng des schulpflichtigen Alters.
Von
Dr. Otto RANKB-Manchen.
(FortsetEUDg und Sohlols.)
unter den pathologischen Faktoren, welche die Körper-
entwicklung des Kindes beeinflussen, mögen die akuten Infek-
tionskrankheiten nur mit wenigen Worten summarisch erwfthnt
werden.
Es ist b«'kannt, wie häufig auf eine überstandene länger dauernde
Pneumonie, auf einen Typhus usw. während und nach der Bekon-
▼aleszenz eine Periode besonders starken Wachstums für den kind-
lichen Organismus einsetzt. Meist wird dieser „Antrieb" in spätersn
Jahren wieder ausgeglichen; gelegentlich hat es den Anschein, ab
habe nach überstandener Krankheit ein dauerndes stärkeres Wachs-
tum begonnen, welches das krank gewesene Kind die entsprechende
Altersgröf»e seiner Geschwister stets b<»trächtlich überragen lilsi
Natürlich sind derartige Angaben von Kindern und Müttern mit
grölster Resenre aufzunehmen; eine Auf/äblung der vereinzelten
Fälle von besonders grofsen KörpermafHen, bei welchen eine der-
artige Anamnene vorlag, glaube ich mir ersparen zu dürfen.
Desgleichen mögen die Fälle von besonders zierlichen Körpern,
bei denen von zahlreichen „Kinderkrankheiten'' berichtet wurde,
mit dieser Erwähnung abgetan sein
Dagegen sind einige chronische Allgemeinerkrankungen
des kindlichen Organismus etwas ausführlicher zu behandeln. Ab
wichtigst« kamen bei meinem Material in Betracht die Skrofulöse
und die Rachitis.
817
Niedrige Mause bei Eandern mit Zeichen bestehender oder
tiberstandener Skrofulöse:
1. Das Minimum von Lk (909), die zweiten Minima fttr Lr (362)
und Lb (360), sowie bei einem Db von 610 (Mittel: 604) die angegebenen
Maxima von Ikk und Ikr unter den vieijährigen Knaben fanden sich bei
einem Kinde mit bestehender Skrophulose.
2. Bei den vieijährigen Mädchen wurde das Minimum Ton Lr, das
zweite Minimum von Lk (892) und bei einem Uh von 481 das Maximum
^on Der (146,8), das zweite Maximum von Ikk (63,9) von einem skrofu-
lösen Kinde dargeboten.
3. Das Minimum des L&ngenbreitenmdex (76,0) bei den achtjährigen
Madchen gehörte einem skrofalösen Kinde an. L: 184, B: 138.
4. Die Minima für Lk, Lr und Lb bei den zehigährigen Mädchen
fanden sich bei einem Kinde, das in den ersten Lebensjahren Tiel krank
gewesen war, an Schailach, Lungenentzündung und im Anschlüsse an den
Scharhich an einer schweren Skrofulöse gelitten hatte. Beginn des
Gehens mit 2V* Jahren, üb betmg 603; so waren Ikk (46,9) und Ikr
(113,4) für die Altersklasse maximal.
6. Das Minimum Yon üb (486) bei den zwölQährigen Mädchen fand
sich bei einem der ältesten Kinder aus der Gruppe, welches frflher an
Skrofulöse gelitten hatte. Auch die KOrpermalse standen beträchtlich
anter dem Mittel: Lk: 1266, Lr: 487, Lb 664.
6. Das Minimum von Lk, sowie sehr niedere Matse fär Lr (611)
und Lb (600), bei einem Oh von 621 das zweite Maximum f&r Ikk (39,2)
&nd sich bei einem skrofulösen 13jährigen Mädchen.
7. In der gleichen Gruppe fiel noch ein zweites Kind, das an
fflcrophulose gelitten hatte, durch niedrige KOrpermalse auf. Bei ihm be-
trug Lk: 1346, Lr: 609 (zweites Minimum), Lb: 632 (drittes Minimum),
XTh: 606, L: 169, B: 161, I: 89,3 (Maximum).
8. Eine sehr niedrige Körper- (1349) und Rumpflänge (625) maft
ich bei einem an Skrofulöse leidenden 14jährigen Knaben.
9. Endlich fand sich ein 14V*jähriges Mädchen mit Skrofulöse,
welches das Minimum von Lk, zweite Minima fflr Lr (632) und Lb (622)
und bei einem Uh Ton 606 das Maximum von Ikk (38,3) darbot.
In seltenen Fällen fand sich bei maximalen Grrölsen anam-
nestiseh Skrofulöse vermerkt:
1. Die zweitgrößte Körper- (1464) und Beinlänge (716) bei den
xehigährigen Knaben bot ein Kind dar, das bis zum dritten Jahre an
schwerer Skrofulöse gelitten hatte. Besonders auffallend an ihm war,
dafs sowohl der Occipital- als auch die beiden Frontalhöcker sehr stark
prominierten; es mnCste daher ausnahmsweise noch bei diesem älteren
Kinde die gröbte Kopflänge (184 mm) Ober einem Tuber frontale (statt
Ober der Glabella) gemessen werden, üb betrug 660.
2. Das zweite Maximum fflr Uh (647) bei den einährigen Mädchen
hesals ein skrofdlöses Kind, das sonst nichts Auffallendes darbot.
3. Die Maxima fttr üb (666) und B (164) bei den 13jährigeB
Knaben. Auch bei diesem Sande fiel eine starke Prominenz der Tubera
818
frontaliA «nf, welche die gröfiite Kopflänge (193) seitlich Yenchob. Uc
betrag 1510: Lr: 566.
Nach dieeen Beobaehtangen Iftist sich bei der Skrofulöse
Yor allem eine Sohadigang des Körperwaohstnms naehweifien,
welche sieb sowobl in minimalen EOrpermalben als anch in Maximal-
zahlen f&r das Verhältnis zwischen Eopfnmpfang nnd Körper (Ikk,
Ikr) ausdrückt. Ob die Abnormitäten des Kopfes, welche gelten!-
lieh bei anamnestisob nachgewiesener Skrofulöse gefunden wurden,
auf diese zurückzufttbren sind, muiis dahingestellt bleiben; ein dureh
die Schädelbildung geweckter Verdacht, dais es sich in den beiden
eben mitgeteilten Fällen um rachitische Veränderungen neben
früherer Skrophulose gehandelt haben möchte, darf jedenüsdls nicht
▼erschwi^en werden.
Für die interessante Frage: Inwieweit tuberkulöse Ascen*
denz resp. ^ Disposition" schädigend auf das kindliche Wachstum
einwirkt, lieferten meine Untersuchungen leider kein einwandfreies
Material.
Ein Fall von vorgeschrittener Darmtuberkulose bei einem
6^/tjährigen Knaben, welche seit dem Ende des ersten Lebensjahres
bestand, mag kurz erwähnt werden. Die Messung ergab bei diesem
in der Kieler medizinischen Klinik untersuchten Kinde vor allem
eine Schädigung der Körperentwicklung. Zw^ standen auch die
KopfmaTse zum Teil unter den beobachteten „Normalmimmis',
waren aber relativ doch so groüs, dafs Ikk und Ikr beinahe maximale
Werte ergaben.
Die Mafse waren: Lk: 878, Lr: 328, Lb: 399, üb: 457, Us: 274,
Ut: 263, L: 165 (stark entwickeltes Tuber occipitalel), B; 128, Oh: 110.
Ikk: 52,1, Ikr: 139.9.
Noch ausgesprochener zeigte sich eine auf die Körperma&e be-
schränkte Entwicklungshemmung bei einem Falle von Atyreose
(mangelnder Glandula tyreoidea), welchen ich ebenfalls in der
Kieler medizinischen Klinik zu messen Gelegenheit hatte ^. Es
handelte sich um ein fast zwöl^ähriges Mädchen, bei dem sich
aufser dem Zurückbleiben in der körperlichen Entwicklung ein beider-
seitiger kongenitaler Klavikulardefekt konstatieren liels.
Die Mafee waren: Lk: 1180, Lr: 450, Lb: 540, üb: 507, L: 174,
B: 147 (gut fingerbreit hinter dem Ohrenansatz gemessen, ohne dals sich
Rachiüs nachweisen lieis), Oh: 104, Ikk: 43,0, Ikr: 112,7.
^ Über diesen Fall wurde aosfährliob berichtet doroh Herrn Dr. Gboos
in der JCtüicA. med, Wodtmnhr., 1903, Nr. 27.
819
Weit weniger ansgesproclien waren die Veränderungen in einem
zweiten Fall von mangelnder Tyreoidea bei einem fast neunjährigen
Knaben (ebenfalls in der Kieler medizinischen Klinik untersucht),
bei dem sieb auch ein auffallend niedriger üb fand.
Lk betrag bei ihm 1067, Lr: 404 (NormalmiDimam: 409), Lb: 480,
Uh: 471 (Minimum: 482), Us: 294, Ut: 261, L: 167, B: 136, Oh: 107,
Ikk: 45,1, Ikr: 116,6.
Anschliefsend an diese Fälle mag hier noch eine Beobachtung
Ton ausgesprochenem Zwergwuchs (ohne Zeichen von Bachitis)
£rwähnung finden. Es bandelte sich um ein dreizehnjähriges Mädchen
der Volksschule Wik bei Kiel, welches bei mittleren Kopfmalsen
eine zwerghafte Körperentwicklung zeigte.
Die Mafse waren: Lk: 964, Lr: 374, Lb: 414, üh: 519, üs: 291,
Ut: 289, L: 178, B: 152, Ikk: 53,8, Ikr: 138,8.
Die Gröfse der Körpermalse stand demnach zwischen den
normalen Minimis fttnf* und sechsjähriger Mädchen; Körperkopf-
nnd Bumpf kopfindez würden etwa dem normalen Maximum zwischen
dem fünften bis sechsten Jahre entsprechen. Eine zehnjährige
Schwester des Mädchens zeigte durchweg Mafse, welche das Mittel
ibres Alters nicht unerheblich überragten.
Über die verschiedenartige Einwirkung der Bachitis auf die
körperliche Entwicklung, speziell auf die Schädelbildung, welche
sich bei den von mir untersuchten Kindern nachweisen lieDs, ist
oben (S. 728) schon zusammenfassend berichtet worden. Eis erübrigt
liier also nur eine kurze Mitteilung des Materials.
Minimale Körpermafse bei rachitischen Kindern:
1. Die angegebenen Minima von Lk, Lr und Lb unter den zehn-
jährigen Knaben; bei einem Uh von 505 die Maxima für Ikk (51,2) und
Ikr (127,2).
2. Minimum von Lr (483) bei den elQfihrigen Knaben — , ohne
sonstige Besonderheiten.
3. Minimum von Lb (522) bei den zwölfjährigen Knaben; Lr (590)
war im Gegenteile beinahe maximal.
4. Ein rachitisches, zwölfjähriges Mädchen in der Kieler Hilfsschule,
das bis zum siebenten Jahre „beständig krank gewesen*' sein soll, zeigte
folgende Malse: Lk: 1192 („Normahninimum": 1242), Lr: 46t>, Lb: 519,
XTh: 485 (dem Minimum unter den Yolksschulkindem gleich), Us: 29 1,
üt: 284, L: 168, B: 140.
5. Die kleinste Beinlänge unter den 13jährigen Mädchen fand sich
bei einem rachitischen Kinde, das erst mit 2^/i Jahren sprechen, mit
3 Jahren lanten gelernt hatte. Lk betrug 1310 (zweites Minimum),
Uh: 521; so resultierte fQr Ikk das Maximum von 39,8.
8ehalg«siuidheitspfleg«. XVIIL 43
820
6. Ein ISjihriges Mfidchen der Lflbecker Hilfsschule, das dch als
geistig YöUig nonnal erwies, bot folgende Mafse: Lk: 1204 (Minimum
bei den Yolksschnlkindern: 1302), Lr: 480 (Minimum: 488), Lb: 535
(Minimnm: 599), Üb: 530; also Ikk: 44,0 (Maximum: 39,8), Ikr: 110,4
(Maximum: 104,3).
Minimale Kopfmafse, maximale Körpermafse wnrden
bei raobitisohen Kindern nicht beobachtet. Dagegen spielte die
Baohitis nnter den Maximis der Kopfmafse, besonders der
Kopfbreite und demzufolge des Längenbreitenindex eine nicht
unerhebliche Bolle.
1. Das Maximum von I (93,5) bei den siebenjährigen Knaben fiuid
sich bei einem (sehr begabten) rachitischen Jungen. L betrug 169, B: 158
(zweites Maximum); Uh stand unter dem Mittel (498).^
2. Das Maximum von L (193) und Us (331) bei den achtjAhrigen
Mädchen. Uh betrug 538; die Körpermafse entsprachen etwa dem Jahres-
mittel. Die grobe Kopflänge wurde bedingt durch starke Prominenz der
Tubera firontalia; daher mu&te L seitlich von der Mittellinie gemessen
werden.
3. Auch das Maximum Ton Uh (543) in der gleichen Gruppe fand
sich bei einem rachitischen Kinde. Bei diesem standen die Körpermaß
unter dem Mittel (Lk: 1137, Lr: 450, Lb: 516), so dafe Ikk (47,8) und
Ikr (120,7) die maximalen Werte ergaben.
4. Ebenfalls die grOfete Kopflänge fand sich bei einem rachitischen
Kinde unter den zebi^ährigen Mädchen, durch die gleiche Ursache wie
oben hervorgerufen. Die Kopf breite betrug 143, der Kopfindex daher 74,5.
5. Einen allgemein grofsen Kopf bot einer der jflngsten einährigen
Knaben dar, welcher bereits mit auffallend greisem Kopfe auf die Welt
gekommen sein soll. Uh (560) und Us (341) waren fttr die Altersklasse
maximal. Die gröfste Breite (159) fand sich — wie bei yielen rachitischen
Kindern — gut fingerbreit hinter dem Ohransatz. L war mit 194 beinahe
maximal. Lk betrug 1223, Lr: 457; so ergaben Jkk und Ikr die in
der TabeUe erwähnten MaxinuJzahlen.
6. Unter den einährigen Mädchen fand sich die grOfste Kopfbreite
von 157 mm bei einem rachitischen Kinde. Uh betrug 509; die KOrper-
mafse entsprachen dem Durchschnitt der Klasse.
7. Die zweitgrOfsten Mafse fär Uh (560) und L (197) bei den
zwOlQährigen Knaben bot ein rachitischer Junge. Auch hier waren die
Tubera frontalla auffallend prominent, daneben auch das Occipitale stark
entwickelt.
8. Endlich fand sich der grObte Lb-Index (88,6) unter den yierzehn-
fihrigen Mädchen bei einem rachitischen Kinde, das in frnher Jugend an
* In den AlaterdorfSsr Idioienanstalten bei Hamburg hatte ich Gelegenheit,
einen siebenjährigen rachitischen Idioten sa meeten, deeeen Korper- und
KopfmaTae im allgemeinen dem Dnrohiohnitt leinee Altert entspraohen. dessen
Lb-Index aber 93,6 betrag (L: 173, B: 161).
821
Krftmpfen gelitten hatte. L betrug 175, B: 165 (zweites Maximnm),
Uh: 526; die Eörpermaise entsprachen etwa dem Mittel.
Besonders interessant sind die Beobachtungen an einigen Kindern
ans Familien, in welchen die raohitisohe Erkrankung mehrere Glieder
betroifen hatte. Die betreffenden Fälle sind folgende:
1. Der grOfste Lb-Index (94,4) bei den sechsjährigen Knaben fand
sich bei einem rachitischen Jangen, dessen Kopflänge 161 (Minimum),
B: 152 betrag. Ein achtjähriger Bruder besafs einen Kopfindex yon
90,6 (Maximum der Klasse), das Minimum fOr L (159) und Uh (482).
Ein yierzehnjähriger Bruder hatte einen Index von 87,3; bei ihm waren
ebenfalls L (166) und üh (489) minimal. Bei allen drei Knaben wurde
notiert, dals die Ocdpitalgegend auffallend abgeflacht war. Die beiden
zuletzt genannten galten als wenig intelligent; von dem ältesten hieb es
aufserdem, dais der Beginn seines Sprechens erst in das vierte Jahr ge-
fallen sei.
2. Die Maxima für Uh und B bei den sieben- und zwOligährigen
Knaben boten zwei rachitische Kinder. Von dem jüngeren hieOs es, dab
er früher an Krämpfen gelitten, erst spät (mit zwei Jahren) zu sprechen
begonnen habe. Das gleiche (Krämpfe und spätes Sprechen) wurde von
einem zehigährigen Bruder angegeben, dessen Kopfma&e, wenn auch
nicht maximal waren, so doch erheblich über dem Mittel standen. Bei
letzterem betrug Uh: 560, B: 159.
3. Indizes von 90,6 (Maximum) und 88,1 zeigten zwei rachitische
Mädchen von neun resp. zehn Jahren. Yon dem ersteren hiels es, dafs
es früher an Krämpfen gelitten habe.^
Wie schon in der Übersicht (Seite 729) bemerkt wurde, fanden
sich eine ganze Anzahl maximaler Kopfinaise, besonders aber Längen-
breitenindizes, bei deren Trägem kindliche Krämpfe notiert
waren. Wie die obigen, speziell die letzten Beispiele zeigten, sind
derartige £[rämpfe in der Anamnese solcher Kinder, welche deut-
liche rachitische Veränderungen am Schädel aufweisen, nichts Seltenes.
Bei den jetzt folgenden Beobachtungen konnte der Nachweis der
Rachitis aber weder durch die Anamnese, noch auch durch den
Schädelbefund mit Sicherheit erbracht werden ; über die Frage : Wie
weit diese Fälle trotzdem zum „Rachitisme c^halique'' gehören,
möchte ich mich einstweilen eines Urteils enthalten.
Die Beobachtungen waren:
1. Die gröfete Kopfbreite (158) unter den fünfjährigen Knaben fand
sich bei einem Kinde, das in früher Jugend an Krämpfen gelitten hatte.
^ Nachrfiglich erwähnt mag werden, dafs unter den oben mitgeteilten
Fällen minimaler Körpermarie bei rachitischen Kindern sich keiner fand, bei
dem der LSngenbreitenindex des Kopfes das lüttelmaTs erheblich abertroffen
hätte.
43*
822
Bei ihm standen anch die anderen Kopfmabe — die meiste betriditiidt
— Aber dem Jahresmittel (Uh: 529, üs: 311, üt; 290, L: 180;
I: 87,8).
2. Das Haximimi des Lb-Index in derselben Omppe bot ein Knabe
-dar, von welchem es hieb: „hatte im zweiten Leben^ahre Krftmpfe, dnrdi
die er das Laufen verlernte; neoes Beginnen des Laufens za Ende des
dritten Jahres." Die Kopfbreite (155) war in diesem Falle beinahe
maximal, die Lftnge betmg 173, der horizontale Umfang 510 mm.
3. Der maximale Horizontalnmfang von 539 mm anter den sedis-
jAhrigen M&dchen fand sich bei einem Kinde, das in der Jagend aa
Krämpfen gelitten hatte. Aach die beiden anderen Kopfumfänge standen
betrachtlich Aber dem Mittel. (Üs: 314, Ut: 296); L betrag 171, B:
144, — also I: 84,2. Ein zehigahriger Bruder des Madebens zeidmete
sich in seiner Gruppe durch kleine Kopfmafse aus, bot die zweites
Minima ftr üb (487) und L (168), das dritte Minimum für Us (283) in
seiner Altersklasse dar; üt betrug 276, 6: 141; I: 83,9. Auch bei
einer ach^ahrigen Schwester standen die meisten Kopfinafse unter dem
Mittel ihres Alters, (üb: 500, üs: 302, üt: 293, L: 174, B: 142,
I: 81,6.) Es dnrfte hier also die Giöfse des Kopfes auf individueDe
Ursachen (die Krankheit, weldie die Krämpfe auftreten lieb?), nicht
aber auf eine fi&miliare Disposition zurückzufahren sein. Rachitis lieb
sich nicht nachweisen.
4. Wieder den maximalen Lb-Index yon 94,3 bei den zehnjährigen
Knaben hatte ein Kind, bei dem frühere Krämpfe angegeben waren. Die
KopfiBiabe betrugen in diesem Falle: Uh: 532, Us: 311, Ut: 306, L 174,
B 164. Die grObte Breite war ein wenig nach hinten zu verlagert, die
Parietalhöcker sprangen ziemlich stark vor — so war wenigstens ein
Verdacht auf Rhachitis gegeben, wenngleich die Anamnese im Stiche liels.
5. Eklamptische Krämpfe in früher Jugend waren bei dem Kinde
angegeben, welches unter den zwölfjährigen M&dchen maximale Werte für
B (163) und I (92,6) besab. Uh betrog 526, Us: 310, Ut: 317 (dem
Maximum nahe!), Oh: 176.
6. Erst im fünften Jahre sollen sich bald wieder verschwindende
„Kr&mpfe^ bei einem 14j&hrigen Knaben eingestellt haben, welcher einen
allgemein grofsen, besonders aber in der Transversalrichtung stark ent-
wickelten Kopf besab. üb: 555, Us: 339 (2. Maximum). Ut: 320
(Maximum), L: 192, B: 163 (zweites Maximum), I: 79,7. Ein Verdacht
auf Rachitis lag nicht vor.
In Ansohlnb an diese Omppe mag die liydrokephalische
Veränderung des Schädels an der Hand einiger Beispiele erlantert
werden. Bei diesen baben wir xwei Formen zu unterscheiden, Vielehe
wohl am besten als einfaoh-bydrokephalisohe und als rachitisch-
hydrokepbaliscbe Form zu charakterisieren sind. Erstere ist aus-
gezeichnet durch die ballonartige Emporwölbung des Oehimachadeb
über seine Basis; der in der Ebene der Augen und der Schlftfen-
enge gelegene Umfang erscheint wie eine Einziehung unier der mftoh-
828
tigeu genindeten Stirn und der gewölbten Parietalgegend. Der
raohitieehe Hydrokephalns dagegen seigt sich in weniger obarakte-
risüscher mannigfaoHerer Art, ist am ehesten von den oben schon
genannten Formen des einfach rachitischen Schädels ans zu ver-
stellen. Bald ist das Hinterhaupt abgeflacht, die Stime mächtig
verbreitert und vorgeschoben (hierher die ,,Scaphoc6phalie" Boubnb-
TiLiiSs und der „BVont olympien* der Franzosen), bald zeigt sich
eine besonders mächtige Breitenentwicklung der hinteren Parietal-
und vorderen Occipitalregion ; auch gelegentlich vorkommende be-
sonders starke flöhenentwicklung des allgemein vergröliserten Schädels
dürfte mitunter hierher zu rechnen sein. Immer bleibt für die
rachitische Form des hydrokephalischen Schädels charakteristisch, daüs
die Basis an der (meist mehr oder minder partiellen) Vergröiserung
des fiimschädels mitbeteiligt ist, dais dementsprechend die für den
einfach hydrokefalischen Schädel so charakteristische Einziehung in
der ganzen Basispartie fehlt. Dals freilich in der Natur die Scheidung
dieser zwei Formen nicht immer so einfach ist wie in diesem kurzen
Schema, ja, dais eine exakte Diagnose gelegentlich überhaupt un-
möglich wird, das bedarf für den Erfahrenen kaum der Erwähnung.
Leider erwies sich für die beiden genannten („kraniometrischen'')
Formen der Hydrokephalie — wie oben schon ausführlich mitgeteilt
wurde — unsere üntersuchungsmethode gelegentlich als nicht aus-
reichend. Ich ziehe daher vor, das Material so einzuteilen, dals ich
zuerst über die an Yolksschulkindem beobachteten, dann über die
bei Idioten gefundenen Hydrokefalien referiere.
An Volksschulkindern fand sich zweimal eine ausgesprochene
Hydrokefalie, und zwar beide Male zu der oben genannten einfachen
Form des Hydrokephalus gehörig.
1. Ein siebeqj&hriges Schnlmädchen in Lübeck, das mir von der
Lehrerin als beste Schülerin ihrer Klasse bezeichnet wurde,
zeigte die deutlichen Sparen recht hochgradiger Hydrokephalie.^ Nach Mit-
teilung der Mutter war das Kind rechtzeitig geboren; im Alter von drei
Monaten hatte der Kopf zu wachsen begonnen, ohne dals sich irgendwelche
sonstigen Krankheitssymptome eingestellt hätten. Da vor allem keine Krämpfe
aufgetreten waren, hatte der behandelnde Arzt mit Entschiedenheit verneint,
dals es sich um einen „Wasserkopf*' handele. Beginn des Sprechens mit
IVs) des Gehens mit drei Jahren. Die Malse waren: Lk: 1039 (unter
dem Normalminimam), Lr: 402 (zweites Minimum), Lb: 454 (zweites Mini-
* Ober andere Beobachtungen betreffend die geistige Entwicklung hydro-
kephaliaoher Kinder berichtet der Anfmtz von Dr. Bbrkhak in der Zeitsohriit
nBU KmderfMer". Jahrg. VH, Heft 2. 1902.
824
mam); Uh: 573 (Mazimnm: 543), Us: 340, üt: 834, L: 180 (Maximum:
188), B: 169 (Maximom 160), Oh: 108, I: 93,9, Ikk: 55,1 (Maziiniim:
49,2), Ikr: 142,5 (MazüniiiD: 127,1).
2. Ein Lttbecker Schalknabe von acht Jahren. Anch in diesem Falle
soll es sich am einen erworbenen Hydrokephalos gehandelt haben. Kach
Angabe der Matter war das Kind bis ins fllnfte Jahr hinein gesund; litt
dann an einer schweren Hirnhaatentzündnng, in deren Gefolge sich langsam
der Wasserkopf entwickelte. Die hydrokephalische Bildung des Schftdels
war nicht weniger ausgesprochen als im vorigen Falle, doch hielten sich
alle Mafse innerhalb der normalen Schwankungsbreite acht-
jähriger Knaben, vor allem hielt sich auch der Lb-Indez in den
Grenzen der Mesokefalie. Die Ma(se wareu: Lk: 1317, Lr: 492, Lb:
556; üb: 537, (Maximum 548), Us: 326, üt: 311, L: 191, B: 151;
I: 78,5 (!), Ikk: 40,8, Ikr: 109,2.
Verscbiedene Formen raohitisoher Hydrokephalie, bei denen
keines der Eopfmafse sich über das normale Maximum des Altera
erhob, fanden sich bei einigen Insassen der Alsterdorfer Idioten-
anstalten.
Die betre£fenden Beobaobtnngen waren:
1. Ein Fall von Idiotie mäbigen Grades bei einem sech^ahrigen Knaben.
Der Schftdel war, besonders in seinem hinteren Teile, entschieden hydro-
kefalisch gebildet; die Kopfinafte standen aber — aulser dem Transversal-
umfange — unter dem Mittel der Alterskhisse. An dem Kinde wurde
gemessen: Lk: 1025, Lr: 377, Lb: 440, üb: 491, üs: 292, üt: 303,
L: 165, B: 143, Oh: 117; I: 87,3, Ikk: 47,9, Der: 130,2.
2. Einen rachitisch-hydrokephalischen Langsch&del mit einem Lb-
Index von 75,2 bot ein einähriger Idiot Alsterdorb, bei welchem der
Wasserkopf sich allmählich in den ersten Lebenqahren unter Lähmungs-
erscheinungen entwickelt haben sollte. Die Körpermalse standen in diesem
Falle wenig unter, die Kopfmabe auber der Schädelbreite beträchtlich aber
dem Jahresmittel. Lk: 1332, Lr: 504, Lb: 540; üb: 540, Us: 331,
Ut: 295, L: 193, B: 147, Oh: 117; Ikk: 40,5, Ikr: 107,L
3. Noch auffallender waren die Verhältnisse bei einem infantilai,
eben 15jährigen Insassen der Alsterdorfer Anstalten. Hier entsprachen
die Körpermabe etwa dem Mittel eines fÜnQährigen Kindes; von d» Kopf-
maben waren Horizontalumfang und Sagittalmabe durch eine sehr stark
vorgewölbte Stirn auffallend grob, die Kopf breite stand unter dem Mittel-
mafs der 14jährigen Knaben, so daüs sich ein Lb-Index von 74,5 ergab.
Natflrlich erhoben sich der KopfkOrper- und Kopfrumpfindex hoch über
das Maximum 14jähriger Kinder, entsprachen etwa dem Mittel drei- bis vier-
jähriger Knaben. Die Maise waren im einzelnen: Lk: 1054, Lr: 488,
Lb466; üb: 546, üs: 324, üt: 293, L: 196, B: 146, Oh: 112;
I: 74,5, Ikk: 51,8, Ikr: 136,5.
Auch einen Fall von ausgesprochener „einfaober'' Hydrokepbalie,
bei dem sich keines der Malse ans der normalen Yariationsbieite
entfernte, hatte ich in Alsterdorf zu ontersuohen Gelegenheit. Es
825
liandelte sich um einen plumpen, schwerbUigen Bnisohen yon
13 Jahren, bald nacli der Gkbnrt am „Wasserkopf^ erkrankt, welcher
ganz geläufig sprach und am AnstaltBanteiricht teilnehmen konnte.
Hier waren die Mafse: Lk: 1418, Lr: 560, Lb: 624; Uh: 540,
Tis: 326, Ut: 291, L: 189, B: 153; I: 81,0 (!). Ikk: 38,1, Ikr: 96,5.
Hydrokephalische Idioten, welche mindestens mit einem ihrer
ElopfmaTse das Normalmaximam ihres Alters überragten, wnrdeu in
ALsterdorf gemessen:
1. Ein racbitiscber Jmige von sechs Jahren, bei dem sich eine besondere
liftagenentwicklnng des Sch&dels fand, so da& der Sagittalnmfang 342 mm
betrog. Die Körperentwicklong war hinter dem Normalminimum der Alters-
klasse zurückgeblieben. Die übrigen Kopfmafee waren: Uh: 540, üt: 318,
L: 185, B: 156; die Körpermalse: Lk: 952, Lr: 405, Lb: 332; die
Indizes: I: 84,3, Ikk: 56,7 (Maximnm: 55,1), Ikr: 133,3.
2. Eine hydrokephalische Übertreibung des gewöhnlichen rachitischen
Schädels mit yerbreitertem, abgeflachtem Hinterkopf zeigte ein sieben-
jähriger, hochgradig idiotischer Junge, welcher anch sonstige Anzeichen
für Rachitis, daneben Strabismus and Kryptorchismus aufwies. Körper-
und Beinlftnge waren wegen starker Kontrakturen nicht mefsbar; Lr
betrag 375 mm. Die Kopfmafse waren: üb: 580, üs: 353, Ut: 354(1),
L: 192, B: 162 (gat drei Querfinger hinter dem Ohransatz gelegen), Oh:
127, I: 84,4.
3. Eine einfache, nicht rachitische Hydrokephalie fand sich bei einem
sprachlosen, völlig idiotischen 13j&hrigen Knaben, dessen Leiden sich im
zweiten Lebensmonate ziemlich schnell anter Krämpfen ausgebildet hatte.
Hier waren die Mafse: Lk: 1415, Lr: 596, Lb: 637; üh: 565, üs:
345, Ut: 822, L: 195, B: 156, Oh: 122; I: 80,0(1), Ikk: 39,9,
Ikr: 95,0.
4. Die grOlsten Kopfmabe, welche ich überhaupt zu messen Gelegen-
heit hatte, fanden sich bei einem 14jäbrigen Inwohner der Alsterdorfer
Anstalt, einem epileptischen, rachitischen Hydrokephalen mit mäfsig ent-
wickelter Idiotie. Sie waren: Uh: 620, Us: 381, Ut: 343, L: 205,
B: 178(0, ^^' 1^; die Körpermalse betragen: Lk: 1200, Lr: 379,
Lb: 621; die Indizes: I: 88,4, Ikk: 51,7, Ikr: 163,6.
5. Endlich fand sich aach ein hydrokephalisches 14 jähriges Mädchen
in Alsterdorf, das nach seinen psydiischen Leistungen als in geringem
Orade bildougsfähig bezeichnet wurde. Seine Malse waren: Lk: 1383,
Lr: 565, Lb: 618; üh: 581, Us: 331, Ut: 338, L: 194, B: 168,
Oh: 136; I: 86,6, Ikk: 42,0, Der: 102,8.
Einen schwachsinnigen 13 jährigen Knaben mit einem allseitig ver-
gröfserten, doch nicht hydrokephalischen Kopfe (wohl als Fall von „Makro-
kephalie^ zu bezeichnen) untersuchte ich in der Lttbecker Hil&schule.
Der Junge war von Gebart in allen psychischen Leistangen minderwertig,
ohne eine besondere nach aulsen hervortretende Krankheit durchgemacht
zu haben. Seine Körpermabe waren: Lk: 1562, Lr: 607, Lb: 753; die
826
Kopfina&e betragen: üb: 676 (Normalmaximnm: 566), üs: 337,Ut:300,
L: 197, B: 163, Oh: 119; die Indices: I: 77,7, Ikk: 36,8, Ikr: 94,9.^
Eine den yon uns gewfthlten anthropometrisohen Untennehim-
gen noch weniger zugftngliohe Fonn unter den Idioten, welche
ieli in einigen charakteristieclien Fällen zu beobachten Grelegenlflü
hatte, ist der sogenannte Mongolen- oder Kalmüokentypui
Diese besonders in England beobachtete (dort zuerst yob Abthui
Mitchell beschriebene) Form der Idiotie soll nach Angabe der
Autoren vor allem durch schrftggestellte Augenlidspalten, eine stampfe,
breite Nase, straffes dunkles Haar und zierliche, breite Schftdel-
fbrm charakterisiert sein. Hände und FüCse sind meist kurz, die
Finger plump, die „Schwimmhäute" an den Händen oft sehr statdc
entwickelt. Nicht selten ist die Zunge breit und kurz, durch quer-
stehende Falten und hypertrophische Papillae circumvallatae ausge-
zeichnet
In geistiger Beziehung bleiben diese Kinder meist hinter ihren
Altersgenossen zurück; sie gelten als sanft und lenksam, besonders
zum Nachäffen geneigt. Englische Autoren rechnen zu diesem Typus
etwa 5% aller imbezillen und idiotischen Kinder; nach Shuttle-
WOBTH ist es auffiedlend, dafs etwa die Hälfte dieser »Mongolen* die
Letztgeborenen grölserer Familien sind. Nach vereinzelten SektioDS-
befunden soll ihr Gehirn sehr einfach entwickelt, die Windmig«i
breit und plump sein.
Unter meinem Material von gegen 300 geistesschwachen und
idiotischen Kindern fanden sich vier Fälle von ausgesprochenem Mon-
golismus; diese waren:
1. Ein 5'/4 Jahre alter Idiot in den Alsterdorfer Anstalten. Bei
ihm lag Verdacht anf hereditäre Syphilis vor (Matter hatte viermal Abortus).
^ An dieeer Stelle mag bemerkt werden, dal« der grö&te, unter den Yolb-
schnlkindem überhaupt gemessene Horisontalam&Dg von 576 (bei den lehii-
jährigen Knaben) und der groiste gefdndene Lb-Index von 94,5 bei einem
zehigährigen Mädchen Kindern angehörte, aber welche irgendwelche sntm-
nestisohe Angaben von Interesse nicht gemacht werden konnten. Der entere
gehörte einem Jangen von lOVt Jahren an, welcher schon mit aoffikUesd
greisem Kopfe sur Welt gekommen sein soll, sich dann dorchans normal ent-
wickelt hatte and in den Schalleistangen dem Darohschnitt seiner Klsoe
entsprach. Die abrigen KopfmaTse in diesem Falle waren: Us: 339, üt. 331,
L: 195, B: 164. Die Körperlänge betrag 1383 mm, die BampfUnge => 479.
Die Kopfmalse bei dem Mädchen waren: Uh: 498, üs: 281 (Minimom), Ut:
277, L: 163 (2. Minimam), B: 154; die Körpermabe entsprachen ongefihr dem
Darchsohnitt des Alters.
827
Durch die schrSggestellteii Angeiiy die plumpe Nase, einen breiten Mond,
var er als „Mongoloid^ genügend charakterisiert Die Zange war se)ir
schmal nnd spitz, ohne Qaerfnrchen. Sehr auffallend war an ihm ein bei
sonst recht tieistehender Intelligenz sehr aasgebildeter Nachahmongstrieb.
fahrend ich mich mit Messungen in dem Saale, in welchem er sich auf-
hielt, beschäftigte, sah ich, wie er sich mit den Köpfen seiner kleineren
Kameraden, die zam Teil hilflos salsen oder lagen, mit groisem Ernst
und in ähnlicher Weise zu schaffen machte, wie er es von mir gesehen
hatte; noch in den nächsten Tagen betrieb er, wie ich durch seinen Pfleger
erfuhr, Kopfimessungen in seiner Weise.
Seine Körper- und KopfmaOse waren: Lk: 1014, Lr: 396, Lb: 453;
Uh: 472 (Normalminimum 486), Us: 293, Ut: 267, L: 160 (Normal-
minimum 168), B: 139, Oh: 107; die Indizes: 1: 86,9, Ikk: 46,5,
Ikr: 119,2.
2. Ein sechsjähriges Mädchen in Alsterdorf mit typischem Mongolen-
gesicht und quergefalteter Zunge (4 ältere Geschwister desselben sollen sehr
frühzeitig gestorben sein). Das Kind war fast sprachlos, nicht bildungs-
fiLhig; es fiel aber dadurch auf, dals es den Messungen eine besondere
Anfinerksamkeit zuwandte, die anderen Kinder beim Messen festhielt, auch
sich selber immer wieder Yordrängte, wie um noch einmal untersucht zu
werden — ; hier waren die Malse im allgemeinen zierlich, zum Teil unter
den Normalminimis stehend. Sie betrugen: Lk: 900, Lr: 390, Lb: 351;
Uh: 473, Us: 268, Ut: 272; L: 159, B: 143, Oh: 109; I: 89,9,
Ikk: 52,6, Ikr: 121,3.
3. Eine ebenfalls in ihrer Gesichtsbildung „mongoloide*' Idiotin von
acht Jahren, die mir als „eigensinnig und ungezogen'^ bezeichnet wurde, sah
ich in Alsterdorf. Zunge und Finger zeigten nichts Auffallendes ; ein ge-
wisser Nachahmungstrieb wurde von der Pflegerin hervorgehoben, trat mir
aber nicht entgegen. Auch hier waren Kopf- und KörpermaCse im allge-
meinen zierlich, senkten sich aber nicht unter die Minima der entsprechenden
normalen Kinder. Lk: 1140, Lr: 490, Lb: 483; Uh: 477, Us: 280,
Ut: 273, L: 161, B: 139, Oh: 104; I: 86,3, Ikk: 41,8, Ikr: 97,3.
4. Den ausgesprochensten Fall von mongoloidem Typus fand ich bei
einem neuigährigen Besucher der Lübecker Hilfsschule, dem jüngsten, spät
nachgeborenen Kinde unter drei Geschwistern. Augen, Nase und Mund
zeigten die charakteristische Bildung. Die Ohren waren groDs, weit ab-
stehend; der Schädel zierlich, seine Ansicht von oben viereckig. Die Zunge
war schmal, zeigte die erwähnten Querfurchen in sehr schöner Ausbildung.
An der linken Hand fand sich eine sehr stark entwickelte „ Schwimmhaut **
zwischen dem vierten und fünften Finger. Der Junge fiel auf durch ein
lebhaftes Mienenspiel; von selten des Lehrers wurde ihm ein starker Nach-
ahmungstrieb nachgesagt. In diesem Falle wurde notiert: Lk: 1195, Lr:
467, Lb: 562; Uh: 496, Us: 283, Ut: 282, L: 171, B: 146, Oh:
106; I: 85,4, Ikk: 41,5, Ikr: 106,2.
Anhangsweise mag hier kurz erwähnt sein, dals ich kürzlich
durch die Güte meines Onkels Hbinbioh y. Rankb, Direktors der
Münohener Einderklinik, Gelegenheit hatte, das Gehirn eines in
828
seinem Spital an Diphtherie gestorbenen zweijährigen Mongoloid-
idioten, dessen Mafse ich leider nicht habe aufnehmen können, zu
untersnchen. Das Ergebnis eines eingehenden makroskopischen und
mikroskopischen Studiums war völlig negativ. Weder fand sich
eine Verein£Achung des Windungstjpus noch auch ein besonderes
Abweichen in demselben von der Variationsbreite des Normalen,
noch auch lielsen sich mit den neueren histologischen Methoden auf-
fallende oder als sicher pathologisch deutbare Veränderungen in der
mikroskopischen Struktur des Rindenschichtenbaues und der nervösen
und gliösen Elemente nachweisen.
Aus dem reichen Material subnormaler Minimalzahlen bei
Idioten, Imbezillen und schwachbefähigten Schulkindern,
das ich zu messen Gelegenheit hatte, mag fOr detailliertere Angaben
eine kleine Auswahl genttgen, welche geeignet ist, die auf S. 728
mitgeteilten Anschauungen zu illustrieren.
Über die eigentliche ^Mikrokephalie^ bei idiotischen Eündem läfat
sich an der Hand meines Materials nicht eben viel sagen, da die
beschränkte Anzahl der von mir genommenen Maise für die feinere
Unterscheidung der porenkephalischen, der luetischen, der partiellen
Mikrokephalien (Stenokrotafie, basilare Impression) usw. durchaus
unzureichend war.
Nach Ausscheidung aller der Formen von „Mikrokephalie", bei
welchen starke Asymmetrien des Schädels oder auch anamnestische
Angaben mit einiger Sicherheit auf schwerere organische flim Ver-
änderungen als Ursache der Idiotie schlieJsen lielsen, fielen dem
(kraniologischen) Beobachter vor allem zwei Formen mikrokefalischer
Schädel als grundverschieden ins Auge : die einen entsprachen durch-
aus dem Bilde, welches zur Zeit Karl Voots zuerst die allgemeine
Aufmerksamkeit auf die mikrokephalen „A£fen- oder Vogelmenschen*'
lenkte, wie es in weiteren Kreisen durch die Abbildungen Hbleni
Bbokbiis\ der „Azteken**, des MAROHANDSchen mikrokephalen
Idioten Koch* usw. bekannt geworden ist. Bei dieser — weit
selteneren — Form ist das auffallendste Merkmal das Fehlen einer
Stimwölbung : in einer geraden, schrägen Linie flieht die Stimpartie
von der Nasenwurzel nach rttckwärts ; die Verlängerung dieser Linie
^ Z.B. in Job. Rjlnki: Der Mensch, Bd. 11, 8. 864.
* F. BiBKiniB: Ober die togenannten Asteken. ArcMt ßr AMUnrcpakgie,
Bd. XXV.
' Mahchahd: Mikrokephalie und Hikroenkephalie. Beaimcjftiopädie de
gesamUn Heähmde,
829
nach vorne wird von der meist grolsen, spitzen, wenig modellierten
Nase gebildet. Es kommt so ein Bild zustande, das allerdings den
Vergleicli mit einem stimlosen, geschnäbelten Vogel gewissermafsen
aufdrängt. Soweit bisher bekannt, handelt es sich in diesen Fällen
stets nm eine „wahre Mikrokephalie^ im Sinne Gtacomikis und
Marchäkds, d. h. um eine als „Entwicklungshemmung^ zu bezeich-
nende Störung, welche gleichzeitig das Wachstum des Gehirns und
des Schädels betro£fen hat. Meist besteht klinisch eine hochgradige
Idiotie; doch wird auch ein Fall leichten Schwachsinns mitgeteilt
werden, welcher nach seiner Schädelbildung entschieden hierher
gehört.
Weit häufiger findet man bei idiotischen und geistesschwachen
Kindern (soweit sie nicht der oben ausgeschalteten Gruppe mit
schwereren organischen flimstörungen angehören) eine Schädelform,
welche sich in ihrer Gesamtbildung wenig von der normalen Kopf-
form entfernt und nur durch überaus kleine Malse auffallt. Eine
Zusammenstellung der Fälle dieser Art aus meinem Material liefe
einige Beziehungen zwischen Kleinheit der Malise und Höhe der
psychischen Leistungen erkennen. Es fanden sich nämlich im all-
gemeinen die am weitesten von den Normalminimis entfernten Malse
bei tiefstehenden Idioten, geringere Abweichungen bei bildungsfhhigen
schwachsinnigen Insassen der Hilfsschulen, endlich wurden die so-
genannten „Normalminima", d. h. die an Yolksscbulkindem beob-
achteten Minima der Kopfmatse grofsenteils selber von Kindern ge-
boten, welche durch geringe Leistungen und mancherlei Eigentümlich-
keiten im Verhalten ihren Lehrern auffielen.
Von der erstgenannten Form der „Vogelkopf "-Mikrokephalie
hatte ich zwei Fälle zu untersuchen Gelegenheit.
1. Der erste betraf ein völlig idiotisches 13 jähriges Mädchen, das
die Lübecker Hilfsachnle besnchte. Es war das Kind wohlhabender, fein-
gebildeter, gesunder Eltern, welche neben diesem Mädchen vier völlig nor-
male Kinder besafsen. Anamnestisch lag nichts vor, an&er dem von
LoMBROSO in der Ätiologie der Mikrokefalie mehrfach erwähnten Moment
eines starken psychischen Insultes der Matter während der Schwanger-
schaft. (Wie mir die Matter erzählte, besachte sie ganz zu Anfang der
Gravidität [etwa am Ende des ersten Monats] mit ihrem Manne eine neu
eingerichtete Idiotenanstalt und empfing dort einen sie lang und innerlich
beschäftigenden und stark erregenden Eindrack.) Die Ma(se bei diesem
Kinde waren: Lk: 1378, Lr: 500, Lb: 686. üh: 416, üs: 216, üt:
224, L: 136, B: 115, Oh: 84, I: 84,6. Ikk: 30,2, Ikr: 80,3.
2. Ein zweites, offenbar hierher gehöriges Kind fand ich in einer der
Lflbedcer Yolksschnlen. Es war ein 13 jähriger Junge, welcher mit seinen
830
KörpermaboB die dnrdncfanittliche ChrOCse seineB Alten bat errachte, in
den Kopfdimensionen aber betrftchüich hinter derselben znrOckblieb. Er
wurde mir yon seinem Lehrer als sehen, widerspenstig, boshaft nnd so got
wie Yöüig nnerziehbar bezeichnet. Anfiier dnrch die beschriebene Eigen-
tflmlichkeit seines Gerichts fiel er mir dnrch seine hastigen, ungelenken
Bewegungen auf. Bei diesem Knaben betrugen die Halse: Lk: 1364,
Lr: 523, Lb: 663, Uh: 471, üs: 268, üt: 260. L: 160, B: 134,
I: 83,1, Ikk: 34,5, Ikr: 904-
Ana der Zahl der anr sweitgenannten Gmppe gehörigen Falle
wähle ich folgende ans:
1. Unter den fQnQahrigen Knaben fand ich einen belasteten Idioten
(Mutterschwester geisteskrank) schwersten Grades in Alsterdorf mit Hasen-
scharte, Wolfsrachen, Kryptorchismus. Seine Körpermalse erreichten die
Normalminima nicht ganz (Lk: 878, Lr: 350, Lb: 358); die Kopfmafee
standen tief unter denselben, üb betrug 469, Us: 282, üt: 270, L: 163,
B: 134, I: 76,6, Ikk: 53,2, Ikr: 183,4.
Entschieden weniger minimale Kopfmafee besats ein fün^&hriger, nur
mafsig imbeziller Insasse Alsterdor£s, bei dem ebenfalls keine besondere
yErkrankung** eingesetzt hatte, der aber offenbar »belastet** war (Vater:
schweres Potatorinm, Schwester: Epilepsie). Hier betrugen die Mafse:
Lk: 927, Lr: 882, Lb: 384, Uh: 480, üs: 286, üt: 295, L: 160,
B: 139, I: 86,9, Dck: 51,8, Ikr: 125,7.
2. Körpermaße, welche fast dem Mittel der Jahresklasse entspradien,
dabei aber einen im Wachstum stark zurflckgebliebenen Schädel bot ein
fflniSahriges M&dchen dar, bei welchem sich schon im ersten Leben^ahre
ein Schwachsinn entwickelt haben soll, nnd das ich als hochgradige Idiotin
in Alsterdorf fand. Über die Eltern wurde nur angegeben, dais sie Ge-
schwisterkinder seien. An ihm wurde notiert: Lk: 1054, Lr: 400, Lb:
475, Uh: 459, üs: 300, Ut:264, L: 157, B: 136, I: 86,6, Ikk: 47,0,
Der: 114.75.
In derselben Jahresklasse fanden sich die „normalen** Minima fOr
üb (480) und üt (258), die zweiten Minima fQr üs (273) und B (137)
bei einem SchnUdude, das vor seinen Kameradinnen dnrch völlig mangel-
hafte Leistungen auffiel. Irgendwelche Krankheiten oder hereditäre Ver*
haltnisse wurden mir nicht mitgeteilt. Die flbrigen Mafse dieses Kindes
waren: Lk: 1062, Lr: 443, Lb: 437, L: 167, I: 82,0, Ikk: 45,2,
Ikr: 108,3.
3. Eine „lebensschwach*' zur Welt gekommene, sprachlose, unreine
Alsterdorfer Idiotin von sechs Jahren, welche gefttttert werden mnlste und
bezaglich deren Familie angegeben wurde, dafs eine Mutterschwester geistes-
krank sei, hatte folgende — etwas Aber den Normalmimmis stehende —
Körpermafse: Lk: 992, Lr: 371, Lb: 451. Die Kopfmaise dagegen be-
trugen; üb: 455 (Normalminiminm: 467), Us: 271, Dt: 269, L: 158,
B: 147; die Indizes: I: 93,0, Ikk: 45,9, Da*: 122,6.
In dieser einzigen Altersklasse fand sich ein Schulmftdchen, dessen
Kopfmaise noch unter den eben genannten der Idiotin standen. Es war
ein beinahe siebeiyahriges Kind gesunder Eltern, jflngstes unter secfaa Oe-
831
Bchwistern. Es wurde Ton seinen Lehrern als stampf, ,,direkt geistes-
schwach*^ bezeichnet, stand weit nnter dem Leistnngsminimnm seiner Schnl-
Uasse. Beztkglich flberstandener Krankheiten wurden Lungenentzündung,
Scharlach und Typhus angegeben; eine besondere, die Intelligenzentwicklung
hemmende Ursache konnte (aufser den Schädelmafsen) nicht ermittelt werden.
Die Malse betrugen: Lk: 1140, Lr: 480, Lb: 490, Uh: 457, üs: 252,
Ut: 246, L: 156, B: 131, I: 84,0, Ikk: 40,1, Ikr: 95,2 (Normal-
minimum: 101,0).'
4. Ein sehr tiefstehender, rachitischer Alsterdorfer Idiot (siebenjährig)
stand inden Körper- und den meisten Kopfioiafsen weit hinter dem Durch-
schnitt seines Alters zurück. Eine besondere, zur Idiotie führende Krankheit
liefs sich bei ihm nicht ermitteln. Seine Mafse betrugen: Lk: 840,
Lr: 358, Lb: 322, üb: 451, Us: 292, Ut: 262, L: 168, B: 129,
I: 81,6, Ikk: 53,7, Ikr: 12ö,0.
Unter den Yolksschulkindem der gleichen Altersklasse fanden sich
die Minima für Us (276) und Oh (100), das zweite Minimum von Uh
(482) bei einem fast achtjährigen Kinde taubstummer Eltern, dessen
Klassenleistungen mir als gering bezeichnet wurden. Die KörpermaCse be-
trugen: Lk: 1196, Lr: 437, Lb: 568; die übrigen Kopfmafee: Ut: 271,
L: 164, B: 140; die Indizes: I: 85,3, Ikk: 40,3, Dar: 110,3.
5. Aus der Gruppe der achtjährigen Mädchen waren die fünf Fälle
der kleinsten Kopfimafse folgende:
Die kleinsten Kopfmafse besafs eine tiefstehende Idiotin in Alsterdorf,
welche innerhalb der ersten Lebenswochen mit Krämpfen erkrankt war und
weder gehen noch sprechen, noch auch sich rein zu halten gelernt hatte.
Hier waren die Kopfinafee: Uh: 438, Us: 247, Ut: 226, L: 154, B: 125,
I: 81,2. Von den Körpermaisen konnte (wegen hochgradiger Kontraktur)
nur Lr zu etwa 375 (Normalminimum: 428) bestimmt werden.
Bei einem ebenfalls idiotischen, doch psychisch weit höher stehenden
(als „vermutlich bildungsfähig*' bezeichneten), möglicherweise hereditär-
luetischen Mädchen derselben Altersklasse mafs ich in Alsterdorf: Uh:
460S Us: 288, Ut: 257, L: 161, B: 127, Oh: 95. Die Körpermabe
standen etwa zwischen Mittel und Normalminimum (Lk: 1129, Lr: 460,
Lb: 491),
Noch mehr näherte sich den normalen Mittelzahlen ein schwachsinniges
Mädchen in Alsterdorf, das in der Jugend an Keuchhusten und Masern
gelitten hatte ; — sonst wurde nichts Anamnestisches Yon Belang mitgeteilt.
Die Mafse waren: Lk: 1120, Lr: 482, Lb: 462, Uh: 465, Us: 277,
Ut: 263, L: 160, B: 137, Oh: 114, I: 85,6, Ikk: 41,5, Ikr: 96,5.
In der Kieler Schule für Schwachbefähigte fand sich ein Kind, welches
als „imbezill, sprachlich besonders zurückgeblieben^ bezeichnet wurde und
das mit seinen Transversalmafsen dem Normalminimum seiner Altersklasse
nachstand. Es wurde an ihm gemessen: Lk: 1160, Lr: 487, Lb: 489,
Uh: 472, Us: 274, Ut: 261, L: 163, B: 184, I: 82,2, Ikk: 40,7,
Ikr: 96,9.
Die anter den normalen Minimis stehenden Zahlen sind fett gedraoht.
832
Endlich fand ich auch in der Lübecker Hil&schnle ein leicht schwach-
sinniges ach^fthriges Mftdchen, das sich nur durch seine kleine Kopf breite
(135) auszeichnete. Die anderen Kopfinabe waren: Uh: 478, Us: 284,
Ut: 273, L: 167, Oh: 112; die KOrpermafse: Lk: 1160, Lr: 448,
Lb: 523.
6. Unter den neui^&hrigen Knaben fand ich in Alsterdorf einen
schweren Fall von Idiotie, Aber den mir keine besonderen Angaben gemacht
werden konnten, mit folgenden sehr niedrigen Kopfmalsen: Uh: 447, Us:
269, Ut: 857, L: 160, B: 134. Die Körpermalse waren: Lk: 1080,
Lr: 443, Lb: 492.
7. Ein imbeziller zehnjähriger Junge der Lflbecker Hilfsschule bot bei
einer dem Durchschnitt etwa entsprechenden Körpergröfe folgende Kopf-
mafse dar: Uh: 491, Us: 285, Ut: 275, L: 164, B: 147.
Das „normale'' Minimum der Kopflänge (166) in dieser Gruppe ge-
hörte einem Knaben an, dessen Intelligenz mir als gering yom Lehrer be-
zeichnet wurde. Die Qbrigen Kopfmafse des Knaben waren : Uh : 492,
Us: 285, Ut: 274, B: 142. Die Körpermafse standen Aber dem Mittel;
so ergab sich bei einer Lk von 1390 das Minimum für Ikk (35,4).
7. Unter den zehigährigen Mädchen in Alsterdorf fand ich folgende
zwei Fälle: Eine an Krämpfen leidende, sprachlose Mikrokefalin, welche
weder Eltern noch Geschwister kannte: ihre Kopfmafse waren: Uh: 420,
Us: 260, Ut: 253, L: 148, B: 133, I: 89,9.
Und ein zutrauliches, bildungsfähiges Mädchen, das ein wenig lesen
und schreiben konnte. Im letzteren Falle waren die Kopfmalse: Uh: 453,
Us: 300, Ut: 261, L: 164, B: 124, I: 75,6. Die Körpermafse sUnden
mäfsig unter dem Mittel der Jahresklasse.
8. Horizontalumfänge, welche ein wenig unter dem Normalminimom
ihrer Altersklasse (478) standen, fand ich bei drei elfjährigen Besucherinnen
der Lübecker und Kieler Hilfeschulen, welche alle drei als leicht schwach-
sinnig zu bezeichnen waren. Die Kopfinafse waren bei der ersten: Uh:
473, Us: 275, Ut: 271, L: 161, B: 144; bei der zweiten: Uh: 476,
Us: 286, Ut: 274, L: 170, B: 137; bei der dritten: Uh: 476, Us:
280, Ut: 272, L: 167, B: 136.
9. Sehr interessante Verhältnisse bot ein sprachloser, sehr tiefistehender
zwölfjähriger Idiot der Alsterdorfer Anstalt. Er war das uneheliche Kind
eines unbekannten Vaters mit einer gesunden, normalen Hamburgerin. Es
fand sich bei ihm doppelseitiger Kryptorchismus und Prolapsus recü. Der
Körper war klein, die Beine auffallend kurz; von den Kopfanaüsen waren
die transversalen besonders niedrig, so dafs sich ein Lb-Index von 73,0
ergab — eine Zahl, die ich bei keinem gesunden Kinde gefunden habe.^
Die einzelnen Malse waren: Lk: 1200 (Normalminimum 1256), Lr: 457
(Minimum 434), Lb: 307 (Minimum 522), Uh: 440, Us: 270, Ut: 230,
L: 163, B: 119, Ikk: 47,9 (Maximum 42,6), Ikr. 96,3.
NB. Der Körperrumpfindex war die einzige Zahl, welche über das
^ VeräDderungen, welche etwm an Synostose der Sagittalnaht oder an
ViBCHOwt „Sfenokepbalie'' denken Itefaen, waren nicht dentlioh.
833
normale Mittel (98,2) hinansgiDg. Fflr seine Verhältnisse war dieser Zwerg
als eino „Sitzriese*' !
Ein leicht imbeziller zwölfjähriger Junge in der Lttkecker Hilfsschule
fiel bei sonstigen Kop&natsen, die etwa in der Mitte zwischen dem Alters-
dnrchschnitt xmd dem Normalminimnm standen, dnrch seine besonders
geringe Kopfbreite auf, welche ebenfalls einen sehr hohen Grad von
Dolichokefalie bedingte. Über seine Familie erfahr ich, dais die £ltern
des Vaters nahe verwandt gewesen, der Vater periodischer Trinker und
ein Bmder des Jungen Epileptiker sei. Unter den Eörpenna(sen war hier
die Beinlänge besonders gering (521), so ebenfalls die Eörperlänge
nur 1200. Lr betrag 498, die Kop&nalse waren: üh: 500, üs: 298,
Dt: 263, L: 178, B: 133, I: 74,7. Ikk: 41,7, Ikr: 100,4.
Endlich ist in dieser Gruppe auch der Träger der „Normalminima"
fär Uh und Us von Interesse. Er war ein uneheliches Kind, hatte erst
mit zwei Jahren zu laufen begonnen. Da seine Körperma&e dem Durch-
schnitt entsprachen, bot er auch die in der Tabelle angegebenen Minima
fttr Ikk und Ikr. Seine MaTse waren im speziellen: Lk: 1394, Lr: 552,
Lb: 683, Uh: 484, Us: 286, Ut: 261, L: 169, B: 142, I: 84,0, Ikk:
34,7, Ikr: 87,7.
10. Unter deu zwöliQährigen Mädchen ist eine idiotische Zwergin be-
sonders erwähnenswert. Sie gehörte zu den tiefststehenden Insassen der
Alsterdorfer Anstalten, war unreia, sprachlos, konnte nicht gehen, mufste
gefättert werden. Ihre Mafee betrugen: Lk: 1050, Lr: 378, Lb: 510,
Uh: 426, Us: 255, Ut: 288, L: 144, B: 125, Oh: 109, I: 86,8, Ikk:
40,6, Ikr: 88,9. Körperkopf- und Bumpfkopfmdex standen tief unter dem
Mittel; es war also die Kopfentwickluug noch beträchtlich hinter der mini-
malen Körperentwicklung zurflckgeblieben.
Auch eine andere zwölfjährige Alsterdorferin will ich hier anführen.
Bei ihr bestand ein viel leichterer Grad von Idiotie. Sie wurde als lebhaft
und folgsam bezeichnet, beschäftigte sich, spielte gem. Ihre Körpermaise
standen wenig unter dem Mittel: Lk: 1380, Lr: 550, Lb: 622. Von
den Kopfmafsen war die Länge besonders niedrig; sie betrugen: Uh: 461,
Us: 281, Ut: 267, L: 164, B: 135, Oh: 114, I: 87,7, Ikk: 33,4,
Ikr: 83,8.
11. Eine recht bemerkenswerte Beobachtung machte ich unter den
13jährigen Volksschfilem. Einer ^on ihnen bot fClr Uh (468), Us (260),
L(158) und B (186) Malse, welche beträchtlich unter den sonst beobachteten
normalen Minimis standen, ja, die Kopflänge war kleiner als die bei den
zweijährigen Kuaben beobachtete Minimalzahl (159). Bei oberflächlicher
Betrachtung fiel der Junge nicht besonders auf. Als ich während der
Messung den Lehrer fragte : der betreffende Schfiler könne doch kaum den
LeistuDgen der Klasse entsprechen? — war dieser erstaunt, dafs sich aus
der einfachen Untersuchung so bequem ein Anhaltspunkt fflr Beurteilung
der Intelligenz eines Kindes ergebe; denn allerdings sei der Junge weitaus
der dflmmste in seiner Klasse, und nichts lasse sich von ihm erreichen,
weder im Guten noch im Bösen. Seine Körpermafse entsprachen etwa dem
Mittel des Alters: Lk: 1422, Lr: 538, Lb: 720. Der Transversalumfang
betrug 255, die Ohrhöhe 97 mm; die Indices waren: I: 86,1, Ikk: 32,9,
834
Ikr: 87,0. Eingebeiide Anamnese bei den Eltern des Knaben ergab niditB
▼on Belang; der Jonge solle stets |,ein wenig scbwadi im KopP ge-
wesen sein.
12. In der Omppe der 14jftbrigen Knaben endlicb fand leb einen
qiileptiscben Alsterdorfer Idioten (leicbteren Grades) mit etwa dem Dorcb-
scbnitt entsprecbenden KOrpermaben (Lk: 1468, Lr: 540, Lb: 725), bei
dem aber die Kopfmabe groisenteils nnter den bei den Yolksscbfliern be-
obachteten Grenzen standen. Die letzteren betrugen: üb: 482, Us: 288,
üt: 260, L: 168, B: 181; die Indices waren: I: 78,0, Utk: 32,5,
Ikr: 89,3.
unter den VolksschOlem selbst fanden sich die in der TabeUe mit-
geteilten Minimalzablen fQr üh| Us, üt and L bei dem schlechtesten
SchOler seiner Klasse, dessen Intelligenz als „mangelhaft' Tom Lehrer be-
zeicbnet wnrde. Nach Angabe der Eltern hatte dieser Jonge erst mit vier
Jahren zn gehen begonnen. Seine KOrpermalse standen nnter dem Mittel
des Alters nnd betrügen für Lk: 1349, Lr: 580, Lb: 639. Die Kopf-
breite mais 145 mm; der Lb-Index war also 87,3, die anderen Indizes:
Ikk: 36.2, Ikr: 92,3.
Anch das zweite Minimum des Horizontalnmfanges in dieser Alters-
gmppe (501) nnd das Minimum der Kopfbreite (136) gehörte einem „ab-
normen ** Jungen an. Es wurde bemerkt, dafs er herumstreife, die Scbule
gelegentlich schwänze; sein Vater sei im Irrenhaus gestorben. Hier waren
die flbrigen Mafse: Lk: 1442, Lr: 548, Lb: 710, üs: 296, Ut: 271,
L: 179, I: 76,0, Ikk: 34,7, Ikr: 91,4.
Ein noch niedrigerer Lb-Index als bei Torigem, der niedrigste unter
den 14 Jahrigen Knaben beobachtete (7S,'i), gehörte ebenfalls einem Jungen
mit „mangelhafter** Intelligenz an.^ Sonst liefs sich Aber diesen SchOler
nichts erfahren. Seine Maise waren: Lk: 1572, Lr: 604, Lb: 757, Uh:
541, üs: 380, Ut: 283, L: 198, B: 146, Ikk: 34,4, Ikr: 89,6.
Des weiteren mögen hier noch einige wenige Beobaohtnngen an
Volkssohnlkindern mitgeteilt werden, bei welchen auffallend
geringe Schul leistungen angegeben waren.
Von Interesse scheint mir z. B. das siebenjährige M&dchen zu sein,
welches in seiner Altersklasse die Mazimalzahlen für Ikk (49,2) und Der
(127,1) darbot. Es war dies nftmlich — entgegen dem auf S. 741 Ge-
sagten — eines der Ältesten in seiner Omppe, besafs eine Lk von 1060,
eine Lr von 454, Uh betrug 521. Die übrigen Kopfinafse waren: üs:
301, üt: 305, L: 178, B: 152. Seine Intelligenz wurde als niedrig
bezeichnet.
Ein ähnliches Yerhalten zeigte ein leicht imbezilles Mädchen Ton
13^/t Jahren, welches ich in der Lübecker Hüfeschule untersuchte.
Es hieb Ton ihm, dafii es sich geistig langsam entwickdt habe.
^ Nachtriiglich mair hier bemerkt werd«*n, daft auch der niedrigste Lb-
Index unter den rierjährigen Knaben (742) einem Jungen mit auffallend ge-
ringer Intelligeni angehörte. Bei ihm stand die Kopflänge (186) dem Mazimam,
die Breite (186) dem liinimum des betreffenden Altersstufe nahe.
835
Bei ihm standen die EOrpermaiBe unter dem normalen Minimnm des
Alters (Lk: 1204, Lr: 400, Lb: 535); die Eopfinafise entsprachen etwa
dem Mittel (üh: 530, Us: 314, Ut: 283, L: 181, B: 145). Körper-
kopf- nnd Rnmpf kopfindex waren demnach nüt 44,0 und 114,2 beträcht-
lich übermaximal.
Umgekehrt fanden sich bei zwei schwach begabten Volksschnlkindem
minimale GrOCsen für die das Yerhfiltnis zwischen Kopf and Körper aus-
drückenden Zahlen. Das eine war ein neoigfthriger Knabe, welcher erst
mit 3Vs Jahren zu sprechen begonnen hatte. Seine MaCse waren: Lk:
1345, Lr: 540, Lb: 594, Uh: 492 (Minimum: 479), üs: 282 (MinimumI),
üt: 279, L: 169, B: 142, I 84,0, Ikk: 36,6, Ikr: 91,1.
Das andere war ein Mädchen von 13 Jahren. Bei diesem standen
die Kopfmafse wenig unter dem Altersmittel (Uh: 514, Us: 292, Ut:
281, L: 179, B: 147); von den Körpermaiken war: Lb (811) maximal,
Lk betrug 1592, Lr: 588. Ikk (32,5) war für das Alter minimal, Ikr
betrug 87,8 (Minimum 83,2).
Zum Schlüsse sei mir noch eine kurze Bemerkung über die sa
oft — von berufener und unberufener Seite — erhobene Frage ge-
stattet: Wie weit darf man in einer besonders vorgeschrittenen
Entwicklung des Kopfes eine günstige Disposition oder gar ein
Kennzeichen für hohe Intelligenzleistungen erblicken? Be-
kanntlich hat diese Frage schon Galen — im Anschlüsse an
Aristotelbs — beschäftigt. Er betonte vor allem die grofse
Variabilität der Kopfma&e. Der Durchschnitt gebe die
günstigste Disposition für bedeutende Leistungen — was nach
oben oder unten vom Mittelmafse abweiche, sei verdächtig. Diese
im Grunde durchaus richtige Anschauung wurde in späterer Zeit
ndt zunehmender Kenntnis des Gehirns und seiner speziellen
Funktionen abgewiesen. Bekannt sind die Anschauungen Galls
und Spurzhbims, bekannt auch — wenigstens in den Eesultaten —
die Ansichten ihrer Schüler unter den älteren, ihrer Apostel unter
den neueren und neuesten Autoren. Fast allgemein gilt als dogma-
tisch festgelegt, data der groüse Kopf eine hohe Litelligenz anzeigt,
ja, dals unter verschiedenen Kassen die gröJserköpfige auch die
leistungsfähigere sei. Gegen die letztere Anschauung äufserte sich
schon in den 70er Jahren A. Weisbach* an der Hand eines
gröiseren, vergleichenden Materials, indem er zeigte, dafs siclii das
Verhältnis zwischen horizontalem Kopfumfang und Körperlänge
durchaus nicht einwandsfrei zugunsten höherer psychischer Entwick-
lung der Kultumationen verwerten lasse. Über die andere Frage
^ Ergebnisse der Novara-Ezpedition, S. 271 (i. d. Zeüaehr. f. Ethnoiosfie,
Band IX, sappl.).
8ehiilg«sandheit«pfl«ffe. XVIII. 44
836
aber, inwieweit innerhalb einer Nation die g^roGsköpfigen Indiyidnen
anoh die intelligenteren seien, wnrden erst in den letzten Jahren
Erhebungen angestellt, welche sich über die früheren dilettantischen
Untersuchungen mittels des lyKonformatenrs" (2. B. durch den
Leipziger Neurologen P. Mobius) erhoben. Durch Binst^ vor allem
konnte gezeigt werden, da(s intelligente Schulkinder von gleichaltrigen
Schwaohbefthigten in nichts unterschieden sind. Erst wenn man
die Eopfmafse von „Elite -Schülern" mit stark zurückgebliebenen
vergleicht, ergibt sich (an einem kleinen Material) eine nennenswerte
Differenz zugunsten der ersteren.*
Bemerkt mag werden, dafs Binbt diese Differenz vor allem in
den Breitenmafsen des Kopfes (dem „diam. transversale maz.'
und „diam. biauriculaire^) nachzuweisen vermochte.
Aus meinem eigenen Material lälst sich entnehmen, dab
die Kinder, welche mir als „besonders intelligent", als erste
ihrer Klasse usw. von den Lehrern bezeichnet wurden, im allge-
meinen mit dem Kopfmafse sowohl wie mit den Indizes, welche
die Beziehung zwischen Horizontalumfang und Körpermaisen aus*
drücken, durchaus dem Durchschnitt ihres Alters entsprachen.
Eine kleine Anzahl bot für einzelne Kopfma&e Mazimalzahlen
innerhalb ihrer Oruppe. Bei diesen liefs sich meist eine besonders
starke Längenentwicklung des Schädels konstatieren (Mazima für
L und Us); bemerkenswert ist, dafs bei diesen Personen auch der
Körperkopf- und Rumpfkopf-Indez meist wenig von den betreffenden
Mittelzahlen abwich.
Äuüser den beiden schon auf Seite 744 angeführten Brüdern,
welche aus einer groÜBköpfigen, schon seit Generationen dem Qe-
lehrtenstande angehörigen Familie stammten, sind noch folgende
Beobachtungen im einzelnen mitzuteilen:
1. Schon unter den sechsjährigen Knaben fand sich das zweite
Maximum des Horizontalumfangs von 544 mm und die gröüste Kopflänge
(194) bei einem als hervorragend begabt bezeichneten Jnngen. Er
zeichnete sich durch eine besonders gewölbte Stime aus; auch das Tuber
occipitale war stark entwickelt Seine übrigen Kopfmafse waren: Us: 333,
üt: 292, B: 151, der Lb- Index also 77,8. Das Yerh<nis zwischen
Kopf und Körper betrug: Ikk: 49,8, Ikr: 126,5.
^ Yergl. besondert seine Arbeiten im 7. Band der Ännie psyehologique
(1901).
' Ähnliche Besaltate teilen Btebibh und Löwbkfild mit in ihrer Arbeit:
Über die Beriehnngen des Kopfamfangfes sor Körperl&nge und aar geistigen
Entwicklang. Wiesbaden, J. F. Bergmanns Verlag, 1905.
837
2. Die in der Tabelle angegebenen Maxima fQr Uh, üs nnd Ut
unter den siebeigfthrigen Mädchen bot ein besonders gnt begabtes Kind
dar. Bei diesem waren die übrigen Eopfmaüse: L: 182 (Maximum: 188),
B: U9; die Indices: I: 81,3, Ikk: 46,9, Ikr: 115,5.
3. Folgende Eopfmafse hatte ein hervorragend intelligenter neunjähriger
Jnnge: Uh: 554 (zweites Maximum), Us: 343 (Maximum), üt: 303, L: 194
(drittes Maximum), B: 160; die Indizes waren in diesem Falle: I: 82,5,
Ikk: 40,9, ürr: 113,5.
4. Ebenfalls sehr groCse Eopfmaise, und zwar wieder die stärkste
Entwicklung in der Sagittalen, fanden sich bei einem der jfingsten zehn-
jährigen Knaben, welcher den ersten Platz in seiner Klasse einnahm. Die
MaTse waren: üb: 556, Us: 348 (zweites Maximum), Ut: 311, L: 197,
B: 156, der Lb-Index: 79,2. Ikk betrug 40,8, Ikr: 108,8.
5. Ebenfalls der erste Schüler in seiner Klasse war ein 12Vsjähriger
Junge, welcher das Maximum für L (200) in seiner Gruppe besafs. Sein
Uh stand mit 558 mm an dritter Stelle der Maxima. Die übrigen Kopf-
mafse waren: Us: 323, Ut: 283, B: 153; die Indices: I: 76,5, Ikk:
37,7, Ikr: 101,5.
6. Auch bei den 14jährigen Knaben wurde die maximale Kopf-
länge (202), sowie der grO&te Horizontalumfang (574) von einem als be-
sonders begabt bezeichneten Jungen geliefert. Bei diesem betrugen die
anderen Kopfmaise: Us: 331, Ut: 307, B: 158, Oh: 125; die Indices:
I: 78,2, Ikk: 33,7, Ikr: 88,3.
7. Zum Schlüsse mag noch ein sehr begabtes 14jähriges Mädchen
genannt werden, welches den zweitgröfsten Horizontalumfang (543), sowie
die drittgröfsten Zahlen für Us (323), Ut (317), L (187) und B (154)
in ihrer Altersgruppe besaCs. Die Indices waren: I: 82,4, Ikk: 36,4,
Ikr: 94,3.
44*
838
iXtts Derfattttlttniett tt») Dereitte».
EndeliiiBg lud Schule im Kampfe gegen den AlkoIioUsmiis.
Beriobt ober den X. Iniernfttionalen Kongrelii in Bodapeet — September 1906.
Aatorreferat über einen Vortrag, gehalten im Grofs-
ratssaale in Bern.
Von
WiLHBLM Wbibb, Sek.-Lehrer,
Zfirioh.
Die Sorge für die Schwachsinnigen wird mit Recht als eine
der schönsten Ermngenschaften der modernen Pädagogik betrachtet.
Allein der Erzieher wird sich nicht damit begnügen, mit den Tat-
sachen als solchen sich abzufinden nnd diese Ärmsten der Armen
zu be&higen, ihr Plätzchen in der menschlichen Gresellschaft so gut
als möglich auszufüllen, sondern er wird in die Tiefe graben und
auch den Ursachen einer solch anormalen körperlichen und geistigen
Entwicklung nachzuspüren suchen.
Ond da stellt es sich heraus, dafs neben schlechter Ernährung,
neben unleidlichen Wohnräumen mit ihrem Mangel an Luft und Licht,
überhaupt neben ungünstigen, sozialen Verhältnissen der Alkoholismus
unbestritten eine wichtige Bolle spielt.
Es darf daher nicht verwundern, wenn auf den Kongressen
gegen den Alkoholismus jeweilen auch das Thema ,, Erziehung
und Schule im Kampfe gegen den Alkoholismus" gründlich
zur Sprache kommt. Diese Debatten bildeten an den drei letzten
Kongressen zu Wien, Bremen und Budapest eigentliche Glanzpunkte
der Verhandlungen.
In Budapest wurde der ganze Vormittag des offiziellen Haupt-
tages dieser neuen Kulturaufgabe der Schule gewidmet. Das Ehren-
präsidium des Kongresses war dem Kultus- und Unterrichtsminister
Ungarns übertragen worden, der die Eröfihung mit einer bemerkens-
werten Ansprache einleitete. Damit ist deutlich ausgedrückt, da£9 die
Basis, auf welcher die moderne Anti- Alkoholbewegimg ruht, eine
ethische ist, mit welcher sich die finanziellen Literessen eines Staates
auseinanderzusetzen haben.
8ä9
Diese AnfSassung teilte auch das genannte Ministerium, indem
es eine Beihe von Verordnungen erlieis, welche die Bekämpfung des
Alkoholismus durch die Schule bezweckten und welche hier in aller
Kürze angeführt werden sollen.
In Ungarn reicht die obligatorische Volksschule bis zum 15. Alters-
jahre. An sie schlielsen sich sogenannte „Jugend -Vereinigungen^,
eine Art fakultativer Fortbildungsschule, die unter anderem auch
den Zweck verfolgen, die nicht mehr schulpflichtige Jugend vor den
Gefahren des Wirtshauses zu bewahren. Hier setzt das ministerielle
Bundschreiben ein, indem es Wegleitung erteilt, wie in den Zu-
sammenkünften dieser Gesellschaften, deren es schon über 500 gibt,
der Kampf gegen den Alkohol aufgenommen werden kann. Vier
Kampfesmittel werden erwähnt: die Aufklärung, die Gewöh-
nung an alkoholfreie Geselligkeit, der Sinn für Hygiene
und das persönliche Beispiel des Unterrichtenden. Die
Primarschulinspektoren sind gehalten, dem Ministerium die Namen
derjenigen Lehrer mitzuteilen, welche in dieser Beziehung am meisten
arbeiten.
Ein weiterer Erlais ist gerichtet an die Inspektoren der Sekundar-
and höheren Töchterschulen, der Handels- und Industrieschulen, in
welchen Anstalten die Hygiene in ganz Ungarn ein selbständiges
Unterrichtsfach bildet. Kein Lesebuch, kein Lehrmittel der Anthro-
pologie, der Chemie und der Hygiene erhält die behördliche Ge-
nehmigung, wenn es nicht Lesestücke aufweist, welche den Kampf
gegen den Alkohol unterstützen. Die Lehrer werden aufgefordert,
Anti -Alkoholvereine zu gründen, und die Schulinspektoren sollen
hierüber nach jedem Schuljahre Bericht einsenden. Den Schul-
bibliotheken wird die Anscha£Pang des Buches von Ministerialrat
IsiBOB VON MlDAT „Neue Untersuchungen über die Alkoholfirage,
speziell in Ungarn", sowie das Abonnement auf die Zeitschrift „Am
Älkoholunnus" empfohlen.
Weil das Unterrichtsgesetz den Schülern nicht gestattet, einem
Verein au&erhalb der Schule anzugehören, so ist die Gründung von
abstinenten Schülerverbindungen an^Mittelschulen, wie sie in Deutsch-
land und in der Schweiz bestehen, verunmöglicht. Damit jedoch an
den höheren Schulen das Interesse für die Alkoholfrage geweckt werde,
gibt das Ministerium den Abstinenzvereinen Erlaubnis, den Schülern
Vorträge halten zu lassen, zu welchen diese in Begleitung ihrer
Lehrer erscheinen. Bis zu Anfang des laufenden Jahres wurden 207
solcher Ansprachen gehalten, an denen 18475 Hörer teilnahmen.
840
Die Abstinenzorganisationen sollen anoh bei der Auswahl der Lese-
Stücke» welche in die Lehrmittel Ao&ahme finden, ein Wort mitzu-
reden haben. In den Lehrer- und Lehrerinnenseminarien werden
auch obligatorische Vorträge über die Tuberkulose gehalten, die ja
sehr häufig mit dem Alkoholismus im engsten Zusammenhang steht
Man wird kaum fehlgehen, diese ministeriellen Erlasse als
unmittelbare Wirkungen der Kongrelsrorbereitungen zu betrachten.
Datieren doch die wichtigsten derselben aus diesem Jahre. Die
Zukunft muTs zeigen, ob das allen Impulsen leicht zugängliche
ungarische Naturell in dieser Sache auch die nötige Ausdauer an
den Tag legt Jedenfalls ist die Regierung auf dem richtigen Wege,
wenn sie die Aufklärung der Jugend und das persönliche Beispiel
des Lehrers als die wichtigsten Faktoren einer Umgestaltung der
Ansichten in bezug auf die Wertschätzung der geistigen Getränke
in den Vordergrund stellt. Eine solche Wandlung in den An-
schauungen nützt mehr als alle Verbote, wie sie Ungarn auch besitzt
So untersagt eine Verfügung vom Jahre 1903 allen Kindern unter
15 Jahren den Besuch von Wirtschaften und öffentlichen Vergnügungs-
lokalitäten, in denen Alkohol ausgeschenkt wird. Wer dagegen fehlt,
hat eine Buise bis auf 100 Ejronen zu gewärtigen.
So war schon in der Erö&ungssitzung durch die Person des
Ministers (von LuKiso) das pädagogische Moment sehr stark henror-
getreten. Dasselbe war in der gleichen Sitzung noch einmal der Fall,
als Professor Dr. Grübbr aus München den Festvortrag über y,Die
Hygiene des Ich" hielt, der gegen den Schlufs hin eine geradeza
weihevolle Stimmung erzeugte.
In den flauptverhandlungen über das Thema „Erziehung und
Schule im Kampfe gegen den Alkoholismus " waren die Lehrkörper
fast aller Mittelschulen der Stadt vertreten. Femer nahmen die
ältesten Zöglinge der Budapester Lehrerinnenpräparaudien teil an der
Versammlung. Als erste Bednerin sprach Mrs. Eliot Yorks aus
England, welche ausführte, dafs die Unwissenheit der grölste und
stärkste Pfeiler sei, auf welchem die UnmäTsigkeit ruht
Franziskus HIunbl, Lehrer am Technikum in Bremen, ver-
stand es, die Gesichtspunkte zu vertiefen. Beim Aufräumen alter
Notizbücher fiel ihm das Schülerverzeichnis einer längst ausgetretenen
Klasse in die Hände, und da ihm am gleichen Tage einer dieser
früheren Schüler begegnete und ihm sein Leid klagte, kam ihm der
Gedanke, einmal zu untersuchen, welche Bedeutung eine alkoholfreie
Jugenderziehung in Schule und Haus habe. Zunächst suchte er
841
mit diskreter ünterfitütznng von Lehrern, Eltern nnd Ärzten festzu-
stellen, welchen EinfluDg die Trinksitten auf die Lebensschioksale
seiner ehemaligen Zöglinge ausühten. Die Untersuchung erstreckte
sich auf 57 Schüler von der Untertertia bis zur Quinta. Aus der
Oruppe derjenigen Schüler, deren Schicksal sich anders gestaltet hätte,
wenn nicht der Alkohol und die Trinkanschauungen als wesentliche
Faktoren in ihr Leben eingegriffen hätten, führte der Redner Lebens-
bilder vor, welche deutlich bewiesen, wie der Alkoholgenuls der
Jugend aller Volkskreise die Erziehung in augenfälliger Weise hindert«
indem yerminderte Leistungsfähigkeit, frühzeitige Nervosität und 0ha-
rakterverschlechterung seine hauptsächlichsten, unmittelbaren Folgen
sind. Der Lebensgang zahlreicher Menschen würde sich freundlicher
und für die Menschheit mehr Werte schaffend gestaltet haben, wenn
ihre Erziehung und ihre Lebensweise nicht durch den Trunk beein-
fluist worden wären.
Wenn auch die vorgebrachten Beispiele ihrer geringen Zahl
wegen den Statistiker nicht befriedigt haben mögen, so waren sie
doch geeignet, die anwesenden Lehrer anzuregen, auch ihrerseits solche
Beobachtungen zu verfolgen und das statistische Material zu ergänzen.
Ein dritter Referent, Schulinspektor ObttOs aus Szolnok, stellte
die Frage: ^Was können wir im Schulleben gegen den Alko-
holismus tun?*^ Seine Antwort lautete kurz und bündig: »Wir
müssen die Kinder zur Abstinenz erziehen." In jeder Gemeinde
sollte, womöglich unter der Leitung des Lehrers, ein Nüchtemheits-
klub gegründet werden. Wo Anstalts- und Schulärzte angestellt sind,
sollten diese die Aufklärungsarbeit besorgen; wo sie fehlen, sind für
die YolksschuUehrer besondere Kurse einzurichten.
Primararzt Dr. Fischer aus Prefsburg stellte ähnliche Forderungen
auf und betonte vor allem das persönliche Beispiel des Erziehers, der
zeigen soll, data man auch ohne Alkohol existieren kann, ja, dafs
der Abstinent die Freuden des Lebens besser geniefsen, die Sorgen
besser niederzwingen kann als jene, welche im schweren Kampfe
ums Dasein noch durch den Streit ihres eigenen Organismus gegen
die schädlichen Wirkungen des Alkohols gehemmt werden.
Als letzter Referent sprach Dr. Laozö aus Budapest, der aus-
führte, dafs der Alkoholismus die Gresellschaft in dreierlei Formen
verwüstet : als Krankheit, als Mode und als Verlockung, welcher vor
allem die Jugend zum Opfer fUlt. Die Lehrer der Religion und
Sitte sollten dahin streben, dafs die Jugend im Kampfe gegen den
Alkohol eine moralische Pflicht erblickt.
842
An diese fQnf Vortrftge aohlola doh unter dem YoisitEe Ton
Professor Dr. Orubbr eine Diskussion, wie sie bei keinem anderen
Thema des Kongresses zn yerzeiohnen war. Nicht weniger als 24
Bedner hatten sich snm Worte gemeldet Gleich der zweite stellte
die Forderong anf , da(s am nächsten Kongreis in Stockholm dieser
wichtigen Frage noch viel mehr Zeit gewidmet werde und dals man
hierbei insbesondere darauf eingehen möchte, wie man die Jugend in
Schule und Haus vor den Gefahren des Alkohols bewahre. Dieses
yyWie*^ wurde sofort durch Frau Professor Alli TRTQO-HBUornjs
aus Hekingfors praktisch demonstriert. Rasch hatte sie eine Schar
Mädchen zusammengetrommelt und erteilte ihnen eine Lektion über
die geistigen Getränke. Zu begeistern — ja, das verstand die tem-
peramentvolle Dame. Sie nahm unter anderem ein Mädchen vor und
führte mit Hilfe der Kinder aus, dafs dieses Menschenkind ein kost-
bareres Gut darstelle als die schönste Kirche in ganz Budapest und
dais niemand ein Becht dazu habe, diesen Tempel Gottes durch
Alkohol zu entweihen.
Der improvisierten Lektion folgte am nächsten Morgen vor der
eigentlichen Kongreissitzung eioe Spezialkonferenz, einberufen durch
dieselbe Dame. Sie teilte mit, dais fttr die Bekämpfung des Alkoholismus
durch die Schule demnächst ein neues Buch in den deutschen Budi-
handel komme, welches den Stoflf nach Lektionen geordnet enthält
Aus allen Mitteilungen merkte man heraus, dafis es keine blolse
Phrase war, wenn Frau Professor Hklekius in der Diskussion er*
klärt hatte: „Wir warten nicht auf die Minister, nicht auf die
Ärzte, nicht auf die Lehrer, sondern wir fangen heute schon an; demi
die Kioder können auch nicht warten. Wir dürfen es nicht darauf an-
kommen lassen, dals uns die jungen Leute, deren Lebensglüok in der
Alkoholfiut untergegangen ist, vorwurftvoll entgegenhalten: „Warum
hat mir niemand gesagt, dab das erste Glas der Verführer ist?^**
Professor Dr. Szalkat aus Budapest war nicht der einzige
Bedner, der es beklagte, dab die Lehrerschaft ttber die Alkoholfrage
nicht informiert ist. In seinen Vorträgen waren Eltern und Kinder
da, aber die Lehrer fehlten, bis sie als Klassenvorsteher kommen
mulsten. Dies hatte insoweit gewirkt, da(s heute mehrere dieser
Herren am Kongreis teilnahmen. „Mit den Schuldirektoren der ver-
schiedenen Anstalten*^, sagte er, „verhält es sich wie mit den Bedak-
tionen der politischen Tagesblätter. Die günstige Au&ahme der Be-
strebungen gegen den Alkohol wächst mit dem Bildungsgrade der
leitenden Persönlichkeiten."
843
Der Referent Franziskus Hähnbl ans Bremen erklärte in seinem
Sohluisworte, daJs man aaoh in Dentscbland mit dem Verlangen an
die Seminarien gelangen werde, die Kandidaten bei der Abgangs-
prüfung über die wissenschaftlichen Grrnndlagen der Alkoholfrage zu
examinieren, wie es in den Vereinigten Staaten von Nordamerika seit
Jahren geschieht.
Mit dem Kongreis war anch diesmal wieder eine Ausstellung
Terbunden, an welcher die graphischen Tabellen zweier Schweizer,
WiLLBinBGGER- Zürich und BBEGENZEB-St. Gallen, besonderes Interesse
erweckten. Die Arbeiten des ersteren veranschaulichten die Be-
ziehungen des Alkoholismus zum Verbrechen, zur Gresundheit, zu
geistiger Arbeit und zu den Greisteskrankheiten, diejenigen des letz-
teren umfaCsten Nahrungsmittelanalysen nach Professor Dr. König,
sowie eine Ausgabenyerteilung von drei Familien bei einem monat-
lichen Einkommen von 125 Francs, je nachdem gar keine oder mäCäg
oder unmäisig geistige Getränke genossen werden. Diese Tabellen
könnten in jeder Sekundär- oder höheren Schule dem Hygiene- und
Chemieunterricht gute Dienste leisten. Die übrigen Bilder, mit
Ausnahme der bekannten „Dresdener Bilder gegen den Alkohol",
krankten an dem Übel, dals sie häusliche Szenen aus dem Leben der
Trunkenbolde zur Darstellung brachten. Dem Kinde gegenüber soll
man auch hier nur das Schöne und Gute bejahen. Andere Kartons
und Präparate demonstrierten die anatomischen Veränderungen, welche
der Alkohol an den verschiedenen Organen des menschlichen Körpers
hervorruft.
Der Kampf gegen den Alkohol hat in Ungarn erst begonnen.
Aber in einer Beziehung steht dieses Land an der Spitze der euro-
päischen Staaten, nämlich darin, dals es ausgezeichnete Vorschriften
besitzt, durch welche die Jugend auf die Gefahren des Alkohols
aufmerksam gemacht, ja direkt zur Abstinenz erzogen werden soll.
Die jetzige Generation fühlt sich in der Lage jenes amerikanischen
Zugführers, der schwerverwundet in den Trümmern seines entgleisten
Zuges lag und bat, an den Schnellzug zu denken, welcher in einer
Stunde hier durchfahren müsse. „Zeigt ihm die rote Laterne l'^
waren seine letzten Worte. Wir Erwachsenen sind in diesem ersten
Zuge und hinter uns kommt die Jugend herangebraust. Sie eilt
jauchzend dem Leben entgegen. Sollen wir sie ins Verderben stürzen
lassen? Nein! und abermals neini Schwingen auch wir durch Nacht
und Nebel — die rote Laterne 1
844
Vom Deutschen Kenrrefs Ar Vollu- ud Jv^nikpiele
in FrankAirt a. H.
(15.— 17. September 1905).
Einem uns zagegangeneo Berichte von E. ▼. SOBBNCKBKDOBnr-Gdiütz
entnehmen wir folgendes:
Erster Tag.
Zuerst sprach Generalarzt z. D. Dr. MsiSNBR-Berlin Aber die Be-
ziehungen zwischen Schule und Heer.
Ref. gibt an der Hand von statistischen Unterlagen zun&chst eine
Übersicht Aber den Ausfall an Tauglichen in den einzelnen Berufsschichten,
an dem die Schiller der höheren Schulen in grolsem Habe beteiligt sind.
Als Abhilfe empfiehlt er u. a. für die Bekämpfung der Fehler der Augea,
besonders der Kurzsichtigkeit, die Entfernung der Kleindrücke und Her-
richtung gttnstiger Beleuchtung bei den Arbeiten aufserhalb der Schule
sowie Üben des Auges im Femsehen ; für die der Lungen und des Herzens
Entlastung aller äuDserlich angebrachter Hindemisse. Die beste Vor-
bereitung fiir den Heeresdienst aber ist die Verlegung der körperlichen
Übungen ins Freie und Spiel und Wanderung, bei denen das im eigent-
lichen Turnen Erlerate im freien Gelände zur praktischen Verwertung
kommt. Dieser Art von Übungen sollte darum wöchentlich ein Nachmittag
gehören, an dem die Schüler pflichtmäfeig teilzunehmen haben.
Sodann sprachen Prof. Dr. KOOH-Braunschweig und Studiendirektor
RiTDT-Leipzig über die Erziehung zur Selbständigkeit. Der
erste Redner ftlhrte etwa folgendes aus:
Das Verlangen nach Erziehung zur Selbständigkeit, das jetzt tod
vielen Seiten geäulsert wird, erscheint voll berechtigt im Hinblick auf die
grofsen Aufgaben, denen sich das deutsche Volk gegenüber sieht Die
Leibesübungen erscheinen besonders geeignet, die Erziehung zur Selb-
ständigkeit zu fördem; wenn die Schule sie in ihren Erziehungsplan auf-
nimmt, so wird sie nicht mehr die Verstandskräfte allein ausbilden, Bonden
auch die sittlichen Kräfte entwickeln. Von den Leibesübungen sind vor
allem diejenigen zu betreiben, die Selbständigkeit entwickeln, so die Kriegs-
spiele und längere Übungsmärsche. lYeie Schfllervereine, besonders die
Rudervereine, haben sich schon trefflich bewährt. Auch die Spidnach-
mittage, die der ZentralausschuCs an allen Schulen einrichten will, forden
die Selbständigkeit in hohem Grade, wenn sie zweckentsprechend ein-
gerichtet werden.
Studiendirektor Professor RATDT-Leipzig besprach im einzelnen die
folgenden von den beiden Referenten gemeinsam aufgestellten, und von der
Versammlung angenommenen Leitsätze und belegte sie mit vielen Beispielen
aus seiner Erfahrung.
1. Leibesübungen sind besonders geeignet, die Jugend zur Selb-
ständigkeit zu erziehen.
2. Der Betrieb der Leibesübungen ist so zu gestalten, daüs der Jugend
möglichst viel Selbständigkeit gelassen wird.
845
3. Diejenigen Übungen sind besonders zn berflcksichtigen, die möglichst
selbständige Leistungen erfordern.
4. Es ist darauf Bedacht zu nehmen, dafs die Jugend gelegentlich
in solche Lagen versetzt wird, wo sie Selbständigkeit und Initiative
bewähren kann.
5. Von der Schule sind längere Übungsmärsche und E^riegsspiele
regelmäfsig und möglichst oft zu veranstalten.
6. Spielnachmittage sind an allen Schulen allgemein verbindlich ein-
zurichten.
7. Selbständige Vereine von Schülern einer Anstalt, die sich gemein-
samen Leibesübungen widmen, sind unter Oberaufsicht der Schule
zu gestatten und tunlichst zu fördern.
Sodann sprach Tuminspektor WsiDENBUSCH-Frankfurt a. M. über
die frühere und jetzige Schwimmethode in Frankfurt a. M. In
kurzen Zügen wies er auf die Entwicklungsgeschichte des Schwimmens in
Frankfurt a. M. hin und zeigte, dafs die Stadt schon seit dem Jahre 1842
diese überaus wichtige Körperübung in ihren Schulen eingeführt hat. Heute
werden von 45 Schulen die vier obersten Jahrgänge unterrichtet. Die
Schülerzahl ist auf 8100, Knaben und Mädchen, gestiegen. Die ver-
ursachten Kosten betragen 37 000 Mark. Mit der Zunahme der Schüler-
zahl hat sich gleichmäfsig die Methode weiterentwickelt. Der Einzel-
unterricht räumte dem Massenunterricht das Feld. Das Schwimmen selbst
wird durch das Trockenschwimmen vorbereitet und so das gesteckte Ziel
schneller und leichter erreichbar gemacht.
Zum Schlufs stellte der Redner als Leitsatz unter dem zustimmenden
Beifall der Versammlung folgendes hin:
Das Schwimmen ist nicht nur wegen seiner gesundheitfördemden Ein-
wirkungen auf den Körper, sondern auch wegen der Herrschaft über das
Wasser in Lebensgefahr von allergröfster Wichtigkeit fürs Leben und sollte
deshalb überall da, wo die Möglichkeit vorhanden ist, in den Knaben- und
Mädchenschulen gefördert werden.
Der Nachmittag war ganz den Jugendspielen selbst gewidmet Auf
dem grolsen Exerzierplatz bei Griesheim a. M. fanden bei prächtigstem
Wetter die verschiedenartigsten körperlichen Spiele von Schülern und
Schtilerinnen aller Schulen Frankfurts (mehr als 4000 Knaben und Mädchen)
statt. Es war ein herzerfreuender Anblick.
Zweiter Tag.
Universitätsprofessor Dr. Fineleb - Bonn, Direktor des dortigen
hygienischen Instituts, hielt einen Vortrag über „Die körperlichen
Anlagen, ihre Entwicklung und Ausbildung".
Der Redner ninmit Gelegenheit, die Prinzipien hervorzuheben, welche
an den Funktionen der Organe des Körpers gelegen sind; wie diese Tätig-
keiten untereinander in Systemen bestehen, wie sie mit der Zeugung und
dem Wachstum der Organe sich ausbilden. Das ganze komplizierte Ge-
triebe der Körperteile folgt gewissen Gesetzen, welche insbesondere alle
dem Prinzip der höchsten Zweckmäßigkeit dienen. Diese Zweckmäfisigkeit
erstreckt sich auf die Erhaltung der Art und die des Individuums.
846
Eine Aasbildong aller Tätigkeit^ and der dalllr Torhandenen Organe
ist gewährleistet dnrcb die Gesetze der Vererbung und der Zähigkeit des
Artcharakters sowie dnrcb das Bestreben des Körpers zur natorgemafeen
Veryollkommnong. Sie ist zn fördern dorch Übnng and Anforderongen an
den Körper and seine Teile. Die Zellen des menschlichen Körpers arbeiten
und yerbraucben Kraft und Stoffe, auf Grund der ihnen innewohnenden
Eigenschaften des lebendigen Eiweiises. Die verbrauchten Stoffe werden
wieder ersetzt, und zwar mit der Neigung, mehr zu ersetzen, als verlorai
ging: Verbrauch — Wiederersatz — Stärkung resp. Vergröfserung und
Wachstum. Speziell das Muskelsjrstem erreicht in der Übung hier viele
Erfolge, nicht nur in der Verstärkung der Muskeln und der morpholo-
gischen Grundlage, sondern auch in der Erhöhung des Nutzeffiektes, Ver-
minderung der Mitbewegungen, Ersparung von Kraft.
Die Übung erhöht die Spannung der Muskeln, verbessert damit die
Haltung, die Schlagfertigkeit, die Selbständigkeit, sie wirkt auch auf die
Zentralorgane des Nervensystems, erhöht deren Gebrauchsfähigkeit und
geht deshalb auch mit einer kräftigenden Einwirkung auf Gehirn und
Psyche einher.
Gefahren der Übung auf das Herz sind vermeidbar durch richtige
Beurteilung der Ermüdung und individualisierende Beobachtung der Kinder.
Der Turnlehrer muls deshalb der Beobachter des gesamten Befindens der
Kinder sein.
Eine Übertragung der durch Übung erreichten Vorteile durch Ver-
erbung ist nicht so einfach zu erwarten; aber die Erziehung gesunder und
kraftvoller Individuen muCs im gOnstigsten Sinne auf spätere Generationen
einwirken, schon durch Vermeidung der Krankheiten, Erhöhung der Wider-
standskraft. Die neue Generation mu(s selbst arbeiten und sich erwerben,
was sie als gut und der Vervollkommnung fähig ererbt hat.
E. VON SCHBNOEBNDORFF sprach dann Aber den gegenwärtigen
Stand der Frage des allgemeinen obligatorischen Spiel-
nachmittags.
Referent bezeichnete seinen Vortrag als unmittelbare Folge eines Be-
schlusses der im vorigen Jahre vom Zentralausschufs und dem Verein
deutscher Turnlehrer in Quedlinburg einberufenen öffentlichen Versanmünng,
durch welchen der Zentralausschufs für Volks- und Jugendspiele beauftragt
wurde, fflr die Durchfahrung eines allgemein verbindlichen Spielnachmittags
in allen deutschen Schulen einzutreten. Dennoch sei heute das Ziel der
verbindlichen Spielanstalten, daCs 1. jedem Schulkinde, ob Knabe, ob
Mädchen, ob sechsjährig oder zwanzigjährig, in jeder Woche, neben dem
Turnunterricht, ein Nachmittag fUr sc^ulseitig eingerichtete Leibesabungea
freigemacht werde; dab 2. dieser Nachmittag völlig firei auch von häns-
lichen Schularbeiten sei, und da(s 3. die an diesen Nachmittagen aus-
fallenden Unterrichts- und Arbeitsstunden nicht an anderen Stellen vrieder
eingesetzt würden. Er machte auf die Beschlösse der vom Kaiser nadi
Berlin im Jahre 1890 einberufenen Schulkonferenz aufinerksam, die ia
Sachen d« besseren leiblichen Erziehung der Jugend Beschlüsse £aikte, die
bislang nur in der dritten Turnstunde in Preu(sen Verwirklichung gefunden
haben.
847
ftletitete Ütiiieiliiitieit.
Ober die geistige Minderwertigkeit im schulpflichtigeii Alter
sprach Prof. Dr. WETQANDT-Wflrzbiirg in der ü. LandesYersammloBg des
Bayerischen Medizinalbeamtenvereins zn Würzbnrg am 2. and 3. Jimi 1906.
Wie wir dem Berichte aber diese Yersammlong entnehmen, behandelte W.
B. a. anch die Untersnchnngsmethoden bei geistiger Minder-
vrertigkeit schnlpflichtiger Kinder nnd änfserte sich Aber den
Wert der obligatorischen Lehrpl&ne bei Prttfang dieser Kinder folgender-
mafsen: „Bei der Untersnchnng von psychisch snspekten Schulkindern ist
nie zu übersehen, daüs diese Schulplansangaben gewissermaisen das End-
ziel einer Altersstufe darstellen. Wieviel davon in den sicheren Besitz
des Kindes übergeht, h&ngt von zahlreichen Faktoren ab, von dem Ge-
dächtnis nicht allein, sondern anch von der geistigen Frische nnd Auf-
merksamkeit, mit der es die neugewonnenen Kenntnisse jeweils verwertet,
Tor allem aber auch natürlich von der Qualit&t des Unterrichtes selbst.
Dafs in dieser Hinsicht enorme Verschiedenheiten vorkonmien, ist nicht zu
leugnen, gehen doch selbst über grundlegende Fragen die Ansichten der
Pädagogen oft noch weit auseinander. Wohl wird heutzutage viel-
fach gewarnt vor der Übermittlung eines blofsen Gedächtnis-
materiales, aber doch bleibt in dieser Hinsicht noch manches
zu wünschen übrig Man soll also bei der Prüfung eines Schul-
kindes wohl die Höchstleistungen der betreffenden Altersstufe im Auge
behalten, zweckmälsigerweise aber wird man sich auch mit weit geringeren
Anforderungen begnügen. Vor allem kommt es mehr darauf an, zu er-
kennen, wie das Kind seine Sache weifs, als auf das „was^ seines Wissens-
besitzes. Mit anderen Worten, es gilt jeweils, nicht nur die Intelligenz
und das Gedächtnis, sondern auch die übrigen psychischen Fähigkeiten zu
berücksichtigen: die Reaktion auf Reize, die Auffassung von Eindrücken,
die Verarbeitung im Gedächtnis, das Neueinprägen, die Gemütslage, das
motorische Verhalten."
Über die Nervenkrankheiten der Schalkinder macht Sanitätsrat
Dr. P. Mbtbr, Schularzt in Berlin, auf Grund eigener Untersuchungen,
interessante Mitteilungen in der ^^Berl Min, Wochenschr,^ (1905, Nr. 17),
denen wir folgendes entnehmen: Unter 1857 Kindern, die Verfasser von
November 1900 bis Mai 1904 untersucht hat, litten an nervösen Affek-
tionen 130 Kinder (7 Vo), und zwar Mädchen und Knaben fast zu gleichen
Teilen. Schwachsinn wurde bei 22, Epilepsie bei 22, Nervosität bei 22,
Kopfschmerz bei 16, Migräne bei 13, Veitstanz bei 12 Kindern beob-
achtet. M. betont die Wichtigkeit, dafs gleich bei der Einschulung seitens
des Schularztes Epilepsie festgestellt und durch einen Überwachungsschein
den Lehrkräften zur Kenntnis gebracht wird, da(s bei schweren und
häufigen Anftllen die Kinder gar nicht eingeschult werden. Bei den an
848
Nervodtftt leidenden Kindern kann der Schularzt ebenfalls gftnstig ein-
wirken. In Betracht kommen a. a. Ferienkolonien, Erholongsstfttten, Hand-
fertigkeitsnnterricht, Ffirsorge fttr die notwendige Ernährong nnd Nacht-
ruhe, Vermeidung der Kinderarbeit in der Industrie, richtige Festsetzung
des schulpflichtigen Alters mit genauer Individualisierung. Beim Kopf-
schmerz ist aufser der nery(y8en Disposition auch die geistige Anstrengung
beim Unterricht in Betracht zu ziehen, wie der Einflufs der Schule auf
das Nervensystem der Kinder auch durch die Beobachtung erhellt, dafs bd
1068 Kindern, die behufs Einschulung untersucht wurden, nur 28 (2,6%),
von 770 Schfllem und Schfllerinnen der verschiedensten Altersstufen da-
gegen 122 (16%) nervenleidend gefunden wurden.
Kindenehnte in Meinilgen. Wie der „Sog. Praxis*' aus Meiningen
mitgeteilt wird, hat das herzogl. Ministerium, Abteilung für Kirchen- und
Schulsacheu, an die Kreis- und Stadtschulämter folgendes, sehr beachtens-
werte Anschreiben erlassen:
„Die erziehlichen Aufgaben der Schule legen der Lehrerschaft die
unabweisliche Pflicht auf, mit darauf zu sehen, dafs die Kinder vor un-
angemessener, die Gesundheit und Schulinteressen schädigender Beschäftigung
audserhalb der Schule bewahrt bleiben. Es wird deshalb der Lehrer bezw.
Schulleiter, wenn im Unterricht an einem Kinde eine krankhafte oder sonst
auffällige Erscheinung zutage tritt, alsbald durch ftkrsorgliche Rücksprache
mit den Eltern die Ursache zu ermitteln suchen und in ernst-freundlicher,
aber bestimmter Weise Abstellung verlangen, nötigenfalls aber die Mithilfe
des Schnlvorstandes in Anspruch nehmen. Hierüber ist im Schülerverzeichnis
der Schulversäumnistabelle unter der Spalte „ Bemerkungen ** ein kurzer
Eintrag zu bewirken und solcher dem herzogl. Kreisschulinspektor bei der
nächsten Schulvisitation, sowie dem Schularzt bei dessen nächster An-
wesenheit vorzulegen. Bleibt die Rücksprache mit den Eltern und die
Vorstellung des Schulvorstandes erfolglos, so wolle der Lehrer dem herzogl.
Schulamt ungesäumt Mitteilung zugehen lassen, worauf dieses das Weitere
wahrzunehmen und von Zeit zu Zeit nachzufragen haben wird. Wir be-
merken, dafs sich diese Mafsnahmen nicht blofs auf eine wirksamere Durch-
führung des Kinderschutzgesetzes (Reichsgesetz vom 30. März 1903) be-
ziehen, sondern auch in allen übrigen Fällen zur Anwendung zu bringen
sind, wo Beobachtungen in der Schule darauf schliefsen lassen, dafs Kinder
in unangemessener oder übermäTsiger Weise zum Nachteil ihrer Gesundheit
oder zum Schaden der Schularbeit, etwa auch in Haus- und Feldwirtschaft,
beschäftigt werden. Wir versehen uns zu der Lehrerschaft des Landes,
dafs hierbei alles vermieden wird, was etwa das Vertrauensverhältnis
zwischen Schule und Elternhaus beeinträchtigen könnte. Keinesfalls aber
darf bei Beobachtungen oben bezeichneter Art ein Vorgehen des Lehrers
und Schulvorstandes unterbleiben.^
Den Kreisschnlinspektoren wird empfohlen, auf ihren nächsten amt-
lichen Lehrerkonferenzen vorstehenden Erlafs bekannt zu geben und dort
die Angelegenheit zu besprechen.
Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben. Der Bundesrat dürfte
sich wahrscheinlich noch vor Ablauf des Jahres 1905 mit einer Ausftlhrungs-
vorschrift zum Gesetz über die Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben zu
849
befassen haben. Diesem Gesetze znfolge war der Bundesrat befugt, fQr die ersten
zwei Jahre nach dem Inkrafttreten Ausnahmen von dem Verbot der Beschäfti-
gung eigener Kinder zuzulassen. Solche Ausnahmebestimmungen waren
auch Tom Bundesrat getroffen, jedoch, wie das Gesetz es Yorschrieb, nur für
zwei Jahre. Nun läuft diese Frist mit dem 31. Dezember 1905 ab. Es
würden also f&r die Kinderarbeit in den gewerblichen Betrieben mit dem
Beginn des Jahres 1906 schon sämtliche dauernde gesetzliche Bestim-
mungen in Kraft treten, wenn die Übergangszeit nicht durch den Bundesrat
verlängert würde. Gelegenheit dazu ist ihm gegeben, da er im Gesetze
ermächtigt ist, auch weiterhin Ausnahmen, allerdings nur unter der Bedingung
zuzulassen, dafs die Kinder nicht an den durch Triebkraft bewegten Ma-
schinen beschäftigt werden. Auch kann er weitere Ausnahmen von dem
Verbot der Beschäftigung eigener Kinder unter 10 Jahren zulassen, sofern
die Kinder mit leichten und ihrem Alter angemessenen Arbeiten beschäftigt
werden. Die Ausnahmen können allgemein oder ftlr einzelne Bezirke er-
lassen werden. Nun wird es sich darum handeln, ob die Frage der
Zweckmäßigkeit und gegebenenfalls Notwendigkeit der Verlängerung der
Übergangsfrist bejaht werden wird. Von den zuständigen behördlichen
Stellen sind bei den Provinzialinstanzen Erhebungen in dieser Richtung
veranstaltet. Man nimmt an, dafis, da das Gesetz über die Kinderarbeit
in den gewerblichen Betrieben mit seinen dauernden Bestimmungen ziemlich
einschneidend wirkt, in den angegebenen Richtungen noch für einige Zeit
die dem Bundesrat anheimgestellten Übergangsvorschriften tatsächlich er-
lassen werden sollen. Dann würde sich der Bundesrat im nächsten Herbst
mit einer entsprechenden Vorlage zu befassen haben.
„Leider, bemerkt hierzu die y^Fädag, Ref.*^, werden wir es also er-
leben, dafs das so schon recht lendenlahme Kinderschutzgesetz noch weiter-
bin und vielleicht gar f&r unabsehbare Zeit „gemildert**, d. h. zugunsten
ausbeuterischer Interessen durchlöchert werden wird. Hoffentlich wird
wenigstens die deutsche Volksschullehrerschaft dagegen ihre Stimme er-
beben.''
Über physiologisehe und pathologische Beobachtungen in der
Dorfschule berichtet KLOHNS-Düsseldorf in der „ÄrzÜ. Sachverst.-Ztg.*'
Es werden die Ergebnisse der Untersuchung von 540 Dorfschulkindem
mitgeteilt Untersucht wurde der äufsere Körperstatus, der allgemeine
Gesundheitszustand, Lungen, Herz, Pulsbeschaffenheit, Sinnesorgane, Nerren-
^stem, Geisteszustand. Interessant ist das Resultat, da(s Gesichtsasym-
metrien sich besonders häufig bei minderbegabten und bei geistig und
moralisch degenerierten Individuen fanden. Bei Schwachsinnigen betrugen
sie 100 7o.
Die Übergangsprfifniig aus der Elementarsehnle in die Beal-
sehnle und Oberrealschule ist in s'Gravenhage (Holland) insofern
als fakultativ erklärt worden, als von nun an die Vorsteher und Vorstehe-
rinnen der Real- und Oberrealschulen auf Grund der von den Vorstehern
der Elementarschulen ausgestellten Zeugnisse darüber entscheiden können,
welchen Schülern die Übergangsprüfung zu erlassen sei und welche sie zu
bestehen haben. Dadurch wird erreicht, dafs die Schüler in erster Linie
von deigenigen Lehrern beurteilt werden, welche sie bereits kennen, so-
8Ö0
dann dab die PrOfuigen yereintacht werden und endlich, dmb deai üite-
rieht weniger Zeit zogonsten der PrQfnngen en.zogeB wird.
Dr. med. J. M. C. MouTOH-Haag.
Sil hygieiiseher Fertsebritt in der BehilbaikfinM^ Die mätak
Schwierigkeiten bei der LOsong der Schnlbenkfrage bereitet die Notwendi^dl,
die TOtt Seiten des Pädagogen, des Hygienikers, des Bantecfanikers und te
Bankkonstrakteurs erhobenen Anfordemngen in Einklang zu biingoif «ti
diese oft stark divergieren. Solche 6^ens&tze entstehen z. B. in da
Verlangen, dab der Fnlsboden zwecks Reinigung mOglidist zagin^ich sei
müsse, und dem anderen, dab die Anbringung eines Fnlsbr^tes nftiz&ch
sei; ferner in der Sicherung geordneter Baakau&teUung g^enflber dsr
leichten Answechselbarkeit der Schulbänke.
Wie in dem ersteren Falle der Bankkonstrukteor zu emer reck
glflcklichen L^ysnng kommen kann, zeigt die überraschende Yerbreitmig der
seitlich umlegbaren RsTrieschen Schulbank, die mit breitem Fnisbrett ver-
sehen ist und trotzdem den Fubboden in seiner ganzen Auadefanmig —
also auch unter den Banken — ftkr den kehrenden Besen freil^. Weniger
gut war die Ausgleichung der an zweiter Stelle genannten Gegensätze ge-
glückt : die durchlaufende Schiene, an welcher die B&nke angeklemmt wnrdea,
sicherte zwar deren geordnete Bewegung und Aufstellung, bereit^e aber
doch dem leichten Austauschen der Bftnke gegen andere einige Sdiwierig-
keiten. Denn die Schiene, deren L&nge der ursprünglichen GesamttiÄ
der hintereinander stehenden Bänke entsprach, behielt diesen Mab bei
und bildete damit ein lastiges Hindernis, sobald auf ihr Bünke von gmngenr
Tiefe angeordnet oder gar einzelne Schulbänke ganz fortgenommen wurden.
Technisch kam noch hinzu, dab bei dem häufig angewandten massir^
Fufsboden die Befestigung der Schiene am Boden immer mit einer ge-
wissen Materialschadigung verbunden war.
Eine neue Erfindung hat nun aber auch hier alle Gegensätze aas-
geglichen. Es ist die der „freiliegenden Wechselschiene", die von jeder
Befestigung am Fufsboden absieht. Sie ist keine durchlaufende Schiene
mehr, sondern besteht ans einzelnen Winkelschienenstflcken, von doppelter
Länge der Banktiefe, die paarweis — also als Doppelschiene — mit ihren
schmalen Schenkelflächen aneinander gelegt werden, und zwar so, dab
zwischen zwei Bänken stets nur ein Schienenstob vorhanden ist. Für
die erste und letzte Bank einer jeden Reihe ist als Abschlub ein
kürzeres Schienenstück erforderlich, das nur gleich der einfachen Banktiefe
lang ist.
Wenn nunmehr die Bänke aufgesetzt und die Klemmfübe angezogen
werden, so entsteht ein starres Schienensystem, das die geordnete Bewegung
und Aufstellung der Bänke genau so sichert wie die durchlaufende Schiene.
Macht sich aber ein Bankaustausch notwendig, so ist dieser nunmehr auf
die leichteste Weise durchzuführen, weil mit der Bank gleichzeitig die
dazu gehörigen Schienenstücke entfernt werden und das neue Subsell eben-
falls mit seinen passenden Schienenteilen angefügt wird. Es wird dadurch
weiter erreicht, dab die Schiene genau so lang ist als die betreffende
Bankreihe, also stets mit der vordersten Kante der ersten bezw. der hin-
teren Kante der letzten Bank abschneidet.
851
Bei absolut gesicherter Bankordnang bietet also die „freiliegende
Wechselschiene*' die Möglichkeit, durch Bankaostansch fOr jeden Schüler
an jeder Stelle des Klassenranmes eine seiner Körpergröfse entsprechende
Sitzgelegenheit zu schaffen; sie bedeutet also eine wichtige Förderung der
Hygiene der Schulbank. Joh. Müller & Go.-Charlottenbnrg.
Der Verein zur Vereinfaehnnf; und Verbessening yon Examen
Ud Unterricht in Holland, der seine 4. Jahresversammlnng im April
1905 zu 'sGravenhage abhielt, beschlofs, die Verwirklichung folgender
Forderungen anzustreben:
1. Verminderung der Anzahl der SchtQer in einer Abteilung;
2. bessere Einrichtung der Spielpl&tze, so dafs das Spiel mehr im
Freien ausgeübt werden kann;
3. zweckmäßige Einrichtung der Schulgebäude, so dafs Licht und
Luft hinlänglichen Zutritt haben und dafs ruhestörende Einflösse von aulsen
femgehalten werden können;
4. Einführung von Schulspaziergängen wie auch, wenn möglich, yon
Schulausflügen, welche jedoch nicht obligatorisch sein sollen;
5. Kürzung der Unterrichtsstunden, ohne dafs jedoch die Schulzeit
im allgemeinen eingeschränkt würde; die Kürzung der Unterrichtsstunden gibt
die Möglichkeit zu längeren Pausen und Spielzeiten. Das Unterrichtsmaterial
braucht hierbei nicht eingeschränkt zu werden. In den unteren Klassen
soll die Abkürzung der Daner der Unterrichtsstunde zunächst eintreten ;
6. allgemeine Ausübung des Spieles im Freien;
7. Aufhebung der Hausarbeit in den unteren und bedeutende Be-
schränkung derselben in den höheren Schulabteilungen zugunsten einer aus-
gedehnteren Beschäftigung in der Schule selbst.
Dr. med. J. M. C. MouTON-Haag.
Ffirsor^estellen fBr die Schuljugend. Dr. Marb- Hamburg, ein
Gegner des Wiesbadener Schularztsystems, wendet sich, wie wir dem „Äreh.
f. soe. Med. u.Hyg.^^ 1905, Bd. 1, Heft 3 entnehmen, gegen Fürsorge-
stellen für die Schuljugend, weil damit blofs die ärztliche Behandlung
durch die Schulärzte durch ein Hintertürchen eingeführt werden wolle.
Die Tätigkeit der Schulärzte habe allerdings trotz der aufgewendeten Mühe
und Sorgfalt nicht den entsprechenden Erfolg gehabt, da die Behandlung
und Heilung der krank befundenen Schüler an dem passiven Widerstände
der Eltern und ihrer Indolenz gescheitert sei; doch sei es ein Grundgesetz
der Einrichtung, das die Schulärzte nicht übernehmen sollen. Auch würde
die Einrichtung solcher Fürsorgestellen den Eltern wichtige Pflichten ent-
ziehen und den Ärzten einen wichtigen Teil ihres Erwerbsgebietes rauben.
Man wünscht vielmehr, man solle die Eltern anhalten, ihre Kinder von
Zeit zu Zeit, und zwar besonders beim Eintritt in die Schule, durch Ärzte
untersuchen zu lassen, die mit dem wirtschaftlichen und intellektuellen
Niveau der Familie durchaus bekannt seien und die, wie die Armenärzte
in der Armenklientel, gleichzeitig in der Lage seien, für die gefundenen
Schäden die notwendigen Hilfismittel zu beschaffen. Wenn die Schulärzte
nicht behandeln sollen — und das sei a limine abzuweisen — , erübrige
sich für sie nur die hygienische Überwachung der Schulgebäude und Schul-
einrichtungen.
Sehalflresandheitspfleffe. XVIIL 45
862
Die Grflnde Marrb erscheinen nns nach keiner Richtong durchschlagend.
Die 60te, ZweckmATsigkeit and Notwendigkeit einer öffentlichen Einrichtimg
bemüst sich selbstrerstAndlich nicht danach, ob etwa den Eltern gewisse
Pflichten nnd bestimmten Berufen ein Erwerbsgebiet entzogen werden.
Letztere Rficksicht kann am wenigsten in Betracht fiallen, nnd die Not-
wendigkeit, ans sozialen GrOnden gewisse Eltempflichten dem Staate zn
flberbflrden, hat sich schon langst geltend gemacht. Wenn tatsächlich
nnbegreif lieber passiver Widerstand und Indolenz der Eltern der Behand-
lung nnd Heilung der Kinder im Wege stehen wflrden, dann wäre gewi&
der Erfolg noch viel geringer, wenn wir uns darauf beschränken wollten,
die Eltern blols „anzuhalten", etwas zu tun; doch ist die Ansicht Dr.
Marrs jedenfalls durchaus irrig. Wenn wir den Eltern Gelegenheiten
schaffen, ihre Kinder richtig behandeln und heilen zu lassen, dann werden
sie in der Regel diese Gelegenheiten auch gerne benutzen, aber allerdings
dürfen diese Gelegenheiten mit Rficksicht darauf, daTs vorwiegend Kinder
weniger Bemittelter in Betracht fallen, weder als ArmenfOrsorge geboten
werden, noch aber mit groCsen Kosten fflr die Eltern verbunden sein. Ans
diesen Grfinden rechtfeitigen sich besondere Ftlrsorgesteüen im Anschlüsse
an die schulärztliche Institution durchaus, weil die Einrichtung weder
den demfltigenden Charakter der Armenffirsorge in sich trSgt, noch mit
Kosten fftr die Eltern verbunden ist. Einen Einblick aber in das wirt-
schaftliche und intellektuelle Niveau der Familie verschafft sich der Schul-
arzt mindestens so gut wie der private Arzt, vorausgesetzt, da& er sidi
nicht bureaukratisch von seinem Wirkungsgebiete abschliefst, was a limine
auber Betracht fällt. (D. Ref.) Schularzt Dr. KRAFT-Zttrich.
Die Srctliche Aufsieht fiber die Primlrschnlen in Frankreich.
Zwar ist schon durch Gesetz vom SO. Oktober 1886 angeordnet worden,
dafs die Gemeinden oder Departements Schnlinspeküons&rzte anzustellen
haben. Allein die Behörden haben, wie die „^esse mSfUcale*' mitteilt,
diese Verordnungen zum groben Teil vernachlässigt. Strafen gab es nicht,
sie zur Erfflllung obiger Pflichten zu zwingen. So hat z. B. Marseille
noch keinerlei ärztliche Beaufsichtigung der Schulen. Wo sie besteht,
beschäftigt sie sich nur mit der Prophylaxe der Infektionskrankheiten nnd
der Besichtigung der Schnlräume. Aber auch dies besteht nur auf dem
Papier. Der Arzt braucht nur zu kommen, wenn er gerufen wird. Und
viele Schulleiter bemfihen ihn möglichst wenig oder gar nicht Am
17. November 1904 sind 4iiese traurigen Verhältnisse in der Deputierten-
kammer zur Sprache gekommen, und zwar durch den Abgeordneten Vaillant.
Es steht zu hoffen, dafs nunmehr Wandlung geschehen wird.
Dr. HOPF-Dresden.
Das aehweiceriaehe Sehnlatnatorinm ^^Friderkiannm^' in Davoa,
das schon mehr als ein Vierte^ahrhundert existiert, betont in seinem Jahres-
bericht, dads es sich zur Aufgabe setze, die Zöglinge körperlich und geistig
so auszubilden, dais sie den Anforderungen des Lebens wirklich gewachsen
sind. Im allgemeinen bestätigte sich im Schu^ahre 1903/04 wieder die
Erfahrung des Instituts, dals ein der körperlidien Leistungsfähigkeit an-
gepafstes MaTs geistiger Tätigkeit die Kräftigung des Körpers nicht hindert,
sondern im Gegenteil den GenesungsprozeCs beschleunigt. Viele, die sich
85S
anderwärts krank und arbeitsnnf&hig fühlen, müssen im Klima von Dayos
nicht als Patienten behandelt werden. Asthmatiker yerlieren ihre Anfülle,
sie sind, wie Rekonvaleszenten nnd Prophylaktiker, rasch leistungsfähig.
Unterweianng der Sckftler in erster Hilfeleistung. Unter Be-
ziehung aof die Notiz in dieser Zeitschrift (1905, Nr. 7, S. 429) teilt nns
Professor Dr. Kohlmann -Quedlinburg mit, dafs eine Unterweisung der
Schüler der oberen Blassen in der ersten Hilfeleistung bei Unglücksfüllen
am dortigen Gymnasium bereits seit zwei Jahren stattfindet, und durch
Herrn Direktor Dr. Rittbb am Gymnasium zu Budolstadt, welches er
früher leitete, bereits vor acht Jahren eingeführt wurde.
Die Ferienyersorgnng der Stadt Bern wurde im Jahre 1876 von
Oberst von Bübbn (f 1888) ins Leben gerufen und war von anfang an,
wie zum Teil heute noch, das Werk privater Gemeinnützigkeit. Seit 1891
leistet die Gemeinde einen offiziellen jährlichen Beitrag von 1200 Francs.
Der eigentliche Träger der Institution ist der stadtbemische Hilfs-
verein, eine Vereinigung wohltätiger Personen zur Unterstützung dürftiger
Mitbürger. Finanziell gekräftigt wurde die Ferienversorgung durch Legate
und Schenkungen, so dafe zurzeit ein Fonds von ca. 10000 Francs vor-
handen ist. Die jährlichen Sammlungen samt den Zinsen des Fonds und
dem Gemeindebeitrag betragen 8 — 9000 Francs. Dazu kommen noch
Naturalgaben aller Art (Kleider, Spezereien, Lebensmittel).
Im Jahre 1904 wurden in acht Kolonien 454 Kinder (184 Knaben
und 270 Mädchen) verpflegt. Die Verpflegung und Logierung wird in
Begie betrieben. Die Kolonien liegen alle, mit Ausnahme der Grasburg,
am Südabhange der Bütschelegg in sonniger, staubfreier Lage. Als Unter-
kunftsort dienen unbewohnte Häuser, die dann zweckmäfsig eingeteilt werden.
In jeder Kolonie, die von vier Lehrern und Lehrerinnen geleitet wird,
werden ca. 60 Kinder für die Dauer von 20 Tagen während der Sommer-
ferien verpflegt. Die Auswahl der Kinder wird in den einzelnea Schul-
kreisen auf Vorschlag der Lehrerschaft von den Schulärzten getroffen.
Kranke Kinder werden nicht aufgenommen. Als Bekonveleszentenheim dient
das Chalet Grasburg, das die Stadt eigens zu diesem Zwecke bauen liefe
und wofür sie eine jährliche Summe von 5000 Francs ausgibt. Nur
während des Monats Juli wird das Chalet der städtischen Ferienversorgung
zur Verfügung gestellt. Die Unterhaltskosten einer Kolonie betragen per Jahr
ungefähr 1000 Frcs., die Kosten pro Tag und Kind durchschnittlich 1,05
Francs. Der Erfolg der Kur ist sehr befriedigend. Die Verpflegung ist ein-
fach aber rationell. Sie besteht vorwiegend aus Vollmilch. Neben dieser
Ernährung tragen die kräftige, gesunde Luft und der herrliche Sonnenschein
wohl am meisten zum Erfolge bei. Das Aussehen der Kinder wird in der
Begel besser; Kraft, Mut, Lebenslust und Heiterkeit steigern sich.
Wägungen ergaben eine durchschnittliche Gewichtszunahme von 1 — IV« kg,
ja sogar bis zu 3 kg und mehr. Neben der körperlichen Kräftigung sind
die erzieherischen Erfolge nicht von untergeordneter Bedeutung.
Da leider immer ein erheblicher Prozentsatz von Kindern, die eine
Erholung dringend nötig hätten, zurückgewiesen werden mufs, hat man
Halbkolonien geschaffen, die den Zweck verfolgen, dürftigen Kindern
zu einer besseren Ernährung zu verhelfen, indem sie während der Dauer
46*
«54 I
I
der Ferienkolonien in ihren Schnlhänsem morgens nnd abends mit Mik&
ond Brot gespeist werden. Die Kosten der Speisnng übernimmt der EDfe- {
verein. Schalarzt Dr. KRAFT-Zarich.
Der Verein für schwer sprechende und sehwaehsinnige Kinder
n Amsterdam hielt am 4. April 1905 seine JahresTersammlnng ab. D«
Yom Sekretär Dr. W. Posthumub Mbtbr vorgelegten Jahresbericht eot-
nehmen wir folgendes:
Der Verein besitzt jetzt in Amsterdam zwei Schalen. Der Scholbesodi
war gnt, gleichfalls die Erfolge des Unterrichts, welche man wesentHdi
den guten Lehrkräften verdankt. In den Jahren 1903 nnd 1904 wnrdai
73 Kinder aufgenommen. Im ganzen wurde f&r 140 Kinder die Anfnahme
gewünscht Alle angenommenen Kinder kamen beinahe ohne Ausnahme
als Geschöpfe in die Schule, von deren Zukunft man nach menschlicher
Voraussicht beinahe nichts erwarten konnte. Alle hatten schon einige Jahre
ohne nennenswerte Erfolge die Elementarschule besucht, den Unterricht
fttr ihre Mitschüler störend und als schwere Last für die Lehrer. Daza
kommt die unglückliche Lage des schwachsinnigen Kindes in der Familie.
Verspottet wegen seiner Dummheit, bestraft und oft miüshandelt wegen der
Äulserungen seines mangelhaften Gemütslebens, die man als lauter Uning
betrachtet; geneckt und gequält von beinahe jedem, der mit ihm verkehrt;
oft der Liebe entbehrend, welche seine Geschwister genielsen, muis ein
solches Kind sich innerlich gegen die Menschheit empören. Viele zeichnea
sich denn auch durch Widerspenstigkeit, Faulheit, Eigensinn, Zuchüosig-
keit usw. aus; beinahe alle waren Lügner, oft Betrüger; auch Diebstahl
gehörte nicht zu den Seltenheiten. Eine groise Anzahl Kinder suchte sich
der Schule zu entziehen; viele kamen oft zu spüt. Manche trieben Strabeo-
unfug — Glasscheibeneinwerfen, Feuermachen, alles zerstören, Tiere
quälen usw. Einige zeichneten sich durch groise Furcht und durch Maagd
an Initiative sowohl zum Guten als zum Bösen aus. Ausnahmsweise wurden
altruistische Äulserungen bemerkt, meistens aber waren die Kinder selhst-
süchtig, einige zeichneten sich sogar durch grob tierischen Sensualismos
aus. Intellektuell waren diese Kinder auch mit viel jüngeren, normaloi
Kindern nicht zu vergleichen. Viele besaisen sehr wenige und meistens
unrichtige Vorstellungen nnd Begriffe über ihre nächste Umgebung. Auch
von allföllig richtigen Begriffen machten sie meist einen sehr unvollkom*
menen Gebrauch. Der Zusammenhang zwischen Ursache und Folge war
ihnen gewöhnlich unklar. Beim Klassennnterricht bot die durchaus not-
wendige individuelle Behandlung dieser Kinder oft groise Schwierigkeiten,
wenn das Lehrpersonal sich dem Yorstellnngsvermögen der einzelnen an-
passen mufste. Die impulsiven, spontanen Äufserungen der Kinder als
Folge einer Assoziation, zu welcher oft ein einzelnes Wort oder ein Ton,
oft eine Bewegung Anlafs gaben, wirkten beim Unterricht sehr störend.
Dieser Schwierigkeiten ungeachtet waren, vrie oben schon erwShnt,
die Erfolge im allgemeinen gute. Mancher Schüler konnte als nützlidies
Individuum wieder in die Gesellschaft zurückkehren. Man darf hoffen,
dafs die grofse Mehrzahl der Kinder, welche in den Spezialschulen erzogen
werden, in der Zukunft für sich selbst sorgen können.
Dr. med. J. M. G. MOUTOK-Haag.
8ÖÖ
SaiitsiitfdiiditHdits*
Preisavssehreibvng betreffend Kiiidenchvtz. Yeranla&t durch
eine »Neiyahrsbetrachtung'' des schweizerischen Schriftstellers Mbinrab
LilNBBT über die Leiden der mifshandelten Kinder haben zwei Menschen-
freunde Preise gestiftet fOr beste Arbeiten über eioen ¥mrksamen Einder-
schntz, nnd die weitere Ausführung ihrer schönen Absicht der unterzeich-
neten Fakultät übertragen.
Es werden demnach zwei Preisaufgaben gestellt:
I. Die körperliche Milshandlung von Kindern durch Personen, welchen
die Fürsorgepflicht für dieselben obliegt.
Die hauptsächlichsten Erscheinungsformen der Milshandlung, ihre indi-
viduellen und sozialen Ursachen. Welche vorbeugenden Maisnahmen sind
möglich? Wie könnten die Einzelfälle leichter und in umfassenderer Weise
zur Kenntnis der Behörden gebracht werden ? Welche Repressivmaüsregein
sind die zweekmälsigsten? Schonendes Vorgehen bei ihrer Anwendung,
Art und Dauer derselben, Fürsorgeerziehung in Anstalten oder Familien?
n. Die Überanstrengung von Kindern durch Personen, welchen die
Fürsorgepflicht für dieselben obliegt, oder durch Personen, welchen die
Kinder zu Arbeitsleistungen überlassen worden sind.
Die hauptsächlichsten Erscheinungsformen: Überanstrengung im Haus-
halt, in der Hausindustrie, ihre Ursachen, die möglichen Vorbeugungsmittel.
Wie könnten Einzelfälle leichter und in umfassender Weise zur Kenntnis
der Behörden gebracht werden (Inspektion der Hausindustrie)? Welche
Bepressivmalsregeln sind die zwecJonälsigsten? Ihre Art, ihre Dauer, die
schonende Berücksichtigung der Familienbeziehung.
Für beide Arbeiten wird gewünscht, daüs die aus den AusfOhrungen
sich ergebenden Postulate an die Gesetzgebung übersichtlich zusammengefaCst
und auf die Verhältnisse eines bestimmten Landes, vorzugsweise der Schweiz,
bezogen werden. Es ist auch das organische Zusammenwirken behördlicher
Tätigkeit mit der freien privaten Liebestätigkeit zu berücksichtigen.
* ♦
Dei Fakultät ist fär die Prämiierung der besten Lösungen beider
Preisaufgaben ein Betrag von 4000 Fr. im ganzen zur Verfügung gestellt.
Es bleibt dem von der Fakultät zu bestellenden Preisgerichte vorbehalten,
für jede der beiden Aufgaben nur einen Preis von 2000 Fr. zuzusprechen
oder diesen Betrag in höchstens drei Preise zu teilen.
Jedermann ist eingeladen, sich an diesem Wettbewerb zu beteiligen,
vor allem werden Arbeiten aus den Kreisen der Lehrer und Erzieher, der
Volkswirtschafüer, der Männer der Gemeinnützigkeit, der Mediziner und
der Juristen erwartet.
Die Arbeiten sollen den Umfang von etwa zehn Druckbogen nicht
flberschreiten. Sie können in deutscher, französischer, italienischer oder
englischer Sprache abge&fst werden. Sie sind bis spätestens den 1. Juli
856
1906 der Fakultät einzareichen. Die Arbeit hat ein Motto za tragen;
mit demselben Motto ist das verschlossene KüTert zn versehen, das den
Namen des Verfassers enthält.
Die prämiierten Arbeiten gehen in das Eigentum und das Yerlagsrecht
der Fakultät Ober; nicht prämiierte Arbeiten können während eines Jahres
von den Verfassern zurückgenommen werden.
Zflrich, den 6. März 1905.
Die staatswissenschaftliche Fakultät der Universität Zflrich.
(„Scktaeig, Lekreretg,'', Nr. 22, 1905.)
Der xweite internationale Kongrers Ar Schnlhygiene soll in
London am 5.— 10. August 1907 stattfinden, und zwar in Parkes Museum,
Margaret Street, W. Präsident des Organisationskomitees ist Sir Laüdeb
Brunton, Quästor R. Biddulph Martin. Die Bedingungen zur Teil-
nahme am Eongrefs sind dieselben, wie sie ftbr den ersten Kongreüs in
NOmberg aufgestellt waren. Es wird zur Bildung von Lokalkomitees in
allen Ländern aufgefordert. £s sind folgende Sektionen vorgesehen:
I. Schulbau und -Einrichtung.
U. Hygiene der Bflrgerschulen.
III Methoden der hygienischen Schuluntersuchung.
lY. Die Physiologie und Psychologie der Erziehungsmethoden.
V. Hygieneunterricht für Lehrer und Schüler.
VI. Physische Erziehung und Ausbildung in persönlicher Gesundheitspflege.
Vn. Infektionskrankheiten, Gesundheitsstörungen und ungünstige Bedingungen
für ihre Bekämpfung.
Yin. Spezialschulen mit Einschlnfs deijenigen für Schwachsinnige, Blinde,
Taube, Stumme, Krüppel, Invalide und abnorme Kinder.
IX. Ferienkolonien und -Schulen. Beziehungen zwischen Haus und Schule.
X. Die Hygiene des Lehrpersonals.
Yereinigniig Ar Kinderforschnng in Mannheim. Infolge der
erfreulichen Entwicklung der Fürsorge für die gesamte Jugend sowie des
wachsenden Verständnisses für die Aufgaben und Ziele der Kinderforschung
hat sich auch in Mannheim das Bedürfois nach einem Zusammenschlufa
aller derer geltend gemacht, die für das Kind und dessen Entwicklung in
gesunden und kranken Tagen ein tiefergehendes Interesse haben. Im Ok-
tober vorigen Jahres sind auch bereits Mannheimer Ärzte und Pädagogen
zu einer Vereinigung für Kinderforschung zusammengetreten.
Die Vereinigung hat den Zweck, bei allen mit der Sorge für die
Jugend Betrauten Verständnis und Teilnahme für deren Wohl und Wehe
zu erwecken, zur richtigen Beobachtung des Kindes und seiner Entwicklung
anzuleiten und zur wissenschaftlichen Erforschung des kindlichen Wesens
in seiner normalen und abnormen Eigenart nach Kräften mit beizutragen.
Diesen Zweck sucht die Vereinigung durch Veranstaltung von Vorträgen
und daran sich anschliefsenden eingehenden Diskussionen zu erreichen. Im
vergangenen Verein^ahr wurden folgende Themen behandelt: 1. Einige
Fälle von Nervenkrankheiten im Kindesalter (Dr. Mahn), 2. Zur Theorie
der Aufrnerksamkeit (HaupUehrer Endhrlin), 8. Die sexuelle Aufklärung
der Jugend (Dr. MofiBs), 4. Über Ermüdung und Ermüdungamessungen
(Dr. Stbphaki), 5. Taubheit und Taubstummheit (Hanptlehrer Tritsohlbr).
857
Fflr das kommende Yerein^ahr sind n. a. Vorträge nnd Besprechungen
in Aussicht genommen über die Abartungen der Phantasie im Kindesalter,
ttber das einzige Kind, über Kinderpsychologisches in Gottfribd Kbllbbs
Schriften, über die Methoden des fremdsprachlichen Unterrichts, über plasti-
sches Gestalten und Darstellen im Kindesalter, Ober Entwicklung der In-
telligenz, über Schwerhörigkeit und deren Behandlung, Aber Jugendspiel-
bewegung u. a. m. Zum Beitritt in die Vereinigung ladet ein der Vorstand,
bestehend aus den Herrn Dr. med. Moses, Prof. Dr. Popp und Hauptlehrer
Enderlin.
Schnlhygienische Bibliothek in Berlin. Der Berliner Verein für
Schulgesundheitspflege beabsichtigt die Gründung einer schulhygienischen
BibDothek. Derselbe bittet daher alle Autoren, die über schulhygienische
oder verwandte (pädagogische, psychologische, hygienische usw.) Fragen
Arbeiten veröffentlicht haben, diese dem Verein einzusenden resp. ein Ver-
zeichnis ihrer Arbeiten zu geben zur eventuellen Anschaffung.
Auch werden die Herren Verleger gebeten, ein Verzeichnis der in
ihrem Verlage erschienenen einschlägigen Werke einzusenden.
Sendungen sind zu richten an R. SOHüLZ, Bibliothekskustos des Vereins
f&r iimere Medizin, Schönebergerufer 11.
Klagen einer Mutter Aber die Schalbfleher sind dem y^Berl,
LohaJrAne,*^ zugegangen. Ein kleiner schwächlicher Bube von sechs Jahren
— schreibt die Mutter — muis 6 — 7 Pfund Bücher tragen. Darum tut
Abhilfe bezüglich der Bücher besonders not. Ihre Schrift ist so fein, da(s
die Kinder schon im frühesten Alter augenleidend werden müssen. Warum
macht man nicht kleine, dünne Bücher mit grolser Schrift, und aus einem
Lehrbuch, das zwei Jahre und länger währen soll, zwei bis drei Teile?
Die Errichtung von Waldschulen in Berlin beantragen die sozial-
demokratischen Stadtverordneten. Sie ersuchen den Magistrat, die Errichtung
von Waldschulen ftbr schwächliche Kinder in Erwägung zu ziehen.
Znr Förderung der Jngendspiele wird, wie der y^Berl, Lokal- Anz^
berichtet, während der nächsten Osterferien auf Anregung der Regierung
zn Potsdam ein Kursus zur Ausbildung von Lehrerinnen in Jngendspielen
abgehalten werden, an dem sich die Gemeinden Wilmersdorf, Schmargen-
dorf, Grunewald und Dahlem beteiligen werden.
Ein neues Kinderheim in ZeUendorf ist dank privater Opfer-
willigkeit errichtet worden. Dasselbe ist bereits im Rohbau vollendet und
soll am 1. April 1906 eröffiiet werden. Zum Direktor dieser neuen Wohl-
fahrtsanstalt ist der Lehrer und Schriftsteller Conrad AeAHD -Rixdorf
erwählt, der, wie bekannt, seit Jahren mit Freimut und Tatkraft auf dem
Gebiete der Kinderschutz- und Jugendfürsorgebestrebungen als Vorkämpfer
tätig gewesen ist.
Der holländische „Verein von Lehrern und Ärzten, welche für
Einrichtungen fBr achwachsinuige und nervenschwache Kinder ar-
beiteu'S hat in seiner vierten allgemeinen Zusammenkunft zu Rotterdam
im April d. J. folgende Beschlüsse gefaCst:
1. Zur Untersuchung betreffs Aufnahme in eine Schule für schwach-
sinnige Kinder werden in der Regel Schüler zngeUssen, welche mindestens
ein Jahr die gewöhnliche Elementarschule besucht haben.
868
2. Der Lehrer der betreflEiendeii Elemeiitarsdiiile gibt eine schriftliche
Erkl&mng ab, «os welcher herrorgeht, weshalb er das Kind als schirach-
flinnig betrachtet.
3. Die medizinisch-pftdaoggische Untersnchnng dehnt sich ans Aber die
Vorgeschichte nnd über den körperlichen and geistigen Zustand des Kindes.
Eines der Eltern oder beide geben bei der Untersnchnng die nötigen £r-
Uftmngen ab.
4. In der Regel findet eine provisorische Anfiiahme der Schaler statt.
Nach einem Aufenthalt von mindestens drei Monaten in der Klasse für
Schwachsisnige wird Ober die definitive An&ahme entschieden.
Dr. med. J. M. C. MouTOH-Haag.
Ober Walderholu^sstltten ud Waldaekvlen sprach Dr. HOtqbb-
Göln auf der ordentücheo Hanptyersammlnng des Niederrheinischen Vereins
fflr öffentliche Gesundheitspflege am 28. Oktober.
Eine inteniationale pldago/dsche AasstelliiBg in Bareeleia
sollte vom Mai bis Oktober dieses Jahres stattfinden (s. diese ZeUschrifi^
1905, S. 201). Wie der Sekretär Herr Dr. med. Kaupp mitteüt, ist die
Ausstellung auf das nächste Frtüuahr verschoben, mit Rflcksicht auf ver-
schiedene Stsaten, die infolge der Kflrze der Zeit in diesem Jahre nicht
hatten teilnehmen können, und wird vom 1. April bis 30. September
1906 sUttfinden.
Verbot des Tragens Yen Korsetts. Wie die Tagesblätter melden,
hat unlängst der Leiter der höheren Töchterschule zu Saarbrücken an
die Regierung in Trier die Anfrage gerichtet, ob er ein Verbot für die
SchtUerinnen seiner Anstalt erlassen dfirfe, das das Tragen des Korsetts
während des Turnens untersagt. Darauf ist von der Regierung folgende
Verfügung eingelaufen, die allgemeine Beachtung verdient: „Aul Grund des
von Ihnen angefahrten Erlasses vom 20. März dieses Jahres ist es all^-
dings gestattet, das Tragen von Korsetts beim Turnen ohne weiteres zu
verbieten. W^ir beauftragen Sie daher, dieses Verbot in unserem Namen
ergehen zu lassen, und zwar so, daCs dem Verbot unter allen Umständen
Folge geleistet werden muls.'' Dieses Vorgehen verdient bei allen Schul-
leitern und Schulleiterinnen Nachahmung trotz etwaigen Widerspruchs arg
gepanzerter Mfltter!
Die Zäkno der Seknlkinder in Wiatorthnr (Schweiz) scheinen
nicht besser zu sein als anderswo. Wenigstens hat Zahnarzt Hblbing,
Mitglied der Schulpflege, auf Grund eigener Untersuchungen in den Schulen
der genannten Stadt einen Bericht veröffentlicht, in welchen er einen be-
denklichen Zustand des Grebisses der Schulkinder konstatiert. 98% der
Kinder leiden an schlechten Zähnen. 70% kennen keine, 20% nur eine
ungenügende Zahnpflege; nur 10% reinigen ihre Gebisse. Hblbino regt
nnn bei der Schulpflege regelmälsige Zahnuntersuchungen, Belehrungen über
die Notwendigkeit der Zahnpflege, ferner unentgeltliche Verabreichung von
Zahnbürsten und von Zahnpulver an Unbemittelte, unentgeltliche Entfernung
schlechter Zähne und in zweiter Lmie auch unentgeltliche Plombage kranker
Zähne an.
Drei MU Jngoidkorta sind im V. Kreis der Stadt Zürich diesen
Herbst gegründet worden. Dieselben sind in zw« Schnlhäusem unter-f
859
gebracht. Jede Familie zfthlt 30 schulpflichtige Kinder yom 7. — 14. Alters-
jahre nnd ist in der glflcklichen Lage, eine möglichst einheitliche Leitmig
SEQ besitzen. Der Mftdchenhort ist einer Dame anvertraut, während die
Führung der beiden Enabenhorte in die Hände yon zwei jungen Lehrern
gelegt werden konnte.
In einem Anfsatis fiber die Rflckständigkeiten im sehweize-
rischeB BlindeBweaen und die notwendigen Hafsregeln zu ihrer Be-
seitigung {„N. Zürch, Zig."") stellt Direktor G. Eull folgendes Postulat
auf: In einer von den Vorständen des schweizerischen Blinden-, Taub-
stummen- und Schwachsinnigenwesens gemeinschaftlich einzureichenden Ein-
gabe sind die Erziehungsdirektionen aller Kantone einzuladen: a) zur
konsequenten Durchführung der Forderung der „Anzeigepflicht*' auch sämt-
licher anormalen Kinder bei ihrem Eintritt ins schulpflichtige Alter (zurück-
gelegtes sechstes Lebensjahr); b) zur Einführung und Durchführung der
gesetzlichen Schulpflicht fQr alle noch bildungsfthigen anormalen (blinden,
taubstummen, epileptischen, hörenden schwachsinnigen) Kinder; c) die Bil-
dungskosten resp. Verpflegungsgelder fär solche schulpflichtige anormale
Kinder bedürftiger Eltern als direkte „allgemeine öffentliche SchuUasten^
zu erklären, den Ortsschulbehörden zu übertragen und damit die Ortsarmen-
pflegen für die Zeit der schulpflichtigen Jahre solcher anormaler Kinder
auszuschalten.
Eine Dozentur Ar Schulhygiene für Lehrer in Kopenhagen.
In Dänemark haben die Volksschullehrer und -Lehrerinnen seit mehreren
Jahren in den Seminarien Unterricht in Gesundheitslehre und in Pädagogik
erhalten. Künftig wird dies auch für die Lehrer und Lehrerinnen der
höheren Schulen der Fall sein, und in diesem Jahre ist eine spezielle
Dozentur für Schulhygiene für alle Lehrer, die Anstellung an den
höheren Schulen suchen, errichtet worden. Der Dozent soll Vorlesungen
ftT die Lehrer halten, und am Ende des Semesters müssen sie sich einer
mündlichen Probe in Gesundheitslehre unterwerfen. Der Verein zur För-
derung der Schulhygiene hat das Verdienst, die Initiative hierzu ergriffen
und in einem Antrage an das Ministerium eindringend für die Anstellung
eines speziellen Dozenten in Schulhygiene das Wort genommen zu haben.
In der letzten Beichstagssession wurden 1200 Kronen jährlich für diese
Dozentur bewilligt. DaTs Kenntnis der Gesundheitslehre für alle Lehrer
notwendig ist, hat so eine offizielle Anerkennung erhalten.
Prof. Axel HERTBL-Kopenhagen.
Die Winterkolonie des Hamburger Wohltltigen SchnlToreinSy
Tannenhof, ist, wie wir der „Päd, Bef^ (Nr. 40) entnehmen, am 7. Ok-
tober mit 27 Kindern, Knaben und Mädchen, eröffnet worden. Es sind
felis Kinder mit Krankheits- und Schwächeerscheinungen, teils solche, die
tür Rechnung der Ferienkommission während des Sommers eine rierwOchige
Solbadkur im Pflegeheim Oldesloe genossen und noch einer Nachkur dringend
bedürfen, teils in Genesung nach schwerer Krankheit befindliche, deren
Gesundung unter der Ungunst ihrer häuslichen Verhältnisse verzögert wird,
bezw. bei denen die Entwicklung eines ernsten Leidens zu befürchten ist,
endlich noch einige Selbstzahler, deren Eltern wünschen, dais ihre appetit-
lose Kinder »essen lernen sollen^. Die Auswahl geschah durch den
860
YertraoeiiBarzt der FerienkominissioD, Herrn Dr. Zaddaoh. Die ftrztliclie
Behandlung in der Kolonie liegt in den Hftnden des Herrn Dr. Wdesb in
Fnhlsbüttel, nach dessen Anordnungen sich die Daner des Anfenthahs od
die medizinische Behandlung der Kinder richtet Pflegerin der Winter-
kolonie ist wie im Voijahre Franlein W. Matthak. — Es ist anch die
Frage erörtert worden, ob die Ferienkolonisten wfthrend ihres znm Teil
monatelangen Aufenthalts täglich einige Stunden Unterricht genielsen sollen.
Die eingeforderten ärztlichen und pädagogischen Gutachten lauten jedoch
weitaus fiberwiegend dahin, dab Ton jeglicher geistigen Beschäftigung, mit
alleiniger Ausnahme der LektOre an den Abenden, abzusehen ist. Es sind
ja auch fast sämtliche Kinder bereits seit Wochen vom Schulunterridite
dispensiert!
Erlars betr. die Unterweisuis der bayerischen Lehramfakisdi-
daten in der Schulhygiene. Nachdem sich herausgestellt hat, dab die
gröbere Zahl der Lehramtskandidaten die seit dem Jahre 1896 unentgeltlich
abgehaltenen und von der Unterrichtsverwaltung wiederholt anempfohlenes
Vorlesungen und Kolloquien über Schulhygiene, zum Teil unter Hinweis
auf die starke Inanspruchnahme mit PflichtTorlesungen, unbeachtet gelassen
hat, wird durch Ministerialerlab yom 5. September d. J. angeordnet, dab
kflnitig jeder Lehramtskandidat bei der Meldung zur Prfifnng sich Aber
den Besuch von Vorlesungen oder Kolloquien fiber Schulhygiene anszuweiseQ
hat. Unter einem ergeht an die Dekanate der philosophischen Fakultäteo
das Ersuchen, die betreffenden Vorlesungen nach Angabe der Dozenten
gesondert in geeigneter Weise anzulcfindigen. Femer sollen im Inter^se
der bereits im praktischen Lehramt wirkenden Lehrer die genannten Vor-
lesungen tunlichst in den FerialfortbOdungskursen berficksichtigt und ein-
zelnen Lehrpersonen zur Teilnahme an hygienischen Kongressen und zn
Studien hygienischer Schuleinrichtungen im Auslande Untersttttzungen gewährt
werden. {„Mün^iener Hoc^ischulnaehrkhtm.^)
^Xtittlidit Dtrf«t)stiti)tst.
Die Able^nng der Prlfling als Sehwimmlehrerin.
Erlafs vom 2. Juni 1905.
Zur Verbreitung des Mädchenschwimmens, welches zwecks gesundheitr
lieber Kräftigung der weiblichen Jugend tunlichst zu fördern ist, erscheint
es erwünscht, den Tumlehrerinnen in ähnlicher Weise wie den Tumlehrem
Gelegenheit zu geben, die Befähigung zur Erteilung Ton Schwimmunter-
richt nachzuweisen. Ich will daher zunächst die Prafnngskommission zur
Prüfung von Tumlehrerinnen in Beriin, Königsberg, Breslau und Magde-
burg hierdurch ermächtigen, solche Bewerberinnen, welche im Anschlüsse
an die Prfifnng als Tumlehrerin auch eine solche als Sehwimmlehrerin
861
abzulegen wünschen nnd nachweisen, dals sie hierzu durch geordneten
Unterricht vorbereitet sind, zu einer entsprechenden Prüfung zuzulassen.
Ew. Exzellenz ersuche ich ergebenst, mir zur Ergänzung bezw. anderweiten
Zusammensetzung der dortigen Kommission gefälligst geeignete Vorschläge
zu machen. Dabei wird zu*berücksichtigen sein, dafs die praktische Prüfung
der Bewerberinnen im Schwimmen und in den dazugehörigen Fertigkeiten
nur von weiblichen Kommissionsmitgliedem vorzunehmen ist. Die Zahl
der letzteren wird demgemäüs für diesen Zweck mindestens zwei zu betragen
haben, welche beide des Schwimmens kundig sein müssen, und von denen
mindestens eine später stets eine geprüfte Schwimmlehrerin sein mufs. Ob
und wie fQr den Anfang die Befähigung der betreffenden weiblichen Mit-
glieder der Prüfungskommission besonders festzustellen sein wird, überlasse
ich der gefälligen Erwägung Ew. Exzellenz.
Die Prüfung selbst ist im wesentlichen nach Mafsgabe der Anlage b
zu der Prüfungsordnung vom 15. Mai 1894 — ü. m. B. 1477. I. —
vorzunehmen.
Insonderheit sind in der praktischen Prüfung bezüglich derjenigen
Fertigkeiten und Eigenschaften, welche für das Retten im Wasser Ver-
unglückter und ihre Behandlung bis zur Ankunft eines Arztes notwendig
Bind, an die Schwimmlehrerinnen nicht weniger strenge Anforderungen zu
stellen als an die Schwimmlehrer. Wegen der bei Beurteilung der Leistungen
anzuwendenden Prädikate verweise ich auf meinen Erlaßt vom 16. Mai d. J.
— U. m. B. 1442 — .
Ew. Exzellenz ersuche ich hiemach ergebenst, das weitere gefälligst
zu veranlassen, auch das dortige Provinzial- Schulkollegium auf dessen an
mich gerichteten Bericht vom 11. Februar d. J. — 1373 — entsprechend
zu benachrichtigen.
Berlin, den 2. Juni 1905.
Der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten.
In Vertretung,
gez. Wkvrr.
An die Herren Ober-Präsidenten.
U. m. B. 1383. U. m. D. M.
(„MMsi.'BL f. MedM. u. media. Unterrichts-Angdegenh.'' ^ Nr. 13).
Unterweisung der Lehramtskandidaten Ar Mittelsckulen
in Schulhygiene.
Erlafs des k. k. österreichischen Ministeriums für Kultus und
Unterricht vom 5. Oktober 1905.
Die raschen und vielfachen Fortschritte auf dem Gebiete der Schul-
hygiene als Wissenschaft, und die günstigen Erfahrungen in der praktischen
DurchfOhrung ihrer als richtig erkannten Grundsätze erheischen, dafis diesem
bisher zu wenig beachteten Schulfaktor eine erhöhte Aufmerksamkeit zu-
gewendet werde. Die Unterrichtsverwaltung hat schon in mehreren Erlassen
die Lehrerschaft auf die Wichtigkeit dieses Gegenstandes aufmerksam ge-
862
macht, einzelne Fordenmgen der theoretiflchen Schnlhygiene snr praktiflcfaea
Dnrchflihiiing gebracht, und auch auf die Unterweisung der Lehrer in diesff
Disziplin Bedacht genommen. So hat sie bereits im Jahre 1896 aa-
geordnet, daTs an den medizinischen Fakultäten Vortrage Aber Scholgesirad-
heitspflege fBr Lehramtskandidaten, nnd zwar jedes zweite Jahr entweder
in Jedem Wintersemester im Ausmalse Ton zwei Stnnden, oder in jedem
Sommersemester im AusmaGBe von drei Stnnden in der Woche, nnentgeltlidi
abgehalten werden, nnd hat behnfs CYentneller Anschaffung des für diesen
demonstratiTen Unterricht erforderlichen Materials (an Modeilen, Wandtafehi
n. dergl.) besondere Subventionen in Aussicht gestellt
Die eingeholten Berichte Ober die mit diesen Yortr&gen gemachtes
Erfahrungen lassen zwar erkennen, dafs einzelne Lehramtskandidaten ia
richtiger Erkenntnis der Wichtigkeit dieses Gegenstandes f&r ihre berufliche
Ausbildung mit Fleils und Eifer diese Vorlesungen besuchen, an den Ex-
kursionen teilnehmen und sich auch Kolloquien aus diesem (jegenstande
unterziehen. Allein die grOfsere Zahl der Studierenden liefe die Yoriesungen
zum Teile unter Hinweis auf die starke Inanspruchnahme mit Pflichtvor-
lesungen unbeachtet. Um nun den Besuch dieser Vorlesungen, ftkr deren
Obligaterklämng bereits Stimmen laut geworden sind, zu steigern, wird bis
auf weiteres im Rahmen der bestehenden Prafungsvonchrift und sonstiger
Normen angeordnet:
1. Jeder Lehramtskandidat hat bei seiner Meldung zur Prüfung im
Sinne des Artikels 11 der PrttfuDgsvorschrift vom 30. August 1897 in
seinem Gesudie auch anzugeben, ob er Yoriesungen über Schulhygiene be-
sucht hat, und dies eventuell durch Vorlage von Kolloquienzeugnissen zu
erweisen. Es ist wünschenswert, dafs von diesem Nachweise auch in dem
PrOfiingszeugnisse Erwähnung geschehe, daher werden die Direktionen
der wissenschaftlichen Prüfungskommissionen ermächtigt, im Sinne des
Artikels XXm der erwähnten PrOfnngsvorschrift bei Abfassung des Lehr-
befthigungszeugnisses auf den genannten Nachweis ausdrücklicJi Rücksicht
zu nehmen. Gleichzeitig werden die k. k. Landesschulbehörden angewiesen,
bei Erstattung von Vorschlägen fQr die Besetzung erledigter Lehrstellen an
Mittelschulen in der Qualifikationstabelle der Bewerber oder im Vorlage-
berichte selbst ausdrücklich hervorzuheben, ob ein Kandidat Vorlesungen
über Schulhygiene besucht und Kolloquienzeugnisse erworben habe.
2. Damit die Studierenden (Lehramtskandidaten) auf die Yoriesungen
über Schulhygiene besonders aufmerksam gemacht werden, ergeht unter
einem an die Dekanate der philosophischen Fakultäten das Ersuchen, die
genannten Vorlesungen über Schulhygiene in den festgesetzten Semestern
nach Angabe der Dozenten gesondert in der ihnen geeignet erscheinenden
Weise anzukündigen.
3. Um aber die bereits im praktischen Lehramte wirkenden Lehrer
von den Fortschritten in der Schulhygiene fortgesetzt in Kenntnis zu er-
halten, ist es sehr wünschenswert, daCs in die Programme der mit dem
Ministerialerlasse vom 8. Januar 1905 angeordneten Ferialfortbildungskurse
für Mittelschullehrer, wenn nicht regelmäßig, so doch mlVglichst oft Vorträge
über Schulhygiene, in Verbindung der Besichtigung modemer Schnlbanten,
aufgenommen werden.
4. Endlich ist das Ministeriiim bereit, nach Mabgabe der verfügbaren
Mittel einzelnen Lehrpersonen über besonderes Ansuchen Unterstfttznngen
nr Teilnahme an hygienischen Kongressen und zu Studien hygienischer
Schuleinrichtungen im Auslande zu gewähren.
(„Wien. Ztg."" v. 7. Oktbr. 1905.)
£ittratnx.
Besprechungen.
Stoll, Hans, Dr. Alkohol und Kaffee in ihrer Wirkung anf Herz-
leiden und nervSse StSrnngen. 2. Aufl. Leipzig, B. Konegen, 1905.
8^ 29 S. Mk. 0,50.
Der Einflnls des Alkohols auf das menschliche GefUssystem ist schon
seit längerer Zeit bekannt; in Bestätigung früherer aUgemeinerer Er-
fahrungen hat die Schule der modernen „Herz^- Spezialisten, zu denen
auch der Verfasser dieser Schrift gehört, konstatiert, dafe Alkohol einen
erweiternden (diktierenden), und somit die Herzkraft schwächenden £in-
flufs auf das Herz hat, welcher schon nach einmaligem Genüsse einer
grOlseren Dosis nachweisbar ist, bei chronischem Gebrauche aber stabil
wird. Der Kaffee dagegen hat eine in gewissem Sinne gegenteilige
Wirkung: ^Wenn der Alkohol durch Erweiterung des Herzens und Gefäß-
systems den Blutdruck herabsetzt, so steigert das Koffein (die wirksame
Substanz im Kaffee und Tee) durch Zusammenziehung beider den Blut-
druck im Körper. In der Zusammenstellung der Wirkungen beider Stoffe
liegt die Hauptbedeutung dieser Schrift. Es ist, so folgert der Verfasser
logisch, plausibel, dafe der 'Mensch eine Vorliebe dafQr hat, die un-
angenehmen Wirkungen des Alkohols nach der Mahlzeit durch den
„schwarzen Kaffee*' zu dämpfen, aber die Schädigung f&r das Herz ist
unter diesen Umständen eine besonders grolse. Zuerst schwächen wir mit
Alkohol das Herz, indem wir es erweitern, dann zwingen wir mit Kaffee
durch die Steigerung des Blutdruckes (das Koffein ist dazu noch speziell
ein auf die Herzmuskelfasem sehr stark wirkendes Gift) das Yorher ge-
schwächte Herz zu vermehrter Arbeitsleistung.^ Wir können dem Ver-
fasser dankbar sein, dafs er uns diese Erklärungen, anstatt sie in irgend-
einer klinischen Schrift für das Laienpublikum zu begraben, in populärer
Form in einer jedermann zugänglichen Broschttre mitgeteilt hat. Die
Arbeit ist fär jeden lesenswert, insbesondere ist es zu wünschen, daCs der
Lehrer mit ihr sein naturwissenschaftliches Lehrmaterial bereichert.
Dr. KUKT WEHBLIN-Zürich.
Ludwig Gurlitt. Der Dentsehe und die Schule. Erinnerungen,
'Beobachtungen und Wünsche eines Lehrers. Berlin 1905. Wiegandt
A Grieben. 240 S. Preis broch. Mk. 2. — , geb. Mk. 3.—.
864
Als Dr. GUBLITT nnl&ngst am Hamburger Philologentag einen Vortrag
Aber „Pflege und Entwicklung der Persönlichkeit*' hielt, sollte er mit seinea
Auffassungen auf starken Widerstand stolsen. Und doch zeigt sein Buch,
gleich seinem früheren „Der Deutsche und sein Vaterland", auf jeder Seite,
was ein Charakter und eine Persönlichkeit ist.
Dafs ein Mensch, dem Verfasser gleich, unter gflnstigen Verhältnissen
geboren und aufgewachsen sei und durch Gesellschaft und Studien tausend-
fache Gelegenheiten erhalten habe, etwas werden zu können, ruft nock
keine Persönlichkeit herror. Er mufs wohl beanlagt, Herz und Sinoe
mttssen den besten Einflüssen offen sein, er mufs sich durchkämpfen a
eigenen Anschauungen, er muDs sein eigenes Selbst, zuweilen auf die Geislir
hin einseitig zu sein, charakterfest behaupten, dann hat er Anspruch daranf,
eine Persönlichkeit zu heilsen.
Gerade dieses so geartete Persönliche ist das Beste in Gublttts Buch.
Da sind aus dem Schulleben besonders der Gymnasien, Erinnenrngen
aufgefrischt, die das Herz erwärmen und wohl auch den Gegnern des
Autors unbequem werden dürften (z. B. S. -84 f.). Da werden Gedanken
und Beobachtungen geltend gemacht, die wahre Lebensweisheit ausstreuen;
da sind Hoffnungen hinsichtlich der Zukunft der Schulen ausgesprochen,
die eine reformfreudige Richtung mit Begeisterung erfüllen, das reaktionire
Blut aber mit Galle vermengen werden. Wer eben im Schulleben dem
alten System huldigt, wird GüRLiTTs Buch zu lesen schwerlich yertragea.
Wer dagegen dafOr halt, dafs das Schulleben einen unentwegten Lftutenmgs-
prozefs und Befreiungskampf bedeute, einen Gesundnngsrorgang an der
Gesellschaft Yorstelle, der fühlt sich von der Lektüre erfrischt und Ter-
jüngt. Der Verfasser hat eben das Herz am redhten Fleck. Mflfsten wir
dem Buch ein Motto mitgeben, das dessen Wert kurz und prägnant wieder-
zugeben hätte, wir schrieben darüber: Gedankenreich und gmndlauter!
Prof. Dr. HAOMANN-St. Gallen.
MnttersehntZy Zeitschrift cur Reform der sexuellen Ethik. Henns-
gegeben von Dr. phil. Hblbne StOcesr. Verlag yon S&uerländer-
Frankfurt a. M. 1. Jahrgg. 1. H. 1905.
Auf keinem Gebiet sind die Anschauungen schwankender als auf dem-
jenigen der sexueUen Moral. Wir alle ftlhlen schon, dafis Dinge, welche
unseren Eltern noch heilig schienen, für uns keinen Wert mehr haben,
aber wer ist sich klar über die Foiderungen, die auch für uns zu den
unumstöMchen gehören? — Die Zweifel zur Sprache zu bringen, klare Be-
griffe zu schaffen, ist sicher ein verdienstliches Unternehmen und dfirfte
weiteste Kreise interessieren. Vor allem sind diese Dinge für die Jugend
von Bedeutung, da in hohem Mafse der Kinder Zukunft von den Begriffen
der Sitte der geschlechtlichen Beziehungen abhängen kann. Es ist daher
Pflicht von Eltern und Erziehern, nicht gleichgültig an diesen Fragen vor-
über zu gehen.
Das Programm, das Dr. Hblbnb Stöckbr in dem ersten Artikel der
Zeitschrift aufirollt, ist sehr yielyersprechend, es kann jedermann nur grolse
Befriedigung gewähren, dafs von dem ursprünglich geplanten engen Rahmen
des „Mutterschutzes*^ abgesehen wurde, die Heransgeberin die Grenzen
865
recht weit steckt. Diesem Programm bleiben auch die beiden weiteren
Beiträge des uns vorliegenden ersten Heftes treu, die Artikel von Prof.
Bruno Mxtir, Dr. Iwan Bloch, welche jeder von einer anderen Seite
die Frage der Geschlechtsmoral aofrollen und beleuchten, sowohl in
Würdigung des historischen Entstehens der heutigen Begriffe als in ihrer
Kritik. Dr. med. iDA HiLFiKER-Zllrich.
Bibliographie.
Die mit ^ bezeichneten Werke wurden der Redaktion zugesandt.
*AfmaU d'iffiene spermmiale (Prof. Angblo Cblli). Vol. XY n. S.,
Fase. IV. Anno 1905.
^Ausstellung für Schulgesundhätspflege in den Turnhallen am Cleveriar eu
Hannover, am 3. bis 8. Okt, 1905. Veranst. v. Lehrerverein HannoYer-
Linden. 8^ 74 S.
^Bekariukoff, D. D., Dr. med. ChrundgUge der Schulhygiene (russ.).
Moskau, 1905. 8^ 511 8. Ruh. 2.00.
*Bbnda, Thbodor, Dr. med. BesonderheUen in Anlage und Ereiehung
der modernen Jugend. Berlin, Herrn. Walther, 1905. 8^. 29 S.
^iRCHER-BsNNflR, Dr. med. Orundgüge der Ernährungstherapie auf
Grund der Energiespannung der Nahrung. 2. umgearb. Aufl. Berlin,
0. Seile, 1906. 8«. 223 8. JK 3.00.
Büttner, Gborg. Beohachiungen Ober lOrperUche Rückständigkeii bei
geistiger Schwäche. Die Gesundheitswarte der Schule, 1905, Nr. 10.
*COHN, Hbrm., Prof. Nachruf für Hofrat Dr. Paul Schubert, den Nam-
berger Schulhygiemker. Vortr. in d. Hyg. Sekt. d. Schles. Gesellsch.
für ?aterl&nd. Kultur. Sep.-Abdr. a. d. Allg. med. Centr.-Ztg., 1905,
Nr. 39/40.
*Dbnnig, A., Prof. Hygiene des Stoffwechsels im gesunden und kranken
Zustande. Bibliothek d. Gesundheitspfl. Stuttgart, Ernst H. Moritz,
1905. El. 8^ 88 8. Mit AbbUdgn. Brosch. Jk 1.20, eleg. geb.
Jk 1.50.
*DlBTZ, LUDWIO, Ing. Über Heirnng und Lüftung der SchtUräume. Mit
7 Abbildgn. Sond.-Abdr. a. d. Ztschr. „Das SchuMmmer'', 1905, H. 4.
Charlottenburg, J. Müller & Co. 8^ 28 S. Ji. 0.50.
*Fr1nkbl, C, Prof. Das Wesen und die Bekämp/kjing der Tuberkulose.
Herausgeg. y. Deutsch. Zentralkomitee zur Errichtung von Heilstätten
fttr Lungenkranke. BerUn, 1905. Kl. 8^. 24 S.
'''Fribdrioh, Hans, Dr. SonfessioneU - gemischte Schule IVankenthal.
. Jahresbericht Aber das Schuljahr 1904/05. Frankenthal, L. Göhring,
1905. 8^ 46 S.
*Gallb, R., Dr. Konrad Bitschins Pädagogik. Das 4. Buch des enzy-
klopädischen Werkes: „De rita coigugali."' Gotha, E. F. Thiemann,
1905. 8^ 216 S. A 6.00.
866
6A8TPAR, J., Stadtant. Oiäaehim Mer die SdkOargtfirage tu SimUgart,
Mugleieh Benehi über die informatorieche ühiemudmng der Sdmlkmder
im Jahre 1904, erstattet im Auffräße des Oemeinderais Stuttgart
Stuttgart, Kotebammer, 1905. 8^ 82 8. M 1.00.
*Oebrader Sulzbr. Heimng und Ventffatiou van SduüMusem und Tum-
hauen. 8ep.-Abdr. a. d. Jahrb. d. Schweiz. Gesellsch. f. Schnlgesond-
heitspfl., VI. Jahrg., 1905. I. Teil. Zttrich, Zttrcher & Furrer, 1905.
8<>. 22 S. Mit AbbUdgn.
^Obromillbb, Rud. Das Kne^ppsche Wasserheilverfahren in Verbindung
mit einer rationeilen Rräuterkur. Mit über 100 Abbildgn. Wörishofen,
1904. Kl. 8^ 184 S. M 1.50, geb. iL 2.00.
^Gesunde Jugend^ V. Jahrg., H. 3 n. 4. Leipzig und Berlin, Teubner,
1906.
Hamm, Dr. über künstliche Beleuchtung von SehuUimmem, Fäbriksälen usw.
GasgUMickt oder dMrisches Licht? MonaUbl. f. öff. Gesandheitspfl.,
1905. Nr. 9.
*Hartmann, Artbur, Prof. Beneht Ober die TäUgkeU der Berliner
Schuiärßte im Jahre 1904/05. Berlin, 1905. 4^ 13 S.
*H£88, Eduard. Zum fünfzigjährigen BesM^en der Kahlbaumschen Nerven-
heilanstalt SU a&rlitg, Sond.-Abdr. a. d. Centralbl. f. Nerrenheilkde.
n. Psychiatrie, 1. Okt. 1905.
JABR80HKT, PAUL, Dr. med. K&rperpflege durch Oymnasük, Licht und
Luft, Mit 42 Abbildgn. Bibliothek der Gesundheitspflege, 17. Band.
Stuttgart, £. H. Moritz, 1905. Kl. 8^ 138 S. Jk 1.00, geb.
Ä 2.00.
*JB88EN, Motz, Dominicus. Die Zahnpflege m der Schule. Stralsburg,
L. Beust, 1905. Gr. 8^ 67 S. Mit Abbildgn. Geb. JM 2.00.
^Kalender für Lehrer und Lehrerinnen an Schulen und AnstcUten für
geistig Schwache. Erster Jahrg. 1905 — 06. Leipzig, Scheffer, 1905.
I. u. IL Teil. Kl. 8^ Brosch. M 2.60.
*Kraspblin, Emil, Prof. Die akademische Jugend und die Alkoholfrage.
Verl. d. Schriftstelle d. Alkoholgegnerbandes, Basel. Kl. 8^. 16 S.
JM 0.10.
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Kinder die schwer lesen, schreiben and rechnen lernen. Beriin, 0. Coblenz,
1906. Gr. 8«. 132 S. Jk 2.40.
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lostome par deseaux soUes de filtraüon, Paris, T. Roasset, 1905. 8^
25 S.
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Wochenscbr., 1906, Nr. 17.
Pbop^, Alice, Dr. med. Die körperliche Ergiehung unserer Mädchen.
Körper und Geist, 1905, Nr. 9/10.
*Ratdt, H., Prof. Yerhändhmgen des YJl, deutsshen Kongresses für
Volks- und Jugendspiele m Frankfurt a. M. vom 15, — 48, 8^t. 1905.
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Meisnbb, Berlin. Über die Besiehungen zwischen Schule und Heer.
EOOH, Dr., Prof. J^ber die Ersiehung zur Selbständigkeit.
Weidbnbusch. Über die frühere tmd die jeUsige Schwimmefhode
m IrankfurL
FiNELER, Dr., Prof. Die körperlichen Anlagen, ihre Entwicklung
und Ausbildung.
V. SOHENEENDORFF. Über den allgemeinen obligatorischen Spiel-
nachmittag.
*Reich, Carl, Dr. med. Über die seitens der städtischen (Breslauer)
Behörden beschlossene Einführung von Schulärzten in unseren höheren
Schulen. Vortr. in d. Hyg. Sekt. d. Schles. GeseUsch. f. yaterl. Ealtar.
Sep.-Abdr. a. d. Allg. med. Centr.-Ztg., 1905, Nr. 39/40.
*Beinfblder, D. Der Artikulationsunterricht in Hilfsschulen, Sep.-Abdr.
a. d. Deatscb. Schulzeitung. 1905. Berlin, Oehmigke, 1905. El. 8^.
12 S. A O.HO.
*SOB WARZ, Alois. Dritter Jahresbericht des Mädchen-Lyzeums in Mährisch-
Ostrau über das SchuliaJir 1904—1905. Mahrisch-Ostrau, 1905. 8^.
52 S.
Stbttbr, Eonrad. Die Schulbank. Nach einem Vortrage, geh. in der
Ortsgruppe Stuttgart d. Allg. D. Yer. f. Schulgesundheitspfl.
♦Stockbr, Friedr., Dr. med. Die Schularztfrage auf Grund bisheriger
Erfahrungen. Sep.-Abdr. a. d. Jahrb. d. Schweiz. Geselisch. f. Schul-
gesundheitspfl., VI. Jahrg., 1905. I. Teil. Zürich, Zürcher & Furrer,
1905. 8^ 68 S.
*Thirthieth Annuäl Beport of ihe Minister of State for Education for the
TfUrty-fifth Statistical year of Mejji (1902—3). Tokyo, Japan, 1905.
8^. 159 S. mit vielen stat. Tabellen und graph. Darstellungen.
^Ullrich, A., Dr., Rektor. Über Koeducaüon. Sond.-Abdr. a. d. „Frauen-
bUdung«, IV. Jahrg., 9. H., 1905.
^Vierter Jahresbericht des Deutschen Vereins zur Pflege von Jugendspielen
in Präg (1904—1905). Prag, 1905. 8^ 13 S.
Weber, Ernst. Ea^erimentier - Pädagogik, Der Säemann, I. Jahrg.,
1905, 1. H.
♦WetöANDT, Dr., Prof. Die geistige Minderwertigkeit im schulpflichtigen
Alter. Offiz. Bericht über d. II. Landesvers. d. Bayer. Med.-Beamt.-
Ver. zu Würzburg am 2. u. ö. Juni 1905.
*Weigl, J., Dr. med. Jugenderziehung und Qenufsgifte. 4. Aufl. P&dag.
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Schulsresandheitepflege. XVIIL 46
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fev $d^itlfirfi
IIL Jahrgang. 1905. No. 12.
<bri^inaiab\^aviUnn%tn.
über den gegenwirtigen Stand der Schnlarrtfrage
in Württemberg.
Yortrag, gehalten in der BezirkssohxLllehreryersammlang
vom 14. Juli 1905 in Esslingen.
Von
Medizinalrat Dr. SPABXH-Esslingen.
Die Frage, ob eine gesundheitliche Überwachung der Schule
notwendig ist, um drohende Gefahren zu verhüten und vorhandene
zu bekämpfen, ist in allen Kulturstaaten rückhaltlos in bejahendem
Sinne entschieden worden. Die Notwendigkeit der Schulgesundheits-
pflege ist heutzutage kein Gregenstand des Streites mehr. Es ist ja
auch ganz natürlich, dais die öffentliche G-esundheitspflege, die in
so viele Gebiete des Handels und Wandels eingreift, um die sani-
tären Lebensbedingungen der Allgemeinheit wie des einzelnen zu
überwachen, die Aufgabe nicht vernachlässigen kann, sich mit den
Verhältnissen zu beschäftigen, denen gerade die Jugend der Nation
allgemein und dauernd durch den Schulzwang unterworfen ist.
Auch über die andere Frage: „Ist zur gesundheitlichen
Überwachung der Schule die Mitwirkung von Ärzten not-
wendig oder kann auf eine solche verzichtet werden?^
ist heute kein Meinungszwiespalt mehr vorhanden. Die statistischen
Ergebnisse, welche die Schüleruntersuchungen in einer greisen Zahl
von Städten geliefert haben, reden nur eine zu deutliche Sprache.
So waren in der Schweiz bei einer Untersuchung von 107968
Schülern durch Schulärzte in den Jahren 1899—1900 15596 Kinder
= 14,4% nicht ganz normal. Davon hatten 2578 geistige, 12906
körperliche Gebrechen. Durch die neuesten schulärztlichen Unter-
Der Sehularit. IIL 22
210 870
flaohongen in Berlin wurde nachgewiesen, daCs nur 44% der sämt-
lichen untersuchten Kinder völlig gesund waren, 18% litten an
Skrofulöse, Blutarmut, englische Krankheit, 14% an Wucherungen
im Nasenrachenraum, 5,5% an Augen- und 4,5% an Ohrenkrank-
heiten. Noch schlimmer sind die Ergebnisse derSchüleruntersuohungen,
welche von März bis Oktober 1904 an 10100 Kindern der Stuttgarter
Volksschulen durch den Stadtanst Dr. Oastpar vorgenommen wurden
und welche nur 15,7% vollständig intakte Kinder ergaben.
Es ist klar, dafs schon zur Feststellung dieser Tatsachen allein
die Mithilfe der Ärzte unbedingt notwendig ist, und wir sind
durch die Resultate dieser Untersuchungen gezwungen, die Augen
gegenüber so tief einschneidenden Schäden nicht mehr zu schlieisen,
sondern die Einrichtungen, durch die sie uns offenbart werden, bei-
zubehalten und auszubauen, auch wenn wir zugeben, dals angesichts
der groben Differenzen, die sich im Prozentsatz der gesunden und
kranken Kinder an einzelnen Orten ergeben haben, die gefundenen
Zahlen für die Beurteilung des Schülermateriales keine ganz sichere
Grundlage abgeben. Ebensowenig darf aus ihnen der Schluls ge-
zogen werden, dals gerade das schulpflichtige Alter, und zwar gerade
durch die Einwirkung der Schule, gegenüber anderen Alterskiaasen so
ungewöhnlich stark belastet werde. Ein solcher SchluCs würde sofort
wenigstens durch die allgemeine Mortalitätsstatistik leicht als un-
richtig widerlegt werden können, bei welcher sich für die Schuljugend
ein gerade umgekehrtes Verhältnis gegenüber der ungewöhnlich
grofsen Sterblichkeit frühere Altersstufen ergibt. Sehen wir uns femer
zur statistischen Vergleichung die Hauptergebnisse des Heeres-
ergänzungsgeschäfts im Bezirke des 13. Armeekorps im Durchschnitt
der Jahre 1894 — 1903 an mit 48,5 7o untauglichen resp. dem
Landsturm und der Ersatzreserve überwiesenen (in sämtlichen
Armeekorpsbezirken des Deutschen Reiches 50,1 %), so verlieren
jedenfalls die Stuttgarter Schüleruntersuchungsziffem viel aiv ihrer
pessimistischen Bedeutung. Jede Altersklasse hat eine bestimmte
Zahl von Minderwertigen. Diese Zahl steigert sich naturgemäfs
da, wo peinlich auf diese Minderwertigkeit untersucht wird. Ebenso
klar ist es auch, dafs die Grenzen sich verschieben müssen, je nach
der subjektiven Auffassung von dem Bilde der idealen G^esundheit,
welches dem einzelnen Untersucher vorschwebt.
In demselben Sinne hat auch der Herr Kultusminister in der
Sitzung vom 18. Mai 1904, in welcher die Petition des allgemeinen
deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege betre£Pend die Anstellung
871 211
▼on Schulärzten im Deutschen fieich vom 1. Dezember 1902 zur
Beratung stand, darauf hingewiesen, dafs solche Statifitiken mit
Beserve aufzunehmen sind, und daüs es schwer ist, ohne weiteres
aus ihnen allgemein weitreichende ungünstige Schlüsse zu ziehen.
Ich möchte besonders davor warnen, aus diesen Zahlen zu folgern,
dab die Qesundheitsverhältnisse in den Volksschulen wesentlich
schlechtere seien als in den Mittel- und höheren Schulen. Aus
Heilbronn, wo gleichfallfi Schüleruntersuchungen stattgefunden haben
wird berichtet, dals ein wesentlicher unterschied zwischen Mittel-
und Volksschule sich nicht herausgestellt habe, vielmehr für alle
Kinder gleichmäfsig der allgemeine Eörperzustand als ein recht guter
bezeichnet werden dürfe, was namentlich dadurch zum Ausdruck
komme, dals die Bezeichnung „schwächlich '^ nur für 1,5 7o aller
Kinder verwendet werde.
Schon lange vor diesen Massenuntersuchungen der Schüler, etwa
um die Mitte der 60 er Jahre, ist von einzelnen ärztlichen
Forschem, die sich mit der Schule und ihren gesundheitlichen Ge-
fahren für die Jugend beschäftigt haben, auf den ursächlichen Zu-
sammenhang von zwei ganz bestimmten körperlichen Schäden mit
dem Schulbetrieb hingewiesen worden. Man hat für die mit der
Steigerung der Anforderungen zunehmende Kurzsichtigkeit die Nah-
arbeit in der Schule, für die durch zahlreiche Untersuchungen nach-
gewiesenen Defformitäten der Wirbelsäule die schlechte Haltung der
Kinder beim Schreiben, fehlerhafte Heftlage, schlechte Beleuchtung
und vor allem schlecht konstruierte Schulbänke verantwortlich ge-
macht. Auch heute noch gelten Kurzsichtigkeit und Schiefwuchs
als eigentliche Schulkrankheiten, obwohl man weiis, dafs weder die
eine noch die andere Anomalie sich ohne vorhandene Disposition
entwickelt, und dals die nach dieser Richtung der Schule gemachten
Vorwürfe nur insofern eine gerechte Greltung haben, als sie bei vor-
handener Anlage die Entstehung und Weiterentwicklung der beiden
Störungen begünstigt und fördert. Im wesentlichen ist es nun aber
doch der Hinweis auf die Kurzsichtigkeit und den Schiefwuchs
durch Ärzte gewesen, welcher bei dem vorliegenden schlagenden
Beweismaterial auch die Schulmänner veranlafst hat, diesen Dingen
mehr Beachtung zu schenken und — wir dürfen es zur Ehre unseres
engeren Vaterlandes aussprechen — , die württembergischen Behörden,
und zwar die Vertreter der Schul- und der ärztlichen Wissenschaft,
in friedlichem Zusammenarbeiten dazu geführt hat, durch einen
Erlaüs im Jahre 1868 über die Konstruktion der Schulbänke, sowie
212 872
dnrch die bald als mufitergültig anerkannten Verftlgung des Ministers
des Eirohen- und Schulwesens betre£Pend die Einriohtang der Sohnl-
hanser und die Gksnndlieitspflege in den Sohnlen yom 28. Dezember
1870 die wesentlichen Grundlagen für die Schulgesundheitspflege zu
legen in einer Zeit, da von einer wissenschaftlichen Behandlung der
Schulgesundheitspflege im ganzen Deutschen Beiche und au&erhalb
derselben noch gar wenig die Bede war. Eine weitere segensreiche
Einrichtung, mit welcher gleichfalls die württembergische Begierung
Yorgegangen, ist die durch den Erlafs des Ministers des Innern vom
20. Oktober 1875 angeordnete, im Ansohluis an die Buggerichte aus-
zuführende periodische Schulvisitation hinsichtlich der gesundheit-
lichen Anforderungen durch die Oberamtsärzte, endlich der auf An-
regung des Medizinalkollegiums yom Kultusministerium ausgegebene
Erlab vom 22. Mai 1889, nach welchem den Zöglingen der Schul-
lehrerseminarien durch die Seminarärzte Vorlesungen über die Schul-
gesundheitspflege zu halten sind.
Wir sehen, das Interesse für die Gesundheitsyerhältnisse in den
Schulen hat, nachdem es einmal geweckt war, sich immer aufs neue
betätigt. Auch die Abgeordnetenkammer hat in Württemberg in
scharfen und manchmal unmotivierten Kritiken des bereits Greleisteten
die Begierung immer wieder vorwärts gedrängt. Man sieht es den
von einzelnen Abgeordneten (Östbrlen und Wichtbr) in den Jahren
1875 und 1876 gehaltenen Beden an, dals sie die Verfügung vom
Jahre 1870 genau studiert haben. Der letztere ist besonders ängstlich
besorgt um die Gesundheit' der Schuljugend und glaubt, dafis mit
der Verfügung von 1875 den Oberamtsärzten eine Aufgabe zuge-
wachsen sei, welche nach ihrer G-röbe und Wichtigkeit weit über die
Leistungsfthigkeit des Personals hinausgehe. — „Eis wird deshalb
nötig sein, dab man entweder ein Gesundheitsamt f&r diese Zwecke
etabliert oder eigene Sachverständige für das ganze Land au&tellt,
die nach gleichmäßigen Normen die Angelegenheit regeln." Diese
Idee hat bekanntlich ein württembergischer Arzt, Dr. Lbvt-Bllikqsb
auch in einer Broschüre (1877): „Der ärztliche Landesschulinspektor
ein Sachwalter unserer mißhandelten Schuljugend^ vertreten. Mit
Becht konnte der damalige Minister SiOK auf alle diese Anregungen
damit antworten, dals man erst die Wirkung der durch die Ver-
fügung von 1875 angeordneten oberamtsärzilichen Schulvisitationen
abwarten solle. Und in der Tat, diese Wirkungen sind hinter den
Erwartungen keineswegs zurückgeblieben. Wohl sind die Zwischen-
räume, in denen diese Visitationen stattzufinden haben, zu grofs, und
873 • 213
es ist ein bereohtigtes Y^langen, dals die Sohulen nicht blob alle
sechs, sondern mindestens alle Jahre einer gründlichen Untersuchung
durch den Oberamtsarzt unterzogen werden sollen, auch wenn man
gerne die Tatsache zugeben mufs, dals da, wo die Schulinspektion
im Hauptamt versehen wird, schon durch diese Behörde mit viel
mehr Energie und Sachverständnis, als dies früher der Fall war, auf
echulhygienischem Gebiet dem ärztlichen Visitator vorgearbeitet wird.
Nicht blois die vielen stattlichen und schönen neuen Schulhäuser,
die in den letzten Jahrzehnten überall in Württemberg erbaut worden
sind, auch die seitens der Gemeinde oft mit schweren und greisen
Opfern übernommenen Verbesserungen der inneren Einrichtungen der
Volksschulen erweisen sich als die erfreulichen Früchte der langsamen
und stetigen hygienischen Arbeit und der durch sie geschafiPenen
Aufklärung, und immer seltener werden die Gremeinden, die unter
Berufung auf die schwache finanzielle Leistungs&higkeit, z. B. der
Neuanscha£Fung gesundheitsgemälser Schulbänke entgegentreten. In
dem Bewulistsein der grofsen Verantwortung auf dem G-ebiete der
öffentlichen Fürsorge für die G^undheit der heranwachsenden Jugend
verläist man sich mehr und mehr auf den wohlmeinenden Bat der
Sachverständigen und wirft alle Vorurteile über Bord. Im Zusammen-
hang damit haben aber auch die Anschauungen über die von der
Schule ausgehenden Gefahren für die Gesundheit der Schüler im
Laufe der letzten Jahre eine ganz wesentliche Änderung erfahren.
Die im Anfang der Bewegung oft nur zu berechtigten Vorwürfe,
dafe die Schule einen grofs^i Teil der bei den Schulen vorgefundenen
Schäden verschulde, beginnen in den Hintergrund zu treten, seitdem
man den Ursachen, der Überftillung, der Überbürdung usw. mit Erfolg
zu Leib gerückt ist. Man hat sich davon überzeugt, dafs die Schule
allein auch mit den besten und idealsten Einrichtungen nicht im-
stande ist, Gesundheitsschäden zu reparieren, welche eben nicht in
der Schule, sondern in den sozialen Notständen unserer Zeit ihren
Grund haben. Wenn Kinder armer Eltern, die ums tägliche Brot
zu kämpfen haben, bleich und mangelhaft ernährt zur Schule kommen,
oder wenn ihre Widerstandskraft und Nervenenergie von Haus aus
notleidet, weil der Erzeuger dem Fluch des Alkohols verfallen war,
wenn der Kegeljunge nach Vertilgung der von den Gilsten übrig
gebliebenen Bierreste, oder der Bauemjunge, der morgens um 4 Uhr
einen Wagen Klee holen muls, in der Schule abfallt und |,wegen
Überbürdung^ dem Unterricht nicht folgen kann, so sind das alles
Schäden, an denen die Schule unschuldig ist. Aber die Schule hat
214 874
das grOfste Interesse daran, dafe alle die Sohftden geheilt weiden,
welche sich der körperlichen und geistigen gedeihlichen Entwicklung
in den Weg stellen, ans dem höchst ein^Mhen Gmnde, weil sie mit
gesnnden Ejlndem mehr erreicht als mit kranken, nnd weil jedes
einzelne kranke Kind die Mühe des Lehrers anf Kosten der gesunden
in negativer Weise belastet. Man hat sich femer namentlich anch
bei den periodischen Schnlvisitationen davon tiberzengt, wie vielfach
gerade die Kinder unserer Volksschulen Schaden und Gebrochen
des Körpers und G-eistes in die Schule mitbringen und die Schul-
jahre hindurch weiter schleppen, ohne dais ein ernstlicher Yersuoh
gemacht worden wäre, zur rechten Zeit helfend und heilend einzu-
greifen. Nun stellt aber die Schule denjenigen geschlossenen
Komplex dar, der am ehesten den Ein- und Oberblick über solche
soziale Milsstände und ihre Ausdehnung gewfthrt. Deshalb haben
auch die statistischen Erhebungen über Gesundheitsstörungen in der
Schule einen unbestreitbar hohen informatorischen Wert, und alle
die Städte, welche durch Anstellung von Schulärzten die Erkenntnis
all dieser Schäden gefördert haben, haben sich nicht blois um die
Schulgesundheitspflege, sondern auch um die Sozialhygiene groüse
Verdienste erworben.
Aber es darf bei dieser informatorischen Tätigkeit der
Schulärzte nicht sein Bewenden haben. Die Zeit der Schule
wird immer kostbarer, man muüs deshalb alles vermeiden, was ohne
direkten praktischen Nutzen für die Schule nur und ausschliefslich
statistisch wissenschaftlichem Interesse dient. Die Zeit der Schule
darf nicht in Anspruch genommen werden für anthropologische
Messungen und Wägungen und dergleichen. Es muls bei der
Tätigkeit des Schularztes für die Schule selbst ein praktischer Nutzen
herauskommen. An diesem Problem haben sich in den letzten zehn
Jahren Lehrer und Ärzte vielfach vergeblich abgemüht. Seine Lösung
ist dem Oberamtsarzt Medizinalrat Dr. Blkzinobb in Canstatt in
vorbildlicher Weise gelungen. Wer seinen Mitteilungen über seine
schulärztliche Tätigkeit in den Jahren 1900—1904 in dieser Zeit-
Schrift (1905, Nr. 9) liest, wird mit wirklichem (Jenuis dem erfahrenen
Praktiker und Menschenfreund auf den Wegen folgen, auf denen er
den minderwertigen Schülern ein treuer Berater und der Schule ein
unentbehrlicher Bundesgenosse geworden ist Die Hauptsache bei
dem Cannstatter System ist die Tatsache, dafs der schulärzt-
lichen Untersuchung die Behandlung der gefundenen
Krankheiten und Schäden in weitaus den meisten Fällen,
875 216
und zwar mit gntem Erfolg, sich angeschlossen hat, sei
es durch Überweisung der kranken Kinder an den Hansarzt oder an
einen Spezialarzt oder durch die Ermöglichung einer Solbadekur usw.
Der Oannstatter Schularzt hat seine Stellung lediglich als die
eines Beraters und Vertrauensmannes aufgefafst und hat es stets
vermieden, als Aufsichtsbeamter den Lehrern und der Schule
gegenüberzutreten. Die Schule sollte auch nicht um ihre Zeit
gebracht und dem Lehrer keine Arbeit durch den Schularzt auf-
erlegt werden. Nur der Listenführung sollte seitens des Lehrers
einige Aufmerksamkeit zugewendet und nach Bedarf die Kinder,
vielleicht auch die Eltern, an die Befolgung der schulärztlichen Rat-
schläge erinnert werden. Die einzige geringe Schreibarbeit bei
Fertigung oder Ergänzung der Liste wird in Gegenwart des Schul-
arztes besorgt, der Lehrer hat nur beim Klassenwechsel die Listen
weiterzugeben resp. die der neuen Schüler in Empfang zu nehmen.
Wenn so der Schularzt der Schule sicherlich keine Störung gebracht
hat, so lälst sich sogar im Gregenteil zeigen, wie der Schulbetrieb
durch den Schularzt direkte Förderung und Belebung erfahren durfte.
So ist es doch für die Schule selbst von Wert, dafs der Lehrer
durch die Besuche des Schularztes zu selbständiger Beobachtung
seiner Schüler das ganze Jahr hindurch angeregt wird. Treffend
sagt der Schularzt, bei jeder neuen Runde habe er die Wahrnehmung
gemacht, wie das Interesse der Lehrer an dem körperlichen Wohl-
befinden ihrer Schüler gestiegen, ihr Blick für vorhandene Gebrechen
geschärft und ihr Verständnis für den Einflufs der körperlichen
Schäden auf die geistigen Leistungen vertieft worden sei. Immer
häufiger seien die Fälle geworden, dafs die Lehrer bei der Nach-
schau der im Vorjahr schadhaft Befundenen, solche Kinder vor-
stellten, welche seit der Behandlung durch den Spezialarzt lebhafter
und aufmerksamer, welche durch den Gebrauch einer Solbadekur
körperlich kräftiger, aber auch geistig frischer und arbeitslustiger
geworden seien.
Ich kann in der mir zugemessenen Zeit nicht auf die Einzel-
heiten der bewährten Cannstatter Organisation des schulärztlichen
Dienstes eingehen, die erzielten Erfolge sind ja sicher nicht dieser
allein zuzuschreiben — eine grofse Rolle spielt auch der natürliche
Takt und die praktische Geschicklichkeit des Arztes im Umgang
mit den Kindern; sehr wichtig ist femer, dafs nicht blols Lehrer
und Arzt, sondern auch der Bezirksvorstand und der Bezirksschul-
inspektor der schulärztlichen Arbeit die nötige Unterstützung und
216 876
EigänxoDg angedeihen laaaen, und in dieeem harmonisohen Zusammen-
wirken ist Caxmstatt besonders glttoklioh gewesen. Jedenfalls werden
bei einer endgültigen Regelung der Sobnlarstfrage die ErCeihrangen
der Cannstatter Behörden in grundlegender Weise verwertet weiden.
Wie diese endgültige Regelung sich gestalten wird, das wird
sich, wie es scheint, in sehr kurser Zeit entscheiden. In jener
Kammerverhandlung vom 18. Mai 1904 über die Sohularztfirage sind
noch erhebliche Differenzen zutage getreten über verschiedene organi-
satorische Fragen. Sollen die schulärztlichen Funktionen losgelöst
werden von den schon jetzt den Oberamtsürzten obliegenden Ver-
pflichtungen betreffend die Überwachung der Schule und des Schul-
betriebes? Ist es Sache der Gemeinden oder des Staats, die nötigen
Mittel aufzubringen, oder sollen dieselben durch einen Appell an die
Opferbereitschaft und den G^meinsinn der Bürger durch Stiftungen
und Sammlungen beschafft werden. Soll dem Staat das AufsiohtB-
recht über den Schularzt vorbehalten bleiben, auch dann, wenn die
Gemeinden den Schularzt anstellen und besolden. Sollen Sohulftrzte
zunächst nur in den Stfidten und noch nicht auf dem Lande ange-
stellt werden? Alle diese Fragen sind ihrer Lösung wesentlich nfiher
gerückt. Die württembergische Regierung vertritt nunmehr, nach
einer wohl offiziösen Bekanntmachung im Abendblatt der Nr. 312
des rt Schwab, Merkur*^, in welcher über eine Sitzung des Medizinal-
Kollegiums im Beisein von EoUegialmitgliedem des Ministeriums des
Innern sowie des Kirchen* und Schulwesens berichtet wird, den Stand-
punkt, dais die Schularztfrage als ein Teil der öffent-
lichen Gesundheitspflege von dieser nicht zu trennen,
dafs deshalb das Schularztwesen staatlich zu organi-
sieren und dafs eine entsprechende Instruktion für den
schulärztlichen Dienst aufzustellen sei. Ein Unterschied in
der Behandlung der Volksschüler und der Schüler der höheren
Schulen sollte nicht gemacht werden.
Das ist eine ungemein wichtige prinzipielle Stellungnahme. Ich
habe hier nicht zu untersuchen, ob und in welchem Grade bei
diesem EntschluJs die Königl. württembergische Regierung beeinflubt
worden ist durch die Rücksichtnahme auf die mehr und mehr un-
haltbar gewordene Stellung der Oberamtsärzte und durch den Wunsch,
diesen Staatsbeamten allmählich eine aussohlielsliche Beamtenstellung
zu verschaffen, welche ihnen erlaubt, auf die Konkurrens der ärzt-
lichen Praxis zu verzichten. So viel scheint sicher, dais in Württem-
berg — zunächst noch im Gegensatz zu allen anderen Bundesstaaten,
877 217
welche bis jetzt noch die Lasten für den Schularzt den Gemeinden
überlassen haben — mit derVersehnng des schulärztlichen Dienstes
der bisherige staatliche Gesundheitsbeamte beauftragt werden wird,
welchem jedenfalls auch in denjenigen grofsen Gemeinden, welche
eigene Schulärzte auf eigene £osten anstellen, das Aufsichtsrecht
über diese vorbehalten bleibt.
Es ist klar, dals mit der Anstellung und Besoldung des Schul-
arztes durch den Staat das Institut selbst eine wesentliche Förderung
erfUirt: die Einheitlichkeit der üntersuchungsmethoden yerbtirgt zu-
Terlässigere und yerwertbarere Resultate, als wenn jede einzelne Ge-
meinde ihr eigenes Schema aufstellt; sodann sollen sich die Unter-
suchungen nicht auf die Volksschule allein beschränken, sondern
auch auf die Mittel- und Gelehrtenschulen ausgedehnt werden.
Die bisher dem freien Willen der Eltern aberlassene Beteiligung
wird durch staatliche Verfügung obligatorisch, das ganze Geschäft
ruht auf stabilerer Grundlage. Die Durchführung der angeordneten
Malsregeln wird, auch ohne dafs man denselben den Zwangs-
charakter gibt, durch die staatliche Autorität besser gewährleistet.
Den Gemeinden und Korporationsyerbänden, sowie dem Gemeinsinn
bleibt dann immer noch genug zu tun übrig, und der Bewilligung
der zur Beseitigung der gefundenen Schäden notwendigen Mittel
wird sicher der staatliche Charakter der Einrichtung kein Hindernis
bereiten.
Hoffen wir, dals diese Einrichtung, mit welcher Württemberg
wiederum bahnbrechend yorangeht, sich bewähren, dafs alle Arbeit,
welche nunmehr der staatliche Schularzt in der Schule, durch die
Schule und für die Schule zu yerrichten haben wird, der heran-
wachsenden Jugend und der Schule Segen bringen, und dals die
Prophezeiung jenes SchuWorstandes {„Schwab. Merkur^ ^ 16. Februar
1899), nach welcher man wieder eine jener Mühlen in Bewegung
sehen wird, die in unserer nenrösen, auf alle Modesachen sich be-
gierig sttLrzenden Zeit so beliebt sind, Mühlen, die tüchtig klappern,
aber kein £om mahlen, nicht in Erfüllung gehen möge.
218 878
lUtnere Jtitteilitttjjett.
Die Sebnlaritfirage. In der ^Münch. med. Wochensckr^ (1904,
Nr. 44) macht Oberarzt Dr. A. Schott - Weinsberg einige beachtenswerte
Bemerkungen znr Schnlarztfrage. Er findet, da& dem Schularzt
eigentlich bisher mehr die Aufgabe zugewiesen worden sei, hygienischer
Mafsnahmen von allgemeiner Bedeutung zum Durchbruch zu Terhelfen.
Er möchte die Tätigkeit des Schularztes erweitem und vertiefen, und wünscht
deshalb, dafs der Schularzt dem individuellen Leben der SchOler näher
trete. Mit liebevollem Verständnis soll er seinen erziehlichen Scharfsinn
dazu benutzen, in die physiologisch und psychologische Persönlichkeit des
Rindes einzudringen, und erforschen, auf welchen sozialen und biologischen
Grundlagen der Körper und das Geistesieben der einzelnen Individualität sich
entwickelt habe. Aus dem Schatze seiner Erfahrungen soll er der Jugend-
erziehung in Schule und Haus, sowie der Wissenschaft neue Bahnen er-
öffnen. Nun ist zu sagen, dals die Hygiene des Schulkindes in
vielen Orten sich im Sinne des Verfassers entwickelt, aber trotzdem ver-
lieren seine Ausführungen keineswegs an Bedeutung.
Er erinnert an die krankhaften Erscheinungen auf nervösem und
psychischem Gebiete, an die hysterischen Erscheinungen mit ihrer psychischen
Infektionsgefahr, an neurasthenische und epileptische Zustände, welche so
oft zu verkehrten pädagogischen Mafsnahmen Anlais geben, die das Übel
verschlimmem. Er weist hin auf den gefährlichen Einflufs von Kindern,
die infolge ererbter alkoholischer Belastung sichtlich degeneriert sind.
Er zeigt, wie das Jugendirresein (dementia praecox) zu schweren
Täuschungen Anlafs gibt. Es äufsert sich in Abnahme der geistigen
Elastizität, Arbeitsunlust und Interesselosigkeit. Disziplinarmafsregeln, Nach-
hilfestunden sollen der schwindenden Intelligenz auf die Beine helfen. Das
Kind wird oft lange gequält, bis man erkennt, dafs man es mit einem
geistig schwer kranken Menschen zu tun hat.
Der Schularzt soll das Recht erhalten bei minderwertigen, geistig mehr
oder weniger zurOckgebliebenen Kindern auf Reduktion der Schulfordemngea
und auf Verzicht gegenüber zu hoch gespannten Plänen von selten der
Eltem und Lehrer zu dringen.
Bei Festsetzung der Ferienkolonien, Dauer und Festlegung der Schul-
ferien, Disziplinierung defekter Schulkinder, Einteilung der Unterrichts-
stunden, Anforderangen des Turnunterrichts, Einrichtung der Tumspiele
und Tummärsche ist er als Berater herbeizuziehen. Die Beurteilung
sexueller Verfehlungen soll seine Aufgabe sein.
Mit der Aufklärang der Jugend und der Eltern über die Schädi-
gungen durch Alkohol, Nikotin, Geschlechtskrankheiten, körperliche und
geistige Überanstrengung würde er sich ein Verdienst erwerben. An den
oberen Klassen sollte er gemeinverständliche Vorträge über Anatomie und
Physiologie des Menschen abhalten, weil die Erkenntnis in diesen Dingen
879 219
die jungen Lente am ehesten Yor Schaden bewahrt. Mit den Familien
der Schüler soll er in Beziehung treten.
In wissenschaftlicher Hinsicht kann er anf dem Gebiete der Nenro-
pathologie, der Psychiatrie wertvolle Aufschlösse erteilen, aber auch die
interne Medizin wird er durch seine Untersuchungen zu fördern imstande
sein. Er kann Licht verbreiten mit Bezug auf Infektionskrankheiten,
konstitutionelle Krankheiten (Skrofulöse, Anämie usw.). Anthropologische
Studien, insbesondere anthropometrische Messungen dürften über die Frage
der Vererbung, der Kriminalpsychologie, wie moral insanity usw. weitere
Aufkl&rung bringen.
Damit der Schularzt in dieser Richtung seine Tätigkeit vertiefen kann,
mufe er finanziell unabhängig, d. h. nicht auf der Privatpraxis angewiesen,
sondern mit einem ausreichenden festen Gehalt dotiert sein!
Dr. Schott erweitert die Aufgaben des Schularztes in weitgehendem
Mafse. Dafs er allseitiger Zustimmung sicher sei, ist zu bezweifeln, denn je
mehr wir die Tätigkeit des Schularztes erweitem, je gröfser wird die
Gefahr der Zersplitterung der Kräfte. Immerhin verdient Schotts Auf-
fassung ernsthafte Würdigung, indem sie geeignet ist, die Hygiene des
Schulkindes in ein anderes als das gewohnte Licht zu rücken!
Dr. KRAFT-Zürich.
Mit der schulärztlichen Tätigkeit beschäftigte sich vor kurzem,
vne die yySchles. Ztg.*^ mitteilt, eine Vorlage des Magistrats in Görlitz.
Sie spricht sich dahin aus, dafs die Einführung der Schulärzte von Segen
gewesen ist, dafe die Angliederung der Schularztstellen an die fünf armenärzt-
lichen Bezirksstellen sich als zweckmäfsig erwiesen hat. Die Gesamtergeb-
nisse zwingen zu weiterem Ausbau des schulärztlichen Fürsorgedienstes und
fordern die Entbindung des Stadtarztes von dem Amte eines Schularztes
infolge seiner sonstigen vermehrten Tätigkeit. Es wurde beschlossen, das
Amt eines Schularztes einem anderen Arzt zu übertragen.
Über die Neuregelung der Srztlichen Kontrolle der Schulkinder
hat die städtische Verwaltung in Solingen nach einer Mitteilung der
j,8olmg, Ztg.^ eine Vorlage ausgearbeitet. Es ist nach derselben beab-
sichtigt, die Schularztfrage in der Weise zu regeln, dafs bei der Aufnahme
der Schüler zu Ostern alle diejenigen Kinder, welche dem Lehrer von den
Eltern als krank bezeichnet werden, oder die der Lehrer nach einigen
Tagen selbst als krank befindet, von einem Schularzt genau untersucht
werden sollen. Der Befund und das Urteil des Arztes soll dann für die
Behandlung des Kindes im Unterricht mit entscheidend sein. Mit der
Untersuchung der aufzunehmenden Kinder soll eine öffentliche Sprechstunde
verbunden sein, d. h. es können dem Schularzt seitens der Eltern oder
der Lehrer auch Schüler anderer Klassen, also ältere Schüler, zur Unter-
suchung vorgeführt werden. Derartige Sprechstunden sollen im Laufe des
Jahres auch stattfinden gelegentlich der zweimaligen amtlichen Revision der
Schulen. Die vermehrte ärztliche Kontrolle, die wahrscheinlich den Armen-
ärzten übertragen wird, verursacht auch eine Erhöhung der bisherigen
Kosten der Schulkinderuntersuchung.
Über die Anstellnng städtischer SchnUrzte und die damit ge-
machten Erfahrungen sprachen Medizinalrat Dr. Strassnbr und Stadt-
220 880
Bcholrat Dr. Frahkb, beide ans Magdeburg, am letzten Städtetag der
Proyinz Sacbsen nnd Anhalt in Naombnrg.
Neie Sehnlirite. Von der Schaldepntation in Hildesheim ist
die Einftihnmg Ton SchnlArzten in den Volksschulen beantragt worden.
Zunftchst sollen vier Schulärzte angestellt werden, zwei ftbr die Intherisdie
und zwei fllr die katholische Volksschule. Der Antrag wurde mit grofeer
Mehrheit angenommen. — In Chemnitz- Hilbersdorf wurde fftr die
17. Bezirksschule ab 1. Januar 1906 eine ständige Schularztstelle gegründet
und die Mittel in Höhe von 500 Mark in den Haushaltungsplan Air 1906
eingestellt. — Die Stadtverordneten von Elberfeld beschlossen, in ihrer
Sitzung Tom 24. Oktober, zur Erzielung besserer ärztlicher Bean&ichtigung
der Schulkinder ?om 1. August 1906 ab anber den bisherigen neun Ärzten
weitere neun Ärzte, und femer fQr die eingehendere Untersuchung von
Augen-, Nasen- und Ohrenkrankheiten drei Augenärzte und drei Spezial-
ärzte für Nasen und Ohren in Anspruch zu nehmen. Die Ausgaben werden
5300 Mark betragen. — Von der städtischen Verwaltung in Bummels-
dorf wird zur öffentlichen Kenntnis gebracht, dafe seit Oktober d. J. zum
besseren Schutze der Gesundheit, der die öffentlichen Volksschulen hier
besuchenden Kinder, Schulärzte angestellt worden sind, welche die Pflicht
haben sollen, die Kinder nach ihrem Eintritt in die Schule ärztlich zu
untersuchen und ihren Gesundheitszustand, solange sie die Schule besuchen,
regelmäfsig zu überwachen. Eltern, welche wflnschen, dafs ihre Kinder
nicht durch die Schulärzte untersucht werden (die ärztliche Behandlung
gehört nicht zu den Dienstobliegenheiten der Schulärzte), müssen den er-
forderlichen gesundheitlichen Nachweis durch Zeugnisse ihres Hausarztes
oder eines sonstigen Arztes erbringen. Formulare für diese ärztlichen
Zeugnisse geben die Herren Rektoren der Volksschulen auf Verlangen ab.
Als Schulärzte sind bestellt worden: Dr. med. Bbrnstbin für die 2. und
6. Gemeindeschule und Dr. med. Wbrnbb für die 1., für die Hälfte der
4. und für die 5. Gemeindeschule, Dr. med. Wagneb für die 3. Gemeinde-
schule mit Hilfsschule und für die Hälfte der 4. Gemeindeschule.
Eine neie Dienstordnung fflr Schnlirzte ist vor kurzem yon der
StadtverordneteuTersammlung in Spandau angenommen worden. Das
Honorar für die Mühewaltung des Schularztes soll pro Kopf und Jahr
SO Pfennig betragen.
Eine BrhShnng der Zahl der Sehnlirste in Berlin um acht hat
Tor kurzem, wie wir dem „Berl. Loh-Ang.*^ entnehmen, die Schuldeputation
beschlossen.
Ober die Stellang der Kinderheilkude Eur Sehnlhygieiie sprachen
auf der die^ährigen Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in
Meran Dr. SSLTBR-Solingen und GOPPBBT-Kattovdtz. Der erste Referent
kam zu dem Schlüsse, dafs sowohl für die Einschulung und die spätere
Überwachung, als auch für die hygienische Gestaltung des Unterrichts und
die Verbesserung v^ssenschaftlicher Grundlagen das bisherige Schnlarzt-
system (Wiesbadener Muster) nicht genüge, wenn auch überall die Not-
wendigkeit schulärztlicher Kontrolle festzustellen sei. Der zweite Referent
stellte als Art und Ziel der Tätigkeit des Schulkinderarztes bestimmte
Forderungen bezüglich der Schul&higkeit, Überwachung, UnterrichtsgestaltuDg,
881 221
YolksernAhnrng fest. Beide Referenten erklärten sich am Schlüsse tther-
einstimmend dahin, dals nnr durch Bestallung pädiatrisch und pädagogisch
gut gebildeter Ärzte im Hanptamte, nnd deren organische Anhörigkeit zu
Lehrkörper wie Aufsichtsbehörden, das notwendige Ziel erreicht werden
könne.
Die EinfBhning tob SehnlirEten an den hSheren Sehnlen
in Breslau wurde unlängst von den städtischen Behörden beschlossen.
Leider vollzog sich diese Neuerung ohne Zustimmung, ja sogar gegen den
Willen der M^orität der Lehrer und Leiter der höheren städtischen
Schulen, in deren Namen, wie erinnerlich sein wird, der Stadtverordnete
Herr Direktor Professor Richter dieVorhige entschieden bekämpfte. Die
Einwendungen, die Bedenken, die Befflrchtungen, die gegen die Einfdhrung
von Schulärzten an höheren Lehranstalten von Herrn Professor RiohtSR
erhoben wurden, auf dem neutralen Boden der Gesellschaft für vater-
ländische Kultur zu besprechen und zu widerlegen, um womöglich zu einer
Verständigung, zu ehrlichem Frieden und zu gemeinschaftlicher Arbeit zu
gelangen, gaben Dr. Rbioh Veranlassung, dieses Thema noch einmal zu
erörtern.
Professor Riohter — fährte Dr. Reich aus — leitet seine Gegnerschaft
gegen die Einftihrung von Schulärzten in höheren Schulen zunächst davon
her, dais er das BedürMs dazu aufs entschiedenste bestreitet. In den
Gesellschaftskreisen, aus denen sich die Schttler der höheren Schulen zu-
meist rekrutieren, werde die Gesundheit derselben im Hause genügend
überwacht. Er fährt das Ergebnis von Umfragen an, die einer der Direk-
toren einer hiesigen höheren Lehranstalt angestellt hat, wonach die meisten
Eltern einen eigenen Arzt, viele sogar „Einderärzte" haben, die sich um
die Gesundheitsverhältnisse ihrer Kinder kflmmem. Es wäre also ein Schul-
arzt in höheren Schulen nicht erforderlich.
Darauf erwidert Dr. Reich: Zugegeben zunächst, dals es sich mit
der häuslichen gesundheitlichen Überwachung so verhält, so trifft das den
Kern der Sache doch durchaus nicht. Der Schularzt soll ja den Hausarzt
nicht ersetzen. Es ist ihm ja sogar nach der Dienstordnung der Schulärzte
selbst ftkr die Volksschulen nicht gestattet, die Behandlung der kranken
Schulkinder zu flbemehmen. Seine Tätigkeit liegt auf einem ganz anderen
Gebiete, auf das ihm der Hausarzt gar nicht folgen kann. Er soll zu-
nächst als Schularzt die äuCsere Handhabung des Schulbetriebes, soweit sie
sich auf hygienische Verhältnisse bezieht, überwachen: die Schulgebäude-
Einrichtung, die Schulbänke, die Beleuchtung der Schulräume, die natür-
liche wie die künstliche, die Ventilation, die Beheizung, die Reinlichkeit
der Schulzimmer und der Korridore, die Beschaffenheit der Klosetts. Er
soll femer als Schülerarzt die Lemanfänger untersuchen, die Unbrauchbaren,
die Schwächlichen, mit schwereren Leiden Behafteten zurückstellen, die mit
leichteren chronischen Krankheiten Belasteten dauernd im Auge behalten,
sie den Lehrern zuweisen, damit diese die Eltern auf ihre kranken Kinder
aufmerksam machen und sie veranlassen, ihnen ärztliche Hilfe angedeihen
zu lassen.
Es ist sehr befremdend, wenn behauptet wird, das alles sei wohl für
die Schüler der Volksschule notwendig, nicht aber für die der höheren
222 882
Lehranstalten. Gerade ?on den hygienischen Übelst&nden in den höheren
Schalen ist ja der Kampf zur Beseitigung derselben aasgegangen. Die
Schaden im äalseren Schalbetriebe, die Mängel der Scholgebftade und aller
der vorhin erwähnten Einrichtungen sind ja gerade an den höheren Schola
entdeckt und fort und fort gerügt worden. Und wie H. GOHN gerade an
den Schalem höherer Schalen die gröCste Zahl and die höchsten Grade
von Knrzsichtigkeit festgestellt hat, so sind bei ihnen aach alle die Krank-
heiten gefanden worden, die man mit dem Namen „Schnlkrankheiten^ zu-
sammengefafst and zn einem Teile aaf Mängel des äalseren Schalbetriebes,
zam anderen Teile aaf die „Überbürdang" der Schüler zarückgeführt hat
Nan wird vielfach Klage darüber geführt, and es als ein schwerer
Mangel bezeichnet» dafs wir angeblich noch keine Statistik der Krankheitea
der Schüler höherer Lehranstalten haben. Wir besitzen indessen wohl schon
statistische Erhebangen in grofsem Umfange, so z. B. die geradezu gnmd-
legenden Untersachangen von AXSL Kbt, dem leider frühzeitig verstorbenes
Schnlhygieniker in Stockholm. Von AXBL Kbt wnrden 15000 Knab»
and 3000 Mädchen ontersncht. Diese Untersachangen machen Ansprüche
aaf möglichste Genauigkeit, da ihnen genaueste Angaben seitens der Eltern,
gewissenbafteste Kontrolle und Untersuchung seitens der Ärzte zugrunde
liegen. Und diese Untersuchungen ergeben nun bezüglich der Knaben die
betrübende Tatsache, dafs mehr als ein Drittel, ja nahezu 40% krank
oder mit chronischen Übeln behaftet waren. In erster Reihe stand wiedenim
die Kurzsichtigkeit, die von Klasse zu Klasse sich steigerte und schnell in
die Höhe ging, gerade wie H. Cohn es gefunden, dann folgten habituelles
Kopfweh, Bleichsucht, Rückgratsverkrümmungen, in geringerem Mafse Langen-
and Herzkrankheiten. Bei den Mädchen, die alle den wohlhabenden Klassen
angehörten, war die Kränklichkeit eine geradezu erschreckende. Nicht
weniger als 61 Vo waren krank. Hier traten in den Vordergrund: Bleidi-
sucht, Kopfweh, Rückgratsverkrümmungen, Skrophulose.
Professor Richter wendet sich dagegen, da& man etwa alle sogen.
Schulkrankheiten der Scbule zur Last lege. Sie hätten, wie er meinte,
ihre Ursachen ganz wo anders. Zweifelsohne mufs man ihm hierin bis za
einem gewissen Grade recht geben. Kein ruhiger und vorurteilsfreier Arzt
wird die Schule für alle diese Krankheiten verantwortlich machen oder sie
allein anschuldigen. Beschuldigt man bei den Krankheiten der Yolksschfller
die ungünstigen Wohnungsverhältnisse, die ungenügende Ernährung, die
Heranziehung zu ungesunden häuslichen und hausindnstriellen Beschäftigungen,
so treten bei den wohlhabenden Klassen als schädliche Momente in den
Vordergrund: Verweichlichung in der Erziehung, frühzeitige Anteilnahme
an den Zerstreuungen und Vergnügungen aller Art in und aufser dem
Hause, vorzeitiger Theaterbesuch, schlüpfrige Lektüre, frühzeitiger Alkohol-
genufs, übertriebene sportliche Übungen im zarten Kindesalter. Gerade
um die Scbule vor schweren, ungerechten Anschuldigungen zu schützen,
dazu dienen ja die Untersuchungen der Lernanfänger, wobei die Krankheiten
festgestellt werden, die sie vom Hanse in die Schule mitbringen.
Es bleiben aber noch genug Krankheiten übrig, die nach überein-
stimmender Ansicht und den sorgfältigsten Untersuchungen der Forscho'
aufs Schuldkonto der Schule, ihrer Schädlichkeiten, auf die Oberbürdung
883 223
durch übergro&e Zahl der Schulstonden, Übermafis der Lehrfächer, der
häuslichen Arbeiten, sowie des schädlichen psychischen Einflusses der Examina
zu setzen sind. Hier sollen nun die Schulärzte in Verbindung mit den
Lehrern einsetzen, dafür sorgen, dab durch Abstellung aller Schädlich-
keiten, soweit es möglich ist, den Krankheiten Einhalt getan wird, dafo
von der Schule alle hygienischen MÜsstände ferngehalten werden, sei es^
im äulseren, sei es im inneren Schulbetriebe. Es decken sich die Auf-
gaben der Schulärzte der höheren Schulen mit denen der Volksschule, wie-
ich sie yorhin schon kurz skizziert habe. Sie werden aber noch erweitert
dadurch, dafis man von ihnen Belehrung, besonders der Schaler der höheren
Klassen, sei es dem einzelnen gegenüber, sei es durch Vorträge, verlangen
wird über das Vfesen und die Bekämpfung der Tuberkulose, die Gefahren
des Alkoholismus, Aufklärung über sexuelle Fragen, über die Gefahren de^
übertriebenen Sports, besonders des übertriebenen Radfahrens auf Lunge
und Herz.
Ich möchte aber auch nicht unerwähnt lassen, dab die hausärztliche
Überwachung der Kinder bei wohlhabenden Familien oft vieles zu wünschen
übrig läfst. Gerade seitens der Lehrer der höheren Anstalten wird häufig
Klage darüber geführt, da£s die Eltern es mit der Zuziehung des Arztes
durchaus nicht inmier eilig haben und ihre Kinder oft wochenlang mit an-
steckenden Krankheiten, wie Keuchhusten, Hautausschlägen, Augenkrankheiten,
die Schule weiter besuchen lassen und so die Gesundheit der Mitschüler
gefährden. Per Lehrer ist dagegen machtlos. Hier soll nun der Schulleiter
mit Hilfe des Schularztes einschreiten und die Schüler solange vom Schul-
besuche fernhalten, bis nach Ansicht des Schularztes keine Gefahr der An-
steckung mehr vorhanden Ist.
Professor Richter betrachtet femer die Tätigkeit der Schulärzte als
einen Eingriff in die Rechte der Eltern und wendet sich mit allem Nach-
druck gegen die Zumutung an die Familien, ihre Kinder von einem fremden
Arzte untersuchen zu lassen, dem sie nicht ihr Vertrauen schenken können.
Es kann nicht oft und nicht nachdrücklich genug darauf hingewiesen werden,
dafs keinerlei Zwang zur Untersuchung der Schüler durch den Schularzt
besteht. W^eisen die Eltern die Untersuchung zurück, so dürfen sie nur
ein entsprechendes Gesundheitsattest des . eigenen Arztes beibringen. Das
gilt allgemein in den Volksschulen, das wird selbstverständlich in den höheren
Schulen auch nicht anders gebandhabt werden. Darin liegt aber der grolse
Gewinn der neuen Einrichtung, dafs jedes Kind einen Gesundheitsschein
mitbringen mufs.
Nun wäre es aber ein Irrtum, anzunehmen, dais sich Herr Professor
Richter gegen jede Art von ärztlicher Beaufsichtigung in den höheren
Schulen wendet. Er erklärt zugleich im Namen der Majorität seiner Be-
rufsgenossen, dafs er die vielen Schädlichkeiten, die die Schule in ihrem
ftufseren und inneren Betriebe für die Schüler mit sich bringe, wohl an-
erkenne. Er beklagt es lebhaft, dafs er in seiner langen Tätigkeit als
Schulmann und Schulleiter noch nie einen Arzt in den Schulräumen ge-
sehen habe, der sich von den mannigfachen hygienischen Mifsständen der
Schule überzeugt hätte. Herr Dr. Riohtbr verlangt für den schulärztlichen
Dienst einen ausgebildeten Hygieniker. Das seien die Schulärzte nicht; sie
Der Schalarst. III. 9ft
224 884
w&ren auf der UniTersit&t nicht genflgend vorgebildet, wie die £xamiiiA
erweisen. Demgegenüber konstatiert Herr Dr. Reich, dafs die widitigen
Probleme der Schulhygiene, soweit sie den ganzen änfseren Betrieb be-
treffen, schon gründlich durchstudiert und so festgelegt sind, dafs sie der
Beurteilung der einzelnen Ärzte nicht mehr unterliegen. Der Arzt bat nur
die Aufgabe der Eontrolle, der Prüfung, ob die Handhabung eine richtige
ist. Für den Schülerarzt aber, der die Schulkinder auf ihren Gesundheits-
zustand zu untersuchen habe, würde der Hygieniker nicht die geeignete
Person sein, da er dem praktischen ärztlichen Dienste entrückt ist.
Nun wurde noch ein letztes Bedenken laut gegen den Schularzt. Er
würde sich yielleicht in den inneren Betrieb der Schule einmischen und
nach einer Art Oberaufsicht und Bevormundung der Lehrer trachten. Aber
auch dagegen sind die Lehrer durch die Dienstordnung der Schulärzte
schon bei den Volksschulen, geschweige denn bei den höheren Lehranstalten,
ganz und gar gesichert. Der Schularzt hat keinerlei Anordnungen in der
Schule zu treffen, keinen Verkehr mit den Eltern der Schulkinder zu unter-
halten, keinen Verkehr mit dem Magistrat. Er hat den Lehrern keinerlei
Anweisungen zu erteilen, selbst nicht einmal dem Schuldiener. Er hat nur
seine W^ünsche dem Lehrer und dem Anstaltsleiter zu übermitteln, seine
Beobachtungen dem Stadtarzte mitzuteilen, der seine Anregungen prüft und
dem Magistrat weitergibt, von dem das weitere veranlafst wird.
In der Diskussion gab Professor Richter im eigenen Namen und in
dem seiner Kollegen als Stadtverordneter die Erklärung ab, dals sie, wenn
die neue Einrichtung kommen werde, sich auf den Boden der neuen Sach-
lage stellen und, obwohl bisher Gegner, fQr ein möglichst gutes Zusammen-
arbeiten zwischen der Schule und den Ärzten sorgen werden. Aber wenn
auch gar nichts anderes bei dem Pflichtgefühl und der Gewissenhaftigkeit
unseres Lehrerstandes zu erwarten sei, so habe doch der Magistrat mit
anerkennenswertem Takte beschlossen, die beiden Schulärzte an denjenigen
Schulen anzustellen, deren Leiter der neuen Einrichtung freundlich gegen-
überstehen.
Referate ftber neu erfc^iettene fc^nlar^tlic^e Ja^resberii^te.
Schnlärztlicher Jahresberieht der Stadt Leipzig
für das Schuljahr 1903/1904.
(Aus dem Berichte des Stadtbezirksarztes.)
Den bereits Heft 2, S. 35 (115) dieses Jahrganges veröffentlichten
Mitteilungen sei noch folgendes hinzugefügt:
Die technische Behörde für das Schulwesen ist in Leipzig der gemischte
Schulausschufs, an dessen Sitzungen, so oft schulhygienische Fragen be-
handelt werden, der Bezirksarzt teilnimmt.
886 225
Im Berichtsjahre waren in Leipzig tätig 19 Schulärzte. Ihre Tätigkeit
erstreckte sich auf:
1. Meldung der ansteckenden Krankheiten. Zwölf Klassen wurden
deshalb kurze Zeit geschlossen.
2. Die monatlichen Schulbesuche. Es wurden die von den Direktoren
und Lehrern überwiesenen Kinder untersucht. Zahlreiche Fälle von Herz-
fehlem, GehOrstOrungen, Hautkrankheiten, Epilepsie, Hysterie usw. wurden
festgestellt und entsprechende Anträge bei der Schulverwaltung und bei den
Eltern gestellt. Ein Schularzt hatte Gelegenheit, eine kleine Epidemie von
Krampfanfällen in einer Mädchenschule zu beobachten.
3. Die Untersuchung der neu eintretenden Schulkinder (vergl. Tabelle
am Schlufs). Diese Untersuchungen werden als der wichtigste Teil der
schulärztlichen Tätigkeit bezeichnet. Es ergab sich im allgemeinen, da(s
die geistigen und körperlichen Gesundheitsverhältnisse bei den Bürger-
schulen weniger ungünstig waren wie bei den Bezirks- (Volks-) Schulen.
In Leipzig legt man hohen Wert darauf, dafs bei den ärztlichen Unter-
suchungen die Eltern bezw. Mütter zugegen sind. Trotz dringlicher Ein-
ladung war aber die Beteiligung der Eltern eine sehr geringe.
4. Die Prüfung der baulichen Mängel der Schulgebäude. Hier be-
schränkte sich die Tätigkeit auf kleinere Verbesserungen (Weifsen verschmutzter
Wände, Anschaffung besserer Öfen usw.). Gröfsere Umänderungen an alten
Gebäuden sind ja meist nicht durchführbar; das Neue mufs hier allmählich
das Alte ausschalten. Die Prinzipien für den Neubau von Schulgebäuden
in grofsen Städten werden jetzt mehr und mehr bei den städtischen Bau-
ämtem modernen hygienischen Forderungen genügend angepafst, sowie unter
hinreichender Zuziehung hygienischer Sachverständiger von Zeit zu Zeit
festgestellt und kontrolliert.
Übereinstimmend wurde Verminderung der Staubentwicklung bei An-
wendung von staubbindendem Fnfsbodenöl gemeldet. Allerdings kamen
auch Klagen vor, dafs die Kleidersäume der Lehrerinnen, sowie herab-
fallendes Schreibpapier durch den öligen Boden beschmutzt wurden.
Was sonstige Verordnungen anbetrifft, so wurde bezüglich der Pausen
festgesetzt, dafs zwischen der ersten und zweiten, sowie der dritten und
Tierten Unterrichtsstunde zehn statt fünf Minuten Pause einzutreten haben.
Für engbrüstige und tuberkuloseverdächtige Schüler wurden besondere Tum-
knrse gebildet. Es wird hierbei mehr das orthopädische Turnen gepflegt,
und zwar durch zweckdienliche Tumbewegungen aufserhalb der Turnhalle
in freier Luft, namentlich mit Beziehung auf tiefes Ein- und Ausatmen.
Bei skoliotischen Kindern werden die Übungen des reinen und gemischten
Hangs bevorzugt. Laufspiel und Laufübungen treten gegen Ordnungsübungen
auf der Stelle (Reigen) in den Vordergrund. Auch in den Singstunden
wird Atemgymnastik getrieben. Mit dem einfachen Dispensieren vom
Turnen, wie es bei solchen körperlich anormalen Kindern
anderwärts oft geschieht, ist diesen allerdings wenig geholfen.
Man soll ihnen in passender Weise einen Ersatz bieten und sie in ähn-
licher Weise von den normalen Kindern trennen, wie es in geistiger Be-
ziehung durch die Hilfsklassen für Schwachbefähigte geschieht. Hier öffnet
sich ein Gebiet individualisierender Behandlung, bei welchem die Schul-
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Terwaltong in besonderem Mafse auf die Mithilfe ftrztlichen Denkens an-
gewiesen ist. Wir müssen deshalb die Bestrebungen in Leipzig dieserhalb
; als hochbeachtenswert bezeichnen.
In der Hilfsschule füi Schwachbefähigte wurden 104 Knaben und
83 Mädchen unterrichtet. Der Rest, welcher auch hier nicht brauchbar,
wurde nach vorheriger Untersuchung durch den Bezirksarzt an besondere
Erziehungsanstalten fdr Kinder mit schweren, geistigen und körperlichen
Gebrechen flberwiesen. Also auch hier wieder beachtungswerte induviduali-
sierende Gruppierungen, so dafe also fär die Erziehung sämtlicher anormaler
Kinder in irgendeiner Weise Sorge getragen wird.
759 Kinder wurden yon den Schulärzten fär die Ferienkolonien aus-
gesucht und teilweise in Gebirgskolonien, teilweise in Solbädern oder See-
bädern untergebracht.
Die zahlenmäfsigen Resultate bei der Untersuchung der neu eingetretenen
Schulkinder fQr das Schuljahr 1903/1904 zeigt folgende Tabelle; aus dieser
Tabelle ergibt sich auch die Leipziger Klassifikation der Schulkrankheiten.
Dr. GüBBEGKE-Breslau.
Sebnlirctlieher Gesamtberieht fllber die f&nf Volksaelmleii der
Stftdt Erftirt für das Sehuljahr 1902/1903.
Von Dr. LoTH, Sanitätsrat.
Dieser in Form einer Tabelle eingesandte, geschriebene Bericht ergibt
folgende Gesamtzahlen nebst Prozenten aus der Gesamtschülerzahl bei
Nr. 8—23:
1. Gesamtschfllerzahl 7343
2. Zahl der Klassen 122
3. „ „ Neuaufgenommenen 990
^* ft n wegen Krankheitsverdacht untersuchten Kinder im
Berichtqahr 993
d. h. 13,5 ^/o der Gesamtschttlerzahl.
5. Allgemeine körperliche Beschaffenheit der Neuaufgenommenen:
a) gut 431 (43,5%)
b) mittel 542 (54,7%
c) schlecht 17 ( l,77o
6. Geistige Beschaffenheit der Neuaufgenommenen:
a) gut 969 (96,8%
b) zurückgeblieben 29 ( 2,9%
c) blödsinnig 2 f 0,2%|
7. Vorschlag auf Zurückstellung neuer Schüler auf ein Jahr 19 ( 1,9%)
8. Sehstörungen (Kurzsichtigkeit, Übersichtigkeit, Schwach-
sichtigkeit) 163 ( 2,27o)
9. Gehörstörungen (Schweiliörigkeit, Taubheit) 120 ( 1,6%)
10. Äulsere Augenkrankheiten (Bindehautentzündung usw.). 164 ( 2,2%)
11. Sonstige Erkrankungen der Augen 35 ( 0,4%)
12. Ohreneiterungen 82 ( 1,1 %)
13. Sonstige Erkrankungen der Ohren 41 ( 0,5%)
228 888
14. Parasiten und Hautkrankheiten 90 ( 1,2%)
15. Wachemngen im Nasen- and Bachenranm 60 ( 0,8%)
16. Erkrankungen der Brustorgane (Herz, Lunge) 78 ( 1,0 ^/o)
17. ünterleibsbrüche 41 ( 0,5%)
18. Mckgratsverkrttmmungen 61 ( 0,8%)
19. Nervenkrankheiten (Veitstanz, Epilepsie, Schwachsinn,
Lähmungen) 17 ( 0,2%)
20. Sprachfehler, Stottern 56 ( 0,7%)
21. Blutarmut, allgemeine Ernährungsstörungen, Skrophulose,
Rhachitis 136 ( l,87o)
22. Infektionskrankheiten (Masern, Keuchhusten, Halsent-
zündungen, Tuberkulose 7 (0,09%)
23. Sonstige Krankheiten 55 ( 0,7%)
Femer ergeben sich noch folgende allgemeine Zahlenresultate:
1. Im Berichtsjahr wurden unter ärztliche
Kontrolle gestellt 769 (10,4% der Gesamtheit)
2. Am Ende des Berichtsjahres standen
noch unter ärztlicher Kontrolle 568 ( 7,7 7o „ „ )
3a. Mitteüungen an die Eltern sind erfolgt 264 ( 3,5% „ „ )
3b. Die Mitteilungen haben bei den Eltern
Beachtung gefunden 197 (74,6%)
4. Gebessert resp. geheilt wurden 424 (42,5% der untersuchten Kinder)
5. Bei Verdacht auf Simulation ist ärztliche Untersuchung in Anspruch
genommen bei 5.
Im übrigen ist noch zu erwähnen, dafs erhebliche Einwendungen von
keiner Seite gemacht wurden.
Die Konfirmanden wurden sämtlich auf den zu wählenden Beruf unter-
sucht und ihnen entsprechende Ratschläge erteilt; von dem gewählten
Berufe hat in keinem Falle abgeraten zu werden brauchen.
Dr. OEBBBCKE-Breslau.
Diett|l0r^tttttt$ett für Sd^ulax^tt.
Ordnung,
betreffend die Annahme und die Tätigkeit von Sehnlärcten
an den Oemeindeschnlen der Stadt Spandan.
Titel I. Annahme.
§ 1. Die Annahme der Schulärzte geschieht auf Grund eines Vertrags
nach Anhörung der Schuldeputation durch den Magistrat.
Die Schulärzte erhalten dadurch weder einen Anspruch auf Ruhegehalt
noch auf Witwen- und Waisengelder. Ihre Tätigkeit wird als Nebenamt
im Sinne des § 2 Absatz 2 des Gesetzes vom 30. Juli 1899, betreffend
die Anstellung und Versorgung der Kommunalbeamten, angesehen.
889 229
§ 2. Die Annahme erfolgt fttr die Daner eines Schnlhalbjahres and
gilt für ein Schulbalbjahr verlängert, wenn der Vertrag nicht ein Viertel-
jahr vor Ablanf desselben gekündigt ist.
§ 3. Jeder Schalarzt erhält fflr seine Mühewaltung ein vierteljährlich
nach Ablanf des Yierte^ahrs zahlbares Honorar von 30 Pf. pro Kopf und
Jahr. Der Berechnung des Honorars ist die Kopfzahl vom ersten Tage
des zweiten Monats des Vierteljahrs zugrunde zu legen.
§ 4. Die Schulärzte haben bezüglich ihrer Tätigkeit als solche die
Anweisungen des Magistrats beziehentlich der Schuldeputation, welcher sie
unmittelbar unterstellt sind, insbesondere die hier nachfolgende Dienst-
ordnung (§ 8 u. ff.) genau zu befolgen.
§ 5. Im Falle der Behinderung hat der Schularzt einen der Schul-
deputation genehmen Arzt als seinen Vertreter zu stellen.
Die Schuldeputation und die betreffenden Schulleiter sind von der
Behinderung und Vertretung zu benachrichtigen.
Titel n. Die Pflichten der Schulärzte.
§ 6. Die Schulärzte haben die Aufgabe:
a) die neueintretenden Kinder auf ihre Schulfähigkeit, auf ihre
körperliche und geistige Beschaffenheit und auf ihren allgemeinen
Gesundheitszustand zu untersuchen, sowie den Gesundheitszustand
aller Kinder dauernd zu überwachen;
b) die gesundheitlichen Verhältnisse der Schulräume dauernd zu
überwachen.
§ 7. Die Schulärzte unterwerfen sich folgender Dienstordnung:
A. Pflichten des Schularztes bezüglich der Untersuchung der Kinder.
§ 8. Der Schularzt hat jedes Kind in den ersten vier Wochen nach
dem Eintritt in die Schule zu untersuchen.
Nach etwa halbjährigem Schulbesuch findet eine genaue Untersuchung
der Kinder auf ihren körperlichen und geistigen Gesundheitszustand statt.
§ 9. Der Schularzt hat mindestens alle vier Wochen — wenn an-
steckende Krankheiten auftreten, häufiger — die ihm zugeteilten Schulen
an einem mit dem Schulleiter vorher vereinbarten Tage zu besuchen.
Der Besuch gilt gewöhnlich drei oder vier Klassen während des
Unterrichts. Jede Klasse soll mindestens einmal während des Halbjahrs
besucht werden.
Die Namen derjenigen Kinder, welche der anfänglichen Untersuchung
unterlegen haben, sind in fortlaufende Listen einzutragen, welche der Arzt
mit den betreffenden Bemerkungen zu versehen hat.
Bei diesen Besuchen werden die Kinder in bezug auf ihre körperliche
Haltung und ihren Allgemeinzustand beobachtet und zunächst einer äufseren
Prüfung unterzogen. Erscheinen einzelne Kinder einer genaueren Unter-
suchung bedürftig, oder wünscht der Klassenlehrer eine solche, so ist diese
nach Zustimmung der Eltern durch Vermittelnng des betreffenden Rektors
im Sprechzimmer der Schule vorzunehmen.
Kinder aus anderen, an dem Tage nicht besuchten Klassen sind dem
Arzt nur in dringenden Fällen zuzuführen, jedoch stets beim Verdacht auf
ansteckende Krankheiten.
230 89»
§ 10. Die ärztliche Behandliug erkrankter Schulkinder, sowie die
Aosstellung von Attesten auf Ersuchen der £ltem ist nicht Ohliegenheit
des Schularztes.
Solche Kinder sind yiehnehr durch den zuständigen Rektor an den
Arzt der Eltern oder den betreffenden Armenarzt zu ?erwräen.
Besuche in der Familie hat der Schularzt als solcher nicht ans*
zufahren.
§ 11. Gesuche der Eltern um zeitweise Zurttckstdlung ihrer Kinder
vom Schulunterricht sind dem Schularzt zur Begutachtung vorzulegen.
§ 12. Der Schularzt hat auf Verlangen der Schuldeputation sein
Gutachten abzugeben:
1. bei Prüfung der Gesuche um Ausschliefsung vom Unterricht im
Turnen, Gesang, Zeichnen;
2. zur Feststellung von körperlichen Mängeln, insbesondore Fehlem
an den Sinnesorganen« von BlOdsinn oder ekelerregender Krai^eit,
welche Ausschliefsung von der Schule oder Unterbringung in einer
Landesanstalt bedingen;
3. zur Feststellung ob eine Schulversäumnis gerechtfertigt ist;
4. bei Auswahl der Kinder für Ferienkolonien und dergleichen.
Dagegen ist es nicht Sache des Schularztes, derartige Atteste auf
Wunsch der Eltern abzugeben.
§ 13. Der Schularzt hat zur Verhütung der Verbreitung ansteckender
Krankheiten durch die Schule für Benachrichtigung des Kreisarztes und
der Schuldcputation zu sorgen und im Notfall seinerseits sofort geeignete
Mafsregeln zu ergreifen.
B. Pflichten des Schularztes bezüglich der Überwachung
sämtlicher Schulräume.
§ 14. Bei den im § 9 vorgesehenen Besuchen des Schularztes sind
gleichzeitig auch die Schulräume einer Prüfung zu unterziehen.
Der Schularzt hat jedoch auTserdem mindestens einmal im Sommer
und einmal im Winter sämtliche Klassen- und Nebenräume des Schulhauses
zu besichtigen. Insbesondere hat er hierbei seine Aufmerksamkeit auf
Reinlichkeit, Lüftung, Beleuchtung und Heizung der Unterrichtsr&nme,
sowie auf die Beschaffenheit der Aborte zu richten.
Die Besichtigung erfolgt nach vorheriger Anmeldung bei dem Rektor.
C. Allgemeines.
§ 15. Der Schularzt hat seine Beobachtungen und Wünsche der
Scbuldeputation zu unterbreiten.
Die Schulärzte dürfen die in amtlicher Eigenschaft gemachten Beob-
achtungen nur nach vorher eingeholter Genehmigung der Schuldeputation
veröffentlichen.
§ 16. Ein Recht zu Anweisungen an die Leiter der Schulen, an
die Lehrer und Schuldiener steht den Schulärzten nicht zu.
§ 17. Die Schulärzte können zu Beratungen berufen werden, die
vom Vorsitzenden der Schuldeputation oder einem von demselben besüflomten
Mitgliede geleitet werden.
891 231
Sofern diese Beratungen sich aof die Einzelbeobachtnngen des Schul-
arztes beziehen, kann der betreffende Rektor bezw. Lehrer za den
Beratungen hinzugezogen werden.
§ 18. Die Schulärzte haben bis spätestens zum 15. Mai jeden
Jahres Aber ihre Tätigkeit in dem abgelaufenen Schu^ahre an die Schul-
deputation schriftlichen Bericht einzureichen.
Bei der Ausstellung der Berichte sind folgende Punkte zu beräck-
sichtigen:
1. Ziffemmftfsige Zusammenstdlung der Ergebnisse der Aufiiahme-
üntersuchungen.
2. Zahl der unter ärztlicher Kontrolle stehenden Kinder.
3. Zahl und Art der wichtigeren ErkrankungsfUle, die zur Unter-
suchung gekommen sind.
4. Zahl der von ihm beantragten Mitteilungen an die Eltern.
5. Zahl der Besuche der Klassen.
t). Zahl und Art der gestellten Anträge auf Schliefsung bezw.
Desinfektion einzelner Blassen.
7. Angabe der Beobachtungen bezüglich der gesundheitlichen Ver-
hältnisse der Schulräume.
§ 19. Die jederzeitige Abänderung dieser Ordnung bleibt vorbehalten.
Spandau, den
Der Magistrat.
Schutärztliehe VerwältungS' und Jahresberiekle.
Diejemgen Herren Sehulänte bezw. Obmänner sehulärztUeher KoUegm
d$t In^ und Audandee, deren VerwaUungeMiörde einen regebnäsagoi
gedrudäen schidärzOiehen VerwaUungsberieU oder Jäkretherichi heraus-
gibt, werden ergebend gebeten^ ihre Adressen dem Unterzeichneten mä-
zuieHen.
Der Unterzm^mete wird diese Adressen in einer laufendfortgeföhrten
Liste vereinigen und in der Zeitschrift fiir 8ehulgesimdheUq>fiege periodisdi
jmr VerSffentUehimg bringen. Es kann dann naeh dieser liste der Am-
tauseh von Berichten zwisdien den einzelnen Herausgebern regelmässig
erfolgen. Bei der Wichtigkeii, welche ein solcher gegenseitiger und regA-
mässiger Austausch für die einheüUdie BntwiMung des sduUärzHidieH
Dienstes hat, dürfte eine recht rege Teilnahme sehr erwünscht sein.
Dr. OEBBECKE,
Stadtarzt,
BRESLAU, Bureau: Nikolaistadtgraben 25.
ffir
Aborte and Pissoirs
beitoi
Dr. H. Noerdlinger
Chemische Fabrik
Flörsheim am Main.
hm
'lbsetSot.\Mtesers|Hibing
gosetfabrilc rGenth^Krefeld
Grundzüge der Physiologie
Von
H. Thomas Huxloy-
Ifit Bewilli^ng des Verfassers heraa8gegel»ea
von Dr. J. Rosenthal,
Professor an der Unlversitftt sn Erlangen.
Dritte, verbesserte und erweiterte ▲nflsg«-
Mit 118 Abbildnn8:en. Mk. 9.-.
YerlAg Ton Leopold Tose in Hunborf.
Zeitsehrift fOr Sehvlgesandheitspflege.
Sachregister.
Abnorme Kinder, Fürsorge far 187.
Aborte, Lt^ge im Schalgebäude 503.
AborteinrichtuDgen in Berliner Schulen
428.
Abstinente Scbülerverbindungen 199.
Abstinenter Lehrer^erein in Bern 838.
Abwehr, betreffend die Stuttgarter
Jahresversammlung des Deutschen
Vereins für Schulgesundheitspflege
577.
Erwiderung 581.
Albuminurie bei Schulkindern in Lon-
don 86.
Alkohol, Herzleiden und nervöse Stö-
rungen 863.
— und Nervensystem 214.
— und Volksschule 31.
Alkoholfrage und höhere Schulen 31.
99.
— im Kindesalter 88.
Alkoholgebrauch bei Kindern 72.
Alkoholgenufs und Schule 84.
— schulpflichtiger Kinder in und bei
Ulm 24.
— der Schulkinder in Königsberg 678.
— im schulpflichtigen Alter 199.
Alkoholismus 215.
— Aufgaben der Schule im Kampf
gegen 766.
— Kongrefs, X. internationaler in
Budapest, September 1905, gegen
204.
— und Schule 838.
— unter Schulern in Ostpreufsen 205.
Alkoholmerkblatt, Mannheimer 665.
— für Schulen 337.
Alkoholmifsbrauch, Bekämpfung durch
die Schule 32.
Sehalg^esondheiUpflege. XVIII.
Allgemeiner Deutscher Verein für
Schulgesundheitspflege. VI. Jahres-
versammlung, Stuttgart 1905 365.
Amtliche Verordnung, betreffend Bur-
gerstein, Prof. Dr. Leo, Broschüren
über Gesundheitspflege 273.
V. Weismayr, Dr. A. Ritter,
Lungenschwindsucht, Verhütung, Be-
handlung, Heilung 273.
Anästhesie, moralische 590.
Ansteckende Krankheiten, Maisregeln
in München 777.
Anthropometrische Untersuchungen an
gesunden und kranken Kindern, be-
sonders des schulpflichtigen Alters
719. 816.
Arbeit und Erholung der Schuljugend
.. 83.
Arztliche Aufsicht über die Primär-
schulen in Frankreich 852.
— Behandlung der Schulkinder in
Brüssel 771.
— Beigeordneter der Stadtverwaltung
„ Cöln und die Schulhygiene 779.
Arztliche Hilfe bei Unfällen in der
Schule 596.
— Untersuchung schulpflichtig werden-
der Kinder, Amtliche Verfügung 608.
von Schulrekruten in der Schweiz
91.
der Volksschulkinder in Stutt-
gart 94.
Atemgymnastik, Bemerkungen zur 80.
Auffassungsvermögen bei Schulkindern,
s. Entwicklung des Kindes.
Aufwand, übertriebener, bei Scbüler-
festUchkeiten, Vermeidung 435.
Auge und Schule 24.
47
894
Aa^enant an Taabstammenanstalten
20.
A Offenen tz and angen, ansteckende, s.
Krankheiten, ansteckende.
Aaf^nuntersucbnngen, Ergebnisse im
SchaUahr 1904/1905 bei den Schule-
rinnen der 1. Klasse einer Wiener
Yolkssohnle 657.
— bei neueingeschulten Kindern 814.
— nnd schulärztliche Tätigkeit 438.
Ausbildung körperlicher Anlagen durch
das Spiel 845.
Ausflöge der Schulkinder in Berlin 268.
Ausstellung von Lehrmitteln für
Menschenkunde und Gesundheits-
lehre in Leipzig 269.
— Ton Lehrmitteln für Menschenkunde
und Gesundheitspflege 667.
— iutemationale, hygienische in Mai-
land 1906 604.
pädagogische in fiarzelona 201.
858.
— für Schulgesundheitspflege in Han-
nover 431.
Bsd s. Brausebad, Schulbraasebad,
Solbad.
Baden s. auch Schwimmen.
— und Schwimmen, Förderung durch
die Schule 605.
Bäder, Brausebäder in Nürnberger
Schulhäusern 334.
Bakteriologie in der Schule 6.
Bank, Gruppen bau k 567.
— s. auch Schulbank, Schulstuhl, Sub-
sellien.
Barackenschule, swanzigklassige , in
Berlin 599.
Bayr, Bürgerrechtsverleihung der Stadt
Wien 206.
Bau des menschlichen Körpers 36.
Befähigte, Sonderschulen für hervor-
ragend 190. 436.
Behandlung, ärztliche, der Schulkinder
in Brüssel 771.
Bekleidung s. Turnkleid.
Belastung, erbliche, s. Krampfkrank-
heiten.
Beleuchtung s. Gasbeleuchtung.
— der Schulzimmer 344.
Beleuchtuuffskontrolle der Platze in
Arbeitsräumen 774.
Bericht über den internationalen Kon-
grefs für Schulhygiene in Nürnberg,
Amtliche Verfügung 208.
Berichtigung, betreffend die Stuttgarter
Jahresversammlung des DeutHchen
Vereins f. Schuigesundheitspflege577.
— — Erwiderung 581.
Beschäftigung gewerbliche, kranker
Schulkinder 601.
— von Schulkindern in München in
Haushalt nnd Landwirtschaft 390.
Besichtigung der den Provinzialschiil-
kollegien unterstellten höheren Lehr-
anstalten durch die Kreisärzte 272.
Besoldung der Schulärzte s. Schularxt-
frage in Hamburg.
Bewegung, körperliche s. Übung, kör-
perliche.
Bewegungsspiele der Kinder in Berlin
605.
— Berliner Volksschüler in den Ferien
669.
Bibliothek, Schnlhygienische in Berlin
857.
Blattern s. Krankheiten, ansteckende.
Blinde, der, und seine Welt 346.
Bl luden wesen, schweizerisches, Ruck-
ständigkeit und notwendige Förde-
rung 859.
Brausebad s. Baden, Schwimmen, Schul
brausebad.
— unentgeltliches, der Gemeinde Grune-
wald 269.
Brustumfang der Schulkinder s. Ent-
wicklung des Kindes.
Cantinet scolaires in Paris 26.
Chorea s. Krampfkrankheiten.
Dach, flaches, in Schulen 200.
Desinfektion der Kleider bei ScharUck
und Diphtherie 603.
Desinfizierende Wandanstriohe in Schol-
räumen 502.
Deutsche, Der, und die Schule 863.
Diensttauglichkeit der Einjährig -frei-
willigen s. Militärtaugliohkeit
Diphtherie s. Desinfektion, Krankheiten,
ansteckende.
— in den Schulen Londons 28.
— Morbidität an, und Schulschlafs
63.
Dispositionsschwankungen bei normalen
und schwachsinnigen Kindern 276.
Dorfschule, physiologische und patho-
logische Beobachtungen in der 849.
Druck von Jugendschriften, hygienische
Anforderungen daran 333.
— der Schulbacher 595.
Einjährig - freiwillige Militärtauglich-
keit und Schulbesuch 207.
Eisbahnen, Vermehrung der in Berlin
257.
895
Eisenbahn and Schalanfang 198.
Eisenbahnsohäler, sog. 803.
Eisenbahnverkehrsbestimmungen, ab-
geänderte, betreffend Preisermäfsi-
gang bei Schülerfahrten 597.
Eklampsie s. Erampfkrankheiten.
Elternhaus, Gesundheitspflege der Schul-
kinder im 36.
Entartungsproblem und soziale Hygiene
101.
Entwicklung körperlicher Anlagen
durch das Spiel 845.
— physische und geistige des Kindes
während der ersten Schuljahre 129.
Epilepsie s. Krampfkrankheiten.
Epileptische Anfälle, Simulation 773.
Erbliche Belastung s. Elrampfkrank-
heiten.
Erholung und Arbeit der Schuljugend
83.
— körperliche, der Lehrerinnen s.
Nebenbeschäftigung.
Erholungsstätten s. Kindererholungs-
stätten.
— für Kinder 250.
in Charlottenburg 505.
Erklärung Schröer gegen Wickenhagen
697.
Ermüdungsmessungen bei Schülern 345.
Ernährung s. Speisung, Unterernährung.
— der Schulkinder 255.
— mangelhafte, Ton Volksschulkindern
30.
Erwerbstätigkeit der Schulkinder 84.
Erziehung und Alkoholismns 838.
— gemeinsame, beider Geschlechter s.
Koedukation.
— körperliche, der Mädchen 198.
— zur Selbständigkeit durch das Spiel
844.
enstergröfse bei Schulneubauten,
Amtliche Verfügung 679.
Fensterreinigung s. Eeinigung.
Ferien, zweckroäfsige Einteilung 257.
— Hygiene 669.
— s. auch Sommerferien.
Ferienaufenthalt s. Landaufenthalt 201.
Ferienhalbkolonien in Berlin 675.
Ferienkolonie, aus dem Leben einer
Hamburger 35.
— in Charlotten bürg, Beschickung 32.
Ferienkolonien in Berlin 604.
— in Stettin 430.
— Verstaatlichung in Charlottenburg
259.
Ferienkolonie s. Winterkolonie.
Ferienspiele s. Bewegungsspiele Ber-
liner Volksschüler.
Ferienkurse in Jena, August 1905,
Schalhygienisches 203.
Ferienspielkurs, 14tägiger, in Unter-
türkheim 668.
Ferienspielnaohmittagein Rummelsburg
677.
Ferienspieltage 669.
Ferienversorgung der Stadt Bern 853.
Ferienwanderung der Volksschüler 429.
Ferienwanderungen für die Schuljugend
667.
Formulare, schulärztliche 200.
Fortbildung, geistige, der Lehrerinnen
s. Nebenbeschäftigung.
Fortbildungskurse an frühen Abend-
stunden 199.
Fragebogen, sanitäre, der Bürgerschulen
in Hannover 430.
Frauenkleidung fürs Turnen 596.
Frauenschule, erste soziale, in Zehlen-
dorf-Berlin 207.
Freiluftschule 211.
Fremdsprachlicher Unterricht, Anfang
und Anordnung 369.
Fugues s. Psychoneurosen 507.
Fürsorge für Schwachsinnige s. Hilft-
schule.
Fürsorgestellen für die Schu^ugend
851.
Fürsorgeverein für Schulkinder in
Amsterdam 92.
Fufsballspiel an den Heidelbex^er
Schulen 430.
Fufskleidung der Schüler in der Schule
208.
Gartenarbeit s. Nebenbeschäftigung
der Lehrerinnen.
Gasbeleuchtung, indirekte, in Ham-
burger Volksschulen 746.
Gebrechen bei Schulkindern s. Ent-
wicklung des Kindes.
Gedächtnis der Schulkinder s. Entwick-
lung des Kindes.
Gehimarbeit und Lebensalter 259.
Geistige Minderwertigkeit im schul-
pflichtigen Alter 847.
Gemeinsame Erziehung beider Ge-
schlechter s. auch Koedukation.
Gemeinschaftliche Erziehung beider
Geschlechter 196. 332.
Gemeinsamer Unterricht von Knaben
und Mädchen in Frankfurt a. M. 337.
Generalschulinspektor, weiblicher, in
England 205.
Genickstarre, epidemische, Mafsnahmen
gegen die Verbreitung durch die
chule 266.
47*
896
Geschlechter, gemeinsame ErsiehanK
beider, s. Koedakation.
Geschlechtskrankheiten, Auf kl&mng an
den höheren Lehranstalten 429.
Gesellschaft, sohweiseriBche, für Schnl-
gesundheitspflege , VI. JahresTcr-
sammlang in Lnzem, Mai 1905 264.
Gesnndheitslehre, Unterweisung von
Schulkindern in England 29.
Gesundheitspflege, Broschflren über,
▼on Prof. Dr. Leo Burgerstein 278.
— cur h&usliohen, der Schuljugend
274.
— der Schulkinder im Eltemhause 86.
Gesundheitsregeln filr Schüler und
Schülerinnen aller Lehranstalten 274.
Gesundheitssch&digung in Mittelschulen
88.
Gewicht s. Körpergewicht
— der Schulmappen 603.
Grö(se s. Körpergröfse.
Gruppenbank, übsr die 567.
Gruppenbank, Schulstuhl in der 780.
Gruppierung derVolksschÜler im Unter-
richt nach ihrer seelischen Verschie-
denheit 826.
Gymnasium, seine Zweckm&fsigkeit 487.
Handarbeitsschule s. Knabenhand-
arbeitsschule.
Handarbeits- und Turnunterricht der
Mädchen 484.
Handbuch, encyklopädisches, der Schul-
hygiene 212.
— der Schwachsinnigenfürsorge 275.
H&nde, gleichmäfsige Ausbildung beider,
in der Schule 206.
Hausarbeiten an der Realschule 594.
Hansaufgaben in Bern 194.
— an Mittelschulen 189.
— als Strafe verboten 669.
— in Volks- und Mittelschulen, Amt-
liche Verfügung im Kanton Bern 96.
Hausdach s. Dach.
Haushaltsbeschfiftigungder Lehrerinnen
s. Nebenbeschänigung.
Hauswaldt- Stiftung zur Unterstützung
armer Kinder 269.
Heer und Schule 844.
Heftlage 261.
Heilkurse, städtische, für Stotterer in
Hannover 95.
Heilpädagogik, Grundrifs 100.
HeizTorrichtungen, mangelhafte, in
einer Berliner Schule und Vergiftung
durch Kohlendunst 830.
Hilfe, ärztliche, bei Unfällen in der
Schule 596.
Hilfeleistung, erste, Schülerunterwei-
sung 858.
Hil&sohulen Deutschlands, s. Kongrefs
in Bremen, April 1905 206.
8. Verbandstag in Bremen, April
1905 587.
Hilfsschule, Fürsorge für die Entlasse-
nen 591.
Hilfsschulen für Schwachbefahigte,
Schulbankfrage 753.
Hil6schullehrer, Ausbildung 587.
Hirnerkrankungen s. Krampfkrank-
heiten.
Höfe der Schulen in Budapest als Spiel-
plätze 480.
Höhere Lehranstalten in Prenfsen,
Hygienische Untersuchung durch
Kreisärzte 881.
— Schule und Alkoholfrage 99.
Hydrocephalus s. Anthropometrische
Untersuchungen 725.
Hygiene s. auch Schulhygiene.
— des kranken Schulkindes 37.
— der Ferien 669.
— des Klassenzimmers 12.
— als obligatorischer Lehrgegenstand 5.
— öffentliche, und Schulärzte 189.
— und Pädagogik 211.
-- und Propnylaze der Tuberkulose
im Kindesalter 674.
— der Schulbank in den Hilfrschnlen
für Schwachbefahigte 753.
— der Schulhäuser in den Vereinigten
Staaten 384.
— des Schulhauses s. Schularztfrage
in Hamburg.
— des Schulkindes 255.
— Soziale und Entartungsproblem 101.
— im Dienst der Taubstummenbildung
19.
— of Teaching, a contribution to the
507.
— des Unterrichts s. Schularztfrage in
Hamburg.
— des Unterrichts (Bumham) 507.
Hygienezustände an französischen Schu-
len 598.
Hygienische Anforderungen an den
Druck von Jugendsdiriften 833.
— Untersuchung der höheren Lehr
anstalten durch Kreisärzte in Preufsen
331.
Hygienischer Unterricht durch die
Lehrer 7.
als besonderes Lehrfach 5.
und Schülerbelastung 6.
in der Schule 1. 29.
Hysterie s. Krampf krankheiten.
Jahrbuch der Schweizerischen Gesell-
schaft für Schulgesundheitspflege,
V. Jahrgang, 11. Teil 343.
897
JahresYenammlang, Sechste, des all-
gemeinen deatschen Vereins für
Schnlgesundheitspflege , Stattgart
Idiotenwesen, V. Scbweizerisohe Kon-
ferenz, 1905, in St. Gallen 326.
Indirekte Gksbelenchtong in Hamburger
Volkssoholen 746.
Infektion, Kenntnis des Wesens der 2.
Infektionskrankheiten und Schale 425.
— Obertragang darch Trinkbecher 773.
Inflaenza s. Krankheiten, ansteckende.
Jagendhorte, nene, in Zürich 859.
Jugendspiel, zweckmäfsiges, för die
Körperentwicklang 773.
Jagendspiele s. Kongreis.
— s. Yolksspiele.
— Forderung in Düsseldorf 502.
in Wilmersdorf, Schmargendorf,
Ornnewald, Dahlem 857.
— zu Mühlbaasen 836.
— Vemachlassigang dorch altere Mäd-
chen 388.
9^ Jungs — heraus''. Aus dem Leben
einer Hamburger Ferienkolonie 35.
Kaffee, Herzleiden und nervöse Stö-
rungen 863.
Keuchhusten siehe Krankheiten, an-
steckende.
Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben
848.
— in der Hansindustrie in Appenzell
200.
— nützliche und schädliche 770.
Kinderausflüge in Berlin 268.
Kindererholungsstätten 250.
— des Boten Kreuz bei Berlin 601.
— in Charlottenburg 505. 668.
Kinderforschung, Vereinigung dafür in
Mannheim 856.
Kinderfürsorge, Kommunale, in Eng-
land 86.
— soziale 782.
Kinderheim in Zehlendorf 857.
Kinderkrankheiten s. Krankheiten.
Kinderschutz in Meiningen 848.
— Preisausschreiben 855.
Kinderschntzgesets, angestrebte, Durch-
brechung von der sächsischen Bäcker-
innung 337.
Kinderschutzheim gegen Ausnutzung
und Mifshandlung 332.
Klassenzimmer, Hygiene und Ausstat-
tung in HilCBschulen 12.
Klassenzimmerreinigung s. Beinigung.
Klassifizierung an den Mittelschulen
193.
Kleid s. Tumkleid.
Kleiderdesinfektion bei Scharlach und
Diphtherie 603.
Kleidung der Schulkinder 266.
in Brüssel 771.
Klosetteinrichtungen s. Aborteinrich-
tungen.
Kinderschutsstationen 249.
Kinderselbstmorde 85.
Kindertagesheimstätten 249.
Kinderspielplatz am Köhlbrand in
Hamburg 90.
Knabenhandarbeitsschule, Wesen und
Bedeutung im Bahmen des Volks-
sohulwesens gröfserer Städte 592.
Koedukation 332.
— in 'der Bealsohule zu Überlingen
505.
— an Taubstummenanstalten 20.
— fälsche Vorurteile und wirklicher
Nutzen 771.
— in Berlin 263.
— in Frankfurt a. M. 337.
— im Gymnasium zu Langenschwal-
bach 263.
— in Ulm 263.
Kreisärzte, Besichtigung der den Pro-
vinzialschalkoUegien unterstellten
höheren Lehranstalten, durch 272.
— Untersuchung der höheren Lehr-
anstalten Preufsens, durch die 331.
Kongrefs, K. internationaler, gegen den
Alkoholismas in Budapest, September
1905 204.
— V., der Hilfsschulen Deutschlands
in Bremen, April 1905 81. 203.
— deutscher, für Volks- und Jugend-
spiele, Frankfurt a. M., September
1905 844.
— VI., für Volks- und Jugendspiele,
Frankfurt a. M., September 1905
678.
— des Boyal Institute of Public Health
London, Juli 1905 431.
— zweiter internationaler, für Schul-
hygiene, London 1907 856.
— internationaler, für Schalhygiene in
Nürnberg, Amtliche Verfügung be-
treffend den Bericht 208.
Körperbau, menschlicher 36.
— und Schulhygiene 255.
Körpergewicht, Lebensalter, Körper-
grÖfse der Schüler 400.
— der Schulkinder s. Entwicklung des
Kindes.
Körpergröfse, Körpergewicht und
Lebensalter der Schüler 400.
Körperlänge der Schulkinder s. Ent-
wicklung des Kindes.
— und Lebensalter 296.
898
Körperliche Anlaffen, Entwicklang und
Auabildnng 845.
— Bntwicklang der Jagend, Pflege 770.
und ZahuTerderbnis 437.
— Übungen der Kinder, Wert der 29.
im nacbschulpflichtigen Alter
498.
— Zächtigung, Verbot, in österreichi-
schen Volksschulen 774.
Körperverletzung, Bestrafung eines
Lehrers wegen 426.
Korrekturendauer bei Lehrerinnen s.
Nebenbeschäftigung &62.
Korsett, keins mehr für SchulmSdchen
268.
— in der Schule 599.
— Verbot beim Turnen in Saarbrücken
858.
Krampf krankheiten im schulpflichtigen
Alter 252.
Krankheiten, ansteckende, Amtliche
Verfugung in Lusern 210.
Belehrung der Schüler über 198.
Mafsreffeln in München 777.
Hintanhaltung der Verbreitung
durch die Schule 679. 692.
Wesen, Verbreitung, Verhütung,
Bekämpfung durch die Schule 1.
— interkurrierende, bei Schulkindern
8. Entwicklung des Kindes.
Kr&tze 689.
Kubom , 50jahriges Doktoijubilaum
887.
Kunstbescbaftigung der Lehrerinnen
s. Nebenbeschäftigung.
Kurssichtigkeit der Kinder 191.
— snnehmende» der Schüler höherer
Lehranstalten, Folgen für die Landes-
▼erteidigung 258.
Ijandaufenthalt, unentgeltlicher, Ver-
mittelung 201.
Landeniehungsheime 668.
Lebensalter und Gehimarbeit 259.
— Körpergröfse, Körpergewicht der
Schüler 400.
— und Körperlänge 296.
Lehrer, hygienischer Unterricht durch
die 7.
— und Lehrerinnen, geistige Leistungs-
fthigkeit und Nervosität 846.
— • Tuberkulose unter den 601.
Lehrerinnen, gesunde und kranke,
Nebenbeschäftigung 554.
besonders ermüdende und
unangenehme Unterrichtsfacher für
78.
Leibesübungen s. körperliche Übungen
499.
Leibesübungen sur Förderung und Rr-
haltung der Gesundheit für Jung
und Alt 696.
— Physiologie der 611.
Leistungsfähigkeit, geistige, und Ner-
vosität der Lehrer und Lehrerinnen
846.
Leistungen, Trennung der Schüler
nach 98.
Leistungsfähigkeit und Volksschal-
organisation 768.
Luft, freie, s. körperliche Übungen.
Lunch-Room at the Engelwood High
School 696.
— in the High-School 696.
Lungen-Drüsen-Tuberkulose in Pariser
Schulen 91.
Lungenkapasität, Vitale, der Schul-
kinder, s. Entwicklung des Kindes.
Lungenschwindsucht, Verhütung, Be-
handlung und Heilung, von Dr. A.
Ritter von Weismayr 273.
Lungenspitzentuberkulose und Zahn-
affektionen 263.
Mädchenerziehung, körperliche 198.
Mädchentumen in Städten und stadt-
ähnlichen Ortschaften 431.
Mahlzeiten in Kinderschutsstationen
249.
Masern s. Krankheiten, ansteckende.
— Morbidität an, und Schulschlafs
63.
Menschen, Naturgeschichte des 614.
Methodik des Turnunterrichts (Schroer)
510.
Mikulicz, V., Erinnerungen an gemein-
same schulhygienische Untersuchang-
en 889.
Milch, gefälschte, geliefert zur Speisung
bedürftiger Schulkinder 804.
— an Schulen verabfolgte, Kontrolle
832.
Milchkolonie für dürftige Kinder in
Aue 678.
Milchkur für dürftige Volksschüler in
Solingen 677.
Milchkuren für dürftige Schulkinder
197.
Milchstation in Saarbrücken 777.
Militärtauglichkeit der Einjährig-Frei-
willigen und Schulbesuch 207.
>- und Schule 844.
Minderbefähigte s. Schwaöhbef&higte
und Hilfsschulen.
— Schul einrichtungen für 840.
Minderwertigkeit, geistige, im schol-
Pflichtigen Alter 847.
Montags-Schulversäumnis 606.
899
Uoralischer Schwachsinn 590.
Jforhiditat an Masern, Scharlach und
Diphtherie, Schalschlars 63.
Morbiditätsstatistik in den Schulen
unter Mitwirkung: der Lehrer 672.
Morgenstunden, als Unterrichtsstunden
am Gymnasium zu Schiedam 267.
Mumps 8. Krankheiten, ansteckende.
Mundpflege s. auch Zahnpflege.
— bei Kindern 87.
Muskulatur und Ernährung der Schul-
kinder 8. Entwicklung des Kindes.
Mutterschutz 864.
Myopie, Vortäuschung von, bei Schul-
kindern 22.
Nachhilfeunterricht für Teilnehmer an
Vorkolonien in Charlottenburg 676.
Naturwissenschaftlicher Unterricht und
die Behandlung der sexuellen Frage
266.
Nebenbeschäftigung gesunder und
kranker Lehrerinnen 564.
Nebenklassen für Schwachbefahigte an
den Berliner Gemeindeschulen 676.
Nervenkrankheit der Schulkinder 847.
Nervensystem und Alkohol 214.
— Bau und Bedeutung für Leib und
Seele im gesunden und kranken Zu-
sUnd 100.
Nervosität unter Kindern 197.
— und geistige Leistungsfähigkeit der
Lehrer und Lehrerinnen 346.
— bei Schülern höherer Lehranstalten
87.
Ohrenkranke Schulkinder 668.
Ohrenleiden bei Schulkindern s. Ent-
wicklung des Kindes.
Ohrennntersuohung in der Schule, Leit-
sätze 262.
Organisation der Volksschule nach der
Leistungsfähigkeit 768.
Orthopädie und Schule 261.
Orthopjädischer Turnunterricht 778.
Otologische Gesellschaft, Deutsche,
14. Versammlung in Homburg 204.
Pädagogik und Hygiene 211.
Pathologische Beobachtungen in der
Dorfschule 849.
Pausen s. auch Schulpausen.
— an den Schulen in Holland 602.
Pavillona s. Schnlpavillon.
Pfl<>ge, körperliche, der Lehrerinnen s.
Nebenbeschäjftigung.
Physiologische Beobachtungen in der
Dorfschule 849.
Preisausschreiben betreffend Kinder-
schutz 855.
Preisermäfsigung bei Schölerfahrten
auf der Eisenbahn 597.
Privatunterricht der Lehrerinnen s.
Nebenbeschäftigung.
Prophylaxe bei ansteckenden Krank-
heiten auf dem Lande 3.
Prüfungen, vereinfachte, in Holland
849.
Prüfnngswesen an Mittelschulen 189.
Psychoneurosen, bedeutsame, desKindes-
alters 507.
Psychosen s. Überbürdungspsychosen.
Pubertät s. Wachstumsphysiologie 488.
Reformschule, eine neue, in Berlin
677.
Reinigung der Klassenzimmer durch
Schulkinder, Abschaffung in Schles-
wig 206.
— und Beinhaltung der Schulräume,
Bestrebungen in Braunschweig 674.
— der Schulfenster in den Volks- und
Bürgerschulen Wiens, Amtliche Ver-
fügung 209.
— der Schullokale durch Schulkinder,
Abschaffung im Beichslande 603.
Reinlichkeitszustände an französischen
Schulen 598.
Reise-Schulsparkassen in Budapest 205.
Rostowzeff über die Gruppenbank 567.
Röteln S.Krankheiten, ansteckende.
Rotes Kreuz, Kindererholungsstätten
601.
Royal Institute of Public Health, Kon-
greis, Juli 1905, London 431.
Rudersport an den Heidelberger Schulen
430.
Ruhr S.Krankheiten, ansteckende.
S^anatorium s. Schulsanatorium.
Sanitäre Fragebogen der Bürgerschulen
in Hannover 430.
Satzungen des Deutschen Vereins für
Schulgesundheitspflege 386.
Schafblattern siehe Krankheiten, an-
steckende.
Scharlach s. Desinfektion, Krankheiten,
ansteckende.
— Morbidität an, und Schulsohlufs
63.
Schilddrüsenvergröfserung bei Schul-
kindern s. Entwicklung des Schul-
kindes.
900
Schimpfwörter den Lehrern verboten
669.
Schlaf der Kinder, notwendige Daner
225.
Sohneeschnhlanf, Anregung 775.
Sohreibfrage 845.
Schriftlage 261.
Sohriftttellerische Betoh&ftignng der
Lehrerinnen s. Nebenbeschäftigung.
Schubert, Dr. Paul, Au&ätie und
Schriften 642.
Nachruf 682.
Porträt 681.
Zum Andenken. Von der
Redaktion 645.
Schulanfang und Eisenbahn 198.
Schularzt, Aufgaben des, s. Schulant-
frage in Hamburg.
— Notwendigkeit dei, s. Schularat-
frage in Hamburg.
Schulärzte und ärztliche Behandlung
851.
— Betoldang der, s. Schularztfrage in
Hamburg.
— und öffentliche Hygiene 189.
^ Recht der Klaasenschliefsung 64.
— Stellung der, zu den Schul- und
Medizinalbehörden «. Schularztfrage
in Hamburg.
Schularzteinrichtung, pädagogische Be-
deotuDg 29.
Schulärztliche Tätigkeit und Augen-
untersuchung 438.
Schularztfrage auf Grund bisheriger
Erfahrungen 416.
— in Hamburg 319.
Schulaufsicht, zur Frage der 781.
Schulbank s. auch Bank, Schulstuhl,
Subsellien.
— mit beweglichen Teilen 10. 14.
— Einsitzige 9. 12.
— mit Fufsrost 10.
— und Handfertigkeitsunterricht 11.
— in Hilfsklassen für Schwachbefähigte
9. 12. 185.
— System Euntze 11.
— von Lickroth & Cie., Frankenthal
11. 14.
— Rettigbank 9. 15.
— Rückenlehne oder Lendenlehne 11.
— umlegbare 10. 13.
Schulbänke zu Vlissingen 195.
Schulbankfrage 845.
— hygienischer Fortschritt 850.
Schulbankhygiene in Hilfaschulen für
Schwachbefähigte 753.
Schul brausebad in Amsterdam 672.
Schulbransebäder s. Baden und Schwim-
men 505.
Schulbeginn, zu früher, in Art^hofen
426.
~ für die erste Klasse der Volkaschiileii
in München 675.
— am Morgen in den Züricher Schulen
80.
Schulbücher, gebrauchte, Wamong dt-
Tor 427.
— Klagen über 857.
Schuldach s. Dach.
Schule und Alkoholismus 888.
— Der Deutsche und die 863.
-> und Heer 844.
Infektionskrankheiten 425.
Militärtauglichkeit der Einjährig-
freiwilligen 207.
Schwimmunterricht 95.
Schuleinrichtungen für nicht nonnsl
begabte Kinder, Obersicht über dso
Stand 1903 104.
Schülerherbergen 777.
Schüler, ortsfremde, s. Eisenbahnschüler
808.
Schülerfahrten, abgeänderte Eisenbshn-
yerkehrsbestimmungen f>97.
Schülerüberbürdung s. Überbürdung
196.
Schüleruntersaohungen 874.
Schülervorstellungen, SicherheitsTor-
kehrnngen bei, Amtliche Verfogoiig
270.
Schälerwanderungen in Berlin 778.
Schülerzahl, Herabsetzung der, in den
Volksschulen 32.
Schulföcher, besonders ermüdende und
unangenehme für Lehrerinnen 73.
Schulfeuster s. Reinigung der.
Schulferien s. Sommerferien.
Schulgesundheitspilege 612.
— Vorträge über, in Dresden 29.
Schulhausbrausebäder s. Bäder.
Schulhäuser, Beschaffenheit und Ein-
richtung 339.
— Hygiene der, in den Vereinigten
Staaten 334.
Schulhygienische Bibliothek in Berlin
857.
Schulhygiene, über die Bedeutung der
83.
— Dozentur für Lehrer in Kopenhsgen
859.
— enzyklopädisches Handbuch 212.
— französischer Kongrefs, Paris 1905
336.
— in Charlottenburg, Ferienkolonien,
Verstaatlichung, Waldschule 259.
— in Cöln unter einem ärztlichen
Beigeordneten der Stadtrerwaltnng
779.
— für Lehramtskandidaten 778.
901
Schulhygiene, Unterweisung der baye-
rischen Lehramtskandidaten 860.
— Unterweisung Österreichisoher Lehr-
amtskandidaten 861.
Schuiinspektor, weiblicher, s. Oeneral-
schulinspektor.
Schuljugend, Fursorgestellen für 851.
Schulkinder, dürftige, Milchkuren für
197.
— Reinigung der Elasseniimmerdnroh,
Abschaffung in Schleswig 206.
Sohullokale durch, ^Abschaf-
fung 603.
Schulmappen, Gewicht 603.
Schulpflichtig werdende Kinder, ärzt-
liche Untersuchung, amtliche Ver-
fügung 608.
Schulpausen in Holland 205. 602.
Schulpavillons, transportable, amtliche
YeHugung 610.
Schulrekruten in der Schweiz, ärzt-
liche Untersuchung 91.
Schulsanatorium, schweizerisches, Fri-
dericianum in Davos 852.
SchulschluTs und Morbidität an Masern,
Scharlach und Diphtherie 63.
Schulsparkassen s. Sparkassen.
Schulspielplatz im Grunewald 94.
Schulstuhl in der Gruppenbank 780.
Schultumwesen, städtisches, in Berlin
769.
Sohulversäumnis am Montag 606.
Schulvorbereitung , Dauer der, bei
Lehrerinnen s. Nebenbeschäftigung
563.
Schul Wärmezimmer 31.
Schulzahnarzt in Wiesbaden 430.
Schulzahnkliniken in Mnlhausen 678.
Schulzimmer über einem Stall in Weil-
bach 338.
Schulzimmerreinigung s. Reinigung.
Schutzstationen für Kinder 250.
Schwachbefahigte s. auch Hilfsschulen,
Minderbefahigte, Nebenklassen, Über-
bürdnngspsychosen.
— Kinder, Hilfsschule für 81.
— Schulbank in Hilfsklassen für 9. 12.
— Schüler an höheren Schulen in
Beriin 26.
Schwächliche Schulkinder, besonderer
Schulunterricht 597.
Schwachsinn, jugendlicher, und Seh-
organ 89.
Schwachsinnige Kinder, Dispositions-
schwankungen bei 276.
Pflegeverein für, in s'Graven-
hage 607.
Verein für, in Amsterdam 864.
— und nervenkranke Schulkinder in
Holland, Fürsorge für 27.
Schwachsinnige, nervöse und krankhafte
Schulkinder, pädagogisches Institut
für, bei Brüssel 28.
-— Schüler und ihre Behandlung 275.
Schwachsinnigenfürsorge, Handbuch
der 275.
— s. Hil&schule.
Schwimmen s. auch Baden 505.
— Fürsorge für das, der Berliner Schul-
kinder 207.
Schwimmlehrerin, Prüfung 860.
Schwimmmethode in Frankfurt a. M.
845.
Schwimmunterricht und Schule 96. 328.
— obligatorischer, an der Volksschule
94. 260.
— unentgeltlicher, in Gera 338.
Sehkraft, s. auch Augenuntersuchung
bei neueingeschulten Kindern 814.
— taubstummer Schüler 19.
Sehorgan und jugendlicher Schwach-
sinn 89.
Sehschärfe der Schulkinder s. Ent-
wicklung des Kindes.
Selbstmord von Schülern 779.
Selbstmorde von Kindern 85.
Selbständigkeit, Erziehung dazu durch
das Spiel 844.
Sexuelle Aufklärung s. a. Geschlechts-
krankheiten 429.
— Frage, Behandlung im naturwissen-
schaftlichen Unterricht 256.
Sioherheitsvorkehrungen bei Schüler-
vorstellungen, Amtliche Verfügung
270.
Simulation epileptischer AnföUe 773.
Skoliosen der Schulkinder s. Entwick-
lung des Kindes.
Solbad für arme Kinder in Bheinfelden
94.
Sommerferien, Beurlaubung vor und
nach, in Berlin 501.
— grofse, Dauer 607.
— Verlängerung durch Vor- und Naoh-
mittagsurlaub 666.
Sonderschulen für hervorragend Be-
fähigte 190. 436.
Soziale Fürsorge für Kinder im schul-
pflichtigen Alter 782.
— Betätigung der Lehrerinnen s. Neben-
beschäftigung.
— Hygiene und Entartungsproblem
101.
Sparkassen für Schälerreisen 205.
Speisung von Schulkindern in Brüssel
771.
— der Pariser Volksschulkinder 26.
— von Schulkindern in Sohöneberg
777.
— armer Schulkinder in Stettin 428.
902
Spiel s. auch Bewegangsipiel, Ferien-
spielkan, Ferienspiel tage, Jugend-
spielkongrefs, körperliche Übung,
Nebenbeechaftignng kranker Lehre-
rinnen.
— Sport und Turnen auf der Jahres-
versammlung des Vereins der Turn-
lehrer in Holland, April 1905 600.
Spiele, Förderung in Düsseldorf 602.
— der Kinder, Untersuchung über die
gesundheitliche Wirkung 81.
Spielknrs«« s. Volksspiele.
— für Lehrer und Lehrerinnen 265.
336.
Spielnaohmittage in Essen 770.
— Einführung in Nassau 675.
— während der Ferien in Bummels-
burg 677.
— obligatorische 846.
an höheren Schulen Württem-
bergs 504.
Spielnaohmittag, obligatorischer freier
267.
Einfuhrung 604.
Spielplatz s. auch Kinderspielplatz,
Schulspielplatz.
Spielplätze, städtische, in Berlin 204.
— Höfe der Schulen in Budapest als
4S0.
Spiel platzverwaltung durch Knaben in
New York 776.
Spiel- und Sportplätze, öffentliche, Be-
deutung für die Volksgesundheit 659.
762.
— und Turnplätze in Berlin und
München 259.
Spielstunden an Barmer Volksschulen,
Einführung 678.
Sport s. Spiel.
Sprachgebrechen, Behandlung in der
Hilfaschnle 588.
Sprachstörungen , soziale Bedeutung
196.
Statistik s. auch Morbiditätsstatistik
— über die Verhältnisse der Schüler
in Nizza 676.
— schulärztliche 189. 783.
Staubfreie Fufsbodenöle in Cottbuser
Schulen 94.
Steilschrift 345.
— Geschichtliches über 391.
Stotterer, Heilkurse für, in Hannover
95.
Stottererkurse für Schulkinder in Stutt-
gart 89.
Stotternde Volksschüler, unentgeltlicher
Unterricht für, in Göppingen 82
Stoysche Erziehungsanst^t s. Wachs-
tumsphysiologie 293.
Strafaufgaben, häusliche, verboten 669.
Studium der Lehrerinnen s. Neben-
beschäftigung.
Subsellien s; auch Bank, Schulhank.
~ praktische Schwierigkeiten bei der
Befriedigung hygienischer Forde-
rungen an die 239.
Suppeuanstalt für Kinder in Frank-
furt a. M. 269.
Tabakgenufs und Schule 84.
Tagesheimstätten für Kinder 249.
Taubstumme, Fürsorge für elternlose
21.
schulentlassene 21.
Taubstummenbildung und Hygiene 19.
Tauglichkeit der Einji&hrig-Frei willigen
zum Militärdienst s. Militärtauglich
keit
Tics s. Psychoneurosen.
Tic gönöral s. Krampfkrankbeiten.
Transportable Schulpavillons, Amtliche
Verfügung 610.
Trennung der Schüler nach Leistungen
93.
Trinkbecher und Übertragung von In-
fektionskrankheiten 773.
Tuberkulose s. auch Lungen-, Drüsen-
Tuberkulose.
~- Mafsnahmen gegen die Verbreitung
4.
Tuberkulose-Prophylaxe im Kindesalter
674.
Tuberkuloseverbreitnng unter den Leh-
rern 601.
— durch die Schule 500.
Turnen s. auch körperliche Übung,
Spiel und Sport.
— im Hause 696.
— der Mädchen in Städten und stadt-
ähnlichen Ortschaften 431.
— zwei Minuten während des Unter-
richts 206.
— zweckmäfsiger für die Körperent-
wicklun^ 773.
Tnrngeschichte, Leitfaden für den Un-
terricht in der 215.
Turnhalle im Daohgeschofe 30.
Tumkleid der Frauen 896.
Tumkurse s. Volksspiele.
Turnplätze, neuzeitliche Anforderungen
769.
Tum- und Spielplätze in Berlin und
München 259.
Turnräume, Anzahl und Lage in stark
besuchten Schulen 22.
Tumsaal in eigenem Gebäude 22.
Turn- und Jugendspiele, Förderung in
Düsseldorf 502.
903
Tamstunden, Vermehrung in Nassau
675.
Turnunterricht, zu bereitwillige Be-
freiung der Schüler in Berlin 501.
— falscher und richtiger Betrieb 28.
— Methodik (Schroer) 510.
— orthopädischer 778.
— besonderer für schwächliche Schul-
kinder 697.
Tnmwesen s. Sohultnmwesen.
Typhus abdominalis s. Krankheiten,
ansteckende.
"Cberburdung in Eealgymnasien und
Bealschulen 593.
— der Schüler und Verkürzung der
, Unterrichtsstunden 196.
Überbürdungspsycbosen bei minder-
wertigen Kindern 649.
Überfüllung preufsisoher Volksschulen
426.
Übergangsprtifung s. Prüfungen, ver-
einfachte 849.
Übungen, körperliche, im nachschul-
pflichtigen Alter 493.
Unfälle in der Schule und ärztliche
Hilfe 596.
Ungeteilter Unterricht 378.
Ungezieferplage in Frankfurter Schulen
767.
Unterernährung vieler Schulkinder in
England 329. 779.
Unterricht, fremdsprachlicher, Anfang
und Anordnung 369.
— gemeinsamer, für beide Geschlechter
s. Koedukation.
— aulscrhalb der Schule von Lehre-
rinnen, s. Nebenbeschäftigung.
— ungeteilter 378.
Unterrichtsplan am Gymnasium zu
Schiedam 267.'
Unterrichtsstunden, Verkürzte 196.
Unterstützung armer Kinder, fiaus-
waldt-Stiftung 269.
Untersuchung, ärztliche, schulpflichtig
werdender Kinder, Amtliche Ver-
fügung 608.
beim Ein- und Austritt an Taub-
stummenanstalten 19. 21.
Untersuchungen, anthropometrisohe, an
gesunden und kranken Kindern, be-
sonders des schulpflichtigen Alters
719. 816.
— ärztliche, der Schüler 374.
Urlaub s. Sommerferien, Vor- und
Nachmittagsurlaub.
"Veitstanz s. Krampfkrankheiten.
Verbandstag, fünfter, der Hilfsschulen
Deutschlands in Bremen 587.
Verbrecher, jugendliche, Bestrafung
429.
Verein, allgemeiner deutscher, für
Schulgesundheitspflege, VI. Jahres-
versammlung, Stuttgart, Juni 1905
265.
— „Kinderschutzstationen^, vierter
Rechenschaftsbericht 249.
— Deutscher, für Schulgesundheits-
pflege, Satzungen 386.
— für Schul- und Gesundheitspflege
in Bizdorf, Gründung 207.
— für schwer sprechende und schwach-
sinnige Kinder in Amsterdam 854.
Vereinigung für Kinderforsohung in
Mannheim 856.
Vereinstätigkeit der Lehrerinnen s.
Nebenbeschäftigung.
Vergiftung durch Kohlendunst wegen
mangelhafter Heizvorrichtungen in
einer Berliner Mädchenschule 830.
Versäumnis s. Schulversäumnis.
Verwaltung eines New Yorker Spiel-
platzes durch Knaben 776.
Volk, seine Kraft und Schönheit 693.
Volksgesundheit s. Spiel- und Sport-
plätze 659.
Volksschulen, öfientliche, Errichtung,
Erhaltung, Besuch 339.
— preufsische, Überfüllung 426.
Volksspiele s. Kongrefs.
— Kurse zur Ausbildung von Lehrern,
Amtliche Verfügung 607.
Vorbereitung für die Schule s. Schul-
vorbereitung.
Wachstum s. anthropometrisohe Unter-
suchungen.
— jährliches, einzelner Schüler 462.
Wachstumspbysiologie des Menschen,
ein Beitrag zur, nach statistischen
Erhebungen an der Stoyschen Er-
zieh ungsansUlt 293. 365. 457.
Wachträumen der Kinder s. Psycho-
neurosen 509.
Walderholungsstätten und Waldschulen
858.
Waldschule in Charlottenburg 259.
837. 604.
Betrieb 670.
eine zweite 32.
in Dresden 604.
Waldschulen in Berlin 675. 857.
— zwei zukünftige, in Berlin 606.
Wandanntriche, desinfizierende, in
Schulräumen 502.
904
Wandertrieb, kindlicher, s. Pfjoho-
neurosen.
Wanderungen s. Sohalerwandemngen.
Warmesimmer in Schalen 81.
Waachgelegenheiten in der Schule 426.
768.
Weiblicher Genendschulinepektor in
England 205.
Winterkolonie Tannenhof (Hamburg)
778. 859.
Wirbel8äale,yerkrfimmungen bei Schul-
kindern 8. Entwicklung des Kindes.
Zahnaffektionen und Lungenapitien-
tuberkuloee 268.
Zahnarst s. SchulBahnartt.
Zähne, Fürsorge für die, der Schul-
kinder in Darmstadt 98.
— der Schulkinder in Winterthur 858.
~- Untersuchung und Pflege der Schul-
kinder in Meiningen 67o.
Zahnpflege und Schule 344.
— Förderung der, bei SchaUandertt
83.
— der Schulkinder in Langenthai 97.
Zahnkliniken s. Schuliahnldiniken.
Zahnverderbnis und körperliche Ent-
wicklung 427.
Zahnrerhältnisse der SchuUduder im
Kreise Worms 427.
Zahnuntersuchung der Schulkinder
in Erfurt 200.
Zentralverein für Kinderheilunga- uod
Ferienkolonien in den Niederlanden
27.
Zwangsvorstellungen im Kindeealter s.
Psychoneurosen.
Züchtigung, körperliche, s. auch Korper-
verletsung.
Verbot in österreichischen Völki-
schulen 774.
Züchtigungsrecht der Lehrer an höhe-
ren Lehranstalten 669.
Namenregister.
Abel 865. 577. 581.
▲gahd 857.
Altscbol 212. 216. 846.
612.
Armaingand 674.
Anerbaoh 95.
Axmann 347.
Bacb 10. 15.
Baginsky 88. 257. 720.
Baker 216.
Baldrian 19. 847.
Barat 848.
Bardenheuer 261.
Barreveld-Bute 28.
Barrows 696.
Basedow 95. 185. 753.
Bass 379. 881.
Bauer 866.
Baameisier 663.
Banr 87. 347.
Bayr 190. 206. 249. 273.
392. 657. 746.
Beckers 828.
Beerwald-Brauer 347.
Beerwald 512. 696.
Bekarinkoff 865.
Benda 257. 865.
Bergmann 398.
Berlin 891.
Bernhardt 258.
Beminger 211.
Bertram 417.
Beatler 663.
Bentter 373.
Beyer 612.
Bezold 262.
Bienertb, r. 777.
Biorwass 39.
Binet 836.
Binswanger 657.
Biroher-Benner 865.
Birkner 723.
Bleuler 102. 346.
Bloch 865.
Blöckh 507.
Bock 589.
Bocqnillon 217.
Boddaers 92.
BoUert 664.
Bondi 24.
Bonnifay 723.
Boom, V. 600.
Bösbauer 275.
BoDgrat 599.
Boalton 410. 411. 458.
BoumeyilleB 832.
Bowditoh 723.
Brandeis 216.
Brauer 696.
Bregenzer 848.
Bremen, v. 82. 608.
Bridon 348.
Bruns 398.
Bruntou 856.
Buchhold 698.
Buchner 763.
Buhler 266.
Büren, v. 853.
Bnrgass 512.
Burgerstein 14. 216. 218.
273. 274. 417. 438.
698.
Bnrmeister 348.
Bumham 216. 506.
Busch 82. 208.
BüsiDg 15.
Büttner 865.
Camerer jr. 566.
Carstädt 297. 723.
Cave 674.
Celli 38. 347. 865.
Chabot 599.
Chatelanat 461.
Codirilla 216.
Cohn 20. 39. 63. 275. 389.
417. 682. 695. 865.
Gombe 261.
Cotta 215.
Gramm 331.
Daffner 723.
Debove 336.
Delius 347. 367. 368.
Dennig 865.
Dettweiler 418.
Dietz 865.
Dominicus 348.
Domitrovich, v. 39. 216.
217. 567. 698. 699.
Dörnberger 89.
Dressler 190.
Dreyfuss 347.
Dakey 259.
Duncan 258.
DüriDg 264.
Egelhaaf 878.
Eisenreioh 511.
Eliasberg 595.
Emmert 844.
Enderlin 856.
Engelsperger 699.
Ensmann 40. 289. 344.
345. 420. 490. 567. 614.
696. 723. 746.
Ernst 426. 610.
Esmarcb, t. 697.
Espine, d' 674.
Eulenberg 10. 15.
Eysert 189.
»06
Fab 818.
FeUchenfeld 22. 89.
FeiTai 699.
FeUcherin 40. 344.
Feucht 878.
Fiebig 203.
Fiedler 36.
FiDkh 347.
Finkler 673. 867.
Finaler 194.
Finsen 769.
Fischer 265. 266. 841.
Flachs 80.
Flatt 265.
Fonrier 807.
Fränkel 865.
Frauchiifer 88.
Frenzel 275.
Frioke 328. 512.
Friedrich 865.
Friedrich» 771.
Frisch 700.
Fachs 276.
Fürst 38. 326. 698.
«aleaasi 216.
Gall 835.
Galle 865.
Oanghofer 674.
Gärtner 293.
Gastpar 265. 366. 374. 866.
Gattiker 39. 781.
Gaupp 347. 779.
Geilsler810.317.489. 723.
Gelpke 89.
Gerken 326.
Geromiller 866.
Gerstenberg 512.
Giacomini 829.
Girard 40. 345.
Goldhahn 507.
Gofsler, v. 259.
Götz 28. 29. 86. 87. 189.
196. 262. 426.
Grancher 91. 217. 336.
Granpner 29 388.
Graziani 348.
Greeff 698. 699.
Greenwood 779.
Griesbach 217. 367. 368.
512. 577. 581. 662.
Groob 40. 345.
Groos 788.
Grotjahn 89. 101. 215.
Gruber 840.
Gruhn 512.
Gugler 271. 273. 274.
Guillaume 417.
Gurlitt 699. 863.
Guttmann 141. 142.
Gutimann 204.
Haass, De 28.
Hafter 767.
Hagen 605. 776.
Hsgmann 699. 864.
Habnel 840.
Hammar 699. 866.
Hanchoz 345.
Hansel 93.
HarUl, T. 206.
Hartmann 32. 39. 99. 102.
204. 367. 878. 611. 668.
782. 866.
Hasse 723.
Hauber 504.
Haunstrup 348.
HauswalJt 265.
Heilsler 770.
Helbing 858.
Helenias 842.
Helferich 495. 697.
Heller 39. 100. 649.
Hellpach 265. 348. 879.
382.
Henchoz 40.
Henkel 777.
Henze 587. 589. 700.
Hergel 348. 699.
Hermann 266. 699.
Hertel 723. 763. 859.
Hess 866.
Heubner 674.
HiesUnd 326.
Hiifiker 865.
Hiüenberg 1.
Uinterberger 217. 437.
Hinträger 89. 34a
Hintzmann 265. 872. 878.
380. 385.
Hirsch 255.
Hirschmann 22.
Hölemann 36.
Hopf 768. 852.
Hörn 373. 378.
Hrabal 194.
Hühner 699. 769.
JTafifö 38. 698.
Jäger 40. 265. 367. 371.
378.
James 206.
Januschke 190.
Jaquet 83.
Jaerschky 866.
Javal 346.
JennyStuder 767.
Jerusalem 189.
Jessen 348. 849. 866.
Igl 40. 699.
Ihering, t. 307. 489.
lugersler 217.
Johannessen 217.
Juba 808.
Kapp 189. 190.
Kassowits 31.
Kanpp 203. 858.
Keller 857.
Kern 81.
Kerr 699.
Key 167. 301. 462. 763.
Klahr 512.
Klatt 507.
Klette 660.
Kirstein 40.
Knapp 308. 400 490.
Koch 512. 673. 844.
Koch-Hesse 293. 361. 457.
Kocksch 217.
Köhler 28.
Kohlmann 853.
Kohlrausch 268. 512.
Koldewey 265.
König 843.
Königshöfer 366.
Kopczynski 40.
Köpke 259.
Kosroann 367. 368.
Kotelmann 305. 410. 468.
612. 723.
Köttgen 40.
Krafft-Ebing 89.
Kraft 36. 37. 699. 77S.
782. 852. 854.
Kräpelin 437.
Kraepelin 866.
Krell 85.
Kriege 377.
Krug 261.
Kruker 36. 87.
Krüfs 746.
Rücbenmfister 95.
KukuBch 190.
KttU 859.
Kümmel 217.
Kunze 195.
Küster 417.
liaozö 841.
Lahmann 217.
Lamberts 28.
Landmann 203.
Landouzy 336.
Landsberger 723.
907
Landsrath 338.
Lange 259.
Laos 699.
Laplaoe 807.
Laser 773.
Lavisse 598.
Lawrence 205.
Lay 217. 699.
Le Qendre 419. 422.
Le Mang 19L
Leubuseber 377. 378. 425.
Lenschner 700. 780.
Lexis 309. 607.
Liebermann 419.
Liebmann 866.
Lienert 855.
Liepe 40. 275.
Lietz 663.
Lihavzik 298. 720.
Lion 498.
Lischnewska 866.
Liszt 591.
Lobedank 36.
Lobsien 348.
Loeb 506.
Lotz 260. 512. 866.
Lowinsky 40.
Lübben 306.
Lucae 723. 731.
Lukasc, V. 840.
Lutz 217.
lEacnamara 30. 329.
Maday, y. 839.
llaglesen 348.
Maennel 866.
Manac^ine, v. 349.
Mann 856.
Manourriez 866.
Marohand 828.
Marcinowsky 512.
Marfan 674.
Marr 347. 512. 851.
Martin 856.
MaHinak 193.
Matagne 28.
Mathien 217. 848.
Matthaei 860.
Matthias 259.
May, T. 349.
Mayr 297.
Meder 40. 336. 349.
Meisner 349. 673. 844. 867.
Mendelssohn, y. 332.
Mery 419. 422. 674.
Meumann 699.
Meyer, Bruno 865.
Meyer P. 847. 867.
Meyer, W. P. 854.
Meylan 196.
Miklos 275.
Miller 696.
Mishima 418.
Möbius 836.
Modersohn 667.
Mohaupt 700.
Molenaar 196.
Möller 265.
Mombert 40.
Moritz 217.
Moses 9. 12. 40. 185. 217.
437. 510. 753. 866.
Motz 349.
Mouton 27. 28. 93. 196.
205. 267. 601. 608. 673.
850. 861. 854. 858.
Müller, E. 344.
Müller-Kassel 367.
Müller-Stuttgart 373.
Müller- Wiesbaden 377.
Müller-Zürich 420.
Münzer 336.
Mürset 40.
Myller 40. 265. 700.
JTaunyn 398.
Netolitzky 14.
Neuendorff 265.
Neufer 259.
Neufert 512. 670.
Neumann 217.
Neumark 590.
Noll 349. 614.
Nolte 82. 203. 590.
Nowack 29.
Nufsbaum 774.
Obermeyer, v. 102.
Oetvös 841.
Oppermann 349. 814.
Ostmann 189. 257.
Paderstein 605.
Pagliani 311. 723.
Palleske 607.
Paulsen 191.
Petersen, v. 664.
Petzold 486.
Petzoldt 190. 217.
Pfaender 506.
Pfeiffer 746.
Pfuhl, V. 95.
Philippe 348.
Philippi 30. 86.
Pick 507.
Pimmer 218.
Pinard 336.
Prietzel 29.
Pollasohek 189.
Popp 857.
Praufsnitz 746.
Preufsner 336.
Prof6 198. 867.
Proskauer 254.
Ouetelet 305. 307. 308.
400. 408. 410. 411. 460.
461. 490. 720.
Quincke 697.
Quirsfeld 127.
Radziejewski 217. 488.
Bänke 89. 349. 719. 816.
827.
Raydt 268. 386. 349. 384.
673. 700. 844. 867.
Regnault 731.
Reich 867.
Reichenbach 349. 614. 700.
Reichert 373. 377.
Reihlen 366.
Reinders 263.
Reinfelder 867.
Reinhard 265.
Reinmüller 384.
Rettich 368.
Reuter 723. 732.
Rietz 723. 726.
Rindfleisch, y. 664.
Ritter 853.
Roberts 723.
Reeder 189.
Röhn 337.
Roller 348. 507.
Rossow 512.
Rostowzeff 239. 243.
Roth 40. 265. 344.
Roux 297.
Rubner 218.
Rudnik 348.
S^ack 723.
Salzmann 367.
Samosch 425.
Sandow 512.
Savoire 674.
Schanze 29.
Scharf 392.
Schenk 82. 203. 591.
Schenckendorf, y. 511.
692. 673. 867. 844.
Scheu 24.
Schilling 349.
908
Sohiner 275.
SchipfMr 189.
Schlesinger 349.
Schleich 217.
Schmale 266.
Schmid 497.
Schmid-Monnard 102. 723.
782.
Schmehl 377.
Schmidt, E. 301. 310. 410.
723.
Schmidt, F. ii. 265. 266.
349. 367. 495. 611. 512.
611. 659. 762.
Schmitt 9. 753.
Schmoll 386.
Schneider 698.
Schulder 261.
ScholE 82. 203. 590.
Schoenfelder 102.
Schott 218.
Schrender 28.
Sohröer 510. 698. 700.
Schubert 218. 391. 419.
422. 553.
Schölte 700.
SohnlUe 720.
Schattleworth 826.
Sohayten 102.
Schwalbe 511.
Schwan 700. 867.
Seebaam 700.
Seiti 89.
Sickinger 102. 188. 203.
218. 326. 436. 662. 666.
700. 768.
Siebert 350.
Siegel 507.
Sieveking 27. 697. 772.
779.
Sigmund, ▼. 256.
Simon 332.
Simper 657.
Smidowitoch 102.
Spatr 89.
Speidel 217.
Sperling 218.
Spicfs 487. 576.
Spitsner 203.
Spokes 87.
Spnhler 265. 493.
Sporzheim 835.
Steiger 347. 438.
Steiner 367.
Stelz 218.
Stephani 856.
Stctter 867.
Steuer 836.
Sticker 500.
Stieda 309. 489.
Stiegler 512.
Stocker 265. 416. 867.
Stöcker 864.
Stockhausen 35.
Stockmajer 367.
Stell 218. 350. 863.
Stötzner 81.
Stoy 77. 293.
Stradal 335.
StraTsmann 88.
Stratz 726.
Studt 343. 434. 435.
Suck 16.
Sttlzer 348. 866.
Szalkay 842.
Thierich 102.
Thoma 188.
Thomas 28. 348.
Thumfer 189. 190. 198.
257.
Trechsel 265.
Treitschke, y. 500.
Treutlein 373.
Tritochler 856.
Trump 89.
Triiper 203. 832.
Turm 266.
Vhlitzsch 310. 317. i
723.
Ulbricht 93.
Ullmann 257.
Ullrich 867.
Ulrich 101.
Ungewitter 102.
Taillant 852.
Vannod 40. 345.
Vargas 201.
Veit 11.
Velz 265.
Vierordt 411. 462.
Vietor 265. 369. 373.
Volkmann 898.
Voormann 348.
l¥abl 261.
Walter 24.
Wassermann 350. 425.
Weber 350. 775. 867.
Wegmann 700.
Wehmer 15. 212.
Wehrhahn 82. 367. 384.
587. 589. 700.
Wehrlin 263.
Weidenbusch 265. 266.
673. 845. 867.
Weigl 12. 669. 753. 867.
Weill-Manton 500.
Weinberg 258.
Weisbach 835.
Weismayr, v. 273.
Weils 100. 838.
Weizsäcker, y. 368.
Welcker 723.
Wenchebach 600.
Werner 663.
Wetekamp 512.
WeUitz 336.
Weyer 271. 863.
Weygand 99. 187. 350.
847. 867.
Weyl 782.
Weyrauch, y. 368.
Wichmann 73. 100. 218.
846. 348. 507. 554.
Wickenhagen 511. 697.
867.
Wiese 860.
Wildermuth 218.
Wilbarm 265.
Willenegger 843.
Willmann 868.
Winckler 82. 203.
Wingen 102. 774.
Winkler 80. 588.
Wipf 16. 40. 346.
Wolff 775.
Wolfring, y. 350.
Wolpert, A. 218.
Wolpert, H. 218. 775.
Tasusaburo (Sakaki) 217.
Yorke 840.
Zaddach 860.
Zahn 366.
Zander 100.
Ziehen 102. 214. 252.
Ziegler, y. 258.
Ziegler 699.
Zimmer 207.
Zinsli 200.
Zollinger 102. 218. 610.
699. 868.
Zweiffei 766.
Der Schularzt.
Sachregister.
Orttnamen 8. a.: Dienstordnung für Schularzte; Jakreeberiohte, BchalärEtli<Ae;
Sohnlarzt in; Schulärzte, neue.
Abgelehnte Schulärzte in Lüdenscheid
93/361.
— in SchmöUn 93/361.
— in Colberg 93/361.
— in Breslau 94/361.
Anstellung von Schulärzten in Breslau
76/386.
— in Hamburg 78/288.
Ansteckung s. Erankheiten,anBteckende.
Ärztliche Eontrolle der Schulkinder
.. in Solingen 219/879.
Arztliche Schulatteste 76/286.
Ärztliche Untersuchung bei Aufnahme
in die Schule 74/284.
Aufgaben, allgemeine der Schulärzte
in Darmstadt 78/288.
Aufnahme in die Schule und ärztliche
Untersuchung 74/284.
Aufsicht, medizinische, in den Schulen
in Holland 73/283.
Aufsicht, schulärztliche 74/284.
Augenarzt s. Schulaugenarzt.
Austausch schulärztlicher Jahresberichte
144/542.
Behandlung durch den Schularzt
182/712.
Bericht, 28., des Unterrichtsministers
für Japan 1900-1901 142/541.
Berichte, schulärztliche, s. Jahres-
berichte.
Berufsschularzt 87/117. 111/453.
Besserstellung der Schulärzte in
Chemnitz 162/622.
Bestimmung der Konstitution der
Schüler 47/219.
Sctanlgreenndtaeitspflege. XVIIL
Dienstordnung för Schulärzte in
Bremen 71/281.
— in Ohristiania (Volksschulen) 2/42.
— in Darmstadt (Mittelschulen) 78/288.
— in Drontheim 10/50.
— in Frankfurt a. 0. 63/236.
— in Hamar (Volksschulen) 7/47.
— in Hannover 145/543.
— in Königsberg i. Pr. 61/238.
— in Mülhausen i. Eis. 20/60.
— in Norwegen (höhere allgemeine
Schulen) 9/49.
— in Prag 95/363.
— in Spandau 220/880. 227/887.
— in St Johann a. d. Saar 41/122.
Drüsen s. Konstitution der Schüler.
Sinheitlichkeit der schulärztlichen
Statistik, Vorschläge 88/351.
Eltern, Beteiligung der, bei der schul-
hygienischen Aufsicht 75/285.
Ergebnisse schulärztlicher Untersuch-
ungen in Wilmersdorf 168/623.
Erweiterung der schulärztlichen Tätig-
keit 18/58.
Fettpolster s. Konstitution der Schüler.
Flegeleien gegen einen Schularzt in
Schöneberg 18/58.
Formulare, schulärztliche einheitliche
s. Statistik, schulärztliche.
Fragebogen für die Untersuchung
kranker und geistig minderwertiger
Volksschüler in Norwegen 6/46.
48
910
Ckisteileben der Sohiiler und Schal-
«nt 57/929.
OetohlfUfölmiDg der SohalXnte in
DarmtUdt 81/291.
Oeeiohtefarbe eiehe KoiutitntioB der
Sohfiler.
OetchleohÜiohe Verimmgeii der SohiQer
und Sehalant
Gerandheitliohe Oberwaehaoff des
Schnlhaaees and seiner BinricntangeB
in Dannstadt daroh die Schaltete
81/291. ^
Gesandheitliche Überwachang der
Schalkinder in Darmstadt 78/888.
Gesandheitsaofrioht in Yolkssohalen
Norwegens, Bestimmangen fOr die
4/44.
Gewicht bei Sohalkindem s. Konstita-
tion der Schüler.
Grandbachblatt, scholSntliches, in
Norwegen 14/54.
Haat s. Konstitation der Sohfiler.
Hers s. Konstitation der Schfller.
HilfiMchale für SchwachbeflUiigte, Aaf-
gabe des Schalarstes an der 75/285.
Jahresbericht, schalärstlicher, iweiter
and dritter, über die Tätigkeit der
stlidtischen Besirks&rste in Brunn
106/448.
— in ChemniU 1908-1904 88/118.
— in Darmstadt 1908—1904 167/627.
— in Ems 187/718.
— der Brfarter Volsscholen 1902 bis
1908 227/887.
— in Leipsig 1908-1904 224/884.
— in Magdebarg 1908-1904 40/120.
— in Mains 1908-1904 142/540.
— in Mülhaasen i. Sls. 1908—1904
185/715. 206/800.
— in Prag, evangelische Privatvolks-
schale 1908-1904 142/540.
— in Wiesbaden 18/58.
— in Worms, Hilfsklassen der stidti-
sohen Volksschalen 1908 bis 1904
60/282.
Jahresberichte, soholftrstliche, Br>
leiohterang des Aastansohes 144/542.
Infektionskrankheiten s. Krankheiten,
ansteckende.
Instraktion für Schol&nte s. Dienst-
ordnang.
Keochhosten s. Konstitation der
Schüler.
Kinderheilkande and Schalhygiene
220/880.
Knochen s. Konstitation der Schüler.
Konstitation der Schüler, Bestimmang
der 47/219.
Krankheiten siehe Konstitation der
Schüler.
Krankheiten, ansteckende, Vorschriften
sar Verhütang der Obertragang and
dadaroh gebotene schmSrstliche
Tätigkeit 28/108.
Kreisfirste and Schalbesichtigang
77/287.
Kreisschalarstes, Titigkeit des, in
Offenbach 162/682.
Krisis, eine schnlSntliche, in Thüringen
56/228.
Lehrer and medisinische Aafsicht in
den Schalen 78/288.
Lange s. Konstitation der Schüler.
Langenentsündang s. Konstitation der
Schüler.
Magdebarger schalüntliche Verhalt-
nisse 94^.
Masern s. Konstitation der Schüler.
Medizinalbeamter and Schalarstfrsge
155/615.
Minderbegabte and kranke Scholkindar
in Norwegen, Fragebogen für die
Untersachang 6/46.
Moralische Defekte der Schüler and
Schalarst 57/229.
Maskeln s. Konstitntion der Schüler.
Hebenamt, Schalarst als 111/458.
Nerrenleben der Schüler and Schal-
arst 57/229.
Neae Schalfirzte s. SchalSnte, neae.
Organisation^staatliche, des Schalant-
wesens in Wfirttembeiv 182/712.
I, deatsche and tschechische,
Gesnndheitsverhaltnisse bei Schal-
kindera 107/449.
Referate über schalfirztliche Jahres-
berichte s. Jahresberichte.
Bückgratsverkrfimmangen, die, des
sohalpflichtigen Alters 86/116.
911
fi(oharlach b. KonBtmktion der Schüler.
Schularzt, Behandlung duroh 182/712.
— an Hil&sohulen fSr Schwaohbe-
fahigte, seine Aufgaben 76/285.
— an höheren Lehranstalten, not-
wendige Ehvänzung der Sohnlorgani-
sation 202/796.
— im Nebenamt oder Bernfssohalarst
111/463.
— als Nebenbeschäftigung in Nor-
wegen 13/58.
Schulärzte, abgelehnte, s. abgelehnte
Schulärzte.
— in Barmen 110/452.
— Vermehrung in Berlin 220/880.
— in Bergen 4/44.
— Anstellung in Bremen 70/280.
— Einführung an den höheren Schulen
Breslaus 221/881.
— für Mittelschulen in Czemowitz
204/798.
— in Bunzlan 110/452.
— in Darmstadt 58/230.
— in Drontheim 9/49.
— in den Düsseldorfer Landgemeinden
164/624.
— in Elmshorn 58/280.
— in OjoYik 12/52.
— in Hannover.
^ in Helsingfors 58/230.
— in kleinen Städten 110/452.
— in Königsberg, Leistungen und Ob-
liegenheiten 1900-1904 171/701.
— in EongsYinger 12/52.
— in Lillehammer 11/51.
— in Mühlhausen 164/624.
— Tätigkeit in New York 204/798.
— beantragte Anstellung in Nietleben
164/624.
— in Landdistrikten in Norwegen
13/58.
— in Saarbrücken 110/452.
— städtische in der Provinz Sachsen
220/880.
-> in Stotteritz 110/452.
— in Treptow 164/624.
— in Tromso 11/51.
— in Werdau, Anstellung 110/452.
— für Wien 58/230.
— in Zaandam 73/282.
Schulärzte, neue, in Bayreuth 16/56.
— in Berlin 93^1.
— in Bemburg 57/229.
— in Bismarckhütte 56/228.
— in Bochum 92/360.
— in Bremen 92/360.
— städtischs für Mittelschulen in
Breslau 140/538.
— in GhemniU-Hilbersdorf 220/880.
— in Darmstadt 16/56.
Schulärzte neue, in Elberfeld 220/880.
— in Hainichen 34/114.
— in Hamburg 93/361.
— in Hanau 56/228.
— in Hannover 92/360.
— in Heidelberg 56/228.
— in Hildesbeim 220/880.
— in Karlsruhe 17/57. 93/361.
— und deren Obliegenheiten in Kö-
penick 56/228. 181/711.
— in Lauterbach 57/229.
— in Lichtenberg 205/799.
— in Marburg 181/711.
— in Marburg, Steiermark 205/799.
— in Markirch 17/67.
— in Maxgrün 57/229.
— in Neustädtel 16/56.
— in Nietleben 181/711.
— in Paunsdorf 205/799.
— in Prag 15/55. 34/114.
— in Badeberg 56/228.
— in Baschau 57/229.
— in Bheine
— in Bummelsdorf 220/880.
— in Spandau 56/228.
— in Stettin 92/360. 206/799.
— in StötteriU 92/360.
— in Treptow — Baumsohulenweg
205/799.
-- in Voigtsberg 57/229.
— Wiebelskirohen 181/711.
— in Wiesbaden 92/360.
Schulärzte, weibliche 110/452.
Schulärztin in Paris 181/711.
Schulärztliche Einrichtung, notwendige
Erweiterungen 182/712.
— Jahresberichte s. Jahresberichte.
— Tätigkeit in Görlitz 219/879.
— Untersuchung in Wilmersdorf, Er-
gebnisse 163/623.
— Verhältnisse in Magdeburg 94/362.
Schulärztliches aus Holland 73/283.
— Omndbuchblatt in Norwegen
14/54.
Schularztfrage, neue Oesichtspankte
218/219.
— vom Standpunkte des Medizinal-
beamten 155/615.
— zur, Nerven- und Geistesleben der
Sohnler, moralische Defekte, sexuelle
Verfehlungen 67/229.
— in Christianssand 3/43.
— in Hamburg 58/230. 203/797.
— in Frankreich 164/624.
— in Osterreich 59/231. 67/277.
— in Stettin 55/227.
— in Stuttgart 62/224.
— in Württembenr 37/117. 168/623.
209/869.
Schulantinstitution in Norwegen 1/41.
48»
912
SohalantweMii, heutiger Stand an den
tsoheohisohen Schalen in Böhmen
und Mfthren 34/111.
— staatliche Organisation in Württem-
berg 182/712.
Schulaagenarzt 184/714.
-> in Heiderich a. Rh. 180/710.
Schulaagenante, Notwendigkeit der
Anstellung 72/282.
Schul besieh tigung durch die Kreis&nte
77/287.
Sohulfresundheitspflege, eine staatliche
Pflicht 78/283.
Schulhygiene und Kinderheilkunde
220/880.
Schulhygienische Verh<niase in Bng-
land 141/539.
Schwach befähigte s. HilfSMohule.
Spesialschulänte 184/714.
Statistik, scbuläntliohe, Vorechl&ge
sur einheitlichen Durchführung
83/361. 97/439. 116/618.
Stellung, verbesserte, der Sohulinte
in ChemniU 162/622.
Titigkeit der SchnlSnte, Umfang der
18/68.
-- in Berlin 17/57. 57/229.
— in Leipiig 35/116.
^ in Liohtonberg 165/625.
— des Kreisschularstes in Offenbach
Tuberkulöse Kinder, AnseohlafB aoB
der Schule 205/799.
Untersuchung kranker und geistig
minderirertiger Volksscbüler in
Norwegen, Fragebogen für die 6/46.
— schulärztliche, der neueinzuschulen-
den Kinder in Berlin nach einheit-
lichem Verfahren 110/452.
— — in Wilmersdorf, Ergebnisse
163/623.
l¥eibliche Schulärzte 110/452.
Wirbelsäuleyerkrümmung bei Schul-
kindern, Behandlang 57/229.
Wortblindheit, angebwene 35/115.
Namenregister.
Altsohul 59/231. 67/277.
83/351. 189/783.
Axmanii 56/228.
Baiser H2/540. 144/542.
Beermann 181/711.
Behrend 93/361.
Bender 77/287. 140/538.
Bernhardt 84/352.
Bernstein 220/880.
Bieralski 36/116.
Bildt 164/624.
Bleckwenn 92/360.
Biezinger 155/615.214/874.
Breul 92/360.
Brookmann 165/625.
Bruinsma 74/284.
Buohhold 59/231. 115/513.
144/542. 167/627.
Buechel 83/851.
Burgerstein 1/41.
Cappes 92/360.
Cohn, N. 184/714.
CunU 84/852. 144/542.
Dillner 56/228.
EichsUedt 166/626.
Engelhom 37/117.
Ernst 187/717.
Eeleben 57/229.
Feige 140/538.
Feser 75/285.
Flaohs 75/285.
Flagge 140/538.
Franke 220/880.
Frölich 16/56.
Fromm 82/112.
Gastpar 55/227. 210/870.
Gebeschus 56/228.
Goppert 220/880.
Göring 59/231.
Götz 58/230. 75/285.
Granjuz 165/625
Gntenberg 59/231.
H&konson-Hansen 1/41.
Hamburger 87/355.
Hartmann 36/116. 37/117.
Heesel 181/711.
Hildebrandt 181/711.
Honebrinker 203/797.
Höpfifner 17/57.
Jaff6e 58/230. 204/798.
Jakobsohn 205/799.
Igl 59/231. 70/280.144/542.
Jörgensen 6/46.
Key 222/882.
Koppe 47/219.
Kraft 204/798. 205/799.
219/879.
Kratz 92/360.
Kränze 6/46.
Kreipe 92/360.
Kusy, V. 68/278.
Ijandgraf 16/56.
Langsdorf 69/231.
Laser 171/701.
Leimbach 92/860.
Levy-Ellinger 212/872.
Leubuscher 83/851. 84/352.
Leydhecker 59/281.
Liebermann 182/712.
Loo, V. d. 73/283.
Lüttioh 92/360.
Marr 208/797.
Martin-Hartmann 202/796.
Momewej 82/292.
Mouton 73/283. 74/284.
Hiemann, C. 181/711.
Niemann E. 181/711.
Nolte 92/360.
Oebbeoke 20/60. 77/287.
93/361. 109/451. 140 n.
528. 142/540. 143/541.
144/542. 208/802.
Oker-Blom 58/230.
Oosterbaan 73/283.
Paulsen 92/360.
Pavel 67/277.
Poetter 188/718.
Pfundtner 76/286.
qnirsfeld 70/280.
Bad, Y. 61/233.
Rak 205/799.
Reich 76/286. 221/881.
Richter (Breslau) 76/286.
141/539. 221/881.
914
Uiohter (Magdebanr; 94 a.
362.
Biohter (Bemtoheid) 182
n. 712.
Bisohawj 204/798.
Sachs 144/542. 206/800.
SamoBch 88/851. 97/439.
115/518. 189/788.
Sandmann 94/362.
Schang 86/116.
Sohattenfroh 59/281. 67 a.
277.
Schmidt 164/624.
Schneider 181/711.
Schott 57/229. 218/878.
Schrakamp 18/58.
Schreiber 94/362.
Schreve 74/284.
Schübel 16/56.
Schobert 60/232. 68/278.
84/852.
Schalt« 182/712.
Seggel 72/282.
Seiter 220/880.
Sejdel 35/115.
Sieveking 144/542.
Simon 77/287.
Spaeth 209/869.
Steiner 93/361.
StraTsner 94/362. 144/542.
219/879.
Snrmont 74/284.
HTjaden 92/860.
Tietse 77/287.
Tach 92/860.
TaiUant 164/624.
Veit 144/542.
Wacker 17/57.
Wagner 220/880.
Wahrendorff 92/860.
Waamut 92/360.
Wehmer 28/103. 24/104.
25/105.
Wehrhahn 141/539.
Weingea 181/711.
Werner 220/880.
Wichmann 204/798.
Wirts 164/624.
Wolfram 59/231.
2eman 84/114.
Ziegler 166/626.
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