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Full text of "Zeitschrift für Schulgesundheitspflege : Organ des Deutschen Vereins für Schulgesundheitsplege"

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in  the  Boston  Medical  Libmj 

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1905  Icttfdurifl  No.  1. 

Begrfindet  von  Dr.  L.  Kotelmann.  ^'' 

Redigiert  von  Profeesor  Dr.  Fr.  Erismaitn  in  Zürich.       Z'      ficc'cl 

Mit  einer  Beilage:  (  /\^/i '    7  -.  .^ 

Unter  besonderer  Mitwirkung  von  Hofrat  Dr.  P.  Schubert  in  Nürnberg 

redigiert  von  "/(       'i  -}  \    k    •     ^' 


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Professor  Dr.  Fr.  Erismahn  in  Zürich. 


Verlag  von  Leopold  Voss  in  Hamburg. 


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Mon&Üich  erscheint  ein  Heft  von  etwa  vier  Bogen  Umfang.    Jedem  Jahr- 
wird ein  Sach-  und  Namenregister  beigegeben.  —  Preis  halbjährlich  4  Mark. 
Die  Buchhandlungen  und  Postanstalten  nehmen  Bestellungen  an. 


Inhalt: 
Zeitsehrift  fttr  Schnlgesnndheitspflege, 

Originalabhaiidliingen.  Seite 

über  hygienischen  Unterricht  in  der  Schule.  Von  Dr.  Hillbnberg,  Kreis- 
aasistenzarzt  in  OJdesloe  (Holstein) 1 

Die  Schulbank  in  den  Hilfsklassen  für  Schwachbefähigte.  Von  Otto  Schmitt, 
Taubstummenlehrer  in  Frankenthal 9 

Die  Schulbank  in  den  Hilfskiaasen  für  Schwachbefähigte.  Von  F.  Weigl- 
München : 12 

Ans  VerfMounlungen  nnd  Vereinen. 

Die  Hygiene  im  Dienste  der  Taubstummenbildung.  Von  Karl  Baldrian, 
Hauptlehrer  an  der  niederösterreichischen  Landes-Taubstummenanstält 
in  Wien 19 

Kleinere  Mitteilungen. 

Anzahl  und  Lage  der  Turnräume  in  stark  besuchten  Schulen 22 

Yortanschung  von  Myopie  bei  Schulkindern 22 

Schule  und  Auge 24 

Alkoholgenuis  schulpfiiohtiger  Kinder 24 

Schwachbefähigte  Schüler 26 

Speisung  der  Pariser  Volksschulkinder 26 

Zentralverein  für  Kinderheitnngs-  und  Ferienkolonien  in  Holland 27 

Fnnorge  für  schwachsinnige  und  nervenkranke  Schulkinder  in  Holland...  27 

Diphtherie  in  den  Schulen  Londons 28 

Päagogisohes  Institut  für  nervöse,  schwachsinnige  und  kraukbafte  Kinder 

^  bei  Brüssel 28 

ioTpwliche  Übungen  der  Kinder 28 

Vortrage  über  Scbulgesundheitspflege  in  Dresden 29 

Unterweisung  von  Schulkindern  in  der  Gesundheitslehre  in  England 29 

Mftogelhafie  Ernährung  von  Schulkindern  in  England 30 


Tagesgeschiclitliehes.  seit^ 

Schulbegiun  am  Morgeu  ia  den  Züricher  Schulen 30 

Turnhalle  im  Dachgeschofs  in  Elberfeld SO 

Untersuchung  über  die  gesundheitliche  Wirkung  von  Kinderspielen 31 

Schul wärroeziramer  in  Nürnberg 31 

Alkohol  und  Volksschule 31 

Alkohol  und  höhere  Schulen 31 

Bekämpfung  des  Alkoholmifsbrauches  durch  die  Schule  in  der  Schweiz  . .  32 

Unentgeltlicher  Unterricht  für  stotternde  Volksschüler  in  Göppingen 32 

Gründung  einer  zweiten  Waldschule  in  Charlotten  bürg 32 

Beschickung  der  Ferienkolonie  in  Charlotteuburg 32 

Antrag  auf  Herabsetzung  der  Schnlerzahl  in  den  Volksschulen  in  Hessen .  32 

Amtliche  Verfttgimgen. 

Die  Förderung  der  Zahnpflege   bei  Schulkindern.     Erlafs  der  k.  k.  steier- 

märkischen  Statthalterei 33 

Literatnr. 

Besprechungen. 

Otto  Stockhausen,  „Jungs  heraus  !^    Ernstes  und  Heiteres  aus  dem  Leben 

einer  Hamburger  Ferienkolonie.     Von  Krukbr,  Stadtarzt  in  Zürich  . .     35 

LoBBDANK,    Dr.,    Stabsarzt   in    Hann.  Minden,    Die   Gesundheitspflege   des 

Schulkindes  im  Elternhause.     Von  Dr.  Kraft,  Schularzt  in  Zürich...     36 

Dr.  med.  Adolf  Fibdler  und  Dr.  med.  E.  Hölbmank,  Der  Bau  des  mensch- 
lichen Körpers.  Achte  Auflage.  Mit  SI  anatomischen  Abbildungen 
im  Text  und  6  anatomischen  Tafeln  in  Farbendruck.  Von  Kruksk, 
Stadtarzt  in  Zürich 36 

Baur,  Alfrbd,    Dr.  med.,    Die    Hygiene    des    kranken    Schulkindes.     Von 

Dr.  Kraft,  Schularzt  in  Zürich 37 

Bibliographie 38 

Der  Schularzt^ 

Originalabliandliiiigen. 

Die  Schularztinstitutiou  in  Norwegen.  Eine  Übersicht  von  M.  K. 
HäKONSOK-HANSEN,  Oberlehrer  der  Volksschule  auf  der  Bischofs- 
höhe  in  Drontheim.  Übersetzt  von  Prof.  Dr.  Leo  Büroerstbin 
in  Wien 41.       1 

Kleinere  Mitteilnngen. 

Neue  Schulärzte 55.  15 

über  die  Tätigkeit  der  Schulärzte  in  Berlin 57.  17 

Flegeleien  gegen  einen  Schularzt  in  Schöneberg 58.  18 

Nach    welcher  Seite    hin    bedarf  die  Einrichtung   der  Schularztstellen 

noch  ihrer  Erweiterung  ? 58.  18 

Beferate  über  neu  erschienene  schulärztliche  Jahresberichte. 

Der  Wiesbadener  Jahresbericht  pro  1903/04 58.     18 

Dienstordnungen  für  Schul&rste. 
Dienstordnung  für  die  städtischen  Schulärzte  in  Mülhausen  i.  Eis 60.    20 


ZtLsendungen  und  Zuschriften  werden  erbeten:  für  die  Zeitschrift  an 
Herrn  Prof  Ih\  Fr,  Er is mann  in  Zürich,  PlcUtenstr.  37,  speziell  für  den 
Schularzt  an  Herrn  Hofrat  Dr.  med.  P.  Schubert  in  Nürnberg,  Fleisch- 
brOcke  10,  direkt  odei'  durch  die  Verlagsbuchhandlung  Leopold  Voss  in 
Hamburg. 


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ZEITSCHRIFT 

FÜE 


SCHÜLGESÜNDHEITSPFLEGE 


Begründet  von  Dr.  L.  KOTELMANN. 
EEDIGIEET 

VOM 

PROFESSOR  DR,  FR,  ERISMANN  in  Zürich. 


ACHTZEHNTEE   BAND.       ^     ^  ^  ,     ^ 

1905.  ^A^oA.^S 

Mit  35  Abbildungen  im  Text. 
MIT  EINER  BEILAGE: 

DER  SCHULARZT. 

UNTER   BESONDERER  MITWIRKUNG 

VON  HoFRAT  Dr.  P.  SCHUBERT  f  in  Nürnberg 

REDIGIERT   VON 
PROFESSOR -DA.  t'R.  ERfö M  AN  Jf  TN- ZÜRICH. 


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HAMBURG  UKD  LEIPZIG, 

VEELAG  yON  LEOPOLD  VOSS. 
1905. 


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Druck  der  Druckerei -Gesellschaft  Härtung  &  Co.  m.  b.  H. 
vorm.  Richtersche  Verlagsanstalt,  Hamburg. 


Zeitschrift  für  Schnlgesnndlieitspflege. 

Inhalt 


BUt% 

Dr.  Paul  Sohubbbt  f 663 

Portrat  yon  Paul  Sohübibt 681 

Nachraf  fSr  Hofrat  Dr.  Paul  Sghubbkt  den  Nürnberger  Schalhygieniker. 

Vorgetragen  in  der  hjgienisohen  Sektion  der  sohlesisohen  Gesellscbaft 

am   18.  September  1905  im  Furstenaaale   des  Bathaases   zu  Breslan. 

Von  HbBM AHK  COHN 682 

Anisatse  und  Schriften  von  Hofrat  Dr.  Sohubbbt.    Zasammengestellt  von 

H.  CoHK,  ei]gSnzt  von  F.  Ebismann 642 

Von  der  Bedaktion.    Zorn  Andenken  Sghubbbts 645 


OriginalabhaDdlungen. 

Cber  hygienischen  Unterricht  in  der  Schale.  Von  Dr.  Hillbnbebg,  Kreis- 
assistenzarzt  in  Oldesloe  (Holstein) 1 

Die  Sohnlbank  in  den  Hilfsklassen  far  SohwachbefShigte.  Von  Otto  Schmitt, 
Taabetammenlehrer  in  Frankenthal 9 

Die  Schalbank  in  den  Hil&klassen  für  Schwachbefahigte.  Von  F.  Wbigl- 
Kanchen 12 

Schalschlafs  und  Morbidität  an  Masern,  Scharlach  and  Diphtherie.  Vortrag, 
gehalten  am  6.  Dezember  1904  in  der  Deatschen  Gesellschaft  fär 
öffentliche  Gesandheitspflege  in  Berlin.  Von  Dr.  M.  Gohn,  Schalarzt 
in  Charlottenbarg.    Mit  vier  Abbildangen  im  Text 64 

Über  besonders  ermSdende  and  anangenehme  Schalfacher  gesander  and 
kranker  Lehrerinnen.  Von  Dr.  Balf  Wichmann,  Nervenarzt  in  Harz- 
barg       73 

Eine  Bemerkang  zur  Atemgymnastik.  Von  Dr.  Albert  FLACHS-Moinesti 
CRumanien) 80 

Zur  physischen  und  geistigen  Entwicklung  des  Kindes  während  der  ersten 
Schaljahre.  Von  Dr.  Eduard  Quirsfeld,  k.  k.  Oberbezirksarzt  in 
Bumburg.    Mit  17  Abbildangen  im  Text 127 

Die  Soholbaä  in  den  Hilfsklassen  fär  Schwachbefahigte.  Von  K.  Basedow, 
Bektor  der  Hilfsschale  I  in  Hannover 185 

Die  praktischen  Schwierigkeiten  bei  der  Befriedigung  der  hygienischen 
Forderongen  an  die  Subsellien.  (Besaltate  einer  Untersuchung  in 
Schalen  mit  ,,NormalsubBellien^.)  Von  Dr.  Gb.  Bostowzsff,  Sanitäts- 
arzt der  Gouvernementslandschaffc  in  Moskau 239 

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IV 

Seit» 

Vierter  Rechenschaftsbericht  des  Vereins  „Rinderschutzstationen^.  Vereins- 
jahr 1904  (vom  1.  Januar  bis  31.  Dezember  1904).  Von  Direktor 
Emanüel  BATB-Wien 24^ 

Ein  Beitrag  zur  Wachstumsphysiologie  des  Menschen.  Nach  statistischen 
Erhebungen  an  der  STOYschen  Erziehungsanstalt  in  Jena.  Von 
Dr.  Alexander  Koch -Hesse  in  Grofs- Lichterfelde 293.  400.  457 

Zur  Schularztfrage  in  Hamburg.    Von  Dr.  med.  Moritz  Fürst  und  Lehrer 

P.  Gerken ;U9 

Die  sechste  Jahresversammlung  des  Allgemeinen  Deutschen  Vereins  für 
Schulgesundheitspflege  am  14.  und  15.  Juni  1905  in  Stuttgart.  Bericht 
von  Dr.  Rudolf  Abel,  Kegierungs-  und  Medizinalrat  in  Oppela 36S 

Erinnerung  an  gemeinsam  mit  Professor  von  Mikulicz  gemachte  schal- 
hygienische Beobachtungen.  Von  Hermann  Cohn  in  Breslau.  Vortrag, 
gehalten  in  der  hygienischen  Sektion  der  Schlesischen  Gesellschaft  am 
21.  Juni  1905  im  Fürstensaale  des  Rathauses 389 

Über   die  Nebenbeschäftigung   gesunder  und   kranker  Lehrerinnen.      Von 

Dr.  Ralf  Wichmann,  Nervenarzt  in  Harzburg 554 

Dr.  RosTOWZBFp  über  die  Gruppenbank.     Von  Armin  von  Domitrovich  in 

Berlin 567 

Berichtigung  und  Abwehr,  die  Stuttgarter  Jahresversammlung  des  deutschen 

Vereins  für  Schulgesundheitspflege  betreffend.    Von  dem  Vorsitzenden  577 

Erwiderung   auf  vorstehende  Berichtigung   und  Abwehr.     Von  Dr.  Abel, 

Oppeln 581 

Überbürdungspsychosen    bei    minderwertigen    Kindern.      Von    Dr.    phil. 

Theodor  Heller,  Direktor  der  Erziehungsanstalt  Wien-Grinzing  ....   649 

Ergebnisse  der  im  Schuljahre  1904/1905  an  den  Schülerinnen  der  1.  Klasse 
der  allgemeinen  Mädchen-Volksschule  in  Wien  VI,  Kopernicusgasse  15, 
vorgenommenen  ärztlichen  Augenuntersuchungeu.  Von  Direktor 
Emanüel  BATR-Wien 657 

Anthropometrische  Untersuchungen  an  gesunden  und  kranken  Kindern  mit 
besonderer  Berücksichtigung  des  schulpflichtigen  Alters.  Von  Dr.  Otto 
RANKB-München 719.  816 

Über  Versuche  mit  indirekter  Gasbeleuchtung  in  einigen  Hamburger  Volks- 
schulen.    Von  Physikns  Dr.  E.  Pfeiffer  in  Hamburg 74S 

Zur   Hygiene    der   Schulbank   in   den  Hilfsschulen   für  Schwaohbeföhigte. 

Von  Dr.  J.  MosES-Mannheim 753 

Die  sog.  „Eisenbahn^-Schüler.  Von  Dr.  Adolf  Juba,  Mitglied  des  Unter- 
richtsrates, Schularzt  in  Budapest 803^ 

Erste    Untersuchung   der    Sehkraft   der  Augen    bei    den    neueingeschulten 

Kindern.    Von  Schulinspektor  A.  OpPBKMANN-Braunschweig 814 


Aus  Versammlungen  und  Vereinen. 

Seite 

Die  Hygiene  im  Dienste  der  Taubstummenbildung.  Von  Kabl  Baldruln, 
Hauptlehrer  an  der  niederösterreichischen  Landes-Taubstummenanstalt 
in  Wien 19 

V.  Kongrefs  der  Hilfsschulen  Deutschlands  in  Bremen  am  25.,  26.  und 
27,  April  1905 , 81 

Arbeit  und  Erholung  der  Schuljugend.  Vortrag  von  Prof.  Dr.  A.  Jaqüet 
in  der  Versammlung  der  freiwilligen  Schulsynode  von  Basel  (Stadt) 
am  22.  November  1904 83 

Über  die  Bedeutung  der  Schulhygiene.  Aus  einem  Vortrage  von  Prof. 
Dr.  Baoinskt  im  Allgemeinen  deutschen  Verein  für  Schulgesundheits- 
pflege in  Berlin  (26.  Oktober  1904) 83 

Leicht  abnorme  Kinder.  Aus  Vorträgen  von  Prof.  Wetoandt- Würz  bürg 
und  THOMA-Illenau  auf  der  85.  Versammlung  südwestdeutsoher  Irren- 
ärzte zu  Preiburg  (29.  und  30.  Oktober  1904) 187 


V 

Seit« 

Die  Aufgaben  der  Schulärzte  für  die  offentliohe  Hygiene.  Vortrag  von 
RoBDEB-Berlin  auf  der  76.  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und 
Ärzte  zu  Breslau  (18.  bis  24.  September  1901) 189 

Das  Prafungswesen  an  den  Mittelschulen.  Die  Hausaufgaben.  Aus  Ver- 
handlungen der  Vereine  „Mittelschule^'  und  „Realschule''  in  Wien, 
März  1 905 189 

Sonderschulen  far  heryorragend  Befähigte.  Vortrag  von  Oberlehrer  Pbtzoldt- 
Spandau  im  Berliner  Gymnasiallehrer- Verein 190 

Die  Karasichtigkeit  der  Kinder.  Vortrag  von  Oberlehrer  Dr.  Le  Manq  in 
der  Vereinigung  von  Lehrern  an  den  städtischen  höheren  Schulen 
Dresdens 191 

Die  Klassifizierung  an  den  Mittelschulen.    Aus  Verhandlongen  der  Vereine 

..     »Mittelschule**  und  „Realschule*'  in  Wien 193 

über  Krampfkrankheiten  im  schulpflichtigen  Alter.  Vortrag,  gehalten  in 
der  gemeinsamen  Sitzung  der  Deutschen  Gesellschaft  für  öffentliche 
Gesundheitspflege  in  Berlin  und  des  Berliner  Vereins  für  Schul- 
gesundbeitspflege  am  6.  Dezember  1904.     Von  Prof.  Dr.  Ziehbn 252 

Die  Hygiene  des  Schulkindes.  Aus  'einem  Vortrage  des  Geh.  Med. -Rat 
Dr.  HiBSGH  im  Magdeburger  Verein  für  öffentliche  Gesundheitspflege.  255 

Die  Behandlung  der  sexuellen  Frage  im  naturwissenschaftlichen  Unterricht. 
Aus  einem  Vortrage  von  Prof.  Dr.  v.  Sigmund  im  Verein  „Mittel- 
schule", Wien 256 

V.  Schweizerische  Konferenz  für  das  Idiotenwesen  am  5.  und  6.  Juni  1905 
in  St.  Gallen 326 

Der  Schwimmunterricht  in  den  Schulen.  Aus  einem  Vortrage  von  Schnl- 
inspektor  Fbickb,  gehalten  am  19.  Verbandstag  des  Deutschen  Schwimm- 
verbandes in  Hamburg  (Ostern  1905) 328 

Die  Schularztfrage  auf  Grund  bisheriger  Erfahrungen.  Vortrag  an  der 
6.  Jahresversammlung  der  schweizerischen  Gesellschaft  für  Schul- 
gesundheitspflege, 14.  und  15.  Mai  in  Luzem.  Von  Dr.  med.  Fbibdrich 
Stockrb,  Augenarzt,  Luzern.    (Autoreferat) 416 

Die  Pflege  der  körperliehen  Übungen  im  nachschulpflichtigen  Alter.  Vortrag 
an  der  6.  Jahresversammlung  der  Schweizerischen  Gesellschaft  für 
Scbulgesundheitspflege,  14.  und  15.  Mai  in  Luzern.  Von  Joh.  Spühlbr, 
Seminarlehrer  in  Zürich 493 

Über  die  Verbreitung  der  Tuberkulose  in  der  Schule.  Vortrag  von  Dr.  Wbill- 
Maktok  auf  dem  diesjährigen  Kongresse  für  Schulhygiene  in  Paris. ..  500 

Der  5.  Verbandstag  der  Hilfsschulen  Deutschlands  in  Bremen.  25.  bis 
27.  April  1905.)    Von  A.  Henze,  Rektor  in  Hannover 587 

Wesen  und  Bedeutung  der  Knabenhandarbeitsschule  im  Rahmen  des  Volks- 
schnl Wesens  gröfserer  Städte.  Aus  einem  Vortrage  von  Stadtschulrat 
Dr.  SiBKiNOBR-Mannheim  an  der  diesjährigen  Jahresversammlung  des 
deutschen  Vereins  für  Knabenhandarbeit  in  Görlitz 592 

Die  Bedeutung  öffentlicher  Spiel-  und  Sportplätze  für  die  Volksgesundheit. 
Von  der  30.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für  öffentliche  Ge- 
sundheitspflege (Mannheim,  12.  bis  16.  Septbr.  1905) 659 

Die  Bedeutung  öffentlicher  Spiel-  und  Sportplätze  für  die  Volksgesundheit. 
Vortrag,  gehalten  an  der  30.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins  für 
öffentliche  Gesundheitspflege  in  Mannheim,  September  1905,  von  Dr. 
F.  A.  Schmidt  in  Bonn  (Autoreferat) 762 

Die  Aufgaben  der  Schule  im  Kampfe  gegen  den  Alkoholismus.  Aus  einem 
Vortrage  des  Lehrers  R.  ZwaiFEL-Glarus  an  der  Frühlingskonferenz 
der  glarnerischen  Lehrerschaft  am  24.  Mai  1905 766 

Erziehung  und  Schule  im  Kampfe  gegen  den  Alkoholisrous.  Bericht  über 
den  X.  Internationalen  Kongrefs  in  Budapest.  September  1905.  Auto- 
referat über  einen  Vortrag,  gehalten  im  Grofsratssaale  in  Bern.  Von 
Wilhelm  Weiss,  Sek.-Lehrer,  Zürich 838 

Vom  Deutschen  Kongrefs  für  Volks-  und  Jugendspiele  in  Frankfurt  a.  M. 
15.  bis  17.  September  1905 844 


VI 


Kleinere  Mitteilungen. 

Seite 

Ansahl  and  Lage  der  Tumraame  in  starkbesachten  Schulen 22 

Vortöaachang  von  Myopie  bei  Schaikindem 22 

Schale  und  Aage 24 

AlkoholgenaJj  sohalpflichtiger  Kinder.     Erhebangen  in  und  am  Ulm 24 

Schwachbefähigte  Schüler  in  niederen  und  höheren  Berliner  Schalen  ....      26 

Speisang  der  Pariser  Volksschuikinder 26 

Zentralverein  für  Kinderheilungs-  und  Ferienkolonien  in  Holland 27 

Fürsorge  für  schwachsinnige  und  nervenkranke  Schulkinder  in  Holland...      27 

Diphtherie  in  den  Schulen  Londons 2S 

Pädagogisches  Institut  für  nervöse,  schwachsinnige  und  krankhafte  Kinder 

bei  Brüssel 28 

Körperliche  Übungen  der  Kinder  in  Frankreich 28 

Vorträge  über  Scbulgesundheitspflege  in  Dresden 29 

Unterweisung  von  Schulkindern  in  der  Gesundheitslehre  in  £ngland 29 

Mangelhafte  Ernährung  von  Schulkindern  in  England 30 

Kinderselbstmorde 85 

Kommunale  Kinderfürsorge  in  England ., 86 

Die  Bedeutung  der  Exspirationsluft   als   Faktor   für   die  Übertragung  von 

Krankheitsstoffen  in  geschlossenen  Räumen 86 

Albuminurie  bei  Schulkindern  in  London 87 

Mundpflege  bei  Kindern  in  England 87 

Nervosität  bei  Schülern  höherer  Lehranstalten 87 

Die  Alkoholfrage  im  Kindesalter 88 

Gesundbeitsschädigungen  in  Mittelschulen  in  München 88 

Stottererkurse  für  Schulkinder  in  Stuttgart 89 

Beziehungen  des  Sehorgans  zum  jugendlichen  Schwachsinn 89 

Der  Kinderspielplatz  am  Köhlbrand  in  Hamburg 90 

Die  Lungen  drüsen-Tuberkulose  in  den  Pariser  Schulen 91 

Ergebnisse  der  ärztlichen  Untersuchung  von  Schulrekruten  in  der  Schweiz     91 

Belehrung  der  Schüler  über  ansteckende  Krankheiten  in  Prossnitz 193 

Die  Frage  der  Hausaufgaben  vor  der  Bemischen  Schalsynode 194 

Schulbänke  zu  Vlissingen 195 

Die  soziale  Bedeutung  der  Sprachstörungen 196 

Beseitigung   der  Überbürdung   der  Schüler   der  Mittelschulen  durch  Ver- 
kürzung der  Unterrichtsstunden 196 

Gemeinschiutlicbe  Erziehung  der  Geschlechter 196 

Milchkuren  für  dürftige  Schulkinder  in  rheinischen  Städten 197 

Die  Nervosität  unter  den  Kindern 197 

Eine  unvernünftige  Quälerei  der  Schulkinder  durch  unzweckmäfsige  Eisen- 
bahnverbindung bei  Frankfurt  a.  0 198 

Über  die  körperliche  Erziehung  der  Mädchen 198 

Über  den  GenuXs  alkoholischer  Getränke  im  schulpflichtigen  Alter 199 

Abstinente  Schülerverbindungen  in  Württemberg 199 

Verlegung  der  Fortbildungskurse  auf  frühere  Tagesstunden 199 

Flaches  Hausdach  in  Schulen 200 

Die  Untersuchung  der  Zähne  der  Schulkinder  in  Erfurt 200 

Die  Kinderarbeit  in  der  Hausindustrie  des  Kantons  Appenzell 200 

Vermittlung  von  unentgeltlichem  Landaufenthalt  in  Hamburg 201 

Eine  bessere  Einteilung  der  Ferien 257 

Kurzsichtigkeit  der  Schüler  höherer  Lehranstalten 258 

Kein  Korsett  mehr  für  Schulmädchen 258 

Schulhygiene  in  Charlottenburg 259 

Gehirnarbeit  und  Lebensalter 259 

Tum-  und  Spielplätze  in  Berlin  und  München 259 

Obligatorischer  Schwimmunterricht  in  der  Volksschule 260 

Orthopädie  und  Schule 261 

Leitsätze  für  die  Untersuchung  des  Ohres  in  der  Schule 262 


VII 

Seit« 

Gemeinsamer  Unterricht  beider  Gescbleohter  in  Berlin 262 

Co-Ednkation  in  Lanffenschwalbach 263 

Zihnaffektionen  und  LnDffenspitEentaberknIoae 263 

ünteremabnuig  yieler  Sobalkinder  in  Enp^land 329 

BeachiftigQng  von  Sobulkindem  in  Mflncben  im  Haaabalt  nnd  in  der  Land- 
wirtschaft   330 

SoUeDdimstYergiftang  von  Schulmädchen  in  Berlin 330 

Hygienifche  üntersncäaDg  der  höheren  Lehranstalten  durch  die  Ereisarzte  381 

Gemeinsame  Ersiehung  beider  Geschlechter 832 

lilchkontroUe  in  den  Schulen  Hamburg-Altonas 332 

Kinderschutzheim  vor  Ausnutzung  und  Ififsbandlung  in  Berlin 332 

Hy^enische  Anforderungen  an  den  Druck  der  Jugendschriften 333 

Yeniachlasaigung  der  Jugendspiele  durch  ältere  Mädchen  in  Zürich 333 

Schnlhaus-Bransebäder  in  Nürnberg 834 

Hygiene  der  Schnlbäuser  in  den  Vereinigten  Staaten 834 

Sdiole  und  Infektionskrankheiten 425 

Überffillung  preoTsischer  Volksschulen 426 

Bestrafung  eines  Lehrers  wegen  Eörpenrerletzung  in  Oldenburg 426 

Wsscbgelegenheiten  in  der  Schule  in  Frankfurt  a.  Main 426 

Zq  früher  Schulbeginn  in  Artelshofen 426 

Zahnferhältnisae  der  Schulkinder  im  Kreise  Worms 427 

ZiboTerderbnis  nnd  körperliche  Entwicklung 427 

Warnung  vor  Ankauf  gebrauchter  Schulbücher 427 

Speisung  armer  Schulkinder  in  Stettin 428 

Aborteinrichtnng  in  Berliner  Schulen 428 

Befreiung  vom  Turnunterricht  in  Berliner  (Gymnasien 601 

SehnlerlMurlanbung  Tor  und  nach  den  Sommerferien 501 

Förderung  der  Tum-  und  Jugendspiele  in  Düsseldorf 502 

Dennfizierende  Wandanstriche  in  Schulräumen 502 

Betnignng  der  Schullokale  von  Schulkindern  im  Beichsland 503 

Lsg«  der  Schnlaborte 503 

Uberburdung  in  den  Realgymnasien  und  Realschulen 598 

Htossrbeiten  an  der  Realschule 594 

Drock  der  Schulbücher 596 

Di«  Tumkleid  der  Frauen 596 

Unfälle  in  den  Schulen  und  ärztliche  Hilfe 596 

Abänderung    der    Bisenbahnverkehrsbestimmungen    betreffend    Fahrpreis- 

ennäfsigungen  bei  Schülerfahrten 597 

Besonderer  Turnunterricht  für  schwächliche  Schulkinder  in  Leipzig 597 

Die  früheren  Beinlichkeits-  und  Hygienezustände  in  den  Schulen 598 

Dm  Korsett  in  der  Schule 599 

Die  zwanzigklassige  Barackenschule  in  Berlin 599 

Sien,  Sport  und  Turnen.    Vorträge  im  Verein  der  Turnlehrer  Hollands  600 
ireitung  der  Tuberkulose  unter  den  Lehrern 601 

Bericht  üb^  die  Eindererholungsstätten  Tom  Roten  Kreuz  bei  Berlin ....  601 

Die  deutschen  Landerziehungsheime '. .  663 

Ein  Alkoholmerkblatt  in  Mannheim , 665 

Verlängerung  der  Sommerferien  durch  Vor-  oder  Nachurlaub 666 

Ferienwanderung  für  die  Schuljugend  in  Charlottenburg 667 

Anastellnng  von  Lehrmitteln  für  Menschenkunde  und  Gesundheitspflege  in 

Leipzig,  Juli  1905 667 

Kindverholungsstätte  in  Charlottenburg   668 

Utagiger  Ferienspielkurs  in  UntertOrkheim 668 

Ohrenkranke  Schulkinder,  ärztliche  Mafsregeln  dagegen 668 

Bewegungsspiele  für  Schüler  und  Schülerinnen  in  Berlin 669 

Ferienspieltage  in  Schöneberg 669 

Züchtigungsrecht  der  Lehrer  höherer  Unterrichtsanstalten 669 

Ferien-Hygiene 669 

Die  Charlottenburger  Waldschule 670 

Itorbiditätsstatistik  in  den  Schulen  unter  Mitwirkung  der  Lehrer 672 


VIII 

Seit« 

Schulbraasebad  in  Amsterdam 672 

Alkoholerebrauch  bei  Kindern 672 

Ungezieferplage  in  den  Frankfurter  Sobulen 767 

Volksechulorganisation  nach  der  Leistungsfähigkeit  der  Schüler 768 

Wasch gelegenheiten  in  den  Schalen,  Notwendigkeit 768 

Neuzeitliche  Anforderungen  an  Tarnplätze 769 

Stadtisches  Schulturnwesen  in  Berlin 769 

Pflege  der  körperlichen  Entwicklung  der  Jugend 770 

Über  zweckmäßige  Kinderarbeit 770 

Gemeinsame  Erziehung  der  Geschlechter,  Vorzüge  derselben 771 

Speisung,  Kleidung  und  ärztliche  Behandlung  der  Schulkinder  in  Brüssel  771 

Turnen  und  Jugendspiel,  zweckmäfsiger  Betrieb 772 

Simulation  epileptischer  Anfälle 773 

Übertragung  von  Infektionskrankheiten  durch  Trinkbecher  in  den  Schulen  773 

Kontrolle  der  Platzbeleuohtung  in  Arbeitsräumen 774 

Geistige  Minderwertigkeit  im  schulpflichtigen  Alter 847 

Nervenkrankheiten  der  Schulkinder 847 

Kinderschutz  in  Meiningen 848 

Kinderarbeit  in  gewerblichen  Betrieben 848 

Physiologische  und  pathologische  Beobachtungen  in  der  Dorfschule 849 

Übergangsprüfung   aus   der  Elementarschule  in  die  Realschule  und  Ober- 
realschule in  s'Gravenhage 849 

Hygienischer  Fortschritt  in  der  Schulbankfrage 850 

Verein  zur  Vereinfachung  und  Verbesserung  von  Examen   und  Unterricht 

in  Holland 851 

Fürsorgestelien  für  die  Schuljugend 851 

Die  ärztliche  Aufsicht  über  die  Primärschulen  in  Frankreich 852 

Das  schweizerische  Schulsanatorium  „Fridericianum^'  in  Davos 852 

Unterweisung  der  Schüler  in  erster  Hilfeleistung 853 

Ferienversorgung  der  Stadt  Bern 853 

Verein  für  schwersprechende  und  schwachsinnige  Kinder  zu  Amsterdam . .  854 


Tagesgesohicht  liebes. 

Seite 

Schulbeginn  am  Morgen  in  den  Züricher  Schulen 30 

Turnhalle  im  Dachgeschofs  in  Elberfeld 30 

Untersuchung  über  die  gesundheitliche  Wirkung  von  Kinderspielen 31 

Schulwärmezimmer  in  Nürnberg 31 

Alkohol  und  Volksschule 31 

Alkohol  und  höhere  Schulen 31 

Bekämpfung  des  Alkoholmifsbrauches  durch  die  Schule  in  der  Schweiz  . .  32 

Unentgeltlicher  Unterricht  für  stotternde  Volksschüler  in  Göppingen 32 

Gründung  einer  zweiten  Waldschule  in  Charlottenburg 32 

Beschickung  der  Ferienkolonie  in  Charlottenburg 32 

Antrag  auf  Herabsetzung  der  Schülerzahl  in  den  Volksschulen  in  Hessen .  32 

Ein  Fürsorgeverein  für  zur  Schule  gehende  Kinder  in  Amsterdam 92 

Fürsorge  für  die  Zähne  der  Schulkinder  in  Darmstadt 93 

über  die  Trennung  der  Schüler  nach  Leistungen 93 

Ein  groüier  Schulspielplatz  im  Grunewald 94 

Verwendung    staubfreier    Fufsbodenöle    in    den    städtischen    Schulen   von 

Cottbus 94 

Ein  Soolbad  für  arme  Kinder  in  Rheinfelden 94 

Obligatorischer  Schwimmunterricht  an  der  Volksschule 94 

Über  das  Ergebnis  der  ärztlichen  Untersuchung  der  Volksschuikinder  in 

Stuttgart 94 

Städtische  Heilkurse  für  Stotterer  in  Hannover 95 

Über  Schule  und  Schwimmunterricht 95 

Die  Internationale  Pädagogische  Ausstellung  in  Barcelona 201 


IX 

8«it6 

Der  5.  Kongrrefs  der  Hilfsschulen  Deutschlands  in  Bremen  (April  1905) . . .  208 

Die  Ferienkurse  in  Jena 203 

Deutsche  Otologische  Qesellschaft 204 

Der   X.   Internationale    Eongrefs    gegen    den    Alkoholismus  in   Budapest 

(September  1905)  204 

Stadtische  Spielplätze  in  Berlin 204 

Lieferung  gefälschter  Milch  zur  Speisung  bedürftiger  Schulkinder  im  Kanton 

Bern 204 

Alkoholismus  unter  Schülern  in  Ostpreufsen 205 

Schulpausen  in  Holland 206 

Reise-Schulsparkassen  in  Budapest 205 

Ein  weiblicher  Generalschulinspektor  in  Engli^nd 205 

Gleichmälsige  Ausbildung  beider  Hände  in  einer  Londoner  Schule 206 

Zwei  Minuten-Turnen  in  den  Schulen 206 

Bnrgerrechtsverleihung  an  Volksschuldirektor  Emanuel  Batb 206 

Verfuiirang    gegen  die  Reinigung  der  Elaseenzimmer  durch  Schulkinder  in 

Schleswig 206 

Bin  Verein  für  Schul-  und  Gesundheitspflege 207 

Die  Beziehungen  des  Schulbesuchs  der  Einjährigfreiwilligen  zu  ihrer  Militar- 

tauglichkeit 207 

Vermehrung  der  Eisbahnen  in  Berlin 207 

Fürsorge  für  das  Schwimmen  der  Schulkinder  in  Berlin 207 

Die  erste  soziale  Frauenschule  in  Zehlendorf 207 

Über  Fufsbekleidung  der  Schüler  in  der  Schule 208 

VI.  Jahresversammlung  der  schweizerischen  Gesellschaft  für  Schulgesund- 
heitspflege    265 

VI.  Jahresversammlung    des    Allgemeinen   deutschen    Vereins   für    Schul- 
gesundheitspflege   265 

Spielkurse  zur  Ausbildung  von  Lehrkräften 265 

Hafsnahmen  gegen  die  epidemische  Genickstarre  in  österr.  Schlesien 265 

ÜDterrichtsplan  am  Gymnasium  zu  Schiedam 267 

Obligatorischer  freier  Spielnacbmittag • 267 

Kinderausflüge  in  Berlin 268 

Unentgeltliches  Brausebad  in  Grunewald 269 

Sine  Suppenanstalt  für  Kinder  in  Fraukfurt  a.  M * . . . .  269 

Stiftung  zur  Unterstützung  armer  Kinder  in  Braunschweig 269 

Lehrmittel  für  Menschenkunde  und  Gesundheitslehre,  Ausstellung  in  Leipzig  269 

Angekündigte  Spielkurse  für  Lehrer  und  Lehrerinnen 336 

Jngendspiele  zu  Mülhausen 336 

Französischer  Kongrefs  für  Schulhygiene  in  Paris,  Pflngsten  1905 336 

Darchlöcherung  des  Kinderschutzgesetzes  in  Sachsen 337 

Alkoholmerkblatt  für  Schulen 337 

Dr.  KüBORN-Lüttich,  50 jähriges  Doktorjubiläum 337 

Gemeinsamer  Unterricht  von  Knaben  und  Mädchen  in  den  höheren  Schulen 

Frankfurts  a.  M 337 

Waldschule  in  Charlottenburg 337 

Schulzimmer  über  einem  Stall  in  Weilbach 338 

Unentgeltlicher  Schwimmunterricht  in  Gera 338 

Verein  abstinenter  Lehrer  in  Bern 338 

Jugendliche  Verbrecher  in  der  Züricher  Rechtspflege 429 

Belehrung  der  Schüler  höherer  Lehranstalten  über  die  Geschlechtskrank- 
heiten in  Frankfurt  a.  M.  und  Dortmund 429 

Ferienwanderungen  der  Volksschüler  in  Berlin 429 

Schulzahnarzt  in  Wiesbaden 430 

Die  Höfe  der  Schulen  in  Budapest  als  Spielplätze 430 

Ferienkolonien  in  Stettin : 430 

Sanitäre  Fragebogen  der  Bürgerschulen  in  Hannover 430 

Fu&ballspiel  and  Budersport  in  den  Heidelberger  Schulen 430 

Kongrefs  des  Royal  Institute  of  Public  Health  in  London  19. — 25.  Juli . . .  431 
Aosstellung  für  Schulgesondheitspflege  in  Hannover 431 


X 

Seite 

Obligfttorisolier  Spielnachmittag  an  den  höheren  Schalen  Württembergs  . .  504 

Gemeinsamer  Unterricht  beider  Geschlechter  in  Überlingen &05 

Eindererholungsstätte  in  Charlottenburg 505 

Förderung  des  Badens  und  Sohwimmens  durch  die  Schule 605 

Schulpausen  in  Holland 602 

Desinfektion  der  Kleider  bei  Scharlach  oder  Diphtherie 603 

Gewicht  der  Schulmappen 608 

Jngendspiele  in  Mülhausen  i.  £ 604 

Internationale  Ausstellung  für  öffentliche  allgemeine  Gesundheitseinrichtungen 
und  Hygiene  und  sanitäre  Hilfe  bei  Transporten  in  Mailand  (April  bis 

November  1906) 604 

Einführung  eines  obligatorischen  freien  Spielnachmittags 604 

Ferienkolonien  in  Berlin 604 

Waldschulen  in  Charlottenburg  und  Dresden 604 

Bewegungsspiele  der  Kinder  in  Berlin 605 

Zwei  Berliner  Waldschulen  in  Sicht 606 

Schulversäumnisse  am  Montag 606 

Die  grofsen  Sommerferien 607 

Pflege  für  das  schwachsinnige  Kind,  Verein  in  s'Gravenhage 607 

Der  VI.  deutsche  Köugrefs  für  Volks-  und  Jugendspiele  in  Frankfurt  a.  M.  673 

Hygiene  und  Prophylaxe  der  Tuberkulose  im  Kindesalter 674 

Reinigung  der  Schulräume  in  Braunschweig 674 

Waldschulen  in  Berlin 675 

Schulbeginn  für  die  ersten  Klassen  der  Volksschule  in  If annheim 675 

Vermehrung  der  Turnstunden  und  Einführung  von  Spielnachmittagen  in 

Nassau 676 

Ferienkolonien  in  Berlin 675 

Statistik  über  die  Verhältnisse  der  Schüler  in  Nizza 676 

Nebenklassen  für  schwachbefahigte  Kinder  in  Berlin 676 

Nachhilfeunterricht  für  Teilnehmer  an  Vorkolonien  in  Charlottenburg. . . .  677 

Neue  Beformschule  in  Berlin 677 

Spielnachmittage  in  Bummelsburg 677 

Sommerprüfungen  an  den  höheren  Schulen 677 

Milchkur  für  die  dürftigen  Volksschüler  in  Solingen 677 

Untersuchungen  und  Pflege  der  Zähne  der  Schulkinder  in  Meiningen  ....  678 

Ferienkolonie  in  Meerane 678 

SchulKahnkliniken  in  Mülhausen 678 

Milchkolonie  für  dürftige  Kinder  in  Aue 678 

Erhebungen  über  den  Alkoholgenuis  der  Schulkinder  in  Königsberg  i.  Pr.  678 

Einführung  von  Spielstunden  an  den  Volksschulen  in  Barmen 678 

Anleitung  der  Jugend  zum  Schneeschuhlauf  durch  den  Thüringer  Winter- 
sportverband    776 

Eine  Spielplatzstadt  in  Newyork 776 

Besuch  einer  Milchstation  in  Saarbrücken 777 

Verbot  der  körperlichen  Züchtigung  in  den  österreichischen  Volksschulen  777 

Speisung  von  Schulkindern  in  Schöneberg 777 

Schülerherbergen  in  Silberberg 777 

Vorschriften    zur  Verhütuog   der  Weiterverbreitung   ansteckender  Krank- 
heiten unter  den  Volksschülern  Münchens 777 

Orthopädischer  Turnunterricht  in  Schöneberg 778 

Schulhygiene  für  Lehramtskandidaten  in  Österreich 778 

SchülerwanderuDgen  in  Berlin 778 

Winterkolonie  in  Hamburjg 778 

Ärztlicher  Beigeordneter  in  Köln 779 

Unterernährung  der  Schulkinder  in  England 779 

Preisausschreiben  betreffend  Kinderschutz : 855 

Der  zweite  internationale  Kongreis  für  Schulhygiene 856 

Vereinigung  für  Kinderforschung  iu  Mannheim 856 

Schulhygienische  Bibliothek  in  Berlin 857 

Klagen  einer  Mutter  über  die  Schulbücher 857 


XI 

8«ito 

Irrielitang  von  Waldsohulen  in  Berlin 857 

fSrderang  der  Jngendspiele 857 

5eiie8  Kinderheim  in  2iehlendorf 857 

Hollindischer  „Verein  von  Lehrern  und  Ärzten,  welche  für  Einrichtungen 

for  schwachsinnige  und  nervenschwache  Kinder  arbeiten^ 857 

Wslderfaolungsetatten  und  Waldschulen 858 

Litemationale  pädagogische  Ausstellung  in  Barcelona 858 

Ysrboi  des  Tragens  von  Korsetts 858 

Die  Zahne  der  Schulkinder  in  Winterthur 858 

Drei  neue  Jugendhorte  in  Zürich 858 

Ober  die  Bnckständigkeit  im  schweizerischen  Blind enwesen  und  die  not- 
wendigen MaTsregeln  zu  ihrer  Beseitigung 859 

Dozentur  für  Schulhygiene  für  Lehrer  in  Kopenhagen 859 

Winterkolonie  des  Hamburger  Wohltatigen  Schul  vereine  in  Tannenhof . . .  859 
IrlaliB  betr.  die  Unterweisung  der  bayerischen  Lehramtskandidaten  in  der 
Schulhygiene 860 


Amtliche  Verfügnngen. 

Seite 
Die  Forderung  der  Zahnpflege  bei  Schulkindern.    Erlafs  der  k.  k.  steier- 

„     markischen  Statthalterei 88 

Über  Hausaufgaben  in  Volks-  und  Mittelschulen  im  Kanton  Bern 96 

Die  Zahnpflege  der  Schulkinder  in  Langenthai 97 

Betreffend  den  Bericht  Über  den  internationalen  Kongrefs  für  Schulhygiene 

in  Nürnberg 208 

Beinigung  der  Schulfenster  in  den  öffentlichen  Volks-  und  Bürgerschulen 

Wiens 209 

Bekanntmachung  betreffend  Kinderkrankheiten.     Stadtschulpflege  Luzem. 

Dezember  1904 210 

Sicherheitsvorkehrungen  bei  Schulvorstellunffen  in  Wien 270 

Besichtigung  höherer  Lehranstalten  durch  Kreisärzte  in  Preufsen 272 

P^.  Dr.  Leo  Busgebstbins  schulhygienische  Schriften 273 

Dr.  A.  Ritter  v.  Wbibmayb,  Die  Lungenschwindsucht 273 

Errichtung,  Erhaltung  und  Besuch  öffentlicher  Volksschulen  in  Österreich  339 
Stsnd  der  Schnleinrichtungen  für  nicht  normal  begabte  Kinder  1903/04 . .  340 
Pflege  des  Madchentumens  in  den  Städten  und  stiuitähnlichen  Ortschaften 

Preulsens 431 

Verhütung  übertriebenen  Aufwandes  bei  Schülerfestlichkeiten 435 

Die  Abhaltung  von  Fortbildungsturnkursen  bezw.  Wanderkursen  für  Volks- 

Bchullehrer  und  -Lehrerinnen  in  der  Leitung  von  Volks-  und  Jugend- 

»pielen.    Erlafs  vom  10.  Mai  1903 607 

Die  Untersuchung   der  in   das  schulpflichtige  Alter  eingetretenen  Kinder 

auf  das  Vorhandensein  körperlicher  und  geistiger  Gebrechen 608 

Die  Verwendung  transportabler  Pavillons  für  Schulzwecke 610 

Die  Gröfse  der  Fenster  in  den  Klassenr&umen  bei  Schulneubauten.    Erlaüs 

vom  17.  Mai  1906 679 

Hintanhaltung  der  Verbreitung  ansteckender  Krankheiten  durch  die  Schulen. 

Verordnung  des  k.  k.  Statthalters  in  Steiermark  vom  11.  April  1905. 

L..Ö.-BL  Nr.  62 679 

Vonchnften  zur  Hintanhaltung  einer  Verbreitung  ansteckender  Krankheiten 

durch  die  Schulen.   Erlais  der  k.  k.  steiermärkischen  Statthalterei  vom 

11.  April  1906,  Z.  9398,  an  die  unterstehenden  politischen  Behörden .  692 
Ablegnng  der  Prüfung  als  Schwimmlehrerin.  Erlafs  vom  2.  Juni  1906. . .  860 
Unterweisung  der  Lehramtskandidaten  für  Mittelschulen  in  Schulhygiene. 

Srlafs  des  k.  k.  österreichischen  Ministeriums  für  Kultus  und  Unterricht 

vom  5.  Oktober  1906 861 


XII 


Literatur. 

Besprechungen. 

Otto  Stockhausen,  „Jungs  heraus  !^    Ernstes  und  Heiteres  aus  dem  Leben 

einer  Hamburger  Ferienkolonie.     Von  Ksukeb,  Stadtarzt  in  Zürich  .  .      35 

LoBBDANK,    Dr.,    Stabsarzt   in    Hann.  Minden,    Die    Gesundheitspflege   des 

Schulkindes  im  Ellernhause.     Von  Dr.  Kraft,  Schularzt  in  Zürich ...      86 

Dr.  med.  Adolf  Fiedler  und  Dr.  med.  £.  Hölemann,  Der  Bau  des  mensch- 
lichen Körpers.  Achte  Auflage.  Mit  81  anatomischen  Abbildungen 
im  Text  und  5  anatomischen  Tafeln  in  Farbendruck.  Von  ELbuker, 
Stadtarzt  in  Zürich 36 

Baur,  Alfred,    Dr.  med..    Die    Hygiene    des   kranken    Schulkindes.     Von 

Dr.  Kraft,  Schularzt  in  Zürich 37 

Hartmann  und  Weyoandt,  Die  höhere  Schule  und  die  Alkoholfrage.    Von 

W.  WEi88-Zürich 99 

Zander,  ß.,  Prof  Dr.,  Vom  Nervensystem,  seinem  Bau  und  seiner  Bedeutung 
für  Leib  und  Seele  im  gesunden  und  kranken  Zustand.  Von  R.  Wich- 
MANN-Harzburg 100 

Heller.    Theodor,    Dr.,     Grundrifs    der    Heilpädagogik.     Von    Dr.    med. 

A.  ÜLRiCE-Zürich 100 

Grotjaun,  A.,  Soziale  Hygiene  und  Entartungsproblem.  Von  Prof.  Blbuler- 

Burghölzli  (Zürich) 101 

Berninger,  Johannes,  Pädagogik  und  Hygiene.  Schul-  und  Volksgesund- 
heitspflege in  der  praktischen  Berufstätigkeit  des  Lehrers.  Von 
ALTSCHüL-Prag 211 

Wehmer,  K  ,  Enzyklopädisches  Handbuch  der  Schulhygiene.    IL  Abteilung. 

Von  Dr.  F.  ERisMANN^Zürich 212 

Ziehen,  Th.,  Prof  Dr.,  Über  den  Einflufs  des  Alkohols  auf  das  Nerven- 
system.    Von  Dr.  K.  WKHRLiN-Zürich 214 

Grotjahn,  A.,  Der  Alkoholismus.     Von  Dr.  K.  WBHRLiN-Zürich 215 

OoTTA,   Dr.,    Leitfaden   für   den   Unterricht   in  der   Turngeschichte.    Von 

Prof.  WiCKENHAGBN-Berlin 215 

Dr.  Leo  Bürgerstein,  Gesundheitsregeln  für  Schüler  und  Schülerinnen 
aller  Lehranstalten.  Von  Geh.  Med.-Rat  Prof  Dr.  Hermann  Cohn- 
Breslau 274 

BösBAüER,  MiKLAs,  ScHöNER,  Haudbuch  der  Schwaohsinnigenfüraorge.    Von 

Franz  FRENZEL-Stolp  i.  Pom 275 

Albert  Liefe,    Über   die  schwachsinnigen   Schaler  und  ihre  Behandlung. 

Von  Franz  FaENZEL-Stolp  i.  Pom 275 

Arno  Fuchs,  Dispositionsschwankungen  bei  normalen  und  schwachsinnigen 

Kindern.     Von  Franz  FRENZEL-Stolp  i.  Pom 276 

Jahrbuch  der  Schweizerischen  Gesellschaft  für  Schulgesundheitspflege  1904, 

II.  Teil.    Von  ALTSCHUL-Prag 343 

Dr.    Ralf    Wichmann,    Geistige    Leistungsfähigkeit    und    Nervosität    bei 

Lehrern  und  Lehrerinnen.     Von  Prof.  BLEULER-Burghölzli 346 

Dr.  Emile  Javajl,  Der  Blinde  und  seine  Welt.    Von  Dr.  STEioBR-Zürich . .  346 

Pktzold,  J.,  Sonderschulen  für  hervorragend  Befähigte.     Von  Dr.  Moses- 

Mannheim 436 

Alex.  Hintbbberger,  Dr.  med.,    Ist  unser  Gymnasium   eine  zweckmäfsige 

Institution  zu  nennen?    Von  L.  BuROERSTEiN-Wien 437 

Badziejbwsky,  M.,  Schulärztliche  Tätigkeit  und  Augennntersuchungen.   Von 

Dr.  SrEiOER-Zürich 438 

BüRNHAM,    A  Contribution  of  the  Hygiene  of  Teaching.    Von  Oberlehrer 

Karl  BoLLSR-Darmstadt 507 

Pick,  Prof.  Dr.  A.,  Über  einige  bedeutsame  Psychoneurosen  des  Kindes- 
alters.   Von  Dr.  MosES-Mannheim 507 

ScHBöER,  H.,  Methodik  des  Turnunterrichts.  Ein  Hilfsbuch  für  Turnlehrer 
und  Turnlehrerinnen.     Von  Prof  WiCKENHAGEN-Berlin 510 


XIII 

Seite 
Schmidt,  Dr.  F.  A.,   Physiologie  der  Leibesübungen.    Von  Dr.  Altschul- 

Prag 611 

KoTELMANN,    LcDWiG,    Dr.   med.   et   phil.,    Schulgesundheitspflege.      Von 

Dr.  F.  ERiSMANN-Zürich 614 

>'oLL,  F.  C,    Naturgeschichte   des   Menschen.     Von   Dr.   Kurt  Wehblin- 

Zürich 614 

ScHSEinBB,  J.,  Dr.  med.,  Des  Volkes  Kraft  und  Schönheit.    Von  Dr.  F.  Kris- 

MAKK-Zürich 696 

Bkbrwau),  K.,  Dr.  med.,  und  Brauer,  Qüstav,  städtischer  Turnlehrer,  Das 

Tarnen  im  Hause.     Leibesübungen  zur  Förderung  und  Erhaltung  der 

Gesundheit  für  jung  und  alt.     Von  J.  SpüHLSR-Zürich 696 

HiLLEB,   Edwin    L.,    The   Lunch-Room   at   the   Englewood   High   School. 

Babbows,  Anka,  The  Lunch-Room  in  the  High  School.    Von  Physikus 

SiEVEKiNO-Hamburg 696 

Erklärung  von  H.  H.  Schböbb 697 

Gaupp.  Dr.  K.,  Über  den  Selbstmord.     Von  Dr.  MosES-Mannheim 779 

BsüKo  Leuschnbb,  Der  Schulstuhl  in  der  Qruppenbank.  Von  H.  WiPF-Zürich  780 

G.  Oattikbr,  Zur  Frage  der  Schulaufsicht.    Von  Dr.  Kraft- Zürich 781 

Stoll,   Hans,    Dr.,    Alkohol  und  Kaffee  in  ihrer  Wirkung  auf  Herzleiden 

and  nervöse  Störungen.    Von  Dr.  Kubt  Wbhblin  in  Zürich 863 

Ludwig  Gurlitt,  Der  Deutsche  und  die  Schule.     Von  Prof.  Dr.  Hagmann- 

St.  Gallen 864 

Mutterschutz,    Zeitschrift  zur  Reform  der  sexuellen  Ethik.    Von  Dr.  med. 

Ida  HiLFiKEB-Zurich 865 


Bibliographie. 
38.     102.    216.    347.     511.    698. 


Verzeichnis  der  Mitarbeiter  im  Jahre  1904 XIV 

Sachregister 893 

Namenregister 905 


Verzeichnis  der  Mitarbeiter, 

welche  im  Jahre  1905  Beiträge  geliefert  haben. 


Abel,  Büdolf,  Dr.  med.,  Begieraogs-  und  Medizinalrat  in  Oppeln  (jetzt  Berlin). 

Aligkb,  Dr.  med.  in  Cbemnits. 

Altsohül,  Th.,  Dr.  med.,  k.  k.  Sanitätsrat  in  Prag. 

Baldrian,  Karl,   Hauptlehrer  a.  d.  n.-ö.  Landes-TaubBtammenanstalt  in  Wien. 

Basedow,  Bektor  der  Hilfsschnle  I  in  Hannover. 

Batr,  Emanuel,  Schaldirektor  in  Wien. 

Bleuler,  Prof.,  Dr.  med.  in  Zürich. 

CoHK,  Hbbmanh,  Geh.  Med.-Bat,  Prof.  Dr.  in  Breslau. 

CoHN,  M.,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Charlottenburg. 

DoMiTBOViOH,  Armin  y.,  in  Berlin. 

EaisiCANir,  Prof.  Dr.,  Stadtrat  in  Zflrioh. 

Flaohs,  Albert,  Dr.  med.  in  Moinesti  (Bumänien). 

Frerzel,   Franz,  Leiter  der  städt.  Hilfsschule  für   schwachsinnig  Kinder  zu 

Stolp  i.  P. 
Fürst,  M.,  Dr.  med.  in  Hamburg. 
Obrken,  f.,  Lehrer  in  Hamburg. 
QÖTZ,  Dr.  med.  in  München. 
Oraüpner,  Herm.,  Lehrer  in  Dresden. 
Haobn,  Dr.  in  Schmalkalden. 
Hagmann,  Prof.  Dr.  in  St.  Gallen. 

Heller,  Theodor,  Dr.  phil.,  Direktor  der  Erziehungsanstalt  Wien-Grinzing. 
Hbnze,  A.,  Bektor  in  Hannorer. 
Hilfiker,  Ida,  Dr.  med.  in  Zürich. 

HiLLENBERO,  Dr.,  Kreisassistcnzarzt  in  Oldesloe  (Holstein). 
Hopf,  F.  £.,  Dr.  med.  in  Dresden. 
Hrabal,  Franz,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Profsnitz. 
JuBA,  Adolf,  Dr.,  Mitglied  des  ünterrichtsrates,  Schularzt  in  Budapest. 
Kooh-Hessb,  Alexander,  Dr.  in  Grofs-Lichterfelde. 
Kraft,  A.,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Zürich. 
Krüker,  Stadtarzt  in  Zürich. 
Loeb,  Fritz,  Dr.  med.  in  München. 
Moses,  J.,  Dr.  med.  in  Mannheim. 


XV 


MouTOK,  Dr.  med.  im  Haag;. 

PPKIFFK&,  £.,  Dr.  med.,  Physikas  in  Hamburg. 

Philipfi,  Dr.  med.  in  Bad  Salzsohlirf. 

Pboskaübr,  Geh.  Beg.-Rat  Prof.,  in  Berlin. 

QuiB8PKU>y  Ebuabd,  Dr.,  k.  k.  Oberbezirksarzt  in  Rumbarg. 

fiAinus,  Otto,  Dr.  in  München. 

RoLLBB,  Kabl,  Oberlehrer  in  Darmstadt. 

fiosTOwzBFF,  Ob.^  Dr.,  Sanitätsarzt  der  OoQTemementslandschaft  in  Moskaa. 

ScHKHCKBin>OBFr,  E.  TOM,  Reichstagsabgeordneter  in  Görlitz. 

Schmitt,  Otto,  Tanbstummenlehrer  in  Frankenthal. 

SiCKiHOBB,  Dr.,  Schalrat  in  Mannheim. 

SiETBxiKe,  Dr.,  Physikos  in  Hamburg. 

Sfühlkb,  Joh.,  Seminarlehrer  in  Zürich. 

Stugeb,  A.,  Dr.  med.,  Augenarzt  in  Zürich. 

Stockbb,  Fbibdbich,  Dr.  med.,  Augenarzt  in  Luzem. 

Stkadal,  A.  G.,  k.  k.  Baurat,  Ingenieur  in  Wien. 

ULRICH,  A.,  Dr.  med.  in  Zürich. 

WsHKLDT,  K..  Dr.  med.  in  Zürich. 

WsiOL,  F.,  in  München. 

Weiss,  W.,  Sekundarlehrer  in  Zürich. 

Wichmahn,  Ralf,  Dr.  med.,  Nervenarzt  in  Harzburg. 

WiCKKHHAGKir,  Professor  in  Berlin. 

WiPF,  HcH.,  Primarlehrer  in  Zürich. 


Der  Schularzt. 

Inhalt. 


Originalabhandlungen. 

Seite 

Die  SchularztinstitutioD  in  Norwegen.  Eine  Übersicht  von  H.  K. 
H&konson-Hansen,  Oberlehrer  der  Volksschule  auf  der  Bischofs- 
höhe in  Drontheira.  Übersetzt  von  Prof.  Dr.  Leo  Bürgerstbin 
in  Wien 1.     41 

Die  Vorschriften  zur  Verhütung  der  Übertragung  ansteckender  Krank- 
heiten durch  die  Schulen  und  die  Tätigkeit  des  Schularztes  auf 
Omnd  dieser  Vorschriften.  Von  Dr.  Schultz,  städt.  Schularzt  in 
Berlin.    (Vortrag,  gehalten  im  Verein  Berliner  Schulärzte) 23.  103 

Wie    bestimmen    wir   die   Konstitution    der   Schüler?    Von    Dr.  med. 

0.  Kopps,  Schularzt  in  Pernau  (Rufsland).    Mit  drei  Tabellen  ...    47.  219 

Zur  Schularztfrage  in  Österreich.    Von  k.  k.  Sanitätsrat  Dr.  Altsghul- 

Prag 67.  277 

Betrachtungen  über  schulärztliche  Statistik  und  Vorschläge  zur  Herbei- 
führung einer  Einheitlichkeit  in  derselben.  Von  Dr.  Samosch- 
Breslau 83.  351 ;  97.  439;  115.  513 

Die    Schularztfrage    vom    Standpunkt    des    Medizinalbeamten.      Von 

Medizinalrat  Dr.  BLEZiNGSR-Cannstatt 156.  616 

Bericht  über  die  Leistungen  und  Obliegenheiten  der  in  Königsberg  i.  Pr. 
tätigen  zehn  Schulärzte  in  den  Jahren  1900 — 1904.  Von  Dr.  Hugo 
Laseb,  Schularzt 172.  702 

Schulärztliche  Statistik.    Von  Dr.  Theodor  AxTSCHüL-Prag 189.  783 

Über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Schularztfrage  in  Württemberg. 
Vortrag,  gehalten  in  der  Bezirksschnllehrerversammlung  vom 
14.  Juli  1905  in  Efslingen.     Von  Medizinalrat  Dr.  SPASTH-Efslingen  209.  868 


Kleinere  Mitteilungen. 

Seite 

Neue  Schulärzte  in  Prag,  Darmstadt,  Nenstädtel,  Bayreuth,  Markirch, 

Karlsruhe 15.  55 

Über  die  Tätigkeit  der  Schulärzte  in  Berlin 17.  57 

Flegeleien  gegen  einen  Schularzt  in  Schöneberg 18.  58 

Nach   welcher  Seite   hin   bedarf  die  Einrichtung  der  Schularztstellen 

noch  ihrer  Erweiterung? 18.  58 

Neue  Schulärzte  in  Prag  und  Hainichen .  34.  114 


xvn 

über  den   heatigen  Stand  des  Sohularstwesens  an  den  tsoheohiscben 

Schulen  in  Böhmen  und  Mähren 34.  114 

Über  die  Tätigkeit  der  Schalärzte  in  Leipaig   85.  115 

Über  angeborene  Wortblindheit 35.  115 

Über  die  Räckgratverkrnmmnngen  des  sohulpflichtigen  Alters 36.  116 

Zar  Schalarztfrage  in  Württemberg 37.  117 

Für  den  Berafsschalarzt 37.  1 17 

Zar  Schalarztfrage  in  Stuttgart 52.  224 

Die  Schalarztfrage  in  Stettin 55.  227 

Bine  schalärztliche  Krisis 56.  228 

5eoe  Schulärzte  in  Köpenick,  Radeberg,  Hanau,  Heidelberg,  Bismark- 
hntte,  Spandau,  Bemburg,  Raschau,  Voigtsberg,  Maxgrun,  Lauter- 

^      bach 56.  228 

über  die  Tätigkeit  der  Schulärzte  in  Berlin 57.  229 

Behandlung  der  Wirbelsäuleverkrümmungen  bei  Schulkindern 57.  229 

Zar  Scbularztfrage 57.  229 

Zur  Schalarztfrage  in  Hamburg 58.  230 

Schalärzte  flir  Wien 58.  230 

Schuiarst  in  Helsingfors 58.  230 

Schulärzte  in  Elmshorn 58.  230 

Berichtigung 58.  230 

Anstellung  von  Schulärzten  in  Bremen 70.  280 

Notwendigkeit  der  Anstellung  ron  Schulaugenärzten 72.  282 

Sdialarzt  zu  Zaandam 73.  283 

Schulärztliches  aus  Holland 73.  288 

Schutärztliche  Aufsicht 74.  284 

Der  Schularzt  an  der  Hilfsschule  für  Sohwachbefahigte 75.  285 

Ärztliche  Schulatteste 76.  286 

Anstellnng  von  Schulilrzten  in  Breslau 77.  287 

Schulbesichtigung  durch  Kreisärzte 77.  287 

Anatellong  von  Schulärzten  in  Hamburg 78.  288 

Nene  Schulärzte  in  Bremen,  Hannover,  Stötteritz,  Wiesbaden,  Stettin, 

Bochum,  Berlin,  Karlsruhe,  Hamburg 92.  360 

Abgelehnte  Schulärzte  in  Lüdenscheid,  Schmolln,  Colberg,  Breslau...  93.  361 

Magdeburger  schulärztliche  Verhältnisse 94.  362 

Weibliche  Schulärzte  in  Hannover 110.  452 

Schularzt  in  Barmen 110.  462 

Schularzt  in  Stötteritz 110.  452 

Schulärzte  in  kleinen  Städten 110.  452 

Schalärzte  in  Bunzlau 110.  452 

Schulärzte  in  Saarbrücken 110.  452 

Anstellung  von  Schulärzten  in  Werdau 110.  452 

Schulärztliche  Untersuchung  der  neu  einzuschulenden  Kinder  in  Berlin  110.  452 

Schularzt  im  Nebenamt  oder  Berufisschularzt 111.  458 

Seae  städtische  Schulärzte  fSr  Mittelschulen  in  Breslau 140.  538 

Schulärzte  in  Hannover 141.  639 

Schulhygienische  Verhältnisse  in  England 141.  539 

Besserstellung  der  Schulärzte  in  Chemnitz 162.  622 

ntigkeit  des  Kreisschularztes  in  0£Penbaoh 162.  622 

Die  Schularztfrage  in  Württemberg 163.  623 

Ergebnisse  schulärztlicher  Untersuchungen  in  Wilmersdorf 163.  623 

Schulärzte  in  Treptow 164.  624 

Schulärzte  in  den  Düsseldorfer  Landgemeinden 164.  624 

Anstellung  eines  Schularztes  in  Nietleben 164.  624 

Drei  Schulärzte  in  Mühlhausen 164.  624 

Die  Schularztfrage  in  Frankreich 164.  624 

Tätigkeit  der  Schulärzte  in  Lichtenberg 165.  625 

Schidaugenarzt  in  Meiderich  am  Niederrhein ■ . .  180.  710 

Neue  Schulärzte  in  Niet  leben,  Marburg,  Wiebelskirohen,  Paris,  Hheine, 

Köpenick 180.  710 

BehalgMondlMitspflegs.  XVIII.  b 


xvra 

8«tte 

Staatliehe  Organisation  des  Sohnlarztwesens  in  Württemberg 180.  710 

Inwieweit  bedarf  die  Bchuiärztliobe  Einrichtung  noch  der  Erweiterung?  180.  710 
Der  Schularzt  für  höhere  Lehranstalten,  eine  notwendige  Ergänzung 

unserer  Schulorganisation.     Von  K.  A.  Martiv-Hjlbtmakn 202.  796 

Die  Schularztfrage  in  Hamburg 203.  797 

Schulärzte  für  die  Mittelschulen  in  Czernowitz 204.  798 

Tätigkeit  der  Schulärzte  in  New  York 204.  798 

Ausschiais  tuberkulöser  Kinder  aus  der  Schule 205.  799 

Neue  Schulärzte  in  Stettin,  Faunsdorf,  Lichtenberg,  Köpenick,  Treptow- 
Baumschulenweg,  Marburg  (Steiermark) 205.  799 

Die  Schularztfrage 218.  878 

Schulärztliche  Tätigkeit  in  Görlitz 219,  879 

Neuregelung  der  ärztlichen  Kontrolle  der  Schulkinder  in  Solingen . . .  219.  879 

Anstellung  städtischer  Schulärzte 219.  879 

Neue  Schulärzte  in  Hildesheim,  Chemnitz-Hilbersdorf,  Elberfeld,  Bum- 
melsburg   220.  880 

Neue  Dienstordnung  für  Schulärzte  in  Spandau 320.  880 

Erhöhung  der  Zahl  der  Schulärzte  in  Berlin 220.  880 

Stellung  der  Kinderheilkunde  zur  Schulhygiene 221.  881 

Einführung .  von  Schulärzten  an  den  höheren  Schulen  in  Breslau 221.  881 


Referate  über  neu  erschienene  schulärztliche  Jahresberichte. 

8«lte 

Der  Wiesbadener  Jahresbericht  pro  1908/04 68.     18 

Schulärztlicher  Jahresbericht  der  Stadt  Chemnitz  1903/04 38.  118 

Schulärztlicher  Jahresbericht  der  Stadt  Magdeburg  1903/04 40.  120 

Jahresbericht  übei'  die  schulärztliche  Tätigkeit  an  den  Hilfsklassen  der 

städtischen  Volksschule  in  Worms 60.  232 

Zweiter  und  dritter  Bericht  (SchuHahr  1902/1903  und  1903/1904)  über 

die  Tätigkeit  der  städtischen  Bezi  ksärzte  in  Brunn  als  Schulärzte  106.  448 
Bericht  1903/04  der  Deutschen  evaugel.  Priratvolkssohule  in  Frag  . . .  142.  540 

Schulärztlicher  Jahresbericht  Mainz  1903/04 142.  540 

28.  Jahretibericht  des  Unterrichtsministers  für  Japan  1900/01 143.  541 

Austausch  schulärztlicher  Jahresberichte 144.  542 

Jahresbericht   über   die   schulärztliche   Tätigkeit   in   den   Mittel-  und 
Stadtschulen  zu  Darmstadt  1903/1904.  Erstattet  von  Dr.  Buchhold. 

Von  Dr.  GBBBECKB-Breslau 167.  627 

Bericht  über  die  Tätigkeit  der  Schulärzte  in  Mülhausen  i.  Eis.  seit  1903  185.  715 

Jahresbericht  über  die  schulärztliche  Tätigkeit  in  Ems  1904 187.  717 

Qeneral behebt  über  das  erste  Jahr  des  schulärztlichen  Dienstes  in  Mül- 
hausen i.  Eis.  vom  1.  April  1903  bis  81.  März  1904.   Erstattet  von 

Dr.  med.  W.  Sachs,  Obmann  der  Schulärzte 206.  800 

Schulärztlicher   Jahresbericht    der   Stadt   Leipzig    für    das    Sohufjahr 

1903/1904.    (Aus  dem  Berichte  des  Stadtbezirksarztes) 224.  884 

Schulärztlicher  Gesamtbericht   über   die   fünf  Volksschulen  der  Stadt 

Erfurt  für  das  Schuljahr  1902/1903.    Von  Dr.  Loth,  Sanitätorat  .  229.  889 


Literarische  Besprechungen. 

Dr.  Theodob  Altsohül,   k.  k.   Sanitätsrat,   Prag,    Die  Schularztfrage 

in  Osterreich.     Von  Dr.  SoHUBXBT-Nürnberg 60.  232 


XIX 

Dienstordnungen  für  Schulärzte. 

Seit« 

Diensiordnang  für  die  städtisohAxi  Schulärzte  in  Mülhausen  i.  Eis 60.    20 

DienstoTdnung  für  die  Schulärzte  zu  St.  Johann  a.  d.  Saar 42.  122 

Dienstanweisung  für  die  Schulärzte  der  Stadt  Königsberg  i.  Pr 61.  233 

Dienstanweisung  für  die  Schulärzte  in  Frankfurt  a.  0 63.  235 

Dienstanweisung  für  die  Schulärzte  au  den  Mittel-  und  Volksschulen 

zu  DarmsUdt 78.  288 

Belehrung  für  Schulärzte  der  Stadt  Prag 95.  363 

Dienstordnung  für  die  Schulärzte  der  Stadt  Hannover 145.  543 

Ordnung   betreffend  die  Annahme  und  die  Tätigkeit  von  Schulärzten 

an  den  Gemeindeschulen  der  Stadt  Spandau 229.  889 


Verzeichnis  der  Mitarbeiter  im  Jahre  1905 XX 

Sachregister 909 

Namenregister 913 


Der  Schularzt. 

Verzeichnis  der  Mitarbeiter, 

welche  im  Jahre  1905  Beiträge  geliefert  haben. 


Blkzingxb,  Dr.  med.,  Hedizinalrat  in  Cannstatt. 

BuBOBBSTBiN,  L.,  Pfof.  in  Wien. 

H&coNSON- Hansen,  M.  E.,  Oberlehrer  der  Volksschule   auf  der  Bischofböhe  in 

Drontheim. 
Hartmann,  A.,  Prof.  Dr.  in  Berlin. 
Koppe,  0.,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Pernau. 
Kbapt,  A.,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Zürich. 
Lasbb,  Huoo,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Königsberg  i.  Pr. 
Obbbbcke,  Dr.  med.,  Stadtarzt  in  Breslau. 
VON  Rad,  Dr.  med.  in  Nürnberg. 
Samosch,  Dr.  med.,  Schularzt  in  Breslau. 

Schubert,  P.,  Dr.  med.,  Hofrat,  Augen-  und  Ohrenarzt  in  Nürnberg,  (f) 
Schultz,  Dr.  med.,  städtischer  Schularzt  in  Berlin. 
Spabth,  Dr.  med.,  Medizinalrat  in  Efslingen. 
Zbman,  J.,  Lehrer  in  Nachod. 


Ifttfilrif)  für  Sd|ttl|rfiii)i|rit$|ifl(jir. 

XVIII.  Jahrgang.  1905.  No.  L 


(Bri^iitaUii^ttilttttjeii* 


über  hygienischen  Unterricht  in  der  Schale. 

Von 

Dr.   HlLLENBEBG, 
Kreisassistenzant  in  Oldesloe  (Holstein). 

In  der  Erkenntnis,  dals  ein  bestmöglicher  Grad  Ton  Volksgesnnd- 
lieit  sowohl  für  die  gedeihliche  Entwicklung  eines  Volkes,  wie  für 
die  Erhaltung  der  einmal  erreichten  Knltorhöhe  eine  unabweisbare 
Notwendigkeit  darstellt,  ist  der  Staat  in  stetig  zunehmendem  Maise 
kmüht,  dieser  Forderung,  soweit  die  Mittel  und  Wege  reichen  und 
gangbar  sind,  Rechnung  zu  tragen.  Dieses  Bestreben  hat  in  der  ge- 
samten modernen  Medizinalgesetzgebung  seinen  Ausdruck  gefunden, 
und  weitere  gesetzgeberische  Maisnahmen  sind  geplant,  alles  zu  tun,  um 
derYolksgesundheit  einen  menschenmöglichen  Grad  der  Vollkommen- 
heit zu  verleihen.  Die  Einsichtigeren  des  Laienpublikums  stehen 
diesen  Bestrebungen  auch  mit  ToUster  Sympathie  gegenüber  und 
treten  für  die  Überführung  wissenschaftlicher  Erkenntnis  in  den 
Dienst  des  praktischen  Lebens  mit  ganzer  Kraft  ein,  pflanzen  hier 
und  da  das  Eom  der  AullLlärung  in  die  grofse  Masse  und  genieisen 
sack  die  Freude,  hin  und  wieder  zu  ernten,  was  sie  gesät. 

Aber  was  will  das  Verständnis  einzelner  Persönlichkeiten 
bedeuten  der  Einsichtslosigkeit  der  Menge  gegenüberl  Und 
dennoch  ist  es  nötig,  soll  anders  das  Ziel,  das  der  heutigen  Hygiene 
TOTsehwebt,  wirklich  erreicht  werden,  dafs  jedermann  ihre  Grundideen 
und  -Lehren  in  sich  aufnehme  wie  die  zehn  Gebote.  Ein  Gebiet 
der  Hygiene  vor  allem,  das  dem  grolsen  Publikum  im  wesentlichen 
«ne  terra  incognita  ist,  mufs  dem  Volk  mehr  und  mehr  erschlossen 
werden,  das  sind  die  ansteckenden  Krankheiten,  ihr  Wesen, 
ikre  Verbreitung,  Verhütung  und  Bekämpfung. 

Sdialg«iiuid]ieit«pflege.  XVIU.  1 


überzeugt  Ton  der  Notwendigkeit  dieses  Postulats,  weisen  autori- 
tatire  Stellen,    vor  allem  die  Äncte  und  insbesondere  die  Medizinal- 
beamten,  immer  und  immer  wieder  darauf  bin,  dureh  Yortriige,   Auf- 
sätze, BroscbOren  usw.  bygienisobe  Aufklärung  ins  Volk  zu  tragen 
und  auf  diese  Weise   dem  grolsen  Publikum  aucb  eine  Vorstellang 
beizubringen  von  dem  Wesen  der  akuten  Krankbeiten  und  ibrer  Be- 
kämpfung.   Gewiis  wird  auerkennenswerterweise  bier  und  dort  auch 
reger  Eifer  in  dieser  Beziebung  entwickelt,   mir  persönliob  bat  sich 
dabei  jedocb    immer  die  Überzeugung  aufgedrängt,   dals,   soweit   es 
sieb  um  Leute  aus  dem  Volke  bandelt,  gerade  bezügliob  einer  Auf- 
klärung über  die  ansteckenden  Krankbeiten  alle  Arbeit  so  ziemlich 
yerlorene  Liebesmübe  darstellt.    leb  babe  im  Laufe  von  Jabren   bei 
sieb  stets  wiederbolenden  Gelegenbeiten  mannigfacber  Art,  zum  Teil 
vor  denselben  Leuten,  mir  die  mögliebste  Mübe  gegeben,  über  G-rand- 
züge  der  Hygiene,  speziell  aucb  der  Bakteriologie,  gemeinverständlich 
zu  reden,  babe  Abbildungen,  Tafeln  gezeigt,  um  durob  Anscbaunng 
noch  yerständlicber  zu  werden,  aber  der  Elfifekt  war,  wenn  ein  ander- 
mal die  Probe  aufs  Exempel  gemaobt  wurde,  stets  ein  berzlicb  nega- 
tiver.    Man  braucht  sich  aucb  wahrlich  nicht  darüber  zu  wundem, 
wenn  man  bedenkt,    was  man  eigentlich  von  den  Leuten  verlangt, 
und  wenn  man  sich  fragt,  ob  denn  die  Leute  aucb  geistig  bereits  so  weit 
fortgescbritten  seien,  um  neue  Tatsaoben,  die  früher  nie  oder  nur  aas 
weiter  Feme  an  ihr  Obr  gedrungen  waren,  in  sieb  aufzunebmen  und 
zu  verarbeiten.  Einmal  kommen  da  alteingewurzelte  Vorstellungen  von. 
den  Lebensvorgängen,  Krankheit,  Tod  usw.,  in  Betracht,  die  aus  dem 
Begriffsquantum  der  Leute  so  leicht  nicht  auszurotten  sind.  Sodann  wird 
von   ihnen,    z.  B.   bei  der   Erklärung  des  Entstehens  ansteckender 
Krankbeiten,  verlangt,  dafs  sie  sich  gewissermafsen  in  das  Reich  des 
Unsichtbaren  mit  ihren  Vorstellungen  hineinbegeben,    dals  sie,    ich 
möchte  sagen,  mit  Mächten  rechnen  sollen,  von  deren  Wesen,  Aus- 
sehen,  Bedeutung   und  Wirkung   ihnen  so  mancherlei  erzählt  wird, 
die  ihnen  jedoch    in   den  seltensten  Fällen    ad  oculos   demonstriert 
werden  und  deshalb  meist  so  fremd  und  unverständlich  wie  möglich 
bleiben,  wenn  auch  zehnmal  auf  die  Frage:   „Können  Sie  sich  das 
nun  wirklich  vorstellen?"    mit  einem  verständnisvollen   Kopfnicken 
geantwortet  wird.    Es  ist  aber,  wie  ich  schon  oben  gesagt,  ein  drin- 
gendes Erfordernis,  dafs,  ich  mufs  sagen,  jedes  gröfsere  Kind  die 
Grundelemente  des  Wesens  der  Infektion  usw.  kennt.    Kein  Gesetz, 
kein   Hygieniker,    kein  Medizinalbeamter   oder   Gesundheitsaufseher 
kann  das  Volk  auf  allen  seinen  Wegen  ständig  begleiten,  um  dort, 


wo  «  nötig  ist,  sofort  die  Stimme  zu  erheben,  die  filhroinde  Hand 
sa  bieten.  In  der  Stadt  ifit  es  nnter  Umständen  leichter,  znr  rechten 
Zeit  einzuschreiten,  wenngleich  anch  hier  grofse  Epidemien  von  an- 
steckenden Krankheiten  immer  wieder  sich  einstellen,  aber  das  Land 
mit  seinen  Bewohnern  mtüs  in  erhöhtem  Mafse  ans  sich  selbst  heraus 
Prophylaxe  treiben,  ist  in  der  Verhütung  des  Auftretens  und  der 
Verbreitung  ansteckender  Krankheiten  zum  grolsen  Teil  auf  sich 
selbst  angewiesen,  und  deshalb  ist  es  erforderlich,  dafs  gerade  auf 
dem  Lande,  zumal  bei  seinen  vielfachen  Beziehungen  zur  Stadt,  das 
Verständnis  für  hygienische  Ma&nahmen  weitgehendste  Verbreitung 
finde,  dafs  hier,  ohne  fremdes  Eingreifen,  von  den  Leuten  selbst 
zweckmäisig  gedacht  und  gehandelt  werden  könne. 

Der  Staat  hat  einen  energischen  Kampf  begonnen  gegen  einen 
▼eAeerenden  Feind  des  Menschengeschlechts,  den,  wenn  nicht  gänzlich 
in  yemichten,  so  doch  in  seiner  Schädlichkeit  wesentlich  einzuschränken 
sehr  wohl  in  des  Menschen  Macht  liegt;  er  hat  Führer  in  diesem 
Kampf  zur  Seite,  die  ihr  Bestes  tun.  Das  eigentliche  Heer  ist  das 
Volk  selber,  das  zurzeit  jedoch  noch  nicht  genügend  vorbereitet  und 
gerastet  ist  zu  dem  wahrlich  ernsten  Streit,  der  schöne  Siege  bringen 
kann.  Gleichwie  mit  einem  gewissen  Recht  gesagt  wurde,  dals  der 
prenisische  Volksschullehrer  Preufsen  grols  gemacht  habe,  d.  h.  mit 
anderen  Worten,  dafs  in  der  Volksschule  und  der  in  ihr  gebotenen 
geistigen  und  körperlichen  Erziehung  der  Eckstein  für  die  künftige 
politische  Gröfse  bereitet,  der  Grund  der  späteren  Siege  gelegt  wurde, 
IG  mnls  auch  für  den  neuen  Kampf,  der  unendlich  schwerer  ist,  weil 
er  gegen  eine  Legion  von  unsichtbaren  Feinden  geführt  wird,  wiederum 
in  der  Schule  das  Schwert,  das  geistige  Rüstzeug  geschmiedet 
werden,  mit  dem  wir  schlie&lich  den  Sieg  erringen  werden. 

Es  kann  sich  fragen:  Ist  denn  wirklich  die  Volksschule  deren 
Anfgabe  doch  im  wesentlichen  darin  besteht,  den  Menschen  zu  be- 
ifthigen,  sich  später  einen  Platz  auf  dem  grofsen  Markt  des  Lebens 
ansznsuchen  und  zu  behaupten  bezw.  konkurrenzfähig  zu  bleiben, 
dazu  da,  Hygiene  —  eine  Disziplin,  die  bisher  fast  aussohliefslich 
anf  der  hohen  Schule  der  Alma  mater  gelehrt  wurde  —  den 
Kindern  beizubringen?  Wie  die  Verhältnisse  heute  liegen,  und 
nachdem  man  erkannt  hat,  welch  ungeheuren  Wert  gerade  dieses 
Fach  für  das  Leben  der  Gesamtheit  wie  des  einzelnen  gewonnen, 
ifit  meiner  ÜberzeuguDg  nach  die  Zeit  gekommen,  wo  die  genannte 
Wissenschaft  mit  ihren  Zweigen  nicht  blols  einer  Minderzahl 
besonders    Bevorzugter    ihre    Tore    öfiEnen    darf,     sondern    wo    die 


praktisclien  Emmgensohaften  derselben  j  edem  Mensehen  auf  seinen 
späteren  Lebensweg  mitgegeben  werden  sollen,  damit  er  an  ihrer 
Hand  das  köstlicbste  Gnt  dieses  Lebens,  die  Gesundheit,  die  eigene 
sowohl  wie  die  der  Familie,  sich  nach  besten  Kräften  erhalten  und 
somit  beitragen  kann  znm  Wohl  und  Glück  der  Nation,  des  Vater- 
landes. Erst  wenn  jeder  Arbeiter,  jeder  Handwerker  weifs,  was  An- 
steckung und  Desinfektion  ist,  wenn  die  Bedentang  Ton  Licht,  Luft, 
Reinlichkeit,  zweckmäfsiger  Kleidung,  yernünftiger  Lebensweise, 
Zahnpflege  usw.  dem  greisen  Publikum  in  Fleisch  und  Blut  über- 
gegangen, wird  die  Hygiene  anfangen,  wahre  Triumphe  zu  feiern. 
Gewils  klingt  diese  Forderung  im  ersten  Augenblick  überspannt,  ihre 
Durchführbarkeit  wird  mancher  Ton  vornherein  energisch  ableugnen ; 
ich  bin  auch  nicht  so  sanguinisch,  zu  glauben,  daCs  dieses  Ziel  leicht 
und  vollständig  zu  erreichen  sei,  wie  ich  mich  auch  nicht  Einwürfen 
anssetzen  möchte  wie  z.  B.:  die  Bazillen  werden  durch  alle  Maß- 
nahmen doch  nicht  ausgerottet  werden,  Schmutz  wird  es  stets  geben, 
der  Tod  wird  sich  aus  seinem  bisherigen  Recht  nicht  absetzen  lassen 
usw.;  die  Zuversicht  hege  ich  aber,  dafs  sich  im  Laufe  der  Zeit, 
wenn  alle  Faktoren  in  geeigneter  Weise  zusammenwirken,  die  Ziffer 
der  Erkrankongen  an  ansteckenden  Krankheiten  sich  soweit  herab^ 
mindern  lassen  wird,  dals  ein  epidemieartiges  Auftreten  derselben 
zu  den  grofsen  Seltenheiten  gehören  wird. 

Heutzutage  hat  die  grofse  Mehrzahl  des  Volkes  von  dem  Wesen 
der  Infektionskrankheiten  mehr  oder  weniger  keine  Ahnung,  hält 
dieselben  für  solche,  die  fast  jeder  einmal  durchmachen  müsse,  und 
besitzt  noch  keinen  Glauben  an  ihre  Vermeidbarkeit.  Ich  will  nur  die 
Tuberkulose  erwähnen;  wie  wird  trotz  aller  mahnenden  und  be- 
lehrenden Worte  immer  noch,  wenigstens  hierzulande,  in  erschreckend 
geringem  Mafse  ihr  gegenüber  Verständnis  CDtwickeltl  Aller  War- 
nungen uDgeaohtet  findet  man  immer  wieder,  dafs  schwindsüchtige 
Ehegatten,  womöglich  gemeinsam  mit  einem  bis  zwei  Kindern,  in 
einem  Bette  schlafen,  auch  da,  wo  die  ökonomischen  Verhältnisse  nicht 
ungünstig  liegen,  wo  nur  die  liebe  Gewohnheit  abgescha£ft  werden 
müfste ;  ferner  dafs  aller  Auswurf  auf  den  Boden  der  Stube  deponiert 
wird,  bestenfalls  auf  einen  mit  einer  Papiereinlage  versehenen  Teller 
usw.  Man  findet  kein  wirkliches  Verständnis  für  die  Aufklärungs- 
versuche, und  auch  alle  behördlichen  Mafsnahmen  nützen  nur  so  lange, 
als  der,  welcher  sie  anordnet,  in  der  Nähe  weilt. 

Dieser  Zustand  mufs  eine  Änderung  erfahren  und  kann  es  nur, 
wenn  beizeiten  die  Jugend  darüber  unterwiesen  wird,  was  Hygiene  ist 


und  was  sie  will.  Das  heranwachsende  GFesohleoht  muis  vertrant  gemacht 
werden  mit  den  Grandzügen  hygienischer  Lebensführnng;  in  der 
Sehnle  mnfs  das  Verständnis  für  letztere  so  weit  geweckt  werden, 
dab  im  späteren  Leben  jeder  einzelne  im  gegebenen  Augenblick 
einen  nützlichen  Gebrauch  von  dem  anf  der  Schale  Erlernten  za 
nachen  imstande  ist.  Es  genügt  nicht,  dals  Lehrer  und  vieUeioht 
Prediger  während  ihrer  Ausbildung  mit  den  Grundzügen  der  G^ond- 
heitslehre  so  weit  bekannt  gemacht  werden,  dafs  sie  später  in  ihrem 
Sehulbezirky  in  ihrer  Gemeinde  auf  Vorposten  stehen  können  im 
Dienste  der  Hygiene.  Wohl  ist  ihr  Ansehen  hier  und  da  grols,  ihr 
Einflnls  nicht  unbedeutend,  und  manches  Erspriefslicbe  mag  von 
Urnen  geleistet  werden  können,  wenn  sie  bei  jeder  sich  bietenden 
Gelegenheit  mit  Verständnis  den  Fragen  praktischer  Hygiene  sich 
widmen.  Aber  zwischen  ihnen  und  den  übrigen  nicht  eingeweihten 
Laien  würde  die  Kluft  bestehen  bleiben,  die  eigenes  Wissen  auf  der 
einen  Seite,  Verständnislosigkeit  auf  der  anderen  bildet;  ein  wirk- 
lieher  Schritt  Torwarts  würde  auf  diese  Weise  nicht  gemacht  werden. 
Es  bleibt  nichts  anderes  übrig,  als  dafs  auf  der  Schule  Hygiene 
obligatorischer  Lehrgegenetand  werde,  da&  jede  Schule  mit 
den  nötigen  in  Betracht  kommenden  Hilfsmitteln  ausgestattet  werde, 
und  dafs  auf  diese  Weise  jedem  Kinde  einfache  Lehrsätze  der 
Hygiene  wie  Sprüche  der  Bibel  beigebracht  werden,  die  es  kennen 
und  beherrschen  mufis,  wie  z.  B.  das  Einmaleins. 

Ich  kann  es  nicht  für  ausreichend  halten,  wenn  die  Hygiene 
aaf  der  Schule  in  der  Weise  behandelt  wird,  dafs  gemeinverständlich 
geecliriebene  Artikel  über  wichtige  hygienische  Fragen  in  die  Lese- 
büeber  aufgenommen  und  in  der  Lese-  (deutschen)  Stunde  durch- 
genonunen  und  erklärt  werden.  Es  würde  diesem  so  bedeutsamen 
Gegenstand  hierdurch  unwillkürlich  in  den  Augen  der  Schüler  etwas 
Nebensächliches  anhaften;  was  „so  nebenbei^  gelehrt  wird  —  und 
um  ein  anderes  kann  es  sich  bei  der  genannten  Art  der  Behandlung 
niebt  handeln  — ,  vermag  niemals  auf  den  Geist  einen  so  dauernden 
Bindmck  zu  erwecken,  als  wenn  ein  Gegenstand  vollwertig  vorgetragen 
wird.  Es  würde  so  kaum  halbe  Arbeit  geleistet  werden,  und  der 
Erfolg  wäre  schlieMich  im  besten  Falle  auch  nur  ein  halber.  Was 
wäre  hiermit  erreicht?  —  Meines  Erachtens  dasselbe,  als  wenn  man 
einem  Starblinden  den  Star  sticht  und  ihn  fortan  ohne  Brille  herum- 
laufen läfigt.  —  Ich  erachte  es  vielmehr  für  absolut  notwendig,  dals 
in  besonderen  Unterrichtsstunden  einzelne  passende  Elapitel 
ans  dem  Gesamtgebiet  der  Hygiene  gelehrt  werden,  und  betone,  dab 


auch   die  Bakteriologie   in   ihren  einfachsten  Grundzügen   dabei   zu 
ihrem  Rechte  gelangen  sollte. 

Selbstverständlich  sollen  anf  der  Sohnle  keine  Bakterien  gezüchtet 
nnd  gefärbt  werden.  Es  genügt,  den  Schülern  die  Bedentnng  des  Klimas, 
Ton  Wasser,  Lnft,  Boden,  diejenige  der  Beseitigung  der  Abfallstoffe, 
der  Hantpflege,  der  Nahmngsmittel  usw.  in  grolsen,  markigen  Zügen 
klar  zn  machen.  An  einfachen  Versuchen,  geeigneten  Präparaten, 
Abbildungen  usw.  lälst  sich  dann  auch  kurz  die  unendliche  Wichtig- 
keit der  Bakterien  den  Schülern  TeranschauUchen,  so  dals  sie  diesen 
Fragen  im  späteren  Leben  Verständnis  entgegenbringen  und  sich 
dementsprechend  in  richtiger  Weise  verhalten  können.  Dieses  ganze 
Gtebiet  ist  ja  doch  weiter  nichts  als  Naturgeschichte,  aber  ein  Gebiet, 
das  im  Leben  der  Menschheit  eine  viel  gröfsere  Bedeutung  beansprucht, 
als  vieles  andere,  das  in  der  Schule  unter  dem  Titel  „Naturkunde'' 
gelehrt  wird. 

Es  könnte  sich  fragen,  ob  bei  dem  allgemeinen  Ruf  naoh  Ent- 
lastung der  Schule  diese  neue  Belastung  sich  sowohl  mit  dem  Lehr- 
plan,  wie  mit  der  Fassungs-  und  Leistungskraft  der  Schüler  vertragen 
würde.    Ich  kann  mir  wohl  denken,  dals  zunächst  mancher  Pädagoge 
sich  dagegen   auflehnen  dürfte,  weil  besagter  Lehrgegenstand    nach 
seiner  Ansicht  nicht  streng  in  die  Schule  hineingehörte.    Ich  meine, 
alle  etwa  zu  erhebenden  EiuAvände  müssen  verstummen,  wenn  man 
erat  die  Bedeutung  der  Frage  für  das  praktische  Leben  erfafst    hat. 
Manch  einem   mag   freilich    die  Beschäftigung  mit  gesundheitlichen 
Dingen   in    der  Schule  sozusagen    als    überflüssige  geistige  Spielerei 
vorkommen  —  wie  auch  mancher  Gebildete  die  gesamten  Bestrebungen 
der  heutigen  Hygiene  als  einen  Wurf  übers  Ziel  hinaus  auffalst  — ; 
andere  werden  sagen:  12 — 14jährigeD  Kindern  kann  man  über  solche 
Dinge  wegen  nicht  genügend  ausgebildeter  Fassungskraft  überhaupt 
nicht  vortragen.     Nach  meiner  Überzeugung  gehört  gar  nicht  soviel 
geistige  Gewecktheit  dazu,  die  einfachen  Grundzüge  der  Gesundheits- 
lehre zu  verstehen;  sind  sie  doch  zum  Teil  so  einfach,  dais  leider  so 
viele  es  überhaupt  nicht  für  der  Mühe  wert  erachten,  sich  ihnen  zu 
widmen. 

Andere  werden  einwenden,  dals  es  wohl  angängig  sei,  den  Kindern 
die  Grundbegriffe  allgemeiner  Gesundheitslehre  beizubringen,  dals 
es  jedoch  über  ihren  Horizont  hinausgehen  würde,  wollte  man  sie 
mit  Bakterien  traktieren.  Ich  erwidere  darauf  folgendes:  Die  ein- 
fachsten bakteriologischen  Versuche  (mit  gekochten  Kartoffelui  Brot  usw.) 
lassen  sich  in  jeder  Schule  leicht  anstellen,  ein  oder  mehrere  ein&che 


Miboskope,  aber  die  jede  Scbule  verfügen  müiste,  machen  den  Schttlem 
die  nnncbtbare   kleine  Lebewelt  siebtbar,   nnd    der  Eindruck  wird 
grob  sein,  den  das  kindliche  Gemüt  ans  dem  Gesehenen  und  Ge- 
hörten dayonträgt.    Das  Experiment,  und  ist  es  auch  das  einfachste, 
nützt  mehr  als  tausend  theoretische  Worte,  und  zum  Verstehen  ein- 
&cher  bakteriologischer  Vorführungen  und  der  daraus  zu  ziehenden 
Uaren  Schlüsse  gehört  kein  Weiser.    Der  Segen,  der  durch  die  Auf- 
nahme der  Hygiene  in  den  Lehrplan  für  das  körperliche  Gedeihen 
der  Nation  gestiftet  würde,  scheint  mir  gleichwertig  zu  sein  mit  all 
den  Segnungen,  welche  die  Schule  auf  geistigem  Gebiet  dem  Volke 
gebracht  hat.     Wenn   beides  Hand    in  Hand  geht,  wird  eine  noch 
erhöhte  Leistungskraft  der  Nation  die  Folge  sein,  dem  sog.  sozialen 
Elend  würde  ein  scharfer  Zahn  ausgebrochen  werden,  der  am  Marke 
des  Volkes    bisher   unerbittlich    zehrt   und  Unglück   und  Sorge   in 
mancherlei  Gestalt  dem  Hohen  und  Niedrigen,  Armen  und  Reichen 
in  gleicher  Weise  bereitet. 

Eb  bleibt  die  Frage  zu  erörtern  übrig,  die  manchem  als  die  am 
schwersten  zu  lösende  erscheinen  mag:  Wer  soll  den  Unterricht  er- 
teilen? Meiner  Ansicht  nach  sind  hierzu  die  Lehrer  der  Schule 
allein  berufen.  Von  der  Heranziehung  der  Ärzte  wäre  abzusehen 
ans  verschiedenen  Gründen:  An  sehr,  sehr  yielen  Orten  auf  dem 
Lande  wären  sie  nicht  zu  erlangen;  sodann  fehlt  den  Ärzten  doch 
eine  pädagogische  Vorbildung  und  der  stete,  innigere  Zusammenhang 
mit  den  Kindern.  —  Für  die  höheren  Schulen  können  sich  die  in 
Betracht  kommenden  Lehrkräfte  während  ihrer  Studienzeit  durch 
Anhören  hygienischer  Vorlesungen,  Teilnahme  an  Kursen  usw.  die 
nötige  Vorbildung  verschaffen.  Auch  die  Volksschullehrer  müfsten 
ihre  hygienische  Vorbereitung  auf  der  Universität  oder  in  ent- 
sprechenden LdStituten  erhalten;  es  könnten  in  jedem  Semester  auf 
einigen  Universitäten  besondere  Vorlesungen  mit  praktischen  Übungen 
in  der  Hygiene  für  Lehrer  abgehalten  werden,  deren  Besuch 
Ar  jeden  Volksschullehrer  obligatorisch  ist  Hiermit  würden  die 
Lehrer  auch  der  Erfüllung  des  Wunsches  näher  kommen,  dafs  ihnen 
die  Pforten  der  Universität  zu  ihrer  Weiterbildung  sich  öffnen 
möchten.  —  Das  Bestreben,  die  Schule  unter  ständige  hygienische 
Beobaohtnng  und  Beratung  zu  stellen,  gewinnt  ja  erfreulicherweise 
immer  mehr  Boden;  wenn  auch  nicht  jede  Schule  ihren  ständigen 
Sdralarzt  besitzt,  so  hat  doch  wenigstens  der  Kreis-  bezw.  Bezirks- 
ant  auf  einen  sehr  greisen  Teil  der  Schulen  einen  gewissen  hygie- 
niaehen  EinfluA,  der  in  seiner  Bedeutung  nicht  zu  unterschätzen  ist. 


8 

Es  ist  somit  ein  erster  Schritt  getan,  Hygiene  in  die  Schnle  als 
Gtanzes  hineinzutragen:  der  zweite  auf  dem  eingeschlagenen  Wege 
wäre  der,  diej  Schüler  soweit  mit  allgemeinen  Kenntnissen  in  der  Oe- 
snndheitslehre  auszustatten,  daüs  umgekehrt  aus  der  Schule  heraus 
hygienisches  Denken  und  Handeln  ins  Leben  zu  dringen  Tennöchte, 
und  somit  ein  Ejreis  geschaffen  würde,  innerhalb  dessen  der  einzelne 
die  Gewähr  bietet,  verständnisvoll  zu  empfangen  imd  wieder  na^h. 
au&en  zu  betätigen,  was  ihm  von  berufener  Seite  zum  Schutz  tüi 
Gesundheit  und  Leben  in  die  Hand  gegeben  wird.  Mühe  und  Arbeit 
mag  das  Ziel,  dessen  endgültige  Ergreifung  in  dem  Sinne,  wie  der 
Idealist  es  wünscht,  vielleicht  nie  in  unserer  Macht  steht,  in  gewalti- 
gem Grade  beanspruchen,  aber  der  Überzeugung  von  der  Notwendig- 
keit, schon  in  der  Schule  den  Grund  zu  hygienischer  Ausbildung  zu 
legen,  wenn  anders  je  wirklich  Erspriefliches,  z.  B.  auf  dem  Gebiete 
der  Seuchenbekämpfung,  erreicht  werden  soll,  dürfte  sich  niemand 
verschliefsen,  und  ich  hege  auch  die  Zuversicht,  dafs  die  Schule  der 
Zukunft  sich  in  ständig  erweitertem  Mause  mit  der  Vorbereitung  für 
die  Anforderungen  des  täglichen  praktischen  Lebens  befassen  muls 
und  wird. 

Wenn  in  den  vorstehenden  Ausführungen  bezüglich  Behandlung 
der  Hygiene  in  der  Schule  auf  die  ansteckenden  Krankheiten  viel- 
leicht zuviel  Gewicht  gelegt  zu  sein  scheint,  so  betone  ich  zum 
SchluHs  noch  einmal  ausdrücklich,  dais  ich  allen  anderen  hygienischen 
Fragen  mindestens  dieselbe  Bedeutung  bei  dem  Unterricht  in  der 
Gesundheitslehre  beimesse;  sind  doch  die  Bakterien  nicht  die  ein- 
zigen Feinde  des  Menschen,  die  einzige  Ursache  vermeidbarer 
Krankheiten.  Ich  habe  diese  Seite  der  Hygiene  deshalb  besondere 
nachdrücklich  hervorheben  zu  müssen  geglaubt,  weil  ich  in  der  täg- 
lichen praktischen  Berufsarbeit  gerade  ihr  gegenüber  vielfach  das 
geringste  Mals  von  wirklichem  Verständnis  gefunden  und  oft  den 
lebhaften  Wunsch  verspürt  habe,  es  möchte  das  grolse  Publikum 
hauptsächlich  auf  dem  Gebiete  der  ansteckenden  Krankheiten  ein 
wenig  mehr  erleuchtet  sein,  weil  es  hieraus  den  unmittelbarsten  und 
greifbarsten  Nutzen  für  sich  ziehen  könnte.  So  wünschenswert  es 
ist,  dafs  das  Volk  z.  B.  die  Bedeutung  einer  regelmäfsigen  Zahnpfleg« 
erfasse,  so  ist  noch  niemand  daran  gestorben,  dafs  er  sich  sein  Lebe- 
lang die  Zähne  nicht  geputzt  oder  vom  Zahnarzt  hat  nachsehen  lassen. 
Man  wird  mir  sofort  entgegenhalten,  dals  es  nicht  darauf  ankäme, 
wieviel  durch  eine  hygienische  Maisregel  als  solche  direkt  genützt  wird, 
sondern  darauf,  dafs  das  hygienische  Gesamtniveau   des  Volkes  — 


9 

um  mieh  so  aiudrüoken  su  dürfen  —  gehobeD  wird.  Ohne  Zweifel 
igt  dies  das  Ziel  aller  hygieoisohen  Anfklämngsbestarebnngen;  allein 
ieh  glaube,  der  Laie,  der  in  alten,  ausgetretenen  Q^leisen  tappt,  wird 
um  80  eher  ans  seiner  Spnr  heransznbringen  sein,  je  greifbarer  man 
ihm  den  Vorteil  eines  neuen,  von  ihm  noch  nicht  begangenen  Pfades 
Tor  Augen  fahrt.  Und  dies  scheint  mir  am  deutlichsten  geschehen 
n  können,  wenn  der  einzelne  beizeiten  darin  vornehmlich  unterwiesen 
wird,  wie  er  sich  und  seine  Angehörigen  Tor  einer  unter  Umständen  tödlich 
eodenden,  aber  durch  bedachte  Vorsichtsmalsnahmen  wohl  vermeid- 
baren akuten  Krankheit  schützen  kann*  Aus  solcher  Überlegung 
heraus  habe  ich  auf  den  begrenzten  Unterricht  auch  in  bakteriologi* 
sehen  Dingen  auf  der  Schule  Wert  legen  zu  müssen  geglaubt,  zumal 
gerade  dieses  Spezialgebiet  für  die  Schule  durchaus  entbehrlich  er- 
scheinen möchte. 


Die  Schulbank  in  den  Hil&klassen  für  Schwachbef&higte. 

Von 

Otto  Schmitt, 
Taabstnmmenlehrer  in  Frankenthal. 

Die  Ausführungen  des  Herrn  Dr.  J.  MöSBS-Mannheim  über  |,Die 
Schulbank  in  den  Hilfsklassen  für  Schwachbefähigte''  in 
Nr.  12  dieser  Zeitschrift,  Jahrgang  1904,  veranlassen  mich  zu  nach- 
stehenden Bemerkungen: 

1.  Dr.  MosBS  gibt  der  zweisitzigen  Schulbank  den  Vorzug. 
Das  Ideal  aller  Schulbänke  aber  ist  und  bleibt  der  Einsitzer. 
Die  Ton  Dr.  M.  angeführten  Gründe  gegen  die  einsitzige  Bank  sind 
in  keiner  Weise  stichhaltig.  Der  Einsitzer  aber  darf  nicht  nach 
dem  System  BETTia  ausgeführt  sein.  Denn  in  der  Bettigbank  tritt 
eine  rasche  Ermüdung  der  Schüler  ein,  weil  die  steile  Einzellehne 
and  die  schmale  Sitzbank  eine  Aufrechthaltung  des  Körpers  mit 
zusammengedrücktem  Brustkorbe  erzwingen.  Es  mufs  also  die 
Forderung  nach  einer  bequemeren  Schulbank  gestellt  werden,  nach 
einer  Schulbank,  deren  Lehne  einen  gröiseren  Neigungswinkel  fär 
den  Bücken  bildet. 

2.  Die  von  Dr.  M.  geforderte  Umlegbarkeit  der  Schulbänke 
zwecks  Beinigung  des  Sehulsaales  ist  nicht  unbedingt  notwendig; 


10 

bei   einer   genügenden  Anzahl    von  Hilfskräften   f&r  die  SobuLsaal- 
reinignng  kann  die  Umlegbarkeit  der  Bänke  selir  gnt  vermüst  werden. 

3.  Dr.  M.  ist  ein  besonderer  Frennd  des  Fnfsrostes.  loh  kann 
mich  ans  verschiedenen  Qründen  damit  nicht  befreunden.  Man  be- 
denke nur,  dab  der  nnter  dem  Fufsroste  liegende  Staub  und  Schmuts 
nicht  genügend  berücksichtigt  wird.  Denn  auch  der  eifrigste  Schul- 
diener  wird  einmal  Gelegenheit  finden,  den  Schulsaal  ohne  Umlegen 
der  Subsellien  zu  reinigen.  £r  kann  es  auch  wagen,  dies  zu  tun^ 
▼erbirgt  ja  der  Fulsrost  den  spähenden  Augen  des  Lehrers  ntiT  zu 
leicht  den  darunter  liegenden  Schmutz.  Immer  und  überall  wird  es 
vorkommen,  dafs  die  Eander  Speisen  mit  in  die  Schule  nehmen. 
Die  auf  den  Boden  fallenden  Speisereste  können  aber  nicht  sofort 
beseitigt  werden  und  gehen  infolgedessen  in  Fäulnis  über.  Schul- 
Utensilien,  welche  auf  den  Boden  fallen,  können  nur  unter  Störung 
des  ganzen  Schulbetriebs  wieder  ans  Tageslicht  befördert  werden. 

Also  fort  mit  dem  Fufsrost,  der  nicht  direkt  auf  dem 
Fufsboden  aufliegt.  Bezüglich  des  Fufsbrettes  ist  femer  noch  zu 
betonen,  dafs  dasselbe  keine  Stütze  des  Körpers  bieten,  sondern 
vielmehr  dem  Unterschenkel  als  Ruhelage  dienen  und  dadurch  die 
Oberschenkel  entlasten  soll. 

4.  Dr.  M.,  die  Ungeschicklichkeit  der  Schwachbefähigten  anfüh- 
rend, behauptet,  dafs  sich  die  „Bänke  mit  beweglichen  Teilen  schlecht 
für  Hilfsklassen  eignen^. 

Hier  muGs  ich  unbedingt  Eülenbebg  und  Baoh  beistimmen, 
die  mit  Recht  sagen,  dals  eine  feste  Bank  niemals  imstande  sein 
wird,  ein  System  mit  beweglichen  Teilen  zu  ersetzen.  Ich  glaube, 
das  liegt  so  klipp  und  klar  vor  Augen,  dafs  man  darüber  gar  nichts 
mehr  zu  sagen  braucht. 

Quetschungen  und  sonstige  Verletzungen  sind  in  unserer  Anstalt 
noch  niemals  vorgekommen,  auch  nicht  bei  Schwachbegabten  Taub- 
stummen. In  Gebrauch  haben  wir  Subsellien  der  I.  Frankenthaler 
Schulbankfabrik  Lickroth  &  Oie.;  auiserdem  solche  von  Fuhrmann 
&  Haus.  Geräusche,  hervorgerufen  durch  den  Mechanismus  der  Sub- 
sellien, kenne  ich  bei  diesen  Systemen  nicht. 

5.  Den  von  Dr.  Moses  aufgeführten  Forderungen  bezüglich  der 
Konstruktion  der  Sitzeinriohtung  entspricht  die  Rettigbank  nicht. 
Wie  auch  EüLBNBBna  bemängelt,  ist  hier  der  Sitz  viel  zu  schmal. 
Ich  finde  auiserdem,  dals  er  nicht  genügend  geschweift  ist.  Gerade 
für  die  Rettigbank  kann  man  die  von  Dr.  M.  angefahrten  Sätze  ge- 
brauchen:   „Die  Körperstellung  ist  miserabel;  der  Rumpf  liegt  vor- 


11 

gebengt  und  zusammengekniokt."  Besondere  Sohnld  an  dieeen  Miüs- 
st&nden  trägt  die  steile  Lehne  der  Rettigsnbselien;  sie  bewirkt  ein 
Andrücken  des  Brustkastens  an  die  vordere  Pnitkante. 

6.  Eine  grolse  Anzahl  yon  Schnlhygienikern  spricht  sich  gegen 
die  Rettigbank  aus.  Anch  Dr.  M.  schreibt  auf  S.  857 :  „Dabei  muls 
jeder  belästigenden  Einengung  vorgebeugt  werden^.  Und  trotzdem 
empfiehlt  er  die  einengende  Rettigbank  1  Wie  reimt  sich  das  zusammen? 

Bezüglich  der  Forderungen  bei  Sitz  und  Lehne  verweise  ich 
auf  Dr.  Veit  in  Prag.  (Siehe  diese  Zeitschr,,  Jahrg.  1902,  Nr.  10.) 
Der  Forderung  von  Dr.  Moses,  dals  die  Lehne  am  Sitzbrett  be- 
g;innen  müsse,  kann  ich  nicht  beipflichten.  Wie  soll  dann  unsere 
weibliehe  Jugend,  ohne  den  Rücken  zu  krümmen,  mit  den  Kleidem 
xoreeht  kommen,  besonders  dann,  wenn  als  Sitzgelegenheit  die 
Rettigbank  mit  ihrem  viel  zu  schmalen  Sitzbrett  geboten  wird? 

Dr.  M.  schreibt  auf  S.  857  weiter:  „In  dem  oberen  Teile  der 
Lehne,  der  Schulterlehne,  mit  einem  in  kräftiger  Kurve  vorsprin- 
genden Wulst,  findet  der  Rücken  genügende  Unterstützung*'. 

Viel  zweckmäßiger  ist,  diesen  Wulst  für  die  Lendenlehne 
XU  akzeptieren,  für  die  Rückenlehne  aber  ein  Zurück- 
liegen des  Lehnenteils  zu  betonen.  Dr.  Moses'  Forderung 
ei^be  statt  einer  Unterstützung  einen  Gegendruck,  der  doch  stets 
Tennieden  werden  mufs. 

7.  BeEüglich  des  Handfertigkeitsunterrichts  innerhalb  der  Bänke 
—  der  wohl  kaum  zu  vermeiden  ist  —  bemerke  ich,  dafs  die  Schul- 
bänke mit  halb  auf-  oder  unterklappbaren  Tischplatten  versehen 
werden  können.  Diese  Vorrichtung  ermöglicht  es,  bei  der  genannten 
Unterriohtsdisziplin,  wenn  es  sich  nicht  um  Falten,  Flechten, 
Stäbchen-  und  Täfelchenlegen  usw.  handelt,  auch  bequem  aufzu- 
stehen. Vorbedingung  ist  selbstredend,  dals  die  Sitzgelegenheit  nach 
rückwärts  gelegt  werden  kann,  was  bei  den  Rettigbänken  aber  nicht 
der  Fall  ist  Die  Bank,  System  Kuntze,  könnte  hierzu  ebenfalls 
recht  gnt  Verwendung  finden. 

Ganz  hervorragend  aber  eignet  sich  für  diesen  und  ähnliche 
Zwecke  eine  Bank  mit  hoohstellbarer  Tischplatte  wie  sie  die  Stadt 
Augsburg  von  Lickroth  &  Cie.  in  Frankenthal,  Rheinpfalz,  an- 
geeeha£Et  hat.  Bei  Benutzung  derselben  kann  der  Schüler  seine  Ar- 
beiten auch  im  Stehen  verrichten,  und  die  kostspielige  Forderung 
Dr.  Moses'  nach  einem  weiteren  Arbeitssaal  für  die  Hilfsklassen  wird 
dadurch  hinfUlig  zur  Freude  der  schon  sehr  mit  SchuUasten  be- 
glückten Stadtgemeinden.      


12 


Die  Sohulbank  in  den  Hilfsklassen  Ar  SchwaohbefUiigte. 

Von 
F.  Weigl- München. 

Es  ist  sehr  erfrenlieh,  dafs  Herr  Dr.  MoSES-Mannheim  in  Nr.  12 
des  abgelaufenen  Jahrgangs  dieser  Zeitschrift  anf  die  Notwendigkeit 
der  „Behandlung  der  auf  die  Hygiene  des  Klassenzimmers  und 
seiner  Ausstattung  in  den  Hilfsschulen  bezügliche  Fragen''  hin- 
gewiesen hat.  Alle,  die  mit  Hilfsschulen  zu  tun  haben,  als  Ärzte, 
Lehrer,  Aufeichtsbeamte  oder  auch  nur  als  geldbewilligende  Stadt- 
Täter,  auch  jene,  die  mit  der  von  Herrn  Dr.  M.  vorgeschlagenen 
Bank  nicht  einverstanden  sind,  werden  ihm  viel  Dank  wissen,  d&Ga 
er  speziell  die  Bankfrage  durch  seine  Ausführungen  einem  weiteren 
Kreise  zur  Besprechung  unterbreitete.  Ich  verfolge  die  bezügliche 
Literatur  sehr  genau  —  meine  Stellung  als  Rundschauredakteur  der 
^^Pädagogischen  Blätter*^  (München)  ermöglicht  mir  das  —  und  doch  ist 
mir  aufser  dem  auch  von  Herrn  Dr.  M.  angeführten  Urteil  FkenzbIiS 
eine  Besprechung  der  Hilfsschulbank  nie  zu  Gesicht  gekommen. 
So  sehr  ich  nun  aber  die  übrigen  schulhygienischen  Arbeiten  des 
Herrn  Dr.  M.  hochschätze,  was  ich  mehrmals  in  der  literarisohen 
Öffentlichkeit  zum  Ausdruck  brachte,  so  wenig  kann  ich  den  Er- 
gebnissen dieser  letzten  Arbeit  zustimmen.  Da  sowohl  die  prak- 
tischen Erfahrungen,  die  ich  in  der  Angelegenheit  sammeln  konnte,^ 
als  auch  die  theoretischen  Erwägungen,  die  ich  seit  längerem  in 
dieser  Richtung  anstellte,  zu  wesentlich  anderen  Resultaten  führ- 
ten, glaube  ich  annehmen  zu  dürfen,  dafs  es  im  Interesse  der  Sache 
gelegen  ist,  wenn  ich  an  der  gleichen  Stelle,  an  der  Herr  Dr.  M. 
gesprochen  hat,  meine  Erfahrungen  und  Erwägungen  mitteile: 

Die  Ausführungen  in  Nr.  12  verwerfen  die  Drei-  und  Viersitzer 
für  Hilfsklassen,  und  darin  wird  jedermann  zustimmen.  Herr  Dr.  M. 
gibt  dann  aber  auch  der  zweisitzigen  Bank  vor  der  einsitzigen  den 


^  Ich  habe  schon  in  Klassen  mit  beweglichen  Sitzen  (Simmetbank),  mit 
Rettigbänken,  mit  anderen  festen  Bankmodellen  (Lindmayer)  und  in  Klassen 
mit  verstellbaren  und  beweglichen  Bänken  (I.  Frankenthaler  Schulbankfabrik 
A.  Liokroth,  Fraakenthal  i.  d.  Pfalz)  unterrichtet. 


13 

Voisng.  Er  meint,  Zweisitzer  seien  besser,  ^weil  das  Znsammen- 
litien  mit  einem  anderen  Eände  das  soziale  Einleben  der  Kinder, 
die  oft  einen  gering  entwickelten  Geselligkeitstrieb  haben,  fördert, 
mid  weil  bei  den  Sckwaobbegabten  gegenseitige  Handreichungen  nnd 
flilfeleistongen  erforderlich  und  wünschenswert  sind^.  Mit  diesen 
Grründen  Iftlst  sich  im  Ernstfälle  nicht  sehr  erfolgreidi  operieren, 
denn  der  wenig  entwickelte  Geselligkeitstrieb  wird  in  der  Hilfe- 
schale  durch  das  Zusammensein  an  sich,  noch  mehr  aber  durch  den 
engeren  Verkehr  in  den  gegenüber  der  NormaUchule  vermehrten 
Pausen,  weiter  in  den  Spiel-,  Tum-  und  Handarbeitsstunden  ge- 
fordert. Auch  wird  das  Zusammengehörigkeitsgefühl  in  der  Praxis 
nieht  deutlicher  zum  Ausdruck  kommen,  wenn  die  Schüler  zu 
zweien  sitzen,  als  wenn  jeder  sein  eigenes  Pult  hat,  nachdem  man 
auch  in  letzterem  Falle  die  Subsellien  —  schon  praktischer  Gründe 
der  Baumausnützung  wegen  —  nicht  zu  weit  auseinander  rücken 
wird.  Die  kleinen  Handreichungen  können  sich  die  Schüler  selbst- 
verständlich auch  von  Einsitzer  zu  Einsitzer  leisten. 

Sind  so  die  Gründe,  die  gegen  Einsitzer  in  der  Hilfsschule 
angeführt  werden  können,  nicht  gerade  sehr  stichhaltig,  so  sprechen 
für  dieselben  zwei  ganz  bedeutende  Vorzüge.  Einmal  kann  man 
leicht  zu  jedem  Schüler  von  beiden  Seiten  kommen,  was  bei  dem 
Umstand,  dafs  in  den  Hilfsklassen  die  intensive  Beschäftigung  mit 
dem  Einzelnen  sehr  häufig  eintreten  muis,  hoch  zu  schätzen  ist. 
Der  Schreib-,  Zeichen-  und  Handarbeitsunterricht  (soweit  letzterer 
bei  den  einfachen  Beschäftigungen  in  der  Bank  betrieben  wird)  ge- 
winnen ganz  besonders  unter  dieser  Einrichtung.  Zum  anderen 
vermeidet  man  aber  mit  Einsitzern  die  bei  unseren  Schülern  gar 
zu  leicht  eintretenden  Störungen  durch  gegenseitige  Neckereien,  zu 
denen  sie  das  enge  Beieinandersitzen  yerleiten  mula.  Selbst  wenn 
man  nun  aber  aus  Baumrücksichten  oder  Ersparnisgründen  von  der 
einsitzigen  Bank  absehen  will,  bleibt  nicht  die  Bettigbank  als 
bester  Ausweg.  Eis  gibt  noch  eine  ganze  Beihe  von  anderen 
Modellen,  die  auch  zweisitzig  wie  jene  Bank  gebaut  werden. 

Das  gleiche  gilt  für  die  von  Herrn  Dr.  M.  ebenfalls  sehr  be- 
tonte Dmlegbarkeit  der  Bank.  Auch  hierfür  haben  verschiedene 
Krmen  eigene  Konstruktionen  erdacht,  die  eine  gleich  gründliche 
Beinigung  zulassen,  wie  die  Bettigbank.  Hier  ist  aber  noch  ganz 
besonders  darauf  hinzuweisen,  dafs  für  die  Hilfsschulen  die  Vorteile 
der  dmlegbarkeit  gar  nicht  so  sehr  in  Betracht  kommen.  Nachdem 
die  Elassenräume,  der  geringeren  Schülerzahl  wegen  (15 — 20  gegen 


14 

40 — 60  in  den  Normalklasseo),  viel  weniger  mit  Subsellien  belegt 
sind,  ist  an  sich  schon  die  Reinigung  vereinfacht,  die  durch  auf- 
klappbare Tische  und  bewegliche  Sitze  sich  au&erdem  so  günstig 
gestalten  lälst,  als  man  nur  wünschen  kann.  Die  Erfahrungen,  die 
ich  in  dieser  Beziehung  in  meiner  Hilfsklasse  mit  dem  hier  ein- 
geführten Modell  M.  der  Ersten  Frankenthaler  Schulbankfabrik 
A.  Lickroth  als  Einsitzer  gemacht  und  die  Erfahrungen,  die  mir 
bezüglich  der  Reinigung  in  den  Augsburger  Hilfsschulen,  wo  das 
gleiche  Modell  als  Zweisitzer  verwendet  ist,  mitgeteilt  wurden,  be- 
stätigen  diese  Behauptung. 

Allerdings  wendet  sich  Dr.  M.  ausdrücklich  gegen  Bänke  mit 
beweglichen  Teilen.  Aber  es  dürften  ihm  hier  schlechte  Konstruk- 
tionen dieser  Art  vorgeschwebt  sein,  während  doch  nicht  zu  über- 
sehen ist,  dais  wir  auch  schon  vollkommen  entsprechende  Bänke 
mit  beweglichen  Teilen  besitzen.  Schon  vor  zehn  Jahren  hat 
BuBaE&STEiN  dies  konstatiert^  und  seitdem  ist  die  Technik  auf 
diesem  Gebiete  noch  ganz  bedeutend  fortgeschritten.  Bei  unseren 
guten  Modellen  ist  „der  ständige  Mifsbrauch  des  Mechanismus**,  von 
dem  Herr  Dr.  M.  spricht,  völlig  ausgeschlossen.  Ich  kann  mich  auch 
hier  wieder  auf  eigene  Erfahrungen  sowie  auf  urteile,  die  mir  mit- 
geteilt wurden,  berufen.  Es  dürfen  freilich  keine  Schaukelsitze,  wie 
sie  gelegentlich  der  Ausstellung  auf  dem  Nürnberger  Schulhygiene- 
Kongreis  (Ostern  1904)  u.  a.  zu  sehen  waren,  bei  denen  die  ge- 
ringste, selbst  unbeabsichtigte,  Bewegung  des  Schülers  ein  Hin-  und 
Herschwanken  des  Sitzes  hervorruft,  verwendet  werden,  sondern  nur 
solid  gebaute  Pendelsitze,  die  in  der  von  selbst  eingestellten  Lage 
nach  Aufstehen  oder  Kiedersitzen  sich  nicht  weiter  bewegen.  Für 
unsere  Bänke  des  angeführten  Modells,  bei  dem  auch  Quetschungen 
völlig  ausgeschlossen  sind,  trifft  das  zu.  Schlechte  Konstruktionen 
dieser  Art  wären  natürlich  in  Hilfsschulen,  namentlich  auch  der 
Verursachung  störender  Geräusche  wegen,  die  Herr  Dr.  Moses 
sehr  zutreffend  besonders  betont,  unbrauchbar.  In  dieser  Beziehung 
weisen  jedoch  die  Modelle  der  Firma  Lickroth-Frankenthal  durch 
eigene  patentamtlich  geschützte  Einrichtung  einen  grofsen  Fortschritt 
auf.  Der  Sitz  funktioniert  dauernd  vollkommen  geräuschlos,  wofür 
sogar  Garantie  übernommen  wird.  Ich  glaubte,  auf  diesen  Fortschritt 
in   der  Technik    der  Schulbank   mit   beweglichen  Teilen  besonders 


^  Vergl.    BüROKBSTBiN    und    Netolitzkt,    Handbuch    der    Schulhygiene. 
Jena,  1895,  S.  76. 


15 

hinweisen  zu  sollen,  da  von  antoritativer  Seite  erst  in  jüngster 
Zeit  wieder  auf  die  grofse  Bedeutung  hingewiesen  wurde,  die  einer 
solehen  Bank  mit  guter  Konstruktion  zukommt.  Im  y^EncyTdopäd. 
Handbuch  der  Schulhygiene''  von  jDr.  B.  Wbhheb^  'schreibt  BüBma: 
»Die  vom  gesundheitlichen  Standpunkt  zu  stellende  Forderung,  dafs 
die  Schulbank  für  die  Schreibtätigkeit  der  Schüler  Minusdistanz  und 
flir  die  übrigen  Tätigkeiten,  einschiiefslich  Aufstehen,  Eintreten  in 
die  Bank  und  Verlassen  derselben  Plusdistanz  gewähre,  ist  nur  bei 
Bänken  mit  veränderlicher  Distanz  erfüllbar.  ** 

Dieser  für  alle  Schulen  bestehenden  Tatsache  wollen  wir  sicher- 
lich am  wenigsten  in  der  Hilfsschule  entgegenarbeiten,  da  für  unsere 
Einder,  mit  ihrer  meist  auch  körperlichen  Minderwertigkeit,  die 
Schaffung  hygienisch  möglichst  korrekter  Subsellienverhältnisse  am 
meisten  Bedeutung  hat.  Ich  kann  in  dieser  Beziehung  auch  nicht 
der  Ansicht  beipflichten,  daCs  die  Sitz-  und  Lehneneinrichtung  an 
der  Rettigbank  vorzüglich  sei.  Berufenere  Männer  mögen  meine 
Anschauung  stützen.  Eulbkbebg  und  Bach  z.  B.  kritisieren  in  sehr 
abfälliger  Weise  die  RsTTiasche  schmale  Sitzbank'  und  wenden  sich 
namentlich  auch  gegen  das,  was  in  neuerer  Zeit  unbegreiflicherweise 
mehrfach  so  günstig  besprochen  wird  und  was  auch  Herr  Dr.  M. 
betont,  dals  nämlich  die  gesundheitsmälsige  Haltung  ^erzwungen'' 
werde.  Sie  schreiben:  ^ Ein  Erzwingen  der  aufrechten  Haltung  durch 
die  Konstruktion'  der  Bank  widerspricht  den  hygienischen  Grund- 
sätzen, nach  denen  den  Schülern  stets  soviel  Baum  zu  gewähren  ist, 
dafo  sie  keine  eingezwängte,  sondern  eine  völlig  ungezwungene  Sitz- 
lage haben.  Auch  eine  Bank,  die  nur  das  Gesäfs  unterstützt,  er- 
mfidet  auf  die  Dauer  und  mu(s  zweifellos  das  Verlangen  nach  einer 
anderen  Sitzlage  gewähren,  die  aber  bei  einer  Schulbank  mit  festem 
System,  bei  Nulldistanz,  bei  einer  schmalen  Sitzbank  und  einem 
engen  Sitzraum  nicht  gewährt  werden  kann,  da  das  zeitweilige  Aus- 
treten  der  Schüler  aus  der  Bank  einen  ausreichenden  Ersatz  für 
die  fehlende  Beweglichkeit  nicht  bieten  kann.''' 

Was  hier  von  der  Zwangslage  gesagt  ist,  gilt  namentlich  auch 
ftr  die  Einzellehne.  Ich  habe  schon  an  anderer  Stelle,^  im  An- 
sehluis  an  die  bereits  erwähnte  Ausstellung  gelegentlich  des  Schul- 


i  Wien,  1904,  S.  689. 

'  Vgl.  EüLBNBSBO,  Bach,  Schnlgesandheitslelire,  Berlin  1900,  S.  277. 

»  a.  a.  0.,  S.  278. 

*  Vgl  Pädag.  BlätUr,  Manchen  1904,  S.  151. 


16 

liygienekosgresses  in  Nttrnberg,  auf  die  Qual  liiiigewieseii,  die  man 
mit  dieser  Einrichtung  unseren  Kindern  schafft.    Man  überlege  nur : 
Ein  geringes  Ausweichen  nach  links  oder  rechts  .während  des  Unter- 
richtes wird  unseren  Schülern,  die  doch  wahrlich  in  dieser  Zeit  keine 
Soldaten  in  Reih'  und  Glied  zu  sein  brauchen,  niemand  Terwehren. 
liit  dem  Verrücken  geht  aber  bei  der  Einzellehne  auch  sofort    die 
korrekte  Unterstützung,  die   nur  in   einer  einzigen  Lage  erfolgt, 
verloren,  und  es  wird  so  anstatt  eines  Vorzuges  ein  grober  hygieni- 
scher Mangel  geschaffen.    Verschiedene  Herren,  die  in  ihren  Klassen 
neuerdings  Bfinke   mit  Einzellehnen    aufgestellt  erhielten,    stimmten 
dem   zwar  drastischen,    aber   sehr  beherzigenswerten  Urteil    za,   das 
ich   von   einer  solchen  Bank    in  Nürnberg   von  einem  angesehenen 
Arzt   hörte:    „Eine    moderne  Kinderfolter  1^     Gewifsl     Diese    Ein- 
richtung zwingt  den  Lehrer  zu  militärischem  Drill  in  seiner  Klasse. 
Eine  Empfehlung   der  Rettigbank    als  vollendete  Musterbank    finde 
ich  mit  WiPF- Zürich  zuletzt  deshalb  nicht  gut,  weil  „über  Lehne, 
Tisch  und  Sitzbank,  aus  den  vielfachen  Abänderungen  zu  schliefsen, 
auch  der  Pateotinhaber  das  Protokoll   noch  nicht  geschlossen  hat'^.^ 
Nach  diesen  kritischen  Erörterungen,   in  denen  ich  hoffe,  auch 
schon  manch  Positives   zur  Frage  beigetragen  zu  haben,   möge  mir 
gestattet  sein,  noch  kurz  darauf  hinzuweisen,  warum  in  Hilfsklassen 
verstellbare  Subsellien   den  ßanktypen   vorzuziehen    sind.     Die 
Begründung  dieser  Frage    verdient  vielleicht  deshalb  besondere  Be- 
achtung,   weil   sie   ganz    aus    der  Praxis  hervorgewachsen  ist.     Ich 
hatte   im  ersten  Jahre    meiner  Tätigkeit    in    der  Hilfsschule  feste 
Modelle,  Schulbanktypen  in  Verwendung.     Schon  während  dieses 
Jahres  ergab  sich  nun  mehrmals  die  Notwendigkeit,    eine   andere 
Zahl  von  Bankgröfsen  zu  besitzen.    Die  festen  Modelle  lielsen  aber 
eine  Änderung   nicht   zu,    so  dafs  manche  Schüler  in  Bänke  unter- 
gebracht werden  mufsten,  die  ihrer  Gröise  nicht  entsprachen.     Dies 
brachte  mich  auf  den  Gedanken,  von  unserer  in  all  diesen  Fragen  sehr 
entgegenkommenden  Schulverwaltung  einen  Versuch  mit  verstellbaren 
Bänken  zu  erbitten.     Der  Versuch  hat  nun  zu  sehr  guten  Erfolgen 
geführt.     Namentlich  zeigen   sich  beim  Schuljahrs  Wechsel,   mit  dem 
ja  immer  auch  ein  mehr  oder  minder  grofser  Wechsel  des  Schüler- 
materials verbunden  ist,  absolut  keine  Schwierigkeiten  in  der  Bereit- 


*  Vgl.  die  Rezension  von  H.  Wiff  der  SucKschen  Broschfire:  Wie  kommen 
wir  in  der  Schalbankfrage  vorwärts?  in  Nr.  11  des  letzten  Jahrganges  dieser 
Zeitschrift,  S.  818. 


17 


stellimg  der  einzelnen  Bankgrö&en,  wie  sie  E[ind  fOr  Kind  passend 
sind.  Inzwischen  konnte  ich  anoh  an  anderen  HilfiBschulen  (z.  B.  in 
Augsburg,  Frankfort,  Worms  usw.)  erfahren,  dafs  sich  die  Yerstell- 
Ixurkeit  sehr  gnt  bewährt,  da  das  eine  Lickroth- Modell  M.,  das 
hier  flberall  verwandt  wird,  fünf  yerschiedene  Gröfsen,  passend  fdr 
den  kleinsten  bis  znm  grö&ten  Schüler,  einstellen  Iftfst.  Die  Um- 
stellung ist  dabei  so  einfach,  dafs  sie  in  kürzester  Zeit  geschehen 
ist,  und  die  Festigkeit  gibt  hernach  der  Solidität  von  fixen  Schul- 
bankformen  nichts  nach. 

Machen  diese  Vorzüge  die  yerstellbare  Bank  schon  für  Normal- 
klassen sehr  brauchbar,  so  sind  sie  von  ganz  besonderer  Bedeutung 
fnr  unsere  Hilfsschulen.  Eine  auch  nur  annähernde  Norm  für  die 
Zahl  der  Gröisen  lft£st  sich  dort  nicht  aufstellen,  wodurch  die  kor- 
rekte Erfüllung  der  unabweisbaren  Forderung,  dals  jedes  Kind  genau 
die  seiner  Grölse  entsprechende  Bank  erhalten  muls,  so  vielen 
Schwierigkeiten  begegnet,  dafs  jedermann  die  einfache  Losung  mittels 
der  verstellbaren  Bank  nur  begrüfsen  kann. 

Wie  bedeutend  die  Verschiedenheit  der  notwendigen  Bankgröfsen 
in  den  Hilfsklassen  ist,  zeigt  schon  eine  kleine  Zusammenstellung 
des  Materials  von  nur  fünf  Hilfsklassen  nach  dieser  Richtung,  die 
ich  im  folgenden  gebe.  Es  sind  drei  erste  (unterste)  und  zwei  zweite 
Klassen  der  Münchener  Hilfsschulen  gewählt.  Die  Schüler  sind  in 
fbnf  OrOisengruppen  geteilt: 

Gröfse  A  =  0,93—1,07  m 

„       B  =  1,08-1,22  „ 

^       C  =  1,23-1,37    „ 

„       D  =  1,37-1,56  „ 

„       E  =    über  1,52   „ 

Nacb  dem  gegenwärtigen  Stand  ergeben  sich  die  folgenden 
Zahlen : 


KlASflfi 

Zahl  der  Schuler  mit  Gröfse 

SnininA 

A 

B 

C 

D 

£ 

Schule  BI 

1 

12 

4 

1 

— 

18 

«       KI 

2 

10 

4 

1 

— 

17 

»       SI 

4 

9 

5 

2 

— 

20 

n         BIX 

— 

8 

12 

7 

— 

22 

,       SU 

1 

3 

10 

4 

1 

19 

Sebulgeaiindheitepflege.  XVIIL 


18 

In  Klasse  B I  sind  demnaoh  1  A-  und  12  B-Grölsen,  in  E I 
dagegen  2  A-  and  10 B-Gröfsen,  in  S I  endlich  4  A-  und  9 BGröüsen, 
dafür  aber  eine  C-  und  eine  D-Bank  mehr  als  in  der  anderen  Klasse 
notwendig.  In  B II  ist  keine  A-Bank  notwendig,  während  Sil 
4  solche  braucht;  BII  benötigt  7  D  Grölsen,  SU  nur  4  D-Bänke, 
dafür  ist  hier  eine  E-Bank  notwendig,  die  sonst  keine  Klasse  brancht. 
Diese  kleine  Znsammenstellnng  spricht  deutlicher  für  die  grofsen 
Vorzüge  einer  verstellbaren  Bank  in  Hilfsklassen  als  viele  theore- 
tische Gründe. 

Ich  will  mich  daher  in  meinen  Ausführungen  beschränken,  und 
nur  noch  darauf  hinweisen,  dals  eine  in  Sitz,  Lehne  und  Tisch 
unabhängig  voneinander  verstellbare  Bank  sich  noch  sehr  bewährt 
in  den  Fällen,  wo  wir  es  mit  ganz  abnorm  gebauten  Kindern  zu 
tun  haben.  Jeder  Hilfsschullehrer  und  Hil£9schularzt  wird  unter 
seinen  Zöglingen  schon  ein  oder  den  anderen  gefunden  haben,  bei 
dem  Rumpf  und  Beine  ganz  unverhältnismäfsig  entwickelt  waren. 
Mit  festen  Bänken  kann  man  solchen  Schülern  behufs  Schaffung 
passender  Sitzgelegenheit  gar  nicht  entgegenkommen;  eigene  ortho- 
pädisch konstruierte  Bänke  für  jeden  Fall  zu  schaffen,  was  ja  gewils 
das  Ideal  wäre,  davor  werden  die  meisten  Stadtverwaltungen,  der 
greisen  Kosten  wegen,  sicher  zuräckscheuen.  Mit  der  verstellbaren 
Bank  haben  wir  aber  ein  Mittel  in  Hfinden,  dem  Bedürfiiis  des 
Schülers  wenigstens  einigermafsen  gerecht  zu  werden,  indem  sich 
beispielsweise  Sitz  und  Lehne  auf  Gröise  B,  der  Tisch  aber  auf 
Gröfse  A  bei  zu  geringer  Entwicklang  des  Oberkörpers  und  umge- 
kehrt einstellen  lassen.  Die  verschiedensten  Variationen  sind  hier 
zulässig,  und  damit  ist  die  gröfste  Möglichkeit  äuTserer  heilpäda- 
gogischer Hilfe  gegeben. 

Die  Erfahrungen,  die  ich  über  die  grofsen  Vorteile  der  ver- 
stellbaren Bank  gegenüber  den  festen  Modellen  persönlich  sammeln 
konnte,  haben  mich  hauptsächlich  bewogen,  mir  von  der  verehrliohen 
Redaktion  das  Wort  zu  erbitten.  Ich  wünsche  nur,  dafs  manchen 
Ärzten  und  Pädagogen,  die  vor  dem  Gutachten  über  die  für  die  Hilfs- 
schule auszusuchende  Bank  stehen,  mit  diesen  Ausführungen  ein 
kleiner  Dienst  für  die  Erleichterung  der  Wahl  getan  isi 


19 


Hu»  9trfümminn$tu  nuh  Dertitteit. 


Die  Hygiene  im  Dienste  der  Tanbstnnunenbildnng.  ^ 

Von 

Easl  Baldrian, 

HanpÜebrer  an  der  niederötterreiohitohen  Landes -Taabttummenrnnttalt 

in  Wien  XIX. 

Faust  man  die  für  die  Bildung  des  TaubBtummen  in  Betracht 
kommenden  Anregungen  des  I.  internationalen  Kongresses  fOr  Schul- 
liygiene  zusammen  und  zieht  daraus  die  fiesultierende,  so  findet 
man,  dafs  zur  Förderung  der  körperlichen,  geistigen  und  sittlichen 
Hygiene  in  der  Taubstummenbildung  dienlich  waren: 

1.  Gründliche  Untersuchungen  des  Leibes-  und 
Seelenzustandes  der  in  eine  Anstalt  neu  aufzunehmenden 
Zöglinge.  Dabei  wftre  besonderes  Augenmerk  auf  die  Beschaffenheit 
der  Lungen  der  Neulinge  zu  richten.  Li  Fällen  von  Lungen- 
aohwftohe  w&re  die  Aufnahme  der  Bewerber  aufzuschieben,  in  Fällen 
Ton  ansteckender  Lungenkrankheit  sind  die  Erkrankten  in  deren  und 
der  gesunden  Sander  Interesse  von  der  Aufnahme  abzuweisen. 

2.  Errichtung  von  Pflegeanstalten  für  noch  nicht 
schulpflichtige  taubstumme  Kinder  schwächlicher  Kon- 
stitution, um  sie  für  die  lungenanstrengende  Arbeit  der  Lautier- 
klasse zu  kräftigen.  Die  Aufnahme  in  die  erste  Klasse  der  Taub- 
stammenschule  hat  in  der  Regel  nicht  vor  dem  vollendeten  siebenten 
Lebensjahre  des  Kindes  zu  erfolgen. 

3.  Zur  Schonung  der  Sehkraft  der  taubstummen  Zöglinge 
ist  das  allerdings  nicht  gänzlich  entbehrliche  Abschreiben 
der  Schüler  möglichst  zu  beschränken.  Dies  kann  durch 
Sehafiung  brauchbarer  Lehrbücher  für  die  Hand  unserer  Schüler 
erreieht  werden.     Die  Stunden  für  weibliche  Handarbeiten  sind  zur 


*  Schloftfolgerangen,  abgeleitet  als  Endergebnisse  aus  dem  vom  Verfasser 
Zeilen  in  der  Plenarversammlang   des   Vereins   osterreichi- 
leber  Tanbstnmmenlehrer  am   6.  Norember  1904   erstatteten   ausfahr- 
Berichte  über  den  L  internationalen  Schulhygiene-Eongrefii  in  Nömberg. 

2* 


20 

Sohonnng  der  Augen  und  Lungen  der  Mädchen  anf  das  geringste 
Maus  herabzusetzen. 

4.  Jede  Tanbetummenanstalt  soll  nicht  nur  die  Anstellung 
eines  Ohrenarztes,  sondern  auch  die  eines  Augenarztes  an- 
streben. Dieser  hat  aufser  der  ununterbrochenen  Überwachung  des 
Augenzustandes  aller  Zöglinge  die  einzeben  Schüler  betreffs  Kurs- 
oder Übersichtigkeit,  Sehschwäche  infolge  Hornhauttrübung,  Astigmatis- 
mus, BetinitiB  pigmentosa  u.  ä.  zu  prüfen.  Diese  Untersuchungen 
können  —  nach  Professor  Dr.  Kohn- Breslau  —  nur  von  Augen- 
spezialisten ausgeführt  werden.  Die  Wichtigkeit  solcher  Unter- 
suchungen in  unseren  Anstalten  erhellt  daraus,  daJs  mehr  als  30  Vo 
der  Taubstummen  Augenfehler  und  Sehstörungen  aufweisen. 

6.  Sämtliche  Bäume  einer  Taubstummenanstalt,  in  welchen  die 
Zöglinge  die  Abendstunden  yerbringen,  sind  mit  dem  besten  künst- 
lichen Lichte  auszustatten. 

6.  Die  Scheidung  unserer  Schüler  nach  „Fähig- 
keiten**  ist  überall,  wo  sich  hierzu  Gelegenheit  bietet,  wie  z.  B. 
dort,  wo  sich  Parallelklassen  finden,  tatsächlich  durchzuführen,  da 
sie  für  die  sprachlich -geistige  Ausbildung  wichtiger  ist,  als  die 
Trennung  der  Zöglinge  nach  vollständiger  Taubheit  und  Gehörresten. 

7.  Auch  für  die  Erziehung  der  Taubstummen  hat  der  Grundsats 
der  Koedukazion,  der  von  der  weitaus  grölsten  Zahl  der  Kon- 
gressisten  anerkannt  wurde,  volle  Berechtigung.  Damit  stimmt  auch 
die  Ansicht  hervorragender  Taubstummenpädagogen  überein. 

8.  Besonders  talentierten  Schülern  sollte  die  Möglichkeit 
geboten  werden,  ihren  Fleifs  zur  Erwerbung  von  Spraeh- 
und  Sachkenntnissen  länger  betätigen  zu  können,  als  es 
jetzt  der  Fall  ist.  Dies  könnte  dadurch  geschehen,  dais  zweien 
oder  dreien  der  für  sprachliche  Ausbildung  besonders  geeigneten 
Schülern  nach  den  obligaten  Jahreskursen  noch  ein  Jahr  zur  Weiter- 
bildung zugestanden  würde.  Durch  eine  solche,  der  Gerechtigkeit 
entsprechende  Malsnahme  könnte  manchem  Zöglinge  eine  groise 
Wohltat  erwiesen  werden.  Zugleich  würde  die  Taubstummen- 
bildungssache in  den  Augen  der  Welt  gewinnen,  da  gezeigt  werden 
könnte,  dais  mit  talentierten  Schülern  bei  dem  nötigen  Zeit-  und 
Kraftaufwande  glücklichere  Besnltate,  als  es  die  durchschnittlichen 
sind,  erzielt  werden  könnten.  Der  Lehrplan  für  einen  solchen  „ Aus- 
bildungskurs"  müfste  ein  vollständig  freier,  die  zur  Verfügung  stehende 
Zeit  dem  Sprechen,  der  Konversation  und  der  Lektüre  (aus  allen 
Gebieten,  besonders  Zeitungen)  wie  dem  Aufsatz  gewidmet  sein. 


9.  Ärztliche  unter suohaii gen  der  austretenden  Zög- 
linge in  Anwesenheit  der  Eltern  ist  zu  wünschen,  um 
den  nicht  selten  kränklichen  oder  schwächlichen  Abiturienten  saoh- 
gemälsen  Kat  für  die  Berufswahl  erteilen  zu  können. 

10.  Für  die  aus  der  Schule  entlassenen  Taubstummen  sollten 
nicht  nur  in  allen  Taubstummenschulen  Fortbildungsschulen  ein- 
gerichtet werden,  sondern  es  sollten  auch  an  Orten,  wo  sich  eine 
Zahl  taubstummer  Lehrlinge  findet,  aber  keine  Taubstummenschule 
besteht,  fOr  deren  Weiterbildung  durch  YolksschuUehrer  in  beson- 
deren Kursen  gesorgt  werden.  Als  Leiter  für  solche  Kurse  würden 
sich  TOT  allem  solche  Lehrer  eignen,  die  an  der  Lehrerbildungs- 
anstalt einen  Kurs  über  Taubstummenpädagogik  gehört  haben. 

11.  Jede  Anstalt  sollte  mit  ihren  Zöglingen  nach 
deren  Scheiden  aus  der  Bildungsstätte  in  Fühlung  blei- 
ben, da  der  Taubstumme  ungleich  mehr  als  der  VoUsinnige  des 
Batee  seiner  Erzieher  bedarf,  die  ihn  und  sein  Wesen  oft  tiefer 
kennen  als  die  leiblichen  Eltern  und  eher  wissen,  was  ihnen  from- 
men mag.  Auch  die  Wissenschaft  könnte  aus  dieser  Fühlungnahme 
manchen  Nutzen  ziehen,  der  schlieMich  wieder  den  Gehörlosen 
zustatten  käme. 

12.  Besonderer  Fürsorge  bedürfen  elternlose  Taub- 
stumme Jahre  hindurch  noch  nach  ihrem  Austritte  aus 
der  Schule,  um  das  Werk  der  Seelenrettung  nicht  auf  halbem 
W^ge   dem  häufig  nicht  günstig  wirkenden  Zufalle  zu  überlassen. 

13.  Endlich  wäre  für  die  Versorgung  erwachsener  Taub- 
stummen —  ein  bis  jetzt  stiefmütterlich  bedachtes  Gebiet  —  in 
ausreichender  Weise  Fürsorge  zu  treffen. 

Möge  die  eine  oder  andere  dieser  Anregungen  hier  und  dort 
recht  bald  Verwirklichung  finden  —  manche  derselben  bedürfen  hierzu 
nur  des  guten  Willens  der  mafsgebenden  Faktoren  —  zu  Nutz  und 
Frommen  aller  jener,  fOr  welche  die  sang-  und  klangfrohe  Welt  in 
endloses,  tiefes  Schweigen  gehüllt  isti 


flUitiere  Jtitteilitttjtit* 


über  Anzahl  und  Lage  der  Tamrkanie  in  starkbeanekteH 
Schulen  spricht  sich  Inspektor  HEasGHHANN-Manchen  in  der  „Jtfonafeacftr. 
/.  d.  T\imw."  (H.  7/8)  ans.  Er  formuliert  seine  Fordemngen  folgender- 
maCsen: 

Jede  Schale  braucht  ihren  eigenen  Tnmsaal.  FOr  Schalen  mit  weniger 
als  26  Tomstanden  io  der  Woche  genttgt  ein  Tomranm,  fOr  Schalen  mit 
mehr  als  26  Tarnstanden  sind  jedoch  zwei  Tarnränme  and  flir  Schalen 
mit  mehr  als  52  Tarnstaoden  drei  Tarnränme  nötig.  Ein  einziger,  noch 
so  grofser  Tararaum  wird  zwei  oder  drei  kleinere,  den  AnfordeniDgen  dea 
Kiassenanterrichts  entsprechende  Tarnränme  niemals  ersetzen,  and  es  kann 
vor  der  Erbanang  grofser  Tnmräame,  wofern  dabei  die  Absicht  besteht, 
in  denselben  zwei  oder  mehrere  Klassen  nnter  zwei  oder  mehreren  Lehrern 
gleichzeitig  unterrichten  zn  lassen,  nicht  genug  gewarnt  werden. 

Wo  voraussichtlich  ein  Tnmsaal  genügt,  da  errichte  man  fftr  den- 
selben entweder  ein  eigenes  Gebäude  oder  einen  Anbau.  Von  der 
Unterbringung  des  Tumsaales  im  Schulgebäude  selbst  ist  sowohl  wegen  der 
dadurch  erfolgenden  Störung  des  Unterrichts,  als  auch  deshalb  abzuraten, 
weil  es  der  Bauplan  und  die  ganze  Konstruktion  des  Gebäudes  nur  in  den 
seltensten  Fällen  erlauben,  dem  Turnraum  diejenige  Gröfse  und  Höhe  zu 
geben,  die  für  den  Turnunterricht  gefordert  werden  müssen. 

Sind  zwei  Turnräume  nötig,  so  trachte  man  zunächst  danach,  dafs 
dieselben  ebenfalls  in  einem  eigenen  Gebäude,  nebeneinander 
zu  liegen  kommen.  Nur  ausnahmsweise,  wenn  andere  gewichtige  Gründe 
als  der  hohe  Bodenpreis  gegen  eine  solche  Anlage  sprechen,  gebe  man  sich 
zufrieden,  wenn  die  Turnräume  übereinander  gelegt  werden.  (Diese  Kon- 
zession sollte  nach  unserer  Ansicht  gar  nicht  gemacht  werden.     D.  Red.) 

Yortänschnng  von  Myopie  bei  Schalkindern.  Einer  diesbezüg- 
lichen Mitteilung  Ton  Dr.  FEILGHENFELD-Charlottenburg  in  der  „D.  med. 
Wochenschr.*^  entnehmen  wir  folgendes: 

Seitdem  zahlreich  in  den  gröfseren  Städten  Schulärzte  die  Kinder 
regelmäfsig  beobachten  und  dafür  sorgen,  dafs  rechtzeitig  schwachsichtige 
Schüler  dem  Augenarzte  zugeführt  werden,  mehren  sich  die  Fälle,  da  Kinder 
mit  der  Aufforderung,  ihnen  eine  Brille  zu  verordnen,  in  die  Sprechstunde 
des  Augenarztes  kommen,  bei  denen  der  Arzt  eine  Refraktionsanomalie 
nicht  findet.  Die  Kinder  erklären,  nicht  deutlich  sehen  zu  können,  und 
haben  bei  der  üblichen  Schnellprüfung  in  der  Schule  mit  den  GOHKschen 
Tafeln  oder  ähnlichen  Leseproben  dem  Schularzte  nur  eine  sehr  geringe 
Sehfähigkeit  zugestanden.  Sie  haben  oft  bereits  yor  der  Prüfung  durch 
den  Arzt  vom  Lehrer  einen  Platz  auf  einer  vorderen  Bank  verlangt,  weil 
sie  nicht  genügend  deutlich  zur  Tafel  sehen  konnten.  Bei  der  subjektiven 
Untersuchung  geben  sie  zumeist  zunächst  kaum  Ve  Sehschärfe  zu;   wenn 


28 

sie  dann  ein  Brillengestell  mit  Blende  fftr  das  eine  Ange  erhalten  nnd 
nicht  sicher  sind,  ob  anf  der  anderen  Seite  ein  Glas  eingesetzt  ist,  so 
genügt  h&nfig  aUein  dieses,  am  für  jedes  Ange  einzeln  volle  Sehschärfe  ta 
erhalten.  Zuweilen  erh&lt  man  nor  dnrch  vorgesetzte  Konkavgläser  gute 
Sehschärfe;  wenn  man  sich  aber  gewöhnt  hat,  stets  —  bei  Kindern  be- 
sonders —  von  dem  erhaltenen  Glase  wieder  herabzogehen,  nm  zn  ver- 
suchen, ob  ein  schwächeres  Glas  nicht  gleichen  Yisns  erzielen  läfst,  so  findet 
man  oft,  dab  volle  Sehschärfe  nnd  mehr  sogar  auch  bei  Plangläsem  zu- 
gestanden wird.  Bei  der  Nebenprflfang  findet  man  in  den  meisten  FfiUen, 
dafe  kleinster  Dmck  in  ca.  7 — 25  cm  Entfernung  gut  gelesen  wird;  nur 
selten  wird  ftlr  die  Nähe  Amblyopie  angegeben  und  nur  gröberer  Druck 
mit  Mfihe  gelesen. 

Die  objektive  Refraktionsbestimmung  sichert  den  Befund  von  Emme* 
tropie  oder  Itlhrt  auch  öfter  überhaupt  erst  zur  Klarstellung  der  Yerhält- 
msse.  Zumeist  genügt  es  dann,  den  Kindern  ein  unschuldiges  Umschlag- 
wasser oder  eine  nicht  reizende  Einträufelnng  zu  geben  mit  der  Angabe, 
dab  das  schlechte  Sehen  durch  einen  Katarrh  bedingt  war  und  in  kurzer 
Zdt  nach  Beseitigung  desselben  gute  Sehkraft  geschaffen  würde.  Zuweilen 
jedoch  sind  die  Angaben  hartnäckiger  und  infolgedessen  die  Sicherung  der 
Diagnose  schwieriger,  auch  eine  stärkere  suggestive  Beeinflussung  des 
Kindes  notwendig.  Der  Wunsch,  eine  Brille  zu  tragen,  sich  dadurch  inter- 
essant zn  machen  und  mehr  noch,  die  besondere  Aufmerksamkeit  der  Lehrer 
anf  sich  zu  lenken,  ist  wohl  der  Grund  zu  dieser  Vortäuschung  einer 
Myopie.  Es  gehört  das  entschieden  mit  hinein  in  das  grofse  Gebiet  der 
Hysterie,  wofür  auch  besonders  spricht,  dals  anscheinend  es  sich  zumeist 
dabei  nm  Mädchen  handelt. 

Man  mu(s  nun  aber  die  Hysterie  in  solchen  Fällen  nicht  etwa  tragisch 
nehmen,  denn  Kinder  schauspielern  leicht  ein  wenig,  und  wenn,  wie  so 
hän%,  nur  ein  solches  einzelnes  Symptom  auftritt  ohne  andere  Zeichen  von 
Hysterie,  so  hat  das  auch  prognostisch  kaum  Bedeutung.  Man  tut  darum 
auch  gut,  die  Bezeichnung:  „Sehstömng  durch  Autosuggestion^  dafür  zu 
wählen,  was  eben  bei  der  leichten  Suggestibilität  der  Kinder  nichts  präjudiziert. 

Die  Diagnose  wird,  wenn  man  sorgfältig  in  der  angegebenen  Weise 
mitersucht  und  auch  die  objektive  Refraktionsbestimmung  nicht  vergilst, 
wohl  zumeist  leicht  gestellt  werden.  Allerdings  bei  der  Massenuntersuchung 
in  der  Schule  werden  die  Fälle  kaum  erkannt  werden;  auch  dürfte  doch 
wohl  genügende  Übung  in  der  Augenuntersuchung  zur  richtigen  Beurteilung 
derartiger  Kinder  notwendig  sein. 

Die  Heilung  ist  bei  der  geschilderten  Sehstömng  stets  durch  Suggestion 
mehr  oder  minder  leicht  zu  erzielen.  Man  mag  zunächst  flür  die  leichteren 
Fälle  es  mit  Augenduschen,  Kompressen,  Einträufelungen  usw.  versuchen, 
bei  hartnäckigen  Fällen  wird  der  faradische  Strom  gute  Dienste  tun. 
Ruhiger  Zuspruch  und  sicheres  Auftreten  in  der  Beurteilung  der  ge- 
machten Angaben  werden  stets  wesentlich  sein.  Zu  warnen  ist  davor, 
dals  man  die  Kinder  kopfscheu  mache,  sie  anschreie  und  als  Lügner  be- 
zeichne; es  würde  aus  dem  Grunde  auch  im  allgemeinen  sich  empfehlen, 
selbst  den  Eltern  nicht  die  Sachlage  klarzumachen,  noch  weniger  dem  Lehrer, 
am  das  Kind  vor  unverdienten  Vorwürfen  oder  Strafen  zu  schützen,  die 


34 

weit  mehr  schaden  als  nützen  können.  Es  dttrfte  zumeist  schwer  seio,  zu 
verhindern,  daüs  ein  Symptom,  das  immerhin  etwas  Psychopathologiscbes 
an  sich  hat,  als  Lttge  und  Ungezogenheit  von  den  Erziehern  anfgefalst  wird. 
Den  Schnlftrzten  aber  ist  die  Kenntnis  der  Sachlage  nicht  yorznenthalten, 
und  ihre  Aufmerksamkeit  ist  solchen  Fällen  besonders  znznlenken. 

Sehule  and  Auge.  Einem  Referate  von  Dr.  BoNDi-Iglan  auf  der 
76.  Versammlang  deutscher  Naturforscher  und  Ärzte  entnehmen  wir  fol- 
gendes: Referent  hat  die  Schüler  der  vier  Haupttypen  der  österreichischen 
Schulen  (Volks-,  Bürger-,  Realschule  und  Gymnasium)  einer  eingehenden 
angenärztlichen  Untersuchung  unterzogen.  Die  Ergebnisse  dieser  Unter- 
suchung, welche  nahezu  1000  Schüler  betraf,  zeigen,  dafs  die  Zahl  der 
Kurzsichtigen  von  der  Volksschule  (4%)  zum  Obergymnasium  (31%)  stetig 
steigt.  Es  finden  sich  im  Durchschnitt  Kurzsichtige:  in  der  Volksschule 
4%,  Bürgerschule  11 7o,  Unterrealschule  11%,  Untergymnasium  14%, 
Oberrealschule  22  %,  Obergymnasinm  31  %.  Aulserdem  wurde  festgestellt, 
daCi  der  Grad  der  Kurzsichtigkeit  von  den  unteren  zu  den  höheren  Klassen 
ebenfalls  zunimmt.  Die  Hauptuntersuchungen  richteten  sich  nun  aber  auf 
die  wahre  Sehschärfe.  Im  Durchschnitt  hatten  85%  aller  untersuchten 
Äugen  eine  gute  Sehschärfe,  und  zwar  stieg  die  Sehschärfe  mit  der  Daner 
des  Schulbesuches,  d.  h.  von  79%  in  der  Volksschule  auf  97%  im  Ober- 
gymnasium. Mit  der  Zunahme  der  Kurzsichtigkeit  in  den  Schulen  stieg 
gleichzeitig  auch  die  Sehschärfe,  allerdings  nach  Korrektion  durch  Brillen. 
Als  Ursache  für  die  Herabsetzung  der  Sehschärfe  mufs  in  erster  Linie  der 
Astigmatismus,  die  unregelmäfsige  (angeborene)  Homhaatkrümmung  angesehen 
werden,  femer  die  Übersichtigkeit  und  Narben  nach  durchgemachten  Horn- 
hautentzündungen. Die  Kurzsichtigkeit  nimmt  nur  mit  einem  verschwin- 
denden Bruchteile  an  der  Herabsetzung  der  Sehschärfe  teil,  während  die 
Übersichtigkeit  viermal  so  häufig  als  Ursache  für  diese  Herabsetzung  zu 
betrachten  ist.  Bondi  kann  auf  Grund  seiner  Untersuchungen  von  einer 
Gefahr,  welche  den  Schülerangen  in  bezug  auf  die  absolute  Sehschärfe 
durch  die  Kurzsichtigkeit  droht,  nicht  sprechen.  Referent  verlangt  eine 
alljährliche  Untersuchung  der  Schülerangen  durch  geschulte  Augenärzte. 
Darin  sowie  in  der  Bekämpfung  von  hygienischen  Mängeln  in  den  Schulen 
liege  der  groijse  Vorteil  der  Schulaugenärzte  und  nicht  in  dem  aussichts- 
losen Kampfe  gegen  das  Auftreten  der  nach  Bondis  Ansicht  harmlosen 
Schulkurzsichtigkeit.     (?   D.  Red.) 

Alkoholgennfs  schulpflichtiger  Kinder.  Eine  neue  Erhebung 
hierüber  ist  von  Lehrer  Walteb  in  der  Stadt  Ulm  und  von  Lehrer 
Scheu  im  Landbezirke  Ulm  im  Sommer  1901  vorgenommen  worden. 
Die  Enquete  betraf  2608  Kinder  der  evangelischen  Volksschulen  in  Ulm 
und  1901  Kinder  im  Landbezirk,  zusammen  3699  Kinder.  Die  Ergebnisse, 
zu  deren  Erhebung  Fragebogen  dienten,  sind  in  nachfolgender  Tabelle 
niedergelegt,  die  wir  der  ^Enthaltsamkeit^  (Okt.  1903)  entnehmen. 

Die  2608  Kinder  der  evangelischen  Volksschulen  —  sagt  Waltee  — 
verbrauchen  täglich  etwa  600  1  geistige  Getränke;  das  macht  im  Jahre 
2190  hl.  Diese  Menge,  das  hl  zu  rund  18  Mark  berechnet,  hat  einen 
Wert  von  über  39000  Mark.  Wenn  die  Kinder  die  für  dieses  Gift  aut- 
gewendete Summe,   welche  auf  das  einzelne  Kind  berechnet  jährlich  über 


25 


Stadt       1  Landbezirk  1  Im  ganzen 

Abs. 

7o       Abs. 

Vo       Abs. 

Vo 

Kindenahl 

2608 

—       1901 

-       3699 

— 

Wer  hat  noch  nie   alkoholhaltige 
Getränke  (Wein,  Bier,  Most,  Brannt- 
wein) getrunken? 

12 

0,4 

2 

0,19         21 

0,38 

Wer  mag  keines  derselben  gern?        853 

13,4 

14 

1,01       364 

9,84 

Wer  trinkt  selten  solche  Getränke 
(etwa  blo/s  bei  besonderen  Gelegen- 
heiten?) 

617 

19,8 

61 

5,59 

578 

15,63 

Wer  bekommt  solche  Getränke  als 
Arznei? 
a)  auf  äntliches  Anraten? 

66 

2,5 

4 

0,36 

70 

1,89 

b)  ohne  das?                                          70 

2,6 

— 

— 

— 

— 

Wer  trinkt  von  diesen  Getränken 
a)  täglich  mehr  als  Vs  1? 

128 

4,9 

638 

58,47 

766 

20,70 

b)  täglich  etwa  V«  1  ? 

271 

10,3 

176 

16,14 

447 

12,08 

e)  täglich  etwa  V«  1? 

1085 

41,6 

131 

12,00 

1216 

32,86 

d)  täglich  weniger  als  V«  l? 

798 

30,5 

80 

7,83 

878 

23,73 

Wer  bekommt  hauptsächlich 
a)  Bier? 

898 

84,4 

319 

29,24 

1217 

32,86 

b)  Most? 

1174 

45,0 

736 

67,55 

1910 

51,62 

c)  Wein? 

54 

2,0 

1 

0,01 

55 

1,49 

Wer  hat  a)  noch  nie  Branntwein 
getrunken  ? 

372 

14.2 

280 

25,66 

652 

17,62 

b)  l~2mal  jährlich? 

1416 

54,2 

618 

56,64 

2034 

58,97 

c)  öfters? 

355 

13,5 

181 

16,59 

536 

14,48 

Wer  bekommt  zum  Mittagessen 
alkoholhaltige  Getränke? 

1050 

40,2 

626 

57,87 

1676 

45,29 

Wer  bekommt  (aulser  zum  Kaffee) 
Milch 
a)  täglich? 

816 

31,2 

607 

55,63 

1423 

38,46 

b)  wöchentlich  etwa  2 mal? 

1006 

38,5 

281 

21,17 

1237 

33,43 

c)  selten? 

390 

14,9 

174 

15,93 

564 

15,24 

d)  nie? 

381 

14,6 

73 

6,69 

554 

15,00 

Wer   weifs   Fälle,    wo   noch   nicht 

•chnlpfiiohtige  Kinder  alkoholhaltige 

Getränke  bekommen? 

472 

— 

346 

— 

818 

— 

26 

15  Mark  betrftgt,  der  Schnl^arkasse  übergeben  wflrden,  so  hätte  jedes 
ohne  die  Zinsen  am  Ende  des  7.  Schuljahres  über  100  Mark! 

Mit  Sorge  mnb  natürlich  jeden  Freund  der  Jagend  die  Tatsache  er- 
fiOllen,  da&  über  10%  tftglich  etwa  ^/i  1  und  beinahe  5^/^  noch  mehr 
alkoholhaltige  Oetr&nke  genieben,  sowie  dsSs  ein  bedeutender  Prozentsatz 
der  Kinder  öfters  Branntwein  trinkt. 

Sehwachbefähigte  Schüler  gibt  es  bekanntlich  nicht  nur  in  den 
Gemeindeschulen,  die  für  sie  ihre  Nebenklassen  haben,  sondern  auch  in 
den  höheren  Lehranstalten.  Wie  grofs  in  diesen  die  Zahl  der  zurück- 
gebliebenen Schüler  ist,  zeigt  eine  im  r,Berliner  Statistischen  Jahrbuch^  mit- 
geteilte Zusammenstellang  über  die  städtischen  Anstalten.  Da  findet  man 
in  beinahe  allen  Klassen,  yon  der  untersten  Vorschulklasse  bis  hinauf  znr 
Oberprima,  nicht  blofs  dritte  Semester,  sondern  vielfach  auch  vierte  und 
vereinzelt  sogar  fünfte.  Im  Schuljahre  1903/04  wurden  nach  Eröffnung 
des  Winterhalbjahres  an  den  stadtischen  Gymnasien,  Realgymnasien  und 
Oberrealschulen  nebst  Vorschulen  1132  Schüler  dritten  Semesters,  270 
vierten  Semesters  und  12  fünften  Semesters  gezählt,  ungerechnet  diejenigen 
Schüler  dritten,  vierten  und  fünften  Semesters,  die  in  ungeteilter  Prima 
safsen.  Diesen  Verhältnissen  entsprechend  war  auch  das  Höchstalter  der 
Schüler.  Es  reichte  z.  B.  in  der  untersten  Vorschulklasse  (1.  Schuljahr) 
bis  zum  9.  Lebensjahre  hinauf,  in  der  obersten  Vorschulklasse  (3.  SchuUahr) 
bis  zum  12.  Leben^ahre,  in  der  Sexta  (4.  Schuljahr)  bis  zum  14.  Lebens- 
jahre, in  der  Untertertia  (7.  Schuljahr)  bis  zum  18.  Lebensjahre,  in  der 
Untersekunda  (9.  Schu^ahr)  bis  zum  20.  Lebensjahre.  In  diesen  schlimmsten 
Fällen  dürften  allerdings  wohl  noch  andere  Umstände  mitsprechen,  häufige 
Krankheit,  mehrfacher  Schulwechsel  usw. 

Über  die  Speisung  der  Pariser  Tolkssehnlkinder  handelt  ein 
Aufsatz  des  „Lancet^  vom  17.  Septbr.  1904.  Verfasser  will  durch  die 
Schilderung  der  Geschichte  und  Organisation  der  Pariser  „Cantines 
scolaires"^  seinen  Landsleuten  nahelegen,  ähnlich  vorzugehen.  Alltäglich 
kämen  in  London  angeblich  etwa  50000  Kinder  ohne  Frühstück  zur 
Schule.  Die  wenigen  Suppenküchen,  welche  wohltätige  Leute  an  verschie- 
denen Schulen  armer  Viertel  eingerichtet  hätten,  könnten  da  wenig  helfen. 
Es  sei  Pflicht  des  Staates,  nach  einheitlichem  Plan  vorzugehen,  um  der 
drohenden  körperlichen  Entartung  weiter  Volksschichten  vorzubeugen. 

In  Frankreich  hat  ein  Unterrichtsgesetz  vom  10.  Febr.  1867  die  Bil- 
dung von  Schulfonds  angeordnet,  welche,  aus  freiwilligen  Gaben,  Legaten, 
kommunalen  und  staatlichen  Geldern  gesammelt,  dazu  verwandt  wurden, 
bedürftige  Schüler  zu  kleiden,  fleifsigen  Schülern  Belohnungen  auszusetzen 
und  so  einen  Anreiz  zum  Besuche  der  Schule  auszuüben.  Erst  das  Gesetz 
vom  28.  März  1882  führte  den  allgemeinen  Schulzwang  ein  und  machte 
die  Gründung  von  Schulfonds  allen  Gemeinden  zur  Pflicht.  Diese  wurden 
nunmehr  frei  zur  Verwendung  für  Nahrung,  Kleidung  und  Erholungs- 
einrichtungen Bedürftiger.  Beiläufig  sei  erwähnt,  dafs  die  Stadt  Paris 
jährlich  rund  200000  Francs  an  20  Schulen  für  Schulausflüge  und  Ferien- 
kolonien verteilt.  Jeder  Schulfonds  hat  nun  in  der  Regel,  entsprechend 
seinen  drei  obengenannten  Aufgaben,  drei  Komitees,  in  denen  die  kommu- 
nalen und  staatlichen  Beamten  zusammen  mit  den  Vertretern  der  privaten 


27 

Beitragszahler  arbeiten.  Zonftchst  schien  die  Hilfe  mancher  weiblicher, 
auch  kirchlicher  Wohltätigkeitsvereine  erwtlnscht.  Aber  hier  wie  bei  so 
Tiden  ähnlichen  Gelegenheiten  zeigte  sich,  dars  Beanfsichtigang  beim 
Volke  auf  Widersprach  störst,  der  freie  Bürger  will  keine  Almosen  haben. 
Man  stellte  deshalb  in  Paris  weibliche  Aufseher  an,  welche  darauf  sehen 
mOssen,  dafs  die  Eltern  ihre  Pflicht  tnn,  da&  aber  auch  jedes  Kind  sein 
Becht  bekommt.  Sie  fahren  eine  Legitimation  bei  sich  and  müssen 
wenigstens  einmal  wöchentlich  die  Scholen  besichtigen.  Ihrem  sachver- 
ständigen Beirat  ist  es  zn  danken,  dab  die  Kosten  der  Speisang  znrflck- 
gegangen  sind,  ohne  da(s  deren  Güte  gelitten  hätte.  Nadi  verschiedenen 
Yersnchen  wird  jetzt  allgemein  am  11  Uhr  30  vormittags  für  15  Centimes 
eine  warme  Kost  (Sappe  mit  20 — 30  g  Fleisch  und  Gemüse)  verabreicht, 
auf  Anordnung  der  Schulärzte  nötigenfalls  eine  gröfsere  Portion,  auch 
Stärkungsmittel,  wie  Lebertran  u.  a.  Jedes  Kind  kann  sein  mitgebrachtes 
Frühstück  verzehren,  das  warme  Schulfrühstück  ist  aber  natürlich  beliebter. 
Alle  Kinder  essen  gemeinsam  mit  den  Aufseherinnen.  Jedes  erhält  eine 
Quittung,  auch  das  arme,  welches  Freischein  hat  oder  weniger  bezahlt, 
um  Mifsbräuche  zu  vermeiden,  werden  die  Familien  letzterer  besonders 
scharf  kontrolliert.  Nur  in  Ausnahmefällen  wird  den  ärmsten  beim  Ein- 
tritt in  die  Schule  noch  ein  Butterbrot  gegeben,  und  erhalten  Kinder,  die 
ans  häuslichen  Gründen  bis  spät  nachmittags  in  der  Schale  beaufeichtigt 
werden  müssen,  dann  noch  ein  belegtes  Brot.  Es  braucht  nicht  besonders 
hervorgehoben  zu  werden,  dafs  die  Kantinen  selbst  Muster  von  Sauberkeit 
imd  schmackhafter  Zubereitung  der  Speisen  sind.  Letzteres  begeistert 
begreiflicherweise  den  Engländer  besonders,  uns  Deutschen  wird  es 
dniges  Kopfzerbrechen  machen,  wenn  wir  hören,  dafs  natürlich  die  private 
Wohltätigkeit  nicht  entfernt  imstande  ist,  die  Kosten  zu  decken,  dafs  viel- 
Bidir  die  Stadt  Paris  allein  jährlich  1000000  Francs  Subvention  zahlen 
muis.  (Mitget.  von  Physikus  Dr.  Sieveking- Hamburg.) 

Ein  Zentralverein  fBr  Kinderheilnngs-  and  Ferienkolonien  ist 
in  den  Niederlanden  gegründet  worden.  Derselbe  will  Propaganda  machen 
far  diese  schöne  Aufgabe,  welche  bezweckt,  die  Gesundheit  der  schwachen 
Kinder  zu  stärken,  und  ihr  sittliches  und  körperliches  Wohlbefinden  zu 
fördern,  indem  man  ihnen  Gelegenheit  gibt,  längere  Zeit  hindurch  die  reine 
Luft  einer  gesunden  Gegend  zu  genieisen.  Dies  will  der  Zentralverein 
erreichen:  a)  durch  Förderung  des  Zusammenwirkens  von  Vereinen  und 
Einzelpersonen,  welche  das  gleiche  Ziel  haben  und  dasselbe  mit  gleichen 
IfiUeln  zu  erreichen  suchen;  b)  durch  Neugründung  von  Vereinen,  welche 
dieses  Ziel  verfolgen,  sowie  durch  Erteilen  von  Bat  und  Auskunft  an 
solche  Vereine  und  Personen;  c)  durch  mündliche  und  schriftliche  Propa- 
ganda für  Kinderheilnngs-  und  Ferienkolonien;  d)  durch  Gründung  eigener 
Heflungs-  und  Ferienkolonien.      (Mitget.  von  Dr.  med.  MOUTON-Haag.) 

Ffirsorge  fBr  achwaehsinnise  und  nervenkranke  Schulkinder  in 
lilland«  Zu  diesem  Zwecke  ist  hier  vor  kurzem  ein  Verein  von  Lehrern 
and  Ärzten  gegründet  worden.  Der  Verein  will  durch  gegenseitige  Be- 
sprechungen die  Methoden  für  den  diesen  Kindern  zu  erteilenden  Sonder- 
mterricht  verbessern  und  zu  gleicher  Zeit  das  Interesse  für  derartige 
Sdralen    beim   Publikum   und   bei  den  Behörden  wachrufen.     Alle  Lehr- 


28 

kräfte,  welche  solche  Kinder  unterrichten,  sind  dem  Verein  beigetreten 
An  der  Spitze  desselben  steht  ein  Komitee;  Präsident  ist  D.  Köhleb, 
Schnlyorsteher  nnd  Leiter  der  Abteilungen  für  schwachsinnige  Kinder  zu 
Rotterdam,  Vizepräsident  Dr.  P.  H.  Lamberts,  Arzt  am  Medizinisch- 
Pädagogischen  Institut  zu  De  Bilt  bei  Utrecht,  Sekretäre  die  Herren 
A.  J.  Sghbendeb,  Direktor  des  Medizinisch -Pädagogischen  Instituts  zu 
De  Bilt,  und  C.  de  Haan,  Lehrer  in  den  Abteilungen  für  schwach- 
sinnige Kinder  zu  Rotterdam;  Kassenhttterin  Frl.  M.  BABBEYEiiB-BuTE, 
Lehrerin  an  den  Schulen  des  «Vereins  für  schwachsinnige  und  mangelhaft 
sprechende  Kinder"  zu  Amsterdam.  Der  Präsident  und  die  beiden 
Sekretäre  stellen  sich  gern  zur  Verfügung,  an  Interessenten  auf  diesem 
Gebiete  Auskunft  zu  erteilen.      (Mitget.  von  Dr.  med.  MouxoN-Haag.) 

Ober  die  Diphtherie  in  den  Schalen  Londons  sprach  Thomas 
in  der  72.  Jahresversammlung  der  British  Medical  Association  zu  Oxford. 
Nach  einer  Mitteilung  der  ^Münch.  med.  Wochenschr,^  (1904,  Nr.  37) 
verlangt  er,  dalis  alle  Elementarschulen  einer  hygienischen  Behörde  unter- 
stellt werden.  Wenn  auf  Grund  ausgedehnter  bakteriologischer  Unter- 
suchungen nicht  nur  die  diphtheriekranken,  sondern  auch  alle  diphtherie- 
verdächtigen Kinder  isoliert  werden,  dann  gelingt  es,  die  Krankheit  zu 
bekämpfen,  ohne  dals  die  Schulen  geschlossen  werden  müssen. 

(Mitget.  von  Dr.  GÖTZ-München.) 

Ein  pädagogisches  Institut  fBr  nervöse,  schwachsinnige  ud 
krankhafte  Kinder  wurde,  wie  Dr.  Matagne  in  der  y^PoUcUnique  centr.*" 
mitteilt,  im  Oktober  in  unmittelbarer  Nähe  von  Brüssel  eröffnet.  Auf- 
nahme finden  in  demselben:  1.  die  einfach  nervösen  Kinder,  2.  die  Kinder 
mit  Krankheiten  des  Nervensystems,  Lähmungen,  Aufregungszuständen  usw., 
3.  die  unlenksamen  oder  undisziplinierten  Kinder,  4.  die  Kinder,  die  in 
ihrer  Intelligenz  zurückgeblieben  sind  und  infolgedessen  mit  dem  Durch- 
schnitt der  normal  veranlagten  Kinder  nicht  gleichen  Schritt  halten  können, 
5.  die  Kinder  mit  Sprachstörungen ;  6.  die  Kinder  mit  nicht  kontagiösen, 
chronischen  Krankheiten,  wie  Knochen-,  Gelenkaffektionen  usw.,  die  eine 
zeitraubende  langwierige  Behandlung  erfordern,  so  dais  es  den  Kindern 
unmöglich  ist,  dem  Unterricht  in  der  Normalschule  zu  folgen.  Aus- 
geschlossen von  der  Au&ahme  sind  Idioten  und  Kinder  mit  ansteckenden 
Krankheiten.  Die  beiden  Geschlechter,  sowie  die  verschiedenen  Kategorien 
der  Zöglinge  sind  voneinander  getrennt.  An  dem  Institute  wirken  anfser 
Dr.  Matagne,  der  die  ärztliche  Oberleitung  hat,  ein  Spezialarzt  für 
Nervenkrankheiten  und  ein  Orthopäde.  Die  Pflege  hat  ein  katholischer 
Schwesternorden  übernommen.  (Mitget.  von  Dr.  GÖTZ-München.) 

Über  die  körperlichen  Übungen  der  Kinder  schreibt  ein  un- 
genannter Verfasser  im  „f/ourw.  des  praiicims,^ ,  1904,  Nr.  40:  „Gleichwie 
bei  uns  scheint  auch  in  Frankreich  der  Turnunterricht  vielfach  nicht  in 
der  richtigen  Weise  betrieben  zu  werden.  In  dem  vorliegenden  Artikel 
wenigstens  wird  darüber  geklagt,  dafs  in  den  Turnstunden  an  den  Schulen 
hauptsächlich  Gerätturnen  geübt  wird,  das  zwar  eine  gewisse  Geschicklich- 
keit verleiht,  jedoch  den  eigentlichen  hygienischen  Zweck  des  Turnens, 
eine  Erweiterung  des  Brustkastens  und  eine  Förderung  der  Blutzirkulation 
herbeizuführen,  nur  sehr  mangelhaft  erfüllt.   Bei  Kindern  unter  13  Jahren 


29 

18t  das  Gerättarnen  überhaupt  zu  verwerfen,  und  auch  bei  Siteren  Schalem 
iniib  es  nach  geistiger  Arbeit  onterbleiben,  weil  sonst  Anstrengnng  zu 
Anstrengong  kommt.  In  Belgien  sind  die  Turngeräte  &st  alle  aus  den 
Schulen  entfernt  worden;  die  Kinder  spielen  in  den  Turnstunden  und  Er- 
holungspausen und  die  Lehrer  mit  ihnen.  Das  sollte  überall  und  in  allen 
Schulen  der  Fall  sein;  denn  das  Tum-  und  Bewegungsspiel  ist  die  beste 
und  rationellste  körperliche  Übung  fOr  die  Kinder.  Bewegung,  Freude 
and  Geschrei  mufs  die  Losung  für  die  Turnstunden  namentlich  der  jüngeren 
Schüler  sein;  das  Schreien  gehört  dazu,  weil  es  die  wirksamste  Atmungs- 
gymnastik darstellt.  Die  Spiele  haben  durch  die  Püffe,  Stöbe  und  FäUe, 
die  sie  den  Kindern  eintragen,  ganz  entschieden  auch  einen  guten  er- 
zidierischen  Einfluis;  sie  erzeugen  Mut  und  Standhaftigkeit. 

(Mitget.  von  Dr.  GÖTZ-München.) 

VortrXge  fiber  Sehulgesuindheitspflege  in  Dresden.  Nachdem 
der  k.  Bezirksschulinspektor,  Schulrat  Dr.  Pbietzel,  schon  im  Vorjahre 
die  Schulhygiene  zum  Gegenstande  seines  einleitenden  Vortrages  auf  der 
amUichen  Hauptkonferenz  der  Lehrerschaft  des  Schulinspektionsbezirkes 
Dresden  I  gemacht  hatte,  hat  er  in  diesem  Jahre  die  Schulgesundheits- 
pflege als  einzigen  Verhandlungsstoff  auf  die  Tagesordnung  gesetzt.  Der 
stellvertretende  Bezirksarzt  und  Schularzt,  Professor  Dr.  Nowack,  sprach 
aber  die  »Schulluft^  und  betonte  besonders  die  physiologische  Seite  der 
Frage.  Lehrer  Güst.  Schanze  trag  vor:  „Über  die  pädagogische 
Bedeutung  der  Schularzteinrichtung''.  Er  zeigte  vor  allem,  wie 
die  körperlichen  Untersuchungen  der  Schulkinder  zum  Segen  werden, 
isdem  sie  dem  Lehrer  bei  der  Erforschung  der  Eigenart  seiner  Schüler 
sehAtzenswerte  Dienste  leisten  und  beachtliche  Winke  für  den  Unterricht 
geben.  Die  Lehrerschaft  nahm  beide  Vorträge  mit  grofsem  Beifall  auf, 
and  sämtliche  Debatteredner  sprachen  sich  zugunsten  der  hygienischen  Be- 
strebungen aus.  (Mitget.  von  H.  GBAüPNEB-Dresden.) 

Die  Unterweisnng  von  Schulkindern  in  der  Gesnndheitslehre 
in  England«  Dem  j,Lancet''  (29.  Okt.  1904)  entnehmen  wir  folgende 
anfTallende  Mitteilung:  Während  noch  vor  kurzem  eine  von  fast  15000 
Ärzten  unterzeichnete  Petition,  welche  die  Grundrisse  der  Hygiene  als 
Lehrgegenstand  für  alle  Schulen  als  nützlich  und  erspriefslich  empfahl, 
vom  englischen  Kultusministerium  wohlwollend  anfgenommen  wurde,  wird 
jetzt  von  einer  praktischen  Betätigung  berichtet,  welche  das  diametrale 
Gegenteil  zu  dieser  Auffassung  bildet.  In  den  Indnstriebezirken  von 
Lancashire,  Gheshire  und  Derbyshire  hat  man  seit  1890  schon  die  Ein- 
richtung getroffen,  dab  geeignete  wissenschaftlich  ausgebildete  und  geprüfte 
Personen  engagiert  wurden,  um  in  den  höheren  Klassen  „Über  den  Alkohol 
and  dessen  Einflafs  auf  den  menschlichen  Körper^  anschaulichen  Unterricht 
mit  Experimenten,  Tafeln  u.  dgl.  zu  erteilen.  Dieser  Plan  wird  a  priori 
wohl  jedem  Sachverständigen  als  empfehlenswert  einleuchten,  namentlich 
in  einem  Lande,  wo  durchchnittlich  £  180000000  jährlich  fttr  geistige 
Getränke  ausgegebeh  werden;  und  in  der  Tat  waren  diese  sachlich  und 
ohne  moralisierenden  Beigeschmack  gehaltenen  Vorträge  bei  allen  Beteiligten 
ab  lehrreich  und  anregend  empfunden  worden.  Trotzdem  hat  nun  die 
Behörde  erklärt,   dab  das  Abhalten  solchen  Nebenunterrichtes  den  gesetz- 


30 

liehen  Bestimmiingen  nicht  entspricht,  nnd  so  kommt  wieder  einmal  der 
Boreankratismus  mit  dem  gesonden  Menschenverstand  arg  in  Konflikt. 
(Mitget.  yon  Dr.  ?HiLiPPi-Bad  Salzschlirf.) 
Die  mangelhafte  ErnäbniBg  von  Yolkssehalkindern  wnrde,  wie 
wir  dem  ^Lamcei^  (1904,  Nr.  5)  entnehmen,  in  der  Sitzung  des  Royal  Sanitary 
Institute  in  London  am  27.  Okt.  yon  Dr.  Macnamara  zum  Gegenstände  einer 
eingehenden  Erörterung  genuicht.  Nachdem  von  verschiedenen  Seiten 
konstatiert  worden  ist,  dafa  etwa  20%  der  Schulkinder  wegen  Mittel- 
losigkeit der  Eltern  keine  genügende  Kost  erhalten,  ist  die  Sorge  fOr  Ab- 
hilfe dieses  Übelstandes  unabweislich.  Zunächst  jedoch  verlangt  Dr.  M. 
gesetzliche  Malsregeln,  auf  Grund  deren  gegen  Eltern,  welche  ans  Gleich- 
gttltigkeit,  Leichtsinn  oder  Trunksucht  ihre  Kinder  vernachlässigen,  mit 
aller  Schärfe  vorgegangen  werden  muls.  Für  die  wirklich  bedürftigen 
Kinder  soll  ein  Mittagstisch  nach  Art  der  Cantine  scolaire,  welche  in 
Paris  ausgezeichnet  funktioniert,  eingerichtet  werden.  Die  nötigen  Mittel 
könnten  in  London  durch  Erhöhung  der  städtischen  Umlage  um  ein  ganx 
geringes  aufgebracht  werden.  Es  sei  zweckmäfsiger,  diese  Erhöhung  za 
zahlen  und  ein  gutes  Resultat  des  Schulunterrichts  zu  erzielen,  als  die 
Mehrausgabe  zu  verweigern  und  damit  das  Resultat  der  ganzen  Schulkosten 
illusorisch  zu  machen.        (Mitget.  von  Dr.  PiaLiPPi-Bad  Salzschlirf.) 


Sagesgefdiiditlidies. 


Schnlbegion  am  Morgen  in  den  Züricher  SchnleB.     In  der 

Stadt  Zürich  war  von  einigen  Seiten  der  Wunsch  geäufsert  worden,  man 
möchte  auch  für  den  Sommer  von  der  vierten  Klasse  der  Volksschule  an  auf- 
wärts die  Schule  erst  um  8  ühr  und  nicht  um  7  Uhr  beginnen  lassen.  Die 
betreffenden  Stimmen  müssen  von  einer  besonderen  Stärke  und  Bedeutung 
gewesen  sein,  denn  sie  bewirkten,  dafs  der  Lehrerkonvent  sicli  veranlafst  sah, 
das  Urteil  der  Eltern  einzuholen,  da  sie  ja  von  der  Änderung  mindestens 
ebensosehr  betroffen  würden,  wie  die  Kinder.  Das  Resultat  liels  keinen  Zweifel 
aufkommen.  Auf  die  Frage:  „Sind  Sie  dafür,  dafs  der  Unterricht  um 
8  Uhr  beginne?**  wurde  von  886  mit  Ja,  von  8918  mit  Nein  geantwortet. 
9,0%  sprachen  sich  dafür,  90,9%  dagegen  ans.  Auf  die  Frage:  „Sind 
Sie  dafür,  daOs  der  Beginn  auf  7  Uhr  verlegt  werde?**  liefen  9831 
bejahende  und  786  verneinende  Stimmen  ein,  also  92,6  %  gegen  7,4  %. 
Damit  ist  der  Wunsch  der  Eltern  sehr  deutlich  zum  Ausdruck  gekommen 
und  die  Eltern  werden  ja  wohl  als  höchste  Instanz  anerkannt  werden. 

Eine  Tarnhalle  im  Dachgeschofa.  Mit  dieser  Neuerung  hat,  wie 
wir  der  „TuS^^.  Jßufi(fec^fi**  entnehmen,  die  Stadt  Elberfeid  einen  wie 
es  scheint  gelungenen  Versuch  gemacht.  Um  jede  störende  Geräusch- 
übertragung zu  Verbindern,  wurden  die  Umfassungsmauern,  sowie  die  Träger 
der   darunter   liegenden   doppelten  Decke   und    der   eisernen  Dachbinder 


31 

dsrdi  dicken  Maschioenfilz  isoliert.  Unter  dem  mit  Linoleimi  belegten 
Fobboden  befindet  sich  eine  sechs  Zentimeter  starke  Korkschicht.  Die 
Decke  ist  unter  der  Halle  verdoppelt.  Der  obere  Teil  ist  massiv  zwischen 
Trigem  gewölbt,  der  untere,  von  dem  oberen  vollständig  unabhängige,  ans 
Tier  Zentimeter  starken  Korkdielen  zwischen  Trägern  und  mit  unterem 
Yerputz  hergesteUt.  Der  Zwischenraum  ist  mit  Bimssand  aufgefüllt.  Die 
probeweise  Benutzung  der  Turnhalle  hat  ergeben,  dafs  eine  Störung  des 
Unterrichts  durch  den  Tumbetrieb  vollständig  ausgeschlossen  ist.  Trotz 
der  Isolierungskosten  bedeutet  die  Bauart  eine  Ersparnis  von  20000  Mk. 
g^en  einen  Tumhallenbau  zur  ebenen  Erde.  In  gesundheitlicher  Be- 
ziehung ist  ebenfalls  ein  Vorteil  vorhanden,  insofern,  als  die  Schüler  gleich 
ans  den  Klassen  in  die  Halle  gehen  und  nicht  erst  den  Schulhof  passieren 
müssen,  wodurch  Schmutz  in  die  Halle  getragen  wird. 

üntersneliaiigen  Aber  die  gesandheitUelie  Wirkung  von  Kinder- 
spielen sind,  wie  die  Tagesblätter  melden,  vor  kurzem  von  der  Pariser 
Gesellschaft  für  Kindergesundheitspflege  als  Preisaufgabe  ausgeschrieben 
worden.  Der  Wettbewerb  ist  ein  internationaler,  und  die  eingelieferten 
Arbeiten  können  in  deutscher,  französischer,  englischer,  italienischer  oder 
spanischer  Sprache  verfalst  sein.  Die  eingesandten  Schriften  gehen  in 
das  fSgentum  der  Gesellschaft  über,  die  sich  ihre  Veröffentlichung  vor- 
behält, indem  eine  gesammelte  Übersicht  über  den  Erfolg  des  Wettbewerbes 
gegeben  werden  soll.  Die  Preise  werden  bei  der  Jahresversammlung  1905 
in  Gestalt  von  goldenen,  silbernen,  bronzenen  Medaillen  und  ehrenvollen 
Erwähnungen  zur  Verteilung  gelangen. 

Schnlwirmezimmer  hat  bei  der  scharfen  Kälte  der  Magistrat  von 
Nürnberg  in  den  städtischen  Volksschulen  eingerichtet.  Dieselben  sind 
unter  der  Aufsicht  der  Hausmeister  zum  Aufenthalte  für  arme  Schulkinder 
bestimmt,  die  nach  der  Schule  daheim  verschlossene  Türen  fänden,  weil 
Vater  und  Mutter  auf  Arbeit  sind.  (Allerdings  gehört  hierzu  noch  eine 
Suppe  oder  ein  Glas  warmer  Milch  mit  Brot.     D.  R.) 

Alkohol  nnd  Volksschule.  Wie  der  „Abstinent''  mitteilt,  soll  dem- 
nächst in  den  Schulen  Wiens  ein  Flugblatt  verteilt  werden,  welches  den 
Eltern  ans  Herz  legt:  ^Gebt  den  Kindern  keinen  Alkohol!*'  Es  ist  ein 
Verdienst  des  Vereins  abstinenter  Lehrer  und  Lehrerinnen,  vom  Bezirks- 
schulrate Wien  —  allerdings  unter  der  Bedingung,  da&  diese  Vereine 
die  gesamten  Herstellungskosten  tragen  —  die  Bewilligung  für  diese  Aktion 
eilangt  zu  haben.  Der  Text  des  Flugblattes  ist  von  Prof.  Max  Kabsowitz 
verfalst  und  setzt  in  einfacher  nnd  klarer  Weise  die  vielen  Gründe  aus- 
einander, die  gegen  diese  grolse  Gedankenlosigkeit  nnd  Rückständigkeit, 
Kindern  Wein,  Bier  oder  dergl.  zu  geben,  sprechen.  Das  Flugblatt  wird 
an  alle  neueintretenden  Schüler  der  Volks-  und  Bürgerschulen  verteilt 
werden,  gelangt  auf  diese  Weise  in  die  verschiedensten  Kreise  und  wird 
80  wieder  Tausenden  zum  erstenmal  von  der  Bedeutung  und  den  Beweg- 
gründen unseres  gro(sen  Kampfes  erzählen. 

Alkoholfraf;e  und  höhere  Schulen.  Wie  schwierig  es  ist,  für 
dae  gröfsere  Aktion  gegen  den  Mifsbrauch  geistiger  Getränke  die  Gym- 
naaallehrer  zu  ge¥dnnen,  zeigt  die  von  der  „EnÜuUtsamkeit''  mitgeteilte 
Tatsache,    da(s  der  vom  sächsischen  Landesverband  gegen  den  MÜsbrauch 


32 

geistiger  Getränke  an  1818  sächsische  Oberlehrer  gerichteten  Anfforderong, 
sich  dem  Verband  behnfs  Mitarbeit  anzaschlieCsen,  nnr  sieben  entsprochen 
haben,  obgleich  anf  der  Hanpt?ersammlang  des  Sächsischen  Gymnasial- 
lehrervereins  in  Schneeberg  Dr.  Martin  Habtmann,  Professor  am  KOnig 
Albert-Gynmasium  zu  Leipzig,  gelegentlich  seines  Vortrages:  ,,Die  höhere 
Schale  and  die  Gesondheitspfiege*  das  Alkoholthema  mit  besonderer  Ein- 
dringlichkeit behandelt  hatte.  Der  yon  ärztlicher  Seite  schon  oft  er- 
hobene Vorwarf,  da(s  das  Interesse  fttr  Hygiene  im  Kreise  der  akademisch 
gebildeten  Lehrer  Dentschlands  nar  schwach  entwickelt  sei,  scheint  also 
wenigstens  fdr  das  Königreich  Sachsen  leider  noch  za  Recht  za  bestehen. 

Znr  Bekämpfung  des  Alkoholmifsbranehes  durch  die  Schule 
hat,  nach  einer  Meldung  der  „N.  Zürch.  Zig.^^  die  Schalkommission  in 
La  Chaox  de  fonds  (Schweiz)  einstimmig  beschlossen,  diesen  Gegenstand  in 
das  ünterrichtsprogramm  aUer  Primarschalklassen  aafzanehmen. 

Ein  unentgeltlicher  Unterricht  ffir  stotternde  Yolksschfiler 
ist  in  Göppingen  yeranstaltet  worden.  Die  Dauer  des  Kurses  ist  zu- 
nächst probeweise  auf  ein  Vierteljahr  festgesetzt.  Aulserdem  beabsichtigt 
man,  den  Schwachbegabten  Kindern  fftr  die  Folge  getrennten  Unterricht 
zu  erteilen. 

Die  CIrfindung  einer  zweiten  Waldschule  in  Charlottenburg 
ist  geplant  und  soll,  wie  die  Tagesblätter  melden,  im  Frttbjahr  erfolgen. 
Da  die  von  der  Stadt  eingerichtete  erste  Waldschule  sich  ausgezeichnet 
bewährt,  hat,  so  ist  zu  yermuten,  dafs  in  den  Kreisen  der  Stadtverwaltung 
die  Gründung  einer  zweiten  derartigen  Schale  auf  keine  Schwierigkeiten 
stofsen  wird.  Angeschlossen  soll  eine  Erholungsstätte  fftr  kränkliche 
Kinder  werden. 

Anf  die  Beschickung  der  Ferienkolonie  in  Charlottenburg 
wird  in  Zukunft  die  städtische  Verwaltnng  einen  nicht  zu  unterschätzenden 
Einflafs  erhalten.  Mit  dem  Verein  gegen  Verarmung,  Abteilung  für  Ferien- 
kolonien, ist  yereiobart  worden,  dafs  in  Zukunft  eine  erbebliche  Anzahl 
der  za  verschickenden  Schalkinder  durch  die  Stadt  auf  Grund  eines  schul- 
ärztlichen Gutachtens  dem  Verein  überwiesen  wird.  Die  Kinder  mflssen 
dann  bei  der  Verschickung  berücksichtigt  werden,  während  bekanntlich 
bisher  der  Verein  ganz  nach  freiem  Ermessen  wählen  durfte.  Die  Depu- 
tation hat  aber  noch  ein  Zweites  beschlossen.  FQr  diejenigen  Kinder,  die 
nicht  unbedingt  einen  Aufenthalt  an  der  See,  im  Gebirge  oder  reinen 
Luftwechsel  nötig  haben,  sollen  schon  im  nächsten  Sommer  Erholungs- 
stätten im  Anschlufs  an  die  Waldschule  errichtet  werden.  Die  Erholungs- 
stätten sind  natargemäfs  billiger  als  die  Ferienkolonien,  schon  deshalb, 
weil  das  Reisegeld  gespart  wird,  und  diese  Ersparnis  wird  es  ermög- 
lichen, dafs  auch  mehr  Kindern  als  bisher  die  Wohltat  eines  gesunden 
Ferienaufenthaltes  zu  teil  wird.  Die  ökonomische  Verwaltung  der  Er- 
holungsstätten, die  also  unabhängig  yon  den  Ferienkolonien  bestehen  soll, 
wird  wie  die  der  Waldschulen  dem  Vaterländischen  Frauenverein  über- 
tragen werden. 

Ein  Antrag  auf  Herabsetzung  der  Schfllerzahl  in  den  Volks- 
schulen wurde  am  18.  November  1904  von  den  sozialdemokratischen 
Abgeordneten  in   der  zweiten  hessischen  Kammer  gestellt.     Die  Schüler- 


3ä 

nU  Bon  auf  40  bis  ausnahmsweise  60  pro  Lehrkraft  festgesetzt  werden. 
Leider  gelang  es  nicht,  die  Kammer  von  der  Notwendigkeit  einer  solchen 
Baform  zn  ttberzengen.  Die  Regierung  erklftrte  sieb  zwar  mit  dem  Ziel 
(les  Antrages  einverstanden  und  versprach,  in  seiner  Bichtong  zu  wirken, 
behauptete  aber,  ans  finanziellen  Orflnden  zurzeit  nichts  tun  zu  können, 
u&erdem  fehle  es  an  der  nötigen  Zahl  von  Lehrern.  Die  Dnrchfiahrung 
des  Antrages  erfordere  1700  neue  Lehrkräfte. 


HmUx^t  Derfngtiitgeit. 

Die  FSrderang  der  Zahnpflege  bei  Schulkindeni. 

ErUfs  der  k.  k.  steiermftrkischen  Statthalterei  vom  4.  Mftrz  1904^ 
Z.  61Ö5,  an  alle  unterstehenden  Bezirkshauptmannschaften. 

Mit  dem  Erlasse  vom  28.  Juli  190S,  Z.  27218,  wurde  angeordnet, 
dafa  seitens  der  politischen  YerwaltungsbebOrden  der  Förderung  schul- 
liygienischer  Bestrebungen^ auf  dem  Gebiete  der  Mund-  und  Zahnpflege 
dn  erhöhtes  Augenmerk  zuzuwenden  und  die  in  dieser  Richtung  im  Wege 
der  SchulbehOrden  eingeleitete  Aktion  nach  Möglichkeit  zu  unterstatzen 
ist,  wobei  darauf  hingewiesen  wurde,  dais  auf  diesem  Gebiete  nur  von 
einem  einvemehmlichen  Zusammenwirken  der  Schulbehörden  mit  den 
bernfenen  Organen  der  Sanit&tsverwaltung  eine  Besserung  der  gegenwärtig 
binsichtlich  der  Zahnpflege  in  den  Schulen  bestehenden  Yerhfiltnisse  zu 
erwarten  steht. 

Es  erscheint  aus  diesem  Grunde  auch  notwendig,  die  k.  k.  Bezirks- 
Bsnptmannschaft  von  den  Jeweilig  im  Gegenstände  seitens  der  Schul- 
behOrden eingeleiteten  oder  beabsichtigten  Aktionen  in  Kenntnis  zu  setzen. 

In  dieser  Beziehung  wäre  vorerst  zu  bemerken,  dafs  Ober  Ersuchen 
des  steiermärkischen  Landesschulrates  eine  fflr  die  Unterweisung  der 
Sehfller  durch  die  Lehrerschaft  berechnete  Belehrung  über  Mund-  und 
Zahnpflege  vom  Landessanitätsrate  verfalst  wurde. 

In  dieser  Belehrung,  deren  Hinausgabe  an  die  Lehrerschaft  beab- 
siditigt  ist,  werden  in  besonderen  Abschnitten  das  Wesen  der  Zahnfäule 
lad  die  Bedeutung  der  Zahnerhaltung  für  die  allgemeine  Gesundheit, 
wdters  die  speziellen  Schädlichkeiten,  welche,  abgesehen  von  einer  auf 
Vererbung  beruhenden  auffallenden  Weichheit  und  geringen  Widerstands- 
fthigkeit  des  Zahnbeines,  als  Ursache  von  Zahnerkrankungen  angesehen 
Verden  mflssen,  und  im  letzten  Teile  endlich  in  ausfflhrlicher  Weise  alles  das 
besprochen,  auf  was  eine  vernünftige  Zahnpflege  Bedacht  zu  nehmen  hat. 

Wenngleich  es  nun  keinem  Zweifel  unterliegen  kann,  dafs  auch  auf 
4em  Wege  der  Belehrung  und  des  Unterrichts  ein  Fortschritt  in  der 
Muiid-  und  Zahnpflege  bei  Schulkindern  erreicht  werden  wird,  insbesondere 
uter  der  Voraussetzung,  dafs  die  Lehrerschaft  in  richtiger  Erkenntnis 
der  ihr  zukommenden  Aufgabe  sich  nicht  allein  darauf  beschränkt,  auf 
^rhandene  Mängel  und  Schädlichkeiten  hinzuweisen,  sondern  auch  trachtet, 
teefa  entsprechende  Einflnisnahme  auf  die  Eltern  der  Schiller  die  mit  der 

Selmlgasimdheitspflege.  XVUL  3 


u 

Belebning  beabsichtigten  pnktischeD  Erfolge  za  erzielen,  so  Ueibt  doch 
die  Sicherstellnng  der  leichten  Erreichbarkeit  zahnärztlicher  Hilfe  ud 
Behandlung  die  Hauptsache. 

Ungleich  schwieriger  als  in  den  gröberen  Städten,  wo  eine  2iahl  ?o& 
Ärzten  Yorhanden  ist,  die  sich  ansschliefidich  mit  der  Zahnheilknnde 
befassen,  nnd  wo  durch  Ausgestaltung  der  Armen-Krankenbehandlung  im 
Sinne  der  unentgeltlichen  Hilfeleistung  für  arme  Zahnkranke,  durch  Be- 
stellung von  eigenen  Zahnärzten  fflr  Institute  und  Anstalten  (Waisen-  und 
Erziehungshäuser)  die  praktische  Zabnhygiene  gefordert  werden  kann, 
liegen  die  Verhältnisse  wegen  des  Mangels  von  Zahnärzten  am  Lande. 

Aber  auch  hier  haben  sich  im  Laufe  der  letzten  Jahre  insofeme 
Änderungen  ergeben,  als  auch  am  flachen  Lande  in  Städten  und  grOlseren 
Orten  schon  Ärzte  wirken,  die  spezielle  zahnärztliche  Kenntnisse  besitzen 
und  sich  mit  der  konserrativen  Zahnbehandlung  befassen. 

Auf  diese  Fälle,  in  welchen  es  sich  um  Schulen  handelt,  die  sich  in 
Städten  oder  grOfseren  Orten  befinden,  wo  Heilpersonen  existieren,  welche 
sich  mit  Zahnbehandlung  befassen,  bezieht  sich  auch  die  dem  steier- 
märkiscben  Landesschulrate  empfohlene  Aktion  der  Schulbehörden  hin- 
sichtlich der  Einleitung  von  Verhandlungen  wecen  Erlangung  von  Begfta- 
stigung  fOr  unbemittelte  zahnkranke  Schulkinder. 

Was  die  zahnärztliche  Hilfe  fflr  mittellose  Schulkinder  anlangt,  so 
wird  wegen  Übernahme  der  Kosten  derselben  mit  den  Bezirken  das  Ein- 
Yernehmen  zu  pflegen  sein. 

Hiezu  wird  bemerkt,  da(s  die  Zahnfäule  wie  jede  andere  Erkrankung 
ärztliche  Hilfe  erfordert,  und  dals  sieb  diese  nicht  nur  auf  die  Entfemun|^ 
sondern,  wenn  die  Möglichkeit  yorhanden  ist,  auch  auf  die  konservative 
(erhaltende)  Behandlung  der  erkrankten  Zähne  zu  erstrecken  hat,  welch 
letztere  bei  rechtzeitiger  Inanspruchnahme  geeignet  erscheint,  nicht  nur 
schmerzhaften  Zahnleiden,  sondern  —  was  ganz  besonders  wichtig  ist  — 
auch  dem  yermeidbaren  Verlust  der  Zähne  mit  allen  hieraus  fiär  die  Gesund- 
heit entstehenden  Nachteilen  wirksam  zu  begegnen. 

Die  Bezirke  wären  demnach  unter  Hinweis  auf  die  Wichtigkeit  der 
zahnärztlichen  Hilfe,  besonders  im  jugendlichen  Alter,  einzuladen,  in  solchen 
Orten,  wo  sich  Ärzte  befinden,  die  sich  mit  der  Zahnbehandlung  befassen, 
mit  diesen  ein  Übereinkommen  hinsichtlich  der  Übernahme  einer  solchen 
Behandlung  bei  armen  Kranken  zu  treffen. 

Dabei  wird  die  k.  k.  Bezirkshauptmannschaft  ihre  Bereitwilligkeit 
auszusprechen  haben,  derartige  Bestrebun^ren,  soweit  dies  in  ihrem  Wirkungs- 
kreise möglich  und  nach  den  jeweilgen  Umständen  tunlich  erscheint,  nach 
Kräften  zu  unterstfltzen,  und  wird  die  Erwartung  ausgesprochen,  dafs  die 
politischen  Unterbehörden  jede  sich  darbietende  Gelegenheit  benfltzen 
werden,  um  das  Gesundheitswohl  der  Bevölkerung  durch  entsprechende 
Ingerenznahme  zu  fördern. 

Die  in  der  bezeichneten  Richtung  gemachten  Wahrnehmungen  und 
erzielten  Erfolge  sind  in  einem  besonderen  Abschnitt  des  Jahres-Sanitäts« 
berichtes  —  unbeschadet  der  allf&lligen  laufenden  Berichterstattung  —  in 
Qbersichtlicher  Weise  zur  Darstellung  zu  bringen. 


S5 


Citeratnr. 


Besprechungen. 

SxoCKHAUSBfiTy  Otto.  yyJaDj^s  —  heransl'^  Ernstes  nud  Heiteres 
ans  dem  Leben  einer  Hambarger  Ferienkolonie*  Hamburg, 
Verlag  der  Schriftenniederlage  des  christlichen  Vereins  junger  Männer. 
1903.    16^  80  S. 

In  seinem  Schlubwort  stellt  der  Verfasser  die  nach  militärischen  und 
religiösen  Grundsätzen  organisierten  Hamburger  Ferienkolonien  auf  Schäfer- 
bof  als  nachahmenswerte  Musterkolonie  hin.  Wenn  der  Verfasser  als  End- 
ziel der  Ferienkolonie  das  „ernste  Bestreben  hinstellt,  in  den  Kindern 
den  Grund  zu  einem  entschiedenen  bewuisten  Christenleben,  zur  Gottes- 
iflreht,  zur  Liebe  zum  Heiland  und  zu  seiner  Nachfolge"  zu  legen,  und 
es  als  die  Hauptaufgabe  der  Leiter  bezeichnet,  „die  durch  die  Koloniezeit 
gebotene  Gelegenheit,  Frucht  zu  schaffen,  die  bis  in  die  Ewigkeit  hinüber- 
wirkt,  Yoll  auszunfltzen"  (vide  S.  78  und  79),  so  setzt  er  sich  damit  in 
grellen  Widerspruch  zu  den  Motiven,  die  seinerzeit  den  Schöpfer  und  Vater 
der  Ferienkolonien,  Herrn  Pfarrer  BiON  in  Zürich,  bewogen  haben,  diese 
segensreiche  Institution  ins  Leben  zu  rufen,  und  die  in  erster  Linie  das 
leibliche  Wohl  der  dürftigen  Schulkinder  im  Auge  hatten. 

Wohl  ist  die  Disziplin  für  die  Leitung  einer  Kolonie  unerläfslich  und 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  für  den  Erfolg  der  Koloniezeit  ausschlag- 
gebend. Ob  aber  hierzu  religiöse  Muckerei  und  militärischer  Drill  nut 
an  seinen  Nachäffereien  die  richtigen  Mittel  sind,  möchte  ich  stark  be- 
zweifeln. Jedenfalls  sind  die  Gewöhnung  an  kritiklose  Unterwürfigkeit 
unter  zum  Teil  gleichaltrigen  Kameraden,  die  ihren  Rang  als  Offizier  oder 
Unteroffizier  meist  nur  dem  besser  geuährten  Geldbeutel  ihrer  Eltern  ver- 
danken (vide  S.  1 — 12  ff.),  „das  Anschnauzen  und  Anbrüllen  selbst  bei 
unbedeutenden  Formfehlern  mit  Worten,  die  an  Deutlichkeit  nichts  zu 
wünschen  übrig  lassen^  (vide  S.  76  und  77),  wenig  geeignete  Mittel,  um 
die  Jugend  zu  sozialem  Empfinden  und  Deoken,  dem  Haupterfordernis  der 
heutigen  Jugenderziehung,  heranzubilden.  Wo  solche  Mittel  nöüg  sind, 
um  die  Disziplin  aufrecht  zu  erhalten  und  einen  Erfolg  der  Koloniezeit  zu 
flichem,  ist  es  wahrlich  mit  der  Autorität  der  Kolonieleiter  schlecht  bestellt. 
Der  Hauptwert  der  Ferien  in  erzieherischer  wie  in  hygienischer  Be- 
ziehung liegt  ja  gerade  darin,  dafs  die  Jugend  für  kurze  Zeit  des  Schul- 
rarangs  enthoben  ist  und  sich  gewissermafsen  austoben  kann;  es  ist  daher 
nichts  verkehrter,  als  diese  relative  Ungebundenheit  durch  den  die  Nerven 
abspannenden  militärischen  Drill  ersetzen  zu  wollen.  Ich  kann  mir 
wenigstens  nicht  denken,  wie  Herz  und  Leib  dabei  gesunden  können. 
Leider  schweigt  sich  das  Schriftchen  über  den  physischen  und  sozial-erziehe- 
Erfolg  so  gut  wie  ganz  aus. 

8* 


56 

Bessere  BelehniDg  durch  eigene  Anschanang  also  Yorbehalten,  kann 
ich  dem  GedaDkengange  des  Verfassers  nicht  folgen  nnd  möchte  Tor  der 
Nachahmung  solcher  bezüglich  des  Erfolges  recht  zweifelhafter  Experimente 
mit  unserer  heranwachsenden  Jugend  dringend  warnen. 

Kbukeb,  Stadtarzt  in  Zürich. 

Lobedank,  Dr.,  Stabsarzt  in  Hann.*Münden.  Die  Gesundheitspflege 
des  Schnlkindes  im  Elternhanse.  Hamburg  und  Leipzig,  Leopold 
Voss,  1904.     8^  219  S. 

Die  Bedeutung  der  Scbulgesundheitspüege  liegt  nicht  blofe  darin,  dab 
sie  uns  aufkl&rt  Ober  den  Zusammenhang  von  Gebrechen  des  kindlichen 
Organismus  mit  den  Einflüssen  des  Schullebens,  sondern  auch  darin,  dals 
sie  uns  erst  recht  erinnert  an  die  Gefahren  einer  gesundheitswidrigen 
Lebensweise  aufserhalb  der  Schule.  Die  Fürsorge  der  Behörden  entbindet 
die  Eltern  nicht  yon  der  Pflicht  der  Fürsorge  für  ihre  Kinder,  und  sie  sollen, 
soweit  es  in  ihrer  Macht  liegt,  dieser  Pflicht  gerecht  werden.  Von  dieser  Idee 
ausgehend,  schreibt  der  Verfasser  seinen  Wegweiser  für  die  Eltern.  Er 
schildert  in  klarer  und  verständlicher  Weise,  welche  Aufgaben  die  Eltern 
zu  erfüllen  haben,  um  eine  gesundheitsffemftfse  Lebensweise  der  Kinder  zn 
fördern  uqd  die  Schule  in  ihren  ähnlichen  Bestrebungen  zu  unterstützen. 
Wünschenswert  wäre  es,  wenn  der  Verfasser  die  Kurpfuscherei  etwas 
weniger  zum  Zielpunkt  seiner  Angrifife  machen  würde.  Er  will  ja  gesund- , 
heitsgemäfse  Lebensführung  in  weiteste  Kreise  yerbreiten,  und  diesem  Zweck 
schadet  er  durch  allzu  weitgehende  und  nicht  unbedingt  im  Rahmen  des 
Buches  liegende  Angriffe  auf  die  Kurpfuscherei.  Im  übrigen  ist  das  Buch 
sehr  lesenswert  und  geeignet,  viele  Vorurteile  zu  beseitigen. 

Dr.  Kbaft,  Schularzt  in  Zürich. 

Dr.  med.  Alfb.  Fiedleb  und  Dr.  med.  £.  Hölemann.  Der  Ban  des 
menschlichen  KSrpers.  Achte,  vermehrte  und  verbesserte  Auflage. 
Mit  81  anatomischen  Abbildungen  im  Text  und  5  anatomischen  Tafeln 
in  Farbendruck.  Dresden,  C.  C.  Meinbold  &  Sühne,  1903.  8®,  156  S. 
In  Leinwand  gebunden.     Mk.   1,75. 

Das  in  der  8.  Auflage  erschienene  Buch  ist  für  die  Hand  des  Lehrers 
bestimmt  und  soll  ihn  befähigen,  seinen  Schülern  das  Wissenswerteste  von 
dem,  was  uns  im  engsten  Sinne  des  Wortes  am  nächsten  liegt,  in  leicht- 
fafslicher  Weise  beizubringen.  Es  glänzt,  wie  dies  schon  anderorts  hervor- 
gehoben worden  ist,  durch  die  absolute  Richtigkeit  seines  Inhaltes,  die 
Klarheit  der  Anordnung  und  die  Deutlichkeit  der  Darstelluog.  Da  es 
aber  nicht  jedermanns  Sache  und  bekanntermafsen  sehr  schwierig  ist,  Über 
dieses  Gebiet  populär  vorzutragen,  so  vermisse  ich  in  dem  Buche  ungern 
eine  Wegleitung  darüber,  wie  der  Stoff  am  ersprielslichsten  zn  behandeln 
ist.  In  dieser  Beziehung  wäre  vielleicht  eine  andere  als  die  rein  deskrip- 
tive Darstellungsweise  nutzbringender  gewesen.  Die  letztere  scheint  mir  in 
diesem  Falle  nicht  gerade  glücklich  gewählt  zu  sein.  In  meiner  lang^ 
jährigen  Tätigkeit  als  Samariterlehrer  habe  ich  die  Überzeugung  gewonnen, 
dafs  die  reine  beschreibende  Vortragsweise  (wie  z.  B.  diejenige  über  die 
Lehre  vom  Knochenhau)  im  Lernenden   einen  Wust   von  Formkenntnissen 


87 

aehaflt,  der,  weil  ohne  inaeren  Znsamvienhangy  dem  Unterricht  interesseloe 
erscheinen  lälst  nnd  nichts  weniger  als  dazu  angetan  ist,  den  Lernenden 
za  eigenem  Nachdenken  zn  veranlassen. 

Gerade  Air  die  gemeinverständliche  Behandlung  des  in  Frage  stehende 
Stoffes  scheint  mir  die  Hauptsache  die  zn  sein,  dab  der  Vortragende  nicht 
blo6e  Formheschreibnng  treibt,  sondern  anf  die  logische  Notwendigkeit 
imd  Unentbehrlichkeit  der  einzelnen  Organe  im  Hanshalte  des  menschlichen 
Körpers  hinweist,  nicht  bloCs  das  Wie,  sondern  vor  allem  das  Warum 
der  Form  hervorhebend. 

Eine  solche  Darstellungsweise  vermag  zugleich  das  Interesse  am  Unter- 
richt wachzuhalten  und  erweckt  von  selbst  das  Verständnis  für  das  innere 
Wesen  der  Formen. 

Unter  diesem  Oesichtspunkte  h&tte  ich  es  lieber  gesehen,    wenn   die- 
vorliegende  Lehre  vom  Bau  des  menschlichen  Körpers   auf  den  ersprieb- 
lieberen  Boden    der   vergleichend   anatomisch-physiologischen  Darstellungs- 
weise,    d.  h.  der  Entwicklung  der  Formen  (Organe)  gestellt  worden  wftre. 

Zn  begrOfsen  ist  es  dagegen,  dafs  in  dem  Buche  von  der  Darbietung 
ans  der  Lehre  der  Krankheiten  und  ihrer  Behandlung  Umgang  genommen 
ist,  die  nur  allzu  leicht  dem  Kurpfuschertum  den  Boden  ebnet.  Erwünscht 
waren  freilich  Einflechtnngen  ttber  die  Bewahrung  der  gesunden  Organe 
vor  Schädigungen,  also  Aber  die  Prophylaxe  und  Hygiene.  So  wären  z.  B.. 
im  Anscblufs  an  die  Lehre  von  der  Haut  Andeutungen  Aber  die  Hygiene 
der  Kleidung,  an  die  Aber  die  Atmungsorgane  die  Erwähnung  der  Grund- 
sätze einer  vemnnflsgemäCsen  Wohnungspflege  usw.  am  Platze.  Durch 
solche  Einsprengungen  wArde  das  Buch  dem  Zweck,  für  den  es  geschrieben 
ist,  näher  gebracht  und  auch  nicht  ungebAhrlich  belastet,  zumal  sich  die 
etwas  weitläufigen  histologischen  Orientierungen  wesentlich  einschränken 
fiefsen.  Zu  wAnschen  wäre  femer,  weil  ja  das  Buch  fAr  Fortbildungs- 
schulen und  die  oberen  Klassen  der  Mittelschulen  bestimmt  ist,  dafs  das 
Kapitel  der  Sexualpädagogik  nicht  ganz  mit  Stillschweigen  übergangen 
worden  wäre.  Allerdings  wArde  der  Untenicht  hierüber  dann  besser  in 
die  Hände  eines  Arztes  als  eines  Lehrers  gelegt. 

Abgesehen  von  diesen  mehr  im  Sinne  von  wAnschbaren  Postulaten  als 
eines  Tadels  gemachten  Aussetzungen  kann  das  durchaus  sachlich  geschrie- 
bene, 154  Seiten  starke  Buch  allen  jenen  warm  empfohlen  werden,  denen 
es  um  die  Einfährung  des  Unterrichtes  Aber  Hygiene  in  unseren  Schulen 
ernstlich  zu  tun  ist.  Der  verständige  Lehrer  wird  darin  Stoff  genug 
finden,  um  den  Unterricht  anregend  zu  gestalten,  namentlich  wenn  er 
neben  dem  Unterricht  in  Wort  die  Anschauung  nicht  vergifst.  Dafs  die 
hierfar  beigegebenen  Tafeln  und  Abbildungen  nicht  allzu  schematisch  sind, 
ist  ein  weiterer  grober  Vorzug  des  Buches.  Schematische  Zeichnungen 
erwecken  nur  zu  leicht  falsche  Vorstellungen,  die  gerade  anf  diesem  Ge- 
biete vermieden  werden  mAssen.  Kbukbb,  Stadtarzt  in  ZArich. 

Baüb,   AiiFBBD,  Dr.  med.    Die  Hy^ene  des  kranken  Schnlkindes. 
V^lag  von  Ferdinand  Enke.     Stuttgart  1903.     Preis  Mk.  14.—. 
Als    wir  in  den  stattlichen    Band   von  685  Seiten    hineinblickten, 
beschlich   uns  in  der  Erinnerung  an  die  Schreibweise  Baubs,  offen  ge- 


38 

stinden,  ein  gelind€B  Granen  bei  dem  Gedanken»  dnrch  diesen  stilistiaehen 
Urwidd  wandern  za  mflssen.  Und  dieses  Granen  war  nur  allza  berechtigt. 
Zwar  finden  wir  einige  freiere  Oasen  nnd  heitere  Lichtblicke,  wenn  wir 
die  Gebiete  Koohs  nnd  Sohmib-Monnabds  betreten,  im  groften  nnd  ganzen 
aber  hat  man  mit  argem  Gestrflppe  zn  kämpfen. 

In  erster  Linie  könnte  das  Bnch  wohl  gnt  nm  die  HAlfke  geklbrzt 
werden,  ohne  an  „Übersichtlidikeit^  zn  verlieren.  Vor  allem  würden  wir 
die  „EselsbrAcken**,  Seite  7—39,  yielleicht  anch  Seite  253—283,  jeden- 
falls aber  Seite  526 — 592  streichen  oder  erheblich  kürzen.  Sie  erinnern 
so  sehr  an  geduikenlose  Thenakmedizin,  dab  man  sich  Tom  Gespenste 
des  dem  Grabe  entstiegenen  Medicns  scbolasticns  verfolgt  wfthnt 

Was  den  Inhalt  anbelangt,  so  hat  Baüb  die  gesamte  Literatur  anb 
gewissenhafteste  benutzt,  aber  das  Bnch  ist  in  jenem  krausen,  teilweise 
unTerstOndlichen  Deutsch  geschrieben,  das  wir  schon  frflher  an  den  Arbeiten 
Baubs  zu  tadeln  genötigt  waren.  Leider  mifsachtet  Dr.  Baüb  behanücfa 
alle  guten  Ratschläge,  die  man  ihm  erteilt. 

Ea  ist  zn  bedauern,  dafo  den  znm  Teil  guten  und  instruktiven  Ab- 
bildungen kein  besserer  Text  beigegeben  werden  konnte.  Darauf  hfltte  die 
Yeriagsfirma  dringen  müssen. 

Wir  können  das  Buch  leider  nicht  empfehlen,  um  so  mehr,  als  die 
Fachliteratur  wohl  versehen  ist  mit  flott  geschriebenen,  leicht  fafoUchen 
Darstellungen  über  die  von  Battb  behandelten  Fragen. 

Dr.  Kbaft,  Schularzt  in  Zürich. 


Bibliographie. 
Die  mit  *  beseiohneten  Werke  wurden  der  Bedaktion  sagesandt. 

*Achtgehnier    JahresberiM    der    Jugendharie    Zürich  L      1903—1904. 

Zürich.  1904.     Kl.  8«.     49  S. 
*ÄnnaH  d^Igiene  sperimentale  e  diretti  del  Prof.  Angeld  Cblli.    Yd.  XIY 

(Nuova  Serie);  Fase.  IV.     Anno  1904. 
*Ärdiiv  für  Soeiale  Medigin  und  Hygiene,     Neue  Folge  der  Monatsschr. 
f.  Soz.  Medizin.  1.  Bd.,  2.  H.  Herausg,  v.  Dr.  M.  FüKST  u.  Dr.  K.  jAvrA. 
Leipzig,  F.  0.  W.  Vogel,  1904. 
^Beru^i  iü)er  den  L  Internationalen  Kongrefs  für  SchMygiene,    Nürnberg, 
4.-9.  April  1904.     4  Bände.     Nürnberg,  J.  L.  Schräg,  1904. 
I.  Band. 

Erste  Abteilung:  Allgemeiner  TeU  und  FienarsÜMungen. 
Zweite       „  Gruppe  A:  Hggiene  des  Schulgehäudes. 

n.  Band. 

Erste  Abteilung:  Gruppe  B:  Hygiene  der  Internate.    SckuHhyg. 

üntersuchungsmethöden,  Hygiene  d. 

Unterrichts  u.  d,  ünterrichtsmiitel. 

Zweite       „  »       C:  HygienischeUntenoeisfmgderLehrer 

und  SdUOer. 


89 

m.  Band. 

Erste  AbteOnng:  Oroppe  D:  EHrperHdie  Breiehung  der  Sdmt- 

Jugend. 
Zweit»       „  »       E:  Krankheiten  und  OrMflkher  Dienst 

in  den  Schulen. 
IV.  Band. 

Ente  Abteünng:  Orappe  F:  Sonderschulen, 
Zweite       „  v       Gt:  Hygiene  der  Schufjugend  aufeer" 

halb   des   Hauses.     Hygiene   des 
Lehrkörpers.     Allgemeines. 
Dritte        „  Bericht  Über  die  schulhygienische  Ausstellung. 

BURVASB,  Riohäbd.  Arbeit  im  Knäbenharl  für  Schwachbegabte.   Zeitscbr. 

f.  Pädag.  Psychologie,  Pathologie  u.  Hygiene,  H.  3/4,  1904. 
*GOHHy  Herm.,  Prof.    Über  sexuelle  Belehrungen  der  Schulkinder.    Yortrag, 
geh.   in  d.  hyg.  Sektion  d.  Schles.  Gesellsch.  f.  yaterländ.  Eoltor  usw. 
Sond.-Abdr.  a.  d.  Allg.  med.  Centralztg.,  1904,  Nr.  48—51. 

• Tnu:  und  Chavernacs  Augenuntersuchungen  der  SckuMnäer 

in  MonipelUer.     Sep.-Abdr.   a.  d.  Wochenscbr.  f.  Therapie  u.  Hygiene 
d.  Anges.     Jahrg.  YHI,  Nr.  16. 

* Die  von  dem  Stadtarjste  Herrn  Dr.  Oebbecke  herausgegebenen 

BeriAte  über  den  sckuläreüichen  Überwachungsdienst  für  die  Schuljahre 
1901,  1902  und  1903.    Sond.-Abdr.  a.  d.  Wochenschr.  f.  Therapie  und 
Hygiene  d.  Auges.     Jahrg.  YIII,  Nr.  18. 
DOMITBOTICH,  A.  y.     Der  Techniker  und  die  Schulbank.     Technisches 

Gemeindeblatt,  1905,  Nr.  20. 
^Fkilcubnpbld,  W.,  Dr.     Tortäuschung  von  Myopie  bei  Schuikindem. 

Sond.-Abdr.  a.  d.  Deutsch,  med.  Wochenschr.,  1904,  Nr.  42. 
*6attikbb,  G.    2kir  Frage  der  Schulaufsicht.    Zflrich,  Schulthefe  A  (jO., 

1905.     Kl.  8^     59  S.    Fr.  0,86. 
^Qbotjafn,  A.     Der  Alkoholismus.     Sond.-Abdr.  a.  d.  Handb.  d.  Hyg., 
beransg.  v.  Dr.  Th.  Wbyl.    IV.  Suppl.-Bd.    Jena,  G.  Fischer,  1904. 
6r.  8^     14  S.     M  0  50. 
^Habthank,  Prof.  Dr.,  u.  Wbygandt,  Prof.  Dr.    Die  höhere  Schule  und 
die  Alköholfrage.     Zwei  Vortrage  auf  der  21.  Mitglieder- Versammlung 
d.  Deutsch.  Ver.  geg.  d.  MiCsbrauch  geist.  Getränke.     Erfurt,  9.  Sept. 
1904.     Berlin,  Mafsigkeitsverlag,  1905.     %^.     60  S.     Ji  0.40. 
^HniTBlGBB,  Kabl,  Prof.    Das  Volksschulhaus  der  Gegenwart  in  hygieni- 
stker  Beziehung.     Sep.-Abdr.  a.  d.  Bericht  Aber  d.  I.  intern.  Eoogrels 
f.  Schulhygiene  in  Nflrnberg.     Mit  Zeichnungen. 

• Volksschulhäuser  in  Luxemburg.    Sond.-Abdr.  a.  d.  Ztschr.  d. 

Osterr.  Ingenieur-  u.  Architekten-Ver.,  1904,  Nr.  42. 

• VolksschüMuser  in  Holland.    Mit  6  Tafeln.    Sond.-Abdr.  a. 

d.  Osterr.  Wochenschr.  f.  d.  Ofientl.  Baudienst,  1904.  H.  47. 
*Hbllbb,  JüL.,  Dr.  Eignet  sich  die  Frau  gesundheitlich  für  dm  kauf- 
männischen  Beruf?  Sep.-Abdr.  a.  d.  Hyg.  Rundschau,  1904,  Nr.  23. 
^Bohe  Warte,  Illustrierte  Halbmonatsschrift  für  die  kOnsÜerischen, 
geistigen  und  wirtschaftlichen  Interessen  der  städtischen  Kultur.  Wien 
a.  Leipzig.     Jahrg.  I.     2.,  3.  u.  4.  H. 


40 

JlGER,  M.,  Dr.  Zm  Frage  der  Hausaufgaben  an  unseren  höheren  Ldur- 
ansUUten.  Vortrag,  geh.  auf  d.  I.  intern.  Kongr.  f.  Scbolhygiene  in 
Namberg.  Beil.  zu  Prof.  Dr.  6.  Jagbrs  MonatsbL,  1904,  Nr.  11. 
*  Jahrbuch  der  Schweigerischen  Oesellschaft  für  Sckulgesundheiispflege. 
V.  Jahrg.  1904,  U.  Teil.  Zürich,  Zürcher  Ä  Furrer,  1905.  Gr.  8*. 
S.  203—536.     Mit  Dlnstrationen. 

MüRSBT,  Hans.      Die   stadtbemische   Ferien»ersargung   erhohmgs" 

bedürftiger  SchtUkinder,  1879—1904. 
MüLLBB,  EUG.,  Dr.,  a.  Fetsghsbin,  Ed.,  Dr.    Schule  und  Zahn- 
pflege. 
Erismann,  Prof.  Dr.     Die  Tagesbeleuchiung  der  Schulgimmer. 
Roth,  Prof.  Dr.     Über  die  indirekte  Beleuchtung  der  Schulräume^ 
Yannod,  Th.,  Dr.    Lee  afferentes  mähodes  de  menswration  de  la 

fatigue  int^ectueHe. 
OlRARD,  Prof.,  Wipp,  H.,  Lehrer,  Hbnohoz,  Insp.,  Grob,  J.,  Lehrer. 
Die  Schulbankfrage. 
^GL,  JOH.,  Dr.     IIL  Bericht  über  die  Tätigkeit  der  städtischen  Beßirhs^ 
ärete   in   Brunn   als   Schulärzte   für  das  Jahr  1903.     Brunn,  lSf04. 
Gr.  8®.     64  S.  mit  zahlr.  Abbildangen. 
*EiRSTBiN,  Fritz,  Dr.    Leitfaden  für  Desinfektoren  in  Frage  und  Antwort. 
2.  Anfl.     Berlin,    J.   Springer,    1905.     16^     37  S.     Mit  zahkeichen 
Tabellen.     M  1.40. 
*EopczTNSKi,  St.,  Dr.      Die   ärztliche   Aufsicht   in   der   siebenktassigen 

Warschauer  Handelsschule.     8®.     5  S.     1905. 
KöTTGEN,  Dr.,   Stadtarzt.     Über  Beinigung   von  SchüUimmem   mit    be- 
sonderer  Berücksichtigung   staubbindender   Fußbodenöle.      Technisch(B8 
Gemeindeblatt,  1904,  Nr.  18. 
*LiBPB,  Albbrt.    Über  die  schwachsinnigen  Schäler  und  ihre  Behandlung* 

BerHn,  F.  Zillesen,  1905.     8^     47  S.     JÜ  0.75. 
LowiNSKT,  Victor.    Neuere  amerikanische  Arbeiten  auf  dem  Gebiete  der 
Kinderpsychologie,  U.     Zeitschr.  f.  Pädag.  Psychologie,  Pathologie  und 
Hygiene,  1904.  H.  3/4. 
*Medbr,  Dr.     Über  Anlage  und  Zweck  eines  Grundbuches  für  Gesund- 
heitspflege in  Schuien.    Sond.-Abdr.  a.  d.  Ber.  üb.  d.  I.  intern.  Eongr. 
f.  Schulhygiene  in  Nürnberg.     8®.     43  S. 
^Mombbrt,  Paul,  Dr.     Das  Nahrungswesen.    Sond.-Abdr.  a.  d.  Handb. 
d.  Hyg.,  herausg.  v.  Dr.  Th.  Wbyl.    IY.  Suppl.-Bd.    Jena,  G.  Fischer, 
1904.     Gr.  8^     70  S.     M  2.50. 
*Mosbs,  Jul.,  Dr.     Gliederung  der  Schuljugend  nach  ihrer  Veranlagteng 
und  das   Mannheimer  System.     Mit  1  Fig.  im  Text.     Sond.-Abdr.  a. 
d.  Intern.  Archiv  f.  Schulhygiene,  I.  Bd.,  1.  H. 
Füller,    J.  P.     Mein  System.    15  Minuten  täglicher  Arbeit  für  die 
Gesundheit.    Mit  42  Illustrationen  nach  der  Natur  und  einer  Zeittafel. 
A.  d    D&nischen  nach  der  5.  Aufl.  d.  Originals  y.  M.  u.  H.  Tilloe 
übersetzt.     Kopenhagen,  TiUge,  1904.     S^.     89  S.     JH  2.00. 


§tv  $d|uliirfi 


ni.  Jahrgang.  1905.  No.  1. 


Ori0iitalab^aitbUit0eit. 


Die  Schlüantinstitntion  in  Norwegen. 

Eine  Übersioht 


von 


M.  E.  H&KONSON- Hansen, 
Oberlehrer  der  YolksBchule  auf  der  BiBchofohohe  in  Drontheim. 

Obersetzt  von  Professor  Dr.  Lio  BüBGEBSTEiN-Wien. 

Im  §  14  des  Gesetzes  yom  26.  Juni  1889  über  die  Volkssohnlen 
in  Orten  mit  städtischen  Privilegien  ist  zn  lesen,  dais  die  Schnl- 
verwaltnng  behufs  stftodiger  Anfeioht  tiber  die  Gesundheitsverhält- 
oisse  der  Schule  einen  Arzt  anstellen  solle,  falls  die  Eommunal- 
rerwaltung  hierzu  ihre  Zustimmung  gibt.  Und  im  §  66  des  Ge- 
setzes vom  27.  Juli  1896  über  die  höheren  allgemeinen  Schulen 
steht:  „Behufs  ständiger  Aufsicht  über  die  Gesundheitsyerhältnisse 
der  Schule  soll  die  Schulleitung  einen  Arzt  anstellen,  dessen 
Tätigkeit  im  Dienste  der  Schule  durch  eine  besondere,  Yon  der 
Oberschul  Verwaltung  ausgefertigte  Instruktion  zu  bestimmen  ist." 
Das  Gesetz  vom  26.  Juni  1889  über  die  Volksschulen  auf  dem 
Lande  entbehrt  einer  entsprechenden  Bestimmung  (s.  diese  Zeäschrifi 
1890,  S.  645,  und  1897,  S.  403).  Die  beiden  angeführten  Bestim- 
nmngen  haben  es  mit  sich  gebracht,  dafs  man  auch  hier  in 
Norwegen  davon  Kunde  erhielt,  es  gäbe  für  einen  Arzt  innerhalb 
der  Tier  Wände  einer  Schule  etwas  zu  tun.  Man  hat  den  Titel 
»Schularzt  aus  dem  Auslande  hergeholt  und  er  ist  nun  so  oft 
gebraucht  worden,  dafs  man  nicht  mehr  sagen  kann,  er  sei  ganz  un- 
bekannt. 

In  Erfüllung  meines   der  geehrten  Redaktion  dieser  Zeitschrift 
gegebenen  Versprechens  will  ich  hier  im  folgenden  eine  Übersicht 

D«r  Seliolant.  m.  1 


2  42 

über  den  Stand  der  ärztlichen  Einrichtungen  in  unseren  Schulen 
geben.  Ich  bin  selbst  der  Ansicht,  dafs  dieser  Stand  der  Dinge 
nicht  zufriedenstellend  sei,  man  tröstet  sich  aber  in  solchen  Fällen 
immer  damit,  dals  £twas  besser  sei  als  Nichts.  Mit  diesem  Tröste 
darf  man  sich  wohl  auch  hier  beruhigen:  Hat  man  erst  die  Eän- 
richtung,  so  kann  sie  sich  wohl  im  Laufe  der  Zeit  so  entwickeln, 
dals  sie,  wenn  auch  jetzt  noch  nicht  zweckentsprechend,  es  doch 
einmal  werden  mag.  Die  guten  Bestrebungen  in  der  Richtung  zur 
Verbesserung  werden  sicher  nicht  mangeln. 

Es  war  im  Jahre  1899,  als  Christiania,  die  Hauptstadt,  ein  ge- 
ordnetes Schularztwesen  in  ihren  Volksschulen  erhielt.  Die  Stadt 
hat  nun  19  solcher  Schulen.  Das  Honorar  ist  an  einer  Schule  ge- 
wöhnlicher Grölse  jährlich  800  Kronen^,  einige  Arzte  haben  mit 
Rücksicht  auf  die  Grölse  der  Schule  400  Er. 

Wir  führen  in  folgendem  die  Vorschriften  für  die  Schulärzte 
in  Christiania  an.     Sie  lauten: 

Instruküen  für  die  Schulärzte  an  den  Velksschulen 
in  Christiania. 

(Von  der  Schalverwaltiuig  beschlossen  am  3.  Febraar  1899.) 

§  1.  Der  Schularzt  ist  der  Ratgeber  der  Schülverwaltung,  des  Schul- 
Inspektors  ond  des  Oberlehrers  in  allem,  was  die  OesandheitsverhältDisae 
der  Schnle  —  der  Scbnlbäaser,  ihrer  materiellen  Einrichtong,  des  Lehrer- 
personals und  der  Scholkinder  —  und  den  EinfluCs  dieser  Gesandheits- 
yerhältnisse  auf  den  Schalbetrieb  betrifft.  Er  führt  in  dieser  Hinsicht  die 
notwendige  sachverständige  Aufsicht  an  der  Schale. 

Wo  die  Aufsicht  des  Schalarztes  mit  jener  zasammenfftUt,  welche  der 
Gesondheitskommission  zokonunt,  kann  auch  diese  letztere  seinen  Beistand 
in  Ansprach  nehmen. 

§  2.  Zu  Beginn  jedes  Schuljahres  antersacht  er  den  Gesundheits-» 
znstand  aller  neaeintretenden  Schalkinder  and  schreibt  das  Resultat  seiner 
üntersnchang  in  ein  Protokoll  oder  für  jedes  Eand  auf  dessen  Grand- 
bachblatt. 

Er  hat  hierbei  seine  besondere  Aufmerksamkeit  auf  etwaige  Ddekte 
der  Sinnesorgane,  auf  RflckgratsTerkrümmangen  usw.  zu  richten,  sowie  er 
in  den  ersten  Monaten  des  Schuljahres  sich  dartlber  aaf  dem  Laufenden 
halten  soll^  inwiefern  die  Lehrerinnen  in  den  ersten  Klassen  Anzeichen  der- 
artiger Mängel  wahrgenommen  haben. 

Ordnet  die  Schalverwaltung  an,  dafs  zu  bestimmten  Terminen  oder 
anderen  Zeiten  Untersuchungen  von  Scholkindergroppen  oder  von  allen 
Schulkindern  stattzufinden  haben,  so  hat  er  den  ärztlichen  Beistand,  der 
hierzu  erforderlich  ist,  zu  leisten. 


1  Krone  =  1,15  Mark. 


43  3 

§  3.  An  einem  Tage  der  Woche  hat  er  sich  za  einer  der  Sehole 
passenden,  zwischen  dem  Oberlehrer  ond  ihm  yereinbarten  Zeit  in  der 
Schnle  einzufinden  behufs  üntersnchuDg  jener  Kinder,  welche  ihm  Yor- 
gefthrt  werden,  nnd  nm  dem  Oberlehrer  nnd  dem  übrigen  Lehrerpersonal 
Gdegenheit  zn  geben,  ihn  zn  Rate  zn  ziehen  hinsichtlich  der  Gesnndheits- 
Terhiltnisse  der  Schule  und  der  Kinder  sowie  auch  mit  Bezug  auf  etwaige 
Yeiftgungen,  welche  wegen  dieser  Verhältnisse  im  allgemeinen  oder  wegen 
besonderer  Vorfälle  zu  treffen  wären. 

§  4.  Wo  ein  krankes  oder  leidendes  Kind  so  gestellt  ist,  dafs  die 
Schule  ach  zur  Fürsorge  yerpflichtet  findet,  soll  er  dem  Oberlehrer  bei- 
striien  hinsichtlich  der  Vermittlung  bei  jenen  Instanzen,  deren  Mitwirkung 
Bfilig  ist,  damit  das  Kind  in  Behandlung  oder  Pflege  komme. 

§  5.  Wenn  eine  flOr  die  Schole  notwendige  Untersuchung  in  der 
Wohnung  eines  Kindes  auszuführen  ist  und  sich  auf  andere  Weise  nicht 
zweckmäisig  ausführen  lä&t,  hat  er  sie  anf  Aufforderung  des  Oberlehrers 
dort  aoszuführen. 

§  6.  Er  hat  sein  Gutachten  über  die  allgemein  gültigen  Regeln  für 
die  Reinhaltung  der  Schulen  und  speziell  darüber  abzugeben,  inwieweit  die 
besonderen  Verhältnisse  der  einzelnen  Schule  eine  Abweichung  von  diesen 
B^eln  notwendig  machen  möchten.  Ebenso  hat  er  auf  Wunsch  des 
Oberlehrers  diesem  bei  der  Begebung  der  Schullokalitäten  beizustehen  und 
hierbei  darauf  zu  sehen,  daCs  bestmögliche  Rücksicht  auf  die  Kinder  hin- 
sichtlich  deren  Unterbringung  in  den  Klassen  genommen  werde.  Wenn 
er  bei  seinen  Kindern  in  der  Schule  etwas  bemerkt,  was  der  Gesundheits- 
pflege zuwider  sein  kann,  hat  er  dem  Oberlehrer  die  notwendige  Vor- 
sCdhing  zu  machen. 

§  7.  Er  soll  hier  und  da  dem  Gymnastik-,  Schreib-  und  Zeichen- 
ntenricht,  dem  Slöjdunterricht  oder  anderem  Handarbeitsunterricht,  ebenso 
dem  Baden  in  der  Schule  anwohnen,  um  auf  Grundlage  der  hierbei 
genaehten  Beobaditungen  jene  Winke  zu  geben,  die  er  für  notwendig  er- 
aditet. 

§  8.  Er  hat  beim  Auftreten  plötzlicher  Erkrankungen  in  der  Schule 
die  erforderliche  erste  ärztliche  Hilfe  zu  leisten,  ferner,  wenn  es  verlangt 
wird,  Schulkinder  zu  besorgen,  welche  in  der  Schule  zu  Schaden  gekommen 
and,  insoweit  nicht  eine  spezialistische  oder  langwierigere  Behandlung  er- 
forderlich ist. 

§  9.  Er  hat  jene  Zeugnisse,  Gutachten  oder  Erklärungen  anszu- 
stellen,  welche  der  Oberlehrer,  der  Schulmspektor,  die  SchuWerwaltung 
oder  die  Gesundheitskommission  in  bezug  auf  die  Gesundheitsverhältnisse 
der  Schule  von  ihm  Yerlangen. 

§  10.  Im  übrigen  hat  er  die  näheren  Weisungen  zu  befolgen,  welche 
der  Schulinspektor  oder  die  Schulverwaltung  behufs  eines  für  die  Volks- 
sdnüen  gleichgearteten  Vorgehens  bei  den  ihm  aufgetragenen  Untersuchungen 
uk  ihn  richten. 


In  Christianseand  sind  keine  Schulärzte  angestellt   worden; 
<lie  Schularztfrage  wurde  vor  ungefähr  zehn  Jahren  dort  Yom  Volks- 


4  44 

fiohnlinspektor  zur  Sprache  gebracht.  Aber  es  kam  nur  das  dabei 
heraus,  data  man  der  Instruktion  des  Stadtphjrsikus  einen  Anhang 
hinzufügte,  infolgedessen  er  yerpflichtet  wurde,  die  hygienischen  Ver- 
hältnisse der  Volksschule  zu  überwachen  und  die  Gutachten  ab- 
zugeben, welche  im  Interesse  der  Schule  erforderlich  sind,  z.  B^ 
ob  ein  Kind  eine  infektiöse  Krankheit  habe  und  deshalb  nicht  sur 
Schule  gehen  solle,  ob  die  von  den  Eltern  behufs  Befreinng  der 
Kioder  yon  körperlichen  Übungen  oder  anderen  Schulfächem  auf- 
geführten Gründe  stichhaltig  seien  u.  dgl.  Und  in  der  Tat  ist  der 
Stadtphysikus  seither  in  dieser  Richtung  hier  und  da  in  Ansprach 
genommen  worden.  Qilnzlich  unberührt  yon  der  wichtigen  Frage 
der  hygienischen  Schulaufsicht  ist  also  auch  Christianssand  nicht 
geblieben. 

In  Bergen  ist  man  in  der  Lösung  der  Frage  etwas  yorwärts 
gekommen.  1897  wurden  1200  Kronen  zur  Besoldung  yon  Schul- 
ärzten an  Volksschulen  bewilligt.  Dies  geschah  auf  Vorschlag  der 
Schulyerwaltung,  welche  nach  geschehener  Bewilligung  sechs  Schul- 
ärzte anstellte,  jeden  mit  einem  Gehalt  yon  200  Kronen  jährlich. 
Für  den  Dienst  dieser  Ärzte  gilt  folgendes  Reglement: 

Bestimmungen  für  die  Gesundheitsanfsicht  in  den  Volksschulen. 

A.  1.  Für  jede  Klasse  führt  der  Elassenyorstand  ein  hygienisches 
ProtokoU  über  die  Schüler. 

2.  In  diesem  Protokoll  wird  zu  Beginn  jedes  Schaljahres  Flächen- 
und  Bauminhalt  des  Klassenzimmers,  seine  BelichtuDg  (Zahl  und  SteUnng 
der  Fenster,  Verhältnis  zwischen  Fenster-  und  Fuishodenfläche),  Heiz-  nnd 
Yentilationseinrichtung  und  Schfllerzahl  eingetragen.  Femer  das  Resultat 
der  im  Verlaufe  des  Jahres  yorgenommenen  Messungen  und  Wägnngen 
samt  der  Zahl  der  Krankheitsahsenzen  für  jeden  Schüler  pro  Monat,  soweit 
möglich  unter  Angabe  der  Art  der  Krankheit. 

3.  Messung  und  Wägung  wird  vom  Klassenyorstand  gemeinschaftlich 
mit  einem  der  Lehrer  der  Klasse  zweimal  jährlich,  je  zu  Beginn  eines 
Semesters,  yorgenommen.  Das  Gewicht  wird  im  gewöhnlichen  Gymnastik- 
anzug bestimmt,  für  die  Mädchen,  nachdem  Jacke,  Leibchen  und  Schuh- 
zeug abgelegt  sind. 

4.  Zu  Beginn  jedes  Schuljahres  wird  jedem  Schüler  yom  Klassenyorstand 
eine  Banknummer  zugewiesen,  mit  möglichster  Berücksichtigung  der  yor- 
genommenen Messung  nach  der  ärztlichen  Tabelle ;  die  Nummer  der  Bank 
wird  im  ärztlichen  Protokoll  yermerkt. 

B.  1 .  Der  Schularzt  hat  diejenigen  Schüler  zu  untersuchen,  bezügli<di 
deren  der  Klassenyorstand  befürchtet,  dais  sie  an  einer  Krankheit  oder 
einem  Kränklichkeitszustand  irgendeiner  Art  leiden;  auch  hat  er  angemeldete 
KrankheitsfiUle  unter  den  Schülern  zu  untersuchen  und  zu  bestätigen,  £alls 
dies  yon  der  Schule  yerlangt  wird. 


46  5 

Der  Arzt  ist  yerpflichtet,  die  verlangte  erste  Hufe  bei  plötzlich  anf- 
tr^nden  Erkrankungen  za  leisten. 

2.  Besondere  üntersuchnngen  hygienischer  Verhältnisse  in  betreff  der 
SdmleD  Würden  Yom  Ärzterat  (s.  nnten)  der  Schnlverwaltnng  fQr  jede  ein- 
zdne  üntersnchnng  in  Vorschlag  gebracht. 

3.  Der  Arzt  hat  sich  mit  den  hygienischen  Verhältnissen  in  der 
Sdrale  (Schnlzimmer,  Abtritte  usw.)  bekannt  und  die  nötigen  Bemerkungen 
Tmd  Anzeigen  dem  zuständigen  Lehrer  (Aufsichtsfflhrer)  zu  machen.  In 
fieser  Hinsicht  hat  er  mindestens  monatlich  einmal  diejenige  Schule  oder 
diejenigen  Schulen  zu  besuchen,  welche  in  seinen  besonderen  Wirkungskreis 
fUleu;  bei  diesen  Besuchen  hat  er  sich  die  hygienischen  Protokolle  der 
Klassenvorstände  yorlegen  zu  lassen. 

4.  Sämtliche  Schulärzte  sowie  die  jeweilen  im  Schulrate  befindlichen 
irrte  bilden  zusammen  einen  hygienischen  Ärzterat,  welcher  selbst  seinen 
Vorsitzenden  und  Sekretär  wählt.  Der  Ärzterat  tritt  auf  Einberufung  des 
Vorsitzenden  zur  Erörterung  hygienischer  Fragen,  welche  auf  die  Volks- 
sehole  in  Bergen  Bezug  haben,  und  zur  Feststellung  der  gemeinschaftlichen 
üntersuchungsmethoden  zusammen. 

ö.  Am  Ende  jedes  Schuljahres  liefern  die  einzelnen  Schulärzte  einen 
Jahresbericht.  Diese  Berichte  werden  yom  Ärzterat  gesammelt,  bearbeitet 
lud  der  Schulverwaltung  eingesandt. 

6.  Der  Ärzterat  ist  verpflichtet,  Erklärungen  betreffend  die  hygieni- 
schen Verhältnisse  bei  Neubauten  von  Schulen  auf  Ersuchen  der  Schul- 
verwaltung abzugeben. 


Der  in  Abteilung  B,  Abschnitt  4,  dieser  Bestimmungen  behandelte 
hygienische  Ärzterat  scheint  seit  seiner  Errichtung  nicht  wenig  aus- 
gelichtet zu  haben.  Aufser  der  Abfassung  der  Jahresberichte  über 
den  Gesundheitszustand  in  den  verschiedenen  Gemeindeschulen  hat 
er  auch  Gutachten,  u.  a.  über  die  Auswahl  der  Subsellien,  abgegeben. 
Im  Jahre  1900  nahm  die  Schul  Verwaltung  auch  nach  Äufserung 
des  Ärzterates  einen  Vorschlag  des  Oberlehrers  Klaus  Hanssek  an, 
dahingehend,  dafs  auf  die  Heftumschläge  folgende  hygienische  Grund- 
r^eln  aufgedruckt  werden: 

«Schütze  deine  eigene  Gesundheit  und  die  anderer!  Viele 
üBserer  ärgsten  Krankheiten  werden  durch  Ansteckungsstoffe  verursacht, 
die  in  den  Körper  eindringen. 

Die  Ansteckungsstoffe  bilden  oft  die  Begleitung  von  Staub  und  an- 
deren Unreinlichkeiten. 

Halte  daher  Haus  und  Körper  sorgfältig  rein! 

Schwindsucht  ist  die  Krankheit,  welche  die  meisten  Todesfälle  ver- 
nsacht.  Bei  ihr  ist  der  Anstecknngsstoff  meist  in  Begleitung  des  Speichels. 
Besselbe  ist  der  Fall  bei  Diphtherie  (bösartige  Halskrankbeit). 

Daher:  Sei  vorsichtig  hinsichtlich  des  Auswurfs  und  spucke 
TOT  allem  nicht  auf  den  Boden. 


6  4» 

Noeh  ein  Beispiel.  In  betreff  der  Desinfektion  der  Bficher 
gab  der  Ärzterat  nnterm  3.  Sept.  1902  auf  Veranlassung  der  Schal- 
Verwaltung  folgendes  Gutachten  ab: 

An  die  Schalverwaltung  Bergens! 

In  bezng  auf  die  Aufforderung  an  den  Ärzterat,  eine  Äufserung  ab- 
zugeben über  die  zweckmäfsigste  Art  der  Bflcberdesinfektion,  erlaubt  akdi 
der  Ärzterat,  folgendes  anzafflhren.  Bacher  gehören  gewifs  zu  jenen 
Dingen,  welche  am  schwersten  ordentlich  zu  desinfizieren  sind;  denn 
erstens  werden  sie  durch  die  gewöhnlichen  Desinfektionsmittel  leicht  ver- 
stört, und  dann  ist  es  für  das  Desinfektionsmittel  schwer,  in  alle  Blatter 
des  Buches  einzudringen,  was  ja  zur  Folge  haben  kann,  dafs  die  Des- 
infektion ganz  wirkungslos  bleibt.  Desinfektion  mit  Wasserdampf  lälst 
sich  auch  mit  Büchern  nicht  yornehmen,  welche  Lederrttcken  haben, 
während  broschierte  Bücher  oder  solche  in  Leinwand-  oder  Pappband  sich 
derart  desinfizieren  lassen.  Kbause  in  Budapest,  welcher  genaue  Unter- 
suchungen auf  diesem  Gebiete  yorgenommen  hat,  meint,  es  sei  ausreichend, 
Bücher  30—40  Minuten  den  Wasserdämpfen  auszusetzen.  Die  meisten, 
die  sich  mit  Bücherdesinfektion  beschäftigt  haben,  sind  jedoch  der  Ansicht, 
dafe  dies  am  besten  mit  Formaldehyddampf  geschehe,  und  das  ist  aneh 
die  Methode,  die  in  New  York  angewendet  wird.  Von  yerschiedenen 
Forschern,  wie  yon  Rkichenbach  in  Göttingen  und  in  jüngster  Zeit  yon 
Axel  Jöbgensen  im  Garnisonspital  in  Kopenhagen,  sind  genaue  Unter- 
suchungen über  die  desinfizierende  Kraft  des  Formaldehyddampfes  gemacht 
worden.  Das  Resultat  dieser  Untersuchungen  ist,  dafs  Formaldehyd  ein 
ausgezeichnetes  Desinfektionsmittel  ist,  wenn  folgende  Bedingungen  ein- 
gehalten werden: 

Es  müssen  ca.  3  g  10% igen  Formaldehyds  pro  Kubikmeter  Raum 
angewendet  werden;  die  Dämpfe  müssen  7—8  Stunden  einwirken  und  der 
Gegenstand,  der  sterilisiert  werden  soll,  mufs  frei  angebracht  werden,  so 
dafs  er  der  Einwirkung  der  Dämpfe  zugänglich  ist. 

Bücher  müfsten  daher  wohl  am  besten  aufgehängt  werden,  z.  B.  im 
oberen  Teil  einer  Blechkiste,  mit  einer  Klammer  am  Rücken,  und  eine 
10%  ige  Formaldehydlösung  mufs  auf  dem  Boden  der  Kiste  angebracht 
und  auf  30 — 40  ®  erwärmt  werden. 

Formalin  oder  Formaldebyd  ist  sehr  wohlfeil,  es  handelt  sich  also 
keineswegs  um  eine  kostspielige  Desinfektionsmethode. 

Der  Volksschul- Ärzterat  Bergens  hat  ferner  folgendes  Frage- 
schema fDr  die  Untersnchnng  Kranker  und  geistig  Minderwertiger 

ausgearbeitet: 

Schema  Nr.  1  (zu  beantworten  vom  Klassenvorstand). 

1.  Der  Kinder  voller  Name,  Geburtstag  und  -Jahr? 

2.  Sind  die  Eltern  oder  Grolseltern  des  Kindes  blutsyerwandt  ge- 
wesen und  wenn  ja,  in  welchem  Grade? 

3.  Ist  in  der  Familie  Geisteskrankheit,  Alkoholismus,  Selbstmord, 
Verbrechen  oder  Schwindsucht  vorgekommen? 

4.  Welches  ist  der  ökonomische  und  moralische  Zustand  der  Familie? 


47  7 

5.  Hat  das  Kind  Krämpfe,  Fallsncht,  HirnhanteiitzündiinK,  englische 
Krankheit,  Nervenfieher»  Scharlach,  Masern,  Diphtherie  oder  Kenchhusten 
Hehaht?  Hat  es  irgend  einmal  einen  starken  Stofs  anf  den  Kopf  erlitten 
oder  war  es  einmal  einem  starken  Schreck  ausgesetzt? 

6.  Ist  das  Kind  im  Wachstum  znrflckgeblieben? 
7;  Leidet  das  Kind  an  Kopfschmerzen? 

8.  Hält  das  Kind  sich  trocken? 

9.  Wann  begann  das  Kind  mit  dem  Schulbesuch? 

10.  Hat  das  Kind  eine  Kktsse  wiederholt  und  wenn  ja,  wann? 

11.  Versäumt  das  Kind  öfter  die  Schule  und  wenn  ja,  warum? 

12.  Wie  sind  die  Fähigkeiten  des  Kindes  beschaffen:  a)  im  allgemeinen? 
b)  ist  ihm  irgend  etwas  Spezielles  schwierig  oder  leicht? 

13.  FleiCs  und  Aufmerksamkeit? 

14.  Hat  der  Lehrer  irgendwelchen  Fehler  beim  Sprechen,  Sehen  oder 
Hören  wahrgenommen? 

15.  Liukshändigkeit  oder  Spiegelschrift? 

16.  Welches  ist  der  Charakter  des  Kindes? 

17.  Meint  der  Lehrer,  das  Kind  sei  der  Sonderklasse  oder  der  Schule 
fitr  Schwachsinnige  zuzuweisen? 

Schema  Nr.  2  (zu  beantworten  vom  Arzte). 

1.  Wie  ist  Aussehen  und  Körperbau  des  Kindes?  Ist  es  in  körper- 
licher Hinsicht  fflr  sein  Alter  zurückgeblieben? 

2.  Leidet  es  an  Bleichsucht  oder  Anämie? 

3.  Sind  Merkmale  yon  fiberstandener  Bhachitis  wahrzunehmen? 

4.  Sind  Abnormitäten  im  Bau  des  Kopfes  wahrzunehmen? 
6.  Sind  DegeneratioDSzeichen  vorbanden  und  welche? 

6.  Sind  Drfisenanschwellungen  yorhanden  oder  adenoide  Vegetationen? 

7.  Wie  ist  Gesicht  und  Gehör  beschaffen? 

8.  Welchen  Eindruck  hat  der  Arzt  von  den  Fähigkeiten  und  dem 
Qiarakter  des  Kindes  erhalten? 

9.  Die  wahrscheinlichen  Ursachen  der  geistigen  Mängel  des  Kindes? 

10.  Kann  durch  ärztliche  Behandlung  etwas  erreicht  werden? 

11.  Meint  der  Arzt,    das  Kind  sei  der  Sonderklasse  oder  der  Schule 
Air  Schwachsinnige  zuzuweisen? 


Wenige  Städte  scheinen  also  für  die  baldige  Lösung  der  Sohiilarzt- 
finge  so  yiel  getan  zu  haben  als  Bergen. 

An  den  Volksschulen  in  Hamar  wurde  der  Schularzt  yon 
Beginn  des  Schuljahres  1895  angestellt.  Sein  Gehalt  ist  200  Kronen 
jährlich.  An  der  höheren  öffentlichen  allgemeinen  Schule  in  Hamar 
wurde  ein  Schularzt  1898  angestellt,   das  Honorar  ist  das  gleiche. 

Instruktion  Ar  die  Schulärzte  an  der  Volksschnle  in  Hamar. 
Angenommen  in  der  YersammluDg  der  Schulverwaltung  am  14.  Febr.  1896. 

§  1.  Aufgabe  des  Schularztes  ist,  ständige  Aufsicht  Aber  die  Ge- 
sondheitsverhältnisse  im  ganzen  zu  führen. 


8  48 

§  2.  Er  soll  emmäl  wöcbentlich  die  Schule  besuchen,  nm  das 
Scholhaus  nnd  die  nächste  Umgebung  zu  besichtigen. 

§  3.  Bei  jedem  gröfseren  Umbau,  Anbau  oder  bei  Neubau  Yon 
Schullokalen,  sowie  bei  Anschaffung  von  Schulmaterial  soll  seine  Meinung 
eingeholt  werden. 

§  4.  Er  hat  den  Gesundheitszustand  der  Schfller  zu  beaufsichtigen 
und  Anleitung  in  betreff  der  Körperhaltung  derselben  während  des  Unter- 
richts zu  geben. 

§  5.  Beim  Auftreten  einer  Infektionskrankheit  hat  er  nach  einer 
Besprechung  mit  dem  Berichterstatter  der  Gesundheitskommission  die  nötigen 
Yerfttgungen  behufs  Verhinderung  des  Eindringens  der  Krankheit  in  die 
Schule  und  der  Ausbreitung  derselben  unter  den  Schülern  zu  treffen. 

§  6.  Hinsichtlich  des  Gymnastikunterrichts  hat  er  jenen  SchOlem, 
welche  darum  ansuchen,  das  ärztliche  Zeugnis  auszustellen,  und  jene 
Übungen  anzuführen,  an  welchen  die  Schüler  gegebenenfalls  teilnehmen 
können.    Ab  und  zu  hat  er  auch  den  gymnastischen  Übungen  anzuwohnen. 

§  7.  Bei  Schulversäumnissen  kann  der  Schulleiter  oder  Klassen- 
Ybrstand  vom  Schularzt  Aufschlafs  darüber  verlangen,  inwieweit  die  Ver- 
säumnisse durch  Krankheit  begrOndet  sind.  Der  Arzt  hat  dann  die 
bezügliche  Eontrolle  zu  üben. 

§  8.  Die  Benutzung  des  Schulbades  steht  unter  KontroUe  des 
Schularztes. 

§  9.  Der  Schularzt  hat  das  Recht,  besondere  Untersuchungen  sowohl 
bezüglich  der  hygienischen  Verhältnisse  in  betreff  der  Schullokale,  als  hin- 
sichtlich der  Kinder,  z.  B.  Augen-  und  Ohrenuntersuchungen,  durch- 
zuführen. 

§  10.  Alle  neueintretenden  Kinder  werden  bei  ihrer  Aufnahme  in 
die  Schule  dem  Arzt  vorgestellt. 

§  11.  Sowohl  der  Schulleiter  als  das  Lehrerpersonal  haben  den  An- 
spruch, beim  Schularzt  Bat  und  Anleitung  in  allen  schulhygienischen 
Fragen  zu  erhalten.^ 

§  12.  In  aufserordentlichen  Fällen,  z.  B.  beim  Herrschen  von  Epide- 
mien oder  bei  Unfällen,  kann  der  Schulleiter  die  Hilfe  des  Schularztes  in 
Anspruch  nehmen. 

§  1 3.    Er  fährt  die  Aufsicht  über  die  gesamte  Reinhaltung  der  Schule. 

§  14.  Die  Bemerkungen,  welche  er  zu  machen  hat,  teilt  er  dem 
Schulleiter  oder  durch  diesen  der  Schulverwaltung  mit. 


Die  folgende  Instruktion  ist  vom  Eirohen-  und  Unterrichts- 
departement  ausgearbeitet  und  gilt  für  alle  höheren  Jugendsohulen 
im  Lande. 


^  Diese  Forderungen  scheinen  etwas  weit  zu  gehen  . . .  „In  allen  sobul- 
hygienisohen  Fragen l"  Und  es  ist  doch  eine  bekannte  Tatsache,  dafs 
wenige  oder  gar  kein  norwegischer  Arzt  sich  bisher  darin  ausgebildet  hat  — 
um  nicht  zu  sagen:  Schulhygiene  studiert  hat.  Der  Verfasser. 


49  9 

iBstruktion  fBr  die  Sdudinte  ui  den  hSlieren  aUgeneiien    > 

SchnleB. 

§  1.  Der  Schularzt  ist  der  Ratgeber  für  den  Schnlvorstand  und  den 
SchnDeiter  in  allem,  was  den  Gesondheitsznstand  in  der  Schule,  bei  deren 
Lehrerpersonal  und  bei  den  Schttlem  betrifft,  soweit  dieser  Gesundheits- 
zostand  als  Yon  Yerh&ltnissen  der  Schule  abhängig  oder  als  auf  den  Schul- 
betrieb Einflnfs  nehmend  gedacht  werden  kann. 

§  2.  Der  Schularzt  f^rt  die  sachverständige  Au&icht  Aber  die 
Gesondheitsyerh&ltnisse  der  Schule  und  sieht  namentlich  darauf,  dafs 
Schulhaus  und  Schulmaterialien  den  Forderungen  der  Gesundheitspflege 
entsprechen,  sowie  dais  die  geltenden  Bestimmungen  Ober  die  Lüftung  der 
Lehrzimmer  und  Korridore,  sowie  über  die  Reinhaltung  aller  R&ume  der 
Schule,  der  Abtritte,  Hoiplätze  usw.  beobachtet  werden. 

§  3.  Zu  Beginn  jedes  Schuljahres  macht  er  sich  mit  dem  Gesundr 
heitszustand  der  neu  eingetretenen  Schfller  so  weit  bekannt,  als  dies  nach 
Beratung  mit  dem  Schulleiter  erforderlich  befunden  wird. 

Er  hat  dabei  stftndig  auf  den  Gesundheitszustand  unter  den  Schülern 
zu  achten,  besonders  auf  mögliche  Fehler  der  Sinnesorgane,  und  auch  die 
Yerfaaltungsmaisregeln  im  Auge  zu  behalten,  welche  auf  Grund  dieser  Be- 
obaditnngen  za  treffen  sind. 

Das  Resultat  Yorgenommener  Untersuchungen  oder  Wahrnehmungen 
über  Krankheits-  oder  Kränklichkeitszustande  bei  Schülern  trügt  er  in  ein 
zu  diesem  Behufe  eingerichtetes  Protokoll  ein. 

Wird  Yon  der  Oberverwaltung  oder  der  Yorstandschaft  die  Bestimmung 
getroffen,  da(s  wegen  besonderer  Anlässe  oder  in  einer  bestimmten  Absicht 
Untersuchungen  von  Schülergruppen  oder  von  allen  Schtklem  vorgenommen 
werden  sollen,  so  hat  er  den  geforderten  sachkundigen  Beistand  zu  leisten. 

§  4.  Ab  und  zu  soll  er  dem  Unterricht,  besonders  im  Schreiben, 
Zeichnen,  Gymnastik  und  Handfertigkeit,  beiwohnen,  um  auf  Grund  der 
hierbei  gemachten  Wahrnehmungen  im  allgemeinen  oder  fUr  besondere  Fälle 
jene  Winke  zu  geben,  die  er  fDr  nötig  findet. 

Äufserungen,  welche  das  Verhalten  der  Schule  oder  des  Lehrpersonals 
den  Schülern  gegenüber  betreffen,  sollen  nicht  in  Gegenwart  von  Schülern 
getan  werden. 

§  5.  Vom  Schulleiter  werden  ihm  alle  Krankmeldungen,  sowie  die 
ärztiichen  Erklärungen  vorgelegt,  denen  zufolge  ein  Schüler  auf  Grund  von 
körperlichen  Mängeln  oder  Eränklichkeitszuständen  für  kürzere  oder  längere 
Zeit  Befreiung  vom  Schulbesuch  oder  von  der  Teilnahme  an  einem  oder 
dem  anderen  Unterrichtsgegenstand  verlangt. 

§  6.  Er  hat  die  Erklärungen  abzugeben,  welche  die  Oberverwaltung 
oder  der  Schulvorstand  mit  Rücksicht  auf  die  sanitären  Yerhältnisse  der 
Schule  von  ihm  verlaugt. 

§  7.  Am  Schlüsse  jedes  Schuljahres  händigt  er  dem  Schulleiter  einen 
Bericht  über  seine  Tätigkeit  ein. 


Im  Jahre  1891  erhielten  die  Drontheimer  Volkssohulen  eine 
sdlmlärzüiche  Aufsicht  (s.  diese  Zeitschrift,  1891,  S.  308).    Besondere 

Der  SehaUni.  Uh  2 


10  50 

Sobnlftrste  hat  man  jedoch  hier  nioht  angeetelli  Es  wurde  einfach 
der  WirknDgskreis  der  Stadtärzte  dahin  erweitert,  dafs  er  anch  die 
Schnlen  ihres  Distrikts  nmfafete.  Hatte  ein  Stadtteil  zwei  oder 
mehr  Sehnlen,  so  sollte  der  Arzt  dieses  Stadtteiles  anoh  die  Anf- 
sicht  über  die  GesnndheitsverhftltDisse  in  diesen  Schulen  fähren« 
während  er  gleichzeitig  Armenarzt  und  Gesnndheitswächter  war. 
Wahrhaftig,  eine  umfassende  Tätigkeit  1  Zieht  man  dazu  in  Betracht, 
dafs  die  Schulhygiene  für  die  norwegischen  Ärzte  damals  noch  ein 
ziemlich  unbekannter  Wirkenszweig  war,  so  wird  man  verstehen,  dafs 
die  Tätigkeit  dieser  Ärzte  für  die  Schule  im  Verhältnis  zu  ihrer 
Tätigkeit  für  die  Stadt  im  allgemeinen  vollständig  in  den  Hinter- 
grund trat,  und  dies  um  so  mehr,  als  die  für  den  Schularzt 
geltende  Instruktion  besonders  umfassend  und  auf  einen  wissen- 
schaftlich arbeitenden  Schularzt  zugeschnitten  war.  Man  konnte 
daher  auch  recht  bald  deutlich  sehen,  daüs  eine  solche  Ordnung  der 
Dinge  eine  ziemlich  milsglückte  war  (s.  diese  Zeitschrifi,  1896, 
S.  189  ff.). 

Die  verschiedeneu  Erfahrungen,  welche  man  mit  der  Schularzt- 
institution in  Drontheim  in  der  Zwischenzeit  gemacht  hatte,  führten 
im  Jahre  1899  zu  dem  Versuch,  den  Gehalt  der  Stadtärzte  etwas  zu 
erhöhen  und  zagleich  die  Institution  einigermafsen  umzubilden. 
Beides  gelang  nur  in  bescheidenem  Mafse,  und  die  neue  Ordnung 
trat  1900  in  Kraft  (s.  diese  Zeitsehrifl,  1902,  S.  435  ff.).  So  beträgt 
jetzt  der  Oehalt  des  Stadtarztes  als  Schularzt  200  Kronen  jährlich 
oder  zusammen  800  Kronen  für  die  vier  Stadtärzte.  Die  abgeänderte, 
etwas  vereinfachte  Instruktion  lautet  wie  folgt: 

Instrnktion  für  die  Schulärzte  an  den  Volksschulen  von  Drontheim. 

§  1.  Der  Schalarzt  ist  der  Ratgeber  des  Scholinspektors  und  des 
Oberlehrers  in  allem,  was  die  GesuDdheitsverhältDlsse  und  deren  Einfluls 
auf  die  Arbeit  der  Schule  betrifft,  nnd  führt  die  in  jener  üinsicht  not- 
wendige sachverständige  Aufsicht  über  die  Schulgebände,  das  Schalmaterial 
und  die  Schalkinder. 

§  2.  Der  Oberlehrer  verschafft  sich  vom  Hanse  Aafklärangen  über 
den  Gesundheit szustaod  jedes  Deuangemeldeten  SchQlers,  und  wo  irgendein 
Hangel  hinsichtlich  dieses  Gesundheitszustandes  angegeben  wird,  stellt  er 
das  Kind  dem  Arzte  zur  Untersuchung  vor;  die  derart  erwiesenen  Mängel 
werden  in  das  Grundbuchblatt  des  Kindes  oder  in  ein  hiezu  bestimmtes 
Protokoll  eingetragen.  Sollte  sich  später  während  des  Schu^ahres  bei 
einem  Kinde,  das  dem  Schularzt  nicht  vorgefohrt  worden  war,  ein  Ge-> 
snndheitsfehler  herausstellen,  fo  ist  dieses  sofort  dem  Schularzt  vorzufahren. 

§  3.  Der  Schularzt  soll  sich  alle  vierzehn  Tage  einmal  in  der 
Schule  einfinden,   um   die  Kinder  zu  untersuchen,   welche  ihm  vorgeführt 


61  11 

irard«D,  und  damit  der  Oberlehrer  und  das  übrige  Lebrpersonal  Oelegeabett 
kabeo,  ach  mit  ihm  über  das  beraten  zn  künneii,  was  die  GesiiDdheils- 
ferhfthnisse  der  Schale  und  der  Kinder  betrifft.  Die  ft&r  die  Schale  se- 
idenste Zeit  bestiomit  er  im  MnYerst&ndnis  mit  dem  Oberlehrer. 

Femer  hat  er  die  Kinder,  die  ihm  von  der  Schale  in  seinem  Amts- 
limmer  vorgestellt  werden,  za  antersachen  and  über  dieselben  seinen  Befand 
ibrngeben. 

An  der  Trolla- Schale  wird  eine  allgemeine  Ärztliche  Untersachong 
iwdmal  jährlich  vorgenommen  and  sonst,  wenn  sie  nötig  befanden  wird. 
Ln  übrigen  hat  diese  Schale  denselben  Ansprach  aaf  Hilfe  and  Rat  des 
Arztes  wie  die  anderen  Scholen. 

§  4.  Wo  es  von  Belang  ist,  ein  Schalkind  in  seinem  Heim  zn  anter- 
ndien,  and  wo  diese  Untersnchang  aaf  andere  zweckmafsige  Art  nicht 
aiBgeführt  werden  kann,  hat  der  Schalarzt  über  Aafforderang  des  Ober- 
lehrers dieselbe  vorznnehmen. 

§  5.  Bei  plötzlichen  Erkrankangen  oder  bei  Unfällen  in  der  Schale 
bat  er  die  geforderte  erste  Ärztliche  Hilfe  za  leisten,  sei  es,  dals  man  ihn 
ii  seinem  Amtszimmer  aafsacht  oder  ihn  beruft. 

§  6.  Beim  Auftreten  von  epidemischen  Krankheiten  soll  er  den  ihm 
mgewiesenen  Schalen  besondere  Aufmerksamkeit  widmen.  Bestimmt  die 
Sehnlverwaltnng,  dals  er  eine  Untersuchung  von  Schülergmppen  oder  von 
simtlichen  Schülern  ausführen  soll,  so  hat  er  sich  die  notwendige  sach- 
Torst&ndige  ärztliche  Hufe  hiezu  zu  verschaffen. 

§  7.  Mindestens  in  jedem  zweiten  Monat  hat  er  bei  seinem  Besuche 
ii  den  Schulen  Beobachtungen  zu  machen  bezüglich  der  Haltung  der  Kinder 
beim  Schreib-,  Zeichen-,  Handarbeits-  und  Gymnastikunterricht.  Ebenso 
btt  er  sich  mit  der  Art  bekannt  zu  machen,  wie  das  Baden  in  der 
Sehule  vorgenommen  wird. 

§  8,  Er  hat  die  Zeugnisse,  Gutachten  und  Erklärungen  abzugeben, 
welche  der  Oberlehrer  oder  Schuiinspektor  von  ihm  bezüglich  der  Gesund- 
heitsverhältnisse der  Schule  verlangen. 

§  9.  Die  für  diese  Untersuchungen  notwendigen  Protokolle,  Grund- 
bidiblätter  oder  Schemata  sind  in  der  Art  zu  führen,  wie  es  der  Sdinl- 
isq^ektor  oder  die  Schulverwaltung  bestimmen. 


1900  erhielt  die  Stadt  Tromsö  eine  Schalarztordnung.  Auch 
hier  gilt  sie  der  Volksschule.  Tromsö  ist  übrigens  gewiüs  die  nörd- 
fiehste  Stadt,  welche  diese  Institution  besitzt.  Die  dort  geltende 
Praxis  wird  durch  eine  Instruktion  geregelt,  welche  der  in  Christiania 
geltenden  dem  Wortlaute  nach  beinahe  vollkommen  gleich  ist. 

Auch  die  Stadt  Lillehammer  hat  Schulärzte  sowohl  an  der 
Yolksschule  als  an  der  höhereu  Schule,  Die  Ordnung  ist  hier  so 
ziemlich  gleich  jener  in  den  obengenannten  Städten.  Die  Schulärzte 
teilen  über  den  Oesundbeitszustand  der  Schulen  und  Schüler  stän< 
üge  Aufsiclit  führen;  sie  sollen  die  neueingetretenen  Schüler  einer 
genaueren  Untersuchung  nach  einem  angenommenen  Schema  unter- 

2* 


12  52 

werfen;  sie  sollen  die  Sohnlen  wöchentlich  besuchen;  sie  sollen  die 
Aufklärungen  und  Gutachten  abgeben,  deren  die  Schule  bedarf;  sie 
haben  Bat  und  Anleitung  bei  Anschaffung  des  Inventars  zu  geben 
Zeugnisse  wegen  Befreiung  vom  Gymnastikunterricht  u.  a.  aus- 
zustellen. Der  Gehalt  für  jeden  Schularzt  beträgt  auch  hier  200 
Kronen  pro  Jahr.  Wie  in  anderen  Orten,  so  werden  auch  hier  ein- 
zelne Teile  der  Instruktion  nicht  eingehalten.  Aus  diesem  Ghrunde 
bleiben  die  Schulärzte  für  das  öffentliche  Bewulstsein  noch  etwas 
überflüssiges,  während  sie  dies  für  den  kundigen  Schulhygieniker 
doch  in  keiner  Weise  sind. 

In  Gjövik  hat  man  seit  mehreren  Jahren  ärztliche  Mitwirkung 
an  den  Schulen.  Die  letzteren  sind  in  dieser  Stadt  nicht  so  zahl- 
reich, dafs  ein  Arzt  die  Arbeit  nicht  fertig  brächte.  Er  ist  verpflichtet, 
sich  nach  der  Instruktion  zu  richten,  welche  vom  zuständigen 
Begierungsdepartement  für  die  höheren  Schulen  erlassen  worden  ist 
Allein  für  die  Volksschule  geschieht  die  Arbeit  nach  etwas  mehr 
lockeren  Begeln.  Die  Schüler  werden  nicht  alle  untersucht  und 
ohne  besonders  dringenden  Grund  auch  nicht  zum  Arzt  hingesendet. 
Das  Honorar  ist  auch  danach,  nämlich  70  E[ronen  für  die  Volks- 
schule und  SO  Kronen  für  die  Mittelschule,  d.  h.  zusammen 
100  Kronen  jährlich. 

Die  Stadt  Kongsringer  hat  seit  etwa  10  Jahren  einen  Schal«- 
arzt.  Dieser  hat  die  Lemanfänger  und  besonders  deren  Augen  und 
Ohren  zu  untersuchen.  Überdies  behandelt  er  auch  Kinder,  welche 
an  der  oder  jener  Krankheit  leiden  oder  sich  beschädigt  haben,  und 
die  ihm  vom  Schulleiter  zugeschickt  werden.  Des  weiteren  hat 
der  Schularzt  darüber  zu  wachen,  daCs  ansteckende  Krankheiten 
nicht  durch  die  Schule  verbreitet  werden,  femer  schreibt  er  das 
Zeugnis,  falls  ein  Schüler  Befreiung  von  der  Gymnastik  oder  einem 
anderen  ünterrichtsgegenstand  anspricht.  Es  kommt  auch  vor,  dab 
die  Ansicht  des  Arztes  über  Beleuchtung,  Ventilation,  Beheizung 
und  andere  hygienische  Verhältnisse  erbeten  wird.  Der  Jahres- 
gehalt des  Schularztes  in  Kongsvinger  beträgt  wie  in  der  vor- 
genannten Stadt  100  Kronen,  von  welchem  Betrag  zwei  Dritteile 
auf  das  Budget  der  Volksschule  kommen,  ein  Dritteil  auf  jenes  der 
Mittelschule.  Die  Volksschule  hat  zirka  200  Kinder,  die  Mittel- 
schule zirka  60. 

Gewils  gibt  es  noch  andere  norwegische  Städte  als  die  an- 
geführten, welche  die  Schularztinstitution  in  der  einen  oder  andere« 
Art  benutzen.    Aber  die  angeführten  Beispiele  genügen,  um  einen 


53  13 

Begriff  von  dem  Tjrpns  za  geben,  welcher  hierztdande  der  biiftnoh- 
Kfihfite  ist.  loh  meinte,  vor  dieser  Löeong  der  Frage  der  hygie- 
niBohen  Schnlanfsicht  warnen  su  sollen  nnd  hinterher,  als  ich 
Zeuge  davon  ward,  wie  die  Sache  in  der  Praxis  sich  entwickelte 
«nd  wie  sie  wirkte,  wurde  ich  in  meiner  Auffassung,  dals  dies  eine 
köehst'  unglückliche  Losung  einer  besonders  wichtigen  Frage  sei, 
bestärkt  Wie  ich  früher  in  dieser  Zeäsehrift  sagte:  man  bekommt 
bei  der  Verwendung  des  Kreisarztes  (Stadtärzte)  in  der  Schule 
eben  guten  Gesundheitswflchter  zum  Schutz  gegen  das  Eindringen  der 
Infektionskrankheiten  in  die  Schulen ;  aber  einen  eigentlichen  Schul- 
eist,  der  mit  wissenschafUichem  Interesse  und  der  nötigen  Einsicht 
an  der  Arbeit  der  Schule  teilnähme,  und  welcher  sein  forschendes 
Auge  auf  jedem  einzelnen  Schüler  ruhen  lielse,  um  ein  vielgestaltiges 
Stodienmaterial  zu  sammeln,  das  später  der  praktischen  Pädagogik 
zugute  kommen  könnte  —  einen  solchen  Schularzt  erhält  man 
denrt  nicht.  Was  der  Stadtarzt  (Kreisarzt)  tun  kann,  ist,  dala 
er  der  Schule  einige  wenige,  kurze  Stunden  der  ihm  von  seiner 
Ibrigen  Praxis  bleibenden  Zeit  widmet.  Derart  kann  keine  syste- 
matische Arbeit  zustande  kommen  und  dies  um  so  weniger,  als  das 
eigentliche  Interesse  des  Stadtarztes  von  der  auf  ihm  lastenden 
Armenpraxis  vollauf  in  Anspruch  genommen  wird.  Der  Gehalt,  welchen 
der  norwegische  Schularzt  allgemein  zugemessen  erhält,  bezeichnet 
diese  seine  Stellung  ganz  und  gar  als  Nebenbeschäftigung. 
Alles  in  allem  genommen,  ist  dies  vielleicht  ganz  recht;  denn  unser 
Land  ist  bisher,  wie  zuvor  angedeutet,  der  speziellen  Anstellung 
der  lizte  in  Schulhygiene  fremd  geblieben.  Ja,  der  einzige  Schul- 
mann, der  seine  Stimme  erhob,  um  für  diesen  speziellen  Zweig  der 
Hygiene  Interesse  und  Aufmerksamkeit  zu  wecken,  war  bis  vor 
wenigen  Jahren  ein  Rufer  in  der  Wüste.  Dals  er  es  nicht  mehr 
ist,  ist  eine  JEVucht  seiner  Yorpostengefechte. 

Ich  habe  nur  noch  hinzuzufügen,  dals  mir  nichts  davon  bekannt 
ist,  dals  irgendein  Landdistrikt  die  Anstellung  eines  Schularztes 
ins  Auge  gefalst  hätte.  Es  ist  wenig  wahrscheinlich,  dals  die  Be- 
▼Olkerong  in  den  zerstreut  liegenden  Gehöften  unseres  Landes  mit 
dem  geltenden  Minimum  von  Unterrichtszeit  Grund  gefunden  hätte, 
eine  besondere  Gesundheitsaufsicht  in  Schulsachen  aufzustellen. 
Dagegen  sollen  hier,  wie  in  so  manchen  Dingen,  die  Städte  die 
Knltorfärderer  sein,  von  wo  aus  gute  und  nützliche  Einrichtungen 
über  die  in  ökonomischer  Rücksicht  ungünstiger  gestellten  Land- 
cbtrikte  sich  verbreiten. 


14  64 


Zum  SoUuflse  bringe  ich  als  Beispiel  ein  Gmndbnohblatt, 
es  in  mehreren  Städten  fOr  die  an  untersaehenden  Lemanfihigtr 
ausgefertigt  wurde,  nnd  wie  es  mit  Zosfttzen  für  jedes  Jahr  Ter- 
sehen  wird,  wenn  das  Kind  in  eine  nene  Klasse  übergeht.  Die 
Gnmdbnohblätter  an  den  Schulen  der  yersohiedenen  Stftdte  sind  in 
allem  wesentlichen  emander  gleich.  Das  angeführte  Exemplar  rfikit 
aus  Ohristiania  her,  und  es  ist  ja  gans  erklärlich,  dab  das  Formular 
aus  der  Hauptstadt  anderen  Städten  als  Muster  gedient  hat.  In  ein- 
zelnen Städten  ist  das  Grundbuchblatt  nicht  weiter  gediehen,  ab  dab 
es  in  einem  der  Paragraphen  der  Schularztinstruktion  genannt  ist. 
Man  hat  es  ab  zu  umständlich  oder  auch  als  unnötig  befunden, 
oder  man  hat  es  wohl  gar  vergessen.  Fragt  man  danach,  so  weüs 
niemand  etwas  davon  zu  sagen.  Man  kommt  dabei  auf  den  Gedanken» 
ob  nicht  die  ganze  Schularztinstitution  mit  der  hygienischen  Lnspek- 
tion in  den  Schulen  in  manchen  Städten  ein  totgeborenes  Kind, 
oder  jedenfallB  ein  schwächliches  Wesen  sei,  welches  redit  bald 
sein  Leben  aushauchen  wird.  Ich  will  jedoch  hoffnungsvoll  glauben, 
dab  das  schwache  Wesen  entwicklungs&hig  sein  und  grob  und 
stark  wachsen  werde  und,  wenn  auch  nicht  ein  Herkules,  so 
doch  eine  nützliche  Einrichtung  für  die  Grundlage  der  Zukunft  un- 
serer Gesellschaft  werden  möge. 


firudbueliblatL 

Marne   des   Schülers : 

Name  und  Stand  des  Vaters : ~ 

geboren  am. aufgenommen  in  die  Schule  Klasse  am.. 

übersiedelt       -     -    »       n       »  • 


Geimpft: 

Ausgetreten  aus  der.. 

Kitteilangen  der  Eltern 
Aber  Krankheiten,  dief&r 
die  Aufnahme  in  die 
Sehole  von   Belang  sind 


56 


15 


Rnokat  der  ftntUdien  Untersachang  bei  der  Astoaliiiie  der  Kinder 

in  die  Schule^ 


Allgaaieiiier 
Qetnndheit«' 
zustand  nnd 
Eorperent- 
wicklnng* 


s 


Sa, 
00 


I 


•8 


tS 


IIa 
■SM§ 


Gut 

Mittel 

Mleeht 


*  Die  Babriken  werden  nnr  ansgefnlli,  wenn  etwas  in  bemerken  ist. 

'  Daa  Niobtratreffende  ist  dnrohsnstreieben.  Werden  der  Gesnndbeits* 
smtand  nnd  die  Kdrperentwioklung  als  sohleoht  beieiohnet,  se  ist  eine  knive 
Bsgrfindnng  an  geben. 


Schnljahr 

Im  Schnljabre 
Krankbeits- 
halber  ver- 

sfiomte  Sobol- 
tage 

Während   des   Schuljahres 
wahrgenommene  oder  auf- 
getretene Krankheiten  oder 
Kranklichkeitssust&ndeyon 

über  getroffene  Ver- 
fSgungen 

jftleittere  Jtitteilttttjett. 


leie  SeklUrste.  Die  j^Bohemia*^  bringt  folgende  Bemerkungen  zn 
den  in  Prag  nen  angestellten  Scbolftrzten: 

«In  Prag  sind  neun  städtische  Schulärzte  ernannt  worden,  ein  Anfang, 
der  nur  begrflist  werden  kann;  aber  man  wird  sich  vergebens  bemühen, 
rater  den  Nenemannten  einen  deutschen  Namen  herauszufinden  (flbrigens 
nnd  nenn  Schulärzte,  die  nebenbei  noch  Privatpraxis  betreiben  müssen,  filr 
md  20000  Schulkinder  entschieden  zu  wenig,  oder  sollen  nur  die  tschechi- 
Mhen  Kinder  mit  den  Segnungen  einer  schulärztlichen  Aufsicht  bedacht 
werden?).  Wir  haben  schon  wiederholt  darauf  hingewiesen,  dab  f&r  die 
deutschen  Sdiulkinder  ein  deutscher  Schularzt  gefordert  werden  muls;  an 
deatsdien  tüchtigen  Bewerbern  fehlt  es  in  Prag  wahrlich  nicht  Wir  smd 
sehr  begierig,  ob  die  vom  schulhygienischen  (aber  auch  vom  pädagogischen) 


16  56 

Standpunkte  ganz  immögliche  ÜberfQUang  an  den  deutschen  Bflrgerschalen 
nunmehr  durch  die  Schulärzte  beseitigt  werden  wird/ 

In  Darm  Stadt  hat  sich  die  Schulkommission  mit  der  AnsteDung  Yon 
Schulärzten  beschäftigt:  Die  Kommission  ist  der  Ansicht,  dafs  fünf  solcher 
Ärzte  angestellt  werden  sollten,  dafs  die  Stadt  zu  dem  Zwecke  in  fttnf 
Bezirke  (mit  je  etwa  60  Schulklassen)  einzuteilen  sei,  dafs  die  Ärzte  die 
fraglichen  Funktionen  im  Nebenamte  zu  besorgen  hätten,  und  dals  die 
Anstellung  nur  eines  Schularztes  im  Hauptamte  nicht  zu  empfehlen  sei. 
Der  Stadtrat  stimmte  dem  zu.  Zunächst  soll  auf  Grund  der  Beschlflsse  der 
Schulkommission  ein  Entwurf  von  Bestimmungen  über  die  Dienstobliegen- 
heiten und  AnstellungSTerhältnisse  der  Schulärzte  aufgestellt  werden,  wobei 
Ton  der  Anordnung  körperlicher  Untersuchung  sämtlicher  Schulkinder  vor- 
erst Umgang  zu  nehmen,  eine  solche  vielmehr  nur  bei  besonderen  Anlässen 
im  einzelnen  Fall  vorzunehmen  ist. 

In  Neustädtel  im  Erzgebirge  (Ereishauptmannschaft  Zwickau)  be- 
schlossen die  städtischen  Behörden,  einen  Schularzt  anzustellen.  Es  findet 
nunmehr  alljährlich  eine  einmalige  Untersuchung  sämtlicher  Schulkinder  des 
zweiten  bis  achten  Schuljahres  statt. 

In  Bayreuth  hat  sich  der  Magistrat  für  Anstellung  eines  Schularztes 
entschieden.  In  der  zur  Beratung  dieses  Themas  einberufenen  allgemeinen 
Bürgerversammlung  kam  es  zu  widerstreitenden  Meinungsäulserungen.  Der 
Vorsitzende  bekämpfte  lebhaft  die  Anstellung  eines  Schularztes,  fftr  den  im 
Etat  1905  ein  Postulat  von  600  Mark  eingesetzt  ist.  Er  gab  das  ganze 
Programm  bekannt,  das  der  Schularzt  zu  absolvieren  hat,  und  betonte,  dafs 
es  nicht  möglich  sei,  dafs  der  Schularzt  im  Nebenamte  seinen  Verpflich- 
tungen nachkommen  kann.  Schulärzte  sind  bis  jetzt  in  Bayern  nur  angestellt  in 
München,  Nürnberg  und  Würzburg.  (München  und  Würzburg  haben  keine 
Schulärzte,  wohl  aber  Fürth  bei  Nürnberg.  D.  R.)  Was  sich  diese  Städte 
leisten  können,  kann  aber  Bayreuth  mit  seinen  geringen  Einnahmen  sich 
nicht  leisten.  —  Dr.  Landgraf  jr.  verliest  zur  näheren  Information 
der  Anstellung  von  Schulärzten  ein  auf  einer  Versammlung  in  Breslau  er- 
stattetes Referat,  welches  die  Verhältnisse  in  schulhygienischer  Beziehung 
in  Breslau  genau  darstellt.  In  dieser  Stadt,  wo  seit  3Vs  Jahren  Schulärzte 
angestellt  sind,  ist  man  mit  dieser  Einrichtung  sehr  zufrieden.  Dr.  Land- 
graf begrüfst  den  Antrag  zur  Anstellung  eines  Schularztes  und  glaubt 
nicht,  dafs  die  Belastung  deswegen  eine  gar  zu  grofse  wird.  —  Privatier 
SCHÜBEL  ist  aus  finanziellen  Gründen  gegen  die  Anstellung  eines  Schul- 
arztes, während  Rechtsanwalt  Frölich  sehr  viele  Momente  ins  Feld  führt, 
die  für  einen  Schularzt  sprechen.  Es  sei  für  alle  Eltern  von  grobem 
Interesse,  ihre  Kinder  richtig  versorgt  zu  wissen.  Die  seinerzeit  ausge- 
brochene Masernepidemie  wäre  sicher  verhütet  worden,  wenn  man  den  Cha- 
rakter der  Krankheit  zeitig  erkannt  hätte.  Allerwärts  ist  das  Bestreben 
vorhanden,  dafs  den  Kindern  auch  in  den  Schulen  das  richtige  Interesse 
zugewandt  wird.  Der  Redner  kam  auch  auf  solche  Verhältnisse  zu  sprechen, 
wo  Eltern,  welche  den  ganzen  Tag  auswärts  arbeiten  müssen,  ihre 
Kinder  erst  abends  wieder  zu  Gesicht  bekommen;  für  solche  Eltern 
ist  eine  derartige  Sicherheit  eine  wirkliche  Wohltat.  Ein  Postulat  von 
600  Mark  übt  gegenüber  dem  Schuletat  von  260000  Mark  keinen  Einflufs 


M  17 

SOS,  aaeh  tritt  dadnrch  keine  ümlageerhOhnDg  ein.  Man  soUte  nicht  immer 
iDf  dem  Standpunkt  bleiben  und  abwarten,  was  andere  Stfldte  ton,  wenn 
es  scb  nm  etwas  Gutes  und  Praktisches  handelt.  Es  handelt  sich  Yorerst 
inr  um  einen  Versuch,  und  wird  dadurch  nur  zwei  Kindern  geholfen,  so 
ist  dieser  Yersnch  auch  rentabel.  Richtig  ist,  dafs  gespart  werden  soll, 
iber  för  gesundheitliche  Zwecke  soll  man  nicht  sparen. 

Markirch  im  Oberelsals  hatte  im  vorigen  Jahre  probeweise  zahn- 
taüichen  Dienst  in  der  Volksschule  eingeführt  und  diese  Funktion  einem 
Zahntechniker  übertragen.  Das  Bezirkspr&sidium  erhob  hiergegen  Einspruch 
unter  Hinweis  auf  die  Gewerbeordnung.  Die  Stadt  hat  nunmehr  einen  Schul- 
arzt in  der  Person  des  Eantonalarztes  Dr.  Höpffneb  angestellt,  dem  die 
ioisicht  Aber  den  Zahntechniker  übertragen  wurde.  Die  sonstigen  Funktionen 
des  neuen  Schularztes  sind  die  üblichen. 

In  Karlsruhe  schwankt  man  zwischen  Anstellung  eines  Schularztes 
naHaaptamt  nach  Mannheimer  Muster,  d.  h.  unter  Ausschluis  von  Privat- 
pnxis,  wozu  der  Magistrat  geneigt  ist,  und  zwischen  Ernennung  von  fünf 
Schnlärzten  im  Nebendienst  mit  je  50  Klassen,  wie  dies  von  der  Schul- 
komnussion  befürwortet  wird.  Man  erwartet  in  manchen  Kreisen,  der 
«Berafsschularzt"  mit  voller  Beamteneigenschaft  werde  in  viel  innigerem 
Kontakt  mit  der  Schule  stehen  und  daher  viel  grölseren  Einflufs  auf  den 
Sehnibetrieb  gewinnen  als  eine  grö&ere  Anzahl  von  Schulärzten  im  Neben- 
tmt.  Die  „üf.  J^.  J^.^  schreiben  zu  dieser  Frage,  unter  Hinweis  auf 
die  Münchener  Verhältnisse:  Bei  den  ^^Schulärzten  im  Nebenamte^  (und 
deren  müfsten  es,  da  München  in  den  Volksschulen  allein  etwa  12Ü0  Klassen 
liat,  mindestens  24  sein)  sind  KoUisionen  zwischen  der  Privatpraxis  und 
den  die  Schularztfunktion  inne  habenden  praktischen  Ärzten  unver* 
meidlich.  Auch  verlangt  der  schulärztliche  Dienst,  wenn  er  jenen  Zweck 
eneichen  soll,  eine  so  angestrengte  und  intensive  Inanspruchnahme,  dais 
ach  praktische  Ärzte  nicht  damit  befassen  können,  ohne  dafs  die  eine 
oder  andere  Tätigkeit  dabei  Schaden  leiden  müfste.  Der  Schularzt  darf 
km  Interesse  haben  aufser  dem  der  Schule,  und  deshalb  glauben  wir  auch 
ftr  München  das  System  des  Bemfsschularztes  als  das  einzig  richtige,  weil 
zweckentsprechende,  bezeichnen  zu  dürfen,  —  ein  Standpunkt,  den  seinerzeit 
anch  einer  der  Beferenten  im  GemeindekoHegium,  Dr.  Wackeb,  in  einer 
Versammlung  der  nationalliberalen  Partei  (siehe  „M.N.N,^  Nr.  545  vom 
24.  November  1900)  mit  folgenden  Worten  vertreten  hat:  „Das  Ideal  wäre, 
dals  die  Schulärzte  als  Beamte  der  Stadt  angestellt  würden  und  daneben 
keine  Privatpraxis  ausüben  dtlrften." 

Über  die  Tätigkeit  der  Sehulärzte  in  Berlin  seit  Beginn  des 
Winterhalbjahres  1903  berichtet  die  Schuldeputation  folgendes:  Es  smd 
36  Schulärzte  tätig.  Je  sieben  bis  acht  Gemeindeschulen  bilden  einen 
Sdinlarztkreis  und  unterstehen  einem  Schularzt.  Von  dem  im  Herbste 
1903  neu  eingeschulten  17482  Kindern  wurden  16539  durch  die  Schul- 
ärzte auf  ihre  Schulfähigkeit  untersucht  und  1101  als  ungeeignet  für  den 
SdiQlbesnch  zurückgestellt.  Die  Zahl  der  Kinder,  die  zwar  als  schulfähig, 
aber  nicht  als  völlig  gesund  ermittelt  wurden,  betrug  12897.  In  dieser 
ZaU  befindenr  sich  auch  die  Kinder,  die  die  Schulen  schon  seit  längerer 
Zdt  besuchten.     Für  den  Nebenunterricht   (d.  h.  für  die  Hilfsschulen  für 


18  &8 

scbwachbef&higte  Kinder)  wurden  568  Kinder  in  Vorschlag  gebracht  ud 
nntersncht,  von  denen  499  den  Nebenklassen  überwiesen  wurden,  290 
Kinder  wurden  fftr  die  Aufnahme  in  die  Stotterkurse  untersucht  Ein 
Besuch  der  Schulen  durch  die  Schulärzte  fand  in  1231  Fällen  statt. 

Flegeleien  gegen  einen  Sehnlarzt.  unter  dieser  Aufechrift  bringt 
der  ffStegl.  Antgr.^  folgende  Notiz:  Kflrzlich  teilten  wir  mit,  da(s  nach 
den  Untersuchungen  eines  Schularztes  in  Schöneberg  Yon  den  in  dortigen 
Schulen  unterrichteten  Kindern  50,8  Vo  regelmäTsig  Bier  und  30,9  %  ge- 
legentlich sonstige  geistige  Getränke  zu  sich  nehmen.  Diese  Untersuchungen 
haben  dem  erwähnten  Schularzt  eine  Denunziation  eingetragen.  Der 
Bflrgerrerein  und  der  Restauratennrerein  am  Ort  sind  wegen  der  Unter- 
suchungen und  ihrer  Verwertung  bei  der  Kommunalbehörde  vorstellig  ge- 
worden, und  die  Stadtverordnetenversammlung  soll  sich  in  kurzem  mit  dieser 
Beschwerde  beschäftigen. 

Nack  weleher  Seite  kin  bedarf  die  Binriehtnng  der  Sckulant- 
stellen  nock  ihrer  Erweiterung?  Hierüber  sprach  Dr.  M.  Schultb- 
Göln  im  Niederrheinischen  Verein  für  öffentliche  Gesundheitspflege.  Der 
Redner  wies  darauf  hin,  da(s  im  Auslande  die  Schularztsache  schon  weit 
mehr  entwickelt  sei,  als  in  Deutschland.  So  seien  z.  B.  in  Bulgarien  die 
Schulärzte  und  Schnlärztinnen  dem  Lehrkörper  eingeordnet,  und  es  unter- 
stände ihnen  die  Überwachung  der  Schaler  in  physischer,  intellektueller 
und  moralischer  Beziehung.  Man  mflsse  hoffen,  dafis  auch  in  Deutschlaad 
die  Entwicklung  dieser  Frage  keinen  Stillstand  erfahre.  Mehr  als  1500 
Kinder  dflrften  einem  Schularzt  nicht  zur  Überwachung  unterstellt  werden ; 
im  flbrigen  solle  es  sich  nur  um  einen  Bewachnngsdienst,  nicht  um  einen 
Behandlungsdienst  handeln.  Femer  mflCsten  auch  besondere  Schulangen- 
ärzte  gefordert  werden.  Bei  der  vorgerückten  Zeit  brachte  die  sich  an- 
schliefsende  Erörterung,  in  welcher  u.  a.  der  Stadtarzt  Dr.  Schkakamp 
aus  Dflsseidorf  Aber  die  dortigen  praktischen  Schularzteinrichtungen  be- 
richtete, keine  völlige  Klärung  Aber  die  Frage,  wie  sich  die  Versammlung 
im  ganzen  zu  der  Sache  stellte.  Die  Schnlarztfrage  soll  daher  demnädml 
nochmals  auf  die  Tagesordnung  einer  Hauptversammlung  des  Vereins  ge- 
stellt werden. 


Heferate  ftbtr  tteit  erfdiiettene  fdinlar^tüdie  3ai|re$berifl|te. 


Der  Wiesbadener  Jahresbericht  pro  1908/04  enthält  zum  ersten- 
mal die  Resultate  der  Klassen-Nachuntersuchungen  in  den  I.  Klassen.  Es 
können  demnach  jetzt  verglichen  werden  die  Untersuchungsresultate  der 
Vin.,  VI.,  IV.  und  I.  Klassen  bezw.  Jahrgang  1,  3,  5  und  8.  BezQglMi 
der  Rubrik  „Oesamtkonstitution*'  ergibt  sich  hierbei: 


M 


t9 


KlMM 

vin 

VI 

IV 

I 

VolkaMhal» 
HittelMhale 

41,0 
87,7 

37,8 
60,0 

40.6 
64,7 

47,9 
61,2 

}- 

VolkiMho]« 
MittelMhnle 

M.7 
60.1 

69,2 
49.4 

66,4 
44,4 

49,7 
48,0 

i  mittel 

Volkaaohole 
MittelMhnle 

4.8 
24» 

8,6 
0.6 

4,1 
0,9 

2,4 
0,8 

1  eohleoht 

Bd  den  Nachantenmchungen  der  Einzelerkrankiingeii  wurde  folgende 
KlftKifikation  von  Symptomgmppen,  von  denen  mehrere  bei  derselben  Person 
voiiomaen  können,  zngmnde  gelegt: 

Blntarmnt,  Skrophnlose,  Rhachitis,  geistige  Schwache  nnd  Epilepsie, 
Brost-,  Banch-  nnd  Hantkrankheiten,  Brftche,  Parasiten,  Wirbels&nle  nnd 
Extremitäten,  Angenkrankheiten,  Gesicht,  Ohrenkrankheiten,  Oehör,  Mnnd 
lad  Nase,  Sprachfehler,  Verschiedenes. 

Es  ergab  sich: 


KlUM 

vm 

7" 

VI 

IV 

•/o 

I 

VolIoMhale 
MittelMhnle 

74,4 
87,7 

69,8 
31,8 

64,9 
81,2 

44,0 
87,0 

>  Eiiud«rfa«Bkanf(mi 

Bei  den  Anfiiahmenntersnchnngen  (Klasse  Ym)  kamen  bei  denVolks- 
543  Knaben  nnd  475  Mädchen,  zusammen  1018,  znr  Untersnchnng 
int  757  Symptomgmppen  oder  74,4  % ;  bei  den  Mittelschnlen  168  Knaben 
nd  158  Mädchen,  zusammen  326  mit  123  Symptomgmppen  oder  37,7  %. 

Bei  den  Yolksschnlen  74,6  7o  der  Knaben  nnd  74,1  %  der  Mädchen. 
,     „   Mittelschnlen  45,0%     „       „  „    41,0%     ^ 

Sprechstunden  fanden  statt: 

In  den  Volksschulen  bei  insgesamt  7111  Schulkindern  120,  also  pro 
66  Schulkinder  eine  Sprechstunde  jährlich;  in  den  Mittelschulen  bei  ins- 
gesamt 2265  Schulkindern  56,  also  pro  40  Schulkinder  eine  Sprechstunde 
ÜfarUch. 

In  schulitetliche  Kontrolle  (sieben  Ärzte)  kamen  bei  den  Volksschulen 
279  Personen;  bei  den  Mittelschulen  33  Personen. 

„Mitteflnngen  an  die  Eltern"  erfolgten  bei  den  Volksschulen  154. 

Der  Bericht  hebt  die  Schwierigkeit  gleichmäfsiger  Untersuchungsresnltate 
11  den  yerschiedenen  Schularztbezirken  hervor,  die  sich  bei  den  vielfachen 
nbjektiTen  Momenten,  welche  hier  mitwirken,  nur  sehr  langsam  ausgleichen. 
Ke  gemäis  dem  Namberger  Kongrebbeschlnls  beabsichtigte  Vereinheit- 
Bdiing  des  schulärztlichen  Dienstes  im  Lande  dürfte  in  dieser  Beziehung 
sehr  f5rderlich  sein. 


20  60 

Wiesbaden  will  deshalb  mit  der  EinfUhniDg  nener  Dienstformen  so- 
lange warten,  bis  dieser  Beschlnis,  für  welchen  ein  Arbeitskomitee  bereits 
unter  Leitung  von  Leubusohkb  konstituiert  ist,  sich  realisiert  hat. 

Ein  Gesamtbericht  über  die  bisherigen  acht  Jahre  schulärztlichen 
Dienstes  in  Wiesbaden  wird  schlielslich  noch  in  Aussicht  gestellt. 

Ref.  von  Stadtarzt  Dr.  ÜEBBECKE-Breslan. 


Dtettflotbttttit9eit  für  iS4|ttiarjte. 

Dienstordnang  (Br  die  stXdtisehen  SchnUrzte  in  Mfilhansen  i.  Eis. 

Vorbemerkung.  Die  Schulärzte  verpflichten  sich,  den  Gesundheits- 
zustand der  ihnen  zugewiesenen  Schulkinder  während  des  Schulbesuches 
derselben  zu  ttberwachen,  die  zur  Schule  gehörenden  Räumlichkeiten,  Ein- 
richtungen und  Lehrmaterialien  auf  ihre  hygienische  Beschaffenheit  zu  unter- 
suchen und  alle  in  dieser  Hinsicht  durch  den  Bttrgermeister  ihnen  erteilten 
Aufträge  auszufahren. 

§  1.  Alle  in  die  Schule  neu  eintretenden  Kinder  (Knaben  und 
Mädchen)  werden  in  den  ersten  zwei  bis  drei  Tagen  nach  Beginn  der 
Schule  einer  äufserlichen  Untersuchung  unterzogen,  um  festzustellen,  ob  sie 
mit  tibertragbaren  Krankheiten  behaftet  sind. 

Zutreffenden  Falles  wird  eine  Bescheinigung  nach  Anlage  I  ausgestellt. 

§  2.  Innerhalb  der  ersten  vier  Wochen  werden  sämtliche  neu  in 
die  Schule  eingetretenen  Kinder  eingehend  auf  ihre  Körperbeschaffenheit 
und  ihren  Gesundheitszustand  untersucht,  und  zwar  nach  Anweisung  der 
Anlage  n,  die  gleichzeitig  den  Gesundheitsschein  der  Schulkinder  darstellt. 
Das  Ergebnis  dieser  genauen  Untersuchung  entscheidet  darüber: 

a)  ob  das  Kind  hinsichtlich  seiner  körperlichen  Beschaffenheit  befähigt 
ist,  an  dem  regelmäfsigen  Schulbesuche  teilzunehmen.  Nichtzutreffenden 
Falles  wird  eine  Bescheinigung  nach  Anlage  JII  ausgestellt. 

b)  ob  eine  fortgesetzte  ärztliche  Beobachtung  erforderlich  ist.  Zu- 
treffenden Falles  wird  der  Gesundheitsschein  des  Kindes  mit  dem  Vermerk 
„ärztliche  Kontrolle"  versehen. 

c)  ob  Befreiung  von  einzelnen  Unterrichtsfächern  (Turnen,  Gesang) 
oder   sonstige  Beschränkung  der  Teilnahme  am  Unterricht  anzuraten  ist. 

d)  ob  dem  Kinde  ein  besonderer  Sitzplatz  in  der  Klasse  an- 
zuweisen ist. 

§  3.  Die  in  §  2  genannte  Untersuchung  ist  aUe  zwei  Jahre  im 
ersten  Yierte^ahre  des  Schuljahres  an  allen  Kindern  zu  wiederholen. 
Veränderungen  im  Gesundheitszustand  und  während  der  Schulzeit  statt- 
gehabte ernstlichere  Erkrankungen  des  £[indes  sind  in  dem  Gesundheits- 
schein  einzutragen. 

§  4.  AUe  vier  Wochen  hat  der  Schularzt  an  einem  mit  dem  Anstalts- 
leiter vereinbarten  Tage  der  Schule  einen  zweistflndigen  Besuch  abzustatten. 
Während  der  ersten  Stunde  unternimmt  der  Schularzt  in  Begleitung  des 
Anstaltsleiters  oder  des  Stellvertreters  desselben  eine  in  jeder  Klasse  etwa 
10  bis  15  Minuten  dauernde   Untersuchung  von   zwei   bis    fOnf  Klassen. 


61  21 

Jede  Elftsse  soll  in  dieser  Weise  ein-  bis  zweimal  wfthrend  eines  halben 
Jihres  besacht  werden.  Zweck  der  üniersnchnng  ist  die  Beobachtung 
der  Kinder  und  der  Lehrzimmer  mit  ihren  Einrichtungen  (Beleuchtung, 
Heizang,  Laftung,  Bänke,  Lehrmittel,  Reiulichkeitszustand)  wfthrend  des 
Unterrichts,  der  wfthrend  der  Anwesenheit  des  Arztes  in 
der  Klasse  nicht  unterbrochen  wird. 

Wenn  in  einer  Klasse  mindestens  zwei  Fälle  derselben  ansteckenden 
Krankheit  gleichzeitig  Yorkommen,  so  sind  auf  Anzeige  des  Lehrers  sofort 
flimüiche  Kinder  der  Klasse  vom  Schularzt  darauf  zu  untersuchen,  ob  sie 
mit  der  betreffenden  Krankheit  behaftet  sind.  In  jeder  folgenden  Woche, 
in  welcher  eine  Zunahme  der  Krankheitsfälle  eintritt,  ist  mindestens  eine 
nene  Untersuchung  vorzunehmen.  Auch  ist  dem  Lehrer  inbezug  auf  die 
ihm  bei  ansteckenden  Krankheiten  zufallenden  Anordnungen  seitens  des 
Sdralarztes  in  jeder  Hinsicht  hilfreiche  Hand  zu  leisten. 

An  den  ELindem  wahrnehmbare  Gesundheitsstörungen  bringt  der 
Sdndarzt  in  der  Sprechstunde  zur  Sprache.  Hygienische  Mängel  m  der 
Funktion  der  Schuleinrichtungen  und  Einflösse  dieser  Mängel  auf  die 
Kinder  und  den  Unterricht  hat  der  Schularzt  in  das  „Oesundheitsbuch*' 
der  Anstalt  einzutragen. 

Die  zweite  Stunde  der  Besuchszeit  ist  eine  im  Dienstzinmier  des 
Anstaltsleiters  oder  in  einem  anderen  geeigneten  Zimmer  abzuhaltende 
Sprechstunde.  Falls  der  Arzt  bei  seinem  Aufenthalte  in  den  Klassen 
Kmder  angetroffen  hat,  die  einer  ärztlichen  Untersuchung  bedflrftig  erschienen, 
80  ist  diese  während  der  Sprechstunde  vorzunehmen.  Auch  Kinder  aus 
anderen  vom  Arzte  an  dem  betreffenden  Tage  nicht  besuchten  Klassen 
sind  ihm,  falls  es  die  Lehrer  fär  notwendig  halten  oder  die  Kinder  es 
wünschen,  zuzuführen. 

Während  des  Aufenthaltes  des  Arztes  in  der  Klasse  findet 
weder  eine  Untersuchung  von  Kindern,  noch  ein  Befragen 
derselben  oder  des  Lehrers  statt. 

Auskaufte  jeglicher  Art,  Besprechungen  zwischen  Lehrpersonal  und 
Arzt,  sowie   Vorschläge  des  letzteren  sind  der  Sprechstunde  vorbehalten. 

§  5.  Alle  schulärztlichen  Untersuchungen  sind  in  Gegenwart  des 
Anstaltsleiters,  seines  Vertreters  oder  des  Klassenlehrers  vorzunehmen. 
Die  Gesnndheitsscheine  der  Kinder  gehören  zu  den  Akten  der  Anstalt. 
Tritt  ein  Kind  in  eine  andere  Schule  ein,  so  wird  der  Gesundheitsschein 
dorthin  aberwiesen.  Scheine,  welche  den  Vermerk  „ärztliche  Kontrolle'' 
fthren,  sind  dem  Arzte  bei  jedem  Besuche  deijenigen  Klasse,  in  welcher 
fleh  die  betreffenden  Schaler  befinden,  vorzulegen. 

§  6.  Ärztliche  Behandlung  erkrankter  Schulkinder  ist  nicht  Sache 
des  Schularztes.  Hält  derselbe  eine  Behandlung  far  nötig,  so  sind  die 
Eltern  seitens  der  Schulleitung  davon  zu  benachrichtigen  (s.  Anlage  I).  Die 
Wahl  des  Arztes  bleibt  den  Angehörigen  der  Kinder  aberlassen.  Muls 
die  Behandlung  nach  Ansicht  des  Schularztes  durch  einen  Spezialisten  er- 
folgen, so  ist  dies  den  Eltern  anzuempfehlen.  Wenn  trotz  wiederholter 
Ermahnungen  eine  ärztliche  Behandlung  des  Kindes  unterbleibt,  so  ist  beim 
BSrgermeister  Behandlung  des  Kindes  im  städtischen  Krankenhause  zu  be- 
antragen. 


22  62 

§  7.  Je  einmal  im  Sommer  and  Winter  hat  der  Scltnlarst  alle  be- 
nutzten Schnlrftnme  mit  Zubehör  auf  ihre  hygienische  Beschaffenheit  ra 
prftfen.  Insbesondere  ist  zu  achten  auf  die  natürliche  nnd  kflnetliciie 
Lichtzofiihr,  die  Vorhänge,  Heizung  nnd  Lüftnng,  den  Lnftranm,  die  Be- 
schaffenheit der  Fnisböden,  W&nde,  Bänke,  anf  die  Reinigung  der  Klassen, 
Flure,  Treppen,  Aborte  und  der  Turnhalle,  auf  die  Kleiderablage,  Blitz- 
ableiter, Badeeinrichtungen,  Trinkwasserversorgung  und  Störungen  in  der 
Umgebung  des  Schulgebäudes.  Mängel  sowie  Vorschläge  auf  Abänderung 
sind  in  das  „Gesundheitsbuch^  einzutragen. 

§  8.  Selbständige  Anordnungen  und  Vorschriften  fbr  das  Schal» 
personal  stehen  dem  Arzte  nicht  zu«  Falls  seine  Bemerkungen  im  Gesund* 
heitsbuche  keine  Beachtung  finden,  hat  der  Schularzt  den  Bürgermeister  za 
benachrichtigen  und,  falls  es  sich  um  Mißstände  handelt,  die  ein  sanitäts- 
polizeiliches  Einschreiten  erfordern,  auch  dem  Kreisarzte  Anzeige  zu  er- 
statten. 

§  9.  Behufs  möglichst  zweckmäßigen  und  gleichartigen  Vorgehens 
halten  die  Schulärzte  von  Zeit  zu  Zeit  Besprechungen  ab.  Den  Vorsitz  bei 
diesen  Besprechungen  ftQirt  der  durch  absolute  Mehrheit  der  Teilnehmer 
gewählte  Schularzt  jeweils  auf  ein  Jahr. 

Mindestens  einmal  im  Jahre  findet  eine  gemeinschaftliche  Sitzung  der 
Schulkommission  des  Gemeinderates  und  der  Schulärzte  statt. 

§  10.  Zu  bestimmten  Zeiten  und  auf  Ersuchen  der  Lehrerschaft  haben 
die  Schulärzte  kurze  Vorträge  ttber  die  wichtigsten  Fragen  der  Schul*  und 
häuslichen  Hygiene  zu  halten.  Zu  diesen  Vorträgen  sind  auch  die  Elteni 
der  Kinder  seitens  der  Schulleitung  einzuladen. 

§  11.  Jeder  Schularzt  hat  über  seine  amtliche  Tätigkeit  einen 
Jahresbericht  fQr  die  Zeit  Yom  1.  April  bis  31.  März  auszuarbeiten  und 
dem  Vorsitzenden  bis  zum  1.  Mai  einzureiclien;  aus  den  einzelnen  Jahres- 
berichten hat  der  Vorsitzende  eine  Gesamtttbersicht  anzufertigen  und  die- 
selbe samt  den  Einzelberichten  dem  BOrgeimeister  bis  zum  1.  Juli  einzn- 
reicheu.  Bei  der  Aufstellung  der  Berichte  sind  folgende  sieben  Punkte  zn 
berflcksichtigen : 

1.  Tabellarische  ziffermäbige  Zusammenstellung  der  bei  den  Unter- 
suchungen der  Aufnahmeklassen  gewonnenen  Ergebnisse,  sowie  auf  besonderen 
Formularen  diejenigen  jedes  späteren  Jahrganges; 

2.  Zahl  der  abgehaltenen  Sprechstunden  und  ärztlidien  Besuche  der 
Klassen; 

3.  Anzahl  und  Art  der  wichtigeren  Erkrankungsfälle,  die  in  den  Sprech- 
stunden zur  Untersuchung  gekommen  sind; 

4.  etwa  erfolgte  besondere  ärztliche  Anordnungen  (Beschränkung  der 
Unterrichtsstunden,  des  Turnens  usw.).; 

5.  Anzahl  der  an  die  Eltern  gesandten  schriftlichen  „Mitteilungen* 
und  deren  Erfolg; 

6.  Anzahl  der  unter  ^ärztlicher  Kontrolle"  stehenden  Scliulkinder; 

7.  summarische  Angabe  Aber  die  in  das  Hygienebnch  bezüglich  der 
Schulräume  usw.  eingetragenen  Beanstandungen. 


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XVIIL  Jahrgang.  1905.  No.  2. 


d^rigtniiliib^iiMitiigeii. 


Schulschlofii  und  Morbidität  an  Masern,  Scharlach 
und  Diphtherie. 

Vortrag,  gehalten  am  6.  Dezember  1904  in  der  Deutschen  Qesellsohaft 
für  öffentliche  Gesundheitspflege  in  Berlin. 

Von 

Dr.  M.  CoHN, 
Schularzt  in  Charlottenborg. 

Mit  vier  Abbildungen  im  Text 

M.  H.!  Als  zu  Beginn  des  vorigen  Jahrzehnts  die  deutsche 
Ärzteschaft  in  seltener  Einmütigkeit  die  Anstellung  von  Schulärzten 
Knnftchst  für  unsere  Volksschulen  forderte,  da  waren  es  wesentlich 
folgende  Beweggründe,  die  sie  zu  ihrem  Eintreten  bestimmten: 
einmal  wollte  man  durch  eine  ärztliche  Musterung  der  Schulrekruten 
die  körperlich  oder  geistig  Schwachen  aussondern,  und  dadurch 
diese  Kinder  vor  unnützer  Quälerei,  die  Schule  vor  unbrauchbarem 
Material  bewahren;  dann  wünschte  man  durch  dauernde  gesund- 
heitliche Überwachung  aller  Schulkinder  die  bei  ihnen  auftretenden 
Krankheiten  einer  schnelleren  Behandlung  zuzuführen  und  die  Be- 
seitigung chronischer  Leiden  zu  erzielen ;  schliefslich  hoffte  man  ver- 
mittels der  Schulärzte  der  Verbreitung  der  Infektionskrankheiten 
durch  die  Schule  Herr  zu  werden. 

In  bezug  auf  die  beiden  ersten  Punkte  haben  wohl  allerorts  die 
Schulärzte  die  auf  sie  gesetzten  Erwartungen  in  vollstem  Malse  er- 
füllt; die  Infektionskrankheiten  aber  einzuschränken,  ist  ihnen  bisher 
nicht  gelungen.  Bei  dem  Nachdenken,  woran  dies  wohl  läge,  und 
mit  Rücksicht   auf   die    praktischen   Erfahrungen    in   meiner  schul- 

Sekalgesimdheitspflege.  XVIII.  4 


64 

ärztlichen  Tätigkeit,  glaubte  ich  nun  annehmen  zu  müssen,  dafs  die 
Handhabung  der  in  einem  Erlals  des  Kultusministers  und  des  Ministers 
des  Innern  vom  14.  Juli  1884  niedergelegten  behördlichen  Vorschriften 
ein  gut  Teil  Schuld  daran  trtlge.  Dieses  Regulativ  lautet  in  dem  fGLr 
uns  in  Betracht  kommenden  Punkte  wie  folgt:  „Über  die  Schliefsung 
der  Schulen  oder  einzelner  Erlassen  derselben  wegen  ansteckender 
Krankheiten,  hat  der  Landrat  bezw.  die  OrtspolizeibehOrde  unter 
Zuziehung  des  Kreisphysikus  zu  entscheiden;  ist  Gefahr  im  Ver- 
zuge, so  können  der  Schulvorstand  und  die  OrtspolizeibehOrde  auf 
Örund  ärztlichen  Gutachtens  die  Schlielsung  anordnen.*' 

Nachdem  ich  mehrfach  gesehen  hatte,  welche  lange  Zeit  bei 
Innehaltung  dieses  Instanzenzugee  bis  zur  Anordnung  der  Schlielsung 
einer  Klasse  verstreicht,  stellte  ich  in  einem  vor  ca.  zwei  Jahren 
im  Charlottenburger  Ärzteverein  gehaltenen  Vortrag  die  Forderung, 
man  solle  den  Schulärzten  das  Recht  der  sofortigen 
Schliefsung  einer  Schulklasse  beim  Auftreten  einer 
gröfseren  Anzahl  infektiöser  Erkrankungen  übertragen. 
Dem  widersprach  damals  Kollege  Heller,  indem  er  u.  a.  be- 
sonders betonte,  dajs  es  statistisch  noch  gar  nicht  erwiesen  sei,  dab 
wirklich  die  Schule  eine  Hauptübertragungsstätte  der  Infektions- 
krankheiten bilde. 

Bald  darauf  veröffentlichte  dann  Heller  in  Nr.  83  der  Deutsch. 
Med.'Ztg,  1902,  eine  kleine  statistische  Arbeit,  welche  die  in  den 
Jahren  1889 — 1897  für  Berlin  gemeldeten  Infektionskrankheiten 
einer  auf  unser  Thema  bezüglichen  kritischen  Betrachtung  unterwarf. 
Heller  kam  zu  dem  Schluis,  dals  seine  Zahlen  wohl  einen  Einfluls 
des  Schulschlusses  auf  die  Masemmorbidität  erkennen  lasseui  aber 
einen  wesentlichen  Einflub  auf  die  Scharlach-  und  Diphtherie- 
morbidität  nicht  beweisen. 

Die  von  Heller  gefundenen  Zahlen  widersprachen  so  sehr 
unseren  landläufigen  Anschauungen,  dafs  ich  es  für  nötig  hielt,  die 
Prüfung  an  einem  größeren  Material  zu  wiederholen.  Ich  habe 
daher  die  statistischen  Nach  Weisungen  von  Berlin  aus  den  Jahren 
1884—1901,  die  ^on  Breslau  aus  den  Jahren  1892—1901,  die  von 
München  aus  den  1893 — 1899  und  schliefslich  die  von  Oharlotten- 
burg  von  1898 — 1902  einer  Durchsicht  unterzogen.  Die  Jahrbücher 
dieser  Städte  wurden  mir  von  dem  Direktor  des  Statistischen  Amtes 
der  Stadt  Berlin,  Herrn  Prof.  Hirsghberg,  in  liebenswürdigster 
Weise  zur  Verfügung  gestellt.  Ich  lasse  die  Zusammenstellungen 
für  Berlin,  Breslau  und  München  hier  folgen: 


65 


Angemeldete  F&lle  Yon  ErkraDknngen  an  Masern,  Scharlach  and 
Diphtherie  in  Berlio  in  den  Jahren  1884 — 1901  (nach  Monaten). 

Masern      Scharlach    Diphtherie 


Janvar 

4971 

3681 

7307 

Febroar 

3975 

2966 

6489 

März 

4181 

3150 

6603 

April 

4161 

3121 

6646 

Hai 

6898 

3434 

6203 

Jnni 

7976 

3610 

6096 

Joli 

6826 

3073 

6182 

Angnst 

2681 

3538 

6473 

September 

2378 

4902 

7941 

Oktober 

3466 

5593 

10023 

November 

6796 

4944 

9090 

Dezember 

7163 

4089 

7887 

Break«,  1892—1901. 

Masern     Scharlach   Diphtherie 


Jannar 

766 

600 

311 

Februar 

908 

411 

292 

Mftrz 

1008 

402 

236 

April 

1712 

446 

294 

Mai 

3581 

397 

262 

Juni 

3683 

448 

230 

Juli 

1882 

403 

243 

Angost 

428 

409 

286 

September 

455 

696 

364 

Oktober 

851 

940 

622 

November 

1234 

706 

413 

Dezember 

1601 

606 

366 

MlMk«l,  1893—1899. 

Masern 

Scharladi 

Diphthei 

Jannar 

2516 

790 

1466 

Febmar 

1006 

531 

1138 

Mftrz 

776 

473 

1021 

April 

871 

670 

1268 

Mai 

874 

624 

934 

Jnni 

1108 

486 

748 

Jnli 

1186 

634 

799 

Angnst 

744 

377 

646 

September 

649 

417 

819 

Oktober 

3071 

632 

1276 

November 

4261 

634 

1060 

Dezember 

4606 

581 

1039 

66 


Breslaa,  24.  bis  36.  Woche. 

Masern      Scharlach   Diphtherie 


24.  Woche 

889 

104 

52 

26.       , 

912 

114 

60 

2ö.       „ 

777 

124 

66 

27.       , 

738 

87 

70 

28.       „ 

463 

103 

55 

29.       , 

335 

73 

35 

30.       „ 

182 

70 

44 

31.       , 

164 

70 

39 

32.       „ 

119 

87 

53 

88.       „ 

100 

88 

69 

34.       „ 

103 

108 

70 

35.       „ 

106 

129 

84 

36.       „ 

122 

135 

98 

Berlin  1884-1901.  Tabelle  1. 

Jan.    F*br.    Ifirs    AprU     Mal     Juni     Joli      Aufir.    Sept.     Okt.     Not.      Dei. 


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Diphtherie  : 


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VII      VIII       IX 


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Brealan  1892-1901;  5—15  Jal 
Juni 
Jan.  Febr.  Min  April  Mai  . 

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Jali 

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Aug.  Bept 

Okt. 

Tabelle  II. 
Not.  Deg. 

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Mänohen  1893—1899.  Tabelle  8. 

Jan.       Febr.       Min       AprU       Mai         Juni       Jali        Avg.       Sept       Okt.        Noy.        Dm. 


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MS6S6S788S9S0  8132  8834B5         36 


70 

Bevor  ich  nunmehr  an  die  Erläutenmg  dieser  Tabellen  gehe, 
muTs  ich  einige  Yorbemerkungen  machen.  Wir  können  den  Ein- 
tLnb  des  Sohnisohlusses  auf  die  Morbidität  an  Infektionskrank- 
heiten nur  beurteilen  nach  den  Ergebnissen  der  Statistik  für  die 
Wochen  der  grofsen  Ferien.  Diese  beginnen  in  Norddeutschland 
Anfang  Juli  und  dauern  bis  Mitte  August,  in  Süddeutsohland  be- 
ginnen sie  etwa  Mitte  Juli  und  dauern  bis  Mitte  September.  Be- 
rechnet man  nun  die  Inkubationszeit  der  Infektionskrankheiten  für 
Masern  auf  zehn  Tage,  für  Scharlach  und  Diphtherie  auf  sieben  bis 
acht  Tage,  so  können  Erkrankungsfälle,  die  in  Norddeutschland  ca. 
vom  20.  Juli  ab,  in  Süddeutschland  von  Ende  Juli  ab  zur  Beob- 
achtung kommen,  nicht  mehr  in  der  Schule  übertragen  worden  sein. 
Dabei  ist  zu  berücksichtigen,  dafs  im  allgemeinen  die  Meldungen 
überaus  unzuverlässig  sind,  da  aus  bekannten  Gründen  allerorts  eine 
grofse  Zahl  von  Infektionskrankheiten  überhaupt  nicht  gemeldet  wird, 
ein  Fehler,  der  aber  für  alle  Monate  gleichmälsig  zutrifft.  Es  ist 
femer  zu  berücksichtigen,  dafs  während  der  Zeit  der  Schulferien 
eine  nennenswerte  Anzahl  von  Kindern  die  Infektionskrankheiten 
aurserhalb  ihres  Wohnortes  durchmachen,  und  schlielslich,  daCs 
während  der  sonnenreichen  Monate  Juli  und  August  die  Zahl  der 
Infektionskrankheiten  an  sich  schon  eine  erheblich  verringerte  ist. 
So  müfsten  wir  also  erwarten,  dafis  die  Statistik  ein  Sinken  der  Er- 
krankungsziffer im  Juli  ergeben  würde,  dab  im  August  die  niedrigste 
Jahreszahl  erreicht  werden  müsse,  und  dafs  dann  erst  im  September 
ein  Ansteigen  beobachtet  werden  könne. 

Unge&hr  solche  Verhältnisse  finden  wir  in  der  Tat  bei  der  Be- 
trachtung der  Masern.  Hier  in  Berlin  erreichen  dieselben  im 
Juni  die  höchste  Ziffer,  fallen  im  Juli  erheblich  ab  und  gehen 
im  August  scharf  herunter,  im  September  erreichen  sie  dann 
den  niedrigsten  Stand,  um  fortan  wieder  zu  steigen.  Fast  ganz 
gleich  sind  die  Verhältnisse  in  Breslau,  wo  die  Statistik  sich  nur  auf 
die  Altersstufen  von  5 — 15  Jahren  bezieht,  also  für  uns  noch  be- 
weiskräftiger ist.  In  München,  wo  die  Ferien  14  Tage  später  an- 
fangen, wird  der  steile  Abfall  erst  im  August,  die  niedrigste  Ziffer 
im  September  erreicht. 

Ganz  anders  liegt  die  Sache  beim  Scharlach.  Hier  finden  wir 
in  Berlin  im  Februar  die  niedrigste  Jahresziffer;  die  Julizahl 
ist  etwas  geringer  als  die  im  Juni,  aber  fast  ebenso  hoch  als  im  März 
und  April,  und  die  Augustziffer  ist  so  hoch  wie  die  im  Januar  und 
höher   als    die   aller   anderen   vorausgegangenen  Monate.     Auch   in 


71 

Breslau  bieten  die  Ziffern  der  ersten  acht  Monate  nur  geringe  Diffe- 
renzen, die  Zahlen  im  Juli  und  Augnst  gleichen  fast  denen  vom 
Febmar  nnd  März,  der  Mai  hat  hier  die  niedrigste  Ziffer.  Nicht 
ganz  80  scharf  ist  das  Resultat  für  München.  Hier  zeigt  der  August 
einen  erheblicheren  Abfall  gegen  Juni,  und  auch  im  September 
bleibt  die  Ziffer  niedrig,  immerhin  aber  ist  sie  im  ganzen  nur  wenig 
geringer  als  die  Erkrankungsziffer  im  März  und  Juni. 

Die  Diphtherie,  die  noch  relativ  die  besten  Meldeziffem  auf- 
weist, erreicht  in  Berlin  im  Juli  ihre  niedrigste  Ziffer,  um  schon 
im  August  bis  fast  zur  Höhe  des  April  zu  steigen. 

In  Breslau  ist  die  Diphtheriemorbidität  im  Juni  am  ge- 
ringsten, steigt  dann  im  Juli  und  weiter  im  August,  weist  aber 
ebenso  wie  die  Scharlachmorbidität  in  den  ersten  acht  Monaten 
des  Jahres  keine  wesentlichen  Differenzen  auf. 

In  München  ist  die  Diphtheriemorbidität  im  August  am 
geringsten,  steigt  aber  im  September,  der  dort  noch  zur  Hälfte 
zn  den  Ferien  gehört,  bereits  erheblich  und  ist  höher  als  im 
Juni  und  Juli. 

Für  Üharlottenburg  habe  ich  eine  besondere  Tabelle  nicht  auf- 
gestellt, da  die  dort  gemeldeten  Zahlen  zu  klein  sind;  immerhin 
Iftfst  sich  aber  auch  hier  wohl  ein  Abfallen  der  Masern 
nach  Eintritt  der  grofsen  Ferien  erkennen,  während  die 
Scharlach-  und  Diphtheriemeldungen  keine  wesentlichen  Abweichungen 
zeigen. 

Schliefslich  möchte  ich  noch  kurz  auf  die  letzte  Tabelle  hinweisen, 
in  der  die  für  uns  ganz  besonders  wichtigen  Breslauer  Zahlen  nach 
Wochen  geordnet  sind.  Ich  habe  die  24.  bis  36.  Woche  gewählt, 
wobei  für  mich  mafsgebend  war,  dafs  die  groJBen  Ferien  gewöhnlich 
▼on  der  28.  bis  zur  32.  Woche  dauern.  Wir  sehen  hier  einen 
ganz  unseren  bisherigen  Darlegungen  entsprechenden 
schroffen  Abfall  in  der  30.  Woche  bei  den  Masern,  die 
dann  noch  mehr  hinuntergehen,  in  der  33.  Woche  das  Minimum 
erreichen,  um  allmählich  wieder  anzusteigen.  Auch  beim  Scharlach 
sehen  wir  einen  Abfall  in  der  29.  Woche,  dann  aber  noch  während 
der  Ferienzeit  einen  Wiederanstieg,  der  die  Ziffer  der  27.  Woche, 
die  stets  in  die  Schulzeit  fällt,  erreicht.  In  derselben  Woche,  in 
der  beim  Scharlach  ein  Abfall  eintritt,  sehen  wir  bei  Diphtherie 
ein  Ansteigen  der  Morbidität,  die  in  der  letzten  Schulwoche  ab- 
gefsillen  war,  um  dann  während  der  Ferien  nach  nochmaligem 
geringem  Fall  dauernd  zu  steigen. 


72 

So  sehen  wir  also,  dafs  sich  ganz  gleiohmftfsig  ein  Ab- 
fall der  Masernmorbidität  nach  dem  Schulschlnfs  fest- 
stellen läfst,  während  ein  Einfufs  des  Schulsohlnsses  auf 
die  Erkranknngsziffer  an  Scharlach  und  Diphtherie  nicht 
nachweisbar  ist.  und  dies  entspricht  anch  unseren  praktischen 
Erfahrungen:  ich  habe  in  sechsjähriger  schulärztlicher  Tätigkeit  zu 
wiederholten  Malen  eine  Masemepidemie  in  der  Schule  entstehen 
und  sich  durch  einzelne  oder  mehrere  Klassen  verbreiten  sehen; 
niemals  habe  ich  eine  Anhäufung  von  Scharlach-  oder  Diphtherie- 
erkrankungen in  einzelnen  Schulklassen  beobachten  können.  Diese 
treten  vielmehr  vereinzelt  bald  hier,  bald  dort  auf,  ohne  dals  man 
imstande  wäre,  den  Ghmg  der  Erkrankungs&lle  zu  verfolgen.  Die- 
selbe Wahrnehmung  haben  mehrere  meiner  schulärztlichen  Kollegen 
gemacht.  Wissenschaftliche  Untersuchungen  über  dieses  Faktum 
scheinen  bisher  nicht  vorzuliegen,  wenigstens  habe  ich  in  den  mir 
zugänglichen  Lehrbüchern  der  Schulhygiene  nichts  Einschlägiges 
gefunden.  Den  Grund  für  unsere  Resultate  müssen  wir  wohl  in 
der  Hauptsache  darin  suchen,  dafs  die  Kontagiosität  der 
Masern  im  Inkubationsstadium  eine  weit  grOfsere  ist  als 
die  von  Scharlach  und  Diphtherie;  zu  der  Zeit,  wo  die 
letzteren  kontagiOs  werden,  bleiben  die  Kinder  meist  schon  der 
Schule  fern. 

Wenn  ich  nun  aus  meinen  Darlegungen  einige  Schlüsse  ziehen 
wollte,  so  wären  es  die  folgenden:  Zur  Verhütung  der  Verbrei- 
tung der  Masern  durch  die  Schule  erscheint  ein  mög- 
lichst frühzeitiger  Schlufs  der  einzelnen  Klassen  nach 
Beobachtung  mehrerer  Erkrank ungs fälle  erforderlich. 
Nach  Ablauf  der  Inkubationszeit  kann  die  inzwischen 
desinfizierte  Klasse  sofort  wieder  eröffnet  werden  und 
alle  masernfrei  gebliebenen  Kinder  können  wieder  am 
Unterricht  teilnehmen.  Für  die  Einschränkung  der  Scharlach - 
und  Diphtherieerkrankungen  genügt  das  Festhalten  an  den  bestehenden 
Vorschriften,  wobei  besonders  zu  betonen  ist,  dais  die  am  Scharlach 
erkrankten  Kinder  sechs  Wochen  hindurch  der  Schule  fem  bleiben 
müssen.  Im  Desquamationsstadium  sind  die  Kinder  zweifellos  noch 
infektiös;  ich  habe  mehrfach  solche  Kinder,  die  ohne  Wissen  der 
Eltern  Scharlach  durchgemacht  hatten  und  in  der  Schule  safsen,  zu- 
fällig herausgefunden  und  konnte  in  einem  Fall  mit  ziemlicher 
Sicherheit  eine  auf  diese  Weise  erfolgte  Ansteckung  nachweisen. 
Für    die    weitere  Bekämpfung    von   Scharlach   und    Diphtherie  er- 


73 

soheinea  dieselben  IfalBDahmen  geeignet,  die  zur  VermiDderung  der 
Morbidität  überhaupt  als  erforderlich  bezeichnet  werden  müssen,  vor 
allem  eine  Verbesserung  der  Wohnungen  der  ärmeren  Klassen  un- 
serer Beyölkerung,  die  durch  das  Fehlen  hygienischer  Einrichtungen, 
durch  das  Zusammendrängen  vieler  Menschen,  durch  den  Mangel 
an  Luft  und  Licht  eine  Brutstätte  aller  InfektioDskrankheiten 
bilden. 


Über  besondera  ermttdende  und  unangenehme  Schnlfftcher 
gesunder  und  kranker  Lehrerinnen. 

Von 

Dr.  Ralf  Wighmakn, 
Nervenarzt  in  Hanbarg. 

Für  das  Entstehen  der  bei  Lehrerinnen  häufig  vorkommenden 
Nervosität  scheint  mir  die  Art  der  Schulfächer,  in  welchen  sie  Unter- 
rieht erteilen,  mitunter  von  einer  gewissen  Wichtigkeit  zu  sein. 
Bekanntlich  sind  bestimmte  Schulfächer  oder  Lehrstunden  bei  vielen 
oder  gar  bei  der  Mehrzahl  der  Lehrerinnen  unbeliebt.  Wie  die 
meisten  Lehrerinnen  ein  Lieblingsfach  haben ,  in  welchem  sie  gern 
unterrichten,  so  haben  viele  auch  ein  Fach,  das  sie  nicht  gern  mögen 
und  in  welchem  sie  auch  den  Unterricht  mit  einer  gewissen  Unlust 
und  Überwindung  erteilen.  Als  Beispiel  mögen  die  B,echenstunden 
gelten. 

Man  muls  nun  zwischen  besonders  ermüdenden  und  besonders 
onangenehmen  Schul&chem  oder  Lehrstunden  unterscheiden.  Dafs 
ein  bestimmtes  Fach  von  der  Lehrerin  als  besonders  ermüdend  und 
unangenehm  empfunden  wird,  kann  sehr  verschiedene  Ursachen  haben. 
Selbstverständlich  spielt  die  Individualität  der  Lehrerin,  ihre  Neigung 
nnd  ihre  Ausbildung  hierbei  im  Einzelfalle  oftmals  eine  sehr  wichtii^e 
Solle.  Aber  auch  in  der  Methode  der  Bewältigung  des  Stoffes,  in 
seiner  Fülle  oder  in  der  Durchschnittsbegabung  der  lernenden 
Kinder  u.  a.  m.  kann  die  Ursache  liegen.  Femer  kann  der  Stoff  selbst 
eb  sog.  trockener  oder  langweiliger  sein  oder  sonstwie  an  die  Geistes- 
nnd  Eörperkräfte  der  Lehrerin  besondere  Anforderungen  stellen. 
Welcherlei  Ursachen  auch  vorliegen  mögen,  die  besonders  ermüdenden 
und  unangenehmen  Schulfftcher  sind   vorhanden  und,    wie   mir  aus 


74 

meinen  Erhebungen  hervorzugehen  scheint,  doch  so  hänfig,  dals  sie 
als  eine  der  Ursachen  fttr  das  Entstehen  einer  Nenrosität  bei  Lehre- 
rinnen berücksichtigt  werden  müssen. 

Bei  einer  Krankheit,  wie  sie  die  Neurasthenie  oder  Nervosität 
mit  ihrem  Hinübergreifen  anfs  psychische  Gebiet  nun  einmal  ist, 
spielen  neben  der  allzu  leichten  Ermüdbarkeit  des  Gehirns  und  der 
Nerven  die  Unlustgefühle  mit  ihren  gemütlichen  Verstimmungen  und 
psychischen  Hemmungen  eine  grofse  Rolle.  Einem  normalbegabten, 
gesunden  Menschen  geht  diejenige  Arbeit  glatt  und  leicht  von  statten, 
welche  er  gern  tut,  die  ihm  Freude  macht  und  angenehm  ist,  die 
ihm  Befriedigung  verschaflpfc,  wählend  denselben  Menschen  die  Er- 
ledigung einer  unangenehmen  Arbeit,  welche  kein  Vergnügen  be- 
reitet und  die  keine  Befriedigung  gewahrt,  vielmehr  angreift,  ihm  weit 
schwerer  fällt  und  an  seine  Nerven  gröisere  Anforderungen  stellt, 
einen  gröfseren  Kraftverbrauch  verursacht.  In  weit  höherem  Malse 
gilt  das  von  einem  nervösen  oder  neurasthenischen  Menschen.  Weil 
nun  das  Geflihls-  und  Empfindungsleben  beim  Weibe  stärker  aus- 
geprägt ist  oder  mehr  vorwiegt  als  beim  Manne,  so  dürfte  wahr- 
scheinlich eine  neurasthenische  Lehrerin  die  Unannehmlichkeit  und 
Ermüdung  in  einer  unangenehmen  Schulstunde  intensiver  empfinden 
als  ein  neurasthenischer  Lehrer.  Das  läfst  sich  natürlich  nur  theo- 
retisch vermuten^  aber  nicht  wirklich  abschätzen. 

Ich  beabsichtige  nun  hier  nicht  auf  die  experimentellen  physio 
logischen  Untersuchungen  einzugehen,  welche  in  den  letzten  Jahren 
von  verschiedenen  Forschem  über  die  Ermüdung  angestellt  sind, 
sondern  ich  möchte  lediglich  auf  Grund  meiner  den  Lehrerinnen 
vorgelegten  Fragen  einen  kleinen  Beitrag  zu  diesem  Thema  liefern 
und  dabei  ganz  besonders  das  subjektive  Empfinden  der  Lehrerin 
betonen,  welches  sich  in  Unlustkurven  graphisch  nicht  ausdrücken 
lä&t,  welches  man  deshalb  leicht  aulser  acht  lälst,  das  aber  doch 
gerade  bei  nervösen  Menschen  als  Unlustgefühl  eine  sehr  wichtige 
Rolle  spielt  und  deshalb  eine  weit  gröfsere  Berücksichtigung  verdient, 
als  ihm  bisher,  wie  mir  scheint,  geschenkt  wurde. 

Unter  meinen  gesunden  Lehrerinnen  —  ich  verweise  auf  meine 
früheren  Arbeiten  in  dieser  Zeäsehrifi  und  auf  die  Ajrbeit  „Geistige 
Leistungsfähigkeit  und  Nervosität  bei  Lehrern  und  Lehre- 
rinnen"* (Verlag  von  Oarl  Marhold,  Halle  a.  S.)  —  haben  meine 
Frage:  „Welches  Schulfach  ermüdet  Sie  am  meisten?''  141 
Lehrerinnen  beantwortet.  Von  diesen  schreiben  ^keins^  20  Lehrerinnen. 
Weitere  Antworten  sind:    „Kein  Fach  ermüdet  mich,  jedes  ist  mir 


76 

eine  Freade^,  „EigeDtlich  keiDB^,  „Wenn  ich  anter  normalen  Yer- 
hfiltoiseen  arbeite,  ermüde  ich  überhaupt  nioht^,  n^^  Schnlhalten 
ennadet  mich  nicht,  alle  F&cher  gleich". 

Diesen  negativen  Angaben  stehen  folgende  positive  gegenüber: 
«Die  Ermüdung  hängt  weniger  vom  Fach  als  von  der  Zahl  der 
Torangegangenen  Stunden  und  der  Zeit  ab^,  „Es  kommt  auf  den 
Sto£P  an,  den  man  zu  behandeln  hat,  und  auch  darauf,  wie  die  Kinder 
aufgelegt  sind,  das  Fach  kommt  weniger  in  Betracht^,  „Es  ist  ver- 
schieden, je  nach  dem  Standpunkte  der  Klasse'',  f^Der  Unterricht, 
bei  welchem  am  meisten  gesprochen  wird,  ermüdet  am  meisten.'' 

112  gesunde  Lehrerinnen  geben  bestimmte  Schulftcher  als  für  sie 
besonders  ermüdend  an.  Diese  Fächer  sind  in  Rubrik  A  der  ersten 
Kolonne  der  nachfolgenden  Tabelle  (S.  78)  aufgeführt. 

Unter  meinen  kranken  Lehrerinnen  haben  399  diese  Frage  be- 
antwortet. Von  diesen  sagen  „Kein  Fach"  33  Lehrerinnen;  52  Lehre- 
rinnen geben  folgende  Antworten: 

Negative:  „Eigentlich  keine",  „Keine  besonders",  „Keine  mehr 
als  ein  anderes,  ich  unterrichte  immer  mit  Freude",  „Kein  Fach 
bedeutend  mehr  als  das  andere",  „Nichts",  „Alle  gleich",  „Ist  mir 
vollständig  gleich",  „Das  ist  gleichmälsig",  „Keine,  aber  jede  fünfte 
Unterrichtsstunde  ist  mir  eine  Qual",  „Ich  wüfste  keine,  nicht  die 
Schnl&cher,  sondern  die  Nebenarbeiten  in  der  Schule  ermüden  mich 
oft",  „Nicht  der  Unterricht  ermüdet  sehr,  sondern  das  Verbessern 
der  schriftlichen  Arbeiten",  „Es  ermüdet  mich  keine,  die  Haupt- 
ermttdung  bildet  das  Verbessern  der  schriftlichen  Arbeiten",  „Keine 
besonders,  aber  jedes  in  seiner  Art  bei  verschiedenartiger  Behandlung 
nnd  dem  geistigen  Standpunkt  der  Schülerinnen  entsprechend", 
„Keine  besonders,  wenn  meine  Schülerinnen  bei  der  Sache  sind"*, 
gWenn  ich  genügend  schlafe,  keine  besonders". 

Dann  folgende  positiven  Antworten:  „Jede  scharf  gegebene 
Sprechstunde  nach  sokratischer  Methode",  „Jedes  Fach,  in  dem  ich 
▼iel  sprechen  muJs*^,  „Jedes  Fach,  das  anhaltendes  Sprechen  er- 
fordert", „Dauerndes  Sprechen",  „Das  Fach,  bei  dem  viel  gesprochen 
werden  muis",  „DieBealien,  weil  man  am  meisten  sprechen  muls", 
vJedee  Fach,  bei  dem  die  Sprechorgane  viel  in  Anspruch  genommen 
werden*',  „Unterricht,  bei  dem  man  viel  stehen  und  sprechen  mufs", 
„Das  Fach,  bei  dem  viel  gestanden  werden  mufs  (Schreiben,  Zeichnen, 
Geographie)",  „Jedes  Fach  bei  kleinen  Kindern",  „Unterricht  bei 
70  Inzipienten,  im  ersten  Halbjahr  besonders",  „Die  Fächer  strengen 
auf  der  Elementarstufe  alle  gleich  viel  an^. 


76 

„Hängt  von  den  Fähigkeiten  der  Sohttlerinnen  ab**,  „Hängt  von 
der  Begabung  und  dem  Eifer  der  Schülerinnen  ab*',  „Kommt  auf 
die  Begabung  der  lüasse  an*',  „Hängt  weniger  vom  Fach  als  von 
der  Gröfse  und  Beeohaffenheit  der  Klasse  ab^,  ^Der  Arbeitsunterricht 
wegen  der  groi^en  Schülerzahl",  „Hängt  von  der  Lage  der  Stunde 
ab*^,  „Die  letzte  Stunde  am  Schultage^,  „Dasjenige  Fach,  das  als 
fünfte  Stunde  angesetzt  ist,  insofern  als  die  Kinder  dann  geistig 
wenig  rege  sind*',  ,,Das  Fach  in  der  vierten  oder  fünften  Stunde 
vormittags",  „Solche  Fächer,  für  die  der  Lehrplan  eine  zu  grolse 
Stoffmenge  vorschreibt^,  n^^  ^^  verschieden,  je  nachdem  der  Lehr- 
stoff ist  und  ich  disponiert  bin*^,  „Alle  Stunden,  in  denen  ich  zwei 
Jahrgänge  unterrichten  mufs,  und  das  sind  10  von  den  25,  die  ich 
wöchentlich  geben  muls^,  „Die  Fachstunden  in  anderen  Klassen '^i 
„Die  Stunden  in  anderen  Klassen^,  „Jedes,  sobald  es  schlecht,  keines, 
sobald  es  gut  geht**,  „Was  mir  nicht  gelingen  will^. 

Schlielslich  gibt  noch  eine  Lehrerin  folgende  interessante  Ant- 
wort: „Je  nachdem  ich  mich  gerade  interessiere,  dasjenige  am  meisten, 
durch  die  Kraftausgabe,  nicht  im  Augenblick,  aber  doch  wohl  mathe- 
matisch berechnet  I*' 

314  kranke  Lehrerinnen  geben  bestimmte  Schulfhoher  als  filr  sie 
besonders  ermüdend  an.  Diese  sind  in  Bubrik  C  der  dritten  Kolonne 
der  Tabelle  weiter  unten  (S.  78)  aufgeführt. 


Meine  den  Lehrerinnen  vorgelegte  weitere  Frage:  „Welches 
Fach  ist  Ihnen  am  unangenehmsten?*'  bildet  eine  Ergänzung 
zu  der  vorigen. 

Unter  meinen  gesunden  Lehrerinnen  haben  auf  diese  Frage 
nach  dem  ihnen  unangenehmsten  Schulfache  123  geantwortet. 

Von  diesen  sagen  25  Lehrerinnen:  „Keins  ist  mir  unangenehm." 
Drei  weitere  schreiben:  „Ich  erteile  alle  ünterrichts&cher  gem.'' 
Eine  vierte  schreibt:  „Ich  erfülle  meinen  Beruf  mit  Lust  und  Liebe.'' 
Und  eine  fünfte  Lehrerin,  die  bereits  62  Jahre  alt  ist  und  eine 
Knabenpension  mit  Arbeitsstunden  und  Nachhilfe  in  allen  Fächern 
hat,  sagt,  ihr  sei  es  am  unangenehmsten,  „dumme  Jungen  arbeiten 
zu  lassen". 

93  weitere  gesunde  Lehrerinnen  geben  bestimmte  Schul&cher 
als  die  ihnen  unangenehmsten  an.  Diese  sind  unter  Rubrik  B  der 
zweiten  Kolonne  der  nachstehenden  Tabelle  aufgeführt. 

Unter  meinen  kranken  Lehrerinnen  haben  366  diese  Frage  be- 
antwortet.   70  von  ihnen  schreiben :  „Keins."    16  Lehrerinnen  geben 


77 

Antworten:  „Alle  sind  mir  lieb'',  ^Ich  unterrichte  in  allen 
Fftohem  mit  gleicher  Lnst  und  Freude*',  y^Ist  mir  vollständig  gleich", 
,Da8  hängt  von  der  geistigen  Beschaffenheit  der  einzelnen  Klasse 
ab^,  «Sehr  verschieden,  das  kommt  auf  die  Klasse  an*',  „Kommt 
aaf  die  Begabung  der  Kinder  an^. 

„Ich  gebe  mit  Vergnügen  drei  Bechenstnnden  hintereinander. 
Sehr  aufregend  finde  ich  den  Unterricht  im  Französischen  im  ersten 
Schuljahr  nach  der  Methode  der  Reformer,  bin  aber  eine  eifrige  Ver- 
treterin derselben.'' 

„Der  Unterricht  auf  der  Unterstufe,  des  Kampfes  mit  der  pol- 
DÜchen  Sprache  wegen." 

„Wozu  ich  mich  nicht  berufen  fühle,  z.  B.  Metrik,  Arithmetik, 
fraDzösische  Literatur." 

«Seitdem  ich  mich  so  abgespannt  fühle,  habe  ich  oft  eine  wahre 
Unlust  zum  Unterrichten.^ 

280  kranke  Lehrerinnen  geben  bestimmte  Schulfächer  als  ihnen 
besonders  unangenehm  an.  Diese  sind  unter  Rubrik  D  in  der  vierten 
Kolonne  der  nachstehenden  Tabelle  aufgeführt. 

Ein  Blick  auf  die  Tabelle  (S.  78)  zeigt,  dafs  bei  gesunden  und  kranken 
Lehrerinnen  im  allgemeinen  die  ermüdendsten  und  unangenehmsten 
Ffioher  die  nämlichen  sind.  Das  sind  Rechnen,  Turnen,  Deutsch, 
Sehreiben,  Religion  und  Geographie.  Als  weitere  unangenehme 
F&cher,  die  aber  nicht  so  sehr  ermüden,  sind  femer  noch  Zeichnen 
und  Anschauungsunterricht  zu  nennen.  Bei  kranken  Lehrerinnen  ist 
aueh  Geschichte  noch  als  besonders  ermüdend  zu  bezeichnen.  Dals 
das  Rechnen  nach  dem  Prozentsatz  an  erster  Stelle  genannt  wird, 
dflrfte  niemand  wundem.  Es  strengt  eben  den  Verstand  ganz  besonders 
an.  Interessant  scheint  mir  zu  sein,  dafs  Turnen  bei  den  kranken 
Lehrerinnen  bedeutend  weniger  ermüdend  und  unangenehm  empfunden 
wird  als  bei  gesunden.  Vielleicht  liegt  der  Gmnd  darin,  dais  auf 
die  kranke  Lehrerin,  sofern  sie  nervös  ist,  eine  Turnstunde  als  ein 
ausgleichendes  Erholungsmittel  wirkt,  wie  ja  viele  Kopfneurastheniker 
sieh  durch  geeignete  körperliche  Bewegung  in  frischer  Luft  erleichtert 
imd  erfrischt  fühlen.  Dafis  Turnen  keineswegs  nur  eine  Erholung 
ist,  sondern,  wenn  etwas  kräftig  betrieben,  das  Gehirn  ganz  beträchtlich 
ermüdet,  wissen  wir  bekanntlich  seit  einigen  Jahren.  Die  neur- 
asthenischen  Lehrerinnen  werden  vermutlich  sich  beim  Turnen  nicht 
allsu  sehr  anstrengen,  sondern  ihre  eigene  Tätigkeit  in  mäfsigen 
Srenzen  halten.  Das  erfrischt  sie  dann.  Die  gesunden  dagegen 
lagen  sieh  wahrscheinlich    etwas  stärker  ins  Zeug.     Das  Deutsche, 


78 


Lehrfach 


Zahl  der  LehreriDnen 


Qesonde 


112 


das  erroü' 

dendflte 

Faoh 

% 

A 


das  unan- 
genehmste 
Faoh 
Vo 
B 


Kranke 


814 


daa  ermä' 

dendste 

Faoh 


Beohnen  

Turnen 

Deutsch  (inkl.  Grammatik) 

Schreiben 

Religion 

Geographie  (Brd-  und  Heimaikunde) 

Naturgeschichte 

Zeichnen 

Anschauungsunterricht 

Sprachlehre 

Gesang 

Aufsatz 

Fransösisch 

Grammatik  (fremde  Sprachen) 

G^esohicbte 

Technische  Fächer 

Handarbeit 

Lesen 

Unterricht  im  ersten  Schuljahr 

Kursorisches  Lesen 

Realien   

Schönschreibunterricht 

Aufsatskorrektur 

Haushaltungsunterricht 

Fremde  Sprachen 

Schreiblesen 

Musik 

Rechtschreiben 

Diktat  

Erziehungslehre 

Behandlung  der  Lesebuchstoffe 

Stil 

Aufsichtsstunde   in   grofsen  Gesang- 
klassen   

Physik 

Gesinnnngsunterricht  

Klavierunterricht 

Fachstunden 

Nachhilfeunterricht 

Abendunterricht 

Englisch 

Chemie 

Memoriren 

Mathematische  Geographie 


28,5 
12,5 
9,9 
rf,0 
8,0 
8,0 
1,0 
2,6 
2,6 
2,6 
3,5 
2.6 
2,6 
0,8 
0,8 
1,7 
0,8 
0,8 
IJ 

^'! 

^'! 

^'? 
0,8 

0,8 


20,4 
8,6 
2,1 

12,9 
7,5 
6,4 

10,7 
7,5 
6,4 
6,3 
3,2 
2,1 
1.0 
1,0 
2,1 
2.1 
2,1 
1,0 
1,0 
1,0 
2,1 
1,0 


31,2 
7,8 

2,5 
8,5 
10,8 
4,7 
3,1 
8,4 
2,2 
2,5 
2,6 
S^ 

6,0 
2.5 
2,5 
0,6 
1.2 
0,3 
0,9 
1^5 

0,3 
2,5 
2,2 
0,9 
0,6 
0,6 
0,8 
0,3 
0,8 

0,3 
0,8 
0,3 
0,3 
0,3 
0,8 
0,3 


79 

und  zwar  besonders  Grammatik»  ist  nicht  so  sehr  ein  trockener  Stoff, 
der  unangenehm  ist,  als  yielmehr,  wie  es  scheint,  ermüdend  durch 
die  Operation  des  logischen  Denkens,  welches  eine  besondere  An- 
strengung far  den  Verstand  ist.  Religion  fliegt**  yielen  Lehrerinnen 
nicht;  diese  würden  weit  lieber  das  Fach  abgekürzt  sehen  und  möchten 
daher  einen  zweckmftlsigen  Moralunterricht  eingeführt  haben,  wie  aus 
den  Antworten  der  Lehrerinnen  an  anderer  Stelle  meines  Fragebogens 
hervorgeht.  Auch  fär  Naturgeschichte  haben  viele  keine  besondere 
Vorliebe.  Das  Schreiben  greift  an  durch  das  viele  Stehen  und  ein- 
tönige Sprechen.  Die  Geographie  scheint  besonders  durch  die  Be- 
nntsung  der  Landkarte  zu  ermüden,  welche  die  beständig  stehende 
Lehrerin  oft  zwingt,  ihr  Gesicht  von  den  Kindern  der  Klasse  ab- 
nwenden,  wodurch  ihr  das  Ordnunghalten  erschwert  wird.  Auch 
stellt  Geographie  grolse  Anforderungen  an  das  Gedächtnis. 

Mir  scheinen  diese  kurzen  Angaben  sich  prophylaktisch  ver- 
wenden zu  lassen.  Ich  meine  nämlich,  Lehrerinnen,  welche  zur 
Nervosität  neigen  oder  schon  neurasthenisch  sind,  oder  auch  Bekon- 
valeszentinnen,  sollten  von  der  Schulleitung  gefragt  werden,  ob  und 
welche  Fächer  sie  besonders  ermüden  oder  ihnen  besonders  unan- 
genehm sind?  Die  Antwort  der  Lehrerin  sollte  man  dann  berfiek- 
äehtigen  und  die  Lehrerin  von  solchen  Fächern  dispensieren  oder 
de  sich  ihre  Fächer  selbst  im  Stundenplan  legen  lassen.  Sie  wird 
dann  vermutlich  keine  zwei  sie  besonders  ermüdende  oder  ihr  be- 
Mmders  unangenehme  Fächer  hintereinander  legen.  Ich  bin  überzeugt, 
dafa  viele  Schulleiter  jetzt  schon  längst  so  auf  Grund  ihrer  Be* 
obaehtungen  verfahren.  Dals  dabei  natürlich  auch  Bücksicht  auf  die 
Kinder  zu  nehmen  ist,  versteht  sich  von  selbst;  aber  glücklicherweise 
eeheinen  diejenigen  Stunden,  welche  für  die  Lehrerin  die  unange- 
aehmsten  und  ermüdendsten  sind,  es  auch  meistens  für  die  Kinder 
n  sein. 

Mögen  diese  kurzen  Angaben  zu  weiteren  Untersuchungen 
Anlab  gebenl 


Sehalresaadheiispflege.  XVIII. 


80 


Eine  Bemerkmig  nr  Atemgymiuuitik. 

Von 
Dr.  Albert  Flachs -Moinesti  (Bmnanien). 

Die  Atemgymnastik  hat,  wie  nicht  anders  zu  erwarten  war, 
auoh  aof  dem  ersten  internationalen  schnlhygienisohen  Kongrels  in 
Nürnberg  entsprechende  Würdigung  gefdnden.  Besonders  eingehend 
bat  sich  damit  der  Vortrag  des  Herrn  Direktor  Dr.  Winkleb  be- 
schäftigt, welcher  auch  auf  die  grofse  prophylaktische  Bedeutung  der 
Atemgymnastik  mit  Bücksicht  auf  die  Lungentuberkulose  nach- 
drücklich hingewiesen  hat. 

Aber  gerade  zum  Vortrage  des  Herrn  Winklbb  mOchte  ich 
mir  eine  Bemerkung  gestatten. 

Herr  Winklbb  labt  die  atemgymnastischen  Übungen  in  drei 
Tempi  yomehmen,  einatmen  —  anhalten  —  ausatmen,  wobei 
er  „vorläufig  drei  Sekunden  lang**  anhalten  läfst,  um  sodann  die 
Dauer  des  Anhaltens  allmählich  zu  steigern.  Wie  es  scheint,  wird 
von  vielen  Seiten  in  gleicher  Weise  vorgegangen. 

Gegen  die  Praxis  des  in  der  Dauer  allmählich  zu  steigernden 
Anhaltens  des  Atems  nach  tiefster  Einatmung  erhebe  ich  Eänwendung. 

Wer  öfters  mit  Kindern  lungengjrmnastische  Übungen  vor- 
genommen und  jene  dabei  scharf  beobachtet  hat,  wird  bemerkt  haben, 
dab  gerade  das  Anhalten  des  Atems  ihnen  die  gröfsten  Schwierig- 
keiten bereitet  und  der  Erlernung  der  Übungen  am  meisten  hinderlich 
ist.  Die  Kinder  blasen  die  Wangen  auf,  werden  rot  und  fangen  zu 
husten  an.  Wenn  man  hingegen  die  Atemgymnastik  in  der  Weise 
ausführen  l&lst,  dafis  auf  die  allmähliche  tiefste  Einatmung  sofort 
eine  allmähliche  Ausatmung  folgt,  so  kann  man  sogar  kleinere 
Kinder  bald  dazu  bringen,  die  Atemübungen  zu  erlernen  und  ohne 
UnzukOmmlichkeit  auszuführen. 

Ich  kann  aber  auch  nicht  einsehen,  welchen  Nutzen  besonders 
das  immer  länger  dauernde  Atemanhalten  haben  solll 

Der  Zweck,  welchen  man  von  der  Atemgymnastik  erwartet  und 
in  hohem  Maise  auoh  erreicht,  ist  die  Erfüllung  selbst  der  am 
weitesten   abliegenden  Lungenbläschen   mit  Luft  und   die  Stärkung 


81 

der  AtemmuBkulatar.  Diesem  Zwecke  genQgt  ganz  allein  die  all- 
mfthliche,  tiefste  Einatmung  mit  nachfolgender,  allmählicher  Ans- 
atmnng,  ohne  dals  das  Atemanhalten  noch  weiter  zu  dessen  Förderung 
beizutragen  vermöchte. 

Ja,  das  öftere,  dauernde  Atemanhalten  kann  in  vielen  Fällen 
sehädlioh  wirken.  Bei  den  Kindern  mit  Anlage  zur  Lungenblähung, 
imd  bekanntlich  ist  diese  Anlage  oft;  eine  ererbte,  kann  durch  das 
dauernde  Atemanhalten  der  Eintritt  dieser  Erkrankung  näher  gerückt 
werden  und  bei  allen  Kindern,  welche  aus  irgendeinem  Grunde 
ein  schwächeres  Herz  haben,  und  kleinere  Kinder  sind  überhaupt 
herzempfindlich,  kann  das  dauernde  Atemanhalten  sehr  schädigend 
einwirken,  wobei  nicht  zu  vergessen  ist,  dafs  Kinder  geneigt  sind, 
die  Atemgymnastik  zu  übertreiben  und  sich  beim  Atemanhalten  zu 
überbieten. 

Es  ist  also  angezeigt,  das  Atemanhalten  aus  der  Atemgymnastik 
ganz  auszuschalten  oder  nur  von  Kindern,  die  älter  sind  als  fünfzehn 
Jahre  und   nur   höchstens  drei  Sekunden  lang  ausführen  zu  lasseif. 


Hub  Herfantntlitttjien  utib  Heretnett. 


y.  Kngrtb  der  Hilfsschulen  Deutschlands  in  Bremen 
am  26.,  26.  und  27.  AprU  1905. 

Dem  Aufnife  des  Ortsausschusses  in  Bremen  entnehmen  wir  folgendes : 
Die  Erziehung  bildungsfUiger  Schwachbegabter  Kinder  in  besonderen 
Sehnlen,  sogenannten  Hilfsschulen,  in  Anregang  gebracht  zu  haben,  müssen 
wir  Dr.  Kern  und  dem  Lehrer  Stötzneb  in  Leipzig  zuerkennen.  Drei 
Jahre  nach  dem  Erscheinen  seiner  Schrift  „Schule  fflr  schwachbefähigte 
Kinder*'  sah  Stötzneb  seine  Bemühungen  mit  Erfolg  gekrönt;  denn  im 
Jahre  1867  wurde  in  Dresden  die  erste  Hilfsschule  eingerichtet.  Trotz- 
dem man  an&iglich,  namentlich  von  selten  der  Schulbehörden,  der  Grün- 
dang von  Hilfsschulen  keine  besondere  Förderung  angedeihen  liefs,  sind 
doch  nach  und  nach  in  einer  stattlichen  Reihe  gröfserer  Städte  Schulen 
filr  Schwachbegabte  Kinder  entstanden,  und  so  ist  die  Hilfsschule,  deren 
segensreiche  Wirksamkeit  man  immer  mehr  erkannte,  rasch  zu  einem  not- 
wendigen Gliede  unserer  Yolksschuleinrichtungen  geworden.  Gegenwärtig  er- 
halten über  15000  schwachbeffthigte  Kinder  in  rund  200  deutschen  Städten 
einen  besonderen  Unterricht.  Das  ist  eine  grofse  Zahl,  und  doch  warten 
aoch  Tausende  dieser  unglücklichen,  namentlich  in  kleineren  Städten  und 
ländlichen  Bezirken  auf  die  Hilfe  und  Fürsorge  yon  Seiten  ihrer  gesunden 
Mitmenschen. 

5* 


82 

Nachdem  man  in  Deutschland  mit  der  GrOndong  von  Hilfsschulen 
vorangegangen  war,  sind  in  den  letzten  zehn  Jahren  anch  in  allen  anderen 
Knltnrländem  solche  Schnlen  entstanden;  überall  gelangte  man  zu  der 
Einsicht,  dafs  Erziehung  und  Unterricht  der  bildungsfähigen  Schwachsinnigen 
in  besonderen  Schulen  eine  unbedingt  notwendige  Mafsregel  sei. 

Im  Jahre  1898  wurde  nach  eingehenden  Yorberatungen  von  Schul- 
männern aus  Hannover,  Bremen  und  Braunschweig  zu  Hannover  unter  dem 
Vorsitze  des  Stadtschulrats  Dr.  Wehbhahn  der  „Verband  deutscher  Hilfs- 
schulen*' gegründet.  Der  rührigen  Tätigkeit  dieser  Vereinigung  ist  die 
geradezu  enorme  Entwicklung  der  deutschen  Hilfsschule  zu  verdanken,  wie 
sie  aus  folgenden  Zahlen  ersichtlich  ist.  1898  gab  es  in  52  Städten 
202  Klassen  mit  4281  Kindern,  heute  gibt  es  ca.  700  Hilfsschulklassen 
mit  15000  Schülern.  Berlin  allein  besitzt  125  sogenannte  Nebenklassen 
mit  2000  Kindern;  Hamburg  hat  47  Hilfsschulklassen  mit  898  Schülern 
und  50  Lehrpersonen.  Dieser  Entwicklung  des  Hilfsschulwesens  entspricht 
das  rasche  Anwachsen  der  Teilnehmerzahl  an  den  Kongressen  des  Ver- 
bandes, wie  anch  die  Bedeutung  der  auf  den  Verbandsversammlungen  be- 
handelten Themen. 

Auch  für  den  Bremer  Hilfsschulkongrells  am  25.,  26.  und  27.  ^ril 
d.  J.  haben  tüchtige  Männer  auf  dem  Gebiete  des  Hilfsschulwesens  Vor- 
träge angemeldet.     Die  Tagesordnung  ist  wie  folgt  festgesetzt: 

I.  Vorversammlung  am  25.  April,  abends  6  ühr. 

a)  Die  Ausbildung  der  Hilfsschullehrer.  Referent  Lehrer  BusCH- 
Magdeburg. 

b)  Die  Behandlung  von  Sprachgebrechen  in  der  Hil&schnle.  Referent 
Dr.  med.  WiNCKLEB-Bremen. 

c)  Geschäftliches. 

IL  Hauptversammlung  am  26.  April,  morgens  9  Uhr. 

a)  Über  moralische  Anästhesie.  Referent  Direktor  Dr.  med.  Scholz- 
Bremen. 

b)  Die  Berücksichtigung  der  Schwachsinnigen  im  Strafrecht  des 
Deutschen  Reiches.  Referent  Ober -Amtsrichter  Nolte -Braun- 
schweig. 

c)  Über  den  gegenwärtigen  Stand  der  Fürsorge  für  die  aus  dea 
Hilfsschulen  entlassenen  Kinder  in  unterrichtlicher  und  praktischer 
Beziehung.     Referent  Hauptlehrer  A.  ScHENK-Breslau. 

d)  Geschäftliches. 

Aus  dem  Vorstehenden  dürfte  zur  Genüge  hervorgehen,  dafs  allen, 
die  für  das  Hilfsschulwesen  ein  Interesse  besitzen,  der  Besuch  des  Bremer 
Hilfsschulkongresses  auf  das  wärmste  empfohlen  werden  kann.  Anmel- 
dungen zur  Teilnahme  am  Kongresse  nimmt  der  erste  Schriftführer  des 
Ortsausschusses,  Herr  Schulvorsteher  F.  von  Brebosn  (Bremen^  Ans- 
garitorstr.  14)  entgegen,  der  auch  alle  auf  den  Verbandstag  bezüglichen 
Anfragen  bereitwilligst  beantworten  wird. 


83 

Arbeit  ud  Erholug  der  Sehnljn^id. 

Vortrag  von  Prof.  Dr.  A.  Jaqüet  in  der  Yersammlnng   der  fireiwilligeii 
Schulsynode  Yon  Basel  (Stadt)  am  22.  November  1904. 

Dem  Vortrage  des  Referenten  lagen  folgende  Thesen  zngnmde: 

1.  Bei  der  Bemessnng  des  für  die  yerschiedenen  Altersstufen  zn- 
ÜBsigen  Arbeitsmafees  ist  es  notwendig,  die  Arbeit  zu  berflcksichtigen, 
welche  das  Kind  neben  seiner  eigentlichen  Schularbeit  —  Schulzeit  and 
Seholanfgaben  —  noch  zu  Hanse  yerrichten  mnüs. 

2.  Diese  von  den  Mtern  aufgezwungene  Arbeit  stellt  in  vielen  Fftllen 
die  eigentliche  Ursache  der  Überbflrdung  der  Kinder  dar. 

3.  Die  Überbttrdung  ist  eine  individuelle  Erscheinung,  die  nur  bis 
20  einem  gewissen  Grade  mit  der  Schularbeit  zusammenhängt.  Zu  ihrem 
Zostandekommen  tragen  aufserdem  noch  Konstitution  und  Charaktereigen- 
schaften des  Kindes,  sowie  die  Erziehung  im  elterlichen  Hanse  wesent- 
lich bei. 

4.  Zur  Vermeidung  der  Überlastung  gewisser  Schtüer  durch  Haus- 
m^gaben  mflssen  dieselben  nicht  mehr  nach  dem  Pensum,  sondern  nach 
der  Zeit  bemessen  werden.  Dieses  Postulat  l&ist  sich  allerdings  nur  er- 
fttlleii,  wenn  die  Aufgaben  in  der  Schule  und  unter  Aufsicht  gemacht  werden. 

5.  Die  Schule  bat  die  Pflicht,  fOr  die  körperliche  Erziehung  der 
Schfllo'  zu  sorgen.  Die  Kr&ftigung  des  Körpers  ist  das  beste  Mittel  zur 
Yerbfttong  der  Überbttrdung.  Der  Turnunterricht,  kombiniert  mit  täglichen 
Spielstanden,  sollte  daher  fttr  alle  Schulstufen  obligatorisch  erklärt  werden. 

6.  Die  Bekämpfiing  der  Überbttrdung  darf  nicht  ausschlieislich  der 
Privatinitiative  ttberlassen  werden.  Die  Schule  ist  die  einzige  Instanz, 
welche  dank  ihrer  Organisation  imstande  ist,  zur  Besserung  der  gegen- 
wirtigen  Zustände  durchgreifende  Maisnahmen  zu  treffen. 

7.  Eine  wirksame  Bekämpfung  der  Überbttrdung  ist  jedoch  ohne  Mit- 
lulfe  der  Eltern  nicht  denkbar.  Zu  diesem  Zwecke  erscheint  eine  syste- 
■atische  Aufklärung  der  Bevölkerung  erforderlich.  Als  Mittel  zur  £r- 
reichnng  dieses  Zieles  empfiehlt  sich  die  Organisation  regelmäCsiger  Eltern- 
kimferenzen  durch  die  Schule. 


Über  die  Bedeutung  der  SchnlhygieBe. 

Ans  einem  Vortrage  von  Prof.  Dr.  Baginsky  im  Allgemeinen 

deutschen  Verein  fttr  Schulgesundheitspflege  in  Berlin 

(26.  Oktober  1904). 

Nachdem  der  Redner  im  Eingange  seines  Referates  die  Bedeutung 
der  Reinlichkeit  ttberhaupt  auf  die  Gesundheit  betont  hatte,  äufserte  er 
▼erechiedene  Wftnsche  in  dieser  Richtung  mit  Bezug  auf  die  Schule.  Zur 
Venrirklidiong  dieser  Wttnsche  will  er  namentlich  die  Lehrer  und  Lehre- 
riuMn  herangezogen  wissen,  damit  sie  die  Kleinen  zur  Reinlichkeit  und 
Ordnung  erziehen,  Faktoren,  die  doch  ein  gut  Teil  eines  geregelten  Lebens 
Mttmachen.  Prof.  Baginbky  will  keinen  neuen  Lehrzweig  in  das  ohnedies 
so  grobe  Lempensum   der  Kinder  einfttgen.     Nein,   er   will   nur  durch 


84 

das  Verständnis,  das  Lehrer  and  Lehrerinnen  dieser  Frage  entgegen- 
bringen sollen,  anf  die  Kleinen,  die  doch  einen  grolsen  Teil  des  Tages  in 
der  Schnle  verbringen,  einwirken.  Wenn  die  Lebrpersonen  anf  eine  gute 
Ordnung,  gnte  Haitang  und  eine  exakte  Reinlichkeit  dringen,  dann  werden 
sich  die  Folgen  dieser  Bestrebungen  anch  in  die  Hänser  resp.  Wohnungen 
weiter  verpflanzen.  Redner  hat  darin  in  Algler  und  Tunis,  wo  die  franzö- 
sischen Schulen  durch  ihr  Wirken  auch  einen  grofsen  Einfluis  auf  die 
alten  Muhamedaner  und  Neger  ansähen,  genflgend  Erfahrungen  sammeln 
können.  Dasselbe  ist  der  Fall  in  Bosnien,  wo  die  Osterreichischen  Schulen 
eine  segensreiche  Tätigkeit  entfalten.  Notwendigerweise  werden  die  Ideen, 
die  die  Schule  in  dieser  Beziehung  aussät,  ins  Leben  hinausdringen  and 
eine  viel  tiefergreifende  Wirkung  ausüben,  als  sich  die  einzelne  Lehr- 
person anch  nur  träumen  läfst.  Auch  der  Zahnpflege  soll  die  genügende 
Aufmerksamkeit  gewidmet  werden,  selbst  wenn  unsere  Behörde  gerade 
diesem  Zweig  der  Gesundheitslehre  die  geringste  Beachtung  schenkt. 

Auf  die  Nervosität  kam  Redner  gleichfalls  zu  sprechen,  die  heute  soviel 
Anlafs  zum  Klagen  für  Eltern  und  Lehrer  gebe.  Aber  gerade  hier  er- 
weise sich  das  Anhalten  zu  einer  geregelten  Tätigkeit  von  segensreichem 
Einflüsse,  wie  er  als  Kinderarzt  unzählige  Male  habe  konstatieren  können.  — 
Ferner  müsse  unbedingt  auf  die  gefährlichen  Folgen  des  Alkohol- 
und  Tabakgenusses  hingewiesen  werden.  Gerade  hier  liege  eine 
empfindliche  und  ungemein  grofse  Schädigung  der  Gesnndheit  und  des 
Yolkswohles.  B.  warnt  Eltern  und  Erzieher  dringend  davor,  den  Kindern 
den  Alkohol,  sei  es  in  irgendeiner  Form,  zu  gestatten.  In  einer  Schal- 
statistik habe  ein  Schularzt  die  Rechnung  aufgestellt,  dafs  von  470  Knaben 
264  regelmäfsig  Bier  tranken,  139  auch  noch  andere  Spirituosen  genossen, 
von  497  Mädchen  242  ebenfalls  regelmäfsig  dem  Biergennls  ergeben  waren^ 
Ein  ungeheuer  grolser  Prozentsatz  dieser  Alkoholkonsumenten,  sagt  die 
Statistik,  sei  faul,  unaufmerksam  und  verlogen  gewesen.  Wenn  das  auch 
übertrieben  sein  mag,  so  wird  kein  Schulmann  die  verderblichen  Folgen 
des  Alkohols  beim  Kinde  leugnen  können.  Der  Redner  führte  verschiedene 
krasse  Beispiele  an.  Anch  der  Tabak  sei  entschieden  zu  verbieten,  wenn- 
gleich ja  der  Erwachsene  ganz  gut  sein  Pfeifchen  und  seine  Zigarre  rauchen 
könne.  Ein  dreieinhalbjähriges  Kind,  dem  die  Mutter  einen  Zigarren- 
stummel zum  Spielen  gegeben  hatte,  zerkaute  denselben  und  fiel  darauf 
in  Krämpfe,  die  drei  und  einen  halben  Tag  dauerten.  Das  sei  nur  ein 
Beispiel  von  vielen.  Der  oben  bezeichnete  Unterricht,  den  Lehrer  und 
Lehrerin  in  der  Hygiene  erhalten  müDsten,  sollte  nun  nicht  ein  regelrechter 
Kursus  in  Anatomie  und  Pathologie  sein,  aber  die  Grundzüge  dieser  Wissens- 
zweige mülsten  sie  doch  auf  dem  Seminar  kennen  lernen.  Dann  und  nor 
dann  wären  sie  imstande,  auch  mit  dem  Schulärzte  verständnisvoll  Hand 
in  Hand  zu  arbeiten  zum  Segen  der  gegenwärtigen  und  zukünftigen  Gene- 
rationen. —  Schliefslich  wies  der  Referent  auf  die  ermüdende  Erwerbs- 
tätigkeit  der  Schulkinder,  namentlich  vor  dem  Schulbesuche  am  Morgen, 
hin  und  betonte,  dafs  müde  Schulkinder  nie  imstande  sind,  dem  Lehrer  sm 
folgen.  Daher  mülste  darauf  gesehen  werden,  dafs  die  Kleinen  vor  der 
Schule  nicht  zu  schweren  Arbeiten  gezwungen  wtlrden. 


86 


tUmre  JlitteiUittie«. 


Kildenelbstmorde.  Anf  einer  Lehrerkonferenz  für  den  Schalbezirk 
Löban  (Sachsen)  machte  Medizinalrat  Dr.  Kbsll  Angaben  über  Kinder- 
selbstmorde, die  zu  denken  geben.  Nach  den  Tagesbl&ttem  ftlhrte  der 
Yortragende  hierbei  folgendes  ans: 

Fflr  Sachsen  ist  der  Kinderselbstmord  von  besonderem  Interesse,  weil 
hier  die  Zahl  der  Kinder,  die  ihrem  Leben  selbst  ein  Ziel  gesetzt  haben, 
Terh&ltnism&lsig  hoch  ist.  Schon  vor  70  Jahren  hat  Sachsen  neben  Däne- 
mark eine  hohe  Zahl  von  Kinderselbstmorden  aufzuweisen  gehabt.  Die 
jihrliche  Ziffer  aber  war  bis  znr  Gegenwart  im  Anf-  und  Absteigen  be- 
griffen. Im  Jahre  1900  kommt  jedoch  in  Sachsen  auf  100  Selbstmorde 
bereits  ein  Kinderselbstmord  und  1902  gar  schon  auf  42  ein  solcher. 
In  der  Bevölkerungsdichte  darf  man  den  Grund  der  Zunahme  nicht 
suchen,  da  das  noch  stftrker  bevölkerte  Belgien  Kinderselbstmorde  ttber- 
hanpt  nicht  aufweist. 

Nadi  SiEGEBT  sind  an  den  Kinderselbstmorden  die  Knaben  mit 
68%,  die  Mftdchen  nur  mit  32%  beteiligt.  Doch  stellen  sich  hier  die 
YerhSltnisse  zu  den  verschiedenen  Zeiten  auch  verschieden.  Das  11.  bis 
13.  Lebensjahr  zeigt  im  allgemeinen  den  Höhepunkt,  unter  den  Monaten 
des  Jahres  hat  der  Dezember  die  niedrigste  Ziffer,  der  März,  als  die  Zeit 
der  Schulprflfnngen,  die  höchste.  Dabei  entstammen  die  Selbstmörder  den 
höheren  Schulen  in  größerem  Prozentsatze  als  der  Volksschule.  Bezüglich 
der  gewählten  Todesart  ist  Erhängen  an  erster  Stelle  zu  konstatieren. 
Dann  folgt  Ertränken.  Aulserdem  kommen  noch  Vergiften,  Fenstersturz, 
Über&hrenlassen,  Erschieben  und  dergleichen  in  Betracht,  unter  den 
Knaben  wird  meist  das  Erhängen  gewählt,  unter  den  Mädchen  das  Er- 
trinken. Im  aUgemeinen  erwiesen  sich  als  Ursache  der  Selbstmorde 
Geistesgestörtheit,  körperliche  Krankheit,  häuslicher  Kummer, 
Fnreht  vor  Strafe,  aberreizter  Ehrgeiz  u.  dgl. 

Selbsmord  infolge  Geistesgestörtheit  steht  bei  weitem  obenan,  ja  diese 
ist  fast  überall  mit  in  Betracht  zu  ziehen.  Neigung  zur  Melancholie  und 
erbliche  Belastung  aber  wirken  dabei  vor  allem  bestimmend.  Zur  Ver- 
bfltong  der  Kinderselbstmorde  könnten  Schule  und  Haus  beitragen.  Das 
letztere  trifft  die  bei  weitem  grölste  Verantwortung.  Lehrer  und  Erzieher 
baben  sich  möglichster  Individualisierung  zu  befleiüsigen;  sie  haben  Mab 
ZQ  halten  in  der  Bestrafung  und  Strafandrohung  und  sich  vor  allem  über 
die  Verhältnisse  zu  unterrichten,  in  welchen  das  Kind  steht. 

Die  Zunahme  der  Kinderselbstmorde  von  1900 — 1902  ist  geradezu 
erschreckend.  Der  Umstand,  daTs  die  Selbstmorde  zurzeit  der  Schul- 
prflfnngen am  höchsten  sind,  labt  erkennen,  dafs  die  Mehrheit  dieser 
Kinderselbstmorde  auf  gewisse  Schulzustände  zurückzuführen 
Bind.     Die    bedeutende   Zunahme   der  Kinderselbstmorde  jedoch  in   den 


86 

letzten  Jahren  deutet  darauf  hin,  dafs  diese  nicht  allein  durch  Mftngel 
im  Schulwesen  verschuldet  werden,  sondern  dafs  dabei  auch  andere  soziale 
Erscheinungen  mitwirken. 

Kommvnale  Kinderfftrsorge  in  EaglaBd.  In  den  englischen 
Kommunalschulen  geniefsen  die  Kinder  —  gleichviel,  ob  ihre  Eltern  be- 
mittelt sind  oder  nicht  —  Lehr-  und  Lernmittel  auf  Kosten  der  Gemeinde. 
Nun  hat,  wie  die  „Koin,  Brcms^  (Nr.  24)  mitteilt,  der  Londoner  Graf- 
schaltsrat  (die  Gemeindebehörde  Grofe-Londons)  einen  Plan  gutgeheißen  und 
seiner  Schulkommission  zur  Ausarbeitung  überwiesen,  wonach  die  städti- 
schen Strafsenbahnen  den  Schulklassen  unter  Begleitung  ihrer 
Lehrer  fflr  alle  Exkursionen  in  die  Parks,  Museen  und  be- 
liebten Punkte  der  Umgebung  kostenlos  zur  Yerfflgung  ge- 
stellt werden.  In  London  halten  nftmlich  die  Lehrer  allwöchentlich 
mit  ihren  Schulen  Ausflüge  ab  nach  Museen,  nach  dem  Tower,  der  Stern- 
warte, den  grolsen  städtischen  Anlagen,  sowie  den  Erholungsstätten,  und 
die  daran  sich  knüpfenden  belehrenden  Vorträge  kamen  bisher  nur  den- 
jenigen Schülern  zugute,  welche  die  bei  den  grolsen  Entfernungen  meist 
nicht  unbeträchtlichen  Fahrpreise  bezahlen  konnten.  Damit  nun  alle 
Kinder  an  diesen  nützlichen  Unterrichtsexkursionen  teilnehmen  können, 
soUen  die  Fahrten  auf  den  städtischen  Stralsenbahnen  frei  sein  und  auch 
noch  mit  den  in  den  Händen  von  PrivatgeseUschaften  befindlichen  Strecken 
Abkommen  getroffen  werden,  um  auf  Kosten  der  Gemeinde  auch  hier  fi:«ie 
Fahrt  für  die  Schüler  zu  erlangen. 

Die  Bedevtnng  der  fiLspiratieBalnft  als  ein  Faktor  flr  die 
ÜbertragiiBS  yon  KrankheitesteiTeo  in  geschlosseiieii  BtnmeB  wird 
nach  einer  Schilderung  des  y^Lancet*^  (17.  Septbr.  1904),  durch  folgende 
merkwürdige  Beobachtung  handgreiflich  bewiesen.  Ein  in  der  Büder- 
galerie  zu  South-Kensington,  London,  befindliches  Gemälde  war  von  einer 
solchen  Komik,  daiis  viele  der  Besucher  davor  in  grolse  Heiterkeit  ge- 
rieten. Nachdem  das  Bild  zwei  bis  drei  Jahre  ausgestellt  gewesen  war, 
bemerkte  man  eine  eigentümliche  Veränderung  der  Oberflftche.  Bei  ge- 
nauerer Untersuchung  zeigte  es  sich,  dab  in  grötserer  Ausdehnung  eine 
ziemlich  erhebliche  Schicht  von  angetrocknetem  Speichel  sich  gebildet 
hatte,  die  Folge  von  unzähligen,  beim  Lachen  hervorgeschleuderten  mini- 
malen Speicheltröpfchen.  Es  gelang,  die  fremden  Massen  zu  entfernen, 
und  seitdem   gewährt  eine  Glasscheibe  den   nötigen  Schutz  für  das  Bild. 

(Dr.  med.  PHiLiPPi-Bad  Salzschlirf.) 

Über  Albaminarie  bei  Seknlklndem  in  LondoB  brachte  F.  May 
DiCEiNSON  Bbbby  im  „Brit.  med,  Joum.^  (21.  Mai  1904)  folgende  Mit- 
teilung: Bei  151  von  1580  untersuchten  Schnhnädchen  fand  sich  Albu- 
minurie, die  in  der  Mehrzahl  der  Fülle  monate-  und  selbst  jahrelang  an- 
hielt. Die  Ananmese  ergab  in  keinem  Falle  Anhaltspunkte  dafür,  dafe 
eine  Nephritis  vorausgegangen  wäre.  Die  Kinder  machten  alle  einen  ge- 
sunden Eindruck,  und,  soweit  sie  beobachtet  werden  konnten,  trat  niemals 
eine  Verschlimmerung  auf,  viehnehr  wurde  die  EiweÜsausscheidung  all- 
mählich geringer.  Verfasser  hält  daher  diese  Albuminurie  nicht  für  ein 
Vorstadium  von  Nephritis,  sondern  für  eine  funktionelle  Erscheinung. 

(Dr.  med.  GÖTz-Mflnchen.) 


87 

fiber  die  Mundpflege  bei  KiBden  sprach  Spokbb  in  der  72.  Jahres- 
▼ersaminhmg  der  British  Medical  Associatioii  za  Oxford  (26.  bis  29.  Juli 
1904).  Er  hat  unter  10000  Schnlkindem  im  Alter  von  ungefähr  zwölf 
Jahren  nor  16%  mit  gesunden  Zähnen  gefunden  and  verlangt  die  An- 
steDong  yon  Zahnärzten,  die  alle  Schulkinder  drei  bis  viermal  jährlich 
EBterBuchen  und  die  vorhandenen  Zahnkrankheiten  behandeln  mflssen. 
{^MünOi.  med.  Wcdtmsdur.,  1904,  Nr.  37.)     (Dr.  med.  GÖTZ-Mflnchen.) 

Zur  Nervesittt  bei  Schulen  kSkerer  Lehranstalten  macht  ein 
Arzt  in  der  „Köln,  Volksetg^  u.  a.  folgende,  sehr  zu  beherzigende  Be- 
merkungen: 

Die  Hauptursache  der  Nervosität  bei  Kindern  ist  die  Disposition,  die 
erbliche  Veranlagung.  Deshalb  findet  sich  Nervosität  auch  beim  Kinde  des 
Arbeiters  und  des  Landmannes.  Aber  die  Schttler  höherer  Lehranstalten 
sind  infolge  der  erhöhten  geistigen  Anstrengungen  mehr  gefährdet.  Sind 
diese  einmal  nervös  beanlagt,  dann  rächen  sich  hier  Fehler  in  der  Hygiene 
und  der  Erziehung  viel  frOhzeitiger  und  intensiver. 

Jedes  Kind  ist  mehr  oder  weniger  Gemfitsmensch.  Nun  stelle  man 
sich  den  Gemütszustand  eines  schwächlichen,  Schwachbegabten  Kindes  vor, 
das  in  der  Schule  niemals  Lob  erntet,  zu  Hause  stets  die  bittersten  Vor- 
wtrfe,  die  ungemütlichsten  Szenen  erlebt.  Man  gönne  doch  auch  solchen 
Kindern  die  Sonne  elterlicher  Liebe,  ein  warmes  Mitempfinden  mit  den 
kindlichen  Schfilersorgen.  Man  wird  dann  auch  die  Freude  erleben,  dals 
solche  Kinder  oft  in  späteren  Jahren  mit  der  £rstarkung  ihres  Körpers 
ganz  andere  geistige  Fähigkeiten  entfalten  und  recht  brauchbare  Menschen 
werden. 

Fortgesetzte  Erregung  und  Depression  des  äufserst 
labilen  kindlichen  Oemfites,  hervorgerufen  durch  eine  falsche, 
ich  möchte  sagen  nervöse  Erziehung,  ist  eine  der  Haupt- 
arsachen  des  Ausbruchs  nervöser  Störungen  bei  einem  nerven- 
schwach veranlagten  Schüler.  Die  nervöse  Erziehung  ist  charakte- 
risiert durch  ihre  Grundsatzlosigkeit.  Jetzt  übermäfsige  Strenge,  dann 
Verhätschelung,  bald  ein  Übersehen  schwerer  Fehler,  bald  ein  hartes 
Bestrafen  kleiner  Nachlässigkeiten,  der  Glut  lieifser  Liebkosung  folgt  Sturm 
und  Blitz  in  scheltenden  Worten.  Selbst  nervös,  sind  solche  Eltern  zu 
einer  ruhigen,  charakterfesten  Erziehung  ihrer  Kinder  nicht  befähigt. 

Eine  weitere  Ursache  der  Nervosität  im  Kindesalter  gibt  es,  die  ich  hier 
trotz  ihrer  grofsen  Wichtigkeit  nur  kurz  andeuten  kann.  Ich  meine  gewisse 
gewohnheitsmäbige  Verirrungen.  Möchten  sich  doch  alle  Eltern  von  zu 
grolser  Voreingenommenheit  in  bezug  auf  ihre  Kinder  in  diesem  Punkte 
freimachen.  Viele  Eltern  würden  sich  durch  sorgsame  Wachsamkeit  und 
taktvolles  Eingreifen  bei  manchem  Kinde,  das  oft  unwissend  und  getrieben 
durch  seine  nervöse  Disposition  sich  hier  sein  Nervengrab  gräbt,  in  späteren 
Jahren  Dank  sichern. 

Ich  möchte  noch  auf  eine  etwas  entfernter  liegende  Ursache  der 
Schfllemervosität  hinweisen,  die  in  Ärztekreisen  jetzt  in  ihrer  ganzen  Be- 
deutung gewürdigt  wird,  in  Laienkreisen  jedoch  noch  wenig  bekannt  sein 
mag.  Das  sind  fehlerhaft  gebaute  Augen.  Bei  den  sogenannten  Re- 
fraktionsanomalien des  Auges,  der  Kurzsichtigkeit,  der  Übersichtigkeit  und 


88 

dem  AstigmatiBmas  werden  (Oenftaeres  kann  ich  hier  nicht  gehen)  beim 
Nahesehen,  wozn  gerade  der  SchtQer  dorch  Lesen  and  Schreiben  danemd 
yerorteiit  ist,  die  Angenmnskeln,  namentlich  die  an  der  Innenseite  des 
Augapfels  liegenden,  wenn  keine  Korrektion  der  Anomalie  durch  ein  Glas 
eingetreten  ist,  leicht  überangestrengt,  technisch  ausgiBdrflckt,  insuffizieni. 
Als  Folge  dieser  Insuffizienz  der  genannten  Augenmuskeln  treten  die 
mannigfachsten  nervösen  Störungen  auf.  Die  betreffenden  Schüler  klagen 
über  Stimkopfschmerz,  stechenden  Schmerz  in  den  Schl&fen,  Yerstimmt- 
heit,  Schwindelgefühl.  Anhaltende  Naharbeit  ist  ihnen  in  den  Abend- 
stunden unmöglich.  Daraus  ergibt  sich  für  die  Eltern  die  Pflicht,  bei 
etwaigen  nervösen  Störungen  der  Kinder  auch  an  die  Augen  als  Ursache 
zu  denken  und  sie  untersuchen  zu  lassen. 

Das  Zeichen  eines  gesunden  Nervensystems  ist  der  ruhige,  tiefe,  un- 
unterbrochene Schlaf.  Man  hat  den  Schlaf  das  Barometer  des  Nerreo- 
systems  genannt.  Ist  der  Schlaf  des  Schülers  unruhig,  oft  unterbrochen, 
erwacht  er  mit  schwerem,  eingenommenem  Kopfe,  ist  er  morgens  müder 
wie  abends,  dann  hat  sein  Nervensystem  gelitten.  Hier  ist  es  dann  die 
oft  schwere,  aber  auch  dankbare  und  segenbringende  Aufgabe  des  Arztes, 
zu  helfen  und  zu  heilen. 

Die  Alkokolfirage  im  Kindesalter.  Hierüber  hielt,  wie  der  „J^und*' 
mitteilt,  Lehrer  Fsaughigeb  im  schulhygienischen  Verein  der 
Stadt  Bern  einen  Vortrag,  dem  wir  folgende  Stelle  entnehmen:  „Wenn 
unsere  Volksschule  ein  Werk  tun  will,  von  dem  man  nach  hundert  Jahren 
mit  Bewunderung  sprechen  wird,  so  erziehe  sie  in  den  nächsten  zwei 
Jahrzehnten  ein  überzeugt  alkoholgegnerisches  Geschlecht.  An  vielen  Orten 
ist  man  in  der  Lage,  eigene  Klassen  für  Schwachbegabte  und  Anstalten 
für  Schwachsinnige  einzurichten.  Die  Untersuchung  einiger  berühmter  Pro- 
fessoren lassen  uns  darüber  keinen  Zweifel  und  eröffnen  uns  einen  Blick 
auf  jene  unheilvollste  aller  Alkoholwirkungen,  n&mlich  die  Herbeiführung 
von  Schwachsinn  oder  sogar  Idiotie  eines  Menschen  durch  die  Alkohol- 
vergiftung seiner  Eltern.  Wenn  sich  die  Lehrerschaft  selbst  nach  der 
Herkunft  dieser  Kinder  erkundigt,  wenn  sie  von  Zeit  zu  Zeit,  namentlich 
an  einem  Montag,  in  den  Klassen  ermittelte,  welchen  Kindern  tags  zuvor 
alkoholische  Getrünke  verabreicht  vmrden,  so  wird  sie  selbst  in  BAlde  er- 
kennen, dals  der  Kampf  gegen  den  Alkohol  und  die  Abstinenz  eine  eigent- 
liche Notwehr  der  Schule  und  ihrer  Lehrer  ist,  gegen  den  Feind,  der  die 
Leistungsfähigkeit  der  jetzigen  Jugend  herabsetzt,  der  den  £rfolg  der  Er- 
Zieherarbeit  in  Frage  steUt  und  der  der  Schule  ein  immer  minderwertigeres 
Schülermaterial  zuführen  wird."  Der  Referent  befürwortet  deshalb  den  anti- 
alkoholischen Unterricht  an  den  Schulen. 

Ober  die  Gesnndheitsaohädifninsra  in  Mittelschnlen  und  die 
Aufgaben  der  Schulkommission  in  München  sprach  Dr.  Strassmann 
im  Ärztlichen  Verein  München  („Münch,  med.  Wochenschr." ,  1904,  Nr.  32). 
Nach  der  Ansicht  des  Vortragenden  soll  die  vom  ärztlichen  Verein  München 
ins  Leben  gerufene  Schulkommission  dazu  beitragen,  die  Schulschftden 
aufzudecken  und  ihnen  abzuhelfen.  Die  bisherigen  Untersuchungen  zeigten, 
dals  40%  der  Schüler  abnorme  Gehörorgane  haben,  sowie  dafis  Myopie, 
nervöse   Zustände    und    die    sogenannte    „chronische  Kränklichkeit*'    sehr 


89 

liinfig  seien.  —  In  der  Diskossion  sprach  sich  DösNBEBaBB  fOr  Be- 
sehrinkong  der  Lehrpensa,  der  Hansanfgaben  usw.  ans.  Arbeitsfreie  Sonn- 
tage, sowie  reichliche  Tnmspiele  sind  zn  fordern.  Tbuhp  sprach  fftr  yer- 
mehrte  ftrzüiche  Schnlanfsicht,  Settz  fftr  einheitliche  Regelung  der  An- 
zeigepflicht bei  Infektionskrankheiten.  Ranke  und  Spatz  beffirworteten, 
den  Sommemnterricht  anf  täglich  einige  Stunden  zusammenzudrängen. 

Die  Stottererknrse  fBr  Scknlkindery  die  voriges  Jahr  in  Stuttgart 
eingeftihrt  worden  sind,  haben  nach  der  „Komm,  Praxis*^  (Nr.  24)  ein 
durchweg  befriedigendes  Resultat  ergeben.  Doch  hat  sich  die  Notwendigkeit 
herausgestellt,  zur  Festhaltung  des  Erreichten  wenigstens  bei  einem  Teil 
der  unterrichteten  Kinder  eine  Wiederholung  des  Unterrichts  eintreten  zu 
lassen.  Es  sind  hierzu  von  den  69  voij&hrigen  Teilnehmern  31  ange- 
meldet worden.  Sie  sollen  in  zusammen  15  Wochen  k  4  Stunden  den 
zur  Beseitigung  ihres  Sprachfehlers  notwendigen  Unterricht  erhalten.  Der 
Unterricht  ist  unentgeltlich  und  wird  der  entstehende  Aufwand  durch  die 
Stadt  getragen. 

Über  die  Beziehugen  des  Sehorgans  zum  jn^endlichen  Schwach- 
sniB  YeröffentKcht  Dr.  GELPKE-Karlsmhe  in  der  „Sammig.  Bwangl.  Äbhdlg. 
o.  d.  Chb.  d.  Augenheilkde.*^  (VI.  Bd.  H.  1)  anregende  Bemerkungen.  Er 
weist  u.  a.  darauf  hin,  dab  die  Bolle,  welche,  bei  der  mangelhaften  Ent- 
wicklung des  Gehirns,  die  teils  angeborene,  teils  in  den  ersten  Lebensjahren 
erworbenen  Störungen  der  Sinnesorgane  spielen.  Da  nach  Krafft-Ebino 
Stmnpfeinn  des  Grehims  ohne  Stumpfheit  der  Sinnesorgane  nicht  gut  denkbar 
ist,  so  soUte  man  schon  theoretisch  erwarten,  dafs  wir  beim  Schwachsinn 
yerUltnism&lsig  oft  Störungen  der  Sinnesorgane  zu  beobachten  Gelegenheit 
haben.  Zur  Entwicklung  unseres  intellektuellen  Lebens  gehört  eben  nicht 
aDein  die  Unversehrtheit  der  Ganglienzellen  der  Großhirnrinde,  sondern 
anch  die  Intaktheit  der  Sinnesorgane,  welche  die  änfseren  Sinnesreize  den 
Ganglienzellen  zuführen  und  diese  derart  wiederholt  in  Erregung  versetzen 
mUssen,  dafs  ein  dauerndes  Erinnerungsbild  in  der  Gehirnrinde  entstehen 
kano.  Ist  die  Gehirnrinde  anatomisch  noch  so  normal  angelegt  und  das 
Sinnesorgan  stumpf,  so  kann  ebensowenig  eine  normale  Gteistestätigkeit  er- 
wartet werden,  als  wenn  die  Sinnesorgane  intakt  und  die  Gehirnrinde  nicht 
entsprechend  perzeptionsf&hig  ist.  Mit  beiden  Eventualitäten  müssen  wir 
beim  Schwachsinn  rechnen. 

Es  ist  daher  unsere  erste  Pflicht,  unsere  ganz  besondere  Aufmerksamkeit 
der  Beschaffenheit  der  Sinnesorgane  bei  diesen  Kindern  zuzuwenden.  Dies 
ist  bis  jetzt  so  gut  wie  nicht  geschehen.  Wo  Gelpke  auch  Umschau  und 
Nachfrage  hielt,  nirgends  erhielt  er  befriedigende  und  ausAlhrliche  Mit- 
teilangen  tlber  Verftnderungen  der  Sinnesorgane  bei  psychisch  minderwertigen 
Kindern.  Dies  gilt  hauptsächlich  bezüglich  der  in  erster  Linie  in  Betracht 
kommenden  Sinnesorgane,  des  Seh-  und  Gehörorganes.  Bei  der  gro(sen 
Wichtigkeit  dieser  Frage  falste  daher  Gelpke  den  Entschlnls,  eine  gröfeere 
Zahl  psychisch  minderwertiger  Kinder  (578)  nach  allen  Richtungen  hin, 
sowohl  auf  die  körperliche  Yeriassung  im  allgemeinen,  als  auch  Verände- 
rungen des  Sehorganes,  gründlich  zu  untersuchen,  —  eine  sicherlich  nicht 
leichte  und  beneidenswerte  Aufgabe.  Um  in  Zahlen  ausdrückbare  Resul- 
tate zu  erhalten,  scheidet  er  sie  in  Schwachbegabte  (385),  Schwachsinnige 


90 

(125),  und  Idioten  (70).  —  Verfasser  kommt  auf  Grand  seiner  ebenso 
omfangreichen  und  eingehenden  wie  scharMnnigen  nnd  folgerichtiij^n  unter- 
snchnngen  und  Forschungen  zu  höchst  überraschenden  nnd  bemerkenswerten 
Resultaten,  die  zum  Teil  sehr  weitgehende,  jedoch  voll  berechtigte  hygienisch- 
prophylaktische und  therapeutische  Maßnahmen  erheischen. 

Es  ergab  sich  u.  a.  die  eigentflmliche  Tatsache,  dafs  die  Idioten  be- 
zflglich  der  Augen  am  wenigsten  geschädigt  waren:  die  eigentlichen  Am- 
blyopen,  d.  h.  diejenigen  weder  übersichtigen  noch  kurzsichtigen  Augen, 
deren  Sehschärfe  keine  normale  war  und  auch  durch  optische  Mittel  nicht 
korrigiert  werden  konnte,  waren  bei  den  Schwachbegabten  mit  21  %,  bei 
den  Schwachsinnigen  mit  16,6  %,  bei  den  Idioten  mit  8,6  7^  vertreten. 
Schielen  dagegen  bestand  bei  den  Schwachbegabten  in  4,5  Vo,  bei  den 
Schwachsinnigen  in  12,6  %,  bei  den  Idioten  in  12,8  7o  der  Fälle.  MiCs- 
bildungen  wurden  am  häufigsten  bei  den  Idioten  gefunden,  nämlich  in 
32,8  %,  bei  den  Schwachbegabten  nur  in  5,6  %.  Störungen  des  Farben- 
sinns lagen  auberordentlich  häufig  vor:  ein  völlig  normaler  Farbensinn  liefs 
sich  bei  den  Schwachbegabten  nur  in  44,5%,  bei  den  Schwachsinnigen 
sogar  nur  in  60,8  %  ^^^  FSAle  feststellen. 

Der  Kindergpielplats  am  KSUbraod  in  Hamburg.  Derselbe  be- 
findet sich,  wie  wir  den  ^Hamh.  Nachr. '^  entnehmen,  seit  vorigem  Jahre 
unter  einer  durch  den  Bflrgerverein,  Sektion  St.  Pauli,  eingesetzten  selb- 
ständigen Verwaltung,  welche  mit  grofter  Mühe  umfangreiche  Veränderungen, 
Verbesserungen  mit  Bezug  auf  Anlage  und  Betrieb  des  Platzes  vorgenommen 
hat  (Vergröfsemng  des  Platzes  selbst  und  der  Schutzhalle,  die  wenigstens 
2000  Personen  bei  plötzlichen  Niederschlägen  Unterkunft  gibt ;  genttgende 
Wasserleitung,  Umbau  des  Abortsystems  usw.).  Da  fttr  diese  kostspieligen 
Anlagen  die  Geldmittel  der  VerwflJtung  nicht  hinreichend  waren,  bewilligte 
der  Bflrger-Ansschuis  eine  entsprechende  Summe.  Auch  Privatkreise  und 
Vereine  wetteiferten  darin,  ihr  Interesse  an  dem  Unternehmen  zu  bekunden. 
Die  Beförderungsgelegenheit  (Fährdampfer)  wurde  verbessert  und  verbilligt 
An  schulfreien  Tagen  steht  der  Platz  den  Kindern  von  10  Uhr  vormittags 
bis  7  Uhr  nachmittags  zur  Verfügung,  fflr  die  Schultage  ist  die  Besuchs- 
zeit auf  2 — 7  Uhr  nachmittags  festgesetzt.  An  diesen  Tagen  erfreut  sich 
der  Platz  häufig  des  geschlossenen  Besuchs  der  Schulanstalten,  entweder 
als  Ausflugsziel  oder  zum  Zwecke  des  heimatlichen  Unterrichts. 

Die  Kinderwelt  tummelt  sich  auf  dem  Platz  vollkommen  frei  und  un- 
gebunden. Keine  verschärfte  Schulordnung,  kein  geschlossenes  Spazieren- 
fähren auf  dem  weiten  Gebiet  hat  dort  Eingang  gefunden.  Ältere  Knaben 
und  Mädchen,  auf  die  man  sich  verlassen  kann,  bieten,  zu  Aufsehern  er- 
nannt, dem  aufsichtführenden  Organ  eine  wichtige  Unterstützung. 

Der  Höhepunkt  der  letztjährigen  Tätigkeit  war  während  der  Ferien 
zu  verzeichnen.  £in  groüser  Teil  der  verfügbaren  Geldmittel  war  fllr 
Ferienzwecke  bestimmt.  Er  sollte  dergestalt  sachgemäTse  Verwendung  finden, 
dals  die  Kinder,  die  bei  den  Ferienkolonien  keine  Berücksichtigung  fanden, 
während  der  ftnfwöchentlichen  Ferien  eine  Heimstatt  finden  sollten. 
Während  im  verflossenen  Jahre  351  Kinder  Erholung  suchten  und  fanden, 
hofft  die  Verwaltung,  zukünftig  1000  Kolonisten  aufnehmen  zu  können; 
an&er  täglicher  freier  Hin-  und  Rückfahrt   wurde   den   Kindern  Brot  und 


91 

Mflcb  gereicht.  Beanfsiditigt  durch  einen  gröberen  Kreis  ehrenamtlicher 
Damen  and  einen  beamteten  Herrn,  die  mit  der  ganzen  idealen  Hingabe 
eines  guten  Herzens  ihrer  Tätigkeit  oblagen,  entwickelte  sich  ein  schöner 
harmonischer  Verkehr  der  Ferienkolonisten  untereinander  und  mit  den 
Ao^chtfbhrenden.  Die  Ferien  1904  werden  fftr  die  Kinder,  die  anter 
so  liebenswürdiger  Leitung  ihre  Ferien  verleben  durften,  gewiCs  ein  wert* 
?olles  Erinnerungsblatt  bleiben. 

Über  die  LHngen-Drügen-THberknloae  in  den  Pariaer  Sehnlen 
beriditete  Gbangheb  in  der  Pariser  Acad^mie  de  m^decine.  Er  hat  mit 
einer  Reihe  von  Mitarbeitern  896  Kinder,  die  zwei  Pariser  Gemeinde- 
sdiulen  besuchen,  untersucht  und  bei  14  Vo  der  Knaben  und  17%  der 
Mftdchen  sichere  Zeichen  yon  Tuberkulose,  sei  es  der  Hals-  oder  der 
Bronchialdrflsen,  gefunden.  Im  ganzen  waren  von  den  89(>  Kindern  141 
im  Zustand  einer  latenten  Tuberkulose;  die  Hälfte  dieser  Kranken  waren 
Nachkommen  tuberkuloser  Eltern.  Die  Gesamtzahl  aller  latent  tuberkulösen 
Schulkinder  ist  nach  dem  Ergebnis  dieser  Untersuchung  eine  enorm  hohe, 
and  die  meisten  von  ihnen  werden,  wenn  nicht  frühzeitig  und  energisch 
eingegriffen  wird,  zu  Phthisikem  werden.  Es  ist  demzufolge  notwendig, 
da&  alle  Schulkinder  einer  genauen  ärztlichen  Untersuchung  unterzogen 
werden,  damit  die  Tuberkulose  im  Anfangsstadium  erkannt  und  bekämpft 
werden  kann.  Mit  einem  Versuch  der  diätetischen  Behandlung  hat  Gbancheb 
gute  Resultate  erzielt;  er  liefs  nämlich  in  den  beiden  Schulen  den  kranken 
Kindern  täglich  Fleischpulver  und  Lebertran  verabreichen.  Diese  Praxis 
sollte  an  allen  Schulen  eingehalten  werden ;  viel  besser  allerdings  wäre  es, 
filr  die  gefährdeten  Kinder  Landschulen  zu  errichten,  wo  sie  sich  rasch 
erholen  würden.     (^Münck.  med.   Wochenschr.*'  1904.  Nr.  32.) 

Ergebnigge  der  irztliehen  UntersHehuDg  toh  Sehulrekrnten  in 
4er  Sehweic.  Wie  wir  der  ^Zeitsckr.  f,  sckwm.  SiaiiifUk''  (I.  1905) 
entnehmen,  hat  die  ärztliche  Untersuchung  der  1903  ins  schulpflichtige 
Alter  gelangten  Kinder  in  18  Schweizerkantonen  ergeben,  dafs  von  57  705 
aeueintretenden  Schülern  5982=  10,4%  als  mit  irgendwelchen  Gebrechen 
behaftet  sich  erwiesen.  Mit  geistigen  Gebrechen  behaftet  und  schwach- 
sinnig waren  760=  13%  (blödsinnig  20,  in  geringerem  Grade  schwach- 
sinnig 570,  in  höherem  Grade  schwachsinnig  170);  mit  körperlichen 
Gebrechen  behaftet  waren  5198=:  9,0%  (Gehörorganfehler  666,  Sprach- 
organfehler 757,  Sehorganfehler  2353,  Nervenkrankheiten  41,  andere 
Krankheiten  1381);  sittlich  verwahrlost  waren  24  Kinder.  In 
Spezialklassen  sollten  164  Kinder  versorgt  werden,  in  Spezialanstalten 
132  Kinder;  fär  ein  Jahr  von  der  Schule  ausgeschlossen  wurden  406 
=  0,4  %  der  untersuchten  Kinder. 


92 


9ia%ts^tfi^i^Ü\^tt. 


Ein  FfirgorgeyereiB  fBr  zur  Sehnle  gehende^Kinder  wurde  un- 
längst in  Amsterdam  gegrttndet.  Derselbe  bezweckt,  £ltem,  die  selbst 
nicht  imstande  sind,  flär  ihre  Kinder  genügend  zu  sorgen,  in  der  Er- 
ziehung derselben  beizustehen.  Um  nicht  ins  Familienleben  eingreifen  zu 
müssen,  spendet  der  Verein  seine  Hilfe  nur  an  solche  Kinder,  a)  deren 
Mutter  gestorben  und  deren  Vater  nicht  imstande  ist,  genügend  ihre  Er- 
ziehung zu  überwachen;  b)  deren  Mutter  ihre  Arbeit  anfserhalb  des  Hauses 
suchen  mufs,  weil  der  Vater  entweder  gestorben  ist  oder  sie  verlassen  hat, 
oder  an  einer  chronischen  Krankheit  leidet. 

Der  Verein  yersucht  zu  seinem  Ziel  zu  gelangen  einmal  durch  Grün- 
dung von  Jugendhorten,  in  denen  au&erhalb  der  Schulstunden  für  das 
körperliche  sowohl  wie  für  das  geistige  und  sittliche  V^Tohl  der  Kinder 
gesorgt  wird,  und  sodann  dadurch,  dafs  man  dem  Kinde  nach  dem  Aus- 
tritt aus  der  Schule  behilflich  ist,  eine  passende  Stelle  zu  erhalten, 
und  dais  man  über  sein  weiteres  Leben  wacht. 

Die  Jugendhorte  sollen  häuslich  und  zugleich'' hygienisch  eingerichtet 
werden;  sie  werden  nur  für  je  zwölf  Kinder  eingeriditet  mit  den  nötigen 
Spiel-  und  Unterrichtsräumen.  Die  Erziehung  der  Kinder  soll  streng 
individuell  sein.  Knaben  und  Mädchen  werden  ganz  nach  derselben  Art 
und  zusammen  erzogen  werden.  Man  wird  versuchen,  dem  Familienleben 
soviel  wie  möglich  nahe  zu  kommen;  so  zum  Beispiel  sollen  die  älteren 
Zöglinge  für  die  jüngeren  sorgen;  kleine  Dienstleistungen  in  Küche  und 
anderen  Räumen  werden  durch  die  Kinder  besorgt. 

Mitglied  des  Vereins  kann  jede  Person  werden,  die  jährlich  einen 
bestimmten  Beitrag  bezahlt. 

An  der  Spitze  jedes  Hortes  befindet  sich  eine  Vorsteherin,  welche 
die  Leitung  in  ihren  Händen  hat  und  dem  Komitee  des  Vereins  verant- 
wortlich ist.  Ihre  Tätigkeit  ist  durch  ein  vom  Komitee  festgesetztes 
Reglement  umschrieben,  immerhin  in  der  Meinung,  dafs  ihr  praktisch  die 
möglichst  grölste  Freiheit  gelassen  werde. 

Übrigens  besteht  seit  mehr  als  einem  Jahre  schon  ein  derartiger 
Jugendhort  unter  der  Leitung  eines  Fräulein  Boddaebt,  die  sich  dieser 
Tätigkeit  gänzlich  widmet:  Gegen  Bezahlung  einer  ganz  kleinen  Summe 
(eine  Mafsregel,  die  eingeführt  wurde,  um  die  Kinder  der  Eltempflege 
nicht  ganz  zu  entziehen,  insofern  letztere  diese  Pflege  leisten  können) 
finden  die  Kinder  dort  Nahrung  und  körperliche  Pflege,  aber  besonders  das, 
was  ihnen  am  meisten  not  tut:  Erziehung  und  Liebe.  Sinn  für  Ordnung 
und  Reinlichkeit,  sowie  für  gegenseitige  Dienstfertigkeit  werden  dort  ge- 
pflegt und  allmählich  auch  nach  dem  eigentlichen  Heim  der  Kinder,  wo- 
hin sie  täglich  zurückkehren,  wenn  Vater  oder  Mutter  die  Sorge  fOr  sie 
übernehmen  können,   verpflanzt.     Es  sind  nur  24  Kinder,   welche   diese 


93 

Emrichtoiig  benntzen  können,  weil  man  alles  berdenm&Gsige  g&nzlich  ans- 
schlieiseB,  das  Institat  der  gemflilichen  Seite  des  Familienlebens  soviel 
wie  möglich  nfthem  wiU.  Dieser  Jngendbort  wird  vom  nenen  Verein  in 
die  Zahl  seiner  Xlntemehmongen  aufgenommen;  sein  greiser  Erfolg  hat 
anch  den  Anstols  znr  Stiftung  des  Vereins  gegeben. 

(Dr.  med.  MouTON-Haag.) 
Finorf^e  fBr  die  Zihne  der  Sehnlkinder  in  Darmstadt.    Wie 
wir  der  y^ZähhärgiUehm  Bundschau''    entnehmen,   hat   der  Magistrat  von 
Barmstadt,  dem  Wunsche  der  vereinigten  dortigen  Schularzte  willfahrend, 
die  folgende  Ermahnung  drucken  lassen: 

An  die  Eltern  der  Schttler! 

1.  Die  Eltern  werden  eindringlichst  ermahnt,  bei  ihren  Kindern  auf 
eine  sorgftltige  und  regelmäßige  tägliche  Zahnpflege  zu  achten. 

2.  Schlechte  und  fehlende  Zähne  sind  oft  die  Ursachen  von  schweren 
Magen-  und  Verdauungsstörungen. 

3.  Die  Höhlungen  fauler  Zähne  bergen  zahllose  Fäulniskeime,  nicht 
sdten  auch  die  Pilzkeime  der  Diphtherie  und  Tuberkulose. 

4.  Täglich  mindestens  einmaJ,  am  besten  aber  morgens  und  abends, 
soDen  die  Kinder  mit  Zahnbürste  und  etwas  Wasser  die  Zähne  wenigstens 
eine  Minute  lang  putzen  und  nicht  nur  die  Vorderseite,  sondern  auch  die 
Bfldiseite  und  Kaufläche  der  Zähne.  Zweckmäßig  kann  auch  etwas  Zahn- 
pulver (geschlemmte  Kreide  oder  sogen.  Pfefferminz -Zahnpulver)  auf  die 
Bürste  genommen  werden.  Jedes  Kind  in  der  Familie  mufs  seine  eigene 
Bfinte  haben. 

5.  Kranke  Zähne  sind  möglichst  beim  Beginn  der  Erkrankung  von 
einem  Zahnarzt  behandeln  zu  lassen,  da  nur  bei  frühzeitiger  Behandlung 
Aussicht  vorhanden  ist,  den  kranken  Zahn  zu  erhalten. 

6.  Jeder  Zahn,  der  ausgezogen  werden  mufs,  bedeutet  einen  Verlust 
an  Gesundheit. 

Über  die  TrenDiiDg  der  Sehfiler  naeh  Leistungen  sprachen  un- 
längst  im  Dresdener  Lehrerverein  die  Lehrer  Ulbricht  und  Hansel. 
Nach  einer  Mitteilung  des  ^Dresd.  Äfueiger"'  fafste  Ulbbicht  die  Ergeb- 
nisse seiner  Untersuchungen  in  folgende  Anträge  zusammen,  die  vom  Verein 
angenommen  wurden:  1.  Die  Abteilung  für  Schulgesundheitspflege 
beantragt  bei  dem  Pädagogischen  Verein  (Dresdner  Lehrerverein),  dafs 
dieser  dahin  wirke,  dals  in  einer  Schulgruppe  der  Versuch  gemacht  werde, 
innerhalb  der  bestehenden  Organisation  die  schwächsten  Schüler  allmählich 
m  besondere  Klassen  zusammenzuziehen.  2.  Zur  Verminderung  der  Nach- 
teile, die  sich  aus  der  verschiedenen  Leistungstähigkeit  der  Normal-  und 
der  Sehwächstbeföhigten  ergeben,  ist  schon  jezt  zu  verlangen,  dals  a)  von 
dem  Rechte,  Kinder  zurückzuweisen,  welche  sich  zu  schwach  für  die  An- 
forderungen der  Schule  zeigen,  mehr  Gebrauch  gemacht  werde  als  bisher; 
b)  die  Klassen  mindestens  zwei  Jahre  von  demselben  Klassenlehrer  geführt 
werden;  e)  Kinder,  die  in  die  Nachhilfeschule  gehören,  in  jedem  Falle 
dort  nntergebracht  werden;  d)  Nachhilfestunden  in  die  Hand  der  Klassen- 
lehrer zu  legen  sind;  e)  diejenigen  Kinder,  welche  die  erste  Klasse  nicht 
erreichen,  zu  besonderen  Abschlulsklassen,  deren  Schülerhöchstzahl  dreifsig 
beträgt,  vereinigt  werden.     Hansbl  erläuterte  die  SiCEiNaEBsche  Schul- 


94 

reform  in  Mannheim.  Sein  Antrag:  „Der  Pädagogische  Verein  (Dresdner 
Lehrerverein)  anerkennt  ans  pädagogisch-hygienischen  GrOnden  die  Richtig- 
keit des  Prinzips,  welches  der  SiCKiNGBBschen  Schulreform  in  Mannheim 
zngmnde  liegt^,  fand  ebenfalls  Annahme  durch  den  Verein. 

Ein  grofger  Schnlspielplats  im  Oruewald,  in  der  Nahe  von 
Roseneck,  wird,  wie  die  Tagesbl&tter  melden,  yoranssichtlich  noch  im  be- 
Yorstehenden  Sommer  angelegt  werden.  Anf  Anregung  der  Gemeinde- 
verwaltung von  V^Tilmersdorf  haben  sich  die  Direktoren  der  höheren  Lehr- 
anstalten und  die  Rektoren  der  Gemeindeschulen  mit  dem  Forstfiskus  w^en 
Abtretung  des  erforderlichen  Gel&ndes  in  Verbindung  gesetzt;  die  Unter- 
handlungen sind  dem  Abschlüsse  nahe.  Dem  Beispiele  von  Wilmersdorf 
dürften  andere  westliche  Vororte  folgen. 

YerweDdniif;  staabfreier  FnfsbodenSle  in  den  atUtisehen  SehnleA 
YOA  Gottbna,  Die  günstigen  Erhhrungen,  die  man  in  letzter  Zeit  mit 
der  Verwendung  von  staublöschenden  ölen  in  Fabrik-  und  Schulr&umen  nsw. 
gemacht  hat,  haben  auch  die  Auftnerksamkeit  der  stadtischen  Behörden  in 
Ck>ttbus  erregt.  Wie  verlautet,  wird  baldigst  in  der  Stadtverordnetenver- 
sanuttlung  eine  Vorlage  zur  Beratung  kommen,  die  eine  solche  Anwendung 
von  Stanböl  in  den  städtischen  Schulen  vorsieht 

Ein  Solbad  für  arme  Kinder  soll,  wie  die  Schweizer  Zeitnngen 
melden,  in  Rheinfelden  eingerichtet  werden.  Es  soll  einen  Auban  des 
Sanatoriums  mit  Veranda  auf  der  ganzen  Länge  und  einem  eigenen  Speise- 
saal bilden.  In  erster  Linie  werden  in  diesem  Kinderpavillon  skrophulöse, 
rachitische  und  tuberkulöse  Kinder  aufgenommen.  Der  Pensionspreis  fib' 
Patienten  bis  zu  15  Jahren  ist  1,60  Francs. 

Obligateriseher  Sehwimmanterrieht  an  der  Yelkssekiile.  Nadi 
einer  Mitteilung  der  ^Frankfiitrter  Zähmg*"  soll  in  einer  Ganversammlnng 
des  Gaues  I  der  deutschen  Schwimmerschaft  beschlossen  worden  sein, 
demnächst  an  den  Kultusminister,  die  Landtagsabgeordneten  und  die  Stadt- 
verwaltungen eine  Denkschrift  zur  Versendung  zu  bringen,  in  welcher 
die  Einführung  des  pflichtmäfeigen  Schwimmunterrichts  an  den  Volksschulen 
beantragt  wird. 

Über  dag  Ergebnis  der  Irctliohen  DntersHehug  der  Volkt- 
MkHlkinder  in  Stuttgart  wird  amtlicherseits  folgendes  berichtet:  »Der 
Stadtarzt  mit  den  erforderlichen  Hilfsorganen  hat  im  vergangenen  Jahre 
eine  Untersuchung  sämtlicher  Volksschfller  und  Schfllerinnen  ausgeführt 
und  über  den  Befund  einen  ausführlichen  Bericht  erstattet,  der  leider 
eine  wenig  erfreuliche  Vorstellung  von  dem  Gesundheitsznstand  der  Jagend 
der  minderbemittelten  Volksklassen  wie  anch  von  den  sozialen  Verhält- 
nissen, von  denen'!  man  eine  Beeinflussung  der  Volksgesundheit  annimmt^ 
gibt.  Wenn  zwei  Drittel  der  Schüler  als  mit  irgendeinem  Gebrechen  oder 
Fehler  behaftet,  annähernd  ein  Fünftel  als  ungenügend  ernährt,  nur  etwa 
zwei  Prozent  im  Besitze  eines  tadellosen  Gebisses  befunden  wurden,  oder 
wenn  ein  Drittel  sämtlicher  Schulkinder  in  überfdUten  Ränmen  schlafen, 
so  sind  das  Verhältnisse,  die  ganz  von  selbst  eme  Stadtverwaltung  vor 
grofse  Aufgaben  stellen.  Jener  Bericht  wird  zunächst  die  Grundlage 
für  die  Beratung  der  Schularztfrage,  die  demnächst  zu  lösen  sein  wird, 
bilden.'' 


9& 

StittiMbo  HeOkvrM  fBr  Stotterer  ift  Hanneyer.  Bei  Gelegen- 
Mt  der  ErOfiiiuig  eines  neuen  derartigen  Kurses  macht  der  „JSofm.  Cour.'^ 
■it  Bedit  Mgende  Bemerkung:  Wiederholt  ist  es  vorgekommen,  daTs^ 
Kinder  jalirelang  gewartet  haben,  ehe  sie  sich  an  einem  Knrsns  beteiligten. 
Vor  eine»  soldlien  Verschleppen  des  Übels  ist  aber  nnr  zn  warnen.  Ein- 
■al  ist  es  schwer,  veraltete  Übel  zn  beseitigen,  znm  andern  ist  die  6e- 
fthr  der  Übertragung  des  Stotterflbels  anf  Geschwister,  Mitschfller  und 
^»elkameraden  sehr  greis.  So  ist  verschiedentlich  nachgewiesen,  dal» 
zum  Beginn  eines  Schuljahres  in  einer  Klasse  ein  stotternder  Schfller  war, 
wahrend  gegen  Ende  des  Jahres  drei  und  vier  Schfller  mit  dem  Übel  be- 
haftet waren.  Die  Stadtschnlverwaltung  hat  daher  seit  einigen  Jahren 
mit  bestem  Erfolge  Heilkurse  für  sprachgebrechliche  Kinder,  die  noch  im 
▼orschulpflicfatigen  Alter  stehen,  ins  Leben  gerufen.  Zurzeit  sind  zwei 
solcher  Kurse  im  Betriebe.  Auch  die  Eltern  bringen  den  letzteren  Heil- 
knrsai  ein  ganz  besonderes  Interesse  entgegen ;  beseelt  von  dem  Wunsche, 
dals  ihre  Kinder  wegen  einer  mangelhaften  Sprache  nicht  gleich  am  Be- 
ginn der  Schulzeit  einen  minderwertigen  Eindruck  in  der  Klasse  machen, 
bleiben  sie  meistens  wahrend  der  ganzen  Übnngszeit  bei  den  Kleinen,  um 
danadi  auch  im  Hause  die  Übungen  in  der  rechten  Weise  fortsetzen  zu 
können.  Möchten  das  auch  die  Eltern  der  grOliseren  Schfller,  die  wegm 
ilnrer  Sprachleiden  mit  den  Heilkursen  in  Verbindung  stehen,  beherzigen, 
dals  besonders  bei  der  Bek&mpfung  der  Sprachgebrechen  unter  der  Schul- 
jugend Haus  und  Schule  stets  Hand  in  Hand  gehen  mflssen. 

Ober  Schule  «nd  Schwimmiuterricht  sprach  unlängst  Professor 
KÜGHXNMEISTEK  in  einer  vom  Deutschen  Verein  fflr  Volkshygiene  in 
Leipzig  einberufenen  Öffentlichen  Versammlung.  Wie  wir  den  „Leipg. 
Neuest,  Nachr. "^  entnehmen,  gedachte  der  Redner  zunächst  des  Ursprungs 
der  Schwimmkunst,  die  der  Mensch  vom  Hund  und  Frosch  gelernt  hat 
und  die  aus  einem  Bedflrfnis  des  Lebens  hervorgegangen  ist.  So  finde 
man,  dafe  das  Schwimmen  schon  in  der  ältesten  Vorzeit  zu  den  wichtigsten 
Leibesfibungen  z&hlte.  Griechen  und  ROmer  legten  grofsen  Wert  auf  diese 
Fertigkeit,  die  bei  ihnen  von  beiden  Geschlechtem  geübt  wurde.  Auch 
bei  den  Germanen  war  das  Schwimmen  sehr  beliebt.  Erst  nach  den 
Kreuzzflgen  ging  die  Lust  am  kalten  Bade  allmählich  verloren,  und  es 
entstanden  Badestuben  aller  Art.  Später  wurde  die  Leibesübung  des 
Schwimmens  an  den  Schulen  sogar  verboten.  Bis  zum  Anfange  des 
18.  Jahrhunderts  standen  selbst  die  Ärzte  dem  Schwimmen  nicht  freund- 
lich gegenüber.  Erst  seitdem  Basedow  in  Dessau  das  Schwimmen  syste- 
matisch pflegte,  kam  es  wieder  mehr  in  Aufnahme.  1798  erschien  ein 
Lehrbuch  über  die  Schwimmkunst  und  1817  grflndete  General  von  Pfuhl 
in  Berlin  eine  Schwimmanstalt.  1842  wurde  das  Turnen  und  Schwimmen 
amtlich  als  gute  Leibesübung  anerkannt  und  Mitte  der  achtziger  Jahre 
bezdchnete  der  preufsische  Kultusminister  von  Gossleb  das  Schwimmen 
als  das  Ideal  der  Leibesflbungen,  die  in  der  Schule  gepflegt  werden 
sollen.  In  neuerer  Zeit  lenkte  man  das  Augenmerk  auf  das  sogenannte 
Trockenschwimmen,  das  Schwimmen  auf  dem  Lande,  fflr  das  der  Berliner 
Schwimmlehrer  Aüebbach  bahnbrechend  wirkte.  Bei  solchem  Schwimm- 
OBterricht    auf    dem    Lande   werden    zunächst  Freiübungen   gemacht   und 

Sehalsresniidbeltspfleffe.  XVIIL  % 


hierauf  in  hängender,  wagerechter  Lage  die  Schwimmübangen  vorgenommen. 
In  Leipzig  ist  dieser  Unterricht  erst  im  Jahre  1902  ins  Leben  gerufen 
worden.  Von  den  Kindern,  die  diesen  Unterricht  besuchen,  haben  bis 
jetzt  etwa  70%,  d.  h.  in  drei  Kursen  702  Kinder,  schwimmen  gelernt. 
Aufserdem  werden  vom  Schwimmverein  Leipzig -West  pro  Jahr  etwa 
40  Knaben  ausgebildet.  Die  von  der  Stadt  Leipzig  zur  Förderung  des 
Schwimmunterrichts  gewährten  Beihilfen  belaufen  sich  auf  1000  Mark. 
Der  Vortragende  schilderte  weiter  die  Verhältnisse  in  Frankfurt  a.  M., 
wo  von  der  Stadt  für  Benutzung  der  Badeanstalten  durch  Kinder  etwa 
20000  Mark  aufgewendet  werden.  Nach  Ansicht  des  Redners  müfste  der 
Schwimmunterricht  in  allen  Schulen  obligatorisch  werden.  Es  sollten,  wie 
es  bei  der  31.  Bezirksschule  vorgesehen  ist,  in  allen  Schulen  Bade- 
einrichtungen mit  Schwimmräumen  angelegt  und  die  Kinder,  Knaben  wie 
Mädchen,  im  Schwimmen  unterrichtet  werden.  Heute  liege  dieses  Ziel  noch 
in  weiter  Ferne,  vielleicht  werde  aber  nach  Vollendung  der  grofsen  Bade- 
anstalt oberhalb  Leipzig-Gonnewitz  und  nach  Fertigstellung  der  von  privater 
Seite  geplanten  Badeanstalt  in  Leipzig-Eutritzsch  die  Zeit  kommen,  in  der 
kein  Kind  die  Schule  verlasse,  ohne  schwimmen  zu  können. 


2.mi\i^t  Derfftsnttseit* 


über  Hausaufgaben  in  Volks-  nnd  Mittelschnlen. 

Bekanntmachung  der  Direktion  des  Unterrichtswesens 
des  Kantons  Bern  (Schweiz). 

Die  bemische  Schulsynode  hat  in  ihrer  Plenarversammlung  vom  29.  Ok- 
tober abhin,  betreffend  die  Hausaufgaben,  die  nachstehenden  Thesen  auf- 
gestellt, die  auch  hierseitig  als  berechtigte  begrafst  werden.  Einstweilen 
werden  sie  den  Schulkommissionen  und  der  Lehrerschaft  auf  diesem  Wege 
bekannt  gegeben  und  zur  Beachtung  anempfohlen,  indem  wir  uns  vor- 
behalten, ihnen  späterhin,  im  geeigneten  Zeitpunkte,  weitere  Folge  zu  ver- 
schaffen. 

Art.  1.  Im  ersten  Schuljahre  dttrfen  keine,  im  zweiten  und  dritten 
Schuljahre  dürfen  keine  schriftlichen  Hausaufgaben  gegeben  werden. 

Art.  2.  In  den  oberen  Schuljahren  der  Primarschule,  in  den  Mittel- 
schulen, sowie  im  Unterweisungsunterricht  dürfen  keine  schriftlichen  Haus- 
aufgaben gegeben  werden.  Ausgenommen  ist  der  Hausaufsatz  in  der  Mutter- 
sprache für  die  Schüler  und  Schülerinnen  über  dem  schulpflichtigen  Alter. 

Art.  3.  Wo  das  Fachsystem  besteht,  soll  auf  dem  Wege  der  Ver- 
ständigung unter  der  Lehrerschaft  und  durch  Führung  einer  Kontrolle 
(Aufgabenbuch)  dafür  gesorgt  werden,  dafs  eine  gleichmäfsige  Verteilung 
der  Hausaufgaben  auf  die  einzelnen  Tage  stattfindet. 


97 

Art.  4.  Die  für  die  Schale,  sowie  den  Unterweisnngsunterricht  be- 
stmunten  Hansaufgaben,  namentlich  das  Memorieren  nnd  die  Repititionen 
in  den  einzelnen  Fächern,  sind  gleichmftfsig  auf  das  ganze  Schaljahr  zn 
verteilen,  und  es  soll  das  Mafe  der  Aufgaben  gegen  den  SchloTs  des  Schul- 
jahres nicht  erhöht  werden. 

Hausaufgaben  sind  nur  mit  möglichster  Beschränkung  zuzulassen. 

Es  ist  auf  die  sozialen  Verhältnisse  der  Schüler  gebflhrend  Rücksicht 
n  nehmen. 

Körperliche  und  geistige  Gebrechen  sind  a]j3  Entschuldigungs-  oder 
Milderungsgrtknde  zu  berücksichtigen. 

Art.  ö.     Nicht  zulässig  sind: 

a)  Das  Anfertigen  yon  Handarbeiten  und  Zeichnungen  als  Hausaufgaben ; 

b)  das  Aufgeben  von  &kultativen  oder  Fleilsaufgaben; 

c)  Hausaufgaben  yom  Vormittag  auf  den  Nachmittag  des  gleichen  Tages ; 

d)  Ferienaufgaben. 

Über  Sonn-  und  Feiertage  dürfen  keine  Hansaufgaben  erteilt  werden. 
{„8(^wei0.  Bläit  f.  Schulgesundheitspfl.'',  Nr.  1,  1905.) 


Über  Zahnpflege  der  Schulkinder. 

Die  Schulbehörden  yon  Langenthai  (Kanton  Bern)  an  die 
Eltern  und  Pflegeeltern  der  Schulkinder. 

Eine  sorgfältige,  yon  frühester  Jugend  auf  tagtäglich  geübte  Zahnpflege 
bewahrt  den  Menschen  nicht  nur  yor  yielen  Schmerzen  und  materiellem 
Schaden,  vor  üblem  Geruch  aus  dem  Munde  und  häMicher  Entstellung, 
sondern  ganz  besonders  auch  vor  schlechter  Verdauung  und  den  daraus 
entstehenden  yerschiedenartigsten  Krankheiten  des  Magens  und  Darms, 
wie  auch  anderer  Organe. 

Wie  bedenklich  schlimm  es  aber  schon  bei  den  Kindern  um  die  6e- 
sondheit  und  Tauglichkeit  der  Zähne  steht,  hat  z.  B.  eine  im  Winter 
1903/04  unter  der  Schuljugend  Langenthals  yorgenommene  gewissenhafte 
zahnärztliche  Untersuchung  festgestellt. 

Nicht  nur  die  Unwissenheit  und  Nachlässigkeit  der  Kinder  in  betreff 
der  Zahnpflege  tragen  die  Schuld  an  dem  allgemein  yerbreiteten  Übel, 
sondern  in  erster  Linie  die  Kurzsichtigkeit  und  unyerzeihliche  Gleichgültig- 
keit weitaus  der  meisten  Eltern  und  Pflegeeltern.  Deshalb  fühlen  sich  die 
Behörden  im  Interesse  des  heranwachsenden  Oeschlechts  yerpflichtet,  alles 
aufzubieten,  um  den  bisherigen  Schlendrian  wenigstens  im  Bereiche  ihres 
Schulbezirks  erfolgreich  zu  bekämpfen.  Sie  werden  die  für  eine  zweck- 
m&fsige  Zahnpflege  nötigen  Materialien  im  greisen  beschaffen  und  durch  die 
Lehrerschaft  den  Schülern  zum  Ankaufspreise,  weniger  bemittelten  gratis 
abgeben.  Sie  werden  darum  besorgt  sein,  da&  den  Kindern  in  der  Schule 
das  richtige  Verständnis  für  den  Wert  der  Zahnpflege  beigebracht  und  er- 
bahen  wird,  rechnen  dabei  aber  auf  die  energische  Unterstützung  durch 
Eltern  und  Pflegeeltern. 

Jedes  Kind  soll  yerstehen  lernen,  dais  es  nicht  nur  dann  als  unreinlich 
ZQ  tadeln  ist,  wenn  es  sich  nicht  regelmäGng  morgens  und  abends  Gesicht, 

6» 


98 

Hals  und  Hftnde  wAscht,  sondern  ebenso  sehr  auch  dann,  wenn  es  ein  ein- 
ziges Mal  die  grOndliche  Reinigung  der  Z&hne  onterl&Ist.  Jedes  Kind  soll 
dahin  gebracht  werden,  dafs  es  auf  wohlgepflegte,  gesonde  Zfthne  mehr 
Wert  legt  als  auf  das  allerschönste  Eleidnngsstttck. 

Die  Mnnd-  resp.  Zahnreinignng  soll  nicht  nur  des  Morgens  Tor  dem 
Frflhstttck,  sondern  namentlich  anch  des  Abends,  unmittelbar  vor  dem 
Schlafengdien,  vorgenommen  werden,  damit  ja  nicht  während  der  Nacht 
allfftllige  Speisereste  sich  im  Munde  zersetzen  und  die  Zähne  anätzen  können. 

Bei  einer  richtigen  Zahnpflege  kommt  es  nicht  sowohl  darauf  an,  dem 
Munde  durch  Anwendung  irgendeines  der  vielen  öffentlich  angepriesenen, 
meist  teuren  Mundwasser  einen  angenehmen  Geschmack  zu  verleihen,  als 
vielmehr  auf  eine  grOndliche,  mechanische  Säuberung  der  Zähne  und  ihr^ 
Zwischenräume  mittels  der  Zahnbürste.  Als  Reinigungsflflssigkeit  gebraucht 
man  am  zweckmäbigsten  lauwarmes  oder  auch  kaltes  Salzwasser  (auf  ein 
Trinkglas  Wasser,  welches  vorher  gekocht  hat,  eine  Messerspitze  voll  Koch- 
salz). Die  Zahnbürste  darf  aber  nicht  nur  ein  paarmal  leichthin  über  die 
Zahnreihen  hin-  und  herfahren,  sondern  durch  senkrechtes,  wagerechtes  und 
queres  Bärsten  ist  gleichsam  jeder  einzelne  Zahn  au&en,  oben,  innen,  vom 
und  hinten  energisch  in  Behandlung  zu  nehmen.  Hierauf  folgt  ein  grOnd- 
liches  Ausspülen  der  ganzen  Mundhöhle,  womit  gleich  auch  durch  Gurgeln 
eine  Reinigung  des  Rachens  verbunden  werden  soll;  denn  allzu  gerne  haften 
hier,  besonders  an  den  schwammartigen  Halsmandeln,  schädliche  Stoffe, 
welche  zu  schweren  Krankheiten  führen  können,  wie  Diphtheritis,  Croup, 
Scharlachdiphtheritis  und  dergleichen. 

Die  Zahnbürste  ist  nach  jedem  Gebrauche  mit  frischem  Wasser  aus- 
zuwaschen, dann  auszuschwingen  und  trocknen  zu  lassen. 

Bei  schadhaften,  angesteckten  Zähnen  soll,  wie  bei  jedem  andoren 
erkrankten  Körperteil,  tunlichst  bald  ärztliche  resp.  zahnärztliche  Hilfe  in 
Anspruch  genommen  werden.  Je  früher  dies  geschieht,  um  so  sicherer  hüft 
es,  um  so  weniger  schmerzt  es  und  um  so  weniger  kostet  es! 

Weit  besser  aber  und  leichter  als  das  Behandeln  kranker  Zähne  ist 
das  Verhüten  ihrer  Erkrankung.  Hierfür  ist  allerdings  nicht  nur  eine  regel- 
mäCsige  Reinigung  vonnöten,  sondern  ebenso  sehr  ein  konsequentes  Fem- 
halten aller  jener  Einflüsse,  welche  den  von  Natur  glatten  und  porzellan- 
harten  Zahnschmelz  (Emailüberzug  der  Zahnkrone)  verletzen  und  dadurch 
den  zahnzerfressenden  und  fäuhiiserregenden  Bakterien  Tür  und  Tor  öffnen. 
Namentlich  zu  vermeiden  ist  ein  jäher  Wechsel  in  der  Temperatur  der 
Speisen  und  Getränke,  wodurch  im  Zahnschmelz  leicht  feine  Spältchen  ent- 
stehen. So  soll  ein  Kind  z.  B.  auf  keinen  FaU  unmittelbar  vor  oder  nach 
heilser  Suppe  oder  anderen  heifsen  Speisen  kaltes  Wasser  trinken  dürfen. 
Überhaupt  sollen  die  Nahrungsmittel  nie  heifs  eingenommen  werden. 

Ferner  muls  den  Kindern  durch  strengstes  diesbezügliches  Verbot  jede 
Möglichkeit  genommen  werden,  den  Zahnschmelz  direkt  mit  harten  Gegen- 
ständen zu  beschädigen,  wie  z.  B.  durch  Aufknacken  von  Nüssen  und  Obst* 
steinen,  durch  GenuTs  von  allerhand  Zuckerzeug,  oder  gar  durch  Herum- 
stochern zwischen  den  Zähnen  mit  Stahlfedern,  Stecknadeln,  Eisennägeln, 
Messern,  Gabeln  und  dergleichen.  Als  Zahnstocher  sind  nur  solche  aus 
Holz  oder  Federkiel  zu  dulden. 


99 

Oft  wird,  und  zwar  mit  Vorliebe  yod  deigenigen,  welche  sich  Dicht 
m  einer  regelmftfsigeii  Zahnpflege  aufraffen  können,  anf  die  Tatsache  hin- 
gewiesen, dafe  gewisse  Lente  sich  bis  ins  hohe  Alter  der  besten  Z&hne 
erfreaen,  ohne  dieselben  jemals  gepntzt  zu  haben.  Dies  beweist  nichts 
gegen  den  Wert  der  Zahnpflege.  Es  gibt  eben  bevorzugte  Menschenkinder, 
welche  überhaupt  gegen  die  yerschiedensten  Krankheiten  immun  (unempfilng- 
lich)  zu  bleiben  scheinen,  selbst  bei  unvernünftigster  Lebensweise.  Durch 
den  Hinweis  auf  solche  Ausnahmemenschen  soll  sich  aber  die  GroCszahl  der 
gewöhnlichen  Sterblichen  nicht  davon  abhalten  lassen,  in  einer  rationellen 
Gesundheitspflege  Schutz  gegen  Erkrankung  zu  suchen. 

Wir  hegen  die  feste  Zuversicht,  dafs  unsere  Bestrebungen  —  von 
Eltern  und  Pflegeeltern  unserer  Schulkinder  andauernd  unterstützt  —  die 
kostbarsten  Früchte  zeitigen  werden. 

NB.  Zahnbürsten  werden  den  Schulkindern  zweimal  per  Jahr  ausgeteilt 
werden,  und  zwar  ca.  400  Kindern  gratis,  den  übrigen  ä  35  Cts.  per  Stück. 
(„Schweiz.  Bläit  f.  Schulgesundheitspfl^,  Nr.  1,  1906.) 


fiteratnr. 


Besprechungen. 

Habtmank  und  Wetgandt.  Die  hShere  Schule  und  die  Alkohol- 
frage.  Zwei  Vorträge.  Mäfsigkeits- Vorlag,  Berlin,  1904.  60  S. 
Mk.  0.40. 
Diese  Schrift  bedeutet  in  der  Literatur  des  „Deutschen  Vereins  gegen 
den  Milsbrauch  geistiger  Getränke*"  einen  anerkennenswerten  Fortschritt. 
Von  der  Macht  der  Tatsachen  überwältigt  und  von  der  Erfolglosigkeit  jedes 
Kompromisses  überzeugt,  stellen  beide  Referenten  die  Forderung,  dafs  für 
die  Sdiüler  der  höheren  Schulen  als  einzig  wirksames  Mittel  gegen  Alkohol- 
vergiftung eine  strenge  Enthaltsamkeit  anzustreben  sei.  Wenn  Prof.  Habt- 
MANN  vom  pädagogischen  Standpunkt  aus  sagt:  „Der  Schüler  soll  den 
Eindruck  erhalten,  daCs  es  dem  Lehrkörper  heiliger  Ernst  ist  mit  der 
Sache  *",  so  merkt  man  bei  der  Lektüre  seiner  Ausführungen,  dafs  dies  bei 
ihm  in  der  Tat  der  Fall  ist.  In  warmen  Worten  empfiehlt  er  der  höheren 
Lehrerschaft  gründliches  Studium  der  Alkoholfirage.  Auch  das  Elternhaus 
mois  mit  den  Ergebnissen  der  modernen  Alkoholforschung  vertraut  gemacht 
werden.  Doch  ftllt  der  Schule  in  diesem  Kampfe  gegen  den  Alkoholismus 
eine  fllhrende  Stellung  zu.  Der  Hauptinhalt  ihrer  gelegentlichen  Belehrungen 
laotet:  „Alkohol  ist  in  jeder  Form,  ob  Branntwein,  Bier  oder  Wein  und 
schon  in  verhältnismäßig  sehr  kleinen  Mengen  ein  Gift  für  den  mensch- 
lichen Körper.  *"  Der  Kampf  gegen  die  den  Studenten  nachgeäfften  Trink- 
sitten unserer  Mittelschüler  mufs  bei  den  jüngsten  Jahrgängen  einsetzen 
und  während    der   ganzen    Mittelschulzeit   durchgeführt    werden.      „Eine 


100 

rationelle  Jugenderziehung  ist  ohne  Enthaltsamkeit  nicht  mehr  möglich. 
Alkoholfreiheit  der  Jugend  ist  auch  der  Psyche  notwendig,  damit  die 
Willenskraft  ungehindert  wachse  und  ein  freies  und  festes  Anpacken  der 
Ideale  sich  vollziehe.  **  Wichtig  ist  hierbei  die  vorbildliche  Haltung  der 
gesamten  Lehrerschaft.  Die  SchtÜer-AbstinentenTereine  sind  mit  allen 
Mitteln  zu  fördern. 

Der  zweite  Referent  zeichnet  die  gegenwärtige  Situation  treffend  mit 
den  Worten:  „An  unseren  höheren  Schulen  wird  der  AlkohoIgenuCs 
m&fsigen  Grades  genehmigt  und  der  AlkoholgenuCs  unm&Cügen  Grades 
geübt.''  Seine  Vorschläge  zur  Besserung  gehen  vom  Standpunkt  des 
Mediziners  aus.  Zunächst  schildert  er  die  Eigenart  des  Pobertätsalters 
der  Mittelschttler  und  zeigt  sodann,  wie  ungeheuer  yerhilngnisvoU  der 
Alkohol  gerade  in  diese  eigenartige  Entwicklung  eingreift  durch  Schädigung 
der  Auffassnngskraft,  des  Gedächtnisses  und  der  Energie,  sowie  durch  An- 
reiznng  des  Geschlechtslebens. 

Dr.  WEYGhANDT  kommt  zu  der  Folgerung:  „Wer  die  Alkoholfrage 
fOr  Schüler  höherer  Lehranstalten  unter  dem  Gesichtspunkt  des  Entwicklungs- 
alters betrachtet,  für  den  kann  es  keinen  Kompromifs  geben,  sondern  allein 
der  Verzicht  auf  den  Alkohol  wird  das  unumstöMiche  Resultat  bleiben. 
Für  die  lernende,  heranreifende  Jugend  ist  jeder  Alkoholgenufs  ein  Mifs- 
brauch;  darum  fort  mit  ihm!"  —  Die  anregende  Schrift  sei  jedem  höheren 
Lehrer,  der  wirklich  Erzieher  sein  will,  aufs  wärmste  empfohlen. 

W.  WEiss-Zürich. 

Zandbb,  R,,  Prof.  Dr.    Vom  Nervensystem,  seinem  Bau  und  seiner 

Bedeutung  fBr  Leib  nnd  Seele  im  gesunden  und  kranken  Za- 

Stande.     Mit  27  Figuren  im  Text.     Leipzig,    B.  G.  Teubner,    1903. 

151  S.     Mk.  1.25. 

Das  kleine  Büchlein  gehört  als  48.  Bändchen  in  die  Sammlung  „Aus 

Natur-   und  Geisteswelt **.     Es  beruht  auf  Vorträgen  über  den  Bau,    die 

Leistnngen,  die  Krankheiten  und  die  Hygiene  des  Nervensystems,    welche 

Yon  Prof.  Zanbeb  in  Königsberg  yor  Damen  und  Herren  gehalten  wurden. 

Wer  selbst  einmal  derartige  Vorträge  gehalten  hat,    weils,    wie    schwierig 

es  ist,  besonders  das  Kapitel  über  die  Anatomie  und  Physiologie  der  Nerven 

Laien  ohne  genügende  Vorbildung  klar  und  interessant  darzustellen.     Aus 

diesem  Buche  geht  hervor,  dafs  Herrn  Prof.  ZAin)EB  das  völlig  gelungen 

ist.     Dem  Leser  wird  das  Verständnis  durch  gute  Abbildungen  erleichtert. 

Die  Anschaffung  dieses  Buches  kann  allen  Schulen  nur  bestens  empfohlen 

werden.  R.  WiOHMANN-Bad  Harzborg. 

HeiiIiEb,  Theodob,  Dr.   Grundrifs  der  Heilpidagogilu   Leipzig,  1904. 
366  S.     Mit  zwei  Abbildungen.     Mk.  8.—,  geb.  Mk.  9.—. 

Der  vorliegende  Grundrifs  der  Heilpädagogik  stanmit  aus  der  Feder 
eines  spezialistisch  gebildeten  Pädagogen  mit  praktischer  Erfahrung  und 
einem  umfangreichen  theoretischen  Wissen.  Verfasser  machte  zum  Gegen- 
stände einer  eingehenden  Studie  das  gesamte  Arbeitsgebiet  des  sog.  Heil- 
pädagogen, welches  sich  nicht  nur  auf  Erziehung  und  Unterricht  des 
schwachsinnigen  Kindes  beschränkt,  sondern  die  pädagogischen  Einwirkungen 
bei  allen  im  Kindesalter  vorkommenden  geistigen  Abnormitäten  umfafst. 


101 

FOr  die  erfolgreiche  pädagogische  BehaDdlnng  abDormer  Kinder  bedarf 
es  Tor  allem  der  Kenntnis  der  yerschiedenartigen  Krankheitserscheinungen, 
und  der  Autor,  welcher  ein  groCses  Yerst&ndnis  für  medizinische  Fragen 
besitzt,  gibt  eine  Übersicht  (mit  vielen  Literaturangaben)  Aber  die  Resul- 
tate der  Forschung  auf  dem  Gebiete  der  Idiotie,  des  Kretinismus,  sowie 
der  nervOsen  Zustände  im  Kindesalter.  Eingehend  wird  behandelt  der 
Schwachsinn  mit  Rücksicht  auf  die  Sjmptomathologie  und  Ätiologie,  sowie 
dessen  Komplikationen:  Sprechstörungen,  moralische  Entartung,  Epilepsie, 
Chorea  Tic,  Masturbation. 

Eine  Tafel  zeigt  die  photographischen  Aufoahmen  eines  dregährigen 
kretinischen  Knaben,  vor  und  nach  einer  zehnmonatlichen  Behandlung  mit 
Schflddrflsentabletten.  Nach  den  Bildern  ist  der  Erfolg  geradezu  ein 
flberraschender. 

Besonderes  Interesse  beanspruchen  die  Kapitel  über  heilpädagogi- 
scbe  Erziehung  und  Unterricht.  Wir  geben  hieraus  als  Quintessenz 
nachstehende  Sätze: 

Bei  weitaus  den  meisten  Fällen  von  Schwachsinnigen  ist  die  Familien- 
erziehung ungeeignet.  Erziehung  und  Unterricht  soll,  wenn  inmier  möglich, 
in  einer  Hand  vereinigt  sein  und  mufs  von  hierzu  befähigten  Pädagogen 
erteilt  werden,  angepafst  der  Eigenart  jedes  Kindes.  Das  harmonische 
Yerhältnis  von  Erziehung  und  Unterricht  ist  nur  in  Anstalten  möglich, 
welche  den  Prinzipien  der  Heilpädagogik  entsprechen. 

Eine  ersprielsliche  Entwicklung  einer  heilpädagogischen  Anstalt  ist 
aur  möglich,  wenn  Arzt  und  Pädagoge  Hand  in  Hand  arbeiten. 

Im  Unterricht  Schwachsinniger  wird  vor  Überbürdung  besonders  ge- 
warnt, und  der  Autor  hat  durch  experimentelle  Untersuchungen  festgestellt, 
dals  die  Ermttdungswirkung  jeder  geistigen  Arbeit  bei  schwachsinnigen  be- 
deutend gröfser  ist  als  bei  normalen  Kindern.  Jede  Überbürdung  schwach- 
nnniger  Kinder  durch  den  Unterricht  bewirkt  ernste  Störungen  ner- 
vöser Art. 

In  einem  ScbluDskapitel  gibt  der  Verfasser  einen  Überblick  über  die 
Fürsorge  schwachsinniger  und  nervenkranker  Kinder. 

Das  Buch  ist  reich  an  anregenden  Gedanken,  und  wir  empfehlen  das- 
selbe Pädagogen  und  Ärzten  aufs  beste.  Auch  dem  Lehrer,  welcher  nor- 
nale  Kinder  unterrichtet,  wird  die  Lektüre  des  Werkes  von  Nutzen  sein. 

Dr.  med.  A.  ULBiCH-Zürich. 

Grotjahk,  A.    Sociale  Hy^pene  und  Entartniigsproblem.    Sonder- 

Abdruck  aus  dem  Handbuch  der  Hygiene,   herausg.  von  Dr.  Theodor 

Wetl,  Berlin,  4.  Suppl.-Band :  Soziale  Hygiene.    Gustav  Fischer,  Jena, 

1904.     790  Seiten. 

Nach    einer   theoretischen  Umschreibung   des   Gebietes  der  sozialen 

Hygiene  diskutiert  Verfasser  das  Material,    das    uns  zur  Beurteilung  des 

gesundheitlichen  Zustandes  unserer  Kulturrassen  zur  Yerfägung  steht.     £s 

ist   noch    sehr    unzuverlässig    und    lückenhaft.     Angaben  liegen   vor  über 

Bevölkerungsverminderung  und  Vermehrung,  Tauglichkeit  zum  Heeresdienst, 

zun  Stillgeschäft,  über  Kinderfehler  und  über  den  Einflnfs  der  städtischen 

Wohnweise  auf  die  Entartung;    von  allen  diesen  Untersuchungen   werden 


102 

die  wichtigsten  als  Stichproben  referiert.  Dann  geht  Verfasser  korz  auf 
die  Forderongen  ein,  welche  ans  unseren  jetzigen  Kenntnissen  zu  ziehen 
sind,  so  weit  sie  die  Vermeidung  der  drohenden  Entartung  betreffen. 
Klar  und  deutlich  spricht  er  es  auch  aus,  dafe  die  unterschiedslose  Für- 
sorge für  die  Schwachen  ergänzt  werden  mflsse  durch  eine  kttnsUiche  Aus- 
lese, welche  die  immer  machtlosere  natürliche  Au^ätung  der  Schwächsten 
zu  ersetzen  berufen  sein  wird.  Dem  Referenten  scheint  es,  es  wäre  nütz- 
lich gewesen,  wenn  Verfasser  den  einzigen  Teil  der  Prophylaxe,  der  jetzt 
schon  genügend  erforscht  ist,  um  praktische  Früchte  zu  tragen,  die  Alkohol- 
frage, etwas  mehr  hervorgehoben  hätte.  Man  bekommt  aus  der  Schrift 
auch  gar  zu  sehr  den  Eindruck,  man  könne  zurzeit  in  der  Sache  nichts 
tun  als  Material  sammeln.  Prof.  BLEULEB-BurghOlzli  (Zürich). 

Bibliographie. 
Die  mit  *  bezeichneten  Werke  wurden  der  Redaktion  zugesandt. 

*Obermatbr,  V.  A.  Das  Beleuchiungserfordemis  von  Schid-  und  ArbeUs- 
räumen  auf  Chrtmä  van  Messungen  mit  dem  Weherschen  Fhotometer, 
Sond.-Abdr.  a.  d.  Mitteil,  über  Gegenstände  des  Artillerie-  u.  Genie- 
wesens, 1904,  H.  12. 

'^SCHMID-MONNARD  (weil.)  u.  HARTMANN,  A.  Sogiole  Fürsorge  für  Kinder 
im  schulpflichtigen  Alter.  Sond.-Abdr.  a.  d.  Handb.  d.  Hyg.,  herausg. 
▼.  Dr.  Th.  Wbyl.  IV.  Suppl.-Bd.  Jena,  G.  Fischer,  1904.  Gr.  8^. 
40  S.     M  1.50. 

SOHOENFBLDER,  Stadtbaurat.  Billige  Schulbäder  und  TurnhcMen.  Ein 
Rechenezempel.     Techn.  Gemeindebl.,  1904,  Nr.  24. 

'^SOHUTTBN,  M.  C.  Paedologisch  Jaarboek.  Stad  Antwerpen.  Vijfde 
Jaargang.     1904.     8^.     260  S.     Mit  Tabellen  und  Illustrationen. 

SIOKINQBR,  Dr.,  Stadtschuh^t.  Mehr  Licht  und  Wärme  den  Sorgen- 
kindern unserer  Volksschule!  Ein  Vermächtnis  Heinrich  Pestalozzis. 
Vortrag,  geh.  bei  der  Pestalozzifeier  am  8.  Jan.  1905  in  Zürich. 
Schweiz.  Lehrerzeitung,  1906,  Nr.  3  u.  4. 

*Smidowit80H,  Marib.  Über  die  Beziehungen  der  SommertempertUuren 
0ur  SäugUngsmartaUtät  in  der  Stadt  Zürich.  Inaug.-Diss.  Zürich,  1904. 
8«.     18  S.     Mit  Tabellen. 

*Thibr8GH,  Dr.  Das  Leipziger  Tum-  und  SchuMM.  Die  neue  Frauen- 
tracht.    IL  Jahrg.,  1906,  Nr.  1. 

TJnöbwitter,  R.  Die  Nährwerte  der  Nahrungsmittel  und  ihre  Ter- 
Wendung  eur  rationellen  Emahrungy  nebst  Übersichtstabelle.     3.  verb. 

.  u.  yerm.  Aufl.     Stuttgart,  im  Selbstverläge.    Gr.  8^.    HS.    M  0.60. 

*  Veröffentlichungen  der  Deutschen  Gesellschaft  für  Volksbäder.     DI.  Bd., 

1.  H.     Berlin,  1904. 

*WlNGBN,  A.,  Baurat.  Das  Wingensche  Photometer.  Eine  Entgegnung 
auf  einen  Vortrag  des  Herrn  Dr.  Bibr,  Erakau.  Joum.  f.  Gasbeleucht. 
u.  Wasserversorg.,  XLVIU.  Jahrg.,  1906,  Nr.  4. 

*ZiBHBN,  Prof.  Dr.     Über  den  Einflufs  des  Alkohols  auf  das  Nervensystem. 

2.  yerm.  Aufl.     MäTsigkeitsverl.  Berlin,  1904.     8®.     15  S.     Jk  0.20. 
*Z0LLINGBR,  Fr.     über  Krüppelschulen  und  Krüppelpflege.     Sep.-Abdr. 

a.  d.  Schweiz.  Zeitschr.  f.  Gemeinnützigkeit.    XLIV.  Jahrg.,  1906,  1.  H. 


§tx  ^itfitlitrfi 


m.  Jahrgang.  1905.  No.  2. 


OrigitiaUb^itblititseit« 


Die  Vorschriften  znr  Verhfttnng  der  Übertragung  ansteckender 
Krankheiten  durch  die  Schalen  und  die  Tätigkeit  des  Schul- 
arztes auf  Omnd  dieser  Vorschriften. 

Von 

Dr.  Schultz, 
städt.  Schularzt  in  Berlin. 

(Vortrag,  gehalten  im  Verein  Berliner  Schulärzte.) 

Die  Infektionskrankheiten  haben  für  die  Schule  ihre  besondere 
Bedeutung,  weil  einzelne  Formen  derselben  vorzugsweise  das  kind- 
liche und  somit  auch  das  schulpflichtige  Alter  befallen,  und  zweitens 
wegen  der  Gefahr  ihrer  Ausbreitung  durch  die  Schule.  Die  Be- 
kämpfung dieser  Grefahr  ist  ein  wichtiger  Teil  der  schulärztlichen 
Tätigkeit 

In  folgendem  soll  dargelegt  werden,  wie  der  Schularzt  bei  dieser 
Aufgabe  zu  verfahren  hat,  und  welche  gesetzlichen  Vorschriften  und 
Erlasse  zu  befolgen  sind. 

Die  MaJsnahmen  gegen  die  Ausbreitung  der  Infektionskrank- 
heiten haben  nur  zum  Teil  eine  reichsgesetzliche  Behandlung  er- 
fiihren,  und  zwar  ftlr  die  als  gemeingefährlich  zusammengefalsten 
Krankheiten:  Aussatz  (Lepra),  asiatische  Cholera,  Fleckfieber  (Fleck- 
typhus),  Gelbfieber,  Pest  (orientalische  Beulenpest),  Pocken  (Blattern) 
dorch  das  Beichsgesetz,  betreffend  die  Bekämpfung  gemein- 
gefährlicher Krankheiten  vom  Jahre  1900.  (Zeitschr,  f,  Medi- 
malbeamte,  1900,  Beilage:  Bechtsprechung  und  Medijrinalgesetagdmng, 
S.  146 ;  Wehmeb,  Die  neuen  Mediainalgesetze  Preufsens,  Berlin  1902, 
8.  64.)  Die  Ausdehnung  gesetzlicher  Vorschriften  auf  die  übrigen 
nicht  gemeingefährlichen,    aber    übertragbaren  Krankheiten    ist  der 

Der  Sehnlarit.  III.  3 


24  104 

landesgesetzliohen  Begelnng  überlassen  worden.  Für  Prenüsen  ist 
eine  solche  in  Aussicht  genommen  nnd  niedergelegt  in  dem  „Ent- 
wurf eines  Ausführnngsgesetzes  zu  dem  Reichsgesetz, 
betreffend  die  Bekämpfung  gemeingefährlicher  Krank- 
heiten'',  die  dem  preufsischen  Abgeordnetenhause  zur  Beratung  vor- 
gelegen hat  (Zeitschr.  f,  Medizinalbeamte,  1903.  S.  132). 

Bisher  war,  abgesehen  vom  erwähnten  Beichsgesetz,  die  gesetz- 
liche Grundlage  für  die  Schutzmafsregeln  gegen  die  Infektions- 
krankheiten, aber  in  Geltung  nur  für  die  alten  preufsischen  Pro- 
vinzen, das  Regulativ  vom  Jahre  1835,  das  in  seinem  allgemeinen 
Teil  in  §  14  Bestimmungen  über  die  Schulen  enthält. 

Diese  Bestimmungen  sind  wieder  aufgenommen  und  zeitgemäls 
ergänzt  durch  eine  Reihe  von  Ministerial Verfügungen. 

Hier  ist  in  erster  Linie  als  grundlegend  in  ihren  Bestimmungen 
zu  nennen  die  Min  ister  ial  Verfügung  vom  14.  Juli  1884.  Sie 
enthält:  1.  Bestimmungen  über  die  zur  SchlieJsung  von  Schulen  bei 
ansteckenden  Krankheiten  berechtigten  Behörden,  2.  eine  Anweisung 
zur  Verhütung  der  Übertragung  ansteckender  Krankheiten  durch  die 
Schulen,  und  zwar  für:  a)  Cholera,  Ruhr,  Masern,  Röteln,  Scharlach, 
Diphtherie,  Pocken,  Flecktyphus,  RüokfeUfieber;  b)  Unterleibstyphus, 
kontagiöse  Augenentzündung,  Krätze  und  Keuchhusten. 

Zu  dieser  Verfügung  erliels  die  Berliner  städtische  Sohul- 
deputation  einige  ergänzende  Bestimmungen,  die  besonders  das 
Verfahren  bei  Schiulis  einer  Schulklasse  betreffen,  vom  12.  Juli  1893. 
Dieselbe  wurde  den  Berliner  Schulärzten  zusammen  mit  der  Ministerial- 
verfügung  von  der  Schuldeputation  zugestellt.  Durch  eine  Ministerial- 
verfügung  vom  23.  Novi  1888  [Zeitschr,  /*.  Medizindbeamte,  1889, 
S.  25)  wurde  die  Meningitis  cerebrospinal  is  in  die  Reihe 
der  unter  la  genannten  Krankheiten  aufgenommen;  durch  eine 
Ministerialverfügung  vom  12.  Juli  1901  als  Ergänzung  zum  Reichs- 
seuchengesetz die  Pest  (Wehmeb,  Die  neuen  Medieindlgesetze 
Preufsens,  S.  85;  Zeitschr,  f.  Medizinalbeamte,  1901,  Beilage  S.  195); 
durch  eine  Ministerialverfügung  vom  25.  Aug.  1902  der  Typhus 
abdominalis  (Zeitschr,  f.  Medizinalbeamte,  Beilage  S.  241).  Durch 
eine  Ministerialverfügung  vom  19.  Januar  1897  erhielt  die  Lepra 
ihre  Stellung  unter  den  unter  Ib  genannten  Krankheiten  [Zeüschr. 
f.  Medizinalbeamte,  Beilage  S.  24). 

Eine  besondere  Behandlung  fand  das  Auftreten  der  Körner- 
krankheit in  den  Schulen  durch  den  Ministerialerlais  vom  20.  Mai 
1898  (Wehmbb,   1.  c.  S.  139;    ZeitscJir.  f.  MedizinalbeanUe,    1898, 


106  25 

Beilage  S.  86)»   betrefiSBnd  Verhütang  von  Eörnerkrankheit  in   den 
Sekalen. 

Für  die  Bekämpfung  der  Tuberkulose  in  den  Schulen  ist  zu 
eiw&hnen  der  Ministerialerlafs  vom  10.  Dez.  1890,  Absatz  11,  4 
(Zätschr.  f,  Medizindheamte,  1891,  Beilage  S.  14). 

Von  Bedeutung  für  uns  ist  sohlie/sliob  das  Gesetz,  betreffend 
die  Dienststellung  des  Kreisarztes  und  die  Bildung  von 
Gesundheitskommissionen,  das  mit  dem  1.  April  1901  in 
Kraft  getreten  ist.  Zu  diesem  Gesetz  gehört  die  Dienstanweisung 
für  Kreisärzte  vom  23.  März  1901  (Wbhmeb,  1.  c.  S.  186; 
Zeüsekr.  f.  MedieincXbecmte,  1901,  Beilage  S.  49),  und  in  dieser 
handelt  es  sieh  für  uns  um  Absatz  26,  überschrieben :  Schulhygiene, 
in  dem  die  Tätigkeit  des  Kreisarztes  auf  diesem  Gebiete  be- 
stimmt wird. 

Die  Verordnungen  zur  Verhütung  der  Ausbreitung  von  Infektions- 
krankheiten geben  im  allgemeinen  Vorschriften  über:  1.  Anzeige- 
pflicht, 2.  Ermittelung  der  Krankheit,  3.  Schutzmafs- 
regeln.  Letztere  bestehen  für  die  Schule  in  Absonderung  der 
Erkrankten  und  ihrer  schulpflichtigen  Angehörigen;  Schluls  einer 
Klasse  oder  Schule;  Reinigung  und  Desinfektion  der  Schulräume, 
in  denen  Erkrankte  sich  aufgehalten  haben. 

Die  Anzeigepflicht,  wie  sie  für  den  hinzugezogenen,  d.  h.  den 
behandelnden,  Arzt  vorgeschrieben  ist,  kommt  für  den  Schularzt  als 
solchen  nicht  in  Betracht.  Ebenso  ist  die  Ermittelung  der  Erkrankung 
anlserhalb  der  Schule  im  Sinne  der  Gesetzesvorschriften,  wenigstens 
ffar  Berlin,  entsprechend  der  Instruktion  für  die  Berliner  Schulärzte, 
sieht  unsere  Aufgabe.  Dagegen  wird  die  Mitwirkung  des  Schul- 
arztes bei  Ergreifung  von  Schutzmafsregeln  für  die  Schule  häufig  in 
Anspruch  genommen. 

Das  Reichsseuchengesetz  bestimmt  in  §  16:  „Jugendliche  Per- 
sonen aus  Behausungen,  in  denen  Erkrankungen  vorgekommen  sind, 
tonnen  zeitweilig  vom  Schul-  und  Dnterrichtsbesuche  ferngehalten 
werden."  Hinsichtlich  der  sonstigen  für  die  Schulen  anzuordnenden 
Xafsregeln  bewendet  es  bei  den  landesgesetzlichen  Bestimmungen. 
Ebenso  gibt  §  19  nur  die  allgemeine  Bestimmung:  ^Für  Gegen- 
stände und  Räume,  von  denen  anzunehmen  ist,  dafs  sie  mit  dem 
Eiankheitsstoffe  behaftet  sind,  kann  eine  Desinfektion  angeordnet 
werden." 

Wie  in  diesem  Reichsgesetz  ist  auch  in  dem  preulsischen  Aus- 
fähnmgsgeeetz    zu    dem    Reichsgesetz    betreffend    die   Bekämpfung 


26  106 

gemeingefthrlioher  Krankheiten,  keine  gesetzliche  Festlegung  der  filr 
die  Schule  gültigen  Bestimmungen  beabsichtigt.  Daher  bilden  die 
zu  Recht  bestehenden  MinisterialyerfClgungen  die  Grundlage  und 
Richtschnur  fCLr  die  Bekämpfung  der  Ausbreitung  ansteckender 
Krankheiten  in  den  Schulen. 

In  erster  Linie  ist  hier  die  Ministerialverfügung  vom 
14.  Juli  1884  zu  betrachten.  Die  wichtigeren  Bestimmungen 
derselben  lauten: 

1.  Die  Krankheiten,  die  vermöge  ihrer  Ansteckungsgefahr  be- 
sondere Vorschriften  für  die  Schule  nötig  machen,  sind  in  zwei 
Gruppen  eingeteilt,  a)  Zur  ersten  Gruppe  gehören  (mit  Herein- 
ziehung späterer  ergänzender  Verordnungen):  Scharlach,  Diphtherie, 
Maseru,  Röteln,  Ruhr,  Rückfallfieber,  Cholera,  Pocken,  Fledctyphos, 
epidemische  Genickstarre,  Pest,  Unterleibstyphus;  b)  zur  zweiten 
Gruppe  gehören:  kontagiöse  Augenentzündung,  Krätze,  Keuchhusten, 
der  letztere  sobald  und  solange  er  krampfartig  auftritt,  Lepra. 

2.  Kinder,  welche  an  einer  der  unter  la.  und  b.  genannten 
ansteckenden  Krankheiten  leiden,  sind  vom  Schulbesuch  auszu- 
schliefsen. 

3.  Das  Gleiche  gilt  von  gesunden  Kindern,  wenn  in  dem  Haus- 
stande, welchem  sie  angehören,  ein  Fall  der  unter  la  genannten 
ansteckenden  Krankheiten  yorkommt,  es  mü/ste  denn  sein,  dals  das 
Schulkind  durch  ausreichende  Absonderung  vor  der  Gefahr  der  An- 
steckung geschützt  ist. 

4.  Kinder,  welche  gemäfs  2  und  3  vom  Schulbesuch  aus- 
geschlossen sind,  dürfen  zu  demselben  erst  dann  wieder  zugelassen 
werden,  wenn  entweder  die  Gefahr  nach  ärztlicher  Bescheinigung 
für  beseitigt  anzusehen,  oder  die  für  den  Verlauf  der  Krankheit 
erfedirungsmäfsig  als  Regel  geltende  Zeit  abgelaufen  ist.  Als  nor- 
male Krankheitsdauer  gelten  bei  Scharlach  und  Pocken  sechs  Wochen, 
bei  Masern  und  Röteln  vier  Wochen. 

5.  Für  die  Beobachtung  der  unter  2  bis  4  gegebenen  Vor- 
schriften ist  der  Vorsteher  der  Schule  verantwortlich. 

7.  Wenn  eine  im  Schulhause  wohnende  oder  eine  auüserhalb 
des  Schulhauses  wohnende,  aber  zum  Hausstände  eines  Lehrers  der 
Schule  gehörige  Person  an  einer  der  genannten  Krankheiten  erkrankt, 
so  hat  auf  Anzeige  des  Haushaltungsvorstandes  die  Ortspolizei- 
behörde, womöglich  unter  Zuziehung  eines  Arztes,  für  die  tunlichste 
Absonderung  des  Kranken  zu  sorgen. 

Dies  die  Bestimmungen   über  die  Femhaltung  der  erkrankten 


107  27 

Sehfller  und  der  Bohnlpfliohtigen  Mitglieder  eines  Hanshaltes,  in  dem 
eine  der  erwähnten  Ejraokheiten  vorgekommen  ist. 

Wie  gestaltet  sieh  nun  die  schulärstliohe  Tätigkeit  auf  Grund 
dieser  Vorschriften?  Der  Ausschlufs  der  Erkrankten  und  der 
Sehüler,  in  deren  Haushalt  eine  gefährliche  Infektions- 
krankheit herrscht,  vom  Schulbesuch  ist  sicher  das  wirk- 
samste der  Mittel,  die  uns  bei  der  Bekämpfung  der 
Erankheitsverbreitung  su  Gebote  stehen,  und  es  kommt  auf 
die  sorgfUtige  Ausführung  sehr  viel  an.  In  der  Regel  werden  nun 
die  Eltern  der  Kinder  die  Erkrankten  mit  einer  von  den  Eltern 
selbst  oder  vom  behandelnden  Arzt  gestellten  Diagnose  entschuldigen 
imd  aus  der  Schule  zurückhalten.  Ein  Teil  der  Erkrankten,  der  im 
Beginn  der  Ejrankheit  die  Schule  noch  besucht,  wird  vom  Lehrer 
bemerkt  und  entlassen  werden.  In  anderen  Fällen  wird  zuweilen 
der  Schularzt  in  der  Lage  sein,  die  Erkrankung  in  der  Schule  zu 
erkennen  und  die  Erkrankten  aoszuschlieisen.  Je  früher  die  Er- 
krankten aus  der  Schule  entfernt  werden,  um  so  eher  kann  man 
erwarten,  eine  weitere  Ausbreitung  zu  verhüten.  Es  wird  daher 
besondere  Aufgabe  des  Schularztes  sein,  zu  Zeiten  von  Epidemien 
häufig  die  Schule  zu  besnchen  und  aufmerksam  die  ersten  Krankheits- 
eischeinungen  zu  beachten,  die  ersten  Temperaturerhöhungen,  die 
nicht  selten  den  Angehörigen  entgehen,  verdächtige  Halsentzündungen 
so  Zeiten  von  Diphtherie-  oder  Scharlachepidemien,  bei  Masem- 
▼erdacht  die  Zeichen  des  Prodromalstadiums,  das  frühzeitige  Schleim* 
bautexanthem,  die  KoPLiKschen  Flecke,  sowie  die  katarrhalische 
Affektion  der  Augenlidbindehaut  und  der  oberen  Luftwege  und 
fthnliehes. 

Erfolgt  der  Ausschlufs  eines  erkrankten  Schulkindes,  so  ist  bei 
&krankungen  der  Gruppe  la  gleichzeitig  darauf  zu  achten,  dafs 
auch  etwaige  schulpflichtige  gesunde  Geschwister  dem 
Schulunterricht  sofort  fernbleiben.  Sollen  die  Gesunden  zur 
Sdiule  zugelassen  werden,  so  muis  für  ausreichende  Absonderung, 
sei  es  des  Erkrankten,  sei  es  des  Gründen,  gesorgt  sein.  Jedenfalls 
empfiehlt  es  sich,  mit  der  Zulassung  der  abgesonderten  Gesunden 
bis  zum  Ablauf  der  Inkubationszeit  zu  warten  und  die  zugelassenen 
noch  weiter  auf  ihren  Gesundheitszustand  zu  beobachten.  Die  im 
Erlais  für  die  Wiederzulassung  der  erkrankt  gewesenen  Schüler  an- 
gegebenen Zeiten  bedürfen  einer  entsprechenden  Verlängerung,  wenn 
Komplikationen  die  Genesung  hinausschieben. 

Aufinerksam   ist  darauf  zu  achten,    dals  die  Diagnose  der  an- 


28  108 

gegebenen  Krankheit  eine  richtige  war.  Wir  müssen  mit  der  Tat- 
sache rechnen,  dafs  bei  übertragbaren  Krankheiten  ärztliche  Hilfe 
nicht  immer  in  Anspruch  genommen  und  die  Krankheit  verkannt 
wird.  So  beobachtet  man  nicht  selten,  dafs  Kinder  z.  B.  im  Höhe- 
punkt der  Abschuppung  nach  Scharlach  die  Schule  wieder  besuchen, 
weil  von  den  Eltern  die  Krankheit  nicht  erkannt  wurde.  Noch 
nachträglich  kann  es  dem  Schularzt  gelingen,  aus  Krankengeschichte 
und  Befund  die  Diagnose  zu  berichtigen  und  Schaden  zu  verhüten. 
Oder  eine  ausgesprochen  postdiphtheritische  Lähmung  bei  einem  an- 
geblich an  leichter  Halsentzündung  erkrankt  gewesenen  Schüler  lälst 
die  Erkrankung  in  anderem  Lichte  erscheinen  und  die  Wieder- 
zulassung aufschieben. 

Die  Frage  nach  Wiederzulassung  an  Diphtherie  erkrankt 
gewesener  Schüler  ist  schwierig  zu  beantworten.  Wo  eine 
bakteriologische  Untersuchung  auf  virulente  Diphtheriebazillen  zu 
erlangen  ist,  mulB  dieselbe  gefordert  werden.  Anderenfalls  darf  die 
Heilung  im  klinischen  Sinne  entscheiden.  Bei  den  übrigen  Er- 
krankungen für  die  keine  Frist  für  die  Wiederzulassung 
festgesetzt  ist,  hat  der  Schularzt  nach  freiem  Ermessen 
darüber  zu  entscheiden. 

Für  die  Wiederzulassung  gesunder  Schüler,  die  wegen  Er- 
krankung von  Mitgliedern  des  Haushalts,  dem  sie  angehören,  der 
Schule  ferngeblieben  waren,  geben  einen  Anhalt  die  Zeitbestimmungen 
der  Verfügung,  für  Scharlach  und  Pocken  sechs  Wochen,  für  Masern 
vier  Wochen. 

Die  bisher  erwähnten  Schutzmafsregeln  lassen  sich  ohne  zu 
weit  gehende  Störung  des  Unterrichts  durchführen.  Eingreifender 
für  die  Aufgaben  der  Schule  ist  die  weitere  Schutzmafsregel,  Schlufs 
einer  Klasse  oder  der  ganzen  Schule,  wenn  eine  gefährliche 
Ausbreitung  übertragbarer  Krankheiten  droht.  Die  Bestimmung  der 
mafsgebenden  Verfügung  von  1884  heifst:  „Über  die  Schlielsung 
von  Schulen  oder  einzelnen  Klassen  derselben  wegen  ansteckender 
Krankheiten  hat  der  Landrat  unter  Zuziehung  des  Ejreisphysikus 
zu  entscheiden.  Ist  Gefahr  im  Verzuge,  so  können  der  Schal- 
vorstand und  die  Ortspolizeibehörde  auf  Grund  ärztlichen  Gutachtens 
die  Schliefsung  anordnen."  —  Die  Bestimmungen  der  städti* 
echen  Schuldeputation  für  Berlin  lauten  in  dem  erwähnten 
Nachtrag  zur  Ministerialverfügung:  „4.  Die  Schlielsung  der  Klassen 
wegen  ansteckender  Krankheiten  erfolgt  vorbehaltlich  besonderen 
Eingreifens  der  königl.  Sanitätskommission  durch  uns  nach  folgenden 


109  29 

Ton  dem  Herrn  Minister  genehmigten  Regeln:  a)  bei  den  Gemeinde- 
schalen  . . .  Wenn  in  einer  Klasse  mehrfache  Erkrankungen  an 
einer  ansteckenden  Krankheit  vorkommen,  so  macht  der  Rektor  dem 
Sehnlinspektor  Anzeige.  Hält  dieser  die  sofortige  Schlie&ang  der 
Klasse  für  erforderlich,  so  ordnet  er  dieselbe  auf  einige  Tage  an. 
In  jedem  Falle  berichtet  derselbe  an  mns.  Wir  bestimmen  sodann 
das  Weitere."  Hier  kann  der  Schularzt  eingreifen,  indem  er  auf 
Grand  seiner  Beobachtungen  durch  schularztliches  Gutachten  sich 
über  die  Notwendigkeit  der  Mafsregel  ausspricht,  am  geeignetsten 
im  Änschluls  an  die  Anzeige  des  Rektors  an  den  Schulinspektor. 

ESs  ist  hier  der  Ort,  der  Bestimmungen  zu  gedenken,  wie  sie 
die  Dienstordnung  für  die  Kreisärzte  Tom  23.  März  1901  im 
AnschluTs  an  das  Gesetz,  die  Dienststellung  des  Ejreisarztee  be- 
treffend, gibt.  Es  heifst  in  Abschnitt  26,  Schulhygiene,  §  96: 
gDer  Kreisarzt  hat  darüber  zu  wachen,  dafis  die  Vorschriften,  welche 
zor  Verhütung  der  Übertragung  ansteckender  Krankheiten  durch  die 
Schale  erlassen  sind,  genaue  Beachtung  finden  (yergl.  auch  §  14  des 
fiegulativs  vom  8.  August  1835,  §  16  des  Reichsseuchengesetzes, 
betreffend  die  Bekämpfung  gemeinge&hrlicher  Krankheiten  vom 
30.  Juli  1900,  Ministerialerlafs  vom  14.  Juli  1884).  Ohne  Mit- 
wirkung des  Kreisarztes  darf,  abgesehen  von  dringenden  Aus- 
nahmefällen, eine  Schule  oder  Schulklasse  aus  gesundheitspolizei- 
lichen Gründen  weder  geschlossen,  noch  wieder  eröffnet  werden  usw.^ 
—  Es  ist  anzunehmen,  dafe  in  grolsen  Städten  mit  zahlreichen 
Schulen,  wenn  noch  dazu  durch  Schulärzte  eine  genügende  hygieni- 
sche Überwachung  der  Schulen  erfolgt,  der  Kreisarzt  bei  den  häufigeren 
Epidemien  nur  selten  sich  veranlafst  sehen  wird,  einzugreifen. 

Eine  weitere  Mafsregel  zur  Bekämpfung  der  Infektionskrank- 
heiten ist  die  Vernichtung  des  Infektionsstoffes  durch 
Reinigung  und  Desinfektion.  Die  Bestimmungen  darüber  gibt 
die  Ministerial  Verfügung  1884  zu  4:  „Es  ist  darauf  zu  achten,  da/s 
vor  der  Wieder^^ulassung  zum  Schulbesuch  das  Kind  und  seine 
Kleidungsstücke  gründlich  gereinigt  werden.^  Eine  Belehrung  der 
Sltem  in  diesem  Sinne  durch  den  Schularzt  ist  angezeigt,  wenn  wir 
Aber  die  Wiederzulassung  des  Genesenen  zum  Schulbesuch  zu  be- 
stimmen haben. 

Das  Reinigungsverfahren  in  den  Schulen  selbst  ordnet  die 
MinisterialverfQgung  1884  in  Punkt  8:  „Sobald  in  dem  Ort,  wo 
sich  die  Schule  befindet,  oder  in  seiner  Nachbarschaft  mehrere  Fälle 
einer  ansteckenden  Krankheit  zur  Kenntnis  kommen,  haben  Lehrer 


30  110 

und  Sohnlvorstaiid  ihr  besonderes  Angenmerk  anf  Reinhaltung  des 
Sohalgmndstüokes  nnd  aller  seiner  Teile,  sowie  auf  gehörige  Lüftung 
der  Klassenräume  zu  richten.  Insonderheit  sind  die  Schulzimmer 
und  die  Bedürfnisanstalten  täglich  sorgfältig  zu  reinigen.  Schul- 
kindern darf  diese  Arbeit  nicht  übertragen  werden.  Die  Schulzimmer 
sind  während  der  unterrichtsfreien  Zeit  andauernd  zu  lüften,  die 
Bedürfnisanstalten  nach  Anordnung  der  Polizeibehörde  regelmäfisig 
zu  desinfizieren.  ** 

Nr.  10  sagt:  „Die  Wiedereröffnung  einer  wegen  ansteckender 
Krankheit  geschlossenen  Schule  oder  Schulklasse  ist  nur  nach  yor- 
angegangener  gründlicher  Reinigung  und  Desinfektion  des  Schul- 
lokals zulässig." 

Die  städtische  Schuldeputation  zu  Berlin  bestimmt  noch:  „In 
den  Fällen,  wo  ein  Kind  von  einer  der  sub  1  a  genannten  Krank- 
heiten, aufser  Masern  und  Röteln,  getroffen  wird,  soll  die  Klasse, 
der  das  Eand  angehört,  sowie  auch  die  Bedürfnisanstalt  nach  den 
Vorschriften  der  Desinfektionsordnung  Tom  15.  Aug.  1892  gereinigt 
werden.  Bei  der  Anordnung  und  Ausführung  der  genannten  Schutz- 
mafsregeln  hat  der  Schularzt  als  hygienischer  Berater  der  Schule 
tätig  zu  sein.** 

Von  den  in  der  soeben  besprochenen  Ministerialverfügung  von  1884 
erwähnten  Erkrankungen  hat  eine  Augenerkrankung,  die  Körner- 
krankheit, noch  eine  besondere  Behandlung  erfahren  durch  den 
Ministerialerlafs  vom  20.  Mai  1898.  Ich  nenne  die  Bestimmungen» 
soweit  sie  für  den  Schularzt  in  Betracht  kommen: 

„1.  Augenkrankheiten,  welche  vermöge  ihrer  Ansteckungs- 
&higkeit  besondere  Vorschriften  für  die  Schule  erforderlich  machen^ 
sind: 

a)  Blennorrhoe  und  Diphtherie  der  Augenlidbindehäute; 

b)  akuter  und  chronischer  Augenlidbindehautkatarrh,  Follikulär- 
katarrh  und  Kömerkrankheit  (granulöse  oder  egyptische  Augen- 
entzündung [Trachom]). 

3.  Schüler,  welche  an  einer  der  unter  la  genannten  Augen- 
krankheiten leiden,  sind  unter  allen  umständen,  solche,  welche  an 
einer  der  unter  Ib  genannten  Augenkrankheiten  leiden,  dagegen 
nur,  wenn,  bezw.  so  lange  sie  deutliche  Eiterabsonderung  haben,  Tom 
Besuch  der  Schule  auszuschlielsen. 

4.  Schüler,  welche  an  einer  der  unter  Ib  genannten  Augen- 
krankheit leiden,  jedoch  keine  deutliche  Eiterabsonderung  haben, 
sowie  solche  Schüler,    welche  gesund  sind,   aber  einer  Haushaltung 


111  31 

angehören,  in  der  ein  Fall  yon  ansteckender  Augenkrankheit  auf- 
getreten ist,  dürfen  am  Unterricht  teilnehmen,  wenn  sie  genügend 
weit  entfernte  Plätze  angewiesen  erhalten.^ 

Wiederzolassnng  der  aosgeschlossenen  Schüler,  Anzeigepflicht, 
Eirkranknng  von  Lehrern  und  anderweitig  im  Schuldienst  beschftftigter 
Personen  sind  in  ähnlicher  Weise  geordnet,  wie  nach  der  Verfügung 
von  1884. 

Der  Schularzt  wird  darauf  zu  achten  haben,  dals  verdächtige 
Augenkrankheiten  frühzeitig  erkannt  und  im  Sinne  des  Erlasses 
gesondert  werden.  Erwähnenswert  ist,  dals  bei  Vorkommen  von 
mehreren  Fällen  ansteckender  Augenkrankheiten  eine  ärztliche  Unter- 
suchung der  Lehrer  und  Schüler,  sowie  sämtlicher  im  Schulhause 
wohnender  Personen  durch  den  beamteten  Arzt  vorzunehmen  ist, 
sowie,  dals  für  die  Behandlung  der  an  ansteckenden  Augenkrank- 
heiten leidenden  Schüler,  soweit  dieselbe  nicht  nach  ärztlicher  Be- 
scheinigung durch  die  Eltern  veranlabt  wird,  die  Ortspolizeibehörde 
Sorge  za  tragen  hat,  so  dals  also  in  diesem  Falle  ein  Zwang  zur 
Behandlung  vorgeschrieben  ist.  Eine  gleiche  Bestimmung  ist  in 
den  Entwurf  eines  preulsischen  Seuchengesetzes  aufgenommen  worden. 


Andere  Aufgaben,  wie  bei  den  akut  auftretenden  Infektions- 
krankheiten, hat  die  Schule  bei  Bekämpfung  der  Verbreitung  chro- 
nischer, übertragbarer  Krankheiten.  Hier  kommt  vorzugsweise 
die  Tuberkulose  in  Betracht.  Eine  Ministerialverfügung 
vom  10.  Dezember  1890  (Zeitschr.  f,  Meduindlb,,  1891,  Beil.  1, 
S.  14)  bestimmt  darüber  mit  Aufnahme  eines  Gutachtens  der  wissen- 
schaftlichen  Deputation.     Ghtnz  allgemein  dürfte  anzuordnen  sein: 

„1.  dals  Lehrer  wie  Schüler  zur  Entleerung  ihres  Auswurfs  im 
Schulgebäude  sich  nur  der  in  geeigneter  Beschaffenheit  und  ge- 
nügender Zahl  aufzustellenden  Spucknäpfe  bedienen  dürfen,  oder 
eines  Dettweilerschen  Fläschchens. 

2.  dals  in  den  Schulräumen  Staub  möglichst  beseitigt,  aber  nur 
durch  nasses  Aufwischen  entfernt  werden  darf. 

3.  dafs  öfter  hustende  Schüler  in  bezug  auf  1.  vom  Lehrer  be- 
sonders zu  beachten  sind. 

4.  dafs  brustkranken  Schülern  das  Wegbleiben  aus  der  Schule 
nun  Zwecke  längerer  Kuren  mit  besonderer  Bereitwilligkeit  erleich- 
tert und  gestattet  werde.  ^ 

0«r  Sehnlant.  IIL  4 


32  112 

Hiennit  dürften  im  weeentlicheii  die  Verfügangen  und  geseti- 
liehen  fiestimmangen,  die  unsere  Frage  betre£Fen,  genannt  sein. 

Keine  besondere  Bebandlang  erfahren  dnroh  bestimmte  Vor- 
schriften von  leicht  übertragbaren  Krankheiten  Mnmps,  Infinenza, 
Varicellen.  Bei  diesen  ist  im  Sinne  der  angezogenen  Bestimmungen 
zu  rerfahren. 


Die  Ausbreitung  ansteckender  Krankheiten  durch  die  Schule 
lälst  sich  bei  Befolgung  der  behördlichen  erwähnten  Verordnungen, 
wenn  nicht  verhindern,  so  doch  wesentlich  einschränken. 

EiS  sind  damit  aber  noch  nicht  alle  Mittel  erschöpft,  die  zu 
diesem  Ziele  führen.  Wichtig  für  die  Verhütung  der  Einschleppung 
ansteckender  Krankheiten  in  die  Schulen  sind  einmal  ausreichende 
gesetzliche  Vorschriften  über  die  Anzeigepflicht  des  be- 
handelnden Arztes,  womit  stets  die  Meldung  über  das 
Vorhandensein  schulpilichtiger  Angehöriger  zu  ver- 
binden ist.  Es  sei  daran  erinnert,  dais  z.  B.  bisher  für  die 
Meldung  von  Diphtherie  eine  Gesetzesvorschrift  nicht  bestand  (im 
Regulativ  ist  Diphtherie  nicht  erwähnt)  und  dals  Scharlach  nur  bei 
bösartigen  und  besonders  zahlreichen  Fällen  anzeigepflichtig  war.  Durch 
das  preufsische  Seuchengesets  ist  hierin  eine  Änderung  zu  erwarten. 

Ebenso  beabsichtigt  das  G^etz  eine  Festlegung  der  Des- 
infektionsvorschriften  für  die  Wohnung  der  Erkrankten, 
wodurch  ebenfalls  die  Gefahr  der  Einschleppung  ansteckender  Ejrank- 
heiten  in  die  Schulen  verringert  wird. 

Ebenso  wichtig  und  die  Aufgaben  des  Schularztes  näher  be- 
rührend ist  die  Benachrichtigung  der  Schule  durch  die 
Eltern  erkrankter  Schüler,  wieder  mit  Berücksichtigung  des 
Vorhandenseins  anderer  schulpflichtiger  Geschwister.  Die  Meldung 
hat  bald  nach  Eintritt  der  Erkrankung  zu  erfolgen.  In  allen  Fällen, 
wo  mit  der  Meldung  einer  Krankheit  eine  ärztliche  Bestätigung 
nicht  erfolgt,  ist  dieselbe  nachzuholen.  Die  Forderung  einer  ärzt- 
lichen Bescheinigung  erscheint  nötwendig,  da  erfahrungsgemäüs  häufig 
die  Richtigkeit  der  elterlichen  Meldung  anzuzweifeln  ist.  DaTs  die 
ärztliche  Kontrolle  notwendig  und  nützlich  ist,  beweist  die  Erfieihrung 
in  Leipzig,  wo  im  Jahre  1893  allein  1246  unangemeldet  gebliebene 
Fälle  durch  die  kontrollierende  ärztliche  Tätigkeit,  die  daselbst  den 
Schulärzten  übertragen  ist,  zur  Kenntnis  gelangten  (zitiert  nach 
Fromm,  Zeitschr,  f,  Mediaindlb.,   1904,  Nr.  3). 


113  33 

Endlich  ersoliemt  es  erforderlich,  dafs  die  Schale  alle 
Fftlle  von  Infektionskrankheiten  dem  Sohnlarzte  zur 
Kenntnis  übermittett  In  Berlin  besteht  bisher  nur  eine  7er- 
Akgnng  der  städtischen  Schnldepntation  vom  8.  Dezember  1903, 
wonach  der  Bektor  der  Sohnle,  sobald  ihm  der  erste  Fall  einer 
Infektionskrankheit  bekannt  wird^  dem  Schulärzte  hiervon  schleunigst 
Mitteilung  machen  soll.  Als  Beispiel  einer  Instruktion  in  dem  für 
erforderlieh  gehaltenen  Sinne  führe  ich  die  Bestimmungen  der 
Schulordnung  und  der  Dienstordnung  für  die  Schulärzte  in  Leipzig 
an  {diese  Zeitschr,,  1902,  S.  213): 

Schulordnung  §  7:  „1.  Die  Eltern  erkrankter  Schulkinder 
smd  verpflichtet,  womöglich  schon  bei  der  Anzeige  des  Wegbleibens 
w^n  Krankheit,  spätestens  aber  am  dritten  Tage  die  Art  der 
Enmkheit  anzugeben.  Ist  diese  Anzeige  nicht  erfolgt,  so  haben  die 
betreffenden  Klassenlehrer  sofort  von  den  Angehörigen  der  erkrankten 
Kinder  Auskunft  über  die  Art  der  Erkrankung  zu  verlangen.'* 

Dienstordnung  für  die  Schulärzte  §  10: 

^a)  Jeder  Fall  einer  ansteckenden  Krankheit  wird  dem  Schul- 
arzte mittels  vorgeschriebener  Meldeformulare  durch  den  Schuldirektor 
angezeigt. 

b)  Der  Schularzt  hat  in  den  Fällen,  wo  das  erkrankte  Kind 
nicht  ärztlich  behandelt  wird,  durch  Untersuchung  die  Art  der  Er- 
krankung festzustellen. 

d)  Die  Meldeformulare  über  ansteckende  Krankheiten  sind  seitens 
des  Schularztes  innerhalb  acht  Tagen  nach  Empfang  an  den  Stadt- 
bezirksarzt weiter  zu  geben.  ^ 

Durch  diese  Vorschriften  wird  für  die  Sicherheit  in  der  Fest- 
stellung ansteckender  Krankheiten  gesorgt  und  damit  eine  notwendige 
Vorbedingung  für  die  Bekämpfung  der  Weiterausbreitung  erfüllt. 

Die  amtlichen  Verfügungen  im  Verein  mit  Ergänzungen  ge- 
nannter Art  werden  ausreichend  sein,  die  Tätigkeit  des  Schularztes 
bei  der  Verhütung  der  Ausbreitung  von  Infektionskrankheiten  in 
den  Schulen  zu  einer  erfolgreichen  zu  machen. 


84 


114 


ftleinere  Jütteilntjen* 


Nene  Schulärzte.  In  Prag  wurden  in  der  letzten  Sitzung  der 
stAdtischen  Gesundheitskommission  die  Grundsätze  fdr  die  Dienstordnung 
der  neun  anzustellenden  Schulärzte  beraten.  Die  Stellen  sind  bereits  aus- 
geschrieben. 

In  Hainichen,  Kreishauptmannschaft  Leipzig,  wurde  auf  Antrag  des 
Schulausschusses  vom  Stadtrat  die  Anstellung  eines  Schularztes  beschlossen. 

Über  den  hentifi^en  Stand  des  Schnlarztwesens  an  den  tschechi- 
schen Schulen  in  B5hmeu  und  Mähren  gibt  folgende  Tabelle  Aufschluß : 


Ort 

Name  des  Schularites 

Gehalt 
in  Kronen 

Binwohnenahl 

In  Böhmen: 

Loun 

Dr.  L.  Brunelik 

500 

10  212 

Kolin 

Dr.  Vlk 

800 

15025 

Boudnitz 

— 

— 

7985 

Karlin 

Dr.  Hanns 

— 

21094 

Hronov 

Dr.  Saeka,  L. 

— 

4000 

Kladno 

Dr.  Baum,  S. 

— 

18554 

Wysodan 

Dr.  Kopeck;? 

600 

4404 

PardubitE 

1.  Dr.  Martin 

700 

17  029 

n 

2.  Dr.  Nov&k 

700 

König^rätz 

Dr.  Zippe 

600 

9  773 

Deutsch  Brod 

Dr.  Havel 

500 

6  526 

Prag 

1.  Dr.  Holeöek,  F. 

1000 

225  778 

» 

2.  Dr.  Pokorn^,  L. 

1000 

n 

3.  Dr.  Mazanek,  J. 

1000 

n 

4.  Dr.  Mouöka 

1000 

n 

5.  Dr.  P&v,  Jos. 

1000 

n 

6.  Dr.  Panyrek,  D. 

1000 

n 

7.  Dr.  Hüttel,  V. 

1000 

n 

8.  Dr.  Nebesky,  J. 

1000 

n 

9.  Dr.  Janele,  J. 

1000 

Mädohen>Oymn. 

in  Prag 

In  Mähren: 

Frl.Dr.AnnaHonzihov&^ 

Prossnitz 

Dr.  Hrabal 

1200 

26  000 

Eibensohitz 

Dr.  Klein 

— 

4081 

\.Frl.  Dr.  Anna  Honz&hoy&  ist  die  erste  Schulärztin  und   überhaupt  die 
erste  Arztin  in  Prag. 

In    Hronov,    Kladno  und    Eibensohitz   sind   die   Stadtärzte   fQr   ihre 
schulärztliche  Inspektionen  nicht  remuneriert. 

J.  Zemak,  Lehrer  in  N&chod. 


115  35 

Über  die  Tätigkeit  der  Sehnlänte  in  Leipzig  berichtet  der 
sOdtisdie  Yerwaltangsbericht: 

Die  Schulfirzte  sind  Yerpflichtet,  während  der  Schulzeit  monatlich 
mindestens  einmal  in  der  8chnle  anwesend  zu  sein,  nm  daselbst  mit  dem 
Direktor  die  etwa  nötigen  Besichtigungen  Yorznnehmen  nnd  die  von  den 
Lehrern  präsentierten  Kinder  zu  untersuchen.  Diese  Einrichtung  hat  sich 
adir  bewährt.  Der  Schularzt  bleibt  auf  diese  Weise  im  Zusammenhang 
mit  der  Schule,  und  die  Lehrer  wissen,  wann  sie  den  Schularzt  sprechen 
können.  Unter  den  Fällen,  welche  der  Schularzt  bei  dieser  Gelegenheit 
20  untersuchen  hat,  befinden  sich  besonders  nervöse  und  sehr  blutarme, 
ms  ärmlichen  Verhältnissen  stammende  Kinder.  Besonders  wenn  An- 
gehörige des  Kindes  bei  der  Untersuchung  zugegen  sind,  gelingt  es  leichter, 
▼ersteckte  schwere  nerröse  Leiden  (wie  laryierte  Epilepsie  u.  dgl.)  zu 
diagnostizieren,  öfters  ist  es  auch  durch  die  schulärztliche  Untersuchung 
möglich,  psychisch  abnorme  Kinder  als  solche  zu  diagnostizieren  und  eine 
zweekm&fisige  Behandlung  zu  veranlassen.  Frfiher  wurden  eine  Menge 
Kinder,  die  an  der  Grenze  des  Schwachsinns  standen,  mitgeschleppt  zum 
Schaden  des  gesamten  Unterrichts,  jetzt  werden  dieselben  rechtzeitig  aus- 
gesdiieden  oder  zurückgestellt.  Häufiger  als  frflher  werden  die  Schulärzte, 
wie  aus  ihren  Jahresberichten  hervorgeht,  jetzt  auch  zur  Beurteilung  solcher 
Kinder  herangezogen,  welche  die  Schule  längere  Zeit  ohne  genügenden 
Grund  Tersäumen.  Seltener  hat  der  Schularzt  Kinder  wegen  Ungeziefers, 
wegen  Verletzungen  u.  dgl.  zu  untersuchen, 

Diefrflhere  Berechtigung  des  Schularztes,  bei  den  jährlichen  Begehungen 
der  Schulgrundstttcke  durch  Beamte  des  Hochbauamtes  behufis  Feststellung 
der  erforderlichen  sanitären  Verbesserungen  und  deren  Einstellung  in  das 
Jahresbudget  anwesend  zu  sein,  ist  ihnen  in  der  neuen  Dienstordnung  zur 
Pflicht  gemacht.  Der  Vorteil  dieser  Bestimmung  kommt  wiederum  allen 
Beteiligten  zugute.  Direktor,  Schularzt  und  der  Beamte  des  Rates  tauschen 
bei  dieser  Gelegenheit  ihre  Ansichten  aus,  und  der  Schularzt  ist  in  der 
Lage,  seinen  Einflufs  in  genflgender  Weise  zur  Geltung  zu  bringen.  In 
Betracht  kommen  dabei,  abgesehen  von  Neuanstrich  einer  Anzahl  Klassen- 
zimmer, Ersetzung  unzweckmäßiger  Schulbänke,  Öfen,  Vorhänge  u.  dgl. 
durch  bessere,  Verbesserung  der  Abortanlagen,  Anbringung  von  Klapp- 
fenstern u.  a. 

Den  Fragen  von  allgemeiner  hygienischer  Bedeutung,  wie  Ventilation, 
Heizung,  Schulzimmerreinigung  wird  seitens  der  Schulärzte  fortgesetzte 
Aufinerksamkeit  gewidmet. 

Über  angeborene  Wortblindheit  referierte  im  Verein  der  Beriiuer 
Schulärzte  Dr.  Seydel.  Es  vnrd  —  fflhrte  der  Vortragende  aus  — 
Aber  die  in  der  englischen  und  holländischen  Literatur  beschriebenen  Fälle 
von  angeborener  Wortblindheit  berichtet.  Mit  diesem  Namen  wird  ein 
Defekt  in  der  geistigen  Beanlaguug  bezeichnet,  der  sich  als  einzig  nach- 
weisliche Störung  darin  äuisert,  dafs  die  Einprägung  der  Schriftzeichen 
(und  zwar  nur  der  Buchstaben,  nicht  der  Ziffern)  in  das  Gedächtnis  und 
die  Yertiindnng  eines  bestimmten  Lautbegriffes  mit  den  entsprechenden 
Schriftzeichen  erschwert  oder  unmöglich  ist.  Da  die  Sinnesorgane  und 
der  motorische  Apparat  normal  funktionieren,   können  Schriftzeichen  zwar 


36  116 

nachgemalt,  aber  nicht  ans  don  GMächtnis  oder  aof  Diktat  geschrieben, 
und  geschriebene  nicht  richtig  erkannt  werden.  In  den  selteneren  schweren 
Fällen  ist  das  Erlernen  der  Buchstaben  und  damit  des  Lesens  nnd 
Schreibens  überhaupt  unmöglich.  In  den  leichteren  werden  schließlich 
die  Buchstaben  als  solche  dem  Gredftchtnis  eingeprägt,  aber  beim  Lesen 
wie  beim  Schreiben  ist  das  Zusammenfügen  der  Buchstaben  zu  Silben  und 
Worten  unmöglich  oder  doch  erschwert.  Das  Erfassen  und  Einprägen 
der  Wortbilder  der  Schrift  in  das  Gedächtnis  ist  in  höherem  oder  ge- 
ringerem Grade  beeinträchtigt  und  damit  auch  die  Fähigkeit,  fliefsend  und 
mit  Verständnis  zu  lesen  oder  zu  schreiben.  —  Wahrscheinlich  handelt 
es  sich  hierbei  um  einen  angeborenen  Defekt  im  Bereiche  der  nervösen 
Zentralapparate  (Schriftbahn).  —  Die  Prognose  scheint  in  schweren  Fällen 
nngflnstig,  in  den  leichteren  gflnstig  zu  sein.  Die  Therapie  hat  in  lange 
fortgesetzten  systematischen  Übungen  zu  bestehen. 

Professor  Dr.  A.  Habtmann- Berlin. 
Über  die  Bfickgraf sverkrBmman^en  des  schnlpflichfigen  Alten 
sprach  im  Verein  der  Berliner  Schulärzte  Dr.  Biebalski.  Vortragender 
bespricht  in  grofsen  Zügen,  von  der  Physiologie  der  Wirbelsäule  aus- 
gehend, die  pathologische  Anatomie  und  klinische  Pathologie  der  habituellen 
Skoliose  und  an  der  Hand  der  Einteilung  von  Schanz  (Statische  Leistungs- 
fähigkeit —  Statische  Inanspruchnahme)  die  Ursachen  dafür,  namentlich 
die  Schreibhaltung,  über  deren  ursächlichen  Einflub  auf  die  Bildung  der 
„Schulskoliose"  noch  immer  keine  Einheitlichkeit  der  Meinungen  bestehe. 
Fraglos  sei  sie  nicht  die  einzige,  wahrscheinlich  nicht  einmal  die  hauptsäch- 
lichste Ursache.  Vielmehr  stehe  es  wohl  so,  dals  die  Kinder  aus  vielfachen 
hygienischen  und  sozialen  Gründen  die  Disposition  zur  Skoliose  mitbrächten, 
für  deren  Ausbildung  die  Schule  die  Gelegenheitsursache  abgebe.  Der 
Wert  der  schalärztlichen  Tätigkeit  bestehe  darin,  dafs  die  Skoliose  sehr 
früh  entdeckt  werde,  d.  h.  zu  einer  Zeit,  wo  sie  noch  grofse  Chancen 
der  Heilung  habe,  und  dais  durch  ständige  Überwachung  die  Indolenz  der 
Eltern  überwunden  werde.  Für  Berlin  läge  die  Hauptschwierigkeit  in  den 
weiten  Wegen  der  Kinder  zu  den  Polikliniken  und  in  der  ÜberfüUnng 
der  meist  in  einem  Stadtviertel  gelegenen  Institute.  Es  müsse  angestrebt 
werden,  dafs  ein  Teil  der  Behandlung  der  leichten  Fälle  durch  einfache 
Widerstandsapparate,  orthopädisches  Turnen  und  Selbstredression,  die  der 
Vortragende  an  mehreren  Kindern  nach  der  HoFFAschen  Methode  demon- 
striert, von  den  Schalen  in  der  Form  übernommen  werde,  da(s  die 
Skoliotiker  in  besonderen  Turnstunden,  unter  Aufsicht  hierfür  geschulter 
Kräfte,  übten.  Auch  die  Massage  könne  bei  vielen  Fällen  getrost  den 
Müttern  überlassen  werden.  Die  Tätigkeit  des  Schularztes  bezw.  Ortho- 
päden habe  darin  zu  bestehen,  die  nicht  sich  bessernden  Fälle  durch 
laufende  Kontrolle  auszumerzen  und  der  spezialärztlichen  Behandlung  zu- 
zuweisen. Vorträge  an  Elternabenden  mü&ten  die  Kenntnis  von  der  Be* 
deutung  einer  rechtzeitigen  Behandlung  der  Skoliose  verbreiten.  Da  es  in 
Berlin  mindestens  20000  skoliotische  Volksschulkinder  gebe,  so  wäre  hier 
ein  Arbeitsgebiet  von  gröfster  volkshygienischer  nnd  sozialer  Bedeutung. 
Zur  Kenntnis  der  Schnlskoliose  und  ihrer  Behandlungsfi&higkeit  wäre  es 
wünschenswert,  in  jeder  Volksschule  eine  Klasse  durch  einen  ganzen  Lehr- 


117  37 

gang,  d.  h.  aeht  Jahre,  regelin&isig  zu  nntersachen.  Das  wflrden  bei 
200  Yolksachiüen  mit  etwa  200000  Kindern  nngefthr  6—10000  fort- 
lanfend  Untersuchte  sein.  Diese  Statistik  wftre  frei  von  dem  Vorwurfe, 
da(s  die  Skoliosen  weder  Tor  noch  nach  ihrem  Entstehen  untersucht  seien. 
Professor  Dr.  Abthub  HABTMANN-Berlin. 

Zur  Schnlarztflrace  in  Württemberg.  In  seinem  auf  der  22. 
LandesYersammlung  des  Wtirttemhergischen  ärztlichen  Landesvereins  in  Ulm 
am  22.  Juni  ▼.  J.  aber  die  Schularztfrage  in  Wtlrttemberg  erstatteten 
Beferat  kommt  Medizinalrat  Dr.  ENGELHOBN-Gröppingen  zu  folgenden  von 
ihm  ausführlich  begründeten  Schlufss&tzen : 

„1.  Die  Schularztfrage  ist  spruchreif,  und  jede  unnötige  Verzögerung 
ihrer  Lösung  bedeutet  eine  Schädigung  der  Volksgesundheit. 

2.  Das  Bedürfnis  der  Anstellung  von  Schulärzten  ist  für  alle  Schulen, 
namentlidi  auch  für  die  Volksschulen  auf  dem  Lande,  vorhanden  und  durch 
den  Gesundheitszustand  der  Schüler  begründet. 

3.  Die  Überwachung  der  gesundheitlichen  Verhältnisse  des  Schul- 
gebändes  und  der  Schuleinrichtungen  kann  wie  bisher  den  Oberamtsärzten 
übertragen  werden. 

4.  Die  übrigen  Aufgaben  der  Schulärzte,  und  zwar  a)  die  Beaufsich- 
tigung des  Vollzuges  der  über  Hygiene  des  Unterrichts  und  der  Unter- 
richtsmittel erlassenen  Vorschriften ;  b)  die  Obsorge  für  die  Gesundheit  des 
Schulkindes,  sind  besonderen  hygienisch  vorgebildeten  Schulärzten  zu  über- 
tragen. 

5.  Die  ärztliche  Standesvertretung  in  Wtlrttemberg  kann  auf  Grund 
Yon  §  10  der  Ministerialverfügung  vom  30.  Dezember  1875  erwarten, 
dais  die  gesetzliche  Regelung  der  Schularztfrage  nicht  erfolgt,  ohne  dab 
dem  Landesausschusse  Gelegenheit  gegeben  ist,  sich  über  eine  solche 
Anordnung  in  betreff  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  gutachtlich  zu 
äuisem." 

In  der  Debatte  über  den  Vortrag  teilte  Medizinalrat  Dr.  Scheublbn, 
Mitglied  des  Medizinalkollegiums  in  Stuttgart,  mit,  dafs  die  Schularzt- 
angelegenheit  in  Württemberg  gegenwärtig  in  voUem  Flusse  sei,  da  zurzeit 
ein  Meinungsaustausch  zwischen  den  Ministerien  des  Innern  und  des  Kirchen- 
und  Schulwesens  stattfinde.     (j^Zeitschr,  f,  Meämmlb.^,  1904,  Nr.  24.) 

Ffir  den  Bernfsschnlant  spricht  sich  eine  Einsendung  von  ärzt- 
licher Seite  im  y^Qenerdkmeeiger^  der  Stadt  Mannheim  usw.  aus. 

So  lange  wir  noch  keine  besonders  vorgebildeten  Schulärzte  haben 
—  heifst  es  daselbst  — ,  wird  man  praktische  Ärzte  anstellen  müssen; 
und  sie  werden  sich  nun  Schritt  für  Schritt  in  all  die  schwierigen  Auf- 
gaben ihrer  Stellung  einzuarbeiten  haben.  Aber  auch  sie  sollen  Schulärzte 
und  nur  Schulärzte  seinl  Jede  Verquickung  des  schulärztlichen  Berufs 
mit  Privatpraxis  ist  vom  Übel,  ist  ein  Sehritt  auf  die  schiefe  Ebene.  Der 
Sdiularzt  darf  kein  Interesse  haben,  das  über  oder  auch  nur  neben  dem 
Interesse  an  seinem  Berufe  stände.  Und  diese  erste  Vorbedingung  trifft 
nur  auf  den  Berufsschularzt  zu.  Was  ich  hier  dargelegt  habe,  ist  so 
wenig  ein  Phantasma,  dafe  es  vielmehr  nur  die  einzige  (im  Prinzip  einzige) 
mögliche  Lösung  der  Sohularztfrage  in  einem  alle  Teile  befriedigenden 
mid   fördernden    Sinne   bedeutet.     Für  grolse  Städte  wird  ein  Schularzt 


88  118 

natttriich  nicht  genflgen.  Man  wird  dort  mehrere  braachen.  Und  ob  dann 
^elleicht  eine  Arbeitstdlnng  nach  Scholstofen  sich  entwickeln  wird,  derart 
aho,  dab  einer  die  Yolksschole,  einer  die  Mittelscholen  flbemimmty  daft 
endfich  die  Hfldchenscholen  einer  Schnlftrztin  unterstellt  werden  (was  bei 
den  besonderen  Schädigungen,  die  in  gewissen  SchnQahren  dem  weiblichen 
Organismus  drohen,  dringend  zn  wünschen  wäre),  das  wird  ja  die  Zeit 
lehren.  Je  freier  man  diese  Möglichkeiten  der  Entwicklung  flberlälst,  je 
weniger  man  sie  von  vornherein  schablonenhaft  einzwangt,  desto  besser 
wird  die  ganze  Sache  gedeihen. 


lUferate  ihn  neu  erfdiieiinte  fd|iilatjtlid|e  3al|reBberid|te. 

Wir  bitten,  nen  erschienene,  sohalürstliohe  Jahresberichte  direkt  an 
unteren  Bearbeiter  derselben,  Herrn  Stadtant  Dr.  Okbbxckb,  Breslau,  Nikolai- 
stadtgraben, übereenden  sn  wollen.    D.  Bed. 


SchnlinfUeher  Jahresbericht  der  Stadt  Chemnitz   1903/04. 

In    Chemnitz   sind   jetzt   beschäftigt    10  Schulärzte   an    28  Schulen   mit 
32506  Schulkindern. 

Der  Chemnitzer  Bericht  enthält  sehr  ansf&hrliche  und  wichtige  Tabellen, 
welche  ich  durch  die  folgenden  Auszüge  in  ihren  Hauptpunkten  wiedergebe. 
Der  Vergleich  dieser  Tabellen  mit  denen  anderer  Jahresberichte  zeigt,  wie 
noch  in  jeder  Stadt  eine  besondere  Klassifikation  der  Schulkrankheiten  ge- 
handhabt wird.  Solange  hier  aber  keine  Einigung  erzielt  ist,  ¥nrd  eine 
gemeinsame,  zusammenfassende  Statistik  nicht  möglich  sein.  Der  beste  Weg, 
um  hier  eine  Einigung  vorzubereiten,  wird  der  sein,  eine  Yergleichung  der 
▼erschiedenen  Klassifikationen  der  Schulkrankheiten  zu  ermöglichen.  Ich 
werde  deshalb  die  in  den  größeren  schulärztlichen  Betrieben  gebräuchlichen 
Klassifikationen  bezw.  Tabellen  hier  sukzessive  zusammenstellen. 

Die  Lemanfängeruntersuchungen  in  Chemnitz  waren  folgende: 
Knaben     2380,  davon  höh.  Abt.  157,  mitti.  Abt.  621,  einf.  Abt.  1602 
MÄdchen  2447,       „        „       „       82,      „        „     433,     „       „     1932 

Den  vorgefundenen  „Status  der  Anfänger^  zeigt  nebenstehende  Tabelle. 

Es  ergibt  sich  aus  dieser  Tabelle  folgende  absteigende  Skala  der 
Durchschnitte  bei  den  Lemanfängem : 

Herabgesetzte  Sehleistung  18,6%,  Konstitutionsanomalie  15,3%, 
Knochensystem  7,6%,  einfache  Herzstörung  6,t)%,  einfache  Luugen- 
erkrankung  5,2%,  herabgesetztes  Hörvermögen  3,57o,  Angenerkrankungen 
3,27o. 

AufßÜlig  sind  in  dieser  Altersklasse  (sechs  Jahre)  die  häufigen  funktio- 
nellen HerzstöruDgen ;  Tuberkulose  scheint  in  diesem  Alter  selten  zu  sein. 

Alle  diese  Befunde  decken  sich  im  wesentlichen  mit  den  Resultaten 
der  beiden  Vorjahre. 


119 


39 


Klassifikation 
der  Scbnlkrankheiten  (Vo) 

Knaben- 
abteilungen 

Madchen- 
abteilungen 

höhere 

mittL 

einf. 

höhere 

mita 

etn£ 

Allgemeine 

Korper- 

beschafienheit 

gnt 36,3 

mittel 62,4 

schlecht 1,3 

32,2 

64,3 

3.6 

26,1 

70,2 

3,7 

43,9 
66,1 

83,3 

66,1 

1.6 

86,4 

70,1 

4,5 

Longe 

einf.  Erkrankung         1,8 
ernste        „                 — 

7,7 
0.6 

6,3 
0,4 

3,6 

7.8 
0,5 

0,4 

Hers 

einf.  Störungen . . 
Herzfehler 

7,6 
1,3 

6,1 
1,3 

6,5 
2,3 

10,9 
3.6 

7,8 
0,9 

7,0 
2,6 

Brache 

— 

5,1 

2,7 

2,6 

— 

— 

8,0 

Hant- 
erkrankangen 

— 

4,4 

4,0 

4.6 

2,4 

4,1 

6,8 

Knochensystem 

Wirbelsäule 

Brustkorb 

Olieder 

5,1 

10,2 

1,3 

6,6 

12,0 

2,9 

6,9 
8,6 
3,4 

18,2 
1,2 
2,4 

9,9 
8,9 
2,1 

7,3 
6.1 
8.1 

Auge 

Erkrankungen . . . 
yermind.  Sehleistg. 
Schielen 

1,3 

15,9 

4,4 

2,4 

13,1 

2,1 

3,4 

17,4 

1,7 

2,4 
9,7 
1.2 

2.8 

19,1 

2,5 

3,8 

21.4 

1,6 

Ohr 

Erkrankungen . . . 

Herabsetzung  des 

H5nrermögens  . 

0,6 
3,6 

0,6 
3,4 

1,2 

3,1 

1,2 

1,1 
3,2 

1,1 
3,6 

Nase,  Mnnd 

— 

18,2 

5,0 

11,0 

6,0 

5,3 

10,2 

Nase,  Mnnd 

Wucherungen  im 
Nasenrachenraum 

11,5 

10,3 

12,6 

3.6 

8.B 

11,4 

Stammeln 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Stottern 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

Konstitations- 
anomalien 

(Anämie,  Chlorose, 
Skrofulöse) 

9,6 

14,8 

13,4 

10,9 

18,0 

17,2 

NervoDsystem 

— 

1,3 

1,1 

— 

— 

1,1 

1,2 

Lymphatisches 
System 

(Drüsen) 

14,0 

6,0 

7,7 

6,0 

9,7 

— 

Bei  den  übrigen  Schfllem  wurden  2500  Untersnchongen  in  der  Sprech- 
sUmde  gemacht ;  hier  fiel  die  Häufigkeit  der  Angenmnskelschwäche  and  der 
Henstörongen  bei  den  Mädchen  auf. 


40 


120 


lOtteilangen  an  die  Eltern  fanden  statt  2400,  davon  980  fftr  Lern- 
anftnger. 

In  scbnlftrztlicher  Überwachung  waren  im  ganzen  3676  Schiller,  dayon 
557  Lemanf&nger. 

Vorschlage  an  die  Schule  wurden  bei  ca.  10  Vo  der  Untersuchten  gemacht. 

In  jeder  Schule  wurden  durchschnittlich  22  Sprechstunden  abgehalten. 

Schul&rztliche  Kontrollbesnche  bei  Infektionskrankheiten  in  der  Wohnung 
kamen  354  mal  vor. 

Vier  Konferenzen  der  Schulärzte  fanden  im  Berichtejahre  statt. 

Dem  Antrag  der  Konferenz  entsprechend  wurde  Stottererunterricht  ftkr 
Kinder  von  11  bis  14  Jahren  eingerichtet. 

Durch  Einstellung  neuer  Schulärzte  wurde  die  Zahl  der  Schfller  pro 
Arzt  auf  2300  reduziert.  Dr.  ÜEBBECKE-Breslau. 

Schulärztlicher  Jahresbericht  der  Stadt  Magdeburj^  1903/04. 
Derselbe  ist  dadurch  besonders  interessant,  dals  hier  ausführliche  Zu- 
sammenstellungen über  spezialärztliche  Untersuchungen  gegeben 
worden  sind.  Magdeburg  hat  neben  den  allgemeinen  Schulärzten  einen 
Ohrenarzt  und  zwei  Augenärzte  für  einen  Nord-  und  SQdbezirk  angestellt. 
Die  Fälle  werden  ihnen  von  den  Schulärzten  überwiesen. 

Ich  fahre  die  Resultate  fär  die  beiden  Bezirke  nebeneinander  an: 


An- 

Sfldbezirk 

Nordbezirk 

zahl 

(282  Mfidchen,  201  Knaben) 

Myopie 

Myopiaoher  Aatigmatismus 

615 
47 

Kurzsichtigkeit  =  80Vo  . .  | 

68Knab. 
64  Mdch. 

Hypermetropie  (Übersicbtigkeit) 
Hypermetropisoher  Astigmatismus 

65 
97 

Übersichtigkeit  =  40  Vo  . .  | 

64  Knab. 
129  Mdch. 

Strabismus  (Schieleu)  convergens 

58 

Scbwachsichtigkeit    durch    f 
Hornhautnarben  =  17  Vo   \ 

87  Knab. 

„         (       „       )  divergens. 

14 

45  Mdch. 

Gemischter  Astigmatismus 

BrkraDkangen    der    Lider    und 

9 

Der  Rest  der  Überwiesenen 

Bindehaut  (davon   Folliknlär- 

(13  %)  hatte  normaleAugen. 

katarrh  10) 

57 
2 

Sie  litten  jedoch  an  äufseren 
Augenaffektionen  usw. 

Trachom  (Kömerkrankheit) 

Erkrankung  der  Hornhaut 

79 

n            »   liinse 

7 

„           „    Aderhaut 

2 

„            „    Sehnerven 

4 

„            „   Regenbogenhaut 

5 

Nystagmus  (Augenzittern) 

9 

Ptosis  (Bewegliohkeitsstörung  des 

oberen  Lids) 

1 

Bpicanthus    (Faltenbildung    am 

inneren  Augenwinkel) 

2 

Anophtalmns  (Fehlen  des  Aug- 

apfel«)  

1 

121 


41 


AugeDftrztliche  ÜberweisoDgen  fanden  statt  im  Nordbezirk  778,  darunter 
€26  zum  ersten  Male,  und  im  Südbezirk  483.  Die  Klassifikation  der 
Angenerkranknngen  bei  den  beiden  Schul angenftrzten  zeigt  vorlänfig 
noch  keine  Übereinstimmung,  während  dies  gewifs  sehr  wflnschenswert  wäre. 

Über  300  Kinder  wurden  durch  Verordnung  von  Brillen  wieder 
normal  schulfähig  gemacht. 

Bei  den  Untersuchungen  des  Schulohrenarztes  ergaben  sich  folgende 
Resultate: 

Überwiesen  wurden  338  Schulkinder. 

Ghron.  Mittelohrkatarrh 161 

9       Mittelohreiterung 80 

Resten  alter  Mittelohrentzflndung .  .  .     64       „ 
Sonstigen  Leiden    des   äufseren   und 

inneren  Ohres 20       „ 

Chronischem  Nasenkatarrh    ....  bei  157  Kindern 
Yergrdsenmg  der  Gaumenmandeln    »126       « 


Es  litten  an: 
Kinder  (davon  121  doppelseitig) 


( 


18 
28 


114 


„  „  Rachenmandeln 

und  adenoide  Wucherungen  .  .  „  263  „ 

Sonst.  Leiden  d.  Nase  u.  d.  Rachens  „  13  ,, 

Chron.  Kehlkopikatarrh „  7  „ 

Sonstigen  Krankheitszuständen .  .  „  2  „ 

Ohne  Krankheitsbefand ^  4  „ 

Die  Tabellen  Aber  die  Neuaufgenommenen  ergeben  folgendes: 


Allg.  Körper- 

beschaffenheit 

(Dnter8acht2818) 

gat 

mittel 

schlecht 

1003 

1679 

136 

Brechungs- 
zustand d.  Augen 
(1089) 

normal 

weitsichtig  . . . 
kurzsichtig . . . 

940 
89 
60 

Geistige 

Entwicklung 

(2333) 

normal 

zuruckgeblieb. 
defekt 

2171 

140 

22 

Krankheiten 
und  Anomalien 
des  Nasen- 
rachenraums 
und  der  Nase 

— 

381 

Bleichsucht... 
Tuberkulose.. 
Skrofulöse  ... 
Syphilis  hered. 
Epilepsie  usw. 
Rachitis  usw.. 

263 

16 

466 

2 

85 

Konstitntions- 

krankheiten 

(831) 

Krankheiten 
und  Anomalien 
der  Mundhöhle 

— 

122 

Gebifs  (1827) 

gut 

schadhaft 

schlecht 

524 

Körperliche  Ge- 
brechen (151) 

Verkrümmung 
Unterleibsbruch 

103 
48 

631 
672 

Gehör  (2126) 

gut 

schwach 

schwerhörig . . 

1955 

114 

57 

Organleiden 

(156) 

Herz 

Lunge  

andere 

30 

89 
37 

Sehnihigkeit 
(2210) 

normal 

mittel 

ungenügend . . 

1918 
186 
106 

Sonstige 
Anomalien 

— 

110 

42  122 

Zahl  der  Nenanfgenoinineiien 2967  (Darchschnittsalter  sechs  Jahre). 

Zmn  Scholbesach  wurden  zugelassen 2923  \ 

«  «  j,      bedingt  zugelassen 31    >  2967 

Durch  ScholSrzte  vom  Besuch  aasgeschlossen 13  j 

Vor   der  Einschulung   wurden   auf   Grund   priyatArztlicher 

Atteste  zurückgestellt 689 

Dr.  OEBBECKE-Breslau. 


Diettßorbttititsett  f«r  Jd|itlar;te. 


Dienstordnug  Ar  die  Schnlänte  n  St.  Johann  a.  d.  Saar. 

§  1.     Die  Schulärzte  haben  die  Aufgabe: 

1.  bei  der  Überwachung  der  gesundheitlichen  Verhältnisse  der  Geb&ude 
und  Einrichtungen  der  St.  Johanuer  Volksschulen  mitzuwirken  und 

2.  den  Gesundheitszustand   der  Kinder   in   diesen  Schulen    ständig    zu 
flberwachen. 

Sie  sind  verpflichtet,  alle  in  diese  Aufgabe  fallenden  Aufträge  aus- 
zufahren. 

§  2.  Zum  Zweck  gleichmäßiger  Behandlung  dieser  Aufgaben  werden 
in  gröberen  Zwischenräumen,  mindestens  aber  dreimal  im  Jahre,  Be- 
sprechungen mit  den  Schulärzten  von  dem  Vorsitzenden  des  Schulvorstandes 
abgehalten.     Zu  diesen  Sitzungen  kann  der  Kreisarzt  eingeladen  werden. 

§  3.  Die  Schulärzte  haben  mindestens  einmal  im  Sommer  und  einmal 
im  Winter  sämtliche  Räume  der  ihnen  tkbertragenen  Schulen  einschliefslich 
der  Turnhallen,  der  Schulhöfe,  Abortanlagen  usw.  einer  genauen  Besichtigung 
zu  unterziehen. 

Aufserdem  hat  der  Schularzt  öfters  jede  der  ihm  zugewiesenen  Schulen 
zu  besuchen,  hierbei  aber  mit  dem  betr.  Rektor  Aber  die  in  der  Schule 
herrschenden  allgemeinen  Gesundheitsverhältnisse  Rflcksprache  zu  nehmen 
und  durch  Besuche  der  Schulräume,  vor  allem  auch  der  Unterrichtsräume, 
die  jedoch  während  des  Unterrichts  nur  im  Einverständnis  mit  dem  Rektor 
durch  die  Schulärzte  besucht  werden  dürfen,  sich  von  der  richtigen  Hand- 
habung aller  zur  Gesundheit  der  Lehrer  und  Schüler  getroffenen  Ein- 
richtungen und  Anordnungen  zu  überzeugen. 

Die  hierbei  gemachten  Beobachtungen  Ober  die  Beschaffenheit  der  zu 
überwachenden  Gegenstände,  sowie  über  Handhabung  der  Reinigung, 
Lüftung,  Heizung,  Beleuchtung  usw.  und  die  etwa  an  diese  Beobachtungen 
sich  anschließenden  Vorschläge  sind  alsbald  dem  Rektor  der  betr.  Schule 
schriftlich  mitzuteilen. 

Endlich  haben  die  Schulärzte  dem  Stadtbauamt  vor  Beginn  der 
Sommerferien  etwaige  Wünsche  und  Vorschläge  zum  nächstjährigen  Bau- 
bedürfnisstand  der    ihnen   übergebenen  Schulen  einzureichen  und  bei  der 


123  43 

im  November  behafe  Stellang  von  Anträgen  zam  Banbedflrfnisstand  vor- 
zonehmenden  Besichtigung  der  Schale  dem  Vorstand  des  Stadtbaoamts 
anheimzostellen  zagegen  zu  sein. 

§  4.  Die  Schulärzte  haben  die  neu  eintretenden  Schüler  genau  auf 
ihre  Körperbeschaffenheit  und  ihren  Gesundheitszustand  zu  untersuchen  und 
festzustellen,  ob  sie  einer  dauernden  ärztlichen  Überwachung  oder  besonderer 
Berücksichtigung  beim  Unterricht  bedürfen,  wie  Anweisung  eines  besonderen 
Sitzplatzes  mit  Rücksicht  auf  Gresichts-  oder  Gehörfehler,  Befreiung  vom 
Unterricht  in  einzelnen  Fächern,  wie  Turnen  und  Singen. 

Die  erste  Untersuchung  der  neu  eintretenden  Kinder  durch  den 
Schularzt  hat  baldmöglichst  zu  geschehen,  und  zwar  auf  Grund  eines 
Formulars  (Gesundheitsscheins,  s.  unten  §  6),  in  welches  der  betr.  Klassen- 
lehrer die  Personalien  der  Schüler,  sowie  die  an  ihnen  vorgenommenen 
Messungen  und  Wiegungen  bereits  eingetragen  hat. 

Die  Untersuchung,  bei  welcher,  wenn  möglich,  ein  Zeugnis  eines 
Arztes  betr.  überstandene  Krankheiten,  allgemeine  Konstitution  usw.  mit 
vorgelegt  werden  soll,  ist  in  der  Weise  vorzunehmen,  dafs  die  Kinder 
gmppenweise  in  Anwesenheit  des  Lehrers,  soweit  Mädchen  in  Frage 
kommen,  in  Anwesenheit  einer  Lehrerin,  dem  Schularzte  vorgeführt  werden. 
Die  Kinder  haben  einzeln  und  unmittelbar  vor  der  Untersuchung  Ober- 
körper,  sowie  die  Beine  vom  Knie  abwärts  und  die  Füfse  zu  entblöisen. 

Die  Untersucbungsergebnisse  werden  in  den  Gesundbeitsschein  ein- 
getragen. Von  etwa  gefundenen  Krankheitszuständen  sind  die  Eltern 
mittels  vorgedruckten  Formulars  durch  den  Schularzt  zu  benachrichtigen; 
doch  hat  letzteres  nur  zu  geschehen  bei  ernsten,  wichtigen  Erkrankungen, 
wo  das  Interesse  des  Kindes  oder  der  Schule  es  erfordert,  und  insbesondere 
wenn  nicht  anzunehmen  ist,  dafs  die  Eltern  von  denselben  schon  Kenntnis 
haben. 

Von  dieser  Untersuchung  ist  dann  abzusehen,  wenn  die  Eltern  vor 
dem  Untersuchungstermin  dem  betreffenden  Klassenlehrer  einen  Antrag  auf 
Unterlassung  der  Untersuchung  einreichen  und  gleichzeitig  ein  ärztliches 
Zeugnis    über  die  Körperbeschaffenheit    und    den  Gesundheitszustand   bei- 


§  ö.  Über  jedes  neu  eintretende  Kind  ist  ein  dasselbe  während 
seiner  ganzen  Schulzeit  begleitender  „Gesundbeitsschein"  auszufüllen. 
Erscheint  ein  Kind  einer  ständigen  ärztlichen  Überwachung  bedürftig,  so 
ist  der  Vermerk:  „ärztliche  Beobachtung^  auf  der  ersten  Seite  des 
Gesundheitsscheins  oben  rechts  zu  machen. 

Die  Spalte  betr.  „allgemeine  Konstitution"  ist  bei  der  Aufnahme- 
ontersuchung  für  jedes  Kind  auszufüllen,  und  zwar  nach  den  Kategorien 
»gat,  mittel,  schlecht**,  das  Wort  „gut"  ist  nur  bei  vollkommen  tadellosem 
Gesundheitszustand,  „schlecht"  nur  bei  ausgesprochenen  Krankheitsanlagen 
oder  chronischen  Erkrankungen  zu  wählen. 

Die  anderen  Rubriken  der  ersten  Seite  des  Gesundheitsscbeins  werden 
Ton  dem  Schularzt  nur  ausgefüllt,  wenn  irgend  etwas  Abnormes  hier  zu 
Yerzeichnen  ist. 

Dagegen  sind  Spalten  3  und  4,  Gröfse  und  Gewicht,  bei  der  Auf- 
nahme   wie    später,    etwa  in   der  Mitte  eines  jeden  Halbjahres,    in  allen 


44  124 

FftUen,  und  zwar  von  dem  Klaflsenlehrer  anszofUlen,  mit  Abrandnng  auf 
Vi  cm  uid  V«  kg. 

Ebenso  ist  auf  Seite  2  des  GesQndheitsscheines  die  zweite,  dritte  mid 
vierte  Spalte  (Aagen  uid  Sehschärfe  —  Ohren  und  Gehör  —  Beschaffenheit 
der  Zähne  nnd  Mundhöhle)  bei  allen  neu  eintretenden  Kindern  ansznfflllen 
und  zwar  von  dem  Schularzt. 

Die  Gesundheitsscheine  sind  in  den  betr.  Klassen  in  einem  dauer- 
haften Umschlage  aufzubewahren  und  bleiben,  solange  sie  nicht  von  dem 
Schulvorstand  eingefordert  werden,  in  der  Schule. 

Die  Scheine  mit  dem  Vermerk:  „ärztliche  Beobachtung"  sind  dem 
Schularzt  bei  jedem  Besuch  in  der  Klasse  Torzulegen. 

Tritt  ein  Kind  in  eine  andere  hiesige  Schule  Aber,  so  ist  sein  Ge- 
sundheitsschein  dahin  durch  den  Rektor  zu  flbersenden. 

Tritt  ein  Kind  nach  beendeter  Schulpflicht  oder  yor  dieser  Zeit  wegen 
Wegzugs,  Kränklichkeit  oder  dergl.  gänzlich  aus  hiesigen  Schulen  aus,  oder 
tritt  es  in  eine  höhere  Schule  Ober,  so  ist  sein  Gesundheitsschein  dem 
Bflrgermeisteramt  nach  Schlufs  des  Halbjahres  einzureichen. 

§  6.  Alle  14  Tage  —  wenn  ansteckende  Krankheiten  auftreten, 
jederzeit  auf  Ersuchen  dos  Rektors  —  hält  der  Schularzt  an  einem  mit 
dem  betr.  Rektor  yorher  yerabredeten  Tage,  woyon  auch  gegebenenfalls 
dem  Kreisarzt  Kenntnis  zu  geben  ist,  in  der  Schule  Sprechstunden  ab,  und 
zwar  in  einem  von  dem  Rektor  bestimmten  geeigneten  Räume.  Die  Zeit 
derselben  ist  für  Sommer  und  Winter  festzusetzen. 

Die  erste  Hfilfte  der  Sprechstunde  dient  zu  einem  je  10  bis  15  Minuten 
dauernden  Besuch  von  drei  bis  fünf  Klassen  während  des  Unterrichts,  und 
zwar  in  Begleitung  des  Rektors.  Bei  diesen  Besuchen  werden  sämtliche 
Eonder  der  betr.  Klassen  einer  äufseren  Besichtigung  unterzogen;  bei  be- 
sonderen, zu  sofortiger  Besprechung  geeigneten  Beobachtungen  wird  yon 
dem  Lehrer  Auskunft  erfordert  und  ihm  solche  auf  Verlangen  erteilt. 
Erscheinen  hierbei  einzelne  Kinder  einer  genaueren  Untersuchung  bedflrftig, 
so  ist  diese  nachher  in  dem  ärztlichen  Sprechzimmer  yorzunehmen. 

Gleichzeitig  dienen  diese  Besuche  auch  zur  Besichtigung  der  Schul- 
räume und  deren  Einrichtung,  sowie  zur  Kontrolle  Aber  Lflftung,  Heizung» 
körperliche  Haltung  der  Schulkinder  u.  dergl.  (s.  oben  §  3),  wobei  yon 
dem  Arzte  erwartet  wird,  da(s  er  hierbei  jedes  Blofsstellen  eines  Lehrers 
yor  seiner  Klasse  in  taktyoller  Weise  yenneidet. 

§  7.  Die  zweite  Hälfte  der  Sprechstunde  dient  dazu,  etwa  erforder- 
liche genauere  Untersuchungen  einzelner  Kinder  yorzunehmen,  soweit  an- 
gängig in  Gegenwart  des  betr.  Klassenlehrers,  soweit  Mädchen  in  Frage 
kommen,  in  Anwesenheit  einer  Lehrerin.  Auch  sind  hierbei  Kinder  aus 
anderen,  an  dem  Tage  nicht  besuchten  Klassen,  jedoch  nur  in  wirklich 
dringenden  Fällen,  besonders  beim  Verdacht  auf  ansteckende  Ejrankheiten, 
dem  Schularzt  yorzufdhren. 

Die  Gesundheitsscheine  aUer  zur  Untersuchung  yorgefährten  Kinder 
sind  yon  dem  Klassenlehrer  dem  Schularzt  yorzulegen. 

Die  ärztliche  Behandlung  erkrankter  Schulkinder  durch  die  Schulärzte 
ftllt  nicht,  falls  dieselbe  yon  den  Eltern  gewflnscht  wird,  unter  die  durch 
Vertrag  mit  der  Stadt  yereinbarten  Pflichten  derselben. 


125  4b 

§  8.  Anliser  diesen  regelm&Cngen  Untenmcliiingen  haben  die  Schul- 
iBte,  wenn  sie  Ton  den  Rektoren  oder  dem  Schnlvorstand  dazn  aufgefordert 
werden,  anfeerordentliche  üntersachnngen  nnd  Begotachtongen  Torznnebmen: 

1.  nm,  falls  die  Eltern  kein  anderweites  genügendes  ärztliches  Zeugnis 
beibringen,  festznsteüen,  ob  Schnlversänninis  gerechtfertigt  ist,  ob  eine 
ansteckende  oder  ekelerregende  Krankheit  bei  einem  Kinde  vorliegt, 
ob  Kinder,  welche  an  ansteckenden  Krankheiten  gelitten  haben,  ohne 
GefUirdnng  der  Mitschüler  zum  Schnlbesnch  wieder  zugebissen  werden 
können; 

2.  um  zu  begutachten,  ob  eine  nachgesuchte  Befreiung  von  einem  oder 
mehreren  UnterrichtsgegenstAnden  vom  ibrztlichen  Standpunkt  zu  emp- 
fehlen ist; 

3.  um  zu  bestimmen,  ob  ein  Kind  infolge  Schwächlichkeit  oder  Krankheit 
Ton  der  Benutzung  der  Schulbftder  auszuschlie&en  ist; 

4.  um  auf  Antrag  eines  Lehrers  zu  begutachten,  ob  f^  ein  Kind  wegen 
Schwachsinns  die  Au&ahme  in  die  HiUsschule  oder  wegen  Stottems 
die  Zulassung  zu  den  Stottererkursen  empfohlen  oder  ob  ein  schwäch- 
liches Kind  dem  Verein  für  Ferienkolonien  zur  Berücksichtigung  vor- 
geschlagen werden  soll. 

Wenn  diese  Untersuchungen  in  der  Schule  nicht  stattfinden  können,  soll 
der  Schularzt  yerpfiichtet  sein,  sie  in  dem  Hause  der  Eltern  vorzunehmen. 

Bei  all  den  vorerwähnten  Untersuchungen  haben  die  Schulärzte 
strengste  Rücksicht  auf  die  behandehiden  Ärzte  zu  nehmen.  Sie  haben  es 
sidi  zum  Grundsatz  zu  machen,  in  allen  den  Fällen,  wo  behandelnde  Ärzte 
ngezogen  wurden,  nur  im  Einvernehmen  mit  diesen  eine  Untersuchung 
Tomuiehmen  bezw.  ein  Zeugnis  auszustellen. 

§  9.  Bei  dem  Auftreten  einer  ansteckenden  Krankheit  in  einer  Schule 
to  der  Schularzt  die  Schule  häufiger  zu  besuchen,  namentlich  auch,  um 
dmaf  zu  achten,  dafe  von  der  Krankheit  ergriffene  oder  derselben  ver- 
dichtige Kinder  frühzeitig  aus  der  Schule  entfernt  werden,  und  daCs  den 
§§  2,  3  und  6  des  lünisterialerlasses  vom  14.  Juli  1884,  betr.  „Yer- 
l^fltmig  der  Übertragung  ansteckender  Krankheiten  durch  die  Schulen **,  so- 
wie dem  Ministerialerlafs  vom  20.  Mai  1898,  betr.  „Verhütung  der  Über- 
tragung ansteckender  Augenkrankheiten  durch  die  Schulen^,  in  allen  Fällen 
tttqnrochen  werde.  Die  im  §  5  des  ersterwähnten  Erlasses  geforderte 
Anzeige,  jede  Ausschlielsung  eines  Kindes  vom  Schulbesuche  wegen  an- 
steckender Krankheit,  hat  durch  den  Rektor  zu  geschehen. 

Im  übrigen  haben  die  Schulärzte  sich  jeder  Anordnung  zu  enthalten, 
&  nach  den  vorgenannten  Ministerialerlassen  dem  Kreisarzt  vorbehalten  ist. 

§  10.  Die  Schulärzte  haben  von  dem  Ergebnisse  ihrer  Beobachtungen^ 
soweit  nötig,  den  Rektor,  eventuell  auch  den  Schulvorstand  und  den  Kreis- 
*nt  in  Kenntnis  zu  setzen.  Ein  Recht  zu  selbständiger  Anweisung  an 
&  Bektoren  oder  Lehrer,  sowie  an  die  Schulbediensteten  haben  die  Schul- 
de nicht. 

Glauben  sie,  dafs  den  von  ihnen  in  bezug  auf  die  Behandlung  der 
Kinder  oder  der  Hygiene  der  Schulräume  gemachten  Vorschlägen  nicht  in 
genOgender  Weise  Rechnung  getragen  wird,  so  haben  sie  ihre  darauf  be- 
z^lglichen  Beschwerden  in   erster  Linie  an   den  Schulvorstand  zu  richten. 


46  126 

§  11.  Die  Schulärzte  haben  Aber  die  amtlichen  Yorkommmsse  ein 
Tagebach  zn  führen  und  über  jede  Schale  ein  Aktenstück  zn  halten, 
welches  einen  leichten  Überblick  Aber  alle  in  gesnndheitlicher  Beziehung 
wichtigen  Einrichtangen  and  Verhältnisse  der  Schale  ermöglicht.  Dasselbe 
ist  Eigentam  des  Schalvorstandes  and  geht  im  Falle  des  Rfldctritts  eines 
Schalarztes  aaf  dessen  Nachfolger  ttber. 

Die  Schalärzte  haben  bis  spätestens  15.  Mai  Aber  ihre  Tätigkeit  in 
dem  abgelanfenen  Schaljahr  einen  schriftlichen  Bericht  dem  Scholyorstand 
einznreichen.  Derselbe  hat  diese  Einzelberichte,  mit  einem  knrzen  über- 
sichtlichen Gesamtbericht  bis  spätestens  15.  Jani  der  Stadtverordneten- 
versammlang  vorzalegen.  Die  Berichte  der  Schalärzte  sind  nach  einem 
festzasetzenden  Schema  abznfassen. 

In  besonderen  Fällen  kann  der  Schalvorstand  auch  aaber  dieser  Zeit 
von  den  Schulärzten  eine  mttndliche  oder  schriftliche  Berichterstattnng  ein- 
fordern. 

§  12.  Massenantersachangen  von  Schnlkindem  znm  Zweck  der  Lösung 
hygienischer  oder  rem  wissenschaftlicher  Fragen  dflrfen  von  den  Schal- 
ärzten wie  von  anderen  Ärzten  nnr  mit  Zustimmung  des  Schulvorstandes 
vorgenommen  werden. 

§  13.  Die  Schulärzte  sind  verpflichtet,  sich  gegenseitig  ohne  Ver- 
gütung zu  vertreten. 

Will  ein  Schularzt  aufserhalb  der  Zeit  der  Schulferien  auf  länger  als 
eine  Woche  die  Stadt  verlassen,  so  hat  er  mindestens  acht  Tage  vor  seinem 
Weggang  dem  Bürgermeister  hiervon  schriftlich  Mitteilung  zu  machen. 
Das  Gleiche  hat  zu  geschehen,  wenn  ein  Schularzt  voraussichtlich  für  einige 
Zeit  durch  Krankheit  verhindert  ist,  seinen  Dienst  zu  versehen. 

Der  Bürgermeister  bestimmt  die  Stellvertretung. 

Dauert  die  Vertretung  länger  als  vier  Wochen,  so  kann  der  betr. 
Arzt  verlangen,  dafs  nunmehr  ein  anderer  Arzt  mit  der  Vertretung  beauf- 
tragt werde. 

§  14.  Für  ihre  Mühewaltung  erhalten  die  Schulärzte  ein  am  Ende 
jeden  Vierteljahres  zu  zahlendes  Jahreshonorar  von  je  500  Mark. 

§  15.  Die  Schulärzte  werden  von  der  Stadtverordnetenversammlung 
auf  unbestimmte  Zeit  bei  gegenseitiger  dreimonatlicher  Kündigung  gewählt. 

Wenn  ein  Schularzt  dauernd  an  der  Erfüllung  seiner  Obliegenheiten 
behindert  sein,  oder  deren  Erfüllung  fortgesetzt  vernachlässigen  sollte,  ist 
der  Bürgermeister  berechtigt,  ihn  seiner  Stellung  als  Schularzt  ohne  weitere 
Gewährung  des  Honorars  zu  entheben. 

§  16.  Der  städtische  Schulvorstand  behält  sich  vor,  diese  Dienst- 
ordnung nach  Anhörung  der  Stadtverordnetenversammlung  abzuändern  oder 
zu  erweitem. 

St.  Johann  a.  d.  Saar,  den  1.  Oktober  1899. 

Der   städtische   Schulvorstand. 


Iritfdirift  fit  SiliiilgtMlirttüillriir. 

XVin.  Jahrgang.  1905.  No.  3  u.  4 


(Drijtnalab^ttblitttjett. 


Zur  physisehen  und  geistigen  Entwicklung  des  Kindes 
wfthrend  der  ersten  Schuljahre. 

Von 

Dr.  Eduabd  Qüibsfbld, 
k.  k.  Oberbezirksarst  in  Bamburg. 

Mit  17  Abbildungen  im  Text 

Die  Yor  mehreren  Jahren  von  mir  durchgeführte  Untersuchung 
.Ton  nahezu  8000  Schulkindern  veranlafste  mich,  den  Gang  der 
physischen  xmd  geistigen  Entwicklung  des  Kindes  von  der  Zeit 
BeiBes  Eintrittes  in  die  Schule  bis  zu  seinem  Austritte  aus  derselben, 
d.  i.  bis  zu  seinem  vollendeten  14.  Lebensjahre  zu  verfolgen  und 
diese  Untersuchungen  jedes  Jahr  im  Monate  Juli  an  denselben 
Kindern  zu  wiederholen.  Ich  schlug  diese  individualisierende  Methode 
ZOT  Verfolgung  der  Entwicklung  einer  Reihe  von  Kindern  ein,  um 
Aufischlüsae  über  Krankheiten  oder  Krankheitsanlagen  und  über  den 
imgünstigen  Einflufs  dieser  auf  den  Gang  der  Entwicklung  des 
Kindes  zu  gewinnen. 

Wenn  auch  die  Ergebnisse  meiner  Untersuchungen  nichts 
durchaus  Neues  bringen,  so  ergänzen  und  bestätigen  sie  doch  die 
bisher  von  anderer  Seite  festgelegten  Daten. 

Von  den  vorerst  bis  zum  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres  aus 
6mem  nur  bescheidenen  Untersuchungsmateriale  gewonnenen  Re- 
sultaten soll  hier  eine  vorläufige  Mitteilung  gemacht  werden. 

Die  Mädchen  wurden  unter  Belassung  ihrer  leichten  Sommer- 
Ueidung,  die  Knaben  ohne  Rock  und  Weste  untersucht,  beide  ohne 
Sehuhe  gewogen,  gemessen,  und  die  Sehschärfe  im  Klassenzimmer 

Sehnlgresnndheitopflegre.  XVIII.  7 


128 


an  einer  hell  erleuoliteten  Wand  unter  Vorlage  und  Stellungs- 
Veränderung  des  grolÜsen  gedruckten  E  festgestellt,  der  Brustumfang 
wurde  während  der  Atempause  gemessen. 

I.  K8rperläii];e. 

Die  Körperlänge  des  kleinsten  seohqährigen  Kindes  betrug 
98  om,  die  des  gröDsten  127  cm.  Die  Körperlänge  des  kleinsten 
zehnjährigen  Eündes  betrug  114  cm,  die  des  gröüsten  150  cm. 

Übersicht  über  die  Grröfsenunterschiede  der  Kinder 
im  Alter  von  6 — 10  Jahren. 


Körpe 

rlänge 

Alter 

Geschlecht 

des 

kleinsten 

Kindes 

des 
grofsten 
Kindes 

Differenz 

Jahre 

cm 

cm 

cm 

6 

£Dabe 

98 

126 

28 

6 

Mftdchen 

98 

127 

29 

7 

Knabe 

99 

127 

28 

7 

Mädchen 

100 

180 

80 

8 

Knabe 

106 

183 

28 

8 

Mädchen 

104 

185 

81 

9 

Knabe 

107 

141 

34 

9 

Mädchen 

109 

189 

80 

10 

Knabe 

114 

145 

•  31 

10 

Mädchen 

111 

150 

89 

Die  kleinsten  wie  die  gröfsten  Knaben  halten  im  Höhenwachstum 
vom  sechsten  zum  zehnten  Lebensjahre  ziemlich  gleichen  Schritt ;  sie 
wuchsen  um  16  bezw.  18  cm.  Bei  den  Mädchen  konnte  nicht  die- 
selbe Wahrnehmung  gemacht  werden,  denn  die  kleinsten  Mädchen 
wuchsen  durchschnittlich  um  26,  die  gröfsten  um  16  cm;  es  wuchsen 
demnach  die  kleinsten  Mädchen  durchschnittlich  rascher  als  die 
Knaben  und  die  gröfsten  Mädchen. 

Das  durchschnittliche  Wachstum  der  Untersuchten  betrug  in 
den  vier  Schuljahren  15  cm,  wobei  die  kleineren  Kinder  durch- 
schnittlich um  13,  die  gröfseren  um  23  cm  gewachsen  waren. 

Ein  Drittel  aller  sechsjährigen  Kinder  hatte  eine  Körperhöhe 
zwischen  109  und  113  cm,  ein  Drittel  aller  zehnjährigen  Kinder 
hatte  eine  Körperhöhe  zwischen  126  und  130  cm. 

Nur  2,5  7o  der  untersuchten  Kinder  mit  sechs  bezw.  zehn  Jahren 
erreichten  eine  Körperhöhe  über  120  bezw.  140  cm. 


129 


In  Figur  1  werden  die  Gröfsenverhältnisse  der  Kinder  beim 
Eintritte  in  die  Schule,  bezw.  beim  Beginne  des  siebenten  Lebens- 
jabres,  und  in  Figur  2  jene  am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres, 


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Knaben 


—  Mhpcmen 


Fig.  1. 


Das  Hohenwacbstiim  von  1014  Kindern  znr  Zeit  des  Sohuleintrittet 
(Beginn  des  6.  Lebensjahres). 


20    I — I     I     I     I     I     I     I     I     I     I — n — I     I     I     I    20 


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' KNABtN 


—   T^ÄPCHtN 


Fig.  8. 


Du  flohenwachstnm  von  1014  Kindern  am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres 
(Ende  des  10.  Leben^ahres). 


130 

bezw.  am  Ende  des  zehnten  Lebensjahres,  getrennt  nach  Ge- 
schlechtern znr  Darstellung  gebracht.  Es  veranschaulichen  diese 
Figuren:  1.  dafs  beim  Schuleintritte  der  relativ  höchste  Prozentsatz 
der  Mädchen  (17,61  %)  die  Körperlänge  von  1 10  cm,  der  relativ  höchste 
Prozentsatz  der  Knaben  (16,89  7o)  dagegen  die  Körperlänge  von  108  cm 
erreicht;  2.  dafs  am  Ende  des  vierten  Schuljahres  die  Mädchen  eine 
Körperhöhe  von  130  cm  mit  15,727o,  die  Knaben  die  gleiche 
Körperhöhe  nur  mit  13,51%  ihrer  Zahl  erzielten.  —  In  beiden 
Zeitperioden  erreichten  die  Mädchen  durchschnittlich  eine  etwas 
gröüsere  Körperlänge  als  die  Knaben.  Immerhin  waren  Körperlängen 
von  112  bezw.  130  cm  aufwärts  bei  Knaben,  Körperhöhen  unter 
110  bezw.  130  cm  hingegen  bei  Mädchen  verhältnismäfsig  häufiger 
zu  treffen. 

Bei  78%  der  Kinder  betrug  die  Differenz  zwischen  dem  sechsten 
und  zehnten  Lebensjahre  15—20  cm;  eine  Differenz  von  18  cm  bei 
14,65%  aller  Kinder  war  die  am  häufigsten  beobachtete. 

Die  Grölsendifferenz  zwischen  kleinsten  und  grölsten  Knaben 
war  mit  dem  sechsten  wie  mit  dem  zehnten  Lebensjahre  nahezu  die 
gleiche;  unter  den  Mädchen  war  diese  Differenz  im  zehnten  Lebens« 
jähre  bedeutend  namhafter  als  im  sechsten  Lebensjahre. 

Nach  Figur  3,  welche  die  Differenz  im  Höhenwaohstum 
zwischen  dem  sechsten  und  zehnten  Lebensjahre  zur  Darstellung 
bringt,  waren  grolse  Differenzen  von  18  bis  26  cm  bei  Mädchen, 
solche  von   12  bis  18  cm  dagegen  bei  Knaben  häufiger  anzutreffen. 

Im  ersten  Schuljahre  betrug  das  durchschnittliche 
Wachstum,  wie  Figur  4  zeigt,  2,5  cm,  in  jedem  folgenden 
Schuljahre  5  cm,  wobei  die  groüsen  wie  die  kleinen  Kinder  ziemlich 
gleichen  Schritt  hielten.  Im  zehnten  Lebensjahre  ging  das  Wachstum 
der  gröfsten  Elinder,  insbesondere  der  Mädchen,  rascher  vor  sich. 

Am  durchschnittlichen  Höhenwachstum  beteiligten  sich  die 
Knaben  stärker  als  die  Mädchen,  und  zwar: 

im  1.  Schuljahre  mit    2%  ihrer  Gesamtzahl 


2, 

n 

-       9, 

3. 

n 

-     20  „ 

4. 

n 

„     10» 

Kinder  der  besser  situierten  Eltern  wachsen  durch- 
schnittlich rascher  als  die  übrigen. 

Ein  Stillstand  im  Längenwachstum  wurde  in  jedem  Schuljahre 
festgestellt;  so  betraf  der  Stillstand 


131 


§ 

•     '     '     '   />>'  1 

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30 
25 

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25 

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Fig.  8. 

Die  Differenz  im  Höhenwachstum  bei  1014  Kindern 

zwisohen  dem  6.  und  10.  Lebensjahre. 


Jffi  Schutjahrt      Jm  2. 5cttül jahrr       Jffr3.5d^tiljahre   j     Jffl^^Schuljahri 


^     ^     r^  ^     ^      f^ 


C*^       -*^        ^        ■=  ^'^      *»*         ^E 

^-     -^     r<      m         '^    ^      r^ 


>I\NA6LN 


70 
60 

50 


—  MflPCHW 


Fig.  4. 


Dm  jährliche  Höhenwachstam  der  Kinder  im  ersten  bis  vierten  Schuljahre. 


132 

nach  dem  1.  Sohnljahre  7,1%  aller  Kinder, 

O  3  7 

n  n         ^'  n  **>•»  n  n 

«  »         3.  „  3,2    »  n  n 

4  16 

In  gleich  absteigender  Linie  bewegen  eich  die  Zahlen  bei  einer 
Zunahme  der  Körperlange  yon  0  bis  3  cm  pro  anno;  bei  einer  Zu- 
nahme von  mehr  als  3  cm  pro  anno  bewegen  sich  die  Zahlen  wieder 
in  au&teigender  Linie.  Je  älter  somit  das  Kind  wird,  desto 
gröfser  ist  auch  die  Zunahme  in  der  KOrperlänge  in  einem 
Jahre.  Vereinzelt  kommen  stärkere  Zunahmen  vor,  von  elf  und 
mehr  Zentimetern  in  einem  Jahre,  jedoch  nur  bei  Mädchen. 

Am  Ende  des  ersten  Schuljahres  war  Stillstand  des  Höhen- 
wachstums bei  Knaben,  am  Ende  der  folgenden  Jahre  bei  Mädchen 
häufiger.  Ein  Wachstum  yon  mehr  als  10  cm  im  dritten  und  vierten 
Jahre  war  bei  Knaben  ungleich  seltener  zu  treffen  als  bei  Mädchen. 

Weitere  Schlüsse  aus  diesen  und  aus  einzelnen  anderen  der 
nachfolgenden  Zusammenstellungen  zu  ziehen,  unterlasse  ich,  da  diese 
Untersuchungen  erst  nach  dem  achten  Schuljahre  als  abgeschlossen 
zu  betrachten  sein  werden. 

n.  Bntstamfang. 

Der  kleinste  Brustumfang  betrug  bei  den  sechsjährigen  Kindern  42, 
der  gröfste  60  cm,  bei  den  zehnjährigen  Kindern  50  bezw.  65  cm. 


Mit  6  Jahren  betrug  bei  Knaben 

7 

n       8  „  „ 

q 

.  10        „ 

«  10        , 

Beim  Eintritte  in  die  Schule  hatte  nach  Figur  5  der  höchste  Prozent- 
satz der  Mädchen,  und  zwar  20,75%,  52,5  bis  53  cm  Brustumfang, 
während  die  gröüste  Zahl  der  Knaben,  und  zwar  17,90%,  53,5  bis 
54  cm  Brustumfang  hatten.  Ein  Brustumfang  mit  55  om  und  darüber 
war  im  allgemeinen  bei  Knaben  häufiger  zu  treffen  ab  bei  Mädchen. 


der  kleinste    der  groA 
Brustamfang 
cm                     cm 

Knaben 

42 

60 

Mädchen 

48 

60 

Knaben 

49 

61 

Mädchen 

49 

61 

Knaben 

50 

63,5 

Mädchen 

49 

61 

Knaben 

50 

63,5 

Mädchen 

50 

62 

Knaben 

51 

64 

Mädchen 

50 

65 

133 


Nach  Figur  6  hatte  am  Sohiofs  des  vierten  Sohuljahres  der 
relativ  gröfste  Prozentsatz  der  Knaben  (18,91%)  einen  Brustumfang 
TOD  56,5  bis  57  cm,  während  der  relativ  gröüste  Prozentsatz  der  Mädchen 
(17,60^/o)  einen  solchen  von  53,5  bis  54  cm  aufwiesen.  Ein  Brust- 
umfaDg  von  mehr  als  57  cm  war  häufiger  bei  Knaben  als  bei  Mädchen. 


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Figr.  5. 


Der  BruBtamfang  bei  1014  Kindern  zur  Zeit  des  Schaleintrittes 
(Beginn  des  6.  Lebensjahres). 


X«  ss??^s^^ssissö  sHtI 

20 

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■10 

■5 
■0 

20 

15 

-10 

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Fig.  6. 


Der  Bmsinmfiang  bei  1014  Kindern  am  Schlnsse  des  vierten  Schuljahres 
(Ende  des  10.  Lebensjahres). 


Unter  den  sechsjährigen  Knaben  hatten  einen  Brustumfang 
bis  49  cm  3,5  %  (doppelt  soviel  Mädchen  als  Knaben), 

9    52  „  31,43  „    (mehr  Mädchen  als  Knaben), 


von  52—54 


33,71  „    ( 


), 


134 

von  54 — 56  cm  22,807o  (mehr  Knaben  als  Mädchen), 

„     56-58  ,  9,60  .    (    „  ,        „         „        ), 

^     58  cm  aufwärts     2,28  „    (yiermal  mehr  Knaben  als  Mädchen). 

Unter  den  zehnjährigen  Kindern  ist  der  Unterschied  beider 
Geschlechter  ein  namhafterer;  hier  hatten  einen  Brustumfang 

bis  54  cm  10,74%  der  Knaben  (mehr  als  doppelt   soviel 

Mädchen  als  E^aben), 
von  54 — 56  „  22,63  „      „  „        (dreimal  mehr  Mädchen  als 

Knaben), 
„    56— 58  „  32,89^     „  „        (mehr  Knaben  als  Mädch.), 

.    58—60  „  21,49  ,     „  ,        (    „  ,        .         „     ), 

„     60 — 62  „  10,26  „      „  „        (dreimal  mehr  Knaben  als 

Mädchen), 
„     62  cm  aufwärts     3,58  „      „  „        (doppelt    soviel    Knaben 

als  Mädchen). 

Bei  den  zehnjährigen  Mädchen  hat  der  Brustumfang  in  den 
vier  Schuljahren  nur  wenig  zugenommen;  17,5%  derselben  erzielten 
einen  Brustumfang  bis  54  cm,  147o  von  54  bis  55  cm,  16,5%  von 
55  bis  56  cm;  Knaben  erreichten,  wie  oben  angegeben,  von  56  cm 
Umfang  ab  in  allen  Umfangslagen  ein  höheres  Prozent.  Das  durch- 
schnittliche Wachstum  des  Brustumfanges  innerhalb  der 
vier  ersten  Schuljahre  betrug  4  cm. 

Wie  in  Figur  7  dargestellt,  betrug  bei  beiden  Geschlechtern 
die  Differenz  im  Wachstum  des  Brustumfanges  vom 
sechsten  zum  zehnten  Lebensjahre  relativ  in  den  meisten 
Fällen  3  bis  5c  m.  Die  relativ  gröfste  Zahl  der  Knaben,  und  zwar 
21,95  7o,  hatte  eine  Differenz  von  5  cm,  die  relativ  gröfste  Zahl  der 
Mädchen,  und  zwar  21,69%  derselben,  eine  solche  von  nur  3  cm 
erreicht.  Höhere  Differenzen  als  7  cm  waren  bei  den  Knaben  häufiger 
zu  treffen  als  bei  den  Mädchen,  und  erreichten  nur  4%  aller  Kinder 
eine  solche  Zunahme  im  Wachstum. 

Bei  3,2%  der  Kinder  hat  der  Brustumfang  in  den  ersten  vier 
Schuljahren  nicht  zugenommen,  darunter  bei  8,5%  der  Mädchen. 
Bei  ll,47o  der  Kinder  hat  der  Umfang  des  Brustkorbes  nur  um 
0,5  bis  1  cm  zugenommen,  darunter  bei  7,2  7o  der  Mädchen. 

Grofse  Differenzen  im  Wachstum  des  Brustumfanges 
vom  sechsten  bis  zum  zehnten  Lebensjahre  sind  bei  Kindern 
besser  situierter  Eltern  um  57o  häufiger  als  bei  den 
übrigen. 


135 


Bei  jenen  Kindern,  bei  welchen  die  Differenz  im  Höhenwaohstum 
vom  sechsten  bis  znm  zehnten  Lebensjahre  bis  13  cm  betrug,  hat 
der  Brustumfang  durchschnittlich  um  3  cm  zugenommen,  bei  jenen, 
bei  welchen  die  Differenz  21  bis  26  cm  betrug,  hat  der  Brustumfang 
durchschnittlich  eine  Erweiterung  um  2  cm  erfahren.  Das  Längen- 
wachstum steht  demnach  zum  Wachstum  des  Brustumfanges 
im  umgekehrten  Verhältnis;  je  stärker  ersteres,  desto  geringer 
letzteres. 

Der  Brustumfang  steht  unter  der  Hälfte  der  Körperlänge  bei 
70 7o  der  Knaben  und  bei  66,03%  der  Mädchen. 


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—■7  KNABEN  A\A9CHLN 

Fig.  7. 

Differenz  im  Wachstum  des  Brastamfanges  bei  1014  Kindern 
zwischen  dem  6.  und  10.  Lebensjahre. 


Der  Brustumfang  beträgt  mehr  als  die  Hälfte  der  Körper- 
IftDge  bei  19%  der  Knaben  und  bei  14,48%  der  Mädchen. 

Der  Brustumfang  beträgt  die  Hälfte  der  Körperlänge  bei  11% 
der  Knaben  und  bei  19,497o  der  Mädchen. 

Je  grö&er  das  Kind,  desto  mehr  und  häufiger  bleibt  der  Brust- 
umfang unter  der  Hälfte  der  Körperlänge  zurück. 

Bei  50  7o  der  Knaben  und  47%  der  Mädchen,  welche  einen 
Brostumfang  bis  51  cm  hatten,  hat  dieser  Tom  sechsten  zum  zehnten 
Ubensjahre  um  5  bis  7  cm  zugenommen. 

Bei  43%  der  Knaben  und  bei  33  7o  der  Mädchen,  welche  einen 


136 

Brustumfang  vou  51  bis  55  cm  hatten,  hat  derselbe  in  den  vier 
Schuljahren  um  4  bis  6  cm  zugenommen. 

Bei  50  7o  der  Knaben  und  40 7o  der  Mädchen,  welche  einen 
Brustumfang  von  56  bis  60  cm  hatten,  hat  dieser  während  der  vier 
Jahre  eine  Erweiteruug  um  3  bis  5  cm  erfahren. 

Am  Ende  des  vierten  Schuljahres  war  der  Brustumfang  nur  bei 
2%  der  Knaben  der  halben  Körperläoge  gleich  oder  er  betrug  mehr 
als  die  Hälfte;  bei  den  Mädchen  aber  war  in  allen  Fällen  der  Brust- 
umfang unter  der  halben  Körperläuge. 

Es  ist  aus  diesen  Ausführungen  zu  ersehen,  dals  ein  beim 
Schuleintritte  kleinerer  Brustumfang  bis  nach  dem  vierten 
Schuljahre  durchschnittlich  eine  stärkere  Zunahme  «»rfuhr 
als  ein  an&nglich  gröfserer  Brustkorb. 

Es  geht  aber  auch  daraus  hervor,  dafs  die  Zunahme  des  Um- 
fanges  des  Brustkorbes  in  allen  genannten  Fällen  bei  den  Mädchen 
auffallend  zurückbleibt,  wie  dies  die  graphischen  Darstellungen  in 
Tabelle  V  und  VI  zur  Anschauung  bringen. 

IIL  YerhUtnis  von  Brnstnmfang  und  KSrperlänge. 

a)  beim  Schuleintritte. 

Körperlänge  bis  105  cm. 

63,63%  derEjiabeu  hatten  einen  Brustumfang  von  durchschn.  52  cm, 
52,72  „    „  Mädchen    „         ,.  „  „  „  52  „ 

Körperlänge  von  105  bis  110  cm. 

51,96^0  der  Knaben  hatten  einen  Brustumfang  von  durchschn.  54  cm, 
54,09  „    „  Mädchen    „         „  „  „  „  53  „ 

Körperlänge  von  110  bis  115  cm. 

46,06%  der  Knaben  hatten  einen  Brustumfang  von  durchschn.  54  cm, 
50,00  „    „  Mädchen    „         „  „  „  „  54  „ 

Körperlänge  von  115  bis  120  cm  und  darüber. 

57,14%  der  Knaben  hatten  einen  Brustumfang  von  durchschn.  56  cm, 
46,93  „    „  Mädchen    „         „  „  „  „  55  „ 

b)  am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres. 

Körperlänge  bis  125  cm. 

57,60%  der  Knaben  hatten  einen  Brustumfang  von  durchschn.  57  cm, 
50,00  „    „  Mädchen   „         „  „  „  „  55  „ 

Körperlänge  von  125  bis  130  cm. 

45,16%  der  Knaben  hatten  einen  Brustumfang  von  durchschn.  59  cm, 
44,56  „    „  Mädchen    „         „  „  „  „  57  „ 


137 

Eörperlänge  von  130  bis  136  om. 
43,93%  der  Knaben  hatten  einen  Brustumfang  von  durobschn.  60  cm, 
52,72  „    „  Mädchen    „         „  „  „  „  68  „ 

EOrperlänge  von  136  bis  14U  cm  und  darüber. 
40,00%  der  Knaben  hatten  einen  Brustumfang  von  durchschn.  62  cm, 
38,88  „    „  Mädchen   „         „  „  „  „  69  „ 

Beim  Schuleintritte  nahm  bei  den  Mädchen  mit  je  6  cm  Körper- 
länge auch  der  Brustumfang  um  durchschnittlich  1  cm,  bei  Knaben 
mit  mittlerer  und  gröfster  Körperlänge  um  2  cm  zu. 

Am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres  war  die  Zunahme  bei 
beiden  Geschlechtem  etwas  stärker,  jedoch  difiPerieren  die  Zunahmen 
bei  den  Knaben  und  Mädchen  um  2  cm  zugunsten  der  ersteren. 

Nach  den  bisherigen  Ausführungen  über  die  Entwicklung  des 
Brostkorbes  muXs  bemerkt  werden,  dafs  diese  im  allgemeinen  den 
gehegten  Erwartungen  nicht  entspricht.  Hieraus  ergibt  sich  die 
Notwendigkeit  bezw.  die  Pflicht  für  die  Schule,  dem  Hause  helfend 
beizuspringen.  Wenn,  wie  die  Erfahrung  in  Fabrikgegenden  lehrt, 
mehr  als  die  Hälfte  der  Kinder  nach  ihrer  Rückkehr  aus  der  Schule 
sofort  zur  Heimarbeit  herangezogen  wird,  wobei  sie  stundenlang 
ruhig  und  in  allen  möglichen  und  unmöglichen  Stellungen  in  den 
dampfen,  gewöhnlich  nicht  gelüfteten  Stuben  sitzen  müssen,  um  den 
Eltern  verdienen  zu  helfen,  da  können  begreiflicherweise  keine  nor- 
malen Entwicklungsresultate  erwartet  werden  I  Die  inneren  Organe, 
daninter  namentlich  die  Lungen,  müssen  in  ihrer  Entwicklung  zurück- 
bleiben, das  Kind  mufs  demnach,  wenn  es  nicht  schon  ererbte  Übel 
mit  ins  Leben  brachte,  Anlagen  zu  verschiedenen,  im  späteren  Alter 
auftretenden  Leiden  erhalten.  Es  muüs  hier  die  Schule  das.  Haus 
la  ersetzen  suchen,  die  Schule  mufs  trachten,  im  Kinde  das  zum 
Ausgleiche  zu  bringen,  was  sein  hartes  Schicksal  an  ihm  verbricht. 

Das  Stillsitzen  mit  vorgebeugtem  Körper,  die  schlechte  Haltung 
beim  Sitzen  überhaupt,  die  für  viele  Kinder  unpassenden  Subsellien, 
alles  das  übt  einen  ungünstigen  Einfluls  aus  auf  die  Erweiterung 
des  Brustkorbes.  Diese  Momente  soll  die  Schule  im  Auge  behalten  1 
Um  dem  schädlichen  Einflüsse  derselben  entgegenzuarbeiten,  mufs 
sie  für  Jugendspiele,  Turnen,  Freibewegungen,  Schwimmen  u.  a. 
sorgen,  hierbei  muls  sie  vor  allem  auf  die  Entwicklung  des  Brust- 
korbes Rücksicht  nehmen  1  Hat  die  Schule  das  Glück,  einen  Arzt 
ZOT  Seite  zu  besitzen,  und  konstatiert  dieser  bei  einem  Kinde 
Sehwächenverhältnisse  der  Brust,  Miisbildungen  derselben,  so  wären 
hiervon    die  Eltern    des  Kindes    in  Kenntnis  zu  setzen  und  ihnen 


138 

dringend  zu  empfehlen:    Aufmerksamkeit,   Schonung  zu  Hause  und 
etwa  besondere  gymnastisohe  Übungen  unter  fachkundiger  Leitung. 

Wie  die  bisherigen  Zusammenstellungen  ergeben,  bleibt  die 
Entwicklung  des  Brustumfanges  bei  den  Mädchen  im  allgemeinen 
den  Knaben  gegenüber  zurück.  Diese  Erscheinung  trifft  insbesondere 
und  augenfällig  vom  dritten  zum  vierten  Schuljahre  bei  45,11% 
der  Mädchen  zu.  Ist  dies  ein  physiologischer  Vorgang,  ist  es  eine 
Folge  des  Schulbesuches?  Wenn  letzteres  der  Fall  ist,  warum  tritt 
diese  Folge  gerade  erst  im  vierten  Schuljahre  so  offenkundig  zu- 
tage? Ist  eine  bestimmte  Disziplin  die  Ursache  dieser  Erscheinung, 
die  Ursache  solch  trauriger  Ergebnisse?  Wenn  es  ein  physiologi- 
scher Vorgang  im  Organismus  des  Mädchens  wäre,  so  müfste  der- 
selbe auch  im  Körper  des  Knaben  zum  Ausdruck  gelangen;  und 
wenn  die  äufseren  Sohulverhältnisse  solche  ungünstige  Resultate 
zeitigen,   müfsten  sie  in  äbnlichem  Mause  den  Knaben  beeinflussen. 

Mit  dem  dritten  Schuljahre  beginnt  für  die  Mädchen  der 
Unterricht  in  Handarbeiten.  In  den  meisten  Schulen  wird 
derselbe  in  ungeeigneten  Schulräumen  erteilt;  auch  sitzen 
die  Mädchen  hierbei  oft  an  Schulbänken  und  nicht  an 
Tischen;  es  kommt  sogar  vor,  dafs  zwei  und  mehr 
Klassen  für  diesen  Unterricht  in  ein  Zimmer  zusammen- 
gezogen werden,  so  dafs  die  Körperhöhe  des  Mädchens 
zur  Höhe  der  Schulbank  in  ein  arges  Mifsverhältnis 
gerät  und  das  Kind  in  meist  gekrümmter,  in  sich  ge- 
sunkener Stellung  ein  bis  zwei  Stunden  verharrt.  Diesem 
Umstände  wird  leider  nirgends  die  gebührende  Auf- 
merksamkeit geschenkt;  es  wird  nirgends  der  Tatsache 
Rechnung  getragen,  dafs  Handfertigkeitslehrerinnen 
keine  Pädagogen  sind;  es  wird  noch  zu  selten  die  be- 
stimmte Forderung  an  eine  Schule  gestellt,  für  den 
Handarbeitsunterricht  eigene  Räume  herzustellen  — 
Räume,  in  welchen  nur  Tische  mit  verstellbaren  Sesseln 
zur  Verwendung  zu  gelangen  hätten.  Der  Handarbeits- 
unterricht wie  auch  der  Zeichnenunterricht  verdienen  die 
gröfste  Aufmerksamkeit  seitens  der  Schulverwaltungen, 
und  wären  nur  solche  Lehrkräfte  anzustellen,  welche 
genaue  Kenntnis  vom  anatomischen  Bau  des  Körpers, 
von  der  physiologischen  Entwicklung  insbesondere  des 
Oberkörpers  besitzen,  welche  ein  Verständnis  für  das 
Vorkommen  pathologischer  Erscheinungen  des  kindlichen 


139 

Organismas  haben.  Man  sage  hier  nicht,  dafs  zu  weit  gegangen 
würde,  wenn  man  diesen  Forderangen  Rechnung  tragen  wollte. 
Wenn  die  ünterrichtsordnung  eine  gewisse  Disziplin  zur  Ausbildung 
des  Kindes  für  wichtig  genug  hält,  dann  hat  sie  auch  die  Pflicht, 
die  Ansicht  der  Schulhygieniker  zu  hören  und  erst  nach  dem  Gut- 
achten  dieser  und  der  Pädagogen  das  Weitere  zu  veranlassen.  Die 
Schnlbehörden,  als  ausübende  und  überwachende  Organe  der 
Unterrichtsordnung,  haben  gewifs  kein  Recht,  einfach  An- 
ordnungen zu  treffen  und  sich  um  deren  Folgen  nicht 
zu  kümmern  1  Wenn  die  gestellten  Forderungen  f&r  die  Greraeinden 
ZQ  kostspielig  sind,  dann  schaffe  man  diesen  Unterricht  endgültig  ab, 
oder  reduziere  ihn  auf  das  notwendigste  Mindestmals,  da  ohnehin 
die  moderne  Industrie  weibliche  Arbeiten  in  ihren  Interessenkreis 
einbezogen  hat. 

Inwieweit  diese  erstjährigen  Beobachtungen  ihre  Berechtigung 
gefanden  haben,  werden  die  Untersuchungen  der  folgenden  Schul- 
jahre ergeben.  Immerhin  kann  heute  schon  behauptet  werden,  dafs 
der  Handarbeitsunterricht,  wie  er  heute  gepflegt  wird, 
in  keinem  Falle  einer  normalen,  gesundheitlichen  Ent- 
wicklung des  ohnehin  naturgemäfs  schwächeren  Körpers 
der  Schülerinnen  entspricht. 

Es  wird  sich  die  Gelegenheit  ergeben,  auf  die  nachteiligen 
Folgen    des  Handarbeitsunterrichtes  noch   einmal  zurückzukommen. 

IV.  Vitale  Lnngenkapazitilt. 

(Differenz  im  Brustumfang  zwischen  In-  und  Exspirium.) 

Die  vitale  Lungenkapazität  betrug  beim  Schuleintritte  bei  78% 
der  Kinder  im  Mittel  2,5  cm,  am  Ende  des  vierten  Schuljahres  bei 
50%  derselben  im  Mittel  5,5  cm. 

Die  geringste  vitale  Lungenkapazität  war  bei  den  sechsjährigen 
Knaben  2,  bei  den  sechsjährigen  Mädchen  1  cm;  die  grölste  5  bezw. 
4  cm.  In  jedem  der  folgenden  Jahre  prävaliert,  wenn  auch  nur 
nm  ein  Geringes,  die  Lungenkapazität  bei  den  Knaben  über  jene 
der  Mädchen;  bei  den  Lungenkapazitäten  ein  und  desselben  Jahres 
betrug  die  Prävalenz  bei  den  Knaben  durchschnittlich  2  cm. 

Mit  dem  zehnten  Lebensjahre  betrug  bei  den  schwächsten 
Knaben  die  vitale  Lungenkapazität  2,5  cm,  bei  den  schwächsten 
Hadchen  2  cm;  bei  den  stärksten  Knaben  betrug  sie  9  cm,  bei  den 
st&rbten  Mädchen  7,5  cm. 


140 


Nach    Figur  8    hatten    beim   Eintritte   in  die  Schule  55,60  ^/o 
der  Mädchen  und  25,64%  der  Knaben  eine  vitale  Lungenkapazität 


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— «  Knaben 


A\ftPCHEN 


Fig.  8. 

Die  Titale  Lungenkapazitat  bei  1014  Kindern 

beim  Sehaleintritte  am  Schlüsse  des  Tierten  Schaljahres 

(Beginn  des  6.  Lebensjahres).  •"    _^^',  (Ende  des  10.  Lebensjahres). 


Vcn>-1         -2        -3 

-4        -5         -6    crr 

40 

40 

30 
20 
10 

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30 
20 
10 

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■  fTNABCN 


—  A^APCHL^N 


Fig.  9. 


Die  Differenz  im  Wachstum  der  Langenkapazitat 
zwischen  dem  6.  und  10.  Lebensjahre. 


141 

unter  2  om;  für  eine  vitale  Lungenkapazität  von  3  om  beträgt  der 
ProzeDtsatz  bei  den  EDaben  Ö2,24%,  bei  den  Mädchen  nnr  36,47% ; 
für  die  gröfseren  Kapazitäten  belaufen  sich  die  Prozentsätze  aaf 
J7,81%  bezw.  7,93%. 

Anders  stellen  sich  die  Verhältnisse  am  Ende  des  vierten  Schul- 
jahres heraus.  Hier  bewegen  sich  die  Prozentsätze  bei  beiden  Ge- 
schlechtem in  groJsen  Differenzen.  In  der  Zahl  der  Kinder  mit 
emer  vitalen  Lungenkapazität  von  3,  4  und  6  cm  hat  das  weibliche, 
dagegen  in  den  folgenden  Kapazitätsausmafsen  von  6  cm  und  darüber 
das  männliche  Geschlecht  die  Mehrzahl. 

Die  Differenz  in  der  Zunahme  der  vitalen  Lungenkapazität 
zwischen  dem  sechsten  und  dem  zehnten  Lebensjahre  (Figur  9)  ist 
am  gröüsten  unter  jenen  Kindern,  deren  Lungenkapazität  nur  bis 
2  cm  zugenommen  hat  —  sie  beträgt  hier  25 ^/o;  in  den  folgenden 
Ansmaüsen  der  Kapazitäten  (3,  4,  ö  und  6  cm)  ist  die  Differenz  in 
runden  Zahlen  1,  10,  8  und  l7o. 

Im  Mittel  war  die  Differenz  in  der  vitalen  Lungenkapazität 
zwischen  dem  sechsten  und  zehnten  Lebensjahre  bei  57  %  der 
Knaben  3  cm,  bei  65,40%  der  Mädchen  2  cm. 

Im  allgemeinen  hatten  hochgewachsene  Kinder,  da- 
runter insbesondere  Mädchen,  eine  gröfsere  vitale  Lungen - 
kapazität.  Die  Brustweite  dagegen  war  auf  die 
Oröfse  der  vitalen  Lungenkapazität  ohne  nachweisbaren 
Einflufs. 

Welch'  grofse  Differenzen  bei  den  Untersuchungen  der  Kinder 
entstehen,  wenn  die  Zahl  der  Untersuchten  ein  geringe  ist,  ergibt 
die  von  Max  Guttmann  zusammengestellte  Tabelle  über  Körper- 
Ifinge,  Brustumfang  und  Vitalkapazität.  Guttmann  fand  bei  14 
sechsjährigen  Kindern  eine  Maximalkörperlänge  von  118  cm,  eine 
Minimalkörperlänge  von  107,  also  einen  Durchschnitt  von  102  cm; 
ich  fand  bei  1014  untersuchten  Kindern  als  die  entsprechenden 
Zahlen  127,  98  und  113  cm;  bei  20  untersuchten  zehnjährigen 
Sandern  fand  Guttmann  als  Mazimallänge  143  cm,  als  Minimal- 
lange  124  cm  und  als  Durchschnitt  134  cm;  die  Ergebnisse  meiner 
Untersuchungen  an  obgenannter  Kinderzahl  waren  150,  114  und 
132  cm. 

An  Brustumfang  fand  Guttmann  bei  den  sechsjährigen  Kindern 
Ö9,5  (Maximum),  54  (Minimum)  und  56,8  cm  (Durchschnitt),  ich  fand 
60,  42  und  51  cm;  bei  den  zehnjährigen  fand  er  72,5,  60  und  65  cm, 
ieh  fand  65,  50  und  57  cm. 


142 

An  Yitalkapazität  fanden  Guttmann  nnd  loh  bei  secbsjährigen 
5,  1  und  3  om,  bei  den  zehnjährigen  fand  Guttmann  9,  4  und 
5,5  om,  ich  fand  9,  2  und  5,5  om. 

Es  ist  selbstredend,  dafs  die  Endergebnisse  bei  etwa  10000 
untersuobten  Kindern  gewifs  auoh  andere  Daten  bringen  würden  und 
daüs  mit  der  grö&eren  Zahl  der  Untersuohten  die  genannten  Resul- 
tate auoh  stabilere  sein  müfsten. 

y.  Das  KSrpergewicht. 

das  kleinste  das  grolste 

Körperffewicht 

kg         *^    *  kff 

Mit    6  Jahren  war  bei  Knaben  13,3  28,5 

„      6       „  „       „    Mädchen  12.0  27 

„      7       „  ^       „    Knaben  14,75  30.5 

„      7       „  ^       „    Mädchen  13  28 

,      8       ,  „       „    Knaben  16  34 

^      8       „  „       „    Mädchen  14  32 

„      9       „  j»       r»    Knaben    .         16  38,5 

„      9       „  „       „    Mädchen  14  35 

„    10       „  „       „    Knaben  18,5  »9,5 

„    10      „  „       „    Mädchen  18  42,5 

Am  Beginn  des  ersten  Schuljahres  hatten  75,40%    der  unter- 

suchten  Kinder   im  Mittel  19,5  kg   Körpergewicht,    am   Ende    des 

vierten  Schuljahres  hatten  64,24%  derselben  im  Mittel  ein  solohes 

von  25,5  kg. 

Der  rel.  höchste  Prozentsatz  der  untersuchten  sechsjährigen  Knaben 

(Figur  10),    und  zwar   28,71  %  derselben,    sowie  der  gleichaltrigen 

Mädchen,  und  zwar  32,01%,  besafsen  ein  Körpergewicht  von  20  kg; 

im  Durchschnitt  erzielten  die  sechsjährigen  Knaben  ein 

höheres   Körpergewicht  als   die  gleichaltrigen  Mädchen. 

Der  rel.  höchste  Prozentsatz  der  untersuchten  zehnjährigen  Knaben 

(Figur  11),    und  zwar  26,69%,    sowie  der  gleichaltrigen  Mädchen, 

und  zwar  23,27%,  besafsen  ein  Körpergewicht  von  28  kg.    Auch  hier 

war  die  Zahl  der  Knaben,   welche  ein  gröfseres  Körpergewicht  als 

28  kg  aufzuweisen  hatten,    in  allen  (rewichtslagen  eine  gröfsere   als 

jene  der  Mädchen,  währendf  umgekehrt  die  Zahl  der  Mädchen,  welche 

ein  kleineres  Körpergewicht  als  28  kg  hatten,  in  allen  Gewichtslagen 

eine  gröfsere  war. 

Nur  etwas  mehr  als  die  Hälfte  der  Untersuchten,  und 

zwar  54,86%,  nahmen  in  den  vier  Schuljahren  an  Körper- 


143 

gewicht  kq;  20,71%  hatten  an  Körpergewicht  abgenommen 
und  24,43%  blieben  anf  ihrem,  zn  Beginn  des  ersten 
Schaljahres  konstatierten  Körpergewichte  stehen. 


^irm-R    -16      -IS     -20    \-ll  1-24    | -26   \lUm/ 


41 


30 


20 


10 


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y^ 

^ 

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30 


20 


10 


0 


Fig.  10. 

Das  Körpergewicht  bei  1014  Kindern  rar  Zeit  des  Sohaleintrittee 
(Beginn  des  6.  Lebenqahres). 


\j(flftff-20     -22     -24     -26     -28     -3D     -32    -ifikm/ 


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A\Ä0CM  t  M 


ffNWBEN 


Fig.  11. 


Dts  Korpergewicht  bei  1014  Kindern  am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres 
(Ende  des  10.  Lebensjahres). 


Die  geringste  Körpergewiclitsztinahme  in  den  vier  Schuljahren 
betrag  2  kg  bei  0,4%  der  untersuchten.  Die  gröfste  Zunahme 
betrag  bei    einem   Kinde   (Mädchen)    17,5  kg.     Das  Mittel  in  der 

Sehalgesundlieitopflege.  XVIIL  8 


144 

Grewiohtszunahme  betrag  6,5  kg  und  wnrde  dasselbe  bei  64,72  ^/o 
der  Kinder  konstatiert,  wobei  dieses  Mittel  bei  beiden  Geschleobtern 
nahezu  gleich  grols  war. 

Unter  5  kg  betrag  die  Gewichtszunahme  bei  15,21%  der 
Kinder,  doppelt  mehr  bei  Mädchen  als  bei  Knaben ;  über  8  kg  betrug 
die  Gewichtszunahme  bei  18,44%  der  Kinder,  doppelt  mehr  bei 
Knaben  als  bei  Mädchen. 

Die  rel.  grölste  Zahl  der  Knaben  (Figur  12),  und  zwar  42,56%, 
nahmen  in  den  vier  Schuljahren  um  rand  8  kg,  die  rel.  gröfste  Zahl 
der  Mädchen,  und  zwar  38,36%,  um  rand  6  kg  zu.  Geringere  Ge- 
wichtszunahmen als  8  kg  waren  unter  den  Mädchen,  grölsere  unter 
den  Knaben  häufiger. 


50 

lgnn.-4 

-6 

-8         -10       -XL 

-14u.Nima 

50 

40 
30 
20 

.'-«. 

40 
30 

20 

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10 

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10 

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0 

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Pig.  12. 

Die  Zunahme  des  Körpergewichtes  bei  1014  Kindern 
zwischen  dem  6.  und  10.  Lebensjahre. 


EiS  nahmen  die  Kinder  zu  an  Körpergewicht: 


bis  SU 

bis  sa 

bis  tu 

aber 

Ik« 

2  k? 

3  kg 

8  kg 

•/• 

% 

•/» 

•/o 

Im  1. 

Soholjahre:    38,43 

49,34 

50,81 

1,95 

«    2. 

23,12 

61,07 

81,59 

5,54 

r,     3. 

9,28 

39,41 

67,91 

20,85 

»    4- 

13,19 

49,18 

70,46 

15,96 

Diese 

Zusammenstellung 

illostriert 

klar    die 

fortschreitende 

Zunahme    an   Körpergewicht   in    den    ersten  drei  Schuljahren  und 


145 

erbringt  anch  den  Beweis,  dafs  der  Rückgang  im  vierten  Jahre  gegen- 
über dem  dritten  bestimmten  interkurrierenden  Einflüssen  zagesohrieben 
werden  mols.  Diese  könnten  sein:  die  gröfsere  Stundenzahl,  welche 
die  Sünder  in  den  Lehrzimmem  zubringen  müssen;  der  intensivere 
Turnunterricht  bei  Knaben ;  der  weibliche  Handarbeitsunterricht  bei 
Madchen;  der  im  zehnten  zum  elften  Lebensjahre  stärkere  Ent- 
wicklungstrieb bei  den  Kindern  und  die  die  volle  Geltendmachung 
dieses  Triebes  hindernden  umfangreicheren  Disziplinen  im  Unter- 
richte und  in  der  Länge  der  Unterrichtszeit.  Die  Untersuchungs- 
resultate der  folgenden  Schuljahre  können  hierüber  weitere  Auf- 
schlösse bringen. 

Die  Zunahme  des  Körpergewichtes  beträgt  im  ersten 
Schuljahre  durchschnittlich  V»  bis  1  kg  (13,17%  Knaben 
und  23,27%  Mädchen).  Die  kleinen  bis  110  cm  grolsen  Knaben 
und  Mädchen  weisen  im  ersten  und  zweiten  Schuljahre  eine  grölsere 
Zunahme  auf  als  die  115  bis  126  cm  grofsen  Kinder;  im  ersteren 
Falle  nahmen  41,967o  Knaben  und  63,38%  Mädchen,  im  letzteren 
40,58%  Knaben  und  13,38%  Mädchen  zu. 

Im  zweiten  Schuljahre  nahmen  die  Kinder  durch- 
schnittlich um  1  bis  2  kg  zu,  und  zwar  21,62%  Knaben  und 
30,50%  Mädchen  mit  einer  Körperhöhe  bis  110  cm  und  41,51% 
Knaben  und  48,18  ^/o  Mädchen  mit  einer  Körperhöhe  von  115  bis 
126  cm. 

Im  dritten  und  vierten  Schuljahre  nahmen  die  kleinen 
Knaben  durchschnittlich  weniger,  die  kleinen  Mädchen  mehr  zu  und 
betrug  die  Gewichtszunahme  durchschnittlich  2  bis  3  kg 
(17,56Vo  Knaben  und  27,367o  Mädchen).  Das  Längenwachstum 
ist  ohne  Einflufs   auf  die  Zunahme  des  Körpergewichtes. 

Bei  24,43%  der  Kinder  wurde  ein  Stillstand  in  der  Gewichts- 
zunahme festgestellt;  die  Prozentsätze  der  Kinder,  welche  am  Ende 
jedes  Schuljahres  einen  Stillstand  in  der  Körpergewichtszunahme 
aufwiesen,  bewegten  sich  in  gleich  absteigender  Linie  wie  bei  der 
Gewichtsabnahme,  und  zwar 

24,59%   nach  dem  I.Schuljahre 
8,14%     „         „     2.         , 
5,86%     „         „3.         „ 
2,93%     „         „     4.         „ 

Im  ersten  Schuljahre  war  bei  25,51%  Knaben  und  22,01% 
Mädchen  Stillstand  in  der  Gewichtszunahme  eingetreten;  bei  klein 
gewachsenen  Knaben  (bis  110  cm)  doppelt  so  häufig  als  bei  gröfseren 


146 

Knaben,  und  bestand  hier  das  Verhältnis  7:4  bei  Ejiaben  und  9  : 7 
bei  Mädchen.  Der  Stillstand  in  der  Gewichtszunahme  nimmt  in  den 
folgenden  Schuljahren  in  der  Zahl  der  Kinder  ab  und  steht  im 
vierten  Schuljahre  weit  unter  1%  der  Knaben  und  unter  5%  bei 
Mädchen.  Bei  kleinen  Knaben  und  Mädchen  ist  dieser  Stillstand  in 
den  einzelnen  Schuljahren  häufiger. 

Es  konnte,  wie  zu  erwarten  stand,   bei  einer  grofsen  Zahl  von 
Kindern  eine  Gewichtsabnahme,  selbst  bis  zu  3  kg,  konstatiert  werden. 
Bis  zu  1  kg  nahmen  ab:  15.65%  der  Kinder 
»      w    2  „         „  „     19,70*/o    ^         j, 

über       2  ,         „  ,    20,84%    „         „ 

Es  haben  abgenommen: 

am  Ende  des  1.  Schuljahres  20,71  %  der  Kinder 
«        «        .    2.  „  4.69%    ^         „ 

»       »       »    3-  w  2,10%   „        „ 

»        w        r»    4.  „  0,60%    „         ^ 

An  den  Gewichtsabnahmen  in  allen  vier  Schuljahren  waren  die 
Knaben  mit  42,86  7«,  die  Mädchen  mit  57,14  %  beteiligt. 

Im  ersten  Schuljahre  nahmen  15,64%  der  Knaben  und  30,19% 
der  Mädchen  V'  ^g  ^^  durchschnittlichem  Körpergewichte  ab;  diese 
Abnahme  ist  bei  Knaben  mit  stärkerem  Höhenwuchs  gröfser. 

Die  Abnahme  an  Körpergewicht  wird   mit  jedem  fol- 
genden Jahre  geringer. 
EjS  nahmen  weiter  ab: 
im  2.  Schuljahre  3,40%  der  Knaben  und  12.06%  der  Mädchen 
„    3.  ,         2,05%    ,         ,  ,       3.44%    „ 

„4.  „  1.02%    „         „  „       1.75%    „ 

Sobald  die  Kinder  eine  Körperhöhe  von  115  cm  und  darüber 
erreichen,  hört  die  Gewichtsabnahme  bei  den  Knaben  im  dritten, 
bei  den  Mädchen  im  vierten  Schuljahre  gänzlich  auf. 

Im  allgemeinen  waren  in  den  vier  Schuljahren  die  Knaben  mit 
44,70  Vo  und  die  Mädchen  mit  55,30%  am  Stillstande,  und  22,97% 
der  Knaben  und  17,92%  der  Mädchen  an  der  Abnahme  des  Körper- 
gewichtes beteiligt.  Speziell  unter  diesen  letzteren  Kindern  hatten 
82,35%  der  Knaben  und  58,05%  der  Mädchen  eine  ausgesprochen 
schwache  und  nur  11,96  Vo  bezw.  20,40%  eine  kräftige  Körper- 
konstitution. 

21,84 ^/o  der  Knaben  und  25,43%  der  Mädchen,  bei  welchen  das 
Körpergewicht  abnahm,  hatten  gleichzeitig  eine  Lageveränderung 
der  Wirbelsäule;    35 Vo  bezw.  28,70 Vo   dieser  Kinder   eine   aus^ 


147 

gesprochene  Schilddrüsenvergrölserung;  25,50 Vo  bezw.  43,90% 
derselben  waren  überhaupt  kränklich  und  13,597o  bezw.  28,05Vo 
waren  geistig  minderwertig. 

Wenn  man  die  genannten  abnormen  bezw.  pathologischen  Ver- 
ftndemngen  des  kindlichen  Organismus  nach  ihrem  gleichzeitigen 
Auftreten  beurteilt,  gestalten  sich  die  Verhältnisse  jener  Kinder  viel 
ungünstiger,  welche  an  Körpergewicht  im  Laufe  der  vier  Schuljahre 
abgenommen  haben. 

Es  stellt  sich  da  heraus,  dafs  unter  den  Knaben  bezw.  Mädchen 
25 Vo        bezw.  25,47 Vo  kränklich, 
17,56%      „       17,297o  kränklich  und  skoliotisch, 
16,55Vo      „       15,09%  skoliotisch  und  kurzsichtig, 
11,14%      „       13,52%  skoliotisch    und   kurzsichtig    waren 
und  gleichzeitig  Schilddrüsenvergrölserung  hatten, 

5,40%  bezw.  6,29  7o    skoliotisch,  kurzsichtig,    schwerhörig 
waren  und  gleichzeitig  Schilddrüsenvergröfserung  hatten. 

Die  Ergebnisse  dieser  Untersuchungen  weisen  entschieden  auf 
die  hohe  Wichtigkeit  der  systematischen,  jahrelangen  Körperwägungen 
imd  -Messungen  hin,  da  durch  diese  eine  sichere  Kontrolle  über  die 
normale  gesundheitliche  Entwicklung  und  über  das  Wohlbefinden 
der  Kinder  für  Eltern  und  Lehrer  gegeben  sind.  Diese  Kontrolle 
soll  den  Erziehern  unserer  Jugend  den  Anlals  bieten,  bei  erwiesenem 
Rfickgang  und  Stillstand  in  dem  Körpergewichte  nach  der  Ursache 
im  Kinde  selbst  zu  forschen. 

Eine  interessante  Darstellung  der  physischen  Entwicklung  des 
Kindes  während  der  vier  Schuljahre  bringt  Figur  13  zur  An- 
eckauung. 

Die  Abnahme  des  Körpergewichtes  im  Laufe  des  ersten  Schul- 
jahres —  15,87Vo  der  Knaben  und  24,84%  der  Mädchen  —  und 
der  Stillstand  in  der  Gewichtszunahme  —  29,73^/o  der  Knaben  und 
44%  der  Mädchen  —  ist  ein  so  namhafter,  dals  man  sich  unwill- 
kürlich die  Frage  vorlegt,  welchem  Umstände  wohl  vorwiegend  diese 
EiBcheinungen  zuzuschreiben  sind?  Dies  ist  gewifs  schwer  zu  ent- 
seheiden.  Die  individuellen  Verhältnisse  dürften  wohl  die  ausschlag- 
gebenden sein,  und  diesen  zunächst  die  völlig  veränderte  Lebensweise. 
Erkrankungen  können  als  Ursache  wohl  nicht  herangezogen  werden, 
da  hierfür  die  allmähliche  Zunahme  des  Körpergewichtes  und  die 
niederen  Ziffemsätze  in  Abnahme  und  Stillstand  der  folgenden  Schul- 
jahre nicht  sprechen.  Ob  gerade  das  siebente  Lebensjahr  die  Periode 
der  schwächsten  physischen  Entwicklung  ist,  ist  schwer  zu  behaupten, 


148 


Fig.  18. 

Das  Verhalten  des  Korpergewichtes  bei  1014  Schulkindern 
in  den  verschiedenen  Schaljahren. 


149 

66  mülkten  vor  allem  die  Untersuchungsresultate  einer  genügend 
gioüsen  Zahl  gleichaltriger  Kinder  vorliegen,  welche  in  ihrem  siebenten 
Lebensjahre,  wie  bisher,  ein  freies  ungebundenes  Leben  weiterfahren. 
Nachteilige  Einflüsse,  wie  geistige  Überanstrengung,  Ermüdung,  un- 
genflgender  Schlaf,  können  derzeit  bei  unseren  modernen  Yolksschul- 
palflsten  und  bei  der  modernen  Lehrmethode,  abgesehen  Yon  yer- 
einzelten  Fällen,  gewils  nicht  als  Ursache  für  Hemmungen  in  der 
physischen  Entwicklung  angesprochen  werden;  eher  wären  diese 
ftar  die  physische  Entwicklung  der  Kinder  deletären  Momente  in 
höheren  Lehranstalten  zu  suchen.  Es  können  sonach  die  Ursachen 
obiger  Erscheinungen  ausschliefslich  individuelle  Ver- 
anlagung und  dann  veränderte  Lebensweise  sein. 

Beim   Schul  ein  tritt  e 
hatten    von   den    Knaben    mit    einem    durchschnittlichen   Körper- 
gewichte von 

18 — 22  kg  die  meisten  u.  zw.  42,64Vo  eine  Körperlänge  v.  110 — 115cm 
unterlS  „     „         „      „    „  58,33 Vo     ,  „  „105-110^ 

über  22  ^     „         „      „    „  69 V.         „  „  „über    115  „ 

Es  hatten  somit  die  grölsten  Knaben,  wie  zu  erwarten  stand, 
durchschnittlich  auch  ein  gröJseres  Körpergewicht  und  die  kleinsten 
Knaben  auch  ein  kleines  Körpergewicht. 

Es  hatten  beim  Schuleintritte  von  den  Mädchen  mit 
einem  durchschnittlichen  Körpergewichte  von 

18—22  kg  die  meisten  u.  zw.  60%  eine  Körperlänge  von  110 — 115cm 
unter  18  „    „         „        „    „  59%     ,  „  „  105-110  „ 

über   22  „    „         „        „    „  56%     „  „  „  über    115  „ 

Es  sind  somit  die  Verhältnisse  des  Körpergewichtes  zur  Körper- 
höhe bei  beiden  Geschlechtern  nicht  wesentlich  different. 

Am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres 
hatten   von    den    Knaben    mit   einem    durchschnittlichen    Körper- 
gewichte von 

24 — 28kg  die  meisten,  u.  zw.  54%,      eine  Körperlänge  v.  125 —  130cm 
unter  24  „    „         „       ,„    73,17%    „  „  „  unter  125  „ 

über  28  „    „         „       „  „    66,60%    „  „  „  über   130  „ 

£s  hatten  am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres  von  den 
Mädchen  mit  dem  Mittel  im  Körpergewichte  von 

24— 28kg  die  meisten,  u.  zw.  58^/»,      eine  Körperlänge  v.  125 — 130cm 
™te'  24  „    „         ^       „  „    74%         „  „  „  unter  125  „ 

<il^'  28  n    «         «       «  .    84,12%    ,  „  ,  über    130  „ 


150 

Auoh  am   Sohlnsse   des  vierten  Sohuljahres  waren  nahezu  die 
gleichen  Verhältnisse  hei  heiden  Gesohleohtem  zu  konstatieren. 

Ühersichtlioher  lassen  sich  die  Verhältnisse  des  Körpergewichtes 
zur  EOrperlänge,  wie  nachstehend,  darstellen: 
Bei  Sohnlheginn  hatten: 

68,58°/»  aller  Enahen  ein  Körpergewicht  von   18 — 22  kg 
16,55%     „  „         „  „  „    unter  18  „ 

14,87'/,     „  „  „  „  „    über  22  „ 

46,85»/,     „   Mädchen   „  „  „     18— 22  kg 

19,81"/,     „  „  „  „  „    unter  18  „ 

33,34'/.     „  „  „  „  „    üher  22  „ 

Das    Mittel   im    Gewichte    Ton   18  bis  22  kg   erreichten   mehr 
Knaben    als    Mädchen,    hingegen  hatten    mehr    als    doppelt    soviel 
Mädchen  ein  gröfseres  Körpergewicht  als  22  kg. 
42,56%  aller  Knaben  hatten  eine  Körperlänge  bis  110  cm, 
hiervon  hatten  57,93Vo  ein  Körpergewicht  von  18 — 20  kg 
„       29,36%    ^  „  „    unter  18  „ 

n       12.71%    .  n  .    über  22  „ 

60%  aller  Knaben  hatten  eine  Körperlänge  von  110 — 120  cm, 
hiervon  hatten  58,79%  ein  Körpergewicht  von  20 — 22  kg 
„       18,91%    ,  „  „    unter  20  , 

„       22,30%    „  ,  „    über  22  , 

7,44^^0  aller  Knaben  hatten  eine  Körperlänge  über  120  cm, 
hiervon  hatten  45,45%  ein  Körpergewicht  von  23 — 25  kg 
„       18,18%    ,  ,  „    unter  23  „ 

„       36,37%    ,  ,  „    über  25  „ 

52,51%  aller  Mädchen  hatten  eine  Körperlänge  bis  110  cm, 
hiervon  hatten  54,48%  ein  Körpergewicht  von  18 — 22  kg 
„       32,93%    ,  „  ,    unter  18  „ 

„       12,59%    „  „  „    über  20  „ 

40,25%  aller  Mädchen  hatten  eine  Körperlänge  von  110 — 120  cm, 
hiervon  hatten  60,15%  ein  Körpergewicht  von  20—22  kg 
„       24,21%    „  „  „    unter  20  „ 

„       15,64%    „  „  „    über  22  „ 

7,24%  aller  Mädchen  hatten  eine  Körperlänge  über  120  cm, 
hiervon  hatten  66,66%  ein  Körpergewicht  von  23 — 25  kg 
„       33,347.    „  „  „    üher  25  „ 

Die  Zahl  der  kleinen  Knaben  mit  einem  Durchschnittskörper- 
gewichte von    19  kg  ist  gröfser  als  die  Zahl  der  kleinen  Mädchen, 


unter  24 

T> 

über  28 

T) 

von  24—28  kg 

nnter  24 

n 

über  28 

» 

151 

hingegen  ist  die  Zahl  der  mittelgrofsen  nnd  gröDsten  Mädchen  mit 
einem  Dnrchschnittsgewichte  von  21  bezw.  24  kg  gröfser  als  jene 
der  mittelgro&en  nnd  gröfsten  Knaben. 

Obige  ZnBammenstellnng  bestätigt  auch  die  allgemeine  Annahme, 
dafs  grofse  Kinder  anoh  ein  grolses  Körpergewicht  haben,  nnd  steigt 
auch  das  Körpergewicht  mit  der  Körperlänge  über  das  Mittel;  auf- 
fidlend  grofs  ist  die  immerhin  hohe  Zahl  der  Kinder  aller  drei 
Höhengrappen,  welche  ein  Körpergewicht  unter  dem  Mittel  haben. 
Wesentlich  andera  lauten  die  Zifferngrappen  am  Schlüsse 
des  vierten  Schuljahres.     Da  hatten: 

44,25%  der  Knaben  ein  Körpergewicht  von  24 — 28  kg 

14,43  »/o    „  „         „ 

41.32%    ,  „         „ 

47,80 7o    „  Mädchen  „  „ 

25,16%    „  „         „ 

27,04%    „  „         „ 

Hier  erreichten  das  Mittel  im  Körpergewichte  von  26  kg  mehr 
Mädchen  als  Knaben  und  hatten,  wie  am  Schulbeginn,  doppelt  so- 
viel Mädcben  als  Knaben  ein  Körpergewicht  unter  dem  Mittel,  folge- 
richtig erreichte  auch  eine  gröfsere  Zahl  Knaben  ein  Körpergewicht, 
welches  dos  Mittel  übertraf. 

12,17 Vo  aller  Knaben  hatten  eine  Körperlänge  bis  120  cm, 
hiervon  hatten  39,00%  ein  Körpergewicht  von  20—22  kg 
„         5,55%     „  „  unter  20  „ 

„        55,45%     „  „  über  22 

54,05%  aller  Knaben  hatten  eine  Körperlänge  von  120— 130  cm, 
hiervon  hatten  47,50%  ein  Körpergewicht  von  26 — 28  kg 
„       44,37%     „  „  unter  26  „ 

8,13%     „  „  über  28 

33,78 Vo  aller  Knaben  hatten  eine  Körperlänge  über  130  cm, 
hiervon  hatten  55%  ein  Körpergewicht  von  27 — ^30  kg 
V  V       10%    „  „  unter  27  „ 

„       35%    „  „  über  30 

10,69%  aller  Mädchen  hatten  eine  Körperlänge  bis  120  cm, 
hiervon  hatten  50*/o        ein  Körpergewicht  von  20 — 22  kg 
14,70%    „  „  unter  20 

35,30%    „  „  über  22  „ 


152 

59,43^0  aller  Mädchen  hatten  eine  Körperlänge  von  120 — 130  om, 

hiervon  hatten  30,68  Vo  ein  Körpergewicht  von  26 — 28  kg 
„       61,90V.    „  ,  nnter  26 

7,42V«    „  „  über  28 

29,88Vo  aller  Mädchen  hatten  eine  Körperlänge  über  130  cm, 

hiervon  hatten  49,42%  ein  Körpergewicht  von  27 — 30  kg 
„        17,40Vo    „  „  nnter  27 

„       33,34%    „  „  über  30 

Die  kleinsten  Knaben  waren  in  der  Mehrzahl  schwerer  aU 
22  kg,  die  kleinsten  Mädchen  hatten  in  der  Mehrzahl  ein  Durch- 
schnittsgewicht von  21  kg;  dreimal  soviel  der  kleinsten  Mädchen 
als  Knaben  waren  nnter  20  kg  schwer.  Von  den  Knaben  mit 
mittlerer  Körperlänge  hatte  die  Mehrzahl  ein  Durchschnittsgewicht 
von  27  kg,  von  den  gleichgrofsen  Mädchen  die  Mehrzahl  ein  Körper- 
gewicht nnter  26  kg;  die  Zahl  der  mittelgrolsen  Knaben  und 
Mädchen,  welche  ein  Körpergewicht  über  28  kg  hatten,  war  nahezu 
die  gleiche.  Während  das  Maximum  der  gröisten  Kinder  ein  Durch- 
schnittsgewicht von  28,5  kg  hatte,  war  die  Zahl  der  Mädchen,  welche 
unter  29  kg  schwer  waren,  nahezu  doppelt  so  grob  als  jene  der 
Knaben;  endlich  war  die  Zahl  der  gröfsten  Kinder  mit  mehr  als 
30  kg  Körpergewicht  bei  beiden  Geschlechtern  ziemlich  die  gleiche. 

Bei  vorliegenden  Berechnungen  wurde  vermieden,  die  einzelnen 
Altersperioden  in  Vergleich  zu  bringen,  da  sich  hierbei,  wegen  dem 
so  geringen  Altersunterschied,  keine  genauen  Zahlen  ergaben;  es 
wurde  demnach  die  Entwicklung  ohne  Bücksicht  auf  das  Alter, 
nach  Schuljahren  in  Rechnung  gezogen. 

Es  lag  hierbei  die  Absicht  zugrunde,  den  Einflufs,  welchen  der 
Unterricht  und  der  Schulbesuch  auf  den  Gang  der  normalen  phy- 
sischen Entwicklung  des  Kindes  an  und  für  sich  haben,  zum  Aus- 
drucke zu  bringen. 

VI.  Muskulatur  und  Ernthrung. 

58,30  Vo  der  Kinder,  und  zwar  46,64%  Knaben  und  53,86% 
Mädchen  (Figur  14),  hatten  beim  Schuleintritte  eine  kräftige, 
36,97  Vo,  und  zwar  48  Vo  Knaben  und  52%  Mädchen,  eine  schwache 
Muskulatur. 

Bei  46Vo  dieser  Kinder  mit  kräftiger  Muskulatur  konnte  am 
Schlüsse  des  vierten  Schuljahres  der  gleiche  Zustand  derselben  kon- 
statiert werden,  bei  54%,  also  bei  mehr  ab  der  Hälfte  der  kräftigen 
Kinder,    verlor   die  Muskulatur   ihre  uraprüngliche  Stärke.     Hierin 


154 

yerhielten  sich  beide  Geschlechter  gleich.  16,40%  der  Kinder 
mit  anfäoglich  kräftiger  Maskulatnr  wiesen  am  Schlüsse 
des  vierten  Schuljahres,  eine  krankhafte  Muskelerschlaf- 
fung  auf! 

Von  den  (37%)  Eündern,  welche  beim  Schaleintritte  eine 
schwache  Muskulator  hatten,  erfahren  bis  zam  Schiasse  des  vierten 
Schal  Jahres  23  Vo  eine  Kräftigang,  verharrten  77%  in  der  ursprüng- 
lichen Schwäche,  and  von  den  letzteren  behielten  5Vo  ihre  geradezu 
elende  Konstitution  bei. 

Hier  zeigt  es  sich  offenbar,  dafs,  wenn  die  Kinder  vor  ihrer 
Aufnahme  in  die  Schale  auf  ihre  physische  Eignung  zum  Schul- 
besuche untersucht  worden  wären,  die  5%,  welche  ihre  krankhafte 
Moskelkonsistenz  durch  die  Schuljahre  fortschleppten,  gewifs  für 
ein  Jahr  von  der  Aufnahme  in  eine  Schule  zurückgewiesen 
worden  wären,  wodurch  dem  Kinde  Zeit  und  Buhe  zur  physischen 
Kraftentwicklung  geboten  worden  wäre. 

Nach  dem  ersten  Schuljahre  wurde  bei  29,59%  der  Knaben 
und  49,05 7o  der  Mädchen  eine  Abnahme  der  Muskelentwicklung  fest- 
gestellt. Kleine  Kinder  nahmen  durchschnittlich  mehr  ab 
als   gröfsere. 

Nachstehende  Zusammenstellung  illustriert  am  besten  die  Muskel- 
entwicklang  der  Kinder  am  Anfang  des  ersten  und  am  Schlüsse  des 
vierten  Schuljahres. 

Beim  Schuleintritte  hatten, 
bei  einer  Körperlänge  bis  110  cm, 

34,87%  der  Knaben  eine  schwache  Muskulatur 
49,53%    „  „  „      kräftige 

42,69%    „    Mädchen  „      schwache  „ 

45,50%    „  „  „      kräftige 

bei  einer  Körperlänge  von  110 — 120  cm, 

37,16%  der  Knaben  eine  schwache  Muskulatur 
55,55Vo    „  rf  n      kräftige  „ 

34,37%    „    Mädchen  „      schwache  „ 

51,55%    „  „  „      kräftige 

bei  einer  Körperlänge  über  120  cm, 

0%       der  Knaben  eine  schwache  Muskulatur 

100%         „  „  „  kräftige 

33,34%    „    Mädchen  „  schwache  „ 

66,66  V.    „  „  „  kräftige 


155 

Bis  zar  Körperlänge  von  120  om  war  die  Zahl  der  Mädchen 
mit  schwacher  Moskulator  gröfser;  die  über  120  cm  grofsen  £jiaben 
waren  alle  muskelstark,  während  ein  Drittel  der  gleich  groXsen 
Mädchen  noch  Moskelschwäche  anfwiesen.  Im  allgemeinen  war  in 
jeder  der  drei  KOrperlängen  die  Zahl  der  mnskelstarken  Kinder  eine 
grölsere. 

Am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres  hatten, 
bei  einer  KOrperlänge  bis  120  cm, 

37,77Vo  der  Knaben  eine  schwache  Muskulatur 
22,227o    „  „  ^     kräftige 

44,117o    »    Mädchen    „     schwache  „ 

23,52%    ^  „  „     kräftige 

bei  einer  KOrperlänge  von  120 — 130  cm, 

30,62Vo  der  Knaben  eine  schwache  Muskulatur 
27,50Vo    „  „  „     kräftige 

28,57%    „    Mädchen    „     schwache  „ 

83,337o    „  „  „     kräftige 

bei  einer  Körperlänge  über  130  cm, 

15Vo       der  Knaben  eine  schwache  Muskulatur 
54Vp         »  n  »     kräftige  „ 

16,09Vo    n    Mädchen    „     schwache  « 

65,51%    „  „  „     kräftige 

Die  Zahl  der  muskelschwachen  Knaben  nimmt  mit 
der  Körperlänge  ab,  und  ist  die  Zahl  der  muskel- 
schwachen gröfsten  Knaben  mehr  als  um  das  Doppelte 
kleiner  als  jene  der  muskelschwachen  kleinsten  Knaben. 
Gröfser  ist  die  Zahl  der  muskelschwachen  Mädchen,  welche  mit 
Abnahme  der  Körperlänge  auch  muskelschwächer  geworden  sind. 

Am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres  gab  es  durchschnittlich 
mehr  muskelstarke  Mädchen  als  Knaben. 

Bis  zur  Körperlänge  von  130  cm  gab  es  mehr  muskelschwache 
als  muskelstarke  Knaben;  bei  den  Mädchen  war  eine  Prävalenz  der 
Moskelschwachen  über  die  Muskelstarken  nur  bis  zu  einer  Körper- 
höhe von  120  cm  vorhanden. 

Mit  der  Körperlänge  über  130  cm  übersteigt  die  Zahl  der  muskel- 
starken  jene  der  muskelschwachen  Kinder  um  nahezu  das  Doppelte. 
Im  allgemeinen  macht  die  physische  Entwicklung 
des  Kindes  auffallend  geringe  Fortschritte,  und  liegt  der 
Grand  hierfür  allein  in  der  Beschaffenheit  der  Muskulatur.  Im  Zu- 
Stande  der  Muskulatur  liegt  das  Wohlbefinden,  im  Muskel  geht  der 


156 

für  die  physische  Entwicklung  des  Kindes  so  hochwichtige  Prozels 
—  der  Nahningsmittelumsatz  —  vor  sich.  Wie  sichergestellt,  beträgt 
normalerweise  das  Gewicht  der  Muskulatur  die  Hälfte  des  Körper- 
gewichtes. 

Nahezu  gleichen  Schritt  mit  den  Veränderungen  in  der  Musku- 
latur halten  die  Veränderungen  im  Ernährangszustande. 

Zu  Beginn  des  ersten  Schuljahres  steht  der  Prozent- 
satz der  Kinder  mit  kräftiger  Muskulatur  und  guter  Er- 
nährung in  geradem,  und  derjenige  der  Kinder  mit 
schwacher  Muskulatur  und  schlechtem  Ernährungszustande 
im  umgekehrten  Verhältnisse  zur  Körperlänge. 

Bei  47,72  %  der  Kinder  (43  %  der  Knaben  und  57  %  der 
Mädchen)  war  der  Ernährungszustand  beim  Eintritt  in  die  Schule 
ein  guter  und  bei  3,42  %  ein  ganz  ungenügender  (Figur  14). 

Von  den  47,72  %  am  Beginn  des  ersten  Schuljahres  als  gut 
genährt  qualifizierten  Kindern  blieb  dieser  gute  Ernährungszustand 
bis  zum  Ende  des  vierten  Schuljahres  nur  bei  42%  der  gleiche. 

Die  Muskulatur  und  der  Ernährungszustand  war  bei 
grofsen  Kindern  im  Durchschnitt  ein  besserer  als  bei 
kleinen. 

Im  ersten  Schuljahre  nahm  die  Ernährung  bei  25,26  %  der 
Knaben  und  42,45  7o  der  Mädchen  ab.  In  den  folgenden  Schul- 
jahren nahm  jedoch  sowohl  die  Muskulatur,  als  auch  der  Er^ 
nährungszustand  stetig  zu. 

Eine  schwache  Muskulatur  und  eine  schlechte  Er- 
nährung ist  bei  Kindern  armer  Eltern  dreimal  häufiger 
zu  finden  gewesen,  als  bei  den  Kindern  aus  gut  situierten 
Familien. 

So  wie  man  sich  angesichts  der  grofsen  Zahlen  in  Abnahme 
und  Stillstand  des  Körpergewichts  die  Frage  nach  den  Ursachen 
dieser  Erscheinung  stellt,  so  nötigen  auch  die  Daten  über  Abnahme 
der  Muskelstärke  und  des  Ernährungszustandes  zur  Frage,  welche 
Ursachen  hierfür  vorliegen? 

8,78  Vo  der  Knaben  und  11%  der  Mädchen  wurden  im  Laufe 
der  vier  Schuljahre  von  akuten  Infektionskrankheiten  befallen,  und 
stellte  die  Beobachtung  sicher,  dafs  in  keinem  dieser  Fälle  der 
Nachweis  zu  erbringen  war,  dais  diese  Erkrankungen  auf  die  phy- 
sische Entwicklung  des  Kindes  irgendeinen  nachhaltigen  ungünstigen 
Einfluls  ausübten  und  dals  ihnen  eine  Hemmung  der  physischen  Ent- 
wicklung zugeschrieben  werden  könnte. 


157 

Die  Erhebungen  bei  der  jährlichen  Untersnchung  ergaben  als 
Ursache  des  Stillstandes  oder  Rückschrittes  der  physi- 
fichenEntwicklnng  angünstige Lebensyerhältnisse,  Lungen- 
leiden,  in  die  Schule  mitgebrachte  KOrperschwäche,  auch 
reichlichen  Alkoholgenufs,  kurz  gesagt,  verschiedene  ungünstige 
Abweichungen  vom  natürlichen  Verlaufe  des  Lebens.  Die  akuten 
infektiösen  Erkrankungen  und  die  meisten  übrigen  interkurrenten 
Erkrankungen  der  Kinder  waren  lediglich  störende  Einflüsse  von 
kürzerer  Dauer,  welche  wohl  Verluste  mit  sich  brachten,  die  jedoch 
bei  wieder  eintretenden  günstigen  Verhältnissen  mehr  oder  weniger 
kompensiert  wurden.  Es  ist  daher  anzunehmen,  dals  die  Natur  bei 
den  erkrankt  gewesenen  Kindern  im  Stadium  der  Rekonvaleszenz 
und  darüber  hinaus  in  der  Regel  zum  Ersätze  des  Eingebüfsten  ein 
Mehr  leistet  als  bei  normalen  Verhältnissen.  Freilich  muls  es  dahin 
kommen,  da(s,  wenn  die  ungünstigen  Einflüsse,  die  Entwicklungs- 
störungen verhältnismäfsig  lange  anhalten  oder  früher  wieder  ein- 
treten als  dem  kindlichen  Organismus  Zeit  gegönnt  war,  sich  zu  er- 
bolen,  selbstredend  die  Fortentwicklung  dieses  Organismus  Schaden 
nehmen  und  für  alle  Zeiten  zurückgesetzt  bleiben  mub;  auch  mufs 
dieser  Schaden  durch  den  fortgesetzten  Schulbesuch  naturgemäfs  ein 
immer  gröfserer  werden. 

Kränkliche  Kinder  —  und  solche  gibt  es,  wie  meine  Unter- 
sachungen  zeigten,  viel  mehr  als  völlig  gesunde  —  laufen  daher 
stets  Gefahr,  in  der  Entwicklung  zurückzubleiben,  und  dieses 
Moment  mufs  der  Schulhygieniker,  mufs  der  Lehrer  jederzeit  im 
Auge  behalten  1  Diesen  muls  es  geläufig  sein,  dals  erwiesenermalsen 
darch  rationelle  Pflege  des  Kindes  im  Hause  und  in  der  Schule 
die  Kränklichkeit  desselben  überwunden  werden  kann,  und  dafs  ge- 
rade bei  solchen  Eandem  die  Schule  die  heiligste  Pflicht  hat, 
darüber  zu  wachen,  dafs  ihre  Tätigkeit  bei  der  ihr  anvertrauten 
Erziehung  nicht  hemmend  in  den  Gang  der  normalen  Entwicklung 
eingreife. 

Wann  könnte  aber  die  Schule  diese  ihre  Aufgabe  lösen? 
Gewifs  nur  dann,  wenn  sie  regelmäfsige,  stets  wieder- 
kehrende Untersuchungen  der  Kinder  durchführt,  welche 
Mafsnahme  die  einzig  wirksame  Kontrolle  einer  gesunden 
Entwicklung  ist. 

Wollte  die  Allgemeinheit  etwas  für  die  kräftige  Ernährung 
nnd  damit  für  eine  stärkere  Muskelentwicklung  leisten,  so  müfsten 
die  heute    schon    bestehenden    zahlreichen   Wohlfahrtseinrichtungen 


158 

weit  allgemeiner  werden,  müTste  die  Entstehung  und  Erhaltung  derselben 
von  jeder  Gemeinde  gefördert  werden.  Einrichtung  von  Spielplätzen, 
Gründung  und  Erhaltung  yon  Suppenanstalten,  Ferienkolonien  und 
Sohulbftdem  mttfsten  dort,  wo  Schulen  bestehen,  Unterstützung  und 
Förderung  erfahren,  und  hätte  sich  die  Zahl  und  Grölse  dieser 
Einrichtungen  nach  der  Zahl  der  Schulkinder  zu  richten.  Wie 
viele  arme  Kinder  gibt  es,  welche  keine  Ferien  kennen,  denen  dieae 
keine  Erholung  bringen!  Warum  sollen  diese  Kinder  kein  Anreoht 
haben  auf  eine  gleiche  Fürsorge  für  ihre  normale  Entwicklung  als 
die  Kinder  besser  bemittelter  Eltern?  Ist  es  denn  ausgeschlossen, 
dals  solch  ein  armes  Kind  der  kommenden  menschlichen  Gesell- 
schaft nicht  von  gleichem  Nutzen  sein  wird  als  ein  besser  situierfces 
Kind?  Es  soll  hier  die  Schulgemeinde  in  Erwägung  ziehen,  dals 
jedes  arme  und  kränkliche  Kind  eine  zukünftige  Belastung  für  die 
Gemeinde  ist;  die  Gemeinde  sollte  sich  gegenwärtig  halten,  da(s  sie 
durch  die  Gesundhaltung  aller  ihrer  Angehörigen  sich  und  dem 
Staate  einen  wesentlichen  Dienst  erweist. 

Wenn  der  Nutzen  der  vorgenannten  Einrichtungen  in  Erwägung 
gezogen  und  auch  anerkannt  wird,  so  kann  uns  doch  nur  mehr  eine 
kurze  Spanne  Zeit  von  dem  Zeitpunkte  trennen,  in  welchem  diese 
Einrichtungen  im  Interesse  aller  Faktoren  für  jede  Schulgemeinde 
obligatorisch  werden.  Heil  jenen  Kindern,  welche  das  Glück  ge- 
nielsen  werden,  in  dieser  Epoche  die  Schule  zu  besuchen  I 

Vü.  WirbelsSule-Verkrflmmmigen  (Skcliosen). 

Figur  15  bringt  nachfolgende  Zusammenstellungen  hierüber  zur 
Anschauung. 

Beim  Schuleintritt  hatten: 

eine  normale  Wirbelsäule 
„     linksseitige  Skoliose 
„     rechtsseitige       „ 
„     Kyphose  links. 

Am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres  hatten: 

7o  der  Knaben        Vo  der  Mädchen 

90,54  90,25  eine  normale  Wirbelsäule 

1,69  2,83  „     linksseitige  Skoliose 

7,77  5,33  „     rechtsseitige       „ 

1,59  „     Kyphose  links. 


'/»  der  Knaben 

Vo 

der  MSdohen 

63,86 

67,92 

26,35 

21,69 

9,80 

8,80 
1,59 

159 


Mit  Eintritt  in  die  Schule  waren  beide  Skoliosen  bei  den 
Knaben  hftnfiger;  am  Ende  des  vierten  Schuljahres  ging  die  links- 
seitige Skoliose  bei  den  Knaben  um  24,66%»  bei  den  Mädchen 
nur  um  20%  zurück;  die  rechtsseitige  Skoliose  nahm  während  der 
yier  Schuljahre  unter  den  Mädchen  mehr  ab  als  unter  den  Knaben. 
Anffallend  ist  die  grolse  Zahl  dieser  Lageveränderungen  der  Wirbel- 
säule, und  drängt  diese  Tatsache  neuerlich  zur  Erforschung  der 
Onachen.  Wenn  auch  die  Entstehung  von  Verkrümmungen  der 
Wirbelsäule   in   einem   schwachen   Organismus  begründet  erscheint, 


Skoliose. 

Knaben. 


Anfui^  des  eraten  Schuljahres. 


Liaki- 


Bnde  des  vierten  Schuljahres. 

Jl63% 
«dt^  liiiU 


illllM17,77'/, 


21.69% 


Ende  des  yierten  Schaljahres. 

15.33%    ■ 


Fig.  15. 


SO  müssen  doch  noch  andere  Umstände  hinzutreten,  um  eine  solche 
Deyiation  hervorzurufen.  Diese  Annahme  ist  um  so  berechtigter,  als 
die  Untersuchungen  ergaben,  dafs  nicht  alle  körper-  bezw.  muskel- 
sehwacbeu  fiander  skoliotisch  siod  bezw.  werden. 

Von  den  bei  der  ersten  Untersuchung  als  muskelschwach  sicher- 
gestellten Knaben  waren  33,02  %  skoliotisch  und  von  den  Mädchen 
44,06%,  während  von  den  muskelstarken  Knaben  34,73  und  von 
den  muskelstarken  Mädchen  19,38  Vo  als  skoliotisch  erkannt  wurden. 
Hierbei  kamen  nur  ausgesprochen  muskelstarke  bezw.  muskelschwache 

Sehnlgesnndheitspflegre.  XVIIL  9 


160 

Kinder  in  Reohnnng.  Die  linksseitige  Skoliose  wurde  bei  miiskel- 
kräftigen  Knaben  doppelt  so  hänfig  gefunden  als  bei  schwächlichen ; 
es  bestand  das  Verhältnis  yon  2:1;  bei  den  rechtsseitig  skoliotischen 
Knaben  jedoch  bestand  das  Verhältnis  von  6 :  7.  Bei  den  Mädchen 
konnte  bei  beiden  Skoliosen  das  gleiche  Verhältnis  6  :  8  sicher- 
gestellt werden. 

Es  ist  kein  reiner  Zufall»  dafs  gerade  muskelkräftige  Knaben 
und  muskelschwache  Mädchen  eine  yerhältnismäJlsig  so  hohe  Zahl 
von  Skoliotikem  aufweisen.  Für  begreiflich  wird  allerdings  gewöhn- 
lich nur  das  häufigere  Vorkommen  von  Skoliose  bei  muskelschwaohen 
Mädchen  gehalten,  nicht  aber  jenes  bei  muskelstarken  Knaben. 

Der  praktische  Arzt  hat  bei  Ausübung  seiner  Praxis  in  den 
Industriegegenden  Gelegenheit,  die  Beobachtung  zu  machen,  daCs 
die  Pflegepersonen  alle  schwachen  Kinder,  aber  auch  die  muskel- 
kräftigen Knaben,  ausschliefslich  auf  dem  linken  Arme  tragen, 
um  sich  die  rechte  Hand  zur  Arbeit  freizuhalten;  das  Kind  liegt 
in  der  Regel  mit  seinem  Kopfe  auf  der  Brust  der  Pflegeperson  und 
sein  Körper  beschreibt  nach  auüsen  einen  leichten  Bogen.  Durch 
diese  stundenlang  andauernde,  oft  wiederkehrende  Haltung  bis  zum 
zweiten,  ja  dritten  Lebensjahre  entstehen  die  meisten  linksseitigen 
Skoliosen,  welche  die  Schule  im  Laufe  der  Jahre  so  günstig  be- 
einfluJJät. 

Es  ist  Brauch,  gerade  den  Knaben  eine  grölsere,  aufmerksamere 
Pflege  angedeihen  zu  lassen,  weshalb  selbst  muskelstarke  Elnaben 
die  Begünstigung  seitens  ihrer  Mütter  genieÜBen,  wie  ein  kränkliches, 
schwaches  Kind  bis  zum  zweiten  Lebensjahre  getragen  zu  werden. 
Anderseits  mub  auch  betont  werden,  dafs  nicht  alle  Muskelstarken 
auch  knochenstark  sind.  Die  allgemein  übliche  Ernährung  mit  den 
vielen  Milchsurrogaten  ist  nur  zu  häufig  die  Ursache,  dafs  die 
Kinder  wohl  an  Muskelfett  zunehmen,  hierbei  jedoch  einen  zarten 
Knochenbau  behalten,  der  ihnen  nur  spät,  selbst  erst  im  dritten 
Lebensjahre  das  Gehen  gestattet;  begreiflich,  daCs  der  scheinbar 
muskelkräftige  Knabe  nicht  laufen  kann  und  auf  der  Mutter  Arm, 
in  sich  zusammengeknickt,  stundenlang  sitzt.  Nur  ein  Verhältnis- 
mäfsig  kleines  Prozent  der  Unterjährigen  geniefsen  das  Glück,  natar- 
gemäCä  sich  zu  entwickeln,  die  übrigen  sind  auf  Pflegepersoneu  an- 
gewiesen, denen  Geduld  und  Zeit  mangelt,  das  Eand  im  Liegen  zu 
pflegen.  Sie  tragen  das  Kind  in  der  Regel,  um  auf  diese  Weise 
leichter  ihre  Tagesarbeit  verrichten,  sich  im  Freien  aufhalten  und 
Besuche  machen  zu  können. 


161 

Das  stete  Tragen  der  Kinder  auf  demselben  Arm  ist  Ur- 
sache der  Entstehung  von  Skoliosen I  Es  genügt  nicht,  zu  sagen, 
das  Knochengerüst  des  Kindes  ist  zu  schwach,  daher  müssen  Skoliosen 
entstehen.  Hier  wird  entschieden  Ursache  und  Wirkung  verwechselt. 
Besserung  der  sozialen  Verhältnisse,  Inslebenrufen  von 
Krippen  in  allen  gröfseren  Orten,  Belehrung  der  Be- 
völkerung über  Kindererziehung  und  Kinderernährung, 
und  die  Skoliose  wird  zur  Seltenheit I  Leider  ist  die  gegen- 
wärtige Bevölkerung  noch  sehr  weit  entfernt  von  der  Einsicht  der  Not- 
wendigkeit solcher  Wohlfahrtseinrichtungen. 

Von  den  beim  Schuleintritt  als  skoliotisch  erkannten  Eondem 
war  die  Skoliose  in  der  überwiegendsten  Zahl  eine  linksseitige;  nach 
dem  vierten  Schuljahre  war  sie  bei  87  %  derselben  behoben,  und 
von  den  bei  der  ersten  Untersuchung  als  normal  befundenen  Kindern 
entwickelte  sich  bis  zum  vierten  Schuljahre  bei  8  %  Skoliose,  und 
zwar  in  28  %  der  Fälle  eine  linksseitige  und  in  72  %  derselben  eine 
rechtsseitige. 

43,21  Vo  der  linksskoliotischen  Knaben  und  16,88  %  der  links- 
skolioüschen  Mädchen  hatten  eine  kräftige  Muskulatur.  2,46  % 
der  linksskoliotischen  Knaben  und  49,35%  der  linksskoliotischen 
Mädchen  hatten  eine  schwache  Muskulatur. 

5,40  %  der  rechtsskoliotischen  Knaben  und  48,64  %  der  rechts- 
skoliotiBchen  Mädchen  hatten  eine  schwache  Muskulatur,  27,02% 
der  rechtsskoliotischen  Knaben  und  32,43  %  der  rechtsskoliotischen 
Mädchen  hatten  eine  kräftige  Muskulatur. 

Anders  bei  Beurteilung  der  Ernährung: 

42,68%  der  linksskoliotischen  Knaben  und  46,05  7o  der  links 
skoliotischen  Mädchen  waren  gut  genährt,  29,17%  der  linksskolio- 
tischen Knaben  und  3,94  %  der  linksskoliotischen  Mädchen  waren 
sohlecht  genährt. 

Auf  das  Längenwachstum  blieb  die  Bildung  oder  der  Bestand 
einer  mä&igen  Skoliose  ohne  nachweisbaren  Einfluls:  56  7o  aller 
Knaben  bis  zu  110  cm  Körperlänge  waren  linksskoliotisch,  und  es 
Hatten  50,66  %  aller  Linksskoliotiker  eine  Körperlänge  von  110  cm. 
66  %  aller  rechtsskoliotischen  Knaben  und  51  %  aller  rechtsskolio- 
tischen Mädchen  hatten  eine  Körperlänge  von  über  110  cm. 

Die  rechtsskoliotischen  Kinder  erfuhren  im  Laufe  der  vier  Schul- 
jahre gegenüber  den  linksskoliotischen  eine  wesentliche  Schwächung 
ihrer  Muskulatur  und  Herabsetzung  ihrer  Ernährung. 

Die  linksseitige  Skoliose  kommt  in  51,85%  der  Untersuchten 


162 

bei  mäßiger  Ernährung,  in  4»93  Vo  derselben  bei  schleohter  Er- 
nährung, in  12,34  V»  bei  mäisig  starker  Muskulatur  und  in  27,16  V» 
bei  schwacher  Muskulatur  vor.  Bei  klein  gewachsenen  Kindern 
sind  diese  Prozentsätze  verhältnismäfsig  ungünstiger  als  bei  grofsen. 

Die  rechtsseitige  Skoliose  kommt  in  60  %  der  Untersuchten  bei 
mäfsigem,  in  2,80  Vo  bei  schlechtem  Ernährungszustande,  in  26,71  % 
bei   mäfsig  starker  und  in  34,27  %    bei  schwacher  Muskulatur  vor. 

Sowohl  die  links-  als  die  rechtsseitige  Skoliose  iflt  bei  kleinen 
Kindern  bis  110  cm  Körperlänge  häufiger  als  bei  Kindern  über 
115  cm  Körperlänge.  Das  Verhältnis  der  kleinen  zu  den  groisen 
linksskoliotischen  Kindern  ist  in  runden  Zahlen  wie  30  :  19  und 
unter  den  rechtsskoliotischen  Kindern  wie  13  :  7. 

Bei  den  linksskoliotischen  Mädchen  ist  eine  Muskelkräftigung 
und  Besserung  des  Ernährungszustandes  häufiger,  hingegen  bei  den 
rechtsskoliotischen  Mädchen  seltener. 

Beim  Schuleintritt  hatten 
Vo  der  Knaben        Vo  der  Mädchen        Körperlänge 

bis  1 10  cm  eine  linksseitige  Skoliose 
110  „     „     rechtsseitige     ^ 
110  bis  120  „     „     linksseitige       „ 
110   „   120  „     „     rechtsseitige     „ 
über  120  ^     „     linksseitige       ,| 
—  —  „     120  „     „     rechtsseitige     ^ 

Unter  den  Knaben  war  die  linksseitige  Skoliose  in  allen  G-röfsen 
bezw.  LäDgenverhältnissen  häufiger  als  unter  den  Mädchen,  und  ist 
die  Difierenz  unter  den  höohstgewachsenen  Kindern  am  auf- 
fallendsten. Während  die  rechtsseitige  Skoliose  unter  den  kleinen 
Knaben  seltener  ist,  ist  dieselbe  unter  den  mittelgroüsen  Knaben 
wieder  häufiger;  unter  den  höchstgewachsenen  Kindern  wurde  kein 
Fall  von  Rechtsskoliose  sichergestellt. 

Am  Ende  des  vierten  Schuljahres  hatten 
Vo  der  Knaben        Vo  der  Mädchen        Körperlänge 

bis  120  cm  eine  linksseitige  Skoliose 
„   120  „     „     rechtsseitige     ^ 
120  n    130  ^     „     linksseitige 
120  „   130  ^     „     rechtsseitige     „ 
über  130  „     „     linksseitige       „ 
„     130  „     „     rechtsseitige     „ 
Aus  diesen   Zusammenstellungen  ist   zu    entnehmen,    dafis   die 
linksseitige  Skoliose    unter  den   Knaben    nahezu   ganz,    unter    deik 


34,07 

21,46 

8,88 

10,73 

23,12 

22,96 

10,16 

6,66 

27,27 

1,66 

— 

2,94 

— 

2,94 

2,94 

2,61 

6,60 

5,76 

— 

3,48 

7,64 

4,66 

163 

Mftdchen  bedeutend  znrüokgegaDgen  ist,  daCs  die  rechtsseitige  Skoliose 
unter  den  kleinen  und  mittelgrofsen  Kindern  abgenommen,  unter 
den  grofsen  Kindern  nicht  unwesentlich  zugenommen  hat,  wobei 
noch  zu  bemerken  wäre,  dafs  keines  der  rechtaskoliotischen  Kinder 
bei  der  ersten  Untersuchung  skoliotisch  war.  Je  älter  das  Kind, 
desto  sicherer  ging  die  Linksskoliose  zurück,  desto  häu- 
figer wurde  die  Rechtsskoliose. 

Was  das  Verhalten   des  Körpergewichts  zur  Skoliose   anlangt, 
so  ist  zu  bemerken,  dafs  die  rechts«  wie  die  linksseitige  Skoliose  nicht 
nnr  unter  den  kleinsten,   sondern  auch  gleichzeitig  unter  den  leich- 
testen fiandem   häufiger  zu  trefiFen  war.     Eis  hatten  eine  Skoliose: 
44  %  der  Kinder  m.  e.  An&ngs-Körpergewichtv.  durchschnittl.  13  kg 

^  '^   7i         n         n    n  n  fl  »  !•» 

"3   /o    n  »  „     „  jf  y,  „  23    „ 

Am  Ende  des  vierten  Schuljahres  hatten  eine  Skoliose: 
22  Vo  der  Kinder  m.  einem  Durchschnitts-Körpergewicht  v.  20  kg  und 

'.&*/•   n  f»  r»        rt  7i  »  »»27„ 

Es  nahm  sonach  in  beiden  üntersuchungsperioden  mit 
der  Zunahme  des  Körpergewichtes  auch  die  Häufigkeit 
der  Skoliose  ab. 

Es  erscheint  durch  diese  Zusammenstellung  wahrscheinlich,  dals 
die  spätere  Bildung  einer  Skoliose  nicht  unwesentlich  an  einen 
zarten  Körperbau  gebunden  erscheint! 

Von  den  23,45%  bei  der  ersten  Untersuchung  als  linksskolio- 
tisch  sichergestellten  Kindern  blieben  0,81  %  bis  zum  Schlüsse  des 
Tierten  Schuljahres  linksskoliotisch,  und  akquirierten  1,46  Vo  der 
Kinder  erst  während  des  Verlaufes  der  yier  Schuljahre  eine  links- 
seitige Skoliose.  Es  war,  wie  bereits  hervorgehoben,  in  23,45  */o 
der  I^lle  von  Skoliose  nicht  die  Schule,  wohl  aber  die  häusliche 
Pflege  an  der  Entstehung  derselben  schuld.  Wenn  dies  als  fest- 
stehend gilt,  warum  soll  an  den  1,46  Vo  der  Fälle  mit  linksseitiger 
Skolioee  die  Schule  schuldtragend  sein,  warum  nicht  abermals  das 
Hans?  Wenn  man  in  Betracht  zieht,  unter  welchen  Verhältnissen 
die  Kinder  so  vieler  minder  gut  situierter  Eltern  zu  Hause  ihre 
Au^ben  ausarbeiten,  welche  ungünstige  Haltung  der  Kinder  beim 
Schreiben  und  Rechnen  an  allen  Objekten  zu  Hause  geduldet  wird, 
was  Kinder  schon  in  diesen  Jahren  arbeiten,  tragen,  heben  müssen, 
so  muls  unter  allen  Umständen  die  Schule  von  der  Bildung  links- 
seitiger Skoliosen  freigesprochen  werden.  Gehören  doch  alle 
Kinder,  welche  schon  bei  der  ersten  Untersuchung  eine  linksseitige 


164 

Skoliose  hatten,  ausnahmslos  dem  Arbeiter-  nnd  dem  Kleingewerbe- 
stande an. 

Anders  verhält  es  sich  mit  der  rechtsseitigen  Skoliose.  Bei 
den  Erstuntersuchnngen  waren  8,74%  der  Kinder  rechtsskoiiotisch; 
unter  diesen  ist  bei  8%  die  Skoliose  bis  zum  Schlüsse  des  vierten  Schul- 
jahres zurückgegangen  und  hat  sich  während  dieser  Zeit  bei  4,79  % 
neu  entwickelt,  so  dafs  am  Ende  des  vierten  Schuljahres  5,53  Vo  der 
Untersuchten  rechtsskoiiotisch  und   nur  2,28  linksskoliotisch  waren. 

Angesichts  dieser  Daten  kann  freilich  die  Schule  nicht  ganz 
von  Schuld  freigesprochen  werden,  da  gewiJs  ungünstige  Subsellien 
einerseits  und  eine  schlechte  Haltung  anderseits  rechtsseitige  Skoliose 
zeitigen  können. 

Bei  diesen  Betrachtungen  drängt  sich  unwillkürlich  die  Frage 
auf,  ob  sich  die  während  der  Zeit  mehrende  rechtsseitige  Skoliose 
nicht  vermeiden  Heise?  Wenn  offenbar  die  Schule  die  linksseitige 
Skoliose  bessert,  so  braucht  sie  doch  nicht  eine  rechtsseitige  Skoliose 
zu  zeitigen  I  Nicht  überall  ist  es  möglieb,  neue,  passende  Subsellien 
an  Stelle  vorhandener  schlechter  zur  Verfügung  gestellt  zu  erhalten, 
auch  ist  es  oft  dem  Lehrer  bei  bester  Absicht  nicht  möglich,  die 
schlechte  Haltung  mancher  Kinder  zu  überwachen  und  zu  korrigieren; 
da  somit  diesen  Übelständen  nicht  immer  und  überall  wirksam  ent- 
gegengetreten werden  kann,  so  muis  getrachtet  werden,  die  Folgen 
zu  mildem,  sie  zu  paralysieren.  Hier  ist  der  Ruf  gerecht- 
fertigt nach  Einrichtung  von  Jugendspielplätzen,  nach 
einem  sachverständigeren,  ich  meine  hygienischen  Turn- 
unterricht, welcher  beiden  Geschlechtern  in  gleichem 
Mafse  zukommen  müfste,  nach  vermehrten  körperlichen 
Übungen,  nach  peinlicher  Beobachtung  hygienischer  Vor- 
schriften bei  Auswahl  von  geeigneten  Subsellien,  und 
nach  umsichtiger,  nachdrücklicher  Beachtung  der  Schreib- 
stellung. 

Wenn  der  Schularzt  die  beginnende  rechtsseitige  Skoliose  kon- 
statiert, so  hätte  es  die  Schule  als  ihre  heiligste  Pflicht  anzusehen, 
diesem  Übel  mit  aller  Aufmerksamkeit  zu  steuern;  sie  hätte  die 
Pflicht,  für  solche  bresthafte  Kinder  eigene  körperliche 
Übungskurse  zu  halten.  Jeder  Schularzt  gibt  der  Schule  hierzu 
die  erforderliche  Anweisung  I 

Es  wäre  aber  auch  Pflicht  der  Gemeinde  als  Ortsschulbehörde, 
dieser  Frage  näher  an  den  Leib  zu  rücken!  Die  gesetzliche  Ver- 
pflichtung, dals  das  Kind,  wenn  auch  von  schwacher  Konstitutioni  mit 


165 

YoUendetem  sechsten  Lebensjahre  die  Schale  besuchen  mufs,  involviert 
unbedingft  anch  die  Pflicht  der  Gemeinde,  als  Ortsschnlanfsichts- 
behörde,  der  Schulhygiene,  der  Körperpflege  der  Kinder  ihre  volle 
Aofioaerkaamkeit  zuzuwenden,  da  sie  gewisserinafsen  die  Exekutive 
der  Bestimmungen  des  Schulgesetzes  ist. 

Wenn  aber  auch*  anderseits  der  G-emeinde,  als  Eigen- 
tümerin der  Schule,  im  Schulwesen  ein  vielfach  freies 
Verfügnngsrecht  zusteht,  so  obliegt  nichtsdestoweniger 
dem  Staate  die  Pflicht,  nicht  allein  die  Oberaufsicht  zu 
ffihren,  sondern  auch  die  Gemeinde,  das  Land  in  der  Er- 
fftUung  schulhygienischer  Aufgaben  zu  unterstützen.  Es 
kann  doch  für  den  Staat,  nachdem  er  den  Schulzwang  ein- 
geführt hat,  nicht  gleichgültig  sein,  ob  er  auch  auf  die 
physische  Entwicklung,  auf  das  normale  geistige  Fort- 
kommen der  Jugend  entschiedenen  Einflufs  habe  oder 
niohtl  Es  kann  dem  Staate  die  zukünftige  Wehrfähigkeit, 
der  Grad  der  zukünftigen  Steuerkraft  des  einzelnen 
gewife  nicht  gleichgültig  seini 

Die  grolse  Zahl  Muskelschwacher,  Skoliotiker,  die  nambafte 
Zahl  geistig  Minderwertiger  und  die  Zahl  aller  jener,  welche  infolge 
der  durch  den  Schulbesuch  bedingten  veränderten  Lebensweise  in 
der  Korpergewichtszunahme  und  im  Längenwachstum  ungünstig  be- 
einflufst  sind,  also  kurz  gesagt,  alle  sich  nicht  normal  entwickelnden 
Kinder  bedürfen  dringend  einer  rationellen  Körperpflege;  aber  auch 
die  übrigen,  sich  normal  entwickelnden  Kinder  können  derselben 
keineswegs  entraten!  In  seinem  wohlbegründeten  Interesse 
hätte  sonach  der  Staat  an  jeder^  wenigstens  an  jeder 
gröfseren  Schule  einen  Lehrer  anzustellen  bezw.  auf  die 
Anstellung  eines  solchen  zu  drängen,  welcher  ausschliefs- 
lieh  die  körperliche  Pflege,  die  physische  Ausbildung  der 
Kinder  zu  überwachen  hätte.  Dieser  Lehrer  müfste  eine 
begrenzte  medizinische  und  hygienische  Vorbildung  er- 
halten, er  müfste  gleichzeitig  Turnlehrer  und  Leiter  der 
Jugendspiele  sein. 

Sollte  auch  dieser  Vorschlag  im  ersten  Augenblicke  als  zu  weit- 
gehend angesehen  werden,  so  kann  hierfür  die  Tatsache  als  Ent- 
tthuldigung  herangezogen  werden,  dals  so  manche  heute  bestehende 
ESniichtung,  dafe  insonderheit  viele  Einrichtungen  im  Schulwesen 
an&ogs  das  gleiche  Schicksal  erfuhren  und  trotzdem  gegenwärtig  zur 
allgemein  anerkannten  Notwendigkeit  geworden  sind. 


166 

Der  ErziehuDgsrat  des  Kantons  Zürich  gibt  in  einem  Kreis- 
sohreiben  allen  Sohnlbehörden  zn  wissen,  welchen  Wert  er  auf 
einen  geordneten,  rationellen  Tarn  Unterricht  legt.  Das  Kreisschreiben 
sagt:  „Beim  Turnunterricht  handelt  es  sich  nicht  um  blofse  Aus- 
bildung der  körperlichen  Kraft,  sondern  um  das  Gegengewicht  zu 
der  Ausbildung  des  Verstandes  und  Gedächtnisses  und  den  übrigen 
Disziplinen,  damit  die  Schulbildung  eine  harmonische  Ausgestaltung 
des  ganzen  Menschen  werde.  Bei  der  Auswahl  der  Übungen  und 
bei  ihrer  Gruppierung  sei  daher  auf  den  Wert  der  letzteren  nicht 
nur  mit  Bezug  auf  die  körperliche  Schulung,  sondern  ebensosehr 
auf  die  Entwicklung  der  inneren  Organe  ein  ganz  besonderes  Augen- 
merk zu  richten.  Ebenso  hoch  wie  als  Mittel  für  die  körperliche 
Ausbildung  sei  der  Wert  eines  rationellen  Tumbetriebes  als  Er- 
ziehungsmittel anzuschlagen;  die  Bildung  des  Willens,  Förderung 
von  Mut,  Ausdauer  und  Entschlossenheit,  wie  der  Pünktlichkeit 
und  der  Exaktheit  in  der  Ausführung  von  Bewegungen  soll  eine 
besondere  Aufgabe  des  Turnens  sein.*^  Dieser  Erziehungsrat  ver- 
langt weiter,  es  sei  nur  bei  ungünstiger  Witterung  der  Turnunterricht 
in  die  Hallen  zu  verlegen,  und  macht  darauf  aufinerksam,  dab  der 
Turnunterricht  für  beide  Geschlechter  obligat  sei  und  es  nicht  an- 
gehe, Madchen  ohne  weiteres  vom  Turnen  zu  dispensieren. 

Die  Anstellung  solcher  Turnlehrer  könnte  jedoch 
keineswegs  die  Anstellung  von  Schulärzten  überflüssig 
machen.  Ein  solcher  Lehrer  könnte  den  Schularzt  in  seiner 
Wirksamkeit  wesentlich  unterstützen,  ihm  seine  Aufgaben  erleichtem  1 
Wenn  der  Staat  das  wesentlichste  Interesse  an  der  kräf- 
tigen Entwicklung  der  Jugend  hat,  wenn  er  also  indirekt 
verpflichtet  erscheint,  für  diese  normale  Entwicklaug 
der  Kinder  durch  Anstellung  von  eigenen  Lehrkräften 
Sorge  zu  tragen,  so  kann  und  mufs  ihm  auch  von  Inter- 
esse sein,  dafs  das  gut  entwickelte  Kind  auch  gesund 
bleibt,  und  dies  kann  nur  ein  Schularzt  besorgen;  es  wäre 
sonach  auch  die  Anstellung  desselben  Sache  des  Staates. 
Land  und  Gemeinden  hätten  allein  den  allgemeinen  In- 
struktionen für  die  Schulärzte  die  orts-  oder  landes- 
üblichen Bestimmungen  hinzuzusetzen,  um  das  letzte 
Glied  in  die  Kette  einzufügen,  welches  Glied  eine  unbe- 
dingte Notwendigkeit  für  eine  gesundheitliche,  phy- 
sische und  geistige  Erziehung  des  Kindes  geworden 
ist. 


167 

Der  Staat  hat  die  Macht  und  das  Recht,  die  genann- 
ten Einrichtungen  durchzuführen,  daher  hat  er  auch  die 
Pflicht,  es  zu  tun. 

Wenn  auch  Land,  Gemeinde,  Schule  und  Haus  jedes  fbr  sich 
seine  Pflicht  hat,  zur  Lösung  dieser  Fragen  beizutragen,  so  muis 
sich  auch,  wie  Axel  Key  richtig  bemerkt,  jeder  Vorurteilsfreie 
sagen,  dafs  es  die  Sache  des  Staates  sei,  darauf  zu  sehen, 
dafs  die  Schule  der  Entwicklung  des  Kindes  keine 
Hindernisse  in  den  Weg  lege,  dafs  sich  die  aufwachsende 
Jugend  so  stark  und  kräftig  als  möglich  entwickle,  dafs 
dies  Sache  desselben  Staates  sei,  welcher  alle  Kinder 
zur  Schule  zwingt,  die  Schulordnungen  aufstellt,  in  die 
Detailordnungen  der  Schule  eingreift  und  letztere  kon- 
trolliert. 

Vm.  Die  Sehscharfe. 

Die  Untersuchung  der  Sehschärfe  ergab,  dafs  40  %  aller  Kinder 
(46,62  Vo  der  Knaben  und  34,71  %  der  Mädchen)  beim  Schuleintritt 
einen  Femabstand  von  6  m,  dafs  21,84%  (23,64%  der  Knaben 
und  20,70  Vo  der  Mädchen)  einen  Femabstand  unter  6  m  hatten. 
Der  höchste  vorgefundene  Femabstand  von  10  m  wurde  bei  Mädchen 
fbnfmal  häufiger  als  bei  den  Knaben  angetroffen.  Femabstände  mit 
10  m  und  darüber  wurden  beim  Schuleintritt  bei  1,80%  der  Unter* 
SQohten  und  am  Schlüsse  des  yierten  Schuljahres  schon  bei  20% 
derBelben  gefunden. 

Die  Sehschärfe  hat  sich  bei  beiden  Geschlechtem  im  Laufe  der 
vier  Jahre  wesentlich  gebessert.  Zu  bemerken  ist  allein,  daJs  diese 
Bessemng  in  der  Zunahme  des  Femabstandes  über  6  m  bei  den 
Msdohen  durch  alle  vier  Schuljahre  gegen  die  Knaben  zurückblieb, 
dab  im  Gegensatze  zu  den  Knaben  die  Zahl  jener  Mädchen,  deren 
Sehschärfe  unter  der  normalen  Sehweite  von  6  m  zurückging,  nicht 
unwesentlich  zunahm.  Trotz  dieser  Tatsache  war  am  Schlüsse  des 
▼ierten  Jahres  ein  Femabstand  von  1  bis  3  m  bei  Knaben  ungleich 
häufiger  zu  beobachten,  und  zwar  gestaltete  sich  das  Verhältnis 
wie  3 : 1. 

Ungleiche  Sehschärfe  beider  Augen  wurde  ungleich 
häufiger  bei  Mädchen  vorgefunden. 

Bei  den  5,21%  der  Kinder  mit  ungleicher  Sehschärfe  beider 
Augen  konnte  konstatiert  werden,  dals  die  Sehschärfe  bis  zum  Ende 
des  vierten  Schuljahres  ausnahmslos  an  jenem  Auge  eine  namhafte 


168 

Herabsetzung  erfahr,  welches  bei  der  ersten  üntersnchnng  den 
grOlseren  Femabstand  aufwies,  während  am  anderen  Auge  die  erst- 
festgesetzte  Sehschärfe  konstant  blieb. 

Bestimmte  Beziehungen  zu  den  physischen  Entwicklungsvorgängen 
des  Organismus  konnte  ich  nur  in  geringerem  Umfange  feststellen. 
So  ergab  die  Untersuchung,  dals  von  den  Kindern,  welche  am  Ende 
des  vierten  Schuljahres  eine  subnormale  Sehweite  hatten,  bezw.  mit 
einem  Femabstande  von  unter  4  m,  unter  den  Mädchen  75%,  unter 
den  Knaben  72 Vo  eine  schwache  Körperkonstitution  hatten,  dais 
30 Vo  dieser  kurzsichtigen  Mädchen  und  73®/o  der  kurzsichtigen 
Knaben  skoliotisch  waren,  dals  40%  bezw.  45%  skrophul6s  oder 
anämisch  waren,  endlich  35%  bezw.  45%  eine  Schilddrüsen- 
vergrölserang  hatten.  Es  ergab  aber  auch  die  Untersuchung,  dab 
64%  der  kurzsichtigen  Knaben  und  80  ^/o  der  kurzsichtigen  Mädchen 
eine  sehr  gute  Auffassungskraft  und  ein  gutes  Gedächtnis  besaiäen. 

IX.  Ohrenleiden. 

Bei  der  ersten  Untersuchung  wurde  bei  5,44%  der  Kinder 
Schwerhörigkeit  festgestellt;  0,32%  der  Kinder  waren  taub  auf 
einem  Ohre. 

Bei  0,65 '/o  der  Kinder  trat  im  Laufe  der  vier  Schuljahre  eine 
Verschlimmerung,  bei  0,53%  eine  Bessemng  des  Gehörs  ein. 

Soweit  durch  die  Anamnese  sichergestellt  werden  konnte,  war 
die  Ursache  der  Schwerhörigkeit  in  den  weitaus  meisten  Fällen  vor- 
ausgegangene Erkrankung  an  Scharlach. 

Ohrenleiden  überhaupt,  also  auch  ohne  Schwerhörigkeit,  wurden 
bei  9,01^0  der  Kinder  vorgefunden. 

X.  AnfTassungsvermtgen  und  Oedichtnis. 

Von  Seite  des  Lehrkörpers  wurde  festgestellt,  dals  am  Ende 
des  ersten  Schuljahres  34,34%  der  Kinder,  wovon  56,25%  Mädchen 
und  43,75%  Elnaben  waren,  ein  schwaches  Auffassungsvermögen 
hatten;  daranter  sollen  7,83^/o  geradezu  beschränkt  zu  nennen 
gewesen  sein. 

Am  Ende  des  vierten  Schuljahres  hatten  (Figur  16)  30%  der 
Kinder,  wovon  50,73%  Knaben  und  49,27%  Mädchen  waren,  eine 
schwache  Auffassung;  3,56%  aller  Auffassungsschwachen  waren  als 
beschränkt  zu  bezeichnen. 

Am  Ende  des  vierten  Schuljahres  hatte  sich  das  Prozent 
der  Kinder   mit  guter  Auffiusung  im  ganzen  etwas  gehoben,    bei 


169 

Knaben  yermindert,  bei  Mädchen  vermehrt.  Bei  6,67  V«  der  Kinder 
nahm  das  Auffafisungsvermögen  bis  zum  Sohlasse  des  vierten  Schnl- 
jahr^  ab,  nnd  zwar  waren  78%  dieser  Kinder  Knaben  und  22% 
Mftdohen.     Bei  11%  der  Kinder  nahm  das  Auffassungsvermögen  in 


Das  AuffassungsvermSgen 

der  Schulkinder 
Bnde  des  ersten  Schuljahres.  sm  Ende  des  vierten  Schuljahres. 

69%  27%  «0  65%  26%  8% 


Knaben 


26%  11% 


68%  17^.  W: 


Mädchen 


[Z3  ' 

Gut. 


mm 

Minder  gni. 


Fig.  1«. 


Schlecht. 


diesem  Zeiträume  zu,  nnd  zwar  waren  36%  derselben  Knaben  nnd 
64  V«  Mädchen.  Bei  29,47%  der  Kinder  blieb  der  Znstand  der 
«chwachen  Auffassung  bis  zum  Ende  des  vierten  Schuljahres  stationfir. 
Nahezu  gleichen  Schritt  mit  dem  Auffassungsvermögen  hielt 
das  Gedächtnis.     Bei   10,09%  der   Kinder   (Figur  17)    war   das 


170 

Gedächtnis  am  Ende   des  ersten  Schuljahres  ein  schwaches  und  bei 

70,19Vo  ein  ausgesprochen  gutes.    Am  Ende  des  yierten  Schuljahres 

war  dasselbe  bei  14,16^/o  ein  schwaches  und  bei  68,84 Vo  ein  gutes. 

Dem  G^chlechte  nach  standen  am  Ende  des  ersten  Schuljahres 


Das  Gedächtnis 

der  Schalkinder 
am  Ende  des  ersten  Schayahres.  am  Ende  des  ▼ierten  Sehaljahre«. 

70%  18%12%  66%         20%  14% 


Knaben 


----•'  >'^ '  ■ 


. 

'   1 

'V 
1 

1 
'  ■  1 

1 

■"'■'-'■"."■" 

^^^ 

70% 


21%  9% 


70"! 


16%  m 


Mädohen 


mmm^^  ■   i    ^  ■        ■  j       ^  i  i  i  i  ■  i^ 


Gut. 


umg. 


Flg.  17. 


Schwach. 


ll,82Vo  der  Knaben  mit  schwachem  Gedächtnis  8,49%  der  Mädchen 
gegenüber;  sodann  standen  69,59%  der  Knaben  mit  gutem  Gledäohtnis 
70,76%  der  Mädchen  gegenüber,  und  war  dieses  Verhältnis  am  Ende 
des  vierten  Schuljahres  =  13,85%  zu  14,46%  bezw.  66,21%  zu 
70,12%. 


171 


Bei  lOVo  der  Eaoder  mit  soh  wachem  Gedächtnis  hat  sich  das- 
selbe gebessert,  bei  13%  der  Kinder  hat  sich  das  Gedächtnis  ver- 
schlimmert. Unter  grö&eren  Kindern  war  gntes  Auffassungsvermögen 
häufiger  zu  trejSen.  Unter  den  Knaben  nahm  das  Prozent 
mit  guter  Auffassung  bis  zum  Ende  des  vierten  Schul- 
jahres in  allen  Körpergröfsen  ab,  unter  den  Mädchen 
hingegen  durchschnittlich  zu. 

Schwaches  Auffassungsvermögen  war  unter  den  kleinsten  Kindern 
zu  beiden  Zeitperioden  am  häufigsten  anzutre£Fen.  Auch  nahm  das 
Bohwache  Auffassungsvermögen  vornehmlich  bei  den  gröfseren  Knaben 
gegen  das  vierte  Schuljahr  zu,  bei  den  Mädchen  in  allen  Körper- 
groben  ab. 

Am  Ende  des  ersten  Schuljahres  war  das  Auffassungs- 
vermögen bei 


Vo  der  Knaben 

o/o  der  USdohen 

ESrperlSnge 

51,51 

61,81 

bis             105  cm 

ein  gutes, 

18,18 

16,36 

105    „ 

„    schwaches, 

32,43 

69,66 

von  106—110    „ 

„    gutes. 

2,72 

4,09 

„    105—110    „ 

„    schwaches, 

58,42  • 

73.91 

.,    110-115    „ 

„    gutes. 

6,74 

1,08 

,,    110-115    „ 

„    schwaches. 

64,40 

79,07 

„    115-120    „ 

„   gutes. 

6,08 

7,00 

„    115-120    „ 

„    schwaches, 

54,51 

100,00 

über           120    „ 

„    gutes. 

— 

— 

120    „ 

„    schwaches. 

Am  Ende  des  vierten  Schuljahres  war  das  Aaffassungs- 

rermOgen  bei 

*/•  der  Knaben 

o/o  der  Hädoben 

KörperlSnge 

38,69 

54.28 

bis             120  cm 

ein  gutes. 

19,04 

22,86 

120    „ 

„    schwaches. 

2,66 

72,00 

von  120—125    „ 

„    gutes, 

2,66 

20.00 

„    120—125    „ 

„    schwaches, 

51,08 

69,82 

„    125-130    „ 

„    gutes. 

6,37 

12,93 

„    126     130    „ 

„    schwaches. 

61,56 

65,45 

„    130     136    „ 

„    gutes, 

6,25 

10,90 

„    130—135    „ 

„    schwaches, 

69,45 

83,33 

über           136    „ 

„    gntes. 

8,10 

11,11 

135    „ 

„    schwaches. 

Am  Ende  des  ersten  Schuljahres  war  das  Gedächt- 
nis bei 

%  der  Knaben  ^/o  der  Mädchen              Eörperlänge 

51,51  58,01                bis              105  cm  ein  gutes, 

15,15  14,57                „               105    „     „    schwaches, 

43,24  71,31               von  105—110    „     „    gutes. 


172 

®/o  der  Knaben        Vo  der  Mädchen  Körperlänge 

5,40  6,66  von  105 — 110  cm  ein  schwaches, 

71,91  73,91  „    110—115  „  „  gutes, 

11,23  —  „    110—115  „  ,.  schwaches, 

83,05  79,07  „    115—120  „  „  gutes, 

5.08  7,00  „     115—120  „  „  schwaches, 

100,00  100,00  über           120  „  „  gutes. 

—  —  „              120  „  „  schwaches. 

Am  Ende  des  vierten  Schuljahres  war  das  Gedächt- 
nis bei 

Vo  der  Knaben        %  der  Mädchen  Körperlänge 

52,38  48.57  bis              120  cm  ein  gutes, 

28,57  25,71  „               120  „  „  schwaches, 

52,00  76,00  von  120—125  „  „  gutes, 

5,32  18,66  „     120—125  „  ,,  schwaches, 

67,44  72,41  „     125—130  „  „  gutes, 

12,74  15,51  „     125—130  „  „  schwaches, 

65,62  69,09  „     130—135  „  „  gutes, 

10,93  10,90  „     130—135  „  „  schwaches, 

72,97  83,33  über           135  „  „  gutes, 

8,10  11,11  „              136  „  „  schwadies. 

Ein  gutes  Gedächtnis  wnrde  unter  den  gröfseren 
Kindern  häufiger  angetroffen  als  unter  den  kleineren. 
Die  Zahl  der  Eonder  mit  schwachem  Gedächtnis  hat  in  allen 
Gröfsen  bis  zum  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres,  auch  hier  ins- 
besondere unter  den  Mädchen,  zugenommen. 

Es  lassen  sich  aus  diesen  Zusammenstellungen  folgende  Schlüsse 
ziehen : 

1.  Je  kleiner  das  Kind,  desto  gröfser  der  Prozentsatz 
mit  ausgesprochen  schlechter  Auffassung  und 
schwachem  Gedächtnis. 

2.  Kinder  über  120  cm  bezw.  130  cm  Körperlänge  hatten 
ausnahmslos  ein  gutes  Gedächtnis  und  ein  gutes 
Auffassungsvermögen. 

3.  Die  Zahl  der  Mädchen  mit  guter  Auffassung  und 
gutem  Gedächtnis  ist  während  der  vier  Schuljahre 
bei  jeder  Körperlänge  gröfser  als  die  entsprechende 
Zahl  anter  den  Knaben. 

Ein  weiteres  Interesse  bietet  die  Entwicklung  der  geistigen 
Tätigkeit  im  Verhältnis  zum  Körpergewicht  des  Kindes. 


173 

Am  Ende  des  ersten  Schuljahres  war  das  Auffassungs- 
Termögen  bei 


*/•  der  KDftben 

o/o  der  MSdcben 

Körpergewicht 

66,61 

50,00 

bis             15  kg 

ein  gutes. 

16,66 

26,00 

1&    ., 

„    schwaches, 

47,82 

68.75 

Ton  16—18    „ 

„    gutes. 

13,04 

11,26 

„    15-18    „ 

„    schwaches. 

49,61 

74,49 

„    18-21    „ 

„    gutes, 

3,06 

8,05 

„    18-21    „ 

„    schwaches. 

64,79 

78,46 

„    21-24   „ 

„    gutes, 

4,10 

6,15 

„    21-24    „ 

,,    schwaches. 

67,14 

66,66 

Aber          24    „ 

„    gntes, 

7,14 

16,16 

24    „ 

„    schwaches. 

Am  Ende  d 

es  vierten  Schuljahres  war  das  Aaffassunj 

ermOgen  bei 

%  der  Knaben 

"h  der  MSdcben 

Körpergewicht 

46,15 

56,81 

bis            22  kg 

ein  gutes. 

7,69 

22.72 

22    „ 

„    schwaches. 

45,71 

72,72 

Ton  22—26    „ 

„    gutes. 

7,14 

18,44 

„    22    25   „ 

„    schwaches. 

45,76 

61,32 

„    26-28    „ 

„   gntes, 

3,88 

12,26 

„    25-28    „ 

„    schwaches, 

60,00 

79,58 

„    28—31    „ 

„    gutes, 

13,33 

8,16 

„    28-31    ,, 

„    schwaches. 

38,70 

63,16 

über         31    „ 

„    gutes, 

3,22 

21,05 

31    „ 

„    schwaches. 

Sowohl  unter  den  Knaben  als  unter  den  Mädchen  ist  die  Zahl 
der  Kinder  mit  einem  guten  Auffassungsvermögen  bei 
gröfserem  Körpergewichte  im  allgemeinen  gröfser,  bei 
den  Mädchen  sogar  namhaft  gröfser,  und  ist  demzufolge  auch  die 
Zahl  der  Kinder  mit  einem  schwachen  Auffassungsvermögen  bei 
geringerem  Körpergewichte  gröfser.  Bei  den  Mädchen  war  ein 
gutes  Auffassungsvermögen  bei  gröfserem  Körpergewichte 
um  vieles  häufiger  zu  konstatieren  als  bei  den  Knaben. 
Bei  den  Mädchen  war  weiter  ein  schwaches  Auffassungsvermögen  in 
allen  niederen  Qewiohtslagen  zahlreicher  anzutreffen. 

Das  gute  Auffassungsvermögen  hat  unter  den  Knaben 
Mb  zum  vierten  Schuljahre  namhaft  nachgelassen,  unter 
den  Mädchen  aber  zugenommen. 

Auch  das  schwache  Auffassungsvermögen  ist  unter  den  Knaben 
bia  zum  vierten  Schuljahre  im  Bückgang  begriffen,  unter  den  Mädchen 
lungegen  ist  dasselbe  im  Steigen. 


174 

Am  Ende  des  ersten  Schuljahres  war   das  Gedächt- 
nis bei 


%  der  Knaben 

%  der  Mädohen 

Körpergewicht 

83,33 

62,50 

bis            15  kg 

ein  gntes, 

16,66 

25,00 

15    „ 

„    schwaches. 

55,07 

67,50 

von  15—18    „ 

„    gutes. 

11,59 

11,26 

„    16-18    „ 

„    schwaches. 

61,83 

71,81 

„    18-21    „ 

„    gutes, 

6,10 

8,05 

„    18-21    „ 

„    schwaches. 

73,97 

80,00 

„    21-24   „ 

„    gutes. 

6,84 

7.69 

„    21-24    „ 

„    schwaches, 

71,42 

66,66 

über         24    „ 

„    gutes, 

14,28 

16,66 

24    „ 

„    schwaches. 

Am  Ende 

des  vierten 

Sc 

huljahres  war 

das  Gedäcl 

is  bei 

o/o  der  Knaben 

«/•  der  M8dchen 

Körpergewicht 

38,46 

59,09 

bis        22      kg 

ein  gntes, 

15,38 

25,00 

„        22       „ 

„    schwaches, 

55,71 

72,72 

von  22—25   „ 

„    gutes. 

10,00 

17,47 

,.    22-25    „ 

„    schwaches, 

58,47 

66,98 

„    25-28    „ 

„    gutes, 

9,32 

12,26 

„     25-28    „ 

,,    schwaches. 

68,33 

81,63 

„    28-31    „ 

„    gutes. 

13,33 

10.20 

„    28-31    „ 

„    schwaches. 

64,61 

68,42 

über         31    „ 

.,    gntes, 

9,67 

21,06 

))            31    ,, 

„    schwaches. 

Auch  bei  dieser  Zusammenstellung  zeigt  es  sich, 
dafs  die  Kinder  mit  gröfserem  Körpergewicht  durch- 
schnittlich in  allen  Schuljahren  in  gröfserer  Zahl  ein 
gutes  Gedächtnis  aufweisen,  und  dafs  anderseits  unter 
den  Kindern  mit  geringerem  Körpergewicht  im  allge- 
meinen ein  gröfseres  Prozent  solcher  mit  schwachem  Ge- 
dächtnis zu  konstatieren  war. 

Endlich  kann  aus  den  gesamten  Betrachtungen  der  Sohlufs  ge- 
zogen werden,  dafs  bei  einer  Körperlänge  von  110 — 120  cm  nach 
dem  ersten  und  bei  einer  solchen  yon  125— 135  cm  nach  dem  vierten 
Schuljahre,  dann  bei  einem  Körpergewicht  von  18 — 24  kg  bezw. 
25 — 31  kg  bei  beiden  Geschlechtern  minderwertige  geistige  Fähig- 
keiten weitaus  am  seltensten  zu  finden  waren. 

Es  findet  somit  der  allgemein  aufgestellte  Satz,  dafs  körperlich 
besser  entwickelte  Kinder  auch  geistig  mehr  leisten,  seine 
volle  Bestätigung. 


176 

Des  weiteren  geht  aber  aus  dieaem  UntersiicliangeergebniB  herror, 
dab  gewUe  die  nicht  geringe  Zahl  der  geistig  Minder- 
wertigen ein  beredtes  Zeugnis  ist  für  die  Berechtigung 
der  Einrichtung  und  des  Bestandes  yon  eigenen  Sohul- 
klassen,  sog.  Hilfsschulen,  für  Kinder  mit  nicht  ge. 
nügenden  geistigen  Fähigkeiten,  für  Kinder,  deren  Er- 
liehung  indiyidualisiert  werden  mufs.  Mit  Rücksicht  auf 
die  derzeit  noch  bestehenden  und  nur  schwer  zu  ändernden  Verhält- 
niase  lälst  sich  heute  der  Mangel  solcher  Klassen  bezw.  Schulen  ent- 
ichuldigen,  aber  im  Interesse  der  geistig  gut  Veranlagten,  im  Interesse 
einer  tunlichsten  Zeitigung  der  Erwerbs-  bezw.  BeruÜBtätigkeit  der 
geistig  Zurückbleibenden  niemals  rechtfertigen. 

Diese  Hilfsschulen  (Erlassen)  hätten  somit  die  Bestimmung,  alle 
▼OB  der  Natur  geistig  Vernachlässigten  zu  brauchbaren  Gliedern  der 
menschlichen  Gesellschaft  heranzuziehen.  Dals  sie  dieses  Streben 
auch  erreicht,  lehrt  die  Erfahrung. 

Nach  Bektor  Mölleb- Heiligenhafen  können  60 — 80  Vo  der 
Minderwertigen  zu  normaler  geistiger  Tätigkeit  gebracht  werden,  und 
UQ  dieses  Ziel  auch  sicher  zu  erreichen,  sollen  diese  Kinder  gleich 
nach  dem  ersten  oder  zweiten  Schuljahre,  in  welcher  Zeit  erst  ihre 
geistige  Tätigkeit  als  minderwertig  klassifiziert  werden  kann,  solchen 
Hilfsschulen  übergeben  werden. 

Gutes  Auffassungsvermögen  und  Gedächtnis  sind  bei 
Kindern  besser  situierter  Eltern  um  10%  häufiger  als 
bei  den  übrigen.  Ausgesprochen  schwache  Auffassung  und 
Bohwaohes  Gedächtnis  war  unter  den  Kindern  besser  situierter  Eltern 
mit  5,3%  vertreten,  während  die  minderwertigen  geistigen  Fähig- 
keiten unter  den  Kindern  armer  Eltern  mit  8  bezw.  19%  zu  finden 
wiren. 

XL  SchilddrflsenvergrSfserung. 

Ich  entsinne  mich  nicht,  dafs  in  der  einschlägigen  Literatur  des 
Dmstandes  Erwähnung  geschehen  sei,  von  welchem  Einflüsse  der  Zu- 
itand  der  Schilddrüse  auf  die  physische  und  geistige  Entwicklung  des 
Kindes  ist.  Meine  Beobachtungen  konnten  den  Nachweis  liefern,  da(s 
eine  Yergröiserung  der  Schilddrüse  zumeist  da  zu  finden  ist,  wo  sich 
migfinstige  Einflüsse  geltend  machen  auf  die  Entwicklung  der  Musku- 
lator,  der  Ernährung,  auf  die  Lage  der  Wirbelsäule,  endlich  auf  die 
geistigen  Fähigkeiten.  Ob  die  VergrölSserung  der  Schilddrüse  Ursache 
oder  Wirkung  ist,   wage  ich  bei  dem  noch  viel  zu  geringen  Unter- 

SchalgeraiidheiUpflege.  XVIII.  10 


176 

snobungsmaterial  nicht  atisznspreohen,  anoli  wäre  es  Sache  der  For- 
schung, festzulegen,  ob  eine  absichtlich  eingeleitete  Rückbildung  der 
vergröberten  Schilddrüse  auch  eine  beabsichtigte  Wirkung  erzielt,  ob 
und  in  welchem  Zusammenhange  eine  Vergröfserung  der  Schilddrüse 
mit  den  häufigen  Kop&chmerzen  und  dem  Nasenbluten  der  Kinder 
in  Zusammenhang  steht. 

30,18Vo  der  Knaben  und  17,82%  der  Mädchen  mit  Schilddrüsen- 
vergrOiserung  hatten  ein  minder  gutes  Auffassungsvermögen, 

18,08Vo  der  Knaben  und  17,74Vo  der  Mädchen  mit  normaler 
Schilddrüse  hatten  ein  minder  gutes  Auffassungsvermögen, 

8,37  Vo  der  Knaben  und  9,30%  der  Mädchen  mit  Schilddrüsen- 
Vergrößerung  hatten  ein  schlechtes  Auffassungsvermögen, 

0,50%  der  Knaben  und  8,48%  der  Mädchen  mit  normaler  Schild- 
drüse hatten  ein  schlechtes  Auffassungsvermögen, 

21,70  Vo  der  Knaben  und  19,38%  der  Mädchen  mit  Schilddrüsen- 
vergröfserung  hatten  ein  minder  gutes  Gedächtnis, 

14,36%  der  Knaben  und  19,09%  der  Mädchen  mit  normaler 
Schilddrüse  hatten  ein  minder  gutes  Gedächtnis, 

13,86%  der  Knaben  und  9,30  V«  der  Mädchen  mit  Schilddrüsen- 
Vergrößerung  hatten  ein  schlechtes  Gedächtnis, 

3,07%  der  Knaben  und  7,17%  der  Mädchen  mit  normaler  Schild- 
drüse hatten  ein  schlechtes  Gedächtnis. 

0£Eenbar  zeigt  diese  Zusammenstellung,  daCs  die  Kinder  mit 
einer  Vergröfserung  der  Schilddrüse  ein  gröfseres  Pro- 
zent geistig  Minderwertiger  aufweisen  als  die  anderen, 
und  ist  die  bezügliche  Differenz  zwischen  Kindern  mit  vergröüserter 
und  normaler  Schilddrüse  bei  den  Knaben  eine  bedeutende. 

Es  hatten  10,37  7o  der  Knaben  und  21,19%  der  Mädchen  mit 
Schilddrüsenvergröberung  eine  rechtsseitige  Skoliose,  während  nur 
7,97  Vo  der  Knaben  und  7,95  %  der  Mädchen  mit  normaler  Schild- 
drüse eine  solche  Skoliose  besafsen. 

Zu  Beginn  des  ersten  Schuljahres  hatten  21,98%  der  Kinder» 
und  zwar  23,64%  der  Knaben  und  20,44  7o  der  Mädchen,  und  zum 
Schlüsse  des  vierten  Schuljahres  schon  23,45%  der  Kinder  —  27,36% 
der  Knaben  und  19,81%  der  Mädchen  —  eine  Schilddrüsen- 
vergröüserang. 

Im  Verlaufe  des  vierten  Schuljahres  vergröiserte  sich  die  Schild- 
drüse unter  den  mit  normaler  Schilddrüse  in  die  Schule  eingetretenen 
Kindern  in  12,80%  der  Fälle  und  trat  bei  11%  der  Kinder  mit 


177 

beim  Schnleintritt  konstatierter  vergröfserter  Sohilddrüse  ein  Rückgang 
in  der  Vergröfserang  ein. 

Bei  Knaben  war  eine  Vergröfserung  der  Schilddrüse 
häafiger  zu  treffen  als  bei  Mädoben.  Fast  alle  Kinder 
mit  schwacher  Musknlatnr  und  schlechtem  Ernährnngs- 
zustande  hatten  eine  yergröfserte  Schilddrüse. 

Unter  den  Kindern  mit  vergröiserter  Schilddrüse  waren: 
70Vo  m&fsig  genährt, 
55  Vo  anämisch, 
68  Vo  skrophnlös, 

48  Vo  hatten  eine  minder  gute  Auffassung  und  Gedächtnis, 
17%        n         n     schlechte  n  n  n 

Bei  den  kleinen  Kindern  unter  J 15  cm  Körperlänge  scheint  das 
Wachstum  der  Schilddrüse  ohne  besonderen  Einfluls  auf  Ernährung 
und  Muskulatur,  sowie  auf  die  geistigen  Fähigkeiten  zu  sein ;  sobald 
die  Kinder  das  Längenmals  von  115  cm  überschritten  haben,  zeigt 
sieh  obiger  Einflufs  deutlich,  und  ergab  dann  die  Untersuchung  nach- 
stehende Resultate: 
50,94%   der  Eoiaben   und  49,12%  der  Mädchen  mit   schwacher 

Muskulatur  hatten  eine  Schilddrüsenyergröfserung, 
71,71%  der  Knaben  und  67,59%  der  Mädchen  mit  mäfsiger  Er- 
nährung hatten  eine  Schilddrüsenyergröfserung, 
alle  mit  schlechter  Ernährung  hatten  eine  Schilddrüsenyergröfserung, 
42,55%   der  E[naben   und  57,45%   der   Mädchen   mit   normaler 

Schilddrüse  waren  beim  Schuleintritt  und 
34,28%   der  Knaben   und  55,24%  der  Mädchen  waren  am  Ende 

des  yierten  Schuljahres  gut  genährt  und  kräftig  entwickelt, 
26,41%  der  Knaben  und  24,07%  der  Mädchen  mit  Schilddrüsen- 

yergrölserung  und 
26,06  Vo  der  Knaben  und  22%  der  Mädchen  mit  normaler  Schild- 
drüse hatten  eine  linksseitige  Skoliose. 
Vergrölserungen  der  Schilddrüse  waren   unter  den  Kindern  be- 
mittelter wie  armer  Eltern  gleich  yerbreitet. 

Xn.  Andere  Gebrechen  nnd  interknrrierende  Krankheiten. 

75^0  aller  Knaben  und  74,73%  aller  Mädchen  wurden  als  krank 
befanden.  Diese  Kinder  hatten  teils  Anämie,  Drüsenschwellungen, 
ausgesprochene  skrophulöse  Diathese,  teils  Lungenkatarrhe,  Herzfehler, 
Knochentuberkulose,  teils  Augenleiden  (ohne  Kurzsichtigkeit).  Als 
saämiseh  wurden  nnr  jene  Kinder  bezeichnet,  welche   es  auch  un- 

10* 


178 

zweifelhaft  waren  (BlAsae  der  sichtbaren  Sohleimhänte,  schlaffe  Musku- 
latur, Herzklopfen,  Kopfschmerzen).  Kopfschmerzen,  Magenkatarrhe, 
Nervosität,  Nasenbluten  wurden  nicht  unter  die  krankhaften  Zustände 
aufgenommen,  da  dieselben  durch  objektive  Symptome  nur  mit  Un- 
sicherheit zu  bestimmen  waren  und  die  Beobachtungen  des  Lehrers 
nur  auf  dessen  subjektiven  laienhaften  Ansichten  basieren.  Bräche 
jeder  Art,  Bettnässen,  Schwerhörigkeit,  Taubheit  auf  einem  Ohre, 
Erblindung  auf  einem  Auge,  Homhautflecke,  Ohrenflufs,  Veitstanz, 
Epilepsie  wurden  nicht  besonders  behandelt,  da  deren  Zahl  nur  eine 
genüge  war.  Es  sei  gleich  hier  betont,  dals  die  auffallend  groise 
Zahl  kranker  Kinder  in  dieser  hochbedeutsamen  Industriegegend,  in 
dem  Berufe  der  Eltern,  in  der  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  und  in 
den  daraus  resultierenden  ungünstigeren  Lebensverhältnissen,  endlich 
in  der  nicht  unbedeutenden  Lebensmittelteuerung  ihre  berechtigten 
Ursachen  hat. 

17,56  Vo  der  Knaben  und  17,297«  der  Mädchen  waren  gesund  ohne 

Skoliose, 
16,55Vo  der  Knaben  und  15,097«  der  Mädchen  waren  gesund  ohne 

Skoliose  und  nicht  kurzsichtig, 
ll,147o  der  Knaben  und  13,527«  der  Mädchen  waren  gesund  ohne 

Skoliose,  nicht  kurzsichtig  und  mit  normaler  Schilddrüse, 
5,40^/o  der  Knaben  und  6,29^/«  der  Mädchen  waren  gesund  ohne 
Skoliose,  nicht  kurzsichtig,  mit  normaler  Schilddrüse  und  ohne 
Zahnfäule, 
4,72  7o  der  Knaben  und  6,297«  der  Mädchen  waren  gesund  ohne 
Skoliose,   nicht  kurzsichtig,  mit  normaler  Schilddrüse,   ohne 
Zahnftlule  und  physisch  gut  und  gebrechenfrei  entwickelt. 
Diese  Zahlen,  wenn  sie  auch  erschreckend  grols  sind,  sind 
nichtsdestoweniger  den  Tatsachen  entsprechend. 

Diese  Zahlen  rufen  gebieterisch  nach  Abhilfe  und  verlangen 
von  uns,  dals  wir  endlich  der  Lösung  der  sozialen  Frage,  besonders  in 
Lidustriegegenden,  näher  treten,  diese  mit  allen  zu  Qebote  stehenden 
Mitteln  erstreben! 

Diese  Zahlen  erheischen  zwingend  die  endliche,  aber  auch 
wirksame  und  nachhaltige  Lösung  der  Schularztfrage. 

Ohne  Lösung  dieser  Fragen,  und  insbesondere  letzterer,  müssen 
die  kommenden  Jahre  stets  traurigere  B.esultate  zeitigen,  müssen 
Staat,  Land  und  Gemeinde  Schaden  nehmen  und  mnÜB  das  kommende 
Gheschlecht  immer  mehr  degenerieren  1 

75%  der  Kinder  waren  bresthaft.   Die  vorkommenden  Gebrechen 


179 

▼nrden  bereits  namhaft  gemacht,  unter  den  Qebreohen  waren  die 
spntohlichen  vorherrschend.  Die  Häufigkeit  der  Gebrechen  bei  Knaben 
und  Mftdchen  verhält  sich  wie  3 :  7. 

Nach  ihrer  Häufigkeit  waren  die  konstatierten  Gebrechen  in  ab- 
steigender Linie:  Sprachfehler,  Verkürzungen  der  unteren  Extremi- 
täten, Strabismus,  Herzfehler,  Homhauttrtlbungen,  Leistenbrüche, 
Säbelbeine,  Taubheit  auf  einem  Ohre,  Blindheit  auf  einem  Auge, 
Klumpfülse  usw.  usw. 

Von  den  krankhaften  Zuständen  konnten  konstatiert  werden  bei 
22,29%  der  Knaben  und  28,93%  der  Mädchen  Anämie, 
37,70%    „         „         „     33,96%    „         „         Bindehautkatarrhe  (zu- 

meistskrophul.Natur), 
46,62%  ^  »  „  31,76%  „  „  Lymphdrüsenschwellung., 
36,14%  n  n  7)  38,67%  „  „  ausgesproch.  Skrophulose, 
71,28Vo    „         „         „     57,86%    „         „   Zahnfäule. 

Nachfolgende  Zusammenstellung  zeigt  die  Abnahme  der  Zahl 
der  Erkrankten  und  die  Zunahme  der  vollkommen  gesunden  Kinder 
mit  zunehmender  Körperlänge: 

Beim  Eintritt  in  die  Schule: 
Bei  einer  Körperlänge  bis  105  cm 
hatten  33,00%  der  Kinder  Anämie, 
„     45,00%   „        ,,      Skrophulose  u.  Lymphdrüsenschwellungen, 
„     86,00%   „        „      Zahnfäule, 

8,95%   „        „      bresthaft, 
„       2,93%   „        „      Schilddrüsenyergröiserung  und 
waren  OV9,,        „      gesund. 

Bei  einer  Körperlänge  von  105—110  cm 
hatten  21,50%  derE[inder  Anämie, 
„     42,00%   „        ,,      Skrophulose  u.  Lymphdrüsenschwellungen, 
„     71,50%   „        „      Zahnfeule, 
„     14,82«/,    „        „      bresthaft, 
„       9,28%   „        „      Schilddrüsenyergröiserung  und 
waren  17,60%   „        „      gesund. 
Bei  einer  Körperlänge  von  110 — 115  cm 
hatten  17,00%  der  Kinder  Anämie, 
„     41,00%    „        „      Skrophulose  u. Lymphdrüsenschwellungen, 
„     65,00%    „        „     Zahnfäule, 
„     12,86Vo   „        „     bresthaft, 
„       5,70Vo    „        „     Schilddrüsenveigröiserung  und 
wawn  20,00%    „        „     gesund. 


180 

Bei  einer  Körperlänge  von  115 — 120  om 
liatten  22,00 7o  der  Kinder  Anämie, 
„      32,00%    „        „      Skrophuloseu.LymphdrüBenjBohweUungen, 
„      64,00*/o    „        „     Zahnfäule, 

5,00*/o    „        „     bresthaft, 
„       3,90Vo    „        „      SohilddrüsenvergröfBerung  und 
waren  38,OOVo   „        „      gesnnd. 

Bei  einer  Körperlänge  von  120  om  und  darüber 
hatten    9,00T  der  Kinder  Anämie, 


„  27,OOVo 
„  46.00% 
„  1,14% 
„  0,81% 
waren  45,OOVo 


Skrophuloseu.  Lymphdrüsensoh  wellungen, 

Zahnfäule, 

bresthaft, 

Sohilddrüsenvergrölserung  und 

gesund. 


Am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres: 

Bei  einer  Körperlänge  von  115  cm 
hatten  39.00%  derEander  Anämie, 

„      43,00%    „        „      Skrophuloseu. Lymphdrüsenschwellungen, 
„      87,00%    „        „     Zahnfäule, 

0,48%    „        „      bresthaft, 
„  0%    „        „      Schild drüsenvergröfserung  und 

waren     1,70%    „        „     gesund. 

Bei  einer  Körperlänge  von  115 — 120  cm 
hatten  23,00%  der  Kinder  Anämie, 
,,      40,50Vo    „        „      Skrophuloseu. Lymphdrüsenschwellungen, 
„      72,50%    „        „      Zahnfäule, 

0,65%    „        „      bresthaft, 
„        1,62%    ,,        „      Sohilddrüsenvergrölserung  und 
waren  18,40Vo    „        „      gesund. 

Bei  einer  Körperlänge  von  120 — 125  cm 
hatten  16,507o  der  Kinder  Anämie, 
„     38,00%    „        „      Skrophuloseu. Lymphdrüsenschwellungen, 
„      69,007p    „        „      Zahnfäule, 

4,887p    „        „     breethaft, 
„       6,027«    „       „     Sohilddrüsenvergrölserung  und 
waren  22,007«    „        „     gesund. 


181 

Bei  einer  Eörperlftnge  von  12ö — 130  om 
hatten  19,00%  der  Kinder  Anftmie, 
„     31,00'/»   „       „     Skrophalo8en.Lymphdrtt8enaohwrilongen, 


„  67,00% 

„  7.49% 

„  8,32  U 

waren  40,50% 


Zahnfäule, 
bresthaft, 

SchilddrüsenvergröÜBening  und 
{^nnd. 

Bei  einer  Körperlänge  von  130  cm  und  darüber 
hatten    6,00  Vo  der  Kinder  Anämie, 

„      25,007o    „        „      Skrophuloaen.Lymphdrüsenflohwellnngen, 

,,      40,öOVo   „        „      Zahn&nle, 
6,35%    „        „     breethaft, 

„        8,14%    „        „     Schilddrttfienvergröfcemng  und 
waren  49,50%   „        „     gesund. 

Je  gröfser  das  Kind,  desto  mehr  nimmt  die  Zahl  der 
krankhaften  Zustände  ab;  es  nahm  auch  das  Prozent  der 
Bresihaften  und  der  Kinder  mit  einer  Schilddrüsenyergröfsernng  mit 
der  KOrperlänge  von  110  cm  aufwärts  ab.  Die  Zahl  der  Ge- 
sunden nimmt  mit  der  Körperhöhe  stetig  zu,  so  daJs  unter 
den  Untersuchten  mit  einer  Körperlänge  yon  115 — 120  cm  bezw. 
120  om  und  darüber  mehr  als  doppelt  soviel  Gesunde  sind  als  unter 
jenen  mit  einer  Körperlänge  von  105 — 110  cm  bezw.  110 — 115  cm. 

Zu  den  Daten,  welche  am  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres  ge- 
sammelt wurden,  ist  an  der  Hand  der  vorstehenden  Zusammen- 
stellungen zu  bemerken,  dals  auch  hier  die  Zahl  der  krankhaften 
Zustände  mit  der  Körperhöhe  abnimmt,  nicht  aber  die  Zahl  der 
brssthaften  Kinder  und  der  Kinder  mit  einer  Schilddrüsenvergröfte- 
rang;  diese  Zahlen  erfahren  mit  der  zunehmenden  Körperlänge  auch 
eine  namhafte  Vermehrung.  Trotzdem  nahm  gegenüber  den  ersten 
Untersuchungen  die  Zahl  der  Gesunden  am  Schlüsse  des  vierten 
Schuljahres  in  allen  Körperhöhen  zu  und  war  von  den  gröfsten 
Kindern  sogar  die  Hälfte  derselben  vollkommen  gesund,  während 
imter  den  kleinsten  Kindern  die  Zahl  der  Gesunden  von  0  auf  rund 
2Vo  zunahm. 

Anämie  war  bei  den  kleinen  Mädchen  seltener  als  bei  den  gleich 
groben  Knaben ;  das  Verhältnis  war  22,03^0  zu  24,44%.  Hingegen 
war  die  Anämie  unter  den  gröfseren  Mädchen  ungleich  öfter  zu  be- 
obaohten  als  unter  den  gleich  grofsen  Knaben;  bei  ersteren  betrug 
das  Prozent  30,36,  bei  letzteren  18,49.  Anämie  war  bei  Kindern 
innerer  Eltern  um  4%  häufiger  als  bei  den  übrigen. 


182 

Unter  den  Knaben  waren  Skrophnlose  und  LymphdrflaenBohwel- 
Inngen  zahlreicher  anzntre£Fen  als  bei  den  Mädcheui  nnd  blieb  dieses 
Verhältnis  bei  allen  KörpergrGlsen  dasselbe.  Es  fallen  in  diese  Kategorie 
67,40%  der  kleinen  nnd  66,16%  der  gro&en  Knaben,  54,80Vo  der 
kleinen  nnd  42,96%  der  grolsen  Mädohen. 

Zahnfiinle  war  bei  den  kleinen  nnd  grolsen  Kindern  unter  den 
Knaben  stärker  verbreitet  als  unter  den  Mädchen,  und  zwar  bei 
61,58%  der  Mädchen  und  bei  75,55%  der  Knaben.  Dnter  den 
Kindern  armer  Eltern  war  dies  Zahn&ule  um  23%  häufiger  als 
den  Kindern  besser  situierter  Eltern.  Alle  jene  Kinder,  welchen  min- 
destens ein  Drittel  ihres  Gebisses  mangelte  oder  kariös  war,  wurden 
als  mit  Zahn&ule  behaftet  bezeichnet 

Andere  als  die  in  Betrachtung  gezogenen  krankhaften  Zustände 
wurden  von  mir  ausgeschaltet,  und  zwar  aus  den  bereits  oben  an- 
gefahrten Gründen.  Würde  ich  die  Zahl  dieser  auch  mit  in  Rech- 
nung gezogen  haben,  so  würde  das  Prozent  der  Gründen  gewils  be- 
deutend geringer,  als  angegeben,  ausgefallen  seini 

Von  den  untersuchten  £andern  stammten  4%  von  notoriachen 
Säufern  ab.     Von  diesen  hatten 

63%  eine  schlechte  Auffeissung  und  schwaches  Gedächtnis,  waren 

17Vo  schwerhörig,  anämisch,  hatten  Sprachfehler,  waren 

80%  sehr  mäfsig  genährt,  hatten 

71%  eine  schlaffe  Muskulatur, 

67%  Zahnfäule, 

547«  Skrophulose, 

46%  eine  Skoliose,  und  war  nicht  ein  Kind  yollkommen  gesund. 

Noch  wäre  der  Differenzen  in  der  Entwicklung  der  Kinder 
besser  situierter  und  armer  Eltern  zu  gedenken. 

Gleichaltrige  und  beim  Schuleintritte  gleich  grofse  Kinder  be- 
mittelter Eltern  erreichen  bis  zum  Schlüsse  des  vierten  Schuljahres 
gegenüber  den  Kindern  armer  Eltern  durchschnittlich 
eine  um  7%  grölsere  Körperlänge, 
einen  um  4Vo  stärkeren  Brustumfang, 
ein  um  6%  grölseres  Körpergewicht. 

Die  Untersuchungen  Vierortb  ergaben  die   gleichen  Besultate. 

Schwache  Muskulatur  ist  bei  Kindern  armer  Eltern  dreimal 
häufiger  und  ist  die  linksseitige  Skoliose  um  5%  zahlreicher  alB  bei 
den  übrigen;  allein  die  rechtsseitige  Skoliose  ist  bei  Kindern  be- 
mittelter Eltern  um  2%  häufiger. 


183 

Bei  den  Kindern  armer  Eltern  ist: 

Anämie um    4Vo 

Zahnftnle „    23V* 

sohleohte  Anfüeussung  nnd  schwaohes  Oed&ohtnis „      %% 

häufiger  als  bei  den  anderen ;  gates  Gedächtnis  nnd  gnte*  Auffassung 
nnd  bei  den  Kindern  bemittelterMtem  um  10%  häufiger. 

XIII.  SeUufsbetraehtmigen. 

loh  wiederhole  noohmals,  dals  yorliegende  Arbeit  nioht  als  ab- 
geschlossenes Gbmze  zu  betrachten  ist,  da  sich  die  Zusammenstellungen 
allein  auf  die  ersten  vier  Schuljahre  erstrecken,  weshalb  ich  auch 
manches  hochwichtige  Moment  nicht  in  Kechnung  ziehen  durfte. 

llGgen  vorstehende  Daten,  wenn  sie  auch  nicht  nach  allen  Rieh* 
tongen  als  einwandsfrei  aufgefa&t  werden  sollten,  zum  wenigsten  die 
Anregung  zu  weiteren  und  umfangreicheren  Untersuchungen,  zur 
eyentnellen  Behebung  mancher  heute  noch  bestehender  schulhygieni- 
sdier  Mängel  in  Einrichtung  und  Unterricht  geben  i 

Mögen  die  angeführten  Daten  die  Anregung  zur  Er- 
wägung geben,  ob  es  denn  nicht  doch  als  geboten  zu  er- 
achten wäre,  dafs  einerseits  jedes  Kind  mit  erreichtem 
sechstem  Lebensjahre,  oder  alle  Kinder,  deren  Eltern  die 
Aufnahme  des  Kindes  yor  erreichtem  sechstem  Lebens- 
jahre anstreben,  auf  seine  Schulreife  geprüft  werde,  — 
dafs  anderseits  alle  jene  Kinder,  welche  eine  weitere 
Ausbildung  an  Mittelschulen  geniefsen  sollen,  nioht  yor 
erreichtem  siebentem  Lebensjahre  in  die  Schule  aufge- 
flommen  werden,  —  dafs  der  Staat  oder  dessen  berufene 
Organe  yon  den  Leitern  der  Erziehung  unserer  Jugend 
die  stete  Festhaltung  des  obersten  Grundsatzes  yer- 
langen,  das  Gleichgewicht  zwischen  Körper-  und  Geistes- 
entwicklung herzustellen  und  zu  erhalten,  nicht  aber 
dafs  die  yorgesetzten  Behörden  yon  den  Lehrpersonen 
die  Erreichung  des  yorgesteckten  Lehrzieles  unter  allen 
Bedingungen  yerlangen,  —  dafs  weiter  die  Bestimmung 
in  der  Schulgesetzgebung  Baum  fände  (wie  es  die  Ge- 
rechtigkeit gegenüber  geistig  gut  Veranlagten  erheischt), 
eigene  Klassen  bezw.  Schulen  für  geistig  Minderwertige 
zu  errichten. 

Der  Lehrer  ist  yerpflichtet,  seine  ihm  anyertrauten  Kinder  nicht 
allflin  in  didaktischer  Hinsicht  zu  unterweisen  und  mit  ihnen  das 


184 

gegebene  Lehrziel  za  erreichen;  er  mufs  diese  Kinder  auJüserdem  in 
sittlicher,  aber  auch  in  gesundheitlicher  Hinsicht  erziehen.  Der  Lehrer 
mnüs  die  Überzeugung  inne  haben,  dafs  nur  ein  gesundes  Kind  den 
an  dasselbe  gestellten  Anforderungen  genügen  kann,  dafs  er  das 
kränkliche  Kind  nicht  zwingen  kann,  mit  anderen,  gesunden  Kindern 
gleichen  Schritt  zu  halten.  Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  hat  der 
Lehrer  das  Recht,  zu  erwarten,  dafs  seine  vorgesetzten  Behörden  von 
ihm  nur  das  Mögliche,  Erreichbare  verlangen  1 

Im  Interesse  der  Mittelschulen,  vor  allem  im  Inter- 
esse einer  korrekten  Kindererziehung,  mufs  gerade  den 
elementaren  Schulen  die  gröfste  Aufmerksamkeit  zuge- 
wendet werden,  jenen  Schulen,  in  welchen  es  sich  nur  um  un- 
entwickelte Eünder  handelt.  Die  Verantwortlichkeit  des  Volks- 
schullehrers  ist  eine  grofse,  eine  heute  noch  viel  zu 
wenig  gewürdigtel  Die  Mittelschule  übernimmt  das 
Kindermaterial,  wie  es  ihr  von  der  Volksschule  über- 
liefert wird;  sie  übernimmt  die  Kinder  in  der  Regel  in 
der  Zeitperiode  schwellender  Lebenskraft,  in  der  Zeit 
der  mächtigen  Entfaltung  der  menschlichen  Naturkräfte; 
durch  Unkenntnis  der  physiologischen  Vorgänge  im  kind- 
lichen Organismus,  durch  das  Niohterkennen  der  in 
diesem  Organismus  latenten  Erkrankungen,  kann  ein 
Lehrer  seinen  Zöglingen  einen  Schaden  bringen,  welchen 
die  späteren  Jahre  nicht  mehr  gut  zu  machen  imstande 
sind. 

Drraus  erhellt  zur  Genüge  die  wichtige  Mission  des  Volkssehul- 
mannesl  Soll  derselbe  aber  seinen  Aufgaben  auch  gerecht  werden 
können,  so  bedarf  er  dringend  der  Unterstützung  der  staat- 
lichen und  autonomen  Behörden,  er  bedarf  aber  auch  un- 
bedingt der  Unterstützung,  der  Führung  eines  Schularztes, 
und  wenn  die  physische  von  der  didaktischen  Erziehung  getrennt 
wird,  auch,  die  Unterstützung  eines  Lehrers  für  die  phy- 
sische Erziehung I  —  Die  Unterstützung  seitens  des  Hauses  ist 
ebenso  unerläfslich.  Die  Eltern  sind  im  Kampfe  um  ihr  Dasein  und 
bei  ungünstigen  Lebensverhältnissen  absolut  aufserstande,  den  Schulen 
in  der  Erziehung  ihrer  eigenen  Kinder  beizustehen,  es  fehlt  ihnen 
das  richtige  Verständnis,  oft  auch  der  gute  Wille,  die  erforderliche 
Zeit  und  Gelegenheit. 

Es  müssen  demnach,  wie  schon  mehr£Etch  erwähnt,  und  wie  nicht 
genug    wiederholt    werden    kann,    in   Ansehung   eines  kommenden, 


186 

tflehtigen,  leistnngsf&higen  MensohenmateriftlB  der  Staat,  das  Land 
and  die  Gemeinden  die  Fürsorge  für  die  gesundheitliche  Erziehung 
der  Kinder  übernehmen. 

Solange  nicht  die  Erziehung  und  der  Unterricht  der  Kinder  im 
Greiste  der  schulhygienischen  Forderungen  geschieht,  kann  man  auf 
^stigere  als  die  hier  gebotenen  Resultate  keinesfalls  rechnen. 


Die  Schulbank  in  den  HiUiiklasseB  Ar  Schwachbef&higte« 

Von 

K.  Basedow, 
Rektor  der  Hil&scbule  I  in  HanDOver. 

Dnter  dieser  Überschrift  brachte  Nr.  12  dieser  Zeitschrift  Yom 
Jahre  1904  einen  Artikel  von  dem  Mannheimer  Arzte  Dr.  Moses, 
der  mich  zu  nachstehenden  Bemerkungen  yeranlabt: 

Es  ist  gewils  richtig,  dafs  die  Schulbankfrage,  die  zu  den  wich- 
tigsten hygienischen  Fragen  überhaupt  gehört,  für  die  Hilfsschule 
von  besonderer  Wichtigkeit  ist.  Jedoch  möchte  ich  gleich  hier 
darauf  hinweisen,  daCs  wir  es  in  der  Hilfsschule  nicht  sowohl  mit 
Sandern  zu  tun  haben,  die  mit  grolsen  körperlichen  Abnormitäten 
imd  Grebrechen  behaftet  sind,  als  vielmehr  mit  solchen,  die  körperlich 
flehwach  sind,  für  die  aber  im  allgemeinen  —  wenn  auch  in  er- 
höhtem Mause  —  dieselben  hygienischen  Forderungen  gelten,  wie 
filr  normale  Kinder. 

Den  zweisitzigen  Bänken  gebührt  unter  allen  Umständen  der 
Vorzug.  Jedoch  dürfen  sie  nicht  durch  Scharniere  und  Schienen 
am  Fulsboden  befestigt  sein,  sondern  müssen  frei  stehen;  denn  nur 
80  wird  die  Reinigung  des  Fulsbodens  in  keiner  Weise  behindert. 
Die  Befestigung  der  Bänke  am  Fulsboden  ist  für  eine  gründliche 
und  sorgfältige  Beinigung  hinderlich.  An  den  Schienen  und  Schar- 
nieren bleibt  sehr  leicht  Schmutz  liegen,  wie  ich  das  wiederholt  — 
zuletzt  bei  meinem  Besuche  in  Mannheim  und  Worms  im  Juni  resp. 
Jnli  Torigen  Jahres  —  zu  beobachten  Gelegenheit  hatte;  und  da 
dieser  Schmutz  selbst  die  grofsen  Reinigungen  überdauert,  wird  er 
<a  einer  Brutstätte  für  Bakterien.  Auiserdem  mufs  das  Umlegen 
mit  Vorsicht  gehandhabt  werden,    wenn    keine  Beschädigungen  der 


186 

Bftnke  yorkommen  sollen.  Ans  diesen  Gründen  hat  man  seineneit 
in  Bremen  die  Rettio- Bänke  von  den  Schienen  geltet  und  diese 
ans  den  Erlassen  entfernt. 

Ein  breites,  mit  Längsrillen  versehenes  Fulsbrett  ist  dnrchans 
erforderlich.  Ebenso  nnerläfslich  aber  ist  auch  die  Forderung,  dab 
die  Distanz  der  Bänke  von  3—4  cm  Minus-  auf  6 — 10  cm  Plus- 
distanz yerändert  werden  kann.  Natürlich  mulis  der  Bewegungs- 
mechanismus einfach  und  dauerhaft  sein,  möglichst  geräuschlos  funk- 
tionieren und  so  konstruiert  sein,  dafs  Quetschungen  und  Verletzungen 
ausgeschlossen  sind.  Die  festen  Bänke  mit  „angemessener*  Minus- 
distanz, yerkürzten  Sitzbänken  und  15 — 16  cm  hohen  Fuisbrettem 
sind  nach  meiner  Meinung  für  Hilfsschulen  nicht  geeignet.  Bei 
Benutzung  dieser  Bänke  muüs  der  Schüler,  wenn  er  au&teht,  jedes- 
mal aus  der  Bank  heraustreten  und  yon  dem  erhöhten  Fufsbrette 
hinuntersteigen  und  ist  umgekehrt,  wenn  er  sich  setzen  will,  ge- 
zwungen, auf  das  Trittbrett  hinaufzusteigen  und  sich  in  den  engen 
Raum  zwischen  Pult  und  Sitz  yon  der  Seite  hineinzuschieben,  was 
besonders  den  Mädchen  mit  ihren  Kleidern  recht  schwer  werden 
dürfte.  Diesen  Unbequemlichkeiten  suchen  sich  die  Schüler,  be- 
sonders bei  lebhaftem  Unterrichte,  wenn  sie  oft  aufstehen  müssen, 
in  etwas  dadurch  zu  entziehen,  dafs  sie  schon  beim  Sitzen  nach  der 
Seite  neigen  und  beim  Aufstehen  nur  einen  Fuls  yom  Fuisbrett 
heruntersetzen  und  schief  stehen,  mag  der  Lehrer  auch  noch  so  sehr 
auf  stramme  Haltung  hinarbeiten.  Übrigens  steht  die  Schädlichkeit 
einer  fortgesetzt  nach  einer  Seite  hin  geübten  Bewegung  aulser 
aller  Frage.  —  Zudem  sitzen  die  Kinder  immer  in  „angemessener" 
Minusdistanz.  Dieser  Umstand  macht  derartige  Bänke  zum  Gebrauch 
in  Schulen,  insbesondere  in  Hilfsschulen,  durchaus  ungeeignet.  Unter 
allen  Umständen  müssen  die  Kinder  in  den  weitaus  meisten  Fällen 
in  ausreichender  Plusdistanz  sitzen,  nur  beim  Schreiben,  Zeichnen 
und  ähnlichen  Beschäftigungen  wird  die  Minusdistanz  hergestellt. 
In  dieser  die  Eönder  fortdauernd  sitzen  zu  lassen,  ist  eine  durchaus 
unhygienische  Maferegel,  die  eine  schwere  Versündigung  an  der 
Kindesnatur  einschlielst.  Auch  in  dieser  Beziehung  müssen  wir 
unseren  Schwachbegabten  Kindern  Abwechslung  bieten. 

Dafs  bei  einer  guten  Schulbank  auch  die  Sitzkonstruktion  den 
körperlichen  YerhältniBsen  entsprechen  mufs,  steht  aulser  Zweifel. 
Doch  habe  ich  bislang  nicht  erfahren,  dab  die  EinzelyoUlehne  Vor- 
züge yor  der  Bankkreuzlehne  habe.  Der  durch  die  Einzellehne  ge- 
wonnene  grölsere  Spielraum    für   die  Bewegung   der  Oberarme   ist 


187 

nur  sehr  gering  und  kaum  von  irgendwelcher  Bedeutung.  Auch 
habe  ich  bislang  nicht  beobachtet,  dab  die  Öffnung  zwischen  dem 
Sit»  und  der  Elreuzlehne  die  Haltung  der  Kinder  nachteilig  beein- 
flnlst,  obwohl  wir  seit  zwei  Jahren  derartige  Bänke  in  den  Klassen 
der  Hilfsschule  I  haben.  Allerdings  sind  diese  Zwischenräume  bei 
unseren  Bänken  nur  an  den  letzten  Bänken  der  Reihen  vorhanden; 
bei  den  übrigen  bildet  jedesmal  die  hintere  Bank  die  Lehne  der 
Torderen,  nnd  hier  ist  die  öffiiung  zwischen  Sitz  und  Lehne  nur 
sehr  unbedeutend. 

Wenn  nun  Dr.  Moses  zu  dem  Schlüsse  kommt,  die  Rbttio- 
fiank  wird  den  Forderungen,  die  an  eine  gute  Bank  für  Hilfsschulen 
gestellt  werden  müssen,  am  besten  gerecht,  so  kann  ich  mich  nach 
obigen  Ausführungen  diesem  Schlüsse  absolut  nicht  anschliefsen. 
loh  weiüs  allerdings  nicht,  wo  Dr.  Moses  seine  Erfahrungen  be- 
zflglich  der  BExna-Bank  in  der  Hilfsschule  gesammelt  hat.  Bei 
meinem  Besuche  in  Mannheim  im  Juni  vorigen  Jahres  habe  ich  in 
keiner  der  dortigen  Hilfsklassen  RBTTia-Bänke  gefunden.  Ich  halte 
die  RBTTiG-Bank  nicht  nur  fbr  Hilfsschulen,  sondern  auch  für  Volks- 
sehulen  für  durchaus  ungeeignet,  weil  sie  die  wichtigste  Forderung 
der  Schulhygiene,  veränderliche  Distanz,  nicht  erfüllt  und  eine  gründ- 
liche Reinigung  des  Schulzimmers  erschwert. 

Handarbeiten  werden  mit  Ausnahme  der  Mädchenhandarbeiten 
imd  der  Fröbelarbeiten,  die  in  jeder  guten  Schulbank  ausgeführt 
werden  können,  bei  uns  in  den  Klassen  nicht  angefertigt,  dafür  haben 
wir  besondere  Werkstätten.  Wenn  aber  Dr.  Moses  für  jede  Hilfs- 
Uaaee  einen  besonderen  Arbeitsraum  fordert,  so  erscheint  mir  diese 
Forderung  übertrieben.  Ein  Arbeitsraum  oder  höchstens  zwei  der- 
selben  dürften  für  eine  sechsklassige  Hilfiischule  ausreichend  sein. 


lins  Derfantntiitti0eti  ttnb  Dereitieti. 


Leicht  abnorme  Kinder. 

Über  dieses  Thema  wurden  am  29.  und  30.  Oktober  1904  in  der 
35.  Versammlung  sfldwestdeutscher  Irrenärzte  zu  Freibarg  zwei  Vorträge 
gehalten.  Der  erste  Referent,  Prof.  Wetöandt- Würzburg,  fafste  seine  Aus- 
ftbrongen  in  folgende  Leitsätze  zusammen: 

1.  Neben  den  Idioten  und  Imbezillen  gibt  es  eine  grofse  Menge  von 
Kindern,  die  wegen  psychisch  abnormen  Verhaltens  besonderer  ärztlicher 
Berficksichtigang  bedürfen. 


188 

2.  Die  ätiologische  Grundlage  ist  verschieden;  es  handelt  sich: 

a)  um  vorühergehende  Schädigungen  exogener  Art,  durch  körperliche 
Krankheiten  und  durch  unganstiges  Milien; 

h)  um  die  Formes  frustes  mancher  Formen  von  Idiotie  und  Imhezillit&t; 

c)  um  Entwicklungshemmung  auf  Grund  von  konstitutionellen  Leiden; 

d)  um  die  leicht  epileptischen,  die  hysterischen  und  die  neurasthenisch 
veranlagten  Kinder; 

e)  um  die  zu  schweren  Psychosen  disponierten  und  von  Kindheit  an 
auffälligen  Individuen. 

Vielfach  l&Hst  sich  eine  Kombination  mehrerer  ursächlicher  Momente 
feststellen. 

3.  Symptomatisch  können  die  allerverschiedensten  psychischen  Funktionen 
einzeln  oder  kombiniert  betroffen  sein,  oft  genug  lä&t  sich  die  Störung  bis 
zu  den  einfachen  psychischen  Gebilden  verfolgen. 

Rein  nervöse  Begleiterscheinungen  sind  häufig,  ebenso  anderweitige 
organische  Mängel. 

4.  Als  Hauptgruppen  lassen  sich  klinisch-physiologisch  folgende  auf- 
stellen : 

a)  leicht  epileptische  Kinder; 

b)  hysterisch  veranlagte  Kinder; 

cj  neurasthenisch  veranlagte  Kinder; 

d)  intellektuell  und  affektiv  minderwertige  Kinder,  die  Debilen  im 
engeren  Sinne; 

e)  intellektuell  und  apperzeptiv  schwache  Kinder  bei  vorherrschendem 
Gefahlsleben,  die  phantastischen,  reizbaren  und  haltlosen; 

f)  intellektuell  und  apperzeptiv  entwickelte,  aber  gefUdsstnmpfe  Kinder, 
die  moralisch  defekten. 

5.  Therapeutisch  empfiehlt  sich  fär  erheblich  schwachsinnige  die  Hilfs- 
schule, für  intellektuell  leicht  abnorme  und  filr  neurasthenische  Kinder  das 
Förderklassensystem  (nach  Schulrat  SiCKiNaEB-MannheiiQ),  fflr  sittlich  ver- 
wahrloste und  defekte  die  Fflrsorgeerziehung  unter  ärztlicher  Beratung, 
während  epileptische  Kinder  je  nach  Art  ihres  Zustandes  differenziert  zn 
behandeln  sind. 

Der  zweite  Referent,  THOMA-IUenau,  schilderte  die  Neurasthenie  und 
die  Hysterie  der  Kinder  sowie  die  Chorea  minor  (Veitstanz).  Therapeutisch 
empfiehlt  er  zunächst  Kontrolle  durch  psychiatrisch  und  psychologisch 
vorgebildete  Schulärzte;  in  vielen  Fällen  wäre  nach  seiner  Ansicht  Be- 
handlung in  Anstalten  nach  ärztlich-pädagogischen  Prinzipien  unter  Hervor- 
hebung der  individualpsychologischen  Erziehung  gegenüber  dem  Fach- 
unterricht zweckmäßig. 

In  der  Diskussion  Aber  beide  Vorträge  wurde  mehrfach  vor  zu  weit- 
gehender Zersplitterung  des  Anstaltswesens  gewarnt,  und  man  einigte  sich 
dahin,  dals  Sonderschulen  für  epileptische  und  hysterische  Kinder  abzulehnen 
seien,  dafs  dagegen  das  Förderklassensystem  als  äufserst 
zweckmäfsig  und  keineswegs  besonders  kostspielig  empfohlen 
werden  müsse.     (Nach  „Münch.  med.   Wochmschr,''  1904,  Nr.  46.) 

Dr.  med.  GÖTZ-Mflnchen. 


189 

Die  Anfgaben  der  SelmlirEte  flr  die  SfeBtliehe  Hy^ene. 

Dieses  Thema  besprach  auf  der  76.  Yersammlnng  deutscher  Natur- 
forscher und  Ärzte  zu  Breslau  (18.  bis  24.  September  1904)  in  der 
„Sektion  fQr  Kinderheilkunde^  KOEDER-Berlin.  Nach  seiner  Auffassung  ist 
die  Untersuchung  der  Schulrekruten  und  die  nach  einheitlichen  Grundsätzen 
durchzuführende  Ausmusterung  der  Untauglichen  eine  der  wichtigsten  Auf- 
gaben der  Schulärzte.  Aus  dem  Ergebnis  dieser  Untersuchungen  werden 
bedeutungsvolle  Aufschlflsse  Ober  die  Gesundheitsverhältnisse  der  ganzen 
Bevölkerung  gewonnen  werden,  und  das  ausgemusterte  Material  kann  Klar- 
heit geben  Aber  die  Ausbreitung  der  Tuberkulose  und  der  Rhachitis. 
ROEDER  erwartet  von  den  Schulärzten  besondere  Vorschläge  zur  Bekämpfung 
der  Tuberkulose  im  späteren  Kindesalter;  er  hält  sie  auch  für  berufen, 
durch  Aufklärung  weitester  Volkskreise  die  Ausbreitung  der  künstlichen 
Sänglingsemährung  zu  bekämpfen  und  dadurch  eine  weitere  Verelendung 
eines  grotsen  Teiles  unseres  Nachwuchses  zu  verhüten.  (Nach  „Münch. 
med,   Wochenschr^  1904,  Nr.  40.)  Dr.  med.  GÖTZ-München. 


Das  Prfifdn^wesen  an  den  Mittelschnlen.    Die  Hansanfgaben. 

(„^.   Wien.  lo^W.«  vom  8.  März  1905.) 

Die  Vereine  „Mittelschule*^  und  »Realschule^  in  Wien  hielten  anfangs 
März  unter  dem  Vorsitz  des  Gymnasialdirektors  Etsebt  eine  Versammlung 
ab,  welcher  auch  Vertreter  des  Unterrichtsministeriums  beiwohnten.  Zur  Ver- 
bandhing  gelangte  u.  a.  folgende  These,  aufgestellt  vom  Gymnasialdirektor 
Dr.TmjMBEB:  »Die  Einzelprüfung  bat  sich  auf  jenes  Minimum 
zu  beschränken,  das  hinreicht,  dem  Lehrer  ein  sicheres  Ur- 
teil über  das  Wissen  und  Können  der  Schüler  zu  verschaffen.*' 
—  Universitätsdozent  Dr.  Jerusalem  trat  dafär  ein,  da(s  die  Einzel- 
prttfhng  in  der  bisherigen  Form  zu  entfallen  habe.  Die  Kontrolle 
der  Leistungen  der  Schüler  könne  in  der  Weise  geschehen,  dals  gewisse 
IHnge  vorbereitet  sein  müssen.  —  Auch  Direktor  Kukübch  ist  der 
Meinung,  dafii  die  Einzelprüfung  gegenwärtig  ihrem  Zweck  nicht  ent> 
spredie.  An  Stelle  der  Einzelprüfung  möge  die  intensivste  Klassen- 
prttfiing  treten.  —  Direktor  Eybebt  erinnerte  an  den  Ausspruch  des  Hof- 
rats  SCHIPPEB,  dab  das  Prüfen  der  Tod  des  Unterrichts  ist.  Redner  sei 
der  Ansicht,  da(s  das  Gesamturteil  des  Lehrers  mafsgebend  sein  soll.  — 
Direktor  Pollaschek  (Floridsdorf)  erklärte,  er  müsse  in  solange  fär 
die  Einzelprüfung  eintreten,  als  die  Zahl  der  Schüler  in  den  einzelnen 
Klassen  eine  groüse  ist.  —  Landesschulinspektor  Kapp  führte  aus,  dala  die 
Aiektsnoten  sehr  viel  dazu  beigetragen  haben,  das  Prüfungswesen  in  MÜb- 
kredit  geraten  zu  lassen.  Daher  müsse  man  als  Lehrer  mit  der  Erteilung 
aokher  Noten  sehr  vorsichtig  sein.  Es  müsse  auch  vermieden  werden,  die 
Schaler  zu  lange  zu  prüfen,  und  auch  das  Hinausrufen  aus  der  Bank,  das 
bei  den  Schülern  viel  Aufregung  verursacht,  möge  unterlassen  werden.  — 
Professor  Dr.  Jerusalem  erwiderte,  dals  mit  der  Einzelprüfung  das  Inter- 
esse an  dem  Gegenstande  aufgehört  habe,  und  nur  die  Frage  sei  geblieben: 
»Bist  du  geprüft  worden  oder  nicht?*"    —    Professor  Obtmakn   ist   der 


190 

Anschaanng,  die  Lehrerschaft  könne  auf  die  EinzelprOfiingen  nicht  ver- 
zichteo,  daneben  könnten  aber  die  Elassenarbeiten  lebendiger  gestaltet 
werden.  —  In  ähnlichem  Sinne  sprachen  Professor  Dbessleb  and  Direktor 
Thumbeb. 

Die  von  Direktor  Thümseb  vorgeschlagene  These  warde  sodann  ein- 
stimmig angenommen,  desgleichen  folgende  Antrage:  »Die  Zensnraas- 
weise  (Qnartalsausweise)  während  der  Semester  entfallen,  hin- 
gegen bleibt  das  Zeugnis  des  ersten  Semesters  aufrecht.  Die 
Anzahl  der  Konferenzen,  in  denen  über  den  Stand  der  Schüler  während 
eines  Halbjahres  beraten  wird,  wird  auf  zwei  beschränkt.  ** 

Hierwif  gelangten  die  Anträge  des  Direktors  Janubchke  zur  Ver- 
handlung. Der  erste  lautet:  „An  Stelle  der  Hausaufgaben  in  Latein, 
Griechisch,  Französisch  und  Englisch  haben  kleine  Übungsaufgaben  zu 
treten.''  —  Landesschulinspektor  Kapp  trat  für  die  Beibehaltung  der  Haus- 
aufgaben ein.  —  Nachdem  noch  Direktor  Kuküsgh  und  Professor  Dbessleb 
sich  gegen  die  Hausaufgaben  ausgesprochen  hatten,  wurde  der  Antrag 
Janubohke  einstimmig  angenommen.  —  Ein  zweiter  Antrag  des  Direktors 
Janubchke  bezog  sich  auf  die  Schularbeiten,  an  deren  Stelle  in  den  Lehr- 
stunden fOr  die  Sprachen  und  Mathematik  schriftliche  Übungen  zu  ver- 
woiden  wären.  Nach  einer  lebhaften  Debatte  sprach  sich  die  Versammlung 
für  die  Beibehaltung  der  Schularbeiten  aus,  neben  denen  schriftliche 
Übungen  gestattet  sein  sollen. 

Schlielslich  wurde  noch  folgender  Antrag  angenommen:  „Die  Ein- 
richtung schriftlicher  Schulflbungen  und  der  praktisch-natur- 
wissenschaftlichen Übungen  in  den  Laboratorien  ist  immer 
mehr  auszugestalten.^  Direktor  E.  BAYB-Wien. 


Sonderschnlen  fftr  hervorragend  Befthigte. 

Über  dieses  Thema  sprach  in  der  Februarversammlung  des  Berliner 
Gynmasiallehrervereins  Herr  Oberlehrer  Petzoldt  aus  Spandau.  Wir  haben, 
so  fährte  der  Vortragende  aus,  in  jeder  Klasse  unserer  höheren  Schulen 
etwa  10%  hervorragend  befähigte,  70  bis  76%  mittelbefähigte  und  15 
bis  20%  schwachbef&higte  Schüler.  Die  Aufgabe  des  heutigen  Unter- 
richts ist  nun  aber  nicht  etwa,  jeden  Schüler  zur  vollen,  seinen 
Anlagen  entsprechenden  Entwicklung  zu  bringen,  sondern  so 
viele  Schfller  wie  möglich  für  die  Versetzung  reif  zu  machen. 
Daher  beschäftigt  sich  der  Lehrer  tatsächlich  am  meisten  mit  den  Untersten  des 
Mittelgnts,  und  der  letzte,  den  er  noch  ans  Ziel  zu  bringen  hofft,  bestimmt 
das  Tempo  des  Unterrichtsganges.  Das  schlägt,  soweit  nicht  etwa  die 
Folgen  der  Überbttrdung  es  hindern,  zum  grofsen  Vorteil  dieser  Schfller 
aus:  sie  werden  nicht  blols  unterrichtet,  sondern  auch  zum  Fleift,  zur 
vollen  Anspannung  ihrer  Kräfte  erzogen ;  alles  aber  auf  Kosten  der  geistigen 
Bildung  und  der  Gharakterentwicklung  der  hervorragend  Befähigten.  Diese 
könnten  das  Pensum  in  weniger  als  der  Hälfte  der  Zeit  erledigen,  die  sie 
heute  damit  zubringen  müssen,  und  sie  lernen  das  beste,  das  die  Schule 
mitgeben  könnte,  nicht :  fleifsig  arbeiten.    Viele  dieser  Schüler  gehen  daher 


191 

qAter  zugrande  oder  erreichen  doch  bei  weitem  nicht  so  viel,  wie  es  nach 
üiren  Anlagen  möglich  gewesen  w&re.  Nicht  minder  wird  die  Gesamtheit, 
der  Staat,  die  Menschheit  geschädigt,  wenn  die  Erziehung  des  Genies  und 
Talents  vemachlftssigt  wird.  Damm  sind  Sonderschnlen  für  sie  zu  fordern. 
Der  Vortragende  deotete  an,  wie  solche  eingerichtet  und  verwaltet  werden 
könnten,  und  wies  im  besonderen  auch  darauf  hin,  dafs  sich  hier  die  so 
erwünschte  Möglichkeit  bietet,  gehobene  Stellungen  fftr  den  Oberlehrerstand 
2D  schaffen.  Hinsichtlich  des  Näheren  berief  er  sich  auf  seine  Schrift: 
, Sonderschulen  für  hervorragend  Befähigte **  (Teubner,  Leipzig 
1905).  Dann  findet  sich  auf  Grund  einer  psychologischen  Analyse  von  Genie 
nod  Talent  der  Nachweis,  dafs  eine  pädagogische  Behandlung  solcher  Schfller 
ohne  Schädigung  ihrer  Entfaltung  sehr  wohl  möglich,  ja  in  vielen  Fällen 
unerlälslich  ist.  Wenn  man  dem  Drängen  der  Hygieniker  und  vieler 
Sefanlmänner  nachgibt  und  täglich  statt  fünf  nur  vier  wissenschaftliche 
Standen  in  den  Mittelschulen  ansetzt,  so  sind  in  Berlin  heute  fast  ohne 
aene  dauernde  Bdastung  des  Budgets  drei  der  geforderten  Schulen  möglich 
(die  Kosten  würden  sich  für  jede  auf  100000  bis  120000  Mark  belaufen), 
in  ganz  Preulsen  25.  Schon  zehn  davon  würden  uns  einen  ununter- 
brochenen Besitz  von  wenigstens  3000  vorzüglich  ausgebildeten  Männern 
TOD  hervorragender  Veranlagung  gewährleisten  und  so  die  Reform  durch 
Verkürzung  der  Stundenzahl  in  allen  Mittelschulen  rechtfertigen.  In  Unter- 
sekonda  würde  bereits  das  Pensum  der  heutigen  Prima  erledigt  werden. 
In  den  drei  oberen  Klassen  (15.  bis  18.  Lebensjahr)  brauchte  nur  noch 
während  einer  oder  zwei  Stunden  täglich  allgemeinverbindlicher  Unterricht 
stattzufinden,  die  weiteren  zwei  bis  drei  Stunden  wären  in  weitgehender 
Differenzierung  den  besonderen  wissenschaftlichen,  künstlerischen  und  prak- 
üscben  Studien  zu  widmen.  („Deutsche  Tageseeitung'^ .) 


Über  die  Kurzsichtigkeit  der  Kinder. 

Über  diesen  Gegenstand  sprach  Oberlehrer  Dr.  Le  Mang  vor  kurzem 
in  der  Vereinigung  von  Lehrern  an  den  städtischen  höheren  Schulen 
Dresdens.  Ausgehend  von  einem  Worte  Paulsbns,  dafs  der  Gymnasial- 
lebrer  Staatsbeamter,  Gelehrter  und  Erzieher  sei,  zeigte  Redner,  dafs  der 
Gymnasiallehrer  für  die  beiden  ersten  Stellungen  vorzüglich  ausgebildet 
werde,  nicht  aber  auch  in  demselben  Mafse  für  seine  Stellung  als  Erzieher. 
Und  doch  sei  das  Gymnasium  namentlich  in  seiner  Unter-  und  Mittelstufe 
vor  allem  auch  Erziehungsschule.  Daher  sei  es  eine  Pflicht  gegen  die 
Jugend,  sowie  gegen  sich  selbst  und  gegen  den  Stand,  dafs  sich  auch  der 
Gymnasiallehrer  mit  der  Schnlgesundheitspflege  beschäftige.  Eine  der  ersten 
Bdndhygienischen  Fragen  sei  aber  die  Kurzsichtigkeit  der  Schüler. 
Die  Kurzsichtigkeit  sei  eine  Krankheit  der  höheren  Schulen,  aber  glück- 
licherweise keine  spezifisch  deutsche  Krankheit;  denn  zu  allen  Zeiten  und 
nnter  allen  Völkern  habe  es  Kurzsichtige  gegeben;  sie  sei  ein  Kulturleiden. 
In  der  Entstehung  der  Kurzsichtigkeit  spiele  eine  grofse  Rolle  die  Nah- 
arbdt;  jedoch  könne  auch  Abstammung,  Ernährung  und  der  Ort,  wo  der 
Ifensch  aufwächst,   von  Einflub  auf  die  Kurzsichtigkeit   sein.     Menschen, 

SelralKeaandheitapflegro.  XVIIL  11 


192 

die  im  Freien  zu  arbeiten  nnd  in  die  Feme  zu  sehen  haben,  sind  meist 
normalsichtig.  Es  sei  festgestellt,  daCs  viele  Kinder  im  vorschulpfliditigen 
Alter  keine  Kurzsichtigkeit  zeigen,  und  erst  in  sp&teren  Schu^ahren  trftte 
sie  ein.  Bei  Mftdchen  wirken  die  feinen  Handarbeiten  nachteilig  auf  das 
Auge ;  aber  auch  das  viele  Lernen  aus  dem  Buche  erzeuge  Kurzsichtigkeit. 
Redner  besprach  hierauf  die  von  ihm  aufgestellte  Übersicht  Aber  die 
Ergebnisse  der  Augenuntersuchungen  an  höheren  Schulen  in  deutschen  Lehr- 
anstalten, wie  sie  von  Terschiedenen  Ärzten  angestellt  worden  sind.  Eine 
weitere  Tabelle  zeigte  die  Zunahme  der  Kurzsichtigkeit  mit  den  Klassen 
der  Schulen  in  Prozenten.  Danach  betrug  die  Kurzsichtigkeit  z.  B.  in 
Gieben  in  Klasse  VI  4,8%,  in  Klasse  Y  9,  in  Klasse  IV  14,  in  Klasae  TU 
18,8  und  24,  in  Üb  und  IIa  33,6  und  40  und  in  Klasse  Ib  und  la 
43,2  und  49,6%.  Eine  ähnliche  Zunahme  wird  auch  konstatiert  in 
Breslau,  Rostock,  Königsberg,  Wien,  Hamburg,  Frankfurt  a.  M.,  Montabaur, 
Fulda,  Darmstadt,  München,  Amsterdam,  Paris,  Westfrankreich.  Eine  dritte 
Tabelle  Teranschaulichte  die  Verteilung  der  Grade  der  Kurzsichtigkeit  in 
den  einzelnen  Klassen  nach  Dioptrien.  Ebenso  veranschaulichte  eine 
weitere  Tafel  die  erbliche  Belastung  der  Kurzsichtigen.  In  Rostock  wurden 
gefunden  72,72%  in  Fällen,  wo  beide  Eltern  kurzsichtig  waren,  54,41% 
in  Fällen,  wo  der  Vater  kurzsichtig  war,  und  75,67  %  in  Fällen,  wo  di» 
Mutter  kurzsichtig  war.  Redner  meinte,  da£s  es  erst  besser  werden  wttrde, 
wenn  nicht  blofs  der  Arzt  und  der  Baumeister,  sondern  auch  die  Lehrer 
fOr  die  Bekämpfung  der  Kurzsichtigkeit  einträten,  und  zwar  a)  äuiserlich: 
durch  Überwachung  der  Schfller  in  der  Schule  und  durch  Belehrung  von 
Eltern  und  Schülern;  b)  innerlich:  das  heilst  durch  eine  Änderung  der 
Organisation,  z.  B.  durch  Beschränkung  des  Stoffes  und  ausgiebige  Be- 
nutzung der  Wandtafel  durch  die  Schfller,  durch  Fortfall  der  sog.  guten 
Hausarbeiten,  durch  Aufheben  des  wissenschaftlichen  Nachmittagsunterrichtes 
und  dadurch,  dals  wir  die  Grofsstadtjugend  möglichst  oft  in  die  freie  Natur 
führen,  z.  B.  im  naturkundlichen  Unterricht.  Die  preulsischen  Militär- 
bildungsanstalten hätten  bereits  eine  dahingehende  Verordnung  (Belehrung 
Aber  Verhütung  der  Knrzsichtigkeit)  erhalten.  Aber  auch  der  Schulstanb 
kOnne  Kurzsichtigkeit  herbeiführen  (?  D.  R.),  da  sich  in  ihm  Stoffe  befinden, 
die  dem  Auge  nachteilig  sind.  Vor  allem  aber  müsse  man  eine  Erleichterung 
in  der  Naharbeit  schaffen;  die  Unterklassen  seien  häufig  überfüllt  und  viele 
Plätze  entsprächen  nicht  den  Anforderungen,  die  man  an  die  Platzhelligkeit 
stellen  müsse.  Für  jede  Schule  sei  ein  Schularzt  mit  besonderen  Pflichten 
anzustellen;  vor  allem  aber  sei  eine  gründliche  Durchbildung  der  Lehrer 
an  den  höheren  Schulen  in  der  Schulgesundheitslehre  zu  erstreben.  Die 
Bewegung  zur  Besserung  des  Schulwesens  sei  im  Flusse;  sie  werde  sich 
durchringen,  aber  Aufgabe  des  Lehrerstandes  sei  es,  sich  mit  ihr  zu  be- 
fassen,  damit  der  Lehrer  Führer  und  Erzieher  der  deutschen  Jugend  sei. 

(rtDresd.  Äniseiger.^) 


193 


Die  Klassillxierug  an  den  Mittelschnlen. 


In  einer  gemeinsamen  Sitzimg  der  Vereine  „Mittelschule^  imd  „Real- 
schale"  in  der  Wiener  Universität  hielt  Direktor  Thümseb  einen  Vortrag 
aber  die  offizielle  Notenskala  an  den  Osterreichischen  Mittelschalen.    Nach 
einer  Mitteilung   des  „^.   Wien.  Taghl,^    beantragte   Redner   schließlich 
folgende  Thesen:    1.  Die  Einzelprafimg  soll  sich  anf  jenes  Minimum  be- 
sdiranken,  das  hinreicht,  dem  Lehrer  ein  sicheres  Urteil  Aber  das  Wissen 
nnd  Können  der  Schaler  zn  bieten.     2.  Zensur  und  Ausweis  wahrend  der 
Semester  entfallen,  hingegen  bleibt  das  Zeugnis  des  ersten  Semesters  auf- 
recht.   3.  Die  Anzahl  der  Konferenzen  wahrend  eines  halben  Jahres  wird 
auf  zwei  beschränkt.     4.  Bei  den  Zeugnisnoten,    sowie   bei  der  Klassifi- 
zierung der  Schalerleistungen  w&hrend  des  Semesters  ist  allein  der  objek- 
tiv Ma&stab  möglich.     5.  Die  Notenskala   darf  nicht  zu  reich  gegliedert 
sein,  um  den  Zensurierenden  nicht  zu  Tiel  Gelegenheit  zur  Unsicherheit  zu 
Meten,  sie  darf  aber  auch  nicht  zu  wenig  gegliedert  sein,  um  dem  berech- 
tigten Verlangen   des  Zensierten   nach  klar   abgestufter  Bewertung  seiner 
Leistungen  zu  entsprechen.    6.  Die  för  die  Beurteilung  der  Schalerleistungen 
Torgeschriebene  Notenskala  bietet  weder  im  Aufbau  noch  in  ihren  einzelnen 
Prädikaten  berechtigten  Anlals  zu  Abänderungsvorschlägen.   Zur  Beurteilung 
einzelner  Schalerleistungen  während  des  Semesters  wird  auch  die  Anwendung 
der  Note  ^kaum  genagend  ^  gestattet.    7.  In  der  fttr  das  sittliche  Betragen 
derzeit  ablieben  Notenskala  wird  „lobenswert^  wieder  durch  das  ursprang- 
hche  „musterhaft^  ersetzt.     Die  abrigen  Noten  bleiben  unverändert.    An 
SteDe  des  zu  weiten  Begriffes  „sittliches  Betragen"  tritt  die  richtigere,  fOr 
die  Eltern  klarere  Bezeichnung  „disziplinares  Verhalten^.     8.  Die  Rubrik 
^Fleib''  wird  durch  die  Rubrik  „Au&nerksamkeit^  ersetzt,  zu  deren  Be- 
urteilung   die  bisher  fftr   den  Fleils  galtige  Skala  verwendet.    —    In  der 
lebhaften  Debatte,  welche  sich  an  das  Referat  knapfte,  bezeichnete  Professor 
Dr.  Mabtinak  (Graz)  als  das  wichtigste  bei  der  Klassifizierung  die  Schwelle 
zwischen  „genagend''   und  „nicht  genagend^.     Das  praktischste  wäre,   an 
Stelle  der  Noten  Ziffern  zu  setzen.     Heute  dreht  sich  alles  um  die  Note, 
und  das  ist  die  Schulkrankheit ;  man  spricht  mehr  von  den  Noten,  die  der 
Schiller  erhält,    als  vom  Unterricht.     Nachdem  man  den  Schaler  fOr  eine 
Sache  erwärmt  hat,  ist  es  eine  Profanation,   wenn  man  den  Katalog  zur 
Hand  nimmt. 


jftieitiere  Ütitteiitttijeti. 


Belelinuig  der  Sehfiler  Aber  ansteckende  Krankheiten  in 
Prissttitl.  Diese  Belehrung  ist  in  den  folgenden  „X  Geboten"  (Original 
in  böhmischer  Sprache)  ausgedrackt  und  för  die  niedere  Schulstufe  (Volks- 
nid  Bürgerschulen)  bestimmt.  In  prophylaktischer  Beziehung  wird  da- 
durch angestrebt,  dais  die  Schulkinder  aus  den  Familien  keine  infektiösen 

11* 


194 

Krankheiten  in  die  Schnlklassen  bringen.  Die  „Belehning''  wird  den  Schtdem 
dnrch  den  Klassenlehrer  leicht  begreiflich  and  dann  ad  memoriam  eingeftbt. 
In  jeder  Klasse  befindet  sich  diese  Belehmng,  auf  festes  Kartonpapier  ge- 
druckt, an  der  Wand  so  anfgeh&ngt,  dass  sie  jeder  Schfiler  leicht  lesen 
kann. 

I.  Jede  Krankheit,  welche  anf  andere  übertragen  werden  kann,  ist 
ansteckend. 

II.  Ansteckende  Krankheiten  sind:  die  Dipbtheritis,  die  Masern,  die 
echten  Pocken,  die  Wasserpocken,  der  Banchtyphns,  der  Rotlanf,  der 
Mumps  und  der  Keuchhusten;  ansteckend  ist  auch  die  Schwindsucht  oder 
Tuberkulose.    Durch  Bertthrung  werden  die  Krfttze  und  L&use  übertragen. 

III.  Seid  stets  rein  gewaschen,  gekämmt  und  gekleidet,  weil  Unrein- 
lichkeit  das  Entstehen  und   die  Verbreitung  von  Krankheiten  unterstützt 

IV.  Verspüret  ihr  Schmerzen  im  Halse  oder  bemerkt  ihr  an  eurem 
Leibe  einen  Ausschlag,  so  rufet  einen  Arzt  und  zeigt  es  in  der  Schule  an. 

V.  Erfahret  ihr,  dals  im  Hause  oder  in  der  Gasse,  in  welcher  ihr 
wohnt,  jemand  an  einer  ansteckenden  Krankheit  erkrankt  igt,  so  zeiget  es 
in  der  Schule  an. 

VI.  Erkrankt  in  eurer  Familie  jemand  an  einer  ansteckenden  Krank- 
heit, so  darf  niemand  von  euch  die  Schule  besuchen.  Die  Krankheit  ist 
in  der  Schule  zu  melden. 

VII.  Gehet  nicht  in  Häuser,  in  denen  eine  ansteckende  Krankheit 
herrscht. 

Vni.  Gehet  nicht  in  Räume,  wo  Leichen  an  ansteckenden  Krank- 
heiten verstorbener  Personen  liegen,  berühret  keine  solchen  Leichen,  kflaset 
sie  nicht  und  gehet  nicht  in  ihrem  Leichenzuge. 

IX.  Nehmet  nicht  als  Andenken  Kleider,  Bücher,  Spielzeug  von  jenen 
Personen,  welche  an  einer  ansteckenden  Krankheit  gestorben  sind. 

X.  Spielet  nicht  mit  Kindern,  welche  in  einem  Hause  wohnen,  wo 
eine  ansteckende  Krankheit  herrscht;  hütet  euch  vor  ihnen  und  meidet  ein 
solches  Haus! 

Dr.  med,  Franz  Hbabal,  Schularzt  in  Prossnitz  (Mähren.) 

Die  Frage  der  Hansanfgabeii  Tor  der  BerniseheB  (Schweiz) 
Sehnlsynode.  Nach  der  ,,  Schweig.  Lehrergig. ^  wurden  von  der  Synode 
am  29.  Okt.  1904  folgende  von  Rektor  Finbleb  vorgeschlagenen  Thesen 
angenommen: 

1.  Im  ersten  Schuljahre  dürfen  keine,  in  den  übrigen  Schu^ahren 
keine  schriftlichen  Hausaufgaben  gegeben  werden. 

2.  In  den  oberen  Schu^ahren  der  Primarschule,  in  den  Mittelschulen, 
so^e  im  ünterweisungsunterricht  sind  keine  schriftlichen  Hausaufgaben 
gestattet;  eine  Ausnahme  macht  nur  der  Aufsatz  in  der  Muttersprache  filr 
die  obersten  Klassen  der  Mittelschulen,  der  Gymnasien  und  der  höheren 
Töchterschulen. 

3.  Wo  das  Fachsystem  besteht,  soll  auf  dem  Wege  der  Verständigung 
unter  der  Lehrerschaft  und  Durchführung  einer  Kontrolle  (Aufgabenbuch) 
dafür  gesorgt  werden,  dals  eine  gleichmäbige  Verteilung  der  Hansaufgaben 
auf  die  einzelnen  Tage  stattfindet. 


195 

4.  Die  fflr  die  Schule  sowie  den  Uiiterweisiuigsanterricbt  bestimmten 
Htosanfgaben,  namentUcb  auch  das  Memorieren  und  die  Repetition,  sind 
gleichm&fisig  anf  das  ganze  Schuljahr  zu  verteilen,  und  es  soll  das  Mab 
der  Aufgaben  gegen  den  Schlaifi  des  Schnyahres  nicht  erhöht  werden. 
(Dieser  Artikel  richtet  sich  namentlich  gegen  die  Examendrillerei.) 

5.  Die  sozialen  YerhUtnisse  der  Schaler  sind  gebflhrend  zu  berflck- 
sichtigen.  Körperliche  und  geistige  Gebrechen  sind  als  Entschnldignngs- 
oder  Mildemngsgrttnde  zn  berflcksichtigen. 

6.  Nicht  znl&ssig  sind:  a)  das  Anfertigen  von  Handarbeiten  und 
Zeichnungen  als  Hansanfgaben;  b)  das  Anfgeben  von  fakultativen  oder 
Fleiisanfgaben ;  c)  Hansanfgaben  vom  Yormittag  anf  den  Nachmittag  des 
{^eichen  Tages;  d)  Ferienanfgaben. 

7.  Über  Sonn-  nnd  Feiertage  dtlrfen  keine  Hansanfgaben  erteilt 
werden. 

Nach  dem  Beschlnss  der  Synode  sollen  diese  Thesen  nicht  die  Form 
eines  bindenden  Reglements  erhalten,  sondern  sie  sollen  den  Schnlbehörden 
imd  der  Lehrerschaft  als  Wegleitnng  an  die  Hand  gegeben  werden.  Es 
steht  dann  den  Schnlbehörden  immer  noch  frei,  in  bezng  anf  Hansanfgaben 
der  Lehrerschaft  gröfseren  oder  geringeren  Spielraum  zu  gestatten.  Immer- 
hio  sollen  diese  Sätze  als  Norm  dienen. 

Sebulbinke  zn  VlissiBgen  (Holland).  Die  Oesundheitskommission 
ia  Ylissingen  konstatierte  durch  eine  spezielle  Untersuchung,  dals  die 
Bftnke  in  beinahe  allen  Schulen  von  sehr  schlechter  Konstruktion  sind 
and  in  keiner  Weise  den  Forderungen  der  Hygiene  entsprechen.  Dies 
b^eht  sich  nicht  nur  auf  die  noch  groüe  Anzahl  alter  Bänke,  welche 
sich  noch  in  allen  Schulen  befinden,  sondern  auch  auf  die  in  den  letzten 
Jahren  gelieferten  Schulbänke.  Es  kommt  offenbar  daher,  dafe  die  Auf- 
aebt  bei  der  Lieferung  von  Bänken  sehr  mangelhaft  ist.  Auf  diesen 
Umstand  machte  die  Schulkommission  den  Gemeindevorstand  aufmerksam, 
besonders  in  Hinsicht  auf  die  neu  bevorstehenden  Lieferungen.  Allerdings 
wflrde  die  Erneuerung  aller  Bänke  mit  einem  Male  die  Gemeinde  finanziell 
za  sehr  belasten,  und  die  Kommission  äufserte  deshalb  die  Ansicht,  es 
sollten  wenigstens  jedes  Jahr  fOr  eine  oder  mehrere  Abteilungen  neue 
Bänke  beschafft  werden.  Aufserdem  wurde  vorgeschlagen,  die  Schul- 
vorsteher zu  beauftragen,  sie  möchten  jedes  Kind  am  Anfang  nnd  in  der 
Mitte  des  Schuljahres  messen  lassen  (was  faktisch  keine  MtQie  verursacht) 
imd  die  Placierung  der  Kinder  nicht,  wie  es  jetzt  der  Fall  ist,  nach  Be- 
gabung, sondern  nach  der  Gröfse  vornehmen.  Alle  Schulvorsteher  haben 
erklärt,  dais  eine  solche  Placierung  sehr  gut  möglich  sei,  wenn  in  jeder 
Abteilung  mindestens  drei  verschiedene  Bankgröfsen  eingeführt  würden. 
Als  Modell  hat  die  Kommission  das  System  „Kunze"  genommen. 

Auf  diesen  Bericht  kam  vom  Gemeindevorstand  die  Antwort,  dals 
dieser,  in  Betracht  der  grofsen  Ausgaben,  sich  nicht  dazu  entschliefsen 
könne,  die  neuen  Bänke  anzuschaffen,  besonders  auch,  weil  Sachverständige 
und  Schulantoritäten  sehr  verschieden  darüber  urteilten,  was  eine  gute 
Schulbank  sei.  Bei  eventuellem  Ankauf  von  Bänken,  welche  man  später 
Bötig  habe,  werde  man  scharfe  Aufsicht  über  die  Lieferung  halten  und 
aidi   dann   auch   für  das  zu  wählende   System   entscheiden.     Die  Schul- 


196 

Vorsteher  sollen  flbrigens  gebeten  werden,  dem  Torschlag  Folge  za  leisten 
ond  in  Zukunft  die  Kinder  nicht  nach  der  Fähigkeit,  sondern  nach  ihrer 
Körperlange  zu  setzen.  Dr.  med.  MouTON-Haag. 

Die  soziale  Bedentnng  der  SprachstSruni^eii.  Hierflber  schreibt 
GuTZMANK  im  ^Klm.  Jahrbuch",  Bd.  12,  Heft  3:  In  Deutschland  Idden 
wenigstens  200  (XX)  Schulkinder  an  Sprachstörungen,  und  alle  diese  Kinder 
werden,  wenn  sie  nicht  Heilung  oder  weitgehende  Besserung  finden,  wahrend 
ihres  ganzen  Lebens  in  sozialer  Beziehung  schwer  benachteiligt  sein.  Um 
das  nach  Möglichkeit  hintanzuhalten,  sollen  die  Lehrer  im  Seminar  auch 
in  der  Sprachphysiologie,  der  Sprachhygiene  und  in  der  Erkennung  und 
Behandlung  der  Sprachstörungen  ausgebildet  werden,  und  sollen  aach  die 
Ärzte  während  ihrer  Studienzeit,  insbesondere  aber  die  Schulärzte,  auf 
diesem  Gebiete  sich  ausführlich  informieren.     Dr.  med.  GÖTZ-München. 

Um  die  Überbfirdnng  der  Sehfiler  nnaerer  Mittelsehnlen  n 
beseitigen,  schlägt  Dr.  H.  Molbnaab  eine  Yerkftrznng  der  ünter- 
riehtsatnnden  von  60  auf  40  Minuten  vor;  es  könnten  so  an  der  Zeit 
von  7^^ — 12  Uhr  unter  Einschiebung  von  ^ei  Pausen  zu  je  zehn  Minuten 
und  einer  Pause  zu  20  Minuten  sechs  Lehrstunden  erteilt  werden,  der 
gesamte  Unterricht  Heise  sich  auf  den  Vormittag  verlegen  und  der  Nach- 
mittag bliebe,  zum  Teil  wenigstens,  fOr  die  Pflege  des  Körpers  frei. 
M.  ist  überzeugt,  dafs  in  einer  Lehrstunde  von  40  Minuten  Dauer  eben- 
soviel geleistet  werden  könnte  wie  in  der  Yollstunde,  da  Lehrer  und 
Schaler,  durch  die  Pausen  erfrischt,  leichter  arbeiten  wfirden. 

Zu  diesen  AusfOhrungen  Molbkaabs,  die  in  der  ,^Münch.  medie. 
Wochmachr^  (1904,  Nr.  48)  in  zustimmendem  Sinne  besprochen  werden, 
teilt  Dr.  Otto  Dobnblüth  -  Frankfurt  a.  M.  in  dersdbm  Zeüadtrift 
(1904,  Nr.  50)  mit,  dafe  er  den  Vorschlag,  die  Unterrichtsstunden  auf 
40  Minuten  zu  verkOrzen  und  den  Vormittag  mit  sechs  solcher  Lehr- 
stunden zu  besetzen,  schon  1903  in  einer  Sitzung  der  Frankfurter  Orts- 
gruppe des  Vereins  für  Volkshjgiene  gemacht  habe.  Auch  er  ist  tlber- 
zeugtf  dafs  in  der  verkürzten  Lehrstunde  wegen  der  geringeren  Ermadung 
der  Schaler  ebensoviel  gelernt  wird  wie  in  einer  vollen  Stunde.  Morgens 
dttrfte  aber  der  Unterricht,  wie  er  ebenfalls  damals  schon  betont  habe,  erst 
beginnen,  wenn  die  Schaler  gut  ausgeschlafen  haben,  d.  i.  in  den  oberen 
Klassen  auch  im  Sommer  nicht  vor  8  Uhr  oder  Vt8  Uhr,  in  den  unteren 
entsprechend  später.  —  Einer  der  pädagogischen  Korreferenten,  Rektor 
ZiMHEBMANN,  erkl&rte  sich  in  der  erwähnten  Sitzung  mit  diesem  Vor- 
schlage einverstanden  und  wies  darauf  hin,  dafis  das,  was  die  Wissenschaft 
durch  eine  Reihe  exakter  Versuche,  durch  Feststellung  der  ErmOdungs- 
kurve  usw.  gezeigt  hat,  mafisgebend  und  bindend  sein  mttsse;  die  Arbeiten 
Kbaepblins  und  anderer  psychologischer  Biologen  mflssen  eine  Ver- 
kürzung der  Lektionsdauer  zur  Folge  haben.     Dr.  med.  GÖTZ-Mflnchen. 

Gemeinschaftliche  Braiehnng  der  Geschlechter.  F.  Th.  Mbtlak, 
Licenci^e  der  Universität  Lausanne,  tritt  in  einem  bei  Cakl  6£0Bai  in 
Bonn  erschienenen  Buche  dafür  ein,  dab  die  in  Amerika  flbliche  Methode 
der  gemeinsamen  und  gemeinschaftlichen  Erziehung  von  Knaben  und 
Mädchen  auch  von  den  übrigen  Kulturstaaten  angenommen  werde,  und 
findet  nicht  Worte   genug,   die  Vorteile  dieser  «Go^ducation**  zu  preisen. 


197 

Ihr  Urteil  Aber  das  earopäiscbe  Schulsystem  der  Ängstlichkeit,  der  Ab- 
gpeming,  der  peinlichen  Separation  ist  ein  sehr  scharfes.  Die  Art  nnd 
Weise,  wie  man  auf  dem  alten  Kontinente  die  Mädchen  erziehe  und  wie 
man  sie  geqnfilter,  engherziger  und  mit  geringerer  physischer  Bedacht- 
nahme  als  die  Buben  erziehe,  seien  mit  eine  der  yielen  Ursachen  der 
spAteren  Hysterie.  Dieses  Bnch  der  in  Amerika  lebenden  und  lehrenden 
Schweizerin  wird  namentlich  den  Pädagogen  ein  besonderes  Interesse  ge- 
wahren. 

Iflebknren  für  dfirftige  Schulkinder  veranstalteten  die  Städte  des 
Regienmgsbezirks  Düsseldorf  im  verflossenen  Jahre  in  grober  Zahl.  So 
z.  B.  hatte  Solingen  neben  seinen  Ferienkolonisten  ein  paar  Hundert 
Kinder  in  Milchkar  gegeben.  Die  Stadt  kaufte  Milch  nnd  groise  Brötchen, 
imd  die  Frauen  der  Solinger  Hauptlehrer  und  Rektoren  besorgten  dann 
jeden  Nachmittag  während  der  Herbstferien  die  Pflege  der  Kinder.  Die 
Kuren  ÜEmden  in  den  meisten  Städten  während  der  Herbstferien  statt  und 
danerten  von  drei  bis  sechs  Wochen.  Die  Kosten  schwankten  je  nach  der 
Daner  der  Kur  und  der  Zahl  der  an  den  Kuren  teilnehmenden  Kinder. 
Sie  betrugen  fftr  Elberfeld  Aber  10800  Mark,  fdr  Essen  Ober 
10100  Mark.  Erhebliche  Mittel  wandte  auch  Bheydt  auf,  wo  die  ver- 
anstalteten Kuren  6833  Mark  Kosten  erforderten.  4—5000  Mark 
wandten  der  Stadtkreis  Remscheid  und  auch  der  Landkreis  Solingen 
auf,  in  den  fibrigen  Orten  schwankten  die  Kosten  zwischen  300  und 
3000  Mark.  Beteiligt  waren  an  diesen  Kosten  die  betr.  Städte,  evange- 
lische und  katholische  Frauenvereine,  dann  der  Vaterländische  Frauenverein, 
Vereine  für  Ferienkolonien,  Stiftungen  und  in  hervorragendem  Mafse 
die  Ortsgruppen  des  Bergischen  Vereins  fOr  Gemeinwohl.  Insgesamt  waren 
an  diesen  Veranstaltungen  im  Regierungsbezirke  Dflsseidorf  5359  Kinder 
beteiligt. 

Die  Nervosität  nnter  den  Kindern  nimmt  leider  unzweifelhaft  zu.  Als 
eine  wesentliche  Ursache  derselben  betrachtet  man  wohl  nicht  mit  Unrecht  den 
£influfe  unserer  heutigen  Schule  auf  das  Kind.  (Schüren  eines  krankhaften 
Ehrgeizes,  Überbflrdung  usw.)  Immerhin  sind  auch  Faktoren  vorhanden, 
die  neben  der  Schule  die  Entwicklung  der  Nervosität  bei  den  Kindern 
begünstigen.  Die  ^Bl,  f.  Vöücsgesundheiispfi.^  machen  darauf  auhnerk- 
nm,  dab  leider  noch  in  vielen  Häusern  die  Sitte  besteht,  die  Kinder  txl 
den  Mahlzeiten  ein  Glas  Bier  trinken  zu  lassen,  dals  auch  vielfach  der 
Aberglaube  verbreitet  ist  von  den  stärkenden  Medizinalweinen,  mit  denen 
sdiwächliche  Kinder  sinnlos  vergiftet  werden.  Hierdurch  lassen  sich  sehr 
leicht  die  bei  derartigen  Kindern  auftretenden  schweren  Nervenerscheinungen 
erklären,  da  jede  Form  von  Alkohol,  selbst  wenn  es  nur  ein  angeblich 
ansehuldiges  Bier  ist,  fflr  den  kindlichen  Körper  einen  Anreiz  und  dadurch 
adiweren  Nachteil  bedeutet.  Zu  diesen  beiden  Schädigungen  scheint  nun 
in  der  letzten  Zeit  mehr  und  mehr  noch  eine  dritte  zu  treten,  nämlich 
der  flbertriebene  Sport  und  nicht  fflr  das  Kindesalter  sich 
eignende  Vergnflgungen.  Kinderbälle,  die  bis  gegen  den  Morgen 
ach  ausdehnen,  sind  zur  Mode  geworden;  zu  Konzerten  und  Theatern 
werden  Kinder  mitgenommen  und  bis  in  die  Nacht  hinein  in  geistiger 
Überspannung  gehalten,  ganz  zu  schweigen  von  der  Unsitte  vieler  Eltern,  mit 


198 

ihren  Kindern  in  den  Restanrants  bis  zur  Mittemacht  zn  weilen.  Ebenso 
ist  der  Sport,  der  Wettkampf  anf  dem  Gebiete  der  körperlichen  Betftti- 
gang,  nicht  f&r  einen  Körper  bestimmt,  der  noch  in  der  Ausbildung  be- 
griffen ist.  Körperliche  Übungen  sollen  Knaben  und  Mftdchen  unter  allen 
umständen  ausfAhren,  und  keine  dieser  Übungen,  solange  sie  in  ver- 
ständigen, normalen  Grenzen  betrieben  werden,  ist  ihnen  zu  verbieten. 
Solche  Übungen  dürfen  aber  niemals  zum  Sport  ausarten.  Kinder  und 
junge  Menschen  bis  zum  16  resp.  18.  Lebensjahre  sind  von  einer  beruls- 
mäfsigen  Ausbildung  in  einer  bestimmten  körperlichen  Übung  unter  allen 
Umständen  fernzuhalten,  weil  durch  diese  Einseitigkeit  die  gleichmälsige 
Ausbildung  des  Körpers  leidet;  sie  sind  außerdem  von  der  Öffentlichkeit 
zugänglichen  Wettkämpfen  fernzuhalten,  weil  sie  den  Aufregungen  derselben 
noch  nicht  in  ihren  seelischen  und  geistigen  Kräften  gewachsen  sind. 
Diese  drei  Faktoren:  übertriebene  Abhärtung,  Alkohol  in  jeder,  selbst  der 
leichtesten  Form  und  Übermals  im  Vergnügen  sowie  in  der  körperliehen 
Übung  sind  in  sehr  vielen  Fällen  viel  mehr  schuld  an  der  Nervosität  des 
jungen  Menschen  als  die  Anforderungen,  die  die  moderne  Schule  an  ihre 
Zöglinge  stellt. 

Auf  eine  uiivernflnfUge  di&lerei  der  Sehnlkinder  in  der  Um- 
gebung von  Frankfurt  a.  0.  macht  die  ^Drankf,  Odergtg."  aufmerksam. 
Da  die  Frankfurter  Schulen  im  Sommer  größtenteils  den  Unterricht  schon 
um  7  Uhr  beginnen,  können  die  Kinder  ans  einigen  Ortschaften  zur  Schul- 
fahrt nur  einen  Zug  benutzen,  der  die  betr.  Orte  früh  morgens  um  5.27, 
5.17  bezw.  5.10  berührt.  Der  Weg  zum  Bahnhof  beträgt  von  allen  drei 
Orten  15  bis  30  Minuten,  deshalb  müssen  die  Kinder  im  Sommerhalbjahr 
durchschnittlich  schon  um  4Vt  Uhr  früh  aufstehen  und  können  dann  vor 
Müdigkeit  dem  Unterricht  oftmals  trotz  aller  Anstrengung  nicht  folgen. 
Sie  bleiben  infolgedessen  in  der  Schule  zurück,  die  Überanstrengung  zer- 
rüttet ihre  jungen  Kräfte  und  der  Keim  zur  Nervosität  ist  in  sie  gelegt. 
Um  diesem  Übel  abzuhelfen,  haben  die  Begüterten  ihre  Kinder  nach  Frank- 
furt in  Pension  geben  müssen.  Den  weniger  Bemittelten,  und  diese  bilden 
die  grofse  Mehrzahl,  ist  dies  aber,  zumal  wenn  sie  mehrere  Kinder  zur 
Schule  schicken,  der  Kosten  wegen  unmöglich,  abgesehen  davon,  dab  die 
Pensionen  keinem  Kinde  das  Elternhaus  ersetzen  können.  Da  ein  Gesuch 
um  Einführung  eines  günstiger  gelegenen  Zuges  vor  Jahren  von  der  Eisen- 
bahndirektion abgeschlagen  wurde,  wollen  die  Einwohner  der  betr.  Ort- 
schaften sich  direkt  an  das  Ministerium  mit  der  gewüs  berechtigten  Bitte 
um  Abhilfe  wenden. 

Über  die  kflrperiiehe  Erziehung  der  M&dehen  sprach  an  einem 
Vortragsabend  des  „Nationalsozialen  Vereins^  in  Stuttgart  Frl.  Dr.  med. 
AuOB  PBOFi  -  Charlottenburg.  Wie  wir  den  Tagesblättem  entnehmen, 
führte  die  Referentin  aus,  dafs  der  Knabe  für  die  Kämpfe  ums  Dasein,  die 
Mädchen  dagegen  für  den  Kampf  um  den  eigenen  Herd  erzogen  werden. 
Für  diesen  Kampf  sei  in  erster  Linie  die  Schönheit  der  Formen  des  weib- 
lichen Körpers  maisgebend.  Darunter  verstehe  man  heute  etwas  ganz  an- 
deres als  im  Altertum.  Lykurg  habe  eingesehen,  daHs  der  Staat  ohne 
kräftige  Mütter  auch  keinen  kräftigen  Nachwuchs  haben  könne.  Mafs- 
gebend   bei   der  heutigen  Erziehung  der  Mädchen  sei  das  Anmutige  und 


199 

Zieriiche,  ohne  Rflcksicht  auf  die  Oesondheit.  Die  gegenwärtige  Erziehnng 
reiche  in  keiner  Beziehung  für  die  Anfordelmngen  ans,  die  die  moderne 
Zeit  an  die  Mftdchen  stelle.  Vor  allem  mOsse  eine  Änderung  in  der 
Kleidung  geschaffen  werden;  auch  werde  in  den  Entwicklnng^ahren  der 
Mftdchen  Yiel  zn  wenig  darauf  geachtet,  dals  sie  genfigend  essen.  Femer 
sollte  die  körperliche  Bewegung  frei  und  ungehindert  sein.  Von  Staat  und 
Gemeinde  werde  nicht  viel  zu  erwarten  sein;  um  eine  Besserung  herbei- 
mfBhren,  müsse  man  sich  daher  zunächst  an  die  Eltern  wenden. 

Ober  den  Gennfa  alkoholischer  fletrSnke  im  schulpflichtigen 
Alter  wurde  in  Nordhausen  eine  statistische  Untersuchung  angestellt. 
Nach  einem  Bericht  der  j^ThUringer  Bundschau*'  ergab  dieselbe  folgendes 
traurige  Resultat:  In  der  YII.  Klasse  einer  Volksschule  (siebepjährige 
Kinder)  hatten  von  49  Kindern  38  schon  Wein,  40  schon  Schnaps  und 
alle  schon,  zum  Teil  regelmä&ig,  Bier  getrunken.  In  einer  IV.  Klasse 
hatten  von  28  Mftdchen  27  schon  Wein,  14  schon  Schnaps  und  28  schon 
Bier  bekommen.  21  gaben  an,  dafs  sie  gern  Bier  trinken,  besonders 
Lagerbier;  14  trinken  regelmftlsig,  „weil  man  davon  stark  wird'',  16 
geben  an,  „leicht  betrunken^  gewesen  zu  sein,  zumeist  bei  Hochzeiten, 
Partien  oder  wenn  bei  Vaters  Geburtstag,  wie  üblich,  ein  F&ischen  ge- 
trunken wurde. 

Abstinente  Sekfilerverbindnngen.  Die  Erkenntnis  von  der  Wich- 
tigkeit der  Beteiligung  der  Mittelschüler  an  der  Bekämpfung  der  Trink- 
sitten bricht  sich  nach  und  nach  auch  an  mafsgebender  Stelle  Raum.  So 
hat  z.  B.  die  württembergische  Regierung  ihre  Stellung  der  Verbindung 
„Germania*'  gegenüber  besonders  klar  und  deutlich  ausgesprochen.  Nach- 
dem schon  vor  einem  Jahre  der  württembergische  Kultusminister  Dr. 
V.  Weizacker  mehrfach  lebhaftes  Interesse  für  die  „Germania^  gezeigt 
hatte,  hat  nunmehr  die  königl.  württembergische  Ministerialabteilung  für 
höhere  Schulen  in  einem  offiziellen  Schreiben  an  den  Gauverband  Württem- 
berg der  „Germania"*  ein  Urteil  über  dieselbe  gefällt,  das  nach  einer  Mit- 
teflung  des  y^Ahsimene^  (1904,  Nr.  19)  folgendermafsen  lautet:  „Die 
Ministerialabteilnng  begrüfst  es  mit  Freude,  dafs  die  auf  Einschränkung 
des  Alkoholgenusses  gerichteten  Bestrebungen  aus  der  Mitte  der  die 
höheren  Schulen  besuchenden  Jugend  eine  kräftige  Unterstützung  finden 
ond  hält  hierzu  die  Vereinigung  von  solchen  Schülern,  welche  grundsätzlich 
dem  Alkohol  entsagen,  für  ein  geeignetes  Mittel.  ** 

Verlegiuig  der  Fortbildnni^skurge  anf  Mhere  Tagesstunden. 
Der  zweite  internationale  Kougrefs  zur  Förderung  des  Zeichenunterrichtes 
in  Bern  1904  hat  u.  a.  folgenden  Beschlufs  gefafst :  Die  Fortbildungskurse 
sollten  fär  alle  Lehrlinge  und  Arbeiter  nur  während  der  Tageszeit, 
spätestens  in  den  Stunden  von  5  bis  7  Uhr  abends  stattfinden.  Diese 
Anregong  wird  auch  vom  y^ZeniraXbl.  f,  d.  gewerbl  Unterrichtsw,  in  Öster- 
reiA*^  aufgenommen.     Dasselbe  schreibt  folgendes: 

Im  Interesse  des  Unterrichtes  erscheint  es  wünschenswert,  dafs  die 
Unterrichtszeit  an  den  gewerblichen  Fortbildungsschulen  Wiens  die  vielfoch 
noch  in  die  späten  Abendstunden  fUlt  (bis  9  Uhr  abends)  auf  die  Zeit 
T<m  6  bis  8  Uhr  abends  angesetzt  werde  und  dafs  die  Monate  Juni  und 
Jnli  vom  Unterricht  frei  bleiben.     Die  Provinz  ist  in  dieser  Richtung  der 


200 

Stadt  Wien  vorausgeeilt,  da  bisher  an  mehr  als  200  Fortbildongsscholen 
der  Unterricht  in  die  frflhere  Abendstande  verlegt  worden  ist. 

Flaches  flansdach  in  Schnlen.  Sehr  hänfig  ist  der  Schalhof  bezw. 
Sommertomplatz  viel  za  klein.  Eine  Abhilfe  dieses  Baommangels  wftre 
vielleicht  aaf  diese  Weise  za  erreichen,  dafs  das  Haasdach  in  ein  flaches 
verwandelt  würde,  welches  sodann  von  den  Schfllern  zweckentsprechend 
benatzt  werden  könnte.  Diese  Einrichtang  dürfte  sich,  wenn  anch  die 
Kosten  keine  anbetrftchtlichen  sein  werden,  bei  allen  älteren  Schalen,  denen 
ein  Sommertamplatz  abgeht,  sehr  wohltätig  für  die  Oesandheit  der  Kinder 
erweisen.  Bei  manchen  dieser  älteren  Schnlhäaser  könnte  bei  dieser  Ge- 
legenheit ein  Stockwerk  hinzakommen.  Direktor  £.  Batb  hat  an  den 
Magistrat  der  Stadt  eine  diesbezügliche  Eingabe  überreicht. 

Die  Untersvchnng  der  ZUine  der  Schulkinder  in  Ertart,  die 
vor  einem  Jahre  begonnen  hat  and  sich  aaf  7231  Schüler  erstreckte,  er- 
gab, nach  einer  Mitteilnng  der  jtZahnär0Ü.  Rundschau*^ ,  dafs  von  sämt- 
lichen Schnlkindem  sich  nnr  328  =  4,6  ®/o  eines  wirklich  gesanden  und 
vollzähligen  Gebisses  erfreaten.  Gesnnd  aber  anvollzählig  erwies  sich  das 
Gebifs  bei  30  (0,5%),  kariös  bei  6873  (95%);  von  den  Zähnen  dieser 
letzteren  Kinder  sind  6335  (88®/o)  als  bleibend  kariös  nnd  841  (12%) 
als  mindestens  znr  Hälfte  kariös  angegeben.  Das  Zahnfleisch  war  gesund 
bei  52%  der  Kinder,  gerötet  bei  41  ^o  and  krank  bei  7%.  Den 
Eltern  der  Kinder  mit  schadhaften  nnd  kranken  Zähnen  wnrden  von  schal- 
ärztlicher Seite  wohlmeinende  nnd  leicht  za  befolgende  Ratschläge  gegeben. 
Diese  Ratschläge  wnrden  jedoch  von  nnr  30Vo  der  Aafgeforderten  befolgt. 
Der  Stadtverordnetenvorsteher  erklärte,  dafs  angesichts  einer  so  sträflichen 
Gleichgültigkeit  der  Eltern  der  Effekt  der  vorzüglichsten  sanitären  Eia- 
richtongen,  die  der  Kommnne  schweres  Geld  kosten,  gleich  Nnll  sein 
müsse. 

Die  Sinderarbeit  in  der  Hansindnstrie  des  KMitona  Appensell 
(Schweiz)  erfährt  darch  die  Erhebangen  des  Pfarrers  Zinbli  eine  fnrcht- 
bare  Beleachtang.  Wie  wir  der  ^Som.  ^axis"^  (Nr.  21)  entnehmen,  sind 
von  9378  Schnlkindem  volle  5820  neben  der  Schale  erwerbstätig.  Da- 
von 4199  in  der  Hansindastrie.  Täglich  beschäftigt  sind  3554  =  41,7% 
aller  Schnlldnder  (von  der  ersten  bis  znr  obersten  Schalklasse):  Die  täg- 
liche Arbeitszeit  beträgt  eine  Stande  bei  211  Kindern,  zwei  Standen 
bei  867,  drei  Stunden  bei  504,  vier  Standen  bei  396,  fünf  Standen 
bei  425,  sechs  Standen  bei  526,  mehr  als  sechs  Standen  bei  1125 
Kindern.  Dabei  ist  die  Schnlanterrichtszeit  noch  nicht  in  Anschlag  ge- 
bracht. Zählt  man  Schale  and  Arbeit  aaf  wöchentliche  Stondenzahlen  zu- 
sammen, so  stellen  sich  folgende  Arbeitsleistangen  heraas:  549  Kinder 
(ansschliefslich  Obangsschüler,  d.  h.  Halbtagsarbeiter)  arbeiten  bis  za 
90  Standen  wöchentlich;  269  Kinder  kommen  aaf  39  Standen 
wöchentlich,  258  Kinder  von  der  zweiten  Klasse  an  aaf  60,  253  ans  allen 
Klassen  aaf  51,  245  von  der  zweiten  Klasse  an  aaf  54  wöchentliche 
Standen,  nnd  so  geht  es  aufwärts  bis  zu  90  Standen.  Von  77  Kindern 
wurde  mitgeteilt,  data  sie  täglich  zwölf  Standen,  von  33,  dafs  sie  täglich 
15,  nnd  von  129,  daCs  sie  mehr  als  15  Standen  im  Tag  arbeiten 
müssen. 


201 

VenuttlnBg  yon  uentgeltlichom  Landaufenthalt.  Die  in  Ham- 
burg zu  diesem  Zwecke  bestehende  Yereinigong  hat  einen  Bericht  Aber 
dss  Jahr  1904  heransgegeben,  dem  wir  nach  der  „BSd.  Befarm^  (190Ö, 
Nr.  7)  folgendes  entnehmen.  724  arme  Kinder  konnten  auf  fünf  Wochen 
den  dampfen  Wohnungen  der  Groisstadt  entfahrt  nnd  in  Freiqoartieren  auf 
dem  Lande  untergebracht  werden.  Die  Mehrzahl  der  Kinder  mniste  auch 
noch  mit  der  nötigen  Kleidung  aosgerflstet  nnd  mit  Reisegeld  versehen 
werden.  Die  Gesamtaasgaben  betragen  4774.72  Mark.  Aas  dem  Qaartier- 
ferzdchnis  ist  za  ersehen,  dafs  sich  das  Gebiet  für  die  Tätigkeit  be- 
deatend  erweitert  hat.  Unter  den  neuen  Gebieten  sind  besonders  Olden- 
burg und  die  Kreise  Soltau  und  Lüchow  in  Hannover  zu  nennen.  Dieser 
jSrwdterung  entsprechend  muilste  auch  die  Zahl  der  Mitarbeiter  und  Mit- 
^eder  vermehrt  werden.  Besonders  wurde  bereitwillig  Hilfe  geleistet  aus 
dem  Kreise  der  Lehrerinnen.  Ein  Blick  auf  die  Liste  der  Mitglieder  zeigt, 
daCs  sie  ohne  Ausnahme  der  Yolksschullehrerschaft  angehören.  Bei  dem 
Um&ng,  den  die  Arbeit  angenommen  hat,  ist  es  vrttnschenswert,  dals  durch 
weitere  Arbeitsteilung  eine  Erleichterung  für  die  einzelnen  Mitglieder  ge- 
schaffen wird.  Zu  dem  Zwecke  ist  eine  neue  Organisation  geplant,  die  in 
diesem  Jahre  zur  Durchfahrung  gelangt.  Die  Organe  der  Vereinigung 
giiedem  sich  in  Vertrauenspersonen,  Bezirksverwalter  und  Torstand.  Far 
eine  örtlich  zusammenliegende  Gruppe  von  Schulen  (zwei  bis  vier)  ist  eine 
Vertranensperson  t&tig.  Sie  hat  die  Meldungen  entgegenzunehmen,  die 
Verhältnisse  zu  prüfen,  das  Reisegeld  festzustellen  und  zu  erheben  und  fOr 
die  Ausrüstung  zu  sorgen.  Den  Bezirksverwaltem  ist  je  ein  Schulbezirk 
imd  ein  Bezirk  auCserhalb  Hamburgs  unterstellt.  Sie  haben  die  Werbe- 
tUigkeit  in  dem  ihnen  angewiesenen  auswärtigen  Gebiete  zu  leiten  und  zu 
fthren,  die  Kinder  auszuwählen  und  ihre  Verschickung  und  Beaufsichtigung 
za  überwachen.  Der  Vorstand  schlielslich  hat  die  allgemeine  Verwaltung, 
Sdiaffong  von  Geldern,  Ausgleich  von  Quartieren  und  Meldungen  u.  a.  m. 
la  besorgen.  Die  Vereinigung  hofft,  durch  diese  Verteilung  die  einzelnen 
Hitglieder  vor  Oberbürdung  zu  bewahren  und  die  ganze  Sache  zu  fordern. 
Im  MSrz  wird  den  Lehrerkollegien  die  Liste  der  Vertrauenspersonen  und 
Bezirksverwalter  zugehen. 


9ia%t9%tfifxü^tlxift». 


Cber  die  Internationale  Pidagogisehe  Ansstellnng  in  Barcelona 

ertäbt  das  geschftftsführende  Komitee,  an  dessen  Spitze  Professor  Dr. 
AiiDBis  Mabtinbz  Vabgas  steht,  folgenden  Aufruf:  Die  Pädagogik  hat 
in  diesen  letzten  Jahren  bedeutende  Fortschritte  zu  verzeichnen.  Physio- 
logie und  Psychologie  haben  ihr  neue  Horizonte  eröffnet  und  die  Hygiene 
bat  sie  in  neue  Bahnen  gewiesen.  Ein  weiterer  Beweis  des  Fortschrittes 
der  Pädagogik  ist  femer  die  Umgestaltung  des  gesamten  Schulmaterials, 


202 

die  Anpassung  der  Unterrichtsmethode  an  die  Anfhssnngsgabe  des  einzelnen 
Schfllers,  die  nene  Richtung,  die  das  philosophische  Endehnngsprinzip  ein- 
geschlagen hat,  und  das  allgemeine  Bestreben,  mit  möglichst  groCsem 
Nutzeffekt  und  möglichst  geringem  Kraftverbranch  die  physische,  inteliek- 
tnelle  nnd  moralische  Anlage  des  Kindes  parallel  nnd  harmonisch  zu  ent- 
wickeln. 

Diese  Umgestaltung  brancht  zu  ihrer  Entwicklung  und  Einfahrung  in 
die  Schulpraxis  in  jedem  Lande  einen  mehr  oder  weniger  langen  Zeitraum, 
je  nach  der  Bildung  der  leitenden  Klassen,  nach  der  DurchschnittsbflduBg 
des  Volkes,  je  nach  dem  Verfahren,  das  eingeschlagen  wird,  um  die 
Kultur  der  Massen  zu  fördern  und  zu  heben,  und,  nicht  in  letzter  Linie, 
je  nach  der  Fähigkeit  der  Kinder.  Die  fftr  jede  Neuerung  notwendigen 
brauchbaren  Elemente  auf  dem  Wege  der  Lektflre,  durch  Veröffent- 
lichungen, Zeitschriften  usw.  usw.  zu  gewinnen,  ist  ein  aulserordentlich 
langsames  Verfahren,  und  der  Effekt  jeden  Fortschrittes  wird  gleich  NdO 
bei  Fehlen  des  Zusammenhanges. 

Und  da  die  Wohlfahrt  jeder  Nation  in  ganz  direktem  Zusammenhang 
steht  mit  ihrer  Kultur,  da  das  angemessenste  und  in  seinen  Resultaten 
sicherste  Mittel  darin  besteht,  dem  Kinde  eine  möglichst  vollkommene  Er- 
ziehung zu  geben,  in  der  sicheren  Voraussetzung,  dafe  auf  diese  Weise 
ans  dem  Kinde  sp&ter  ein  gebildeter  und  tüchtiger  Staatsbflrger  werde, 
glaubten  wir,  da(s  in  dieser  Zeit  eine  pädagogische  Ausstellung  von 
gröCstem  Gewinn  fOr  Spanien  sein  werde. 

Jede  Ausstellung  flbt  einen  mächtigen  Einflufs  auf  die  Masse  aus; 
Neuerungen  und  Verbesserungen  werden  durch  derartige  Unternehmen  in 
allen  Schichten  des  Volkes  bekannt'  nnd  das  Volk  selbst  dadurch  ange- 
feuert, sich  die  Fortschritte  und  neuen  Errungenschaften  zunutze  zu 
machen.  Rasch  und  intensiv  ist  fOr  den  Fortschritt  der  Völker  ihr  Er- 
folg, gleich  einem  regulierten  Strom,  der  ohne  Verlust  an  Zeit  und  Materie 
die  Wohltaten  der  Zivilisation  weiter  und  weiter  trägt. 

Solchen  Grflnden  entspringt  unser  Entschlufs,  in  Barcelona  die  „Erste 
Internationale  Pädagogische  Ausstellung^  zu  veranstalten. 

Diese  soll  aber  nicht  nur  ein  Wettstreit  in  der  VorfQhrung  sämtlicher, 
in  der  ganzen  Welt  angewandten  Unterrichtsmethoden  und  Lehrmaterialien 
sein,  sondern  sie  soll  auch  gleichsam  ein  Tonmier  darstellen,  in  welchem 
deigenigen  Nationen,  die  auf  dem  Gebiete  der  Pädagogik  heute  in  der 
vordersten  Reihe  stehen,  Gelegenheit  geboten  wird,  ihren  inneren  und 
wechselseitigen  Wert  der  Welt  zu  erkennen  zu  geben. 

Dais  die  Resultate  einer  solchen  Ausstellung  für  unser  Land  durchaus 
gOnstig  sein  werden,  ist  ganz  zweifellos  und  der  Zeitpunkt  für  dieselbe  ist 
der  denkbar  günstigste. 

In  dieser  Überzeugung  wenden  wir  uns  an  alle  diejenigen,  die  in 
direkter  oder  indirekter  Beziehung  stehen  zur  Erziehung  der  Jugend. 

Wir  erlauben  uns,  die  ergebene  Bitte  an  Sie  zu  richten,  unserem 
Unternehmen  Ihre  Mithilfe  zu  Teil  werden  zu  lassen  und  dasselbe  durch 
Ausstellung  von  Bttchem,  Tabellen,  Karten,  Apparaten,  kurz  aller  dem 
Unterrichte  dienenden  Materialien,  möglichst  glänzend  zu  gestalten.  Auf 
diese  Weise  wird  man  sich  ein  genaues  Bild  von  dem  gegenwärtigen  Stand 


203 

des  Erziehangswesens  machen  können  und  diejenigen  Mittel  nnd  Wege 
kennen  lernen,  die  znm  Erlangen  einer  möglichst  groDsen  Vollkommenheit 
einznschlagen  sind. 

Die  Ansstellnng  wird  ans  sieben  Gmppen  bestehen: 
1.  Elementarschule;  2.  Mittelschule;  3.  Höhere  Schale;  4.  Speziali- 
täten; 5.  Schnlarchitektor;  6.  Schnlmaterial;  7.  Schulhygiene. 

Vom  Geschäftsführer  für  die  deutsche  Abteilung  werden  überdies  fol- 
gende Mitteilungen  über  Zeit  und  Bedingungen  der  Ausstellung  gemacht: 

1.  Die  Internationale  Pädagogische  Ausstellung  wird  in  Barcelona  in 
den  Monaten  Mai  bis  Oktober  1905  stattfinden. 

2.  Den  Ausstellern  wird  das  Quadratmeter  Bodenfläche  im  gedeckten 
Baom  zu  25  Frcs.,  im  ungedeckten  Raum  zu  10  Frcs.  überlassen,  zahlbar 
bei  Unterzeichnung  des  Teilnehmerscheines. 

3.  Für  den  Verlust  der  ausgestellten  Gegenstände  durch  Diebstahl, 
Brand  oder  anderweitige  Elementarereignisse  kann  keine  Verantwortung 
fibemommen  werden,  ebensowenig  für  Beschädigungen  der  (regenstände  nach 
Ablauf  der  für  die  Räumung  angesetzten  Frist. 

4.  Zu  geeigneter  Zeit  wird  zwecks  Erteilung  der  Preise  und  Bdoh- 
mugen  eine  Juiy  eingesetzt  werden. 

5.  Die  Preise  bestehen  in  Geld,  Medaillen  in  Gold,  Silber  und  Bronze, 
ferner  in  Ehrendiplomen. 

6.  Die  Kosten  fOr  Fracht,  Aufstellung  der  Gegenstände,  sowie  andere 
bei  der  Installation  eventueU  nötig  werdende  Auslagen  trägt  der  Aussteller. 

Vorstehende  Bedingungen  können  geändert  werden,  falls  besondere 
Verhältnisse  dies  ratsam  erscheinen  lassen,  jedoch  werden  die  Aussteller 
Y<m  etwa  nötigen  Modifikationen  geziemend  in  Kenntnis  gesetzt  werden. 

Geschäftsführer  für  die  deutsche  Abteilung:  Dr.  med.  Hebmann 
Kaupp,  prakt.  Arzt,  Rambla  de  Gatalnna,  77,  Barcelona. 

Der  6.  Kon^efs  der  Hilfsschnlen  Dentsehlandg  findet  am  25., 
26.  und  27.  April  in  Bremen  statt.  Tagesordnung:  Die  Ausbildung 
der  Hilfsschullehrer,  Ref.  Lehrer  Busch  -  Magdeburg  —  Die  Be- 
bandlung  Ton  Sprachgebrechen  in  den  Hilfsschulen,  Ref.  Dr. 
med.  WiNCKiiBB  -  Bremen  —  Über  moralische  Anästhesie,  Ref. 
Direktor  Dr.  med.  Scholz  -  Bremen  —  Die  Berücksichtigung  der 
Schwachsinnigen  im  Strafrecht  des  Deutschen  Reiches,  Ref. 
Oberamtsrichter  Nolte  -  Braunschweig  —  Über  den  gegenwärtigen 
8tand  der  Fürsorge  für  die  aus  den  Hilfsschulen  entlassenen 
Kinder  in  unterrichtlicher  und  praktischer  Beziehung,  Ref. 
Haaptlehrer  A.  SOHENK-Breslau. 

Die  Ferienkurse  in  Jena  im  August  1905  berühren  die  Schul- 
bygiene  in  folgenden  Vorlesungen:  Das  Mannheimer  Schulsystem, 
drei  Vorträge  von  Schulrat  Dr.  SiCKmasR-Mannheim;  Psychologie  des 
Kindes,  sechs  Vorträge  von  Dr.  A.  Spitzneb -Leipzig;  Die  unter- 
richtliche Behandlung  abnormer  Kinder,  dreimal  zwei  Stunden 
^on  Dhrektor  Tbüpbs  und  Institutslehrer  Landmann;  Über  Ursachen, 
Erscheinungen  und  Zusammenhang  von  körperlicher  und 
psychopathischer  Minderwertigkeit  beim  Kinde  (mit  Demonstra- 
titmen),    sechs    Vorträge    von    Schularzt    Dr.  Fibbig    in    Jena;    Über 


204 

Sprachstöraogen  im  Kindesalter,  sechs  Yortrftge  Ton  Privatdozent 
Dr.  HsBM.  OxTTZMANN-Berlin. 

Deutsche  Otologische  OeseUsehafL  Aaf  der  am  9.  mid  10.  Jud 
in  Homburg  stattfindenden  14.  Yersammlnng  dieser  Gesellschaft  w^en 
die  Herren  Professor  Dr.  Abthub  HABTMANK-Berlin  nnd  Geh.  Med.-Rat 
Professor  Dr.  Pesson  -  Berlin  Aber  „Die  Schwerhörigkeit  in  der 
Schale  **  referieren. 

Der  X.  Inteniatioiiale  Kon^eHs  gegen  den  Alkoholisrnns  wird 
in  Budapest  vom  12.  bis  16.  September  d.  J.  stattfinden.  Fflr  die 
Tagesordnung  sind  folgende  Beratnngsgegenstftnde  in  Aussicht  genommen: 
1.  Der  Einfluls  des  Alkohols  auf  die  Widerstandsfähigkeit  des  mensch- 
lichen und  tierischen  Organismus,  mit  besonderer  Berflcksichtigung  der 
Vererbung.  2.  Die  hygienische  Bedeutung  des  Kunstweines  gegenüber 
dem  Alkoholgenuis  überhaupt.  3.  Ist  Alkohol  ein  Nahrungsmittel? 
4.  Alkohol  und  Geschlechtsleben.  5.  Alkohol  und  Strafgesetz.  6.  Die 
kulturellen  Bestrebungen  der  Arbeiter  und  der  Alkohol.  7.  Alkohol  und 
physische  Leistungsfähigkeit,  mit  besonderer  Berücksichtigung  des  militft- 
rischen  Trainmgs.  8.  Die  Organisation  der  Antialkoholbewegung.  9.  Schule 
und  Erziehung  im  Kampfe  gegen  den  Alkohol.  10.  Die  Reform 
des  Schankwesens.  11.  Die  industrielle  Verwertung  des  Alkohols  als 
Kampfesmittel  gegen  den  Alkohol.  12.  Der  verderbliche  Einfiufs  des 
Spifituosenhandels  auf  die  Eingeborenen  in  Afrika.  —  Alle  Zuschriften 
sind  an  das  Exekutivkomitee  des  Kongresses,  Budapest,  IV.  Kösponti- 
vdroshaza,  zu  richten. 

Städtische  Spielplitze  in  Berlin.  Zur  Unterhaltung  der  stadtischen 
Spielplätze  für  die  Jugend  hat  der  Magistrat  fOr  das  laufende  Jahr 
33000  Mark,  8600  Mark  mehr  als  im  Voijahre,  bewilligt.  Zurzeit 
hat  Berlin,  wie  das  „Per?.  TagU.^  mitteilt,  nur  drei  städtische  Spielplätze, 
von  denen  der  eine  am  Urban  leider  eingehen  soll,  weil  dort  das  neue 
städtische  Straisenbahndepot  erbaut  wird,  der  zweite  liegt  in  der  Wiesen- 
strafse  und  der  dritte  in  der  Bremerstrafse.  Ein  neuer  Spielplatz  soll  so 
schnell  wie  möglich  vor  dem  städtischen  Obdach  angelegt  werden.  Aufaer- 
dem  werden  noch  Plätze  im  Friedrichshain  und  Humboldthain  sowie  die 
fiskalischen  Exerzierplätze  am  Kreuzberg,  an  der  sogenannten  einsamen 
Pappel  (Schönhauser  Allee),  in  Moabit  und  am  alten  Köpnicker  Weg  in 
Treptow  zum  Spielen  benutzt.  Die  eingeführten  Ferienspiele  haben  sich 
so  gut  bewährt,  dafs  der  Magistrat  in  diesem  Jahre  fünf  neue  Spielplätze 
eröffnen  will.  Eine  weitere  Vermehrung  dürfte  sich  vorläufig  nicht  ermög- 
lichen lassen,  weil  nur  ein  Teil  der  Schulhöfe  für  die  Spiele  geeignet  ist. 

Lieferung  gefälschter  Milch  zur  Speisnng  bedfirftiger  Sehnl- 
kinder.  Dieses  Verbrechens  hat  sich,  wie  die  Schweizer  Presse  mitteUt, 
in  einer  Ortschaft  des  Kantons  Bern  ein  Bauer  schuldig  gemacht,  der 
—  nebenbei  gesagt  —  in  angesehener  Stellung  ist.  Vor  kurzem  schöpfte 
die  Lehrerschaft  Verdacht  und  schickte  eine  Probe  dieser  Milch  dem 
Kantonschemiker  nach  Bern.  Und  dessen  Bericht  lautet  nun:  „Die Milch 
ist  bläulich  und  durchscheinend.  Sie  hat  eine  ganz  abnorme  Zusammen- 
setzung. Sie  mufs  nicht  nur  in  hohem  Grade  mit  Wasser  verdünnt^ 
sondern  gleichzeitig  auch  stark  abgerahmt  worden  sein.** 


205 

Alkobolisnins  imter  Sehfllen  in  Ostprenfsen.  In  einer  Dorf- 
sdinle  der  Ortelsbnrger  Gegend  wurden  ktirzlich,  nach  einer  Meldung  der 
„Ostd.  VoUesgig.'^,  bei  nicht  weniger  als  14  Schfilem  Flaschen  mit  Brannt- 
wein Torgefianden,  die  sie  von  ihren  Eltern  als  Erfnschnngsmittel  (!)  mit- 
bekommen hatten.  Es  soU  femer  Tatsache  sein,  dals  bereits  nenigfthrige 
Sdifiler  Tor  Beginn  des  Unterrichts  in  tronkenem  Znstande  nach  Hanse 
gebracht  werden  mnisten. 

Schnlpavaeil  in  floUaid.  Die  Abteilung  Zwolle  des  „Vereins  der 
niederländischen  Lehrer''  hat  einen  Bericht  erstattet  Aber  die  Frage: 
„Erachtet  man  es  als  wünschenswert,  dafs  während  der  Nachmittags- 
sehnlzeit  von  2  bis  4  Uhr  10  bis  15  Minuten  zum  Spielen  verwendet  und 
somit  dem  eigentlichen  Unterrichte  entzogen  werden  ?**  Diese  Frage  wurde 
ZOT  Beantwortung  an  einige  bekannte  Pädagogen  im  Lande  geschickt. 
Die  eingesandten  Gutachten  sprechen  alle  die  Meinung  aus,  daüs  eine 
S^elzeit,  auch  während  des  Nachmittagsunterrichtes,  sehr  nfitzlich  sei. 
Ans  den  verschiedenen  von  den  Begutachtern  angeführten  Gründen  hat 
das  Komitee  die  folgenden  zusammengestellt: 

1.  Das  Lüften  des  Schulzimmers  in  Abwesenheit  der  Schüler  ist 
lach  den  vorhandenen  Beobachtungen  als  sehr  notwendig  zu  bezeichnen. 

2.  Der  durch  die  Pause  verursachte  Zeitverlust  ist  nur  scheinbar,  weil 
er  dnrch  die  grOfsere  Aufmerksamkeit  der  Kinder  und  des  Lehrers  nach 
der  Pause  ausgeglichen  wird. 

3.  Die  Kinder  sind  in  den  Nachmittagsstunden  nicht  zur  geistigen 
Arbeit  aufgelegt,  namentlich,  wenn  die  letztere  zu  lange  dauert.  Infolge- 
dessen ist  auch  der  wissenschaftliche  Nachmittagsunterricht  schon  mancher- 
orts aufgegeben  worden. 

4.  Die  Unaufinerksamkeit,  eine  natürliche  Folge  längere  Zeit  an- 
dauernder geistiger  Beschäftigung,  kann  weder  vom  Schüler  noch  vom 
Lehrer  beseitigt  werden;  nur  eine  Pause  kann  das  zerstörte  Gleichgewicht 
wieder  herstellen. 

5.  Weil  die  Verdauung  in  diese  Zeit  fällt,  wird  die  geistige  Arbeit 
80  wie  so  gehemmt. 

6.  Die  Gesundheit  des  Lehrers  und  der  Schüler  wird  durch  die  Pause 
gefordert. 

7.  Das  fortwährende  Bitten  der  Schüler  um  die  Erlaubnis,  »hinaus- 
zugehen", das  sehr  störend  auf  den  Unterricht  wirkt,  wird  durch  die  Pause 
vermindert.  Dr.  med.  J.  M.  C.  MOüTON-Haag. 

Reise -SeholsparkasseB.  „Die  pädagog,  Zeit"'  meldet,  dals  das 
Fremdenverkehrsbureau  in  Budapest  mit  Genehmigung  des  ungarischen 
Unterrichtsministeriums  eine  hygienisch  nicht  unwichtige  Einrichtung  ins 
Leben  gerufen  habe.  Sie  besteht  darin,  dafs  die  Schüler  wöchentlich 
1  Krone  einzahlen  und  da(s  dann  aus  dem  Ergebnis  dieser  Einzahlungen 
wihrend  der  Ferien  kleinere  Ausflöge  unternommen  werden.  Die  Kosten 
sind  auf  40 — 45  KroDen  veranschlagt. 

Ein  weiblicher  Generalsehnlinspektor  in  England.  Die  eng- 
hsdie  Unterrichtsverwaltung  hat  einen  pädagogisch  höchst  bemerkenswerten 
Sdiritt  getan,  indem  sie  einen  weiblichen  Generalschalinspektor  für  die 
englischen  Schulen  ernannt  hat.     Fräulein  Maube  Lawabnge  wird,  um- 


206 

geben  von  einem  Stab  anderer  weiblicher  Inspektoren,  vorzOglidi  zwei 
Fragen  ihre  Aufmerksamkeit  zu  widmen  haben.  Die  eine  ist  die  Pflege 
der  körperlichen  Gesundheit  der  Schuljugend ,  und  man  glaubt  diesbezOg- 
lich,  dafi,  soweit  der  weibliche  Teil  der  SchuQugend  und  die  in  des 
Kindergärten  usw.  vertretenen  ganz  jungen  Kinder  in  Betracht  kommen, 
die  Ton  weiblichen  Lehrkräften  unterrichtet  werden,  ein  weiblicher  In- 
spektor yiel  mehr  Aussicht  hat,  nach  allem  fragen  und  das  Richtige  an- 
ordnen zu  können.  Weiter  wird  Frl.  Lawrence  darauf  zu  sehen  haben, 
daTs  die  Mädchen  in  der  Schule  auch  fttr  ihren  häuslichen  Beruf  ent- 
sprechend vorbereitet  werden.  Allerdings  wird  diese  Seite  des  Unt^ridits, 
wie  Kochen,  Nähen,  allgemeine  Hanshaltungskunde,  schon  seit  Jahren  in 
den  englischen  Schulen  gepflegt.  Aber  man  glaubt,  da(s  dabei  den  prak- 
tischen Bedflrfhissen  des  Lebens  nicht  genflgend  Rticksicht  getragen  werde, 
weil  eben  die  Lehrpläne  von  Männern  verfafst  und  auch  die  Kontrolle 
des  Unterrichts  in  letzter  Linie  von  Männern  ausgeübt  werde.  Dem  soll 
nun  durch  die  Einstellung  einer  Dame  abgeholfen  werden. 

Dir.  E.  BAYB-Wien. 

OleichmäTsige  Ansbildiing  beider  Binde  in  der  Schule.  In  der 
^North  Hackney  High  School*'  für  Mädchen  in  London  erfährt  das  in 
der  modernen  Pädagogik  vielfach  erörterte  Prinzip,  beide  Hände  gleich- 
mäisig  auszubilden,  eine  praktische  Anwendung.  Die  Vorsteherin,  Mifs 
Alice  James,  erklärt,  dab  jede  Arbeit  besser  von  statten  geht,  wenn 
die  Kinder  gewohnt  sind,   beide  Hände  und  beide  Augen  zu  gebrauchen. 

Zwei  Minnten- Turnen  in  den  Schulen.  Wie  das  rfNeue  Wien. 
Tagbl."^  mitteilt,  fiberreichte  unlängst  eine  Abordnung  des  Ostmark- 
Tumgaues  dem  Unterrichtsminister  R.  v.  Habtel  eine  Denkschrift  fOr 
die  Einffibrung  des  Zwei  Minuten  -  Turnens  an  den  Volksschulen.  Der 
Denkschrift  ist  eine  Liste  von  Freifibungen  beigelegt,  welche  nur  die 
kurze  Zeit  von  zwei  bis  drei  Minuten  beanspruchen  und  jede  halbe 
Stunde  in  den  Schulen,  während  des  Unterrichts,  durchgeführt 
werden  sollen.  Diese  Freifibungen  sind  so  eingerichtet,  dafs  sie  in  jeder 
Art  von  Schulbänken  vorgenommen  werden  können.  Das  Zwei  Minuten- 
Turnen  ist  bereits  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  eingeffihrt, 
und  es  zeigte  sich  ein  fiberraschend  günstiger  Einflufs  auf  Körper  und 
Geist  der  Schuljugend;  die  kurze  Unterbrechung  des  Stillsitzens  durch 
einige  Freifibungen  förderte  auch  die  Schuldisziplin. 

Dir.  E.  BAYB-Wien. 

BfirgerreehtsverleUiiing  an  Yolkssehnldirektor  Emannel  Bayr. 
Dem  ständigen  Mitarbeiter  der  „Zeitschr.  f.  SchtUgesunäheitspfl.^ ,  Direktor 
Emanüel  Batb,  wurde  in  vertraulicher  Sitzung  des  Wiener  Stadtrates 
im  Hinblick  auf  seine  langjährige,  hingebungsvolle  Wirksamkeit  im  Lehr- 
fache und  seine  eifirige  und  anerkennenswerte  Tätigkeit  auf  pädagogischem 
und  schul  hygienischem  Gebiete  das  Bfirgerrecht  der  Stadt  Wien  mit 
Nachsicht  der  Taxen  veriiehen.  („K  Wim.  Tagbl^,  Nr.  11.) 

Gegen  die  Reinigung  der  Klasaenzimmer  durch  Soholkinder, 
die  auf  dem  platten  Lande  seit  alters  eingebflrgert  ist,  hat,  wie  aus  Kiel 
gemeldet  wird,  die  Regierung  in  Schleswig  eine  Yerffigung  erlassen. 
Darin  wird  betont,   dafs  die  Schulreinigung  Gefahren  ffir  die  Gesundheit 


207 

der  in  der  EntwidduDg  begriffeDen  Kinder  durch  die  EinatmuDg  infek- 
tidsen  Staubes  mit  sich  bringt.  Die  Regiemng  erl&bt  kein  allgemeines 
Verbot,  ordnet  aber  eine  allmähliche  Anfhebang  des  alten  Brauches  an. 
Bei  neagegrdndeten  Schulen  dflrfen  Kinder  unter  keinen  Umstanden  zur 
Reinigung  herangezogen  werden. 

Ein  Verein  fflr  Schul-  nnd  Oesiudheitapflege  soll,  wie  das 
jflUxdarf,  Taghl^  mitteilt,  in  Rixdorf  gegründet  werden.  Aufgabe  des- 
selben soll  es  sein,  Aufklärung  und  Belehrung  Aber  die  persönliche  Ge- 
sandheitspflege  in  alle  Kreise  der  Bevölkerung,  sowohl  die  gebildeten  als 
die  weniger  gebildeten,  zu  tragen.  Zu  seinem  Arbeitsgebiet  sollen  ge- 
hören: die  Säuglingspflege  und  die  Bekftmpfong  der  Kindersterblichkeit, 
die  Belehrung  Aber  eine  angemessene  Bekleidung,  eine  verständige  Er- 
Dftbning,  die  Wohnungsfrage,  die  Belehrung  über  den  Einflufs  von  Licht 
nnd  Luft  auf  das  körperliche  und  seelische  Verhalten  des  Menschen,  die 
Belehrung  über  Bäder  und  Hautpflege,  die  Bekämpfung  der  Yolkskrank- 
heiten,  vor  allem  der  Tuberkulose,  des  Alkoholismus,  Anbahnung  einw 
engeren  Verbindung  von  Schule  und  Haus  usw.  Dieses  Ziel  soll  erreicht 
werden  durch  Veranstaltung  öffentlicher  Vorträge  und  Unterhaltungsabende, 
Verbreitung  der  besten  populär  -  wissenschaftlichen  Schriften  der  Hygiene. 
Daneben  will  man  auch  praktische  Einrichtungen  anregen,  welche  die  Be- 
lehnmg  durch  das  gesprochene  und  geschriebene  Wort  zu  ergänzen  ge- 
eignet und  von  grofsem  Werte  für  die  Volksgesundheit  sind.  So  sind 
ins  Ange  gefa&t:  Koch-  und  Haushaltungsschule,  Anlage  von 
Brausebädern,  Sonnenlicht-  und  Luftbäder,  Ferienwande- 
rungen der  Schüler  u.  a.  m. 

IKe  Beziehungen  des  Schulbesncha  der  Einjfthrigfreiwilligen 
n  ihrer  Militärtanglichkeit  unterliegen  in  der  Medizinalabteilung  des 
preulsischen  Kriegsministeriums  zurzeit  näherer  Untersuchung  laut  Mitteilung 
von  Oberstabsarzt  Dr.  Neumank  in  einem  Aufsatze  des  j^Ärch.  f.  soziale 
Med.  u,  Hygiene"^, 

Vermehmiig  der  Eisbahnen  in  Berlin.  Wie  die  Tagesblätter 
melden,  hat  die  Berliner  Vereinigung  für  Schulgesundheitspflege 
(Sektion  des  Berliner  Lehrervereins)  in  dieser  Richtung  folgende  Wünsche  aus- 
gesprochen: Soll  diese  für  die  Gesundheit  überaus  wichtige  Körperbewegung 
den  Kindern  zugute  kommen,  so  muTs  die  Stadt  dafflr  sorgen,  1.  dals  die 
den  Kindern  zugewiesenen  Plätze  vergröfsert  werden,  2.  überhaupt  eine 
Vermehrung  der  Eisbahnen  erstrebt  und  3.  die  den  Kindern  gestattete 
Zeitdauer  der  Benutzung  der  Bahnen  verlängert  wird. 

Mit  der  Fürsorge  für  das  Schwimmen  der  Schulkinder  hat  die 
Stadt  Berlin  in  letzter  Zeit  einen  guten  Anfang  gemacht.  Vor  zwei 
Jahren  begann  man  in  der  Gemeindeschule  in  der  Blumenstrafse  mit  dem 
Schwimmunterricht.  Dem  eigentlichen  Unterrichte  ging  ein  Trocken- 
Echwimmunterricht  in  der  Turnhalle  voraus.  Der  Erfolg  war  sehr  be- 
friedigend. Etwa  80  %  der  beteiligten  Schüler  haben  das  Schwimmen 
erienit.  Für  das  Jahr  1905  hat  die  Stadt  5000  Mark  für  diesen  Zweck 
in  den  Etat  eingestellt.  Auch  Mädchen  sollen  an  dem  Unterrichte  teilnehmen. 

Die  erste  soziale  Franenschule  soll  wie  die  „Pädag.  Zeit"  mit- 
teilt,   zu    Ostern   von    Professor  Dr.  Zimmeb   in    Zehlendorf   eröffnet 

Sehvlgesnndheiispflege.  XVIII.  12 


208 

werden.  Der  Unterricht  soll  Yolkserziebnngslehre,  Volksgesondheitspflege, 
Knnstpflege,  wirtschaftliche,  staatsbfirgerliche,  sittliche  und  religiöse  Yolks- 
erziehong  umfassen.  Besuch  von  kommunalen,  industriellen,  humanitftren 
und  konfessionellen  Anstalten  soll  ergänzend  hinzutreten  mit  praktischen 
Übungen  in  Eindergärten,  Krippen,  Horten.  Volksunterhaltungen  usw.  über- 
mitteln den  Übergang  in  die  Praxis. 

Über  Fnfsbekleidiing  der  Sehfller  in  der  Sehnle  hat,  wie  wir 
der  y^Trier.  Landesjftg."  entnehmen,  die  Königliche  Regierung  in  Trier 
unterm  24.  Januar  1905  eine  YerfQgung  erlassen,  die  der  Beachtung  wert 
ist.     Sie  besagt: 

„Es  kommt  nicht  selten  vor,  dafs  Schulkinder,  welche  einen  yerhfilt* 
nism&JEsig  weiten  Weg  zur  Schule  haben  und  dann  bei  Tau-  und  Regen- 
wetter oder  auch  bei  starkem  Schneefall  mit  nassen  FOfsen  sitzen  mttssen, 
sich  heftig  erkälten  und  mehr  oder  weniger  sich  schwere  Krankheiten  zn- 
ziehen.  Hier  und  da  haben,  was  wir  mit  Genugtuung  bemerken,  Orts- 
schulinspektoren und  Lehrer  die  Eltern  zu  bewegen  gewuCst,  den  Kindern 
ein  zweites  Paar  Strumpfe  und  Pantoffel  oder  Zeugschuhe  zum  Wechsel 
beim  Eintritt  in  das  Schulzimmer  mitzugeben.  Diese  Mafsnahme  empfiehlt 
sich,  und  Sie  wollen  die  Ortsschulinspektoren,  Lehrer  und  Lehrerinnen 
darauf  aufmerksam  machen,  dafe  sie  sich  mit  den  Eltern  in  Verbindung 
setzen,  diese  auf  die  die  Gesundheit  ihrer  Kinder  so  fördersame  Einrich- 
tung hinweisen  und  zur  Beschaffung  der  Fulsbekleidungsstücke  veranlassen. 
Fflr  die  armen  Kinder  wird  die  Beschaffung  durch  die  Gemeindevertretung 
in  Anregung  zu  bringen  sein". 


^mtiic^e  Derfii^ittt^eit. 


Betreffend  den  Bericht  ttber  den  intematioBaleB  KongreCB 
für  Sehnlbygieiie  in  Nfirnberg. 

Erlafs  des  k.  k.  Ministeriums  des  Innern  vom  18.  Februar  1905,  Z.  4976, 
an  alle  politischen  Landesbehörden. 

In  der  am  23.  Februar  d.  J.  erscheinenden  Nr.  8  der  Wocheascbrift 
„Das  österreichische  Sanitätswesen"  wird  auf  das  Erscheinen  des  vier- 
bändigen Berichtes  über  den  I.  internationalen  Kongrefs  für  Schulhygiene, 
Nürnberg  1904,  welcher  im  Wege  der  Subskription  bis  1.  April  d.  J.  zum 
ermäfsigten  Preise  von  36  K  von  der  Verlagsbuchhandlung  J.  L.  Schräg 
in  Nürnberg  zu  beziehen  ist,^  anftnerksam  gemacht. 
(„D.  österr,  Samiätswesen*' ,  1996,  Nr.  10.) 

^  Die  VerlagBhandlung  hat  sich  bereit  erklärt,  den  Behörden  anob  aber 
den  1.  April  hinaus  den  ermälsigten  Besogspreit  von  d6  K  einznrfiumen. 
(Anm.  d.  Redaktion.) 


209 

Bainigug  der  Sebnlfeiister  in  den  SffeBtlichen  Yelks-  ud 
£flri;erschvleB  Wiens. 

Magistrat  k.  k.  Reichshanpt- 
ond  Residenzstadt  Wien.  Wien,  am  2.  M&rz  1905. 

M.-Abt.  XV,  Z.  1916/06. 

An  die  Leitungen  sämtlicher  allgemeinen  Volks-  nnd  Bflrgerscholen  in  Wien. 

Karrende. 

Nach  der  Instruktion  fftr  die  den  öffentlichen  Volks-  and  Bfirger- 
flcholen  zagewiesenen  (definitiven  and  provisorischen)  Schaldiener  I,  553, 
Pnnkt  6  c,  sind  die  Schaldiener  verpflichtet,  die  Fenstergläser  stets  rein 
zu  halten. 

Diese  Verpflichtung  scheint,  wie  sich  der  Magistrat  aas  eigener  Wahr- 
nehmnng  wiederholt  überzeugt  hat  und  wie  mehrfache  Klagen  von  Schul- 
leitungen beweisen,  in  Vergessenheit  geraten  zu  sein,  beziehungsweise  es 
dürfte  unter  den  Schuldienem  die  Ansicht  Platz  gegriffen  haben,  dab  sie 
die  Fenster  nur  alle  zwei  Monate  und  nur  dann  zu  reinigen  haben,  wenn 
sie  dafQr  besonders  bezahlt  werden. 

Diese  Anschauung  ist  irrig,  und  sind  die  Schuldiener  nach  der  eingangs 
zitierten  Bestimmung  zweifelsohne  verpflichtet,  auch  innerhalb  der  zwei 
Monate  die  Fenstergläser  so  oft  vom  Staub  und  Rufs  zu  reinigen,  als  es 
eben  erforderlich  ist. 

Die  grofse  Reinigung  aber,  welche  alle  zwei  Monate  vor  sich  geht, 
bezieht  sich  dann  auf  ein  grflnd liebes  Waschen  der  ganzen  Fenster, 
also  auch  der  Holzteile  derselben  (Stock,  Fensterbretter,  Kämpfer  usw.) 
and  nicht  blols  der  Scheiben  allein.  Diese  grandliche  Reinigung  aber 
setzt  wieder  voraus,  dafs  sämtliche  Fensterflügel  ausgehängt  werden. 

Des  weiteren  macht  der  Magistrat  darauf  aufmerksam,  dafs  die  Schul- 
diener während  der  Unterrichtszeit  im  Schulgebäude  anwesend  zu  sein 
haben,  und  dais  es  daher  nur  in  den  dringendsten  Fällen  zulässig  ist, 
dieselben  wegzuschicken. 

Sollte  jedoch  diese  Notwendigkeit  ausnahmsweise  eintreten,  dann  hat 
der  Schuldiener  den  Dienstgang  möglichst  rasch  zu  beenden  und  ohne 
Verzug  in  das  Schulgebäude  zurückzukehren. 

Während  der  Abwesenheit  des  Dieners  haben  dann  dessen  Frau  oder 
seine  sonstigen  Familienangehörigen  für  den  Dienst  aufzukommen. 

Hiervon  wird  der  Schulleitung  zur  eigenen  Kenntnisnahme  und  Ver- 
ständigung  des  Dieners  (der  Dienerin)  die  Mitteilung  gemacht. 
Vom  Wiener  Magistrate,  Abteilung  XV, 
im  selbständigen  Wirkungskreise. 
Der  Abteilungs- Vorstand,     (gez.)  Naroäny,  Magistratsrat. 

(Direktor  Emanüel  BAYB-Wien.) 


12* 


210 

Bekanntmachmig  betreffend  Einderkrankheiteii. 

Stadtschnlpflege  Lnzern. 
Dezember  1904. 

Da  in  der  letzten  Zeit  Scharlach-  und  Diphtheriefälle  sich  in  unserer 
Stadt  in  gröfserer  Zahl  gezeigt  haben,  sieht  sich  die  unterzeichnete  Behörde 
Teranlafst,  öffentlich  auf  die  Vorschriften  anfinerksam  zu  machen,  die 
seinerzeit  erlassen  wurden,  um  die  städtischen  Schulen  möglichst  vor  In- 
fiziemng  zu  bewahren.  Diese  Vorschriften  wurden  allen  Ärztin  zugestellt, 
so  dals  die  Familien,  in  denen  Scharlach  oder  Diphtherie  auftritt,  bei 
ihren  respektiven  Hausärzten  sowohl,  wie  bei  den  Schulbehörden,  sich  er- 
kundigen können. 

„Fttr  an  Diphtherie  erkrankte  Kinder  gilt  die  Weisung,  dafs  die- 
selben bis  vier  Wochen  von  Beginn  der  Krankheit  an  resp.  bis  zehn  Tage 
nach  Verschwinden  des  Belages  und  Desinfektion  von  der  Schule  aus- 
geschlossen sind.  Für  nicht  erkrankte  Kinder,  in  deren  Hause  eine  Er- 
krankung an  Diphtherie  vorgekommen  ist,  dauert  der  Schnlausschluis,  bia 
die  Beläge  beim  Kranken  zehn  Tage  verschwunden  sind.  Wo  eine  gehörige 
Isolierung  oder  eine  Auslogierung  des  Kranken  (oder  der  gesunden  Kinder) 
besteht,  bleiben  die  gesunden  Kinder  des  betreffenden  Hauses  zehn  Tage 
vom  Tage  der  Isolierung  (oder  Auslogierung)  an  gerechnet  von  der  Schule 
fem.** 

„Bei  Scharlach  ist  ein  krankes  Kind  sechs  Wochen  von  der  Schule 
ausgeschlossen,  vom  Beginn  der  Krankheit  an  gerechnet,  respektive  noch 
zehn  Tage  nach  vollendeter  Abschuppung  und  gehöriger  Desinfektion. 
Gesunde  Kinder  desselben  Hauses  sind  vom  Beginn  der  Krankheit  an  ge- 
rechnet sechs  Wochen  von  der  Schule  ausgeschlossen.  Hat  aber  eine  Aus- 
logierung oder  gehörige  (ärztlich  bescheinigte)  Isolierung  des  kranken  Kindes- 
(oder  eine  Auslogierung  der  gesunden  Kinder)  stattgefunden,  so  haben  diese 
Hausgenossen  vierzehn  Tage  von  der  Schule  fernzubleiben,  gerechnet  vom 
Tage  der  Auslogierung  oder  vorgenommenen  Isolierung.^ 

In  allen  Fällen  müssen  wir  eine  ärztliche  Bescheinigung,  dafs  eine 
gehörige  Desinfektion  des  Krankenzinmiers  oder  der  infizierten  Wohnung 
stattgefunden,  verlangen. 

Wir  wissen  wohl,  dafs  diese  Vorschriften  strenge  sind  und  dafe  die 
betroffenen  Familien  durch  dieselben  zu  leiden  haben;  wir  sind  aber  ge- 
zwungen, auf  Durchführung  der  vorstehenden  Mafsregeln  zu  halten,  damit 
nicht  den  Schulbehörden  der  Vorwurf  gemacht  werden  kann,  sie  hätten 
nicht  alles  aufgeboten,  um  der  nun  doch  seit  längerer  Zeit  bestehenden 
Scharlachinvasion  mit  allen  Kräften  entgegenzutreten.  Dabei  sprechen  wir 
die  Überzeugung  aus,  dais  die  grofse  Mehrzahl  der  Bevölkerung  unsere 
schulhygienischen  Bestrebungen  unterstützen  und  denselben  nicht  entgegen- 
arbeiten wird. 

(„Schweiß,  Blätter  f.  Schulgesundhtspfl,'' ,  1905,  Nr.  2.) 


211 


fitttatut. 


Bespreohnngen. 

BERNiNGEBy  JOHANNES.  Pftdagogik  Qiid  Hygiene.  Schal-  and 
Volksgesundheitspflege  in  der  praktischen  Berafstfttigkeit 
des  Lehrers.     Verlag  von  Leopold  Voss  in  Hamburg.    8^    79  S. 

Die  kleine  Schrift  ist  die  Wiedergabe  eines  Vortrages,  den  der  Ver- 
ftsser  anf  der  am  24.  Mai  1904  zn  Stra&bnrg  stattgefondenen  XL  Haapt- 
Tersammlang  des  katholischen  Lehrverbandes  des  Deutschen  Reiches  ge- 
halten hat. 

Bebningeb  zählt  zn  jenen,  glflcklicherweise  jetzt  immer  zahlreicher 
werdenden  P&dagogen,  welche  die  fachwissenschaftliche  Literatur  der  Schal- 
hygiene mit  ernstem  Eifer  studieren  und  fQr  sich  und  ihre  Berufegenossen 
mit  Natzen  yerwerten. 

Auch  in  dem  vorliegenden  ßtkchlein  beweist  Bebningeb,  dafs  er  für 
die  wichtigen  Fragen  der  Schalgesundheitslehre  nicht  nur  ein  offenes  Herz, 
sondern  auch  das  richtige  Verständnis  besitzt. 

Er  legt  vorerst  in  überzeugender  Weise  die  Notwendigkeit  und  die 
Aufgaben  der  Schulgesundheitspflege  dar  und  verbreitet  sich  dann  in  meist 
zutreffender  Weise  ttber  das  hygienische  Mitwirken  des  Lehrers  in  der 
Schule,  indem  er  die  einzelnen  Unterrichtsfächer  im  Detail  bespricht.  Am 
zntreffendsten  sind  die  Bemerkungen,  die  der  Verfasser  bezflglich  des 
hygienischen  Wirkens  des  Lehrers  in  der  Aufnahmeklasse  anzuführen 
weife:  hier  ist  der  denkende  und  erfahrene  Pädagoge  aus  jeder  Zeile  er- 
kennbar. 

Auch  das  Programm,  das  Bebningeb  fQr  das  hygienische  Wirken 
des  Lehrers  auCserhalb  der  Schule  entwirft,  kann  nur  gebilligt  werden,  und 
gsnz  besonders  gilt  dies  für  die  Forderung,  dals  der  Lehrer  sich  dnrch 
Beteiligung  an  den  Versammlungen  hygienischer  Vereine  und  durch  Fort^ 
hüdung  anf  hygienischem  Gebiete  mit  den  Lehren  der  Hygiene  vertraut 
mache.  Allerdings  wird  es  dann  oft  schwer  fallen,  die  Grenze  festzu- 
halten, wo  die  hygienische  Tätigkeit  des  Lehrers  aufhört  und  die  ärzt- 
liche Tätigkeit  einsetzen  mufs;  man  kann  von  Hygiene  manches  verstehen 
und  vieles  darüber  gelesen  haben,  ohne  dadurch  ein  Hygieniker  zu  sein  — 
<lsza  gehört  ein  ärztliches  Fachwissen,  und  dieser  springende  Punkt  wird 
leider  von  manchen  Pädagogen  oft  absichtlich,  vielleicht  häufig  auch  un- 
absichtlidi  übersehen. 

Bebningeb  tritt  zwar  in  einem  besonderen  Kapitel  für  das  Zusammen- 
wiAen  des  „Pädagogen  und  des  Mediziners*'  ein,  aber  ob  darin  all  seine 
ia  der  Schulhygiene  belesenen  Berufsgenossen  mit  ihm  übereinstimmen,  ist 
wohl  fraglich. 

Einen  warmen  Fürsprecher  findet  die  Freiluftschule  an  dem  Ver- 
tier der  beq)rochenen  Schrift:    dem  Referenten  will  es  scheinen,    daTs 


212 

man  hier  im  allgemeinen  —  einer  modernen  StrOmnng  folgend  —  etwas 
zn  sehr  schabionisiert:  die  Freilnftschnle  ist  gewils  eines  Versuches  wert, 
wo  sie  dnrchftthrbar  ist;  aber  sie  wird  nicht  unter  allen  Himmelsstrichen 
und  an  allen  Orten  durchführbar  sein,  am  allerwenigsten  da,  wo  sie  vom 
rein  gesundheitlichen  Standpunkte  doppelt  erwünscht  wäre,  nämlich  in  Grofs- 
stadten,  welche  weit  und  breit  keine  waldige  Umgebung  besitzen  und  wo 
es  sich  um  viele  Tausende  von  Schulkindern  handelt. 

Das  Bestreben  des  Verfassers,  seinen  beachtenswerten  hygienischen 
Ratschiftgen  bei  jeder  Gelegenheit  ein  klerikales  Mftntelchen  umzuhängen, 
scheint  zu  seinen  Eigentümlichkeiten  zu  gehören  und  ist  auch  in  seiner 
Schrift  „Schul-  und  Volkshygiene^  erkennbar,  das  soll  uns  abw  nicht  ab- 
halten, BEBNiNasKs  Arbeiten  als  dankenswerte  Belehrungen  der  Lehrer- 
schaft auf  das  eindringlichste  zu  empfehlen.  ALTSCHUL-Prag. 

Wehmeb,  R.   EnzyklopSdigches  Handbuch  der  Schulhygiene.    IL  Ab- 

teünng  (mit  305  Abbfldungen).  S.  401—1055.  I— VHI.  Wien  und 
Leipzig,  Verlag  von  Pichlers  Witwe  &  Sohn,  1904.  Mk.  15. — . 
Das  günstige  Urteil,  das  wir  über  den  ersten  Teil  dieses  Werkes  ab- 
gegeben haben,  kennen  wir  heute,  wo  auch  der  zweite,  gröCsere  Teil  vor- 
liegt, nur  bestätigen.  Es  bietet  einer  Reihe  wertvoller,  zusammenfassender 
Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  überhaupt  und  der  Ent- 
wicklung derselben  in  den  einzelnen  Kulturstaaten  im  besonderen.  Wer 
sich  über  das  eine  oder  andere  orientieren  will,  findet  hier  ein  reichhaltiges 
Material  und  meistens,  wenn  auch  nicht  erschöpfende,  so  doch  das  wesent- 
liche umfassende  Literaturangaben.  Den  gewöhnlichen  Handbüchern  gegen- 
über bietet  die  Form  der  Enzyklopädie  gewisse  Vorteile,  einmal  der  über- 
sichtlichen Anordnung  des  Stoffes  wegen,  und  sodann,  weil  hier  die  ein- 
zelnen G^enstände,  und  zwar  auch  diejenigen  von  nicht  gerade  erstklassiger 
Bedeutung,  in  gedrängter  Form  von  Fachleuten  behandelt  werden  können. 
Demgegenüber  steht  der  Nachteil,  dafs  bei  enzyklopädischer  Behandlung 
des  Stoffes  das  Ganze  nach  Inhalt  und  Form  nicht  aus  einem  Gusse  sein 
kann  und  dafs  oft  dem  weniger  bedeutenden  grö&ere  Aufiaierksamkeit  ge- 
schenkt wird  als  dem  wichtigeren. 

Wenn  wir  nun  im  folgenden  einige  Aussetzungen  machen,  so  geschieht 
dies  durchaus  nicht  in  der  Absicht,  den  Wert  des  Werkes  irgendwie 
herabzusetzen,  sondern  weU,  wie  uns  scheint,  sowohl  den  Autoren  als  dem 
Heransgeber  diejenige  Kritik  die  willkommenste  sein  muls,  die  unumwunden 
die  schwachen  Seiten  andeutet  und  hiermit  den  Beteiligten  Gelegenheit 
gibt,  bei  einer  eventuellen  zweiten  Auflage  entsprechende  änderungen  vor- 
zunehmen. 

Der  Löwenanteil  mit  Bezug  auf  räumliche  Ausdehnung  und  Arbeits- 
leistung von  Seiten  des  Verfassers  fällt  dem  Artikel  „Schulgebäude^  zu 
(S.  590—753).  Derselbe  behandelt  die  eigentliche  Architektur  des  Schul- 
gebändes,  die  einzelnen  Konstruktionsteile,  den  Gnudrils,  die  verschiedenen 
Räume,  die  Schulmöbel,  die  Beleuchtung,  Lüftung,  Heizung,  Reinigung  usw. 
Die  Behandlung  des  Stoffes  ist  im  allgemeinen  eine  vortreffliche;  immerhin 
wäre  eine  gewisse  Differenziemog  desselben  wünschenswert  gewesen,  damit 
auch  andere  Autoren,    die  sich  mit  den  einschlfigigen  Fragen  speziell  be- 


213 

schftfligt  haben,  zum  Worte  gekommen  wären;  namentlich  hätte  es  sich 
empfohlen,  die  Schnlbankfrage,  das  Wachstom  der  Schuljugend,  die  Bei- 
mgimg  der  Klassenzimmer  und  einige  andere  znm  Gegenstand  besonderer 
Artikel  zn  machen.  Wollte  man  eine  solche  Differenziemng  nicht,  so  ist 
es  nnyerständlich,  wamm  die  Schnlaborte,  die  Schnlbäder  nnd  die  Schnl- 
ustalten  (soweit  dieser  Artikel  Konstruktives  enthält)  nicht  in  die 
Abhandlung  Aber  das  Schulgebäude  einbezogen  wurden,  was  um  so  leichter 
hätte  geschehen  können,  als  alle  diese  Artikel  von  einem  und  demselben 
Antor  herrühren.  Manche  Mängel,  die  bei  der  generellen  Behandlung  des 
Gegenstandes  durch  einen  Techniker  mit  unterlaufen  mulsten,  hätten  bei 
der  Verteilung  der  Arbeit  auf  einzehie  Fachleute  vermieden  werden  können. 
So  z.  B.  wäre  von  einem  Arzte  der  Zweifel  an  der  Richtigkeit  des  Wadis- 
tnmsgesetzes  (S.  674)  sicherlich  nicht  ausgesprochen  worden;  so  wäre  die 
Schulbankfirage  von  jemandem,  der  sich  mit  diesem  Gegenstand  persönlich 
be&üst  hat  (Arzt  oder  Lehrer)  vermutlich  prinzipieller  und  sozusagen  durch- 
richtiger, fOr  den  Leser  übersichtlicher  behandelt  worden;  so  hätte  es  ver- 
mieden werden  können,  dab  man  immer  noch  mit  den  von  H.  Cohn 
seinerzeit  vorgeschlagenen  10  Meterkerzen  rechnet  ohne  beizufügen,  dab 
GoHN  hierbei  die  Messung  im  roten  Lichte  im  Auge  hatte  und  dais  im 
weifsen  Lichte  diese  10  Meterkerzen  sich  in  20 — 26  Meterkerzen  ver- 
wandeln; so  wären  gewiis  durch  einen  Hygieniker  die  neuesten,  ziemlich 
zaUreichen  Untersuchungen  über  die  bakterielle  Beschaffenheit  der  Schul- 
loft  und  den  diesbezüglichen  Einflufe  der  sog.  Stauböle  mehr  zu  ihrem 
Rechte  gebracht  worden  als  dies  jetzt  geschehen  ist. 

Grofses  Interesse  bieten  die  Schilderungen  der  schulhygienischen  Be- 
strebungen in  verschiedenen  Ländern ;  aber  es  darf  wohl  ein  gewisses  Be- 
dauern darüber  ausgesprochen  werden,  dais  diese  Abschnitte  nicht  nach 
dnem  einheitlichen  Plane  bearbeitet  sind.  Nicht  selten  tritt  das  eigentlich 
schnlhygienische  in  den  Hintergrund  und  wird  der  an  und  für  sich 
gewjfe  wichtigen,  aber  dem  Charakter  des  Werkes  weniger  entsprechenden 
DanteDung  des  ünterrichtswesens  ein  relativ  zu  grofser  Platz  an- 
gewiesen. Vorbildlich  für  diese  Artikel  scheint  uns  der  von  Dr.  Sghmib 
Ter&bte  über  die  Schweiz  zu  sein,  der  nach  kurzen  einleitenden  Be- 
merkungBi  über  das  Schulwesen  im  allgemeinen  die  einzehien,  hygienisch 
wichtigen  Fragen  des  Schulbaues  und  Schulbetriebes  der  Eeihe  nach  be- 
bsDdelt.  Eine  derartige,  planmäfsige  Schilderung  der  Entwicklung  der 
Schulhygiene  in  den  verschiedenen  Ländern  hätte  unstreitig  einen  groben 
Wert  Beim  Artikel  „Ruisland**  fällt  auf,  dais  die  reichhaltige  schul- 
bygienische  Literatur  dieses  Landes,  und  die  damit  verbundenen  Bestre- 
Inmgen,  mit  keiner  Silbe  erwähnt  sind;  es  scheint  hier  nicht  der  richtige 
Beferent  gefunden  worden  zu  sein. 

Einzelne  Gegenstände  haben  eine  im  Vergleiche  zu  ihrer  Wichtigkeit 
«Um  knappe  Behandlung  erfahren.  So  z.  B.  die  Frage  der  Rflckgrats- 
Teiirttmmungen  in  ihrer  Beziehung  zur  Schule,  die  Frage  der  Steil-  und 
Sclirlgschrift,  der  ärztlichen  Beaufsichtigung  der  Schulen,  der  direkten  und 
iidirekten  Beleuchtung  der  Schulzimmer,  der  Nervosität  und  Neurasthenie 
to  Schulkinder  usw.  Dagegen  hätten  andere  Dinge,  die  mit  der  Schule 
mir  einen  sehr   losen  Zusammenhang  haben,    wie  z.  B.  die  Epidemiologie 


214 

and  Pathologie  der  Pocken  und  des  Abdominaltypbas,  kflrzer  bebandelt 
werden  können. 

Sebr  viel  beberzigenswertes  enthalten  die  Artikel  „Sport",  „Stunden- 
plan*', „Oberbflrdong",  „Zahnkrankbeiten**  nnd  „Zeichnen".  Dieselben 
amfassen  alles  wichtige  and  wünschenswerte  and  vermeiden  alles  flberflflssige ; 
sie  halten  sich  nach  Form  and  Inhalt  in  den  richtigen  Grenzen  und 
sprechen  von  gro&er  Sachkenntnis  von  seiten  der  Antoren. 

Der  Vollständigkeit  halber  will  ich  noch  einiger  Unrichtigkeiten  Er- 
wähnung tan,  die  hier  and  da  mit  unterlaufen  sind.  Im  Artilcel  „Ohren- 
krankheiten'' (S.  446)  wird  angenommen,  daTs  die  „Schalzimmer  etwa  20 
bis  35  m  lang  zu  sein  pflegen'',  während  11  bis  12  m  mit  Recht  als 
Maximallänge  für  ein  Klassenzimmer  gelten.  Im  Artikel  „Rufsland*' 
(S.  527)  wird  behauptet,  die  rassischen  Militärgymnasien  (die  übrigens  seit 
vielen  Jahren  nicht  mehr  existieren)  trügen  „teilweise  den  Charakter  einer 
Hochschule'',  während  sie  durchaus  Mittelschulen  waren,  was  auch  von  den 
sie  jetzt  ersetzenden  Institutionen  gilt.  Im  Artikel  „Schnlgebäude",  speziell 
„SchulbankmaTse"  (S.  677)  findet  sich  eine  unzutreffende  Angabe  über  die 
sog.  Ellenbogenhöhe,  d.  h.  den  zwischen  Sitz  und  Ellenbogen  beim  Sitzen 
freibleibenden  Raum,  der  „2  cm  nicht  übersteigen  darf".  Bei  der  künst- 
lichen Beleuchtung  heifst  es  irrtümlicherweise,  dafs  das  Leuchtgas  „nicht 
unbeträchtliche  Mengen  Kohlenoxyd  und  noch  gröbere  Mengen  Kohlen- 
säure enthält",  während  in  der  Tat  das  quantitative  Verhältnis  dieser 
zwei  Bestandteile  des  Leuchtgases  das  umgekehrte  ist.  Zu  Mißverständ- 
nissen kann  es  femer  Veranlassung  geben,  wenn  auf  S.  657,  wo  von  den 
Gängen  der  Lehrzimmer  die  Rede  ist,  diejenigen  als  Quergänge  bezeichnet 
werden,  welche  der  Fensterwand  und  der  gegenüberliegenden  Wand  parallel 
laufen. 

Wie  gesagt,  haben  alle  diese  Bemerkungen  nur  den  Zweck,  dem 
Heransgeber  und  den  Autoren  behilflich  zu  sein,  bei  einer  zweiten  Aus- 
gabe gewisse  ünvollkommenheiten  der  ersten  zu  vermeiden.  Im  übrigen 
empfehlen  wir  das  Werk  allen  denjenigen  angelegentlichst,  welche  sich  über 
die  eine  oder  andere  Frage  aus  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  orientieren 
wollen.  EBiSMANN-Zürich. 

Ziehen,   Th.,   Prof.  Dr.    Über  den  Einflnfg  des  Alkohols  auf  das 
Nervensystem. 

Der  Verfasser,  der  ja  auf  dem  Gebiet  der  Experimentalpsycbologie 
Autorität  ist,  referiert  in  dieser  Arbeit  über  eine  Anzahl  verschiedenartiger 
Reaktionsversuche  bei  normalen  Menschen  vor  und  nach  AlkobolgenoCs; 
dieselben  ergeben  das  Resultat,  dab  der  Alkohol  zuerst  eine  (vielleicht  nur 
scheinbare,  d.  Ref.)  Steigerung  der  Arbeitsleistung  bewirkt,  welche  bald, 
besonders  nach  gröberen  Dosen,  von  einer  deutlichen  Verminderung  der- 
selben gefolgt  ist.  Wir  finden  ferner  eine  populäre  Darstellung  der  nerveo- 
zerstörenden  Wirkung  des  chronischen  Alkoholismus,  eine  kurze  Statistik 
der  Alkoholkranken  in  den  Irrenanstalten,  und  schliefidich  warnt  der  Ver- 
fasser noch  ausdrücklich  davor,  dem  kindlichen  Nervensystem  Alkohol  zu- 
zumuten: Kinder  bis  zum  15.  Lebensjahre  sollten  überhaupt 
keinen  Alkohol,   in    keiner  Form  und  bei  keiner  Gelegenheit 


215 

erhalten,  ein  Satz,  den  ein  jeder  Sachverständige  ohne  weiteres  nnter- 
schreiben  wird.  Die  Schrift  ist  als  knrze  und  klare  Darstellung  der 
BerrendeletAren  Wirkung    des  Alkohols  jedem  zur  Lektüre  zu  empfehlen. 

Dr.  K.  WEHRLIN-Zttrich. 

Gbotjahn,  A.  Der  Alkoholismng.  Separat -Abdruck  aus  dem  Hand- 
buch für  Hygiene  von  Wetl.  (Suppl.-Bd.  „Soziale  Hygiene**.)  Jena, 
G.  Fischer,  1904.  Gr.  8<>.  14  S.  Mk.  —.50. 
Es  ist  charakteristisch  für  eine  jede  Bewegung,  dals  ihr  stets  am  An- 
fang leidenschaftliche  Verteidiger  und  ebensolche  Gegner  erstehen,  und  dafs 
erst  viel  später  objektive  Beurteilungen  erfolgen.  —  Diese  Schrift  ist 
eine  der  ersten,  die  „sine  ira  et  studio**  die  Alkoholfrage  und  mit  ihr  die 
moderne  Antialkoholbewegung  bespricht;  Alkoholkonsum,  Alkoholstatistik, 
soziale  Bedingungen  des  Alkoholismus,  Bekämpfung  desselben  usw.,  alles 
ist  kurz  und  klar  referiert ;  die  Bedeutung  der  Statistik  wird  auf  ihr  rich- 
tiges Hals  zurflckgefdhrt,  die  sozialen  Vorbedingungen  des  Alkoholismus 
werden  genflgend  gewürdigt,  der  schwere  Schaden,  den  die  Trinksitten 
stiften,  wird  nicht  unterschätzt.  Allein  der  Totalabstinenz  wird  der  Ver- 
fasser vielleicht  nicht  ganz  gerecht:  solange  die  Durchschnittsbevölkerung 
aUer  Länder  noch  so  wenig  Verständnis  für  die  Dringlichkeit  der  Alkohol- 
frage  und  überhaupt  so  wenig  Kenntnisse  auf  diesem  Gebiete  hat,  brauchen 
▼ir  noch  energische  „Draufgänger*',  die  unermüdlich  immer  wieder  das 
Gleiche  predigen,  und  das  sind  erfahrungsgemäfs  stets  die  „Totalabsti- 
oenten*^,  kaum  je  die  „Mäfsigkeitsapostel** ;  ohne  die  extreme  Partei  der 
Totalabstinenten  würde,  auch  heute  noch,  die  ganze  Antialkoholbewegung 
bald  wieder  einschlafen.  —  Ferner  —  davon  weife  nachgerade  jeder 
Psychiater  und  Nervenarzt  zu  erzählen  —  wird  die  Totalabstinenz  als 
Therapie  für  Trinker  und  Psychopathen  nie  zu  entbehren  sein. 

Dr.  K.  WEHRLIN-Zürich. 

CoTTA,  Dr.    Leitfaden  fBr  den  Unterricht  in  der  Tnrngescbiehte. 

R.  Voigtländers  Verlag.     Leipzig,  1902.     Preis  Mk.  1.40. 

Der  Verfasser  des  handlichen  Buches  hat  seit  Jahren  an  dem  staat- 
lichen Turnlehrer-  und  -lehrerinnenkursus  in  Breslau  den  Geschichts- 
mtemcht  zu  erteilen  und  will  den  Lehrenden  eine  brauchbare  Grundlage 
f&r  ihre  Vorträge,  den  Lernenden  ein  praktisches  und  willkommenes  Hilfs- 
niittel  für  Aneignung  und  Befestigung  des  Stoffes  bieten. 

Je  kürzer  ein  Leitfaden  ist,  desto  mehr  erfüllt  er  seinen  Zweck; 
freflich  muls  der  Verfasser  es  verstehen,  den  Stoff  so  durchzusieben, 
dab  er  allenthalben  das  Wichtige  mit  sachkundigem  Urteile  von  dem 
Nebensächlichen  trennt.  Das  CoTXAsche  Buch  übertrifft  an  Kürze  und 
scharfer  Betonung  des  Charakteristischen  tatsächlich  die  meisten  tum- 
geschichtlichen  Arbeiten  der  neueren  Literatur.  Die  Sprache  ist  klar  und 
Tcrständlich;  die  Stoff behandlung  lälst  erkennen,  dafe  der  Verfasser  sich 
selbst  ein  gesundes  Urteil  über  die  Ziele  der  gynmastischen  Erziehung  ge- 
bildet hat.  Gewünscht  hätte  ich  eine  Berücksichtigung  des  Wasserturnens, 
das  in  der  Tumlehrervorbildung   doch  auch  seine  Stelle  hat.     Eine  neue 


216 

Auflage  wird  —  das  darf  man  annehmen  —  auch  dem  Schwimmen   und 
Rndem  die  ?oUe  Wflrdignng  zn  teil  werden  lassen. 

Wer  sich  Aber  Entwicklung  und  Wesen  der  deutschen  Tnmkunst  ia 
Schule  und  Öffentlichkeit  belehren  will,  wird  das  Ck>TTAsche  Buch  mit 
Vorteil  benutzen.  Prof.  WiGKENHAGEN-Berlin. 


Bibliographie. 
Die  mit  *  bezeichneten  Werke  worden  der  Redaktion  zugesandt. 

*Alt80HUL,  Theodor,  Dr.  Die  Schulargtfrage  in  Österreich.  Vortr.  geh. 
in  d.  Wintergeneralversammlung  d.  Zentralvereins  deutsch.  Ärzte  in 
Böhmen  am  16.  Dez.  1904.  Sond.-Abdr.  a.  d.  Prag.  med.  Wochenschr., 
XXX,  Nr.  4—5,  1906. 

* Weft  der  Experimente  bei  Sckülerunterauchungen.    Sep.-Abdr. 

a.  d.  Bericht   über  d.   I.  intern.  Kongr.   f.  Schulhygiene  in  Nflmberg. 

*Archivio  di  Ortopedia,  Dir.  Dott.  A.  CODIYILLA  u.  R.  Galeazzi.  Anno 
XXII,  Fase.  1*,  1905. 

Baker.  Notes  on  refraciion  and  eyestrcUn,  in  the  case  of  206  sthocl 
chüdren,  (Bemerkungen  über  Refraktion  und  Augenfiberanstrengung  bei 
206  Schulkindern.)    Cleveland  med.  Joum.,  Dez.  1904. 

Bericht  über  den  XVL  Kongreß  des  Deutschen  Veräns  für  Knaben- 
handarbeit ssu  Worms  vom  1.  bis  3.  Juli  1904.  Mit  8  Abbfldgn. 
Herausgeg.  v.  D.  Verein  f.  Knabenhandarbeit.  Leipzig,  Frankenstein  & 
Wagner,  1905.     8^     89  S. 

*Brandeis,  Arnold,  Dr.  Beiträge  ewr  Ereidmngskygiene.  Prag, 
G.  Neugebauer.     8^     28  S. 

BüROBKSTEiN,  Lso,  Dr.  Zur  hämUehen  Gesundheitspflege  der  Schul- 
jugend. Bemerkungen  fOr  die  Eltern  und  Pfleger  von  Eostzöglingen. 
Zehnte,  durchgesehene  Aufl.  Leipzig,  Teubner,  1905.  8^.  16  S. 
JK  0.10. 

Qesundheitsregeln  für  S(Mler  und  Schülerinnen  aUer  Lehr- 
anstalten. Zehnte,  durchgesehene  Aufl.  Leipzig,  Teubner,  1905.  8®. 
16  S.     iL  0.10. 

BURNHAM,  Wm.  H.  ä  cantriimHon  to  the  Hygiene  of  teaching.  The 
pedagog.  Seminary,  Vol.  XI,  No.  4,  Dec.  1904. 

"^OMiTROvrCH,  A.  y.  Mahnrufe  an  die  führenden  Kreise  der  Deutst^ten 
Nation,  Regeneration  des  physisiß^en  Bestandes  der  Nation.  Leipzig, 
G.  Wigand,  1905.     8«.     68  S.     A   1.50. 

Qeeunde  Jugend,  Zeitschrift  für  Gesundheitspflege  in  Schule  und  Hans. 
lY.  Jahrg.,  H.  5/6.  Leipzig  u.  Berlin,  Teubner,  1905.  8^  S.  274 
bis  296.  Mit  einem  Gesamt-Mitgliedenrerzeichnis  des  AUg.  D.  Vereins 
f.  Schulgesundheitspfl. 

QesundheHsregetn  für  die  Schuljugend,  zusammengest.  y.  d.  Vereinig,  f. 
Schulgesundheitspfl.  d.  Berl.  Lehrenrereins.  Berlin,  W.  Möller,  1905. 
16^  28  S.   JK  0.20.  (Möllers  Bibliothek  f.  Gesundheitspfl.  usw.  H.  29.) 


217 

^HlHTBRBSReBK,  Al.,  Dr.  M  umer  Gymnasium  tme  Mwechmäfsige 
JMUution  eu  nennen?  Wien  u.  Leipzig,  W.  BranmtUler.  8^  115  S. 
JK  1.60. 
Intemaüandles  Archiv  für  Schulhygieney  heransgeg.  yon  Dr.  med.  AZBL 
J0HANNE88BN,  Prof,  in  Christiania,  n.  Dr.  med.  et  phil.  Hbrm.  Gribs- 
BAOH,  Prof.  in  Mflhlhansen.  I.  Bd.,  1.  H.  Mit  26  Fig.  im  Text. 
Leipzig,  Engelmann,  1905.     8^     158  S. 

Matbibü,  A.,  Dr.     FSdagogie  physiologique. 
MOSBS,    JUL.     Die   QUederung   der   Schuliugmd   nach  ihrer   Ver- 
anlagung und  das  Mannheimer  System. 
SCHLBICH,  Prof.     Die  Äugen   der   Schiüer   und  Schiüerinnen    der 

Tübinger  Schulen, 
Spbidbl,   Kabl,   Dr.      Die   Augen   der    Theologiesiudierenden   in 

Tübingen. 
Tasusabubo  Sakaki.     ErmUdungsmessungen   in   vier  japamsdien 

Schulen. 
DOMITROYIGH,  Abnim  y.     Der  Hygieniker  und  die  Schulbank. 
IBGKBSLBY,  F.,   Dr.  med.     Skolelaegevaesenet  i  Danmark.     (Schnl- 

arztwesen  in  Dänemark.) 
Granghbr,  Prof.     Br&ervaüon  scolaire  canire  la  Tubercidose. 
BOCQUILLON,  Emilb.     Hygihu  de  tSducation  et  de  la  p4dagogie. 
KOGKSCH,  Dr.  med.     Das  Luftbad  und  säne  Bedeutung  für  Orofsstädte 
md IndustricBeniren.    Leipzig,  A.  Strauch,  1905.    8^    618.   iL  J.OO. 
KüMMBL,  Hbrmann,  Dr.    Die  progressive  Zahnkaries  in  Schule  und  Heer 
und  die  isahnhygienischen  Aufgaben  der  Sanitätsbehörden  im  Interesse 
der  Volkswirtschaft.     Leipzig,  Krüger  &  Cie.,  1905.     Gr.  8^.     44  S. 
JK  1.00. 
*Lahiiamn,    Hbinrich,    Dr.      Die  Kohlensäureansammlung   in  unserem 
ESrper.     (Carbonacidaemie  und  Carbonacidose.)     Ein  Beitrag  zum  Yer- 
stftndnis  d.  Wesens  innerer  Krankheiten.    Stuttgart,  Zinner,  1905.    8^. 
32  S. 
^Lat,  W.  A.,  und  Nbumann,  £.,  Prof.     Die  experimentelle  Pädagogik. 
Organ   der  Arbeitsgemeinschaft  fflr   experimentelle  Pädagogik  mit  bes. 
Berflcksichtigung    der    experim.   Didaktik   und   der  Erziehung  schwach- 
begabter  und  abnormer  Kinder.    L  Bd.,  H.  1/2.    Wiesbaden,  0.  Nem- 
nich,  1905.     8«.     128  S.     iL  4.00, 
^Lekrplan  der  Volksschule  des  Kantons  Zürich  yom    15.  Februar  1905. 

Zarich,  Verl.  d.  Erziehungsdirektion.     Kl.  8^  55  S. 
Lutz,  M.,  Dr.     Die  Mannheimer  Sonderklassen  na4h  Entstehung^  Ein- 
rithtung  und  Erfolgen.    Zeitschr.  f.  Pädag.  Psycho!.,  Pathol.  u.  Hygiene, 
6.  Jahrg.  1904,  H.  5. 
*MoRiTZ,  M.     Über  die  Tagesbeleuchtung  der  Schulßfimmer.     Mit  12  Ab- 
bildungen   im   Text.     Abdruck  aus  d.  klin.  Jahrb.,    XIV.  Bd.     Jena, 
G.  Fischer,  1905.     8^     16  S.     Ji  0.60. 
*PsTZOiiDT,  J.     Sonderschulen   für   hervorragend  Befähigte.     Leipzig,  u. 

Berlin,  Teubner,  1908.     8*.     51  S.     ü   1.00. 
*Rad2Ibjbw8KI,  M.,  Dr.  SchutärzÜiche  Tätigkeit  und  Augenuntersuchungen. 
Abdr.  a.  d.  Zeitschr.  f.  ärztl.  Fortbüdung,  U.  Jahrg.  1905,  Nr.  5. 


218 

*RUBNBR,  Max,  Prof.  Zur  Vorgeschichte  der  modernen  Hygiene.  Rede 
a.  Geburtstage  S.  M.  d.  Kaisers  n.  Königs  Wilhelm  n.  in  d.  Aala  d. 
kgl.  Friedr.  Wilh.-Univ.  zn  Berlin  a.  27.  Jan.  1905.  Berlin,  Uniy.- 
Buchdrackerei,  1905.     4<>.     36  S. 

Schott,  0.,  Dr.  Über  \eine  neue  Ultravioteit-QuecksOberlampe,  Uriol- 
Lampe,     Mit  Abbildgn.     Jena,  1905.     Gr.  8^     10  8. 

*SOHUBBRT,  Paul,  Dr.  Das  Schulargtwesen  in  Deutschland,  Bericht 
Ober  die  Ergebnisse  einer  Umfrage  bei  den  gröfseren  Städten  des 
Deutschen  Reiches.     Hamburg  u.  Leipzig,  L.  Voss.     8®.     168  S. 

*SlCKINOBR,  A.,  Dr.  Mehr  Licht  und  Wärme  den  Sorgenkindem  unserer 
Volksschule,  Ein  Vermächtnis  Hbinrich  Pestalozzis.  Vortrag,  geh. 
bei  der  von  d.  Pestalozzigesellschaft  u.  d.  Lehrerverein  Zürich  am 
8.  Jan.  1905  in  d.  St.  Peterskirche  in  Zürich  veranstalteten  Pestalozzi- 
feier.    Zürich,  Grell  Füssli,  1905.     6^.     31  S.     M  0.50. 

SPBRLiNa,  Arthur,  Dr.  med.  Gesundheit  und  Lehensglück.  Ärztl.  Rat- 
geber für  Gesunde  und  Kranke.  Mit  374  Blustr.  u.  4  farbig.  Tafeln. 
Beriin,  UUstein,  1904.     Gr.  8<>.     762  S. 

Stblz,  Ludw.,  Prof.  Über  die  Beleuchtung  von  Schulräumen.  Elektro- 
techn.  Zeitschr.,  1905,  H.  7. 

Stoll,  Hans,  Dr.  Alkohol  und  Kaffee  in  ihrer  Wirkung  auf  Hereldden 
und  nervöse  Störungen.  Zweite,  nmgearb.  Aufl.  Verlag:  Reichs-Mediz.- 
Anz.     Leipzig,  1905.     8^     29  S.     ü  0.50. 

"^Verhandlungen  des  vierten  allgemeinen  preufsischen  Städtetages  am  6.  ti. 
7.  Deg.  1904  eu  Berlin.     Beriin,  C.  Heymann,  1905.     4<>.     49  S. 

Vierieljahrsschrift  für  körperliche  Erziehung.  Organ  des  Vereines  zur  Pflege 
des  Jugendspiels  in  Wien,  herausgeg.  v.  Prof.  Dr.  Lbo  Bürqerstbix 
und  Bürgerschullehrer  Dr.  phil.  Viktor  Pimmer  in  Wien.  I.  Jahrg., 
1.  H.     Wien,  1905.     Gr.  8^     56  S. 

*WiCHMANN,  Ralf,  Dr.  med.  Geistige  Leistungsfähigkeit  und  Nervosität 
bei  Lehrern  und  Lehrerinnen.  Eine  stat.  Untersuchung.  Halle  a.  S., 
C.  Marhold,  1905.     8^     80  S.  m.  1  Tab.     Ji   1.50. 

Wildbrmuth,  Dr.  med.  Schule  und  Nervenkrankheiten.  Vortrag,  geh. 
a.  d.  I.  intern.  Kongrefs  f.  Schulhygiene  in  Nürnberg.  Wien.  Idin. 
Rundschau,  1904,  Nr.  10. 

♦Wolpbrt,  Adolf  u.  Heinrich.  Theorie  und  Praxis  der  VenUiation 
und  Hdmng.  Die  Heizung.  Bd.  IV.  Mit  333  Abbildgn.  im  Text. 
Beriin  C,  W.  &  S.  Loewenthal.     Gr.  8®.     475  S. 

^ZoLLlNGER,  Fr.  über  Krüppelschulen  und  Krüppelpflege.  Schweiz. 
Zeitschr.  f.  Gemeinnfltzigkeit,  XLIV.  Jahrg.  1905,  1.  Heft. 


§tv  ^äfnlavit 


m.  Jahrgang.  1905.  No.  3  u.  4. 


(ftriginalab^itblitititeii. 


Wie  bertünmen  wir  die  Konstitntion  der  Schttler? 

Von 

Dr.  med.  O.  Koppe, 

Sohalarzt  in  Pemau  (Rafsland). 

(Mit  B  TabeUen.) 

Nachdem  bisher  bei  den  SohülernntersuchuDgen  gewissermaÜBen 
die  negatiye  Seite  der  körperlichen  Eigenschaften  der  Schüler: 
die  Enrzsichtigkeit,  die  GehörstöraDgen,  die  Nasen-  und  Bachen- 
erkranknngen,  die  Verkrümmungen  der  Wirbelsäule,  die  Zahnkrank- 
leiten  usw.  Gegenstand  statistischer  Erhebungen  war,  taucht  jetzt 
das  Bestreben  auf,  auch  die  positiye  Seite,  die  Gesamtkonstitution, 
in  die  schulärztliche  Untersuchung  einzuschliefsen.  Bei  den  Wies- 
badener Untersuchungen  [diese  Zeitschr.,  Jahrg.  1900,  S,  620)  finden 
vir  zum  ersten  Male  die  Schüler  als  „gut^,  „mittel **  und  „schiecht'' 
mbriziert.  Auch  in  Rufsland  enthalten  die  offiziellen  Schemata  ftlr 
die  alljährlichen  schulärztlichen  Untersuchungen  die  Rubrik  „Kon- 
stitation";  dasjenige  des  Rigaschen  Lehrbezirks  lautet:  „GröÜBe, 
Brustumfang,  Gewicht,  Konstitution,  Gesicht,  Gehör  und  Sprache, 
Krankheiten." 

Da  im  Schulleben  Rufslands  für  die  Bezeichnung  der  Fort- 
schritte der  Schüler  nachstehender  Zensus  üblich  ist:  5  =  sehr  gut, 
4  =  gut,  3  =  genügend,  2  =  ungenügend,  1  ==  schlecht,  so  liegt 
nichts  näher,  als  diesen  Zensus  auch  auf  die  Bezeichung  der  Kon- 
stitution der  Schüler  anzuwenden,  und  es  unterliegt  keinem  Zweifel, 
dais  jeder  Schularzt  bei  einiger  Übung  ohne  weiteres  imstande  sein 
wird,  am  entblöfsten  Oberkörper  die  Konstitution  jedes  Schülers 
nach  diesen  fünf  Stufen  zu  bewerten  mit  einer  Genauigkeit,  welche 

Der  Sehalarxt.  III.  5 


48  220 

für  den  praktischen  Zweck  dieser  Untersnchnngen  ausreicht.  —  Den- 
noch schien  es  mir  wünschenswert,  noch  genauere  und  möglichst  ob- 
jektive Daten  fttr  die  Beurteilung  der  Konstitution  zu  gewinnen, 
und  ich  konstruierte  mir  deshalb  zu  meinem  Privatgebrauch  noch 
ein  Schema,  in  welchem  die  Oesamtkonstitution  gewissermalsen  in 
folgende  Komponenten  aufgelöst  ist: 

Gesichtsfarbe,  Knochen,  Muskeln,  Fettpolster,  Haut,  Drfieen, 
Lungen,  Herz. 

Diese  Rubriken  sind  natürlich  nicht  gleichwertig ;  vielmehr  werden 
wir  auf  Störungen  von  Herz  und  Lungen  das  gröiste  Gewicht  legen 
müssen.  Für  die  Bewertung  der  einzelnen  Rubriken  gilt  folgendes 
zur  Richtschnur: 

Gesichtsfarbe: 

5  =  rote,  luftgebräunte  Wangen; 

4  =  Wangen  und  Lippen    rot; 

3  =         n  »  n         rosig; 

2  =         „  „  „         farblos; 

1  =         „  „  „         blaüs,  elend. 

Knochen: 

5  =  sehr  stark 

4  =  stark 

3  =  mittelmäßig 

2  =  ungenügend,    etwas    Hühnerbrust    oder    eingesunkenes 

Brustbein,  Verdickungen  der  Rippenknorpel; 
1  =  schwach.     Rhachitis,  Spondylitis,  Garies. 

Muskeln: 

5  =  sehr  gut  entwickelt 


kenntlich   besonders    an    den  Schlüssel- 
beinen und  den  Radii; 


4  =  gut  „ 

3  =  genügend        „ 
2  = 


» 
1  =  sehr  schwach  M 


kenntlich  an  den  grofsen  Brust- 
muskeln und  den  Bioeps. 


Fettpolster:  Hier  tritt  insofern  eine  Abweichung  der  Wert- 
schätzung ein,  als  zu  grofser  Fettansatz  (Adipositas)  mit  zu  geringem 
(Magerkeit)  auf  eine  Stufe  gesetzt  werden;  daher: 

5  =  entsprechendes  Fettpolster:  Rippen  bedeckt; 

4  =  Rippen  treten  etwas  hervor; 

3  =  etwas  mager,  etwas  fett; 

2  =  zu  fett,  zu  mager; 

1  t=z  sehr  fett,  sehr  mager. 


221  49 

Hant: 
5  =  weüjs,  weich,  rein; 

4  =  rein; 

3  =  etwas  Akne; 

2  =  etwas  Ekzem,  Pityriasis,  Liehen  usw.; 

1  =  ausgebreitetes  Ekzem,  Psoriasis  usw. 

Drüsen: 

5  =  gar  keine  Drüsen; 

4  =  etwas  Hals-  oder  Aohseldrüsen; 

3  =  etwas  Hals-  und  Achseldrüsen; 

2  =  grölsere  Drüsenpakete  am  Halse  oder  in  der  Achselhöhle ; 

1  =  Lymphome,  tuberkulöse  Drüsenyereiterungen. 

Lungen: 

5  =  breiter  Thorax,  ausgiebige  Kapazität;  guter  Läufer; 

4  =  ausgiebige  Kapazität; 

3  =-  schlanker  Thorax,  mittelmälsige  Kapazität; 

2  =  ungenügende  Kapazität;  schwacher  Läufer;  überstandene 

Bronchitis  oder  Pleuritis; 

1  =  Asthma,  chronische  Bronchitis  oder  Pleuritis. 

Herz: 

5  =  Herzschlag  wenig  fühlbar,  langsam;    guter  Turner  und 

Läufer ; 

4  =  Herzschlag  weich,  langsam;  guter  Turner; 

3  =  Herzschlag  fühlbar,  schneller;  mäfsiger  Turner; 

2  =  Herzschlag  klopfend,  kommt  leicht  aufser  Atem; 
1  =  Herzfehler. 

Die  Summe  aller  Werte,  dividiert  durch  die  Summe  der  Ru- 
briken (8),  gibt  die  G^esamtkonstitution.  Der  Überschuls  kann  durch 
einen  Dezimalbruch,  z.  B. :  4,«S5,  oder  Einschaltung  von  Mittelwerten : 
2—3,  3 — 4,  4 — 5  ausgedrückt  werden.  Ein  Beispiel  wird  dieses 
illustrieren: 

Tabelle  L 

Die  linke  Seite  der  Tabelle  (bis  zum  Doppelstrich)  zeigt  das 
offirielle  Schema,  die  rechte  Seite  zeigt,  wie  die  Konstitution  aus 
den  Komponenten  berechnet  ist.  Wir  sehen  einen  Schüler,  der  trotz 
Beines  Klumpfulses  durch  systematische  Gymnastik  (eifriger  Turner) 
Bebe  Konstitution  in  die  Höhe  bringt  (Lungenkapazität  14cml). 


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222 


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61 


Tabelle  IL 


Wir  sehen  hier  eine  phthisisohe  Veranlagung  mit  Asthma  nnd 
schweren  Lungenattaeken  (Bluthusten,  ohronisehe  Pleuritis  und 
BroDohitis)  sich  allmählich  ausgleichen. 

In  dieser  Weise  sind  die  Schüler  des  Pemansohen  Gymnasiums 
and  seiner  Vorbereitungsklassen  (im  ganzen  ca.  1000  Schüler)  im 
Laufe  der  letzten  zehn  Jahre  alljährlich  Tom  Verfasser  untersucht 
worden.  Nachstehende  Tabelle  zeigt  die  Verhältnisse  im  zehnjährigen 
Dorehschnitt 


Tabelle  IL 
Schüler  H.  G.  (Nr.  881  des  Joarnals). 


1 

1 

s 
5 

1 

cm 

em 

in 
mm. 

1 

'S 

8 

o 

'S 

o 

• 

1 

Krankheiten 

18d7 

n 

11 

142 

61/67 

80 

2—3 

5 

4 

8 

K,  0,  r\,  Asthma 

1898 

III 

12 
18 

150 

65/70 

87 

2-3 

5 

5 

3 

-©■,  Bronchitis 

1899 

IV 

153 

64/71 

94 

2-3 

5 

5 

3 

Bronchitis 

1900 

V 

14 

157 

67/73 

105 

2-3 

5 

5 

3 

Haemoptoe,  Pleuritis 

1901 

V 

16 

162 

69/75 

113 

2-3 

5 

5 

4 

— 

1902 

VI 

16 

169 

71/79 

120 

3 

5 

5 

4 

— 

1903 

VII 

17 

175 

74/84 

129 

3 

5 

5 

4 

— 

1904 

VIII 

18 

177 

76/84 

135 

3-4 

5 

5 

4 

— 

Erklärung  der  Zeichen: 
K  =  Eeuchhusten. 
0  =  Masern. 
O  =  LungenentEÜndung. 
^  =  Scharlach. 

Tabelle  HL 

Im  ganzen  steigt  die  Konstitntion  Ton  3,94  bis  4,47.  Der 
geringe  Rüokscblag  beim  Eintritt  in  die  Sohnle  gleicht  sich  all^ 
mählich  ans.  Ein  zweiter  Rückschlag  findet  in  den  oberen  Klassen 
statt  —  eine  ernste  Mahnung,  die  physischen  Übungen  hier,  wo 
Bacohns  und  Venus  die  Entwicklung  bedrohen,  nicht  zu  vemaoh- 
lisngen. 

Der  Sehiüant.  Ul.  6 


52 


224 


Tabelle  IH. 
Darchsohoittawerte  der  körperlichen  Entwioklang  der  Sohfiler 

für  sehn  Jahre. 


KlMB« 

Alier 

In  em 

Brustumfang 
in  em 

Gewieht 
in  ruis.  % 

Konstüation 

A 

8,8 

181,6 

60,9-66,6 

74,6 

3,94 

B 

10,8 

140,7 

63,2-70,8 

86,3 

3.58 

I 

11^ 

140,0 

63,9-70,2 

88,1 

3,75 

n 

11,9 

148,6 

66,6-73,6 

98,7 

3.88 

m 

13,1 

147,0 

68,3-76,6 

106,4 

8,88 

IV 

14,7 

167,4 

76,6-85,2 

142,1 

4,17 

V 

15,3 

164,3 

74,4-82,7 

140,1 

4,17 

VI 

16,6 

172,0 

78,8-88,2 

162,5 

4,51 

vn 

17,6 

172,0 

78,9-88,1 

167,7 

4,28 

vm 

18,8 

174,8 

82,9-92,8 

173,3 

M7 

tiitintxt  Miitt\inn%tn. 


Zur  Schülarstfrage  in  8tiitt|;art.  Der  Stattgarter  1.  Stadtarzt, 
Dr.  Gastpab,  hat  im  Auftrage  des  Gemeinderates  ein  Gutachten  Aber  die 
Schnlarztfrage  in  Stattgart,  in  Verbindung  mit  den  Resultaten  einer  Enquete, 
erscheinen  lassen,  das  allgemeines  Interesse  bietet  und  dem  wir,  einem 
Bericht  des  ^Schwab.  Merkur'^  entsprechend,  folgendes  entnehmen: 

Über  die  häuslichen  Verhältnisse  der  Kinder:  3,6 %  der  Kinder 
schlafen  nicht  im  Bett,  sondern  sonstwo,  meist  auf  dem  Sofa.  Nicht  ein- 
mal die  Hälfte  der  Kinder  hat  ein  eigenes  Bett,  5,9  %  der  Kinder  schlafen 
bei  den  Eltern  im  Bett,  40,6%  schlafen  mit  Geschwistern  gleichen  Ge- 
schlechts, 6^0  schlafen  mit  Geschwistern  des  anderen  Geschlechts,  95  Kinder 
==  0,8%  schlafen  bei  fremden  Personen  gleichen  G^chlechts,  ein  Drittel 
aller  Schulkinder  schläft  in  überfüllten  Räumen;  im  übrigen  ist  nur  ein 
Drittel  der  Schüler  intakt;  nach  zwei  Dritteln  der  Schüler  mufs  wegen 
irgendeines  Gebrechens  gesehen  werden.  Von  100  Kindern  haben  wir 
also  nur  15,7,  die  allen  Anforderungen  in  gesundheitlicher  Beziehung  ent- 
sprechen, die  anderen  84,3  Vo  haben  irgendeinen  gesundheitlichen  Schaden 
oder  Fehler  au&uweisen.     An  oberster  Stelle  steht  Rhachitis  mit  44,2%, 


225  53 

an  zweiter  Stelle  steht  der  mangelhafte  Ernfthrongszustand  mit  18,9%; 
hier  ergibt  sich  ein  Unterschied  der  Geschlechter  zugunsten  der  Knaben. 
Ad  dritter  Stelle  steht  das  Ungeziefer  mit  18,9Vo.  Die  Mädchen  über- 
ragen mit  32,2%  die  Knaben,  die  nnr  1,2%  aufweisen,  um  das  30fache» 
was  natürlich  in  der  Haartracht  seinen  Grund  hat.  Bei  den  Kindern  der 
Armenpraxis  ist  sowohl  bei  den  Knaben  als  auch  bei  den  Mftdchen  eine 
Zunahme  des  Ungeziefers  zu  bemerken.  An  vierter  Stelle  kommen  Augen- 
leiden mit  15,1  Vo;  dann  kommen  adenoide  Wucherungen,  Ohrenleiden, 
Hantkrankheiten,  Verkrümmungen  des  Rückgrats,  Skrophnlose,  Verdacht  auf 
Tuberkulose  (2,0%). 

Die  Frage,  ob  in  Stuttgart  das  Bedürfnis  nach  einer  schul- 
ärztlichen Beaufsichtigung  der  Schuljugend  vorhanden  ist, 
bejaht  der  Verfasser.  Er  geht  dabei  von  folgenden  Gesichtspunkten  aus: 
Die  seither  durch  den  Stadtarzt  geübte  Aufsicht  über  den  Gesundheitszustand 
der  Schüler  mufste  sich  darauf  beschränken,  dafs  diejenigen  Kinder  unter- 
socht  wurden,  die  vom  Lehrer  geschickt  wurden.  Das  bis  jetzt  in  Stutt- 
gart geübte  System  —  Vorführung  beanstandeter  Kinder  —  leidet  unter 
Fehlem^  die  hauptsächlich  dahin  sich  kumulieren,  dafis  man  den  Gesundheits- 
znstaad  viel  zu  optimistisch  beurteilt.  Die  schulärztliche  Überwachung  der 
Kinder  in  Stuttgart  hat  daher,  so  wie  sie  bisher  geübt  wird,  nur  einen 
sehr  beschränkten  Wert.  Wenn  der  Wunsch  nach  einer  ärztlichen  Über- 
wachung der  Schulkinder  so  pronondert  ausgesprochen  wird  wie  in  den 
letzten  Jahren,  so  hat  ein  Gemeinwesen  von  der  Gröfee  Stuttgarts  zum 
mindesten  die  Pflicht,  einmal  nachzusehen,  ob  tatsächlich  Zustände  bestehen, 
die  eine  solche  Überwachung  angezeigt  erscheinen  lassen.  Die  Feststellung 
der  Schäden  unter  der  Stuttgarter  Schu^ugend  hat  ergeben,  dafs  etwa  nur 
33%  aller  Schulkinder  (nach  Abrechnung  der  Fälle  von  nur  mit  Rhachitis 
und  Ungeziefer  behafteten)  vollständig  intakt  sind.  In  rund  67%  wurden 
Schäden  der  verschiedensten  Art  aufgedeckt,  die  zu  einem  grofsen  Prozent- 
satz den  Kindern,  Eltern  und  Lehrern  unbekannt  geblieben  waren.  Es 
worden  femer  beobachtet  Fälle  von  Krankheiten,  akuter  und  chronischer 
Natur,  die  durch  den  Schulbesuch  einer  fortgesetzten  Verschlimmerung 
ausgesetzt  sind;  es  wurden  Fälle  beobachtet,  in  denen  Kinder  mit  an- 
steckenden Krtmkheiten  ohne  weiteres  die  Schule  besuchten.  Auch  Krank- 
heiten, für  deren  Entstehung  die  Schule  verantwortlich  gemacht  werden 
komte,  lieisen  sich  nachweisen.  Man  sollte  der  Volksschule,  in  der  die 
Kinder  täglich  nur  zirka  sechs  Stunden  zubringen  —  die  Ferien  ganz  aufser 
seht  gelassen  — ,  weniger  Schuld  beimessen  als  ungünstigen  häuslichen  und 
sozialen  Verhältnissen.  Ich  kann  mir  —  sagt  Dr.  G.  —  nicht  recht  vorstellen, 
wie  der  Aufenthalt  in  unseren  Schulpalästen  zu  gro&en  Schädigungen  fahren 
sollte,  während  die  häuslichen  und  sozialen  Verhältnisse  (dunkle,  enge 
Wohnungen  —  schwere  frühzeitige  Arbeit  —  ungünstige  und  mangelhafte 
£mähmng  —  Mangel  an  Beaufsichtigung  —  Gassenaufenthalt)  eine  be- 
deutende Reihe  von  Schädigungen  während  etwa  18  Stunden  des  Tages 
auf  die  Kinder  einwirken  lassen.  Wie  gerade  das  Erwerbsleben  schon 
aber  die  Grenzen  der  Schule  hereingreift,  zeigt  die  Tatsache,  dafs  2028 
Kinder  von  den  Klassen  3  bis  7  erwerbstätig  sind;  dazu  kommen  noch 
etwa  4000  Kinder,    die   im  Haushalt  der  Eltern  gelegentlich  beschäftigt 

6» 


54  226 

werden.  Hier  dürfte  der  Ursprung  der  meisten  Gebrechen  zu  suchen  sein, 
an  welchen  die  Yolksschulkinder  leiden.  So  wird  auch  eine  erfolgreiche 
Bekämpfung  aller  dieser  bei  den  Volksschulkindern  zutage  tretenden  Schädi- 
gungen nicht  in  der  Schule  erfolgen  können,  sondern  zu  Hause,  während 
die  Schule  selbst  wieder  Gelegenheit  gibt,  die  Kinder  zu  untersuchen  und 
zu  kontrollieren.  Auf  diese  Weise  wird  sowohl  das  Interesse  der  Schule 
als  auch  das  soziale  Interesse  gewahrt.  Hieraus  ergibt  sich  auch  das  Ver- 
hältnis des  Arztes  zur  Schule  ganz  von  selbst.  Nicht  die  Schule  und  von 
dieser  ausgehende  Schädigungen  sind  in  erster  Linie  zu  überwachen,  sondern 
der  Arzt  macht  von  der  Erlaubnis  der  Schulbehörde  Gebrauch,  um  in  der 
Sdiule  die  Kinder  kennen  zu  lernen,  denen  er  dann  anfserhalb  der  Schule 
nachzugeben  hat.  Wenn  er  dann  dieses  Entgegenkommen  damit  vergilt, 
dafe  er  sich  auch  bei  Gelegenheit  der  Klassenbesetzung,  der  Frage  der 
Heizung  und  Ventilation,  der  Beleuchtung,  Oberhaupt  in  allen  schulhygieni- 
schen Fragen  als  technischer  Berater  zur  Verfügung  stellt,  so  erfüllt  er 
damit  nur  die  Pflicht  der  Dankbarkeit  für  das  Entgegenkommen  der  Schul- 
behörden. Es  versteht  sich  wohl  ganz  von  selbst,  dafs  der  Schularzt  auch 
den  technischen,  schulhygienischen  Fragen  seine  Aufmerksamkeit  zu  schenken 
hat.  Nur  wird  er  dies  mit  mehr  und  mit  gröfserem  Erfolg  tun  können, 
wenn  er  nicht  die  Schule  von  vornherein  als  das  Karnickel  ansieht. 

Ein  Hauptzweig  der  schulärztlichen  Tätigkeit  mufs  das  Bemühen  sein, 
mit  den  Eltern  der  Pflegebefohlenen  in  einen  regen  persönlichen  Verkehr 
zu  treten.  Dabei  hat  der  Schularzt  sich  streng  an  seine  Aufgabe  zu  halten, 
nie  darf  er  selbst  therapeutische  Mafsnahmen  treffen;  dies  ist  stets  den 
betreffenden  Kassen-,  Armen-  und  Hansärzten  zu  überlassen.  Auch  den 
Rat  zum  Gebranch  dieses  oder  jenes  Mittels,  dieser  oder  jener  Kur  hat 
er  stets  dem  Hausarzt  zu  überlassen,  und  in  solchen  Fällen,  wo  ein  Arzt 
überhaupt  noch  nicht  zugezogen  wurde,  die  Eltern  zu  diesem  Schritt  za 
veranlassen.  Es  wird  nun  jedermann  einsehen,  dafs  eine  solche  Täti^ceit 
des  Schularztes,  die  sich  der  Schule  als  Vermittlerin  für  die  Lösung  sozial- 
hygienischer Aufgaben  bedient,  nur  dann  von  Erfolg  sein  kann,  wenn  ihm 
die  Möglichkeit  zu  Gebot  steht,  die  pekuniären  Schwierigkeiten  zu  be- 
seitigen. Erst  wenn  ihm  dies  gelingt,  werden  die  vorgeschlagenen  Mittel 
anwendbar  sein,  erst  dann  kann  seine  Tätigkeit  den  Nutzen  stiften,  der 
allein  für  die  Einführung  des  Schularztes  entscheidend  sein  kann.  Stehen 
ihm  aber  Geldmittel  zur  Verfügung,  ans  denen  er  solche  bedürftige  Kinder 
unterstützen  kann,  für  die  eine  Kasse  sonst  nicht  aufkommt  und  deren 
Eltern  eine  Armenunterstützung  nicht  nachsuchen  wollen,  dann  glaube  ich 
fest  daran,  dafs  es  ihm  auch  gelingen  wird,  in  einer  grofsen  Anzahl  von 
Fällen  das  Kind  vor  körperlichen  Schäden  zu  bewahren. 

So  kommt  der  Verfasser  zu  folgenden  Schlnfssätzen :  1.  In  Stuttgart 
wird  mit  Wirkung  vom  I.April  1905  an  ein  Schularzt  (ohne  Privatpraxis) 
angestellt  mit  dem  Anfangsgehalt  von  ÖOOO  Mark.  2.  Das  Verhältnis  des 
Stadtarztes  und  Schularztes  wird  in  der  Weise  geregelt,  dafs  der  Schularzt 
in  den  Verband  der  Stadtarztstelle  tritt.  3.  Den  bürgerlichen  Kollegien 
wird  die  dringende  Bitte  vorgetragen,  sobald  als  möglich  die  Frage  der 
Gründung  einer  „Zentralstelle  für  Jugendfürsorge^  und  einer  „Schulkinder- 
kranken-  und  Erholungskasse''  zu  behandeln.    4.  Ftlr  das  Jahr  1905  wird 


227  55 

eine  Summe  von  10000  Mark  in  den  Etat  der  Scholpfiege  einzastellen 
sein,  ans  der  kranken  and  erholangsbedfirftigen  unbemittelten  Yolksschfllem, 
soweit  sie  nieht  der  Armen-  oder  Kassenffirsorge  anheimfallen,  Beiträge  znr 
Bestreitung  von  Arzt  nnd  Apotheke,  sowie  zur  Aafnahme  in  Solbäder,  in 
Erholnngsheime,  znr  Abgabe  besserer  Kost  gereicht  werden  können. 

Im  Anschluls  an  diese  Mitteilung  gibt  die  ^Leipziger  Volksgeitung'^ 
loch  genaueren  Aufschlufs  Aber  den  Plan  der  yon  Dr.  Gastpab  angeregten 
Krankenkasse  fflr  Schulkinder:  Gegenwärtig  stehen  72%  der  Kinder 
in  Kassenbehandlung  dadurch,  dafs  ihre  Eltern  solchen  Krankenkassen  an- 
gehören, die  auch  fOr  die  Familienangehörigen  ärztliche  Hilfe  und  Heil- 
mittel gewähren.  4Vo  der  Kinder  unterliegen  der  ArmenfOrsorge;  dagegen 
steht  fQr  24  7o  weder  der  Kassen-  noch  der  Armenarzt  zur  Verfügung. 
Diese  befinden  sich  in  einer  besonders  ttblen  Lage,  da  die  Armut  der 
Eltern  in  vielen  Fällen  ein  Hindernis  für  Inanspruchnahme  des  Arztes  ist. 
Um  diesem  Übel  abzuhelfen,  wird  vorgeschlagen,  für  alle  Schulkinder  eine 
gemeinsame  Kasseneinrichtnng  zu  schaffen.  Diese  wäre  zu  unterhalten  aus 
Beiträgen,  die  die  Ortskrankenkasse,  die  Armenkasse,  die  Stadt  und  der 
Staat  leisten.  Auberdem  mfissen  Beiträge  für  solche  Kinder  vorgesehen 
werden,  die  gegen  Krankheit  versichert  werden  sollen. 

Die  Krankenversicherung  für  Kinder  ist  eine  notwendige  Ergänzung 
mm  Institut  der  Schulärzte.  Es  ist  daher  sehr  dankenswert,  dafs  diese 
Angelegenheit  angeregt  wurde.  Ob  der  von  Dr.  Gastpab  gemachte  Vor* 
schlag  die  beste  Lösung  der  Frage  bedeutet,  möge  dahingestellt  bleiben. 
Jedenfalls  handelt  es  sich  um  ein  Problem,  das  den  praktischen  Sozial- 
politikem  zu  ernsthafter  Prüfung  empfohlen  werden  kann. 

Me  SeiiHlarztfrage  in  Stettin  ist  bekanntlich  seit  Jahren  Gegenstand 
eines  Kompetenzkonfliktes  zwischen  Regierung  und  Gemeindeverwaltung. 
Nach  der  j^Osisee^Zeitimg'*  hat  diese  Angelegenheit  nunmehr  einen  sehr 
bedauerlichen  Abschluis  gefunden.     Es  verlautet  darüber  folgendes: 

Der  Magistrat  von  Stettin  hat  an  die  Stadtverordnetenversammlung 
eine  Vorlage  gerichtet,  mit  dem  Ersuchen,  „Kenntnis  davon  zu  nehmen, 
dafe  der  Magistrat  beschlossen  hat,  1.  von  der  Anstellung  von  Schulärzten 
Abstand  zu  nehmen  und  2.  den  gegenwärtigen  Schulärzten  zu  kündigen*. 
Zu  der  Vorlage  bemerkt  der  Magistrat :  „Durch  den  Erlafs  des  Ministers, 
mitgeteilt  von  der  königlichen  Regierung  unterm  1.  Februar  dieses  Jahres, 
gegen  welchen  ein  weiteres  Rechtsmittel  nicht  gegeben  ist,  sind  die  Rechte 
der  Selbstverwaltung  auf  diesem  Gebiet  nicht  anerkannt,  obwohl  in  anderen 
Städten,  z.  B.  in  Kassel,  Dortmund,  Magdeburg  und  Kiel,  die  Dienst- 
ordnungen für  Schulärzte  ohne  Mitwirkung  der  Schulaufsichtsbehörde  er- 
kttsen  sind.  Der  Magistrat  wünscht  die  Zahl  der  Einrichtungen  nicht  zu 
vennehren,  welche  zwar  finanziell  der  Stadt  zufielen,  aber  nach  dem  Er- 
messen anderer  Behörden  zu  verwalten  wären.* 

Die  Schularztfrage  in  Stettin  spielt  schon  ziemlich  lange.  Schon 
bei  der  Beratung  über  die  Obliegenheiten  der  Schulärzte  herrschte 
zwischen  dem  Magistrat  und  der  Stadtverordnetenversammlung  eine  Meinungs- 
Tersehiedenheit  darüber,  ob  den  Schulärzten  auch  die  gesundheit- 
liehe Oberwachuig  der  Lehrer  zu  übertragen  sei.  Der  Magistrat  verlangte 
dies,  während  die  groise  Mehrzahl  der  Stadtverordneten  den  Standpunkt 


56  228 

vertrat,  im  Interesse  eines  gedeihlichen  Wirkens  der  Schulärzte  sei  von 
einer  gesundheitlichen  Überwachung  der  Lehrer  durch  sie  Abstand  zu 
nehmen.  Der  Schularzt  bedürfe  fflr  seine  T&tigkeit  dringend  der  Unter- 
stQtzung  der  Lehrer,  und  es  sei  zwischen  beiden  Teilen  ein  Vertrauens- 
yerhältnis  nötig;  dies  aber  könnte  durch  die  Forderung  des  Magistrats 
leicht  gefährdet  werden.  Der  Magistrat  beharrte  bei  seiner  Meinung,  und 
die  Stadtverordnetenversammlung  gab  schliefslich  nach,  um  nicht  das  Ganze 
zu  gefährden ;  jetzt  griff  die  Regierung  als  Aufsichtsbehörde  ein  und  stellte 
sich  auf  denselben  Standpunkt,  den  von  vornherein  die  Mehrheit  der  Stadt- 
verordnetenversammlung vertreten  hatte.  Der  Magistrat  nahm  fär  sich  in 
Anspruch,  dafs  er  befugt  sei,  die  Angelegenheit  selbständig  zu  regeln,  hat 
dabei  aber,  wie  sich  aus  obiger  Begründung  ergibt,  nicht  die  Zustimmung 
der  Ministerialinstanz  gefanden. 

Eine  schulärztliche  Krisis  hat  der  Vorort  einer  nicht  näher  be- 
zeichneten ^grofsen  Stadt  Thflringens*^  durchgemacht.  Wie  Schularzt 
Dr.  AXMANN  in  der  „Lisch,  med,  Wochenschr.**  (1905,  Nr.  5)  mitteilt, 
war  dortselbst  die  Gesundheitskommission,  welcher  aach  der  zuständige 
Kreisarzt  beigewohnt  hatte,  zu  der  Überzeagung  gelangt,  dafs  die  vor- 
handene schulärztliche  Einrichtung  sich  nicht  bewährt  habe  und  darum 
aufzuheben  sei.  In  Zukunft  sollten  die  Lehrer  unter  Verständigung  der 
Polizei  sowie  des  Kommunalarztes  die  hygienische  Überwachung  der  Kinder 
allein  besorgen.  Der  bisherige,  bereits  ein  Jahr  amtierende  Schularzt 
hatte  seine  Stelle  niedergelegt  aus  berechtigtem  Unwillen  Aber  die  Mils- 
erfolge  bezüglich  der  Behandlung  erkrankter  Kinder  infolge  Gleichgültigkeit 
der  benachrichtigten  Eltern.  In  der  sich  entspinnenden  Debatte  siegte  aber 
schliefslich  doch  der  Fortschritt,  so  dais  man  weitere,  bessere  Besultate  im 
Laufe  der  Zeit  abzuwarten  beschloß  und  der  Schularzt  erhalten  blieb. 

Neue  Schulärzte.  In  Köpenick,  Reg.-Bez.  Potsdam,  hat  die 
Stadtverordnetenversammlung  dem  Magistrat  einen  Antrag  auf  Anstellung 
eines  Schularztes  übermittelt.  —  In  Radeberg  bei  Dresden  beschlossen  die 
Stadtverordneten,  für  beide  evangelische  Schulen  einen  Schularzt  anzustellen 
und  dieses  Amt  Herrn  Sanitätsrat  Dr.  Dillner  zu  übertragen.  —  In 
Hanau  teilte  Oberbürgermeister  Dr.  Gebeschus  in  der  Stadtverordneten- 
versammlung mit,  es  werde  als  Vergütung  für  ärztliche  Überwachung  der 
Schulkinder  seit  dem  vorigen  Jahre  die  Summe  von  300  Mark  in  den 
Haushalt  eingestellt,  und  allijährlich  300  Mark  mehr,  bis  zum  Höchstbetrage 
von  2400  Mark.  Die  Kinder  werden  bei  der  Aufnahme  untersucht  und 
bei  Krankheitsbefnnd  in  Kontrollisten  eingetragen.  —  In  Heidelberg 
sind  für  das  laufende  Jahr  1500  Mark  für  schulärztliche  Zwecke  vorgesorgt. 
Die  schwebenden  Verhandlungen  lassen  erwarten,  dafs  im  Laufe  des  Jahres 
dem  Bürgerausschnfs  eine  Vorlage  über  Regelung  der  Schukirztfrage  gemacht 
werden  wird.  —  In  Bismarkhütte  (Schlesien)  wurde  die  Anstellung  eines 
Schularztes  vom  I.April  d.  J.  ab  beschlossen.  —  In  Spandau,  wo  bisher 
die  schulärztliche  Funktion  provisorisch  freiwillig  vom  Kreisarzt  ausgeübt 
worden  war,  hat  der  Magistrat  der  Anstellang  von  Schulärzten  an  den 
Gemeindescbulen  zugestimmt,  den  Betrag  aber  von  3500  auf  3100  Mark 
herabgesetzt,  weil  an  höheren  Schulen  keine  schulärztliche  Aufsicht  nötig  8ei(?), 
da  die  betreffenden  Eltern    in  der  Lage    seien,    selber    für   den  Arzt   zu 


229  57 

sorgen.  —  In  Bernbnrg  ist  ein  Schularzt  in  der  Person  des  Herrn 
Medisinairat  Dr.  Esleben  angestellt  worden.  —  Im  Königreich  Sachsen 
wurde  nach  erfolgter  Anregung  darch  die  Amtshauptmannschaft'  von  den 
Landgemeinden  Raschaa,  Voigtsberg,  MaxgrOn  und  Lanterbach 
die  Ansteüiuig  eines  Schularztes  auf  gemeinsame  Kosten  der  vier  Gemeinden 
besdilossen. 

Über  die  TStigkeit  der  SebuUrzte  in  Berlin  entnehmen  wir  dem 
,Berl.  Taghl"^  folgende  knrze  Mitteilung:  Seit  Beginn  des  Winterhalb- 
jahres sind  36  Schulärzte  tätig.  Je  sieben  bis  acht  Gemeindeschulen 
bilden  einen  Schularztkreis  und  unterstehen  einem  Schularzte.  Von  den 
im  Herbst  1903  neu  eingeschulten  17482  Kindern  wurden  16539  durch 
die  Schulärzte  auf  ihre  Schulfthigkeit  untersucht  und  1101  als  ungeeignet 
fBr  den  Schulbesuch  zurtickgestellt.  Die  Zahl  der  Kinder,  die  zwar  als 
schulfähig,  aber  nicht  als  völlig  gesund  ermittelt  wurden,  betrug  12897. 
In  dieser  Zahl  befinden  sich  auch  die  Kinder,  die  die  Schulen  schon  seit 
längerer  Zeit  besuchten.  Fflr  den  Nebenunterricht  wurden  568  Kmder 
in  Vorschlag  gebracht  und  untersucht,  ?on  denen  499  den  Nebenklassen 
überwiesen  wurden;  290  Kinder  wurden  fttr  die  Aufnahme  in  Stotterer- 
korse  untersucht.  Ein  Besuch  der  Schulen  durch  die  Schulärzte  fand  in 
1231  Fällen  statt. 

Behandlnog  der  WirbelsialeTerkrfimmnngen  bei  Schulkindern. 
Die  Schularzt -Konferenz  in  Mainz  hat  beschlossen,  bei  der  Stadt- 
verwaltung dahin  vorstellig  zu  werden,  dafs  die  Mittel  bereit  gestellt 
Verden,  um  Verkrtlmmungen  bei  den  Schulkindern  durch  orthopädi- 
scbe  Behandlung  im   therapeutischen   Institute   möglichst   zur   Heilung   zu 


Zur  Sehvlarztfrage  veröffentlicht  Dr.  A.  Schott  in  der  ,,Münch. 
med.  Wochen$chr.*^  (1904,  Nr.  44)  einen  Aufsatz,  in  welchem  er  verlangt, 
dals  der  Schularzt  sich  nicht  nur  mit  der  allgemeinen  Schulhygiene  be- 
scliäftige,  sondern  hauptsächlich  auch  das  Nerven-  und  Geistesleben 
seiner  Schüler  überwache  und  bei  etwaigen  Störungen  ratend  und  helfend 
eingreife.  Der  Schularzt  mufs  Eltern  und  Lehrer  auf  das  Vorhandensein 
nervöser,  moralischer  und  psychischer  Veränderungen,  Defekte  und  Er- 
krankungen aufmerksam  machen  und  über  deren  Bedeutung  und  Folgen 
ufklfiren  und  zweckwidrige,  ungünstig  wirkende  pädagogische  MaCsnahmen 
verhflten;  er  hat  die  Pflicht,  körperliche  und  geistige  Überanstrengung 
jedes  einzelnen  Schülers  hintanzuhalten  und  bei  geistig  zurückgebliebenen 
Kindern  auf  Reduktion  der  Anforderungen  seitens  der  Eltern  und  Lehrer 
zn  dringen;  er  mufs  daher  an  dem  Unterrichte  der  geistig  schwachen  und 
der  körperlich  minderwertigen  Schüler  teilnehmen;  vor  sein  Forum  ge- 
hören die  Disziplinierungen  moralisch  defekter  Kinder  und  die  Beurteilung 
sexueller  Verfehlungen,  die  meist  Folge  krankhafter  Veranlagung,  nicht  so 
&st  der  Bestrafung  als  der  Behandlung  bedürfen;  ihm  obliegt  es  endlich, 
den  Schülern  der  höheren  Klassen  Vorträge  über  Anatomie  und  Physiologie 
des  Menschen  zu  halten,  sie  über  die  sexuellen  Verhältnisse  aufzuklären 
ond  vor  Alkohol,  Nikotin  und  Geschlechtskrankheiten  zu  warnen.  Soll 
<to  die  Tätigkeit  des  Schularztes  eine  wirklich  erspriefsliche  sein,  dann 
»als  er  in  den  Stand  gesetzt  werden,  sich  ihr  ausschliefslich  zu  widmen; 


58  880 

Qod  das  ist  nur  möglich,  wenn  er  darch  einen  auskömmlichen  festen  Ge- 
balt finanziell  nnabh&ngig  gestellt  ist.  Dann  allerdings  wird  er  nicht  nnr 
segensreich  für  Scbnle  and  Schüler  wirken  können,  seine  Tätigkeit  hfttte 
auch  rein  wissenschaftlich  grofsen  Wert;  denn  Anthropologie,  Psychologie, 
Nenropathologie,  Psychiatrie  and  Krimiaalpsychologie,  sowie  das  ganze 
grolse  Gebiet  der  inneren  Medizin  können  von  systematischen  Untersnchmigen 
und  Beobachtungen  der  SchuUugend  wertvolle  Aufschlüsse  erwarten. 

Dr.  GÖTZ-Mflnchen. 
Zur  Schnlarztfrage  in  Hamburg  stellte  Karl  JafvA  in  der  Ver- 
einigung für  Scbulgesundheitspflege   zu   Hamburg    am    29.  August  1904 
folgende  Leits&tze  auf: 

1.  Die  Einführung  von  Schulärzten  erscheint,  nachdem  eine  groisa 
Reihe  von  Städten  mit  gutem  Erfolge  darin  vorangegangen  ist,  im  Interesse 
der  heranwachsenden  Jugend  auch  in  Hamburg  geboten. 

2.  Es  genügt  zunächst  die  Anstellung  von  etwa  60  Schulärzten  ffXt 
die  hiesigen  Volks-  und  die  Hilfsschulen  für  Schwachbegabte.  Einem  Scbui- 
arzte  dürfen  höchstens  zwei  Schulen  überwiesen  werden. 

3.  Die  Anstellung  der  Schulärzte  geschieht  nach  öffentlicher  Aus* 
Schreibung  durch  die  Oberschulbehörde  auf  Vorschlag  des  Medizinalkollegiums 
(bezw.  der  Ärztekammer)  aus  der  Zahl  der  Bewerber. 

4.  Die  Dienstordnung  für  die  Schulkommission  erläfst  die  Oberschul- 
behörde im  Einvernehmen  mit  dem  Medizinalkollegium. 

5.  Sämtliche  Schulärzte  bilden  zusammen  eine  Vereinigung,  die  dieaat- 
lieh  der  Oberschulbehörde  untersteht.  Als  Vorsitzender  oder  Vertreter 
wirkt  ein  von  der  letzteren  erwählter  Stadtarzt,  der  jedoch  keine  diszipli- 
narischen Befugnisse  über  die  Schulärzte  ausübt.  (Nach  y,Münc!h.  med. 
Wochenschr.",  1904,  Nr.  47.)  Dr.  GÖTZ-Mttnchen. 

Scbvl&rste  für  Wien,  Das  „N.  Wim.  Tagebl^  berichtet:  Bekannt- 
lich wurde  die  Anstellung  eigener  Schulärzte  für  die  Wiener  städtischen 
Schulen  von  der  Kommune  bisher  perhorresziert.  Dagegen  hat  der 
Magistrat  eine  Ausdehnung  der  Amtswirksamkeit  der  Bezirksärzte  auf  die 
Wiener  Schulen  befürwortet  Die  Bezirksärzte,  deren  Zahl  natüriich  ver- 
mehrt werden  müfste,  sollten  obligatorisch  zur  Untersuchung  und  gelegent- 
lichen ärztlichen  Hilfeleistung  in  den  Schulen  herangezogen  werden.  Dem- 
nächst wird  der  Stadtrat  über  diese  Reform  zu  entscheiden  haben. 

Schularzt  in  Helsingfors.  Hier  ist  seit  Beginn  1905  ein  Schul- 
arzt angestellt,  und  zwar  in  der  Person  des  Dozenten  der  Physiologie, 
Dr.  Max  Okbb-Blom.  Alle  Volksschüler,  8000  bis  9000,  sind  zunächst 
diesem  einen  Schularzt  zugewiesen;  hoffentlich  ist  dies  nur  als  Übergangs- 
stadium zu  betrachten.  L.  Bu&asBBTBiK-Wien. 

Sehal&rste  in  Elmsbom.  Hier  sind  seit  Jahren  drei  Schulärzte 
angestellt  mit  einem  Gesamtgehalte  von  600  Mark,  wozu  noch  für  Be- 
handlung unbemittelter  kranker  Kinder  600  Mark  kommen.  Das  Stadt- 
verordnetenkollegium nahm  einen  Antrag  an,  die  Summe  für  die  Schulärzte 
zu  verdoppeln,  der  Magistrat  lehnte  jedoch,  trotz  Befürwortung  durck  den 
Bürgermeister,  die  Erhöhung  ab.     Es  bleibt  also  beim  alten. 

BerichtiglUlg.  In  Ergänzung  und  Berichtigung  der  Mitteilung  Obor 
die  Schulärzte  Darmstadts  (8diular0t,  1905,  Nr.  1,  S.  16)   taut   uns  der 


281  69 

Alteste  Schalarzt  in  Darmstadt,  Dr.  Buohhold,  freondlichst  mit,  dads 
Bcbon  seit  1.  April  1898  in  Darmstadt  Scholärzte  angestellt  sind,  und 
zwar  bis  I.April  1903  deren  vier,  seit  dieser  Zeit  fflnf  an  zehn  Schul« 
groppen  mit  dnrchschnittlich  800  Kindern.  Die  Namen  dieser  fflnf  Schul- 
ärzte sind:  Dr.  Buchhold  (erster  Schularzt),  Dr.  Göbino,  Dr.  Guten- 
BS&a,  Dr.  Langsdobf  und  Dr.  Leybhxckeb.  Die  Dienstordnung  lehnt 
sieh  im  allgemeinen  an  diejenige  der  Stadt  Wiesbaden  an,  wonach  samt- 
liehe Kinder  einer  körperlichen  Untersuchung  unterzogt  werden  und  fftr 
jedes  einzelne  ein  Überwachungsbogen  angelegt  wird  (vgl.  auch  BckuHargt^ 
1903,  S.  174  [676]). 


iCttttattft^e  Befyret^niiiieii. 


Dr.  Thbodob  Ajütschul,  k.  k.  Sanitfttsrat,  Prag.  Die  Schiilarztfrage 
IB  Österreich.     {Prag.  med.  Wochemchr.,  1905,  Nr.  4--5.) 

Der  Arbeit  A's.  li^t  ein  im  Zentralverein  deutscher  Ärzte  in  Böhmen 
gehaltener  Vortrag  zugrunde.  Verfasser  klagt,  da(s  in  Österreich  jeder,  der 
die  Einführung  von  Schulärzten  fordert,  als  Neuerer,  ja  als  Stflrmer  und 
Dr&nger  angesehen  wird,  der  sein  Land  in  hygienische  Abenteuer  stürzen 
will.  Man  begegnet  in  Österreich  heute  noch  denselben  Widerständen, 
wie  sie  vor  etwa  15  Jahren  in  Deutschland  bestanden,  wo  sie  gegenwärtig 
vollständig  niedergeruDgen  sind,  nachdem  eine  langjährige  Erfahrung  die 
leichte  Durchführbarkeit  und  den  greisen  Nutzen  der  schulärztlichen  Auf- 
sicht unwiderleglich  dargetan  hat. 

Allerdings  stehen  in  Deutschland  fast  ausschlielslich  Volksschulen  unter 
schulärztlicher  Überwachung,  in  Ungarn  und  Ruisland  nur  Mittelschulen, 
während  für  alle  Schulkategorien  hygienische  Aufsicht  gefordert  werden  mufs. 

Die  Angaben  über  die  Zahl  der  zurzeit  in  Österreich  angestellten 
Sehulärzte  schwanken  sehr,  und  dies  erklärt  sich  daraus,  dafs  der  Begriff 
„Schularzt^  bald  im  engeren  bald  im  weiteren  Sinne  gefalst  wird.  Nicht 
nur  die  eigens  angestellten  Schulärzte  mit  bestimmter  Instruktion  und  mit 
Verpflichtung  regelmäfsiger  Untersuchung  der  Schüler  werden  hierher  ge- 
rechnet, sondern  auch  jene  städtischen  oder  staatlichen  Amtsärzte,  die 
gelegentlich  Schulinspektionen  vornehmen.  So  kommt  es,  dab  bei  der 
Volksschulkonskription  im  Jahre  1900  in  Österreich  56  Schulärzte  gezählt 
wurd^,  während  Professor  Schatteneboh  im  Jahre  1902  nur  21  anzu- 
fahren weüs. 

Von  einer  schulärztlichen  Organisation  kann  somit  in  Österreich 
noch  nicht  gesprochen  werden.  Nur  Brunn  hat  einen  wohlorganisierten, 
allen  Anforderungen  entsprechenden  schulärztlichen  Dienst,  unter  der  muster- 
haften Leitung  des  Stadtphysikus  Dr.  Igl. 

Verfasser  begrülst  daher  die  von  Dr.  Wolfaam  in  der  „Brag.  med. 
Woekemchr.*' ^  1904,  Nr.  36,  zur  Diskussion  gestellten  Thesen  zugunsten 


60  232 

allgemeiner  EinfÜhniDg  von  Schulärzten.  Die  Schwierigkeit,  dafe  die 
Volksschulen  dem  Wirkungskreise  der  Gemeinde  unterstellt  sind,  währ^d 
die  Mittelschulen  fast  alle  staatlich  sind,  teilt  Österreich  mit  Deutschland. 
Verfasser  stellt  die  beachtenswerte  Forderung  auf,  dafs  weder  staaüiche 
Amtsärzte,  noch  Stadtärzte  (ausgenommen  in  kleinen  Gemeinden)  als  Schul- 
ärzte angestellt  werden,  damit  diese  einen  gewissen  Grad  von  Unabhängig- 
keit  erhalten,  allerdings  unter  OberaufBicht  der  Gemeinde-  und  Amtsärzte. 
Obwohl  in  dem  einseitigen  Vorgehen  der  grOlseren  Städte  mit  AnsteUung 
Yon  Schulärzten  eine  endgaltige  Lösung  der  Frage  nicht  erblickt  werden 
kann,  weil  die  Mittelschulen  und  die  Landgemeinden  fehlen,  so  wünsdit 
Verfasser  doch  fUrs  erste,  die  gröfseren  Städte,  insbesondere  in  Deutsch- 
böhmen, mögen  nach  dem  Muster  Deutschlands  vorgehen  und  dem  Staate 
ein  gutes  Beispiel  geben,  bis  sich  dieser  entschliefst,  die  ärztliche  Schul- 
aufsicht obligatorisch  zu  machen.  Die  einzelnen  Gemeinden  müssen  dabei 
den  örtlichen  Verhältnissen  Rechnung  tragen,  und  können  nicht  alle  einer 
einheitlichen  Dienstordnung  folgen.  In  den  wichtigsten  Stocken,  deren 
Verfasser  zehn  aufzählt,  soll  indessen  unbedingt  Einigkeit  herrschen;  es 
sind  dies  Minimalforderungen,  die  in  keiner  Instruktion  fOr  Schulärzte 
fehlen  dürfen.  Sie  beziehen  sich  der  Hauptsache  nach  auf  mindestens 
zweimal  im  Jahre  stattfindende  Besichtigung  der  Schullokale,  auf  Unter- 
suchung aller  Schulrekruten,  Anlegung  von  Gesundheitsscbeinen,  dauernde 
Überwachung  krank  befundener  Kinder,  Verteilung  auf  die  Plätze  nach 
Gröfee,  Seh-  und  Hör&higkeit,  alljährliche  Untersuchung  aller  älteren 
Schüler,  Einschreiten  bei  Infektionskrankheit,  monatliche  Abhaltung  einer 
Sprechstunde  im  Schulhause,  Teilnahme  an  den  amtlichen  Scbulrevisionen 
und  Aufstellung  einer  Morbiditätsstatistik.        Dr.  ScHUBEBT-Nümberg. 


Ileferate  übtx  nvx  erfd)iettette  fdiular^tlidit  3a^reBber!dite. 

Wir  bitten,  neu  erschienene,  Bchulärztliche  Jahresberichte  direkt  an 
unseren  Bearbeiter  derselben,  Herrn  Stadtarzt  Dr.  Obbbbckb,  Breslau,  Nikolai- 
stadtgraben, übersenden  zu  wollen.    D.  Bed. 


Jahresbericht  Aber  die  schvl&rztliche  T&tigkeit  an  den  Hilfs- 
klassen  der  städtisehen  Volksaehnle  in  Worms  (Schuljahr  1903/04), 
yon  Dr.  Bayebthal,  Nervenarzt  in  Worms.  In  den  beiden  Hilfsklassen 
wurden  im  Berichtsjahre  51  Kinder  gemeinsam  unterrichtet.  Die  schwach- 
sinnigen Knaben  waren  in  der  Mehrzahl  gegenüber  den  Mädchen.  Die 
definitive  Aufnahme  in  die  Hilfsklasse  war  abhängig  von  dem  Ergebnis  einer 
Prüfung,  die  von  dem  Schulinspektor,  dem  Lehrer  der  Hilfsklassen  und 
dem  Schularzt  angestellt  wurde.  Auüser  recht  häufiger  erblicher  Belastung 
lieiBen  sich  bei  den  meisten  Kindern  eine  Reihe  für  die  geistige  Entwicklung 
schädigende  Momente  auf  nervösem  und  körperlichem  Gebiete  nachweisen. 
Im  Durchschnitt   wöchentlich    ein-    bis   zweimal    erfolgende  Besuche    des 


233  61 

Sehnlarztes  dieDten  znr  Kontrolle,  inwieweit  der  aUjährlich  bei  den  Ärzt- 
lichen Anfhabmenntersnchnngen  gegebenen  Ratscblftge  Folge  geleistet  worden 
war.  Aach  von  Seiten  der  Eltern  wnrde  ein  erfreuliches  Interesse  dafür 
an  den  Tag  gelegt.  Die  angenftrztliche  Behandlung  unbemittelter  Kinder 
ist  durch  die  stadtische  Armenverwaltung  ermöglicht  worden.  Die  dringende 
Notwendigkeit  einer  zahnärztlichen  Behandlung  wird  vom  Verfasser  noch 
besonders  betont.  An  einzelnen  Beispielen  wird  gezeigt,  in  welcher  Weise 
die  Hilfsschule  imstande  war,  die  Schüler  auch  sittlich  zu  beeinflussen  und 
zu  heben.  Bei  den  am  Ende  des  Schu^ahres  zur  Entlassung  gelangenden 
Zöglingen  wurde  von  dem  Schularzt  in  gemeinsamer  Beratung  mit  dem 
Lehrer  die  Frage  erörtert,  welcher  Beruf  im  Hinblick  auf  die 
körperlichen  und  geistigen  Eigenschaften  für  das  einzelne 
Kind  am  zuträglichsten  erscheine,  und  den  Eltern  entsprechender 
Rat  erteilt.  Der  inhaltsreiche  und  interessante  Bericht  läfst  erkennen,  in 
welch  vorzüglicher  Weise  in  einer  verhältnismäisig  kleinen  Stadt  wie  Worms 
das  Hilfeschulweaen  geregelt  ist.  Dr.  Y.  RAD-Nürnberg. 


Dien^riitttitgett  fnr  S^nlitjtt. 


Dienstanweisung 
fBr  die  Schnl&rzte  der  Stadt  KSnigsberg  i.  Pr. 

§  1.  Die  Schulärzte  haben  den  Gesundheitsznstand  der  Schüler  der 
ihnen  überwiesenen  Schulen,  sowie  die  Schubräumlichkeiten  dauernd  zu 
flberwachen,  sie  sollen  femer  den  Leitern  und  Lehrern  der  Schulen  in 
schnlhygienischen  Fragen  die  nötige  Auskunft  erteilen. 

Sie  sind  daher  verpflichtet,  alle  in  diese  Aufgaben  fallenden  Aufträge 
des  Magistrats  gewissenhaft  auszuführen.  Insbesondere  wird  den  Schnl- 
Irzten  folgendes  obliegen. 

§  2.  Neueintretende  Schüler  sind  von  dem  Schularzte  möglichst  bald 
nach  ihrem  Eintritt  genau  auf  ihren  Gesundheitszustand  zu  untersuchen, 
wobei  festzustellen  ist,  ob  das  Kind  einer  besonderen  Berücksichtigung 
beim  Unterricht  bedarf  (z.  B.  Ausschliefsung  oder  Beschränkung  in  einzelnen 
Fichem,  Turnen,  Singen,  oder  Anweisung  besonderer  Sitzplätze  bei  Kurz- 
skhtigkeit,  Schwerhörigkeit).  Über  jedes  Kind  wird  ein  Gesundheitsbogen 
ansgefftllt,  welcher  das  Kind  von  Klasse  zu  Klasse  bis  zur  vollendeten 
Sdiulzeit  begleitet  und  bei  etwaigem  Schnlwechsel  ebenfalls  mitgegeben 
wird.  Kinder,  welche  einer  besonderen  ärztlichen  Beobachtung  bedürfen, 
eriialten  einen  diesbezüglichen  Vermerk  auf  den  Gesundheitsbogen. 

Die  halbjährigen  Körperwägungen  und  -Messungen  sind  vom  Klassen- 
lehrer und  nicht  vom  Schularzt  auszuführen.  Der  Brustumfang  wird  dagegen 
vom  Arzte  gemessen,  aber  nur,  wenn  Verdacht  auf  chronische  Lungen- 
erkrankung vorliegt. 


62  234 

§  3.  In  jeder  Schale  ivird  alle  14  Tage  von  dem  Schalante  eine 
Sprectastonde  abgehalten,  deren  Zeit  vorher  mit  dem  Leiter  der  Schule 
verabredet  ist  and  in  die  Schalstanden  fallen  mab.  In  der  Regel  soll  die 
^rechstonde  nicht  ttber  zwei  Stunden  aasgedehnt  werden.  Ist  der  Schal- 
arzt ansnahmsweise  verhindert»  die  Sprechstande  abzuhalten,  so  hat  er  dem 
Leiter  der  Schale  davon  möglichst  frühzeitig  Kenntnis  za  geben  und 
sa^eich  einen  anderen  Tag,  etwa  acht  Tage  später,  fttr  die  Sprechatande 
vorzaschlagen. 

Im  ersten  Teile  der  Sprechstande  werden  stets  zwei  bis  vier  Klassen 
einem  etwa  10  bis  15  Minaten  daaemden  Besache  des  Schalarztes  oiiter- 
zogen,  wobei  dieser  die  sämtlichen  Kinder  der  Klasse  äalserlich  untersacht 
and  die  etwa  einer  genaneren  Untersachnng  bedflrftigen  Kinder  zorflck- 
gestellt.  Die  Gesnndheitsbogen  mit  dem  Vermerk  „Ärztliche  Beobachtung* 
sind  dem  Arzte  hierbei  jedesmal  besonders  vorzulegen. 

Anfeerdem  wird  der  Schalarzt  selbstverständlich  bei  diesen  Besachen 
anch  sein  Aagenmerk  aaf  die  Heiznng,  Ventilation,  Beleachtang  ujMi 
sonstigen  hygienischen  Einrichtungen  der  Klasse  zu  richten  haben.  Etwa 
entdeckte  Mängel  sind,  soweit  sie  von  der  Schule  selbst  beseitigt  werden 
können,  sofort  zur  Sprache  zu  bringen,  jedoch  nicht  in  Gegenwart  der 
Schulkinder.  Soweit  sie  nicht  von  der  Schale  selbst  beseitigt  werden 
können,  ist  dem  Magistrat  Anzeige  zu  machen. 

Jede  Klasse  soll  möglichst  zweimal  im  Schulhalbjahr  in  dieser  Weise 
vom  Schularzt  besichtigt  werden. 

Den  zweiten  Teil  der  Sprechstunde  bildet  die  genauere  untersachnng 
der  zurückgestellten,  sowie  der  dem  Schularzt  von  den  Lehrern  aas  be- 
sonderer Veranlassung  (Krankheitsverdacbt)  zugefohrten  Kinder  anderer 
Klassen.  Zu  diesem  Zweck  wird  dem  Schularzt  ein  geeigneter  leerstehender 
Raum  (Klasse,  Konferenzzimmer)  zur  Verfügung  zu  stellen  sein. 

Der  Gesundheitsbogen  ist  von  dem  Klassenlehrer,  der,  wenn  möglich, 
bei  der  Untersuchung  zugegen  sein  mufs,  zur  Stelle  zu  bringen. 

Kinder,  welche  sich  als  krank  oder  behandlungsbedürftig  erweisen, 
werden  mit  einer  diesbezüglichen  schriftlichen  Meldung  —  Probe  bei- 
liegend —  versehen  den  Eltern  nach  Hause  geschickt. 

Eine  Behandlung  der  Kinder  hat  nicht  durch  den  Schularzt  z« 
erfdgen.     (Ausnahme  Trachom.) 

§  4.  Erscheinen  dem  Schulleiter  Kinder  seiner  Schule  einer  an- 
steckenden Krankheit  verdächtig,  so  kann  dieser  die  Kinder  dem  Schulärzte 
jederzeit  in  seine  Sprechstunde  senden  oder  in  dringlichen  Fällen  denselben 
ersuchen,  auch  aufserhalb  der  im  §  3  festgesetzten  Zeit  eine  Sprechstoade 
in  der  Schale  abzuhalten. 

§  5.  Zweimal  im  Jahre  sind  von  dem  Schularzte  die  gesamten 
Räume  der  Schule  auf  ihre  gesundheitliche  Beschaffenheit  uoter  Zuzidiong 
des  Schulleiters,  sowie  des  zuständigen  städtischen  Baubeamten  genauer  zu 
untersuchen.  Etwa  sich  zeigende  Mängel  und  daran  sich  anschlieCseBde 
Vorschläge  zur  Abstellung  derselben  sind  von  dem  Schularzt  dem  Magistrat 
mitzuteilen. 

§  6.  Um  ein  möglichst  einheitliches  Vorgehen  der  Schulärzte  herbei- 
zuführen,  haben   sich   diese  monatlich  einmal  zu  einer  gemeinsamen  Be- 


286  68 

sprechnng    zasammenzufinden.     Der  Magistrat   deputiert   dazu  Mitglieder, 
eines  derselben  führt  den  Vorsitz. 

§  7.  Im  Winter  haben  die  Scbnlftrzte  den  Lehrern  Vorträge  aber 
die  wichtigsteD  Fragen  der  Schnlliygiene  zn  halten. 

§  8.  Zum  Ende  des  Etatsjahres  sind  von  den  einzelnen  Schulärzten 
dem  Magistrat  Berichte  Aber  ihre  Tätigkeit  als  Schularzt  einzureichen,  fOr 
iraldie  besondere  Formulare  zur  Verfügung  gestellt  werden. 

§  9.  Muüs  ein  Schularzt  auüserhalb  der  Schulferienzeit  die  Stadt  auf 
langer  als  acht  Tage  yerlassen,  oder  ist  er  Ober  diese  Zeit  hinaus  durch 
Kiankii^  verhindert,  so  hat  er  auf  seine  Kosten  für  seine  Vertretung  zu 
sorgen  und  hat  den  Magistrat  hiervon  in  Kenntnis  zu  setzen. 

§  10.  Für  ihre  Mühewaltung  erhalten  die  Schulärzte  eine  Vergütung, 
welche  vierteljährlich  postnumerando  denselben  ausgezahlt  wird. 

§  11.  Die  Annahme  der  Schulärzte  erfolgt  auf  unbestimmte  Zeit 
Bit  dem  jedem  Teile  jederzeit  zustehenden  Recht  einer  yierteUährlichen 
Kändigung. 

§  12.  Der  Magistrat  behält  sich  vor,  diese  Dienstordnung  abzuändern 
oder  zu  erweitem. 

Königsberg,  den  30.  März  1898. 

Magistrat.     Hoffmamk. 


Dienstanweisnog  für  die  Scbul&rcte  in  Frankftirt  a.  0. 

1.  Dem  Schularzte  liegt  ob: 

,  a)  die  Stadtgemeinde  bei  der  ihr  als  dem  schulnnterhaltungspflichtigen 
Subjekte  obliegenden  Herstellung  und  Instandhaltung  der  äufiseren 
Schnleinriditnngen  ärztlich  zu  beraten,  insbesondere  alle  ihm  von 
der  Schuldeputation  zugehenden  Vorlagen,  betreffend  Ankauf  von 
Bauplätzen  für  Schulen,  Errichtung  neuer  oder  Erweiterung  be- 
stehender Schulgebände  und  deren  Zubehör,  als:  Turnhalle,  Abort  usw., 
Konstruktion  von  Sdiulbänken,  Wandtafeln  u.  dgl.,  Beschaffenheit 
der  Fenstervorhänge,  Anstrich  des  Fufsbodens  und  der  Wände 
u.  dgl.  mehr  vom  Standpunkte  der  Schulgesnndheitspflege  aus  zu 
begatachen; 

b)  sich  an  den  regelmäfeigen  jährlichen  Besichtigungen  der  Schulgebäude 
durch  die  städtischen  Deputationen  zu  beteiligen; 

c)  zu  beobachten,  ob  die  vom  Magistrate  im  Interesse  der  Gesundheit 
der  Schulkinder  erlassenen  Vorschriften  über  den  Gebrauch  und  die 
Erhaltung  der  äufseren  Schuleinrichtungen  befolgt  werden,  ins- 
sondere  diejenigen  über  Heizung,  Lüftung  und  Reinigung  der  Sdiul- 
räome  und  die  Desinfektion  der  Aborte,  auch  etwa  erfordeiliche 
Abänderungsvorschriften  vorzuschlagen  und  neu  zu  erlassende  Vor» 
sdiriften  zu  begutachten. 

Zur  Erfüllung  der  in  Abs.  1  bestimmten  Verpflichtung  hob  der 
Sebnlarzt  die  ihm  zugewiesenen  Schulen  während  der  Unterrichtezeit, 
so  oft  es  nach  seinem  Ermessen  erforderlich  ist,  mindestensi  aber 
im  Sommerhalbjahre  sechsmal,  im  Winterhalbjahre  neunmal  zU'  be- 


64  236 

Sachen,  hierbei  sein  Augenmerk  auch  darauf  zu  richten,  ob  etwaige 
andere  hygienische  Mängel  sich  zeigen  —  z.  B.  anzweckm&£Bige 
Stellong  von  Schulbänken,  strahlende  Ofenwärme,  schädliche  Gestalt 
oder  Beschaffenheit  der  Vorhänge  usw.  —  und  Vorschläge  wegen 
Abstellung  der  Mängel  und  wegen  Verbesserungen  zu  machen; 

d)  die  in  die  unterste  Klasse  neu  eintretenden  Schulkinder  bei  der 
Aufnahme  auf  die  Schalfähigkeit  und  etwaige  körperliche  Mängel 
hin  zu  untersuchen,  besonders  darauf  zu  achten,  ob  das  Seh-  und 
Hörvermögen  normal  ist  und  ob  Wucherungen  in  den  Nasenhöhlen 
vorhanden  sind,  auch  die  entsprechende  Rubrik  im  Gesundheitsschein 
auszufüllen. 

Er  hat 

e)  die  durch  den  Lehrer  ausgemusterten  Kinder  der  älteren  Jahrgänge 
mit  nicht  normalem  Seh-,  Sprech-  oder  Hörvermögen  und  solche, 
welche  ansteckender  oder  ekelerregender  Krankheiten  verdächtig 
sind,  genau  zu  untersuchen,  den  Befund  zu  verzeichnen  und  an- 
zugeben, ob  eine  ärztliche  Behandlung,  insbesondere  auch  dorch 
einen  Spezialarzt,  erforderlich  ist.  Sofern  die  Störungen  oder  ün- 
regelmäisigkeiten  durch  einfache,  durch  die  Eltern  selbst  anwend- 
bare Mittel  gehoben  und  ausgeglichen  werden  können,  z.  B.  Ent- 
fernung von  Ohrenschmalz,  ist  dies  im  Befund  zu  vermerken, 
desgleichen  ob  das  Tragen  einer  Brille,  eventuell  welcher  Art  und 
Nummer,  nötig  ist. 

f)  Er  hat  femer  auch  diejenigen  Kinder  zu  untersuchen  und  danemd 
zu  kontrollieren,  bei  welchen  nach  seiner  Beobachtung  oder  der  des 
Lehrers  der  Verdacht  der  beginnenden  Wirbelsäalenverkrflmmang 
besteht,  sowie  diejenigen,  welche  zur  Teilnahme  an  dem  Unterricht 
für  Stotterer  oder  fflr  den  Unterricht  in  den  noch  einzurichtenden 
sogenannten  Hilfsklassen  vorgeschlagen  werden. 

Dem  Schularzte  liegt  weiter  ob: 

g)  während  des  Auftretens  von  ansteckenden  Krankheiten  gefilhrlicheren 
Charakters  auf  Ersuchen  des  Schulvorstehers  die  ihm  bezeichneten, 
der  Ansteckung  verdächtigen  Kinder  zu  untersuchen  und  die  zur 
Abwehr  des  Umsichgreifens  der  Krankheit  erforderlichen  Mafsregeln 
vorzuschlagen ; 

h)  auf  Ersuchen  der  Schudeputation  ärztliche  Gutachen  Aber  sonstige 
Fragen  des  Schulbetriebes  abzugeben. 

2.  Jedem  Schularzte  werden  mehrere  Schulen  zugewiesen,  bei  denen  er  die 
in  Ziffer  1  aufgeführten  Geschäfte  zu  erledigen  hat.  Handelt  es  sich 
um  Fragen,  welche  sich  auf  noch  nicht  eingerichtete  Schulsysteme  be- 
ziehen, z.  B.  Begutachtung  yon  Bauplätzen,  Bauprojekten  u.  dgl.,  so  steht 

•     die  Auswahl  des  zuzuziehenden  Schularztes  der  Schuldeputation  frei. 

3.  Dem  Schularzte  steht  eine  Aufsicht  Ober  die  Lehrer  und  den  Schol- 
betrieb  nicht  zu,  er  soll  die  Schuldeputation  und  die  Lehrer  bei  Aus- 
übung ihrer  Befugnisse  lediglich  unter  stutzen,  er  darf  deshalb  weder 
den  Lehrern  noch  dem  Schuldiener  direkte  Anweisungen  erteilen  oder 
das  von  ihm  fOr  erforderlich  Erachtete  selbst  ausfähren.  Handelt  es 
sich  um  Malsregeln,  welche  sofort  getroffen  werden  mttssen  —  z.  B. 


237  65 

Entferniing  kranker  Kinder  —  oder  die  ohne  besondere  Kosten  and 
Umstände  vom  Schalvorsteher,  den  Lehrern  oder  dem  Schaldiener  aas- 
gefabrt  werden  können,  so  hat  er  dem  Scholvorsteher  die  nötigen 
Eröffiiangen  za  machen.  In  anderen  Fällen  hat  er  der  Schaldepatation 
Anzeige  za  erstatten,  desgleichen  auch  dann,  wenn  er  bei  dem  nächsten 
Besach  finden  sollte,  daTs  der  Schalvorsteher  es  anterlassen  hat,  die 
vorerwähnten  Maisnahmen  wirklich  aoszafQhren. 

4.  Der  Schalarzt  hat  halbjährlich  nach  dem  Schiasse  des  Semesters  dem 
Magistrate  einen  Generalbericht  za  erstatten.  Die  Benntzang  von  Forma- 
laren für  diese  and  andere  Berichte  kann  gestattet  werden,  sofern  die 
Formalare  von  der  Schaldepatation  genehmigt  werden. 

6.  Der  Schalarzt  hat  aaf  besondeie  Einladnng  an  den  Sitznngen  der  Schal- 
depatation mit  beratender  Stimme  teilznnehmen  and  aaf  Ersachen  in 
den  Angelegenheiten  seines  schalärztlichen  Wirkangskreises  zu  referieren. 
Aach  wird  von  ihm  erwartet,  dals  er  sich  bereit  finden  läfst,  in  Yer- 
sammlangen  der  Lehrer  Vorträge  Aber  Schalgesandheitspflege  za  halten. 

6.  Die  Schalärzte  haben,  soweit  sie  zagezogen  werden,  die  erste  Hilfe  in 
Unglücksfällen  in  der  Schale  zu  leisten. 

7.  Der  Schalarzt  hat  nicht  die  Eigenschaft  eines  städtischen  Beamten  im 
Sinne  der  Städteordnong  and  keinen  Ansprach  aaf  Pension  oder  Hinter- 
bliebenenfOrsorge.  Seine  Annähme  dnrch  den  Magistrat  erfolgt  gegen 
dreimonatige,  beiden  Teilen  zustehende  Kündigung. 

8.  Das  Annahmeschreiben  gilt  als  Vollmacht  bezw.  Auftrag  zum  Betreten 
der  städtischen  Schulgmndstücke  einschlielslich  der  dem  Schulbetriebe 
gewidmeten  Räumlichkeiten,  doch  hat  er,  so  oft  ihn  sein  Dienst  in  eine 
Schule  führt,  zunächst  den  Schulvorsteher  bezw.  Stellvertreter,  falls  diese 
anwesend  sind,  aufzusuchen. 

9.  Die  Abänderung  und  Ergänzung  dieser  Anweisung  bleibt  vorbehalten. 

Frankfurt  a.  0.,  den  29.  April  1901. 
Der  Magistrat. 
Adolph  Fbaktz. 


Sehulärztliche  Verwaltungs-  und  Jahresberichte. 

Diejenigen  Herren  Schulärzte  bezw.  Obmänner  i^ulärztHeher  KoUegien 
des  In-  und  Auslandes,  deren  Verwaltungsbehörde  einen  regelmässigen 
gedruckten  schulärztUehen  Verwaltungsbericht  oder  Jahresbericht  heraus^ 
gibt,  werden  ergebenst  gebeten^  ihre  Adressen  dem  Unterzeichneten  mit' 
zuteilen. 

Der  Unterzeichnete  wird  diese  Adressen  in  einer  laufendfortgefiihrten 
Idste  vereinigen  und  in  der  Zeitschrift  für  Sekulgesundheitspflege  periodis^ 
zur  VeröfferUliehung  bringen.  Es  kann  dann  nach  dieser  Liste  der  Aus- 
tausch von  Berichten  zwischen  den  einzelnen  Herausgebern  regebnässig 
erfolgen.  Bei  der  Wichtigkeit,  welche  ein  solcher  gegenseitiger  und  regel- 
mässiger Austausch  für  die  einheitUehe  Entwicklung  des  schulärzttiehen 
Dienstes  hat,  dürfte  eine  recht  rege  Talnahme  sehr  erwünscht  sem. 

Dr.  OEBBECKE, 

Stadtarxt, 
BRESLAU,  Bureau:  Nikolaistadtgraben  25. 


Iritfilrif)  fax  3iß\if^mV^\ii4t^t 

XVin.  Jahrgang-  1905.  No.  5. 


(bxi%xnaUb}ianUunitn. 


^pie  praktiflchcoi  Sehwierigkeiten  bei  der  Beftriedignng 
der  hygienitehen  Forderungen  an  die  Snbsellien. 

(Resultate   einer  üntersnohung  in  Schalen  nut  „NormaLBubsellien^.) 

Von 

Dr.  Gb.  Rostowzbff, 
Sanitätsarzt  der  Goavemementslandschaft  in  Hotkao« 

Die  Frage  der  BeschafPang  hygienisch  konstruierter  Schulbänke 
bildet  gewils  auch  heute  noch  einen  der  wichtigsten  Abschnitte  der 
Schulgesundheitspflege.  Es  ist  dies  durchaus  verständlich  schon  des- 
halb^  weil  diese  Frage  bis  jetzt  noch  keine  endgültige  Lösung  ge- 
fanden hat.  In  wissenschaftlicher  Beziehung  —  theoretisch  —  kann 
zwar  die  Subsellienfrage  mehr  oder  weniger  als  erledigt  gelten,  denn 
tatsächlich  sind  die  Normen,  denen  die  Schulbänke  Genüge  leisten 
sollen,  schon  längst  festgelegt.  Anders  aber  yerhält  es  sich  mit 
Bezug  auf  die  praktische  Durchführung  der  wissenschaftlichen  Forde- 
rungen. Man  kann  wohl  mit  Becht  sagen,  dafe  hier  die  Subsellien- 
frage  noch  weit  entfernt  ist  von  ihrer  befriedigenden  Lösung,  ob- 
gleich in  letzter  Zeit  diejenigen  Schulen,  in  denen  mehr  oder  weniger 
eine  schulhygienische  Beaufsichtigung  stattfindet,  fast'  durchwegs  mit 
sogenannten  rationellen  Schulbänken  dieser  oder  jener  Konstruktion 
versorgt  worden  sind. 

Diese  Behauptung  wird  durch  die  Untersuchung  bestätigt,  welche 
ich  in  41  Volksschulen  mit  dreijährigem  Kursus  im  Kreise  Dmitroff 
(Grouvernement  Moskau)  vorgenommen  habe,  die  alle  mit  nach  den 
Angaben  von  Prof.  Ebismakn  konstruierten  Schulbänken  versehen  sind. 

Die  Untersuchung  wurde  ohne  vorherige  Benachrichtigung  des 
Lebrpersonals  vorgenommen;  doch  hatte  das  letztere  in  dem  dem 
betreffenden  Schuljahre  vorausgegangenen  Sommer  während  des  Be- 

Sebolgetandheitspflege.  XVIII.  18 


240 


suohes  eines  pädagogischen  Fortbildungsknrses  auch  Vorlesungen  über 
Schulgesundheitspflege  angehört  und  war  infolgedessen  mehr  oder 
weniger  eingehend  mit  den  Anforderungen  der  Hygiene  an  die 
Schulbänke  vertraut. 

Das  ganze  in  41  Schulen  gesammelte  Material  ist  f£Lr  jede 
Schule  einzeln  bearbeitet  worden.  Im  yorliegenden  Auszug  aus 
dieser  Arbeit  führen  wir  nur  die  gewonnenen  Endresultate  an. 

Tabelle  I. 

Allgemeine  Obersieht  über  die  Grappiernog  der  Kinder  nach  ihrer 

Körpergrtljse   nnd  über  die  Orappiernng  der  Sebolblnke   nach 

Nnmmern  in  allen  untersuchten  Schulen. 


In  der  Schale  vorhan- 
dene Schulbänke   ver- 
schiedener Nammem 
des  Systems  EauMAinr 
(1144) 

Anzahl  der  Schul- 
kinderpaare,  in  ihre 

entsprechenden 
Gh^isengruppen  (nach 
Erismann)  eingeteilt 

Minus  (— )  oder  Plus  (+) 

an  Schulbänken 

der  entsprechenden  Nummern 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

1 

2 

8 

4 

5 

6 

7 

113 

385 

398 

173 

88 

42 

— 

118 

388 

292 

54 

8 

7 

1 

-5 

-3 

-1-101 

-fll9 

-h30 

+35 

— 1 

Die  erste  Rubrik  der  Tabelle  gibt  die  Anzahl  der  Schulbänke 
des  Normalsystems,  welche  der  (jtesamtzahl  der  Schulen  zur  Ver- 
fügung stehen,  an.  Diese  Schulbänke  sind  nach  ihren  G-röisenverhält- 
nissen  in  sieben  Gruppen  eingeteilt,  wie  es  die  folgende,  von  Eribmann 
angegebene  Tabelle  bestimmt. 


Tabelle 

II  (nach  Eeibmann). 

Höhe 

Breite 

Höhe 

der 

Lehne 

über 

Körper- 

der 
vor- 

der 
hin- 

Diffe- 

Bank- 

des ge- 
neigten 

des 

horizon 

talen 

Tisch- 

Minus- 

länge 

deren 

teren 

renz 

höhe 

Teiles 

Teiles 

länge 

Distanz 

der 

Tiach- 
kinte 

Tiach- 
kante 

Tisch- 
platte 

der 
Tisch- 
platte 

Sitz- 
bank 

109-119 

Ö6,5 

48.6 

18,5 

do 

40 

10 

110 

—5 

18,5 

120-130 

m 

Ö4 

20 

34 

40 

10 

110 

-6 

20 

131^141 

67,5 

59^ 

21,6 

38 

40 

10 

120 

-5 

21,5 

142-152 

73 

65 

23 

42 

40 

10 

120 

-6 

23 

163^163 

78,6 

70,6 

24,5 

46 

40 

10 

120 

-5 

24,5 

164^174 

85     , 

76      1 

26 

50 

45 

10 

120 

-6 

26 

17Ö  üiw. 

91 

83 

28 

67 

45 

10 

120 

-5 

28 

241 

Ans  der  zweiten  Bnbrik  der  Tabelle  I  ersieht  man,  wie  die 
Sehnlkinder  ihrem  KOrpennalse  entepreehend  sich  in  die  yersohiedenen 
GrOisengnippen  (nach  der  Tabelle  II)  einteilen.  Die  Angaben 
dieser  Bnbrik  können  selbstverständlioh  anoh  darauf  hinweisen, 
wie  yiele  Snbsellien  der  einzelnen  Nnmmem  ftlr  das  betreffende 
Sehülerkontingent  nötig  sind.  Ein  Vergleich  der  Zahlenreihen  der 
ersten  und  zweiten  Rubrik  der  Tabelle  ergibt  dann  den  Mangel  oder 
anderseits  den  Überfluis  an  dieser  oder  jener  Nummer  von  Schul- 
bänken, wie  es  in  der  dritten  Bubrik  der  Tabelle  dargestellt  ist. 

Aus  den  Zahlen  der  Tabelle  I  ersehen  wir,  dafs  im  ganzen  in 
allen  41  Schulen  den  Bedürfnissen  der  Körperlänge  entsprechend 
fbnf  Schulbftnke  der  ersten  Nummer,  drei  Sdiulbftnke  der  zweiten 
und  eine  Schulbank  der  siebenten  Nummer  fehlen.  Mit  anderen 
Worten,  es  scheinen  im  ganzen  18  Schulkinder  in  dieser  Hinsicht 
unbefriedigt  zu  bleiben,  was  im  Verhältnis  zur  Gesamtzahl  der  Kinder 
in  allen  41  Schulen  (1666)  den  geringen  Prozentsatz  von  nur  1,08 
ausmacht. 

Auf  Grund  der  gegebenen  Gesamtzahlen  für  alle  Schulen 
könnte  man  also  annehmen,  dafs  dieselben  in  richtiger  Weise  mit 
normalen  Schulbänken  versorgt  seien,  so  dafs  die  Schulkinder  sich 
ihrem  Körpermals  entsprechend  mehr  oder  weniger  regelrecht  an 
den  Schultischen  placieren  können. 

Zur  richtigen  Beurteilung  des  eben  Gesagten  verfügen  wir  über 
ein  Material,  das  die  Körpergrö&e  jedes  einzelnen  Schulkindes  und 
die  Subselliennummer,  welche  das  Schulkind  zur  Zeit  der  Unter- 
SQchung  der  Schule  durch  den  Arzt  einnahm,  feststellt.  Das  Er- 
gebnis der  statistischen  Bearbeitung  dieses  Materials  befindet  sich  in 
unstehender  Tabelle. 

Die  Tabelle  zeigt,  dab  das  Gröisenmafs  der  Schulbänke  mit 
dem  Körpermals  der  Schulkinder  in  30,97%  aller  Fälle  voll- 
kommen übereinstimmt,  dals  aber  diese  Übereinstimmung  in  69,03  7<^ 
der  Fälle  fehlt.  Allerdings  macht  die  Differenz  zwischen  der  dem 
Körpermafse  der  Schulkinder  entsprechenden  und  der  wirklich  von 
ihnen  benutzten  Schulbank  bei  45,20%  der  Gesamtzahl  der  Schul- 
kinder nur  eine  Subselliennummer  aus;  aber  doch  sitzen  und  ar- 
beiten 23,83%  der  Gesamtzahl  der  Schulkinder  an  Schul- 
bänken, deren  Gröfsenverhältnisse  um  zwei  und  mehr 
Nummern  gröfser  oder  kleiner  sind  als  diejenigen,  die 
dem  Körpermafse  der  betreffenden  Kinder  entsprechend 
erforderlich  wären.     Schon  dieser  Umstand  allein,  dafs  fast  ein. 

13* 


242 


Tabelle  IH. 
ÜbereiBstiBiniiiig  iwigehen  KSrperwnelui  iiii4  SabaelUeBinuMt 

in  41  S«liHleB. 


Kna- 
ben 

Mäd- 
oben 

Im 
ganzen 

Kna- 
ben 

•/o 

Mad- 
eben 

•/o 

Im 
gfansen 

Zahl  der  Schalkinder,  deren  Körper- 

länge und  Schulbänke  gemeasen 

wnrdeD 

1102 

564 

1666 

100 

100 

100 

Zahl  der  Schulkinder,   deren   Sub- 

selliennummer  mit  derjenigen,  die 

ihrer     Körpergrö&e     entspricht, 

übereinstimmt 

363 

163 

616 

82,03 

28^ 

8ojn 

Zahl    der  Schulkinder,    bei    denen 

diese  Übereinstimmung  nicht  statt- 

749 

findet 

401 

1150  1  67,96 

51,09 

09,01 

Zahl   der  Schulkinder,    deren  Sub- 

sellium    um  eine  Nummer    Yon 

dem    ihrem    Korperwuehs    ent^ 

sprechenden  abweicht 

485 

268 

758 

44,01 

47,61 

45,20 

Zahl  der  Schulkinder,   deren  Sub- 

sellium  um  zwei  Nummern  von 

dem  richtigen  abweicht 

184 

99 

288     16,96 

17,65 

16,00 

Zahl  der  Schulkinder,    deren  Sub- 

sellium  um  drei  Nummern  von 

dem  richtigen  abweicht 

58 

18 

76       5^6 

3,19 

M« 

Zahl  der  Schulkinder,   deren  Sub- 

sellium  um  mehr  als  drei  Num- 

mern von  dem  richtigen  abweicht 

22 

16 

88 

1,99 

2,83 

tfi 

Viertel  der  Sohulkinder  gezwungen  ist,  auf  Schulbänken  zn  eitEen, 
deren  Qrölsenyerhältnifise  denjenigen  ihrer  Körperteile  um  zwei  und 
mehr  Nummern  nicht  angepa&t  sind,  hat  eine  weittragende  hygräiisehe 
Bedeutung.  Es  fragt  sieh  aber,  ob  wir  das  Recht  haben,  jene 
Elategorie  der  Sohulkinder,  bei  denen  die  Nichtübereinstimmung  der 
Yorhandenen  Subselliennummer  mit  der  für  sie  nach  ihrem  Körper- 
mause  erforderlichen  nur  in  einer  Nummer  besteht,  aolser  acht  so 
assen?  Ich  bin  überzeugt,  dafs  schon  diese  Differenz  keine  gwingi 
st,  sondern  dab  ihr  eine  gewisse  gesundheitliche  Bedeutung  zukommt 
Zu  dieser  Meinung  haben  mich  folgende  Erwägungen  geführt. 

Es  ist  allgemein  bekannt,  dals  die  Gröisenverhältnisse  der  yei 
schiedenen  Subselliennummem  auf  die  Durohschnittsmafise  gewiasei 
Körperteile  des  kindlichen  Organismus  (Unterschenkel,  Obersehenkel 


243 

Ereiugegend,  Höhenlage  des  Ellenbogens)  der  betreffenden  Grölaen- 
gmppe  berechnet  sind.  Nnn  können  aber  im  Einzelfalle  die  indi- 
Tidnellen  Abweichnngen  vom  DorohsohnittsmaTs  mehr  oder  weniger 
beträchtlich  sein.  Den  Beweis  hierfür  habe  ich  schon  früher  in 
einem  anf  Tatsachen  und  Zahlen  beruhenden  Bericht  gebracht.^ 
Daraus  ist  zu  ersehen,  daüs  in  konkreten  FftUen  das  Schulkind  schon 
danmter  etwas  leidet,  dafs  es  genötigt  ist,  sich  mit  dem  individuellen 
GrOüsenmaüs  seiner  Körperteile  den  Durchschnittsmalsen  des  ent- 
sprechenden Subselliums  aneupassen.  Dieser  Übektand  muls  sich 
natürlich  noch  verstärken,  sobald  das  Schulkind  während  der  Arbeit 
nicht  eine  Schulbank  mit  Durchsohnittsmaben,  die  im  allgemeinen 
seiner  Körpergrö&e  entsprechen,  einnimmt,  sondern  eine  solche, 
deren  Durohsohnittsmalse  für  Kinder  von  gröüserer  oder  kleinerer 
EOrpergrölse  berechnet  sind. 

Doch  unabhängig  von  diesen  ESrwägungen  wollen  wir  uns  klar 
zu  machen  suchen,  welche  gesundheitliche  Bedeutung  eine  Differenz 
von  nur  einer  Nummer  zwischen  dem  erforderlichen  und  dem 
wirkUch  vorhandenen  Subsellium  haben  mag. 

Setzen  wir  den  Fall,  dals  für  ein  Schulkind  die  zweite  Nummer 
des  Subselliensystems  von  Prof.  Ebishann  erforderlich  ist,  dafs  also 
z.  B.  die  Höhe  der  hinteren  Tischkante  54  cm,  die  Sitzhöbe  34  cm, 
die  „Differenz*'  und  Lehnenhöhe  20  cm  usw.  betragen  sollte.  Setzt 
sieh  dieses  Kind  auf  eine  Schulbank  Nr.  1  oder  Nr.  3,  so  wird  die 
flöhe  der  hinteren  Tischkante  von  der  ihm  erforderlichen  um  4,5 
oder  5,5  cm  abweichen,  die  „Differenz**  und  Lehnenhöhe  um  1,5  cm, 
die  Sitzhöhe  um  4  cm.  Genau  solche  Abweichungen  erhalten  wir 
bei  verschiedenen  anderen  Kombinationen,  die  den  soeben  angeführten 
gleichen;  z.  B.  bei  Benutzung  der  Schulbank  Nr.  5,  wenn  Nr.  4  oder 
Nr.  6  erforderlich  wäre.  Der  Mafstmtersohied  von  4,5  oder  sogar 
von  5,5  cm  ist  natürlich  kein  geringer,  und  wenn  z.  B.  die  Sitzbank 
mn  einen  solchen  Höhenunterschied  von  der  für  das  Kind  not- 
wendigen abweicht,  so  werden  seine  Füise,  statt  horizontal  auf 
dem  Fdsbrett  zu  ruhen,  entweder  in  der  Luft  baumeln  und  sich 
tnf  die  Zehen  stützen,  oder  aber  es  werden,  bei  zu  niedriger  Höhen- 
1^  der  Sitzbank,  die  Oberschenkel  gehoben  und  keine  Horizontal- 
Isge  einnehmen.  Kurz  gesagt,  die  Grenzen  der  Schwankungen  in 
den  Gröüsenmaisen  der  Subsellienteile  sind  in  einem  solchen  Falle 
niobt  80  eng,  dafs  man  es  gering  schätzen  könnte,  wenn  das  Schul* 


'  S.  diese  Zeitschrift,  Jahrg.  1900,  8.  295  ff. 


244 

kind  genötigt  ist,  eine  Schulbank  einzonehmen,  die  seiner  Körper- 
lange  nicht  entspricht,  sei  es  auch  nnr  nm  eine  Nummer.  Die  Zahl 
solcher  Schulkinder  belftnft  sich  in  unserer  Statistik  (siehe  Tabelle  TTT) 
auf  46,20  7o. 

Eine  noch  weittragendere  gesundheitliche  Bedeutung  erhält  der 
Fall,  wenn  die  NichtfLbereinstimmung  zwischen  dem  benutzten  Schul- 
tisch  und  dem  theoretiBch  erforderlichen  zwei  Subselliennummem 
betragt.  Es  ist  dann  die  hintere  Tischkante  um  11  cm  höher  oder 
niedriger  als  erforderlich,  die  „ Differenz"  und  die  Lehnenhöhe  um 
3  cm,  die  Sitzbank  sogar  am  8  cm  —  alles  Grölsen,  welche  für  eine 
richtige  Körperhaltung  sehr  in  Betracht  fallen. 

Es  ist  wohl  kaum  nötig,  auf  die  noch  grölseren  Übelstftnde  hin- 
zuweisen, die  dann  entstehen,  wenn  die  Nichtübereinstimmung  zwischen 
der  erforderlichen  und  der  tatsächlich  benutzten  Schulbank  drei  oder 
mehr  Subselliennummem  beträgt. 

Wir  sind  folglich  zu  sagen  verpflichtet,  dafs  in  unseren 
Schulen,  auch  in  solchen,  die  mit  sogenannten  rationellen, 
normal  konstruierten  Schulbänken  versorgt  sind,  immer- 
hin nicht  weniger  als  69,03%  der  Schulkinder  (siehe  Ta- 
belle ni)  Schulbänke  einnehmen,  die  ihrer  Körpergröfse 
nicht  angepafst  sind.  Dieser  Umstand  muis  natürlich  als  ein 
sehr  unangenehmer  anerkannt  werden,  denn  augenscheinlich  werden 
die  Bemühungen,  die  Schulen  mit  normalen  Schulbänken  zu  ver- 
sorgen, sowie  der  dafür  gemachte  Kostenaufwand  nicht  in  erwünschter 
Weise  belohnt. 

Ich  will  dem  eben  Gesagten  nur  noch  hinzufügen,  dafs  bei  uns 
die  Knaben  sich  in  dieser  Hinsicht  in  etwas  besseren  Verhältnissen 
befinden  ak  die  Mädchen  (siehe  Tabelle  III). 


Gehen  wir  jetzt  zum  wesentlichsten  Teil  unserer  Arbeit  über  — 
zur  Klarlegung  der  Ursachen,  welche  die  soeben  erwähnte  unliebsame 
Erscheinung  hervorgerufen  haben. 

Als  wahrscheinlichste  dieser  Ursachen  erachten  wir  vor  allem 
die  unrichtige  Gruppierung  der  Subselliennummem,  in  den  einzelnen 
Klassen  oder  Schulen.  In  der  Tat  ist  bis  heute  keine  mehr  oder 
weniger  befriedigende  Richtschnur  für  die  Versorgung  der  Schul- 
klassen mit  normalen  Schulbänken  in  richtigem  Zahlenverhältnis  der 
einzelnen  Subselliennummem  vorgeschlagen  worden. 

Und  doch  mü&te  es  nicht  so  schwer  sein,  eine  derartige  Richt- 
schnur zu  finden.    Man  hätte  nur  die  Körpergröfse  aller  Schulkinder 


246 

zn  bestimmen  and  das  Messnngsergebnis  in  Gruppen  zu  teilen,  die 
den  vorhandenen  Grölsennummem  eines  beliebigen  Subselliensjstems 
entsprechen  (in  unserem  Falle  z.  6.  in  Gruppen,  die  dem  oben  an- 
gefahrten System  von  Prof.  Ebismann  entsprechen).  loh  habe  diese 
Bestimmung  gemacht  und  das  Resultat  in  der  zweiten  Rubrik  der 
Tabelle  I  angeführt.  Es  ergibt  sich,  dafa  in  41  Schulen  in  die  erste 
Gruppe  (109 — 119  cm)  118  Paar  Schulkinder  fallen,  in  die  zweite 
388  Paar  usw.  Lassen  wir  die  fünfte,  sechste  und  siebente  Gruppe 
der  geringen  Zahl  der  Fälle  wegen  weg,  so  erhalten  wir  für  die 
eisten  yier  Gruppen  folgende  Zahlenreihe  (ftlr  die  41  Schulen): 
118:388:292:64. 

Reduzieren  wir  diese  Zahlen,  indem  wir  die  kleinste  von  ihnen 
~  54  —  als  gemeinschaftlichen  Divisor  nehmen,  so  erhalten  wir 
folgende  Reihe: 

2,2:7,2:5,4:1. 

Der  gröiseren  Einfachheit  wegen  können  wir  ganze  Zahlen 
setzen  und  erhalten  dann: 

2:7:5:1. 

Das  bedeutet,  daüs  auf  Grund  der  bei  der  Einteilung  der  Schul- 
kinder in  GröIscDgruppen  erhaltenen  Resultate  (Mittelzahlen)  die 
Anzahl  der  Kinder  in  der  ersten,  zweiten,  dritten  und  vierten  Gruppe 
sich  verhält  wie  2  zu  7  zu  5  zu  1.  Wir  müssen  also,  um  zu  er- 
&hren,  wieviel  Schulbänke  der  verschiedenen  Nummern  für  die  be- 
treffende Schule  (oder  Klasse)  erforderlich  sind,  die  Hälfte  der 
Gesamtzahl  der  Schulkinder  in  Gruppen  einteilen,  die  untereinander 
in  einem  Verhältnis  stehen,  welches  der  obigen  Zahlenreihe  entspricht. 

Wenn  wir  jetzt,  nachdem  wir  über  diese  Verhältniszahlen 
verfügen,  sie  mit  der  wirklichen  Einteilung  der  Subsellien- 
nummem  in  den  von  uns  untersuchten  Schulen  vergleichen  (siehe 
Tabelle  I),  so  finden  wir,  dais  in  den  zu  vergleichenden  Zahlen- 
reihen die  einzelnen  Zahlen  untereinander  in  verschiedenem  Verhält- 
nisse stehen.  Wir  können  also  sagen,  dafs  die  Versorgung 
unserer  Schulen  mit  Schulbänken  eines  normalen  Systems 
im  Sinne  des  erforderlichen  Zahlenverhältnisses  der 
einzelnen  Subselliennummern  keine  richtige  ist.  und  hier- 
aus folgt  als  selbstverständlich,  dals  den  Anforderungen  der  Schul- 
gesundheitspflege bezüglich  eines  richtigen  Setzens  der  Schulkinder 
nicht  Genüge  geleistet  werden  kann.  Damit  könnte  man  auch  auf 
den  ersten  Blick  die  ungünstigen  Resultate  unserer  Untersuchung 
erklären.     Allein  es  ist  noch  unbekannt,  ob  wir  nicht  zu  demselben 


246 


Resultate  gekommen  wären,  wenn  unsere  Schulen  mit  Normal- 
subsellien  in  Übereinstimmung  mit  den  hier  berechneten  mittleren 
Yerhältniszahlen  versorgt  wären. 

In  der  Tat»  sobald  wir  diese  Yerhältniszahlenreihe  mit  der  wirk- 
lichen Einteilung  der  Schulkinder  nach  Grölsengruppen  in  den  ein- 
zelnen Schulen  vergleichen,  so  finden  wir  auch  keine  Überein- 
stimmung. Da  nun  aber  die  Frage  der  richtigen  Versorgung  der 
Schulen  mit  normal  konstruierten  Schulbänken  eine  sehr  ernste  ist, 
so  wollen  wir  die  Mühe  nicht  scheuen,  uns  ein  allgemeines  Bild  der 
Versorgung  der  Schulen  in  Übereinstimmung  mit  der  Verhältnis- 
Zahlenreihe  2:7:5:1  vorzufbhren. 

Entwerfen  wir,  gleich  der  ersten,  eine  neue  Tabelle,  iu  welcher 
wir  jedoch  an  Stelle  der  ersten  Rubrik  diejenige  der  theoretischen 
(nach  der  Berechnung  der  Endsummen)  Einteilung  der  Schulbänke 
nach  Systemnummem  setzen,  während  die  zweite  Rubrik  unverändert 
bleibt  und  die  dritte  sich  in  Abhängigkeit  von  der  ersten  ändert. 

Tabelle  IV  (im  Auszug  angeführt). 
Resultate  der  Befriedigung  der  Ferdemngen  der  Schulgesundheits- 
pflege  bei  der  Versorgung  der  Schulen  mit  Schulbänken  im  Ver- 
hältnis ihrer  Zahl  nach  Nummern,  wie  2:7:5:1. 


Theoretisch  nötige  Zahl 
der  Schulbänke 

In  Wirklichkeit 
erforderliche  Zahl  der          Minus  (— ),  Plus  (+) 
Schulbänke 

1 

2 

3 

4  1  5    6 

7 

1 

2 

8 

4 

5 

6 

7  II  1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

116 

404 

292 

79 

— 

— 

— 

118 

388 

292 

54 

8 

7 

1L2 

+16 

0 

+26 

-8 

-7 

— 1 

Vergleichen  wir  die  Endsummen  der  zwei  ersten  Rubriken  dieser 
Tabelle  (bis  und  mit  Gruppe  4),  so  bemerken  wir,  dafs  hier  nur  eine 
unbedeutende  Zahl  der  Schulkinder,  und  zwar  36  in  41  Schulen, 
unbefriedigt  bleibt,  während  in  der  Praxis  (siehe  Tabelle  I)  nach  der 
Berechnung  der  Endsummen  im  ersten  Fall  242  und  im  zweiten 
18  unbefriedigt  geblieben  sind. 

Der  günstigere  Sachverhalt  des  zweiten  Falles  der  wirklichen 
Einteilung  der  Schulbänke  in  den  Schulen  im  Verhältnis  zu  den 
theoretischen  (nach  den  gegebenen  Endsummen)  kann  man  mit  der 
gröiseren  Anzahl  derselben  im  Vergleich  zum  Bedürfnis  im  ersten 
Fall  und  der  fast  bis  auf  das  genaueste  ausgeführten  theoretischen 
Berechnung  bei  der  Versorgung  der  Schulen  mit  Schulbänken  er- 
klären.    Im   ersten  Fall   (Tabelle  1)  haben  wir  wirklich  1144,   im 


247 

sweiten  (Tabelle  IV)  aber  nur  891,  d.  h.  um  253  weniger  Schul- 
bänke, und  deesenungeachtet  hat  sich  die  Sachlage  nnr  nm  ein 
Weniges  yerschlimmert. 

Kurz  gesagt,  bei  der  Yersorgang  der  Schulen  mit  Schulbänken 
nach  Berechnung  der  Proportionalteilung  der  Hälfte  der  Schulkinderzahl 
durch  2:7:5:1  erhalten  wir,  nach  den  Endsummen  zu  urteilen,  im 
allgemeinen  in  einer  grolsen  Anzahl  Schulen  gleichsam  ein  Re- 
sultat, das  den  schulhygienischen  Forderungen  entspricht. 

Allein  die  DurchfQhrung  der  hygienischen  Aufgaben  dart  keines- 
wegs nur  darin  bestehen,  dafs  man  bestrebt. ist,  den  Durchschnitts- 
▼erhaltnissen  zu  genügen»  Es  muüs  eine  genauere  Individuali- 
sierung eintreten,  weil  sonst  das  Ganze  leidet.  Dies  können  wir  in 
unserem  Fall  wirklich  beobachten. 

Lenken  wir  jetzt  unsere  Aufmerksamkeit  auf  die  Schulkinder- 
zahl, die  keine  ihren  BedQrfnissen  angepafste  Schulbank  benutzen 
würden,  falls  die  Schulen  mit  Schulbänken  nach  der  von  uns  an- 
genommenen theoretischen  Berechnung  versorgt  worden  wären. 
Hierzu  zählen  wir  die  Minusse  in  den  beiden  letzten  Spalten  der 
Tabelle  lY  (einer  vollen  Tabelle,  die  hier  nur  im  Auszug  angeführt 
wird)  zusammen. 

Nach  dieser  Tabelle  erhalten  wir  folgendes  Bild: 

Tabelle  V. 

Kiekt  ausreichende  Zahl  der  Sehaltisehe  bei  der  Verserfnuig  der 

Sehiltn  mit  Sehnltisehen  in  Übereinstimmiuig  mit  den  VerbUtnis- 

zahlen  2  : 7 : 5  : 1  (in  41  Sehnlen). 


Nunmem  der  Sobnltische 1 

Anzahl  derselben 74 


104 


78 


7|  Im  gansen 
1  272 


Bei  der  Betrachtung  dieser  Zahlen  finden  wir,  dais  das  Resultat 
ein  wenig  günstiges  ist,  da  die  Anzahl  der  Schulkinder,  die  kein  für 
sie  passendes  Subsellium  haben,  272  X  2  «=  544  ist,  d.  h.  fast  ein 
Drittel  der  Ghesamtzahl.  Hierbei  muls  man  nicht  aufser  acht  lassen, 
dals  in  vielen  Fällen,  infolge  verschiedener  pädagogischer  Rücksichten, 
es  ttidit  möglich  ist,  den  Schulkindern  die  ihren  Bedürfnissen  genau 
ftngepabte  Schulbank  anzuweisen.  Deswegen  mufe  in  der  Tat  die 
oben  angeführte  Zahl  noch  grölser  sein,  selbst  dann,  wenn  die 
Lehrer  dieser  Sache  grofse  Aufinerksamkeit  schenken.  Hiermit  erklärt 
sich  natürlich  auch   in  imserem  Fall  der  namhaft  höhere  Prozent- 


248 

satz  der  Schulkinder,  welche  ihren  Bedür&issen  nicht  entsprechende 
Schulbänke  in  Gebrauch  haben. 

Auf  diese  Weise  kann  auch  die  Versorgung  der  Schulen  mit 
Schulbänken  nach  der  oben  ausgeführten  theoretischen  Berechnung 
der  Verhältniszahlen  nicht  den  Forderungen  der  Schulgesundheite- 
pflege entsprechen.  Diese  Verhältniszahlen  können  sich  zwar  bei 
Bestimmung  derselben  aus  um&ngreicherem  Material  etwas  ändern« 
jedoch  würde  es  schwer  fallen,  unter  Berücksichtigung  des  Sohüler- 
bestandes  jeder  einzelnen  Schule  eine  mehr  oder  weniger  bedeutende 
Verbesserung  zu  erwarten. 

Fassen  wir  zum  Schlüsse  die  Folgerungen,  die  meiner  Vorstellung 
nach  aus  dieser  Arbeit  hervorgehen,  zusammen: 

1.  Die  Versorgung  der  Schulen  mit  Normalsubsellien  wird  in 
den  Volksschulen  der  Landschaft  Dmitroff  nicht  in  richtiger  Weise 
vorgenommen.  Es  kommt  dies  hauptsächlich  daher,  dab  eine  Richt- 
schnur für  die  Bestimmung  der  nötigen  Anzahl  von  Schulbänken 
jeder  einzelnen  Nummer  fehlt. 

2.  Eine  richtige  Lösung  dieser  Frage  stölst  auf  beträchtliche 
Schwierigkeiten  dank  der  starken  individuellen  Differenzen  in  der 
Gruppierung  der  Schulkinder  nach  der  KörpergröJse  in  den  einzelnen 
Schulen  (oder  Klassen). 

3.  Infolge  dieser  beiden  Ursachen  erhalten  wir  die  bedeutende 
Schulkinderzahl,  die  in  den  von  uns  untersuchten,  mit  normalen 
Schulbänken  versorgten  Schulen  Subsellien  benutzen,  welche  ihrer 
individuellen  Eigenart  nicht  angepaist  sind.  Die  Zahl  dieser  Kinder 
belauft  sich  im  ganzen  in  allen  Schulen  auf  69,03%.  Dabei  arbeiten 
23,83^0  der  Gesamtzahl  an  solchen  Sohultischen,  welche  von  dem 
erforderlichen  GröÜBenmals  um  zwei  und  mehr  Nummern  nach  der 
Seite  des  Minus  oder  des  Plus  differieren. 

4.  Die  Anzahl  der  Mädchen,  welche  keine  für  sie  genau  ange- 
pafste  Schulbänke  haben,  ist  gröiser  als  die  entsprechende  Zahl  der 
Knaben. 

5.  Die  vollständige  Befriedigung  der  schulhygienischen  Forde- 
rungen ist  nur  möglich  bei  der  Versorgung  der  Schulen  mit  Schul- 
bänken, deren  Gröfsenmalse  verstellbar  sind,  da  hierbei  die  Möglichkeit 
gegeben  ist,  die  Mafsverhältnisse  der  Subsellienteile  in  Übereinstimmung 
mit  denjenigen  der  Körperteile  der  Schulkinder  zu  bringen  (yoUe 
Individualisierung). 


249 


Vierter 
Seohenschaftsbericht  des  Vereins  ,,Einderschntsstationen''. 

Yeremajahr  1904  (vom  1.  Januar  bis  31.  Dezember  1904). 

Von 

Direktor  Emakuel  BAYB-Wien. 

Der  Verein  »Kindersohntzstationen''  ist  eine  Schöpfung  des 
nenen  Jahrhunderts,  er  ist  eine  köstliche  Frucht  des  charitativen 
Kongresses,  der  im  Frühjahre  1900  in  Wien  tagte.  Die  Anstalten 
dieses  Vereins  gliedern  sich  in: 

1.  Tagesheimstätten. 

Diese  dienen  ftlr  unbeaufsichtigte  schulpflichtige  Kinder,  deren 
Eltern  entweder  aulser  Haus  ihren  schweren  Berufsarbeiten  nach- 
geben oder  die  in  ihren  engen  Wohnräumen  ihre  Arbeitsstätte  haben. 
Die  Heimstätte  ist  an  allen  Wochentagen  tod  7  Uhr  früh  bis  7  Uhr 
abends  geöffnet.  Die  Kinder  befinden  sich  dort  während  der  schul- 
freien Stunden,  die  sie  sonst  auf  der  Gasse  oder  unbeaufsichtigt  zu 
Hanse  yerbringen  würden,  unter  der  liebeFoUen  Aufsicht  einer  tüch- 
tigen Lehrkraft  oder  ehrwürdiger  Schwestern. 

An  Sonntagen  bleibt  die  Heimstätte  geschlossen,  denn  an  arbeits- 
freien Tagen  den  Eltern  die  Kinder  zu  entziehen,  hielse  sie  ihnen 
entfremden  oder  das  Gefühl  der  Eltempflicht  abstumpfen. 

In  der  Heimstätte  ersetzt  die  Leiterin  die  Mutter.  Wenn  es 
not  tnt,  kämmt  und  wäscht  sie  morgens  die  Kinder,  sorgt  für  reini- 
gende Bäder,  was  ein  yollständig  eingerichtetes  Badezimmer  ermög- 
licht, und  hält  auch  teilweise  die  Kleider  in  Ordnung.  Dir  obliegt 
die  Aufidcht  über  die  Küche  und  die  Führung  des  Hauswesens;  sie 
beschäftigt  die  Kinder  in  nützlicher  Weise,  hält  sie  zum  Lernen  an 
tmd  leitet  ihre  Spiele  und  Bewegungen  im  Freien. 

Jedes  Eand  erhält  in  der  Heimstätte  folgende  Mahlzeiten: 

Vormittags:  ein  Stück  Brot 

Mittags:  Suppe  und  eine  ausgiebige  Speise,  wie  Gemüse-,  Milch-, 
Hehl-  oder  Fleischspeise. 

Nachmittags:  V«  1  Milch  und  Brot. 

Für  die  Kost  sind  täglich  seitens  der  Angehörigen  10  Heller 
zu  entrichten.     Dieser   kleine  Betrag  reicht  selbstredend  nicht  aus 


260 

zur  DeokuDg  der  Kosten»  mid  muis  der  Verein  durehfiohnittlich  per 
Kind  jährlich  40  Kronen  darüber  hinans  zahlen,  wobei  nicht  berück- 
sichtigt wird,  dals  der  Beitrag  Yon  Seite  der  Kinder  gar  häufig 
überhaupt  nicht  eingebracht  werden  kann.  Die  Kinder  erwerbs- 
fthiger  Leute  unentgeltlich  zu  verköstigen,  läge  nicht  im  Sinne  des 
Vereins;  dieser  will  das  Prinzip  aufrechterhalten,  dals  die  Eltern 
stets  ihrer  Pflicht  eingedenk  bleiben,  fHi  den  Unterhalt  ihrer  Kinder 
zu  sorgen;  oft  aber  zwingen  die  Verhältnisse  zur  Nachsicht  auch 
gegenüber  den  Eltern. 

In  jeder  Vereinsstation  steht  der  Leiterin  als  treue  Ratgeberin 
und  Freundin  eine  sogenannte  Hausmutter  zur  Seite^  welche  als 
tätiges  Mitglied  des  Vereins  die  rege  Fühlung  mit  der  Zentrallaitnng 
herstellt;  überdies  genieist  jede  Anstalt  noch  das  Wohlwollen  einer 
Schutzfrau,  die  mit  hingebender  Liebe  und  warmem  Interesse  alle 
Vorkommnisse  verfolgt. 

n.  Scbutzstationen. 

Es  sind  dies  Asyle  für  ganz  oder  teilweise  verlassene  und  noküs- 
handelte  Kinder,  welche  vorübergeh^ad  und  in  vielen  Fällen  bis 
zum  vollendeten  14.  Lebensjahre  unter  dem  Schutze  des  Vereins  stehen. 
Vorübergehend  wird  ein  Kind  in  Pflege  genommen,  wenn  z.  B. 
dessen  Mutter  für  längere  Zeit  im  Spital  ist  oder  sich  in  Haft  be- 
findet. Dauernd  bleibt  ein  Kind  in  der  Schutzstation,  wenn  ee  voll- 
ständig verlassen  ist,  oder  wenn  dessen  häusliche  Verhältnisse  so 
traurige  sind,  dals  es  in  ernster  sittlicher  Gefahr  schwebt,  oder  wenn 
seinen  Eltern  wegen  Mifshandlung  die  elterliche  Gewalt  gerichtlich 
abgesprochen  wurde. 

Ein  Sohutzkind  kostet  dem  Verein  (gering  berechnet)  jährlich 
300  Kronen. 

m.   Erholungsstätten. 

In  diesen  vom  niederOsterreichischen  Landesausschusse  errichteten 
Anstalten  genielsen  kränkliche  Kinder,  welche  nach  Wien  oder 
Niederösterreich  zuständig  sind,  während  der  heiJsen  Sommermonate 
einen  gesunden  Aufenthalt  im  schönen  Wienerwald. 

Für  die  Verpflegung  der  Kinder  (in  den  Tageserholungsstätten 
in  Pötzleinsdorf  und  Hflkeldorf)  wurde  nach  Mafsgabe  der  Ver- 
mögens- und  Erwerbsverhältnisse  der  Eltern  eine  entsprechende  Ver- 
pflegungskostenzahlung erhoben,  und  zwar  für  einen  ganzen  Zahl* 
platz  1  Krone  täglich,  in  welchem  Betrage  die  Fahrtauslagen  für 
Hin-  und  Rückfahrt  (10  Heller  per  Fahrt)  nicht  inbegrififon  sind. 


251 

Für  einen  halben  Zahlplatz  inklnsive  Fahrspesen  täglich  36  Heller, 
„      viertel         „  „  „  „       30     „ 

„       „     Freiplatz  10  Heller  fiegiebeitrag. 
Schlielslich  waren  für  besonders  zu  berüoksichtigende  Fälle  eine 
beschränkte  Anzahl  Ganz-Freiplätze  (Stiftplätze)  geschaffen. 

Die  Verpflegung  der  zum  Aufenthalte  in  den  Erholungsstätten 
zugelassenen  Kinder  umfiEJste  die  Abgabe: 

a)  eines  Frühstückes  zwischen  8  und  9  Uhr  morgens; 

b)  eines  Mittagsmahles  um  12  Uhr; 

e)  einer  Jause  um  3  Uhr  nachmittags; 

d)  eines  Nachtmahles  um  Vs6  Uhr  abends. 

Es  wurde  verabreicht  pro  Kopf  als: 

Frühstück :  Vio  1  Milch,  Kaffee  oder  Kakao  mit  einem  Stück 
Weiüsbrot.  Mittagsmahl:  wenigstens  viermal  in  der  Woche  Vio  1  ein- 
gekochte Rindsuppe,  Vio  1  Gemüse,  6  dkg  Bindfleisch  in  gekochtem 
Zustande  ohne  Fett  und  Knochen,  eventuell  Braten,  Selchfleisch, 
Golyas,  Beuschel,  Brat-,  Leber-,  Blut-  oder  Augsburger  Würste  usw. 
Die  anderen  drei  Male:  Vio  1  falsche  Suppe  (eingekocht),  Vio  1  sog. 
ordinäre  Mehlspeise,  Backobst,  frisches  oder  geschmortes  Obst  (Obst- 
brei mit  Mehlspeise)  usw.  Jause:  Vio  1  Milch  oder  ein  Stück 
Butterbrot.  Nachtmahl:  Vio  1  Milchspeise,  Obst  und  Käse  mit  einem 
Stflck  Brot. 

Tagesordnung  an  einem  Wochentag: 

Von  8  bis  Va9  Uhr  Frühstück,  von  Va9.  bis  9  Uhr  Verlesen 
und  Abgabe  der  Tagesmarken,  von  9  bis  V*ll  Uhr  Jugendspiel, 
Modellieren  (Papparbeiten),  ^/»ll  bis  12  Uhr  Freibeschäftigung  oder 
Lektüre  (Vorjause),  12  bis  1  Uhr  Mittagessen,  l  bis  3  Uhr  Schlaf- 
standen, 3  bis  4  Uhr  Freibeschäftigung  und  Jause,  4  bis  Vs6  Uhr 
Lektüre,  Vorlesen,  Erzählen,  Gesang,  ^/s7  bis  7  Uhr  Nachtmahl, 
7  bis  V»8  Uhr  Entlassen  der  Kinder  resp.  gruppenweises  Fortführen. 

Im  Schutze  des  Vereins  standen: 
800  Kinder  in  seinen  10  Tagesheimstätten. 
150       »         „        n         3  Schutzstationen. 
210       n         n   anderen  Erziehungsanstalten. 
59      ,,         „    Familien  auf  dem  Lande. 
10      „       bei  Kostparteien  in  Wien. 

2200  r»  iii  zwei  vom  Vereine  betriebenen  Tageserholungs- 
stätten. 

Zusammen  also  3440  Kinder. 


252 


Uns  Herfattttttlttttgett  ttttb  Heretneit. 


Ober  Krampfkrankheiten  im  schulpflichtigen  Alter. 

Vortrag, 

gehalten    in    der    gemeinsamen    Sitzung    der    Deutschen 

Gesellschaft  für  öffentliche  G-esundheitspflege  in  Berlin 

nnd    des   Berliner  Vereins   für   Schulgesundheitspflege 

am  6.  Dezember  1904. 

Von 
Prof.  Dr.  Ziehen. 

Als  die  vier  Krampfkrankheiten,  die  für  das  schulpflichtige 
Alter  namentlich  in  Betracht  kommen,  bezeichnet  der  Vortragende: 
die  Epilepsie,  die  Hysterie,  den  Veitstanz  (Chorea)  und  den  Tic 
g^näral;  diese  Krankheiten  entstehen  oft  schon  in  frühester  Kindheit 
und  haben  ihre  Ursache  entweder  in  organischen  Hirnerkrank- 
ungen,  d.  h.  solchen,  die  mit  nachweisbarer  Zerstörung  der  Hirn- 
substanz verbunden  sind,  oder  in  Hirnhauterkrankungen.  Ein 
wichtiges  ätiologisches  Moment  ist  ferner  die  Eklampsie  der 
Kinder:  epilepsieartige  An&Ue,  die  auf  G-rundlage  einer  angeborenen 
Disposition  oder  der  Rhaohitis  meistens  sich  an  eine  bestimmte 
Oelegenheitsursache  anlehnen,  etwa  Magendarm-  oder  fieberhafte 
Krankheiten,  eventuell  auch  an  einen  einfachen  Zahnwechsel;  eine 
dritte  wichtige  Gruppe  bilden  die  Fälle,  die  sich  auf  dem  Boden 
schwerer  erblicher  Belastung  entwickeln. 

Etwa  drei  Fünftel  der  Fälle  von  Epilepsie  brechen  in  den 
ersten  beiden  Lebensjahrzehnten  aus :  eine  erste  Morbiditätswelle  wird 
gebildet  von  den  Erkrankungen,  die  sich  zum  gröfsten  Teil  auf 
Eklampsie  oder  Himerkrankung  zurückführen  lassen,  eine  zweite 
Welle  beginnt  um  das  zehnte  Jahr  und  zieht  sich  hin  bis  an  das 
Ende  der  Pubertät.  —  Man  unterscheidet  zwei  Gruppen  von  E!pi- 
leptikem:  die  einen  bieten  den  Symptomenkomplez  des  Grand  mal, 
meist  beginnend  mit  einem  „initialen  Schrei'',  dem  tonische  (d.  h. 
ununterbrochene)  und  klonische  (d.  h.  unterbrochene)  Muskelkrämpfe 
folgen.     Der  ganze  Vorgang    spielt  sich  innerhalb  weniger  Minuten 


253 

ab.  Die  Bewulstlosigkeit,  in  die  das  Kind  fällt,  bftlt  gewöhnlicli 
noch  längere  Zeit  nach  dem  Anfall  an  nnd  gebt  in  einen  tiefen 
Schlaf  über,  der  bis  mehrere  Standen  währen  kann.  Die  zweite 
Gruppe  ist  fast  frei  von  Krampfan&llen.  Das  Petit  mal  besteht 
meist  nnr  in  einer  ganz  kurzen  BeYnodstseinspause  von  einigen  Sekunden. 
Das  Kind  erblafst,  starrt  in  die  Leere,  der  Durchmesser  der  Pupillen 
YsrgrOlsert  sich,  und  bei  aufmerksamer  Beobachtung  bemerkt  man 
auch  leichte  Augen-  oder  Kopfbewegtmgen;  spricht  das  £ind  ge- 
rade, so  stockt  es  in  der  B.ede,  oder  es  läist  z.  B.  einen  Gegenstand, 
den  es  hält,  fallen.  —  Die  Intelligenz  der  epileptischen  Kinder  ist 
oft  eine  minderwertige,  sei  es,  dafs  sich  die  Störung  der  intellek- 
taellen  Entwicklung  auf  eine  Hirnerkrankung  zurückführen  läfst,  sei 
OB,  dals  eine  solche  nicht  nachweisbar  ist;  es  entsteht  das  Bild  des 
epileptischen  Schwachsinns. 

Die  Ursachen  der  Hysterie,  die  ungemein  häufig  schon  in 
der  Kindheit  einsetzt,  bestehen  meistens  in  einer  erblichen  Prädis- 
position, zu  der  weitere  Schädlichkeiten  hinzutreten.  Der  Vortragende 
unterscheidet:  Erziehimgs-,  Erschöpfungs-,  Ermündungshysterie;  am 
häufigsten  sind  die  Fälle,  wo  psychische  Momente,  wie  starke  Ge- 
mütsbewegungen usw.,  die  Erkrankung  auslösen. 

Die  psychische  Veränderung,  die  mit  solchen  Kindern  vor  sich 
geht,  eine  erhöhte  Phantasietätigkeit  und  ein  rascher  Wechsel  in  den 
Affekten,  mangelnde  Konzentration  der  Aufmerksamkeit  sind  die 
ersten  Signale  der  Erkrankung,  in  deren  Gefolge  sich  ebenfalls 
Erampfan&Ue  entwickeln  können;  diese  unterscheiden  sich  von  den 
epileptischen  Krämpfen  dadurch,  dals  nach  einer  vorausgehenden 
„epilepsieähnlichen  Phase''  ein  Zustand  sich  entwickelt,  in  dem  die 
Kranken  komplizierte  Bewegungen  machen,  die  ganz  bestimmten  Vor- 
stellungen entsprechen,  z.  B.  Betstellung  einnehmen  oder  Purzelbäume 
sehlagen  usw.  Im  Gegensatz  zur  Epilepsie  führt  die  Hysterie  nicht 
zum  Intelligenzdefekt. 

Der  Veitstanz  (Chorea)  läist  sich  in  erster  Linie  auf  gewisse 
Infektionskrankheiten,  wie  akuten  Gelenkrheumatismus,  Scharlach, 
Masern,  Typhus,  zurückführen ;  der  Schreck,  der  sehr  oft  von  den 
Befallenen  als  Ursache  des  Ausbruchs  angegeben  wird,  bildet  meist 
nur  die  Gelegenheitsveranlassung.  —  Sehr  wichtig  ist  für  die  Päda- 
g(^en,  den  Beginn  einer  solchen  Erkrankung  richtig  zu  erkennen. 
Die  Unruhe,  Zappligkeit  und  Zerstreutheit  solcher  Kinder  bietet  oft 
Anlals  zu  ungerechtfertigten  Bestrafungen.  —  In  voller  Ausbildung  ist 
Akr  die  Erkrankung  die  unwillkürliche,  den  ganzen  Tag  über  anhaltende 


254 

Bewegangsnnriilie  obarakteristisoh»  die  namentlioh  bei  willkfirlicheo 
Bewegungen  herFortritt.  Die  Daner  der  Erkrankung  beläuft  sieh 
auf  zwei  bis  drei  Monate;  der  Übergang  in  ein  ebronisohes  Stadium 
ist  sebr  selten. 

Der  Tic  g^nöral  besteht  in  monotonen,  ganz  bestimmten  Zwangs- 
bewegungen,  die  immer  wiederkehren,  wie  z.  B.  Schulterzucken 
Schnalzen,  eventuell  auch  Ausstofsen  von  unanständigen  Worten. 

Alle  diese  an  Epilepsie,  Hysterie,  Chorea  und  Tic  göneral  er- 
krankten Kinder  müssen  den  Unterricht  wesentlich  stören;  es  fragt 
sich  daher,  was  man  mit  ihnen  anfangen  soll. 

Die  an  Chorea  leidenden  £inder  müssen  für  die  Zeit  ihrer 
Krankheit  der  Schule  fernbleiben,  einmal,  weil  von  ihnen  selbst 
möglichst  alle  Beize  femgehalten  werden  sollen,  und  femer,  weil  die 
Erkrankung  auf  psychischem  Wege  „ansteckend*",  d.  h.  übertragbar 
für  andere  hysterische  Kinder  ist;  man  hat  auf  diese  Weise  förm- 
liche Schulepidemien  von  Veitstanz  entstehen  sehen. 

Viel  schwieriger  gestaltet  sich  das  Problem  für  die  Kinder,  die 
mit  den  anderen  drei  Krampf  krankheiten  behaftet  sind.  Vortragender 
fordert  für  die  epileptischen  Kinder  entweder  „Epileptiker- 
schulen'' oder  Überweisung  in  die  Hilfsschulen  resp. 
-klassen,  die  ja  schon  jetzt  in  grofser  Anzahl  bestehen  und  meist 
schwachsinnige  Kinder  beherbergen;  diese  werden  durch  den  Anblick 
der  epileptischen  Krämpfe  viel  weniger  erregt  als  normale. 

Unbedingt  den  Aufenthalt  in  den  allgemeinen  Schulen 
fordert  der  Vortragende  für  die  hysterischen  Kinder,  weil 
ihre  Elrampfan&Ue  im  ganzen  glimpflich  verlaufen,  erfahrangsgemäls 
seltener  einen  tiefen  Eindruck  auf  die  übrigen  Kinder  machen  und 
vor  allen  Dingen  das  Interesse  des  hysterischen  Kindes  die  Erziehung 
in  einer  öffentlichen  Schule  verlangt. 

Die  Fälle  von  Tic  gän^ral  sind  seltener;  die  leichten  Fälle 
soll  man  ganz  ruhig  in  den  Schulen  belassen,  ihnen  eventuell 
geeignete  Plätze  in  den  hinteren  Beiben  anweisen  und  die  übrigen 
Kinder  zweckmäfsig  belehren;  schwerere  Fälle  sollte  man  der 
Einzelerziehung  überweisen,  weil  derartig  erkrankte  Kinder 
unter  Umständen  den  Unterricht  erheblich  stören  können. 

A.  PBOSKAüsn-Berlin. 


255 

Die  Hyfpene  des  Schulkindes. 

Ans  einem  Vortrage  des  Geh.  Med.-Rat  Dr.  Hirsch 
im  Magdebnrger  Verein   fflr   öffentliche  Gesundheitspflege. 

(,Magdeb.  Ztg.^) 

Der  Redner  betonte  in  erster  Linie,  dafs  Aber  der  Sorge  für  prächtige 
Schnlbanten,  die  nach  Möglichkeit  allen  Anfordemngen  der  Gesundheitspflege 
entsprachen,  man  hftnfig  vergesse,  die  besonderen  Eigenarten  des  Schulkindes 
za  berücksichtigen.  Dessen  Beobachtung  in  seiner  Gesundheit  und  bei 
beginnender  Erkrankung  sei  aber  von  der  allergrößten  Bedeutung,  um 
gesundheitliche  Schädigungen  von  der  Schuljugend  fem  zu  halten.  Der 
Schwerpunkt  fflr  die  individuelle  Hygiene  des  Schulkindes  falle  allerdings 
in  das  Elternhaus.  Die  Überwachung  des  Gesundheitszustandes  Jedes  ein- 
zelnen Schulkindes  liege  aber  auch  im  öffentlichen  Interesse,  und  zwar 
deswegen,  weil  die  Einrichtungen  unserer  öffentlichen  Schulen,  auch  wenn 
sie  für  ein  normales  Kind  aufs  beste  hygienisch  bestellt  seien,  fflr  einzelne 
mit  gewissen  Krankheiten  oder  Erankheitsaniagen  behaftete  Kinder  Schädi- 
gungen herbeiführen  können,  und  weil  fOr  diese  Kinder  infolgedessen  gewisse 
Ausnahmen  und  Berflcksichtigungen  Platz  greifen  müssen.  Zweitens  bestehe 
ein  öffentliches  Interesse  deswegen,  weil  die  Erreichung  eines  bestimmten 
Unterrichtszieles  erschwert  oder  ganz  unmöglich  gemacht  würde,  wenn 
gewisse  körperliche  und  geistige  Fehler  nicht  rechtzeitig  erkannt  und  ent- 
sprechend berücksichtigt  würden.  Drittens  sei  die  genaue  Kenntnis  der 
Gesundheit  jedes  einzelnen  Kindes  notwendig,  um  den  Gefahren  der  Über- 
tragung ansteckender  Krankheiten  vorzubeugen,  und  zwar  nicht  nur  der 
akuten  Infektionskrankheiten,  wie  Scharlach,  Diphtherie  usw.,  sondern  auch 
der  chronischen,  wie  Tuberkulose  u.  a. 

An  eine  Schilderung  der  besonderen  Eigentümlichkeiten  im 
Körperbau  des  normalen  Schulkindes  im  Alter  von  6 — 14  Jahren  und 
der  diesem  Alter  eigenen  Lebensbedingungen  knüpfte  der  Vortragende 
man-^igfaltige  V^inke  und  praktische  Ratschläge  an  Eltern  und  Erzieher 
ftr  Behandlung  des  Schulkindes.  D'e  Wichtigkeit  einer  regelmäfsigen 
Feststellung  des  Längenwachstums  un  der  Gewichtszunahme  wurde  betont 
and  dabei  der  interessanten  Tatsache  Erwähnung  getan,  da(s  die  gröfste 
Gewichtszunahme  bei  Schulkindern  durchschnittlich  nicht  in  die  grofsen 
Ferien  falle,  sondern  in  die  Schulzeit,  und  zwar  in  die  Herbstmonate 
August,  September  und  Oktober.  Die  besondere  Beschaffenheit  des  kind- 
lichen Mnskelsystems  und  der  BlutgefäCse  bringe  es  mit  sich,  dafs  schneller 
Ermüdung,  aber  auch  leichter  Erholung  eintrete ;  aus  diesem  Grunde  seien 
im  Turnunterricht  zu  schwere  und  andauernde  Übungen  zu  vermeiden. 
Die  Menge  des  für  Schulkinder  notwendigen  Schlafes  werde  meist  unter- 
schätzt. Im  allgemeinen  müssen  für  die  Kinder  von  6 — 8  Jahren  1 1  bis 
12  Stunden  Schlaf,  für  solche  im  Alter  von  9—10  Jahren  10 — 11  Stunden, 
im  Alter  von  11—12  Jahren  10—107«  Stunden,  von  13—14  Jahren 
9Vi— 10  Stunden  Schlaf  verlangt  werden. 

Mit  Bezug  auf  die  Ernährung  empfahl  der  Redner  reichliche 
Beigabe  von  Milch  zur  Kost.  Bei  solchen  Kindern,  welche  reine  Milch 
verweigern,    empfehle    sich    als    Beimischung    anstatt    des    Kaffees,    der 

Behulipesandheitspflegre.  XVIII.  14 


256 

schftdliche  Wirkungen  auf  das  Nervensystem  ausübe,  eher  der  Zusatz  des 
unschuldigeren  Kakaos.  Alkohol  in  jeder  Form  sei  bei  gesunden  Schul- 
kindern strengstens  zu  verbieten.  —  Hinsichtlich  der  Kleidung  gab  der 
Vortragende  den  Rat,  ftbr  den  Winter  woUene  Stoffe,  für  den  Sommer  leinene 
Stoffe  oder  leichte  FlaneUe  für  die  Unterkleidung  zu  bevorzugen;  er  warnte 
dringend  vor  Verweichlichung  der  Kinder. 

Schliefslich  schilderte  der  Redner  dann  noch  die  Erscheinungen  beim 
Kinde,  welche  den  sorgfältig  beobachtenden  Lehrer  darauf  aufmerksam 
machen  müssen,  dafs  es  sich  nicht  um  ein  gesundes  Schulkind  handelt, 
sondern  dais  krankhafte  Abweichungen  vorliegen,  deren  frühzeitige  Er- 
kenntnis von  der  gröCsten  Bedeutung  für  das  Wohl  des  Kindes  sein  kann. 


Die  Behandlung  der  sexuellen  Frage  im  natnrwissenscliaftliclien 

Unterricht. 

Aus  einem  Vortrage  von  Prof.  Dr.  v.  Sigmund 
im  Verein  „Mittelschule".     {„IHe  Zäi^) 

Der  Vortragende  gab  einleitend  zur  Charakterisierung  des  augenblick- 
lichen Standes  der  Frage  eine  kurze  Analyse  der  auf  dem  ersten  hygieni- 
schen Kongrefs  in  Nürnberg  vorgebrachten  Anschauungen  und  der  von 
diesem  Kongrefs  angenommenen  Thesen.  Einstimmig  war  man  in  der 
Würdigung  der  Bedeutung  des  naturwissenschaftlichen  Unterrichts  fOr  diese 
Dinge,  ebenso  einstimmig  aber  auch  in  der  Erkenntnis  der  Schwierigkeiten 
der  Methode.  Durch  eine  eingehende  Betrachtung  der  psychologischen 
Grundlagen,  des  Einflusses  der  Gestaltung  des  Vorstellungslebens,  speziell 
auf  das  sexuelle  Triebleben,  bahnte  sich  der  Vortragende  den  Weg  zur 
Darlegung  und  Rechtfertigung  des  von  ihm  empfohlenen  Vorgehens.  Der 
Unterricht  wird  als  zweistufig  gedacht:  analytisch  in  den  Unterklassen, 
indem  an  Tieren  und  Pflanzen  das  Werden  und  Wachsen  des  neuen 
Organismus  im  Mutterkörper  dargestellt  vrird,  ohne  dafs  vorläufig  der 
Begattungsakt  Erw&hnung  &nde.  Synthetisch,  unter  Berücksichtigung  der 
Zeugung,  wird  die  Darstellung,  und  zwar  mit  der  Botanik  beginnend,  in 
den  Oberklassen;  sie  schreitet  dann  von  den  niederen  Tieren  zu  den 
höchsten  S&ugetieren  vor,  wobei  auch  eine  ganze  Reihe  wichtiger  biologischer 
Begriffe  erörtert  werden  soll,  zum  Beispiel  der  der  Vererbung,  der  natür- 
lichen Auslese,  der  individuellen  Variation,  der  Kreuzung  (Verhütung  der 
Inzucht),  der  Anlockung  durch  Reizformen  usw. 

Ist  auf  diese  Weise  der  Denkprozefs  durch  den  naturgeschichtlichen 
Unterricht  in  bestimmte  Bahnen  gelenkt,  so  mechanisiert,  dafs  bei  den 
jeweiligen  Wahrnehmungen  die  entsprechenden  VorsteUungselemente  sich 
einfinden  müssen,  und  zwar  in  der  ernsten  Form,  in  der  sie  in  der  Schule 
geboten  worden  sind,  dann  hat  der  Schularzt  einzutreten.  Die  Grundlage 
für  den  von  ihm  zu  erteilenden  hygienischen  Unterricht  bietet  die  aus  dem 
naturgeschichtlichen  Unterricht  auszuscheidende  Somatologie.  Der  Arzt 
hätte  dann  alle  das  menschliche  Sexualleben  betreffenden  Aufklärungen, 
das  Hygienische  und  Pathologische  zu  besprechen.     Besonders  notwendig 


257 

erscheint  es  dem  Redner  auch,  die  Eltern  durch  Elternabende  Aber  Wert 
und  Bedentang  dieser  Frage  anfiznklären  and  sich  so  ihrer  Mitwirkung  zu 
yersichem. 

In  der  sich  an  den  Vortrag  anschliel^enden  lebhaften  Diskussion  wies 
der  Professor  der  Hygiene  an  der  Exportakademie  Med.-Kat  Dr.  Ullmann 
auf  die  Notwendigkeit  des  Znsammenwirkens  von  Ärzten  und  Lehrern  in 
dieser  Frage  hin  und  steUte  ihre  Behandlung  im  Verein  fQr  Gresundheits- 
pflege  in  Aussicht,  zu  der  auch  die  Schuhnänner  eingeladen  werden  sollen. 
~  Direktor  Thümseb  betonte  die  Notwendigkeit  des  Einvernehmens  mit 
den  Eltern.  —  Zustimmung  fanden  auch  die  vier  von  Prof.  Dr.  Obtmann 
aufgestellten  Thesen:  1.  Die  Frage  der  sexuellen  Aufklärung  interessiert 
nicht  nur  den  Naturhistoriker,  sondern  ist  fOr  alle  Lehrer  wichtig.  2.  Es 
sind  hierbei  zwei  Probleme  voneinander  zu  scheiden:  das  der  hygienischen 
Prophylaxe  und  die  pädagogische  Frage  des  ethischen  Wertes.  3.  Die 
eigentliche  Schwierigkeit  liegt  —  wie  flbrigens  übereinstimmend  betont 
vnrde  —  nicht  in  der  Aufklärung  über  die  Entstehung  des  Menschen  im 
Matterleibe,  sondern  in  der  Zeugungsfrage.  4.  Das  Elternhaus  muls  in 
der  Aufklärung  vorausgehen. 


^Kleinere  ilttttetltin$en. 


Eine  bessere  Einteilnng  der  Ferien  ist  gegenwärtig  vielerorts 
der  Gegenstand  einläfslicher  Besprechungen,  zu  denen  wenigstens  teilweise 
der  diesjährige  späte  Ostertag  Veranlassung  gegeben  hat.  Derselbe  hatte 
ein  überaus  langes  Schulsemester  zur  Folge,  so  dals  unter  Lehrern  und 
Schfllem,  besonders  der  oberen  Klassen,  aJlgemein  über  Erschöpfung  ge- 
klagt wird.  Wie  wir  der  „D.  Tagesetg."'  entnehmen,  hat  kürzlich  Sanitäts- 
rat Dr.  Benda  in  einer  Versammlung  im  Berliner  Rathause  mitgeteilt,  es 
seien  an  einem  Berliner  Gymnasium  acht  Schüler  der  Unterprima  ärztlicher- 
seits veranlalst  worden,  schon  einige  Wochen  vor  SemesterschluCs  Urlaub 
zn  nehmen.  Grund:  allgemeine  Überanstrengung  und  Erschöpfung  1  Be- 
hauptet wird  weiter,  dals  die  Zahl  der  verhängten  Strafen  und  Ermahnungen 
in  den  letzten  Wochen  gröfser  gewesen  sei  als  im  ganzen  ersten  Viertel- 
jahre zusammengenommen.  Von  Ärzten  und  Pädagogen  wird  bekanntlich  seit 
laogem  erwogen,  wie  solchen  Übelständen  vorgebeugt  werden  könnte, 
z.  B.  hat  man  eine  andere  Einteilung  des  Schuljahres  vorgeschlagen,  das 
mit  dem  1.  Juli  beginnen  würde.  Im  Berliner  Verein  für  Schulgesundheits- 
pflege entstand  gestern  im  AnschluDs  an  einige  Vorschläge  über  Reformen 
in  der  Einteilung  des  Schu]|jahres  eine  lebhafte  Besprechung  über  die 
Daner  der  Ferien  im  aUgemeinen.  Dabei  standen  sich  zwei  Anschauungen 
gegenüber.  Die  eine,  vertreten  durch  Professor  Dr.  Baginsky  u.  a., 
wflnschte  kürzere,  aber  häufigere  Ferien,  die  viel  mehr  erfrischen 
nnd  geistig  aufnahmefähig  machen  als  lange  Sommerferien  mit  kaum  nennens- 

14* 


258 

werten  Pansen  bis  Weihnachten.  Die  andere,  vertreten  dnrch  Oberlehrer 
Weinbebg,  war  mehr  fOr  lange  Sommerferien  (möglichst  acht  Wochen) 
und  nur  korze  Unterbrechnng  bis  Weihnachten.  Professor  Weutbebo 
führte  zu  seinen  Gunsten  besonders  die  Erfahrungen  in  Schweden  an,  wo 
man  mit  Obergrofser  Mehrheit  sich  ftbr  lange  Sommerferien  erklärt  habe, 
da  dann  ein  Landaufenthalt  viel  besser  wirken  könne.  In  Bayern  hätten 
die  Schulen  ja  auch  schon  sieben  Wochen.  Gegen  diesen  Yorsclüag  sprach 
sich  besonders  der  Schularzt  Dr.  Bebnhabdt  aus.  Die  Eltern  der  Volks- 
schaler  wUrden  sicherlich  nicht  damit  einverstanden  sein,  denn  die  Kinder 
verlottern  in  der  Tat  oft  in  solcher  langen  Zeit  Fünf  Wochen  seien 
durchaus  genügend,  zumal  heute  schon  auch  sehr  viele  Gemeindeschüler 
aufs  Land  geschickt  werden.  Im  übrigen  wäre  der  richtige  Grundsatz: 
Kürzere,  aber  häufigere  Ferien!  —  Zu  einer  Entscheidung  ist  man  nicht 
gekommen. 

Ober  die  Folgen  der  zunehmendeii  Knrzsichtigkeit  der  Schfiler 
hSherer  Lehranstalten  fSr  die  Landesverteidignng  sprach  nach  einer 
Mitteilung  der  Tagesblätter  in  Berlin  Hauptmann  v.  Ziegler.  Er  be- 
rechnet, dafs  der  Armee  jährlich  3000  Einjährige  wegen  Kurzsicbtigkeit 
entgehen;  das  macht  bei  sieben  Jahrgängen  21000  Führer  von  Zügen 
bezw.  Kompanien.  Dieser  Ausfall  wiegt  schwer,  weil  es  sich  um  den 
Ersatz  von  Reserveoffizieren  handelt.  Demgegenüber  begründete  Hauptmann 
V.  Ziegleb  eine  Reihe  von  Forderungen  auf  systematische  Übungen  im 
Fernsehen.  Er  selbst  hat  darüber  auf  der  Spandauer  Militärschieisschule 
und  mit  der  I.  Klasse  einer  Rummelsburger  Gemeindeschnle  Erfahrungen 
gesammelt.  Besonders  sollten  im  Turnunterricht  Sehübnngen  getrieben 
werden;  z.  B.  Abschätzen  von  Entfernungen,  Übungen  im  Sehen  kleiner 
Gegenstände,  im  schnellen  Sehen  von  Gegenständen,  die  schneU  vrieder 
verschwinden,  Abstecken  von  Flächen.  Für  alle  diese  Dinge  braucht  aber 
keine  besondere  Stunde  angesetzt  zu  werden,  sondern  es  genügt  der  An- 
schluDs  an  einige  Fächer.  Man  soll  besonders  zur  Selbsterziehung  an- 
leiten. Wünschenswert  wären  auch  längere  Ferien,  eine  längere  Unter- 
brechung der  Unterrichtsstunden,  Verlegung  gewisser  Unterrichtsstunden 
ins  Freie  (bei  günstigen  Umständen),  z.  B.  von  Heimatkunde,  Naturkunde, 
Turnen,  Zeichnen  —  was  auch  der  Berliner  Lehrerverein  gefordert  hat 
Wie  mitgeteilt  wird,  hat  der  Verein  für  Schulgesundheitspflege  die  Absicht, 
sich  mit  der  Frage  weiter  zu  beschäftigen. 

Kein  Korsett  mehr  ffir  Sehnlmädchen.  In  einem  in  einer  öffent- 
lichen Versammlung  der  Ortsgruppe  Berlin  des  „Deutschen  Vereins  ftir 
Volkshygiene"  gehaltenen  Vortrage  über  „Schule  und  Mädchen- 
kleidung **  wurden  die  Nachteile  besprochen,  welche  dem  jugendlichen 
Körper  durch  das  Verhindern  der  Bewegungsfreiheit  entstehen,  und  allge- 
mein ein  staatliches  Verbot  gegen  das  Korsettragen  der  Schulmädchen  ge- 
fordert. Eine  Reihe  junger  Mädchen  zeigten  an  ihrer  Kleidung  die  ver- 
schiedenen Arten  einer  gesundheitsgemäfsen  und  zweckentsprechenden 
Schul-  und  Turnkleidung.  Bemerkenswert  war,  dafs  die  meisten  der  an- 
wesenden Damen  in  Reformkleidung  erschienen  waren;  auch  sah  man  viel- 
fach eine  sehr  praktische  Turnkleidung.  Die  Schwester  der  bekannten 
Miüs  DüNCAN  stellte  sogar  zwei  Mädchen  in  griechischer  Tracht  vor.    Die 


259 

Eleidang  bestand  nach  der  „Nardd.  AUgem.  Zig,^  nur  ans  drei  Stücken: 
Hemdhose,  Unterrock  and  äeid. 

Die  Schulhygiene  in  Charlottenbnrg,  Die  Tagesblätter  teilen  mit, 
dals  die  grolsen  Erwartungen,  die  im  yorigen  Jahre  einige  teils  aasgeffthrte, 
teils  geplante  Nenerungen  der  Charlottenburger  Schnlverwaltong  auf  dem 
Gebiete  der  Schulhygiene  hervorriefen,  sich  vorderhand  noch  nicht  er- 
Men  werden.  Von  der  Yerstadtlichung  der  Ferienkolonien  hat 
der  Magistrat  nun  ganz  Abstand  genommen,  aber  er  hat  auch  dem  Vor- 
schlage der  gemischten  Deputation,  mit  dem  Verein  für  Ferienkolonien 
einen  festen  Vertrag  abzuschließen  und  dadurch  einen  Einflufs  auf  die  Be- 
rücksichtigung einer  ausreichend  grofsen  Zahl  von  Charlottenburger  Kindern  zu 
gewinnen,  nicht  zugestimmt.  Er  ist  lediglich  bereit,  den  Beitrag  der  Stadt 
Charlottenburg  durch  eine  j&hrlich  neu  zu  bewilligende  Extrabeihilfe  von 
6000  Mark  zu  erhoben,  unter  der  Voraussetzung,  daCs  der  Verein  wenig- 
stens 500  ihm  von  der  Schulverwaltung  überwiesene  Kinder  einen  Monat 
Modarch  in  die  Ferienkolonien  schickt.  Auch  aus  einer  Erweiterung  der 
Waldschule  wird  vorläufig  nichts,  obwohl  die  gemischte  Deputation,  ge- 
rade sie  als  einen  Ersatz  für  die  ausbleibende  Verstadtlichung  der  Ferien- 
kolonien vorgeschlagen  hatte,  und  obwohl,  wie  kürzlich  Stadtschulrat  Neüfeb 
versicherte,  die  allerbesten  Erfahrungen  mit  dem  Institut  gemacht  worden 
sind.  Es  wird  bei  der  einen  Waldschule  auch  in  diesem  Jahre  und  so 
lange  bleiben,  bis  noch  „weitere  Erfahrungen"  vorliegen. 

Gehirnarbeit  nnd  Lebensalter.  Dr.  Dukey  hat  auf  statistischem 
Wege  zu  ermitteln  versucht,  welches  Quantum  von  Gehimarbeit  der  Mensch 
in  den  verschiedenen  Lebensaltern  ohne  Überanstrengung  zu  leisten  ver- 
mag. Insbesondere  kam  es  ihm  darauf  an,  festzustellen,  was  der  Jugend 
während  der  ersten  beiden  Jahrzehnte  des  Lebens  in  dieser  Hinsicht  zu- 
gemutet werden  darf.  Von  der  Ansicht  ausgehend,  dafs  das  Gehirn 
ebenso  wie  die  Muskeln  erst  allmählich  durch  eine  richtig  bemessene 
Übung  seine  Fähigkeiten  entwickelt,  kommt  Duket  zu  dem  Schlüsse,  daCs 
es  durch  Überanstrengung  nur  geschwächt  werden  kann.  Um  nun  einen 
Maßstab  dafür  zu  gewinnen,  ob  die  Schulen  die  ihnen  zugewiesene  Jugend 
überanstrengen,  hat  der  Arzt  zunächst  eine  Erhebung  über  die  geistige 
Arbeit  junger  Mädchen  angesteUt.  Seine  Ergebnisse  stellen  folgende 
Zahlen  als  das  richtige  Mala  für  die  betreffenden  Altersstufen  fest: 
5-8  Jahre  12  Stunden  wöchentHch,  8—10  Jahre  18  Stunden,  10—12 
Jahre  21,  11—14  Jahre  25,  14—15  Jahre  30,  15—16  Jahre  35, 
16—17  Jahre  40,  17—18  Jahre  45,  18—19  Jahre  50  Stunden. 

Tom-  und  Spielplätze  in  Berlin  und  Mfinchen.  Das  neueste 
Heft  der  von  den  Eäten  im  preufsischen  Kultusministerium  Köpke  und 
Matthias  herausgegebenen  „Monatsschrift  für  höhere  Schulen'*  bringt  in 
einem  Artikel  von  Rud.  Lai^ge  bemerkenswerte  Angaben  über  das  Vor- 
handensein von  Spielplätzen  für  die  Jugend  in  den  Hauptstädten  der  beiden 
grölsten  deutschen  Bundesstaaten. 

In  Preufsen  hat  der  Minister  yok  Gossleb  bereits  1882  in  einem  Er- 
lasse darauf  hingewiesen,  dafs  es  Sache  der  Schulaufsichtsbehörden  sei,  da- 
fc  zu  sorgen,  dals  dem  dringenden  Bedürfhisse  der  Beschaffung  und  Ein- 
riehtong  eines  geeigneten  freien  Turnplatzes  bei  den  höheren  Lehranstalten 


260 

möglichst  bald  Oenflge  geschehe.  Es  scheint  jedoch,  daCs  diesem  änfeerst 
segensreichen  Erlasse  nicht  die  gehörige  Beachtung  zuteil  geworden  ist. 
Denn  in  der  Reichshauptstadt  Berlin  sind,  wie  die  „MonaissfArift"  aus- 
führt, unter  den  33  städtischen  höheren  Schulen  bis  jetzt  nur  acht  mit 
einem  Spiel-  und  Turnplatz  versehen.  Dagegen  ist  Mflndien  auf  diesem  Ge- 
biete der  Stadt  Berlin  weit  überlegen.  In  München  ist,  nach  dem  ofifiziellen 
Bericht  des  dortigen  Stadtschuhrats,  seit  dem  Jahre  1890  kein  Schnlhaus 
mehr  gebaut  worden,  das  nicht  über  einen  Spielplatz  verfügte;  in  den 
zwölf  Jahren  von  1890  bis  1902  haben  sich  die  Spielplatzfii&chen  in 
München  um  12  ha  im  Innern  der  Stadt  vermehrt  In  Berlin  ist  nichts 
Ähnliches  geschehen.  Zwar  hat  auf  eine  Eingabe  des  Berliner  Turnlehrer^ 
Vereins,  der  neben  jeder  neu  zu  errichtenden  TumhaUe  einen  zweckm&fsig 
eingerichteten  Turnplatz  wünschte,  die  Deputation  für  das  städtische  Tum- 
und  Badewesen  geantwortet,  sie  werde  sich  bemühen,  dem  Antrage  nach 
Möglichkeit  Folge  zu  leisten.  Aber  in  Wirklichkeit  ist  bei  den  Neubauten 
höherer  Lehranstalten  in  Berlin  ein  Erfolg  nicht  sichtbar  geworden.  Die 
yt  Monatsschrift*^  beklagt,  dafe  das  neue  Friedrichs- Werdersche  Gymnasium^ 
das  in  Moabit  erbaut  werden  soll,  wieder  nicht  mit  einem  Spielplatz  aus- 
gerüstet wird.  Ein  ausreichender  Platz  stände  zwar  zur  Veiffigung;  aber 
von  diesem  Gelände  soll  eben  mehr  als  die  Hälfte  mit  einer  Doppel- 
Gemeindeschule  für  Knaben  und  Mädchen  bebaut  werden,  so  daCs  kein 
Raum  ftbr  einen  Spielplatz  übrig  bleibt.  Wenn  in  der  Tat  die  Dinge  so 
liegen,  so  sollten  die  städtischen  Behörden  in  eine  nochmalige  Erwägung 
darüber  eintreten,  wie  dem  beregten  Übelstand  abzuhelfen  ist. 

Der  obli^torisehe  Scbwimmunterrieht  in  der  Volksscliide.  Im 
Auftrage  und  Verlag  der  „Deutschen  Schwimmerschaft^  ist  soeben  eine 
von  Rektor  LOTZ-Elberfeld  verfafete  Broschüre  erschienen  über  die  »Not- 
wendigkeit und  Möglichkeit  des  pflichtmäfsigen  Schwimmunterrichts  in  der 
Volksschule,  vornehmlich  der  Industrie-  und  Gro&stadt^.  Das  wesentlichste 
und  nach  dem  Urteil  ärztlicher  Gröfsen  geeignetste  und  wirksamste  Gegen- 
gewicht gegen  die  Schädlichkeiten  des  Industrie-  und  Groisstadtlebens  ist 
die  Pflege  körperlicher  Übungen,  die  das  Turnen,  das  Spielen  in  freier 
Luft,  das  Schwimmen,  das  Wandern  und  Eislaufen  uns  bieten.  Während 
nun  das  Wandern  und  Eislaufen  nur  als  gelegentliche  Abwechslung  im 
Getriebe  der  Leibesübungen  betrachtet  werden  können,  sind  das  Turnen, 
das  Bewegungsspiel  und  das  Schwimmen  in  ihrer  gegenseitigen  Wechsel- 
wirkung und  Ergänzung  so  recht  geeignet,  das  Wesen  der  gesamten 
Leibesübungen  darzustellen.  Von  diesen  drei  vollkommensten  Leibes- 
übungen hat  nun  seither  nur  das  Turnen  in  den  Volksschulen  allgemeine 
Ausbreitung  erlangt,  während  das  Bewegungsspiel  erst  in  den  Anfängen 
seiner  Entwicklung  steht.  Dafs  aber  das  Turnen  allein  mit  seinen  zwei 
wöchentlichen  Übungsstunden  völlig  unzureichend  ist,  den  Körper  des 
Städtkindes  nennenswert  zu  kräftigen,  zu  stählen  und  abzuhärten:  diese 
Erkenntnis  ist  wohl  heutzutage  allgemein.  Der  Lehrplan  für  die  körper- 
liche Erziehung  unserer  Jugend  benötigt  daher  einer  Ergänzung,  und  es  ist 
ganz  natürlich,  dafs  die  Auftnerksamkeit  in  erster  Linie  dem  Sch?rimmen 
sich  zuwendet.  Dafs  solcher  Unterricht  bisher  nicht  erteilt  worden  ist, 
findet  seine  Begründung  vorzugsweise  in  der  Tatsache,   dafs  es  einerseits 


261 

an  Schwimmgelegenheit  fehlte,  anderseits  die  bisherige  Art  und  Weise  des 
Schwimmenlebrens  solches  Unterfangen  unmöglich  machte.  Nachdem  aber 
alle  Gro&stftdte,  aach  viele  mittlere  and  sogar  Kieinstädte  in  den  beiden  letzten 
Jahrzehnten  Hallenschwimmbäder  errichtet  haben,  nnd  nachdem  in  neuerer 
Zeit  auch  die  Methode  des  Schwimmunterrichts  bedeutend  yerbessert 
worden  ist,  sind  nun  die  Yorbedingungen  fftr  die  Einfahrung  solchen  Unter- 
richts erf&llt.  In  Elberfeld  hat  Lotz  seit  mehr  als  drei  Jahren  den 
SchOlerschwimmunterricht  in  dieser  Weise  geleitet;  hierbei  sind  von  den 
imgefthr  3000  Knaben  mehr  als  90%  zu  Freischwimmem  ausgebildet 
worden.  Auch  mit  dem  Mftdchenschwimmunterricht  hat  man  seit  Anfang 
dieses  Jahres  begonnen  und  bereits  die  besten  Erfolge  erzielt.  Wie  yer- 
lautet,  beabsichtigt  die  Deutsche  Schwimmerschaft,  unter  Beifügung  der 
Denkschrift,  beim  Kultusminister  fflr  alle  diejenigen  Orte,  in  denen  Bade- 
gelegenheit Yorhanden  ist,  die  EinAlhrung  des  pflichtmäfsigen  Schwimm- 
unterrichts zu  beantragen.  ^ 

Über  Orthoptdie  und  Sehnle  schreibt  Dr.  Wahl -Mönchen  im 
^Bayer/ßTMÜ.  Karrespondenghl''  (1905,  Nr.  2).  Der  Autor  stellt  folgende 
Leitsfttze  auf: 

1.  Es  gibt  gewisse  KOrpermiCsbildungen,  die  hinsichtlich  ihrer  Ent- 
stehung bezw.  Verschlimmerung  auf  den  gegenwärtigen  Schulbetrieb  zurflck- 
znfthren  sind. 

2.  Die  in  dieser  Hinsicht  am  meisten  gefährdeten  Körperteile  sind 
Wirbelsäule,  Brustkorb  und  Becken. 

3.  In  erster  Reihe,  sowohl  was  Häufigkeit  als  Gefährlichkeit  der  Er- 
krankung anbelangt,  steht  der  Schiefwuchs  der  Wirbelsäule. 

4.  Bei  umfangreichen  Untersuchungen  von  Schulkindern  vmrden  bis 
zn  70%  der  Wirbelsäulen  als  von  der  ^  Norm  abweichend  befunden. 
(Bardehheüsr-Göüi.) 

5.  Die  Mädchen  liefern  einen  grOlseren  Prozentsatz   als  die  Knaben. 

6.  Fälle  Yon  Schiefwuchs  werden  auch  schon  vor  dem  schulpflichtigen 
Alter  beobachtet,  doch  ist  ein  Ansteigen  der  Häufigkeit  sowohl  wie  der 
Schwere  der  Fälle  mit  dem  Ansteigen  der  Klasse  nachgewiesen  (Kbüg, 
SCHOLDEB  und  Gombb). 

7.  Angesichts  der  letzteren  Tatsache  ftllt  der  Schule  die  Aufgabe  zu, 
an  der  Yerhtttnng  dieser  professionellen  Erkrankung  in  erster  Linie  mit- 
zuwirken. 

8.  Als  Hauptnrsache  der  hier  in  Betracht  kommenden  Formen  von 
Schiefwuchs  ist  neben  der  Disposition  andauernde  asymmetrische  Haltung 
der  Wirbelsäule  zu  nennen. 

9.  Asymmetrische  Haltung  der  Wirbelsäule  wird  begünstigt  durch  un- 
richtige Konstruktion  der  Schulbank,  schräge  Heft-  und  Schriftlage, 
k(^erliche  und  geistige  Überanstrengung,  Annahme  ge?risser  Haltungstypen 
durch  Innehaben  ein  und  desselben  Platzes  während  des  ganzen  Schuljahres, 
einseitiges  Tragen  der  Schulbflcher. 

10.  Als  positive  Punkte  der  Prophylaxe  wären  zu  nennen :  Kräftigung 
der  Wirbelsäule  vor  Beginn  der  Schulpflicht,  ärztliche  Untersuchung  der 
Wirbelsäule  bei  Eintritt  in  die  Schule,  ausgiebige  Ausnutzung  der  Frei- 
riertelstunde    zu    Körperbewegung,     gröfste    Aufmerksamkeit    der 


262 

Klassen-  und  Turnlehrer  aaf  Zatagetreten  auffallender 
Körperhaltung,  Verbot  aller  die  Körperhaltung  verdeckender  Kleidungs- 
stücke, wie  der  Matrosen-  und  Institutskragen,  gröfsere  BerQclEsichtigung 
der  speziellen  Wirbelsäulengymnastik  in  und  aufserhalb  der  Tumstonden, 
Einschränkung  der  Sitzstunden  bei  schwächlichen  und  rekonvaleszenten 
Kindern  und  während  der  ersten  Schu^ahre,  gründliche  Revision  der  noch 
heute  für  Mädchen  geltenden  £rziehungssysteme. 

(Dr.  med.  OÖTZ-Mflnchen.) 

Leitsktse  fSr  die  üntersnehiing  des  Ohres  in  der  Sehnle  werden 
von  Prof.  Dr.  Bezold  -  Manchen  im  „Bayer.  ärMtl,  Korrespandenshl^ 
(1905,  Nr.  l)  aufgestellt.  Nach  B.  erwachsen  der  ärztlichen  Tätigkeit  in 
der  Schule  für  die  Überwachung  des  Ohres  folgende  Aufgaben:  Alle  neu- 
eintretenden Schulkinder  sind  auf  ihr  Hörvermögen  zu  prüfen  und  mit  dem 
Ohrenspiegel  zu  untersuchen;  bei  Kindern,  die  mit  offenem  Munde  atmen, 
müssen  aufserdem  Nase  und  Nasenrachenraum  untersucht  werden.  Finden 
sich  Erkrankungen,  die  geheilt  oder  gebessert  werden  können,  dann  werden 
die  £ltem  aufgefordert,  das  Kind  der  Behandlung  zuzuführen.  Kinder  mit 
Ohreneiterung  dürfen  die  Schule  so  lange  nicht  besuchen,  bis  der  Ausflufs 
zum  mindesten  so  weit  gebessert  ist,  dafs  er  nicht  mehr  äuiserlich  sichtbar 
hervortritt.  Speziell  zu  beachten  sind  diejenigen  AUgemeinerkrankungen, 
die  häufig  zu  Ohrenleiden  führen;  das  sind  die  akuten  Infektionskrankheiten, 
namentlich  Masern  und  Scharlach,  nach  deren  Ablauf  die  Kinder  einer 
genauen  Ohrenuntersuchung  zu  unterziehen  sind,  und  die  Erkrankungen  der 
Nase  und  des  Nasenrachenraums,  insbesondere  wenn  sie  eine  Behinderung 
der  Nasenatmung  bewirken.  —  Vor  Schulvorständen  und  Lehrern  sollen 
von  Zeit  zu  Zeit  Vorträge  über  Gehör  und  Ohrenkrankheiten  gehalten 
werden.  —  Beim  Eintritt  des  Kindes  in  die  Schule  haben  die  Angehörigen 
einen  Fragebogen  über  seinen  Gesundheitszustand  auszufüllen;  in  diesem 
sind  auch  die  vorausgegangenen  oder  noch  bestehenden  Erkrankungen  des 
Ohres  anzufahren. 

Für  den  Besuch  der  Normalschule  ist  eine  beiderseitige  Hörweite  von 
2  m  für  B'lüstersprache  zu  verlangen.  Mit  Kindern  von  geringerer  Hör- 
weite kann  man  einen  Versuch  in  den  Normalklassen  machen;  vermögen 
sie  mit  den  Vollsinnigen  nicht  gleichen  Schritt  zu  halten,  so  werden  sie 
mit  den  hochgradig  Schwerhörigen  in  eigenen  Klassen  vereinigt,  die 
nach  den  Grundsätzen  der  Hörklassen  in  den  Taubstummeninstituten  ein- 
zurichten sind.  Kinder,  bei  denen  die  Hörstörnng  so  bedeutend  ist,  dafs 
der  Unterricht  von  Mund  zu  Ohr  unvollkommen  bleibt,  werden  Taub- 
stummenanstalten überwiesen.  An  den  „Hilfsschulen  für  Schwachsinnige** 
müssen  getrennte  Klassen  für  Schwerhörige  und  für  wirklich  Schwachsinnige 
errichtet  werden.  (Dr.  med.  Göxz-München.) 

Der  gemeinsame  Unterricht  beider  Geschlechter,  der  in  den 
kleinen  Orten  die  Regel  bildet,  hat  sich,  wie  die  „iV.  Lihr.-Ztg.^  mit- 
teilt, auch  in  einer  gröfseren  Anzahl  von  Berliner  Schulen  erhalten.  Wenn 
von  den  zahlreichen  Schulzirkeln  und  Vorbereitnngskursen  für  höhere  Lehr- 
anstalten abgesehen  wird,  sind  es  in  erster  Linie  die  25  katholischen  Ge- 
meindeschulen, wo  sich  der  für  beide  Geschlechter  gemeinsame  Unterricht 
in  den  Unter-  und  vereinzelt  auch  in  den  Mittelklassen  erhalten  hat.    Der 


263 

Gnmd  li^  darin,  dab  bei  einer  Trennung  die  betreifenden  Klassen  fiel 
n  schwach  besetzt  sein  würden.  Ans  demselben  Gmnde  ist  anch  in  den 
Nebenklassen  für  schwachbefähigte  Kinder  der  gemeinsame  Unterricht 
flblich  geworden.  An  einer  Gemeindeschule  wurden  bisher  selbst  in  den 
oberen  Klassen  Knaben  und  Madchen  zusammen  unterrichtet;  dazu  sind 
in  neuerer  Zeit  noch  zwei  andere  getreten,  bei  denen  die  Mischung  der 
Geschlechter  bis  in  die  oberen  Klassen  reicht.  Nachteile  oder  Übelstände 
haben  sich  aus  dieser  Einrichtung  nicht  ergeben. 

Co-Edneation.  Die  kleine  Stadt  Langenschwalb  ach  besitzt  ein 
Gynmasium  für  Knaben  und  Mädchen  bereits  seit  einer  Reihe  von  Jahren ; 
bßide  Geschlechter  genielsen  den  Unterricht  gemeinschaftlich  und  —  honny 
seit,  qui  mal  y  pense  —  in  drei  Klassen  ist  der  „primus**  weiblich.  Wie 
wir  den  „IVauenhestrebungen^  entnehmen,  konstatieren  die  Lehrer,  daCs 
der  gemeinschaftliche  Unterricht  von  Knaben  und  Mädchen  keinerlei  oder 
doch  nur  sehr  unbedeutende  Schwierigkeiten  macht,  ebenso  sind  die  Eltern 
mit  den  Resultaten  des  Unterrichts  äuCserst  zufrieden.  Nach  uns  gemachten 
Angaben  handelt  es  sich  um  ein  Yollgymnasium. 

Auch  das  humanistische  Gymnasium  in  Ulm  nimmt  Mädchen  unter 
denselben  Bedingungen  wie  Knaben  auf.  Die  ErfahruDgen,  die  man  bis 
jetzt  dort  gemacht  hat,  werden  als  günstige  bezeichnet. 

Der  Zasammenhug  cwisehen  Zahnaffektionen  und  Liin|;en- 
ipitzentuberknlose.  In  der  ^Niederländ.  Zeiischr.  f.  HeUhde^  (1904, 
S.  609)  teilt  Dr.  Reinders  mit,  dals  er,  früher  immer  ganz  gesund,  an 
Longentuberkulose  erkrankte,  nachdem  er  monatelang  an  einer  Vereiterung 
im  Munde  gelitten  hatte,  welche  entstanden  war  in  Zusammenhang  mit  dem 
Weisheitszahne  unten  rechts.  Seine  tuberkulöse  Lungenaffektion  ist  eine 
beinahe  aussdiliefelich  rechtseitige.  Ein  Jahr  später  litt  er  an  Periodon- 
titis eines  grofsen  Zahnes  im  rechten  oberen  Kinnbacken,  und  kurz  nachher 
uurde  der  Auswurf  aus  der  Lunge  massenhafter.  Sowohl  der  Zahnschmerz 
wie  das  Sputum  yerschwand  wieder,  aber  der  Auswurf  trat  wieder  auf  und 
blieb  während  einiger  Wochen,  als  der  Zahn  wieder  zu  schmerzen  anfing, 
bis  derselbe  schlie&lich  entfernt  wurde. 

Angeregt  durch  diese  Tatsachen,  untersuchte  Dr.  Reindebs  die  64 
Patienten,  welche  sich  vom  1.  Juni  bis  zum  6.  Juli  1904  im  niederlän- 
dischen Yolkssanatorium  zu  Hellen doorn  befanden,  um  einen  allfälligen 
Zosammenhang  zwischen  Zahn-  und  Lungenleiden  zu  finden.  Bei  neun 
Pitienten  fand  er  in  der  Tat  Zahnschmerzen  auf  einer  Seite  (einmal  mit 
eitriger  Mittelohrentzündung)  und  Lungenleiden  entweder  ausschlieislich  oder 
hauptsächlich  an  derselben  Seite. 

Bei  14  anderen  Patienten  war  das  Zahnleiden  hauptsächlich  einseitig 
nnd  bei  zwölf  von  ihnen  das  Lungenleiden  auch  in  der  Hauptsache  auf 
derselben  Seite. 

Bei  23  Patienten  waren  Zahn-  und  Lungenleiden  beiderseitig. 

In  elf  Fällen  konnte  kein  Zahnleiden  konstatiert  werden,  und  in  den 
sieben  übrigen  Fällen  war  entweder  das  Dasein  des  Zahnleidens  oder  das 
des  Lungenleidens  sehr  zweifelhaft. 

Bei  den  meisten  der  erstgenannten  46  Patienten  hatte  sich  das 
Lnngenleiden  zu  gleicher  Zeit  mit  dem  Zahnschmerz  entwickelt  oder  einige 


264 

Zeit  nacbher»  oder  der  LüngenprozeCB  wnrde  schlimmer  nach  Beginn  des 
Zahnleidens. 

In  drei  Fällen  wurde  im  Sanatorium  selbst  knrze  Zeit  nach  einer 
akuten  Periodontitis  eine  Yerschlimmemng  des  Lungenleidens  an  derselben 
Seite  konstatiert. 

Dr.  Redtdebs  gibt  fOr  die  von  ihm  konstatierten  Tatsachen  folgende 
Erklärung: 

Es  ist  bekannt,  dafs  sekundäre  Infektionen,  namentlich  die  durch 
Streptokokken  bedingten,  einen  groben  Einflufs  auf  den  Verlauf  der  Lungen- 
tuberkulose haben.  Bei  Zahnentzflndungen,  welche  gewöhnlich  von  Strepto- 
kokken yerursacht  werden,  können  die  Bakterien  durch  die  Lymphwege 
des  Halses  nach  der  Lunge  abgeführt  werden  und  in  der  Weise  eine  Ver- 
schlimmerung eines  yon  Tuberkulose  angegriffenen  Organteiles  zustande 
bringen. 

Es  scheint,  dais  diese  Beobachtung  von  Dr.  Reinbebs,  vorausgesetzt, 
dab  sie  auch  von  anderer  Seite  bestätigt  wird,  fftr  die  Schulgesundheits- 
pflege von  gro&em  Wert  ist. 

Die  Untersuchungen  der  letzten  Zeit  haben  nämlich  gezeigt,  dab 
die  flbergrobe  Mehrzahl  (hier  und  da  sogar  90%)  der  Kinder  in  den 
Elementarschulen  ein  krankhaftes  GebiTs  besitzt.  Von  mehr  als  einer  Seite 
hat  man  die  Aufmerksamkeit  der  Schulärzte  auf  dieses  Übel  gelenkt,  und 
in  einigen  Orten  hat  man  sich  sogar  entschlossen,  Schulzahnkliniken  zu 
grfinden,  wie  z.  B.  in  Strafisburg,  Essen  und  Darmstadt. 

Von  befugter  Seite  wurde  besonders  die  Aufmerksamkeit  auf  die 
Tatsache  gelenkt,  dafs  die  Verdauung  leiden  muis,  wenn  die  Zähne  nicht 
in  Ordnung  sind,  und  dafs  daher  der  allgemeine  Zustand  des  Schulkindes 
viel  zu  wünschen  flbrig  lassen  wird.  Wflrden  die  Beobachtungen  von 
Dr.  Rbinbebs  bestätigt,  dann  wird  man  noch  besser  als  zuvor  den  grofeen 
Wert  eines  guten  Gebisses  fOr  das  Schulkind,  und  ebenso  für  die  ganze 
Menschheit  ans  Licht  bringen  können. 

Im  grofsen  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose  wird  dann  die  Sorge  fDr 
gesunde  Zähne  einen  bedeutenderen  Platz  einnehmen,  als  es  bis  jetzt  ge- 
schehen ist.  (Dr.  med.  J.  M.  G.  MouTON-Haag.) 


Sajessefditditltdies. 


Die  VI.  Jahresyersammlnng  der  sehweüerischen  Gesellschaft 

für  Schnlgesnndheitspflege  findet  Sonntag  und  Montag,   den   14.  und 

15.  Mai  1905  in  Luzern  statt.     Das  Programm  lautet  folgendermafsen : 

Sonntag,    den  14.  Mai,    in  der  Aula  des  Kantonsschulgebäudes, 

vormittags  10 Vs  Uhr:    I.  Hauptversammlung. 

1.  Eröffnungswort  des  Präsidenten  des  Organisations- 
komi te  es,  Begierungsrat  Dübing,  Erziehungsdirektor  des 
Kantons  Luzern. 


265 

2.  Heizung  and  Ventilation  von  Scbulhänsern  und  Turn- 
hallen.    Referent  Ingenieur  Reinhabd   von  der   Firma  Gebr. 
Sulzer,  Winterthur.    Korreferent:    Dr.  0.  Roth,  Professor   der 
Hygiene  am  eidgenössischen  Polytechnikum  in  Zürich. 
Nachmittags  3  Uhr:  11.  Hauptversammlung. 

Die  Pflege  der  LeibesObungen  im  nachschulpflich- 
tigen Alter.    Referenten:  Rektor  Dr.  Flatt,  Basel,  und  Joh. 
SPüHiiEB,  Lehrer  an  der  höheren  Töchterschule  in  Zürich. 
Montag,  den  15.  Mai,  in  der  Aula  des  Eantonsschulgebäudes,  yor- 
mittags  8  Uhr:  Jahresgeschafte ;  8Va  Uhr:  HI.  Hauptversammlung. 

Die    Schularztfrage   auf   Grund    bisheriger    Erfah- 
rungen.   Referent:  Dr.  med.  Feibde.  Stockes,  Luzem.    Kor- 
referent: Dr.  med.  Teechsel,  Schularzt,  Locle. 
Die  Tl.  Jahresyeraammlnng  des  AUgemeinen  dentsehen  Vereins 
fitr  Sebnlgesnndbeitspflege  findet  vom  13.— 15.  Juni  1905  in  Stutt- 
gart im  Landesgewerbemuseum  statt. 

Dienstag,  den  13.  Juni,  abends:  Empfang  im  Stadtgarten. 
Mittwoch,  den  14.  Juni:  Eröffnung  der  Versammlung,  vorm.  9  Uhr. 

I.  Offizielle  Begrülsungsansprachen. 

II.  Vortrag:  Anfang  und  Anordnung  des  fremdsprachlichen  Unter- 
richts. Pädagogischer  Referent:  Dr.  phil.  Vietoe,  Professor  an 
der  Universit&t  Marburg.  Medizinischer  Referent:  Dr.  med.  Jagee, 
Arzt  in  Schwäbisch-Hall. 

Donnerstag,  den  15.  Juni,  morgens  8  Uhr: 
I.    Gesch&ftssitzung:     a)    Satzungen;     b)   Neuwahl    des    Vorstandes; 
c)  Antrag  der  Ortsgruppe  Stuttgart,  die  Schulbankfrage  betreffend;  d)  Un- 


II.  Vorträge:  1.  Über  Schüleruntersuchungen.  Ärztliches  Referat: 
Dr.  med.  Gastpae,  Stadtarzt  in  Stuttgart.  2.  Der  ungeteilte  Unterricht 
(Kürzung  der  einzelnen  Unterrichtsstunden  und  Verlegung  des  Unterrichts 
auf  den  Vormittag).  Pädagogische  Referenten:  a)  für  höhere 
Schulen,  Oberrealschuldirektor  Dr.  HiNTZMANN-Elberfeld;  b)  für  Volks- 
schulen, Rektor  Müllee  -  Eilenburg.  Medizinischer  Referent: 
Dr.  med.  et  phil.  Willy  Hbllpach,  Nervenarzt  in  Karlsruhe. 

Spielknrse  zur  Ansbildung  von  Lehrkräften.  Der  Zentralausschufs 
tOr  Volks-  und  Jugendspiele  in  Deutschland  hat  die  diesjährigen  Spielkurse 
wie  folgt  festgesetzt: 

1.  Für  Lehrer:  a)  Aachen,  13. — 17.  Juni,  anzumelden  beim  Stadt. 
Turnlehrer  J.  Velz;  b)  Altena  a.  E.,  26. — 30.  April,  Turninspektor 
Kabl  Mölleb;  c)  Bonn  a.  Rh.,  4. — 10.  Juni,  Sanitätsrat  Dr.  F.  A. 
ScH3ra>T;  d)  Braunschweig,  4. — 10.  Juni,  Gymnasialdirektor  Prof.  Dr. 
Koldewey  ;  e)  Frankfurt  a.  M.,  13. — 19.  Juni,  Tuminspektor  W.  Weiden- 
busch ;  f)  Hamburg,  1. — 7.  April,  Lehrer  Eekst  Fischee,  Hamburg- 
Eilbeck,  Hasselbrookstraise  13;  g)  Haspe  i.  Westf.,  4.— 10.  Juni,  Real- 
schuldirigent   Dr.    Nbtjendoefp  ;    h)    Ohrdruf,    19. — 26.  Juli,    Landrat 

WiLHASH. 

2.  Für  Lehrerinnen:  a)  Altena  a.  E.,  9. — 15.  April,  anzumelden  beim 
Tonunspektor  Kabl  Möllee;  b)  Bielefeld,  4. — 10.  Juni,  Obertumlehrer 


266 

Fe.  Schmale;  c)  Bonn  a.  Rh.,  16.— 20.  Juni,  SanitÄtsrat  Dr.  F.  A. 
SCHMIDT;  d)  Braunschweig,  12. — 17.  Juni,  Tnrninspektor  A.  Hebmann; 
e)  Crefeld,  22.-27.  Mai,  Turnlehrerin  Fri.  Martha  Tübm;  f)  Frank- 
furt a.  M.,  25.— 30.  September,  Turninspektor  W.  Wbidenbüsch; 
g)  Hamburg,  1.— 6.  Mai,  Lehrer  E.  Fischer,  Hamburg-Eilbeck,  Hassel- 
brookstra&e  13;  h)  Zweibrücken,  15.-19.  Juli,  Lehrer  Fritz  Bühlbr. 

Mafsnahmen  gegen  die  Weiterverbreitiing  der  epidemischen 
Genickstarre  dnrch  die  Schale  werden  ver^chiedenerorts  durch  die 
österreichischen  und  die  preufsischen  Behörden  vorgeschrieben. 

In  einem  allgemeinen  diesbezüglichen  Erlafs  der  k.  k.  schlesischen 
Landesregierung  vom  13.  April  d.  J.  werden  u.  a.  auch  die  Schulleitungen 
beauftragt,  dem  Gesundheitszustande  der  Schüler  ein  erhöhtes  Augenmerk 
zuzuwenden  und  darauf  zu  achten,  dafs  bei  allen,  wegen  Krankheit  Yom 
Schulunterrichte  fembleibenden  Kindern  die  Natur  der  Erkrankung 
„ehestens  im  Wege  des  Gemeindeamtes"  ärztlich  festgestellt  werde.  Zög- 
linge von  Erziehungsanstalten,  welche  aus  infizierten  Gemeinden  Preufsisch- 
Schlesiens  oder  anderer  Länder  stammen  und  die  Osterferien  zu  Hause 
verbringen,  sind  zu  verhalten,  bei  ihrer  Rückkehr  ein  gemeindeamtliches 
Zeugnis  beizubringen,  dafs  weder  in  ihrer  Familie  noch  unter  den  übrigen 
Hausgenossen  Erkrankungen  an  Genickstarre  vorgekonmien  sind.  {vJ^cis 
österr.  Saniiäiswesm*' ,  1905,  Nr.  16.) 

Durch  einen  Erlafs  des  Oberpräsidenten  der  Provinz  Schlesien 
wird  u.  a.  folgendes  verordnet :  §  3.  „Die  erkrankten  Personen  sind,  so- 
weit als  tunlich,  von  anderen  abgesondert  zu  halten.  Kinder  aus  einem 
Hausstand,  in  welchem  ein  Fall  jener  Krankheit  (epidemische  Genickstarre) 
sich  ereignet,  sind  vom  Schulbesuche  fem  zu  halten.  Die  Vorschriften, 
welche  in  der  zur  ministeriellen  Zirkularverfügung  vom  14.  Juli  1884, 
betreffend  die  Schließung  der  Schulen  bei  ansteckenden  Krankheiten,  bei- 
gefügten Anweisung  hinsichtlich  der  zu  Ziffer  la  daselbst  genannten  Krank- 
heiten gegeben  sind,  haben  auch  auf  den  epidemischen  Kopfgenickkrampf 
sinngemäfse  Anwendung  zu  finden.** 

Unter  den  Mafsnahmen,  die  nach  Feststellung  des  Aus- 
bruchs der  Krankheit  zu  treffen  sind,  kommen  hier  folgende  in 
Betracht : 

7.  »Die  Kinder  aus  dem  Haushalte,  zu  dem  der  Kranke  gehört,  sind 
vom  Besuche  der  Schulen,  Kleinkinderbewahranstalten,  Kindergärten,  des 
Konfiirmandenunterrichts  und  ähnlicher  Zusammenkünfte  vieler  Kinder  für 
die  Dauer  der  Erkrankung  bis  zur  Schlufsdesinfektion  auszuschliefsen.  Hat 
die  Überführung  in  ein  Krankenhaus  stattgefunden,  so  soll  die  AusschlieCsung 
14  Tage  lang  nach  Ausführung  der  Wohnungsdesinfektion  dauern.'' 

„Das  gleiche  gilt,  wenn  es  die  besonderen  Umstände  des  Falles 
nach  dem  Gutachten  des  Kreisarztes  erfordern,  für  alle  oder  einen  Teil 
der  Kinder,  die  in  demselben  Hause  wie  der  Kranke  wohnen.** 

8.  „Bei  Todesfällen  an  der  ansteckenden  Genickstarre  sind  die  Be- 
teiligung der  Schulkinder  an  den  Trauerfeierlichkeiten,  ferner  Versamm- 
lungen im  Trauerhause,  Leichenschmäuse  und  das  Tragen  der  Särge  zu 
verbieten.       {„Techn.  Gemeindebl''  20.  Aprü  1905,  Nr.  2,  Jahrg.  VIII.) 


267 

Der  Unterriclifsplaii  am  6ym]ia8inm   zn  SeUedam  (Holland). 

In  dieser  Zeiisckriß  (Jahrg.  1904,  S.  507)  teilten  wir  mit,  dafe  man  zu 
Leiden  einen  Versuch  macht,  die  Unterrichtszeit  soviel  wie  möglich  in 
die  Morgenstunden  zu  verlegen.  Diese  Mafsregel  hat  die  Aufmerksamkeit 
der  Schulbehörden  des  Gymnasiums  zu  Schiedam  auf  sich  gezogen,  weil 
sie  der  Meinung  waren,  dals  die  dort  bestehende  Stundeneinteilung  weder 
f&r  die  Schfller  noch  für  den  Unterricht  günstig  sei.  Es  ist  hier  nämlich 
der  ganze  Morgen  und  auch  der  Nachmittag  von  Unterrichtsstunden  ein- 
genommen, wobei  der  Schüler  aufserdem  den  gröfsten  Teil  des  Abends 
seinen  Schularbeiten  zu  Hause  widmen  mufs;  es  bleibt  ihm  auf  diese 
Weise  keine  Zeit,  um  irgendwelche  Liebhabereien  zu  treiben  oder  körper- 
lichen Übungen  und  freiem  Studium  obzuliegen.  Deshalb  finden  die  Be- 
hörden diese  Einteilung  sowohl  hygienisch  als  pädagogisch  falsch :  hygienisch, 
weil  der  Schüler  beinahe  den  ganzen  Tag  geistig  angestrengt  ist,  und 
pädagogisch,  weil  durch  diese  Belastung  mit  Schularbeit  die  Lust  und 
Fähigkeit  zu  selbständigem  Studium,  die  sich  auf  dem  Gymnasium  ent- 
wickeln sollen,  geradezu  unterdrückt  werden. 

Da  nun  nach  einer  Mitteilung  des  Rektors  des  Gymnasiums  zu  Leiden 
die  neue  Einteilung  sich  als  sehr  praktisch  erwies,  so  machten  die  Schul- 
behörden in  Schiedam  beim  Rektor  und  den  Lehrern,  welche  sich  hierfür 
gerne  zur  YerfQgung  stellten,  den  Vorschlag,  den  Schülern  behilflich  zu 
sein,  ihre  freien  Nachmittage  nützlich  zuzubringen,  und  stellten  im  Ge- 
meindevorstand den  Antrag,  vorläufig  als  Probe,  die  Unterrichtsstunden  je- 
weilen  auf  8'A  bis  12V4  Uhr  anzusetzen,  mit  Ausnahme  der  Montage  und 
Donnerstage,  an  denen  der  Unterricht  morgens  von  8'A  bis  ll'A  Uhr 
und  nachmittags  von  1  bis  4  Uhr  stattfinden  solle. 

Obgleich  der  Bürgermeister  und  Beigeordnete  dem  Antrage  nicht  bei- 
stimmen konnten,  entschied  sich  der  Gemeindevorstand  in  seiner  Mehrheit 
ftbr  die  neue  Ordnung  der  Dinge  am  Gymnasium.  Dem  Rektor  des  Gym- 
nasiums zu  Schiedam  verdanken  wir  nun  die  liebenswürdige  Mitteilung, 
dais  jetzt  die  Unterrichtszeiten  von  vier  Stunden  nach  Verflufs  der  ersten 
zwei  Stunden  durch  eine  Pause  von  20  Minuten  unterbrochen  wird,  welche 
die  Schüler  im  Freien  zubringen ;  erlaubt  dies  das  Wetter  nicht,  so  macht 
man  nach  der  zweiten  und  nach  der  dritten  Stunde  eine  Pause  von  je 
10  Minuten,  wobei  dann  die  Schüler  im  Schullokal  bleiben.  Die  Schiü- 
zeiten  von  drei  Stunden  am  Montag  und  Donnerstag  werden  nach  Beendi- 
gung der  zweiten  Stunde  durch  eine  Pause  von  10  Minuten  unterbrochen, 
die  je  nach  dem  Wetter  entweder  draufsen  oder  in  der  Schulstube  zu- 
gebracht wird.  Manchem  wird  hierbei  die  freie  Zeit  von  11%  bis  1  Uhr 
an  diesen  Tagen  viel  zu  kurz  erscheinen,  um  erst  nach  Hause  und  dann 
wieder  zur  Schule  zu  gehen  und  aufserdem  noch  zu  essen.  Hierzu  ist 
aber  zu  bemerken,  da(s  man  in  Holland  erst  um  5  oder  6  Uhr  zu  Mittag 
i&t  und  zwischen  12  und  1  Uhr  nur  ein  zweites  Frühstück  (Butterbrot 
und  Milch,  Schokolade  oder  Kaffee)  zu  sich  nimmt.  Aufserdem  ist 
Schiedam  eine  kleine  Stadt  und  sind  fünf  Viertelstunden  also  mehr  als 
genügend.  (Dr.  med.  J.  M.  C.  MouTON-Haag.) 

Ein  obligatorischer  freier  Spielnaehmittag  fSr  die  Schiller 
aOor  Sehalon  wird  immer  aUgemeiner  gefordert.    Der  „Verein  für  Jugend- 


268 

und  Yolksspiele"  in  Leipzig  hat  bereits  alle  Schnlverwaltangen  um  Er- 
örterungen über  den  obligatorischen  freien  Spielnachmittag,  der  ja  auch  mit 
der  ungeteilten  durchgehenden  Unterrichtszeit  in  engster  Beziehung  steht, 
ersucht,  und  auch  der  Verein  ftlr  Schnlgesundheitspflege  ist  der  Frage 
schon  näher  getreten  an  einem  entsprechenden  Vortragsabend  mit  Handels- 
hochschuldirektor Prof.  Raydt  als  Referenten.  Vor  kurzem  hat  nun  die 
Leipziger  Sektion  des  „Deutschen  Vereins  für  Schulgesundheitspflege"  eine 
öffentliche  Versammlung  veranstaltet,  in  welcher  Prof.  Dr.  E.  Kohlrausch 
aus  Hannover  das  Referat  über  diese  Frage  hielt.  Wie  die  y^Ldpe.  Zig,^ 
mitteilt,  schilderte  K.  zuerst  Anfänge  und  weitere  bisherige  Entwicklung 
der  Bestrebungen,  die  auf  Einführung  von  Jugendspielen  im  Freien  hin- 
zielen, und  erläuterte  sodann  die  in  dieser  Beziehung  vom  Zentralausschuls 
für  Jugendspiele  aufgestellten  Leitsätze,  die  insbesondere  den  hohen  ge- 
sundheitlichen und  erzieherischen  Wert  der  Jugendspiele  betonen  und  die 
Forderung  aufstellen,  dals  die  Schule  selbst  diese  Spiele  regeln,  durch- 
führen und  überwachen  soU. 

Der  Vortrag  rief  einen  lebhaften  Meinungsaustausch  hervor,  der 
zur  Annahme  folgender  Erklärung  führte:  „Die  am  21.  März  in  der 
Aula  der  städtischen  höheren  Mädchenschule  stattgehabte  Versammlung 
beauftragt  den  Vorstand  der  Sektion  Leipzig  des  Deutschen  Vereins 
für  Schulgesundheitspflege  im  Anschlufs  an  den  Vortrag  des  Herrn 
Prof.  Dr.  EoHLBAüSCH  und  die  ihm  nachfolgende  allseitige  Aussprache, 
an  den  Rat  der  Stadt  Leipzig  das  Gesuch  zu  richten,  zunächst  an  einigen 
besonders  hierfür  geeigneten  Schulen  einen  obligatorischen  freien  Spiel- 
nachmittag einzurichten,  aber  zu  gestatten,  daCs  an  Stelle  des  Spiels  auch 
geeignete  anderweitige  Beschäftigungen  (Wanderungen,  Turnmärsche, 
Schwimmen,  Schlittschuhlaufen  usw.)  treten  dürfen,  wie  dies  auch  der 
Beschluls  des  Zentralausschusses  für  Jngendspiele  vorsieht.^ 

Kinderansflfige  in  Berlin.  Zur  Weiterverbreitung  dieses  seit 
mehreren  Jahren  bestehenden  Unternehmens  hat  sich,  wie  die  y^Deuische 
Warte"'  mitteilt,  kürzlich  in  Berlin  ein  Verein  unter  dem  Namen 
„Einderausflüge"  gebildet  Derselbe  bezweckt,  besonders  bedürftigen 
und  schwächlichen  Kindern  der  Volksschulen  allwöchentlich  einmal  Gelegenheit 
zu  Wanderungen  in  die  freie  Natur  zu  geben,  um  dadurch  die  Kinder 
körperlich  und  seelisch  zu  stärken  und  die  Liebe  zur  Natur  in  ihnen  zu 
entfalten.  Jede  Einderabteilung  besteht  aus  12 — 15  Knaben  und  Mädchen 
im  Alter  von  8 — 14  Jahren,  die  unter  Leitung  von  zwei  freiwilligen 
Hilfskräften  die  Ausflüge  machen.  Die  Helferinnen  sind  Frauen  und 
Mädchen  gebildeter  Kreise.  Im  vergangenen  Sommer  sind  neun  Abtei- 
lungen eingestellt  worden;  jede  von  ihnen  hat  28 — 30  Wanderungen  ge- 
macht. Jede  Abteilung  hatte  ein  anderes  Ziel,  so  dafs  die  Uniformität 
des  Massenbetriebs  vollständig  vermieden  wird.  Die  Beförderung  der 
Kinder  erfolgt  per  Stadtbahn,  als  Rastpunkte  werden  meist  die  Grunewald- 
seen, deren  Ufer  sich  ja  auch  zum  Botanisieren  am  besten  eignen,  gewählt.  Die 
Kosten  für  Milch,  Verproviantierung  und  Beförderung  trägt  der  Verein; 
der  Proviant  wird  von  den  Helferinnen  besorgt.  In  diesem  Frühjahr  liegt 
die  Absicht  vor,  neue  Abteilungen  einzustellen  und  so  die  Zahl  der  Teil- 
nehmer wesentlich  zu  erhöhen. 


269 

Ein  Hneitgeltlielies  Braaseliad  yerabfolgt  die  Gemeinde  Grnne- 
wald  ihren  Mitgliedern  in  ihrem  neuen  Gemeindeschalhans,  Torläufig  jeden 
Donnerstagabend.  Wie  die  „ Vossische  Ztg."  mitteilt,  hat  die  Gemeinde 
in  dem  neuen  Schnlhaase,  das  mit  einem  Kostenanfwande  von  483600  Mark 
errichtet  (damnter  fOr  Grand  und  Boden  156000  Mark)  and  am  1.  April 
eingeweiht  wnrde,  neben  den  Badeeinrichtongen  fQr  die  Schfller  auch  eine 
solche  für  erwachsene  Gemeindemitglieder  vorgesehen.  Mit  der  Schale  ist 
eine  Volksbibliothek  and  ein  Lesezimmer  verbanden,  das  ebenfalls  Don- 
nerstagabend (von  7 — 9  ühr)  zar  anentgeltlichen  Benatzang  geö&et  wird. 

Eine  Sappenanstalt  fOr  Kinder,  deren  Eltern  znr  Mittagszeit  nicht 
nach  Hanse  kommen,  wnrde  vor  karzem  in  der  Fröbelschale  in  Frank- 
furt a.  M.,  Kristelerstralse,  eröffnet.  —  In  den  Einderhorten  warden  im 
Torigen  Jahre  96000  Portionen  Sappe  an  Kranke  verteilt. 

Der  Stiftung  cnr  Unterstfltznng  armer  Kinder,  die  von  dem 
1889  verstorbenen  ELaafmann  LüDvna  Hauswalbt  mit  einem  Kapital 
TOD  30000  Mark  za  dem  Zwecke  begründet  worden  ist,  armen  Schal- 
kindern znr  Winterszeit  ein  warmes  Frühstück  za  verabreichen,  sind,  wie 
die  Brannschweiger  Tagesblätter  mitteilen,  von  dem  kürzlich  verstor- 
benen Brnder  des  Stifters,  Kasl  HaüSv^aiiBT,  ebenfalls  30000  Mark 
testamentarisch  vermacht  worden. 

Eine  Ansstellnng  von  Lehrmitteln  f&r  Mensclienknnde  nnd 
fiesuidheitslehre  sowie  der  einschlägigen  Literatar  soll  in  der  Zeit  vom 
5.  bis  18.  Jnli  d.  J.  von  der  Abteilang  für  Scholgesandheitspflege  des 
Leipziger  Lehrervereins  im  städtischen  Kanfhaase  za  Leipzig  veranstaltet 
werden.  Die  Ansstellang  ist,  wie  wir  dem  j^Leipe.  TagebL^  entnehmen, 
Ton  dem  Rate  and  der  Schalbehörde  der  Stadt  Leipzig  genehmigt  worden 
nnd  wird  von  ihnen  in  der  entgegenkommendsten  Weise  nnterstützt.  Sie 
soll  vornehmlich  den  Zweck  haben,  den  gegenwärtigen  Stand  des  Lehr- 
mittelwesens anf  dem  bezeichneten  Gebiete  zor  Darstellnng  za  bringen,  am 
eine  allgemeinere  nnd  sachgemäfsere  Würdigang  des  menschenknndlichen 
Unterrichtes  herbeiznführen,  dann  aber  aach  auf  noch  vorhandene  Lücken 
aufmerksam  machen  nnd  die  Erfindertätigkeit  im  Interesse  dieses  Schnl- 
fitöhes  anregen.  Insbesondere  sollen  aach  die  Lehrer  Anregnngen  and 
Fingerzeige  erhalten,  in  welcher  Weise  sie  dorch  Zeichnnngen,  darch  Her- 
stellong  einfacher  Modelle  und  darch  entsprechende  Experimente  den 
Unterricht  in  dieser  wichtigen  Disziplin  fördern  können. 


270 


}ltittli4ie  ))erfti0tttt)en. 

SieherbeitsvorkehriiDgen  bei  ScbUleryorstelliuigen. 

Bezirksschulrat 
der  k.  k. 
Reichshaupt,  und  Residenzstadt  y^^       ^  ,3  ^^  19Q5 

Wien.  *^ 

Z.  545  ex  1904. 

An  sämtliche  Schalleitnngen. 
Der  Bezirksschulrat  der  Stadt  Wien  hat  sich  hestimmt  gefunden, 
nachstehende  Grundsätze,  nach  welchen  Ansuchen  um  die  Bewilligung  oder 
Förderung  von  Schaustellungen,  Vorstellungen,  Vorträgen,  Konzerten  und 
anderen  Veranstaltungen  für  Schulkinder  in  Hinkunft  der  Beratung  und 
Beschlulsfassung  zugefohrt  werden  sollen,  aufzustellen: 

1.  Der  Bezirksschulrat  wird  in  Hinkunft  Ansuchen,  dahingehend, 
Schaustellungen,  Vorstellungen,  Vorträge,  Konzerte,  Vorführungen  von 
Lichteffekten  in  Theatern  und  diesen  gleichzuhaltenden  Räundichkeiten  fClr 
schulpflichtige  Kinder  zu  fördern,  nur  dann  in  Beratung  ziehen,  wenn  akten- 
mäfsig  nachgewiesen  ist,  dafs  die  Bewilligung  k.  k.  n.-ö.  Statthalterei  oder 
der  k.  k.  Polizeidirektion  zur  Veranstaltung  erteilt  worden  und  die  Über- 
wachung durch  die  k.  k.  Polizei  und  das  Stadtbauamt  sichergestellt  ist. 
Im  Falle  einer  zustimmenden  Erledigung  eines  solchen  Ansuchens  durch 
den  Bezirksschulrat  ist  in  der  Verlautbarung  an  die  Schulleitungen  aus- 
drücklich zu  sagen,  dafs  trotz  der  grundsätzlichen  Genehmigung  des  An- 
suchens die  Schulkinder  nur  dann  zum  korporativen  Besuche,  sei  es  auch 
nur  durch  Anbringung  von  Ankündigungen  im  Schulhause  oder  durch  Ver- 
teilung von  Eintrittskarten  oder  Anweisungen  angeregt  werden  dürfen, 
wenn  für  ihre  Beaufsichtigung  durch  Lehrpersonen  der  jeweiligen  Anstalt 
vorgesorgt  ist. 

2.  Gesuche  an  den  Bezirksschalrat,  dahingehend,  Schaustellungen, 
Vorstellungen  usw.  zu  fördern,  die  in  Konzert-  oder  Gasthaussälen  oder 
gleichartigen  örtlichkeiten  für  Schulkinder  ahgehalten  weiden  sollen,  werden 
nur  dann  in  Beratung  gezogen,  wenn  aktenmäfsig  nachgewiesen  ist,  dals 
seitens  der  k.  k.  Polizei  und  des  zuständigen  magistratischen  Bezirksamtes 
die  Bewilligung  erteilt  und  die  Überwachung  der  Veranstaltung  durch 
Organe  dieser  Stellen  sichergestellt  und  namentlich  bei  Vorführung  von 
Lichteffekten  (Skioptikon,  Kinematographen),  ein  ausgerüsteter  Feuerwehr- 
mann anwesend  ist.  im  Falle  der  zustimmenden  Erledigung  eines  solchen 
Ansuchens  durch  den  Bezirksschulrat  ist  ausdrücklich  zu  sagen,  dafs  die 
Schulkinder  trotz  der  grundsätzlichen  Genehmigung  des  Ansuchens  nur 
dann  zum  Besuche  angeregt  werden  dürfen,  wenn  für  ihre  Beaufsichtigung 
durch  Lehrpersonen  der  jeweiligen  Anstalt  vorgesorgt  ist. 


271 

3.  Ansuchen  yoq  schulfremden  Personen,  in  Schnlrftnmlichkeiten  Vor- 
stdlongen  irgendeiner  Art  gegen  ein  bestimmtes  oder  freigestelltes  Eintritts- 
geld abhalten  zn  dürfen,  sind  in  Hinknnft  unbedingt  abzuweisen. 

4.  Von  Lehrkörpern  ausgehende  Ansuchen,  dahingehend,  der  Bezirks- 
schnlrat  bewillige,  dab  in  SchulBftlen  Schaustellungen,  Yortrftge,  musikalische 
AnfitÜirungen,  Vorführungen  von  Lichteffekten  (SJdoptikon,  Einematographen) 
und  dergleichen  fftr  Schulkinder  und  Erwachsene  abgehalten  werden  dürfen, 
sind  mit  der  Zustimmung  des  magistratischen  Bezirksamtes  vom  Stand- 
pimkte  der  Sicherheit  der  Teilnehmer  zu  belegen.  Im  Falle  der  Bewilligung 
eines  derartigen  Ansuchens  sind  die  Veranstalter  fOr  die  Durchführung  der 
erforderlichen  Sicherheitsmafsregeln  ausdrflcklich  verantwortlich  zu  machen. 

5.  In  allen  diesen  Fällen  bleibt  es  dem  Bezirksschulrate  anheim- 
gestellt, seine  Entschlttsse  von  der  Erwägung  abhängig  zu  machen,  ob  den 
Kindern  aus  der  geplanten  Veranstaltung  ein  erziehlicher  Nutzen  erwachse 
und  ihnen  nicht  die  innere  Sammlung  genommen  werde,  die  zur  Erfüllung 
ihrer  Pflichten  gegen  die  Schule  im  Eltemhause  erforderlich  ist. 

6.  Bei  den  üblichen  Schulfesten  und  Schulfeierlichkeiten,  die  einer 
besonderen  Bewilligung  durch  den  Bezirksschulrat  nicht  unterliegen,  femer 
bei  Vorführung  von  Lichtbildern  für  mehrere  Elassenabteilungen  obliegt 
es  dem  Lehrkörper  und  in  erster  Linie  dem  Schulleiter,  für  die  Sicherheit 
der  Kinder  zn  sorgen;  sie  haben  unter  Würdigung  der  in  den  Gutachten 
des  Stadtbauamtes  und  des  Feuerwehrkommandos  enthaltenen  Batschläge 
die  den  örtlichen  Verhältnissen  entsprechenden  Vorkehrungen  zu  treffen, 
gegebenen  Falles  sich  deren  Unterstützung  zu  sichern. 

7.  Die  in  den  Punkten  1  bis  einschlieislich  6  aufgestellten  Grund- 
sätze beziehen  sich  auf  die  öffentlichen  Volks-  und  Bürgerschulen.  Die 
Leitungen  der  Privat- Volks-  und  Bürgerschulen  (Lehr-  und  Erziehungs- 
anstalten) haben  bisher  die  Bewilligung  des  Bezirksschulrates  zu  den  von 
fluaen  veranstalteten  Vorstellungen,  Vorträgen  usw.  nicht  eingeholt.  Es 
liegt  auch  kein  Anlafe  vor,  diese  Bewilligung  als  erforderlich  zu  erklären, 
insolange  diesen  Veranstaltungen  der  interne  Charakter  gewahrt  bleibt, 
womit  zugleich  gesagt  sein  soll,  dab  die  Inhaber  und  Leiter  dieser  An- 
stalten für  die  Sicherheit  der  Kinder  in  vollem  Umfange  verantwortlich  sind. 

Hiervon  wird  die  SchuUeitung  unter  Anschlufis  des  Gutachtens  der 
k.  k.  Polizeidirektion,  des  Stadtbauamtes  und  des  Feuerwehrkonunandos  zur 
genauen  Damachachtung  in  Kenntnis  gesetzt. 

Vom  Bezirksschulrate  der  Stadt  Wien. 
Der  Vorsitzende-Stellvertreter: 

GüaLEB. 


SebidgeBnndheitspflege.  XVIII.  15 


272 

Brlafs  von  15.  Hin  1905,  betreffend  die  Besiehti^ugen  der  den 
ProTincial-Sehnlkollegien  nnterstellten  hSheren  Lehranstalten  dnrch 

die  Kreisirste. 

Die  Dienstanweisang  fbr  die  Kreisärzte  vom  23.  März  1901  (ZeDtral- 
blatt  fOr  die  gesamte  ünterrichtsYerwaltung  von  1902,  S.  217  ff.)  bestimmt 
im  §  94,  Abs.  7,  dafs  die  den  ProTinzial-ScbnlkoUegieD  nntersteUten 
boheren  Lehranstalten  nor  auf  Grand  besonderen  Auftrages  einer  Be- 
sichtigung zn  unterziehen  sind.  In  Ausführung  dieser  Bestimmung  wird 
folgendes  angeordnet: 

1.  Der  Auftrag  zu  solchen  Besichtigungen  ist  den  Ejreis&rzten  auf 
Ersuchen  des  Königlichen  ProTinzial-SchulkoUegiums  durch  den  Regienmgs- 
prftsidenten  zu  erteilen.  In  dringenden  Fällen  ist  der  Anstaltsleiter,  bei 
nichtstaatlichen  Anstalten  auch  der  Patron  befugt,  den  Kreisarzt  um  eine 
gutachtliche  Äufeerung  Aber  hygienische  Angelegenheiten  der  Schule  zu 
ersuchen.  Trftgt  dieser  Bedenken,  dem  Ersuchen  zu  entsprechen,  so  hat 
er  dem  Regierungspräsidenten  Bericht  zu  erstatten,  welcher  erforderlichen 
FaUes  nach  Benehmen  mit  dem  Königlichen  Provinzial-Schulkolleginm  das 
Weitere  veranlafst. 

2.  Bei  der  Ausarbeitung  von  Neubau-  und  ümbauplAnen  ist  dem 
Kreisarzt  in  der  Regel  Gelegenheit  zur  Äulserung  zu  geben,  am  zweck- 
m&isigsten  in  der  Weise,  dafe  der  Anstaltsleiter,  mit  welchem  der  Bau- 
beamte in  jedem  Falle  in  Verbindung  tritt,  eine  gemeinsame  Besprechung 
unter  Zuziehung  des  Kreisarztes  veranlafst. 

3.  Im  flbrigen  ist  es  mir  erwünscht,  dafis  mit  der  hygienischen  Unter- 
suchung der  Verhaltnisse  der  höheren  Lehranstalten  durch  die  Kreisärzte 
angefangen  und  diese  in  einem  Zeitraum  Ton  fOnf  Jahren  allmählich  durch- 
geführt wird.  Die  Berichte  über  das  Ergebnis  dieser  Untersuchungen 
sollen  die  in  hygienischer  Hinsicht  sich  ergebenden  Beanstandungen  ent- 
halten und  sind  durch  den  Regierangspräsidenten  dem  Königlichen  Prorinzial- 
Schulkollegium  zu  übermitteln. 

Bis  zum  1.  April  1910  sehe  ich  einer  Anzeige  über  die  Ausführung 
dieses  Erlasses  und  die  dabei  gemachten  Erfahrangen  entgegen. 

(Unterschrift.) 
An  die  Königlichen  Provinzial-Schulkollegien. 


Abschrift   übersende    ich    Ew.    Hochwohlgeboren   zur  Keuntnisnahme 
und  Beachtung. 

Berlin,  den  15.  März  1905. 
Der  Minister  der  geistlichen,   Unterrichts-  und  Medizinal -Angelegenheiten. 

In  Vertretung. 
Wevbb. 
An  die  Herren  Regierungspräsidenten. 
U.  n.  254  M. 
(yfMinist-Bl  f.  Medmnal-  und  medus.  ünterrichts-ÄngelegekheUeH'^ ^ 

Nr.  7,  1905.) 


273 

Brtsdiireii  Ober  Oesudlieitspflege  von  Prof.  Dr.  Leo  BnrgerBtein. 

Bezirksschalrat 

der  k.  k. 

Reichshaupt-  and  Residenzstadt  ^^       ^^  7    ^^  1905 

Wien. 

G.  Z.  1797. 

An  sämtliche  Schalleitnngen. 

Mit  Hinweis  aaf  das  h.  ä.  Dekret  vom  12.  April  1904,  Z.  1211, 
wird  die  Schalleitang  neuerlich  darauf  aufinerksam  gemacht,  dafe  die  Not- 
wendigkeit und  Bedeutung  hygienischer  Jugenderziehung  und  Belehrung 
immer  mehr  anerkannt  wird,  und  dafs  es  daher  auch  von  Nutzen  ist,  wenn 
die  £ltem  der  Schulkinder  sowie  diese  letzteren  selbst  einen  Behelf  in  die 
Hand  bekommen,  welcher  geeignet  erscheint,  die  Gesundheitspflege  in  Schule 
and  Haas  zu  fördern,  sowie  Lehrern  und  Eltern  gute  Anhaltspunkte  zu 
bieten,  um  mit  den  Kindern  darüber  zu  sprechen. 

Zu  diesem  Behufe  hat  der  k.  k.  Schnlbflcher-Verlag  auf  Anordnung 
des  k.  k.  Ministeriums  fttr  Kultus  und  Unterricht  die  beiden  von  Professor 
Dr.  Leo  Bubobbstein  yerfa&ten  Broschflren:  ^Zur  hämUchm  Gesund- 
heiispflege.  Bemerkungen  für  die  EUem  und  Pfleger  von  KosUöglingen'^  j 
sowie  j^GesundheUsregeln  für  Schüler  und  Schälerinnen^ j  beide  zum 
Preise  von  je  10  Hellern,  herausgegeben.  Diese  Schriften  sind  auch 
80  abgefa&t,  da(s  den  Kindern  der  erklärte  Text  einleuchtet. 

Obwohl  diese  Broschttren  im  Yoijahre  bereits  eine  weite  Verbreitung 
gefunden  haben,  wird  neuerlich  auf  das  Erscheinen  der  beiden  Schriftchen 
hingewiesen,  welche  verdienten,  in  jeder  Schule  alljährlich  den  Eltern 
der  Kinder  einer  bestimmten  Klasse,  beziehungsweise  diesen  letzteren  selbst 
nahegelegt  zu  werden,  wie  dies  tatsächlich  an  einer  Reihe  von  Schulen 
bereits  geschieht. 

FOr  den  Fall  der  Einfahrung  dieser  Broschüren,  beziehungsweise  deren 
BesteDung,  hat  sich  der  k.  k.  Schulbücher-Verlag  gerne  bereit  erklärt,  eine 
entsprechende  Anzahl  von  Exemplaren  für  unbemittelte  Schüler  oder 
SchtQerinnen  unentgeltlich  zu  überlassen. 

Vom  Bezirksschulrate  der  Stadt  Wien. 
Der  Vorsitzende-Stellvertreter:  (gez.)  Gugleb. 

(Direktor  Emanubl  BAYB-Wien.) 


Die  LugensehwiBdsneht,  ihre  Verhfltnng,  Bebandlnng  und  Heilmigy 
von  Dr.  A.  Bitter  von  Weismayr. 

Bezirksschulrat 
der  k    k 
Reichshaupt.  und  Besidenzstedt  ^^^^^  ™  22.  März  1906. 

Wien. 

An  sämtliche  Schulleitungen. 
Im  Verlage  der  Buchhandlung  Wilhelm  Braumüller  in  Wien  ist  das 
Werk:    „Die   Lungenschwindsucht^    ihre    Verhütung,    Behandlung    und 

15* 


274 

Heilung'^,  in  gemeinverstftndlicher  Weise  dargesteUt  vom  ehem.  Direktor 
der  Heilanstalt  Alland,  Dozent  Dr.  ALEXAin>£B  Ritter  von  Weismayb, 
erschienen.  Dieses  der  Bek&mpfang  eines  der  gefllhrlichsten  Feinde, 
namentlich  der  in  Groüsstädten  lebenden  Menschen  —  der  Lungenschwind- 
sucht —  gewidmete  Werk  verdient  die  weiteste  Verbreitung,  da  es  von 
dem  Streben  der  modernen  Krankheitslehre  ausgeht,  den  Menschen  durch 
Belehrung  Aber  eine  entsprechende  Lebensweise  gesund  zu  erhalten.  Die 
Behörden  leisten  den  Hygienikem  und  Verordnungen  Vorschub;  diese 
werden  also  nur  in  dem  Mafse  von  der  Bevölkerung  gewürdigt,  als  das 
Verständnis  derselben  vorhanden  ist.  Die  Schule  mufe  naturgemäß  bei 
der  Erziehung  des  heranwachsenden  Geschlechtes  auch  in  dieser  Hinsicht 
mithelfen.  Der  Lehrer  ist  aber  in  medizinischen  Dingen  Laie,  er  muls 
sich  aber  durdi  populäre  Schriften  selbst  unterrichten,  und  je  mehr  er 
selbst  von  der  Wichtigkeit  der  bezüglichen  Verordnungen  überzeugt  ist, 
desto  überzeugender  wird  seine  Mithilfe  an  dem  grofeeu  Werke  sein. 

Die  Schulleitungen  werden  daher  auf  das  Erscheinen  des  oben- 
bezeichneten Buches  mit  dem  Bemerken  aufmerksam  gemacht,  dafs  dasselbe 
zum  Ankaufe  und  zur  Einstellung  in  die  Lokal-Lehrerbibliothek  sehr 
geeignet  erscheint. 

Vom  Bezirksschulrate  der  Stadt  Wien. 
Der  Vorsitzende-Stellvertreter:  (gez.)  Gügleb. 

(Direktor  Emanueij  BATB-Wien.) 


fiieratitr* 


Besprechungen. 

Dr.  Leo  Bübgebbtein.  1.  Gesnndheitsregeln  fBr  Sehfller  und  Schflle- 
rinnen  aller  Lehranstalten.  Zehnte  durchgesehene  Auflage.  Leipzig, 
für  das  Deutsche  Reich  in  Kommission  bei  B.  G.  Teubner.  1905.  — 
2.  Znr  hlnalichen  Gesimdlieitgpflege  der  Sehnljngend.  Bemer- 
kungen für  die  Eltern  und  die  Pfleger  von  Eostzöglingen. 

Zwei  ausgezeichnete  kleine  Broschüren  über  Schulhygiene  für  Schüler 
und  Lehrer,  verfalst  von  Buboebstein,  der  durch  sein  grofses  Handbuch 
der  Schulhygiene  sich  in  allen  Ländern  einen  hervorragenden  Namen  er- 
worben. Beide  Hefte  können  gar  nicht  warm  genug  empfohlen  werden; 
sind  sie  doch  auch  in  Wien  auf  oberstamtlichen  Auftrag  herausgegeben 
worden.  Das  für  die  Schulkinder  berechnete  Heftchen  enthält  auf  nur 
16  Seiten  in  leichtestverständlicher  Form,  oft  in  Versen,  alle  hygienischen 
Anordnungen,  welche  das  Kind  in  bezug  auf  Tagesordnung,  Bett,  Kleidung, 
Essen,  Trinken,  Zahnpflege,  Atmung,  Bewegung,  Hautpflege,  Auge,  Ohr, 
Körperhaltung,  Sitzen  und  ansteckende  Krankheiten  zu  befolgen  hat.  Das 
sind  alles  goldene  Regeln,  die  in  jedem  Kinderzimmer  ihren  Platz  finden 


275 

und  den  Sditdern  immer  wieder  von  nenem  eingeprägt  werden  sollten.  Da 
das  Heftchen,  das  bei  Teubner  in  Leipzig  erschienen,  nur  zehn  Pfennige 
kostet,  so  kaon  es  wohl  auch  die  ärmste  Familie  anschaffen.  In  keinem 
Klassenzimmer  dürfte  es  fehlen.  Dasselbe  gilt  Yon  dem  zweiten  Hefte, 
das  sich  an  die  Eltern  wendet  nnd  eine  Reihe  wertvoUer  Winke  f&r  die 
hj^enische  Erziehung  gibt.  Würden  die  Lehren  dieser  Schriften  allgemein 
beherzigt,  so  könnte  vielem  Unheil  rechtzeitig  vorgebengt  werden. 

Geh.  Med.-Rat  Prof.  Dr.  Hermann  Gohn- Breslau. 

BÖ8BAUEB,  MiKLAS,  ScHiNEB.  Handbnch  der  SehwachsinnigenfBr- 
sorge.  Leipzig  nnd  Wien  1905.  K.  Graeser  &  Cie.  nnd  B.  G.  Tenbner. 
8«  167  S.  Mk.  3,20. 
Die  Schrift  gibt  in  gedrängter  Übersicht  Auskunft  Ober  das  gesamte 
Gebiet  der  Schwachsinnigenfflrsorge.  Abgesehen  von  einzelnen  Ausführungen 
erscheint  sie  zur  Orientierung  über  das  fragliche  Gebiet  sehr  geeignet  und 
Terdient  darum  die  vollste  Beachtung  aller  interessierten  Kreise.  Manche 
Kapitel  sind  trotz  ihrer  Kürze  sehr  anregend  und  interessant  geschrieben; 
wir  können  aus  ihnen  auch  verschiedene  Folgerungen  für  unsere  Verhältnisse 
ziehen.  Sehr  ernste  Erwägungen  bringt  das  Schlulswort;  die  Verfasser 
behandeln  darin  die  Fürsorgemafsnahmen  für  schwachsinnige  Fürsorge- 
zöglmge.  Das  Literaturverzeichnis,  welches  33  Seiten  umfafst,  ist  sehr 
sorgfältig  zusammengestellt;  es  dürfte  meines  Wissens  nach  das  bis  jetzt 
mnfaDgreichste  Verzeichnis  dieser  Art  sein.  Ein  dem  Buche  beigegebenes 
Sachregister  erscheint  fOr  Nachschlagezwecke  sehr  wertvoll.  Überhaupt 
wird  das  Handbuch  allen,  die  infolge  beruflicher  Tätigkeit  oder  sonstiger 
"Wirksamkeit  es  mit  den  Schwachsinnigen  zu  tun  haben,  gute  Dienste 
leisten.  Es  sei  darum  Ärzten,  Juristen,  Geistlichen  und  Pädagogen  bestens 
empfohlen.  Fbanz  FBENZEL-Stolp  i.  Pom. 

LiEPE,  AiiBEBT.  Über  die  schwachsinnigen  Schfiler  und  ihre  Be- 
handlung. Berlin  1905,  Fr.  Zillessen.  8^  47  S.  Mk.  0,75. 
Die  kleine  Schrift  wiU  einen  Einblick  in  das  Gebiet  der  Schwach- 
sinnigenbildung  vermitteLi.  Die  Darlegungen  umfassen  folgende  Punkte: 
1.  Arten  der  Kinder  in  Hinsicht  ihrer  Bildungsfähigkeit;  2.  Wesen  und 
Kennzeichen  des  Schwachsinns;  3.  Ursachen  des  Schwachsinns;  4.  Behand- 
hmg  der  Schwachsinnigen;  5.  Die  Bildungsstätte  der  Schwachsinnigen.  — 
Die  ersten  Abschnitte  sind  recht  anregend  behandelt  und  bieten  zutreffende 
Schilderungen  der  in  Betracht  kommenden  Gegenstände  und  Verhältnisse. 
Die  beiden  letzten  Abschnitte  dagegen  bringen  in  der  Hauptsache  skizzen- 
hafte Aufzeichnungen,  die  sich  nur  auf  die  Hauptmomente  der  Behandlungs- 
mafsnahmen  und  auf  einzelne  Organisationsangelegenheiten  der  Bildungs- 
stätten filr  Schwachsinnige  beziehen.  Doch  können  auch  diese  Aufzeich- 
mmgen  für  Orientierungszwecke  von  Nutzen  sein.  Die  Literatur  des 
Gegenstandes  findet  mit  Ausnahme  einzelner  neuerer  Schriften  eingehende 
Beaditnng  und  kritische  Würdigung.  Zur  Einfährung  in  das  Gebiet  der 
Schwachsinnigenbildung  wird  die  Schrift  am  besten  ihren  Zweck  erfüllen. 

Fbanz  FBENZEL-Stolp  i.  Pom. 


276 

Fuchs,  Akno.  Dispogitionssehwankuf^eii  bei  nomalen  und  sehwaek- 
siBnil^eii  EiBdern.  Eine  pädagogische  Untersüchimg.  Gflterdoh  1904. 
C.  Bertelsmann.  Beitrage  znr  pädagogischen  Pathologie,  Y.  Heft.  8^  62  S. 
Mit  1  Tafel.     Mk.  1,20. 

Die  Schrift  bietet  in  der  Hauptsache  einen  interessanten  Beitrag  zur 
experimentellen  Physiologie.  Der  Verfasser  spricht  zunächst  über  Stim- 
mnngs-  nnd  Dispositionsschwanknngen  bei  Erwachsenen,  begrenzt  dann  den 
Begriff  der  Dispositionsschwanknngen  im  aUgemeinen  nnd  verbreitet  sich 
hieraof  eingehend  über  diese  Erscheinungen  bei  normalen,  hauptsächlich 
aber  bei  schwachsinnigen  Kindern.  Der  SchluTs  behandelt  die  Bedeutong 
der  Dispositionsschwankungen  für  Unterricht  und  Erziehung  Schwach- 
sinniger. Die  Beispiele  aus  dem  Beobachtungs-  und  Untersuchungsmaterial 
sind  sehr  interessant  entwickelt  und  dargestellt  und  behandeln  ändserst 
typische  Fälle  der  schwachen  Begabung.  Der  Einfluls  der  Dispositions- 
schwankungen auf  die  unterrichtlichen  und  erziehlichen  Erfolge  wird 
überall  zutreffend  nachgewiesen,  der  Heilpädagoge  kann  aus  den  Ans- 
führungen  vieles  fdr  seine  Wirksamkeit  an  den  Schwachsinnigen  lernen. 
Zur  richtigen  Beurteilung  der  Dispositionsschwankungen  ist  ein  genaues 
Beobachten  der  Kindesseele  erforderlich;  Richtlinien  fCür  diesen  Zweck 
bietet  die  Schrift  in  ausgiebiger  Weise,  gerade  darin  ist  ihr  Schweipnnkt 
zu  suchen.  Überhaupt  sind  die  gesamten  Darbietungen  nicht  nur  inter- 
essant, sondern  sie  erscheinen  auch  zeitgemälk,  da  sie  heilpädagogische 
Gesichtspunkte  von  größter  Bedeutung  beleuchten  und  Fragen  von  tief 
einschneidender  Tragweite  zweckmäßig  erörtern.  Der  Verfasser  hat  sich 
unstreitig  ein  grobes  Verdienst  mit  der  Lösung  der  in  der  Schrift  ge- 
stellten Aufgaben  erworben.  Franz  FBBNZEL-Stolp  i.  Pom. 


§tv  ^Ainlav^t 


m.  Jahrgang.  1905.  No.  5. 


•rt9ttiaUkl|ati)l]ttt|eti« 


Znr  Scholarstfrage  in  Österreich. 

Von 

k.  k.  Sanitfttsrat  Dr.  ÄLTSCHUL-Prag. 

Mit  einer  Tabelle. 

In  Nr.  2  (Februar  1905)  der  y,Monats8chr.  f.  Oesundheüspfi^ 
(Organ  der  Österreichischen  Gesellschaft  für  Gesundheitspflege),  Wien, 
Kommissionsyerlag  von  Moritz  Perles,  ist  die  Petition  abgedruckt, 
welche  an  das  Ministerium  für  Kultus  und  Unterricht  und  an  das 
Ministerium  des  Innern  von  der  Österreich.  Gesellschaft  ftLr  G^und- 
heitspflege  gerichtet  wurde.  Die  Vorgeschichte  dieser  Petition  ist 
folgende : 

Am  29.  Oktober  1902  hielt  Professor  Sohattenfboh  in  Wien 
in  der  Versammlung  der  Österr.  Gesellschaft  für  Gesundheitspflege  — 
wie  ich  im  ^Schtdarat^  1903,  S.  103  bereits  mitgeteilt  habe  und 
J.  Pawel  im  selben  Jahrgang  S.  7  schon  angedeutet  hatte  —  einen 
Vortrag  über  die  Schularztfrage  in  Österreich.  Auf  Grund 
dieeee  Vortrages  wurde  ein  Komitee  eingesetzt,  welches  (allerdings 
etwas  spfttl)  im  Februar  1902  das  erwähnte  Gutachten  in  Form  einer 
Eingabe  an  die  Ministerien  für  Kultus  und  Unterricht  und  des  Innern 
erstattete. 

In  dieser  Petition  wird  vorerst  die  Notwendigkeit  der  Ein- 
tehrung  der  ärztlichen  Schulaufsicht  in  Österreich  dargetan  und  die 
Tätigkeit  des  Schularztes  umschrieben  und  dann  vorgeschlagen: 
»eine  gemischte  Kommission,  die  aus  Vertretern  der  interessierten 
Ressorts  der  hohen  Unterrichts-  und  Sanitätsverwaltung  sowie  aus 
erfahrenen  Ärzten  und  Schulmännern  bestehend,  die  einschlägigen 
Fragen,  speziell  unter  Berücksichtigung  der  heimatlichen  Verhält- 

Der  Sehularit  IIL  7 


68  278 

niflse,  eingehend  za  studieren  und  darüber  Bericht  zu  erstatten 
hfttte*.  Die  wichtigste  Vorarbeit  fflr  die  Tätigkeit  dieser  Kommis- 
sion sollte  die  Untersuchung  einer  gröfseren  Anzahl  von  Schul- 
kindern verBchiedener  GFegenden  sein  —  10  000  bis  20000  — ,  und  zirar 
mfiftten  hierzu  landliche  und  stadtische  Volks-  und  Mittelsohulen 
gleichmaisig  ausgewählt  werden.  (Ein  Formular  [siehe  Beilage]  des 
hierbei  zu  benutzenden  Oesundheitsscheines  ist  der  Petition  an- 
geschlossen.) Zur  Durchfahrung  dieser  Untersuchungen,  die  in 
erster  Linie  durch  die  far  den  Sanitatsdienst  bestellten  Ärzte  vor- 
zunehmen waren,  scheint  der  „Gesellschaft  für  Gesundheitspflege* 
das  Zusammenwirken  der  k.  k.  ünterrichtsverwaltung  mit  der  vom 
Ministerium  des  Innern  gehandhabten  Sanitatsverwaltung  unerl&blich. 

Die  „Österreich.  Gesellschaft  fbr  Gesundheitspflege"  wiederholt 
schlielslich  die  Bitte,  „das  hohe  Ministerium  far  Kultus  und  Unter- 
richt wolle  die  Torgetragene  Angelegenheit  im  Interesse  des  Unter- 
richts wie  der  Gesundheit  der  Schuljugend  einer  geneigten  Würdigung 
unterziehen  und  derselben  ehemöglichst  Gelegenheit  geben,  die  dies- 
faÜB  malsgebenden  Intentionen  der  hohen  ünterrichtsverwaltung  im 
Wege  der  Vereinstatigkeit  und  Popularisierung  derselben  fi)rdem  zu 
können**.  — 

Meiner  bescheidenen  Meinung  nach  hat  diese  Petition  nioht  in 
allen  Punkten  das  Richtige  getroffen,  so  freudig  es  auch  zu  be- 
grttliBen  ist,  da(s  die  Österreich.  Gesellschaft  far  Gesundheitspflege, 
deren  Vorsitzender  Sektionschef  Dr.  von  Kusy,  SanitatBreferent  im 
Ministerium  des  Innern  ist,  die  Schularztfrage  in  Österreich  endlich 
ins  Rollen  bringt. 

Ich  vermag  nicht  einzusehen,  welchen  Nutzen  die  vorhergehende 
Untersuchung  von  10 — 20000  Schulkindern  durch  Amtsarzte  far 
die  Losung  der  Schularztfrage  bringen  soll.  Wenn  sich  die  Petition 
darauf  beruft,  dafs  auch  die  preußische  Schulbehörde  im  Jahre  1897 
„einen  derartigen  Weg  eingeschlagen  hat"*  und  Kommissionare  zum 
Studium  der  schulärztlichen  Einrichtung  nach  Wiesbaden  entsandte, 
wo  im  Jahre  1895  der  Magistrat  die  gesundheitliche  Untersuchung 
von  7000  Schülern  der  Volks-  und  Mittelschulen  veranlalst  hat  — 
so  mufs  man  bedenken,  dals  damals  die  Dinge  noch  anders  lagen 
wie  heute.  Damals  galt  es,  Er&hrungen  zu  sammeln,  heute  sind 
aber  genügende  Erfahrungen  bereits  vorhanden  und  in  Sghübbbts 
„Bericht  über  das  Schularztwesen  in  Deutschland*'  (Hamburg,  Verlag 
von  Leopold  Voss)  sind  all  die  in  Deutschland  gemachten  Er- 
fahrungen vollständig  wiedergegeben. 


279 


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Die  für  die  Lösung  der  Sohularztfrage  mafsgebenden  Verhält- 
nisse können  bei  uns  in  Östeireioh  nicht  anders  liegen,  and  es  er- 
scheint nur  als  eine  unnötige  Zeitverschwendung,  die  Lösung  der 
Schularztfrage  von  einer  vorhergehenden  Untersuchung  von  10 — 20000 
Schülern  abhängig  zu  machen,  und  dies  um  so  mehr,  als  von 
Dr.  Igl  in  Brunn  und  Dr.  Quibsfbld  in  Rumburg  (wie  der 
j^Schidargi*'  seinerzeit  berichtete)  derartige  Untersuchungen  bereits 
vorgenommen  wurden,  welche  bewiesen  —  was  auch  a  priori  nicht 
anders  zu  erwarten  stand  — »  dafs  auch  in  Österreich  bezüglich  der 
Gesundheitsverhältnisse  der  Schuljugend  die  gleichen  Momente  zu- 
tage treten  wie  in  Deutschland  und  in  den  anderen  Kulturstaaten. 

Da(s  gerade  Amtsärzte  ,,in  erster  Linie^  berufen  wären,  diese 
Untersuchungen  vorzunehmen,  kann  ich  auch  nicht  ohne  weiteres 
zugeben:  Man  kann  ein  ausgezeichneter  Amtsarzt  sein,  ohne  die 
Eignung  zur  Vornahme  von  schulhygienischen  Untersuchungen  zu 
besitzen. 

Viel  wichtiger  wäre  es,  die  Lösung  der  Schularztfrage  in  Öster- 
reich dadurch  zu  beschleunigen,  dais  die  angeregte  Kommission 
sich  mit  der  Frage  beschäftigt,  ob  es  nicht  möglich  wäre,  durch 
ein  neu  zu  erlassendes  Oesetz  die  ärztliche  Schulaufsicht  obliga- 
torisch zu  machen;  wäre  das  letztere  unmöglich,  dann  sollte  die 
Kommission  „Musterinstruktionen''  für  Schulärzte  verfassen,  und  der 
Staat  sollte  den  Gemeinden  mit  gutem  Beispiel  vorangehen  und 
für  seine  Schulen  (die  Mittelschulen)  Schulärzte  anstellen  (wie  sie 
in  der  anderen  Beichshälfte  —  Ungarn  —  bereits  seit  zehn  Jahren 
bestehen).  —  Durch  den  in  der  Petition  vorgeschlagenen  Vorgang 
wird  die  Lösung  der  Schularztfrage  verzögert,  während  die  Be- 
schleunigung der  Angelegenheit  dringend  not  tut. 


tUtinttt  Jttttetliitt|eti. 


Anstellung  von  Schulärzten  in  Bremen.  Infolge  des  Beschlusses 
der  Bürgerschaft  vom  30.  November  1904  hat  die  Schnldeputation  die 
Frage,  ob  in  Bremen  Schulärzte  anzustellen  seien,  gemeinschaftlich  mit  der 
Deputation  für  das  Gesundheitswesen  einer  erneuten  Prüfung  unterzogen. 
Wie  wir  den  y^Bremer  Nachr,^  entnehmen,  hat  darauf  der  von  der  Medi- 
zinalkommission aufgeforderte  Gesundheitsrat,  dessen  Ausführungen  beide 
Deputationen  beigetreten  sind,  am  24.  November  1904  anheimgegeben,  von 


281  71 

Anten  für  die  höheren  Schnlen  zonftchst  noch  ahznsehen,  fOr  alle  Volksschulen 
sber  Schnlfirzte  anzustellen,  ihre  Zahl  zunächst  anf  sechs  zn  normieren  and 
einem  jeden  derselben  ein  Honorar  von  760  Mk.  für  seine  Bemtthnngen 
zu  bewilligen. 

'<<.  Die  aber  die  rechtliche  SteUnng  und  Dienstanweisung  dieser  Ärzte 
zwischen  den  beiden  städtischen  Deputationen  gepflogenen  Verhandlungen 
haben  sich  flber  die  fttr  die  Budgetberatung  bestimmte  Zeit  ausgedehnt,  sodafe 
der  Antrag  auf  Bewilligung  der  erforderlichen  Mittel  erst  jetzt  gestellt 
werden  kann  und  infolgedessen  eine  Ergänzung  des  Budgetantrages  der 
Deputation  iHr  das  Gesundheitswesen  beantragt  werden  muls.  Die  Depu- 
tation beantragt  die  Anstellung  von  sechs  Schulärzten  mit  einem  Jahres- 
gehalte von  je  750  Mk.  und  die  einmalige  Bewilligung  von  1 000  Mk.  für 
die  zu  den  Untersuchungen  und  Berichten  erforderlichen  Formulare  und 
sonstigen  Schreibsachen.    Der  Senat  hat  sich  seine  Erklärung  vorbehalten. 

Der  Bericht  des  Gesundheitsrats  bringt  im  wesentlichen  eine  Erläute- 
ning  der  folgenden  Dienstordnung  fOr  die  Schulärzte  an  den  Volksschulen 
in  Bremen: 

§  1 .  Die  Schulärzte  sind  der  Medizinalkommission  des  Senats  unter- 
stellt. Anweisungen  in  betreff  ihrer  amtlichen  Wirksamkeit  gehen  ihnen 
durch  diese  Behörde  zu.  Soweit  die  Senatskommission  für  das  ünterricbts- 
wesen  derartige  Anweisungen  fttr  geboten  erachtet,  wird  sie  das  Erforder- 
liche bei  der  Medizinalkommission  beantragen. 

§  2.  Den  Schulärzten  steht  eine  Befugnis  zu  Anordnungen  in  der 
Schule  nicht  zu.  Falls  der  Schularzt  und  der  Schulvorsteher  sich  flber 
eine  von  dem  ersteren  fOr  nötig  erachtete  Malsregel  nicht  verständigen, 
hat  dieser  das  Erforderliche  bei  der  Medizinalkommission  des  Senats  zu 
beantragen,  die  sich  darflber  geeignetenfalls  mit  der  Unterrichtskommission 
ins  Benehmen  setzen  wird. 

§  3.  Die  Schulärzte  haben  bei  der  Einschulung  die  Kinder  auf  ihre 
Schuliähi£^eit  zu  untersuchen.  Diejenigen  Kinder,  deren  Schulfähigkeit 
dem  Schulvorsteher  bei  der  Anmeldung  zweifelhaft  erscheint,  sind  dem 
Schulärzte  zuzusenden. 

§  4.  Innerhalb  der  ersten  sechs  Wochen  nach  Beginn  des  Schu^ahres 
sind  die  neuaufgenommenen  Kinder  auf  ihre  Körperbeschaffenheit  und  ihren 
Gesundheitszustand  in  der  Schule  zu  untersuchen.  Die  Eltern  sind  vorher 
zu  benachrichtigen  und  können  eventuell  zugegen  sein.  Bringen  sie  einen 
Schein  ihres  Arztes  flber  die  erfolgte  Untersuchung  und  den  Befund  in 
aasreichender  Weise  bei,  so  unterbleibt  die  Untersuchung  des  Schularztes. 
Die  als  nicht  schulfähig  erkannten  Kinder  sind  auf  ein  Jahr  zurückzustellen. 
Ober  den  Befund  eines  jeden  Kindes  ist  ein  „Gesundheitsschein''  nach 
näher  zu  bestimmendem  Formular  auszufflUen,  der  in  der  Schule  auf- 
bewahrt wird;  ist  ein  Gesundheitsmangel  aufzufinden,  so  ist  der  betreffende 
Schein  mit  dem  Vermerk  „ärztliche  Kontrolle''  zu  versehen. 

§  5.  In  den  ersten  vier  Wochen  nach  Beginn  des  zweiten  Halbjahres 
sind  die  Kinder  der  untersten  Klassen  abermals  zu  untersuchen  und  hierbei 
namentlich  auf  die  Sinnesorgane  —  Augen,  Ohren,  Nase  —  und  auf  ihre 
geistige  Entwicklung  zu  prflfen.  Die  Lehrer  werden  zu  dem  Zwecke  ihre 
Beobachtungen  an  den  Kindern  mitteilen. 


72  282 

§  6.  Gegen  Schlofii  des  Schii^ahres  —  spätestens  drei  Wochen  vor- 
her —  werden  aUe  Kinder,  deren  Scheine  den  Vermerk  „ärztliche  K(m- 
trolle^  tragen,  wieder  einer  Untersnehnng  unterzogen;  in  Znknnft  anch  die, 
welche  in  höhere  Klassen  aufgerückt  sind. 

§  7.  Dem  Schulärzte  steht  das  Recht  zu,  eine  hesondere  Berück- 
sichtigung heim  Schulunterricht  Ar  einzelne  Kinder  hei  dem  Vorsteher  der 
Schule  zu  veranlassen;  z.  B.  Ansschlie&ung  vom  Unterricht  in  einzelnai 
Fächln,  wie  Turnen  und  Gesang,  oder  Beschränkung  in  der  Teilnahme 
am  Unterricht,  Anweisung  eines  besonderen  Sitzplatzes  bei  Gesichts-  oder 
Gehörfehlem  usw.  Liegen  in  der  Beziehung  bereits  Atteste  von  anderen 
Ärzten  vor,  so  ist  diesen  Folge  zu  geben. 

§  8.     Die  Behandlung  der  Kinder  ist  nicht  Aufgabe  der  Schulärzte. 

§  9.  Bei  dem  Verdacht  auf  ansteckende  Krankheiten,  sowie  bei 
solchen  Krankheiten,  welche  Veranlassung  zu  Störungen  im  Unterrichts- 
betriebe geben,  hat  der  Vorsteher  das  Recht,  die  Kinder  dem  Schularzte 
zur  Untersuchung  zuzusenden,  der  darüber  sein  Gutachten  abgibt. 

§  10.  Kommen  dem  Schularzte  hygienische  Mängel  in  bezug  auf  die 
Schuleinrichtungen — Heizung,  Ventilation,  Subsellien,  Tafeln,  Bücher  usw. — 
zur  Kenntnis,  so  hat  er  darüber  nach  Besprechung  in  der  im  §  11  vor- 
gesehenen Sitzung  zu  berichten.  In  eilig  erscheinenden  Fällen  hat  der 
Schularzt  sofort  der  Medizinalkommission  zu  berichten. 

§  11.  Mindestens  einmal  jährlich  findet  eine  gemeinschaftliche  Sitzung 
sämtlicher  Schulärzte  mit  dem  Gesundheitsrate  statt.  —  In  derselben  wird 
über  alle  einschlägigen  Fragen  verhandelt  und  Protokoll  geführt. 

§  12.  Die  Schulärzte  haben  spätestens  zwei  Wochen  vor  der  Sitzung 
dem  Gesundheitsrat  ihre  Berichte  einzureichen.  Diese,  sowie  eine  Über- 
sicht und  etwaige  in  der  gemeinschaftlichen  Sitzung  beschlossene  Anträge 
sind  vom  Gesundheitsrat  der  Medizinalkommission  zu  übermitteln. 

Die  Notwendigkeit  der  Anfstelliuig  von  Sohnlangeiiärsteii  be- 
gründet im  ri-^ayer.  äreü,  Korrespondemhlait'*  (1906,  Nr.  2)  Generalarzt 
Dr.  SsaChELc    Mit  Bezug  auf  ihre  Tätigkeit  stellt  er  folgenden  Entwurf  auf: 

1.  Regelmäßige,  zweimal  jährlich  zu  wiederholende  Untersuchung 
beider  Augen  sämtlicher  Schulkinder.  Das  Ergebnis  der  halbjährlichen 
Untersuchungen,  die  sich  auf  alle  Einzelheiten  zu  erstrecken  haben,  ist  in 
Tabellen  einzutragen. 

2.  Alle  kranken  oder  sehschwachen  Augen  müssen  öfter  kontrolliert 
und  eventuell  der  Behandlung  zugeführt  werden.  Für  die  Untersuchung 
der  augenkranken  oder  sehschwachen  Kinder  wird  allwöchentlich  eine 
Sprechstunde  in  jeder  Schule  festgesetzt;  die  Behandlung  liegt  dem  Schularzt 
nicht  ob.  Die  Verständigung  der  Eltern  über  den  Zustand  der  Augen 
ihrer  Kinder  findet  durch  den  Schulvorstand  statt. 

3.  Kontagiöse  Augenkrankheiten  erfordern  bei  gröfserer  Ausbreitung 
nach  Anzeige  an  den  amtlichen  Arzt  und  unter  dessen  Zustimmung  anfser- 
ordentliche  MaCsregehi. 

4.  a)  Lichtrevision  der  Plätze  in  sämtlichen  Schulklassen  bei  Tages- 
und bei  künstlicher  Beleuchtung,  insbesondere  wenn  Neubauten  in  der  Um- 
gebung der  Schule  entstehen  und  die  künstliche  Beleuchtung  verändert  wird 
oder  Schwankungen  unterworfen  ist. 


283  73 

b)  PrOfang  der  Lichtabsorption  der  Yorbftnge. 

c)  Platzyerteilang  der  Schüler  nach  ihrem  Lichtbedttrfnis. 

5.  Kontrolle  ttber  Wechsel  zwischen  Arbeit  und  Rnhe,  Aber  die  Schüler- 
plfttze,  ob  die  Schrift  bequem  auf  33  cm  gelesen  werden  kann,  eventnell 
welche  Brille  hierfür  notwendig  ist. 

6.  Kontrolle  über  die  Schulbücher  (Dmck,  Papier). 

7.  Belehrong  der  Lehrer  ttber  ihre  Mitwirkung  and  der  Eltern  der 
Kinder  über  Angenhygiene  im  Hanse. 

Für  5000  SchtUer  ist  ein  Augenarzt  erforderlich,  wenn  derselbe  die 
Fonktion  im  Nebenamt  versieht  nnd  die  Yorontersnchnng  durch  den  Lehrer 
stattfindet.  (Dr.  med.  GÖTZ-Mttnchen.). 

Sehilarst  zn  Zaandan  (Holland).  Dr.  C.  A.  v.  d.  Loo,  prakt. 
Arzt  in  Rotterdam,  ist  als  Schularzt  in  Zaandam  ernannt  worden.  Man 
hat  ihn  beauftragt,  an  den  Gemeindevorstand  Bericht  zu  erstatten  und  Vor- 
schlüge zu  machen  über: 

1.  Alle  Pläne  zum  Bau  und  Umbau  von  Schulzimmem,  vom  hygienischen 
Standpunkte  aus; 

2.  die  Zahl  und  die  Einteilung  der  wöchentlichen  ünterrichtsstonden ; 

3.  die  Dauer  des  Schulunterrichtes; 

4.  die  Untersuchung  der  Schüler  bei  ihrem  Eintritt  in  die  Schule; 

5.  die  Haltung  der  Schüler  beim  Unterricht; 

6.  die  Quantität  der  Hausaufgaben; 

7.  die  Verordnung  zur  Vorbeugung  und  Einschränkung  von  ansteckenden 
Krankheiten.  —  Der  Schularzt  muls  den  Sitzungen  der  Schulkommission 
beiwohnen  und  dort  alle  gewünschten  Aufklärungen  geben. 

Die  Tätigkeit  des  Schularztes  zu  Zaandam  muis  sich  also  auf  dem 
Gebiete  der  Hygiene  des  Schulhauses,  des  Unterrichts  und  der  Kinder 
bewegen.     Er  erhält  eine  Jahresbesoldung  von  Fl.  1000  =  1700  Mark. 

(Dr.  med.  MouTON-Haag.) 

Sehnlirstliclies  ans  Holland.  „Medizinische  Aufsicht  in  den 
Schulen*'  war  das  Thema  eines  Vortrages,  gehalten  von  dem  Inspektor 
der  Volksgesundheit  Dr.  med.  Oo8T£Bba^l(?  in  der  Generalversammlung  der 
Sektion  fOr  Hygiene  des  Niederländischen  Vereins  zur  Beförderung  der 
Heilkunde  im  Jahre  1904. 

Die  Erfahrung  hat  Dr.  Ostebbaan  gelehrt,  dafs  die  Lehrer  die  die 
Gesundheit  befördernden  Mittel  in  der  Schule  im  ganzen  nicht  richtig  an- 
wenden, daCs  Aufsicht  von  hygienischen  Sachverständigen  über  die  Be- 
schaffung der  Lehrmittel  usw.  sehr  nötig  sei,  dafs  immer  und  immer  wieder 
in  der  Schule  die  Ursache  für  Verbreitung  epidemischer  Krankheiten  gesucht 
werden  mtlsse,  und  dafs  wiederholt  in  der  Schule  das  ätiologische  Moment 
ftr  krankhafte  Abweichungen  in  der  Entwicklung  der  Kinder  gesucht 
werden  muls.  Wenn  es  sich  so  verhält,  ist  es  Pflicht,  nach  Verbesserungen 
zu  streben,  und  jetzt  noch  viel  mehr  aQs  früher,  seit  die  Eltern  durch  das 
Gesetz  gezwungen  sind,  ihre  Kinder  in  die  Schule  zu  schicken,  wo  zu- 
weüen  die  notwendigsten  Bedingungen  für  das  Gelingen  der  geistigen 
Arbeit  nicht  vorhanden  sind  und  öfters  der  Keim  gelegt  wird  für  krank- 
hafte Zustände,  welche  das  Kind  für  sein  ganzes  weiteres  Leben  mehr 
oder  weniger  untauglich  machen. 


74  284 

Aufsicht  ist  also  nötig,  and  diese  Aufsicht  mnfs  von  Ärzten  ansgefiht 
werden,  denn  nur  sie  besitzen  die  hierzu  nötigen  Kenntnisse  in  genttgendem 
Ma(se.  Wir  gelangen  also  selbstredend  zu  der  Anstellung  von  SchuUrzten; 
aber  da  die  in  anderen  Ländern  gemachten  Erfahrungen  zeigten,  dafo 
Widerstand  zu  erwarten  sei,  und  zwar  sowohl  von  selten  der  Behörden 
als  auch  der  Lehrer  und  Eltern,  so  erschien  es  vernünftiger,  nicht  gleich 
einen  Schularzt  in  optima  forma  zu  berufen,  sondern  zuerst  den  Boden 
für  die  Tätigkeit  desselben  vorzubereiten. 

Erstens  mfissen  wir  Malsregeln  ergreifen,  um  besser  als  bis  jetzt  ge- 
schehen ist,  die  Verbreitung  der  ansteckenden  Krankheiten  durch  die  Schule 
zu  verhindern.  Wenn  einmal  ein  Arzt  diese  Arbeit  auf  sich  genommen 
hat,  so  wird  er  natflrlich  allmählich  seine  Aufmerksamkeit  auch  den  anderen 
Störungen  der  Gesundheit  der  Schüler  widmen.  Dann  wird  es  nötig  er- 
scheinen, dais,  wenn  überhaupt  eine  derartige  Aufisicht  etwas  erreichen  will, 
die^Schfller  ärztlich  untersucht  werden,  ehe  sie  zur  Schule  zugelassen  werden. 

So  wird  allmählich  der  Schularzt  entstehen  und  heranwachsen  und  sich 
die  Sympathien  der  Lehrer,  der  Eltern  und  seiner  KoUegen  erobern,  weil 
jedermann  anerkennen  mufs,  wie  segensreich  seine  Arbeit  ist. 

Dr.  SCHBEVE  aus  Amsterdam  teilte  weiter  mit,  wie  schon  seit  sieben 
Jahren  Ärzte,  als  Mitglieder  der  örtlichen  Schulkommission,  unentgeltlich 
auf  schulhygienischem  Gebiete  in  der  Hauptstadt  Hollands  arbeiten  und 
bereits  auch  Erfolge  erzielt  haben.  Aber  Dr.  Schbeye  geht  mit  Dr.  Oostsb- 
BAAN  einig  in  der  Anschauung,  dais  dies  auf  die  Daner  nicht  genügt, 
sondern  daüs  eigentliche  Schulärzte  nötig  sind.  Doch  warnt  auch  er  vor 
Übereilung.  Man  untersuche  soviel  wie  möglich  in  jeder  Gemeinde,  in 
welcher  Art  für  dieselbe  am  besten  die  Schuhirztfrage  zu  lösen  sei,  damit 
diese  Sache,  deren  groise  soziale  Wichtigkeit  nicht  zu  leugnen  ist,  mit  der 
dem  Holländer  eigenen  ruhigen  Überlegung  zum  Heil  des  Volkes  zustande 
gebracht  werde.  Dafs  eine  schulärztliche  Aufsicht  in  den  Schulen  Hollands 
notwendig  ist,  das  möchte  der  Referent  zum  Schlüsse  ausdrücklich  betonen, 
geht  deutlich  hervor  aus  der  Berichterstattung  der  Gesundheitskommission 
im  Jahre  1903,  wovon  Dr.  G.  W.  Bbuinsma  in  der  ,,Niederländischm 
Zeitschrift  für  Heilkunde*'  vom  24.  September  1904  einen  Überblick  ge- 
geben hat,  dem  wir  noch  das  Folgende  entnehmen: 

Ein  königliches  Dekret  schreibt  verschiedene  Forderungen  vor,  welchen 
die  Schulzimmer  und  ihre  Einrichtung  genügen  müssen.  Aber  gegen  diese 
Bestimmungen  wird  hier  und  dort  nicht  selten  gesündigt.  So  fehlen  bis- 
weilen an  den  Schulbänken  die  Rücken-  oder  Lendenlehnen,  dann  ist  das 
Lokal  nicht  genügend  beleuchtet  und  öfters  sind  keine  Vorrichtungen  für 
Luftemeuerung  angebracht.  Im  weiteren  waren  an  verschiedenen  Orten  die 
Pissoirs  verstopft  und  ganz  schmutzig,  die  Abtritte  unrein  und  verbreiteten 
schlechten  Geruch  in  der  Schule ;  die  Schulstuben  selbst  waren  ungenügend 
gereinigt,  der  Spielplatz  eine  Pfütze ;  es  fehlte  an  gutem  Trinkwasser  u.  dgl. 

Man  braucht  nicht  daran  zu  zweifeln,  dais  der  zukünftige  Schularzt 
viel  Gutes  wird  stiften  können.     (Dr.  med.  J.  M.  G.  MouTON-Haag.) 

Zur  sehiilärztlieh<$ii  Aufsicht  macht  Dr.  H.  Submont,  Professor 
an  der  medizinischen  Fakultät  in  Lille,  in  der  ^Presse  M^dieale^  Nr.  25 
vom  29.  März  1905  den  Vorschlag,  an  jeder  Schule  oder  einer  unter  der- 


286  75 

selben  Yerwaltimg  stehenden  Gruppe  von  Schalen  einen  schnlhygieni- 
sehen  Beirat  einzurichten,  hestehend  ans  dem  Schulleiter  oder  den  Dele- 
gierten des  Lehrkörpers,  den  Schulärzten  und,  worauf  er  besonderes  Gewicht 
legt,  aus  einem  oder  mehreren  Delegierten  der  Eltern,  welche  nicht  ernannt, 
solidem  Yon  den  Eltern  sel]bst  gewählt  werden  sollen.  Diesem  Beirate 
könnten  noch  beigeftlgt  werden  Vertreter  der  obersten  Schulverwaltung  und 
in  gröberen  Städten  auch  sonstige  an  schnlhygienischen  Dingen  interessierte 
Sachverstftiidige,  wie  Architekten,  Chemiker  usw.  Derselbe  hätte  die  Auf- 
gibe,  in  periodischen  Sitzungen  über  alle  schulhygienischen  Angelegenheiten 
Sich  Anhörung  der  von  Schulärzten  gehaltenen  Referate  endgültige  Be- 
schlflsse  zu  fassen. 

Von  dieser  Institution  verspricht  sich  der  Autor  mehrfache  Vorteile, 
und  zwar :  leichtere  Geneigtheit  der  obersten  Schulverwaltungen,  auf  die  von 
den  Schulärzten  erstatteten,  durch  einen  Beirat  sanktionierten  Anträge  ein- 
zugehen, —  raschere  Abwicklung  der  schulhygienischen  Agenden,  —  Ver- 
meidung von  Reibereien  zwischen  Schulärzten  einerseits,  Verwaltungsbehörden 
and  Lehrkörper  anderseits,  —  und  schließlich  vor  allem  regere  Anteil- 
nahme der  Eltern  an  allen  schnlhygienischen  Fragen  und  geringeres  MiOs- 
trauen  derselben  gegenflber  schulhygienischen  Verordnungen,  da  sie  ja  an 
deren  Beschlußfassung  durch  ihre  Delegierten  selbst  beteiligt  wären. 
(Dr.  AiiBEBT  Flachs,  Moinesti,  Rumänien.) 

Über  die  Angaben  eines  Schularztes  an  den  Hüfssehnlen  fBr 
SehwaehbeflUligte  schreibt  Nervenarzt  Dr.  Feseb  im  ^Bayer,  ärzü. 
KorrespondeMhlaH'  (1905,  Nr.  2): 

1.  Die  Einschulung  eines  Kindes  in  die  Hilfsschule  f&r  Schwach- 
befthigte  hat  auf  Grund  eines  ausführlichen,  besonders  auf  den  Geistes- 
zustand und  die  nervösen  Störungen  Rücksicht  nehmenden  ärztlichen  und 
pädagogischen  Gutachtens  zu  geschehen; 

2.  dieses  Gutachten  bildet  die  Grundlage  für  den  über  jeden  Schüler 
zu  führenden  Individualbogen,  der  über  Entwicklung,  Fortschritte,  auf- 
tretende physische,  nervöse  oder  rein  somatische  Störungen,  besonders  aber 
auch  über  etwaige  moralische  und  Willensdefekte  ausführlich  berichten  soll. 
In  Anbetracht  des  unbedingt  notwendigen  individuellen  Vorgehens  in  Er- 
ziehung und  Unterricht  bei  diesen  Rindern  und  des  hohen  psychopathologi- 
scben  Interesses,  das  sie  bieten,  sind  diese  Bogen  von  Arzt  und  Lehrer 
gemeinsam  monatlich  einmal  mindestens  in  eingehender  Weise  zu  ergänzen ; 

3.  der  Lehrer  ist  bei  dieser  Gelegenheit  vom  Arzt  über  die  Patho- 
logie des  einzelnen  Falles,  Anlage,  Ermüdbarkeit,  nervöse  Störungen  usw. 
za  beraten;  besondere  heilpädagogische  Mafsnahmen  sind  beiderseitig  zu 
besprechen; 

4.  bei  der  Entlassung  des  Schülers  sind  die  bisherigen  Erfahrungen 
Aber  ihn  zusammenfassend  in  einem  Schlulsurteil  zu  verwerten,  das  be- 
sonders auch  die  Zurechnungsfähigkeit,  erwiesenen  moralischen  Defekte, 
Militärtanglichkeit  in  Erwägung  zieht. 

Der  Schularzt  der  Hilfsschule,  dessen  Aufgaben  vor  allem  auf  dem 
Gebiete  der  Nerven-  und  Geisteshygiene  liegen  und  oft  direkt  auf  päda- 
gogisches Gebiet  führen,  muTs  mit  der  Pädagogik  theoretisch  und  praktisch 
Tertraut  sein.  (Dr.  med.  GÖTZ-München.) 


76  286 

Ärztliche  Selmlatteste.  Die  Eltern,  deren  Kinder  jetzt  die  Schule 
verlassen  und  ins  öffentliche  Leben  treten,  werden  in  der  „Deuischen 
Beichseig,^  dringend  aufgefordert,  sich  alle  Ärztlichen  Atteste,  die 
ihre  Kinder  betreffen,  von  der  Schule  zurückgeben  zu  lassen.  Letztere 
bedarf  dieser  Atteste  nicht  mehr,  auch  sind  dieselben  ja  Eigentum  der 
Eltern  und  dürfen  ihnen  nicht  vorenthalten  werden.  Die  Zeugnisse  sind 
sorgfältig  aufzubewahren,  denn  sie  können  unter  Umstanden  spftter  von 
greiser  Bedeutung  werden.  Die  Milit&rersatzkommission  verlangt  aus- 
drücklich: „Die  an  Schwerhörigkeit,  stotternder  Spradie  usw.  leidenden 
Militärpflichtigen  haben  durch  Atteste  von  Geistlichen,  Lehrern  oder  Orts- 
behörden nachzuweisen,  dafs  nach  den  gemachten  Wahrnehmungen  das  be- 
treffende Übel  wirklich  vorhanden  ist.  Ohne  solche  Atteste  wird  auf 
bloise  mündliche  Angabe  keine  Rücksicht  genommen.''  Nun  kommt  es 
sehr  h&ufig  vor,  daüs  Militärpflichtige  lange  Jahre  nach  ihrer  Schul- 
entlassung vom  Lehrer  oder  Schulleiter  verlangen,  dais  nachträglich  be- 
scheinigt werde,  sie  hätten  bereits  in  der  Schule  an  Schwerhörigkeit, 
Kurzsichtigkeit  usw.  gelitten.  Das  kann  freilich  nur  in  den  seltensten 
Fällen  geschehen,  besonders  wenn  die  betreffenden  Lehrpersonen  sich 
nicht  mehr  an  derselben  Stelle  befinden.  Das  groiise  Publikum  sollte  sich 
auch  nach  dieser  Richtung  hin  die  Einrichtung  der  schulärztlichen 
Beaufsichtigung  zunutze  machen,  denn  jetzt  wird  jedes  Kind  auf  seine 
Schulbesnchsfähigkeit  untersucht  und  das  Ergebnis  schriftlich  festgelegt; 
jedes  körperliche  oder  seelische  Gebrechen  wird  untersucht  und  bestätigt, 
so  dafs  späterhin  der  Militärbehörde  damit  gegenflbergetreten  werden  kann 
und  es  z.  B.  nicht  mehr  vorkommen  dürfte,  dafis  ganz  oder  halb  blödsinnige 
Soldaten  eingestellt  werden.  Geschieht  dies  dennoch,  so  tragen  die  be- 
treffenden Eltern  die  Schuld,  welche  sich  die  Schäden  des  Kindes  nicht 
rechtzeitig  bestätigen  liefsen. 

AnstelluDg  von  Schnltrzten  in  Breslau.  In  der  Stadtverordneten- 
versammlung kam  unlängst,  wie  wir  der  „Bres^.  Morgemtg.^  entnehmen, 
der  Antrag  des  Magistrats  zur  Beratung,  das  in  den  Etat  itor  die  Ver- 
waltung der  Lehrerbesoldungen  bei  den  höheren  und  mittleren  Schalen 
für  1905  eingestellte  Honorar  für  zwei  Schulärzte  mit  je  500  Mark  zu 
bewilligen.  Der  Etatsausschuls  empfiehlt  dagegen,  eine  Schularztstelle  nur 
für  die  höheren  und  mittleren  Mädchenschulen  zu  bewilligen.  —  Stadtv. 
Dr.  RiCHTEB  erklärt,  dab  er  und  seine  Kollegen  an  den  höheren  Lehr* 
anstalten  sich  nicht  nur  gegen  die  Anstellung  von  Ärzten  an  den  höheren 
Knabenschulen,  sondern  auch  an  höheren  und  mittleren  Mädchenschulen 
ausgesprochen  haben.  Es  würde  hierin  ein  Eingriff  in  die  Rechte  der 
Familie  liegen  und  zugleich  ein  Vorwurf,  da(s  die  Familien  nicht  genügend 
für  die  Gesundheit  ihrer  Kinder  sorgten.  Er  bitte,  beide  Schulärzte  ab- 
zulehnen, nicht  nur  den  einen.  —  Stadtv.  Dr.  Rbioh  möchte  dem  Urteil 
nicht  beitreten,  dals  für  die  höheren  Mädchenschulen  ein  Schularzt  nicht 
nötig  sei.  Man  könnte  ebenso  gut  sagen,  dais  die  Schulärzte  in  den 
Volksschulen  einen  Eingriff  in  das  Recht  der  Familie  darstellten.  Die 
Eltern  von  Gymnasiasten  seien  nichts  anderes  als  die  Eltern  von  Volks- 
schülem.  Er  beantrage,  die  Vorlage  noch  einmal  an  die  Ausschüsse  m 
und  VI   zu  überweisen.  —  Geh.  Reg.-Rat  Dr.  Ppündtner  schlieüst  sich 


287  77 

dcD  AosAhningeii  des  Vorredners  an.  Die  Anschanong,  dafs  mit  dem 
Schularzt  ein  störendes  Moment  in  die  Schnle  komme,  werde  nicht  von 
aUen  Schnlleitern  geteilt.  Das  Provinzialschalkolleginm  habe  es  geradezu 
begrO&t,  dals  in  dieser  Beziehung  einmal  ein  Anfang  gemacht  werde.  —  Fflr 
den  StadtY.  Simon  wflrde  die  Vorlage  unannehmbar  werden,  wenn  in  den 
MSdchenschnlen  eine  Schnlärztin  angestellt  werden  sollte.  Vorläufig  ge- 
nielse  der  männliche  Arzt  noch  ein  gröiseres  Vertrauen  als  der  weibliche. 
Es  wflrde  auch  die  Konkurrenz  unterbieten,  da  doch  hier  sehr  wenige 
Ärztinnen  vorhanden  seien.  —  Stadtv.  Dr.  Tietze  tritt  mit  grofeer  Wfirme 
ftr  die  Vorlage  des  Magistrats  ein.  —  Oberbürgermeister  Dr.  Bendeb 
fthrt  aus,  dafs  einem  jungen  Arzt  die  Untersuchung  von  jungen  M&dchen 
nicht  Obertragen  werden  könnte.  Es  handle  sich  tibrigens  nicht  um  Be- 
handlung Ton  Kranken,  sondern  um  Beobachtung  der  Schfllerinnen.  Es 
seien  oft  yersteckte  Krankheiten  oder  Anlagen  dazu  Torhanden,  die  nur 
nicht  entdeckt  werden,  weil  die  Kinder  nach  den  Symptomen  nicht  gefragt 
worden  seien.  Es  sei  nur  konsequent^  dafs,  wenn  an  den  Volksschulen 
Sdiulftrzte  angestellt  seien,  solche  auch  an  den  höheren  und  mittleren 
Sdiulen  eingeführt  wflrden.  —  Nachdem  Stadtarzt  Dr.  Oebbeke  die  Auf- 
gabe der  Schulftrzte  beleuchtet  und  ersucht  hatte,  den  Antrag  des  Etats- 
ansschusses  anzunehmen,  gelangte  ein  Antrag  auf  Schlufs  der  Debatte  zur 
Annahme.  Nach  dem  Schlufswort  des  Berichterstatters  wurde  die  Vorlage 
den  Ausschüssen  in  und  VI  überwiesen. 

Sehalbesichtignngen  dareh  die  Kreisärzte.  In  der  Dienstanwei- 
sung ftlr  die  Kreisärzte  ist,  wie  schon  mitgeteilt,  vorgesehen,  dafs  die  den 
ProYinzialschulkollegien  unterstellten  höheren  Lehranstalten  von  den  Kreis- 
ärzten besichtigt  werden.  Die  einschlägigen  Befugnisse  der  Kreisärzte 
sind  durch  den  folgenden  Erlafs  des  Kultusministeriums  neu  geordnet 
worden: 

1.  Der  Auftrag  zu  solchen  Besichtigungen  ist  den  Kreisärzten  auf 
Ersuchen  des  Königlichen  Provinzialschulkollegiums  durch  den  Regierungs- 
präsidenten zu  erteilen.  In  dringenden  Fällen  ist  der  Anstaltsleiter,  bei 
nichtstaatlichen  Anstalten  auch  der  Patron,  befugt,  den  Kreisarzt  um  eine 
gutachtliche  Äufserung  über  hygienische  Angelegenheiten  der  Schule  zu 
ersuchen.  Trägt  dieser  Bedenken,  dem  Ersuchen  zu  entsprechen,  so  hat 
er  dem  Regierungspräsidenten  Bericht  zu  erstatten,  welcher  erforderlichen- 
faDs  nach  Benehmen  mit  dem  Königlichen  Provinzialschulkollegium  das 
Weitere  veranlafst.  2.  Bei  der  Ausarbeitung  von  Neubau-  und  Umbau- 
planen  ist  dem  Kreisarzt  in  der  Regel  Gelegenheit  zur  ÄuTsernng  zu 
geben,  am  zweckmäßigsten  in  der  Weise,  dafs  der  Anstaltsleiter,  mit 
welchem  der  Baubeamte  in  jedem  Falle  in  Verbindung  tritt,  eine  gemein- 
same Besprechung  unter  Zuziehung  des  Kreisarztes  veranlafst.  3.  Im 
übrigen  ist  es  mir  erwünscht,  dafs  mit  der  hygienischen  Untersuchung  der 
Verhältnisse  der  höheren  Lehranstalten  durch  die  Kreisärzte  angefangen 
mid  diese  in  einem  Zeitraum  von  fünf  Jahren  allmählich  durchgeführt  wird. 
Die  Berichte  über  das  Ergebnis  dieser  Untersuchungen  sollen  die  in  hygie- 
nischer Hinsicht  sich  ergebenden  Beanstandungen  enthalten  und  sind  durch 
den  Regierungspräsidenten  dem  Königlichen  Provinzialschulkollegium  zu 
übermitteln. 

D«r  Schalarst.   III.  8 


78  288 

Aistolluig  YM  Sehultnteii  ii  Hubnrg.  Nach  einer  Mitoilwng 
des  „Hamb,  Gwresp.**  sollen  in  dieser  Stadt  drei  Schnl&rzte  angestelU 
werden.  In  der  Begründung  des  Senatsantrages  heilst  es:  Bisher  haben 
die  Stadtftrzte  bei  AufsteUnng  der  Scholbanplftne  mitgewirkt,  die  r^d- 
mftbigen  Prüfungen  der  hygienischen  Verhältnisse  in  den  Yolksscholeii 
sowie  in  den  höheren  Staats-  und  höheren  Privatscholen  vorgenommen  und 
sich  bei  Vorkommen  ansteckender  Krankheiten  in  den  Schulen  mit  allen 
einschlägigen  Fragen  befafet.  £s  wird  jetzt  beabsichtigt,  in  GenkäMdt 
einer  mit  der  Oberschnlbehörde,  Sektion  fQr  das  Volksschnlwesen,  ge- 
troffenen Vereinbarung  in  zwölf  Volksschulen  eine  ärztliche  Untersuchung 
und  Oberwachung  der  Kinder  durch  die  Stadtärzte  zunächst  versuchsweise 
einzuführen,  um  fQr  weitere  Vorschläge  auf  diesem  Gebiete  die  nötigen 
Erfahrungen  zu  sammeln.  Dieser  ärztlichen  Überwachung  der  Kinder 
werden  in  den  zwölf  Schulen  etwa  9000  Kinder  unterstehen.  Um  wirk- 
lich ausreichende  Erfahrungen  zu  sammeln,  ist  es  nicht  empfehlenswert, 
die  Einführung  dieser  Malsregel  auf  eine  geringere  Anzahl  von  Schiden 
zu  beschränken.  Nach  dem  Urteil  des  Medizinalkollegiums  ist  die  dvrdi 
diese  beiden  neuen  Aufgaben  bedingte  Erweiterung  der  Tätigkeit  der  Stadt- 
ärzte so  erheblich,  dals  die  Heranziehung  von  drei  w^teren  ärztlichen 
Hilfskräften  und  die  Einstellung  ihrer  BezQge  für  V«  Jahr  mit  dreimal 
1360  Mark  in  das  Budget  für  1905  notwendig  wird. 


)DieitMi^)ttitit$ett  für  <3(^itlar;te. 


DienstaBweisug  für  die  Schulärzte  au  den  Mittel-  ud  VelkaadialeB 

£u  Darmstadt. 

I.  Aufgabe  der  Schulärzte  im  allgemeinen. 

§  1.  Die  Schulärzte  haben  die  Aufgabe,  unbeschadet  der  Tätigkeit 
des  Kreisarztes,  den  Gesundheitszustand  der  ihnen  zugeväesenen  Schtüer  zu 
flberwachen  und  bei  der  ärztlichen  Beaufsichtigung  der  Schulgrundstäcke 
und  der  zu  den  Schalen  gehörenden  Räumlichkeiten  und  Einrichtungen 
mitzuwirken.  Sie  sind  demgemäls  verpflichtet,  die  in  diese  Gebiete  ein- 
schlagenden Aufträge  der  Bürgermeisterei  bezw.  des  Vorsitzenden  der 
Schalvorstände  auszuführen. 

n.  Gesundheitliche  Überwachung  der  Schulkinder. 

§  2.  Die  Schulärzte  haben  die  neueintretenden  Schfller  auf  ihre 
Körperbeschaffenheit  und  ihren  Gesundheitszustand  zu  untersuchen,  um  fest- 
zustellen, ob  sie  körperlich  und  geistig  fflr  den  regelmälsigen  Schulunterricht 
reif  oder  ob  sie  noch  eine  Zeitlang  vom  Schulbesuch  frei  zu  geben  siad 


289  79 

bow.  ob  wegen  Gebreehen  ihre  Anfhahme  in  besondere  UnterriehtB* 
«Birieiitiisgen  herbeiznftthren  ist.  Besttgüeh  der  in  die  Mittel-  nd  8Udt* 
sehvlen  «nfhahmef&hig  befondenen  Kinder  ist  dabei  fesiznstellea,  Ob  sie 
einer  dauernden  ftrztMchra  Überwachung  oder  besonderen  BeH&cksiditignng 
beim  Schnlanterricht  (z.  B.  Ansschlieisung  Tom  Unterricht  in  einzebien 
FIckem,  oder  Beschränkung  in  der  Teünahme  am  ünterridit,  Anweisung 
emes  besonderen  Sitzplatzes  wegen  Gesichts-  oder  Gehörfehlern  nsw.) 
tsdflrfen. 

Über  Jedes  nntersnchte  Kind  ist  ein  dasselbe  während  seiner  ganzen 
Sdudseil  begleitender  „Überwachnngsbogen*^  anszofAHra. 

§  3.  Erscheint  ein  Kind  danemder  ärztlicher  Überwachung  bedflrftjg, 
so  ini  dm  anf  dem  Überwachnngsbogen  xn  Termerken.  Die  Spalte  betr. 
.algemeine  Kdrperbesehaffenheit''  ist  bei  der  An&ahme  ftr  jedes  Kind 
anszofnllen,  und  zwar  nach  den  Kategorien  „gut,  mittel  und  schlecht^, 
jedodi  sind  nnr  die  Anfangsbuchstaben  dieser  Worte  in  die  Bogen  einzu- 
tragen. Die  Bezeichnung  „gut*  ist  nur  bei  tadellosem  Gesundheitszustand 
und  Bschlechf  nur  bei  ausgesprochenen  Krankheitsanlagen  oder  chronischen 
Erkrankungen  anzuwenden. 

Die  anderen  Rubriken  des  Überwachungsbpgens  werden  nur  im  Be- 
dflrfnisfane  ausgeftOlt,  und  zwar  sowohl  bei  der  Aufhahmeuntersuchung  wie 
bei  den  im  Laufe  der  Schulzeit  bemerkbar  werdenden  Erkrankungen.  Die 
Messungen  und  Wägungen  werden  Ton  den  betreffenden  Elassenlehrem 
Torgenommen  und  sind  in  jedem  Semester  in  die  betreffende  Spalte  mit 
Abrundungen  auf  0,5  cm  und  auf  0»25  kg  einzutragen.  Der  Bmstumfang 
wird  vom  Arzt  gemessen,  und  zwar  nur  bei  Kindern,  die  einer  Lungen- 
ecknudoiag  verdächtig  sind. 

§  4.  Alle  14  Tage,  bei  epidemischem  Auftreten  ansteckender  Krank- 
heiten auch  häufiger,  hält  der  Schularzt  an  einem  mit  dem  Schulleiter 
Yoiher  verabredeten  Tage  in  der  Schule  Sprechstunden  ab.  Da  jedem 
Schularzte  zwei  Schulgruppen  überwiesen  sind,  so  ist,  zur  Vermeidung  von 
Überhäafiing  in  ders^ben  Woche,  die  Zeiteinteilung  derart  zu  treffen,  dals 
in  der  einen  Woche  die  eine,  in  der  anderen  Woche  die  andere  Sehsl- 
gnqype  von  dem  Schulant  besucht  wird.  Wflnseht  der  Arzt  an  etaeni 
anderen  als  dem  verabredeten  Tage  die  Schule  zu  besuchen,  so  ist  dies 
iriftieitgina  drei  Tage  vorher  dem  Schulleiter  mitzuteilen.  Bei  mvoriier« 
gesehener  Yerhisdening  gilt  der  nächstfc^gende  Wochentag  als  Besodistag. 
Der  Besuch  findet  zu  der  ebenfalls  vorher  verabredeten  Zelt  vormittags 
sftstt,  dasert  in  der  Regel  mtht  unter  einer  Stande  und  ist  nidit  Aber 
12  Uhr  anssudehnen. 

§  5.  Die  erste  Hälfte  der  Besuchszeit  dient  zur  Revision  von  etwa 
zwei  bis  fünf  Klassen  während  des  Unterrichts,  und  zwar  soll  jede  Klasse 
mindestens  zweimal  während  eines  Halbjahres  besucht  werden. 

Bd  diesen  Besuchen  werden  sämtliche  Kinder  der  betreffisnden  Klassen 
im  allgemeinen  besichtigt;  die  unter  dauernder  ärztlicher  Überwachung 
stehenden,  sowie  sonstige,  krankheitsverdächtige  Kinder  werden  einzeln 
untersucht.     Die   genaueren  Untersudiungen  werden    entweder  sofort  oder 

8* 


80  290 

in  der  zweiten  Hfilfte  der  Besnchszeit  in  dem  ärztlichen  Sprechzimmer 
vorgenommen.  Ebenso  sind  in  dem  letzterwähnten  Teile  der  Besuchszeit 
ELinder  aus  anderen,  an  dem-  fraglichen  Tage  nicht  besuchten  Klassen  in 
dringenden  F&Ilen,  insbesondere  bei  Verdacht  ansteckender  Erkrankung, 
dem  Arzte  zuzuführen. 

Eine  eingehende  Einzeluntersuchung  sämtlicher  Schfller  findet,  auTser 
bei  der  Aufnahme  in  die  Schule,  im  3.,  5.  und  8.  Schu^ahre  statt. 

Der  Schularzt  wird  dafür  Sorge  tiagen,  dafs  bei  der  Untersuchung 
der  Kinder  das  Schamgefähl  nicht  verletzt  wird.  Bei  Untersuchung  von 
Mädchen  hat  stets  eine  Lehrerin,  bei  der  Untersuchung  der  Knaben  ein 
Lehrer,  wenn  irgend  möglich,  der  betreffende  Klassenlehrer  anwesend 
zu  sein. 

Die  Überwachungsbogen  sämtlicher  zur  Untersuchung  kommenden 
Kinder  sind  von  dem  Klassenlehrer  dem  Arzte  vorzulegen  bezw.  zuzustellen. 

§  6.  Da  die  ärztliche  Behandlung  erkrankter  Schulkinder  nicht 
Sache  des  Schularztes  ist,  so  sind  Kinder,  welche  in  ihrem  oder  im  Schul- 
interesse solcher  bedürfen,  an  ihren  Hausarzt  oder  den  zuständigen  Armen- 
arzt resp.  an  einen  Spezialarzt,  eventuell  an  die  Poliklinik  des  städtischen 
Krankenhauses  zu  verweisen.  Bei  älteren  Kindern  kann  dies  mündlich 
geschehen.  Im  Falle  der  Erfolglosigkeit  einer  derartigen  Ermahnung  so- 
wie bei  jüngeren  Kindern,  sind  jedoch  die  gedruckten  „Mitteilungen'^  aus- 
zufüllen. Bei  Ausfüllung  der  betreffenden  Formulare  ist  jede  Schroffheit 
des  Ausdrucks  zu  vermeiden.  Die  Zusendung  der  Mitteilungen  an  die 
Eltern  ist  Sache  des  Schulleiters. 

§  7.  Eltern,  welche  wünschen,  dafs  ihre  Kinder  nicht  durch  den 
Schularzt  untersucht  bezw.  überwacht  werden,  haben  dies  dem  betreffenden 
SchuUeiter  mitzuteilen  und  müssen  den  erforderlichen  gesundheitlichen 
Nachweis  durch  Zeugnisse  des  Hausarztes  erbringen.  Formulare  für  diese 
Zeugnisse  werden  im  Stadthaus,  sowie  von  den  Schuldienem  unentgeltlich 
verabfolgt. 

§  8.  Die  Überwachungsbogen  sind  in  den  betreffenden  Klassen  in 
einem  dauerhaften  Umschlage  aufeubewahren  und  bleiben  so  lange  in  der 
Schule,  als  sie  nicht  von  der  Bürgermeisterei,  der  Schul-  oder  der  Gesund- 
heitsbehörde eingefordert  werden.  Die  Überwachungsbogen  bezüglich  der^ 
jenigen  Kinder,  für  welche  dauernde  ärztliche  Kontrolle  von  dem  Schularzt 
als  erforderlich  bezeichnet  wurde,  sind  dem  letzteren  bei  jedem  Besuch 
der  Klasse  vorzulegen. 

Beim  Übertritt  von  Kindern  aus  einer  Schulgmppe  in  eine  andere 
haben  die  Schulleiter  einander  die  betreffenden  Überwachungsbogen  zu- 
zusenden. 

§  9.  Auf  Ersuchen  der  Schulleiter  haben  die  Schulärzte,  falls  die 
Eltern  nicht  ein  ausreichendes  ärztliches  Zeugais  beibringen,  einzelne  Kinder 
in  ihrer  Wohnung  zu  untersuchen,  um  festzustellen,  ob  eine  Schulversäumnis 
gerechtfertigt  ist  oder  nicht. 

Bei  der  Auswahl  der  Kinder  für  Ferienkolonien  und  für  Milchfrflhstück 
hat  der  Schularzt  ebenfalls  mitzuwirken. 


291  81 

m.  Mitwirkung  bei  der  Überwachung  der  gesundheitlichen 
Verhältnisse  des  Schulhauses. 

§  10.  Die  Schularzte  haben  mindestens  einmal  im  Sommer  und 
einmal  im  Winter  die  sämtlichen,  ihnen  überwiesenen  Schullokalitäten  (Lehr- 
ximmer,  Turnhallen,  Bäder,  Aborte  usw.)  und  deren  Einrichtungen  ein- 
gehend zu  besichtigen. 

Die  hierbei  wie  bei  den  sonstigen  Besuchen  gelegentlich  gemachten 
Beobachtungen  Aber  die  Beschaffenheit  der  zu  überwachenden  Gegenstände 
sowie  über  die  Handhabung  der  Reinigung,  Lüftung,  Heizung  und  Be- 
leochtung  und  die  etwa  an  diese  Beobachtungen  sich  anschlielsenden  Vor- 
schläge sind  in  das  für  diese  Zwecke  bei  dem  Schulleiter  aufliegende  Buch 
einzutragen. 

§  11.  An  den  al^ährlich  zum  Zweck  der  Aufstellung  der  Unter- 
haltungSYoranschläge  stattfindenden  Begehungen  der  Schulgrundstücke  durch 
die  hiermit  beauftragten  Beamten  des  Stadtbauamtes  haben  die  Schulärzte, 
die  durch  das  Stadtbauamt  rechtzeitig  zu  benachrichtigen  sind,  teilzunehmen 
und  hierbei  etwaige  Verändemngen,  Verbesserungen  usw.  anzuregen. 

rv.  Geschäftsführung  und  Sonstiges. 

§  12.  Da  der  Schularzt  lediglich  technischer  Berater  der  Schule  sein 
soll,  so  steht  demselben  ein  Recht  zu  selbständigen  Anweisungen  an  Schul- 
leiter, Lehrer  und  Schuldiener  nicht  zu. 

Die  SchuUeiter  haben,  sofern  sie  nicht  selbst  in  der  Lage  sind,  die 
erforderlichen  Anordnungen  zu  treffen,  über  die  von  den  Schulärzten  er- 
hobenen Anstände,  Verbesserungsvorschläge  usw.,  ungesäumt  der  Grofsh. 
Bürgermeisterei  schriftlichen  Bericht  zu  erstatten. 

§  13.  Zur  Erreichung  eines  möglichst  gleichartigen  Vorgehens  werden 
die  Schulärzte  von  Zeit  zu  Zeit  gemeinsame  Besprechungen  abhalten.  Die 
Einhuiung  zu  diesen  Besprechungen  erfolgt,  wenn  nichts  anderes  bestimmt 
ist,  durch  den  ältesten  Schularzt,  der  auch  den  Vorsitz  in  den  Sitzungen 
fthrt  und  etwaige  Anträge  des  Schularztkollegiums  der  Bürgermeisterei 
unterbreitet.  Bis  spätestens  zum  15.  Mai  haben  die  Schulärzte  über  ihre 
Tätigkeit  im  abgelaufenen  Schu^ahr  der  Bürgermeisterei  einen  schriftlichen 
Bericht  einzureichen.  Dieser  Jahresbericht  hat  u.  a.  zu  enthalten  tabella- 
rische, ziffermäisige  Zusammenstellungen: 

1.  Der  Resultate  bei  den  Aufhahmeuntersnchungen; 

2.  der  Zahl    der    abgehaltenen  Sprechstunden    bezw.  der  ärztlichen 
Besuche  der  Klassen; 

3.  der  Anzahl   und  Art   der   wichtigeren  Erkrankungsfälle,   die   zur 
Untersuchung  in  den  Sprechstunden  gekommen  sind; 

4.  der  Anzahl  der  an  die  Eltern  gesandten  schriftlichen  „Mitteilungen'* ; 

5.  der  Anzahl  der  unter  „dauernder  ärztlicher  Überwachung**  stehenden 
Schulkinder; 

6.  summarische  Angabe  der  erhobenen  Beanstandungen  bezüglich  der 
Schulräume  usw.; 

7.  etwaige  besondere,  seitens  der  Schulärzte  veranlagte  Anordnungen 
(Beschränkung  der  Unterrichtsstunden,  des  Turnens  usw.). 


82  292 

§  14.  Im  Winter  werden  die  Schnltarte  in  Lehrerrersaamliiiigen 
kürze  Vorträge  Aber  die  wichtigsten  Fragen  der  Schnlhygiene  halten. 

§  15.  Will  ein  Schnlarzt  aolkerhalb  der  Zeit  der  Schulferien  fAr 
Itager  als  mne  Woche  <Me  Stadt  verlassen,  so  h«t  er  ^e  Dfligeimeistei^i 
reehtieitig  hiervon  zu  benachrichtigen  nnd  für  kostenlose  ged§^ete  Steß- 
vertretnng  zu  sorgen. 

§  16.  Die  Bürgermeisterei  behftlt  sich  jederzeitige  Ab&ndemng  oder 
£rweitening  gegenwärtiger  Dienstanweisung  vor. 

Darmstadt,  den  9.  Mai  1899. 

Grofsh.  Bürgermeisterei  Darmstadt. 

MOBN£WE0. 


I  Zahn's  Schulbank  I 

I  Patnti«rt  in  d«a  »iMMi  KnltimtMtaii  M 


Bei  Klauen  mit  Zahn's  Sehulb&nken  bleibt  der 

FuMboden  rtllig  frei  und  belichtet,  so  dass  der- 

telke   wie    bei   keiner   anderen  Bank,    selinell, 

l«ieht  und  gründlich  gereini^  werden  kann. 


Zahn's  Seholbank  besteht  aus  einseinen,  swei- 
iHiicea  Biaken,  welehe  naeh  CMsse  der  Schttier 
in  neun  yersclüedenen  Stufen  angefertigt  werden, 
n  Reihen  yerbunden  und  jede  Bank  schneH  und 
leielit  ausgewechselt  werden  kann. 


welche  Ton  ersten  Autorit&ten«  kgl.  und 
st&dt  Behörden  des  In-  und  Auslaades  als 
gegenwärtig  in  Jeder  Hinsicht  praküsohst», 
billigste  imd  danerliaftaste  Subssilie  aner- 
kannt und  empfohlen  wird.  Ein  Versuch 
mit  Zahn's  Schulbank  wird  die  glinsende 
Überlegenheit  derselben  beseugen  und  su 
grossen  Kashbestellungen  yeranlassen.  Be- 
deutende Behörden,  Schulhygieniker  und 
P&dagogen,  welehe  in  letster  Zeit  umfang- 
reiche Versuche  mit  neuen  Banksystemen  — 
auch  umleerbaren  —  angestellt  liaben,  geben 
Zahn*s  Schulbank  den  Vorzug.  Kaum  4  Jalire 
Existens    sind    allein    ^^    in    Oross-Berlin 

88  000  Sitse  im  Gebrauch,  ^m 
Allein  im  Jahre  1904  sind  unter  den  yielen 
hundert  Aufträgen  an  grosseren  Bestellungen 
eingegangen:  Berlin  9510  Sitse,  Triest  1800 
Sitse,  Pankow  1450  Sitse,  Strassburg  1000 
Sitse,  Homberg  980  Sitse,  Driesen  800  Sitse, 
Kiel  514  Sitse,  Köpenick  520  Sitse,  Gr.-Lichter- 
felde  fiOO  Sitze,  Budapest  300  Sitse,  Wannsee- 
Potsdam  500  Sitse  u.  V.  a.  m. 


(^ 


A.Zahn,Spezlalfabril(  f.  SoliDfeinricIitungen,  Berlin  SO  26 


Zirka 

30000 

Sitze  im 

Gebrancti 


Hannovei^^  Schulbankfabrik 
G.  Spellmann,  Hannover. 

Hannoversche  Schulbank,  Ranzend  bewährt. 
Femer:   Tafeln,    Podien,   Zeichentisohe  usw. 


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Schiebepulte.  Verstellbare  Kinderpulte.  Lehrerpulte.  Wandtafehi 
Sämtliches  Zubehör  umlegbare  Rettig-!- 

Patent-Schulbänke 
in  jeder  Abmessung;  auch  solche 
mit  beweglichen  Sitzen  oder  Pulten. 
Nahezu  eine  halbe  Million  Sitze  im 
Gebrauch.  —  Behördlich  als  beste 
Schulbank  anerkannt  und  in  allen 
mustergiltig  eingerichteten  deutschen 
Schulen  angewendet.  —  Warnung 
vor  ungesetzlichen  Nachahmungen 


Ferner  als  besonders  billige  Schulbank  ohne  FuObrett: 
Die  Albis-Schulbank.  Rationellste  Durchbildung 
des  Mittelholm -Systems,  auswechselbare  Vollbank 


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g=5==;=^  Illustrierter  Katalog  Nr.  444  wird  Franko  versandt  von 

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CHARLOTTENBURG,  SPANDAUERSTRASSE  10a 


Irttfdinfl  fiii:  Si|inl{|rfiiii)i|tfitü)i|lriit 

XVIIL  Jahrgang.  1905.  No.  6. 


ibvx%xnaiab\^anUnn%tn. 


Ein  Beitrag  rar  WachstnmsphyBiologie  des  Menschen. 

Nach  statistisohen  Erhebungen  an  der  SxoTBohen  Erziehungsanstalt 

in  Jena. 

Von 

Dr.  AtiExandeb  Kogh-Hbbse 
in  Grora-Liohterfelde. 

Einleitnng. 

Folgende  Abhandlung  entstand  bereits  im  Jahre  1897  und  ist 
(abgesehen  vom  Schlulswort)  der  unveränderte  Abdruck  des  damaligen 
Manuskripts.  Hiermit  wolle  man  es  entschuldigen,  wenn  später  ent- 
standene einschlägige  Literatur  nicht  berücksichtigt  wurde.  Der 
Direktor  des  hygienischen  Instituts  der  Universität  Jena,  der  jetzige 
Geheime  Hofrat  Prof.  Dr.  GÄBTinsB  war  es,  der  mich  zu  der  Arbeit 
Teianlalste  und  mich  auch  in  dankenswerter  Weise  auf  wichtige 
Untersuchungen  ähnlicher  Art  aufmerksam  machte.  Dagegen  ent- 
stammt das  Material  der  eigenen  Initiative  des  Direktors  der  Stoy- 
schen  Erziehungsanstalt  in  Jena,  Privatdozent  Dr.  Heinbigh  Stot, 
der  hierdurch  allen  Schuldirektoren  ein  nachahmenswertes  Beispiel 
gegeben  hat.  Beiden  Herren  war  es  bei  ihrem  Interesse  für  die  Arbeit 
vorzugsweise  um  speziellere  schulhygienische  und  schulanthropologische 
Fragen  zu  tun.  In  diesem  Sinne  habe  ich  auch  die  Arbeit  zunächst 
angefalst,  ich  dachte  z.  B.  daran,  den  EinfluJs  der  Ferien  zu  er- 
mittehi,  ich  suchte  die  Kinder  nach  dem  Stande  und  der  Heimat 
der  Eltern  in  Gruppen  zu  sondern  usw.  Aber  sehr  bald  verschob 
sieh  mein  Ziel.  Mir  schien,  dals  es  unmöglich  sei,  die  Hygiene 
und  die  Rassenlehre  des  Wachstums  zu  untersuchen,  so- 
lange die  Physiologie  des  Wachstums  noch  ein  Feld  von 
Irrtümern    ist.       Ich     beschränkte     mich    also    im    wesentlichen 

Sehnlgesnndheittpfleffe.  XVIIL  16 


294 


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295 


296 

darauf,  alles  das  aus  meinem  Material  zu  ermitteln,  was  f&r  die 
Physiologie  des  Wachstums  und  seine  statistische  Erfassung  von 
Wert  ist,  und  muüste  zu  diesem  Zwecke  mir  teilweise  erst 
neue  Bereohnungsmethoden  ausarbeiten.  Alle  spezielleren  Probleme 
habe  ich  unvollendet  abgebrochen,  so  dals  das  STOYSche  Material 
nach  dieser  Seite  leider  noch  nicht  ausgenutzt  ist  und  auch  von 
mir  nicht  ausgenutzt  werden  kann,  da  ich  mich  seitdem  anderem 
Wissenschaften  zugewandt  habe.  Um  aber  wenigstens  etwas  von 
den  damals  abgebrochenen  Spezialuntersuchungen  hiermit  zu  ver- 
öffentlichen, füge  ich  zwei  Tabellen  (S.  294  u.  295)  bei,  aus  denen 
hervorzugehen  scheint:  1.  dals  die  von  Anthropologen  aufgestellten 
Theorien  sich  bestätigen,  nach  denen  die  oberen  Schichten  der 
europäischen  Völker,  teils  weil  sie  reineres  germanisches  Blut  haben, 
teils  weil  sie  sich  besser  nähren,  gröüser  und  schwerer  sind,  und 
2.  daJis  die  Mafse  der  Knaben  der  STOYSchen  Erziehungsanstalt  be- 
sonders günstige  sind. 

I.  Die  ESrperUsge  im  YerhJÜtnis  zum  Lebensalter. 

Um  die  Körperlänge  in  Beziehung  auf  das  Lebensalter  zu 
studieren,  kann  man  auf  verschiedene  Weise  vorgehen.  Immer  hat 
man  das  Interesse,  einen  Durchschnittswert  für  einen  ganz  bestimmten 
Moment  des  Lebens,  am  besten  wohl  immer  für  ein  gerade 
vollendetes  Jahr  festzustellen.  Dies  würde  man  am  direktesten 
erreichen,  wenn  man  die  einzelnen  Individuen  möglichst  genau  je  an 
ihrem  Geburtstage  messen  würde;  da  sich  aber  diese  Geburtstage 
über  das  ganze  Jahr  hin  verteilen,  so  hätte  man,  bei  einigermalsen 
groüsem  Material,  die  Unannehmlichkeit,  Tag  für  Tag  einige  Personen 
einer  Messung  unterziehen  zu  müssen.  Deshalb  ist  diese  Methode 
in  gröfserem  Umfange  wohl  niemals  zur  Anwendung  gebracht  worden. 
Man  ist  vielmehr  durchgängig  so  verfahren,  dals  man  auf  einmal 
eine  möglichst  gro&e  Zahl  von  Individuen  mals  und  die  so  erhaltenen 
Zahlen  nach  dem  Alter  zusammenfaüste.  Auf  diese  Weise  sind 
namentlich  die  bekannten  greisen  Untersuchungen  in  Stockholm, 
Kopenhagen  und  Boston  angestellt  worden.  Man  fEtTste  hier 
stets  die  Kinder  eines  ganzen  Jahrganges  zusammen  und  berechnete 
aus  ihnen  eine  Durchschnittszahl.  Dies  Verfahren  hat  nun  aber 
doch  entschieden  seine  Bedenken.  Wenn  z.  B.  alle  Kinder  des 
vollendeten  15.  Jahres  vereinigt  werden,  so  sind  darunter  solche  mit 
16,  mit  157*,  mit  15V«,  mit  157*  und  mit  fast  16  Jahren.  Wären 
dann   zufällig    innerhalb   dieses  Jahrganges  die  Kinder  mit  soeben 


297 

▼oUendetem  15.  Jahre  überwiegend,  so  würde  dadarch  der  Durch- 
sehnitt  herabgedrüokt.  Selbst  für  ganz  groJse  Erhebungen  kann 
dieser  umstand  in  Betracht  kommen.  Denn  wenn  die  Moralstatistik 
ergibt,  daGs  im  Februar  erheblich  mehr  Geburten  stattfinden  als  im 
Juni,^  so  würde  eine  am  1.  April  aufgenommene  Erhebung  obiger 
Art  bedeutend  mehr  Kinder  mit  15^/4  Jahren  vorfinden  als  solche 
mit  15 V«  Jahren,  und  der  Durchschnitt  dieser  wie  aller  anderen 
Jahresklassen  würde  durch  diesen  Umstand  ftlschlich  zu  niedrig 
ausfallen.  Eine  andere  im  Herbst  angestellte  Untersuchung  würde 
umgekehrt  zu  grobe  Werte  geben.  Den  Unterschied  beider  Er- 
hebungen würde  man  dann  vielleicht  auf  alle  möglichen  Ursachen 
zurückführen  und  zu  irgendwelchen  sozialhygienischen  Schlüssen 
benützen,  w&hrend  er  doch  lediglich  auf  einem  durch  die  übliche 
bequeme,  aber  nicht  ganz  genaue  Methode  hervorgerufenen  Beob- 
aohtungsfehler  beruht.  Besser  ist  es  schon,  wenn  man  wie  Cabstabt^ 
die  Zahlen  halbjährlich  zusammenstellt;  hier  vermeidet  man  eher  die 
Jahressohwankungen  in  der  Geburtenzahl.  Doch  erhält  man  auch 
hier  nicht  die  Gröfse  für  einen  bestimmten  Lebenstermin,  sondern 
einen  Durchschnittswert  einer  Anzahl  Kinder,  deren  Alter  zwischen 
zwei  Orenzterminen  liegt.  Selbst  wenn  wir  annehmen  wollen,  dafs 
dieser  Wert  für  die  Mitte  zwischen  beiden  Grenzterminen  berechnet 
wird,  so  ist  diese  Methode  für  genauere  Untersuchungen  unzureichend, 
da  es  bei  diesen,  wie  wir  unten  sehen  werden,  wesentlich  auch  auf  die 
Streuung,  d.  h.  auf  die  Verteilung  der  einzelnen  Werte  um  den 
Mittelwert  ankommt.  Diese  Streuung  muts  aber  naturgemäß  viel 
gröfser  sein,  wenn  die  zu  einem  Mittelwerte  vereinigten  Zahlen 
nicht  einmal  genau  dem  gleichen  Alter  entsprechen. 

Om  solchen  Übelständen  abzuhelfen,  hat  Direktor  Röüx  in 
Lausanne  eine  neue  Methode'  ersonnen,  indem  er  die  Messungen 
nicht  nach  Jahrgängen,  sondern  nach  Monatgängen  zusammenfafiste 
ond  nun  zunächst  die  Durchschnittswerte  für  jeden  Monat  berechnete. 
Dann  ]ieb  er  die  zwölf  Monatskurven  graphisch  auftragen  und  für  die 
Eonre,  in  deren  Monate  die  Messung  stattgefunden  hatte,  welche 
also  ungefähr  die  Werte  für  ein  gerade  vollendetes  Jahr  repräsentierte, 


*  Vergl.  Hatb:  „Die  Gesetsmälsigkeit  im  Gesellsohaftsleben.''  Manchen 
1877.  Dort  iat  jener  ünterBchied  für  vier  Länder  nachgewieaen  (etwa  60 
gegen  45). 

'  Bektor  Fbitz  CabstIdt:  „Über  das  Waohstnm  der  Knaben  vom  6.  bii 
nun  16.  Lebenijahre.''    Zeitschr.  f.  3ckiägest4ndheii8pfl.  I.  Jahrg.   Nr.  3. 

*  Vergl.  Zeitachr^  f.  ScfwigesundheUspfl.  IX.  Jahrg.   Nr.  11.    8.  572  ff. 


298 

die  Ordinate  pro  Jahr  einzeichnen.  Indem  die  übrigen  Monatskorven 
diese  Ordinalen  schneiden,  entstehen  für  jedes  eben  vollendete  Jahr 
zwölf  Ordinaten,  ans  denen  dann  der  Mittelwert  direkt  berechnet 
werden  kann. 

Diese  Methode  ermöglicht  also  eine  etwas  genauere  Feststellung 
des  Mittelwertes  für  ein  gerade  vollendetes  Jahr  und  aulserdem  die 
Beobachtung,  dafs  der  G-eburtsmonat  in  meteorologischer  Hinsicht 
nicht  ohne  Einfluüs  auf  die  Körpergröfse  sei.  Die  Berechnung  der 
Streuung  ist  jedoch  nur  für  die  einzelnen  Monate  möglich,  und  hier 
wegen  der  zwar  gröfseren,  aber  noch  nicht  vollkommenen  Gleich- 
altrigkeit und  aufserdem  wegen  des  stark  verringerten  Materials  nicht 
unbedingt  zuverlässig. 

Eine  noch  gröfsere  Genauigkeit  zu  erreichen  war  deshalb  mein 
Ziel,  um  so  mehr,  da  das  gewonnene  Material  von  vornherein  nicht  s  o 
grob  war,  dals  eine  Zersplitterung  ohne  Schaden  geblieben  wäre. 
Dafür  lagen  die  Verhältnisse  hier  um  so  günstiger,  als  die  Messungen 
nicht  einmal  im  Jahre,  sondern  etwa  zehnmal  in  ziemlich  regel- 
mälsigen  Abstünden  vorgenommen  wurden.  Es  handelt  sich  um  im 
ganzen  gegen  300  Schüler,  welche,  je  nach  ihrem  längeren  oder 
kürzeren  Aufenthalte  in  der  Anstalt,  verschieden  häufig  gemessen 
worden  waren.  Das  Material  ist  also  ähnlich  dem  von  Lihabzik,^ 
welcher   200  Kinder   vom   8.  bis  zum   14.  Jahre  beobachtet  hatte. 

Bei  Verwertung  meines  Materials  verfuhr  ich  folgendermafsen  : 
Ich  hatte  eine  Tabelle  sämtlicher  Knaben ;  hinter  dem  Namen  standen 
der  genaue  Geburtstag  und  das  Geburtsjahr;  dahinter  kamen  dann  13 
Spalten  für  die  Jahrgänge  VIII  bis  XX.  Dann  suchte  ich  mir  für 
jeden  einzelnen  E[naben  und  für  jedes  einzelne  von  demselben  in  der 
Anstalt  zugebrachte  Jahr  in  den  Mefsbüchem  diejenigen  zwei  Zahlen 
auf,  welche  an  Tagen  beobachtet  waren,  zwischen  denen  der  Geburtstag 
des  betreffenden  Knaben  lag.  Differierten,  was  in  der  Regel  der 
Fall  war,  diese  beiden  Zahlen  untereinander,  so  muiste  ich  die 
praktisch  wohl  zutreffende  Annahme  machen,  dafs  das  Wachstum 
während  dieser  wenigen  Wochen  gleichmäßig  vor  sich  gegangen  sei. 
Dann  berechnete  ich  die  Anzahl  Tage,  welche  zwischen  den  beiden 
aufgesuchten  Terminen  lagen  und  ebenso  die,  welche  zwischen  dem 
ersten  Termine  und  dem  Geburtstage  lagen,  und  sah  mich  nun  vor 
das  fiegel-de-tri-Exempel  gestellt,  wieviel  der  Knabe  in  x  Tagen 
gewachsen  war,  wenn  er  in  y  Tagen  um  z  cm  gröfser  geworden  war. 


.Das  Oeietz  des  menschlichen  Wachstums.*'   Wien  1856.   1.  Anfl. 


299 

Ein  Beispiel  erläutere  das:  Wilhelm  Meyer  ist  geboren  am  10.  Mai 

1873.     Am  7.  April  1891  milst  er  168,2  om,   am  26.  Mai  dess.  J. 

164,0  cm.    Er  hat  also  in  49  Tagen  0,8  om  an  Grölse  zugenommen. 

Vom  7.  April  bis  znm  10.  Mai  sind  33  Tage.     Mntmalslioh  ist  er 

SS  0  8 
also  bis  zu  seinem   Gleburtstag  um        '   *     =  0,5  cm  gewachsen. 

Von  1878  bis  1891  sind  18  Jahre  verflossen,  also  trage  ich  in  der 

Spalte  XVm  unter  Wilhelm  Meyer  (163,2  +  0,5  =)  163,7  ein. 

Ebenso   verfahre  ich  für   alle  anderen  Jahre  und  für  alle  anderen 

Namen. 

So  erhielt  ich  neue  Urtabellen,  in  deren  senkrechten  Spalten  für 

die  einzelnen  Jahre  die  GröJsen  sämtlicher  Schüler,  die  das  entsprechende 

Jahr  auf  der  Anstalt  verlebt  haben,  möglichst  genau  bis  auf  den  Tag  der 

Geburt,  eingetragen  waren.    Eis  kam  nun  darauf  an,  diese  einzelnen 

Werte  auf  einen  gemeinsamen,  möglichst  kurzen,  mit  den  Ergebnissen 

anderer  Untersuchungen  vergleichbaren  Zahlenwert  zu  bringen.    Die 

allgemein   übliche  Methode   hierfür   ist   die   des    arithmetischen 

2a 
Mittels.     Man  verfahrt  nach  der  Formel:    M  =  — ,    d.  h.   man 

n  ' 

addiert  alle  zusammengehörigen,  also  hier  alle  wegen  des  genau 
gleichen  Alters  strikte  zu  vergleichenden  Werte  und  dividiert  die 
Summe  durch  die  Anzahl  dieser  Werte.  —  Eine  andere  Methode  ist 
die  des  wahrscheinlichen  Mittels.  EQer  ordnet  man  am  ein- 
fachsten die  Einzelwerte  eines  jeden  Jahrganges  nach  ihrer  absoluten 
Gröise  an  und  erhält  so  eine  Skala,  über  deren  besondere  Eigentüm- 
lichkeiten weiter  unten  die  Bede  sein  wird.  Nun  zählt  man  sich  in 
dieser  Skala  diejenige  Zahl  ab,  welche  genau  in  der  Mitte  liegt.  (Ist 
die  Anzahl  der  Zahlen  gerade,  so  muis  man  aus  den  beiden  mittelsten 
das  arithmetische  Mittel  nehmen.)  Auf  diese  Weise  kann  man,  wenn 
das  Material  genügend  groJs  und  unter  sich  nicht  allzu  heterogen 
ist,  das  sonst  erst  durch  schwierigere  mathematische  Operationen  er- 
IiftlÜiche  wahrscheinliche  Mittel  finden.  Es  kann  mehr  oder 
weniger  gut  mit  dem  arithmetischen  Mittel  übereinstimmen.  Findet 
man  die  Abweichung  beider  Mittelwerte  nur  gering,  so  kann  man 
wohl  sicher  darauf  rechnen,  dais  die  Einzelwerte  sich  ziemlich  sym- 
metrisch um  den  Mittelwert  verteilen,  während  im  entgegengesetzten 
Falle  nach  der  Seite,  wohin  der  arithmetische  Mittelwert  liegt,  eine 
grölsere  individuelle  Abweichung  stattfindet.  Bei  der  Auffindung  des 
wahrscheinlichen  Mittels  zählt  nämlich  jede  Einzelbestimmung  nur 
als  -f  1  oder  als  —  1,   bei  der  des  arithmetischen  Mittels  dagegen 


300 


wird  gleichsam  jede  Stimme  nicht  gezählt,  sondern  gewogen,  d.  h. 
ihre  Abweichung  wird  genau  in  Betracht  gezogen.  Deshalb  wird 
das  arithmetische  Mittel  schon  durch  verhältnismäbig  wenige,  aber 
stark  differenzierte  Einzelwerte  wesentlich  beeinflnist,  während  das 
wahrscheinliche  Mittel  eine  mehr  stabile  Gröfse  darstellt.  Es  mnls 
jedoch  noch  hinzugesetzt  werden,  daüs  überhaupt  die  Anwendung  des 
wahrscheinlichen  Mittels  an  die  Bedingung  geknüpft  ist,  dafs  sich  die 
Einzelwerte  um  dasselbe  wesentlich  stärker  häufen  als  nach  den 
beiden  Extremen  zu.  Diese  Bedingung  war  bei  dem  Materiale  der 
St  ersehen  Erziehungsanstalt,  wie  sich  weiter  unten  zeigen  wird, 
erfüllt.  —  Indem  wir  noch  die  üblichen  Maxima  und  Minima  an- 
fügten, erhielten  wir  folgende  Zahlenreihe: 

Tabelle  der  mittleren  Eörpergröfse. 


Gerade 

vollendetes 

Jahr 

Arith- 
metisches 
Mittel 

Wahr- 
scheinliches 
Mittel 

Minimum 

Mazimom 

Anzahl 
der  Unter- 
suchungen 

V 

(109,26) 

— 

(106,6) 

(112,0) 

2 

VI 

(114,00) 

— 

— 

— 

1 

vn 

— 

— 

— 

— 

— 

VIII 

122,89 

(124,6) 

116,8 

129,0 

9 

IX 

128.96 

(130,7) 

130,6 

136,6 

10 

X 

138.80 

184,0 

123,9 

148.0 

23 

XI 

136,49 

137,0 

126,0 

144,2 

88 

xn 

140,86 

141,0 

126,8 

166,6 

69 

XTTT 

145,61 

146,0 

120,6 

178,4 

87 

XIV 

168,65 

161,6 

133,8 

179,8 

111 

XV 

168,64 

168,7 

137.7 

184,0 

147 

XVI 

164,88 

166,0 

138,0 

186,8 

163 

XVII 

168,16 

168,8 

142,4 

186.6 

127 

xvm 

169,23 

169,7 

146,8 

181,6 

70 

XIX 

170,80 

171,0 

167,8 

182,0 

36 

XX 

170,71 

(172,0) 

161,0 

177,0 

7 

XXI 

(175,16) 

— 

(169,3) 

(181,0) 

2 

Anm.: 

Die  einffeklan 

imerten  Zahle 

n  erschienen  : 

Summe 
mir  wegen  de 

886 
•  SU  spir- 

liehen  Materials  als  unsicher. 


301 

Vergleiehen  wir  in  der  yorliegenden  Tabelle  die  ariihmetischen 
und  die  wahrsclieinliohen  Mittel,  so  fioden  wir,  obgleich  das  Material 
für   die  Auszählung    des  wahrscheinlichen  Mittels    nicht  übermälsig 
grols   ist,    eine    recht  gute   Übereinstimmung   beider   Mittel- 
werte.  Dies  hat  eine  grofse  praktische  Bedeutung.   Je  gröber 
nämlich  das  Material  und  je  genauer  die  Einzelmessungen  werden, 
desto    umständlicher,    zeitraubender   und    zu    Rechenfehlern   anlafs- 
gebender  wird  die  Methode  des  arithmetischen  Mittels.    Das  Addieren 
yieler  Tausend  yierziffriger  Zahlen  gehört  nicht  zu  den  Annehmlich- 
keiten einer  wissenschaftlichen  Untersuchung!     Dagegen  ist  die  Me- 
thode des  wahrscheinlichen  Mittels,  welche  unter  der  obigen  Voraus- 
setzung der  mittleren  Häufung  desto  genauer  aus&Ut,  je  gröfser  das 
Material  wird,  sehr  viel  einfacher,   namentlich  wenn  die  statistische 
Erhebung   mittels  einzelner  Mefskarten  geschieht,  die  dann  einfach, 
bereits    von   den    Untersuchten   selbst,    mechanisch    sortiert   werden 
können.     Ja,  man  kann  es  sogar  ernstlich  in  Erwägung  ziehen,   ob 
das  wahrscheinliche  Mittel  —  immer  groJses  Material  vorausgesetzt  — 
nicht  nur  einfacher,  sondern   auch  zweckentsprechender  ist.     Denn 
wenn  wir  eine  grobe,  zusammengehörende  Zahlenreihe  durch   einen 
Mittelwert  interpretieren  wollen,  haben  wir  da  nicht  das  Bestreben,  in 
diesem  das  n  ormale,  das  typische  Verhältnis  auszudrücken  ?  Und  wird 
das  wahrscheinliche  Mittel,  das  uns  den  Wert,   um  den  herum  sich 
die  Einzelmessungen  am  dichtesten  gruppieren,  angibt,  unserem  Be- 
streben nach  der  Auffindung  des  Normalen  nicht  besser  entsprechen 
ab  das  arithmetische,   welches  sich  bereits  durch  wenige,  stark  ab- 
weichende Eiztreme,  die  doch  stets  etwat  Zufälliges,  etwas  Anormales 
baben,  beeinflulst  wird? 

In  der  Tat  scheinen  die  Messungen  der  17000  dänischen  und 
der  15000  schwedischen  Knaben  durch  die  dänische  und  die  schwedische 
Kommission  nach  der  Methode  des  wahrscheinlichen  Mittels  berechnet 
worden  zu  sein,  obgleich  dies  aus  der  exzerpierenden  deutschen 
Übersetzung^  nicht  mit  aller  Sicherheit  hervorgeht.  Bedenken  könnte 
es  allerdings  erregen,  wenn  man  diese  Messungen  mit  anderen,  nach  der 
Methode  des  arithmetischen  Mittels  berechneten,  vergleichen  wollte. 
So  sagt  z.  ß.  Emil  Schmidt  : '  „Ihre  Ergebnisse  sind  mit  denen  der 


^  AxsL  KxTB  „Schalhygienische  Untersuchungen'',  übers,  von  Dr.  Lbo 
BuRonsTBor.    Hamburg  und  Leipsig  1889.    S.  211—297. 

'  £.  Schmidt:  „Die  Körpergrofse  und  das  Gewicht  der  Schulkinder  im 
Kreise  Saalfeld.''    Archiv  ßr  ÄnOirqpologie,  XXI,  S.  397. 


302 

übrigen  Beobachter  nicht  gnt  zn  vergleichen.^  Dieser  Übelfitand  ist 
jedoch  in  Wirklichkeit  nicht  so  schlimm.  Ans  der  obigen  Tabelle 
geht  ja  hervor,  dafs  die  Differenz  beider  Mittelwerte  schon  bei  dem 

Konren  der  mittleren  KörpergröXiM. 


hiesigen,  verhältnismälsig  geringen  Materiale  nnr  einmal  1  cm  etwas 
übersteigt,  meist  aber  weit  darunter  bleibt.  Da  nun  die  schwedischen 
Untersnohnngen  in  ganzen  Zentimetern,  die  dänischen  gar  in  ganzen 
Zollen  aufgenommcD  waren,  so  kann  man  bestimmt  darauf  rechnen, 


303 

dals  sich  bei  ihnen  keine  Differenzen  zwischen  beiden  Mittelwerten 
herausgestellt  haben  würden.  Sie  sind  deshalb,  trotz  der  verschie- 
denen Methoden,  mit  anderen  Messungen  vergleichbar. 

Bei  unserem  Materiale  dagegen,  wo  die  Millimeter  mitgemessen 
wnrden,  lälst  sich  das  Verhältnis  beider  Mittelwerte  noch  genauer 
studieren.  Wir  sehen  nämlich,  dafs  bis  zum  11.  Jahre  das  wahr- 
scheinliche Mittel  gröfser  ist;  im  12.  sind  sie  beide  etwa  gleich  grob, 
im  13.  und  14.  ist  das  arithmetische  entschieden  gröfser,  im  15.  und 
16.  sind  sie  wieder  etwa  gleich  grofs,  und  von  da  an  gewinnt  das 
wahrscheinliche  Mittel  wieder  einen  merklichen  Yorsprung.  Noch 
deutlicher  werden  diese  Verhältnisse,  wenn  wir  die  Werte  graphisch 
darstellen  (Fig.  1).  Wir  nehmen  zur  Abscisse  das  Lebensalter,  zu 
ihrer  Einheit  das  Jahr,  tragen  als  Ordinaten  je  die  gefundenen  zwei 
Werte  ab  und  ziehen  dann  die  Kurve  des  arithmetischen  Mittels 
in  ganzer,  die  des  wahrscheinlichen  Mittels  in  gebrochener  Linie. 
Wir  sehen  hier  auf  den  ersten  Blick: 

1.  Den  geringen,  gegenüber  beiden  Wachstumsdifferenzen  ver- 
schwindenden Unterschied  beider  Kurven. 

2.  Drei  Perioden  im  Verhältnis  beider  Kurven: 

A.  Bis  zum  12.  Jahr:  Die  des  wahrscheinlichen  Mittels  steht 
höher. 

B.  Vom  13.  bis  zum  15.  Jahr:  Die  des  arithmetischen  Mittels 
steht  höher. 

C.  Vom  15.  Jahr  an:  Wie  bei  A. 

Da,  wie  wir  gesehen  haben,  das  arithmetische  Mittel  mehr  von 
(unsynunetrisch  gelegenen)  Extremen  beeinfluist  wird  als  das  wahr- 
scheinliche, so  können  wir  schon  jetzt  die  Vermutung  aussprechen, 
dafe  während  der  Jahre  13 — 15  besonders  viele,  im  Verhältnis  zum 
Durchschnitt  extrem  grolse  Individuen  vorhanden  seien,  während  vor 
und  nach  dieser  Periode  das  Verhältnis  gerade  umgekehrt  liegt.  Auf 
den  Grund  dieser  zunächst  seltsam  aussehenden  Erscheinung  wird 
weiter  xmten  zurückgekommen  werden. 

Betrachten  wir  jetzt  die  Kurve  des  arithmetischen  Mittels  für 
sich  allein,  so  können  wir  auch  hier  drei  Perioden  unterscheiden:  Die 
Kurve  beginnt  nämlich  im  Anfange  des  untersuchten  Lebensabschnittes 
steil,  um  dann  allmählich  mehr  eben  zu  werden.  Das  Minimum  der 
Steigung  erreicht  sie  zwischen  X  und  XI,  also  im  elften  Lebens- 
jahre. Jetzt  beginnt  sie  wieder  stärker  und  stärker  anzusteigen,  bis 
sie  nach  dem  16.  Jahre  wieder  nach  der  Horizontalen  umbiegt  und 
sich  derselben  mehr  und  mehr  nähert.   Vergleichen  wir  hiermit  die  ge- 


304 

brochene  KurTe,  so  finden  wir  ganz  dieselben  Wachstumsmiterscliiede, 
nur  noch  etwas  stärker  ausgeprägt:  Im  11.  Jahre  ist  sie  nooli 
flacher,  im  15.  Jahre  noch  steiler  als  die  ganze  Linie.  So 
finden  wir  es  hier  praktisch  bestätigt,  was  wir  oben  auf  Grand  theo- 
retischer Überlegungen  vermuteten,  dals  sich  nämlich  zum  Studium 
des  normalen  Wachstums  die  Methode  des  wahrscheinlichen  Hittels 
(bei  grofsem  Materiale)  noch  besser  eigne  als  die  des  arithmetischeD, 
weil  ersteres  von  einzelnen  Extremen  weniger  beeinfluist  werde.  Diese 
Methode  zeigt  in  der  Tat  die  Gesetzmälsigkeit  des  typischen  Wachsens 
am  deutlichsten,  da  sie  am  schärfsten  die  Unterschiede  der  einzelnen 
Lebensjahre  ausdrückt. 

Vergleicht  man  das  Wachstum  mit  einer  Bewegung,  so  kann 
man  die  der  stärker  ansteigenden  Kurve  entsprechende  Periode  die 
des  beschleunigten,  die  Periode  der  sanfter  werdenden  Steigung 
die  des  verzögerten  Wachstums  nennen.  Mit  den  so  gewonnenen, 
wenn  auch  nur  bildlichen  ^  Ausdrücken  kann  man  das  Wachstum  der 
gemessenen  Knaben  folgendermaisen  kurz  beschreiben:  Bis  zum 
11.  Jahre  verzögertes,  dann  bis  zum  15.  Jahre  beschleu- 
nigtes, zuletzt  wieder  verzögertes  Wachstum,  das  schliefe- 
lieh  jenseits  des  beobachteten  Alters  in  den  Stillstand,  vielleicht  sogar 
Bückgang  übergeht.  Es  sei  gleich  hier  gesagt,  dais  sich  dieselben 
Perioden  bei  allen  anderen  vorliegenden  Untersuchungen  desselben 
Gegenstandes  wiederfinden,  wenn  auch,  gemäfs  den  sonstigen  anthro- 
pologisohen  und  sozialen  Unterschieden,  etwas  nach  dem  Alter  ve^ 
schoben,  und  wenn  auch  selten  so  ausgeprägt,  so  regelm&Isig  inein- 
ander übergehend  wie  hier,  vielmehr  oft  durch  zu&Uige  Sprünge 
undeutlich  geworden.  Wir  glauben  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  wir 
die  hier  beobachtete  gröüsere  Begelmäfsigkeit  auf  zwei  Umstände 
zurttckbeziehen : 

1.  Die  weit  genauere  Berechnung  auf  den  Tag  des  gerade  voll- 
endeten Jahres. 

2.  Die  durchaus  einheitliche  Lebensweise  der  untersuchten 
Knaben,  denen  freilich  eine  ziemlich  mannigfaltige  geographische 
Herkunft  gegenübersteht.  Aber  man  hat  oft  beobachtet,  dals  die 
sozialen  Differenzen  viel  ausschlaggebender  für  unsere  Probleme  sind 
als  die  geographischen. 

Die    Periode    des    beschleunigten    Wachstums    fehlt    nur   bei 


^  Aber  auch  die  Karve  selbst  ist  ja  doch  eigentlich  nur  ein  BUd,  ein 
Symbol  1 


305 

QuETELET^.  Wat  betrftgt  die  j&hrliche  Znnahine  vom  5.  bis  zum 
17.  Lebensjahre  stets  etwa  5  cm,  ohne  periodische  Schwankungen 
ZQ   zeigen.     E!s    war   ein    HilsTerständnis,    wenn   Kotelmakn'   die 

Worte    QuxTELBTs:    f^racroissement    de    taille   devient r^gnlier 

jnsqne  ycts  16  ans"  als  in  Übereinstimmung  mit  seinen,  Kotelmanns, 
Zahlen   deutete,   da  sich  in  letzteren  ein  Minimum  des  Wachstums 
im  13.,   ein  Maximum  im  16.  Jahre  findet,   so   dais  auch  hier  die 
drei  Perioden,   nur  etwas  später  einsetzend,  sich  yorfijiden  wie  bei 
unseren  und  allen  anderenüntersuchungen,  auiser  derjenigen  Qoetblets. 
Auf  letztere  ist  aber  diesbezüglich  wegen  des  geringen  Materials  kein 
Gewicht   zu   legen,    und   wir   können   das   Bestehen  der   drei 
Perioden    als    eine    durchgängige    Gesetzmftfsigkeit    des 
menschlichen  Wachstums  ansehen.    Vergleichen  wir  sie  mit  den 
drei  in  dem  Verhältnis  der  beiden  Kurren  zueinander  gefundenen 
Perioden,    so  sehen  wir,    dais  sich   beide  Arten   von  Perioden 
ziemlich  genau  entsprechen,  nur  dais  die  Beschleunigungsperiode 
etwas  froher  an&ngt  als  der  Zeitraum,    in  dem   das   arithmetische 
Mittel  gxGlser  ist  als  das  wahrscheinliche.     Letzterer  Zeitraum  fi&Ut 
also  nicht  mit  der  ganzen  Beschleunigungsperiode  zusammen,  sondern 
nur   mit   demjenigen   Abschnitte   derselben,    in   welchem   sich   die 
Wirkungen   der  Beschleunigung  so  angehäuft  haben,   dais  dadurch 
eine  etwa  entgegenstehende  Tendenz   überwunden  wird.     Diese  ent- 
gegenstehende Tendenz  ist  darin  ausgedrückt,  dais  das  arithmetische 
Mittel  bei  den  meisten  Jahresklassen  unter  dem  wahrscheinlichen 
bleibt    Berücksichtigt  man  die  mutmaisliche  Ursache  des  Zurück- 
bleibens des  arithmetischen   Mittels,  so   kann  man  annehmen,  dais 
im  allgemeinen  mehr  extrem  Kleine  als  extrem  Greise  vorhanden 
sind,   was   sich    am    einfachsten    durch    Zumischung    einer    klein- 
wüchsigen,   also    wohl    der    „alpinen*'   Rasse,   zum   germanischen 
Typus   erklärt     Infolge   dieser    o£fenbaren    Rassenzumischung   also 
wird  die  Gleichzeitigkeit  der  beiden  Phänome,  nämlich  des  Tempos 
der  Kurren  und  ihrer  gegenseitigen  Lage  gestört.      Die  Kurve  des 
arithmetischen  Mittels  bedarf  einer  gewissen  Zeit,   um   die  Störung 
zu  ftberwinden   und    die   ihr   während    der  Beschleunigungsperiode 
zukommende  Lage  oberhalb  der  anderen  einzunehmen.    Wir  werden 
später  sehen,  dais  die  Mutmaisung  durchaus  zutrifft. 

^  Ad.  Qubtblbt:  ,Anthropom6trie  ou  mesnre  des  dififörentes  facult^  de 
Hiomme.''    BnxzeUes  1871.    page  177,  204  et  418. 

'  «Die  Korperverhaltnisse  der  Gelehrtenschale  des  Johanneums  in  Harn- 
bnig «    Zätadmft  d.  kgl  preuß.  stat  Bureaus,  1879,  Seite  6. 


306 

Was  DUD  die  Minima  und  Maxima  betrifft,  d.  h.  den  geringsten 
nnd  den  grOüsten  Wert,  welcher  sich  für  jede  Altersklasse  findet,  so 
pflegen  sie  bei  allen  anthropometrischen  üntersnchnngen  angegeben 
zu  werden.  Man  will  nämlich  nicht  nur  wissen,  wie  die  KOrper- 
grölsebei  einem  bestimmten  Alter  durchschnittlich  ist, sondern ancb, 
wie  eng  nnd  wie  weitläufig  sich  die  einzelnen  Werte  um  den 
Mittelwert  verteilen.  Zu  diesem  Zwecke,  glaubte  man,  genüge  es, 
wenn  man  die  Grenzwerte  angebe,  zwischen  denen  jeder  Einzelwert 
liegen  müsse.  Je  weiter  oder  je  näher  diese  Grenzwerte  im  einzelnen 
Falle  lägen,  desto  weitläufiger,  so  kalkulierte  man  weiter,  bez.  desto 
gedrängter  sei  die  Verteilung  um  den  Mittelwert.  Diese  Kalkulation 
ist  jedoch  leider  falsch.  Es  kann  nämlich  die  allgemeine  Streuung 
sehr  gering  sein,  es  können,  um  einen  extremen  Fall  zu  nehmen, 
fast  alle  Individuen  genau  den  Durchschnittswert  zeigen,  daneben 
kann  aber  ein  Biese  und  ein  Zwerg  sein.  Die  üblichen  anthropo- 
logischen Statistiken  würden  dann  den  Mittelwert  und  aufserdem 
die  Gröise  des  Riesen  und  die  des  Zwerges  angeben,  und  der  Leser 
würde  daraus  auf  eine  sehr  weitläufige  Verteilung  schliefsen.  Man 
fählt  das  Prekäre  und  Irreführende  dieses  Verfahrens.  Man  hilft 
sich,  so  gut  als  man  kann.  So  sagt  Dr.  H.  Lübben^:  „Bei 
Messung  der  Körperlänge  wurden  ein  paar  Fälle  von  deutlichem 
Zwergwuchs  auiser  Betracht  gelassen.  **  Das  heiist  aber  der  Willkür 
Tür  und  Tor  öffnen;  es  mufs  unbedingt  daran  festgehalten  werden, 
alle  in  Betracht  kommenden  Individuen  zu  berücksichtigen.  Und 
dieses  Vertuschen  unbequemer  Extreme  führt  ja  auch  noch  nicht 
einmal  zum  Ziele.  Auch  abgesehen  von  dem  eigentlichen  Zwerg- 
und  Riesenwuchs  hängt  es  rein  vom  Zufall  ab,  ob  der  Kleinste 
resp.  Grölste,  der  meist  in  einiger  Entfernung  von  dem  Nächsten 
wird  zu  stehen  kommen,  ein  paar  Zentimeter  kleiner  oder  grölser 
ist.  Alle  Angaben  über  Maxima  und  Minima  haben  daher  etwas 
durchaus  unregelmäfsiges,  auch  die  des  Dr.  Lübben  nicht  ausge- 
nommen. Nur  um  diese  ünregelmälsigkeit  und  daher  Wertlosigkeit 
der  Maxima  und  Minima  zu  zeigen,  sind  sie  in  obige  Tabelle  mit 
aufgenommen.  Da  fällt  das  Maximum  z.  B.  im  11.  und  20.  Jahre 
plötzlich  um  4 — 5  cm  herunter,  was  doch  niemals  durch  eine  physio- 
logische Ursache    zu   erklären   wäre.     Es    entscheidet   da   stets   der 


^  „Die  körperliche  Entwicklung  der  Schulkinder^S  CorrespondensibläUer  des 
Allgemeinen  äretUchen  Vereins  van  Thüringen.    Weimar  1893.    S.  54. 


307 

ganz  zufUlige  Aus-  und  Eintritt  einzelner  sehr  Gro&er   oder   sehr 
Kleiner  in  den  Kreis  der  untersuchten,  also  hier  der  Anstalt. 

Es  fragt  sich,  was  wir  an  die  Stelle  dieser  unbrauchbaren 
Methode  setzen  können?  Um  das  zu  entscheiden,  muis  man  vor 
allem  den  praktischen,  speziell  den  hygienischen  Zweck  solcher 
Messungen  im  Auge  behalten.  Alle  Messungen  und  Wägungen  an 
Schulkindern  können  praktisch  doch  nur  in  der  Absicht  geschehen, 
dab  die  £ltem  und  Erzieher  eines  jeden  einzelnen  Kindes  desselben 
Kreises  stets  einen  Anhaltspunkt  haben,  ob  es  sich  normal 
entwickelt  oder  nicht.  Da  kann  es  ihnen  noch  nicht  viel  nützen, 
wenn  sie  hören,  die  Durchschnittsgröüse  der  Altersgenossen  ihres 
Sohnes  betrage  z.  B.  150,0  cm,  während  ihr  Sohn  selbst  140,0  cm 
mifst;  das  kann  ebensowohl  noch  normal  sein  als  schon  bedenklich. 
Es  nützt  den  Eltern  auch  nichts,  wenn  sie  hören,  dafs  in  jenem 
Distrikt  ein  gleichaltriges  Indinduum  von  125,0  cm  existiert.  Sie 
interessiert  die  Grenze  der  normalen  Breite,  die  Frage,  ob  die 
bei  ihrem  Sohne  konstatierte  Abweichung  von  10  cm  besorgnis- 
erregend ist  oder  ob  sie  so  häufig  ist,  daüs  man  sie  noch  normal 
nennen  kann.  Sie  können  also  erst  beruhigt  sein,  wenn  sie  die 
Gröüse  der  durchschnittlichen  Abweichung  vom  Mittelwerte 
hören.     Diese  durchschnittliche  Abweichung   findet   man   nach  der 

Formel  0  =  — ;  man  hat  die  Abweichung  d  jedes  einzelnen  Wertes 

Yom  Durchschnitt  zu  bestimmen,  aus  diesen  Abweichungen  die 
Summe  zu  nehmen  und  diese  durch  die  Anzahl  der  Werte  zu 
dividieren.  Diese  Methode  ist  in  der  Statistik^  schon  vielfiich  an- 
gewandt worden.  Das  Verdienst,  dieselbe  in  die  Anthropologie  ein- 
gef&hrt  zu  haben,  hat  H.  von  Ihesino*.  Er  schlug  vor,  diese 
Zahl,  welche  die  durchschnittliche  Oszillation  der  Einzel- 
werte um  den  Mittelwert  angibt,  dem  Mittelwert  als  Exponenten 
hinzuzufügen.  Für  praktische  Zwecke  scheint  mir  diese  Methode 
durchaus  brauchbar  zu  sein,  für  streng  theoretische  dagegen  geht 
man  noch  einen  Schritt  weiter,  indem  man  die  Wahrscheinlichkeits- 
rechnung  heranzieht.      Schon  Laplace,   Foübieb*  und  Qüetblet 


'  So  Albxakdbb  t.  Obttihobn  in  seiner  „MoralatatiBtik**,  Adolf  Wagnbr 
in  seiner  „Selbstmordstatistik"  u.  a. 

'  „Zar  Binfahning  des  Ossillationsexponenten  in  die  Eraniometrie.'^  Archiv 
f.  Anihropciogie,  1877,  Bd.  X,  S.  411--lld. 

'  „Becherches  statistiqaes  snr  la  ville  de  Paris.''  Paris  1826,  page  XV. 


308 

haben  dies  getan.  Quetelet^  unterscheidet  sehr  geschickt,  wie  mir 
scheint,  zwischen  „moyenne"  und  „mediane**.  Letztere  ist  eine  rein 
rechnerische  Grölse  (ein  „nombre  abstrait^),  die  man,  um  ein  krasses 
Beispiel  zu  nehmen,  erhalten  wtbrde,  wenn  man  z.  B.  Yon  der  ge- 
samten BeyOlkerung  Südafrikas  eine  „mittlere"  Körpergröise  be- 
rechnen wollte,  wobei  dann  die  Engländer  mit  etwa  170,0  cm  und 
die  Buschmänner  mit  140,0  cm  zu  einem  Mittelwert  von  vielleicht 
155,0  cm  künstlich  zusammennumeriert  würden.  Dagegen  stellt  die 
„mcyenne'^  einen  Typus  dar,  um  den  herum  sich  die  Einzelwerte 
so  gruppieren,  dals  die  Abweichungen  desto  seltener  vorkommen, 
je  gröfser  sie  sind.  Nun  zeigte  Qüetblet  an  einer  Reihe  von  ihm 
bereits  vorliegenden  Untersuchungen'  über  die  Körpergröise  Er- 
wachsener in  Amerika,  Frankreich,  Belgien  und  Italien,  dafs,  wenn 
man  zusieht,  wieviel  Einzelwerte  in  jede  Rubrik  ä  3  cm  fallen^ 
man  findet,  dafs  sich  diese  Einzelwerte  £ast  genau  so  verteilen,  wie 
es  die  aufeinanderfolgenden  Koeffizienten  des  binomischen 
Lehrsatzes  verlangen,  wobei  die  mittelste,  am  stärksten  besetzte 
Rubrik  natürlich  die  ist,  in  welche  auch  der  Mittelwert  ftllt. 
QuETELET  stellte  daher  die  Verteilung  der  Einzel  werte  in  Form  der 
NEWTONSchen  Binomialkurve  dar.  Dieselbe  Kurve  aber  findet  der 
Physiker,  wenn  er  die  verschiedenen  Beobachtungen  eines  und  des- 
selben Vorgangs  zu  einer  sogenannten  Fehlerkurve  anordnet. 
QüETELET  machte  daher  den  Vergleich,  auch  die  Natur  strebe  nach 
Hervorbringung  einer  und  derselben  Grö&e,  dem  Typus,  verfehle 
dieselbe  aber  ebenso  oft  nach  oben  wie  nach  unten.  Damit  ist 
natürlich  noch  keine  Erklärung,  sondern  nur  eine  geistreiche  Um- 
schreibung des  Phänomens  gegeben;  doch  schwebte  Quetelet  die 
richtige  Erklärung  schon  vor,  wenn  er  jedes  Individuum  mit  einer 
Ziehung  aus  der  Urne  des  Schicksals,  in  der  gleich  viel  schwarise 
und  weilse  Kugeln  liegen,  verglich.  Kkapp*  hat  das  näher  er- 
läutert: die  schwarzen  und  weiisen  Kugeln  sind  die  ungünstigen 
und  günstigen  Bedingungen,  unter  denen  ein  Mensch  entsteht  und 
aufwächst;  da  sich  beide  in  den  meisten  Fällen  (relativ  zu  der  be- 
trefienden  Bevölkerungsgruppe)  etwa  die  Wage  halten,  so  sind  auch 


^  „Lettres  aar  la  theorie  des  probabilitSs  appliquöes  auz  scienoei  moralea 
et  politiques.*'  Bmxelles  1846. 

'  Anthropometrie,  page  269  et  287. 

'  „QuBTELET  als  Theoretiker/  Jährbücher  /l  Naüm^-Ökon,  u.  Statistik  Toa 
Bildebrand  und  Covrad,  Jena  1872,  Bd.  II,  8.  107. 


309 

die  mittelgrofsen  Individuen  weitaus  die  zahlreichsten.  Nun  aher 
ist  es  sehr  auffallend,  dafs  Quetelet,  dessen  Bücher  von  An- 
spielungen auf  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  erfüllt  sind,  keine 
rechte  praktische  Verwertung  dafOr  gefunden  hat.  Seine  sehr  aus- 
fährlichen  Betrachtungen  üher  die  tatsächliche  und  wahrscheinliche 
Verteilung  der  Einzel  werte  um  das  Mittel  schliefsen  damit,  dafs 
er  auiser  der  Berechnung  des  arithmetischen  Mittels  die  Angabe  — 
der  Mazima  und  Minima  fordert.  Er  war  so  begeistert  Air  die  von 
ihm  im  Qesellschaftslehen  gefundenen  Gesetzmälsigkeiten,  daCs  er 
die  Gewalt,  die  im  einzelnen  doch  immer  der  Zufall  hat,  unter- 
schätzte. So  glaubte  er,  wenn  er  nur  die  Schnittpunkte  seiner 
Binomialkurve  mit  der  Abscissenaxe,  d.  h.  die  Abscissen,  zu 
denen  die  Ordinaten  0  gehören,  d.  h.  die  Körpergrölse,  unter  der 
und  über  der  keine  Einzel  werte  mehr  vorkommen,  also  die  beiden 
äulsersten  Extreme  wüiste,  so  könne  er  sich  die  ganze  Kurve 
rekonstruiei-en.  —  Erst  wenn  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  in 
der  Form  des  GAUSSschen  Fehlergesetzes  angewendet  wird,  entstehen 
praktische  Vorteile  daraus.  In  die  Statistik  ist  dasselbe  von  Lexis^ 
eingefährt  worden,  in  die  Anthropologie  von  Stieda'.  Es  handelt 
sich  hier  zunächst  darum,  den  sogenannten  Oszillationsindex  zu 
finden,  d.  h.  die  wahrscheinliche  Abweichung  eines  jeden  Einzel- 
wertes vom  Mittelwert.     Man  findet  ihn  nach  der  genauen  Formel: 


r  =  0,6745 


r    n— 1   , 


wobei  2d^  die  Summe  aus  den  Quadraten  sämtlicher  beobachteter 
Abweichungen  und  n  die  Zahl  der  betreffenden  Messungen  ist.  Ist 
n  mindestens  =10,  so  kann  man  statt  obiger  Formel  die  einfachere 

r  =  0,8463  — 
w 

nehmen,    wobei    2d    die  Summe   der  Abweichungen  vorstellt.     Die 

Gröfse   r   drückt   für   jede    Altersklasse    diejenige  Abweichung  aus, 

welche,  sei  sie  positiv   oder  negativ,  von   den   einzelnen  Individuen 

ebenso  wahrscheinlich  überschritten,  als  nicht  erreicht  werden  kann. 

Da  r  in  der  einfacheren  Formel  aber  nichts  weiter  ist  als  der  mit  etwa 


^  „Über  die  Theorie  der  Stabilität  statistischer  Reihen.^  Jahrbücher  f. 
Nathn.-Ökon.  u.  Statistik  von  Hildxbrakd  und  Cofbad,  Jena  1879,  Bd.  32, 
8.  60-97. 

'  Ȇber  die  Anwendung  der  Wahrscheinliohkeitsrechnung  in  der  anthropo- 
logischen SUtistik/*  Archiv  f.  Anthropologie,  1883,  Bd.  XIV,  S.  167—182. 

SchnlgeiiuidheHspflegre.  XVIIL  17 


310 

V»  multiplizierte  InsBiNasche  Oszillationsexponeiit,  so  wftn  bis  jetzt 
durch  Anwendung  der  Wahrsoheinlichkeitsreohnung  noch  kein  wesent- 
licher Vorteil  erzielt.  Man  kann  jedoch  mittels  derselben  auch  die 
wahrscheinliche  Abweichung  des  Mittelwertes  selbst  be- 
stimmen.    Dies  geschieht  nach  der  Formel: 

B  =  0,6744896  1/ — ^^-rr    =  i?^ 

Durch  diese  Berechnung  erlangt  man  die  Sicherung  des 
Mittelwertes.  Je  kleiner  jR  ist,  einen  desto  gröfseren  Wert  kann 
man  einer  Untersuchung  in  der  Vergleichung  mit  anderen  analogen 
beilegen.  —  Au/serdem  kann  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  noch 
zur  Abrundung  und  Korrektion  der  empirisch  gefundenen  Ver- 
teilungskurren  benutzt  werden.  Aus  der  annähernden  Übereinstim- 
mung dieser  berechneten  Kurve  mit  der  tatsfichlich  beobachteten 
kann  man  dann  den  Bflckschlufs  ziehen,  ob  die  Wahrscheinlichkeits- 
rechnung überhaupt  für  die  vorliegende  Dntersuchung  anwendbar 
ist.  QuETELET  hat  die  Frage  nur  an  militftrstatistischem  Material, 
also  an  Erwachsenen,  geprüft  und  bestätigt  gefunden.  £Ss  ist  damit 
noch  nicht  gesagt,  dafs  die  Verteilung  der  Einzelwerte  auch  während 
der  Jahre  des  Wachstums  nach  den  Gesetzen  der  Wahrscheinlichkeits* 
rechnung  erfolge.  In  einer  Arbeit  von  Geisbleb  und  ühutzsch^  ist 
der  dankenswerte  Versuch  gemacht,  für  das  zehnte,  elfte,  drei- 
zehnte und  vierzehnte  Jahr  die  empirische  und  die  theoretische 
Verteilung  zu  berechnen.  Da  beide  in  der  Tat  im  grofsen  und 
ganzen  übereinstimmen,  so  haben  die  erwähnten  Beobachter  fär  alle 
untersuchten  Jahrgänge  r  und  R  berechnet  und  sich  damit  das 
Verdienst  erworben,  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  in  die  schul- 
hygienischen und  wachstumsphysiologischen  Untersuchungen  einge- 
führt zu  haben.  Derselben  Untersuchung  hat  sich  Ebismanv*  unter- 
zogen. Man  kann  daher  E.  Schmidt'  wohl  beistimmen,  wenn  er 
eine  nochmalige  Berechnung  der  theoretischen,  idealen  VerteiluDg 
für  überflüssig  hält,  weil  die  Anwendbarkeit  der  Methode  fest- 
steht. Aber  eben  deswegen  sollte  die  Anwendung  derselben  in 
einer  sonst  so  ausführlichen  Arbeit  nicht  unterlassen  sein! 


^  Die  Orörsenverhältniise  der  Schnlkinder  im  SchulinspekiionsbeEirk  Frei- 
berg.'' Zeitsehr.  d.  Kgl  Sachs.  Statist  Bureaus,  1888,  S.  85. 

'  „Uuterfluohungen  über  die  körperliche  Entwicklung  der  Fabrikarbeiter 
in  Zentralrursland."  Brauns  Archiv  f»  soz.  Gesetzgfhung  u.  Statistik,  Tübingen 
1889. 

•  Vgl.  oben  Archiv  /.  Änthrqpoly  S.  386. 


311 

Die  Anwendbarkeit  der  Methode  kann  man  sich  noch  auf  eine 
andere  Weise  klar  machen.     Das  GrAüSSSohe  Fehlergesetz  hat  nftm- 
lieh  drei  Voraussetzungen.     Erstens  müssen  absolute  Grenzen  für 
die  Abweichungen  vorhanden  sein;    dies  ist  für  die  Messungen  der 
KOrpergröfse,  des  Gewichts  usw.  selbstverständlich  der  Fall.  Zweitens 
müssen    gleich   groJse   positive    oder   negative  Abweichungen  gleich 
wahrscheinlich,  und  drittens  kleine  Abweichungen  viel  häufiger  als 
grolse   sein.     Von  dem  Vorhandensein    dieser   beiden   Bedingungen 
könnte  der  Leser  sich  bequem  durch  den  Augenschein  überzeugen, 
wenn  man,  wie  Paoliam  es  getan  hat,^  das  gesamte  Material,  aus 
dem   man    schöpft,   beigeben    oder,    noch  besser,    nicht  die  Einzel- 
werte selbst,  sondern  ihre  individuellen  Abweichungen  vom  Mittel- 
werte, also  die  Werte   für  d  dem  Leser  übersichtlich  geordnet  vor- 
führen   würde.     Dann   könnte   auch    der   Leser   sich   sofort   davon 
überzeugen,    dals   die   dritte    Bedingung  des   GAUSSschen   Gesetzes 
erfüllt  ist.     Der   erste  Blick    auf  diese,    aus   technischen    Gründen 
hier  weggelassenen  Tafeln  würde  zeigen,  wie  zuerst  grofse  Strecken 
von    demselben   Einer    erfüllt    sind,    wie    dann    von    jedem   Einer 
immer   weniger   Exemplare   auftreten,    bis   zuletzt   groüse    Sprünge 
kommen.     Nicht   ganz    ebenso   steht  es   mit  der  zweiten  Gauss- 
sehen  Bedingung.     Wäre   sie  vollständig  erfüllt,    so  mü&ten  stets 
die   beiden   zusammengehörigen  Kolumnen,    die    positive    und    die 
negative,  auf  gleicher  Höhe  etwa  dieselben  Werte  zeigen,   was  sich 
ftuüserlich   in   der  gleichen  Länge  beider  Kolumnen  und  in  der  an- 
nähernden Identität  der  beiden   Extreme  ausprägen   würde.     Prüft 
man  daraufhin  die  Tafel,  so  findet  man,  wenn  man  nur  die  durch 
einigermafsen    zahlreiches   Material    vertretenen   Jahrgänge    berück- 
sichtigt, diese  Bedingung   mit   annähernder  Exaktheit  nur   bei   den 
Jahrgängen  Xu  und  XV  erfüllt.     Hier    haben   in   der   Tat   beide 
Kolumnen  eine  frappierende  Ähnlichkeit.      Bei  den  übrigen  Jahren 
hat  immer  eine  Kolumne   ein   bedeutendes  Übergewicht  an  Zahl, 
während  die  andere  dasselbe  durch  die  Gröise  der  Einzelwerte  aus- 
gleicht.     Man  könnte  diese  verhältnismäürig  doch  immer   geringen 
Abweichungen  vom  Mittelwert  vielleicht  als  Zufall  ansehen,   wenn 
sich  nicht  gerade  in  diesem,  anscheinend  ungesetzlichen,  Verhalten 
eine  neue    Gesetzmäfsigkeit   ausspräche.      Vor   dem   zwölften 


^  Sopra  alciini  fattori  dello  Bviluppo  umano.  Bicerche  antropometriche. 
(Die  Tafeln  2a,  9a,  17a  geben  die  Körpergrolfle  in  Zentimetern.)  Atti  deUa 
reale  Academia  deUe  sdeme,  Torino  1876-76,  pag.  694—760. 

17* 


312 


Jahre  sind  nftmlieh  die  positiven  Werte,  zwischen  dem  zwölften  und 
dem  fGLnfzehnten  die  negativen  und  nach  dem  fünfzehnten  wiedemm 
die  positiven  Werte  zahlreicher.  Es  sind  mithin  genau  dieselben 
drei  Perioden,  welche  man  oben  (Fig.  1)  bei  Vergleichong  des  arith- 
metischen und  des  wahrscheinlichen  Mittels  beobachten  konnte.   Auf 

Kurven  der  Häuflgkeit  positiver  und  negativer  Abweichungen. 


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Fig.  8. 

der  dort  gezeichneten  Kurventafel  schnitten  sich  beide  Kurven 
unmittelbar  hinter  dem  zwölften  und  um  das  fünfzehnte  Jahr 
herum.  Zeichnet  man  auch  hier  die  Kurven  (Fig.  2),  nimmt  man  als 
Abscissenaxe  wiederum  das  Lebensalter,  als  Ordinaten  jedoch  die 
Anzahl  der  nach  der  positiven  resp.  negativen  Seite  abgewichenen 
Einzel  werte,   so   erhält   man  auch  hier   zwei  Kurven,  welche  sich 


313 

ebenfalls  unmittelbar  nach  dem  zwölften  nnd  mit  dem  ftlnfzehnten 
Jahre  krenzen.  Die  Kurven  selbst  bedeuten  ganz  etwas  anderes, 
wie  die  obigen,  da  die  GröJse  ihrer  jedesmaligen  Ordinaten  hier  yo 
allem  von  dem  ftir  den  Jahrgang  vorhandenen  Material  abhängt, 
dort  aber  die  Körpergrö&e  ausdrückte.  Aber  das  Verhältnis  beider 
Kurven  zeigt  genau  denselben  zeitlichen  Verlauf  hier  wie  dort.  In 
der  Tat  beruht  es  nämlich  hier  wie  dort  auf  derselben  Ursache. 
Eine  grölsere  Ordinate  der  punktierten  Kurve  bedeutet  hier  eine  grölsere 
Anzahl  positiv  abgewichener  Einzelwerte  vom  arithmetischen  Mittel. 
Da  aber  die  Summe  aller  positiven  Abweichungen  gleich  der  aller 
negativen  sein  muls  (denn  darin  liegt  ja  das  Wesen  des  arithmetischen 
Mittels! ),  so  sind  in  den  Jahren,  wo  mehr  positive  Abweichungen 
vorhanden  sind,  diese  positiven  Abweichungen  selbst  kleiner.  Der 
höhere  Stand  der  punktierten  Kurve  vor  dem  zwölften  und  nachdem 
fanfisehnten  Jahre  bedeutet  also  tatsächlich  das  Vorhandensein 
besonders  starker  Abweichung  nach  unten,  während  in  der  Zwischen- 
periode die  positiven  Abweichungen  stärker  sind.  Genau  das  gleiche 
konnte  und  mulste  aber  oben  als  Grund  des  wechselnden  Verhält- 
nisses beider  Kurven  der  mittleren  Körpergröfsen  angegeben  werden, 
allerdings  nur  vermutungsweise.  Die  Bestätigung  ergibt  sich  nun 
ans  der  jetzigen  Untersuchung.  Zugleich  sind  die  Abweichungen 
beider  Kurven  jetzt  grölser,  als  vorhin,  woraus  man  schliefeen  kann, 
dafs  die  hier  angewandte  Methode  ein  empfindlicheres  Reagens  auf 
das  fragliche  Verhalten  bildet,  als  die  dortige.  Man  kann  dieser  Methode 
noch  einen  prägnanteren  Ausdruck  geben:  man  erinnere  sich  des 
iHEBiNaschen  Oszillationsexponentenl  Er  stellte  die  durchschnitt- 
liche Abweichung  ohne  Rücksicht  auf  das  Vorzeichen  dar.  Mir 
scheint  es  nun  praktisch  zu  sein,  diese  durchschnittliche  Oszillation 
vorerst  nach  beiden  Seiten  einzeln  zu  berechnen.  Im  zwölften  und 
im  fünfzehnten  Jahre  werden  diese  halbseitigen  Oszillations- 
ezponenten  ungefUir  gleich  sein  und  so  den  iHEBiKaschen  Ex- 
ponenten doppelt  angeben.  In  den  übrigen  Jahren  wird  man  aus 
dem  gröfseren  oder  kleineren  Unterschied  zwischen  ihnen  auf  die 
geringere  oder  gröfsere  Symmetrie  in  der  Verteilung  der  Einzelwerte 
schlieüsen. 

In  der  Ausfiihrung  dieses  Verfahrens  ergibt  sich  noch  ein 
Übelstand.  Addiert  man  nämlich  die  sämtlichen  Differenzwerte  der 
beiden  zusammengehörigen  Kolumnen,  so  geben  diese  nicht,  wie  es 
sein  müIste,  dieselben  Summen,  und  zwar  deswegen  nicht,  weil  die  arith- 
metischen Mittel,  von  denen  bei  Aufstellung  der  Tafel  I  ausgegangen 


304 

brochene  Karre,  so  finden  wir  ganz  dieselben  Wachstumsuntersohiede, 
nur  noch  etwas  stärker  ausgeprägt:  Im  11.  Jahre  ist  sie  noch 
flacher,  im  15.  Jahre  noch  steiler  als  die  ganze  Linie.  So 
finden  wir  es  hier  praktisch  bestätigt,  was  wir  oben  auf  Grand  theo- 
retischer Überlegangen  vermnteten,  dafs  sich  nämlich  zam  Stadium 
des  normalen  Wachstums  die  Methode  des  wahrscheinlichen  Mittels 
(bei  grofsem  Materiale)  noch  besser  eigne  als  die  des  arithmetischen, 
weil  ersteres  von  einzelnen  Extremen  weniger  beeinfluist  werde.  Diese 
Methode  zeigt  in  der  Tat  die  Gesetzmäisigkeit  des  typischen  Wachsens 
am  deutlichsten,  da  sie  am  schärfsten  die  unterschiede  der  einzelnen 
Lebensjahre  ausdrückt. 

Vergleicht  man  das  Wachstum  mit  einer  Bewegung,  so  kann 
man  die  der  stärker  ansteigenden  Kurve  entsprechende  Periode  die 
des  beschleunigten,  die  Periode  der  sanfter  werdenden  Steigung 
die  des  verzögerten  Wachstums  nennen.  Mit  den  so  gewonnenen, 
wenn  auch  nur  bildlichen  ^  Ausdrücken  kann  man  das  Wachstum  der 
gemessenen  Knaben  folgendermaisen  kurz  beschreiben:  Bis  zum 
11.  Jahre  verzögertes,  dann  bis  zum  15.  Jahre  beschleu- 
nigtes, zuletzt  wieder  verzögertes  Wachstum,  das  schliefs- 
lioh  jenseits  des  beobachteten  Alters  in  den  Stillstand,  vielleicht  sogar 
Rückgang  übergeht.  Es  sei  gleich  hier  gesagt,  dafs  sich  dieselben 
Perioden  bei  allen  anderen  vorliegenden  Untersuchungen  desselben 
Gegenstandes  wiederfinden,  wenn  auch,  gemäfs  den  sonstigen  anthro- 
pologischen und  sozialen  Unterschieden,  etwas  nach  dem  Alter  ver- 
schoben, und  wenn  auch  selten  so  ausgeprägt,  so  regelmäßig  inein- 
ander übergehend  wie  hier,  vielmehr  oft  durch  zufällige  Sprünge 
undeutlich  geworden.  Wir  glauben  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  wir 
die  hier  beobachtete  gröbere  Regelmäfsigkeit  auf  zwei  Umstände 
zurttckbeziehen : 

1.  Die  weit  genauere  Berechnung  auf  den  Tag  des  gerade  voll- 
endeten Jahres. 

2.  Die  durchaus  einheitliche  Lebensweise  der  untersuchten 
Knaben,  denen  freilich  eine  ziemlich  mannigfaltige  geographische 
Herkunft  gegenübersteht.  Aber  man  hat  oft  beobachtet,  dais  die 
sozialen  Differenzen  viel  ausschlaggebender  für  unsere  Probleme  sind 
als  die  geographischen. 

Die    Periode    des    beschleunigten    Wachstums    fehlt    nur    bei 


^  Aber  auch  die  Kurve  selbst  ist  ja  dooh  eigentlich  nur  ein  Bild,  eia 
Symbol  1 


306 

QüETELET^.  Hier  beträgt  die  jährliche  Zunahme  YOin  5.  bis  zum 
17.  Lebensjahre  stets  etwa  5  cm,  ohne  periodische  Schwankungen 
za   zeigen.     Es    war   ein    Mifsverständnis,    wenn   Eotelmann*   die 

Worte    QüETELETs:    „racroissement    de    taille    devient regulier 

jnsque  vers  16  ans"  als  in  Übereinstimmung  mit  seinen,  Eotelmanns, 
Zahlen  deutete,  da  sich  in  letzteren  ein  Minimum  des  Wachstums 
im  13.,  ein  Maximum  im  16.  Jahre  findet,  so  dafs  auch  hier  die 
drei  Perioden,  nur  etwas  später  einsetzend,  sich  vorfinden  wie  bei 
unseren  und  allen  aDderenüntersuchungen,  aufser  derjenigen  Qoetslets. 
Auf  letztere  ist  aber  diesbezüglich  wegen  des  geringen  Materials  kein 
Gewicht  zu  legen,  und  wir  können  das  Bestehen  der  drei 
Perioden  als  eine  durchgängige  Gesetzmäfsigkeit  des 
menschlichen  Wachstums  ansehen.  Vergleichen  wir  sie  mit  den 
drei  in  dem  Verhältnis  der  beiden  Eurren  zueinander  gefundenen 
Perioden,  so  sehen  wir,  dals  sich  beide  Arten  von  Perioden 
ziemlich  genau  entsprechen,  nur  dals  die  Beschleunigungsperiode 
etwas  früher  anfängt  als  der  Zeitraum,  in  dem  das  arithmetische 
Mittel  grölser  ist  als  das  wahrscheinliche.  Letzterer  Zeitraum  fällt 
also  nicht  mit  der  ganzen  Besohleunigungsperiode  zusammen,  sondern 
nur  mit  demjenigen  Abschnitte  derselben,  in  welchem  sich  die 
Wirkungen  der  Beschleunigung  so  angehäuft  haben,  dafs  dadurch 
eine  etwa  entgegenstehende  Tendenz  überwunden  wird.  Diese  ent- 
gegenstehende Tendenz  ist  darin  ausgedrückt,  dafs  das  arithmetische 
Mittel  bei  den  meisten  Jahresklassen  unter  dem  wahrscheinlichen 
bleibt.  Berücksichtigt  man  die  mutmaüsliche  Ursache  des  Zurück- 
bleibens des  arithmetischen  Mittels,  so  kann  man  annehmen,  dals 
im  allgemeinen  mehr  extrem  Kleine  als  extrem  Grofse  vorhanden 
sind,  was  sich  am  einfachsten  durch  Zumischung  einer  klein- 
wüchsigen, also  wohl  der  „  alpinen  **  Basse,  zum  germanischen 
Typus  erklärt.  Infolge  dieser  offenbaren  Rassenzumischung  also 
wird  die  Gleichzeitigkeit  der  beiden  Phänome,  nämlich  des  Tempos 
der  Kurven  und  ihrer  gegenseitigen  Lage  gestört.  Die  Kurve  des 
arithmetischen  Mittels  bedarf  einer  gewissen  Zeit,  um  die  Störung 
zu  überwinden  und  die  ihr  während  der  Beschleunigungsperiode 
zukommende  Lage  oberhalb  der  anderen  einzunehmen.  Wir  werden 
später  sehen,  dafs  die  Mutmafsung  durchaus  zutriSt. 

^  Ad.  Qüktblkt:  yAnihropomStrie  ou  mesure  des  diffi§rente8  facultas  de 
l'homme.''    Broxelles  1871.    page  177,  204  et  418. 

*  „Die  KörperverhSltnisse  der  GelehrtenBchuIe  des  Johanneums  in  Ham- 
burg.«'   Zeitachrift  d.  kgl  preufs.  etat  Bwreaua,  1879,  Seite  6. 


304 

brocbene  Karre,  so  finden  wir  ganz  dieselben  Waohstumsuntersohiede, 
nur  nocb  etwas  stärker  ausgeprägt:  Im  11.  Jahre  ist  sie  noch 
flacher,  im  15.  Jahre  noch  steiler  als  die  ganze  Linie.  So 
finden  wir  es  hier  praktisch  bestätigt,  was  wir  oben  auf  Grand  theo- 
retischer Überlegungen  vermnteten,  dafs  sich  nämlich  zam  Stadium 
des  normalen  Wachstums  die  Methode  des  wahrscheinlichen  Mittels 
(bei  grofsem  Materiale)  noch  besser  eigne  als  die  des  arithmetischen, 
weil  ersteres  von  einzelnen  Extremen  weniger  beeinflaist  werde.  Diese 
Methode  zeigt  in  der  Tat  die  Gesetzmäfsigkeit  des  typischen  Wachsens 
am  deutlichsten,  da  sie  am  schärfsten  die  unterschiede  der  einzelnen 
Lebensjahre  ausdrückt. 

Vergleicht  man  das  Wachstum  mit  einer  Bewegung,  so  kann 
man  die  der  stärker  ansteigenden  Kurve  entsprechende  Periode  die 
des  beschleunigten,  die  Periode  der  sanfter  werdenden  Steigung 
die  des  verzögerten  Wachstums  nennen.  Mit  den  so  gewonnenen, 
wenn  auch  nur  bildlichen  ^  Ausdrücken  kann  man  das  Wachstum  der 
gemessenen  Knaben  folgendermalsen  kurz  beschreiben:  Bis  zum 
11.  Jahre  verzögertes,  dann  bis  zum  15.  Jahre  beschleu- 
nigtes, zuletzt  wieder  verzögertes  Wachstum,  das  schliefs- 
lich  jenseits  des  beobachteten  Alters  in  den  Stillstand,  vielleicht  sogar 
Rückgang  übergeht.  Es  sei  gleich  hier  gesagt,  dafs  sich  dieselben 
Perioden  bei  allen  anderen  vorliegenden  Untersuchungen  desselben 
Gegenstandes  wiederfinden,  wenn  auch,  gemäfs  den  sonstigen  anthro- 
pologischen und  sozialen  Unterschieden,  etwas  nach  dem  Alter  ver- 
schoben, und  wenn  auch  selten  so  ausgeprägt,  so  regelmälsig  inein- 
ander übergehend  wie  hier,  vielmehr  oft  durch  zufällige  Sprünge 
undeutlich  geworden.  Wir  glauben  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  wir 
die  hier  beobachtete  grölsere  Regelmäfsigkeit  auf  zwei  Umstände 
zurttckbeziehen : 

1.  Die  weit  genauere  Berechnung  auf  den  Tag  des  gerade  voll- 
endeten Jahres. 

2.  Die  durchaus  einheitliche  Lebensweise  der  untersuchten 
Knaben,  denen  freilich  eine  ziemlich  mannigfaltige  geographische 
Herkunft  gegenübersteht.  Aber  man  hat  oft  beobachtet,  dats  die 
sozialen  Differenzen  viel  ausschlaggebender  für  unsere  Probleme  sind 
als  die  geographischen. 

Die    Periode    des    beschleunigten    Wachstums    fehlt    nur    bei 


^  Aber  auch  die  Kurve  selbst  ist  ja  doch  eigentlich  nur  ein  Bild,  ein 
Symboll 


306 

QuETELET^.  Hier  beträgt  die  jährliche  Zunahme  vom  5.  bis  zum 
17.  Lebensjahre  stets  etwa  5  om,  ohne  periodische  Schwankungen 
za  zeigen.  Es  war  ein  Mifsverständnis,  wenn  Kotelmann*  die 
Worte  QuETEiiETs:  „racroissement  de  taille  devient ....  regulier 
jusque  vers  16  ans"  als  in  Übereinstimmung  mit  seinen,  Kotblhanns, 
Zahlen  deutete,  da  sich  in  letzteren  ein  Minimum  des  Wachstums 
im  13.,  ein  Maximum  im  16.  Jahre  findet,  so  dafs  auch  hier  die 
drei  Perioden,  nur  etwas  später  einsetzend,  sich  vorfinden  wie  bei 
unseren  und  allen  anderenüntersuchungen,  aufser  derjenigen  Qoetelets. 
Auf  letztere  ist  aber  diesbezüglich  wegen  des  geringen  Materials  kein 
Gewicht  zu  legen,  tmd  wir  können  das  Bestehen  der  drei 
Perioden  als  eine  durchgängige  Gesetzmäfsigkeit  des 
menschlichen  Wachstums  ansehen.  Vergleichen  wir  sie  mit  den 
drei  in  dem  Verhältnis  der  beiden  Kurren  zueinander  gefundenen 
Perioden,  so  sehen  wir,  dals  sich  beide  Arten  von  Perioden 
ziemlich  genau  entsprechen,  nur  dafs  die  Beschleunigungsperiode 
etwas  früher  anfangt  als  der  Zeitraum,  in  dem  das  arithmetische 
Mittel  grölser  ist  als  das  wahrscheinliche.  Letzterer  Zeitraum  fällt 
also  nicht  mit  der  ganzen  Beschleunigungsperiode  zusammen,  sondern 
nur  mit  demjenigen  Abschnitte  derselben,  in  welchem  sich  die 
Wirkungen  der  Beschleunigung  so  angehäuft  haben,  dals  dadurch 
eine  etwa  entgegenstehende  Tendenz  überwunden  wird.  Diese  ent- 
gegenstehende Tendenz  ist  darin  ausgedrückt,  dafs  das  arithmetische 
Mittel  bei  den  meisten  Jahresklassen  unter  dem  wahrscheinlichen 
bleibt.  Berücksichtigt  man  die  mutmaüsliche  Ursache  des  Zurück- 
bleibens des  arithmetischen  Mittels,  so  kann  man  annehmen,  dals 
im  allgemeinen  mehr  extrem  Kleine  als  extrem  Grofse  vorhanden 
sind,  was  sich  am  einfachsten  durch  Zumischung  einer  klein- 
wüchsigen, also  wohl  der  „alpinen **  Rasse,  zum  germanischen 
Typus  erklärt.  Infolge  dieser  offenbaren  Rassenzumischung  also 
wird  die  Gleichzeitigkeit  der  beiden  Phänome,  nämlich  des  Tempos 
der  Kurven  und  ihrer  gegenseitigen  Lage  gestört.  Die  Kurve  des 
arithmetischen  Mittels  bedarf  einer  gewissen  Zeit,  um  die  Störung 
zu  überwinden  und  die  ihr  während  der  Beschleunigungsperiode 
zukommende  Lage  oberhalb  der  anderen  einzunehmen.  Wir  werden 
später  sehen,  dals  die  Mutmafsung  durchaus  zutrifit. 

^  Ad.  Qüstblkt:  yAnthropomStrie  ou  mesure  des  diffiärentes  facultas  de 
lliomme.''    BmxeHes  1871.    page  177,  204  et  418. 

*  „Die  KorperverhältniBse  der  Gelehrtenschale  des  Johanneums  in  Ham- 
burg.«   Zeitachrift  d,  kgl  preufs.  stat  Bureaus,  1879,  Seite  6. 


304 

brocbene  Kurve,  so  finden  wir  ganz  dieselben  Waobstnmsontersohiede, 
nur  noch  etwas  stärker  ausgeprägt:  Im  11.  Jahre  ist  sie  noch 
flacher,  im  15.  Jahre  noch  steiler  als  die  ganze  Linie.  So 
finden  wir  es  hier  praktisch  bestätigt,  was  wir  oben  auf  Grund  theo- 
retischer Überlegungen  vermuteten,  dais  sich  nämlich  zum  Studium 
des  normalen  Wachstums  die  Methode  des  wahrscheinlichen  Mittels 
(bei  grofsem  Materiale)  noch  besser  eigne  als  die  des  arithmetischen, 
weil  ersteres  von  einzelnen  Extremen  weniger  beeinfluist  werde.  Diese 
Methode  zeigt  in  der  Tat  die  G-esetzmäisigkeit  des  typischen  Wachsens 
am  deutlichsten,  da  sie  am  schärfsten  die  unterschiede  der  einzelnen 
Lebensjahre  ausdrückt. 

Vergleicht  man  das  Wachstum  mit  einer  Bewegung,  so  kann 
man  die  der  stärker  ansteigenden  Kurve  entsprechende  Periode  die 
des  beschleunigten,  die  Periode  der  sanfter  werdenden  Steigung 
die  des  verzögerten  Wachstums  nennen.  Mit  den  so  gewonnenen, 
wenn  auch  nur  bildlichen  ^  Ausdrücken  kann  man  das  Wachstum  der 
gemessenen  Knaben  folgendermalsen  kurz  beschreiben:  Bis  zum 
11.  Jahre  verzögertes,  dann  bis  zum  15.  Jahre  beschleu- 
nigtes, zuletzt  wieder  verzögertes  Wachstum,  das  schliefe- 
lieh  jenseits  des  beobachteten  Alters  in  den  Stillstand,  vielleicht  sogar 
Rückgang  übergeht.  Es  sei  gleich  hier  gesagt,  daüs  sich  dieselben 
Perioden  bei  allen  anderen  vorliegenden  Untersuchungen  desselben 
Gegenstandes  wiederfinden,  wenn  auch,  gemäfs  den  sonstigen  anthro- 
pologischen und  sozialen  Unterschieden,  etwas  nach  dem  Alter  ver- 
schoben, und  wenn  auch  selten  so  ausgeprägt,  so  regelmälsig  inein- 
ander übergehend  wie  hier,  vielmehr  oft  durch  zufällige  Sprünge 
undeutlich  geworden.  Wir  glauben  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  wir 
die  hier  beobachtete  grölsere  Regelmäfsigkeit  auf  zwei  Umstände 
zurttckbeziehen : 

1.  Die  weit  genauere  Berechnung  auf  den  Tag  des  gerade  voll- 
endeten Jahres. 

2.  Die  durchaus  einheitliche  Lebensweise  der  untersuchten 
Knaben,  denen  freilich  eine  ziemlich  mannigÜEtltige  geographische 
Herkunft  gegenübersteht.  Aber  man  hat  oft  beobachtet,  daCs  die 
sozialen  Differenzen  viel  ausschlaggebender  für  unsere  Probleme  sind 
als  die  geographischen. 

Die    Periode    des    beschleunigten    Wachstums     fehlt    nur    bei 


^  Aber  auch  die  Kurve  lelbfit  ist  ja  doch  eigentlich  nur  ein  Bild,  ein 
Symbol  1 


306 

QuETELBT^.     Hier  beträgt  die  jährliche  Zunahme  vom  5.  bis   znm 
17.  Lebensjahre  stets  etwa  5  cm,  ohne  periodische   Schwankungen 
za   zeigen.     Es    war    ein    Mifsverständnis,    wenn   Kotelmann*   die 
Worte    QuETELETs:    „racroissement   de   taille   devient ....  regulier 
jüsque  vers  16  ans"  als  in  Übereinstimmung  mit  seinen,  Kotelmanns, 
Zahlen   deutete,   da  sich  in  letzteren  ein  Minimum  des  Wachstums 
im  13.,   ein  Maximum  im  16.  Jahre  findet,   so  dafs   auch  hier  die 
drei  Perioden,   nur  etwas  später  einsetzend,  sich  vorfinden  wie  bei 
unseren  und  allen  anderenüntersuchungen,  auiser  derjenigen  Qctetslets. 
Auf  letztere  ist  aber  diesbezüglich  wegen  des  geringen  Materials  kein 
Gewicht   zu   legen,    und    wir   können   das   Bestehen   der   drei 
Perioden    als    eine    durchgängige    Gesetzmäfsigkeit    des 
menschlichen  Wachstums  ansehen.    Vergleichen  wir  sie  mit  den 
drei  in  dem  Verhältnis  der  beiden  Kurven  zueinander  gefundenen 
Perioden,    so  sehen  wir,    dals  sich   beide  Arten   von  Perioden 
ziemlich  genau  entsprechen,  nur  dals  die  Beschleunigungsperiode 
etwas  früher  anfängt  als  der  Zeitraum,    in  dem    das    arithmetische 
Mittel  grülser  ist  als  das  wahrscheinliche.     Letzterer  Zeitraum  filllt 
also  nicht  mit  der  ganzen  Beschleunigungsperiode  zusammen,  sondern 
nnr  mit   demjenigen   Abschnitte   derselben,    in   welchem   sich    die 
Wirkungen   der  Beschleunigung  so  angehäuft  haben,   dafs  dadurch 
eine  etwa  entgegenstehende  Tendenz   überwunden  wird.     Diese  ent- 
gegenstehende Tendenz  ist  darin  ausgedrückt,  dafs  das  arithmetische 
Mittel  bei  den  meisten  Jahresklassen  unter  dem  wahrscheinlichen 
bleibt.     Berücksichtigt  man  die  mutmaüsliche  Ursache  des  Zurück- 
bleibens  des  arithmetischen   Mittels,  so  kann   man  annehmen,  dafs 
im  allgemeinen  mehr  extrem  Kleine  als   extrem  Grofse   vorhanden 
Bind,   was    sich    am    einfachsten    durch    Zumischung    einer    klein- 
wüchsigen,   also    wohl   der    „ alpinen **   Basse,   zum   germanischen 
Typus   erklärt.     Infolge  dieser    offenbaren    Rassenzumischung    also 
wird  die  Gleichzeitigkeit  der  beiden  Phänome,  nämlich  des  Tempos 
der  Kurven  und  ihrer  gegenseitigen  Lage  gestört.      Die  Kurve  des 
arithmetischen  Mittels  bedarf  einer  gewissen  Zeit,   um   die  Störung 
zu  überwinden    und    die   ihr   während    der  Beschleunigungsperiode 
zukommende  Lage  oberhalb  der  anderen  einzunehmen.    Wir  werden 
später  sehen,  dals  die  Mutmafsung  durchaus  zutrifil. 

'  An.  Qüstblkt:  yAnthropomötrie  ou  mesure  des  diffi§rente8  facultas  de 
Hkomme."    Bnixelles  1871.    page  177,  204  et  418. 

*  „Die  Körperverhältnisse  der  Gelehrtenschule  des  Johanneums  in  Ham- 
bug.<<    Zeiischrift  d,  kgl  preufs.  etat  Sureaus,  1879,  Seite  6. 


320 

empfehlenswert,  die  EinfÜliraDg  dieser  MaTsregel  auf  eine  geringere 
AnzaU  von  Schalen  zu  beschränken.  Nach  dem  Urteile  des  Medizinal- 
koUegioms  ist  die  durch  diese  beiden  neuen  Aufgaben  bedingte  Er- 
weiterung der  Tätigkeit  der  Stadtärzte  so  erheblich,  dais  die  Heran- 
ziehuDg  von  drei  weiteren  ärztlichen  Hilfskräften  und  die  Einstellung 
ihrer  Bezüge  für  V«  Jahr  mit  dreimal  1350  Mark  in  das  Budget 
für  1905  notwendig  wird." 

Damit  sollte  der  erste  Schritt  zur  Einführung  von  Schulärzten 
in  Hamburg  getan  werden,  eine  Einrichtung,  mit  der  andere  deutsche 
Staaten  und  Städte  uns  längst  vorangegangen  sind. 

Die  Vereinigung  für  Schulgesundheitspflege  in  Ham- 
burg, die  sich  wesentlich  aus  Ärzten  und  Lehrern  bezw.  Lehrerinnen 
zusammensetzt,  hat  die  Schularztfrage  in  Hamburg  am  Ende  des 
vorigen  und  Anfang  dieses  Jahres  in  mehreren  Sitzungen  eingehend 
diskutiert  und  ist  zu  bestimmten  Leitsätzen  gekommen,  die  am 
Schlüsse  aufgeführt  werden.  Bei  der  bevorstehenden  Anstellung  von 
Schulärzten  hält  sie  den  Zeitpunkt  für  geeignet,  den  maCsgebenden 
Behörden  ihre  Vorschläge  zu  unterbreiten,  und  ho£Et  auf  deren  Be- 
rücksichtigung. Zur  näheren  Erläuterung  seien  die  folgenden  Aus- 
führungen vorangeschickt. 

Schon  im  Jahre  1897  hatte  der  deutsche  Ärztetag  zu  Eisenach 
die  folgende  Resolution  gefa&t:  »Die  bisherigen  Erfahrungen  lassen 
die  Einsetzung  von  Schulärzten  allgemein  als  dringend  erfor- 
derlich erscheinen.  Die  Tätigkeit  dieser  Ärzte  hat  sich  ebensowohl 
auf  die  Hygiene  der  Schulräume  und  Schulkinder  wie  auf  eine  sach- 
verständige Mitwirkung  hinsichtlich  der  Hygiene  des  Unterrichts  zu 
erstrecken.''  Die  damaligen  Erfahrungen  stammten  wesentlich  aus 
Sachsen,  das  seit  1891  (Leipzig)  bezw.  1893  (Dresden)  Schulärzte, 
allerdings  vorwiegend  zur  Überwachung  der  Hygiene  der  Sohul- 
gebäude,  angestellt  hatte.  Andere  Länder  waren  Deutschland  aller- 
dings in  der  schulärztlichen  Auüsicht  lange  vorangegangen.  Dieselbe 
besteht  z.  B.  in  Schweden  seit  1863,  in  England  seit  1870,  in  Eufs- 
land  seit  1871  (?  D.  Bed.),  in  Österreich  seit  1873,  in  Belgien  seit 
1874,  in  Frankreich  seit  1879,  in  der  Schweiz  seit  1883  und  in  den 
Vereinigten  Staaten  Amerikas  seit  1894. 

Ein  Umschwung  bei  uns  erfolgte  erst  seit  1897,  wo  Wiesbaden 
zuerst  mit  der  ärztlichen  Untersuchung  der  Schüler  voranging  und 
eine  Schularztordnung  erlieüs,  die  für  die  meisten  Städte  vor- 
bildlich geworden  ist.  Nun  machte  die  Entwicklung  des  Schularzt- 
wesens rapide  Fortschritte.     Im  vorigen  Jahre   hatten  bereits  über 


321 

100  Städte  mit  mehr  als  20000  Einwolmem  rand  550  Schulärzte, 
dien  Yoran  das  Herzogtum  MeiniDgen,  in  dem  das  Sohularztwesen 
staatlich  ist  und  das  in  allen  seinen  Gemeinden  Schulärzte  besitzt. 
An/ser  einigen  kleineren  Bundesstaaten  fehlen  dieselben  zurzeit  nur 
noch  in  Altena  und  den  Hansestädten  Bremen  und  Lübeck. 

Über  die  Notwendigkeit  der  Anstellung  von  Schul- 
ärzten ist  man  also  fast  allerorts  einig  geworden,  und  auch  der 
hamburgische  Staat  hat  durch  den  eingangs  erwähnten,  von  der 
Bürgerschaft  angenommenen  Antrag  dieselbe  anerkannt.  Wie  grofs 
sie  im  hygienischen  Interesse  der  Schule  ist,  mögen  aus  dem  reich- 
haltig vorliegenden  Material  nur  die  folgenden  Zahlen  beweisen. 

Bei  der  ärztlichen  Revision  in  Wiesbaden  zeigten  sich  von 
7000  Schulkindern  25  7o  mit  körperlichen  Fehlem  behaftet,  zum  Teil 
an  ansteckenden  Krankheiten  leidend,  in  Schweden  sogar  44  Vo.  In 
Lansanne  wurden  24,6%  Skoliotische  festgestellt,  in  Neuchatel  29%, 
in  Dresden  26  7o,  in  Moskau  29%,  in  Petersburg  26  7o.  Lbubusoheb 
fand  in  Meiningen  Kurzsichtigkeit  bei  34%,  Herzleiden  bei  7%, 
Brüche  und  Bruchanlagen  bei  8,4%,  Erkrankungen  von  Mund-, 
Nasen-  und  Bachenhöhle  bei  7.6 Vo,  Kröpfe  bei  6,2%,  schlechte 
Zahne  bei  55%.     BiiBZINOEB  hat  in  Württemberg 

im  Jahre  1900  schadhaft  gefunden     8,9%  Kinder 
n        „      1901         „  ,  9,4%       „ 

„      1902         „  „  10,57o       . 

„        r.      1908        ,  „  10,87o       „ 

Diese  Zahlen  lie&en  sich  beliebig  vermehren. 

Die  Aufgaben  des  Schularztes  sind  mannigfache,  aber  sie 
besohrftnken  sich  alle  auf  das  Gebiet  der  Hygiene.  Es  sei  vorweg 
bemerkt,  dals  nach  Ansicht  aller  kompetenten  Beurteiler  die  Be- 
handlung der  etwa  erkrankten  Schulkinder  nicht  zu  diesen  Auf- 
gaben gehört.  Die  Schulhygiene  ist  ein  Teil  der  öffentlichen  Hygiene, 
und  die  Tätigkeit  des  Schularztes  zer&Ut  von  diesem  Gesichtspunkt 
aus  in  drei  Hauptgruppen:  in  Betätigung  auf  dem  Gebiete  der 
Hygiene  des  Schulkindes,  des  Unterrichts  und  des  Schul- 
hauses. 

Die  wichtigste  Aufgabe  ist  die  erstgenannte,  die  Fürsorge  für 
das  einzelne  Kind.  Die  Ziele  dieser  individuellen  Hygiene  sind 
Erkennung  von  Defekten,  durch  welche  die  Entwicklung  des  Kindes 
gestört  wird,  als  Augenfehler,  Schwerhörigkeit,  adenoide  Vegetationen, 
nervöse  Störungen,  geistige  Leistungsunfähigkeit,  angeborener  Schwach- 
sinn, femer  die  Abwehr  ansteckender  Krankheiten  von  der  Schule, 


322 

wie  MaseTD,  Soharlaoh,  Keuchliasten,  Diphtherie,  Trachom,  Tuber- 
kulose, endlich  auch  die  Erkennung  übertragbarer  Parasiten,  als 
Erätze  und  Läuse. 

Die  Hygiene  des  Unterrichts  hat  sich  vor  allem  auf  die  Lehrw 
mittel  zu  erstrecken.  Der  Schularzt  muls  der  beratende  Sachverständige 
des  Lehrers  sein,  der  ihn  auf  Überbürdung  einzelner  Kinder,  Mängel 
der  Bücher  in  bezug  auf  Druck  u.  dgl.  aufmerksam  machen  soll. 
Auch  erscheint  es  imLiteresse  einer  richtigen  pädagogisoh-hygienischen 
Behandlung  erwünscht,  dalis  der  Lehrer  von  den  vielfachen  Schäden, 
welche  das  schulpflichtige  Eindesalter  betrefiEen,  durch  den  Schularzt 
Kenntnis  erhält,  damit  ersterer  diese  Schäden  kennt,  ehe  er  mit  den 
Anforderungen  der  Schule  an  die  Einder  herantritt.  Dies  lälst  sich 
durch  regelmäfsige  hygienische  Vorträge,  welche  vom  Schularzt  ge- 
halten werden,  am  besten  erreichen.  Diese  Vorträge  über  Schul- 
gesundheitspflege könnten  an  den  Seminaren  für  die  zukünftigen  und 
in  den  Schulen  für  die  jetzigen  Lehrer  abgehalten  werden. 

Mit  dem  inneren  Leben  der  Schule,  mit  der  Einrichtung  von 
Stunden-  und  Pensenplan  usw.  hat  die  Tätigkeit  des  Schularztes 
nichts  zu  8cha£Fen. 

Die  dritte  Aufgabe  des  Schularztes,  die  Überwachung  der  Hy  gi  ene 
des  Schulhauses,  war  früher  seine  einzige  Tätigkeit  und  darf 
auch  jetzt  hinter  den  übrigen  Aufgaben  nicht  zurückstehen.  Er  hat 
zu  diesem  Zwecke  den  Bauplan  und  Platz  eines  zu  erbauenden 
Schulgebäudes  von  hygienischen  G^esichtspunkten  aus  zu  prüfen, 
sowie  femer  das  Schulhaus  mehrmals  im  Jahre  in  bezug  auf  Reini- 
gung, Beleuchtung,  Ventilation,  Heizung,  Abortanlagen,  Turnhallen, 
Schulbäder,  Subsellien  u.  dgl.  zu  prüfen.  Nach  der  Wiesbadener 
Schularztordnung  besucht  der  Schularzt  bei  seinen  14tägigen  Sprech- 
stunden zwei  bis  fünf  Elassen  und  revidiert  dieselben;  jede  Elaase 
soll  etwa  zweimal  im  Semester  an  die  Reihe  kommen.  Gefundene 
Mängel  werden  in  das  sog.  „Hygienebuch^  eingetragen  und  der  zu- 
ständigen Behörde  vorgelegt. 

Auf  Grund  dieser  Darlegungen  hält  die  Vereinigung  für 
Schulgesundheitspflege  die  Einführung  von  Schulärzten 
in  Hamburg  sowohl  für  alle  Volksschulen  als  auch  für 
höhere  und  Privatschulen  für  eine  Notwendigkeit.  Sie 
erwartet  dadurch  für  die  Schüler  eine  erhöhte  Leistungsfidiigkeit 
und  die  Erhaltung  ihrer  Gesundheit,  indem  Ejrankheiten  der 
Schüler  verhindert  bezw.  in  einem  früheren  Stadium  erkannt 
und  geheilt  werden,    und   indem   unhygienische  Einrichtungen   des 


323 

Schnlgebäudes  und  des  ÜDterriolits  beseitigt  werden  köcnen.  Für 
die  Lebrer  erwartet  die  Vereinigung  darcb  die  Einfäbrung  von 
Schulärzten,  dals  ihr  Sinn  und  Interesse  für  hygienisohe  Dinge  ge- 
weckt und  belebt  werde.  Der  Schularzt  ist  im  eigenen  Interesse  der 
Lehrer  tfttig,  indem  er  an  der  Verbesserung  der  Räume,  in  denen 
sie  einen  grolsen  Teil  ihres  Lebens  zubringen  müssen,  wirksam  sich 
beteiligt,  indem  er  ihnen  behilflich  ist,  bei  der  Beurteilung  von 
Leistungen  ihrer  Schüler  auch  das  medizinisch -psychische  Moment 
nnd  eventuell  Störungen  ihrer  Gesundheit  mit  heranzuziehen,  und 
endlich,  indem  er  ihnen  einen  Teil  der  durch  das  Bürgerliche  Gesetz- 
buch zugefallenen  Haftpflicht  abnimmt. 

Wenn  die  Tätigkeit  des  Schularztes  aber  eine  erspriefsliche  sein 
soll,  so  mnfs  seine  Stellung  in  materieller  wie  idealer  Hinsicht  so 
beschaflTen  sein,  dafis  er  seinem  Amte  genügend  Zeit  und  Interesse 
widmen  kann.  Vor  allem  darf  er  in  seiner  Tätigkeit  nicht  über- 
bürdet  werden  und  höchstens  zwei  Schulen  mit  30  Klassen,  also 
1300 — 1500  £inder,  zugeteilt  erhalten.  Auf  einen  Schularzt  kommen 
in  Hannover  12,  in  Leipzig  50,  in  Magdeburg  18,  in  Erfurt  25,  in 
Frankfurt  a.  M.  32,  in  Nürnberg  40,  in  Wiesbaden  26,  in  Breslau 
40  Klassen.  Für  die  periodischen  Untersuchimgen  bleiben  dem 
Arzte,  wenn  wir  die  Ferien  abrechnen,  etwas  mehr  als  40  Wochen 
im  Jahre.  Er  mübte  also,  wenn  er  wie  in  Wiesbaden  alle  14  Tage 
seinen  Besuch  macht,  der  etwa  zwei  Stunden  dauern  wird,  und  jede 
Eksse  zweimal  im  Jahre  besehen  soll,  jedesmal  drei  Klassen  mit 
etwa  120£andem  untersuchen.  Diese  Untersuchung  wird  nur  eine 
oberflächliche  sein  können  und  für  jede  Klasse  15—20  Minuten  be- 
tragen. Aber  diese  Zeit  wird  auch  genügen,  da  der  Arzt  die  Kinder 
sdion  kennt  und  weils,  worauf  er  hauptsächlich  zu  achten  hat.  Der 
zweite  Teil  der  Sprechstunde  wird  dann  der  eingehenderen  Unter- 
sachimg der  vom  Klassenlehrer  nach  Rücksprache  mit  dem  Leiter 
der  Schule  besonders  bestimmten  Schüler  gewidmet  sein. 

Auf  die  Besoldung  der  Schulärzte,  die  auf  das  Interesse  und 
die  Zeit,  welche  dieselben  ihrem  Amt  widmen,  von  groisem  Einfluls 
sein  wird,  soll  hier  nicht  näher  eingegangen  werden. 

Dagegen  hat  sich  die  Vereinigung  für  Schulgesundheitspflege 
wiederholt  mit  der  Stellung  der  Schulärzte  zu  den  beiden  für 
sie  in  Betracht  kommenden  Behörden,  der  Oberschulbehörde  und 
dem  Medizinalkollegium,  beschäftigt.  Für  die  Unterstellung  derselben 
unter  das  Medizinalkollegium  wurde  angeführt,  dafs  die  Schulärzte 
hierdurch  eine  unabhängigere  xmd  einflufsreichere  Stellung  erhalten 


324 

würden,  als  w6dii  sie  von  der  Oberschulbehörde  abhängig  werden. 
Sie  würden  der  letzteren  gegenüber  nur  unter  Mitwirkung  der  Medi- 
zinalbehörde die  nötige  Wirksamkeit  entfalten;  auch  läge  die  Ge&hr 
vor,  dafs  die  Oberschulbehörde  leicht  unbequeme  Ärzte  entfernen 
könnte,  wenn  sie  allein  über  Anstellung  und  Entlassung  der  Schul- 
ärzte zu  bestimmen  habe.  Dagegen  wurde  geltend  gemacht,  dab 
durch  die  Unterstellung  der  Schulärzte  unter  die  Obersohulbehörde 
ihre  Wirksamkeit  erleichtert  werde,  da  sie  etwa  vorhandene  Schäden 
direkt  zur  Abstellung  bringen  könnten.  Auch  würde  bei  allen  ein- 
schneidenden hygienischen  Fragen  das  Medizinalkollegium  zur  Be- 
gutachtung dech  mit  herangezogen  werden.  Auch  wurde  auf  das 
Beispiel  verschiedener  preufsischer  Städte  hingewiesen,  in  welchen 
die  Schulärzte  der  Schuldeputation  unterstellt  seien.  Die  Vereinigung 
kam  auf  Grund  dieser  Erörterungen  zu  dem  Ergebnis,  zu  empfehlen, 
dafs  die  Dienstordnung  für  die  Schulärzte  von  der  Oberschulbehörde 
im  Einvernehmen  mit  dem  Medizinalkollegium  zu  erlassen  sei,  sowie 
dafs  sämtliche  Schulärzte  Hamburgs  eine  einheitliche  Organisation 
bilden  sollten,  die  dienstlich  der  Oberschulbehörde  untersteht.  Da- 
gegen sollte  als  Vorsitzender  oder  Vertreter  der  Schulärzte  ein  Stadt- 
arzt wirken,  also  ein  Mitglied  des  Medizinalkollegiums,  dem  jedoch 
keine  disziplinarischen  Befugnisse  über  die  Schulärzte  zukommen 
sollen.  Sehr  erwünscht  erschiene  es,  wenn  dieser  Stadtarzt  zugleich 
Mitglied  der  Oberschulbehörde  werden  würde.  Auf  diese  Weise 
würden  die  beiderseitigen,  so  oft  ineinander  greifenden  Interessen 
der  beiden  Behörden  am  besten  gewahrt  werden. 

Auf  Grund  dieser  Ausführungen  bittet  die  Vereinigung  ftlr 
Schulgesundheitspflege  um  tunlichste  Berücksichtigung  der  folgenden 
Leitsätze  bei  der  Anstellung  bezw.  Vermehrung  der  Schulärzte  in 
Hamburg. 


Leitsätze, 
betr.    die   Schalarztfrage   in   Hamburg,   welche   von    der   Ver- 
einigung für  Schulgesundheitspflege  angenommen  worden  sind. 
I.  Es  erscheint  notwendig,   dafs   die  gegenwärtig   in  Hamburg  geltenden 
Bestimmungen  über  die  gesundheitliche  Überwachung  dw  Schulen  und 
Schulkinder  ergänzt  bezw.  erweitert  werden. 
II.  Gründe. 

1.  Die  Schulhygiene  ist  ein  Teil  der  öffentlichen  Hygiene. 

2.  Aus  vielen  Untersuchungen  von  Schulkindern  geht  hervor,  dals 
bei  denselben  bis  zu  50%  und  je  nach  der  Individualität  des  unter- 
suchenden Arztes  bis   zu  70%   körperliche  Schäden  gefunden  sind. 


325 

Im  Interesse  einer  richtigen  pfidagogisch-hygienischen  Behandlang  er- 
scheint es  wünschenswert,  dafs  die  Lehrer  von  solchen  Schäden 
Kenntnis  erhalten,  ehe  sie  mit  den  Anfordemngen  der  Schnle  an  die 
Kinder  herantreten. 

3.  Die  Einfahnmg  von  Schnlftrzten  erscheint  sowohl  fttr  Volks- 
schulen als  anch  ffir  höhere  nnd  Privatschnlen  als  eine  Notwendig- 
keity  weil 

a)  mit  Hilfe  des  Schularztes  nnhygienische  Einrichtnngen  des 
Schnlgehändes,  die  geeignet  sind,  die  Kinder  an  ihrer  Gesund- 
heit zn  sch&digen  und  die  Erfolge  des  Unterrichts  zu  ver- 
mindern, heseitigt  werden  können; 

h)  durch  die  prophylaktische  Tätigkeit  des  Schularztes  die  Möglich- 
keit gegehen  ist,  Krankheiten  der  Schüler  zu  verhindern  oder 
in  einem  frühen  Stadium  zu  erkennen  und  zu  heilen  und  dadurch 
die  Leistungsfähigkeit  der  Schüler  im  Unterricht  zu  steigern; 

c)  die  Einrichtung  der  Schulärzte  geeignet  ist,  Interesse  und  Sinn 
für  hygienische  Dinge  bei  Lehrern  und  Lehrerinnen  zu  beleben. 

4.  Die  Einführung  von  Schulärzten  erscheint,  nachdem  eine  grobe 
Reihe  von  Städten  mit  gutem  Erfolge  darin  vorangegangen  ist,  im 
Interesse  der  heranwachsenden  Jugend  auch  für  Hamburg  geraten. 

m.  Yorschläge  für  neue  Maßnahmen  und  Einrichtungen. 

1.  um  zu  verhindern,  dab  im  Verlauf  der  Schulzeit  die  Schüler 
durch  den  Schulbesuch  Schaden  an  ihrer  Gesundheit  erleiden,  empfiehlt 
die  Vereinigung  für  Schulgesundheitspflege,  an  den  Seminaren  Vor- 
lesungen über  Schulgesundheitspflege  halten  zu  lassen  und  auf  diese 
Weise  die  künftigen  Lehrer  auf  die  ihren  Schülern  drohenden  Ge- 
fshren  aufmerksam  zu  machen  und  ihnen  die  Mitarbeit  an  der  Be- 
kämpfung derselben  ans  Herz  zu  legen. 

2.  Anstellung  von  Schulärzten. 

a)  Aufgaben  derselben.  Die  Tätigkeit  der  Schulärzte  hat  mit 
dem  inneren  Leben  der  Schule,  mit  Einrichtung  von  Stunden- 
und  Pensenplan  usw.  nichts  zu  schaffen.  Sie  ist  eine  zweifache. 
Der  Schularzt  hat 

aa)  Bauplan  und  Platz  des  zu  erbauenden  Schulgebäudes  von 
hygienischen  Gesichtspunkten  aus  zu  prüfen  und  das 
Schulhaus  mindesteus  zweimal  im  Jahre  in  bezug  auf 
Reinigung,  Heizung,  Beleuchtung,  Ventilation,  Abortanlagen, 
Turnhalle,  Schulbad,  Subsellien  usw.  zu  kontrollieren; 

bb)  jedes  Kind  bei  seinem  Eintritt  in  die  Schule  gründlich 
zu  untersuchen,  femer  nach  näheren  Feststellungen  (In- 
struktionen) den  Gesundheitszustand  der  Schüler  zu  über- 
wachen. 

b)  Stellung  derselben.  Die  Stellung  des  Schularztes  mufs  in  ma- 
terieller wie  in  idealer  Hinsicht  so  beschaffen  sein,  dab  er 
seinem  Amte  genügend  Zeit  und  Interesse  widmen  und  seine 
Anordnungen  mit  Nachdruck  vertreten  kann.  Er  ist  der  fach- 
männische Berater  des  Lehrers,  hat  aber  weder  dem  Leiter 
noch  den  Lehrern  der  Schule  direkte  Anweisung  zu  geben. 

Sehtügerandbeitspflege.  XVIIL  18 


326 


Die  Dienstordnung  fflr  die  Schalftrzte  erl&bt  die  Ober- 
schnlbehörde  im  Einvernehmen  mit  dem  Medizinalkollegiom. 
Sämtliche  Schulärzte  bilden  zusammen  eine  Vereinigung,  die 
dienstlich  der  Oberschulbehörde  untersteht.  Als  Vorsitzender 
oder  Vertreter  wirkt  ein  Stadtarzt,  der  Mitglied  der  Oberschul- 
behörde sein  sollte.  Derselbe  soll  jedoch  keine  disziplinariBchen 
Befugnisse  ttber  die  Schulärzte  ausüben, 
c)  Anstellung  derselben.  Die  Anstellung  der  Schulärzte  geschieht 
nach  öffentlicher  Ausschreibung  durch  die  Oberschulbehörde 
auf  Vorschlag  des  Medizinalkollegiums  aus  der  Zahl  der  Bewerber. 
Dr.  med.  M.  Püest.     Lehrer  F.  Gebken. 


Hub  Derfattttttlttttgett  ttttb  Dereittett. 


y.  Sebweuerisebe  Konferenz  fOr  das  Idiotenwesen 
am  5.  und  6.  Juni  1905  in  St  Gallen. 

Unter  den  Verhandlungsgegenständen  dieser  Versammlung  bieten  vom 
Standpunkte  der  Schulhygiene  aus  besonderes  Interesse  die  Referate  von 
Stadtschukat  Dr.  SiCKiNaEB- Mannheim  und  Lehrer  Hdwtakd- Zürich 
ttber  die  Frage:  „Welche  Forderungen  ergeben  sich  aus  der 
seelischen  Verschiedenheit  der  Kinder  fttr  die  Art  ihrer 
Gruppierung  im  Unterricht  der  Volksschule?^  Die  von  den 
beiden  Referenten  aufgestellten  Thesen  lauten  folgendermafsen: 

Dr.  SiCKiNOEB: 

1,  Die  geistige  Förderungsfähigkeit  der  Schulkinder  gleicher  Alters- 
stufe ist  aus  physiologischen,  psychologischen,  pathologischen  und  sozialen 
Grttnden  auiserordentlich  verschieden. 

2.  Die  Unterrichtsergebnisse  der  Volksschule,  die  in  der  Annahme, 
gleiches  Alter  bedinge  gleiche  Erziehungsfähigkeit  und  gleiche  Erziehnngs- 
bedttrftigkeit,  bisher  fttr  alle  Kinder  ein  und  denselben  Unterrichtsgang 
vorgesehen  hat,  bringen  diese  Verschiedenheit  der  Fördemngsfähigkeit  zu 
sichtbarem  Ausdruck,  insofern  sich  erfahrungsgemäfe  die  Schttler  der  gleichen 
Altersstufe  hinsichtlich  ihrer  tatsächlichen  Fortschritte  im  Schulunterricht 
in  folgende  drei  Kategorien  scheiden: 

a)  Besser  befähigte  Schttler,  die  die  vorgesehenen  Klassenstufen  regelmäfing 
zu  durchlaufen  vermögen. 

b)  Minder  befähigte  und  durch  äufsere  Ursachen  (wie  Krankheit,  Zuzug) 
im  regelmäfsigen  Aufrttcken  behinderte  Schttler,  die  infolgedessen  mit 
einer  trttmmerhaften  und  deshalb  unzulänglichen  Vorbildung  ins  beruf- 
liche Leben  treten. 

c)  Krankhaft  schwach  befähigte  Schttler,  die  ihre  achtjährige  Schulpflicht 
auf  den  untersten  Klassenstufen  besdüieCsen. 


3.  Die  der  obligatorischen  Volksschule  zugrunde  liegende  Forderung, 
^gleiches  Recht  für  alle^,  verlangt  aber  gebieterisch,  dafs  allen  Kindern 
eine  ihrer  individuellen  Leistungsfthigkeit  entsprechende  planvolle  und  zu- 
gleich intensive  Förderung  zuteil  werde. 

4.  Zu  diesem  Behufe  muls  zu  der  bisherigen  Differenzierung  des 
Unterrichtsbetriebs  durch  die  HOhengliederung  des  SchulkOrpers  (nach 
Jahresstufen)  noch  eine  Differenzierung  des  Unterrichtsbetriebs  in  der 
Breitengliederung  innerhalb  der  Parallelabteilungen  der  einzelnen  Klassen) 
hinzutreten. 

5.  Entsprechend  den  oben  angegebenen  drei  Kategorien  von  Schfllem 
der  gleichen  Altersstufe  sind  in  der  Breitengliederung  des  SchulkOrpers 
zoffl  mindesten  drei  nach  Unterrichtsbedingungen  verschieden  geartete  Ans- 
bildnngsmOglichkeiten  (Unterrichtsabteilungen)  vorzusehen,  wobei  nach  dem 
p&dagogisch-hygienischen  Grundsatz  zu  verfahren  ist:  „Je  ungfinstiger  die 
physische  und  psychische  Beschaffenheit  des  Erziehungsobjektes  ist,  desto 
gfinstiger  mflssen  die  Unterrichtsbedingungen  sein.^ 

6.  Als  erster  Versuch,  die  geforderte  Psychologisierung  der  Unterrichts- 
arbeit innerhalb  eines  grossen  Schulkörpers  konsequent  durchzuführen,  ist 
die  Di^eigliederung  der  Mannheimer  Volksschule  in  Hauptklassen,  Förder- 
klassen and  Hilfsklassen  zu  betrachten. 

Lehrer  Hiestand: 

1.  Die  schweizerische  Konferenz  für  das  Idiotenwesen  anerkennt,  dab 
die  Mannheimer  Schulorganisation  mit  der  Scheidung  der  gleichaltrigen 
Schüler  in  drei  verschiedene  Fähigkeitsgruppen  der  seelischen  Verschieden- 
heit der  Kinder  besser  gerecht  werden  kann,  als  dies  bei  der  jetzigen, 
nnr  nach  Altersstufen  Ablieben  Einteilung  mögUch  ist. 

2.  JMe  durch  Herrn  Stadtschulrat  Dr.  SiCKiNOSii  theoretisch  ttber- 
zeogend  bewiesene  wohltätige  Wirkung  einer  Gliederung  der  gleichaltrigen 
Scbfiler  nach  Fähigkeiten  wird  bestätigt  durch  die  in  Mannheim  mit  der 
neuen  Organisation  erzielten  günstigen  Resultate,  welche  sich  zeigen  in 
der  auffallenden  Verminderung  der  Zurückversetzten. 

3.  Auch  bei  uns  ist  die  Zahl  der  nicht  regelmäfsig  aufsteigenden 
Schüler  keine  geringe  und  daher  Abhilfe  in  dieser  Richtung  dringend  ge- 
boten. 

4.  Die  Repetentennot  zu  lindem,  wird  dem  Lehrer  nur  gelingen,  wenn 
er  sich  den  schwächeren  Schülern  mehr  widmen  kann  als  es  die  jetzige 
Organisation  erlaubt.  Die  beste  Möglichkeit  hierzu  bietet  der  Fähigkeits- 
gmppenunterricht  nach  Mannheimer  Art. 

5.  Die  schweizerische  Konferenz  f&r  das  Idiotenwesen  gibt  daher  der 
Ho&ung  Raum,  dafs  auch  bei  uns  überall  da,  wo  es  die  Verhältnisse  ge- 
statten. Versuche  nach  dem  Fähigkeitsprinzip  gemacht  werden;  denn  es 
hegt  im  Interesse  des  Einzelnen  wie  der  Gesamtheit,  auch  den  minder  be- 
fugten und  schwächeren  Schülern  einen  regehnäfsig  fortschreitenden,  ihre 
Arbeitskraft  nicht  überfordernden  Unterricht  zu  vermitteln  und  ihnen  eine 
eioigennaCsen  abschliefsende  Bildung  zu  ermöglichen. 


18* 


328 


Der  SehwimmiiiitoiTicbt  in  den  Sebnlen. 


Ans  einem  Vortrage  Ton  Schnlinspektor  Fbicke, 

gehalten  am  19.  Yerbandstag  des  Deutschen  Schwimmverbandes 

in  Hamburg  (Ostern  1905). 

Der  Vortragende  betrachtet  es  nicht  als  seine  Aufgabe,  über  den 
sanitären  Wert  des  Schwimmens  im  allgemeinen  zu  sprechen.  Gegenstand 
seines  Referates  sei  nur  der  Schwimmunterricht  in  den  Schulen.  Branse- 
b&der  seien  eine  schöne  Einrichtung,  und  es  sei  dagegen  nichts  einzu- 
wenden, wenn  die  Schullehrer  sich  dazu  hergeben,  die  Kinder  an  Reinlich- 
keit in  richtigerweise  zu  gewöhnen.  Leider  nehmen,  wie  die  Er&hrung 
gelehrt  habe,  die  schmutzigen  Kinder  an  diesen  so  nützlichen  Waschungen 
nicht  teil.  Schwimmen  sei  nichts  anderes  als  eine  Tumflbung,  denn  wie 
das  Turnen  den  Körper  bilden  wolle,  so  bezweckt  auch  das  Schwimmen, 
den  Menschen  gesund,  kräftig  und  gewandt  zu  machen.  Beim  Schwimmen 
kommen  alle  Muskeln  und  nicht  nur  einseitig  in  Bewegung.  Die  Lunge 
wird  in  staubfreier  Luft  zur  höchsten  Ausdehnung  gebracht.  Die  Herz- 
tätigkeit wird  angeregt  und  die  Nervosität  und  das  Schwimmen  sind  zwei 
Dinge,  die  einander  vollständig  ausschliefsen.  Ein  Schwimmer  ist  nicht 
nervös.  Doch  nicht  nur  der  Körper,  sondern  auch  der  Geist  wird  durch 
das  Schwimmen  gebildet,  denn  das  Schwimmen  erzieht  zum  Mut  und  zur 
Geistesgegenwart,  und  schlie&lich  macht  das  Schwinmien  Vergnügen  und 
bringt  auch  in  unserem  wasserreichen  Hamburg  Nutzen.  Die  Gegner  des 
Schwinununterrichts  in  Schulen  seien  merkwürdigerweise  in  der  Hauptsache 
unter  den  Turnlehrern  zu  suchen.  Dieselben  wendeten  ein,  dafs  der 
Schwimmunterricht  die  für  den  Turnunterricht  notwendige  Zeit  einschränke, 
und  dafs  in  dem  Turnunterricht  das  gesteckte  Ziel  daher  nicht  erreicht 
werden  könne.  Dieses  sei  aber  ein  vollständiges  Verkennen  der  Wiridich- 
keit.  Das  Turnen  habe  nicht  den  Zweck,  dals  gewisse  Übungen  gemacht 
werden,  sondern  es  würde  aus  dem  Grunde  geübt,  um  den  Körper  und 
den  Geist  zu  stählen,  gesund  zu  machen  und  zu  erhalten. 

In  Hamburg  hat  die  Schulbehörde  auf  Anregung  des  Hamburger 
Verbandes  das  Schwimmen  in  den  Schulunterricht  eingestellt  und  es  sind 
hierin  so  gute  Erfahrungen  gemacht  worden,  dals  Senat  und  Bürgerschaft 
beschlossen  haben,  noch  weitere  Schwimmhallen  einzurichten.  In  diesen 
Tagen  werde  man  auf  dieser  Bahn  noch  einen  Schritt  weiter  gehen,  denn 
es  soll  nun  auch  mit  dem  Schwimmunterricht  in  den  Mädchenschulen  be- 
gonnen werden.  Zurzeit  ist  der  Schwimmunterricht  in  36  Knabenschulen 
eingeführt  und  im  Durchschnitt  seien  91  Vo  der  am  Unterrichte  teil- 
genommenen Knaben  ausgebildet  worden.  Vierzehn  Schulen  bilden  ihre 
Schüler  in  Fluisbädem  aus,  die  Qbrigen  halten  den  Unterricht  in  den  Bade- 
anstalten ab.  Es  sind  für  angehende  Schwimmlehrer  Kurse  eingerichtet 
worden,  und  zurzeit  sind  so  viele  Lehrer  ausgebildet,  dals  allen 
Nachfragen  genügt  werden  kann.  Der  Schwimmunterricht  in  der  Schule 
mufs  naturgemäß  ein  ganz  anderer  sein,  wie  der  Unterricht,  der  von 
Fachlehrern  in  den  Badeanstalten  erteilt  wird,  denn  dort  handelt  es  sich 
um  Einzelunterricht,  in  der  Schule  ist  aber  in  Gruppen  oder  Klassen  zu 
unterrichten.     Es  ist  in  der  Schule  eine  andere  Methode  beim  Schwimm- 


329 

nnterricht  zu  befolgen.  In  Hamburg  sind  zwei  Parallelklassen  kombiniert. 
Ein  Viertel  der  Schüler  wird  Ton  einem  Schwimmlehrer  zum  Schwimm- 
unterricht geschickt  und  die  übrigen  gehen  mit  dem  Turnlehrer  zum 
Tarnen.  Die  im  Schwimmen  ausgebildeten  Schüler  treten  in  die  Turn- 
abteflnng  wieder  ein,  wohingegen  ein  Teil  der  turnenden  Schüler  in  den 
Schwimmunterricht  eintritt.  Die  meisten  Schwimmschüler  sind  in  fünfizehn 
Stnnden  ausgebOdet.  Der  Schwimmunterricht  beginnt  mit  Trockenübungen 
in  der  Turnhalle.  Diese  Übungen  werden  nicht  an  besonderen  Apparaten, 
sondern  auf  gewöhnlichen  Schwebeb&umen  gemacht,  damit  die  Knaben 
Ton  Yomherein  auf  eine  richtige  Körperhaltung  hin  erzogen  werden. 
(Herr  Turnlehrer  Mabx  liels  einige  Knaben  antreten,  die  durch  praktische 
Übnngen  diesen  Lehrgang  Torführten.)  Nachdem  nun  diese  Trocken- 
flbnngen  bis  zur  Bewuistlosigkeit  (Heiterkeit)  geübt  sind,  kommt  der 
Schüler  an  der  Schwimmleine  und  dann  mit  dem  Schwimmgürtel  in  flaches 
Wasser  und  später  unter  Benutzung  derselben  Hilfsmittel  in  tiefes  Wasser. 
Wenn  nun  die  Schüler  in  der  Brustlage  das  Bassin  in  der  L&nge  durch- 
schwimmen können,  haben  sie  die  Prüfung  bestanden.  Hieran  anschlieijsend 
folgt  eine  weitere  Ausbildung,  die  darauf  hinausgeht,  den  Schüler  in  der 
Aasflbung  der  Bettung  zu  befähigen.  Als  Vorbedingung  gehört  hierzu 
das  Wassertreten,  das  Rückenschwimmen  und  das  Tauchen.  Anschlielsend 
hieran  wird  der  gewöhnliche  Sprung  aus  dem  Stande  und  mit  Anlauf  ge- 
lehrt und  den  Schülern  der  Barrierensprung  beigebracht.  Alles  dieses 
sind  unerlftfsliche  Vorübungen,  die  den  Schüler  fähig  machen  sollen,  eine 
Rettung  ausführen  zu  können.  Diese  Methode  hat  grolsen  Anklang  ge- 
funden, sie  ist  aber  aufser  in  Hamburg  noch  nirgends  eingeführt  worden. 
Hauptsache  ist,  dals  der  Schwimmunterricht  nicht  vom  Fachlehrer,  sondern 
Tom  Schullehrer,  und  zwar  innerhalb  des  Schulunterrichts  erteilt  wird. 
Redner  schloß  seinen  Vortrag  mit  der  Ermahnung  an  die  aus  allen  Gauen 
Dentschlands  erschienenen  Delegierten,  doch  dahin  wirken  zu  wollen,  dafe 
überall  der  Schwimmunterricht  in  die  Schule  eingeführt  werde,  wodurch 
dem  Vaterlande  ein  groiser  Dienst  geleistet  werde,  denn  Schwimmen 
mache  die  Jugend  gesund,  stark  und  mutig. 

(„Äwnft.  Nachr.'',  1905,  26.  April.) 


illetttere  Jtitteilttttgett. 


Die  UnterernUrnng  yieler  Sehnlkinder  in  England  wurde  in 
der  Budgetberatung  unlftngst  zur  Sprache  gebracht  Wie  wir  der  „Fädag, 
Bef.^  (Nr.  19)  entnehmen,  erkl&rte  es  Dr.  Macnamaba,  ehemals  Leiter 
einer  Schule  im  ärmsten  Teile  yon  Bristol,  für  einen  grolsen  Zynismus, 
da(s  man  Unsummen  für  die  geistige  Ausbildung  der  Jugend  ausgebe  und 
dieselben  Kinder  vor  Hunger  umkommen  lasse.  Die  yon  ihm  geleitete 
Schnle  in  Bristol  wurde  yon  äOO  Knaben  der  arbeitenden  Klasse  besucht; 


830 

von  diesen  genossen  30  w&hrend  der  Mittagspause  überhaupt  nichts ;  etwa 
60  verzehrten  als  Mittagessen  ein  Stttckchen  Brot,  das  im  günstigen  Falle 
mit  Margarine  bestrichen  war.  Wenn  man  bedenke,  führ  Redner  fort, 
dafs  in  allen  grolsen  Städten  die  Verhältnisse  ähnlich  lägen,  besonders  im 
Winter,  wenn  die  Bauarbeiten  ruhen,  so  müsse  man  zugeben,  da(s  schon 
das  Staatsinteresse  ernste  Maisnahmen  gebiete.  Der  Staat  habe  die  Ver- 
pflichtung, dafür  zu  sorgen,  dafs  kein  Kind  Hunger  leide.  Wenn  die  Schuld 
bei  den  Eltern  liege,  so  müsse  diese  die  ganze  Härte  des  Gesetzes  treffen; 
wenn  aber  die  Eltern  wegen  Arbeitslosigkeit  oder  anderer  Umstände  nicht 
in  der  Lage  seien,  ihre  Kinder  genügend  zu  ernähren,  so  müsse  der  Staat 
die  Sorge  für  die  Kinder  übernehmen.  Es  müsse  die  Anschauung  zum 
Durchbruch  kommen,  dafs  in  der  Verpflegung  durch  den  Staat  nichts 
Ehrenrühriges  fQr  die  Eltern  liege,  deren  Rechte  auf  die  Kinder  davon 
auch  in  keiner  Weise  berührt  würden.  Dr.  Macnamara  verwies  auf  Paris, 
wo  die  Stadtverwaltung  es  bereits  seit  Jahren  übernommen  habe,  Mittag- 
essen für  Kinder  zu  liefern.  Dort  würden  den  Eltern  gratis  oder  gegen 
Bezahlung  Kupons  auf  Mittagessen  für  Kinder  verabreicht;  ein  Unterschied 
zwischen  den  Kupons  bestehe  natürlich  nicht. 

In  der  Debatte  hob  der  Regierungsvertreter  hervor,  dafs  die  Regierung 
nicht  in  das  Familienleben  eingreifen  dürfe  und  dafs  noch  mehr  Unter- 
suchungen über  den  Umfang  des  Notstandes  und  über  die  rationellste  Art 
der  Bekämpfung  desselben  angestellt  werden  müfsten.  Darauf  nahm  das 
Unterhaus  eine  Resolution  an,  durch  welche  die  Regierung  aufgefordert 
wird,  baldigst  Mittel  zur  Bekämpfung  der  Unterernährung  der  Schuljugend 
bereit  zu  stellen. 

Die  BescUfti^ng  von  Schulkindern  in  Mflnchen  im  Hanshalt 
nnd  in  der  Landwirtschaft.  Die  auf  Anregung  des  Reichstages  vom 
Reichskanzler  angeordnete,  am  15.  Nov.  1904  vollzogene  Erhebung  hat 
nach  einem  Bericht  der  ^Mündi.  N,  Nachr."  für  München  folgendes  er- 
geben: Es  kämen  in  dieser  Stadt  im  ganzen  46  Schulen  mit  1101  Klassen 
in  Betracht.  Die  Gesamteahl  der  Schüler  war  56426  (27227  Knaben 
und  29199  Mädchen).  Davon  waren  gegen  Lohn  beschäftigt  im  Haushalte 
340  Knaben  und  796  Mädchen,  in  der  Landwirtschaft  328  Knaben  und 
140  Mädchen,  mithin  im  ganzen  1694  Kinder  =  2,84%.  Bei  der 
Ausscheidung  nach  drei  Altersklassen  ergibt  sich,  dals  die  gröliste  Zahl  der 
beschäftigten  Kinder  auf  die  Altersstufe  von  10 — 12  Jahren  entfällt  (662), 
dann  auf  das  Alter  unter  10  Jahren  (521)  und  am  wenigsten  (421)  auf 
das  Alter  über  12  Jahre.  Schon  in  der  ersten  Klasse  (6 — 7jährige) 
wurden  30  Kinder  gegen  Lohn  beschäftigt.  An  5  Schulen  fanden  sich 
je  über  6  7o  lohnbeschäftigter  Kinder. 

Eine  Vergiftung  zahlreicher  Schnlmftdchen  durch  Eohlendnnst 
infolge  mangelhafter  Heiznngsvorrichtnngen  ereignete  sich  vor  kurzem 
in  Berlin  (54.  Mädchenschule,  Schlesische  Str.  4).  Am  ersten  Tage  nach 
den  Osterferien  hatte  der  Rektor  der  Schule  dem  Schuldiener  den  Auftrag 
gegeben,  die  Klassenzimmer  zu  heizen,  und  dieser  hatte  auch  die  im  Keller 
befindliche  Luftheizung,  die  mit  Koks  bedient  wird,  in  Tätigkeit  gesetzt. 
Nachdem  nun  morgens  um  7  Uhr  der  Unterricht  begonnen  hatte,  machte 
sich   in    den   Schulräumen    starker  Kohlendunst  bemerkbar,    dessen   Ein- 


331 

Wirkungen  anf  zahlreiche  Schülerinnen  und  mehrere  Lehrerinnen  so  heftig 
wurden,  dafs  der  Bektor,  der  sich  seihst  angegriffen  fQhlte,  um  T'A  Uhr 
den  Unterricht  schliefsen  and  die  Kinder  ins  Freie  hringen  lieis.  Als  die 
Kinder  in  die  Lnft  des  Treppenhauses  kamen,  sollen  sie,  wie  die  Tages- 
blätter melden,  ,,wie  die  Fliegen  hingefallen^  sein.  Viele  Mädchen  wurden 
ohnmächtig,  erholten  sich  aber  bald  im  Freien.  Der  Schularzt  Dr.  Gramm, 
der  von  der  nahen  Kettungswache  unterstützt  wurde,  bemühte  sich  um  die 
Kranken,  von  denen  sich  alle  bis  auf  zwei  im  Laufe  des  Tages  wieder 
erholten.  Über  die  Luftheizungsanlage  dieser  Schule  sollen  schon  mehrfach 
Beschwerden  erhoben  worden  sein. 

Über  die  von  der  prenfsischen  ünterriehtsverwaltiiiig  ange- 
ordnete hygienische  Untersuchung  der  hSheren  Lehranstalten  dnrch 
die  KreisSrzte  (diese  Zeiisckr.,  H.  5)  bringt  das  ,,Berl.  Tagehl"  einige 
durchaus  zutreffende  Bemerkungen,  denen  wir  folgendes  entnehmen:  Für 
die  Durchführung  dieser  an  und  für  sich  sehr  dankenswerten  MaCsregel 
ist  ein  Zeitraum  von  fünf  Jahren  vorgesehen.  Allerdings  eine  gehörig 
grofee  Zeitspanne,  und  mancher  Schulhygieniker  wird  über  dieses  langsame 
Zeitmafs  unwillig  die  Achseln  zucken.  Denn  wenn  man  bedenkt,  dafs  die 
wissenschaftliche  Durcharbeitung  des  grofsen,  in  den  kreisärztlichen  Berichten 
enthaltenen  Materials  wiederum  ein  tüchtiges  Stück  Arbeit  beanspruchen 
wird,  dafs  dann  weitere  Begutachtungen  durch  die  wissenschaftliche  Depu- 
tation, durch  Schultechniker  erforderlich  sein  werden,  bis  endlich  ein  greif- 
bares Ergebnis  in  Gestalt  von  neuen  hygienischen  Schuleinrichtungen  zu- 
stande kommt,  dann  kann  ein  Jahrzehnt  vergehen,  bis  hygienische  Reformen 
eingeführt  werden.  Allerdings  muls  man  aber  auch  bedenken,  dais  die 
wenigen  voll  besoldeten  Kreismedizinalbeamten  mit  der  Erledigung  ihrer 
laufenden  Berufsgeschäfte  schon  genug  zu  tun  haben,  um  noch  viel  Zeit 
auf  derartige  auiserordentiiche  Leistungen  aufwenden  zu  können.  Es  ist 
aber  der  Mangel  an  geeigneten  Arbeitskräften  auf  diesem  Gebiet,  der  die 
Langsamkeit  in  der  Durchführung  einer  vernünftigen  Mafsregel  bedingt. 
Die  Frage  ist  nur,  ob  es  sich  bei  einem  Jahresbudget  von  etwa  zwei 
Milliarden  nicht  ermöglichen  liefse,  eine  genügende  Anzahl  von  Arbeits- 
kräften einzustellen,  damit  diese  hygienische  Berichterstattung  rascher 
erfolgen  könnte.  Wie  nämlich  unter  den  obwaltenden  Umständen  die  An- 
gelegenheit sich  abspielen  wird,  kann  erst  die  nächste  Generation  in  den 
höhten  Lehranstalten  einen  wirklichen  Nutzen  von  dieser  Anordnung 
verspüren. 

Aber  noch  ein  anderer  Punkt  darf  nicht  aufser  acht  gelassen  werden. 
Wo  bleibt  die  hygienische  Untersuchung,  das  heifst  die 
methodische  Untersuchung 'der  Volksschulen  durch  die  Kreis- 
ärzte? Diese  Arbeit  wäre  unseres  Dafürhaltens  zu  allererst  vorzunehmen, 
denn  die  hygienischen  MiCsstände  in  unseren  Volksschulen  sind  ungleich 
schlimmer  als  in  den  höheren  Lehranstalten,  und  auiserdem  sind  die  Nach- 
wirkungen anf  die  Volksschüler  aus  leicht  begreiflichen  Ursachen  viel  nach- 
haltiger, als  es  die  hygienischen  Mängel  in  den  höheren  Lehranstalten 
anf  die  dortigen  Schüler  sein  können.  Deshalb  wäre  es  besser  am  Platze 
gewesen,  diese  schulhygienische  Untersuchung  durch  die  Kreisärzte  bei  den 
Volksschulen  zuerst  eintreten  zu  lassen,  um  schlielslich  das  Werk  mit  der 


332 

Darchmnstening  der  hygienischen  Znstftnde  in  den  üniyersitätsanditorien 
zu  krönen.  Denn  anch  in  unseren  Hochscholsftlen  ist  es  mit  der  Hygiene 
zumeist  recht  schlimm  bestellt. 

Über  die  gemeinsame  Erzleknng  beider  Oeschleehter  referierte 
an  der  14.  Hanptyersammlung  des  „Vereins  der  Freunde  HEBBARXscher 
Pädagogik''  am  24.  und  26.  April  d.  J.  in  Erfurt  Direktor  TBÜPEB-Jena. 
Nach  einem  Berichte  des  ^Berl.  TagehL*^  gipfelte  das  Referat  in  folgenden 
Leitsätzen:  1.  Die  Vereinigung  der  beiden  Geschlechter  in  aUen  unseren 
Schulen  ist  natürlich  und  praktisch,  da  sie  dem  Bau  und  Wesen  der  Familie 
und  Gesellschaft  folgt.  2.  Die  Vereinigung  ist  unparteiisch,  billig  und 
gerecht,  da  sie  dem  einen  Geschlecht  dieselbe  Bildungsmöglichkeit  gewährt 
wie  dem  anderen.  3.  Die  Vereinigung  ist  sparsam  und  finanzwirtschaftlich 
am  zweckmäßigsten,  weil  die  fOr  unsere  Schulen  bestimmten  Gelder  so 
am  nutzbringendsten  verwendet  werden  können.  4.  Die  Vereinigung  wirkt 
Torteilhaft  auf  die  Entwicklung  von  Geist,  Moral  und  Gewohnheiten  der 
Zöglinge.  5.  Die  Vereinigung  erleichtert  sowohl  den  Eltern  wie  den 
Leitern  und  Lehrern  der  Schulen  die  Erziehungsaufgaben  und  beeinfiulst 
das  Familienleben  wie  das  Schulleben  und  den  Unterricht  in  gaostigem 
Sinne. 

Zur  Kontrolle  fiber  die  in  den  Sehnlen  verabfolgte  Mileb.  Nach 
einer  Mitteilung  des  r,Qtneralan0,  für  Hämburg-Altona^  vnirde  unlängst 
im  West-Eimsbütteler  Mrgerverein  (Hamburg)  eine  längere  Debatte  geführt 
über  die  Beschaffenheit  der  in  den  dortigen  Schulen  an  die  Kinder  verab- 
folgten Getränke,  insbesondere  der  Milch.  Es  war  von  verschiedenen 
Seiten  darauf  hingewiesen  worden,  daüs  in  einigen  Schulen  den  Kindern 
wiederholt  verdorbene  Milch  verkauft  worden  sei,  nach  deren  Genuis  sogar 
Erkrankungen  erfolgt  seien.  Von  einem  Kedner  wurde  ausdrflcklich  betont, 
dab  die  geschäftsmälsige  Pantscherei  mit  der  Milch  ein  öffentliches  Ge- 
heimnis sei.  Die  zur  Sprache  gebrachten  Einzelheiten  erregten  gerechtes 
Aufsehen,  und  es  wurde  vom  Verein  einstimmig  beschlossen,  die  Angelegenheit 
in  einer  Eingabe  der  MedizinalbehOrde  zu  unterbreiten  und  die  Ein- 
ftthrung  einer  Kontrolle  über  die  in  den  Schulen  verabfolgte 
Milch,  sowie  der  übrigen  Getränke  zu  beantragen. 

Ein  eigenes  Heim  snm  Sehntze  der  Kinder  vor  Ansnntnng 
nnd  MiCshandlang  hat  der  Berliner  Verein,  der  sich  diese  Aufgabe  ge- 
stellt hat,  wie  aus  seinem  letzten  Jahresberichte  ersichtlich  ist,  erhalten. 
Die  Herren  James  Simon  und  Franz  y.  Mendelssohn  erbauten  dem 
Verein  ein  Heim  für  70  Kinder,  das  bereits  im  Oktober  bezogen  werden 
soll.  Beim  Verein  wurden  im  Berichtfijjahre  182  neue  Fälle  mit  332 
Kindern  gemeldet,  zumeist  Kinder  von  Arbeitern  und  Handwerkern.  In 
26  Fällen  waren  die  Kinder  unehelich.  Die  Ursachen  der  Anzeigen  waren 
MUshandlung  (68),  Ausnutzung  (20),  sittliche  Verkommenheit  (5),  Ver- 
ni^ässigung  infolge  von  Armut  und  Krankheit  (19),  Verwahriosung  (60). 
Mit  76  Pflegekindern  ist  das  Jahr  begonnen,  mit  113  beschlossen,  97 
davon  sind  in  das  neue  Vereinsjahr  übernommen,  sie  wurden  zumeist  in 
Privat-  oder  Anstaltspflege  genommen.  Vom  Etat  1906  in  Höhe  von 
19200  Mark  sind  für  Pflegegelder,  Schulgeld,  Arzt  und  Apotheker 
12000  Mark  ausgeworfen  worden. 


333 

Die  kygieiiiselieii  Anfordeniiigeii  an  den  Drnek  der  Jngend- 
aekriften.  In  einem  Aufsatz  Ober  diesen  Gegenstand  in  der  „Jugend- 
schrifien-Warte^  (Nr.  5)  von  Hbbm.  GBAüPNEB-Dresden  führt  der  Autor 
n.  a.  folgendes  ans :  „Der  Dresdner  Prflfongsansschnfs  hat  im  Verein  mit 
dem  Jagendschriftenansschnis  des  Dresdner  Anzeigers  im  vergangenen 
Dezember  in  dankenswerter  Weise  eine  Ausstellung  der  im  Weihnachts- 
Terzeichnis  1904  empfohlenen  Bflcher  veranstaltet.  Ich  habe  dort  221 
Schriften  auf  ihren  Druck  geprüft.  Als  Malsstab  habe  ich  fQr  alle  das 
Minimum  von  1,5  mm  Druckhöhe  und  2,5  mm  Durchschuts  gewählt.  Un- 
gefi&hr  25  %  aller  Schriften  genügten  den  genannten  Anforderungen  nicht. 
Von  den  Büchern,  welche  für  das  13.  Lebensjahr  und  darüber  bestimmt 
waren,  wiesen  33  %  schlechten  Druck  auf.  Ganz  besonderes  Interesse 
schenkte  ich  den  billigen  Ausgaben.  Von  ihnen  waren  40%  ungenügend 
gedruckt.  Aber  dieser  hohen  Zahl  standen  ebensoviele  gegenüber,  die  in 
dieser  Hinsicht  als  „sehr  gut**  bezeichnet  werden  mulsten,  da  sie  zum 
Teil  weit  über  das  hygienische  Mindestmafs  hinausgingen.  Bedenkt  man 
nun,  dals  diese  gut  gedruckten  Bücher  auch  mit  den  schlechten  in  Wett- 
bewerb treten  müssen,  so  haben  wir  durchaus  keine  Veranlassung,  etwa  bei 
den  „billigen  Ausgaben^,  die  minderwertigen  Drucke  zu  dulden.  Oft  liegen 
von  denselben  Verfassern  und  Verlagsanstalten  sehr  gute  und  ungenügende 
Dncke  nebeneinander  vor.  Diese  Tatsache  ist  es  auch,  welche  mich  ab- 
gebalten hat,  hier  einzelne  Werke  namhaft  zu  machen.  Ich  glaubte  aus 
ihr  zu  erkennen,  dais  die  beteiligten  Kreise  nicht  aus  Gesch&ftsrücksichten 
die  minderwertigen  Drucke  der  öffentlickeit  übergeben  haben,  sondern  weil 
ihnen  die  typographischen  Anforderungen  der  heutigen  Schulhygiene  nicht 
gel&ufig  waren.  Ein  Hinweis  auf  die  bestehenden  Normen  wird  in  den 
meisten  Füllen  genügen,  daüs  sie  bei  Neuerscheinungen  und  neuen  Auflagen 
berücksichtigt  werden,  zumal,  wenn  die  Jugendschriftenausschüsse  bei  der 
Beurteilung  den  Druck  einer  Prüfung  nach  den  angegebenen  Grundsätzen 
unterziehen  und  das  Ergebnis  mit  veröffentlichen.  Von  1906  oder  1907 
an  aber  würe  bei  neuen  Werken  und  neuen  Auflagen  von  einer 
Empfehlung  dann  abzusehen,  wenn  gegen  den  Druck  hygieni- 
sche Bedenken  erhoben  werden  müssen.  Der  gröMe  Teil  der 
Verlagsanstalten,  die  jetzt  schon  gut  gedruckte  Bücher  auf  den  Markt 
bringen,  wird  den  Jugendschriftenausschüssen  dankbar  sein,  wenn  ihnen 
der  Wettbewerb  erleichtert  wird  durch  eine  entsprechende  Würdigung  der 
Snberen  Ausstattung  ihrer  Bücher.  Eine  Jugendschrift,  welche  keines  ein- 
wandfreien Druckes  wert  ist,  sollte  überhaupt  nicht  gedruckt  werden.  Und 
sollten  sich  manche  Schriften  um  wenige  Pfennige  verteuern,  so  fällt  das 
nicht  ins  Gewicht  gegenüber  dem  gesundheitlichen  Vorteil  und  dem  er- 
höhten Genuis  beim  Lesen. 

Vernaehlksaisiiiig  der  Jngendapiele  dureh  Utere  Mädchen. 
Dem  ^Bericht  der  ZenircUschtdpflege*^  für  die  Stadt  Zürich  über  die  Jugend- 
spiele entnehmen  wir  die  vom  Standpunkt  der  Gresundheitspflege  der  weib- 
lichen Jugend  bedauernswerte  Erscheinung,  dafe  die  Beteiligung  der  Mädchen 
in  den  oberen  Schulklassen  neuerdings  erheblich  abgenommen  hat.  Sie 
wird  wohl  demnächst  ganz  auf  den  Nullpunkt  sinken.  Neben  der  ver- 
mehrten Inanspruchnahme  durch  hftusliche  Betätigung,  Privatstunden  usw. 


334 

mag  der  Hauptgrund  dieser  nnerfrenlichen  Tatsache  darin  liegen,  dafe  die 
Spiele  für  die  Mädchen,  nachdem  sie  bereits  in  der  lY. — ^VI.  Klasse  sich 
daran  beteiligt  haben,  den  Beiz  der  Neuheit  eingebflüst  haben,  nnd  dais 
dadurch  das  Vorurteil  begtLnstigt  wird,  es  seien  die  Spiele  fOr  kleinere 
SchtQerinnen  wohl  ein  passender  Zeitvertreib,  ftJtere  Mädchen  seien  ihnen 
aber  nachgerade  denn  doch  entwachsen  und  hätten  dies  auch  durch  allge- 
meines Fembleiben  deutlich  zu  markieren.  Diese  von  Schfllerinnen  und 
wohl  auch  von  kurzsichtigen  Eltern  gehegte  Anschauung  über  Wert  and 
Bedeutung  des  gesunden  Sportes  in  Irischer  Luft  ist  aber  ganz  falsch. 
Gerade  den  älteren  SchtQerinnen,  die  ohnehin  mehr  und  mehr  einer  ein- 
seitigen sitzenden  Lebensweise  verfallen,  täte  fröhliche  Bewegung  im  Freien 
doppelt  not.  Auch  sind  es  wieder  andere  Spiele,  die  auf  dieser  Stufe 
zur  Verwendung  kommen.  Kichtige  und  eindringliche  Belehrung  durch  die 
Klassenlehrer  sollte  dieser  Erkenntnis  doch  wohl  einige  Bahn  zu  brechen 
vermögen.  Aus  der  IV. — VL  Klasse  beteiligten  sich  1358  Mädchen  oder 
35,9  Vo,  so  dafs  die  Verhältnisse  hier  wesentlich  besser  liegen  als  bei  den 
oberen  Klassen  mit  nur  3^/o! 

Die  Zentralschulpflege  hat  den  Schulvorstand  eingeladen,  in  den 
Frtthlingsferien  einen  etwa  drei  halbe  Tage  umfassenden  Instruktions- 
kurs fQr  Spielleiter,  hauptsächlich  zur  Einübung  von  Spielen  der  II.  Stufe 
zu  veranstalten. 

Benutzung  der  Schnlhans-Branse-BSder  in  Nfliuberg.  Im  Jahre 
1904  sind  in  den  19  städtischen  Schulbrausebädem  an  1587  Badetagen 
von  491  Volksschulklassen  mit  25765  Schulkindern  (12644  Knaben, 
13121  Mädchen)  im  ganzen  351573  Bäder  genommen  worden  und  treffen 
auf  einen  Badetag  durchschnittlich  222  Bäder.  Gegenüber  der  Benutzung 
im  Jahre  1903  ergibt  sich  eine  Mehrung  von  3  neueingerichteten  Schul- 
brausebädem (welche  im  November  bezw.  Dezember  1904  in  Betrieb 
gesetzt  wurden),  15Vs  Badetagen,  72  Schulklassen  mit  3447  Kindern 
(1980  Knaben,  1467  Mädchen),  7884  Bädern  und  durchschnitüich  3  Bädern 
an  einem  Badetage.  Jedes  Kind  konnte  wöchentlich  einmal  baden.  Eine 
teilweise  Einstellung  des  Badens  erfolgte  ün  Januar  1904  wegen  grolser  Kälte. 

Zar  Hy^ene  der  SehnlkSuser  in  den  Vereinigten  Staaten. 
Die  Bestrebungen  der  schulfreundlichen  Kreise  in  den  Vereinigten  Staaten 
illustriert  durch  nachstehende  Verordnung  betreffend  die  Heizung,  Beleuch- 
tung und  Lüftung  von  öffentlichen  Schulgebäuden,  die  vom  Komitee  fOr 
Schulgesetzgebung  (bestehend  aus  je  einem  Mitgliede  jedes  Staates  und  Terri- 
toriums der  Vereinigten  Staaten)  aufgestellt  und  vom  Departement  fOr 
Schulverwaltung  der  National  Educational  Association  zur  Beschlufsfassung 
unterbreitet  worden  ist.     Dieselbe  lautet: 

Verordnung,  enthaltend  Vorschriften  über  Heizung,  Beleuchtung  und 
Lüftung  von  öffentlichen  Schulgebäuden,  und  Strafen  bei  Übertretungen 
derselben: 

§  1.  Es  wird  durch  das  Volk  des  Staates  als  Gesetz  erklärt  .... 
Es  soll  von  jetzt  an  als  gesetzwidrig  gelten,  für  die  Errichtung  eines 
öffentlichen  Schulgebäudes  einen  Vertrag  abzuschlielsen  oder  ein  Schal- 
gebäude, beziehungsweise  ein  anderes  Gebäude,  welches  später  lär  Schul- 
zwecke verwendet  werden  soll,  zu  bauen,  wenn  dieses  Gebäude  hinsichtlich 


335 

seiDer  Belenchtang,    Heizung    und  Lüftung  mit   den  Bestimmungen  dieser 
Verordnung  nicht  in  yoller  Übereinstimmung  steht. 

§  2.  Alle  kttnftighin  erbauten  Schulgebäude  oder  Gebäude,  welche 
später  fOr  Schulzwecke  umgestaltet  werden  sollen,  müssen  die  Beleuchtung 
durch  Fenster  erhalten,  welche  in  einer  rückwärtigen  oder  seitlichen  Mauer 
eines  Klassen-  oder  Lehrzimmers  angebracht  sind  und  deren  Glasfläche 
nicht  weniger  als  V&  der  Bodenfläche  des  betreffenden  Raumes  beträgt, 
dDe  Pulte  und  Sitze  sollen  so  angeordnet  sein,  da(s  die  Fenster  links  oder 
rückwärts  der  Schüler  sind. 

§  3.  Alle  Klassen-  und  Lehrzinuner  sollen  nicht  weniger  als  15 
Qnadratfuls  (=  1,4  m')  Bodenfläche  und  nicht  weniger  als  180  Kubikfufs 
(=  5,04  m')  Luftraum  per  Schüler  aufweisen. 

§  4.  Alle  öffentlichen  Schulhäuser  oder  Schulgebäude  mit  mehr  als 
drei  Räumen,  sowie  jedes  von  nun  ab  erbaute  oder  für  Schulzwecke  umge- 
baute Gebäude  soll  ausgestattet  sein:  mit  solchen  Heiznngs-  und  Lüftungs- 
einrichtungen, welche  es  ermöglichen  a)  die  warme  Luft,  wenn  erforderlich, 
mit  Leichtigkeit  in  jedes  Klassen-  oder  Lehrzimmer  in  einer  Höhe  von 
wenigstens  8  Fufs  (=  2,4  m)  über  dem  Fufeboden  einzuführen,  b)  die  ver- 
dorbene Luft  im  Fufsbodenniveau  fortzuschaffen.  Diese  Einrichtungen  sollen 
so  getroffen  sein,  dafs  die  erforderliche  Temperatur  von  70®  F  (=20^0) 
in  jedem  Räume  auch  bei  kältestem  Wetter  erreicht  wird,  und  der  Luft- 
wechsel in  jedem  Räume,  bestimmt  durch  kombinierte  Durchschnitts- 
messungen bei  den  Eintritts-  und  Austrittsöffhungen,  wenigstens  ein  acht- 
maliger pro  Stunde  ist,  ohne  dafs  hierbei  die  Temperatur  herabginge  oder 
ein  merkbarer  Zug  in  oder  unterhalb  der  Höhe  der  Brustlinie  entsteht. 

§  5.  Alle  Klosetts  und  Pissoirs  müssen  so  hergestellt  sein,  dafs  eine 
absolute  Trennung  der  sie  benützenden  Schüler  vorhanden  ist.  Sie  müssen 
femer  mit  Abzugsöffiiungen  versehen  sein,  die  derart  angebracht  sind,  dafs 
alle  schlechten  Gase  unterhalb    des  Brustlinien-Niveaus   abgeführt  werden. 

§  6.  Jeder  Vertrag  für  den  Bau  oder  Umbau  irgend  eines  Schul- 
gebäudes, welcher  diesen  hier  festgesetzten  Bedingungen  nicht  entspricht, 
soll  ungültig  sein;  und  jeder  Schulvorstand  sowie  jeder  Unternehmer, 
welcher  die  Bestimmungen  und  Bedingungen  dieser  Verordnung  verletzt, 
indem  er  einen  auf  die  Errichtung  respektive  Umwandlung  eines  Schol- 
hanses  oder  Schulgebäudes  Bezug  habenden  Vertrag  abschlielst  oder  an- 
nimmt, der  nicht  in  Übereinstimmung  mit  dieser  Verordnung  steht,  soll 
eines  Vergehens  für  schuldig  erkannt  werden  und  einer  Strafe  von  nicht 
weniger  als  200  Dollar  (=  1000  Kr.)  und  nicht  mehr  als  1000  DoUar 
(=  6000  Kr.)  für  jeden  Fall  unterliegen. 

K.  K.  Baurat  Ing.  A.  G.  STSADAL-Wien. 


336 


Sagesgefditditlidief. 


Foli^ende  Spielkurse  fflr  Lehrer  und  Lekrerinnen  —  au&er 
den  im  fOnfteo  Heft  dieser  Zeitschrift  genannten  —  finden  nach  einer  Zn- 
sammenstellnng  von  Prof.  K.  RAYDT-Leipzig  im  Jahre  1905  noch  statt: 
A.  für  Lehrer:  a)  Bisnuuxkhtttte  (Oberschlesien),   25.  April  bis  1.  Mai 
and  2.  bis  8.  Okt.,  Spielinspektor  Münzeb;  b)  Ratibor  15.  bis  20.  Mai, 
Derselbe;    c)  Oppeln,  28.  Mai  bis  3.  Jnni,  Derselbe;   d)  Bybnik, 
13.  bis  19.  Jnni,  Derselbe;  e)  Gleiwitz,  26.  Juni  bis  1.  Jnli,  Der- 
selbe; 1)  Tamowitz,  24.  bis  30.  Jnli,  Derselbe;  g)  Beneschaa,  7.  bis 
17.  Aug.,  Derselbe;    h)  Neustadt  (Oberschlesien),  4.  bis  9.  Septbr., 
Derselbe;  i)  Greifswald  i.  Pr.,  24.  bis  29.  Jnli,  Universitätstamlehrer 
Dr.  H.  Wetlitz,  Oberlehrer  Dr.  Medkb,  Gymnas.-Tomlehrer  A.  Schmoll  ; 
k)  Königsberg  i.  Pr.,  1.  bis  8.  Aug.;  1)  PleCs  (Oberschlesien)  13.  bis 
19.  Juni  Lehrer  Steueb;   m)  Stolp  i.  Pomm.,  15.  bis  22.  Jnni  Dr. 
0.  Pbeüssneb. 
6.  fOr  Lehrerinnen:  a)  Bismarckhütte,  25.  April  bis  1.  Mai  und  2.  bis 
8.  Okt.,  Spielinspektor  Münzeb;  b)  Ratibor,  15.  bis  20.  Mai,  Der- 
selbe; c)  Oppeln,  28.  Mai  bis  3.  Juni,  Derselbe;  d)  Rybnik,  13.  bis 
19.  Jnni,  Derselbe;    e)  Gleiwitz,   26.  Juni  bis  1.  Juli,  Derselbe; 
f)  Königsberg  i.  Pr.  1.  bis  8.  Aug.;    g)  Liegnitz,    13.  bis  17.  Juni, 
Gymnasialtumlehrer  M.  Gebste. 

Die  Jugendspiele  zu  Mfihlhaasen  sollen,  wie  wir  dem  „Mahlh. 
Tagebl.**  entnehmen,  auch  im  kommenden  Sommer  wieder  gepflegt  werden. 
Zum  Besuche  der  Spiele  werden  die  Kinder  der  V.  bis  11.  Klassen  zuge- 
lassen. Die  Kinder  der  I.  (obersten)  Klassen  sind  durch  häusliche  Arbeiten 
meist  am  regehn&fsigen  Spielbesuche  verhindert,  dflrfen  aber  auch  aus- 
nahmsweise mitspielen.  Die  Spielzeit  ist  Ton  3  bis  5  ühr  nachmittags 
festgesetzt.  An  heifsen  Tagen  werden  die  Kinder  zum  Baden  in  das 
Yolksbad  bezw.  in  das  neue  Frauenbad  geführt.  In  der  Spielpause  er- 
halte die  Kinder  Brot.  Auf  allen  Spielplätzen  ist  gutes  Trinkwasser. 
Die  Eltern  werden  hiermit  ersucht,  ihre  Kinder  in  der  ersten  Schulwoche 
zu  den  Jugendspielen  anzumelden;  aber  auch  dieselben  zum  fleilsigen  Spiel- 
besuch anhalten  zu  wollen.  Im  Jahre  1903  besuchten  9118  Kinder  und 
im  Jahre  1904  —  40  628  Kinder  die  Spiele.  Die  Ausgaben  beliefen  sich 
auf  3153,72  Mark  bezw.  12042,39  Mark. 

Der  franxSsiseke  Kongrefs  Ar  Schnlbygiene  hat  seine  zweite 
Versammlung  in  diesem  Jahre  in  Paris  zur  Pfingstzeit  abgehalten.  Das 
Programm  der  Versammlung  war  folgendes:  1.  Die  ärztliche  Beaufeichtigung 
der  Elementarschulen.  2.  Die  Familienerziehung  und  die  Schulhygiene. 
3.  Schulferien  und  Feiertage.  4.  Tuberkulose  und  Lehrer.  5.  Die  Über- 
bflrdung  in  den  Schulplänen.  6.  Eingaben  zur  Einfahrung  von  geräumigen 
Schulgebäuden.  —  Die  Professoren  Debove,  Gbancheb,  Landouzy 
und  PiNABD  waren  Ehrenpräsidenten  des  Kongresses. 


337 

Eifle  DnrchlSchernng  des  Kindersekntzgesetzes  erstrebt,  wie  die 
„Pädag.  Bef,^  (Nr.  16)  mitteilt,  der  Verband  s&cbsischer  Bftckerinnnngen 
„Sazonia*'  zu  Dresden.  In  einer  Petition  an  den  Reichstag  fordert  er  eine 
Änderung  der  gesetzlichen  Bestimmangen,  die  es  zulassen  wttrde,  dafs  ältere 
Kinder  im  Bäckergewerbe  vor  dem  Vormittagsunterricht  wieder  zwei 
Standen  beschäftigt  werden.  Als  Symptom  eines  starken  Erwerbsinnes, 
Terbmiden  mit  schwach  entwickeltem  sozialem  Bewnfstsein,  beachtenswert. 

Alkokolmerkblatt  fBr  Seknlen.  Der  Deutsche  Verein  abstinenter 
Lehrerinnen  hat  als  Mittel  znr  Bekämpfung  des  Alkoholismns  ein  Alkohol- 
merkblatt abgefafst  nnd  an  die  Magistrate  von  300  deutschen  Städten  die 
Bitte  gerichtet,  dieses  Merkblatt  bei  allen  Neneinschnlnngen  in  höheren, 
mittleren  nnd  Volksschulen  zu  Ostern  bezw.  Michaelis  den  Müttern  fOr 
das  Haus  mitzugeben.  Bestellungen  auf  das  Merkblatt  sind  zu  richten  an 
E.  RÖHN,  Berlin,  N.  54,  Lotbringerstr.  112. 

(Münck.  med.  Woehmschr.,  Nr.  16.) 

Dr.  Hyaeintk  Knborii  in  Lfittieh,  Präsident  der  von  ihm  begrfln- 
deten  „Soci^t^  Royale  de  M^didne  publique  et  de  Topographie  m^dicale*' 
in  Brüssel  feiert  in  Bälde  sein  50 jähriges  Doktoijubiläum,  da  er  am 
11.  September  1855  zum  Doktor  der  Medizin,  Chirurgie  und  Geburtshilfe 
promoviert  worden  ist.  Wir  wUnschen  dem  verehrten  Jubilar,  dessen  Ver- 
dienste auch  um  die  Schulhygiene  allgemein  bekannt  sind,  aus  voUem 
Herzen  das  beste  zu  seinem  Jubeltage. 

Oemeiiisamer  Unterricht  von  Kiaben  und  MSdchen  in  den 
hSheren  Seknlen.  Wie  die  y^Pädag.  Bef^  (Nr.  17)  mitteilt,  haben  in 
Frankfurt  a.  M.  zahlreiche  Bflrger  und  Bflrgerinnen  in  ihrer  Eigenschaft 
als  Eltern  und  Erzieher  eine  Petition  eingereicht,  in  der  das  Ministerium 
ersucht  wird,  eine  Verfolgung  zu  erlassen,  nach  welcher  es  den  Direktoren 
der  höheren  Knabenschulen  gestattet  ist,  Mädchen  in  ihre  Anstalten  auf- 
zunehmen. In  der  Begründung  wird  angegeben,  dafs  die  bestehenden 
Privatinstitute  zu  zeitraubend,  teuer  und  unsicher  seien,  der  Unterricht  in 
ungesunden  Bäumen,  zu  ungünstiger  Zeit  nur  von  Lehrern  im  Nebenamt 
erteOt  wird.  Durch  Zusammenarbeiten  mit  den  Knaben  würde  gegen- 
seitiges Verstehen,  gegenseitige  Wertschätzung  und  gesundes  Selbstbewufst- 
aein  geweckt.  GegenteUige  Meinungen  werden  durch  die  günstigen  Er- 
fahrungen,  die  man  in  Amerika,  Finland,  Baden  und  Württemberg,  und 
Oberall  in  den  ländlichen  Volksschulen  gemacht  hat,  widerlegt.  Da  der 
Magistrat  in  Frankfttrt  a.  M.  grundsätzlich  mit  dem  Eintritt  von  Mädchen 
in  die  Knabenschulen  einverstanden  ist,  die  Rektoren  der  in  Frage 
kommenden  Schulen  sich  bereit  erklärt  haben,  Mädchen  in  ihre  Schulen 
aufzunehmen,  dürfte  die  Bitte  der  Frankfurter  Erfüllung  finden.  —  Auch 
in  Darmstadt  haben  mehrere  Eltern  um  Aufnahme  ihrer  Töchter  in  das 
dortige  Realgymnasium  ersucht.  Dire  Bitte  wurde  von  der  Regierung  ge- 
nehmigt unter  der  Bedingung,  dafs  sich  die  Mädchen,  die  im  Alter  von 
14  bis  16  Jahren  stehen,  einer  Anhiahmeprüfnng  für  Obertertia  unter- 
ziehen. 

Die  Waldseknle  in  Ckarlottenbnrg  ist,  wie  wir  den  Tagesblättem 
entnehmen,  in  diesem  Jahre  mit  dem  1.  Mai  eröffiiet  worden.  Von  den 
Schulärzten  sind   etwa  300  Kinder  zum  Besuche  dieser  Schule  aus  ge- 


338 

sondheitlichen  Rücksichten  vorgeschlagen  worden,  jedoch  können  nor  etwa 
zwei  Drittel  derselben  die  Wohltat  dieser  Schiüe  geniefsen.  Die  not- 
wendigen Beparatnrarbeiten,  die  hanptsilchlieh  dorch  die  Unbill  der  Witte- 
rung entstanden  sind,  sowie  einige  kleinere  Verbesserungen  der  Gresamt- 
anlage  wnrden  vorher  fertiggestellt. 

Ein  Schnkimnier  fiber  einem  Stall  existiert  in  Weilbach.  Der 
Hanptlehrer  Landsrath  daselbst  hatte,  wie  das  „  Wieshad.  Tagebl.^  mit- 
teiltj  in  einem  zu  seiner  Dienstwohnung  gehörenden  Raum,  der  unter  dem 
Zimmer  der  Mftdchenklasse  liegt,  Vieh  untergebracht.  Im  Juni  1904  gab 
die  Polizeiverwaltnng  ihm  auf,  das  Vieh  aus  jenem  Räume  zu  entfernen 
und  ihn  grfindlich  zu  s&ubern.  Zur  Begründung  wurde  ausgef&hrt,  dab 
die  aus  dem  Räume  aufsteigenden  Dünste  für  Lehrerinnen  und  Schülerinnen 
gesundheitsschädlich  seien.  Vor  ErlaCs  dieser  Verfügung  war  eine  Be- 
schwerde der  Lehrerinnen  bei  der  Polizeiverwaltung  eingegangen,  worauf 
sie  den  Eommunalarzt  um  eine  gutachtliche  ÄuCsemng  ersuchten.  Sie  er- 
ging dahin,  dafs  es  sich  nicht  empfehle,  den  Raum  als  Stall  zu  benatzen. 
In  ihm  sich  erzeugende  Gerüche  verbreiteten  sich  durch  seine  nur  aus 
Lehm  bestehende  Decke  und  durch  die  Fenster  in  das  Klassenzimmer. 
Lanbbeath  erhob  gegen  die  polizeiliche  Verfügung  Beschwerde.  Er 
machte  geltend,  daüs  seit  jeher  der  Raum  als  Stall  benutzt  worden  sei; 
anderswo  wiesen  Schulhftnser  ähnliche  Einrichtungen  auf;  er  halte  übrigens 
in  dem  Räume  nur  eine  Ziege  und  etwa  ein  Dutzend  Hühner.  Der 
Ijandrat  wies  die  Beschwerde  ab.  Als  sich  auf  die  weitere  Beschwerde 
der  Regierungspräsident  zu  Wiesbaden  in  der  gleichen  Richtung  schlüssig 
machte,  focht  Landsrath  dessen  Bescheid  mit  der  Klage  an.  Gegenüber 
dem  Einwände  des  Klägers,  dafs  der  frühere  Lehrer  denselben  Raum  als 
Schweinestall  benutzt  habe,  führte  der  Regierungspräsident  in  der  Klage- 
vertretung aus,  dals  es  den  jetzigen  hygienischen  Grundsätzen  nicht  ent- 
spreche, wenn  in  einem  Räume  unter  der  Schulstube  Vieh  gehalten  werde. 
Der  erste  Senat  des  Oberverwaltungsgerichts  hat  auch  am  18.  April  1905 
die  Klage  zurückgewiesen. 

Der  nnentgeltliehe  Sehwimmnntemcht  in  Gera  soll  eine  Er- 
weiterung erfahren  insofern,  als  nach  einem  Bericht  des  „Geraisch.  Tctgehl.^ 
der  vorbereitende  Trockenschwimmunterricht  in  diesem  Jahre  auch  den 
Mädchen  erteilt  werden  und  von  Ostern  bis  Pfingsten  stattfinden  soll. 
Mit  dem  Wasserschwimmunterricht  in  den  Badeanstalten  soll  sofort  nach 
Pfingsten  begonnen  werden.  Die  beim  Baden  und  Schwimmen  im  kühlen 
Wasser  zu  befolgenden  Gesundheitsregeln  sollen  nicht  blois,  wie  seither, 
mündlich  mitgeteilt  und  erläutert,  sondern  auch  gedruckt  den  Kindern  in 
die  Hand  gegeben  werden.  Die  abschliefsende  öffentliche  Vorführung  wird 
für  die  Schwimmschüler  am  20.  Aug.,  für  die  Schülerinnen  am  27.  Aug. 
stattfinden.  Für  die  Dauerschwimmprüfung  soll  blofs  noch  ein  10  Minuten 
langes  Brustschwimmen  verlangt  werden. 

Der  Verein  abstinenter  Lehrer  in  Bern,  vor  einem  Jahre  ge- 
gründet, zählt  heute  schon  114  Mitglieder  und  entwickelt  eine  rege  Tätig- 
keit. Im  Dezember  wurden  sämtliche  Schulkommissionen  des  Kantons 
gebeten,  den  Kampf  der  Schule  gegen  den  Alkohol  durch  Veranstaltung 
von  Vorträgen,  zu  denen  der  Verein  die  Referenten  stellt,  zu  unterstützen. 


339 

Wie  die  j^Zürch.  Äbstin.'Bl.^  melden,  haben  bereits  40  Schnlkommissionen 
zustimmend  geantwortet,  andere  werden  noch  folgen,  and  so  entwickelte 
sich  diesen  Winter  landauf  nnd  -ab  eine  rege  Propaganda,  die  überall  in 
der  Forderung  gipfelte:  Kindern  keinen  Alkohol!  Der  Verein  bereitet 
ein  Lehrmittel  fdr  die  Schaler  vor,  ebenso  die  Herausgabe  graphischer 
Tabellen  zur  Untersttttzung  des  anti-alkoholischen  Unterrichts. 


^nttlit^e  tterfdgnngen. 


Die  fimehtuog,  die  Erkaltung  und  der  Besnek  der  Sffentlichen 

Volksschnleii. 

Gesetz  vom  25.  Dezember  1904, 

L.  G.  u.  V.  Bl.  Nr.  98, 

wirksam  für  das  Erzherzogtum  Österreich  unter  der  Enns. 

Beschaffenheit  der  Schulhäuser  und  deren  Einrichtung. 

§  15.  Das  Schulhaus  soll  womöglich  in  der  Mitte  des  Schulsprengels, 
trocken  gelegen  und  so  beschaffen  sein,  dab  weder  die  Gesundheit  der 
SchtÜer  gefthrdet  noch  die  Buhe  während  des  Unterrichtes  gestört  er- 
scheine. 

§  16.  Die  Anzahl  der  Lehrzimmer  richtet  sich  nach  der  Zahl  der 
f&r  die  Schule    erforderlichen   Lehrkräfte    (§11    des   Beichs -Yolksschul- 


Sie  sollen  bei  einer  Höhe  von  3,8  m  fdr  jedes  Kind  einen  Luft- 
ranm  von  3,8'  m  besitzen,  nebstbei  aber  hinreichenden  Baum  fOr  die 
übrigen  Unterrichtserfordemisse  bieten,  wobei  auf  einen  wahrscheinlichen 
Zuwachs  von  Schtdem  Bedacht  zu  nehmen  ist.  Ausnahmsweise  kann  eine 
Reduktion  der  Lehrzimmerhöhe  bis  auf  3,2  m  und  des  Luftraumes  fQr 
jedes  Kind  auf  3  m'  zugelassen  werden. 

Alle  Lehrzimmer  müssen  gehörig  hell  und  gut  heizbar  sein  und  eine 
entsprechende  Ventilation  besitzen. 

§  17.  Jedes  Schulhaus  soll  mit  dem  nötigen  Trink-  und  Nutzwasser 
versehen  werden. 

§  18.  Jedes  Schulhaus  in  einer  stark  bevölkerten  Schulgemeinde 
soll  einen  geschlossenen  heizbaren  Tumraum  von  der  erforderlichen  Grölse 
und  mit  den  nötigen  Turngeräten  besitzen.  In  kleineren  Schulgemeinden 
kann  von  dem  Erfordernisse  eines  gedeckten  Tumraumes  abgesehen  werden, 
wenn  ein  Tumraum  im  Freien  beigestellt  wird. 

§  19.  Die  Bezirksschulbehörde  fixiert  die  Auslagen  fttr  Beheizung, 
Beleuchtung  und  Beinigung  der  Schullokalitäten,  indem  sie  für  jede  Schule 
nach  Flächenraum,  kubischem  Inhalt  und  Situierung  derselben  ein  Minimum 
der  bezflglichen  Kosten  feststellt,  unter  welches  nicht  herabgegangen 
werden  darf. 


340 

§  20.  Die  näheren  Anordnungen  über  die  Beschaffenheit  der  Schol- 
gebände  nnd  ihre  Teile  sowie  über  die  erforderlichen  Schnleinrichtongen 
werden  in  zwei  Verordnungen  vom  Landesschnlrate  getroffen,  von  welchen 
die  eine,  betreffend  den  Wiener  Schnlbezirk,  im  Einvernehmen  mit  der 
Gemeinde  Wien,  die  andere,  betreffend  sftmtliche  übrigen  Schalbezirke,  im 
Einvernehmen  mit  dem  Landesansschnsse  zn  erlassen  ist  Hierbei  ist  auf 
die  Ortlichen  Verhilltniese  and  aaf  die  finanzielle  Leistangsfähigkeit  der 
Schalgemeinde  Rtlcksicht  zu  nehmen. 

Diese  Yerordnangen  normieren  anch  die  Modalltfiten,  anter  denen  die 
Organe  der  politischen  Behörden,  der  Landesvertretnng  oder  einer  Gremeinde 
bei  Approbierang  and  Aasfllhrang  der  Baapl&ne,  Beschaffang  der  Schnl- 
einrichtang,  Überwachang  des  zweckentsprechenden  Zastandes  der  Gebäude 
and  ihrer  Einrichtang  za  intervenieren  haben. 

(„D.  öaierr.  SanUOtswemt'' ,  1905,  Nr.  8.) 


tbenieht  fiber  den  Stand  der  Sehnleinrichtaneen  fllr  niekt  nomal 
begabte  Kinder  im  Scknljahre  1903/04. 

Berlin,  den  2.  Janaar  1906. 

Der  Königlichen  Begiernng ,  A    '  h  H'       V        A 

Dem  Königlichen  ProviDsial-Schnlkolleginm  egena 

Übersicht^  als  Ergebnis  der  aaf  den  Erlafs  vom  27.  Jani  1903  — um  A 
1654  —  tlber  den  zeitigen  Stand  des  Hilfsschnlwesens  erstatteten  Berichte, 
wobei  ich  aaf  die  betreffenden  froheren  Erlasse,  insbesondere  vom  16.  Joni 
1894  —  U  m  A  1030  — ,  vom  28.  Aagast  1896  —  U  ÜI  Nr.  1384  — 
and  vom  6.  April  1901  —  U  XU  A  2606  —  (Zentralblatt  1894  S.  568, 
1896  S.  665  and  1901  S.  412)  Bezag  nehme. 

Die  Zahl  der  Hilfsschalen  ist  seit  1892  von  26  mit  64  Lehrkräften 
nnd  700  Schalkindem  aaf  143  mit  498  vollbeschäftigten  Lehrern  and 
Lehrerinnen  nebst  31  Handarbeitslehrerinnen  nnd  8207  Schalkindem  ge- 
stiegen. 

Wie  ich  aas  den  Berichten  ersehen  habe,  wird  die  Überweisnng  der 
Zöglinge  in  die  Hilfsschale  Oberall  von  vorheriger  eingehender  üntersnchong 
darch  einen  wenn  möglich  mit  amtlichem  Charakter  versehenen  Arzt  ab- 
hängig gemacht,  die  körperliche  nnd  geistige  Entwicklang  der  Schaler 
daaemder  Überwachang  anter  steter  ärztlicher  Mitwirkang  nnterstellt. 

Von  allen  Seiten  wird  femer  anerkannt,  dafs  fär  den  Lehrplan  der 
Hilfsschale,  ihre  Elassengliederang  nnd  für  die  Lehrziele  der  einzelnen 
Klassen  allgemein  gültige  Vorschriften  nicht  gegeben  werden  können,  dab 
vielmehr  dabei  den  besonderen  Verhältnissen  der  Schale  in  jedem  einzelnen 
Falle  Rechnnng  zn  tragen  sei. 

Endlich  geben  fast  sämtliche  Berichterstatter  dem  Wansche  Aasdrack» 
dafs    den    an  Hilfsschalen   zn    beschäftigenden  Lehrem    nnd  Lehrerinnen 


^   Siehe  ZentrcJbl   f,   d,   ges,    ünierrichtavenoaltitng,   Febraarheft   19C5» 
S.  230-251. 


341 

Gelegenheit  geboten  werden  möge,  sich  unter  sachverständiger  Leitung  eine 
den  Zwecken  dieser  Anstalten  entsprechende  besondere  Ausbildung  zu  er- 
werben. 

Indem  ich  mir  in  letzterer  Beziehung  weiteres  vorbehalten  muls,  teile 
ich  Aber  die  nach  den  erwähnten  Berichten  in  den  letzten  Jahren  an  den 
Hüfisschulen  gemachten  Erfahrungen  folgendes  mit: 

In  die  Hilfsschule  gehören  nicht  die  an  sich  normal  beanUgten 
Kinder,  die  erziehlich  vernachlässigt  oder  infolge  von  Kränklichkeit  usw. 
zurflckgeblieben  sind,  sondern  nur  die  für  den  Volksschulunterricht  als 
zweifellos  nicht  hinreichend  begabt  erkannten  Kinder.  Die  ärztlichen  Er- 
fahrungen sprechen  dafür,  dafs  bei  diesen  Kindern  regelmäßig  eine  krank- 
hafte Störung  vorliegt,  auf  deren  Heilung  nicht  immer  zu  rechneu  ist. 
Die  Hilfsschule  ist  keine  Nachhilfeschule  und  sie  verfolgt  nicht  das  Be- 
streben, die  ihr  anvertrauten  Kinder  nach  einiger  Zeit  in  die  Volksschule 
zarfickzubringen.  Wo  Kinder  aus  einer  Hilfsschule  anders  als  ausnahms- 
weise in  die  Volksschule  zurflckversetzt  worden  sind,  darf  man  vermuten, 
dafs  bei  der  Aufnahme  in  die  erstere  fehlgegriffen  ist.  Sollten  aber  aus 
Rflcksichten  der  Überf&llung  od«r  aus  sonstigen  äulserlichen  Gründen 
wirklich  Schwachbegabte  Kinder  in  Klassen  normal  beanlagter  Schulkinder 
zurflckversetzt  worden  sein,  so  ist  ein  solches  Vorgehen  unbedingt  zu  ver- 
bieten. 

Die  Schwierigkeiten,  welche  die  schwachsinnigen  Kinder  einem  ge- 
regelten Unterrichte  bereiten,  werden  dadurch  noch  vermehrt,  dafs  diese 
Kinder  untereinander  sehr  verschieden  geartet  sind,  sowohl  nach  ihren 
geistigen  Fähigkeiten,  als  auch  in  ihren  sittlichen  Neigungen  und  in  ihrem 
ethischen  Verständnis.  Deshalb  ist  hier  eine  weitgehende  individuelle  Be- 
handlung erforderlich,  die  nur  in  kleinen  Klassen  durchführbar  ist. 

Es  ist  femer  daran  festzuhalten,  dafs  die  eigentliche  Erziehung,  die 
Anleitung  des  Kindes  zum  Guten,  die  Anregung  und  Pflege  seines  Gemüts, 
die  Gewöhnung  an  gute  Sitte  und  Ordnung  die  Hauptaufgabe  der  Hilfs- 
schule sein  mufs,  gegen  welche  die  Aneignung  von  Kenntnissen  zurück- 
zutreten hat.  Neben  der  Erziehung  verlangt  aber  auch  die  Vorbildung 
der  Erwerbsfähigkeit  bei  diesen  Kindern,  die  meistens  in  hohem  Mafse  auf 
diese  angewiesen  sind,  eine  weitgehende  Berücksichtigung.  Deshalb  wird 
in  guten  Hilfsschulen  eine  ausgiebige  Übung  von  Auge  und  Hand  durch 
allerlei  Handarbeiten  und  Handfertigkeiten,  Gartenbau,  Blumenpflege  n.  dergl. 
erstrebt  Auch  die  geistig  beschränktesten  Kinder  können  für  gewisse 
Fertigkeiten  ein  Geschick  erwerben.  Nichts  vermag  aber  diese  ELinder  in 
ihrem  persönlichen  und  sittlichen  Empfinden  mehr  zu  heben,  als  das  Be- 
wuistsein  irgend  einer  Leistungsfähigkeit. 

Besondere  Aufmerksamkeit  wird  mit  Recht  der  Verteilung  der  Kinder 
auf  die  einzelnen  Klassen  der  mehrklassigen  Hilfsschulen  zugewandt,  weil 
hierbei  völlig  andere  Gegensätze  zu  gelten  haben,  als  bei  Schülerversetzungen 
in  anderen  Schulen.  Denn  hier  handelt  es  sich  nicht  darum,  zur  Er- 
reichung eines  Endzieles  der  Anstalt  möglichst  alle  Kinder  durch  alle 
Klassen  zu  bringen,  sondern  darum,  jedes  Kind  in  die  für  seine  Bean- 
lagung  passendsten  Klassen  gelangen  zu  lassen.  Diese  Kinder  sind  weder 
lür  alle  Lehrgegenstände  in  gleichem  Grade  minderbegabt,   noch  schreiten 

SehalgetnndheiUpflege.  XVIII.  19 


342 

sie  auf  den  yerschiedenen  Gebieten  gleichm&fsig  nebeneinander  fort.  Ein 
Kind  kann  im  Rechnen  eine  Zeitlang  leidliche  Fortschritte  machen,  wfihrend 
es  im  Deutschen  stehen  bleibt;  bei  einem  anderen  kann  das  umgekehrte 
eintreten.  Das  eine  Kind  lernt  verhältnismäfsig  gut  zeichnen,  ein  anderes 
ist  fQr  die  Zeichenkonst  unzugänglich.  Es  gehört  daher  aach  zu  den  Be- 
sonderheiten der  Hüfsschnle,  dafs  ein  Teil  der  Kinder  über  das  Ziel  der 
untersten  Klasse  überhaupt  nicht  hinauskommt,  ein  Teil  bis  zum  Ende  der 
Schulpflichtzeit  in  der  zweiten  Klasse  sitzen  bleibt,  usf.,  und  nur  ein 
kleinerer  Teil  die  oberste  Klasse  einer  mehrklassigen  Hilfsschule  erledigt. 
Die  Erfahrung  zeigt  femer,  dafs  ein  Kind  in  mehreren  Lehrgegenstftnden 
fOr  die  nächstfolgende  Klasse  reif  sein  kann,  während  es  in  dem  einen 
oder  anderen  Fache  ganz  zurückgeblieben  ist  und  infolgedessen  mit  der 
Mafsgabe  in  die  andere  Klasse  yersetzt  werden  mufs,  dafs  es  in  verschie- 
denen Stunden  in  seiner  bisherigen  Klasse  weiter  arbeitet.  Daher  hat  die 
Einrichtung  der  Überordnung  mehrerer  Klassen  hier  hauptsächlich  den 
Zweck,  die  einzelnen  Kinder  je  nach  dem  Grade  ihrer  Fähigkeiten  weiter- 
zubringen und  nach  Möglichkeit  die  Kinder  gleicher  Arbeitsfähigkeit  zu 
vereinigen.  Fernzuhalten  ist  das  Bestreben,  das  Lemziel  der  Schule  durch 
Einrichtung  vieler  Klassen  möglichst  hoch  zu  treiben. 

Gleichwohl  mufs  aber  darauf  Bedacht  genommen  werden,  daCs  die 
Vorbildung  der  aus  der  Schule  ins  Leben  hinaustretenden  Kinder  vor  ihrer 
Entlassung  zu  einem  gewissen  Abschlüsse  gebracht  werde. 

Es  ist  nicht  zu  verwundem,  wenn  so  vielfach  auf  die  grofsen  Schwierig- 
keiten hingewiesen  wird,  welche  der  Aufstellung  eines  guten  Lehrplan» 
entgegenstehen,  und  doch  kann  auf  einen  solchen  hier  am  wenigsten  ver- 
zichtet werden.  Der  Lehrplan  muls  sogar  vielfach  jahrweise  durchgesehen 
werden,  damit  die  gemachten  Erfahmngen  verwertet  und  zugleich  die  oft 
grofsen  Unterschiede  der  aufeinanderfolgenden  Schülerjahrgänge  berück- 
sichtigt werden  können. 

Für  eine  grundsätzliche  Trennung  der  Knaben  und  Mädchen  im 
Unterrichte  der  Hilfsschule  spricht  die  Eriahmng  nicht.  Man  hat  daher  in 
kleineren  Orten  auch  nicht  nötig,  gleich  mit  zwei  Klassen  anzufangen. 

Wenn  die  beiliegende  Übersicht  in  einem  Punkte,  nämlich  in  betreff 
der  wöchentlichen  Schulstunden  —  Spalte  3  f.  —  recht  grofse  Unterschiede 
zeigt,  so  bemht  dies  wohl  nur  darauf,  dafs  die  Spiel-  und  Arbeitsstunden 
nicht  überall  in  gleicher  Weise  von  den  Lemstunden  getrennt  gehalten  sind. 
In  Wirklichkeit  wird  darüber  keine  Meinungsverschiedenheit  bestehen,  dafo 
die  geistig  leicht  ermüdenden  Hilfsschulkinder  nicht  über  vier  Stunden 
täglich  mit  Lemen  zu  beschäftigen  sind.  Nach  ^/« — 'A  stündiger  Lern- 
arbeit mufs  regelmäfsig  eine  kleine  Erholung  oder  die  Beschäftigung  mit 
Gartenbau,  mit  Turnen,  Handarbeiten  oder  Handfertigkeiten  eintreten.  Da 
aber  auch  hierbei  die  Lehrer  und  Lehrerinnen  in  Tätigkeit  bleiben,  so  er- 
gibt sich  ein  Unterschied  zwischen  der  Zahl  der  Gesamtschulstunden  und 
der  der  wirklichen  Lemstunden  der  Hilfsschule.  Anerkennung  verdient  es, 
wenn  Lehrer  und  Lehrerinnen  mit  den  Hilfsschulkindem  häufigere  Spazier- 
gänge unternehmen  und  sich  mit  ihnen  im  Freien  unterhalten. 

Über  das  prozentuale  Verhältnis  der  Hilfsschulkinderzahl  zur  Gesamt- 
zahl der  schulpflichtigen  Kinder  läfst  die  Übersicht  einen  sicheren  Schlafe 


343 

noch  nicht  zu,  wenn  auch  manche  Angaben  auf  etwa  1  %  hinweisen.  Es 
kommt  zunächst  darauf  an,  alle  Kinder,  die  in  der  Hilfsschule  besser  auf- 
gehoben sind  als  in  der  allgemeinen  Volksschule,  in  der  ersteren  unter- 
zubringen. Dies  wird  in  den  grölseren  Städten  hoffentlich  bald  erreicht 
sein,  da  auch  der  frühere  Widerstand  der  Eltern  gegen  die  Überweisung 
ihrer  Kinder  in  die  Hilfsschule  immer  mehr  schwindet.  In  verschiedenen 
St&dten  sind  Muster  Ton  Hilfsschulen  entstanden,  dank  der  wohlwollenden 
Fflrsorge,  mit  welcher  die  st&dtischen  Behörden  den  Schulbehörden,  Lehrern 
mid  Ärzten  die  Arbeit  an  den  armen  Kindern  erleichtert  haben.  Ich  Ter- 
traue  daher,  dab  dieses  segensreiche  Werk  unter  dem  yerdienstvollen  Zu- 
sammenwirken aUer  dabei  Beteiligten  auch  fernerhin  sich  erfreulich  ent- 
wickeb  werde. 

Der  Minister  der  geistlichen  usw.  Angelegenheiten. 
Stüdt. 

An  die  Königlichen  Regierungen  und  das  Königliche 
ProTinzial-Schulkollegium  zu  Berlin,    ü  HI  A  82/04. 

{„Die  Jugendfarsorge'',  1905,  Nr.  8.) 


tWtxainx. 


Besprechungen. 

Jahrbueli  der  SekweiMriselieii  OeseUsehaft  fBr  Sckalgetfiindheits- 

füegt.    y.  Jahrgang  1904,  H.  Teil.    Zflrich,  Zürcher  &  Furres,  1905. 

Gr.  8«.    S.  208—536.    Mit  Illustrationen.    Fr.  5.— 

Das  umfangreiche  und  gehaltvolle  Buch  yermittelt  uns  den  Inhalt  der 

gelegentlich  der  Y.  Jahresversammlung  der  Schweizerischen  Gesellschaft  fQr 

Schulgesundheitspflege   am   11.  und   12.  Juni  1904   in  Bern   gehaltenen 

Tortrftge    und   wird    eingeleitet    durch    eine   von    der   städtischen  Schul- 

ond  Baudirektion  in  Bern  bearbeitete  Zusammenstellung  der  „Schulh&user 

ond  Wohl&hrtseinrichtungen  der  Stadt  Bern''. 

Die  letzterwähnte  Zusammenstellung  liefert  an  der  Hand  zahlreicher 
Photogravuren  den  Beweis,  dafe  die  Stadt  Bern  auf  dem  Gebiete  der 
Schulhausbauten  und  in  der  Pflege  der  Ferienkolonien  ebenso,  wie  bezüglich 
der  anderen  den  Schulkindem  zugute  kommenden  Wohlfahrtseinrichtungen 
(Scholbaden,  Speisung  dürftiger  Schulkinder,  Kinderhorte,  Schulreisen) 
ErsprieMiches  und  Nachahmenswertes  geleistet  hat. 

Das  Programm  der  Verhandlungen  der  Schweizerischen  Gesellschaft 
tor  Schulgesundheitspflege  zeichnet  sich  dadurch  aus,  dafs  es  nur  einige, 
man  kann  sagen  „brennende**  Tagesfragen  der  Schulhygiene  umfafst  und 
nicht,  wie  dies  bisher  üblich  war,  Einzelvorträge  de  omnibus  et  quibusdam 
sliis  bietet,  die  in  der  Regel  für  den  Vortragenden  mehr  Interesse  haben 
als  fBr  die  Zuhörer. 

19» 


344 

Das  Verdienst,  diese  wohltuende  and  zweckm&Gsige  Konzentrienmg 
der  Arbeit  für  Kongresse  angeregt  zu  haben,  gebührt  dem  TortrefflicheD 
Redakteur  dieser  Zeitschrift,  Prof.  Eribmann,  und  das  Ergebnis  der  nach 
diesem  Vorschlage  eingerichteten  Verhandlung  der  Schweizerischen  Gesell- 
schaft für  Schulgesungheitspflege  hat  ihm  vollkommen  recht  gegeben. 

Über  „Schule  und  Zahnpflege'^  erstatteten  Dr.  EüasN  Mülleb 
und  Dr.  Eduard  Fetschehin  Referate,  in  welchen  die  Notwendigkeit 
und  die  Durchführbarkeit  einer  rationellen  Zahnpflege  bei  der  Schuljugend 
überzeugend  dargetan  wird. 

Ober  „die  Beleuchtung  der  Schulzimmer^  sprachen  Prof. 
Erismank  und  Prof.  0.  Roth.  Beide  Referenten  haben  auf  gmnd  exakter 
Experimente  für  die  Beleuchtung  der  Schulzimmer  Normen  aufgestellt, 
welche  die  Praxis  in  Hinkunft  wird  berücksichtigen  müssen.  Als  Korreferent 
fangiert  Prof.  Emmert. 

Erismann  beweist  einwandfrei,  dals  der  doppelten  Tagesbeleuchtung 
Ton  der  Seite  und  vom  Rücken  der  Schüler  aus  nicht  einmal  bezüglich 
des  Lichtquantums  Vorteile  gegenüber  dem  einseitigen  linksseitlichen  Licht- 
einfall zukommen,  während  die  nachteilige  Schattenbildung  bei  der  Doppel- 
belichtung sich  störend  geltend  macht.  In  einem  Wohnräume  mag  wohl 
die  Doppelbelichtung  eine  gröfsere  Helligkeit  ergeben,  aber  in  der  Schule 
wird  beim  Schreiben  bei  Lichteinfall  Ton  hinten  durch  die  auf  die  Schreib- 
hefte sich  lagernden  Schatten  die  Helligkeit  der  Arbeitsplätze  wesentlich 
beeinträchtigt,  was  Eribmann  durch  direkte  photometrische  Messungen 
unzweideutig  beweisen  konnte.  So  fand  er  z.  B.  in  einem  neuem  Schol- 
hause  (am  Hirschengraben),  bei  leerem  Platze,  an  einer  der  hintersten  Bänke, 
die  ihr  Licht  zu  einem  grofsen  Teile  direkt  durch  das  rückwärtige  Fenster 
erhielt,  279  Meterkerzen,  bei  Besetzung  des  Platzes  durch  einen  auf- 
recht sitzenden  Schüler  132,  und  nachdem  der  Schüler  Schreibstellung 
angenommen  hatte,  92  Meterkerzen  — ,  66  %  des  Lichtes  sind  demnach 
für  den  schreibenden  Schüler  verloren  gegangen,  er  erhielt  eigentlich 
sein  Licht  nur  Ton  der  Seite  her. 

Überaus  beachtenswert  und  der  üblichen  Schablone  scharf  entgegen- 
tretend, sind  die  Bemerkungen  Erismanns  über  die  Orientierung  der 
Schulzimmer;  er  konnte  durch  eine  grofse  Reihe  von  Untersuchungen 
nachweisen,  daCs  die  direkte  Insolation  der  Schulzimmer  während  des 
Unterrichtes  zu  sehr  grofsen  Schwankungen  und  Kontrasten  in  der  Be- 
leuchtung der  Arbeitsplätze  führt  und  dafs  die  nördliche  Orientierung 
der  Klassenzimmer  eine  gleichmäfsige  und  genügende  Beleuchtung  sogar 
der  am  ungünstigsten  situierten  Arbeitsplätze  gewährleistet. 

Prof.  Roth  tritt  in  seinem  vortrefflichen  Referate  für  die  in- 
direkte Beleuchtung  ein;  er  wägt  den  Wert  (auch  nach  der  Seite  der 
Kosten  frage)  der  in  Frage  kommenden  Beleuchtungsarten  (Gasglühlicht, 
elektrische  Lampen  und  Petroleumbeleuchtung)  gegeneinander  ab  und  gibt 
nach  Berücksichtigung  aller  Vor-  und  Nachteile  in  hygienischer  Beziehung 
dem  elektrischen  Lichte  den  Vorzug  Tor  anderen  Beleuchtungsarten. 

Prof.  Emmebt  gelangt  im  wesentlichen  zu  denselben  Ergebnissen, 
die  er  im  Detail  begründet. 

Über    die    Methoden    der    Ermüdungsmessungen    bei    Sdiülem 


346 

erstattet  Dr.  Yaknod  ein  erschöpfendes  Referat  und  h&lt  aof  gnind  seiner 
eigenen  Untersnchnngen  die  ästhesiometrische  Methode  ftlr  die  exakteste, 
wobei  er  zugibt,  daüs  man  Ton  den  Differenzen,  welche  die  Sensibilitftt 
der  Haut  an  den  yerschiedenen  gemessenen  Stellen  ergibt,  überrascht 
(„frapp6^)  sein  mnfs.  Knaben  zeigen  im  allgemeinen  eine  gröfsere  £r- 
mOdlMurkeit  als  M&dchen;  von  Einflnfs  auf  die  gefundenen  Werte  sind 
Temperatur,  der  jeweilige  Gesundheitszustand  der  Schiller  und  die  Auf- 
fassungsgabe bei  den  einzelnen  Unterrichtsfächern.  Vannod  fordert  zu 
ausgedehnten  Untersuchungen  mit  allen  gebräuchlichen  Methoden  durch 
Ärzte  und  Lehrpersonen  in  der  Schweiz  auf. 

Überaus  lehrreich  sind  die  Referate  aber  die  Schulbankfrage.  Es 
spiegelt  sich  in  diesen  von  Ärzten  und  Lehrern  erstatteten  Referaten  die 
dem  Sachverständigen  keineswegs  ttberraschende  Tatsache  wieder,  dals  wir 
von  einer  alle  Interessenten  befriedigenden  Lösung  der  Schulbankfrage 
noch  recht  weit  entfernt  sind. 

Ich  kann  leider  bei  dem  einer  Besprechung  naturgemäß  knapp  zu- 
gemessenen Raum,  den  ich  ohnehin  mit  Rflcksicht  auf  die  prinzipielle 
Bedeutung  der  BehandlungsgegenstAnde  vielleicht  schon  zu  sehr  in  Anspruch 
genommen  habe,  auf  die  mteressanten  Details  der  erwähnten  Referate  nicht 
Dikher  eingehen  und  will  nur  einige  Fundamentalsätze  besonders  hervorheben. 

Prof.  GiSABD,  der  den  Gregenstand  vom  ärztlichen  Standpunkte  sach- 
kundig beleuchtet,  betont  mit  vollem  Rechte,  dafs  jede  Schulbank  dem 
SchlÜer  eine  gewisse  Bewegungsfreiheit  gewähren  mufs;  er  glaubt  nicht, 
dais  eine  schlechte  Schulbank  die  Ursache  der  Skoliose  abgibt  (?  Ref.), 
er  verwirft  die  Reklination  des  Sitzes  und  die  grofse  Minusdistanz,  weil 
sie  die  vorgebeugte  Sitzstellung  erschweren. 

Lehrer  Wipf  formuliert  eingehend  die  pädagogischen  Forderungen 
an  die  Schulbank  und  zieht  die  fixen  Systeme  den  verstellbaren  vor;  es 
besteht  kein  Bedflrfhis,  die  Schulbank  auch  zur  Steharbeit  einzurichten. 

Hanchoz,  Schulinspektor  in  Lausanne  tritt  ebenfalls  für  eine  mäCsige 
Minusdistanz  ein. 

Sehr  radikal  —  und  dabei  dennoch  nicht  mit  einem  vornehmen 
Achselzucken  abzutun  —  sind  die  Bemerkungen  des  Korreferenten  Lehrer 
J.  Gbob.  Er  verwirft  das  „Nnmmernsystem**  und  betont,  gewiis  nicht 
mit  Unrecht,  dals  Menschen,  welche  der  Norm  entsprechen,  die  Ausnahme 
bilden,  wenn  er  auch  gewifs  damit  zu  weit  geht,  das  Nummemsystem  als 
nhinftllig^  zu  bezeichnen  und  als  „eine  verfehlte  Spekulation,  die  begraben 
werden  darf**.  £r  hat  eine  verstellbare  „Universalbank"  konstruiert,  die  er  ver- 
teidigt, die  sich  aber  gewiis  nicht  als  eine  einfache  und  stabile  Konstruktion 
bezeichnen  läfet;  er  betont,  auch  dies  vielleicht  nicht  mit  Unrecht,  dals 
die  Schulbankfrage  erst  gelöst  werden  wird,  wenn  die  Schreibfrage  auf 
eine  natärliche  und  vemtlnftige  Basis  gestellt  wird  und  beantragt,  dafs  die 
schweizerische  GeseUschaft  fOr  Schulgesundheitspflege  eine  Reform  der 
Sdiriftfrage  anregen  und  fördern  möge. 

Die  Behandlung  der  Frage  der  Steil-  und  Schrägschrift  wird  hierauf 
fikr  eine  der  nächsten  Jahresversammlungen  in  Aussicht  genommen.  Erwähne 
ich  noch  den  Bericht  über  die  „Ausstellung^  und  auch  die  Tatsache,  daüs 
bei  dem  Schlnlsbankett   Prof.  Ebismann,  der  bewährte   Schulhygieniker, 


346 

sich  in  einem  gelungenen  Gedichte:  »Geschichte  der  Schnlhygiene*'  als 
Poet  vorteilhaft  einfahrt,  dann  habe  ich  das  wesentliche  des  Inhaltes  des 
lesenswerten  ^Jahrbnches^  angedeutet  —  wenn  anch  keinesfalls  erschöpft. 

Dr.  ALT8GHüL-Prag. 

Ralp  Wichmann,  Dr.  med.  Geistige  LeistnBgafllhif^keit  und  Nervo- 
sitftt  bei  Lehrern  und  Lehrerinnen.  Carl  Marhold,  Halle  a.  S., 
1905,  80  Seiten,  Mk.  2.—. 

Verfasser  hat  sich  dadurch  einen  Einblick  in  die  gesundheitlichen 
Verhältnisse  von  Lehrern  und  Lehrerinnen  zu  Terschaffen  versucht,  dals 
er  ausführliche  Fragebogen  versandte.  Er  erhielt  Antwort  von  344 
Lehrern  und  780  Lehrerinnen.  Dieses  Material  studierte  er  unter  den 
verschiedensten  Gesichtspunkten  und  kommt  zu  dem  Schlüsse,  dafs  die 
Frauen  auch  im  Lehrerbemfe  viel  weniger  leistungsfähig  seien  als  die  M&nner.  Die 
Arbeit  ist  sehr  verdienstlich  als  Grundlage  fflr  weitere  Studien ;  das  vorliegende 
Material  berechtigt  aber  noch  nicht  zu  den  gezogenen  Schlüssen.  Lehrer 
und  Lehrerinnen  stammen  z.  B.  aus  verschiedenen  Kreisen  und  leben  teil- 
weise in  ungleichen  sozialen  Verhältnissen;  vor  allem  aber  geht  es  doch 
gerade  im  Lehrerberufe  nicht  an,  die  geleistete  Arbeit  einfach  nach 
Stundenzahl  und  Schfllerzahl  zu  bewerten,  und  noch  weniger  die  dabei 
verbrauchte  Energie.  Fflr  die  letztere  kommt  ja  viel  weniger  die  Arbeit 
als  solche  als  die  Befriedigung  resp.  Unbefriedigung,  die  sie  begleitet,  in 
Betracht,  also  Faktoren,  die  bei  der  verschiedenen  Stellung  von  Lehrern 
und  Lehrerinnen  in  sozialer  und  familiärer  Hinsicht  einander  fflr  beide 
Geschlechter  nicht  gleichgestellt  werden  können. 

Prof.  BLEULEB-Burghölzli. 

Jayal,  Emile,  Dr.  Der  Blinde  und  seine  Welt  (Entre  Avengles.) 
Ratschläge  zum  Nutzen  fflr  Erblindete.  Übersetzt  von  Dr.  med.  J.  Tuek- 
HEIM-Hamburg.     Hamburg-Leipzig,  L.  Voss,  1904,  8^  160  S. 

Als  vor  einigen  Jahren  die  schmerzliche  Kunde  von  der  völligen  Er* 
blindung  Jayals  durch  die  ophthalmologische  Welt  drang,  da  mischte  sich 
zum  Gefühle  des  innigsten  Mitleides  mit  dem  vortrefflichen  Mensdien  das 
schmerzliche  Bedauern,  für  die  Wissenschaft  diesen  unermüdlichen  Forscher 
zur  Untätigkeit  verdammt  zu  sehen. 

Die  Energie  Jayals  aber  machte  die  Kleinmfltigen  zu  Schanden. 
Am  letztjährigen  internationalen  Ophthalmologenkongrefs  in  Luzem  wohnte 
der  Blinde  nicht  nur  allen  Sitzungen  bei,  sondern  griff  wiederholt  mit  der 
alten  Lebhaftigkeit  in  die  Debatten  ein. 

So  werden  wir  denn  nicht  allzusehr  erstaunt  sein,  dafs  Jayal  noch 
mit  neuen  literarischen  Gaben  erscheint.  Auf  einem  durchaus  neuen  Ge- 
biete sich  schriftstellerisch  zu  betätigen  nach  einem  solchen  Schicksals- 
schlage, setzt  aber  doch  einen  ganz  ungewöhnlich  tätigen  Geist  voraus  und 
ein  warmes  Herz  fflr  seine  Mitmenschen;  denn  das  gab  den  Anstols  zu 
dieser  interessanten  Arbeit,  dalis  Jayal  nach  seiner  plötzlichen  Erblindung 
umsonst  nach  Aufklärung  suchte,  wie  man  unter  solchen  Umständen  ein 
gedeihliches  Weiterleben  einzurichten  habe.  Seine  Erfahrungen  wollte  er 
nun  auch  den  Leidensgenossen   zugute   kommen   lassen.     „Hauptsächlich 


347 

den  unterrichteten  Männern,  die  plötzlich  erblinden,  gewidmet,  wären 
folgende  Blätter  ohne  das  Unglück,  das  mich  betroffen,  nie  geschrieben 
worden,  nnd  wenn  sie,  wie  ich  hoffe,  ein  ähnliches  Mi&geschick  wie  das 
meinige  za  lindem  yermögen,  so  wird  mir  diese  Befriedigung  zom  Trost 
gereichen/ 

Das  Buch  ist  allen  Augenärzten,  Ärzten,  Lehrern  und  allen,  die  sich 
berafsmäfsig  mit  Blinden  zu  beschäftigen  haben  oder  blinde  Angehörige 
besitzen,  warm  zum  Studium  zu  empfehlen.  Ich  will  daher  auch  der  Ver- 
suchung widerstehen,  hier  Proben  mitzuteilen.  —  Die  deutsche  Übersetzung 
von  Dr.  med.  TÜBKH£iM-Hambnrg  ist  im  ganzen  sehr  gut,  viel  besser, 
als  man  aus  dem  oben  zitierten  Satz  aus  der  Vorrede  vielleicht  schlieisen 
mödite.  Dr.  SxEiGEB-Zarich. 


Bibliographie. 
Die  mit  ^  bezeichneten  Werke  wurden  der  Redaktion  zugesandt. 

*Anales  de  Inatnteciön  Prinuma,  Tome  n,  No.  8,  9  7  10.    Montevideo, 

1904.     8^     S.  409—762. 
*AnnaU  d'igiene  sperimentale,  e  Dxretti  del  Prof.  Angblo  Gblli,  Vol.  XV 

(N.  S.),  Fase.  II,  anno  1905.     Gr.  8^     S.  151—411. 
^Archiv  für  Soziale  Medizin  und  Hygiene.    I.  Bd.,  4.  H.    Mit  12  Kurven. 

Leipzig,  F.  C.  W.  Nagel,  1905.     8^     S.  289—376. 

Marb,   6.,   Dr.  med.     Unierst4chung  der  Zöglinge  der  Hamburger 

Hilfsschulen  im  Jahrgang  1903. 
Bmj)KIAn,  K.     Welche  Nachteile  kann  Kwrgsichtigkeit  im  Gefolge 
haben? 
AXMANN,  Dr.  med.    Crcsundheitslehre  für  die  Jugend.    Die  Jugendftkrsorge, 

H.  4,  1905. 
^Baub,  A.,  Dr.    Schulgesundheitspflege.    „Der  Arzt  als  Erzieher^,  H.  19. 

Manchen,  Verl.  d.  Ärzü.  Rundschan,  1905.     S^.     100  S. 
*Bikbwald-Bbaubb.     Das  Turnen  im  Hause.     3.  Aufl.     München  und 

Berlin,  E.  Oldenbourg,  1905.    Mit  177  AbbUdgn.  in  Holzschnitt.  Kl.  8^. 

22  S.     Ji.  2.80. 
Dbliüs.     Ober   die  Behandlung   der   Wandflächen   in   den    Unterrichts^ 

räumen  unserer  Schulen.    Die  Gesundheitswarte  d.  Schule,  Nr.  5,  1905. 
*DkxtfuS8,  J.,  Dr.  med.    Das  Wesentliche  der  Schularg^age.     Sonder- 

abdr.   a.  d.   Vereinsbl.   d.   PfUz.  Ärzte,    1905,    Nr.  3.     Frankenthal, 

L.  Göhring.     8^     18  S. 
*FiHKB,  J.,   Dr.     Die  Nervenkrankheiten.     Dritte,   verb.  u.  venu.  Aufl. 

Eine  gemeinverständliche  Darstellung.     „Der  Arzt  als  Erzieher*',  H.  3. 

Manchen,  Veri.  d.  ÄrzÜ.  Rundschau,  1905.     8^     82  S. 
*filnfundvierßig8ter  Jahresbericht  des  k.  Landes-MeämnaXkollegvums  Über 

das  Medusinalwesen  im  Königreiche  Sachsen  über  d.  Jahr  1903.    Leipzig, 

F.  C.  W.  Nagel,  1904.     Gr.  8^    416  S. 
*6aupp,  R.,  Dr.    Über  den  Selbstmord.    München,  Verl.  d.  Ärztl.  Rund- 
schan, 1905.     8^     29  S. 


348 

*  Gesunde  Jugend.  Zeitschr.  für  Gesundheitspflege  in  Schale  und  Hans. 
IV.  Jahrg.,  H.  5/6.  Leipzig  u.  Berlin,  B.  G.  Teubner,  1905.  8^ 
S.  274—296. 

YOORMANN,  Dr.  med.    Orthopädische  Tumkurse  an  den  städtischen 
Volksschulen  in  Hagen  i.  W. 

* V.  Jahrg.,    H.  1  u.  2.    Leipzig  n.  Berlin,    Teubner,    1905. 

8«.    48  S. 

ROLLBR,  E.     Die  t}berhiirdung  der  Oberlehrer, 

Des  Lehrers  hygienisches  Wirken  in  der  Anfhakmeklasse, 

*6baziani  Alberto,  Dott.    SuUa  lUuminojnone  naturale  deOe  Äbitagioni 
e  sui  Metodi  determinarla.    Bicente  eseqnite  con  speciale  riqnardo  alle 
scuole  della  cittä  die  Padova.     Milano,   Pietro  Aquelli,   1905.     65  S. 
*Hbbgbl,    GU8T.,    Dr.     Willensstärke   und    Urteilskraft,     Eine    spezial- 
pädagogische Studie.    Wien  u.  Leipzig,  Carl  Fromme,  1 905.   8®.    100  S. 
HlNTRlGEB,   Karl,   Prof.     Kritische  Betrachtungen   Über   österreichische 
Schulbauten,     Vierteljahrsschr.  f.  körperl.  Erziehung,   L  Jahrg.,  1.  H., 
1905. 
^Jahrbuch    der    Schweizerischen    Gesellschaft    für    Schulgesundheitspflege, 
VL  Jahrg.,  1905,  L  T.     Zürich,  Zürcher  &  Furrer.     Gr.  8^     88  S. 
Gebr.  SüLZBR.     Heizung  und  Ventilation  in  8chfiffiäf4sem, 
FlH,  Fb.,  Dr.     Die  Jugendfürsorge  im  Kanton  Basd-Stadt 
*JB8SBN,  £.,  Prof.     Die  zahnärztliche  Behandlung  der  VolksschüUcmder 
in  Strafsburg  i,  E,     Sep.-Abdr.  a.   d.  Strafsb.  Mediz.-Ztg.,   U.  Jahrg., 
H.  3.     8^     20  S. 

* 2>ie  städtische  Schulzahnklinik  in  Sfrafsburg  i,  E,     (Für  die 

StftdteaussteUung    in    Dresden.)      Strafsburg,    Gleitz   &  Mündel,    1903. 
S^,     14  S.     Mit  Abbüdungen. 

* Die   Zahnpflege   in   der    Schule,     Sep.- Abzug  a.   d.  Elsafs- 

Lothr.  Schulblatt,  Nr.  S,  1905. 
*Jbssbn  und  DOMINICUS.     Die  Errichtung   städtischer  SchtUzahnkUniken, 
eine  internationale  volkshygienische  Forderung  unserer  Zeit,    Sep.-Abdr. 
a.   d.    offiz.  Bericht  über  d.   J.   intemat.   Kongrefs  f.  Schulhygiene  in 
Nürnberg.     1904. 
^Internationales  Archiv  für  Schulhygiene,    I.  Bd.,  2.  H.     Mit  7  Fig.  im 
Text.     Leipzig,  W.  Engelmann,  1905.     8«.     S.  159—316. 
Bbibon,  Victor.     Le  röle  de  la  gaietS  dans  ViducaOon, 
Thomas,  C.  J.     Some  forme  of  congenital  Äphasia  in   iheir  edu- 

cational  aspects. 
BURMEISTER,   EuNO.      tjbcr   die  Verwendung   von   staiU^bindenden 

Fufsbodenölen  in  Schulen, 
RUDNIK,  M.  A.    2Sur  Frage  der  Verbreitung  des  Kropfes  unter  den 

Schulkindern, 
Haunstrup,  A.     Schu^auten  in  Dänemark, 
Hbllpach,  Willt.     Die  Hysterie  und  die  moderne  Schule. 
Mathien,  Albert.    Neurasthenie  et  Dysp^ie  chez  les  jeunes  gens, 
Philippe,  Jean    et  Bonscoür,  Paul,     ä  propos   de   f Examen 

m^ico-pSdagogique  des  Ecoliers  Spileptiques. 
Barat,  Cervere.     Funcion  de  la  Alegria  de  la  Higiene  escoler. 


349 

MAaBLSBN,  A.     Über  das  Kopfweh  —  hauptsächUck  Migräne  — 

an  der  Mittelschule. 
Wichmann,  Ralv.     Über  die  Lage  und  H&chsUdhl  der  Unterrichts- 
stunden in  Mädchenschulen, 
LOBSIBN,   Max.     Experimentier  -  Pädagogik,     Ztschr.   f.   Pädag.  Psycho!., 

Pathol.  u.  Hygiene,  7.  Jahrg.,  1906,  H.  1. 
*MANACiiNB,  Maria  v.     Die  geistige   Überbürdung   in   der   modernen 

Kultur.     ÜhersetzuDg,   Bearheitang  und  Anhang:    Die  Überbürdung  in 

der  Schule  von  Dr.  med.   Ludwig  Waoneb.     Leipzig,    J.  A.  Barth, 

1905.     (Natur-  und  kulturphilosoph.  BihUothek,  Bd.  U.)     8^    200  S. 

M  4.00,  geh.  Ji  4.80. 
^AT,  Max  y.     Moderne  Gedanken,   Anhang:   Begeln  des  Hockeyspieks, 

Bern,  A.  Francke,  1905.     78  S. 
^EDBB,  Ed.,  Dr.     Das  Säuglingskrankenhaus  als  wichtiger  Faktor  eur 

wirksamen  Bekämpfung  der   hohen   Säuglingssterblichkeit.     Sep.-Abdr. 

a.  d.  Monatsschr.  f.  Gesnndheitspfl.,  Nr.  4,  1905. 
Mbisnbr,  H.,  Dr.     S(^ulturnen   und   Jugenaspiel,     Körper  und   Geist, 

Nr.  2,  1905. 
*M0TZ,   Th.,   u.  Jbssbn,   E.  I.     Schuleahnklinik  und  Schule.     JX  Mit- 
teilungen aus  der  Strafsburger  S(^ulzähnklinik.    Sep.-Ahdr.  a.  d.  Deutsch. 

Monatsschr.  f.  Zahnheilknnde,  XXII.  Jahrg.  (1904),  H.  7. 
*NoLL,  F.  C.     Naturgeschichte  des  Menschen  (Anthropologie)  nehst  Hin- 
weisen   auf   die  Pflege   der  Gesundheit  für   den  Gehrauch  an   höheren 

Lehranstalten    und    Lehrerbildungsanstalten.     Breslau,    F.  Hirt,    1905. 

5.  Aufl.  besorgt  Ton  Prof.  Dr.  H.  Rbichbnbagh.    Mit  113  Abbildgn. 

im  Text,  2  Tafeln  u.  1  Karte  in  Farbendruck.    8^    120  S.    JH  1.50. 
Oppbbmann,  A.    Der  Schulunterricht  am  Nachmittage,    Monatsbl.  f.  öff. 

Gesundheitspfl.,  1905,  Nr.  3. 
*Brogramm  des  Gymnasiums  und  der  Industrieschule  in  Winterthur,  Schul- 
jahr 1905/1906.     4^     40  S. 
*Rankb,  Dr.     Beiträge  eur  Frage  des  kindlichen  Wachstums.     Arch.  f. 

AnthropoL,  N.  F.  Bd.  IV,  H.  3.    Braunschweig,  Vieweg  &  Sohn,  1905. 

4^     20  S. 
Raydt,  H.     Die  Bedeutung  der  Bewegungsspiele  und  die  Notwendigkeit 

eines  obligatorischen  Spielnachmittags.  Deutsche  Tum-Ztg.,  Nr.  18,  1905. 
Schilling,  F.,  Dr.  med.     Die  Zahnpflege  in  Schule,   Armee,   Geßngnis 

und  Krankenkasse.     Wien.  klin.  Rundschau,  Nr.  17  u.  18,  1905. 
*S0HLE8INGBR,  EUGBN,  Dr.     Äsihesiometrische    Untersuchungen  und  Er- 

mudungsmessungen  an  Schwachbegabten  Schulkindern.    Sep.-Abdr.  a.  d. 

Archiv  f.  Kinderheilkunde,  Bd.  XLI,  H.  3/4. 
•Schmidt,   F.  A.,   Dr.  med.     Physiologie  der  Leibesübungen.     Leipzig, 

R.  Voigtländer,  1905.    8^.    155  S.    Mit  32  AbbUdgn.  im  Text.    Brosch. 

JM  3.00,  geb.  Ji  4.00. 
*8echsier  Jahresbericht  der  Zürcherischen  Heilstätte  für  Lungenkranke  in 

Wald  V.  1.  Jan.  bis  31.  Dez.  1904.    Wald,  H.  Hefs,  1905.    Kl.  8^ 

41  S. 
*Siebenunddreifsigsier   Bericht    über   die   Züricher   PestaloeeisUftung   für 

Knaben  bei  Schlieren.     Ostern  1904  bis  Ostern  1905.     Kl.  8^    14  S. 


350 

SiBBBBT,  Dr.    Das  Turnen  an  dm  höheren  Schulen,    Körper  and  Geist, 

Nr.  1  (14.  Jahrg.),  1905. 
*Stoll,  Hans.     Alkohol   und  Kaffee  in  ihrer  Wirkung  auf  Hereleiden 

und  nervöse  Störungen,     2.  Aufl.     Leipzig,   B.  Konegen,    1905.    8^. 

29  S.     Ji  0.50. 
*  Verhandlungen  des  Schwelgerischen  Vereins  für  Straf-,   Cteßngniswesm 

und  Schulaufsicht  in  Genf,  Okt.  1904.    XXHI.  Vers.,  ü.  H.     Aaran, 

Sauerl&nder,  1905.     8^     116  S. 
Wassermann,   A.     Schule  und   Infektionskrankhäten,    Nach  einem  im 

Verein  f.  Schnlgesondheitspfi.  in  Berlin  geh.  Vortrage.     Mediz.  Klinik, 

Nr.  21,  1905. 
Wbbbb,  Ernst.     Experimentier  -  Pädagogik.     Der  S&emann,    1.  Jahrg., 

1905,  4.  H. 
Wbygandt,  W.,  Prof.    IdioHe  und  Schwachsinn  im  Kindesalter,    Mediz. 

Klinik,  1905,  Nr.  10. 
*W0LFRING,  Lydia  v.     TFöw  ist  Kinderschutz?    Wien,  Verl.  d.  Ver.  zur 

Fördenmg  d.  Kinderschatzes  usw.,  1905.     Kl.  8^.     59  S. 


§tv  $d^ularfi 


m.  Jahrgang.  1905.  No.  6. 


(9(i0tttalab^ttbltttt$ett. 


Betrachtimgen  ftber  schnlftrsfliche  Statistik  und  Vorschläge 
snr  HerbeiAhnmg  einer  Einheitlichkeit  in  derselben. 

Von 
Dr.  SAMOBCH-Breslau. 

Auf  dem  1.  internationalen  Sohnlhy^ene-Kongrefs  in  Nürnberg 
(April  1904)  ist  die  Frage  der  sohnlärztlichen  Statistik  entsprechend 
ilirer  Wichtigkeit  eingehend  gewürdigt  worden.  Als  offizielle  Referenten 
sprachen  in  der  Sektion  E.  (2.  Abteilung)  über  das  Thema  „Morbiditäts- 
statistik*' die  Herren  Sanitätsrat  Dr.  AiiTSCHüL-Prag  und  Dr.  Bubghel- 
Nümberg,  die,  jeder  7on  seinem  Standpunkt,  der  erste  als  Arzt,  der 
zweite  als  Statistiker,  ihre  Anschauungen  in  bestimmten  Leitsätzen  for- 
mulierten. In  derselben  Sektion  hatte  der  Verfasser  dieses  Aufsatzes 
in  einem  Vortrage:  „Über  die  Notwendigkeit  einer  einheit- 
lichen Organisation  des  schulärztlichen  Dienstes"  darauf 
hingewiesen,  dals  es  zurzeit  infolge  der  verschiedenartigen  schulärztlichen 
Organisation  und  Dienstführung  eine  wissenschaftlich  verwertbare  oder 
überhaupt  nur  brauchbare  medizinische  Schulstatistik  nicht  gäbe, 
d&b  aber  die  Herbeiführung  einer  solchen  eine  conditio  sine  qua  non 
f&r  die  Fortentwicklung  der  Schulhygiene  sei.  Die  Verhandlungen 
der  Sektion  fahrten  zu  dem  Ergebnis,  dafs  allseitig  das  Bedürfnis 
nach  Aufetellung  einheitlicher  Grundsätze  für  den  schulärztlichen 
Dienst  anerkannt  wurde.  Ein  Antrag  von  LEUBüBCHEB-Meiningen, 
zu  diesem  Zwecke  eine  Kommission  zu  wählen,  die  in  erster  Reihe 
die  Aufgabe  hätte,  zweckmäbige  und  allgemein  zu  empfehlende 
Formulare  für  den  schulärztlichen  Dienst  zusammenzustellen,  fand 
Annahme,  und  dieser  von  der  Sektion  E  gebilligte  Antrag  wurde 
von  der  allgemeinen  Versammlung  zum  Beschluis  erhoben.     In  die 

l>tr  SehnUrit  IIL  9 


84  352 

Kommission  wurden  gewählt:  Prof.  LEüBUSCHEB-Meiningen,  Hofrat 
ScHüBEBT-Nürnberg,  erster  Schularzt  Dr.  Cüktz- Wiesbaden,  Schul- 
arzt Dr,  BEBKHABDT-Berlin,  Schularzt  Dr.  SAMOSCH-Breslau.  Es 
war  von  vornherein  klar,  dals  die  Kommission  zur  Lösung  der  ihr 
gestellten  Aufgabe  sich  die  bisherigen  Erfahrungen  des  schulärztlichen 
Dienstes  nutzbar  machen  mufste,  d.  h.  sie  mulste  in  erster  Reihe  das 
bisherige  schulärztliche  Formularwesen  sichten  und  studieren,  um 
hieraus  entnehmen  zu  können,  welche  Ansprüche  bisher  an  den 
Schularzt  hinsichtlich  seiner  Untersuchungen  und  seiner  Bericht- 
erstattung gestellt  worden  waren.  Herr  Prof.  Leubuscheb  übernahm 
es,  für  genügendes  Material  als  Unterlage  weiterer  Kommissionsarbeit 
zu  sorgen.  Es  gelang  ihm,  von  127  Städten  und  Gemeinden  Deutsch- 
lands die  in  dem  schulärztlichen  Dienst  gebräuchlichen  Formulare 
zu  sammeln.  Das  eingegangene  Material  wurde  dem  Verfasser  dieses 
Aufsatzes  zur  weiteren  Durcharbeitung  übergeben  in  der  Erwartung, 
dafs  sich  auf  diesem  Wege  Vielleicht  gleichsam  von  selbst  bestimmte 
Vorschläge  für  die  zukünftige  einheitliche  Gestaltung  der  im  schul- 
ärztlichen Dienst  gebräuchlichen  Formulare  ergeben  würden.  Zweck 
dieser  Zeilen  ist  es  nun,  die  Resultate  dieser  Arbeit,  die  sich  tat- 
sächlich der  Erwartung  entsprechend  zu  bestimmten  Vorschlägen 
verdichtet  haben,  mitzuteilen.^ 

Vorweg  seien  jedoch  über  die  Aufgaben,  Zwecke  und 
Ziele  der  schulärztlichen  Statistik  einige  allgemeine  Be- 
merkungen gestattet,  die  den  Unterschied  zwischen  dem  theoretisch 
Erstrebenswerten  und  zurzeit  praktisch  Durchführbaren  dartun 
sollen.' 


^  Damit  ist  die  EommiBBionsarbeit  natürlich  noch  nicht  erledigt;  die  Tom 
Verfasser  gemachten  Vorschläge  sollen  nnr  eine  Unterlage  fär  weitere  Kommissions- 
beratungen  sein.  Bemerkt  sei  noch,  dafs  aufser  dem  von  Lsubusohbb  gesammelten 
Material  die  obengenannten  Referate  Altschuls  und  Bvbchbls,  sowie  die  Arbeit 
ScHUBBBTs  „Über  das  Sohularztwesen  in  Deutschland**  eingehendste  Berüoksioh- 
sichtignng  bei  Bearbeitung  des  Themas  fanden.  Femer  lieh  Herr  Stadtant 
Dr.  OsBBEKB-Breslau,  der  in  die  Kommission  nachträglich  eingetreten  war,  der 
Arbeit  seine  gütige  Unterstützung.  Auch  war  der  Umstand,  dafs  der  Bericht- 
erstatter selbst  seit  vier  Jahren  in  Breslau  als  Schularzt  tätig  ist,  nicht  ohne 
Einflufs  auf  das  Ergebnis  der  Arbeit 

*  Es  lassen  sich  hier  einige  Wiederholungen  aus  den  in  Fulsnote  1  ge- 
nannten Arbeiten  und  aus  den  eigenen  Aufsätzen  des  Verfassers:  ^Über  schul- 
ärztliche Statistik",  Zeitschrift  für  Schulgesundheitspflege,  1908,  Seite  255,  und 
„Über  die  Notwendigkeit  einer  einheitlichen  Organisation  des  schulärztlichen 
Dienstes''  (Nürnberger  Eongrefsbericht  Bd.  III  Seite  309)  nicht  vermeiden. 


3Ö3  85 

Vom  theoretisch  wissensohaftliohen  Standpunkt  müssen  wir  an 
eine  Schfiler-Morbiditäts-Statistik  in  erster  Reihe  folgende  zweiAn- 
fordemngen  stellen.  1.  Sie  mofe,  auf  grofse  Zahlen  gestützt,  in  zweck- 
mftlsiger  Gruppierung  eine  klare  Übersicht  über  die  Morbidität  der 
Schüler  zu  einem  bestimmten  Zeitpunkt  geben.  2.  Sie  muiCs  die  Be- 
wegung dieser  Morbidität  von  einem  Zeitpunkt  bis  zu  einem  andern 
klar  yeranschauliohen.  —  Zur  Erfüllung  dieser  Aufgaben  wäre  Vorbe- 
dingung, dals,  erstens,  zu  einem  bestimmten  Zeitpunkt  in  grolsem  Mafs- 
fitabe  Schulkinderuntersuchungen  durch  Ärzte  vorgenommen  und  ein- 
heitlich registriert  würden,  und  dafs,  zweitens,  jede  Veränderung  des 
Gesundheits-  bezw.  Krankheitszustandes  jedes  einzelnen  Schulkindes 
sofort  Yom  Arzte  festgestellt  und  ebenfalls  registriert  würde.  Es 
müfste  also  der  Schularzt  in  der  Schulorganisation  genau  dieselbe 
Stellung  einnehmen  wie  der  Militärarzt  in  der  Armee.  Prüfen  wir 
nun  an  der  Hand  der  Literatur  und  insbesondere  mit  Hilfe  der 
ScHüBEBTSchen  Arbeit  die  bisherigen  schulärztlichen  Dienstordnungen 
und  Verwaltungsberiohte  daraufhin,  ob  zurzeit  die  genannten  Vor- 
bedingungen für  eine  einwandfreie  Statistik  groben  sind,  so  wird 
diese  Prüfung  ein  negatives  Ergebnis  haben.  In  denjenigen  Orten, 
die  nach  Sghubebt  die  bisher  weitgehendste  schulhygienische  Fürsorge 
getroffen  haben  und  seinem  Typus  B  entsprechen,  wird  nur  die  durch- 
gehende Untersuchung  sämtlicher  Lernanfänger  und  Ausstellung 
von  Gesundheitsscheinen  für  dieselben  verlangt.^ 

Von  dem  Gesundheitszustande  des  übrigen  Schülermaterials  er- 
hält der  Schularzt  nur  gelegentlich  seiner  mehr  oder  minder  häufigen 
Schulbesuche,  die  nur  die  Untersuchung  einer  beschränkten  Anzahl 
von  Kindern  gestatten,  Kenntnis.  Nur  sehr  wenige  grofse  Kom- 
munen haben  die  Einrichtung  getroffen,  dafs  aulser  den  Schulrekruten 
noch  einzelne  spätere  Jahrgänge  durchgehende  untersucht  werden. 
Die  Frage  also,  ob  z.  Z.  die  Vorbedingungen  für  eine  Arzt  und 
Statistiker  gleichmä&ig  befriedigende  Statistik  gegeben  sind,  müssen 
wir  deshalb  ohne  Scheu  glatt  verneinen;  es  dürfte  auch  nicht  als  ein 
Zeichen  grofser  Prophetengabe  anzusehen  sein,  wenn  man  annimmt, 
dab  sich  auch  in  nächster  Zukunft  die  Verhältnisse  nicht  bessern 
werden.     Vielleicht  dürfte  es  einst  Mannheim,   das  bisher  als  erste 


^  Einige  wenige,  meist  kleinere  Eommiinen  schreiben  jährliche  oder  gar 
halbjahrliche  üntersnchnng  aller  Kinder  vor;  Berichte  über  derartige  umfang- 
reiche, sich  ständig  wiederholende  allgemeine  Untersnchungen  liegen  aber  meines 
Wissens  bisher  nicht  vor. 


86  354 

und  einzige  Stadt  Deutschlands  einen  Schularzt  im  Hauptamt  an- 
gestellt hat,  beschieden  sein,  bahnbrechende  Arbeit  hinsichtlich  der 
Ausdehnung  und  der  Technik  der  schulärztlichen  DienstftLhrung  zu 
leisten,  nachdem  Wiesbaden  Torbildlich  gewesen  ist  ftr  das  Prinzip 
der  gesundheitlichen  Beobachtung  des  Schulkindes  seitens  eigens  an* 
gestellter  Schulärzte  überhaupt.  Es  sei  hier  die  Zwischenbemerkung 
gestattet,  dais  vielleicht  doch  die  Zeit  nicht  mehr  fem  ist,  wo  wir 
tlberlegen  müssen,  ob  nicht  der  Segen  der  Schul-  und  Schülerhygiene 
erst  dann  zur  vollen  Entfaltung  und  Geltung  kommen  wird,  wenn 
allerwärts,  oder  wenigstens  in  den  Städten,  der  schul- 
ärztliche Dienst  im  Hauptamt  ausgeübt  wird. 

Indes  kehren  wir  zur  Gegenwart  und  zum  Thema  zurück  and 
prüfen  wir,  ob  nicht  auch  unter  den  gegenwärtigen  Verhältmssen  siok 
für  die  Statistik  verwertbare  Besultate  würden  erzielen  lassen.  Diese 
Prüfung  dürfte  ein  positives  B.e6ultat  haben ;  wir  können  zwar  nicht 
alles  erreichen,  aber  doch  vieles.  Da  ist  zunächst  zu  betonen,  dafis 
in  einer  groben  Anzahl  von  Kommunen,  greisen  und  kleinen,  zum  Teil 
auch  auf  dem  Lande  —  jedenfalls  genug,  um  ein  hinreichend  groiaeB 
Zahlenmaterial  zu  gewährleisten,  —  die  Untersuchung  sämtlicher 
Leman&nger  vorgeschrieben  ist.  Damit  ist  also  die  Möglichkeit  ge- 
geben, festzustellen,  wie  die  Schuljugend,  sowohl  in  groisen  wie  in 
kleinen  Städten  als  auch  auf  dem  Luide,  beim  Schuleintritt  gesundheit- 
lich beschaffen  ist,  —  eine  Feststellung,  die  anerkanntermalsen  das  Fun- 
dament der  Schülerhygiene  darstellt.  Nun  ist  es  mit  der  Untersuchung 
allein  nicht  getan;  sollen  vergleichbare  Ergebnisse  erzielt  werden, 
so  muls  die  Untersuchung  überall  gleichmäTsig  nach  einem  bestimmten 
Schema  erfolgen ;  es  muTs  ein  Belag  als  Niederschlag  des  Untersuchunga- 
ergebnisses,  d.  h.  es  muls  ein  Aufiiahmeuntersuchungsbogen  resp. 
ein  G-esundheitsschein  vorhanden  sein,  der  einmal  f^r  die  weitere 
Beobachtung  des  Kindes  von  prinzipieller  Bedeutung  ist  und  zweitens 
die  Grundlage  der  Statistik  sein  soll;  und  es  mufs  drittens  in  den 
Verwaltungsberichten  das  Ergebnis  der  Aufnahmeuntersuchungen  ge- 
sondert von  den  sonstigen  Resultaten  der  schulärztlichen  Tätigkeit 
angegeben  sein,  ein  wichtiger  Punkt,  der  häufig  genug  nicht  berück- 
sichtigt worden  ist. 

Was  die  Untersuchung  selbst  anlangt,  so  ist  hier  zu  berück- 
sichtigen 1.  der  Zeitpunkt,  in  dem  die  Untersuchung  stattfinden  soll, 
und  2.  der  Gang  der  eigentlichen  Untersuchung.  Ad  1  wäre  zu 
bemerken,  dafs  es  nach  den  bisherigen  Erfahrungen  am  ratsamsten 
zu  sein  scheint,  sofort  nach  Beginn  des  Schuljahres  die  Neu-Ankömm- 


355  87 

lioge  in  einer  Yorantersuchung  auf  Sohtd&higkeit  zu  untersuchen, 
die  definitive  genaue  Untersuchung  aber  auf  eine  Zeit  zu  verschieben, 
zu  der  die  Kinder  in  der  Schule  schon  etwas  heimisch  geworden 
sind,  also  etwa  auf  den  3. — 6.  Monat  nach  Schuleintritt.  Diese 
Verschiebung  der  Hauptuntersuchung  bringt  zwei  Vorteile  mit  sich. 
b)  Die  Kinder  sind  an  sich  etwas  zugänglicher,  b)  der  Lehrer  hat  Zeit 
gehabt,  die  Kinder  etwas  kennen  zu  lernen  und  kann  infolgedessen 
den  Arzt  durch  mancherlei  wertvolle  Angaben  über  körperliche  und 
psychische  Eigentümlichkeiten  unterstützen.  Ob  es  empfehlenswert 
ist,  noch  eine  dritte  Untersuchung,  etwa  im  zweiten  Sohulsemester, 
die  sieh  nur  auf  die  Funktionsprüfung  der  höheren  Sinnesorgane  zu 
erstrecken  hätte,  festzusetzen,  erscheint  zweifelhaft.  Wenn  von  Seiten 
der  Lehrer  die  Kinder  auf  diese  Funktionsprüfung  vorher  ein- 
exerziert werden,  was  die  Lehrer  meist  gern  tun,  und  wenn  man  zur 
Sehprüfung  sich  der  CoHNSchen  Hakentafel  bedient,^  dann  dürften  nach 
den  Er&hrungen  des  Berichterstatters,  der  bisher  ca.  1200  LemanfiUiger 
imtersucht  hat,  sich  schon  im  dritten  Schulmonat  sichere  Resultate 
erzielen  lassen.  In  den  Fällen,  wo  ein  Kind  um  diese  Zeit  einer 
Seh-  und  Hörprüfung  noch  völUg  unzugänglich  ist,  dürfte  darin  viel- 
heh  wenigstens  ein  Hinweis  auf  mangelhafte  geistige  Entwicklung 
des  Kindes  gegeben  sein.  Bezüglich  des  Zeitpunktes  der  Aufnahme- 
Untersuchung  würde  also  der  Berichterstatter  vorschlagen:  1.  Vor- 
untersuchung auf  Schulfähigkeit  sofort  nach  dem  Schul- 
eintritt.    2.  Hauptuntersuchung  im  8. — 6.  Schulmonat. 

Was  den  Gang  der  Untersuchung  selbst  anbetrifFt,  so  dürfte  eine 
systematische  lückenlose  Untersuchung  gewährleistet  sein  durch  den 
Zwang,  ein  bestimmtes  Schema  auszufüllen.  Dieses  Schema  ist  ge- 
geben in  einem  Personalbogen,  den  man  „Aufnahme-Untersuchungs- 
bogen"  nennen  mag,  wenn  er  nur  das  Ergebnis  der  ersten  Untersuchung 
aufnehmen  soll,  und  der  „Gesundheitsschein*'  heiüsen  sollte,  wenn  er 
auch  gleichzeitig  für  Eintragungen  in  der  weiteren  Schulzeit  be- 
stimmt ist. 

Es  mufs  an  dieser  Stelle  striktest  die  Forderung  aufgestellt  werden, 
dafs  für  jedes  in  die  Schule  eintretende  Kind  ein  solches 
Formular  angelegt  werde;  es  genügt  durchaus  nicht,  nur  für  krank 


^  Dr.  Hambuiigsb  hat  auf  dem  Nürnberger  EoDgreib  auf  Grand  seiner 
Erfahrungen  die  HBTUAiiNsche  Tafel  znr  Sehprnfang  empfohlen.  Eongrefsbericht 
Bd.  3,  8.  826.  In  Nr.  7  der  ZeiUehnft  fHir  Scktdgesundheitspflege,  Jahrg.  1904, 
hat  er  aber  diese  Empfehlnng  wieder  zaräokgezogen,  weil  die  genannte  Seh- 
probe nidit  richtig  konstmiert  ist. 


88  356 

befundene  Kinder  ein  solches  auszufüllen.  Zur  Begründung  dieser 
Forderung  sei,  neben  dem  bereits  angeführten  umstände,  dals  die  Aus- 
füllung eines  Schemas  eine  lückenlose  systematische  Untersuchung 
gewährleistet,  folgendes  angeführt: 

1.  Ein  ärztliches  Urteil  über  die  gesundheitliche  Entwicklung  eines 
Kindes  während  der  Schulzeit  und  über  die  Relation  zwischen  Schul- 
besuch und  Krankheit  ist  nur  möglich,  wenn  ein  dokumentarischer 
Belag  für  den  Gesundheitszustand  des  Kindes  beim  Schuleintritt 
vorliegt. 

2.  Die  Verwertung  schulärztlicher  Beobachtungen  zu  allgemein 
hygienischen,  wissenschaftlichen  und  statistischen  Zwecken  ist  nur 
möglich,  wenn  diese  Beobachtungen  in  einer  greifbaren  Form  fixiert 
sind;  auch  negative  Ergebnisse  müssen  als  solche  kenntlich  sein. 

3.  Es  gibt  eine  grobe  Anzahl  von  Kindern,  die,  ohne  eigentlich 
krank  zu  sein,  gewisse  Eigentümlichkeiten  haben,  die  wert  sind, 
notiert  und  weiter  verfolgt  zu  werden.  Diese  Kinder  würden  wahr- 
scheinlich aufser  Betracht  bleiben,  wenn  nur  für  ausgesprochen  kranke 
Kinder  ein  Gesundheitsschein  verlangt  wird. 

4.  Im  Falle  des  Fehlens  einer  solchen  Bestimmung  würden  vor- 
aussichtlich bei  einer  sehr  grofsen  Anzahl  später  erkrankter  Kinder 
Zweifel  auftauchen  können,  ob  der  Aufnahmebogen  deshalb  fehlt, 
weil  das  Kind  gesund  war,  oder  aber  weil  die  Untersuchung  aus 
irgend  einem  Grunde  unterblieben  ist.  Beim  Vorhandensein  einer 
solchen  Bestimmung  dagegen  werden  viel  seltener  Zweifel  nach  der 
genannten  Richtung  entstehen  können. 

5.  Der  Mehraufwand  an  Schreibarbeit,  der  durch  die  Ausfüllung 
von  Aufnahmebogen  bezw.  Gesundheitsscheinen  auch  bei  gesunden 
Kindern  entsteht,  ist  bei  zweckmäfsiger  Konstruktion  der  Formulare 
ein  minimaler. 

Über  die  Gestaltung  und  den  Inhalt  der  von  uns  für  jedes  Kind 
verlangten  Aufhahmebogen  soll  weiter  unten  in  Form  detaillierter 
Vorschläge  berichtet  werden. 

Zur  statistischen  Verwertung  der  Aufnahme-Untersuchungsergeb- 
nisse gehört  nun  noch  eine  zweckmäfsige  Berichterstattung  über 
dieselben.  Die  Berichte  werden  einheitlich  und  dadurch  vergleichbar 
sein,  wenn  gleichmäfsig  gestaltete  Formulare  ihnen  zugrunde  liegen, 
und  die  Formulierung  der  Berichte  wird  sehr  einfach  sein,  denn  sie 
stellen  ja  nur  eine  Sunmiation  der  Einzelergebnisse  dar. 


367  89 

Wir  haben  aomit  gesehen,  dafs  wir  bezüglich  der  Morbidität  der 
Lemanftnger  tatsäohlich  ein  exaktes  statistisches  Material  anter  den 
jetsigen  Verhältnissen  beibringen  können;  wir  müssen  nns  nnr  ent- 
schlielsen,  einheitlich  zu  arbeiten. 

Wie  steht  es  nun  mit  den  Veränderungen  der  Morbidität  der 
Lemanftnger  im  weiteren  Schulleben,  und  wie  steht  es  mit  dem 
Schülermaterial,  dessen  Morbidität  durch  eine  gemeinsame,  alle  Indi- 
Tiduen  umfassende  Untersuchung  überhaupt  nicht  festgestellt  worden 
ist.  Es  ist  bereits  oben  auseinandergesetzt  worden,  dais  wir  nach 
diesen  Bichtungen  hin  etwas  Vollkommenes  nicht  leisten  können; 
gleichwohl  können  auch  in  dieser  Beziehung  unter  bestimmten  Kautelen 
unsere  Zusammenstellungen  von  erheblicher  Bedeutung  sein.  Wir 
können  nämlich  eine  jedenfalls  nicht  unwichtige  Mindest-Morbiditäts- 
Statistik  zuwege  bringen.  In  fast  allen  Dienstanweisungen  ist  es 
den  Schulärzten  vorgeschrieben,  in  bestimmten  Zeitintervallen  die 
Schule  immer  wieder  zu  besuchen.  Bei  dieser  Gelegenheit  kontrolliert 
der  Arzt  die  schon  früher  der  ärztlichen  Kontrolle  bedürftig  erklärten 
Kinder  und  untersucht  andere,  die  aus  irgendeinem  Grunde  auf 
Krankheit  verdächtig  sind.  Auf  diese  Weise  lernt  der  Schularzt  im 
Laufe  des  Schuljahres  eine  Anzahl  von  Kindern  kennen,  von  denen 
er  sagen  kann,  diese  sind  mindestens  krank  gewesen;  ob  nicht  mehr, 
das  bleibt  dahingestellt. 

Die  Zahl  der  für  krank  befundenen  Kinder  wird,  abgesehen 
von  der  tatsäohlich  vorhandenen,  aber  in  ihrem  ganzen  umfange  leider 
Dicht  erkennbaren  Morbidität  und  einigen  äuüseren  Umständen,  im 
wesentlichen  abhängen  1.  von  der  Zahl  der  untersuchten  Kinder, 
die  wiederum  abhängig  ist  a)  von  der  Zahl  der  schulärztlichen  Besuche, 
b)  von  dem  für  dieselben  verwandten  Zeitaufwand,  2.  von  der  Indivi- 
dualität des  Arztes  in  der  Beurteilung  von  Gesundheit  und  Ejrank- 
beit.  In  diesen  Punkten  sind  Momente  gegeben,  die  einen  Vergleich 
veischiedener  Berichte  von  vornherein  ausschlieisen  können,  aber  doch 
nicht  müssen.  Der  ad  2  genannte  Moment  kann  ausgeschaltet  werden, 
wenn  die  Berichte  einer  groben  Anzahl  von  Ärzten  verglichen  werden. 
Die  übrigen  drei  Momente  verlieren  an  Bedeutung,  sobald  sie  berück- 
siehtigt  werden,  d.  h.  sobald  z.  B.  festgesetzt  wird,  dafs  pro  100  unter- 
BQchte  Sehulkinder,  zu  deren  Untersuchung  sich  so  und  so  viel  schul- 
&rztIiohe  Besuche  mit  einem  Zeitaufwand  von  so  und  so  viel  Stunden 
als  nötig  erwiesen,  so  und  so  viel  Kranke  herausgefunden  wurden. 
Auf  diese  Weise  könnten  Zusammenstellimgen  zustande  kommen^ 
die  Rückschlüsse  auf  eine  Mindest-Morbidität  zuliefsen,  und  die  unter- 

Oer  Sehvlant.  UL  10 


90  358 

einander  vergleichbar  wären.  Femer  könnten  dnroh  Vergleich  der 
aus  verschiedenen  Ealenderjahren  stammenden  Berichte  Schlüsse  auf 
die  Bewegung  der  Morbidität  in  den  verschiedenen  Jahren  gezogen 
werden.  Es  liegt  nahe,  dadurch,  daCs  die  Zahlen  der  im  Laufe  des 
Jahres  fOr  krank  befundenen  nach  Klassen  resp.  Schuljahren  gruppiert 
werden,  zu  versuchen,  Anhaltspunkte  fCLr  die  Relation  zwischen 
Morbidität  und  Schulbesuch  zu  finden.  In  dieser  Beziehung  mufs 
aber  grofse  Vorsicht  empfohlen  werden.  Denn  es  wird  natnrgemäfs 
in  der  untersten  Klasse  die  Zahl  der  Kranken  ganz  besonders  grofs 
sein,  schon  deswegen,  weil  hier  sämtliche  Eänder  beim  Schuleintritt 
untersucht  werden;  es  werden  vermutlich  von  der  untersten  Klasse 
nach  aufwärts  die  Zahlen  der  Kranken  allmählich  geringer  werden, 
weil  ein  Teil  der  kranken  Lemanfilnger  allmählich  gesund  wird.  Der 
Abgang  durch  G^sundwerden  wird  nun  nicht  auch  bei  gleicher  oder 
noch  grölBerer  Morbidität  durch  entsprechenden  Zugang  neu  Erkrankter 
ergänzt  werden  können,  weil  die  Zahl  der  Untersuchten  von  der 
untersten  zur  zweituntersten  Klasse  schroff  abfallt,  und  zwar  so  schroff, 
dals  die  Prozentberechnung  nicht  vor  Fehlem  schützt  Anderseits 
ist  es  denkbar,  dals  in  der  Abgangsklasse  eine  Anzahl  Kranker  sich 
befinden,  die  während  des  ganzen  Sohullebens  krank  waren.  Diese  be- 
lasten also  zu  Unrecht  die  Klasse.  Es  genügen  also  weder  die  ab- 
soluten noch  die  Prozentzahlen  von  kranken  Kindern  einer  Klasse, 
um  hinsichtlich  der  Bewegung  der  Morbidität  aus  dem  Vergleich  mit 
den  entsprechenden  Zahlen  einer  andem  Klasse  einen  Schluis  ziehen 
zu  lassen;  es  mufs  zum  mindesten  verlangt  werden,  dafs  in  jeder 
Klasse  die  Zugänge  gesondert  von  dem  aus  der  vorhergehenden 
Klasse  übernommenen  Bestände  am  Anfange  des  Schuljahres  auf- 
gezählt werden,  wobei  jedoch  die  Aufnahmeklassen  oder  diejenigen 
Klassen,  in  denen  sämtliche  Kinder  untersucht  werden,  auüser 
Spiel  bleiben  müssen.  Wenn  es  sich  z.  B.  bei  vorsichtiger  Be- 
rechnung zeigen  sollte,  dals  in*  den  den  letzten  Schuljahren  ent- 
sprechenden Klassen  die  Zahl  der  im  Laufe  des  Jahres  zum  Bestände 
am  An&ng  hinzukommenden  immer  mehr  steigt,  so  dürfte  darin 
eine  Aufforderang  enthalten  sein,  zu  prüfen,  ob  nicht  ceteris  paribus 
der  Aufenthalt  in  diesen  Klassen  zu  Krankheiten  prädisponiert.  Für 
einen  solchen  Bückschluis  wäre  aber  auch  die  Natur  der  beobachteten 
Krankheitszustände  von  Bedeutung;  und  deshalb  empfiehlt  es  sich, 
in  den  Jahresberichten  eine  Verteilung  der  Krankheitszustände  fiuf 
die  einzelnen  Klassen  zu  geben.  Wenn  z.  B.  Myopie  und  Rückgrats- 
verbiegung in  den  oberen  Klassen  konstant  eine  gröisere  Ausdehnung 
zeigen  als  in  den  unteren,   so  werden  wir  wohl  vermuten  können, 


359  91 

daXs  das  SohuUebön  nicht  ohne  Einfluüs  auf  die  Krankheit  war.  Be- 
wiesen kann  aber  diese  Sohlnfsfolgerong  durch  die  Zahlen  derVer- 
waltnngs-  bezw.  Jahresberichte  nie  werden,  weil  denselben,  wie  aus- 
einandergesetzt, denn  doch  zu  viel  Fehlerquellen  anhaften.  Man  kann 
sie  durch  Beobachtung  verschiedener  Yorsichtsmalsregeln,  z.  B.  durch 
Angabe  der  Krankenzahlen  in  Prozenten  der  Untersuchten,  durch 
die  Zahlung  der  in  jeder  Klasse  neu  krank  gewordenen,  durch  An- 
gabe über  die  Verbreitung  der  einzelnen  Krankheitszustände  in  den 
einzelnen  Klassen  zu  einer  wertvollen  Unterlage  für  weitere  Studien 
gestalten,  aber  man  kann  nie  aus  ihnen  bindende  Schlüsse  über  die 
Beziehung  des  Schullebens  zur  Gesundheit  des  Kindes  erreichen. 
Dieses  Ziel  werden  wir  erst  erreichen  durch  exakte  wissenschaftliche 
statistische  Verwertung  von  Tausenden  von  Einzelbeobachtungen  am 
einzelnen  Kinde  während  seiner  ganzen  Schulzeit;  oder  anders  aus- 
gedrückt, nur  an  der  Hand  und  auf  Grund  von  Tausenden 
yon  Gesundheitsscheinen,  die  vom  Anfang  bis  zum  Ende 
der  Schulzeit  gut  fortgeführt  sind,  wird  es  der  Statistik 
möglich  sein,  ein  Material  zu  schaffen,  auf  Grund 
dessen  der  Arzt  und  Schulhygieniker  urteilen  kann  über 
den  Einflufs  des  Schullebens  auf  die  Gesundheit. 

Aus  vorstehendem  ergibt  sich,  dais  für  den  schulärztlichen  Dienst, 
insbesondere  für  die  Schaffung  einer  möglichst  guten  Statistik,  fol- 
gende einheitlich  zu  gestaltende  Formulare  notwendig  sind.  1.  Der 
Aufnahme  bogen,  der  zur  Aufnahme  des  Untersuchungsbefundes 
beim  Schuleintritt  bestimmt  ist,  2.  ein  Personalbogen,  der  zur 
Eintragung  der  im  weiteren  Schulleben  des  Kindes  gemachten  schul- 
ärztlichen Beobachtungen  dienen  soll,  und  3.  ein  Schema  für  den 
Jahresbericht.  In  der  bei  weitem  überwiegenden  Mehrzahl  der 
Städte  sind  die  unter  1.  und  2.  genannten  Formulare  in  Form  des 
Geeundheitsscheines  vereint;  wo  dies  nicht  der  Fall  ist,  wird  aulser  dem 
Aufiaahme-Untersuchungsbogen,  den  jedes  Kind  erhält,  für  die  im 
weiteren  SohuUeben  krank  befundenen  ein  besonderer  Überwachungs- 
bogen  angelegt.  Berlin  legt  nur  solche  Überwachungsbogen  an,  die,  wie 
ScHüBEBT  richtig  meint,  „Krankheitscheine"  heiTsen  sollten;  gesunde 
Kinder  erhalten  dort  gar  kein  ärztliches  Personalpapier.  Mit  Bücksicht 
darauf,  daCs  zurzeit  wenigstens  der  sogenannte  Gesundheitsschein,  d.  i« 
ein  ärztlicher  Pers(walbogen  für  jedes  Eand  für  die  ganze  Schulzeit, 
allgemein  gebräuchlich  ist,  soll  im  folgenden  nur  über  die  praktisch 
beste  und  allgemein  zu  empfehlende  Gestaltung  dieses  Formulars  ab- 
gehandelt werden. 

(FortBet«mg  folgt.)  10* 


360 


Altintxt  Jttttetltitigeii. 


Nene  Sehnllrzte«  In  Bremen  hat  die  Deputaüon  für  das  Schul- 
wesen bei  der  Bürgerschaft  die  Anstellung  von  sechs  Schnlftrzten  mit 
einem  Jahresgehalte  von  je  750  Mark  und  die  einmalige  Bewilligang  von 
1000  Mark  iür  Schreibsachen  osw.  bewilligt.  Die  Einrichtung  ist  nur 
für  Volksschulen  gedacht.  —  Die  Vorlage  ist  nach  einem  Gutachten  und 
unter  Mitwirkung  des  Gesundheitsrates  ausgearbeitet.  Da  sie  einem 
Wunsche  der  Bürgerschaft  entspricht,  so  ist  nicht  daran  zu  zweifeln,  daCs 
sie  glatte  Aufnahme  findet. 

In  gleicher  Angelegenheit  teilt  uns  Professor  Tjaden  aus  Bremen 
mit:  Die  Bremische  Bürgerschaft  (unser  Parlament)  hat  am  29.  März  d.  J. 
einstimmig  den  Antrag  der  Deputation  ftür  das  Gesundheitswesen  auf  An- 
stellung von  sechs  Schulärzten  angenommen.  Die  Deputation  hatte  dabei 
ausdrücklich  erklärt,  dafs  sie  den  weitergehenden  Wünschen  der  Bürger- 
schaft auf  Anstellung  von  Schulärzten  bei  sämtlichen  Schulen  (ein- 
schlieislich  der  höheren)  zurzeit  nur  deshalb  nicht  Folge  leiste,  weü  in 
den  nächsten  zwei  Jahren  erst  Erfahrungen  gesammelt  werden  soUen. 
Nach  zwei  Jahren  würde  man  mit  erweiterten  Anträgen  an  die  Bürger- 
schaft herantreten. 

In  Hannover  hat  der  Magistrat  nunmehr  elf  Schulärzte  angestellt: 
em  zwölfter  wird  noch  ernannt  werden.  Die  Tätigkeit  dieser  Ärate  soll 
sich  auf  die  Bürgerschulen  erstrecken  und  zunächst  nur  die  Untersuchung 
der  neuaufgenommenen  Kinder  umfassen.  Spätere  periodische  Unter- 
suchung der  Schüler  ist  in  Aussicht  genommen.  Gewählt  wurden  zu  Schul- 
ärzten die  Herren:  Sanitätsrat  Bleokwenn,  Sanitätsrat  LtJmcH  sowie 
die  Ärzte  Leimbach,  Kbeipe,  Nolte,  Breül,  Paulsen,  Tüoh,  Kratz, 
Wahbendobff  und  Wasmus. 

In  Stötteritz,  einem  Vororte  von  Leipzig,  hat  der  Schulvorstand 
beschlossen,  einen  Schularzt  in  der  Person  des  Herrn  Dr.  Cappbs  mit 
einem  Honorar  Ton  Mk.  400. —  anzusteUen. 

In  Wiesbaden  haben  die  Zahnärzte  einstimmig  die  Errichtung  einer 
Schulzahnarztstelle  beim  Magistrat  beantragt. 

Die  Schularztfrage  in  Stettin  hat  eine  neue  Wendung  genommen. 
Der  Magistrat  hat,  um  die  Einführung  dieser  segensreichen  Maßnahme 
nicht  zu  gefiUirden,  die  von  der  Regierung  beanstandete  Untersuchung  der 
Lehrer  aus  dem  Entwürfe  der  Schularztordnung  gestrichen  und  diese  abge- 
änderte Schularztordnung  aufs  neue  der  Regierung  zur  Genehmigung  yor- 
gelegt. 

In  Bochum  ist  eine  Vorlage  in  Vorbereitung,  nach  welcher  die  Stadt 
in  mehrere  Schularztbezirke  mit  1000 — 1500  Kindern  eingeteilt  werden 
soll.  Alle  Kinder  sollen  zweimal  im  Jahre  auf  ihre  geistigen  und  körper- 
lichen Anlagen  untersucht  werden.  Die  kranken  Kinder  werden  eine  ent- 
sprechende Behandlung  erfahren.  Die  Organisation  soll  vorläufig  keine 
vollständige  sein,  weil  sowohl  in  technisch-ärztlichen  wie  in  pädagogischen 
Kreisen  die  Erfahrungen  noch  nicht  hinreichend  geklärt  sind. 


361  93 

In  Berlin  sind  ^m  1.  Juli  drei  neue  Gemeindeschnlarztstellen  za 
besetzen;  die  Verwaltung  der  Stellen  wird  nur  im  Wege  des  Privatdienst- 
Vertrages  flbertragen.  Bewerbungen  sind  bis  zum  15.  Mai  an  das  Bureau 
der  Schüldeputation,  Rathaus,  zu  richten.    Jede  Stelle  umfafst  acht  Schulen. 

In  Karlsruhe  sollen,  nachdem  der  Bflrgerausschuis  die  Mittel  zur  An- 
stellung von  Schulärzten  dahier  im  Betrage  von  3000  Mk.  jährlich  bewilligt 
hat,  neben  dem  bisher  schon  als  Schularzt  tätigen  Herrn  Stadtarzt 
Dr.  Stehteb  vier  weitere  Schulärzte  im  Nebenamt  angestellt  werden.  Dies 
wird  dem  „Ärztlichen  yerein**  dahier  mit  dem  Ersuchen  zur  Kenntnis  ge- 
bracht, diejenigen  Herren  Ärzte,  welche  Lust  tragen,  das  Amt  eines  Schul- 
arztes zu  tlbemehmen,  zu  veranlassen,  dals  sie  sich  durch  Vermittlung  des 
Vereins  innerhalb  14  Tagen  beim  Stadtrat  melden. 

In  Hamburg  sollen  nach  einem  der  Bflrgerschaft  zugegangenen 
Senatsantrage  drei  Schulärzte  angestellt  werden.  In  der  Begründung  des 
Senatsantrages  heilst  es:  Bisher  haben  die  Stadtärzte  bei  Aufstellung  der 
Schulbaupläne  mitgewirkt,  die  regehnäfsigen  Prüfungen  der  hygienischen 
Verbältnisse  in  den  Volksschulen  sowie  in  den  höheren  Staats-  und  höheren 
Privatschulen  vorgenommen,  und  sich  bei  Vorkommen  ansteckender  Krank- 
heiten in  den  Schulen  mit  allen  einschlägigen  Fragen  befafst.  Es  wird 
jetzt  beabsichtigt,  in  Gemäfisheit  einer  mit  der  Oberschulbehörde,  Sektion 
für  das  Volksschulwesen,  getroffenen  Vereinbarung  in  zwölf  Volksschulen 
eine  ärztliche  Untersuchung  und  Überwachung  der  Kinder  durch  die  Stadt- 
ärzte zunächst  versuchsweise  einzufahren,  um  für  weitere  Vorschläge  auf 
diesem  Gebiete  die  nötigen  Erfahrungen  zu  sammeln.  Dieser  ärztlichen 
Überwachung  der  Kbder  werden  in  den  zwölf  Schulen  etwa  9000  Kinder 
unterstehen.  Um  wirklich  ausreichende  Erfahrungen  zu  sammeln,  ist  es 
nicht  empfehlenswert,  die  Einführung  dieser  Malsregel  auf  eine  geringere 
Anzahl  von  Schulen  zu  beschränken.  Nach  dem  Urteile  des  Medizinal- 
kollegiums  ist  die  durch  diese  beiden  neuen  Aufgaben  bedingte  Erweite- 
rung der  Tätigkeit  der  Stadtärzte  so  erheblich,  dafs  die  Heranziehung 
von  drei  weiteren  ärztlichen  Hilfskräften  und  die  Einstellung  ihrer  Bezüge 
fär  dreiviertel  Jahr  mit  dreimal  1360  Mark  in  das  Budget  für  1905  not- 
wendig wird. 

Abgelehnte  Sehnlärzte:  In  Lüdenscheid  lehnten  die  Stadtver- 
ordneten einen  Antrag  des  Magistrats  auf  Anstellung  von  vier  Schul- 
ärzten für  die  hiesigen  Volksschulen  mit  Hinweis  auf  die  im  allgemeinen 
günstigen  Gesundheitsverhältnisse  ab.  Auch  ein  Vermittlungsantrag,  die 
ärzäiche  Untersuchung  zunächst  auf  die  Lemanfänger  zu  beschränken,  fand 
keine  Mehrheit. 

In  Schmölln  bei  Altenburg  beschäftigte  sich  der  Schulvorstand  mit 
ein^n  vom  Bürgermeister  lebhaft  befürworteten  Antrage  auf  Anstellung 
eines  Schularztes,  gelangte  jedoch  zur  Ablehnung  des  Antrages  unter  Hin- 
weis darauf)  daOs  diese  Frage  angeblich  landesgesetzlicher  Erledigung  ent- 
gegengefOhrt  werden  soll. 

In  Colberg  stand  die  Anstellung  von  Schulärzten  zum  zweiten  Mal 
in  der  Stadtverordnetensitzung  zur  Beratung.  Trotz  Befürwortung  durch 
den  Bürgermeister  und  Medizinalrat  Dr.  Behhend  wurde  die  Vorlage 
wiederum  mit  14  gegen  11  Stimmen  abgelehnt. 


94  362 

Ans  Breslau  teilt  Herr  Stadtarzt  Dr.  Oebbeke  mit,  dafs  die  Schul- 
ärzte daselbst  Ton  jetzt  ab  zweimal  alle  drei  Jahre  eine  Zulage  von 
Mk.  150. —  erhalten.  Sie  steigen  also  vom  Anfangsgebalt  von  Mk.  500. — 
bis  auf  Mk.  800. — ;  die  bisherige  Dienstzeit  wird  angerechnet.  Man 
hofft  dadurch  jflngere  Ärzte  zu  gewinnen,  die  sich  lAngere  Zeit  dem  schul- 
ärztlichen Dienste  widmen  wollen. 

Ober  die  Magdeburger  aehnUrztüehen  Verhiltniase  teilt  uns 
Medizinalrat  Dr.  Stbasbneb  in  Ergänzung  und  teilweiser  Berichtigung  der 
bisher  im  „Schularet*^  enthaltenen  Notizen  folgendes  mit: 

Die  Spezialärzte  (Augenarzt  Sanitätsrat  Dr.  Schbeibeb,  Augenarzt 
Dr.  Sandmann,  Ohren-,  Nasen-  und  Halsarzt  Dr.  Richteb)  erhalten  je 
Mk.  1000,  wie  die  Schulärzte,  welche  den  Titel  Bezirksarzt  führen,  weil 
sie  gleichzeitig  Armenärzte  sind  und  als  Protokollfflhrer  bezw.  medi- 
zinische Sachverständige  in  den  23  Unterabteilungen  der  Gesundheits- 
kommission zu  wirken  haben.  Es  sind  also  23  Bezirksärzte,  drei  Spezial- 
ärzte und  ein  Stadtarzt  vorhanden. 

Alle  Kinder  werden  von  den  Bezirksärzten  bei  jeder  geringsten,  durch 
die  Untersuchung  festgestellten  Anomalie  den  Spezialärzten  Überwiesen, 
welche  selbst  auf  den  Gesundheitsscbeinen  das  Nötige  bemerken,  eine  Frist 
zur  Nachuntersuchung  bestimmen,  auch  auf  etwaige  Operationen  aufmerksam 
machen.  Die  notwendigen  Brillen  liefert  eventuell  die  Armendeputation 
umsonst.  Ohne  Angabe  der  Brillennummer  und  ohne  Gratislieferung  wurden 
keine  Brillen  von  den  Eltern  beschafft;  deshalb  auf  Wunsch  aller  Ärzte 
das  jetzige  Verfahren. 

Operationen  und  sonstige  Behandlung  werden  sogar  gelegentlich  in  den 
Polikliniken  der  Krankenhäuser  gratis  nachgesucht.  In  den  Polikliniken 
wirken  die  Spezialärzte  nicht  mit,  dagegen  ist  an  jedem  der  zwei  grofsen 
Krankenhäuser  je  einer  der  Augenärzte  Konsiliarius;  bei  armen  Kindern 
tritt  die  Armenpflege  ein. 

Für  die  Hilfsklassen  wollten  die  Lehrer  Spezialnervenärzte,  was 
bisher  nicht  für  notwendig  erachtet  werden  konnte,  da  in  diesen  Erlassen 
ausreichend  auf  diesem  Gebiete  erfahrene  Ärzte  wirken.  Auch  durch  Zahn- 
ärzte sind  bereits  privatim  Untersuchungen  angestellt  worden,  und  hat  man 
die  Absicht,  auch  solche  anzustellen. 

In  Magdeburg  soll  der  Kreisarzt  auch  zugleich  Stadt arzt  sein,  um 
Differenzen  zwischen  beiden  zu  vermeiden.  Für  die  Schulzwecke  hat  dies 
gute  Bedeutung;  gerade  die  Verbindung  beider  Stellungen  schafft  ein  aober- 
ordentlich  günstiges  Zusammenwirken  aller  Faktoren  und  gleichzeitig  schnellste 
Erledigung,  häufig  durch  telephonische  Besprechungen  zwischen  Schularzt 
und  Stadtarzt  (beide  besitzen  amtliche  städtische  Femsprecher).  Vor  allen 
Dingen  ftllt  auch  jedes  Mifsverständnis  oder  Gereiztsein  der  Kollegen  weg. 

Die  Schulärzte  müssen  laut  Dienstanweisung  der  preuüsischen  £[reis- 
ärzte  bei  amtlichen  Besichtigungen  der  letzteren  zugezogen  werden,  außer- 
dem teilen  sie  dem  Stadtarzt  ihre  Beobachtungen  und  WtUische  mit  (was 
bei  dem  Amtsarzt  oft  gern  vermieden  wird),  der  Stadtarzt  aber  vermittelt 
das  weitere.     Somit  klappt  es  hier  ganz  gut. 


363  95 


l^xtnfiüxHnn^tn  für  S^niäx^tt. 


Belehrang  fBr  Sehnlirzte  der  Stadt  Prag. 

Herausgegeben  am  16.  November  1904  vom  Stadtphysikat  der  Stadt  Prag. 

Die  fQr  die  Volks-  and  Bargerschalen  angestellten  Schalärzte  sind 
Ao&ichtsorgane  Aber  die  Sanit&tsznst&nde  der  Schalen  and  über  die  6e- 
sondheit  der  Schfller,  worflber  sie  an  den  Stadtphysikas  za  berichten  ver- 
pflichtet sind. 

Die  üntersachang  der  Kinder  geschieht  mit  entsprechender  Rücksicht 
gegen  den  Schüler  in  einer  mit  der  Schnlleitong  festgestellten,  aber  aaber 
dem  unterrichte  vorgeschriebenen  Zeit.  Sie  findet  in  einem  Separatzimmer 
and  womöglich  in  der  Gegenwart  des  Lehrers,  bei  Mädchen  stets  in  An- 
Wesenheit  der  Lehrerin  oder  mit  Rücksicht  aaf  besonderen  Wnnsch  in  der 
Gegenwart  der  Eltern  statt. 

Die  nmständlichere  üntersachang  jener  Kinder,  deren  Eltern  oder 
Stellvertreter  an  den  Klassenlehrer  einen  begründeten  Antrag  aaf  ünter- 
lassang  der  üntersachang  noch  vor  der  festgesetzten  Zeit  einreichen,  sollen 
nicht  vorgenommen  werden,  wenn  es  sich  sonst  am  keine  verdächtige,  über- 
tragbare Krankheiten  handelt,  oder  solche,  welche  besondere  Yerfügangen 
eriordert  (z.  B.  Schwachsinnigkeit  a.  a.) 

Ärztliche  Behandlang  erkrankter  Schalkinder  ist  nicht  die  Sache  des 
Schalarztes. 

Bei  seinem  Schalbesnche  soll  der  Schalarzt  den  Unterricht  nicht 
stören,  sondern  er  soll  sich  aaf  stille  Beobachtang  der  Schüler  beschränken. 
Ist  vielleicht  ein  Gespräch,  eine  Beratang  oder  Yerabredang  mit  dem 
Lehrer  erforderlich,  so  soll  es  am  Ende  des  Unterrichtes  geschehen,  die 
Fälle  der  aas  Yersäamnis  drohender  Gefahr  aasgenommen. 

In  den  Unterricht  eingreifen,  oder  dem  Lehrer  oder  Schaldiener  Rat- 
schläge erteilen,  ist  der  Schalarzt  nicht  befagt.  Die  Kritik  über  Qaantität 
oder  Qualität  des  Lehrstoffes  kann  er  den  kompetenten  Behörden  überreichen. 

Der  Schalarzt  soll  in  der  Schale  nar  im  Einvernehmen  mit  der 
Schnlleitang  handeln.  Kommt  es  za  Differenzen,  so  hat  jeder  seine 
daranf  bezüglichen  Beschwerden  in  erster  Linie  an  die  vorgesetzte  Behörde 
za  richten. 

Bei  den  Sanitätsverordnangen  ist  aaf  die  geltenden  Vorschriften  über 
behördliche  Kompetenz  za  achten. 

Der  weitere  Teil  der  Dienstordnnng  ist  intimen  Inhalts  and  der 
Öffentlichkeit  anbekannt.  Wir  glauben,  die  Dienstordnungen  für  Schul- 
ärzte sollten  geheimnisleer  lauten.  Wozu  bei  solchen  Sachen  Geheimnis- 
tuerei? Mitgeteilt  von  Lehrer  J.  ZsMAN-Nachod. 


Verlag  von  Leopold  Voss  in  Hamburg. 

Ästhetik 

Psychologie  des  Schönen  und  der  Kunst 

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Erster  Teil:  (lmiidl«iimg  der  Ästhetik. 


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Itttfdirifl  ^r  Si||iil|eftini||Htii|i)l(||t 

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XVIII.  Jahrgang.  1905.  No.  7. 


®rt$tiialabl)aii)tl]tii9eii. 


Die  sechste  Jahresversammlung 

des  Allgemeinen  Deutschen  Vereins  für  Schulgesundheitspflege 

am  14.  und  15.  Juni  1905  in  Stuttgart. 

Bericht  von 

Dr.  Rudolf  Abel, 
RegierangB-  und  Medizinalrat  in  Oppeln. 

Im  vergangenen  Jahre  hatte  der  Allgemeine  Deutsche  Verein 
ftr  Schnlgesnndheitspflege  im  Anschlnsse  an  den  Internationalen 
KongreiSs  für  Schnlgesnndheitspflege  in  Nürnberg  nur  eine  kurze, 
ausschlieiSslich  gesohäftliohe  Fragen  behandelnde  Sitzung  abgebalten. 
In  diesem  Jahre  wandte  er  sich  wieder  wissenschaftlichen  Ver- 
handlungen zu  und  hatte  dazu  seine  Mitglieder  auf  den  14.  und 
15.  Juni  nach  Stuttgart  eingeladen. 

Dem  dort  für  die  Vorbereitung  der  Versammlung  gebildeten 
OrtsausschuJis  war  es  gelungen,  in  dem  Vortragssaal  des  Landes- 
gewerbemuseimis  eine  allen  Anforderungen  genügende  Stätte  für  die 
Tagung  zu  gewinnen.  Auch  sonst  war  er  für  einen  erfreulichen 
Verlauf  der  Versammlung  durch  Veranstaltung  von  Besichtigungen 
und  Ausflügen,  sowie  eines  Festessens  bemüht  gewesen. 

Die  Stadtgemeinde  Stuttgart  widmete  den  Kongrefsteilnehmem 
neben  einem  Führer  durch  die  Stadt  eine  wertrolle  Festgabe  in 
Qestalt  eines  mit  Abbildungen  von  Plänen  und  Gebäuden  reich  ver- 
zierten Werkchens  über  das  Schulwesen  der  Stadt  Stuttgart.  Aufser 
einer  Übersicht  über  die  gesamten  vorhandenen  Schulen  alier  Art 
enthalt  das  60  Seiten  starke  Heftchen  eine  Beschreibung  der  neueren 
Schulbauten  und  eine  Darlegung  der  für  ihre  Errichtung  angewandten 
Grundsätze.     Es  sei  erwähnt,    dafs  seit  1885  in  den  Volksschulen 

SehaliresnndheitBpflegre.  XVIII..  20 


366 

Brausebäder  für  die  Schulkinder  angelegt  werden,  w&hrend  die 
Schüler  der  höheren  Schulen  regelmäfsig  klassenweise  das  Schwimm- 
bad der  Badgesellschaft  besuchen,  welch  letztere  übrigens  auch  den 
Volksschülem  jährlich  Tausende  von  Freikarten  schenkt.  Um  un- 
erwartet auftretendem  Bedürfnis  nach  Vermehrung  der  Schulzimmer 
sofort  gerecht  werden  zu  können,  hat  die  Stadt  drei  je  zweiklassige 
Schulbaracken  beschafft,  die,  nach  System  Doeckeb  von  Oubistoph 
&  Unmack  in  Niesky  gebaut,  je  nach  den  umständen  bald  hier 
bald  dort  aufgestellt  werden  können  und  nach  den  bisherigen  Er- 
fahrungen ihren  Zweck  vollkommen  erfüllen.  Hervorgehoben  werden 
muTs  femer  das  segensreiche  Wirken  des  Stuttgarter  Vereins  für 
Knabenhorte,  der  die  zu  Hause  nicht  beaufsichtigten  Kinder  in  der 
schulfreien  Zeit  sammelt,  bei  ihren  Schularbeiten  überwachen  labt, 
sie  mit  Spaziergängen,  Spielen,  Baden,  Schlittschuhlaufen  usw.  be- 
schäftigt, mit  Vesperbrot  versieht  oder  auch  wohl  ganz  speist  und 
diese  Tätigkeit  auch  in  den  Ferien  fortsetzt.  Eben  so  gemeinnützig 
ist  die  Arbeit  des  Stuttgarter  Vereins  für  Ferienkolonien,  der  allein 
1904  539  Kinder  in  Stadt-  und  Landkolonien  unterbrachte  und  seit 
dem  Voijahre  aufserdem  aus  einer  Schenkung  ein  eigenes  Erholungs- 
heim für  schwächliche  und  von  Krankheiten  genesende  Kinder 
besitzt. 

Die  ärztlichen  Vereine  Stuttgarts  und  der  Württembergische 
ärztliche  Landesverein  brachten  dem  Kongreis  als  Festgabe  ein  Heft 
ihres  Medizinischen  Korrespondenzblattes  dar,  das  wertvolle  Arbeiten 
von  Dr.  Oamebeb  jr.  über  „Gewichts-  und  Längenwachstum  der 
Kinder",  von  Dr.  Zahn  über  „Das  Stottern",  Prof.  Dr.  Königshöfeb 
über  „Kurzsichtigkeit",  Dr.  Bauer  über  „Die  Schule  als  Auslese- 
faktor'', Dr.  Beihlen  und  Dr.  Gastpab  über  „Schulkinderunter- 
suchungen und  schulhygienische  Verhältnisse  in  Stuttgart  überhaupt*' 
enthält. 

Die  Zahl  der  Versammlungsteilnehmer  soll  nach  Mitteilungen 
des  Ortsausschusses  über  600  betragen  haben.  Die  nach  Schiulis 
der  Tagung  ausgegebene  Teilnehmerliste  zählt  483  Namen  auf. 
Diese  im  Vergleich  zu  den  früheren  Versammlungen  auffallend 
grofse  Teilnehmerzahl  erklärt  sich  dadurch,  dals  unmittelbar  vor  der 
Tagung  eine  Versammlung  des  Württembergischen  Volksschullehrer- 
vereins in  Stuttgart  abgehalten  worden  war,  deren  Besucher  alsdann 
auch  an  den  Sitzungen  des  Vereins  für  Schulgesundheitspflege  sich 
beteiligten  und  dabei  die  ganz  überwiegende  Mehrzahl  der  Ver- 
sammlungsteilnehmer bildeten.    Zieht  man  die  Kongrefsbesucher  aus 


367 

Württemberg  von  der  GesamtteilDehmerzabl  Ten  483,  wie  sie  die 
gedruckte  Pr&senzliste  angibt»  ab,  so  bleiben  im  ganzen  nur  etwa 
40  nicht  württembergiBche  Teilnehmer  übrig,  von  denen  insgesamt 
nur  fünf  in  deutschen  Landen  östlich  der  Elbe  ihren  Wohnsitz 
haben  (Hamburg,  Berlin-Oharlottenburg,  Oppeln).  Kaum  mehr  als 
20  von  den  diesjährigen  KongreHsbesuchem  dürften  auch  den  früheren 
Versammlungen  des  Vereins  beigewohnt  haben.  Von  Männern,  die 
durcb  organisatorische  oder  wissenschaftliche  Tätigkeit  auf  dem 
Grebiete  der  Schulhygiene  bekannt  sind,  waren  nur  einige  wenige 
anwesend,  von  Hochschullehrern  der  Hygiene  allein  Prof.  Dr.  Jaeoeb 
aus  Strasburg  i.  E.  Inwieweit  diese  Zusammensetzung  des  Kongresses 
für  die  Wertung  der  von  ihm  gepflogenen  Verhandlungen  und  ge« 
bJsb&n  Beschlüsse  von  Bedeutung  sein  muls,  wird  weiter  unten  noch 
erörtert  werden. 

Aus  der  am  Morgen  des  zweiten  Tages  abgehaltenen  Geschäfts- 
sitzung sei  hier  gleich  das  wichtigste  rorweggenommen.  Bei  Gegen- 
wart von  28  Kongrelsteilnehmem,  einschliefslich  des  Vorstandes, 
wurden  zunächst  die  gemäls  Beschlufs  der  Toijährigen  Versammlung 
aufgestellten  neuen  Satzungen  des  Vereins  ohne  Besprechung  an- 
genommen. Die  Satzungen  sind  im  Anhange  zu  diesem  Berichte 
abgedruckt;  eine  kleine,  vom  Vorstand  beantragte  Änderung  in  §  4 
ist  durch  Schrägdruck  bemerkbar  gemacht  worden.  Als  Vorsitzender 
wurde  Prof.  Dr.  Gbiesbagh  in  Mülhausen  i.  E.  durch  Zuruf  wieder- 
gewählt, als  Beisitzer  wurden  auf  Vorschlag  des  Ortsausschusses 
Stuttgart  gewählt  Dr.  Koemank  -  Leipzig,  Dr.  Bauer  -  Stuttgart, 
Sanitätsrat  Prof.  Dr.  Habthann- Berlin,  Geh.  Oberbaurat  Deliüs- 
Berlin,  Stadtschubrat  Dr.  WEHBHAHN-Hannover,  Oberbürgermeister 
MüLiiEB-Kassel,  Sanitätsrat  Dr.  ScHMiDT-Bonn,  Gemeinderat  Stock- 
HATBB-Stuttgart. 

Im  Auftrage  der  Stadt  Karlsruhe  lud  Dr.  Steineb  den  Verein 
dorthin  für  nächstes  oder  übernächstes  Jahr  zur  Tagung  ein.  Es 
wurde  aus  der  Versammlung  geltend  gemacht,  man  müsse  einmal  in 
Nord-  oder  Ostdeutschland,  im  ELinblick  auf  die  geringe  dort  vor- 
handene Beteiligung  an  den  Vereinsbestrebungen,  tagen.  Schlielslich 
wurde  dem  Vorstande  die  Bestimmung  des  Ortes  für  die  nächst- 
jährige Tagung  überlassen. 

Als  Gegenstand  für  die  Verhandlungen  im  kommenden  Jahre 
schlug  die  Ortsgruppe  Stuttgart  des  Vereins  die  „Schulbankfrage'' 
vor,  Schulrat  Dr.  SALZMANN-Stuttgart  „Die  körperliche  Züchtigung 
der  Schulkinder''. 

20» 


368 

Einen  knrzeD  Bericht  über  die  Tätigkeit  des  Vereins  im  Jahre 
1904  erstattete  Dr.  KoRMANN-Leipzig.  Welches  Geschick  und  welche 
Wirkung  die  früheren  Beschlüsse  der  Vereinsyersammlungen  gehabt 
haben,  erfahr  man  wiederum  nicht.  Ebensowenig  wurde  mitgeteilt, 
was  aus  dem  Beschlüsse  der  vorjährigen  Versammlung  geworden  sei, 
nach  dem  mit  der  Zeüschrifl  für  Schtdgesundheitspflege  wegen  Ge- 
winnung dieser  als  Vereinsorgan  Verhandlungen  eingeleitet  werden 
sollten.  Die  B.echnungslegung  ergab  einen  günstigen  Abschluüs;  der 
Verein  hat  ein  kleines  Vermögen  von  1764  Mark  angesammelt. 

Es  folge  nunmehr  die  Schilderung  des  Verlaufes  der  wissen- 
schaftlichen Verhandlungen,  wobei  bemerkt  sein  mag,  dals  diesmal 
die  Leitsätze  der  Berichterstatter  den  Kongrefsteilnehmem  bereits 
vor  der  Versammlung  durch  eine  kurz  zuvor  versandte  Nummer  der 
Gesunden  Jugend,  des  Vereinsorgans,  bekannt  gegeben  worden  waren. 

Erster  Tag. 

Der  Vorsitzende,  Prof.  Dr.  GmESBACH-Mülhausen  i.  E.,  erteilte 
zunächst  das  Wort  zu  BegrüCsungsansprachen.  Der  württembergische 
Kultusminister  Dr.  von  Weizsäckeb  begrüüste  den  Verein  im  Namen 
des  Königs.  Er  betonte,  dals  nicht  allein  der  Satz  „Mens  sana  in 
corpore  sano'^  zutreffe,  sondern  daCs  man  umgekehrt  auch  die  Wirkung, 
die  ein  allseitig  gebildeter,  an  strenge  Pflichterfüllung  gewöhnter 
Geist  auf  die  Stählung  des  Körpers  habe,  würdigen  müsse.  —  Als 
Vertreter  der  preuüsischen  Minister  des  Kultus  und  der  öffentlichen 
Arbeiten  gab  Geheimer  Oberbaurat  Deliüs  deren  Interesse  an  dem 
Kongresse  Ausdruck.  —  Geheimrat  Dr.  Rettich  als  Vertreter  der 
Stadt  Stuttgart  hob  hervor,  dafs  von  den  Eandem,  die  die  Schulen 
einer  Groisstadt  besuchen,  kaum  20  7o  später  in  dieser  Stadt  ver- 
bleiben, während  die  anderen  sich  über  Land  und  Reich  zerstreuen. 
Darum  sei,  wenn  in  der  Schule  „künftighin  nicht  nur  gelehrt, 
sondern  auch  gepflegt  und  geheilt"  werden  solle,  an  allen  Orten 
damit  vorzugehen  und  Staat  und  Reich  zur  Mitwirkung  verpflichtet.  — 
Der  Präsident  des  württembergischen  Medizinalkollegiums,  vonNbstlb, 
wies  darauf  hin,  dafs  die  Gresundheit  der  Jugend  nicht  nur  durch 
die  vielberufene  Überbürdung  in  der  Schule,  sondern  in  nicht  ge- 
ringem Malse  auch  durch  vorzeitige  Genüsse  im  gesellschaftlichen 
Leben  gefährdet  wird.  —  Für  die  technische  Hochschule  zu  Stuttgart 
sprach  deren  Prorektor,  Prof.  Dr.  von  Weyrauch.  Die  technische 
Hochschule  habe  die  Forderungen  der  Hygiene  auf  technischem  Ge- 
biete in  die  Tat  umzusetzen,   sie  nehme  daher  gröistes  Literesse  an 


369 

den  Verbandliiiigen.  —  Femer  brachten  BegrüDsungen  dar,  zum  Teil 
auf  besonderen  Wnnsob  des  Vorsitzenden,  der  württembergisebe  ärzt- 
liche Landesverein,  der  Stuttgarter  Zweigverein  des  tagenden  Vereins, 
der  Deutsche  Lehrerverein,  der  Zentralausschufs  zur  Förderung  der 
Volks-  und  Jugendspiele,  der  Verband  der  Vereine  akademisch  ge- 
bildeter Lehrer,  und  die  schweizerische  Gesellschaf);  für  Schulgesund- 
heitspflege. Am  nächsten  Tage  schlols  sich  noch  der  Bund  deutscher 
Frauenvereine  mit  einer  BegrüJsung  an.  Der  französische  Verein 
fOr  Schulgesundheitspflege  sandte  ein  Telegramm. 

Der  Vorsitzende  äuiserte  mit  seinem  Danke  für  die  Begrülisungs- 
reden  seine  Freude  darüber,  dals  „der  Verein  überall  Anklang  finde ^. 
Seine  Kenntnis  selbst  älterer  Bände  der  Fliegenden  Blätter  bewies 
er  durch  Anbringung  des  alten  Kalauers:  der  Saal  sei  wohl  schon 
voller,  wohl  auch  schon  leerer,  aber  noch  nie  so  voller  Lehrer 
gewesen.  Dann  gab  er  eine  Art  von  Programmrede.  Nicht  das 
Inordnunghalten  der  Schulgebäude  sei  das  wesentliche  der  Schul- 
hygiene, wie  noch  oft  in  weiten  Kreisen  angenommen  werde,  sondern 
die  Hygiene  des  Unterrichts  sei  das  wichtigste.  Das  Nervensystem 
der  Schüler  in  den  höheren  Lehranstalten  werde  unverantwortlich 
überanstrengt.  Durchweg  gingen  die  Anstalten  in  ihren  Anforde- 
rungen über  den  achtstündigen  Arbeitstag  hinaus.  Für  die  Erholung 
und  eine  wirkliche  Teilnahme  der  Schüler  am  Familienleben  fehle 
die  Zeit.  Stets  wüchsen  die  Ansprüche  der  Examina.  Er  sei  über- 
zeugt, niemand  aus  der  Versammlung  würde  sofort  das  Abiturienten- 
ezamen  bestehen  können,  —  ja  selbst  die  Mitglieder  der  Prüfungs- 
kommission fiir  die  Abiturienten  veimöchten  dies  nicht!  Die  höhere 
Schule  möge  sich  mit  dem  Ziele  begnügen,  allgemeine  Bildung  zu 
vermitteln,  nicht  aber  solle  sie  ein  mathematisches,  naturwissenschaft- 
liches oder  philologisches  Fachstudium  beginnen,  denn  das  sei  Sache 
der  Universität.  Die  Verschlechterung  des  Nervensystems  vererbe 
sich;  die  Folge  müsse  sein,  dais  die  nächste,  wieder  überanstrengte 
Generation  noch  weniger  leistungsfähig  werde.  Abhilfe  könne  nur 
eine  Vereinfachung  und  Vereinheitlichung  des  gesamten  Schulunter- 
richts schaffen.  In  den  einzelnen  Bundesstaaten  müfsten  die  An- 
forderungen gleiche  sein.  Besonders  aber  solle  auch  die  Volksschule 
einheitlich  sein.  Nichts  von  konfessioneller  Abbröckelungl 
Alsdann  nahm  zum  ersten  Verhandlungsgegenstande 
Anfang  nnd  Anordnung  des  fremdsprachlichen  Unterrichts 
Universitätsprofessor  Dr.  Vietob  aus  Marburg  das  Wort.  Redner 
bittet  zunächst  um  Entschuldigung  dafür,    dais  seine  Leitsätze  dem 


370 

Thema  nicht  entsprächen.  Er  habe  angenommen,  das  Hinanfischieben 
des  fremdsprachlichen  Unterrichts  um  ein  Schuljahr  solle  als  be- 
schlossen gelten  und  nur  die  Art  der  Durchftihrung  besprochen 
werden.  Die  gröJjste  Gefahr  für  die  Schüler  sieht  der  Redner,  aulser 
in  der  Überbürdung  durch  zu  viele  Stunden  und  zu  vielerlei  Stoff, 
in  dem  Umstände  des  Unterrichts  durch  Fachlehrer.  Die  akademisch 
gebildeten  Lehrer  würden  zu  sehr  wissenschaftlich  und  zu  wenig  in 
der  Praxis  des  Unterrichtens  geschnlt.  Jeder  neige  dazu,  sein  Fach 
für  das  wichtigste  zu  halten  und  dem  Schüler  möglichst  viel  davon 
beizubringen.  Der  Vortragende  zieht  den  Vergleich:  Die  Bühne, 
die  zum  Spezialitätentheater  wird,  ist  keine  moralische  Anstalt  mehr 
und  übt  daher  auch  keine  moralische  Wirkung.  Der  Redner  wendet 
sich  weiter  der  viel  zu  starken  Bevorzugung  der  fremden  Sprachen 
zu.  Schon  auf  der  untersten  Gymnasialstufe  sind  dem  Lateinischen 
doppelt  soviel  Stunden  wie  dem  Deutschen  gewidmet.  Und  immer 
noch  werde  auf  die  grammatische  Schulung  der  Hauptwert  gelegt. 
Systematischer  Sprachunterricht  zur  sicheren  Einprägung  und  Hand- 
habung der  Sprachformen  mit  dem  Ziele  der  Übersetzung  von  einer 
Sprache  in  die  andere,  Einpauken  von  Gedächtnisstoff  auf  den  unteren 
Stufen  statt  Einführung  in  den  Geist  der  Sprache  sei  das  verfolgte 
Ziel.  Grammatik  ist  Abstraktion,  entspricht  daher  dem  kindlichen 
Verstände  und  seiner  auf  Beobachtung  xmd  Erfassung  des  rein  Sinn- 
lichen gerichteten  Geistesanlage  nicht.  Dem  so  auf  ihm  fremde 
Wege  gezwungeneu  Geiste  bleibe  die  Grammatik  die  bitterste  Er- 
innerung an  die  Schule.  Unnatürlich  sei  es  auch,  daijs  eine  tote 
Sprache,  das  Lateinische,  zur  ersten  Einführung  des  Schülers  in  eine 
fremde  Welt  der  Gedankenäuiserung  diene.  Dazu  sei  nur  eine 
lebende  Sprache  geeignet,  am  meisten  das  Englische,  in  zweiter  Linie 
das  Französische.  Vietob  gelangt  zur  Aufstellung  folgender  Leitsätze: 

1.  Es  ist  wünschenswert,  daüs  dem  fremdsprachlichen  Unterricht 
eine  längere  Beschäftigung  mit  der  Muttersprache  vorausgeht, 
wobei  nicht  auf  den  grammatischen  Betrieb,  sondern  auf 
die  Erweckung  und  Festigung  des  Sprachgefühls  —  in  Ver- 
bindung hiermit  auch  auf  die  lautliche  Schulung  an  der 
Hand  der  Mundart  —  das  Hauptgewicht  zu  legen  ist. 

2.  Die  gewonnene  Zeit  ist  nur  zum  Teil  auf  den  Unterricht 
im  Deutschen,  zum  anderen  Teil  auf  Erholung,  Spiel  und 
freie  Betätigung,  sowie  auf  die  Anleitung  zum  Beobachten 
und  auch  zeichnerischen  Darstellen  des  Beobachteten  zu 
verwenden. 


371 

3.  Das  HinanfBchieben  des  fremdsprachlichen  Unterrichts  darf 
der   überhaupt   zu    fordernden   Yerkürzimg    der    täglichen 
Unterrichtszeit  keinen  Eintrag  tun,  also  keine  spätere  Ver- 
mehrung der  fremdsprachlichen  Stunden  herbeiführen. 
Der  medizinische  Beferent,  Dr.  JAEOEB-Schwäbisch  Hall,  kommt 
imter  umfangreichen  Literaturzitaten  auf  Grund  ärztlicher  Erwägungen 
zu  dem  gleichen  Besultate.    Die  Schule  habe  nicht  nur,  wie  Kaiser 
Wilhelm  11.  gesagt   hat,    den  Zusammenhang  mit  dem  Leben  ver- 
loren, sondern  auch  den  Zusammenhang  mit  der  Natur.    Die  Sinne 
sind  die  Tore  des  Geistes ;  das  Kind  namentlich  eignet  sich  nur  an, 
was   ihm   sinnlich  begreifbar  ist.     Schon  Lütheb  hat  gewarnt,    die 
Buben    würden    vom   vielen  Sitzen    in  der  Schule  dumm.     Bedner 
ergeht   sich    zur  Begründung  seiner  Anschauungen  in  Erörterungen 
fiber   die  Anatomie   und   Physiologie    des    Gehirns.     Beim    Lernen 
fremder  Sprachen,    führt  er  dann  weiter  aus,  solle  man  den  Zweck 
des  praktischen  Gebrauches  im  Auge  behalten.    Die  alten  Sprachen 
8eien   kein   unentbehrlicher   Bestandteil    der    allgemeinen    Bildung. 
Keinesfalls  dürfe  fremden  Sprachen  zu  Liebe  die  Muttersprache  zu 
kurz  konmien. 

Das  Ergebnis  seines  Vortrags  bilden  folgende  Leitsätze: 

Mit  der  Frage  des  Themas  ist  die  Grundfrage  unseres  ge- 
samten heute  bestehenden  höheren  Schulwesens  angeschnitten. 
In  dieser  Beziehung  ist  in  erster  Linie  zweierlei  zu  wünschen: 
1.  Der  Unterricht  ist  im  ganzen  und  seinen  Teilen  zeitgemäfser 
zu  gestalten.  Die  Schule  muJjs  die,  vornehmlich  mit  dem  alten 
klasnschen  Unterricht  beschrittenen  Bahnen  weltfremder  Ideologie 
verlassen  und  sich  mit  ihren  Zielen  auf  den  Boden  der  Bedürf- 
nisse des  Lebens  und  der  Forderungen  der  Zeit  stellen.  2.  Der 
Unterricht  ist  im  ganzen  und  seinen  Teilen  naturgemäfser  zu 
gestalten.  Er  muis  den  Gesetzen  der  Biologie  und  Physiologie 
des  jugendlichen  Organismus,  insonderheit  des  Gehirns  angepafst 
werden.  Die  Schule  muJis  die,  namentlich  mit  dem  grammatikalisch- 
fremdsprachlichen Unterricht  beschrittenen  Bahnen  des  einseitigen 
Intellektualismus  und  Formalismus  verlassen  und  eine  naturgemä&e, 
auf  der  Grundlage  der  Sinne  und  ihrer  Tätigkeit  aufgebaute, 
möglichst  gleichmälsige  und  harmonische  Ausbildung  aller  G^istes- 
und  Körperkräfte  ins  Auge  fassen.  Unter  Berücksichtigung  dieser 
Punkte  ergibt  sich  für  den  Sprachunterricht  im  besonderen: 
1.  Die  Muttersprache  ist  in  den  Mittelpunkt  dieses  Unterrichts  zu 
stellen.     2.  Die  Frage  nach   dem  Beginn  des  fremdsprachlichen 


372 

Unterriclits  ifit  in  zwei  zu  zerlegen,  da  es  zwei  Wege  der  Erlernung 
gibt:  a)  den  Weg,  wie  das  Kind  die  Muttersprache  erlernt;  b)  den 
Weg  der  Grammatik.  Der  erstere  ist  der  natürliche,  physiologisch- 
biologische  Weg.  Er  entspricht  dem  erwerbenden,  sto&ammelnden 
Denken  der  Jugend  und  der  allmählichen  Entwicklung  des  Gehirns 
an  der  fiand  der  Sinne  und  der  Anschauung.  Diese  Art  kann 
einsetzen :  so  früh  sie  will.  Der  andere  Weg,  der  der  Grammatik, 
entspricht  dem  ordnenden  Denken  des  Erwachsenen,  dem  fertig- 
entwickelten, für  den  verwickelten  ProzeliB  abstrakt- philosophischer 
Denkoperationen  ausgereiften  Gehirn.  Für  diese  Art  gilt  deshalb: 
so  spät  als  möglich.  Der  fremdsprachliche  Unterricht  ist  jedenfalls 
auf  der  Unterstufe,  soweit  es  irgend  die  Eigenart  des  Massen- 
betriebs der  Schule  ermöglicht,  der  ersten  Art  zuzuweisen.  Hier- 
aus ergibt  sich  für  die  B ei hen folge  der  Fremdsprachen:  1.  Zu- 
nächst lebende  Sprachen,  da  sie  allein  der  Forderung  der  natürlichen 
Erlernung  genügen  können.  2.  Ihre  Folge  müfste  sein:  erst  Eng- 
lisch, dann  Französisch,  weil  der  Gang  vom  Näherstehenden  und 
damit  Leichteren  zum  Femstehenden  und  Schwierigeren  der  natür- 
lichen Entwicklung  der  jugendlichen  Kräfte  mehr  entspricht. 
3.  Der  ausschliefslich  grammatikalische  Betrieb  der  toten  Sprachen 
(Latein,  Griechisch  und  fiebräisch)  ist  den  höheren  und  höchsten 
Altersstufen  zuzuweisen. 

Li  der  an  die  Vorträge  sich  anschlieisenden  lebhaften  Diskussion 
nahm  zuerst  Oberrealschuldirektor  Dr.  Hintzmann  -  Elberfeld  das 
Wort.  Er  spricht  sich  entschieden  für  die  Verschiebung  des  Be- 
ginnes fremdsprachlichen  Unterrichtes  um  ein  Jahr  aus.  Als  Be- 
gründung dafür  bringt  er  noch  einen  neuen  Gesichtspunkt  vor,  nämlich 
dafs  für  das  Schulkind  der  Übergang  von  der  Vorschule  auf  die 
höhere  Schule  schon  an  und  für  sich  einen  eingreifenden  Wechsel 
bedeute.  Bis  dahin  von  einem  Lehrer  in  allen  Fächern  unterrichtet, 
erhält  es  nun  Unterricht  von  verschiedenen  Lehrern.  Daran  muls 
es  sich  erst  allmählich  gewöhnen,  —  und  nun  solle  es  dabei  zugleich 
noch  eine  fremde  Sprache  lernen  I  Warm  nimmt  sich  der  Redner 
des  Gymnasiums  an.  Auch  die  Leute,  die  bei  uns  in  Deutschland 
Grofses  in  Handel  und  Industrie  geleistet  haben,  sind  doch  meistens 
Schüler  des  Gymnasiums  gewesen,  das  damit  seine  Fähigkeit,  auch 
für  das  praktische  Leben  zu  bilden,  erwiesen  hat.  Man  dürfe  auch 
nicht  vergessen,  dafs  das  Gymnasium  sich  ebenfalls  weiter  entwickelt 
habe,  z.  B.  dem  naturwissenschaftlichen  Unterricht  heute  viel  mehr 
Sorge  angedeihen  lasse  als  früher.  —  Die  Frage,  wie  im  Unterrichte 


373 

die  Fremdsprachen  aufeinander  zu  folgen  haben,  solle  und  könne 
man  nur  durch  praktische  Unterrichtsversuche  entscheiden.  Schliefs- 
lich  betont  der  Bedner,  dals  das  Erlernen  einer  fremden  Sprache  in 
einigen  wenigen  Unterrichtsstunden  wöchentlich  doch  etwas  anderes 
sei  als  das  Erlernen  der  Muttersprache,  —  einerlei,  welche  Methode 
man  anwende.  Man  dürfe  so  gar  viel  Ersparnis  an  Zeit  gegenüber 
der  bisherigen  Unterrichtsmethode  nicht  erwarten. 

Dieser  Auffassung  schlieJjst  sich  Professor  MüLLEB-Stuttgart 
ganz  an.  Nur  wer  dauernd  in  fremdsprachiger  Umgebung  lebt, 
lernt  auch  die  fremde  Sprache  schnell.  Das  Kind  vergiist  aber  auch 
ebenso  schnell  wieder,  wie  die  Erfahrungen  mit  ausländischen  Bonnen 
zeigen. 

Professor  ViETOR-Marburg  bemerkt,  worauf  es  ankomme,  sei  ja 
nicht  Zeitersparnis,  sondern  Beseitigung  des  mechanisch  einzulernenden 
gramnaatischen  Ballastes  durch  Einführung  der  induktiven  Unter- 
richtsmethode. 

Direktor  TbeütiiEIN  -  Karlsruhe  berichtet  über  günstige  Erfah- 
nmgen  am  Beformgymnasium  zu  Karlsruhe,  das  fün&tufigen  gemein- 
samen Unterbau  für  Gymnasium  und  Bealgymnasium  hat  und 
Französisch  als  erste  Fremdsprache  lehrt. 

Professor  FEüCHT-Stuttgart  glaubt,  das  Gymnasium  werde  viel 
SU  scharf  verurteilt.  Auch  das  Griechische  lasse  sich  nach  induktiver 
Methode  (Gouin)  lehren. 

Direktor  Dr.  HoRN-Prankfurt  a.  M.  führt  unter  dem  Beifall  der 
Versammlung  aus,  wir  Deutschen  krankten  überhaupt  an  einer  Über- 
schätzung der  fremden  Sprachen  gegenüber  unserer  Muttersprache. 
Je  mehr  fremde  Sprachen  eine  Schule  lehre,  desto  angesehener  sei 
sie.  Als  Beispiel  dafür,  dais  ein  späterer  als  der  gegenwärtig  übliche 
Beginn  des  fremdsprachigen  Unterrichts  dem  Lehrerfolge  nichts 
schade,  zieht  er  die  Erfahrungen  einer  Madchenschule  in  Tilsit  an. 
Dort  habe  man  versuchsweise  statt  im  vierten  erst  im  fünften  Schul- 
jahr mit  dem  Französischen  begonnen,  aber  am  Schlüsse  des  Schul- 
kursus, obwohl  158  Unterrichtsstunden  weniger  erteilt  worden  waren, 
das  gleiche  Lehrziel  erreicht. 

Nachdem  noch  Lehrer  Beichebt- Stuttgart  nach  seinen  Er- 
fahrungen in  der  Volksschule  ebenfalls  es  als  wünschenswert  be- 
zeichnet hat,  das  vierte  Schuljahr  noch  ausschlielslich  für  die  Pflege 
der  deutschen  Sprache  zu  verwenden,  und  Lehrer  BEUTTEB-Göppingen 
vergeblich  den  Antrag  gestellt  hat,  doch  statt  des  Französischen  das 
Italienische  als  erste  Fremdsprache  zu  lehren,  wird  zur  Abstimmung 


374 

über  einen  Ton  Vietob  eingebrachten  Antrag  folgenden  Wortlauts 
geschritten : 

„Die  sechste  Jahresversammlung  des  Allgemeinen  deutschen 
Vereins  für  Schulgesundheitspflege  spricht  den  Wunsch  aus,  es  möge 
den  Schulen,  die  sich  dazu  bereit  erklären,  versuchsweise  erlaubt 
werden,  den  fremdsprachlichen  Unterricht  erst  in  der  zweituntersten 
Klasse  zu  beginnen;  sie  bittet  den  Vorstand,  diesen  Beschluls  den 
deutschen  Regierungen  zu  übermitteln.^ 

Der  Antrag  wird  mit  72  gegen  3  Stimmen  bei  insgesamt  75 
Anwesenden  angenommen. 

Damit  schlössen  die  wissenschaftlichen  Verhandlungen  des  ersten 
Tages.  Am  Nachmittage  folgten  die  Kongrefsbesucher  einer  Ein- 
ladung des  Königs  von  Württemberg  zu  einem  Sommerfeste  in  sein 
prachtiges  Lustschlofs  Wilhelma,  wo  sie  mit  einem  Imbüs  bewirtet 
und  vom  Oberhofmarschall  im  Namen  des  Königs  begrüüst  wurden. 

Zweiter  Tag. 

Die  wissenschaftlichen  Arbeiten  des  zweiten  Tages  begannen  mit 
einem  Vortrage  des  Ersten  Stadtarztes  Dr.  GASTPAB-Stuttgart  über 

Sehfllernntersnchniigen. 

Es  sei  vorweg  bemerkt,  daüs  der  Vortragende  zu  einem  Heferat 
über  diesen  Gegenstand  besonders  geeignet  erscheinen  muiste,  da  im 
letzten  Jahre  nach  seinem  Plane  und  unter  seiner  Leitung  in  Stutt- 
gart ausgedehnte  Untersuchungen  von  Volksschülem  mit  ganz  be- 
sonderer Gründlichkeit  vorgenommen  worden  sind. 

An  der  Notwendigkeit  einer  von  der  Schule  ausgehenden 
gesundheitlichen  Überwachung  der  Kinder,  führt  der  Redner  aus, 
könne  kein  Zweifel  bestehen.  In  der  Stadt  seien  die  Kinder  allgemein 
in  der  Entwicklung  benachteiligt,  wie  die  Bekrutenstatistik  zeigt 
Das  liege  an  schlechter  Ernährung,  mangelhafter  Wohnung,  un- 
günstigen sozialen  Verhältnissen  überhaupt.  Aber  auch  auf  dem 
Lande  scheine  die  Kinderpflege  schlechter  zu  werden.  Redner  weist 
darauf  hin,  dafs  die  Bauern  z.  B.  immer  mehr  Milch  zur  Stadt 
liefern,  die  früher  ihren  Kindern  zugute  kam.  Die  schädlichen 
Wirkungen  der  Schule  auf  die  Gesundheit  der  Kinder  durch  Über- 
füUung  der  Klassen,  Licht-  und  Luftmangel,  Überbürdung  usw.  sind 
anerkannt.  Die  Schule  ist  nach  der  ganzen  Lage  der  Dinge  der 
Ort,  an  dem  man  am  besten  Massenuntersuchungen  von  Kindern 
auf  ihre  Gesundheit  vornehmen  kann.    Wie  oft  die  Untersuchungen 


375 

erfolgen  sollen,  dafür  gibt  es  noch  keine  allgemein  angenommenen 
Grundsätze.  Aasznführen  sind  die  üntersachongen  yom  Arzt,  nicht 
Tom  Lehrer,  der  jedoch  mitwirken  kann  und  mnis.  Die  Unter- 
SQohungen  sollen  den  Schnlbetrieb  möglichst  wenig  stören.  Sie  sollen 
mit  Einverständnis  der  Eltern  und  ohne  Kosten  für  sie  geschehen, 
sie  sollen  rasch  und  für  die  Kinder  schonend  sein,  aber  dabei  doch 
80  genau,  daJjs  der  Arzt  ein  vollständiges  Bild  des  Gesundheits- 
zustandes gewinnt. 

Redner  führt  des  näheren  aus,  wie  diesen  allgemeinen  An- 
forderungen bei  den  Schuluntersuchungen  in  Stuttgart  genügt  worden 
ist.  Es  wurde  dort  ein  besonderer  Dienstraum  als  Ort  für  die 
Untersuchungen  bereitgestellt,  der  vor  und  nach  der  Untersuchung 
gereinigt  und  nach  Bedarf  mit  Formalin  desinfiziert  wurde.  Es  wurde 
darauf  gesehen,  dafs  die  Kinder  nicht  zu  weite  Wege  zurückzulegen 
hatten  und  einschlieMich  der  Wege  nicht  über  vier  Stunden  durch 
die  Untersuchung  aufgehalten  wurden.  Wägen  und  Messen  der 
Kinder  nahmen  erwachsene  Hil&personen  des  gleichen  Geschlechts 
vor.  Die  Kinder  wurden  bei  der  Untersuchung  bis  aufs  Hemd 
entkleidet,  nur  wo  besondere  Gründe  vorlagen,  ganz,  doch  wurde 
der  Oberkörper  für  die  physikalische  Untersuchung  von  Lungen  und 
Herz  stets  entblöüst.  Bei  der  Untersuchung  des  Bachens  wurde  ein 
Spatel  nicht  benutzt,  sondern  die  Zunge  mit  dem  Taschentuch  her- 
vorgezogen. 

Die  Entscheidung,  ob  überhaupt  eine  Untersuchung  stattfinden 
sollte,  wurde  den  Eltern  überlassen.  92,%  der  Eltern  schickten  ihre 
Kinder,  viele  begleiteten  sie  selbst.  Etwa  500  Kinder,  die  für 
Ferienkolonien  usw.  bestimmt  waren,  wurden  wiederholt  bestellt;  sie 
kamen  alle,  und  zwar  fast  immer  in  Begleitung  der  Eltern. 

Den  Lehrern  wurde  von  dem  Untersuchungsbefande  Mitteilung 
gemacht.  Redner  hält  eine  Entschädigung  der  Lehrer  für  die  Mehr- 
belastung, die  ihnen  durch  die  Führung  von  Gesundheitsscheinen 
und  die  Ausfüllung  von  Fragebogen  erwächst,   für  recht  und  billig. 

Der  die  Untersuchung  ausführende  Arzt  mufs  aulser  der  genauen 
Au&ahme  des  Status  auch  der  Anamnese  gröfsten  Wert  beimessen. 
Spezialärzte  müssen  für  schwieriger  zu  beurteilende  Fälle  zur  Yer- 
fägung  stehen. 

Die  Schüleruntersuchungen  in  Stuttgart  haben  in  mehrfacher 
Beziehung  wichtige  Befunde  ergeben.  Es  seien  nur  die  Streiflichter 
erwähnt,  die  sie  auf  die  allgemeinen  hygienischen  Verhältnisse 
werfen.     Etwa  die  Hälfte  der  Yolksschüler   hat  kein  eigenes  Bett, 


376 

ein  grolser  Prozentsatz  überhaupt  kein  Bett  znr  Yerfügang.  Der 
Einfluls  der  Wohnung  auf  die  Gresundheit  zeigt  sich  in  der  Beob- 
achtung, dafs  die  innere  Stadt  für  Augenleiden  und  Tuberkulose  die 
höchsten  Ziffern  ergab.  Besonders  auffallend  ist  der  hohe  Prozent- 
satz von  Albuminurie  unter  den  Knaben,  von  denen  bei  etwa  5000 
der  Urin  auf  Eiweils  untersucht  wurde.  Nicht  weniger  als  3% 
aller  untersuchten  hatten  mehr  als  iVoo  Eiweifs  (nach  Essbach 
bestimmt)  im  Urin ;  mit  dem  Alter  wuchs  die  Häufigkeit  der  Albu- 
minurie. (Bei  den  Mädchen  wurden  keine  Urinuntersuchungen  vor- 
genommen.) —  Der  Vortragende  zieht  aus  den  Stuttgarter  Unter- 
suchungsbefunden den  gewifs  berechtigten  Schluis,  dafs  für  den 
Gesundheitszustand  der  Yolksschüler  sicher  die  häuslichen  oder 
sonstigen  Lebensverhältnisse  von  weit  gröiiserer  Bedeutung  sind  als 
die  Einwirkungen  der  Schule. 

Die  Honorar-  und  Anstellungsverhältnisse  (Beamteneigenschaft) 
der  Schulärzte  liels  der  Redner  aulser  Betracht.  Stark  betonte  er 
die  Notwendigkeit  schulärztlicher  Überwachung  aller  Schulen,  auch 
der  höheren.  Dreifach  sei  die  Aufgabe  des  Schularztes:  den  Eltern 
müsse  er  Weisungen  geben,  was  sie  für  die  Genesung  oder  Gesund- 
erhaltung ihrer  Kinder  zu  tun  hätten;  im  Schulbetriebe  müsse  er 
BAt  erteilen,  um  gesundheitsschädliche  Einwirkungen  fernzuhalten; 
in  die  Öffentlichkeit  müsse  er  gehen,  um  zu  belehren,  das  allgemeine 
Interesse  für  seine  Bestrebungen  zu  erwecken  und  Mithelfer  an  dem 
wichtigen  Werke  der  Erziehung  einer  gesunden  Jugend  zu  ge- 
winnen. 

Die  von  Dr.  Gastpab  aufgestellten  Leitsätze  lauten  folgender- 
maisen : 

1.  Unser  modernes  Leben  mit  dem  raschen  Verbrauch  der 
Kräfte,  wie  er  namentlich  in  unseren  groüsen  Städten  nachweisbar 
ist,  zwingt  uns,  unsere  Sorge  der  heranwachsenden  Jugend  mehr 
als  seither  zuzuwenden. 

2.  Es  ist  insbesondere  notwendig,  dafs  wir  sowohl  die  körper- 
lichen Verhältnisse  unserer  Jugend  in  der  Stadt  und  auf  dem 
Lande  kennen  lernen,  als  auch  die  hereditären,  häuslichen  und 
sozialen  Verhältnisse,  in  denen  sie  aufwächst,  erfassen.  Alle  die 
normale  Entwicklung  hemmenden  Einflüsse,  mögen  sie  ausgehen, 
von  welcher  Seite  sie  wollen,  sind  dabei  besonders  zu  berück- 
sichtigen. 

3.  Alle  die  Untersuchungen  wären  sinnlos,  wenn  ihnen  nicht 
der  Gedanke    der   energischen  Abhilfe   der   gefundenen    Schäden 


377 

zugrunde  liegen  würde,  möge  der  Schwerpunkt  im  einzelnen  Fall 
nnn  mehr  auf  allgemein  hygienischem,  rein  ärztlichem  oder  päda- 
gogischem Gebiet  liegen. 
Der  yorzügliohe  Vortrag  Gastpabs  wurde  mit  lebhaftem  Beifall 
aufgenommen  und  yeranlaiste  eine  umfangreiche  Debatte. 

Geheimrat  Prof.  Dr.  LEiTBUSCHEB-Meiningen  sieht  die  wichtigste 
Aufgabe  darin,  die  Eltern  für  die  durch  die  Bestellung  von  Schul- 
ftrzten  betätigte  Fürsorge  für  die  Gesundheit  ihrer  Kinder  zu  inter- 
essieren, wozu  die  Veranstaltung  yon  Elternabenden  wohl  geeignet 
erscheint,  um  wirksam  mithelfen  zu  können,  müfsten  die  Lehrer 
hygienisch  gebildet  sein.  Damit  hapere  es  noch  vielfach;  es  seien 
z.  B.  die  hygienischen  Vorlesungen  für  Philologen  auf  den  üni- 
▼ersitäten  mehrfach  wegen  mangelnder  Beteiligung  eingestellt  worden« 
Als  Schularzt  eigne  sich  am  besten  der  praktische  Arzt,  weil  er  über 
die  häuslichen  Verhältnisse  der  Kinder  durch  seinen  Beruf  schon 
Kenntnis  hat. 

Lehrer  RsiCHEBT-Stuttgart  hat  die  Erfahrung  gemacht,  dafs 
selbst  kräftige,  gut  genährte  Kinder  im  ersten  Schuljahre  körperlich 
zurückgehen,  weil  die  Anforderungen  der  Schule  zu  hohe  sind. 
Wichtig  erscheint  ihm  eine  Feststellung  der  Beziehungen  zwischen 
Sehvermögen  und  schlechter  Belichtung  der  Klassenräume. 

Kreisarzt  Dr.  KaiEGE-Barmen  will  bei  den  Schulkindern  dreierlei 
Arten  von  Krankheiten  unterschieden  wissen,  nämlich  vor  der 
Schule  erworbene,  während  der  Schulzeit,  aber  nicht  durch  Schuld 
der  Schule  entstandene,  und  während  der  Schulzeit  und  durch  die 
Schule  erzeugte.  Es  sei  nötig,  das  schon  erarbeitete  imd  noch 
weiter  zu  gewinnende  Material  an  Untersuchungsbefunden  nach  be- 
stimmten Grundsätzen  statistisch  zu  verwerten  und  dazu  ein  Formular 
aufzustellen. 

Geheimrat  Prof.  Dr.  LEUBUSCHEB-Meiningen  bemerkt  dazu,  dals 
die  im  Vorjahre  in  Nürnberg  gebildete  Kommission  demnächst  ein 
solches  Formular  vorlegen  werde. 

Die  Schulinspektoren  ScHMEHL-Worms  und  Mülleb- Wiesbaden 
halten  dafür,  man  solle  bei  der  Aufnahme  der  Kinder  in  die  Schule 
vorsichtig  verfahren  und  zu  junge  Kinder  nicht  aufnehmen.  Man 
erreiche  so  ein  kräftigeres  und  bildungsfähigeres  Schülermaterial. 
Die  als  Folge  der  späteren  Aufnahme  sich  ergebende  spätere  Schul- 
entlassung sei  kein  Fehler,  vielmehr  von  Vorteil  für  die  Kinder, 
die  dann  körperlich  besser  entwickelt  und  sittlich  reifer  ins  Berufis- 
leben  einträten.    Ein  Hindernis  für  den  späteren  Schulbeginn  bildet 


378 

der  Wnnscli  manober  Eltern,  ihre  Kinder,  die  sie  zn  Hanse  nicht 
genügend  überwachen  können,  möglichst  früh  der  ScbnlanfBicht  zu 
übergeben.  Die  Stadt  Wiesbaden  hat  da  ein  zweckmärsiges  Aas- 
kunftsmittel  gefanden,  indem  sie  in  ihrem  Haushalt  2000  Mark  zur 
Unterbringung  wenig  entwickelter  schulfähiger  Kinder  in  Kinder- 
gärten eingestellt  hat. 

Lebhaft  erörtert  wird  die  Frage,  ob  auch  für  die  höheren 
Schulen  die  Anstellung  von  Schulärzten  nötig  und  nützlich  sei. 
Dabei  wird  zugleich  über  das  Thema  hinaus  die  Notwendigkeit  einer 
Ausrüstung  der  akademisch  gebildeten  Lehrer  mit  hygienischen 
Kenntnissen  diskutiert.  Übereinstimmend  sind  alle  Redner,  wie 
Direktor  Dr.  HoRN-Frankfurt  a.  M.,  Prof.  Dr.  Habtmann- Leipzig, 
Prof.  Dr.  JAEOEB-Straisburg  i.  E.,  Geheimrat  Prof.  Dr.  Leubuschbb- 
Meiningen,  also  Philologen  und  Ärzte,  dafür,  einzig  Oberstudienrat 
Dr.  EoELHAAE-Stuttgart  spricht  dagegen.  In  den  höheren  Schulen, 
meint  er,  seien  die  Kinder  vom  Eltemhause  her  hygienisch  besser 
versorgt,  vom  Hausarzte  gesundheitlich  überwacht.  Die  Lehrer  der 
höheren  Schule  würden  infolgedessen  yon  der  Sorge  für  die  hygie- 
nischen Verhältnisse  ihrer  Schüler  nicht  entfernt  so  berührt  wie  die 
VolksschuUehrer,  und  daraus  erkläre  es  sich,  dafs  sie  auch  nicht  der 
Hygiene  das  gleiche  Literesse  entgegenbrächten  wie  jene. 

Dr.  GrASTPAB  konnte  noch  die  Mitteilung  machen,  dals  nach 
einer  ihm  soeben  gewordenen  Nachricht  in  Württemberg  Schulärzte 
für  alle  Schulen  anzustellen  beabsichtigt  werde.  Dann  fand  der 
folgende,   yon  ihm  eingebrachte  Antrag  fast  einstimmige  Annahme: 

„Die  Versammlung  wolle  beschliefsen,  den  Regierungen  nahe 
zu  legen,  daCs  die  schulärztliche  Überwachung  nicht  nur  auf  die 
Volksschulen,  sondern  auf  sämtliche  Schulen,  insbesondere  auch  auf 
die  höheren  Knaben-  und  Mädchenschulen  ausgedehnt  werde." 

Als  letzter  Gregenstand  der  Tagung  kam  danach  zur  Ver- 
handlung 

Der  ungeteilte  Unterricht 

(Kürzung  der  einzelnen  Unterrichtsstunden  und  Verlegung  des 
wissenschaftlichen  Unterrichts  auf  den  Vormittag.) 

Für  diesen  Gregenstand  waren  drei  Referenten  bestellt,  je  ein 
Philologe  für  die  höheren  und  für  die  Volksschulen  und  ausserdem 
ein  Arzt. 

Oberrealschuldirektor  Dr.  HiNTZMANN-Elberfeld  legte  dar,  in 
den  preuisischen  höheren  Schulen  erreichen  die  Unterrichtsstunden 
in    den  Oberklassen    die   Zahl    von  39  wöchentlich.     Rechne  man 


379 

dazu  nook  täglich  drei  Standen  Hausarbeit  und  eine  Stunde  Schul- 
weg, 80  würden  etwa  elf  Standen  täglich  von  der  Schule  beschlag- 
nahmt. Da  müsse  es  den  Schülern  an  Zeit  zu  Körperübungen,  zu 
eigener  geistiger  Arbeit  und  zur  Pflege  des  Familienlebens  fehlen. 
Eine  Verminderung  der  Schulstundenzahl  sei  kaum  möglich,  nur 
ihre  Dauer  könne  yerringert  werden,  und  dann  gelinge  es,  den  ge- 
samten Unterricht  am  Vormittage  zu  erledigen.  Man  müsse  die 
Schulau&ichtsbehörden  bitten,  Versuche  mit  solch  abgekürzter  Stunden- 
dauer unter  Fortfall  des  Nachmittagsunterrichts  zu  gestatten. 

Lehrer  BASS-Stuttgart  kommt  vom  Standpunkt  der  Volksschule 
za  dem  gleichen  Wunsche.  Alles  Wesentliche  seiner  Ausführungen 
geben  seine  Leitsätze  wieder. 

Dr.  med.  et  phil.  HELLPACH-Earlsruhe  yerlangt  vor  allem,  dals 
die  höhere  Schule  auf  den  Eintritt  der  Geschlechtsreife  mehr  Rück- 
sicht nehme  und  nicht  den  Primaner  wie  den  Sextaner  behandle. 
Dementsprechend  sei  auch  bei  der  Regelung  der  Unterrichtszeit  für 
die  Unterklassen  anders  als  für  die  Oberklassen  zu  verfahren.  Im 
sechsten  bis  achten  Lebensjahre  sei  eine  Stundendauer  von  30  Mi- 
nuten anzustreben,  bis  zur  Pabertät  die  Zeit  von  45  Minuten  das 
Höchstmais.  Pausen  von  fünf  Minuten  seien  wertlos,  Zehnminuten- 
pausen das  mindeste,  zugleich  aber  sei  eine  Steigerung  der  Pausen- 
dauer von  Stunde  zu  Stunde  nötig.  Q>elinge  es  nicht,  die  Stunden- 
dauer so  zu  kürzen,  daijs  sich  der  Unterricht  in  4Vi  Vormittags- 
standen erledigen  lä&t,  so  müsse  wohl  oder  übel  der  Nachmittags- 
unterricht aushelfen.  Dafür  sind  aber  die  Stunden  von  2—4  Uhr 
nicht  brauchbar,  weil  sie  die  Verdauungszeit  darstellen,  sondern  nur 
die  Stunden  von  4 — 7  Uhr.  Auch  sie  sind  aber  nicht  günstig,  denn 
im  Sonuner  sind  sie  heifs,  im  Winter  erfordern  sie  künstliche  Be- 
leuchtung. Man  müsse  auch  den  geistigen  Druck  bedenken,  unter 
dem  der  Schüler  den  ganzen  Tag  steht,  wenn  er  Vor-  und  Nach- 
mittags Unterricht  hat.  Das  Ideal  bleibe  der  freie  Nachmittag. 
Von  der  Pubertätszeit  an  müsse  die  ganze  Unterrichtsart  wechseln. 
Der  Schüler  müsse  mehr  Freiheit  haben,  vom  Lehrer  nur  angeregt 
selbständig  denken  lernen.  Der  Unterricht  müsse  aber  auch  als 
Gegengewicht  gegen  die  Neigung  der  Pubertätszeit  zu  Gredanken- 
sprüngen  Stetigkeit  zeigen,  nicht  so  häufig  den  Stoff  wechseln  wie 
auf  der  Unterstufe.  Es  seien  dann  in  den  weniger  den  Geist  an- 
strengenden Fächern  Doppelstunden  von  80  Minuten  Dauer  zulässig. 
—  Ein  Vorschlag,  wie  der  Stoff  stundenmäfsig  zu  verteilen  sei,  ist 
in  den  Leitsätzen    des  Redners    enthalten.     Auch   er   betont,    man 


380 

müsse  experimentell  die  beste  Lösung  finden,  ohne  Versuche  sei  eine 
Entscheidung  nicht  herbeizuführen. 

Die  Leitsätze  der  drei  Redner  lauten: 
A)  Hintzmann: 

1.  Die  Unterrichtszeit,  welche  die  preuisischen  Lehrpläne  von 
1901  für  die  mittleren  und  oberen  Klassen  fordern,  ist  zu  grofs. 
Die  Zahl  der  Unterrichtsstunden  steigt  unter  Einschluis  von 
3  Tum-,  2  Chorgesang-^  1  Schreib-,  2  wahlfreien  Zeichen-  nnd 
2  wahlfreien  englischen  oder  hebräischen  Stunden  bis  auf  39;  die 
Schüler  müssen  also  durchschnittlich  bis  zu  6Vs  Stunde  tftglioh, 
d.  h.  an  mehreren  Tagen  bis  zu  7,  ja  an  einzelnen  Tagen  sogar 
8  Stunden  in  der  Schule  zubringen. 

2.  Daraus  folgt,  dafs  die  Schüler  zum  Anfertigen  der  häus- 
lichen Schularbeiten  weder  die  notwendige  oder  geeignete  Zeit 
noch  die  erforderliche  geistige  Kraft  und  Frische  haben. 

3.  Den  Schülern  fehlt  weiter  erst  recht  die  Zeit  und  darum 
auch  die  Möglichkeit,  für  ihre  körperliche  Ertüchtigung  zu  sorgen, 
ihrer  Individualität  entsprechenden  wissenschaftlichen  oder  künst- 
lerischen Neigungen  nachzugehen  oder  gröfsere  selbständige 
Arbeiten  anzufertigen. 

4.  Die  Erziehung  zu  selbständiger  geistiger  Tätigkeit  ist  aber 
die  vornehmste  Aufgabe  der  höheren  Schulen. 

5.  Um  jene  Übelstände  zu  beseitigen  und  diese  Aufgaben 
sicherer  lösen  zu  können,  erscheint  es  geboten,  abgesehen  vom 
Turnen,  den  gesamten  in  den  Lehrplänen  genannten  Unterricht 
auf  den  Vormittag,  als  die  für  geistige  Arbeit  geeignetste  Zeit,  zu 
verlegen,  die  Nachmittage  also  für  Turnen  und  andere  körperliche 
Übungen  (Spielen,  Schwimmen,  Rudern)  und  für  die  häusliche 
Arbeit  und  selbstgewählte  Beschäftigungen  freizuhalten. 

6.  Das  ist  nur  möglich,  wenn  jede  Unterrichtsstunde  auf 
45  Minuten  beschränkt  wird.  Es  können  dann  an  den  sechs 
Wochentagen  bis  zu  36  Unterrichtsstunden  vormittags  erteilt 
werden,  etwa  nach  folgendem  Plan: 

1.  Stunde  7— 7*^  (46  Min.) 

1.  Pause  7«— 7«^«  (5  Min.) 

2.  Stunde  7*<>— 8«*  (46  Min.) 

2.  Pause  8»»— 8^<>  (16  Min.) 

3.  Stunde  8^«— 9»«^  (46  Min.) 

3.  Pause  9»^— 9*<»  (5  Min.) 


381 

4.  Stunde  9*»— 10«  (45  Min.) 

4.  Panse  10«— 10*^  (20  Min.) 

5.  Stunde  10*«^— 11»<>  (45  Min.) 

5.  Pause  11»«— 11*^  (15  Min.) 

6.  Stunde  11«— 12»«  (45  Min.) 

7.  Derartige  Pläne  sind  jahrelang  erprobt  und  haben  sich 
nicht  nur  als  durohfährbar,  sondern  als  anderen  Plänen  überlegen 
erwiesen.  Die  Schüler  sind  im  Unterricht  frischer  und  lebendiger, 
im  Hause  arbeitsfreudiger. 

8.  Die  Schulverwaltungen  sind  zu  bitten,  zunächst  wenigstens 
Versuche  mit  derartigen  Lehrplänen  machen  zu  lassen. 

B)  Bass: 

1.  Die  far  die  ungeteilte  Unterrichtszeit  im  allgemeinen  geltend 
gemachten  sanitären  und  sozialen  Gründe  treffen  für  die 
Schüler  der  Volksschule  ebenfalls,  teilweise  sogar  in  yerstärktem 
Mafse  zu. 

2.  Wenn  auch  die  Überbürdung  der  Schüler  durch  die  An- 
forderungen des  Lehrplans  und  die  Zahl  der  Unterrichtsstunden 
hier  nicht  so  bedeutend  ist  wie  in  den  höheren  Schulen,  so  ist 
doch  auch  für  die  Volksschüler  ein  Gregengewicht  gegen  die  geistige 
Anstrengung  und  eine  zusammenhängende  schulfreie  Zeit 
im  Interesse  einer  günstigen  körperlichen  und  somit  auch  geistigen 
Entwicklung  wünschenswert. 

3.  Eine  pädagogisch  und  psychologisch  begründete  Not- 
wendigkeit für  die  uDgeteilte  Unterrichtszeit  besteht  nicht.  Doch 
ist  die  Minderwertigkeit  des  Nachmittagsunterrichts  nicht 
nur  experimcDtell  nachgewiesen,  sondern  auch  erfahrungsgemäfs 
anerkannt.  Die  Gründe  gegen  den  reinen  Vormittagsunterricht 
bieten  manches  Beachtenswerte,  bilden  aber  bei  einer  richtigen 
Regelung  dieser  Einrichtung  kein  absolutes  Hindernis  für  deren 
Einführung.  Persönliche  Interessen  der  Lehrer  kommen  bei  dieser 
Frage  nur  in  geringem  Mafse  in  Betracht. 

4.  Die  praktische  Durchführung  der  ungeteilten  Unter- 
richtszeit ist  wegen  der  geringen  wöchentlichen  Stundenzahl  und 
der  gröfseren  Mannigfaltigkeit  der  Unterrichtsfächer  in  der  Volks- 
schule leichter  möglich  als  in  den  höheren  Schulen. 

5.  Eine  Verringerung  der  wöchentlichen  Stunden- 
zahl müüste  nur  in  Oberklassen  städtischer  Volksschulen  sowie 
in   mittleren    und    oberen    Klassen    der   Bürger-    und   Mädchen- 

Schnlgesandheitspflege.  XVIII.  21 


382 

mittelscholeD  eintreten;  durch  die  Verlegung  der  technischen 
Fächer  auf  den  Nachmittag  könnte  eine  solche  ganz  umgangen 
werden.  Eine  Verminderung  auf  30  Stunden  wöchentlich  dürfte 
keinerlei  Schädigung  der  allgemeinen  Volksbildung  mit  sich 
bringen,  falls  durch  eine  richtige  Verteilung  der  Stunden  auf  die 
einzelnen  Fächer,  durch  eine  psychologisch  begründete  Methode 
und  durch  Vermeidung  der  nur  äulseres  Wortwissen  yermittelnden 
Stoffe  eine  Vertiefung  der  Schularbeit  eintritt 

6.  Einer  durch  einen  höchstens  fünfstündigen  Vormittags- 
unterricht befürchteten  Ermüdung  der  Schüler  soll  durch  zweck- 
mäfsige  Aufeinanderfolge  der  Fächer,  besonders  aber  auch  durch 
genügende  Pausen  nach  jeder  Stunde  begegnet  werden. 

7.  Es  empfiehlt  sich,  zunächst  im  Sommer,  einen  Versuch 
mit  der  ungeteilten  Unterrichtszeit  in  denjenigen  Orten  zu  machen, 
in  denen  die  Eltern  nach  vorausgegangener  Belehrung  dieser  Ein- 
richtung zustimmen.  In  vielen  Städten  hat  der  Versuch  zur 
dauernden  Einrichtung  geführt  und  den  Beweis  erbracht,  dab, 
wenn  das  Problem  der  durchgehenden  Arbeitszeit  einmal  im 
breiten  Volksleben  durchgeführt  wird,  es  für  die  Volksschule  nur 
wünschenswert  und  förderlich  sein  kann. 

0)  HELLP  ach: 

1.  Die  Aufgabe  der  geistigen  Gesundheitspflege  gegenüber 
dem  Problem  der  ünterrichtsverteilung  kann  nicht  in  der  Ein- 
mischung in  materielle  Dnterrichtsreformfragen  gesucht  werden, 
wofern  nicht  gerade  Zustände  vorliegen^  die  mit  dem  Postulat  der 
Gesunderhaltung  der  Jugend  absolut  unvereinbar  sind.  Vielmehr 
ist  es  unsere  Sache,  mit  dem  bestehenden  Unterricht  nach  Um- 
fang und  Inhalt,  ja  selbst  mit  einer  weiteren  Verschiebung  in  der 
Richtung  wachsender  Vielgestaltigkeit  (z.  B.  durch  Einführung 
neuer  Disziplinen,  etwa  der  Biologie)  zu  rechnen  und  auf  dieser 
Basis  eine  hygienisch  möglichst  einwandfreie  Unterrichtsverteilung 
anzustreben. 

2.  Die  Unterrichtsverteilung  darf  nicht  eine  für  das  gesamte 
Schulwesen  schematische  sein.  Sie  hat  sich  zu  orientieren  nach 
dem  wichtigsten  Marksteine  im  jugendlichen  Leben:  der  Pubertät 

3.  Für  die  Schulstufen  bis  zur  Pubertät,  also  Volksschule 
und  Unter-  und  Mittelstufe  der  höheren  Schule,  ist  es  hygienisch 
und  psychologisch  in  gleichem  Malse  zweckmäfsig,  die  einzelne 
Unterrichtsstunde  auf  45  Minuten  zu  normieren  und  unter  Ein- 


383 

ffiguDg  einer  lömiDutigen  und  mehrerer  lOminntigen  Pausen  den 
gesamten  wissenschaftlichen  Unterricht  anf  den  Vormittag 
zu  konzentrieren. 

4.  a)  Für  die  Oberstufe  ist  weitgehende  fakultative  ünter- 
riohtsgestaltung  anzustreben, 
b)  Die  Ausdehnung  der  Unterrichtsstunde  auf 
80  Minuten  ist  für  solche  Fächer,  welche  keine  un- 
ausgesetzte einseitige  oder  maximale  Aufmerksamkeits- 
spannung fordern^,  als  psychologisch  vorteilhaft  und 
hygienisch  unbedenklich  ins  Auge  zu  fassen, 
o)  Der  Unterricht  soll  an  drei  Wochentagen  nur  vormittags, 
und  zwar  in  vier  Zeitstunden  (=  fünf  Unterrichtsstunden), 
an  den  drei  anderen  Tagen  vor-  und  nachmittags  in  je 
drei  Zeitstunden  (=  zwei  Unterrichts-Doppelstunden) 
erteilt  werden. 

d)  Dabei  ist  der  Nachmittagsunterricht  aus  hygienischen 
wie  psychologischen  Gründen  auf  den  Spätnachmittag 
(4 — 7  Uhr)  zu  verlegen. 

e)  Während  der  Zeit  vom  1.  Juni  bis  31.  August  ist, 
soweit  nicht  Ferien  sind,  der  Stundenplan  dahin  ab- 
zuändern, dafe  unter  Kürzung  desselben  um  mindestens 
drei  Stunden  der  wöchentliche  Unterricht  in  sechs  Vor- 
mittagen zu  je  vier  Zeitstunden  und  zwei  Nachmittagen 
zu  je  1^/s  Zeitstunden  erledigt  werden  kann. 


Master: 
Oberprima  einer  Oberrealsehule. 


Montag 

8—9*^  Mathematik 
9*>— 11     Deutsch 


i  — .  5*«  Franzosisch 
5«-  7     Geschichte 


Dienstag 


8—8^»  Mathematik 
9«)_iQMy  Physik 

1Q48 11»  \ 

ll«__i2»<»|  Zeichnen 

Nachmittag 
freil 


Mittwoch 


8  —  9~  Mathematik 
9*«-ll     Physik 


4  —  5"®  Chemie 
4*«—  7     EngUsoh 


^  Z.  B.  Dentsch,  Geschichte,  experimentierende  nnd  beschreibende  Natur- 
wissenschaften. Ungeeignet  sind  Mathematik,  mathematische  Physik  und 
grammatische  Fächer. 

21» 


384 


Donnentag 


Freitag 


Sonnabend 


8  —  8«»  Mathematik 
8«>-  9"  Physik 
95o_io»»  Französisch 
10*»— II««  Englisch 
11"— 12«*  Deutsch 

Nachmittag 
freil 


8  —  9«o  Englisch 
9*^—11     Französisch 


4  —  6>o  DenUoh 
ö**^—  7     Geschichte 


8*0«.  9S6|  Religion 

1Q«»_11W  r  Zeichnen 
114»_12»o  Gesang 

Nachmittag 
freil 


Es  entfallen  aaf  je  ein  Fach  wöchentlich: 


nach  dem  alten  Plan: 
(z.  B.  0  I  Karlsruhe) 

nach  vorstehendem  Plan: 

Religion 

Deutsch 

Geschichte 

Französisch 

100  Minuten 
200        „ 
150        „ 
200        „ 
200        „ 
260        „ 

200   : 

100        „ 
200        „ 

ßo      „ 

90  Minuten 
206        „ 
160        „ 
205        , 

Englisch 

Mathematik 

Physik 

Chemie 

Zeichnen 

Gesang 

205        , 
260        , 
216        l 

80   : 

180        „ 
45        „ 

Summa : 

1660  Minuten 

1685  Minuten 

5.  Die  gymnastisobe  Betätigung  ist  auf  der  Ober- 
stufe fakultativ  und  die  Teilnahme  aller  an  ihr  durch  mög- 
lichst vorzügliche  Organisation  seitens  der  Schule  ohne  Zwang 
zu  sichern. 

6.  Für  Springstunden,  wie  sie  bei  einer  hinreichend 
fakultativen  Unterriohtsgestaltung  unyermeidlich  werden,  sind 
Arbeitsräume  (nach  dem  Muster  der  seminaristischen  und  ähn- 
lichen Räume  an  Hochschulen)  bereitzustellen. 

In  der  Diskussion  macht  sich  in  Übereinstimmung  mit  den 
Referenten  ganz  allgemein  der  Wunsch  nach  AbschafiFung  des  Nach- 
mittagsunterrichts bemerkbar.  Stadtschulrat  Dr.  WEHBHAHK«Hannover 
und  Direktor  REINMÜLLEB-Hamburg  zweifeln  nach  ihren  Erfahrungen 
nicht  daran,  dafs  die  Eltern  in  ihrer  überwiegenden  Mehrzahl  mit 
einer  Verlängerung  des  Vormittagsunterrichts  unter  Freihaltung  der 
Nachmittage  einverstanden  sein  werden.  Studienrat  Professor  Ra.tdt- 
Leipzig  verlangt,  die  Jugendspiele  am  Nachmittage  jedenfalls  obli- 
gatorisch zu  machen,  damit  nicht  gerade  die  Schüler  dabei  fehlen, 
für  deren  körperliche  Ausbildung  die  Teilnahme  am  nötigsten  ist. 
Sehr  entschieden  sprechen  sich  mehrere  Redner  gegen  das  Abitu- 
rientenezamen  aus,  das  zu  riesiger  Überlastung  der  Schüler  im  letzten 


385 

Schuljahr  Anlafis  gebe  und  zum  öden  JSinpauken  von  Wissensstoff 
fahre. 

Von  mehreren,  der  Versammlung  vorgelegten  Antrfigen,  die  in- 
haltlich etwa  das  gleiche  besagen  wollen,  wird  schlielslich  folgender 
Antrag  Hintzmann  einstimmig  angenommen: 

„Gkgen  die  heute  allgemein  übUohe  Sohulzeiteinteilung  sind  im 
hygienisch  und  unterrichtlioh-erziehüchen  Interesse  schwere  Bedenken 
zu  erheben.  Der  Vorstand  wird  daher  beauftragt,  die  geeigneten 
Schritte  bei  den  JElegierungen  zu  tun,  um  zahlreiche  Versuche  an 
Volks-  und  höheren  Schulen  zu  veranlassen,  durch  die  die  Frage 
der  zweckmftisigen  Unterrichtszeit  ihrer  Lösung  entgegengeführt  wird, 
auch  die  Ärzte  und  Lehrervereine  um  ihre  Mitarbeit  hierbei  anzu- 
gehen.*' 

Die  Tagesordnung  war  damit  erschöpft.  Der  Nachmittag  brachte 
den  Versammlungsteilnehmern  Gelegenheit,  verschiedene  Schulen  der 
Stadt  zu  besichtigen,  unter  denen  sich  sehr  schöne  neue  Gebäude 
befinden.  Abends  fanden  sich  40 — 50  Personen  zu  einem  Festessen 
zusankmen,  das  in  angeregter  Stimmung  verlief.  Für  den  folgenden 
Tag  endlich  hatte  der  OrtsausschuJs  einige  Ausflüge  in  die  land- 
schaftlich schöne  Umgebung  der  Stadt  vorbereitet. 


Überblickt  man  den  Verlauf  der  Versammlung  und  sucht  man 
sich  ein  Bild  von  dem  Ergebnis  der  Tagung  zu  machen,  so  mufs 
man  ohne  Einschränkung  zugeben,  dals  sie  weit  zweckmäfsiger  vor- 
bereitet war  als  die  letzte  wissenschaftliche  Versammlung  des  Ver- 
eins zu  Bonn  1903,  über  die  in  dieser  Zeitschrift,  Bd.  XVI,  S.  463 
berichtet  worden  ist.  Der  Fehler  einer  Überladung  der  Tagesordnung 
mit  Verhandlungsgegenständen  war  diesmal  vermieden  worden.  Die 
Vereinsmitglieder  hatten  die  Leitsätze  der  Eeferenten  rechtzeitig  in 
die  Hände  bekommen,  so  dafs  sie  noch  vor  der  Abreise  zum  Kon- 
greis  Zeit  hatten,  sie  zu  durchdenken.  Über  die  verhandelten  Fragen 
wurden  kurze  und  bündige  Beschlüsse  gefafst  —  kurz,  äuüserlich 
war  alles  in  Ordnung.  Es  sei  auch  ganz  davon  abgesehen,  dafs  das 
Thema  des  ungeteilten  Unterrichtes  bereits  1903  schon  (Referat 
von  Dr.  BjBNSBUBa-SoUngen)  behandelt  worden  war  und  zu  Be- 
schlüssen Veranlassung  gegeben  hatte  — ,  die  Wichtigkeit  des  Gegen- 
standes mag  die  wiederholte  Besprechung  rechtfertigen. 

Haben  aber  die  Beschlüsse  des  Vereins  wirklich  die  Bedeutung, 
die   er   selbst  ihnen   beilegt?    Sind  sie  von  solchem  Gewicht,  dafs 


386 

die  Schnlaufsichtsbehörden  mit  ihnen  notwendig  rechnen,  sieh  vor 
der  Sachkenntnis  der  Leute,  die  sie  gefa&t  haben,  beugen  müssen? 
Diese  Frage  mnis  verneint  werden.  Der  Verein  hat  es  bisher 
nicht  verstanden,  die  hervorragenden  Kräfte  der  Schulgesnndheits- 
pflege  so  in  sich  zu  vereinen  und  so  zu  tätiger  Mitarbeit  anzuregen, 
daJs  er  wirklich  als  „Deutscher  Verein  fQr  Schulgesundheitspfiege'' 
gelten  könnte.  Jede  Tagung  zeigt  ein  neues  Bild,  —  um  den 
Vorstand  geschart  die  Freunde  der  Schule  aus  dem  Versammlungs- 
orte un^  seiner  Umgebung,  die  von  den  früheren  Verhandlungen 
nichts  wissen  und  größtenteils  auch  von  der  Schulgesundheitspflege 
nicht  viel  mehr.  Dem  Verein  fehlt  das,  was  Dr.  Hellpach  in 
seinem  diesjährigen  Vortrage  für  ein  mannbares  Individuum  als 
unentbehrlich  bezeichnete,  die  Stetigkeit.  In  jeder  Versammlung 
führen  andere  Redner  in  der  Diskussion  das  Wort.  Aufiser  den 
Mitgliedern  des  Vorstandes  wird  man  nicht  zehn  Teilnehmer  finden, 
die  mehr  als  zwei  Vereinsversammlungen  beigewohnt  haben.  Der 
Vorstand  ist  also  eigentlich  der  Verein  und  die  alljährlichen  Vereins- 
beschlüsse sind  der  Ausdruck  der  von  ihm  einer  Versammlung  von 
lokalen  Schulhygieneamateuren  saggerierten  Gedanken.  Als  Meinungs- 
äulserungen  eines  kleinen  für  die  Schulhygiene  interessierten  6e- 
lehrtenkreises  mögen  sie  ja  ihren  Wert  haben,  aber  eine  über- 
zeugende, zwingende  Kraft,  wie  sie  ihnen  eignen  müfste,  wären 
sie  das  Ergebnis  einer  Verhandlung  aller  Besten  und  Ersten  auf 
dem  Gebiete  der  Schulgesundheitspflege,  —  eine  solche  Kraft  gebt 
ihnen  völlig  ab.  Und  dafs  die  Verhandlungen  des  Vereins  an  den 
zuständigen  Stellen  tatsächlich  nicht  hoch  eingeschätzt  werden,  geht 
zur  Genüge  daraus  hervor,  dafs  im  Gegensatze  zu  ihrer  anfiUiglicheii 
Gepflogenheit  diesmal  nur  ganz  vereinzelt  Regierungen  und  gröfsere 
Städte  Fachleute  zu  der  Tagung  als  Vertreter  entsandt  hatten. 


Anhang. 

Satzungen  des  Deutsehen  Vereins  fBr  Schulgesundheitspflege. 

§  1.     Der  Verein  führt  den  Namen: 
Dentscher  Verein  für  Schnlgesundheitspflege  (D.  Y.  f.  Seh.) 
and  verfolgt  den  Zweck: 

Die  Kenntnis  der  Lehren  der  Hygiene  in  den  Schulen  des  Deutschen 
Reiches  zu  verbreiten  and  die  der  Gesundheit  der  Lehrer  und  Schüler 
durch  die  Schale  drohenden  Gefahren  zu  beseitigen. 


387 

Dieser  Zweck  soll  erreicht  werden 

a)  durch  Yeranstaltimg  von  YersammliiDgen,  in  denen  Vorträge  nnd 
Verhandlnngen  über  Fragen  ans  dem  Gebiete  der  Schulgesnndheits- 
pflege  stattfinden, 

b)  dnrch  Gründung  von  Ortsgruppen, 

c)  dnrch  Heransgabe  einer  regelmäfsig  erscheinenden  Zeitschrift: 
,,Gesnnde  Jugend '^  mit  dem  Znsatze:  Mitteilungen  des  Deutschen 
Vereins  für  Schulgesnndheitspflege.    Diese  Zeitschrift  soll  bringen : 

1.  Protokolle  und  Berichte  über  die  Vereinsangelegenheiten  und 
Vereinsversammlungen,  insbesondere  auch  die  dort  gehaltenen 
Vorträge, 

2.  fortlaufenden  Nachrichtendienst  über  alle  Gebiete  der  Schul- 
hygiene. 

§  2.  Die  Mitgliedschaft  wird  erworben  durch  Zahlung  eines  einmaligen 
Beitrags  von  mindestens  50  Mark  oder  eines  jährlichen  von  mindestens 
3  Mark.  Das  Recht,  als  Ehren-Förderer  des  Vereins  genannt  zu 
«erden,  wird  erworben  durch  Zahlung  eines  einmaligen  Beitrags  von 
500  Mark  und  darüber. 

Vereine  und  Körperschaften  erlangen  die  Mitgliedschaft  durch  Zahlung 
eines  jährlichen  Beitrags  von  mindestens  10  Mark. 

Jedes  Mitglied  ist  berechtigt,  an  allen  Versammlungen  des  Vereins  teil- 
zunehmen und  erhält  die  vom  Verein  herausgegebene  Zeitschrift  unentgeltlich. 

Die  Mitgliedschaft  erlischt  durch  freiwilliges  Ausscheiden  des  Mit- 
gliedes oder  wenn  ein  Mitglied  die  Zahlung  des  Jahresbeitrages  verweigert 
oder  trotz  wiederholter  Mahnung  unterlälst,  durch  Beschlufs  des  Vorstandes. 

§  3.     Die  Organe  des  Vereins  sind: 

a)  der  Vorstand, 

b)  die  Mitgliederversammlung. 
§  4.     Der  Vorstand  besteht  aus: 

einem  Vorsitzenden, 
einem  ständigen  Geschäftsführer, 
einem  Schatzmeister  und 
acht  Beisitzern. 
Der  Vorsitzende    und    die  Beisitzer   werden   von  der  Mitglieder- Ver- 
sammlung (§  8)  auf  die  Dauer  von  zwei  Jahren  gewählt.    Wiederwahl  ist 
Zulässig  mit  der  Emst^ränhung,  dafa  die  Hälfte  der  Beisitzer  neu  gewählt 
werden  mufs. 

Die  Wahl  erfolgt  durch  einfache  Stimmenmehrheit  im  Wege  der 
schriftlichen  Abstimmung,  kann  aber  auf  Antrag  auch  durch  Zuruf  erfolgen, 
wenn  hiergegen  von  niemand  Widerspruch  erhoben  wird. 

Bei  der  schriftlichen  Abstimmung  ist  im  ersten  Wahlgange  der  Vor- 
sitzende zu  wählen.  Ergibt  sich  hierbei  Stimmengleichheit,  so  entscheidet 
das  vom  Vorsitzenden  der  Versammlung  zu  ziehende  Los. 

Die  Beisitzer  werden  hierauf  in  einem  Wahlgange  gewählt,  und  die- 
jenigen acht  Mitglieder  sind  als  gewählt  zu  betrachten,  welche  die  meisten 
Stimmen  erhalten  haben.  Der  neugewählte  Vorstand  übernimmt  die  Ge- 
schäfte unmittelbar  nach  der  Jahresversammlung,  in  der  seine  Wahl  erfolgt 
ist,  und  wählt  aus  seiner  Mitte  zwei  Stellvertreter  des  Vorsitzenden. 


388 

Der  Geschäftsführer  und  der  Schatzmeister  werden  Tom  Vorstand  za- 
gewählt  nnd  haben  das  gesamte  Schriftwesen  und  die  Kassengeschäfte  des 
Vereins  zu  besorgen;  der  Geschäftsführer  bezieht  eine  Tom  Vorstände  fest- 
zusetzende Vergütung. 

Der  Vorstand  kann  sich  selbst  ergänzen,  falls  eines  oder  mehrere 
seiner  Mitglieder  im  Laufe  der  Wahlzeit  ausscheiden. 

§  5.  Der  Vorstand  setzt  seine  Geschäftsordnung  selbst  fest ;  er  sorgt 
ftlr  die  Ausfährung  der  Beschlttsse  der  Mitgliederversanmüung,  bestimmt 
Zeit  und  Ort  dieser  Versammlungen,  trifft  die  hierzu  erforderlichen  Vor- 
bereitungen, setzt  die  Tagesordnung  fest  und  ernennt  die  Berichterstatter; 
er  nimmt  Beitrittserklärungen  neuer  Mitglieder  entgegen,  fertigt  die 
Mitgliedskarten  aus,  empfängt  die  Beiträge  und  sonstigen  Einnahmen,  be- 
streitet die  Ausgaben  und  hat  überhaupt  alle  sonstigen  Vereinsangelegen- 
heiten, insbesondere  die  mit  der  Heransgabe  der  Zeitschrift  des  Vereins 
yerbundenen  Geschäfte  wahrzunehmen;  er  hat  alljährlich  der  Mitglieder- 
Tersammlung  über  die  Verwaltung  der  Einnahmen  und  Ausgaben  und  des 
VereinsvermOgens  Rechnung  abzulegen,  sowie  über  seine  gesamte  Geschäfts- 
führung Bericht  zu  erstatten. 

§  6.  Zur  Bearbeitung  einzelner  Angelegenheiten,  die  der  Beschluls- 
fassung  der  Mitgliederversammlung  zu  unterbreiten  sind,  kann  der  Vorstand 
—  auch  ohne  besonderen  Auftrag  der  Mitgliederversammlung  —  Ansflchflsse 
einsetzen,  die  das  Recht  haben,  sich  durch  weitere  Mitglieder  zu  ergänzen. 
Der  Vorsitzende  des  Ausschusses  hat  dem  Vorstande  vor  der  nächsten  Mit- 
gliederversammlung über  die  Tätigkeit  des  Ausschusses  Bericht  zu  erstatten. 

§  7.  Den  Mitgliedern  des  Vorstandes  und  der  Ausschüsse  (§  6) 
werden  die  ihnen  aus  ihrer  Geschäftsführung  erwachsenen  notwendigen 
baren  Auslagen,  bei  Reisen  aufserdem  angemessene  Tagegelder,  vergütet 
Die  erforderlichen  Bestimmungen  hierüber  werden  vom  Vorstande  getroffen. 

§  8.  Eine  Versammlung  der  Mitglieder  des  Vereins  findet  regel- 
mäßig einmal  im  Jahre  statt.  Aufserordentliche  Versammlungen  können 
berufen  werden,  wenn  es  der  Vorstand  für  zweckmäCsig  hält  oder  wenn 
30  Mitglieder  es  verlangen. 

Zutritt  zu  den  Versammlungen,  soweit  sie  nicht  als  öffentliche  gelten, 
haben  nur  die  Mitglieder  gegen  Vorzeigung  ihrer  Mitgliedskarte  und  vom 
Vorstande  etwa  besonders  eingeladene  Personen. 

§  9.  Der  Beschlufsfassung  der  Mitgliederrersammlung  unterliegen 
folgende  Angelegenheiten: 

1.  Die  Wahl  des  Vorsitzenden  und  der  Mitglieder  des  Vorstandes  mit 
Ausnahme  des  ständigen  Geschäftsführers  und  des  Schatzmeisters, 

2.  die  Jahresrechnung  und  der  Geschäftsbericht  des  Vorstandes, 

3.  die  Wahl  zweier  Rechnungsprüfer  für  die  nächste  Mitglieder- 
versammlung (diese  prüfen  das  Rechnungswerk  und  erstatten  der 
nächsten  Versammlung  Bericht,  nachdem  der  Vorstand  üher 
Beanstandungen  gehört  worden  ist), 

4.  alle  sonstigen  Vorlagen  des  Vorstandes, 

5.  Anträge  die  von  Vereinsmitgliedem  spätestens  vier  Wochen  vor 
der  Versammlung   beim  Vorsitzenden   schriftlich  angemeldet  sind, 

6.  jede  Änderung  der  Satzungen. 


389 

Bei  allen  Beschlttssen  der  Mitgliederversammlaog  entscheidet  die 
einfache  Stimmenmehrheit  der  Anwesenden.  Bei  Stiomiengleichheit  gibt 
die  Stimme  des  Vorsitzenden  den  Ausschlag,  bei  Wahlen  jedoch  das  vom 
Vorsitzenden  zu  ziehende  Los. 

§  10.  Zar  Deckung  der  Kosten  einer  Mitgliederrersammlang  kann 
Ton  jedem  Teibiehmer  ein  dnrch  den  Vorstand  vorher  festzusetzender 
Beitrag  erhoben  werden. 

§  11.  Die  AnflOsnng  des  Vereins  kann  nnr  eine  besonders  zn  dem 
Zweck  einberufene  Versammlung  beschließen.  Der  Beschlufs  tritt  nur  in 
Kraft,  wenn  zwei  Drittel  der  anwesenden  Mitglieder  daftLr  sind. 

§  12.  Das  Rechnung^ahr  des  Vereins  l&uft  vom  1.  Oktober  bis 
30.  September. 

§  13.  Diese  Satzungen  treten  mit  dem  Tage  ihrer  Genehmigung 
durch  die  Mitgliederversammlung  an  Stelle  der  bisherigen  Satzungen  in 
Kraft  (d.  h.  also  vom  15.  Juni  1905  an). 


Erinnemng  an  gemeixuam  mit  Professor  VON  MIKULIOZ 
gemachte  schnlhygienische  Beobachtungen. 

Von 
Hebmank  Cohn  in  Breslau. 

Vortrag, 

gehalten  in  der  hygienischen  Sektion  der  Sohlesischen  Gesellachafi 

am  21.  Juni  1905  im  Füntensaale  des  Rathauses. 

Geehrte  Herren  1 

Vor  wenig  Tagen  hat  sioh  das  Grab  gesohlossen  über  einem 
Manne,  deesen  Name  und  Leistungen  wohl  jedem  Ar^te  im  In-  und 
Auslände  rtlhmlichst  bekannt  waren.  Johannes  von  Mikulicz  ist 
am  14.  Juni  nach  schwerem  Leiden  versohieden»  ein  Mann,  der  nach 
dem  übereinstimmenden  urteile  seiner  bedeutendsten  Faohgenossen 
einer  der  hervorragendsten  und  technisch  begabtesten  Chirurgen  ge- 
wesen, die  es  je  gegeben  hat. 

Übermorgen  wird  die  medizinische  Sektion  unserer  Gesellschaft 
fbr  den  uns  allen  auch  persönlich  so  teuer  gewesenen  Professor 
YON  Mikulicz  eine  Trauerfeier  veranstalten,  um  das  Andenken  des 
bewundernswürdigen  Operateurs,  des  hervorragenden  Diagnostikers, 
des  genialen  Forschers,  des  treuesten,  menschenfreundlichsten  Arztes, 
des  unvergefelichen  Lehrers  der  Studenten  und  der  Ärzte  würdig 
zn  ehren. 


390 

Trotzdem  hoffe  ich,  dafs  Sie,  geehrte  Herren,  mir  darin  bei- 
stimmen werden,  dafs  auch  wir  H  jgieniker  unsere  heutige  Sitzung 
nicht  beginnen  dürfen,  ohne  in  Dankbarkeit  der  grofsen  Verdienste 
zu  gedenken,  welche  sich  der  Verstorbene  erworben;  denn  Mikt7i«icz 
war  auch  ein  ausgezeichneter  Hygieniker. 

Mikulicz  wurde  am  16.  Mai  1850  in  Ozemowitz  geboren, 
promovierte  in  Wien  1876,  war  dann  bei  Billboth  in  Wien  Assistent 
bis  1881;  er  habilitierte  sich  1880  in  Wien,  wurde  1881  nach 
Krakau,  1887  nach  Königsberg  und  1890  nach  Breslau  als  ordent- 
licher Professor  der  Chirurgie  und  als  Direktor  der  chirurgischen 
Klinik  berufen,  so  dafs  wir  ihn  15  Jahre  den  unsrigen  nennen 
durften. 

Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  seine  Schriften  und  Aufsätze,  deren 
Zahl  100  übersteigt,  einzeln  zu  nennen;  wir  wollen  heute  nur  auf 
seine  hygienischen  Arbeiten  hinweisen. 

Die  Hygiene  ist  ja  die  Lehre  von  der  Verhütung  der  Krank- 
heiten! Wenn  Mikulicz  seine  heryorragenden  Arbeiten  auch  nicht 
unter  der  Flagge  der  Hygiene  segeln  lieüs,  sondern  sie  nur  unter 
orthopädischen,  bakteriologischen  und  chirurgischen  Titeln  herausgab, 
so  sind  doch  diese  alle  zur  Verhütung  von  Ejrankheiten  geschrieben 
worden,  also  als  hygienisch  zu  bezeichnen. 

Wir  bedauern  natürlich,  dafs  sich  in  seinem  Nachlafs  keine 
schulhygienische  Arbeit  vorgefunden  hat. 


£s  ist  wohl  einleuchtend,  dafs  ein  so  hervorragender  Orthopäde 
auch  das  lebhafteste  Interesse  für  die  Schulbankfrage  und  die 
Haltung  der  Schulkinder  beim  Schreiben  haben  mulste;  die 
skoliotischen  Mädchen,  die  seinen  Rat  einholten,  mulsten  ja  fast 
täglich  seinen  Blick  auf  diese  Frage  hinlenken. 

Gleich  beim  ersten  Besuch,  den  mir  Mikulicz  nach  seiner  Be- 
rufung nach  Breslau  machte,  besprachen  wir  lange  dieses  Kapitel, 
und  ich  war  erstaunt,  zu  sehen,  welche  ausgezeichnete  Kenntnis  der 
mächtigen  Literatur  ihm  eigen,  und  ich  war  hoch  erfreut,  zu  hören, 
wie  sehr  er  die  modernen  Subsellien  verteidigte.  Leider  war  er 
durch  andere  Pflichten  und  Arbeiten  verhindert,  hier  in  Schulen 
Versuche  und  Beobachtungen  anzustellen  und  die  noch  offenen  Fragen 
studieren  zu  können. 

Da  half  ein  glücklicher  Zufall.  Am  8.  April  1892  traf  ich  auf 
der  Bahn  Herrn  von  Mikulicz,  der  im  Begriff  war,  zur  Erholung 


391 

von  den  Anstrengungen  des  Wintersemesters  über  Wien  nach  dem 
von  ihm  so  selir  geliebten  Semmering  zu  reisen.  lob  erzählte  ihm» 
dals  ich  von  Direktor  Bayb  in  Wien  eingeladen  worden,  um  in  einer 
Wiener  Schule,  in  welcher  schon  seit  einiger  Zeit  die  Steilsohrift 
eingeführt,  Beobachtungen  anzustellen.  „Nehmen  Sie  mich  mit'', 
rief  Mikulicz,  und  seine  schönen  blauen  Augen  leuchteten  freudig. 
Ich  selbst  war  glücklich  in  der  frohen  Aussicht,  mit  einem  Ortho- 
päden ersten  Ranges  meine  Untersuchungen  anstellen  zu  können  in 
einer  Zeit,  in  welcher  der  Kampf  zwischen  Steilschrift  und  Schräg- 
schrift noch  am  stärksten  wogte. 


Ich  bitte  um  Entschuldigung,  wenn  ich  hier  einige  Worte  über 
die  Geschichte  der  Steilschrift  einschieben  muJs. 

Bekanntlich  hatte  schon  Dr.  Fahbner- Zürich  im  Jahre  1863 
in  seiner  grundlegenden  Arbeit  „Das  Kind  und  der  Schultisoh''  das 
berühmte  Wort  gesprochen:  Man  lasse  die  Kinder  schief  sitzen, 
damit  nur  die  Schrift  hübsch  schief  werde;  er  entdeckte  damals  die 
groisen  Fehler  der  alten  Sohultische  und  leitete  gute  Beformen  ein. 

Aber  dais  nicht  blofs  die  Bänke,  sondern  auch  die  Rechts- 
schief Schrift  als  Ursache  von  Skoliose  und  Kurzsichtigkeit  anzu* 
sehen  sei,  das  hat,  wie  nur  wenigen  bekannt  sein  dürfte,  erst 
Dr.  Gboss  in  Stuttgart  1879  behauptet. 

Ich  habe  mich  schon  1880  von  der  Richtigkeit  dieser  Ansicht 
in  einer  Volksschule  in  Aussee  überzeugt.  Damals  machte  ich  folgende 
Beobachtung,  die  ich  in  meiner  Rede  in  der  allgemeinen  Sitzung 
der  Naturforscherversammlung  zu  Danzig  1880  mitgeteilt  habe. 
Sämtliche  Kinder  safsen  kerzengerade,  wenn  ich  sie  ein  Diktat  senk- 
recht nachschreiben  liels;  wie  mit  einem  Zauberschlage  aber 
stürzte  die  ganze  Klasse  nach  vom,  sobald  wieder  schräg  geschrieben 
werden  soUte.  Es  ist  ja  auch  längst  bekannt,  dafs  die  Kinder,  welche 
eben  erst  .Buchstaben  zu  schreiben  beginnen,  stets  die  Striche  senkrecht 
machen  und  nur  mit  gröfster  Konsequenz  des  Lehrers  erst  zu  schrägen 
Grundstrichen  gebracht  werden  können.  Ich  erklärte  schon  damals 
die  senkrechte  Schrift  für  die  Schrift  der  Zukunft. 

Ein  Jahr  später  erschienen  die  ausgezeichneten  theoretischen 
Aufsätze  von  Dr.  Schubebt  in  Nürnberg  über  Körperhaltung  und 
Steilschrift.  Ein  heifser  Kampf  entbrannte  in  den  Jahren  1883 — 1885 
zwischen  ihm  und  Professor  Beblin  in  Stuttgart.  Der  letztere  wollte 
schräge  Schrift  bei  schräger  Papierhaltung. 


392 

ScHUBEBT  wies  nach,  dals  man  bis  zum  17.  Jahrhundert  all- 
gemein senkrecht  geschrieben  habe,  und  er  bewies  dies  durch  Kopien 
von  Urkunden  aus  dem  germanischen  Museum  in  Nürnberg. 

Ich  habe  dann  auch  im  Jahre  1891  eine  Reihe  von  Handsohriften 
der  berühmtesten  Männer  aus  dem  britischen  Museum  in  London 
herausgesucht  und  photographiert.  Die  Handschriften  von  Michel 
ÄNaELO  (1510),  von  Albbecht  DtJBEB  (1505),  von  Lbonabdo  da  Vinci 
(1517),  das  Kollegienheft  von  Habvet,  des  Entdeckers  des  Blut- 
kreislaufes (1616),  waren  senkrecht  geschrieben,  erst  Newton  (1682) 
schrieb  schräg.  (In  meinem  Lehrbuch  der  Hygiene  des  Auges,  Wien 
1892,  findet  man  die  Handschriften  abgebildet.)  Sehr  interessant 
war  es  mir,  daCs  die  drei  gröfsten  Maler:  Michel  Angelo,  Leonakdo 
und  DÜBEB,  die  sich  ja  bekanntlich  auch  eingehend  mit  Anatomie 
beschäftigt  haben,  steil  schrieben;  sie  hätten  gewifs  die  Steilsobrift 
verlassen,  wenn  sie  gegen  die  Anatomie  der  Hand  rerstielsey  wie 
die  Gegner  behaupteten. 

(Beiläufig  lege  ich  Ihnen  einen  Stich  von  Holbein  aus  dem 
Baseler  Museum  vor,  in  dem  die  merkwürdige  Haltung  von  Schreiben- 
lernenden  in  der  Wohnung  eines  Schulmeisters  1516  gezeichnet  ist; 
ob  die  Schrift  senkrecht  oder  schräg  war,  läCst  sich  leider  hier  nicht 
feststellen.) 

Entscheidend  konnten  natürlich  nur  langdauernde  und  plan- 
mäfsig  angestellte  Versuche  in  Schulklassen  sein.  Zuerst 
wurden  solche  Versuche  in  Nürnberg  von  Schubbbt  gemacht  und 
von  ihm  photographische  Homentau&ahmen  der  Steilschreiber  1889 
herausgegeben,  ähnlich  später  1891  von  Schabe  in  Schleswig  und 
von  Bayb  in  Wien. 

Waren  auch  diese  für  mich  schon  allein  überzeugend,  so  war 
es  mir  doch  anderseits  sehr  wünschenswert,  einmal  selbst  Beobachtungen 
in  steilschreibenden  Klassen  anzustellen.  Hier  in  Breslau  fand  ich 
dazu  keine  Gelegenheit. 


So  kam  mir  damals  gerade  die  Einladung  nach  Wien  sehr  er- 
wünscht, und  so  fahr  ich  denn  mit  Professor  Mikulicz  am  nächsten 
Morgen  nach  unserer  Ankunft  am  9.  April  1892  schon  sehr  früh  in 
die  Volksschule  für  Mädchen,  welche  in  der  Kopemikusgasse  be- 
findlich, unter  der  ausgezeichneten  Leitung  des  Direktors  Emanübl 
Bayb  stand  und  noch  steht. 


393 

Sowohl  Mikulicz  als  ich  waren  gleich  überrascht,  beim  Beginn 
des  Unterrichts  des  Direktors  dort  eine  hygienische  Anordnung  zn 
sehen,  die  ich,  obgleich  ich  ja  seit  25  Jahren  Tansende  von 
Klassen  besucht,  doch  noch  niemals  wahrgenommen.  Jedes  Mädchen 
wurde  vorgerufen  und  mufste  zunächst  Zähne  und  Nägel  vor- 
seigen.  Wenn  diese  nicht  ganz  sauber  waren,  mufste  das  Ejnd  in 
der  Klasse  selbst  sofort  eine  Reinigung  vornehmen;  diese  Unter- 
fluehung  geschah  jeden  Morgen  vor  Beginn  des  Unterrichts. 

Dann  beobachteten  wir  die  Haltung  der  Kinder  bei  Steilschrift 
und  bei  Schrägschrift.  Da  zeigte  sich  die  feine  und  objektive, 
niemals  von  vorgefafsten  Ansichten  beeinfluüste  Beobachtungsgabe  von 
Mikulicz  in  schönster  Weise. 

Zu  Anfang,  sobald  der  Lehrer  ruft:  „Gerade  sitzen  I  Federn 
bereit!^,  da  sitzen  auch  oft  an  den  schlechtesten  Tischen  die  Kinder 
gerade,  aber  sehr  bald  kommt  der  Zerfall.  Mikulicz  wünschte 
also,  dab  die  Kinder  eine  ganze  Stunde  lang  schreiben  sollten, 
damit  er  die  Ermüdungsstellungen  beobachten  konnte.  Safs  ein  Kind 
trotz  der  Steilschrift  schlecht,  so  untersuchte  er  im  speziellen  Fall 
die  Wirbelsäule  und  die  Gesamtkonstitution.  Mitunter  trat  der  Zer- 
iall  ein  trotz  Steilschrift,  wenn  die  Gröfse  des  Subselliums  ausnahms- 
weise nicht  zu  der  des  Kindes  pafste.  Aber  in  der  Überzahl  der 
Fälle  blieb  die  Haltung  gut. 

In  der  zweiten  Stunde  studierten  wir  in  einer  anderen  Klasse 
die  Haltung  der  Kinder  von  voru,  von  hinten,  von  der  Seite  auf 
das  sorgsamste,  in  der  dritten  beobachteten  wir  die  Steilschrift  bei 
verschieden  grofsen  Kindern  an  verschiedenen  Sohultischen,  alles  mit 
jener  Gründlichkeit,  die  Mikulicz  zur  zweiten  Natur  geworden. 

Endlich  bestätigte  er  mir,  dais  meine  Beobachtungen  in  Aussee 
im  Jahre  1880  zutreffend  gewesen  seien,  und  dafs  wirklich  wie  mit 
einem  Zaubersohlagedie  Klasse  bei  Schrägschrift  nach  vom  stürzt, 
so  dals  im  Durchschnitt  aller  Kinder  die  Haltung  bei  Steilschrift 
eine  weit  bessere  sei  als  bei  Schrägschrift. 

Auch  in  bezug  auf  Schnelligkeit  des  Schreibens  machten  wir 
Versuche.  Man  hatte  oft  behauptet,  dais  die  Steilschreiber  langsamer 
schreiben;  das  sahen  wir  aber  hier  nicht. 

Wir  konnten  auch  eine  wichtige  Beobachtung  von  Professor 
Fuchs  bestätigen.  Überblickt  man  die  Klasse  von  hinten  und  läfst 
die  Kinder  schreiben,  wie  sie  wollen,  schräg  oder  steil,  und  notiert 
man  sich  die  schlecht  sitzenden  Kinder,  so  findet  man  dann,  dais  es 
die  schräg  schreibenden  Kinder  gewesen  waren,  die  schlecht  safsen. 


394 

Auch  das  verstellbare  Lesepult  des  Direktor  Bayb  fanden  wir 
sehr  zweckmä&ig,  da  durch  dasselbe  die  Kinder  selbst  beim  Lesen 
oder  Abschreiben  aus  einem  Buche  die  gerade,  aufrechte  Haltung 
bewahren  konnten. 

DaCs  Mikulicz  natürlich  gegen  jede  Plusdistanz  beim  Schreiben 
war,  ist  selbstverständlich,  und  ebenso,  dafs  er  als  beste  Lehne  die 
Kreuzlehne  bevorzugte.  Es  war  dies  um  so  erfreulicher  fdr  mich, 
als  ich  gerade  über  diese  fundamental  wichtigen  Punkte  leider  jahr- 
zehntelang mit  der  hiesigen  Schuldeputation  die  bittersten  Kämpfe 
habe  führen  müssen. 

Li  der  vierten  Stunde  wurde  geturnt,  imd  dals  dabei  der 
groise  Meister  seine  Ansichten  über  das  Turnen  gesunder  Kinder 
entwickelte,  war  für  Herrn  Direktor  Bayb  und  für  mich  gleich 
lehrreich. 

Wie  Mikulicz  unsere  Schultischbestrebungen  anerkannte,  kann 
man  aus  seinem  allgemein  geschätzten  Buche  „Über  orthopädische 
Gymnastik"  ersehen,  das  er  zehn  Jahre  nach  unserem  Besuche  der 
Wiener  Schule  gemeinsam  mit  Frau  Thomaszewski  herausgegeben 
und  in  welchem  er  als  empfehlenswerteste  Bank  (Seite  11)  die  von 
HoLsCHEB  bezeichnet,  welche  negative  Distanz  und  eine  vortreffliche 
Kreuzlehne  beim  Schreiben  bietet. 

Mit  den  schönen,  von  Professor  Edeb  gemachten  Moment- 
photographien  der  schräg-  und  steilschreibenden  Kinder  beschenkt, 
verlieisen  wir  die  Töchterschule,  und  wir  waren  zu  der  Überzeugung 
gelangt,  dais  Geobge  Sand  sehr  richtig  verlangt  hat:  „Oorps  droit, 
Papier  droit,  ^criture  droite.^  Wir  konuten  uns  durchaus  dem  Gut- 
achten anschlieis6D,  welches  in  der  Schule  des  Herrn  Bayb  von 
einer  Kommission  ausgezeichoeter  Wiener  Fachmänner  zugunsten 
der  Steilschrift  abgegeben  worden;  es  war  das  der  Professor  der 
Anatomie  Toldt,  die  Augenärzte  Professor  Fuchs  und  von  Reuss  und 
die  Orthopäden  Professoren  Albebt  und  Lobenz. 

Und  wie  steht  es  heute  dort?  Die  Wiener  Behörde  unterstützt 
den  Direktor  Bayb,  und  noch  heute  schreiben  alle  Klassen 
in  dieser  Schule  steil,  und  noch  heute  erklären  die  dortigen 
Lehrer,  „dais  trotz  aller  Mühe  diese  dauernde  aufrechte  Körpei^ 
haltung  mit  Schrägschrift  nicht  zu  erreichen  sei^. 

Wie  abersteht  es  hier  in  Breslau  mit  der  Steilschrift?  Nach- 
dem ich  vielfach  Vorträge  über  den  Vorteil  der  Steilschrift  in  unserer 
hygienischen  Sektion  und  in  verschiedenen  Vereinen  gehalten,  wurde 
beschlossen,    im  Jahre  1892   hier  einen  Versuch  mit  Steilschrift  zu 


395 

beginnen.  Was  daraus  geworden,  weüs  ich  nicht;  ob  jetzt  in  unseren 
öffentlichen  Schulen  und  eventuell  in  welchen  Steilschrift  geschrieben 
wird,  weüs  ich  nicht.  In  keinem  der  ofiiziellen' schulärztlichen  Berichte 
ist  hierüber  eine  Andeutung  zu  finden.  Es  wäre  gewifs  überaus 
wichtig,  hierüber  Näheres  zu  erfahren.  Denn  durch  die 
Einfthrung  der  Steilschrift  könnte  auch  hier  viel  hygienisch  Gutes 
geleistet  werden. 

Wir  müssen  es  aufrichtig  bedauern,  dafs  Professor  Mikulicz 
dnrch  unzählige  andere  Aid^ben  verhindert  war,  seine  malsgebenden 
Ansichten  auch  unseren  Schulen  zugute  kommen  zu  lassen. 


Aber  nicht  blofs  in  bezug  auf  Schrift  und  Schultisch,  noch  viel 
mehr  müssen  wir  Mikulicz  als  den  unserigen,  als  den  groüsen 
Hygieniker  feiern,  da  er  die  bedeutendsten  Arbeiten  geliefert  hat 
über  die  Verhütung  der  Wundkrankheiten. 

Wir  alten  Ärzte,  die  wir  in  den  sechziger  Jahren  Assistenten 
waren,  zu  einer  Zeit,  wo  man  noch  gar  nicht  das  Wort  Bacillus 
kannte,  und  wo  man  noch  gar  weit  davon  entfernt  war,  diese  ge- 
fährlichen Feinde  des  menschlichen  Geschlechts  als  Krankheits- 
erreger zu  betrachten,  wir  konnten  uns  später  nur  sehr  langsam 
in  die  neue  Antisepsis  und  Asepsis  hineinfinden,  speziell  wir  Augen- 
ärzte, da  wir  ja  Tausende  von  Schieloperationen  und  von  künst- 
lichen Pupillenbildungen  ohne  jede  Spur  von  Antisepsis 
hatten  glänzend  heilen  sehen. 

Die  jüngeren  Ärzte  wissen  heute  gar  nicht,  wie  sorglos  in  dieser 
Hinsicht  in  den  alten  Augenkliniken  unsere  grölsten  Meister  vor- 
gingen. 

Wie  oft  habe  ich  meine  vorzüglichen  Lehrer  Gräfe,  Foebsteb 
und  Aklt  in  demselben  Zimmer,  in  welchem  eben  noch  Hunderte 
Ton  Kranken  poliklinisch  behandelt  worden  waren,  ohne  jede 
Desinfektion  der  Hände,  der  Augen,  ja  oft  nur  nach  notdürftigem 
Abwischen  der  Instrumente  grofse  Augenoperationen  machen  sehen, 
die  von  den  schönsten  Erfolgen  begleitet  waren. 

Als  dann  die  Kenntnis  der  Bazillen  kam,  sagte  eines  Tages 
mein  Lehrer  Foe&steb  zu  mir:  „Die  Bindehaut  muls  wohl  die 
Bazillen  fressen,  sonst  könnten  wir  doch  nicht  jahrzehntelang  ohne 
jede  Antisepsis  oder  Asepsis  operieren,  ohne  je  einen  einzigen 
Schielfall  zu  verlieren.'* 

Anders   freilich  lag  die  Sache  bei  der  Staroperation.     Ich 


396 

studierte  noch  zu  einer  Zeit,  wo  meist  der  fünfte  (!)  Fall  von 
granem  Star  am  dritten  Tage  nach  der  Operation  vereiterte.  Idi 
habe  noch  vor  45  Jahren  gesehen,  dafs  JüNaKEN  in  Berlin,  seiner- 
zeit ein  sehr  geschickter  Operatenr,  gleich  nach  der  Operation  zwölf 
Blutegel  neben  das  Bett  des  Kranken  stellen  lieJs,  damit  sie  ja 
gleich  an  die  Schläfen  gesetzt  werden  könnten,  wenn  am  Abend  die 
Entzündung  begann. 

Freilich  fing  schon  in  den  sechziger  Jahren  die  f&rchterliche 
Zahl  von  20%  der  Vereiterungen  an  abzunehmen,  da  Gbape  die 
Schnittrichtung  nicht  in  die  Hornhaut,  sondern  in  die  viel  weniger 
zu  Eiterungen  neigende  Lederhaut  legte.  Aber  ich  habe  auch 
noch  gesehen,  wie  Gbape  das  Starmesser  aus  dem  schönen  blauen 
Sammetkästchen  zur  Operation  herausnahm,  und  wie  der  vortreffliche 
Ablt  das  StarmeFser  vor  der  Operation  in  seinen  Mund  nahm.  Man 
glaubte,  dafs  seine  Mundhöhle,  da  er  starker  Raucher  war,  besonders 
desinfiziert  war. 

In  der  Tat  vereiterte  Ende  der  sechziger  Jahre  nicht  mehr 
der  fünfte,  sondern  erst  der  zwanzigste  Fall  bei  Staroperationen. 

LiSTEBs  Antiseptik  begann,  und  im  französischen  Kriege  1870, 
wo  ich  alle  möglichen  Operationen,  auch  Amputationen  im  Elriegs- 
lazarett  machen  mufste,  erhofften  wir  alles  Heil  vom  Karbolspray 
und  von  der  Bedeckung  der  Wunde  mit  Stanniol.  Wieviel  Ver- 
wundete hätte  man  retten  können,  wenn  man  die  heutige  anti- 
septische Methode  von  Mikulicz  gekannt  hättet 

Aber  wie  die  Erkenntnis,  dals  die  Bazillen  ausschliefslioh  die 
Ursache  der  Vereiterung  sind,  von  dem  hervorragendsten  Einflufs 
auf  die  ganze  neuere  Chirurgie  geworden  ist,  so  feierte  diese  Lehre 
auch  bald  ihre  Triumphe  in  der  Augen  Wundbehandlung;  denn  vorher 
waren  doch  immer  unbegreifliche  Fälle  von  Vereiterungen  den  besten 
Operateuren  zugestoisen.  Mein  unvergeMioher  Lehrer  v.  Gbäfe  teilte 
voll  Freude  einmal  mit,  dafs  es  ihm  endlich  gelungen  sei,  61  Star- 
operationen hintereinander  ohne  jede  Eiterung  heilen  ssu  sehen.  Er 
glaubte,  dafs  seine  feine  Technik  dieses  herrliche  Resultat  herbei- 
geführt. Allein  als  dann  gleich  darauf  die  62.,  63.  und  64.  Star- 
operation zur  völligen  Vereiterung  der  operierten  Augen  führte, 
schrieb  Gbafe  im  Jahre  1867  den  interessanten  Satz:  „Man  sieht 
eben,  dab  die  Fenster  der  Augenkliniken  nicht  alle  nach  der 
Glück  Seite  hingehen. '^ 

Heutzutage  sehen  die  Fenster  aller  chirurgischen  Kliniken 
allerdings  vielmehr  nach  der  Glüokseite  als  damals. 


897 

Heute  weifs  man  eben,  daik,  wenn  keine  Bazillen  in  das  Ange 
gelangen,  keine  Eiterung  stattfinden  kann.  Man  zerstört  daher  die 
Keime  der  Bazillen,  die  etwa  aus  der  Lufi;  auf  die  Instrumente 
gefallen  sind,  indem  man  sie  vor  dem  Gebrauoh  in  strömenden 
Wasserdampf  bringt,  sie  sterilisiert.  Es  bleibt  ja  ein  unvergftng- 
liohes  Verdienst  von  Bobbbt  Koch,  den  Nachweis  geführt  zu 
haben,  dafs  alle  Bazillen  dem  strömenden  Wasserdampf  erliegen. 
Infolge  dieser  sorgsamen  Desinfektion  gehören  Augenvereiterungen 
jetzt  zu  so  grolsen  Seltenheiten,  dals  man  sie  seit  einigen  Jahren 
kaum  mehr  den  Studierenden  der  Medizin  zeigen  kann. 

Sind  die  Bazillen  aber  erst  eingedrungen  in  die  Wunde,  so  ist 
es  bei  der  fabelhaft  schnellen  Vermehrung  derselben  nur  höchst 
selten  noch  möglich,  gegen  sie  anzukämpfen  und  man  steht  erschüttert 
dem  unrettbar  yerbrennenden  Gebäude  gegenüber. 

Um  so  wichtiger  und  segensreicher  jeder  Schritt  der  Ver- 
hütung des  Eindringens  der  Bazillen. 

Und  hier  war  es  gerade  Prof  Mikulicz,  der  nicht  aufhörte, 
neue  Sicherungen  gegen  das  Eindringen  der  Wundbazillen  aus- 
zusinnen.  Er  fand  in  dem  Seifenspiritus  ein  vorzügliches  Mittel  für 
die  Reinigung  der  Hände  und  des  Wundgebietes;  er  führte  die 
sorgsamste  Reinigung  der  Finger,  der  Nägel  und  der  Hände  ein, 
die  freilich  die  Vorbereitungen  der  Operation  bedeutend  verzögern, 
aber  dafür  gestatten,  in  die  tiefsten  Eörperhöhlen  mit  dem  Finger 
einzugehen  und  so  Operationen  zu  wagen,  die  früher  ganz  unmöglich 
eiBohienen. 

MiKUiiioz  erfand  besondere  Operationshandschuhe,  die  auch 
während  der  Operation,  wenn  sie  blutdurchtränkt  waren,  mit  neuen 
Handschuhen  gewechselt  wurden.  Er  lehrte,  das  Hineinfallen  von 
Keimen  vom  Gesicht  und  den  Haaren  des  Operateurs  in  die  Wunde 
durch  Q^ichtsmaske  und  Kopfbedeckung  zu  verhindern. 

Freilich  erklärte  Mikulicz  selbst  auf  einem  chirurgischen 
Kongresse  in  seiner  geistreichen  Weise,  dafs  er  seine  beständigen 
Bestrebungen  nur  mit  denen  nach  der  Lösung  der  Quadratur  des 
Kreises  vergleichen  könne.  So  wenig  wie  dieses  Problem  jemals 
absolut  gelöst  werden  könne,  sondern  wie  man  nur  immer  neue 
Dezimalstellen  entwickeln  könne,  um  den  Fehler  möglichst  klein 
zu  machen,  so  müsse  auch  der  Chirurg  unermüdlich  die  Fehlerquellen 
wenigstens  auf  ein  immer  kleineres  Minimum  zu  reduzieren  suchen. 

Eine  grofse  Zahl  seiner  neuen  und  neuesten  Arbeiten  zeigen 
uns    sein  Bestreben   immer  Volkommeneres    zu   erreichen   und   die 

Seholgesimdheitspflege.  XVIIL  22 


398 

Erbauangseines  aseptischen  Operationssaales,  der  von  Hunderten 
von  Ohinurgen  Europas  und  Amerikas  besucht  und  nachgeahmt  wird, 
sind  unvergängliche  Verdienste  des  grofsen  Hygienikers.  MiKUiiicz' 
Asepsis  ist  für  alle  Anstalten  mafsgebend  geworden. 

Wir  Älteren  haben  früher  wohl  über  die  fast  übertriebene 
Aseptik,  namentlich  in  der  Augenchirurgie,  gelächelt,  da  ja  doch 
das  Auge  trotz  aller  Vorbeugungsmalsregeln  niemals  ganz  keimfrei 
2u  machen  ist;  aber  wenn  wir  einmal  ganz  ausnahmsweise  doch 
einmal  eine  Eiterung  entstehen  sahen,  sagten  wir  uns:  Vielleicht 
hätten  wir  doch  die  MiKüLiczschen  Lehren  noch  penibler  befolgen 
sollen  I 


und  trotz  der  enormsten  praktischen,  wissenschaftlichen  und 
Lehrtätigkeit  fand  Mikulicz  immer  noch  Zeit,  die  hervorragendsten 
Fachjoumale  zu  redigieren.  Er  gab  mit  Bbuns  und  BsnaMANN  das 
gegenwärtig  mafsgebendste  Handbuch  der  prakUschen  Chirurgie 
heraus;  er  redigierte  mit  Nauntn  die  MUteihingen  des  QrenegAides 
der  Medism  und  Chirurgie^  eine  der  angesehensten  Zeitsoluiften; 
er  gab  in  neuester  Zeit  die  VoLKMAKNsche  Sarnrnf/ang  lädmseher 
Vorträge  heraus. 

Habe  ich  nötig,  Ihnen,  meine  Herren,  die  Sie  Miktjucz  ja 
alle  kannten  und  liebten,  die  bezaubernde  Persönlichkeit 
dieses  bescheidenen,  dünkellosen  Mannes  in  das  G^edftohtnis 
zu  rufen?  Er  war  ja  ein  nie  von  oben  stolz  auf  die  Kollegen  herab- 
schauender, sich  als  Autorität  fühlender  Konsiliarius.  Was  ioli  aber 
heut  noch  besonders  betonen  möchte,  ist  sein  liebenswürdiges  Be« 
nehmen  gegen  diejenigen  Ärzte  gewesen,  die  selbst  oder  deren 
Familienmitglieder  erkrankt  waren,  und  die  ihn  besorgt  um  Hilfe 
und  um  Bat  ersuchten.  Bekanntlich  sind  wir  Ärzte,  wenn  uns  oder 
dieUnserigen  selbst  E^rankheit  beschleicht,  meist  Pessimisten,  und 
wir  sehen  namentlich  chronische  oder  sich  entwickelnde  Leiden  oft 
viel  schlimmer  an,  als  nötig;  da  war  Mikulicz,  selbst  wenn  er 
wohl  Wulste,  wie  schlimm  es  stand,  immer  der  liebevolle  treue 
Tröster,  der  den  Mut  des  Kranken  selbst  noch  in  dem  letzten 
Stadium  in  seiner  liebevollen  Weise  zu  heben  wufste. 

Dafs  Mikulicz  nicht  nur  als  Forscher,  Operateur,  Praktiker 
und  Hygieniker  Unvergleichliches  geleistet,  sondern  auch  als  ge- 
borener Lehrer  es  verstand,  ohne  grofse  Schönrednerei,  aber  mit 
goldener  Klarheit   zu   unterrichten,    das   haben   nicht   blois  unsere 


399 

Studenten  wohl  zu  schätzen  verstanden»  sondern  auch  wir  Ärzte 
liatten  ja  oft  genug  Gelegenheit,  seine  Demonstrationen  und  Vor- 
trfige  in   unserer  Gesellschaft  bewundernd  zu  sehen  und  zu  hören. 

Welch  ein  Unglück,  dals  ein  solcher  Mann  uns  so  früh  ent- 
rissen wurdet 

Die  Griechen  sagten:  Wen  die  Götter  lieben,  den  lassen  sie 
jung  sterben.  Mikulicz  ist  jung  gestorben,  in  der  Blüte  seiner 
reich  gesegneten  Tätigkeit,  und  beglückt  von  der  Anerkennung,  die 
ihm  von  allen  Fachgenossen  geworden  ist. 

Es  unterliegt  freilich  keinem  Zweifel,  dals  bei  der  heutzutage 
auf  allen  Gebieten  der  Medizin  sich  überhastenden  Arbeit  ein  Tag 
kommen  wird,  wo  die  Asepsis  durch  neue  Mittel  und  neue  Ver- 
fahren dem  Tode  und  der  Krankheit  noch  mehr  Opfer  abringen 
wird,  als  heut  schon  infolge  der  Arbeiten  von  Mikulicz  möglich 
geworden.  Aber  das  wird  niemals  hindern,  dafs  sein  Name  als 
Yerhüter  der  Wundkrankheiten  in  der  Geschichte  der  Hygiene 
jahrhundertelang  mit  gröüsten  Ehren  genannt  werden  wird.  „Denn 
wer  den  Besten  seiner  Zeit  genug  getan,  der  hat  gelebt  für  alle 
Zeitenl'' 

Wir  alle  aber,  die  wir  das  Glück  hatten,  sein  reiches  Talent, 
seine  enorme  Arbeitskraft,  seine  persönliche  Liebenswürdigkeit  zu 
bewundern,  wir  betrauern  seinen  frühen  Heimgang  aufs  innigste  und 
werden  niemals  vergessen  unseres  ausgezeichneten,  ich  darf  wohl 
sagen  von  allen  geliebten 

JoHANinss  VON  Mikulicz. 


400 


■in  Beitraf  nr  Wacliskiiiiuiphysiologie  des  Meniehen. 

Nach  statistischen  Erhebungen  an  der  STOYSchen  Erziehungsanstalt 

in  Jena. 

Von 

Dr.  ALEXAimEB  Koch-Hesse 
in  GroA-Lichterfelde. 

(Fortsetiong.) 

II.  Das  KSrpergewicht  in  YerhUtnis  cnin  Lebensalter 
und  cur  KSrperjcrSlse. 

Da  zur  Untersuchung  des  Körpergewichts  in  Relation  auf  das 
Lebensalter  genau  dieselben  Methoden,  welche  bisher  fOr  die  K5rpe^ 
grobe  entwickelt  wurden,  in  Anwendung  gebracht  werden  sollen,  so 
kann  hier  gleich  in  medias  res  eingetreten  werden.  A  priori  wird 
man  annehmen,  dais  auch  die  Resultate  genau  analog  sein  werden. 
Nun  fand  aber  QüeteletS  dals  hier  die  Verteilung  der  Einzelwerte 
um  das  Mittel  sich  nicht  in  einer  symmetrischen  Binomialkurre  dar- 
stelle, sondern  in  einer  unsymmetrischen,  nach  der  positiven  Seite 
hin  mehr  ausholenden  Linie  zum  Ausdruck  komme,  und  Knapp' 
sagt  kurz  und  bündig:  „Die  Verteilung  nach  dem  Körpergewicht  ist 
dem  (sei.  Verhalten  der  Körpergröfse)  nicht  entsprechend.*'  Wie 
diese  anscheinend  paradoxe  Differenz  sich  sehr  ein- 
fach  erklart,   wird   weiter  unten  gezeigt  werden  können. 

Es  ist  auch  hier  für  jeden  einzelnen  Schüler  der  STOYSchen 
Erziehungsanstalt  und  für  jeden  während  des  hiesigen  Aufenthaltes 
verbrachten  Geburtstag  möglichst  genau  bis  auf  die  Zehntel  Eilo' 
gramme  das  Gewicht  berechnet  worden.  Aus  diesen  Zahlen  ergab 
sich  dann  nachstehende  Tabelle. 


^  ÄnthropomSirie,  S.  341  n.  849. 

•  Jahrbücher  f.  Nat-Ök.  u.  Stat.  S.  108. 


401 


Tabelle  des  mittleren  Körpergewichts. 


Gerade 

ToUendetes 

Jahr 

Arith- 

metischea 

Mittel 

Wahr- 

Bcheinliches 

Mittel 

MinimTiin 

Maximum 

Anzahl 

V 

(18,10) 

— 

(16,7) 

(19,5) 

2 

VI 

(20,4) 

— 

— 

— 

1 

vn 

— 

— 

— 

— 

— 

VJLU 

28,88 

(23,8) 

21,4 

27,5 

9 

EX 

26,70 

27,6 

22,9 

30,2 

10 

X 

29,04 

28,9 

25,0 

38,4 

23 

XI 

81,19 

81,0 

25,3 

39,0 

38 

XQ 

84,41 

84,2 

26,3 

48,5 

59 

xm 

37,21 

36,6 

28.8 

54,8 

87 

XIV 

42,47 

41,2 

29,2 

64,0 

111 

XV 

48,04 

47,0 

30,0 

69,6 

149 

XVI 

64,00 

64,0 

82,5 

77,2 

165 

XVll 

67,67 

67,7 

35,9 

75,0 

127 

xvm 

69,46 

68,7 

40,8 

73,2 

71 

XTX 

68,67 

61,8 

52,3 

79,9 

35 

XX 

(60,66) 

(62,8) 

51,3 

65,0 

8 

XXT 

(62,8) 

— 

(62,0) 

(63,3) 

2 

Summe 

892^ 

^  Bas  Material  ist  allerdingps  nicht  ganz  identisch  mit  dem  für  die  Eörper- 
groise,  da  in  einigen  wenigen  Fällen  bei  einem  Knaben  nur  der  eine  yon 
beiden  Werten  berechnet  werden  konnte. 


402 


Auoh  hier  sind,  wie  bei  der  Tabelle  der  mittleren  Körpergrölse, 
die  Differenzen  zwisoben  beiden  Mittelwerten  relativ  recht  gering. 
Znm  unterschiede  von  dem  dortigen  Verhalten  zeigt  hier  das  arith- 
metische Mittel  im  allgemeinen    die  Tendenz,    das   wahrscheinliche 


Knrren  des  mittleren  Ktfxpergewichta 

(arithmetisches  und  wahrscheinliches  Mittel). 

flu 

V 

\ 

«W 

^ 

* 

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j 

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i—.^ 

Mh 

"" 

1 .. 

1        j 

Flg.  4. 


Mittel  zn  überflügeln,  während  es  dort  umgekehrt  war.  Erinnert 
man  sich,  was  ein  solches  Überflügeln  bedeutet,  so  kann  man  ver- 
muten, dafs  das  Abweichen  nach  der  positiven  Seite  hier  im  all- 
gemeinen stärker  ist,  während  die  Einzelwerte  bei  der  üntersuchong 


403 


der  EörpergrölBe  das  entgegengesetzte  Verhalten  zeigten^ ;  aber  auch 
nur  yermuten,  nicht  wissen.  Nur  im  Alter  von  neun  und  von  17 
Jahren  wird  das  arithmetische  Mittel  kleiner,  und  beides  sind 
Jahre,  die  auch  bei  der  Eörpergröfse  das  arithmetische 
Mittel  besonders  tief  haben  sinken  lassen,  so  dals  in  dieser 

Kurven  der  Hftuflgkeit  positlTer  und  negaÜTor  Abweichungen. 


Wi 

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Fig.  6. 

Hinsicht  der  Einfluls  des  Alters  auf  Grölse  und  Gewicht  doch  der- 
selbe zu  sein  scheint. 


^  Vielleioht  hängt  dies  Verhalten  mit  dem  weit  stärkeren  relativen 
Wachitnm  des  Gewichts  zusammen.    Vgl.  Abschnitt  m. 


404 

Die  zugehörigen  Kurven  zeigen  deutlich  verschiedene  Perioden 
dee  Wachstums:  Zunächst  eine  Periode  der  verzögerten  Zunahme, 
welche  auch  hier  ihr  Minimum  im  elften  Lebensjahre  erreicht.  Nach 
dem  elften,  noch  konsequenter  aber  nach  dem  13.  Jahre  ist  die  6e- 
wichtszunahme  entschieden  beschleunigt,  erreicht  den  Höhepunkt 
dieser  Beschleunigung  aber  erst  mit  dem  vollendeten  16.  Jahre, 
während  die  Periode  des  beschleunigten  Längenzuwachses  bereits 
etwas  firüher  aufhört.  Nach  dem  16.  Jahre  beginnt  auch  die 
Gewichtszunahme  zögernder  zu  werden;  während  aber  der  Gröfsen- 
zuwachs  in  dieser  dritten  Periode  allmählich  ganz  aufhörte,  dauert 
die  Verzögerung  der  Gewichtszunahme  nur  zwei  Jahre.  Nach  dem 
18.  Jahre  beginnt  dann  augenscheinlich  eine  vierte  Periode,  eine 
Periode  der  wieder  beschleunigten  Zunahme  des  Körpergewichtes, 
welche  genauer  zu  studieren  das  Material  leider  nicht  gestattet 

Vergleichen  wir  das  Verhalten  der  Kurven  auf  S.  402  und 
S.  403  (Fig.  4  u.  5)  zueinander,  so  liegt  die  des  arithmetischen 
Mittels  während  der  beiden  Perioden  der  Beschleunigung  dauernd 
unter  der  anderen  und  während  der  beiden  Verzögerungsperioden 
wenigstens  zeitweise  über  der  des  wahrscheinlichen  Mittels.  Ab- 
gesehen also  von  dem  offenbar  atypischen  Verhalten  im  zehnten 
Jahre  findet  man  auch  hier,  ebenso  wie  bei  der  Betrachtung  der 
Körpergrölse,  einen  durchgängigen  Parallelismus  der  beiden, 
an  sich  völlig  verschiedenen  Vorgänge:  Ist  die  Zunahme 
verzögert,  müssen  die  negativen,  ist  sie  beschleunigt, 
müssen  die  positiven  Abweichungen  vom  Mittelwerte 
stärker  ausgeprägt  sein. 

Auf  die  Minima  und  Maxima  kann  auch  hier  kein  Gewicht 
gelegt  werden :  sie  zeigen  deutlich  den  Charakter  des  Zufälligen,  der 
sich  namentlich  in  dem  widersinnigen  Fallen  des  Maximums  nach 
dem  16.  Jahre  infolge  der  zunehmenden  Material  Verringerung 
ausprägt. 

Ein  Blick  in  die  nicht  abgedruckte  Tafel  der  Einzelwerte  lehrt, 
dals  das  Verhältnis  der  Gesamtzahl  der  positiven  zu  der  der  nega- 
tiven Abweichungen  pro  Jahr  genau  mit  der  oben  aus  dem  Verhältnis 
der  beiden  Mittelwerte  geschlossenen  Vermutung  übereinstimmt«  Das 
zeigt  sich  am  besten,  wenn  wir  wieder  beide  Zahlen  zur  Kurven- 
zeichnung benutzen. 

Abgesehen  von  dem  auch  hierin  atypischen  Verhalten  des 
zehnten  Jahrgangs  zeigt  sich  durchaus  Übereinstimmung  mit  der 
oben   skizzierten,    periodisch  wechselnden  Geschwindigkeit   der  Ge* 


406 


1 

> 

+ 

Summe 
der  halb- 
zeitigen 
Diffe- 
renzen 

9,0 
9,2 

Rektifikation 

Rekti- 
fizierte 
Summe 

HitÜere 
Summe 

7 
S 

< 

Halbseitiger 
Oszillations- 
exponent 

vm 

+  4.0,02 
-5.0,02 

+  0,08 
-0,10 

9,08 
9,10 

}      9,09 

4 
5 

2,27 
1,82 

IX 

+ 

11,8 
11,8 

— 

— 

— 

}    11,80 

6 
4 

1,97 
2,95 

X 

+ 

29,4 
28,4 

-  9.0,04 
-f.  14.0,04 

-0,36 
+  0,52 

29,04 
28,92 

1    28,98 

9 
14 

3,29 
2,07 

XI 

+ 

44,6 
44.9 

+ 16.0,01 
— 17.0,01 

+  0,16 
-0,17 

44.76 
44,73 

}    44,75 

16 
17 

2,80 
2,63 

xn 

+ 

100,1 
99,6 

—  29.0,01 
+  30.0,01 

—  0,29 
+  0,30 

99,81 
99,90 

}    99,86 

29 
80 

8,44 
3,33 

na 

+ 

189,1 
188,5 

—  39.0,01 
+  48.0,01 

-0,39 
+  0,48 

188,71 
188,98 

1  188,86 

39 

48 

4.84 
3,94 

XIV 

+ 

303,5 

806,7 

+  51.0,03 
-  60.0,08 

+  1,53 
-1,80 

305,03 
304,90 

}  304,97 

61 
60 

5,98 
5,08 

XV 

+ 

473,6 
468,2 

-69.0,04 
+  80.0,04 

—  2,76 
+  3,20 

470,84 
471,40 

}  471,12 

69 
80 

6,83 
6,89 

XVI 

+ 

521,6 
621,4 

— 

— 

— 

1  521,50 

85 
80 

6,14 
6,82 

ivii 

+ 

851,6 
354,7 

+  64.0,08 
—  63.0,03 

+  1,92 
-1,89 

353,52 
352,89 

}  353,21 

64 
63 

5,52 
5,61 

IVUI 

+ 

179,3 
182,5 

+  32.0,04 
-39.0,04 

+  1,28 
-1,56 

180,58 
180,94 

J  180,76 

32 
39 

6,65 
4,65 

XIX 

+ 

95,1 
96,2 

+ 15.0,03 
—  20.0,03 

+  0,46 
-0,60 

95,55 
95,60 

1    95,58 

15 
20 

6,37 
4,78 

XX 

+ 

15,3 
15,7 

+  5.0,05 
-3.0,05 

+  0.25 
-0,15 

15,65 
15,55 

}    15,55 

5 
3 

3,11 
5,18 

406 


wiohtszunahme.  Die  Kurven  berühren  oder  schneiden  sich  wfthrend 
des  zwölften,  des  16.  und  des  18.  Jahres  und  sondern  so  die  yier 
für  das  Körpergewicht  innerhalb  des  untersuchten  Zeit- 
raums konstatierten  Perioden. 

Nunmehr  folge  die  Berechnung  des  halbseitigen  Oszillations- 
ezponenten,  welche  sich  auf  vorhergehender  Seite  befindet.  Das 
Besultat  dieser  Berechnung  zeigen  die  Kurven  der  halbseitigen 
Oszillationsexponenten  (Fig.  6). 

Kurven  der  halbseitigen  OuUlationsexponenten. 


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Pigr. «. 

Es  zeigt  sich  zunftchst,  was  sich  zeigen  mufa:  Die  Kurven 
haben  gleiche  Ordinaten,  d.  h.  schneiden  oder  berühren  sich  (abge- 
sehen von  den  beiden  ersten  und  dem  letzten  Jahrgang,  wo  das 
Material  höchstens  zehn  beträgt),  nur  wfthrend  des  ganzen  zwölften 
Jahres,  in  der  Mitte  des  16.  und  am  Anfange  des  18.  Jahres,  sodaEs 
die  vier  Perioden  gekennzeichnet  sind,  von  denen  aber  die  erste,  wie 
oben,    durch  die  Irregularität  des  zehnten  Jahrganges  gestört  wiid. 

Sucht  man  nun  wiederum  für  jeden  Jahrgang  die  in  der  Mitte 


407 

zwischen  den  beiden  eingetragenen  liegende  Ordinate,  nnd  zeichnet 
80  die  Kurve  des  allgemeinen  Oszillationsexponenten,  so  zeigt 
diese,  wie  bei  der  KörpergröÜBe  ein  periodisches  Steigen  nnd  Fallen, 
welches  gleichzeitig  mit  den  Phasen  der  übrigen  Phänomene  ver- 
Ifluft.  Nur  die  erste  Periode  ist  dnrch  das  geringe  Material  des 
achten  nnd  nennten,  sowie  dnrch  das  schon  bekannte  atypische  Ver- 
halten des  z^nten  Jahres  gestört  nnd  zeigt,  statt  der  zu  erwartenden 
Senkung  eine,  wenn  auch  nur  ganz  geringe  Steigung. 

Die  zweite,  dritte  und  vierte  Periode  dagegen  zeigen  aufs  deut- 
lichste das  Vorhandensein  jenes  schon  bei  der  Körper- 
gröfse  konstatierten,  aber  bis  jetzt  unaufgeklärten 
Parallelismus  zwischen  den  drei,  scheinbar  ganz  unab- 
hängigen Erscheinungen:  der  Beschleunigung  resp.  Ver- 
zögerung der  jährlichen  Zunahme,  des  Überwiegens  der 
Übermittelgrofsen  bezw.  Untermittelgrofsen  und  der 
stärker  resp.  schwächer  werdenden  Differenzierung. 
Allee  ist,  abgesehen  von  der  einen,  aber  in  sich  auch  wieder  konse- 
quenten Ausnahme  des  zehnten  Jahrganges  genau  so,  wie  es  bei  der 
EörpergTöüse  beobachtet,  aber  noch  nicht  begründet  wurde,  nur  dafs 
dort  drei,  hier  aber  vier  völlig  getrennte  Perioden  zu  unterscheiden 
sind. 

Nunmehr  sind  auch  für  das  Körpergewicht  der  Oszillationsindex, 
die  Sicherung  des  Mittelwertes,  die  wahrscheinliche  Oszillationsbreite 
der  im  „mittleren  Kern"  liegenden  halben  Anzahl  der  Einzelwerte 
und  die  Zahl  der  tatsächlich  in  dieser  Breite  beobachteten  Einzel- 
werte berechnet  worden.  Aber  waren  nicht  im  Ajifange  dieses  Ab- 
fiehnittes  Qüetelet  und  Knapp  zitiert,  welche  einen  fundamentalen 
unterschied  zwischen  der  Körpergrölse  und  dem  Körpergewichte  an- 
nahmen, indem  bei  jener  die  Verteilung  der  Einzelwerte  symmetrisch, 
bei  diesem  aber  unsymmetrisch  sein  sollte?  Die  Schwierigkeit 
löst  sich  jetzt  leicht.  Es  waren  nämlich  erwachsene 
Personen  gemessen  worden,  bei  denen  das  Längen- 
wachstum stillstand;  es  kann  also  auch  von  einer  Be- 
schleunigung und  Verzögerung  nicht  die  Bede  sein,  und 
da  stets  nur  eine  solche  von  einer  Asymmetrie  begleitet 
ist,  wie  sich  aus  der  ganzen  vorliegenden  Arbeit  ergibt, 
80  ist  für  die  Verteilung  der  einzelnen  Gröfsenbestim- 
mungen  um  die  mittlere  Körpergröfse  kein  Grund  vor- 
handen, nicht  symmetrisch  zu  sein.  Anders  aber  liegen 
die   Verhältnisse   beim   Körpergewicht.     Hier   ist   die    Zu- 


408 


nähme  beim  Anfhören  des  Längenwaohstoms  noch  keineswegs  ab- 
geschlossen; ee  hat  sich  im  Gegenteil  gezeigt,  dafis  etwa  mit  dem 
18.  Jahre  eine  neue  Periode  der  beschleunigten  Zunahme,  gesteigerten 
Differensierung  und  stärkerem  Abweichen  nach  der  positiven  Seite 
beginnt.  Nun  stellt  aber  Qubtelets  asymmetrische,  nach  der 
positiven  Seite  stärker  ausweichende  Kurve  ^les  poids  des  femmes 
de  18  ä  25  ans^^  dar,    fUlt   also   genau   in  die  beschleunigte 


Jahrgang 

r 
Wahrschein- 
liche 
Abweichung 

der 
üinzelwerte 

R 

Wahrschein- 
liche 

Abweichung 
des 

Mittelwertes 

3f— r  bis  M+r 

Grenzen 

des  mittleren 

Kernes 

n 

"2             Tat- 
Berech-     sächliche 
nete 

Zahl  der  im 

mittleren  Kern 

enthaltenen 

1 
1 

< 

vm 

1,6892* 

0,52971 

22,29-25.47 

4,6 

8 

-1 

IX 

1,9949 

0,68064 

24,71-28,69 

5 

5 

0 

X 

2,1802 

0,44519 

26,91-31,17 

11,5 

11 

0 

XI 

2,2928 

0,89904 

28,90-83,48 

16,5 

14 

-2 

XU 

2,7961 

0,86408 

81,61-87,21 

29,6 

28 

-1 

xni 

8,6697 

0,40260 

88,54—40,88 

48,5 

44 

0 

XIV 

4,6448 

0,43614 

87.88-47,11 

55,5 

58 

+  2 

XV 

4,9666 

0,40688 

48,07—58,01 

74.5 

71 

-3 

XVI 

5,8438 

0,41598 

48,66-59,84 

82,5 

80 

-2 

xvn 

4,7009 

0,41709 

52,97-62,87 

68,5 

63 

0 

xvm 

8,9254 

0,46586 

55,58-68,89 

85,5 

86 

0 

XIX 

4,6155 

0.78015 

59,05-68,29 

17,5 

20 

+  2 

XX 

(8,8555*) 

1,18682 

57,29-64,01 

4 

4 

0 

Die  mit  *  versehenen  Zahlen  sind  nach  der  genauen,   die  übrigen  nach 
der  angenäherten  Formel  berechnet. 

Periode,  deren  Beginn  sich  in  der  vorliegenden  Unter- 
suchung hat  zeigen  lassen;  erst  aus  den  Ergebnissen 
dieser  Arbeit  heraus  Iftfst  sich  also  der  von  Qübtelst 
beobachtete  Unterschied  im  Verhalten  der  Körpergröfse 
und  des  Körpergeveichts  bei  Erwachsenen  begreifen:  es 
ist  kein  Unterschied  der  Phänomene  als  solcher,  die  Er- 


^  AnthraponUtne,  S.  848. 


409 

scheinung  beruht  lediglioli  auf  dem  früheren  Stillstände 
des  Längenwachstum  im  Verhältnis  zur  Gewichtszunahme. 
Deshalb  ist  auch  kein  Grund  vorhanden,  die  Anwendung  der  aus 
dem  GAUSSSchen  Gesetze  folgenden  Formeln  beim  Körpergewicht 
zu  unterlassen,  während  sie  bei  der  KOrpergrölse  angewendet  sind. 
Die  Berechnungen  sind  demnach  (S.  408)  ausgeführt. 

Die  wahrscheinliche  Fehlergrenze  des  Mittelwertes  ist  hier,  ver- 
glichen mit  der  Einheit  des  Kilogramms,  in  den  meisten  Jahren 
noch  erheblich  kleiner,  d.  h.  also  die  Zuverlässigkeit  der  ganzen 
Untersuchung  noch  grölser  als  bei  der  Körpergröfse,  verglichen  mit 
der  Einheit  eines  Zentimeters.  Auch  die  Übereinstimmung  der 
Anzahl  der  tatsächlich  in  den  Grenzen  des  mittleren  Kerns  ent- 
haltenen Einzelwerte  mit  der  berechneten  Anzahl  ist  hier  noch 
gröfser  und  übersteigt  nirgends  den  Fehler  von  drei  Werten,  was 
die  Anwendbarkeit  der  Methode  auch  hier  beweist. 

Auch  die  Oszillationsindices  (r)  des  Körpergewichts  würden, 
wenn  man  sie  als  unbenannte  Zahlen  betrachten  würde,  in  den 
meisten  Jahren  als  kleiner  imponieren  als  die  der  Körpergröfse.  Will 
man  jedoch  die  Macht  der  Differenzierung  bei  beiden  Phänomene 
vergleichen,  so  darf  man  nicht  die  absoluten,  wahrscheinlichen  Ab- 
weichungen benutzen,  sondern  mufs  zuerst  die  relativen  Oszillations- 
indices berechnen.  Man  frage  zuerst,  wie  sich  die  Oszillation 
relativ  zurGröfse  des  Durchschnittswertes  in  Prozenten 

verhalte,  rechne  also  den  Quotienten  — =;^  für  die  Körpergrölse 

Ja. 

sowohl  als  für  das  Körpergewicht  aus.  Dies  ist  nun  geschehen, 
jedoch  sind  hier,  wie  in  allen  folgenden  Betrachtungen  dieses  Ab- 
schnittee,  die  Jahrgänge,  welche  ein  Yiertelhundert  Einzelwerte  nicht 
aQÜEuweisen  hatten,  auGser  Betracht  gelassen. 

Die  Differenzierung  des  Gewichts  ist,  wie  die  Tabelle 
(S.  410)  zeigt,  im  grofsen  und  ganzen  etwa  dreimal  so  grofs 
als  die  der  Statur;  beide  steigen  etwa  bis  zur  Pubertät  und  fallen 
dami  wieder;  die  des  Gewichts  steigt  zuletzt  wieder,  gemäfs  der  uns 
schon  bekannten,  im  18.  Jahre  beginnenden  Periode  der  beschleu- 
nigten Zunahme;  die  relativen  Gewichtsoszillationen  pendeln  etwa 
zwischen  6V«%  und  11%,  die  relativen  Gröfsenoszillationen  zwischen 
2%nnd3V»%.  Letztere  sind  also  nicht  nur  kleiner,  sondern 
anoh  konstanter. 

Schlieüslich  müssen  nun  noch  die  arithmetischen  Mittel  der 
ÖröÜBe  und  des  Gewichts  miteinander  verglichen  werden.     Es   sind 


410 


Jahrgang 

Arithmetischei 
Mittel 

Abtolater 
Ossillationsindex 

Relativer 

Otzillationiindex 

in  Prozenten 

Oröffle 

Gewicht      Orofte 

Gewicht 

Grofse 

Gewicht 

XI 

186,49 

81,19 

3,425 

2,292 

2,51  o/o 

7,38V« 

xn 

140,86 

84,41 

8,594 

2,796 

2,550/0 

8,12% 

xm 

145,61 

87,21 

4,298 

8,670 

2,95% 

9,84% 

XIV 

152,65 

42,47 

4,878 

4,645 

8,19Vo 

10,94% 

XV 

158,64 

48,04         5,238 

4,967 

8,29  Vo 

10,84% 

XVI 

164,88 

54,00         5,059 

5,848 

3,07  Vo 

9,90% 

xvn 

168,16 

67,67          4,429 

4,701 

2,68  Vo 

8,15% 

xvni 

169,23 

59,40         4,077 

8,925 

2,41  Vo 

6,69% 

XIX 

170,80 

68,67 

8,792 

4,616 

2,23  «/• 

7,25% 

hier  von  bisherigen  üntersnchem  verschiedene  Methoden  in  An- 
wendung gebracht  worden,  je  nachdem  die  Frage  gestellt  wird. 
Nenne  ich  die  Körperlänge  des  |>-ten  Jahrganges  Zp,  das  Körper- 
gewicht Op,  so  kann  ich  den  Quotienten  y^  berechnen.  So  beant- 

wertete  Kotslmann^  an  seinem  und  an  Qüetelets  Material,  ebenso 
Pbbcy  Boülton*  die  Frage,  wieviel  Kilogramm  kommen  auf  einen 
Meter?  Ebenso  berechnete  E.  Schmidt'  an  seinen  Saalfelder  und 
den  Bostoner  und  Gohliser  Kindern  die  Anzahl  Gramm,  die  je 
auf  einen  Zentimeter  kommen.  Aber  ein  Lftngenmafs  und  eine 
Oewichtszahl  als  solche  sind,  physikalisch  betrachtet, 
eigentlich  gar  nicht  direkt  zu  vergleichen.  Tatsftchlich 
interessierte  die  genannten  beiden  Untersucher  auch  gar  nicht  der 
gefundene  Quotient  selbst,  sondern  lediglich  dessen  Veränderung  mit 
den  irahren.  Man  müfsiie  also,  um  dies  rein  zum  Ausdruck  zu 
bringen,  erst  wieder  das  Verhältnis  dieser  Quotienten  zueinander 
oder  zu  dem  des  Neugeborenen,  d.  h.  des  o-ten  Jahrgangs,  also  den 
Bruch:  G^ 

Zp    ^Op.Lo 

Qo^        Lp.Go 


^  Siehe  oben :  Zeitschr.  d,  Kgl  preuft.  aUUiat.  Bureaus,  1879,  8.  6. 
*  „Anthropometrisohe  Beobachtungen.''    Brit,  med,  Joum*  1876. 
'  Siehe  oben:  Arch.  f.  AnOiropoL  S.  401,  402  and  403. 


411 

ansFeehnen.     Dieser  Bmcli  entsteht   aber  auch  ans  dem  Verhältnis 

^  :  7~,  so  dafs  man  das  Verfahren  auch  in  umgekehrter  Reihen- 

folge  anstellen  kann.  Dies  hat  Qüetelet^  selbst  getan.  Er  ver- 
gtioh  sämtliche  mittleren  Gewichte  und  Gröfsen  mit  dem  Gewichte 
und  der  Qtröbe  des  Neugeborenen  und  fand,  dais  die  Gewichte 
im  allgemeinen  stärker  als  die  Quadrate  der  Gröfsen, 
aber  schwächer  als  die  Kuben  der  Gröfsen  zunahmen.  Dies 
Verfahren  hat  den  Nachteil,  dafs  man  die  zu  einer  Beobachtungs- 
leihe gehörigen  Messungen  der  Neugeborenen  meist  nicht  kennt, 
und  die  B.e8ultate  verschiedener,  an  verschiedenen  Orten  und 
Bevölkerungsschichten  erfolgten  Messungen  zu  einer  einzigen  Bech* 
nuig  ssu  vereinigen,  wie  es  z.  B.  Visboedt*  vielfach  getan  hat, 
seheint  mir  wegen  der  sozialen  und  anthropologischen  Variabilität 
aller  anthropometrischen  Phänome  nicht  statthaft  zu  sein. 

E.  Schmidt'  hat  sich  geholfen,  indem  er  für  jede  Untersuchung 
das  Jahr  als  MaCsstab  der  anderen  Jahre  benutzte,  von  dem  zuerst 
genügend  Material  vorhanden  war.  Das  hat  aber  wieder  den  Übel- 
stand,  itib  dann  die  bei  verschiedenen  Untersuchungen  so  erhaltenen 
Zahlen  nicht  direkt  vergleichbar  sind.  Auiserdem  drücken  beide 
Methoden  etwas  anderes  aus,  als  man  eigentlich  will :  man  will  das 
jährliche  Verhalten  des  relativen  Gröfsenzuwachses  zur  relativen 
Gewichtszunahme  wissen,  erhält  aber  tatsächlich  die  in  dem  ganzen 
Zeitraum  vom  Ausgangsjahr  bis  zu  dem  betreffenden  Termin  hin 
erfolgte  Verschiebung  in  der  Zunahme  beider  Zahlenreihen,  also  ein 
Verhältnis,  welches  durch  das  fragliche  Wachstum  des  letzten  Jahres 
nur  ganz  unwesentlich  beeinflufst  wird. 

Im  folgenden  werde  ich  daher  als  erster  so  verfahren,  dafs  ich 
▼on  jedem  Jahrgang  das  Verhältnis  zu  dem  vorherigen  unter- 
snche,  also  die  Quotienten: 

^pjLLnnd%tl 

berechne. 

Dann  könnte  ich  nach  dem  Vorgange  PeegtBoultons,  Quetelets 
nnd  E.  Schmidts  ersteren  Quotienten  jedesmal  ins  Quadrat  und  in 
den  Kubus  erheben  und  zusehen,  ob  es  sich  bestätigt,  dafs  der  andere 


^  Anihropomitrie,  S.  344. 

'  „Physiologie  des  Eindesalters "  in  Gbhrhabdts  HancR),  d,  Kinderkrank- 
keäm.    TfibinRen  1877.    Bd.  I. 

'  Siehe  oben:  Arth.  f.  Anihropol,  1892,  S.  400. 


412 


Quotient  seinem  ZahleDwerte  nach  zwisohen  diesen  beiden  Potenzen 
liegt.  —  Ein  genaueres  Resultat  bekomme  ich  aber  durch  Logarith- 
mierung  der  Gleichung: 

Dann  ist 

^^foggp  +  i  — tog&p 
log  Lp  — hg  Lp  ^i 
Der   erhaltene  Wert   für   x   drückt    dann    direkt    die 
Potenz  aus,  in  welche  ich  den  jährlichen  relativen  OrOfsen- 
zuwaohs  erheben  mufs,  um  die  jährliche  relative  Oewiohts- 
zunähme  zu  erhalten. 


Absoluter  Jahreawert 

EelaÜve  Znnahme 

zum  vorhergehenden  Jahre 

in  Proienten 

Potenz  der 
rel.  Gewichts- 
zunahme 
zur  Groiaen- 

Grölse 

Gewicht 

Orölse 

Gewicht 

zunähme 

XI 

186,49 

81,19 

2,89% 

6,91% 

2,8261 

xn 

140,86 

84,41 

8,20% 

10,82  Vo 

3,1154 

xra 

145,61 

37,21 

8,61  »/o 

8,14% 

2,2065 

XIV 

152,66 

42,47 

4,85% 

14,13% 

2.7894 

XV 

158,64 

48,64 

4,15% 

18,12% 

8,0841 

XVI 

164,88 

54,00 

8,98% 

12,89% 

8,0281 

xvn 

168,15 

57,67 

1.98% 

6,81  % 

3,3529 

xvm 

169,23 

59,46 

0,64  7o 

8,83% 

5,1213 

XIX 

170,30 

63,67 

0,68  Vo 

7,08  Vo 

10,883 

Diese  Tabelle  ergibt,  dals  bei  den  Knaben  der  SroYSchen  Er- 
ziehungsanstalt das  Körpergewicht  in  den  meisten  Jahren,  namentlich 
in  denen  der  eigentlichen  Pubertätsentwicklung,  etwa  im  Kubus  der 
KörperläDge  zunimmt.  Es  bleibt  dahingestellt,  wieweit  dieses  Ver- 
halten nur  auf  die  günstigen  Ernährungs-  und  Lebensverhältnisse  der 
gemessenen  Schüler  zurückzuführen  ißt  und  wieweit  es  den  allgemeinen 
Wachstumsgeeetzen  entspricht. 

Die  Yergleichung  mit  den  bisherigen  Untersuchungen 
gibt  darüber  keinen  sicheren  Aufschlufs,  da  diese,  wie 
gesagt,  wider  ihre  Absicht  nicht  das  jährliche  Verhalten 
der  beiden  Zunahmen  betrachten,  sondern  die  seit  der 
Geburt  resp.   seit   einem  willkürlichen  Anfangsjahre   an 


413 

eingetretene  Yersohiebung.  ESs  wäre  a  priori  sehr  wohl  denk- 
bar, daüs  in  den  Jahren,  welche  unseren  Messungen  voraufgehen, 
das  Körpergewicht  yielleicht  nur  im  Quadrat  der  Lftnge  zugenommen 
hat.  Wenn  dann  auch  nachher  die  Zunahme  des  Gewichtes  im 
vollen  Kubus  des  Körperlängenzuwachses  erfolgte,  so  würde  nach 
den  bisher  üblichen  Methoden  eine  bedeutend  niedrigere  Potenz 
herausgerechnet  worden  sein.  Um  wenigstens  einen  ungefähren 
Anhaltspunkt  über  das  relative  Wachstum  des  der  untersuchten 
Lebenszeit  voraufgehenden  Alters  zu  haben,  vergleiche  ich  die  arith- 
metischen Mittel  mit  den  allgemeinen  für  den  Neugeborenen  ange- 
nommenen Zahlen.  Danach  scheint  bei  den  STOTBchen  die 
Körpergrö/se  in  den  ersten  elf  Lebensjahren  um  ca.  275  7o,  das 
Körpergewicht  aber  etwa  um  1000%,  letzteres  also  nur  etwas  stärker, 
als  dem  Quadrat  der  Längenvermehrung  entspricht,  zugenommen  zu 
haben.  Nur  im  13.  Jahre  ist  der  Exponent  noch  einmal  nur  etwas 
über  2,  während  der  Pubertätsentwicklung  dagegen  etwa  =  3; 
nachher,  indem  das  Längenwachstum  immer  geringer  wird,  die 
Gewichtszunahme  aber  vom  18.  Jahre  an,  wie  oben  gezeigt,  wieder 
stark  zunimmt,  steigt  der  Exponent  der  untersuchten  Potenz  sehr 
rasch  an.  Li  einem  Jahre,  in  dem  das  Längenwachstum  bereits 
aufgehört  hätte,  die  Gewichtszunahme  aber,  wenn  auch  noch  so 
gering,  doch  noch  vorhanden  wäre,  würde  der  Exponent  den  Wert  cx> 
erreichen.  Hieran  zeigt  sich,  dals  die  Methode  noch  verbesserungs- 
bedürftig ist. 

Auiserdem  kann  jeder  billig  fragen:  was  bedeutet  denn 
der  Exponent  dieser  fraglichen  Potenz  für  die  Physio- 
logie des  Wachstums?  Um  dies  zu  beantworten,  sei  eine  all- 
gemeine theoretiBche  Überlegung  gestattet.  Das  Gewicht  eines 
Körpers  ist  gleich  seinem  Volumen,  multipliziert  mit  dem  spezifischen 
Gewichte.  Das  Volumen  aber  ist  eine  Grölse  dritter  Dimension, 
kann  also  stets  als  Produkt  dreier  Linien  aufgefaist  werden.  Wächst 
nun  ein  Körper,  so  kann  dies  geschehen  dadurch,  dals  nur  eine  der 
drei  Dimensionen,  oder  daCs  beide,  oder  dalüs  alle  drei  zunehmen. 
Soll  der  Körper  stets  dieselbe  Form  behalten,  soll  er  im  geome- 
trischen Sinne  sich  stets  „ähnlich''  bleiben,  so  müssen  alle  drei 
Dimensionen  in  demselben  Verhältnis  zunehmen.  So  wächst  ein  frei  in 
einer  Mutterlauge  hängender  Kristall.  Auch  für  den  menschlichen 
Körper  wäre  dies  gewissermaCsen  das  ideale  Wachstum;  das  Volumen 
nähme  dann  genau  in  der  dritten  Potenz  des  linearen  Wachstums 
zu.   Nun  liefse  sich  aber  das  wachsende  Volumen  des  Menschen  nur 

SehulgreBandhefUpflegre.  XVIIL  28 


414 

schwer  regelmftfsig  beobachten.  Man  könnte  es  zwar  aus  dem  Grewicht 
berechnen,  wenn  man  das  spezifische  Gewicht,  d.  h.  die  Dichte  ((Q 
kennen  würde.  Aber  dessen  etwaige  jährliche  Veränderong  liefse 
sich  erst  recht  nicht  regelmä&ig  messen.  Es  sind  verschiedene  Mög- 
lichkeiten vorhanden,  wodurch  sich  das  spezifische  Grewicht  ftndem 
könnte:  So  die  Verdrängung  des  Knorpelsystems  durch  das  Knochen- 
system ;  so  umfangreiche  Petrifizierungs-,  Ossifizierungs-,  Sklerosierungs 
prozesse  und  andere  degenerative  Vorgänge;  so  die  Ersetzung  fester 
Knochensubstanz  durch  Spongiosa.  Doch  alle  diese  Prozesse  spielen 
in  den  in  Betracht  kommenden  Jahren  wohl  keine  erhebliche  Rolle. 
Femer  könnte  reichlicher  Ansatz  des  spezifisch  leichten  Fettes  das 
spezifische  Gewicht  des  ganzen  Körpers  herabsetzen.  Für  die  Perioden 
der  Pubertätsentwicklung  könnte  dieser  Prozels  einen  wesentlichen 
EinfluGs  vielleicht  bei  Mädchen  haben,  wo  in  der  Tat  gerade  in  dieser 
Zeit  die  eckigen  Formen  des  Backfisches^  in  die  durch  Fettpolster 
abgerundeten  Formen  der  Jungfirau  übergehen;  bei  Knaben  tritt  der 
Vorgang  mehr  zurück.  Wichtiger  ist  das  verschieden  starke  Wachs- 
tum verschieden  schwerer  Organe;  namentlich  die  stark  lufthaltige 
Lunge  könnte,  wenn  ihr  Wachstum  das  des  Gesamtkörpers  wesent- 
lich überstiege  oder  wesentlich  hinter  demselben  zurückbUebe,  das 
spezifische  Gewicht  des  ganzen  Individuums  verändern.  Nun  aber 
ist  von  allen  parenchymatösen  Organen  gerade  die  Lunge  dasjenige, 
dessen  Wachstum  am  genauesten  mit  dem  des  Gesamtkörpers  über- 
einstimmt.* Die  übrigen  Eingeweide  werden  zwar  mit  den  Jahren 
relativ  kleiner,  die  Masse  der  Muskeln  entsprechend  gröiser;  doch 
dürfte  das  spezifische  Gewicht  dieser  verschiedenen  Gewebe  kaum 
di£ferent  genug  sein,  um  eine  Änderung  der  Gesamtdichte  des  Körpers 
herbeizuführen.  Auf  Grund  dieser  theoretischen  Erwägungen,  da 
experimentelle  Untersuchungen  dieser  Frage  meines  Wissens  fehlen, 
nehme  ich  an,  dafs  das  spezifische  Gewicht  der  Knaben  in  der  be- 
obachteten   Periode    im    wesentlichen     konstant    bleibt.      Da   nun 

G  =  Volp    ist,   80    wird  der    Quotient      ^^    zu    dem    Quotienten 

-^=^^.     Nun    aber    kann    das    Volumen,    wie    oben    gesagt,    als 
Produkt   dreier  Linien,    der   drei  Dimensionen,    aufgefaist   werden. 


^  Vgl.  Ploss:  „Das  Weib  in  Natur-  und  Völkerkunde."  Bd,  I,  §  54. 
*  Vgl.  K.  Oppekhbuieb:    „Über  die  WaohBtumsverhältnitse   des  Körper» 
and  der  Organe/    Dissertation,  München  1888.    Tafel  IL 


415 

Eine  dieser  Dimensionen  ist  die  Körperlänge.  Hätten  wir  also  ein 
ideales  Wachstum,  d.  h.  nähme  der  menschliche  Körper  auch  in  der 
Breite  und  Dicke  in  demselben  Verhältnis  zu  wie  in  der  Länge,  so 
li&tten  wir,  wenn  wir  die  Breite  mit  B,  die  Dicke  mit  D  bezeichnen 
folgende  Gleichungen: 

Lp  Bp  Dp  Gp 

^-      Lp    -   Bp    -   Dp 

Also  ft— )   =  -§*^,   d.  t.   beim    „idealen"  Wachstum 

nimmt  das  Gewicht  im  Kubus  der  Länge  zu.  Soweit 
also  die  in  obiger  Tabelle  enthaltenen  Exponenten  ungefähr  gleich  3 
waren,  geben  sie  einen  verständlichen  Sinn.  Wenn  dagegen  der 
Exponent  z.  B.  gleich  5  ist,  so  kann  man  daraus  nur  das  lernen, 
dals  entweder  das  Breitenwachstum  oder  das  Dickenwachstum  oder, 
wahrscheinlicher,  beides  stärker  gewesen  ist  als  das  Längenwachstum. 
Um  wieviel  es  aber  stärker  gewesen  ist,  das  können  wir  nie  aus  dem 
Exponenten  einer  Potenz  lernen.  Vielmehr  müssen  wir  hierzu  eine 
andere  Zahl  berechnen:  Man  denke  sich  statt  des  menschlichen 
Körpers  einen  geraden  Oylinder  von  gleicher  Höhe  und  gleichem 
spezifischen  und  absoluten  Gewichte,  also  auch  gleichem  Volumen. 
Nennen  wir  den  Radius  des  Mantels  q,  so  ist  das  Volumen  gleich 
L.Q^n.  Wächst  nun  dieser  Cy linder  in  demselben  Verhältnis  wie 
der  Mensch,  nach  dem  er  in  der  Idee  gebildet  wurde,  so  ist 

Gp  Volp  Lp  .Qp^.n 

Die  Auflösung  dieser  Gleichung  ergibt  die  Formel: 

Qp         V     Gp     '  ip  +  i 

In  dieser  Formel  erst  ist  der  Wert  enthalten,  auf  den 
es,  imter  der  Voraussetzung  der  spezifischen  Gewichtskonstanz,  bei 
jeder    Vergleichung    der     Gewichtszunahme     und     der 

Gröfsenzunahme  ankommt.     Der   Quotient  100.^^    drückt 

Qp 
das  durchschnittliche  prozentuale  relative  Wachstum    in 

der  Horizontalen  während  eines  Jahres  aus  und  laust  sich  direkt  mit 

23» 


416 

dem  prozentualen  relativen  Waobstum  in  der  Vertikalen  yergleiohen. 
In  der  folgenden  Tabelle  ist  er  berechnet. 


Zeitraam 

RelaÜTe 

GewiohU- 

zunähme 

Relaüre 
LSngen- 
zunahme 

Relati?e 
Horizontal- 
zunahme 

X-XI 

6,91V* 

2,39% 

2,18  V« 

xi-xn 

10,82  Vo 

8,20% 

8,89  «/o 

xii-xra 

8,14  Vo 

8,61% 

2.15  •/• 

xm-xiv 

14,13  Vo 

4,85% 

4,88  »/o 

XIV-XV 

18.12% 

4,15% 

4,22% 

xv-xvi 

12,39% 

3,98% 

8,93% 

XVI— xvn 

6,81% 

1,98% 

2.81% 

xvn-xvm 

8,83  Vo 

0.64% 

1,29% 

XVIII-XIX 

7,08% 

0,63% 

8,15  Vo 

(Fortsetzung  folgt.) 


iXttf  Derfammlttttgett  ttttb  Dereinett. 


Die  Schnlantfraffe  auf  Onmd  bisheriger  ErfUininffen. 

Vortrag  an  der  6.  Jahresyersammlnng  der  schweiserisohen 
Oesellschaft  für  Schulgesundheitspflege,  14.  und  16.  Mai 

in  Luzern. 

Von 

Dr.  med.  Fbibdbich  Stogkbb,  Augenarzt,  Luzern. 

(Autoreferat.) 

Um  den  Zuhörern  und  späteren  Lesern  den  aktuellen  Stand  der 
Schularztfrage  und  die,  aus  den  bis  jetzt  funktionierenden  schal- 
ilrztlichen  Einrichtungen  zu  ziehenden  Erfahrungen  verständlich  za 
machen,  konnte  Referent  sich  nicht  von  einem  historischen  Bück- 
blick über  die  Entwicklung  der  ganzen  Angelegenheit  dispensieres. 

Die  historische  Einleitung  holte  aber  nicht  so  weit  aus,  um  bei 
den   ersten,    schon    im  Altertum    und  Mittelalter   sich   bemerkba^ 


417 

machenden  Bewegungen  einzusetzen,  die  ein  Ebenmafs  der  Er- 
ziehung in  geistiger  und  körperlicher  Hiusicht  postulierten.  Vor 
allem  wurde  den  internationalen  Hygienekongressen  vermehrte  Auf- 
merksamkeit geschenkt,  die  sich  speziell  mit  der  Schaffung  eines 
„Schularztes**  und  der  Umschreibung  der  Funktionen  desselben 
befaTsten. 

Hier  ist  unbestritten  der  Ophtalmologe  und  Schulhygieniker  Oohn 
in  Breslau  auf  dem  internationalen  hygienischen  Kougrefs 
in  Genf  anno  1882  der  erste  gewesen,  der  direkt  die  Mitwirkung 
der  Ärzte  bei  der  Jugenderziehung,  die  Anstellung  von  Schulärzten 
mit  gröDstem  Nachdruck  postulierte.  Wenn  dieser  Pionier  für  den 
Schularzt  auch  mit  seinen  18  Thesen  der  damaligen  Behörden-  und 
P&dagogenwelt  einen  unsanften  Bippenstofs  zum  Aufwachen  zuteil 
werden  liefe,  so  sind  doch  verschiedene  seiner  Postulate  zur  Stunde 
noch  auf  unser  Programm  zu  setzen. 

Referent  ging  sodann  zur  Besprechung  der  interessanten  Schul- 
arztdebatte auf  dem  internationalen  Hygienekongrefs  in  Wien 
im  Jahre  1887  über,  wo  Cohn,  unterstützt  von  Prof.  Bübgebbtein, 
Gelegenheit  nahm,  das  Unsinnige  der  Argumentation  des  Breslauer 
Magistrates  darzutun,  der  im  Jahre  1886  das  Anerbieten  von  57 
Ärzten,  unentgeltlich  sich  der  Schule  zur  Verfügung  zu  stellen,  ab- 
lehnte, mit  der  Begründung,  dafs  „pädagogische  Bedenken^,  „MiTs* 
trauen  und  Vorurteil  gegenüber  der  Schule  in  Eltemkreisen^  diese 
ärztlichen  Schulberater  als  unzulässig  erscheinen  lieUsen. 

Der  Wiener  Kougrefs  ist  für  uns  Schweizer  speziell  noch  wichtig, 
weil  schon  damals  Dr.  Kübteb  aus  Zürich  und  Dr.  GüiLiiAUME  aus 
Neuenburg  (der  jetzige  Direktor  des  eidg.  statistischen  Bureaus)  über 
schulärztliche  Einrichtungen  in  der  Schweiz  (Basel,  Lausanne  und 
die  Enquete  im  Kanton  Neuenbürg)  Bericht  erstatten  konnten. 

Hervorzuheben  ist,  dafs  schon  an  diesem  Kongresse  in  These  6 
postuliert  wurde,  dals  die  schulhygienische  Au&icht  sachver- 
ständigen Ärzten  anvertraut  werde,  gleichviel  ob  sie  beamtete 
Ärzte  seien  oder  nicht. 

Hier  erwähnte  B«ferent  nebenbei,  dais  drei  Jahre  früher  auf 
der  Versammlung  des  deutschen  Vereins  für  öffentliche  Gesundheits- 
pflege in  Hannover  der  Vorstand  der  Stadtschulen  von  Berlin, 
Dr.  Bebtbah,  die  hygienische  Überwachung  der  Schulen  nur  hygie- 
nisch vorgebildeten  Lehrern  überlassen  wollte.  Als  direkter  prak- 
tisdier  Erfolg  des  Wiener  Kougresses  ist  das  Gutachten  der  wissen- 
schaftlichen Deputation  für  das  Medizinalwesen  in  Preulsen  (Oktober 


418 

1888)  aufzn£Btf86n,  welches  ärztliobe  SchulanfiBicht  forderte  und 
detaillierte  Wegleitung  zur  Organisation  derselben  gab. 

Immerhin  dauerte  der  Kampf  der  Pädagogen  and  Behörden 
einerseits  und  der  drängenden  Mediziner  andererseits  um  das  Prinzip 
des  Schularztes  noch  an  bis  zum  25.  Deutschen  Ärztetag  in  Eisenadi 
(10.  und  11.  September  1897),  wo  der  Gymnasialdirektor  Dettweileb 
Ton  Darmstadt  erklärte,  dab  die  EinfOhrung  von  Schulärzten  all- 
gemein dringend  erforderlich  sei.  Referent  geht  denn  auch  mit  der 
Auffassung  von  Edel  einig,  der  {EneylUopäd.  Jahrbücher  d.  ges. 
Heäkunde,  1899,  ü.  Hälfte)  diesen  Tag  als  „einen  Wendepunkt  in 
Deutschland'  bezeichnet,  „von  welchem  an  nun  auch  ein  grober  Teil 
der  Pädagogen  sich  gegenüber  dem  Schularzt  nicht  mehr  ablehnend 
verhielt". 

Im  weiteren  ging  Referent  über  zur  Behandlung  der  Frage  der 
ärztlichen  Schulaufsioht  auf  dem  internationalen  Kongrefs 
für  Hygienie  und  Dermographie  in  Brüssel  im  September 
1903.  Er  konstatierte  au  Hand  der  dort  akzeptierten  Thesen,  dais 
man  allgemein  das  Prinzip  der  ärztlichen  Überwachung  der  Schulen 
unumwunden  anerkannt  hat. 

Hier  bot  sich  Gelegenheit,  etwas  näher  auf  die  schulhygienischen 
Institutionen  des  östlichen  Inselreiches  Japan  einzugehen,  da  Referent 
persönlich  die  Ausführungen  des  japanischen  Vertreters  Dr.  Mishiea 
in  Brüssel  angehört  hatte.  Unser  Staunen  über  die  Intelligenz  dieser 
„gelben  Rasse**  ist  in  stetem  Steigen  begriffen,  wenn  wir  yemehmen, 
dafs  das  ganze  Hikadoreich  schon  seit  den  neunziger  Jahren  des 
vorigen  Jahrhunderts  mit  Schulärzten  versehen  ist  und  dals  dort 
nicht  nur  für  Kanonen  und  Panzerschiffe,  sondern  auch  für  Ein- 
richtungen der  öffentlichen  sozialen  Wohlfahrt  kolossale  Summen  von 
Staates  wegen  ausgegeben  werden. 

Einer  näheren  Analyse  unterwarf  Referent  den  I.  französi- 
schen Kongrefs  für  Schulhygiene  vom  1.  und  2.  November 
1903  in  Paris,  veranstaltet  von  der  Ligue  des  Mödecins  et  des 
Familles  pour  l'hygi^ne  soolaire. 

Die  Kongrefsverhandlungen  (siehe  Bapports  et  Communications, 
Paris,  Massen  &  Oie.,  1904)  sind  besonders  deshalb  interessant,  weil 
wir  daraus  ersehen,  dafs  in  Paris  und  Frankreich  seit  1886,  wo  der 
Grundsatz  der  ärztlichen  Beaufsichtigung  der  Schulen  in  einem  Ge- 
setz niedergelegt  wurde,  praktisch  in  der  Ausführung  des  Gedankens 
nicht  mehr  viel  geschehen  ist.  In  Paris  und  einigen  Gro&stftdten 
gibt  es  wohl  sogenannte  Lycealärzte;  auf  der  Landschaft  aber  und  in 


419 

den  kleineren  Städten  ist  gar  nichts  derartiges  entstanden.  Vor 
allem  ansznstudieren  sind  die  Beferate  von  Dr.  P.  le  Gendke 
«Rapport  snr  le  röle  dn  medecin  soolaire^,  nnd  yon 
Dr.  H.  Meby  „Rapport  snr  Tlnspection  m^dicale  des  Cooles 
prima ir es ^,  sowie  die  Disknssion,  aus  der  man  ersieht,  dafs  man 
nun  in  Frankreich  lebhaft  anstrebt  nnd  postuliert,  was  sich  in 
anderen  Staaten,  speziell  in  Deutschland  nnd  der  Schweiz,  schon  als 
gut  erwiesen  hat. 

Die  einstimmig  angenommenen  Thesen  verlangen  in  erster  Linie 
eine  sanitäre  Eintrittsuntersuchung  der  Schulkinder  und 
die  Einführung  eines  Gesundheitsscheines  (Wiesbadener  Muster), 
und  in  zweiter  Linie  Anstellung  von  Schulärzten,  die  sich  in  Schul- 
hygiene unterrichtet  haben. 

Ebenso  eingehend  wurden  die  Verhandlungen  des  letztjährigen 
L  internationalen  Kongresses  für  Schulhygiene  in 
Nürnberg  vom  Referenten  herangezogen,  soweit  sie  die  ärztliche 
Au&icht  und  den  schulärztlichen  Dienst  betreffen.  Gegenüber  den 
Äulsernngen  von  Professor  Dr.  Lieberhakk  aus  Budapest  „die  Schule 
sei  keine  Sanitätsinstitution''  glaubte  der  Referent  vom  praktischen 
Standpunkt  aus  Stellung  nehmen  zu  müssen.  Die  Schule  ist  ja 
allerdings  vorab  eine  Bildungs-  und  Erziehungsanstalt,  aber  nebenher 
verlangt  ja  gerade  die  moderne  Schulhygiene,  dals  sie  gewissermaisen 
eine  Sanitätsinstitution  sei.  (Vergleich  mit  der  Armee  und  dem 
organisierten  Militärsanitätsdienst,  der  auch  nicht  erst  dann  zu  funktio- 
nieren an&ngt,  wenn  der  einzelne  Soldat  eine  Gefahr  für  die 
übrigen  wird.)  Für  die  weiteren  Ausführungen  und  Motivierungen 
über  diesen  Punkt  verweisen  wir  auf  den  im  „Jahrbuch  der  schweif 
Befischen  Gesetkchafi  für  Schulgesundheüspflege^  in  extenso  erscheinen- 
den Vortrag. 

Referent  nimmt  dann  Notiz  davon,  dals  auch  der  Nürnberger 
Eongrefs  grundsätzlich  einer  Eintrittsuntersuchung  der  Schulkinder  und 
der  Erstellung  eines  Gesundheitsscheines  für  jedes  Kind  das  Wort  redet. 

Nach  Behandlung  dieser,  für  die  Entwicklung  des  Gedankens 
der  Schularztauüsicht  so  eminent  wichtigen  Kongresse  trat  Referent 
noch  speziell  auf  das  Schularztwesen  Deutschlands  ein,  wobei  ihm 
die  in  dieser  Zeitschrift  vor  kurzem  publizierte  prächtige  Arbeit  von 
Hofrat  Dr.  Schubbbt  in  Nürnberg  das  Material  quasi  auf  dem 
Prfisentierteller  darbot.  Einige  Zusammenstellungen  dieses  Autors 
sowie  solche  von  Dr.  WEx-Lübeck  hat  Referent  graphisch  dargestellt 
und  werden  sie  sich  im  oben  erwähnten  Jahrbuch  vorfinden. 


420 

Betreffend  das  Schalarztwesen  unserer  Schweiz  hat  Referent 
schon  Tor  fünf  Jahren,  bevor  er  die  schulärztliche  Einrichtung  in 
Luzern  einführte,  durch  persönliche  Erhebungen  in  diversen  schweizeri- 
schen Städten  und  in  Wiesbaden  sich  eine  Summe  von  Erfahrungen 
geholt,  die  nun  noch  durch  eine  schriftliche  Enqudte  im  vergangenen 
Frühling  ergänzt  wurde. 

Die  Zeit  fehlte,  um  im  Bahmen  des  Vortrages  nur  einiger- 
maJsen  detailliertere  Angaben  zu  bringen,  doch  hofft  Referent,  eine 
das  „Schularztwesen  der  Schweiz^  betreffende  Arbeit  für  diese 
Zeitschrift  im  laufenden  Jahre  noch  schreiben  zu  können. 

Erwähnt  wurde  kurz,  was  bereits  in  unserer  kleinen  Republik 
in  Sachen  geschehen  und  dafs  gerade  wie  in  Deutschland  in  weitaus 
den  meisten  Fällen  die  Gemeinden  es  waren,  die  das  Schularzt- 
system wählten  und  es  einrichteten. 

Sodann  muis  bemerkt  werden,  dals  die  schweizerische  Gesellschaft 
für  Schulgesundheitspflege  schon  in  ihrer  Gründungsversammlung 
im  Oktober  1899  nach  einem  Vortrage  von  Stadtarzt  Dr.  MuiiLBB 
in  Zürich  „Über  den  heutigen  Stand  der  Schularzt&age"  einige  nach 
dem  Vorschlage  von  Professor  Dr.  Ebisbcann  modifizierte  Thesen 
annahm,  welche  forderten,  dals  eine  ständige  hygienische  Beauf- 
sichtigung aller  Schulen  sowohl  auf  dem  Lande  als  in  der  Stadt 
einzuführen  sei;  femer,  dafs  wo  die  Verhältnisse  es  gestatten,  hierfür 
hygienisch  gebildete  Schulärzte  anzustellen  seien,  und  dab 
auch  der  Lehrerstand  schulhygienisch  ausgebildet  werden  solle. 

Das  Studium  der  einschlägigen  Literatur  sowie  persönliche  Er- 
hebungen fahrten  den  Referenten  zu  folgenden  Erfahrungssätzen  und 
Postulaten  betreffend  das  moderne  Schularztwesen. 

Diese  Leitsätze  konnten  unmöglich  mehr  nur  allgemeiner  Natur 
sein,  sondern  mulsten  in  das  Detail  einer  schulärztlichen  Einrichtung 
eingehen.     Sie  lauteten  inhaltlich  ungefthr  wie  folgt: 


Die  Einführung  von  schulärztlicher  Au&icht  in  allen  städtischen 
und  ländlichen  Bezirken,  bei  öffentlichen  und  privaten  Schulen  eines 
modernen  Eulturstaates  hat  sich  durch  die  Erfahrung  als  not- 
wendig und  segensreich  erwiesen.  Sie  ist  für  den  Staat  eine 
Pflicht,  bringt  demselben  aber  wiederum  grofsen  Nutzen  und  liegt 
also  in  seinem  eigenen  Interesse.  Eine  schulärztliche  Einrichtang 
an  den  Bildungsstätten  unserer  Jugend  ist  von  hervorragend  so- 
zialer Bedeutung. 


421 

Die  Notwendigkeit  des  Sohularztee  ist  durch  tausend  und 
abertausend  Beobachtungen  der  eigentlichen  Schulkrankheiten,  durch 
die  Massenuntersuohungen  von  SchulkiDdem  in  jedem  Schulzeitalter 
daigetan. 

Aus  dem  Schulzwang  erwächst  für  den  Staat  die  Pflicht  der 
hygienischen  Überwachung.  Wenn  der  Staat  bei  der  Schule  wie 
beim  Militärdienst  für  jede  Erkrankung  und  jeden  ünfaQ  finanziell 
aufkommen  müüste,  wfire  der  schulärztliche  Dienst  wohl  schon  längst 
überall  da  eingefiihrt,  wo  Schulzwang  besteht. 

Der  Staat  zieht  aber  selber  Nutzen  und  Segen  aus  dieser  In- 
stitution, weil  durch  das  frühzeitige  Entdecken  und  zur  Heilungführen 
von  Erkrankungen  oder  krankhaften  Veranlagungen  der  Staatsbürger 
die  Yolksgesundheit  wächst.  Je  gesunder  ein  Volk,  desto  produk- 
tiyer  ist  es,  je  produktiver  und  arbeitsfähiger,  desto  unabhängiger 
wird  es  sein. 

Die  hervorragend  soziale  Bedeutung  der  schulärztlichen  Aufsicht 
liegt  in  der  Tatsache,  dafs  gerade  der  Pauperismus  im  kindlichen 
Alter  schon  eine  solche  Menge  von  Leiden  aufweist,  dals  das  Kind 
der  armen  Hütte  am  meisten  der  schulhygienischen  Fürsorge  bedarf. 
Die  modernen  Schulhausbauten  werden  dem  armen  Kinde  zu  einem 
angenehmen  und  gesunden  Aufenthaltsort,  nach  welchem  es  sich 
sehnt.  Die  Empfindung  des  Schulzwanges  schwindet  und  macht  dem 
Gefühl  der  Freude  Platz,  in  die  Schule  gehen  zu  dürfen.  Durch 
frühzeitige  Entdeckung  und  Korrektur  von  Fehlem  an  Augen,  Ohr, 
.Rückgrat  und  anderen  Körperorganen  wird  der  junge,  bedürftige 
Staatsbürger  später  in  den  Stand  gesetzt,  sein  Brod  redlich  zu  ver- 
dienen. Gesundheit  ist  für  jeden  Bürger  das  beste  Kapital,  für  den 
Armen  ist  sie  das  einzige.  Das  Proletariat  mub  in  Ansicht  der 
ärztlichen  Fürsorge  für  seine  Kinder  im  schulpflichtigen  Alter  ein 
Moment  erblicken,  das  es  mit  dem  Staate  im  ganzen  versöhnlich 
stimmt. 

n. 

Das  oberste  Leitmotiv  jeder  schulärztlichen  Tätigkeit  soll  der 
effektive  praktische  Nutzen  sein  für  unsere  Schuljugend,  für  unser  Volk 
imd  damit  für  unseren  Staat  Der  Staatsbürger  mufs  durch  die  Art 
und  Weise,  wie  die  schulärztliche  Aufsicht  betrieben  wird,  zur  Über- 
zeugung gedrängt  werden,  dais  diese  etwas  nütze  und  dem  sozialen 
Poetnlate,  das  sie  in  sich  birgt,  gerecht  werde. 

Die  Enqueten   und  Massenuntersuohungen   der  Schüler  haben 


422 

nun  zur  Grenüge  die  Notwendigkeit  dieser  Einrichtung  dargetan,  und 
weitere  statistische,  „wissenschaftliche*'  Ausbeuten  sind,  soweit  sie 
nicht  einer  Verbesserung  schulhygienischer  Mafsnahmen 
dienen,  als  Nebengewinn  zu  betrachten. 

m. 

Um  das  zu  erreichen,  was  Leitsatz  II  verlangt,  ist  erforderUoh, 
daüs  neben  der  hygienischen  Kontrolle  der  Schulhausbauten,  deren 
Einrichtungen  und  des  Unterrichts,  namentlich  der  hygienischen 
Überwachung  des  einzelnen  Schulkindes  erhöhte  Aufmerksamkeit 
geschenkt  werde. 

Mit  der  Hygiene  des  Unterrichts,  der  Schulh&user  usw.  ist  es 
nicht  getan,  mit  Le  Gendse  und  H.  Meby  in  Paris  postuliert  Refe- 
rent eine  wirksame  Schule rhygiene.  Es  ist  dies  der  Gedanke,  welcher 
in  der  nach  Schubert  benannten  Vorwiesbadener  Zeit  einen  Um- 
schwung in  der  Auffassung  der  schulärztlichen  Tätigkeit  heryorrief. 
Wir  wollen  wie  H.  Meby  (siehe  Kongre&bericht,  S.  46,  Paris  1903): 
„que  le  medecin  scolaire  soit  avant  tont  un  pu6riculteur.*^ 

Unerlälslich  hierzu  sind: 

1.  Eine  sanitäre  EintrittsmusteruDg  aller  Schulrekruten,  gleich- 
viel ob  diese  vom  Schul-  oder  Hausarzt  vorgenommen  werde. 
Diese  Untersuchung  soll  sich  nicht  nur  auf  die  höheren 
Sinnesorgane,  sondern  auf  den  ganzen  Körper  des  Kindes 
erstrecken. 

2.  Die  UntersuchuDgsresultate  der  Eintrittsmusterung  sind  anf 
einem,  für  alle  Gemeinwesen  möglichst  gleichartig  zu  ge- 
staltenden Gesundheitsschein  (fiche  mödicale)  zu  notieren,  in 
welchem  vom  Schularzte  alle  Veränderungen  des  Gesundheits- 
zustandes des  Kindes  für  und  für  im  Laufe  der  Schulzeit 
eingetragen  werden. 

3.  Zur  stetigen  Kontrolle  der  Schulkinder  wie  zur  Überwachung 
der  Hygiene  des  Unterrichts  und  des  Schulhauses  sind 
Klassenvisiten  des  Schularztes  notwendig.  Auch  soll  der 
Schularzt  eine  gewisse  fixierte  Zeit  zur  Verfügung  halten 
für  diejenigen  Schulkinder,  die  ihm  von  der  Lehrerschaft 
ab  krankheitsverdächtig  zugeschickt  werden,  damit  die  not- 
wendige Hilfe  sofort  vermittelt  werden  kann. 

4.  Zum  vollendeten  Ausbau  einer  schulärztlichen  Einrichtung 
gehört  überall  da,  wo  kein  poliklinisches  Institut  besteht, 
eine  Art  Schulpoliklinik,  Dispensarium  oder  etwas  ähnliches, 


423 

was  gestattet,  unbemittelten  die  notwendigen  Utensilien 
(Bruchbänder,  Brillen  usw.)  gratis  sofort  zu  verabfolgen, 
sowie  kleinere  nötige  ärztliche  Verrichtungen  an  Augen» 
Ohren,  Zähnen,  Nasen,  Bachenraum  usw.  vor  sich  gehen  zu 
lassen.  Die  Zwangsreinigung  von  Parasiten  bei  Kindern 
renitenter  Eltern  konnte  auch  diesem  Institute  zugewiesen 
werden. 

Für  eine  wirksame  Tätigkeit  des  Schularztes  in  Epidemien- 
zeiten ist  durchaus  erforderlich,  dals  präzise,  einer  rationellen 
öffentlichen  Hygiene  genügende  staatliche  oder  kommunale 
Polizeiverordnungen,  wo  solche  noch  nicht  existieren,  ge- 
schaffen und  mit  aller  Energie  gehandhabt  werden  (Karenz- 


6.  Dem  Schulärzte  sollen  nicht  zuviel  Kinder  zur  Kontrolle 
unterstellt  werden,  sonst  wird  seine  überwachende  Tätigkeit 
illusorisch.  Der  Schularzt  ist  nicht  behandelnder  Arzt  der 
Schulkinder  von  Amtes  wegen. 

Die  nähere  Motivierung  aller  dieser.  Punkte  mufs  hier  weg- 
gelassen und  diesbezüglich  auf  die  in  extenso  erscheinende  Arbeit 
des  Referenten  verwiesen  werden. 

Hervorgehoben  sei  nur,  dals  Referent  besonderen  Wert  auch  auf 
die  sofortige  Erledigung  der  Sachen  nach  Punkt  4  legt,  um  wirk- 
lichen Nutzen  für  die  Schuljugend  nach  der  Richtung  der  sani- 
tären Überwachung  zu  erreichen,  Nutzen  für  das  Schulkind  und 
die  Schule  (Sanierung  des  Absenzenwesens). 

Sodann  leuchtet  ein,  dals  in  Ergänzung  von  Punkt  ö  jedes 
sehi^lärztliche  präventive  Handeln  in  Epidemiezeiten  versagt  und 
beim  Publikum  unpopulär  wird,  wenn  einerseits  die  Anzeige  der 
ansteckenden  Krankheitsfälle  von  Seiten  der  Ärzte  vernachlässigt 
wird,  anderseits  zur  Durchführung  von  Karenzzeiten  und  Quaranta- 
nierungen  dem  Schularzte  kein  strammes  staatliches,  sanitätspolizei- 
liches Gesetz  den  Rücken  deckt. 

Die  Forderung  von  Punkt  6,  dafs  nur  eine  beschränkte  Zahl 
von  Schulkindern  einem  Arzte  unterstellt  werden  soll,  ist  seit  den 
CoHNschen  Thesen  (Genf  1882)  stets  und  überall  wiederholt  worden; 
es  ist  dies  nicht  nur  ein  leicht  aphoristisch  zu  beweisender  Satz, 
sondern  eine  eigentliche  Erfahrungstatsache.  Immerhin  wird  auch 
hier  eine  Stadtgemeinde  andere  Normen  aufstellen  als  das  Land. 

Ebenso  wichtig  ist  es  zur  Vermeidung  von  Kollisionen  und 
Animositäten  mit  den  Hausärzten,  dals  der  Schularzt  nicht  die  Schul- 


424 

kinder  von  Amtes  wegen  behandle,  und  das  Postulat  in  Punkt  4 
ist  auch  nur  dahin  ssu  verstehen,  daüs  der  Schularzt  die  betreffenden 
Sünder  sofort  einer  richtigen  Hilfsstelle  (Armenarzt,  Poliklinik  usw.) 
zuweisen  solle. 

IV. 

Als  weitere  leitende  G-rundsätze  empfiehlt  Referent  femer: 

1.  Der  stets  mit  der  Schule  in  Kontakt  tretende  eigentliche 
Schularzt;  kann  ein  diplomierter,  allgemein  praktizierender 
Arzt  sein,  der  sich  sohulhygienisch  ausgebildet  hat.  Damit 
jeder  patentierte  Arzt  über  sohulhygienische  Kenntnisse  nach 
seinem  Examen  verfüge,  soll  auf  den  Hochschulen  im  Unter- 
richt und  beim  Examinieren  der  Hygiene  ein  gewichtiger 
Teil  der  Schulgesundheitspflege  zugemessen  werden. 

In  gröfseren  Städten  mögen  zur  besseren  Zentralisierung 
und  äleichgestaltung  der  schulärztlichen  Tätigkeit  und  zur 
Zusammenstellung  der  Resultate  derselben  Schularztbeamte 
am  Platze  sein,  welche  nebenbei  nicht  ärztliche  Praxis  be- 
treiben. 

2.  Der  Schularzt  soll  bezahlt  werden.  Die  Gratisbemühungen 
ärztlicher  Mitglieder  von  Schulkommissionen  können  einer 
intensiven  schulärztlichen  Tätigkeit  erfahrungsgemäüs  nicht 
genügen. 

3.  Das  schon  oft  aufgestellte  Postulat  der  schulhygienisohen 
Durchbildung  unserer  Lehrerschaft  wird  erneuert,  weil  es 
noch  nicht  allgemein  realisiert  ist.  Wenn  einmal  alle  Lehrer 
hygienisch  gebildet  sind,  kann  das  Pflichtenheft  des  Schul- 
arztes, soweit  es  nicht  seine  spezifisch  medizinische  Tätigkeit 
betrifft,  bedeutend  gekürzt  werden. 

4.  Mit  dem  Unterricht  in  Gesundheitspflege  durch  die  Lehrer 
kann  und  soll  an  den  Volksschulen  schon  früh  begonnen 
werden  (Einflechten  hygienischer  Belehrungen  beinahe  in 
jedem  Dnterrichtszweig). 

Referent  glaubt  dann  schlieMioh,  dais  die  Erfahrung  uns  gelehrt 
hat,  daJjs  bis  jetzt  der  Kampf  ums  Prinzip  des  Schularztes  wirklich 
im  grofen  und  ganzen  als  beendigt  betrachtet  werden  kann.  Immer- 
hin ist  es  schwierig,  für  die  Art  und  Weise  der  schulärztlichen 
Arbeit  eine  allen  diversen  Anschauungen  und  finanziellen  Verhält- 
nissen von  Staaten,  Stadt-  und  Land-,  privaten  und  öffentlichen  Unter- 
richtsanstalten gerecht  werdende  Form  zu  finden.    So  sehr  der  Antrag 


425 

Leubüsghbb  auf  dem  Nürnberger  EongreiB  als  ideales  Postulat  zu 
begrüJben  ist,  neigt  Referent  doch  mehr  der  Ansicht  von  Samosoh- 
Breslau  (ebenda  geäulsert)  zu,  welche  die  einheitliche  Regulierung 
der  schulärztlichen  Tätigkeit  für  ein  Ding  von  ungeheurer  Schwierig- 
keit hält.  Immerhin  ist  der  Gedanke  sehr  wertvoll  und  die  Reali- 
sierung der  Idee  zu  wünschen,  wenn  wir  einst  ein  klares  Bild  davon 
erhalten  wollen,  was  an  Krankhaftem,  das  sich  während  der  Schul- 
zeit bei  unserer  Jugend  zeigt,  wirklich  nur  der  Schule  und  welchen 
Einrichtungen  derselben  ätiologisch  zugewiesen  werden  soll.  Auf  alle 
Fälle  ist  eine  gründliche  Erforschung  der  Lebensweise  der  Kinder 
bei  sich  zu  Hause  zu  einer  solchen  internationalen  Schulmorbiditäts« 
Statistik  nnerläfslich. 

Der  Stoff  war  grofs  und  die  Zeit  drängte;  Referent  schlois  mit 
einem  Appell  an  die  Ärzte,  sich  der  Sache  der  Schulgesundheitspflege 
mehr  als  bisher  zuzuwenden,  und  mit  einem  Aufruf  an  die  Behörden, 
den  Arbeiten  der  Schweizerischen  ßesellsohaft  für  Schulgesundheits- 
pflege ihre  volle  Aufmerksamkeit  zu  schenken. 

Speziell  wird  die  ärztliche  Überwachung  der  Schulen,  wenn  die 
Frage  einmal  in  praktischer  Weise  überall  im  Lande  gelöst  ist,  ein 
hervorragendes  öffentliches  Werk  von  tiefgehendster  sozialer  Be- 
deutung darstellen. 


Hleiiiere  iHittetliiii$eii. 


über  die  Beziehangen  zwischen  Schule  und  Infektionskrank- 
keiten  hielt  Professor  WASSBBMANN-Berlin,  wie  in  einem  Berliner  Brief 
der  „Manch,  med.  Wochenschr.  (1905  Nr.  8)  berichtet  wird,  im  Verein 
ftr  Schnlgesondheitspflege  einen  Vortrag.  W.  wies  darauf  hin,  dafs  die 
in  Berlin  geltenden  Bestimmangen  über  das  Verhalten  der  Schüler  bei  an- 
steckenden Krankheiten  viel  zu  schematisch  sind  und  mit  dem  heutigen 
Stand  der  Wissenschaft  nicht  mehr  übereinstimmen.  So  sollen  z.  B.  ein 
diphtheriekrankes  Kind  and  seine  Geschwister  30  Tage  vom  Beginne  der 
Erkankong  an  der  Schule  fernbleiben,  während  bei  Scharlach  sechs  Wochen 
ab  normale  Erankheitsdauer  gelten.  Derartige  Bestimmungen  sind  natürlich 
ganz  willkflilich,  denn  die  Dauer  der  Anstecknngsfähigkeit  richtet  sich 
mcht  nach  der  Zeit.  Ftlr  Kinder,  die  Scharlach  gehabt  haben,  ist  der 
Wiedereintritt  in  die  Schule  vielmehr  abhängig  zu  machen  von  der  Be- 
endiguDg  der  Abschuppung,  und  bezüglich  der  Diphtherie  müfsten  die  Be- 
stimmmigen  dahin  gehen,    dafs   die  Kinder  erst  dann  wieder  zum  Schul- 


426 

besQch  zugelassen  werden,  wenn  sie  nach  Aasweis  der  bakteriologischen 
Untersnchnng  frei  von  Diphtheriebazillen  sind.  Fttr  die  Ansftthrang  dieser 
und  ahnlicher  Untersachnngen  wäre  ein  öffentliches  bakteriologisches 
Laboratoriom  and  für  die  Darchfahrung  der  notwendigen  Mafsnahmen  zur 
Yerhütang  der  Yerschleppang  ansteckender  Krankheiten  eine  städtische 
Gesnndheitsbehörde  nötig.  In  New  York  bestehen  derartige  Institate  schon 
seit  längerer  Zeit  and  funktionieren  Yorzüglich. 

Dr.  med.  Göxz-Mündien. 

Die  ÜberfBUnng  der  prenfsischen  Tolkssehnlen.  Hierüber  fahrte 
in  seiner  Rede  im  prenfsischen  Abgeordnetenhause  in  der  Sitzung  vom 
25.  Februar  d.  J.  der  Abgeordnete  Ernst  folgendes  aus  (amtl.  stenogr. 
Bericht) :  Die  Zahl  von  70  bis  80  Schülern  in  einer  Klasse,  die  noch  als 
normal  gilt,  ist  eine  viel  zu  hohe.  Wenn  für  die  höheren  Knaben-  und 
Mädchenschulen  40  als  Maximalzahl  yorgeschrieben  ist,  so  meine  ich, 
dürfte  auch  bei  den  Yolksschulen  die  Zahl  nicht  höher  sein;  denn  der 
Unterricht  in  den  Yolksschulen  ist  wahrlich  nicht  leichter  als  der  in  den 
höheren  Schulen.  Bei  uns  in  den  Ostmarken  müfste  die  Zahl,  wenn  irgend 
möglich,  noch  ermäfsigt  werden.  Wenn  wir  die  Maximalzahlen  für  die 
höheren  Schulen  als  Mafsstab  für  die  Yolksschulen  anlegen,  dann  brauchen 
wir  noch  40000  Lehrer  mehr. 

Bestrafaog  eines  Lehrers  wegen  KSrperyerletzang.  Ein  Lehrer 
in  Oldenburg  bestrafte  einen  Schüler  mit  einem  Stocke.  Infolge  des 
Widerstandes  des  Schülers  kam  ein  Schlag  statt  auf  das  Gesäfs  an  den 
Hinterkopf,  der  infolgedessen  anschwoll.  Wie  wir  „  Wissensch.  m.  St^tüe*^ 
(Nr.  5)  entnehmen,  wurde  der  Lehrer  verklagt  und  wegen  Körperverletzung 
zu  50  Mk.  Strafe  verurteilt.  In  dem  Urteile  heifst  es,  der  Angeklagte 
habe  fahrlässig  gebandelt,  weil  er  sich  sagen  mufste,  dafs  bei  dem  Wider- 
stände des  Knaben  leicht  ein  Schlag  einen  anderen  Körperteil  treffen  könne. 
Die  Revision  des  Angeklagten  wurde  vom  Reichsgericht  verworfen. 

Waschgelegenheiten  in  der  Schule.  Mit  Recht  wird  in  den 
y^Frankf.  N.  Nachr."  erklärt,  es  sei  zu  bedauern,  dafe  in  einer  Anzahl 
Frankfurter  Schulen,  sogar  in  den  höheren  Lehranstalten,  Waschvor- 
richtungen mit  Handtüchern  fehlen.  Man  baut  Schulpaläste  und  lälst  es  im 
Innern  der  Schulen  am  nötigsten  fehlen.  Hier  liegt  ein  Mangel  vor,  dem 
abzuhelfen  das  Bestreben  aller  Pädagogen  bilden  sollte.  Wenn  man  bedenkt, 
wie  viel  Staub  sich  in  den  Büchern  und  Heften  und  in  der  Klasse  selbst, 
auf  Tischen  und  Bänken  ansammelt,  wenn  man  in  Betracht  zieht,  mit 
welchen  anderen  Substanzen  (Tinte,  Blei,  Schiefer,  Kreide,  Radiergummi, 
Klebestoff  usw.)  die  Hände  der  Kinder  noch  in  Berührung  kommen,  dann 
mufs  man  sich  eigentlich  wundem,  dafs  derartige  Einrichtungen  noch  nicht 
getroffen  worden  sind.  Die  Kinder  sollten  sich  unbedingt  in  den  Pausen 
ihre  Hände  reinigen.  Möge  ein  neu  heranwachsendes  Geschlecht  sich  mehr 
der  ersten  Erfordernis  unseres  Lebens,  der  Reinlichkeit,  annehmen,  und  es 
wird  zum  Wohl  der  Kinder,  zum  Segen  der  Schule  ausschlagen. 

Auf  allzDfrfihen  Schulbeginn  im  Orte  Arteishof  en  (Frank.  Schweiz) 
macht  der  j^Mainß.  Ane.^  aufmerksam.  In  diesem  Orte  wird  seit  Jahren 
in  den  Monaten  von  April  bis  September  der  Schulbeginn  auf  morgens 
6  Uhr  festgesetzt.     Das  geschieht  auf  Betreiben  einiger  Bauern,  die  die 


427 

Schnlkommission  beherrschen  nnd  die  die  Kinder  möglichst  bald  wieder 
daheim  haben  wollen,  damit  sie  bei  der  Landwirtschaft  helfen  können.  Za 
dem  Schulsprengel  gehören  nun  aber  Ortschaften,  die  vom  Sitz  der  Schnle 
mehr  als  eine  Stande  entfernt  sind,  so  dals  die  betreffenden  Kinder  um 
halb  5  Uhr  nnd  noch  früher  aofstehen  müssen,  wenn  sie  rechtzeitig  am 
Platze  sein  wollen.  Der  Lehrer  wehrt  sich  dagegen  im  Interesse  der 
Schnle,  aber  die  Bauern  meinen  höhnisch :  Der  Schulmeister  will  nur  nicht 
aufstehen!  Das  Schönste  ist,  dafs  die  vorgesetzten  Behörden  diese  weder 
m  pädagogischer  noch  gesundheitlicher  Beziehung  der  Jugend  förderliche 
Mafsregel  dulden. 

Über  die  ZahnyerhUtiiisse  der  Schulkinder  in  den  Landgemeinden 
des  Kreises  Worms  machte,  wie  wir  dem  y^Maing.  Äne."'  entnehmen,  der 
Schularzt  des  betr.  Kreises  interessante  Mitteilungen.  Unter  8000  vom 
Arzte  untersuchten  Kindern  sämticher  Schulklassen  kamen  bezüglich  des 
Emfthrungszustandes,  der  Reinlichkeit  und  des  Cresundheitszustandes  2582 
Beanstandungen  vor.  Bei  der  Besichtigung  der  Zahne  stellte  sich  ein 
recht  ungünstiges  Resultat  heraus,  ^ur  in  sehr  wenigen  Ortschaften  be- 
trug in  den  Oberklassen  die  Zahl  deijenigen  Gebisse,  die  noch  als  gut 
und  zurzeit  zahnärztlicher  Hilfe  nicht  bedürftig  bezeichnet  werden  konnten, 
50  Prozent.  In  den  übrigen  Klassen  sind  unter  100  Schulkindem  nur 
10  bis  15,  die  ein  normal  entwickeltes,  nicht  defektes  Gebifs  besitzen. 
Von  den  1000  Schulanfängern  zeigten  721  Kinder  Gebisse  mit  schadhaften 
Zahnen.  Auch  mit  der  Zahnpflege  ist  es  noch  sehr  schlecht  bestellt;  die 
Zahnbürste  ist  yielen  Kindern  ein  gänzlich  unbekanntes  Werkzeug.  Manche 
Kmder  machten  sogar  die  überraschende  Mitteilung,  dafs  die  einzige  vor- 
handene Zahnbtlrste  Gemeingut  der  Familie  sei. 

Zahnverderbiiis  und  kSrperliehe  Entwicklung.  Wie  wir  den 
Tagesblattem  entnehmen,  wurde  im  „Verein  für  Volkshygiene"  in  Dresden 
mitgeteilt,  dals  nach  den  in  ganz  Deutschland  vorgenommenen  umfassenden 
Untersuchungen  der  Zentralstelle  für  Zahnhygiene  in  Dresden  die  engsten 
Beziehungen  zwischen  der  Zahnverderbnis  und  der  Entwicklung  der  Schul- 
kinder sowie  der  Musterungspflichtigen  bestehen.  Schlechtbezahnte  Kinder 
bleiben  in  der  Ernährung  zurück  und  haben  ein  geringeres  Körpergewicht 
als  gutbezahnte.  Schlechtbezahnte  Rekruten  liefern  um  ein  Drittel  weniger 
taugliche  Soldaten  als  gut  bezahnte.  Während  von  den  Besitzern  guter 
Gebisse  47,8  Prozent  militärtauglich  waren,  liefern  die  schlechtbezahnten 
Leute  nur  32,2  Prozent  Taugliche,  Von  den  in  Dresden  untersuchten 
47000  Schulkindem  und  2500  Rekruten  entfielen  auf  jedes  Kind  im 
Durchschnitt  7Vt,  auf  jeden  Rekruten  3^/s  kranke  Zähne. 

Vor  dem  Ankairf  gebrauchter  Sehnlbficher  warnt  bei  Beginn  des 
neuen  Schuljahres  das  „Leipz,  Tcigehl.*',  Es  erwähnt  die  Tatsache,  dals 
oft  die  abgehenden  oder  in  höhere  Klassen  versetzten  Schüler  und  Schüler- 
mnen  ihre  überflüssig  werdenden  Bücher  an  die  nachrückenden  verkaufen. 
Soweit  das  gebrauchte  Schulbuch  noch  in  gutem  Zustande  ist,  kann  gegen 
diese  Praxis  nichts  eingewendet  werden,  denn  viele  Eltern  haben  mit  ihren 
Mitteln  hauszuhalten  und  sind  wohl  berechtigt,  auch  bei  dem  Ankauf 
von  Schulbüchern  auf  Ersparnisse  auszugehen.  Oft  sind  aber  diese  ge- 
brauchten Schulbücher   in    einem  derartig   schlechten  Zustande,    dafs   die 


428 

Ersparnis  unerheblich  ist,  gegenüber  dem  Eradehongsfehler,  der  darin  liegt, 
da(s  die  Kinder  so  von  Jagend  auf  an  nnsanbere  Bücher  gewöhnt  werden. 
Freilich  wird  dieser  Übelstand  noch  nicht  überall  so  stark  empfänden,  als 
er  wohl  sein  sollte,  weil  in  Deutschland  die  Benntznng  geliehener  oder  sonst 
gebraucht  erworbener  Bücher  sogar  oft  von  solchen  Leuten  nicht  als  un- 
gehörig gilt,  die  auf  Kleider,  Wäsche  oder  Hausrat  gro&e  Summen  ver- 
wenden. Aber  auch  aufserdem  hat  der  Ankauf  von  alten  Schulbüchern 
und  ihr  Gebrauch  Nachteile  im  Gefolge:  Stark  gebrauchte  Bücher  sind  oft 
gesundheitsgefährlich,  weil  sie  von  firüheren  Besitzern  her  mit  den  Keimen 
ansteckender  Krankheiten,  unter  denen  namentlich  Masern,  Scharlach  und 
Diphtherie  zu  nennen  wären,  behaftet  sbd.  (Durch  Einführung  der  ün- 
entgeltlichkeit  der  Lehrmittel  in  den  Volksschulen  werden  die  hier  mit 
Recht  gerügten  Übelstände  mehr  oder  weniger  beseitigt.     D.  B.) 

Speisung  armer  Schulkinder  in  Stettin.  Wie  in  der  letzten 
Sitzung  des  Vereins  für  Ferienkolonien  und  Speisung  armer  Schulkinder 
mitgeteilt  wurde,  sind  im  verflossenen  Winter  täglich  1449  Kinder  gespeist 
worden.  Um  Mittagessen  beworben  hatten  sich  1746  Kinder.  Davon 
waren:  von  arbeitslosen  Vätern  643,  von  Witwen  555,  von  kranken  Eltern 
164,  ans  sehr  armen  Familien  99,  von  eheveriassenen  Frauen  92,  mutterlos 
10.  Von  4  Kindern  war  der  Vater  im  Gef&ngnis,  von  8  in  der  Irren- 
anstalt. Von  62  Kinder  hatten  die  Mtem  6,  von  36  7,  von  18  8,  von 
6  9,  von  4  10,  von  3  11,  von  2  12  und  von  1  13  Kinder. 

Die  Aborteinriehtnngen  in  den  Berliner  Schnlen  befinden  sidi 
bekanntlich  in  einem  besonderen  Gebäude  auf  dem  Hofe.  Nun  wurde, 
vne  wir  den  Tagesblättem  entnehmen,  in  einer  der  letzten  Stadtverordnetea- 
yersamndungen  bei  den  Etatsberatungen  von  verschiedenen  Seiten  der 
Wunsch  ausgesprochen,  es  sollten  für  die  Aborte,  namentlich  in  den 
Mädchenschulen,  Wartefirauen  angestellt  werden,  die  daselbst  nicht  nur  für 
Reinlichkeit,  sondern  auch  für  die  Sicherheit  der  Mädchen  zu  sorgen 
hätten.  Da  werde  man  sich  denn  doch  die  Frage  vorlegen,  warum  eigentlich 
die  Aborte  in  allen  Schulen  in  einem  Extrahäuschen  am  Ende  des  Schoi- 
hofes  angelegt  sind,  und  nicht  wie  sonst  in  öffentlichen  Gebäuden  nnd 
Privathänsem  im  Hause  selbst.  Das  könne  bei  den  überall  vorhandene, 
gut  funktionierenden  Spülvorrichtungen  an  ein  oder  zwei  Stellen  der 
Korridore  ohne  weiteres  geschehen  und  böte  eine  entschiedene  Verbesserang, 
denn  die  Kinder  brauchten  dann  nicht  in  Wind  und  Wetter  über  den 
groben  Hof  zu  laufen  und  könnten  sich  so  leichter  vor  Erkältungen  nnd 
ähnlichen  Erkrankungen  schützen.  Mit  dieser  Einrichtung  könne  man 
aufserdem  gleichzeitig  eine  neue  verknüpfen,  die  durchaus  nicht  überfl&ssig 
erscheint.  Man  könnte  Waschbecken  für  die  Kinder  einrichten,  die  — 
so  sonderbar  es  ist  —  heutzutage  noch  in  keiner  Beriiner  Schule  zu  finden 
sind.  Wer  sich  die  schmutzigen  Hände  von  Schulkindern  einmal  angesehen 
hat,  wird  doch  wohl  der  Ansicht  sein,  dafs  solche  Waschbecken  eine  un- 
bedingte Notwendigkeit  bedeuten.  Denn  wie  soll  man  die  Kinder  zur 
Sauberkeit  erziehen,  wie  sollen  sie  ihre  Hefte  und  Bücher  sauber  erhalten, 
wenn  ihnen  die  Möglichkeit,  sich  zu  reinigen,  am  wichtigsten  Teil  des 
Tages  mangelt! 


429 


Sajesjefditditlidies. 


über  jagendliehe  Verbrecher  fafste  der  Kantonsrat  von  Zürich 
bei  Gelegenheit  der  Aasarbeitang  der  Grundlagen  eines  verbesserten  Rechts- 
pflegegesetzes folgende  Bestimmungen: 

^Kinder,  die  das  15.  Altersjahr  noch  nicht  zurückgelegt  haben,  soUen 
nicht  mit  Polizeibnlsen  belegt,  sondern  der  Schulpflege  zur  disziplinarischen 
Bestrafung  überwiesen  werden.  Bei  Kindern,  die  das  16.  Alter^ahr  noch 
nicht  zurückgelegt  haben,  kann  der  Bichter  an  Stelle  der  Strafe  richter- 
lichen Verweis  oder  Disziplinarstrafe  eintreten  lassen,  oder,  sofern  das 
Kind  noch  schulpflichtig  ist,  es  der  Schulpflege  zur  disziplinarischen  Be- 
strafang  überweisen.^ 

„Mindeijährige,  die  an  Stelle  einer  Strafe  in  eine  Besserungs- 
anstalt eingewiesen  wurden,  können  bei  Wohlverhalten  nach  sechs  Monaten 
ans  der  Besserungsanstalt  entlassen  werden;  erweist  sich  die  Dauer  der 
Einweisung  als  ungenügend,  so  kann  das  Gericht  auf  Antrag  des  Staats- 
anwalts und  der  (Anstalts-)  Aufsichtskommission  den  Aufenthalt  verlängern, 
doch  höchstens  um  ein  Jahr.  Kann  die  eingewiesene  Person  nicht  mit 
£rfolg  behandelt  werden,  so  ist  eine  angemessene  Freiheitsstrafe  auszu- 
sprechen." [Schweiß.  Lehrerztg.f  1905,  Nr.  10.) 

Belehrung  der  Schfller  der  höheren  Lehranstalten  Aber  die 
Geseklechtskrailkheiten.  Yor  kurzem  wurden  in  Frankfurt  a.  M. 
die  Abiturienten  der  höheren  Lehranstalten  durch  einen  besonderen  Vor- 
trag mit  den  Gefahren  des  aufserehelichen  Geschlechtsverkehrs  bekannt 
gemacht.  Hierzu  schreibt  der  ^Mln,  Ztg,^  ein  Arzt  aus  Dortmund, 
dab  er  schon  anfangs  März  für  die  dortigen  Abiturienten  auf  Anordnung 
der  Schulleitung  einen  Vortrag  über  denselben  Gegenstand  gehalten  habe, 
jedoch  im  Gegensatz  zu  Frankfurt,  in  Abwesenheit  von  Eltern  und  Lehrern. 
»Die  Abiturienten",  heilst  es  in  dem  Schreiben  weiter,  „waren  für  die 
ihnen  gegebene  Aufklärung  sehr  dankbar.  Die  Stadt  Dortmund  hat  also 
danach  den  Vorzug,  zum  ersten  Male  eine  derartige  Einrichtung,  die  un- 
zweifelhaft grofsen  Vorteil  verspricht,  getroffen  zu  haben,  ebenso  wie  sie 
die  in  Deutschland  wohl  bis  jetzt  einzigartige  Einrichtung  besitzt,  den 
Schalem  der  oberen  Klassen  Unterricht  in  der  ersten  Hilfeleistung  bei 
Unglücksfällen  und  in  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  durch  einen  be- 
sonders vorgebildeten  Arzt  erteilen  zu  lassen." 

Ferienwandernngeii  der  Volksschfller  wird  zum  ersten  Male  in 
diesem  Jahre  der  „Deutsche  Verein  für  Volkshygiene**,  Ortsgruppe  Berlin, 
veranstalten,  und  zwar  zunächst  mit  100  Schülern,  welche  in  Gruppen  zu 
20  eine  sechstägige  Wanderung  unter  Führung  je  eines  Lehrers  während 
der  greisen  Ferien  machen  werden.  Die  Kosten  hierfür  hat  der  Verein 
im  Kreise  seiner  Mitglieder  aufgebracht.  Wie  wir  der  „Deutsch.  Warte^ 
entnehmen,  beabsichtigt  der  Verein,  auf  diese  Weise  die  gesunden  Grols- 
stadtkinder  der  ärmeren  Kreise  wieder  in  engere  Fühlung  mit  der  Natur 

Sehalgesuiidh^iUpfleffe.  XVIIL  24 


430 

zu  bringen,  und  wenn  dieser  erste  Versuch  sich  bewährt,  so  soll  diese 
Einrichtung  vom  nächsten  Jahre  ab  ständig  und  in  groi^m  MaCsstabe 
ausgeführt  werden.  Nähere  Auskunft  erteilt  die  Geschäftsstelle,  Berlin  W., 
MotzstraCse  7,  wo  aber  Anmeldungen  zur  Teilnahme  an  den  diesjährigen 
Wanderungen  nicht  mehr  angenommen  werden. 

Bin  Schnkahnarzt  in  Wiesbaden.  Aus  Wiesbaden  kommt  die 
Nachricht,  dafs  die  dortigen  Zahnärzte  einstimmig  die  Ernchtnng  einer 
SchulzahnarztsteUe  beim  Magistrat  beantragt  haben« 

Die  H8fe  der  Sehnlen  in  Budapest  als  SpielpUtze.  Der„JRßs(. 
Lloyd^  teilt  mit,  dafs  die  Unterrichtssektion  des  Magistrats  die  allgemeine 
Verwendung  der  Höfe  als  Spielplätze  für  die  Schulkinder  beabsichtige. 
Vor  der  Durchfährung  dieser  Mafsregel  wünscht  die  Sektion  sich  darüber 
zu  orientieren,  inwiefern  die  Höfe  zu  diesem  Zwecke  geeignet  sind  und 
hat  an  die  Direktoren  sämtlicher  Eommunalschulen  im  Zirkularwege  dies- 
bezügliche Anfragen  gerichtet. 

Ferienkolonien  in  Stettin.  Zur  Entsendung  in  die  die^ährigen 
Ferienkolonien  wurden  von  den  Volksschulen  der  Stadt  vorgeschlagen 
786  Mädchen.  Bei  Untersuchung  derselben  durch  die  Ärzte  zeigte  sich 
das  alljährlich  wiederkehrende  Bild:  neben  schwerkranken  Kindern  eine 
Menge  schwachernährter  Rekonvaleszenten,  Bleichsüchtiger  und  Skrophu- 
loser.  Ans  der  Menge  sind  zunächst  82  ausgewählt  worden,  die  dann 
nach  vierwöchentlichem  Aufenthalt  in  den  Kolonien  durch  andere  ersetzt 
werden  sollen. 

Sanitäre  Fragebogen  wurden  nach  einer  Mitteilung  des  j^Hannov, 
Äng."^  den  Eltern  deijenigen  Kinder  zugestellt,  welche  zu  Ostern  d.  J.  in 
die  Bürgerschulen  in  Hannover  eingeschult  worden  sind.  Im  Interesse 
der  Kinder  sollten  diese  Fragebogen  aufs  sorgfältigste  beantwortet  werden. 
Sie  enthalten  u.  a.  folgende  Fragen:  In  welchem  Leben&ijabre  hat  das 
Kind  Krankheiten  durchgemacht  und  welche  waren  das?  Haben  diese 
Krankheiten  dauernde  schädliche  Folgen  hinterlassen?  Hat  das  Kind 
Verletzungen  mit  dauernden  Folgen  erlitten?  Ist  es  schwerhörig,  kurz- 
oder  weitsichtig?  Hat  das  Kind  sonstige  Gebrechen  und  Schwächen 
(Krämpfe  nsw.)?     Wann  lernte  es  sprechen? 

Fnrsballspiel  nnd  Rudersport  in  den  Heidelberger  Sehnlen. 
Wie  wir  dem  „Heidelb.  Tagehl.'*  entnehmen,  soll  von  dieser  Stadt  aus 
eine  Eingabe  an  den  Oberschulrat  in  Karlsruhe  gerichtet  werden,  in  der 
die  Bitte  ausgesprochen  ist,  „den  Zöglingen  der  Heidelberger  Oberreal- 
schule gestatten  zu  wollen,  am  Fufsballspiele  sowie  am  Rndersporte  teil- 
zunehmen*'. Die  Eingabe  bezweckt  die  Aufhebung  des  Verbotes  seitens 
der  hiesigen  Oberrealschule,  das  den  Schülern  der  Anstalt  „jede  Art  des 
Spiels  mit  einem  Fu&ball  untersagt  und  sie  auberdem  daran  hindert,  zum 
Zwecke  des  Rudersports  irgend  einer  Vereinigung  beizutreten^  (I  Red.).  Es  wird 
darauf  hingewiesen,  dafs  „Tausende  von  deutschen  Kindern  unter  An- 
leitung ihrer  Erzieher  das  Glück  freier  systematischer  körperlicher  Aus- 
bildung durch  den  Sport  geniefsen  und  auch  die  Zöglinge  des  Heidelberger 
Gynmasiums  sich  seit  Jahren  mit  bestem  Erfolge  sowohl  dem  Fufsball- 
spiele als  auch  dem  Rudern  haben  hingeben  dürfen**.  Die  von  der  Ober- 
realschule eingeführten  Jugendspiele,    welche    mit   Zwang   nnd  Bestrafiiog 


431 

Terbnoden  seien,  „werden  von  einer  grolsen  Anzahl  der  Schüler  nnr  sehr 
unwillig  ertragen  nnd  können  schon  ans  diesem  Gmnde  niemals  die  Ent- 
lastung bringen",  welche  der  Zweck  jeden  Spieles  sei.  Anfserdem  werden 
eine  Menge  hygienischer  Bedenken  gegen  diese  Jagendspiele  geltend  ge- 
macht. Die  Eingabe  ist  mit  155  Unterschriften  versehen.  Unter  den  Unter- 
zeichnern befinden  sich  7  Universitätslehrer,  25  Ärzte,  85  frühere  Schüler 
der  Oberrealschnle  Heidelberg  sowie  der  Verband  ehemaliger  Abiturienten 
der  Oberrealschnle  nsw. 

The  Royal  lostitate  of  Pnblie  Health  hält  seinen  Kongrefs  vom 
19.  bis  25.  Jnli  in  London  ab.  In  Abteilnng  6.  werden  n.  a.  folgende 
Themata  behandelt:  Die  Behandlung  kranker  Kinder  in  der  Schule,  die 
Ernährung  der  Schulkinder,  Schulschwimmen,  körperliche  Übungen  in  der 
Schule.  Die  Abteilung  0.  umfafst  speziell:  Das  Studium  des  Kindes  und 
Schulhygiene.  In  einem  Begleitschreiben  zu  dem  übersandten  Programm 
wird  zum  Besuch  des  Kongresses  eingeladen. 

Eine  Ansstellnng  ffir  Sehiügesiuidheitspflege  findet  vom  3.  bis 
5.  Oktober  dieses  Jahres  in  Hannover  statt,  und  zwar  anläfslich  der 
22.  Versammlung  des  Hannoverschen  Provinzial-Lehrervereins.  Neben  der 
Literatur  über  das  gesunde  und  kranke,  das  geistig  schwache,  das  idiotische 
nnd  das  anormale  Schulkind  sollen  Apparate  und  Anschauungstafeln,  Lehr- 
mittel und  Tabellen  über  die  innere  nnd  äufsere  Ausstattung  der  Schul- 
räame,  Ventilation,  Heizung,  Beleuchtung,  die  Raumverhältnisse,  die  Schul- 
banksysteme, die  Hygiene  des  Unterrichts,  die  Wirkung  des  Alkohols  usw. 
gexeigt  werden. 


Hmüx^t  ^ttfu^nn^tn. 


Pflege  des  MkdcheDtnrneBs  in  den  Städten  nnd  stadtähnlichen 

Ortschaften. 

Berlin,  den  20.  März  1905. 

Aus  den  Berichten  der  Königlichen  Regierungen  über  den  Stand  des 
M&dchentnmens  in  den  Städten  habe  ich  mit  Befriedigung  ersehen,  wie  die 
gesundheitliche  und  erziehliche  Bedeutung  des  Turnunterrichts  für  die  weib- 
liche Jugend  in  immer  weiteren  Kreisen  die  gebührende  Würdigung  findet. 
Inscmderheit  habe  ich  gern  auch  davon  Kenntnis  genommen,  dafs  in  einer 
Anzahl  von  Städten  dieser  Unterricht  nicht  nnr  für  die  höheren  Mädchen- 
schulen, sondern  für  alle  Schülerinnen,  auch  für  diejenigen  der  Volksschule, 
eingerichtet  worden  ist.  Die  hierbei  gewonnenen  günstigen  Erfahrungen, 
die  angenfUligen  segensreichen  Wirkungen,  welche  eine  sachgemäCs  geleitete, 
der  Eigenart  des  Mädchens  angepafste  turnerische  Betätigung  für  die  be- 
treffenden Schülerinnen  gehabt  hat,  lassen  es  angezeigt  erscheinen,  dem 
Midchentumen  tunlichste  Verbreitung  zu  geben. 

24* 


432 

Zu  diesem  Zwecke  ist  anznstreben,  dals  in  den  St&dten  and  stadt- 
ähnlichen Ortschaften  —  von  letzteren  kommen  namentlich  solche  mit  vor- 
wiegend industrieller  Beschäftigung  der  Bewohner  in  Frage  —  anch  in  den 
Volks-  and,  soweit  dies  nicht  bereits  geschieht,  den  Mittelschalen,  and 
zwar  auf  der  Mittel-  and  der  Oberstufe,  in  wöchentlich  zwei  Standen  ver- 
bindlicher Turnunterricht  erteilt  wird.  Wo  es  ohne  Schwierigkeiten  und 
Zeitverlust  möglich  ist,  kann  derselbe  statt  in  zwei  ganzen  auch  in  vier 
halben  Stunden  gegeben  werden.  Wünschenswert  ist,  dafs  auch  auf  der 
Unterstufe  Tumspiele  und  Vorübungen  stattfinden.  Daneben  ist  tunlichst 
auch  aulserhalb  der  Schulstunden  Anregung  und  Gelegenheit  zur  Teilnahme 
an  Jugendspielen  im  Freien  zu  geben. 

Da  zur  sofortigen  Durchführung  einer  bezüglichen  allgemeinen  An- 
ordnung in  vielen  Städten  die  notwendigen  Vorbedingungen  mehr  oder 
weniger  noch  fehlen,  so  ist  zur  Erreichung  des  bezeichneten  Ziels  nach 
Mafsgabe  der  örtlichen  Verhältnisse  allmählich  vorzugehen  und  hierbei  fol- 
gendes zu  beachten: 

1.  Wo  bereits  neben  Turnplätzen  auch  Turnhallen  zur  Mitbenutzung 
verfügbar  oder  geeignete  Lehrkräfte  vorhanden  oder  unschwer  zu  beschaffen 
sind,  hat  die  Einführung  des  verbindlichen  Mädchentumens  für  das  ganze 
Jahr  alsbald  zu  erfolgen. 

2.  Wo  zwar  noch  keine  Turnhallen,  aber  geeignete  Turnplätze  oder 
als  solche  brauchbare  Schulhöfe  und  die  erforderlichen  Lehrkräfte  vor- 
handen sind,  ist  das  Mädchentumen  für  das  Sommerhalbjahr  verbindlich 
zu  machen.  Demnächst  ist  behufs  Ausdehnung  dieses  Unterrichts  auch 
auf  das  Winterhalbjahr  für  allmähliche  Beschaffung  von  Turnhallen  Sorge 
zu  tragen. 

3.  Soweit  der  Mangel  brauchbarer  Turnplätze  oder  einer  ausreichenden 
Zahl  geeigneter  Lehrkräfte  das  Mädchenturnen  zurzeit  überhaupt  noch  nicht 
gestattet,  sind  die  einleitenden  Schritte  zu  tun,  um  möglichst  bald  die  er- 
forderlichen Voraussetzungen  für  die  verbindliche  Einführung  desselben  zu- 
nächst für  das  Sommerhalbjahr  zu  schaffen.  Hierbei  wird  es  sich  in  einigen 
Bezirken  besonders  auch  darum  handeln,  in  gröfserem  Umfange  als  bisher 
an  den  städtischen  Mädchenvolksschulen  Lehrerinnenstellen  einzurichten  und 
mit  solchen  Lehrerinnen  zu  besetzen,  welche  auch  für  den  Turnunterricht 
beffthigt  sind.  Ob  und  wie  weit  dieser  Unterricht  in  der  Übergangszeit 
auch  geeigneten  Lehrern  übertragen  werden  kann,  bleibt  dem  pflichtm&fsigen 
Ermessen  der  Schulaufisichtsbehörde  überlassen. 

4.  Sofern  die  Befreiung  von  der  Teilnahme  an  dem  verbindlich  ein- 
geführten Turnunterrichte  aus  Gesundheitsrücksichten  nötig  erscheint,  ist 
ein  ärztliches  Zeugnis  beizubringen. 

5.  Bezüglich  des  Stundenplans  ist  daran  festzuhalten,  dafs  über  die  in 
den  allgemeinen  Bestinunungen  vom  15.  Oktober  1872  —  B  2311  — 
festgesetzte  Gesamtzahl  wöchentlicher  Unterrichtsstunden  für  die  Oberstufe 
nicht  hinauszugehen  ist.  Um  die  ftlr  den  Turnunterricht  erforderlichen 
Stunden  zu  gewinnen,  kommt  in  erster  Linie  der  Wegfall  der  für  mehr- 
klassige  Volksschulen  angesetzten  zwei  Raumlehrestunden  oder,  wo  die 
letzteren  auf  Grund  des  Erlasses  vom  6.  März  1873  [ZmUralbh  1873, 
S.  294)    bisher   durch    vermehrten   Handarbeitsunterricht    ersetzt  werden, 


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"^     Moqfiq  aqo}na9j}fi 


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434 

der  Wegfall  dieser  beiden  Handarbeitsstunden  in  Frage. 
Sollten  hiergegen  Bedenken  bestehen,  so  sind  anderweite  Vorschläge  za 
machen  and  vorzulegen. 

6.  Die  Grundsätze  und  methodischen  Bemerkungen  über  das  Tarnen 
in  höheren  Mädchenschulen,  welche  in  den  Lehrplänen  vom  31.  Mai  1894 
sich  finden,  sind  unbeschadet  der  vorstehend  im  Schlufssatze  von  Ziffer  3 
einstweilen  zugelassenen  Ausnahme  bis  auf  weiteres  auch  für  das  Turnen 
in  den  übrigen  Mädchenschulen  mafsgebend.  Ein  Übermafs  von  Ordnungs- 
und  Reigenübungen  ist  ebenso  zu  vermeiden  wie  die  übertriebene  Inan- 
spruchnahme der  Aufmerksamkeit  und  des  Gedächtnisses  bei  Gestaltung  der 
Freiübungen.  Auf  Bewegungs-,  namentlich  Laufspiele  im  Freien  ist  be- 
sonderer Wert  zu  legen. 

Tumsprache  und  Befehlsformen  richten  sich  nach  dem  amtlichen  Leit- 
faden für  den  Turnunterricht  in  den  preufsischen  Volksschulen  von  1895. 
Die  Herausgabe  eines  besonderen  Leitfadens  für  das  Mädchentumen  bleibt 
vorbehalten. 

7.  Unter  Bezugnahme  auf  die  in  den  Lehrplänen  vom  31.  Mai  1894 
über  den  Anzug  der  Schülerinnen  gegebene  Anweisung  weise  ich  wiederholt 
nachdrücklich  auf  die  schwere  gesundheitliche  Schädigung  hin,  welche  dem 
sich  entwickelnden  weiblichen  Körper  durch  einschnürende  Kleidung  zu- 
gefügt wird.  £s  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafs  der  Zwöck  des 
Turnunterrichts  bei  solchen  Schülerinnen,  welche  im  Korsett  turnen,  nicht 
erreicht  werden  kann,  da  es  die  ausgiebige  und  wirkungsvolle  AusfGihrang 
der  wichtigsten  Übungen,  insonderheit  auch  derjenigen  der  RumpfQbnngen, 
hindert,  welche  der  Gesundheit  besonders  dienlich  sind  und  eine  freie,  auf- 
rechte, schöne  Körperhaltung  fördern.  Das  Tragen  einschnürender 
Kleidung  beim  Turnen  ist  daher  nicht  zu  dulden. 

Ich  vertraue,  dafs  die  Königlichen  Regierungen  der  Pflege  und  Förde- 
rung dieses  Unterrichtsgegenstandes,  welcher  zur  Erhaltung  und  Kräftigung 
der  Volksgesundheit  beizutragen  in  hervorragendem  Mafse  geeignet  ist,  be- 
sondere Fürsorge  zuwenden  werden. 

Über  das  binnen  drei  Jahren  in  dieser  Beziehung  Erreichte  ist  ein 
näherer  Bericht  in  Gestalt  einer  Nachweisung  über  den  Stand  des  Mädchen- 
tumens  am  1.  Mai  1908  nach  dem  beifolgenden  Formulare  vorzulegen. 

Der  Minister  der  geistlichen  usw.  Angelegenheiten. 
Studt. 

An  die  Königlichen  Regierungen  und  das 

Königliehe  Provinzial-Schulkollegium  zu 

„    ,.  U  III  B.  3174 

Berhn. 

ü  III  A.  ü  III  D.  M. 

{„Zm&albl  /*.  d.  ges,   ünterrichtsverwaltg.  in  Preußen^,  Aprilheft  1905.) 


435 

y6fMta]ig  flbertri6beDeD  Anfirands  bei  SehfileifestUehkeiteD. 

Berlin,  den  19.  Jannar  1905. 

Dem  königlichen  Provinzial-Scholkollegium  übersende  ich  anbei  znr 
Kenntnisnahme  Abschrift  eines  Rnndschreibens,  das  die  Direktoren  der 
höheren  Lehranstalten  in  der  Stadt  N.  betreffs  des  flbertriebenen  Aufwands 
bei  ScbOlerfestlichkeiten  an  die  Eitern  ihrer  Schiller  nnter  dem  1 .  Oktober 
1904  gerichtet  haben. 

Das  Königliche  Provinzial-Schnlkolleginm  veranlasse  ich,  wenn  ähnliche 
Erscheinungen,  wie  sie  in  dem  Rundschreiben  zur  Sprache  gekommen  sind» 
auch  in  dem  dortigen  Amtsbereiche  zutage  getreten  sein  sollten,  ebenfalls 
in  angemessener  Weise  vorzugehen. 

Der  Minister  der  geistlichen  usw.  Angelegenheiten. 
Stüdt. 
An  die  Königlichen  Provinzial-Schulkollegien 
mit  Ausnahme  von  N.    U  II  8540. 


N.,  den  1.  Oktober  1904. 
An  die  Eltern  unserer  Schüler. 

Die  unterzeichneten  Direktoren  möchten  es  bei  der  diesmaligen 
Zeugniserteilung  nicht  unterlassen,  die  geehrten  Eltern  der  Schüler  ihrer 
oberen  Klassen  von  gemeinsamen  Wahrnehmungen  zu  unterrichten,  die  ganz 
besonders  im  Winterhalbjahr  ein  Zusammenwirken  der  Eltern  und  Lehrer 
wünschenswert  machen. 

Von  allen  Anstalten  wird  den  älteren  Schülern  im  Leben  aufserhalb 
der  Schule  eine  freiere  Bewegung  eingeräumt.  So  ist  innerhalb 
gewisser  Grenzen  der  Besuch  von  Wirtshäusern  gestattet;  mit  Zustimmung 
der  Direktoren  bestehen  Vereine  zu  löblichen  Zwecken,  und  wenn  es  sich 
hie  und  da  um  besondere  Vergnflglichkeiten  handelt,  legt  die  Schule,  falls 
es  sich  mit  ihrer  Arbeit  vereinigen  lälst,  kein  Hindernis  in  den  Weg. 

Aber  Ausschreitungen  bleiben  nicht  aus,  manchmal  dadurch  hervor- 
gerufen, däls  die  eine  Schule  sich  vor  der  anderen  oder  der  eine  Verein 
vor  dem  anderen  in  Ausnutzung  der  gegönnten  Freiheit  und  der  Gestaltung 
von  Festlichkeiten  hervortun  möchte.  Die  Direktoren  sind  deshalb  über- 
eingekommen, den  an  ihren  Schulen  bestehenden  Vereinen  strenge  Ab- 
fichliebung  nach  aulsen  zur  Pflicht  zu  machen  und  den  Besuch  von  geselligen 
Zusammenkünften  der  einzelnen  Schulen  durch  Schüler  anderer  Anstalten 
zu  untersagen. 

Nach  einer  vielfach  gemachten  Beobachtung  nimmt  ferner  der  Aufwand 
bei  festlichen  Gelegenheiten  immer  mehr  zu.  Die  Kosten  von  Abiturienten- 
konunersen,  bei  denen  jetzt  manchmal  auch  Damen  als  Zuschauerinnen 
nicht  fehlen,  gehen  weit  über  das  Mafs  hinaus,  und  für  Tanzereien  werden 
ganz  unverhftltnilsmäisige  Mittel  verwandt.  Dazu  werden  die  zeitlichen 
Grenzen,  die  fOr  solche  Vergnügungen  bestehen  sollten,  in  vielen  Fällen 
nicht  innegehalten.  Auch  nach  dieser  Seite  hin  sehen  die  Direktoren  es 
als  ihre  Pflicht  an,  ernstlich  einzugreifen. 


436 

Besonderen  Anlals  zur  Klage  bieten  anch  Yersetznngkneipen,  wie  sie 
Ton  Unter-Seknndanem,  für  die  überhaupt  strengere  Vorschriften  bestehen, 
ohne  irgendwelche  Erlaubnis  manchmal  abgehalten  werden,  sowie  Störungen, 
die  im  Znsammenhange  mit  der  Tanzstunde  sich  leicht  wiederholen. 

Die  hervorgehobenen  Übelstände  werden,  wie  den  Direktoren  aus 
manchen  Mitteilungen  bekannt  geworden  ist,  auch  in  den  Eltemkreisen  stark 
empfunden.  Haus  und  Schule  sind  auf  gemeinschaftliche  Wirksamkeit  an- 
gewiesen und  dazu  verpflichtet.  Gewifs  begegnen  die  Direktoren  der  Zn- 
Stimmung  der  Eltern,  wenn  sie  für  den  Jüngling  eine  andere  Lebensordnnng 
für  richtig  halten,  als  für  den  Knaben  und  wenn  sie  den  auf  Geselligkeit 
gerichteten  Wünschen  der  älteren  Schüler  Spielraum  gewähren;  zu  strenge, 
undurchführbare  Verbote  bewirken  oft  das  Gegenteil  der  Absicht.  Aber 
die  Eltern  sind  gewifs  auch  damit  einverstanden,  daCs  die  Schule  nicht 
alles  der  Willkür  der  Schüler  überlassen  kann,  sondern  eine  bestimmte 
Ordnung  auch  für  das  Leben  auliserhalb  der  Unterrichtsstunden  festsetzen 
mufs.  Der  Schule  stehen  aber,  zumal  in  der  Grofsstadt,  nur  geringe  Mittel 
zu  Gebot,  um  das  für  die  Jugend  Heilsame  durchzuführen.  Von  der 
gemeinsamen  Aufgabe  der  Erziehung  mufs  auf  diesem  Gebiete  das  Haus 
den  gröberen  Teil  auf  sich  nehmen,  die  Schule  kann  nur  zur  Unterstützung 
eintreten.    . 

Deshalb  empfehlen  die  Direktoren  das  Vorstehende  der  freundlichen 
Aufmerksamkeit  der  geehrten  Eltern  und  bitten  sie  vertrauensvoll  um  ihre 
tatkräftige  Unterstützung  zur  Erreichung  des  gemeinschaftlichen  Ziels. 
Die  Direktionen.     (Unterschriften.) 
Zentralhl  f.  d,  ge$,  UnierrichtsvenvcUtg.  m  Preufsenj  Märzheft  1905. 


tittxatnx. 


Besprechungen. 
Petzold,  J.    SoDdersehulen  ffir  hervorragend  Befähigte«    Leipzig 
und  Berlin,  Teubner,  1906.     8^     51  S.     AI.—  . 

Die  nivellierenden  Tendenzen  des  einheitlichen  Schulbetriebes,  die 
durch  die  Errichtung  der  Hilfsklassen  für  Schwachbefähigte  und  durch  das 
Mannheimer  System  erschüttert  worden  sind,  müssen  sich  neuerdings  eine 
Einschränkung  gefallen  lassen,  dieses  Mal  zugunsten  der  hervorragend 
Befähigten,  für  die  der  Verfasser  obengenannter  Schrift  Sondersdinlen 
vorschlägt.  Die  Idee  einer  unterrichtlichen  Sonderbehandlung  der  Best- 
befähigten hat  innerhalb  der  SiCKiNGEBSchen  Volksschulorganisation  in  der 
Gestalt  der  Vorbereitungsklassen  bereits  eine  gewisse  praktische  Verwirk- 
lichung erfahren.  Petzolds  Vorschläge  beziehen  sich  besonders  aof  die 
Mittelschulen.  Er  weist  nach,  dafs  die  hervorragend  Befähigten  bei  der 
heutigen  Unterrichtspraxis,  wo  die  letzten  noch  ans  Ziel  zu  bringenden 
mittelbefähigten  Schüler  das  Tempo   des  Fortschrittes   einer   Klasse   be- 


437 

stünmen,  in  der  geistigen  Bildung  nnd  im  Charakter  Schaden  erleiden, 
mshesondere  wird  eine  Charakterseite  vernachlässigt,  der  Fleifs.  Es  ist 
den  herrorragend  Befähigten  die  Möglichkeit  benommen,  ihre  Kräfte  aus- 
reichend zu  betätigen,  sie  verfallen  dadurch  leicht  dem  Massiggange.  Die 
selbstgewählte  Beschäftigung  solcher  Schüler  kann  keinen  ausreichenden 
Ersatz  für  die  fehlende  methodische  Anspannuug  bieten.  Viele  der  besten 
Köpfe  gelangen  dadurch  nie  dazu,  das  zu  werden,  wozu  sie  befähigt  sind, 
und  der  Gesamtheit  erwächst  ein  bedauernswerter  Schaden  durch  die  un- 
genflgende  Entwicklung  ihrer  bestveranlagten  Glieder. 

Der  Verfasser  gibt  eine  erschöpfende  psychologische  Analyse  der 
hervorragenden  Befähigung  (des  Genies,  des  Talents),  um  auf  Grund 
psychologischer  Tatsachen  den  Satz  zu  bekämpfen,  daifs  das  Genie  sich 
selbst  durchringe.  Auch  der  hervorragendst  Befähigte  ist  einer  Erziehung 
bedürftig,  die  seine  Kräfte  besonders  durch  methodisches  Arbeiten  zur 
Entwicklung  bringt.  Diese  Erziehung  kann  nur  in  Sonderschulen  erreicht 
werden.  Verfasser  widerlegt  sehr  überzeugend  die  Einwenduug,  dais  eine 
Trennung  der  hervorragend  Begabten  etwa  durch  Wecken  von  Hochmut 
vnd  Einbildung  gefährlich  werden  könne  und  führt  dann  im  einzelnen  aus, 
wie  er  sich  die  Sonderschulen  in  der  Praxis  ausgestaltet  denkt.  Die 
näheren  Details  mögen  in  dem  Büchlein  nachgelesen  werden;  es  sei  hier 
nur  von  Einzelheiten,  die  schulhygienisches  Interesse  bieten,  erwähnt:  Die 
Frequenz  der  Klassen  soll  die  Zahl  20  nicht  überschreiten;  es  sollen  nur 
vier  wissenschaftliche  Lehrstunden  im  Tage  stattfinden,  da  mit  voller  An- 
spannung gearbeitet  wird  und  bei  der  kleinen  Schülerzahl  und  der  Qualität 
der  Schüler  und  Lehrer  das  KBAPELiNsche  Sicherheitsventil  der  Unauf- 
merksamkeit und  Langeweile  entfällt;  der  Lehrplan  mufs  für  zwei  Stunden 
körperlicher  Tätigkeit  im  Tage  sorgen.  Bemerkenswert  ist  femer,  dafe 
der  Verfasser  für  seine  Schülerkategorie  vor  allem  eine  tief  eindringende 
naturwissenschaftliche  Bildung  fordert,  und  dafs  es  einem  psychologisch 
nnd  pädagogisch  geschulten  Nervenarzte  als  gleichberechtigtem  Mitgliede 
des  Lehrerkollegiums  eine  wichtige  Rolle  bei  der  Neueinrichtung  zuweist. 

Der  Verfasser  verbreitet  sich  schliefislich  noch  über  die  finanztech- 
nischen und  ähnliche  Fragen,  die  das  Problem  in  sich  schliefst.  Die  vor- 
trefflich geschriebene  Arbeil  Petzolds  stellt  einen  bedeutsamen  Beitrag 
dar  zu  der  sich  gegenwärtig  im  Vordergrund  des  schulhygienischen  Inter- 
esses behauptenden  Frage  der  Differenzierung  der  Schüler  nach  ihrer  Be- 
iUiigung.  Die  Ausführungen  des  Verfassers  sind  schon  Gegenstand  eifriger 
Erörterungen  in  pädagogischen  Fachkreisen  geworden  und  sind  in  hohem 
Grade  geeignet,  unseren  schulhygienischen  Gesichtskreis  zu  erweitem. 

Dr.  MOSES-Mannheim. 

Alex.  Hiktebbebgeb,  Dr.  med.    Ist  unser  Gymnasium  eine  zweck- 
■ifsige  Institution  zu  nennen?    Wien  und  Leipzig,  W.  Braumüller, 
1905.     L  u.  116  S.     8^     1  Krone  80  Heller  (M   1.50). 
Das  Buch  plädiert  für  Abschaffung  des  Lateinischen  und  Griechischen 
im  Schulunterrichte.     Die  ganze  Frage,  ob  altphilologischer  oder  modern- 
sprachlicher Unterricht,  ist  keine  schulhygienische;  ftlr  die  Schulhygiene 
konunt  nach  dem  derzeitigen  Stande  unseres  Wissens  nur  in  Betracht,  ob 


438 

die  Scbnlfordenmgen  innerhalb  der  Grenze  der  zulässigen  totalen  Be- 
lastung bleiben,  nicht  ob  die  totale  Belastung  der  Jugend  wesentlich  durch 
ein  klassisches  oder  modernes  Programm  mitbedingt  ist;  dies  wird  hier 
bemerkt,  um  zu  sagen,  da(s  der  eigentliche  Inhalt  des  Buches  kein  Objekt 
fUr  die  Kritik  in  dieser  Zeitschr^  ist. 

Einige  wenige  Stellen  berflhren  schulhygienische  Momente,  teils  Selbst- 
verständliches, wie  Eliminieruttg  von  Memorierarbeit,  die  nur  „ephemeren 
Wert"  hat  (S.  68),  Belehrung  über  Berufswahl  yom  hygienischen  Gesichts- 
punkt (S.  89),  teils  verbreiten  sie  sich  Ober  Dinge,  Aber  die  sich  hin- 
sichtlich der  vom  Autor  gewünschten  Art  vom  schulhygienischen  Stand- 
punkte mindestens  streiten  Heise,  bezw.  die  nur  unter  entsprechender 
anderweitiger  Entlastung  als  zulässig  erklärt  werden  konnten  (ausgiebiger 
körperlicher  Drill,  S.  73—74,  Hygiene- Unterricht,  S.  79—81);  ein 
Exkurs  (Jahresprüfungen,  Maturitätsprüfungen,  S.  101)  verblüfft  von  selten 
eines  Arztes  und  läfst  wünschen,  dafs  der  Autor  vor  allem  die  einschlSgige 
exakte  Forschungsarbeit  studieren  möchte.  Vom  schulhygienischen  Gesichts- 
punkt beherzigenswert  ist  die  Forderung,  in  den  einzelnen  Unterrichts- 
stunden das  Prüfen  dem  Vorbringen  neuen  Lehrstoffes  vorangehen  zu 
lassen  (S.  104). 

Dem  Wunsche  des  Autors  nach  Widerlegung  zu  entsprechen  —  es 
ist  an  dieser  Stelle  selbstverständlich  nur  an  die  bemängelten  schulhygie- 
nischen  Punkte  gedacht  —  verbietet  dem  Referenten  der  verfügbare  Baum. 

L.   BüBGEBSTEIN-Wien. 

Rabziejbwbky,  M.  SekalXrztliehe  TXtigkdt  UDd  Angell!nlte^ 
sneknnj^en.    Zeüsi^,  f.  äreü,  Fortbildung,  IL  Jahrgang,  1905,  Nr.  5. 

Der  Verfasser  tritt  warm  für  die  Mitwirkung  der  Augenärzte  beim 
schulärztlidien  Dienst  ein.  Selbstredend  kann  ihm  darin  der  Referent 
nach  11  jähriger  Tätigkeit  als  Schulaugenarzt  nur  beistimmen.  Es  genügt 
in  der  Tat  ntcht,  einfach  die  Diagnose  „Sehschwäche"  zu  stellen.  Etwas 
anderes  aber  ist  dem  Nicht-Augenarzt  in  sehr  vielen  Fällen  einfach  nicht 
möglich. 

Über  die  Art  dieses  Untersuchungsbetriebes  und  die  Zahl  der  zuzu- 
teilenden Kinder  kann  man  in  guten  Treuen  verschiedener  Meinung  sein. 
Interessenten  ist  die  Lektüre  des  aus  reidier  Erfahrung  entsprungenen 
Vortrages  sehr  zu  empfehlen.  Dr.  STEiGEB-Ztrich. 


§tv  ^itfulurfi 


ni.  Jahrgang.  1905.  No.  7. 


(9rt9tttalab^ttMittt$ett. 


Betrachtangen  ftber  sehnlärstliche  Statistik  und  Vonehl&ge 
jrar  Herbeiftthmng  einer  Einheitlichkeit  in  derselben. 

Von 

Dr.  SAMOSGH-Breslau. 

(Fortsetzung.) 

Das   von    Herrn    Professor  Lrubübcheb   gesammelte   Material 
enthält  87  Gresandheitsscheine. 

Dieselben  variieren  nach  Form  und  Inhalt  mannigfach. 
Immerhin  lassen  sich  einige  gemeinsame  Grundeüge  herausschälen, 
die  wenigstens  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  der  Scheine  er- 
kennbar sind.  Dazu  gehören  1.  Personalangaben  das  Kind 
betreffend,    z.   B.    Name,    Geburtsdatum,    Sohn    bezw.    Tochter, 

den geimpft,  wieder  geimpft ,  Seh.' ,  Kl 

2.  Ein  Krankheitssohema.  3.  Eine  Baumeinteilung,  welche 
Eintragungen  der  ärztlichen  Untersuchungsbefunde  an  der  Hand 
des  Schemas  pro  Schuljahr  oder  pro  Schulsemester  oder  fflr  be- 
liebige Zeiträume  ermöglicht.  4.  Eine  Rubrik:  Bemerkungen 
des  Arztes  (Vorschläge  für  die  Behandlung  in  der  Schule, 
Vermerk  über  die  Notwendigkeit  ärztlicher  Behandlung).  5.  EHne 
Rubrik:  Bemerkungen  des  Lehrers,  z.  B.  betr.  psychische 
Eigentümlichkeiten.  6.  Vermerk  über  ey.  ärztlicherseits  verfügte 
besondere  Kontrolle  und  Entlassung  aus  derselben.  Seltener 
wurde  Auskunft  verlangt  über:  Gröfse,  Gewicht  und  Brustumfang 
des  Sandes,  über  den  Erfolg  schulärztlicher  Mitteilungen  an  die 
Eltern,  über  ursächliche  Verhältnisse.  Hie  und  da  werden  vom 
Schularzt  Eintragungen  über  vor  der  Schulzeit  überstandene  Krank- 
heiten verlangt,    etwa  in  Form  eines  Resume  der  diesbezüglichen 

Der  Schnlarsi.  IIL  11 


98  440 

Angaben  der  Eltern.  Vereinzelt  wird  auch  die  Frage  gestellt,  ob  das 
Kind  Lohnarbeit  verrichtet,  ob  es  ein  warmes  Frühstück  erbfilt  usw. 
Prüfen  wir  nun  das  vorhandene  Material  daraufhin,  ob  es  den 
Anforderungen  entspricht,  die  zurzeit  der  Schulhygieniker  natürlich  noi 
unter  Berücksichtigung  der  praktisch  durchführbaren  stellen  muss,  und 
prüfen  wir  weiterhin,  ob  das  vorhandene  Material  geeignet  ist,  Grund- 
lagen für  eine  brauchbare  Statistik  zu  schaffen,  so  werden  wir  fdr 
einen  Teil  des  Materials  im  Prinzip  diese  Frage  bejahen,  für  einen 
anderen  Teil  verneinen  müssen.  Lu  Detail  dürfte  wohl  keines  der 
vorhandenen  Formulare  den  zu  stellenden  Ansprüchen  genügen,  und 
daher  dürfte  es  berechtigt  sein,  über  neue  Vorschläge  nachzudenken 
und  solche  dem  allgemeinen  Urteil  zu  unterbreiten.  £&  dürfte  sich 
empfehlen,  gleich  in  medias  res  zu  gehen  und  die  wesentlichen  Be- 
standteile, die  das  zu  empfehlende  Formular  haben  mufs,  gesondert 
zu  besprechen.  Nebenbei  sei  noch  bemerkt,  dafs  für  die  Gestaltung 
der  Formulare  die  Anschauung  massgebend  war,  dals  ein  Formular 
um  so  besser  ausgefüllt  wird,  je  weniger  Schreibarbeit  es  erfordert, 
d.  h.  die  auf  bestimmte  Fragen  zu  erwartenden  Antworten  müssen 
vorgesehen  sein,  so  dals  die  Beantwortung  durch  ein  einfaches  Schrift- 
zeichen, Strich  oder  -f-  o^^i*  —  Zeichen,  oder  durch  eine  Zahl  er- 
folgen kann. 

Wir  würden  also  an  den  Gesundheitsschein  folgende  Ansprüche 
stellen: 

1.  Der  Kopf  des  Gesundheitsscheines  mufs  die  Angaben 
betr.  die  Personalien  des  Kindes  enthalten,  also  Name, 
Geburtsdatum,  Schule  und  Klasse.  Hierbei  muss  berücksichtigt 
werden,  dals  bei  Schulwechsel  sofort  die  neue  Schule,  und  bei  Ver- 
setzungen die  neue  Klasse  eingetragen  werden  muss.  Auch  empfiehlt 
es  sich,  das  Datum  der  Aufnahme-Untersuchung  angeben  zu  lassen. 
Die  in  manchen  Gesundheitsscheinen  vorgesehenen  Angaben  über 
Impfung  und  Wiederimpfung  können  wohl  im  Lande  des  obligatorischen 
Impfzwanges  wegbleiben. 

2.  Der  Gesundheitsschein  mufs  eine  auf  den  ersten  Blick 
übersehbare  Zusammenstellung  der  für  das  Kind  zu  Beginn 
und  während  des  Schullebens  in  gesundheitlicher  Beziehung 
besonders  wichtigen  Momente  enthalten,  d.  h.  er  mufs  enthalten: 
a)  einen  Veimerk  über  ev.  Schulunfähigkeit;  b)  Angaben  darüber, 
ob  und  wie  oft,  in  welchen  Schuljahren  und  Klassen  eine  besondere 
ärztliche  Kontrolle  verfügt  resp.  wieder  aufgehoben  ist;  c)  eine 
Bemerkung  darüber,  ob  das  Kind  als  dauernd  kränklich  zu  bezeichnen 


441  99 

war.    Mit  dem  Pankte  o  gelangt  liier  ein  Moment  zur  Erörterung,  das 
anfeer  in  Breslau  noch  nirgends  sonst  berüoksiohtigt  worden  ist  und 
das  insbesondere  für  die  Berichterstattung,  Morbidität  betre£fend,  von 
Bedeutung  ist,  jedenfalls  aber  auch   im  Formular  des  Gesundheits- 
scheines nicht  aulser  acht  gelassen  werden   darf.     Es  gibt  nämlich 
eine  grolse  Zahl  von  Kindern,   die  körperliche  Mängel  erheblichen 
Grades  zeigen  und  bei  denen  doch  jede  ärztliche  Kontrolle  überflüssig 
ist;  es  sind  das  z.  B.  solche  mit  nicht  besserungsfähigen  Augenfehlern, 
Taubheit  auf  einem  Ohre,  mit  kongenitalen  Entwicklungsstörungen  usw. 
Diese  Kinder  bedürfen  aber  gerade  in  der  Schule  der  weitgehendsten 
Berücksichtigung,  sie  sind,  wie  sie  in  Breslau  genannt  werden,  die 
eigentlichen  Schulinvaliden.    Als  solche  müssen  sie  auf  dem  G^sund- 
heitsschein  möglichst  auffallend  kenntlich  gemacht  werden,  damit  der 
Lehrer  sofort  und  eindringlich  auf  ihre  Schwächen  aufmerksam  wird. 
3.  Der  Gesundheitsschein  mufs  ein  Krankheitsschema 
enthalten,  das  eine  Eintragung  aller  mehr  oder  minder  häufig 
bei  Kindern  beobachteten  Krankheitszustände,   subakuter 
und   chronischer  Natur   gestattet.     Die    akuten  Krankheiten, 
insbesondere  Infektionskrankheiten,  kommen  meist  nur  auf  Umwegen 
durch  die  Schule  zur  Kenntnis  des  Schularztes.     Ihre  Rubrizierung 
muis  an  anderer  Stelle  erfolgen.    Nun  ist  es  natürlich  nicht  möglich, 
in  dem  gedruckten  Schema  alle  möglichen  Diagnosen  vorzusehen,  es 
erweist    sich    die    Zusammenziehung    mehrerer    Krankheitszustände 
unter  eine  Hauptgruppe  als  notwendig.    Um  Klarheit  über  die  Anzahl 
und  Bezeichnung  solcher  Hauptgruppen  zu  gewinnen,  wurden  sämtliche 
in  den  vorliegenden  Gesundheitsscheinen  vorgesehenen  Diagnosen  und 
alle  in  den  Berichten  angegebenen  Krankheitszustände  zusammengestellt. 
Auf  diese  Weise  ergab  sich  als  das  den  bisherigen  Erfahrungen 
am  meisten  entsprechende  Schema,  das  im    Entwurf  I  angegebene. 
Die  Znsammenstellung  desselben  beruht  auf  roher  Empirie  und  macht 
dnrchaTis  nicht  den  Anspruch,  als  wissenschaftlich  berechtigt  angesehen 
zu  werden.  Aber  schliefslich  dürfte  es  für  den  Schularzt  besser  sein, 
ein  praktisch  handliches  Schema  zu  besitzen,  als  ein  dem  Stande  der 
Wissenschaft  entsprechendes,  mit  dem  er  nichts  rechtes  anzufangen 
weiis.   Ab  Hinweis  darauf,  welche  spezielle  Diagnosen  in  die  Haupt- 
gruppen  einrangiert  werden  können,  sind   noch  in   einer  besonderen 
E[olonne  fast  alle  bisher  in  schulärztlichen  Berichten  erwähnten  Dia- 
gnosen aufgeführt.  Vielleicht  wäre  es  angebracht,  auch  diese  speziellen 
Diagnosen  in  jedem  Gesundheitsschein  vorzudrucken.    Besondere  Er- 
wähnung verdienen  die  Rubriken:  Allgemeine  körperliche  Be- 


100  442 

sohaffenheit  and  allgemeine  geistige  Beschaffenheit  Fifit 
alle  Dienatanweifiongen  verlangen,  dab  das  Urteil  des  SehalantsB  über 
diese  ewei  Kardinalpnnkte  in  Form  einer  Zensnr  I  =  gnt,  11  =  mittel, 
in  =^  schlecht   ansammenge&sst  werde.     Sghubsbt   ist  ron  dieser 
Bestimmung  nicht  sehr  entzückt,  weil  die  Orensen  zwischen  «gnt^, 
„mittel^  und  „schledit''  schwer  zu  ziehen  sind.    AltschitIi  verlangt 
die  Einteilung  der  Kinder  in:  notorisch  gesund,  krankheitsverdftektig 
und  notorisch  krank.     Ob  mit  dem  ALTSCHULschen  Vorschlag  eekr 
viel    gewonnen   ist,    erscheint   zweifelhaft.     Denn    hier  stehen  wir 
wieder  vor  dem  Dilemna,  entscheiden  zu  müssen,  wo  hört  der  Ver- 
dacht auf,   und  wo  &ngt  die  Grewilsheit  an.     AuJserdem  ist  es  bei 
dem  ALTSCHULschen  Vorschlag  nicht  recht  klar,  ob  die  empfohlene 
Einteilung   nur   für   die   Beurteilung   der  allgemeinen  Konstitution 
gelteo  soll,  oder  ob  sie  mafsgebend  sein  soll  fKr  die  Beurteilung  des 
Gesamtkörperzustandes.     Wäre   das   letztere    der   Fall,    so    würden 
mancherlei  Verlegenheiten  entstehen  können;   z.  B.  ist  ein  von  Ge- 
sundheit strotzendes  Kind  mit  einem  leichten  Sprachfehler  und  einer 
mft&igen  Hyperopie  oder  Myopie  vollkommen  gesund  oder  notorieeb 
krank?    Es   dürfte  sich  also  empfehlen,  faut  de  mieoz  bei  der  bis- 
herigen Praxis  zu  bleiben.     In  gewissem  Sinne  wird  den  AltscbuIt 
sehen  Wünschen  in  dem  Entwurf  I  Rechnung  getragen,  indem  hier 
nicht   blofs  die  Abweichungen  von  der  Norm  eingetragen,  sondern 
auch  das  Vorhandensein  der  Norm^  kenntlich  gemacht  werden  soll. 
Bei  den  Eintragungen  der  Anomalien   könnte  man  durch  ein  ?  die 
nur  als   zweifelhaft   anzusehenden  Krankheitszustände  hervorheben. 
Was  die  Beurteilung  des  allgemeinen  geistigen  Zustandes  anbetriffi, 
so  dürfte  es  zweokmftisig  sein,  als  ^normal^  diejenigen  Kinder  zn  be- 
zeichnen, bei  denen  über  ihre  Eignung  zum  Besuch  der  allgemeinen 
Volksschule .  kein  Zweifel  besteht;    unter   ^zurückgeblieben*^  wären 
diejenigen   Kinder  zu  rubrizieren,  bei  denen   ein  länger  dauernder 
Versuch,   sie  in  der  allgemeinen  Volksschule  fortzubilden,  noch  ge- 
macht werden  kann.     Die  Erfi&hrung  hat  gelehrt,  dafs  Kinder,  die 
in    den    ersten    Wochen   nahezu    unbrauchbar   für   den    Unterricht 
schienen,  später  ganz  gut  fortkamen.     Als  „defekt*    sind  diejenigen 
Kinder  zu  betrachten,    die  auf   keinen   Fall  in   die  Schule  hinein- 
gehören.    Diese  Einteilung  ist  nun  durchaus  nicht  wissenschaftlich, 
aber  sie  dürfte  in  der  Praxis  sich  bewähren. 

Die  Rubrik  „Normal"^  des  Formulars  I  deutet  darauf  hin,  dals 


^  In  Brealan  seit  längerer  Zeit  in  Anwenduag. 


443  101 

mit  der  buher  nicht  so  seltenen  Praxis,  derzofolge  bei  der  Aufnahme- 
Cntersnohung  nur  Eintragungen  gemacht  werden  sollen,  wenn  Ab- 
weiohungen  von  der  Norm  vorlagen»  gebroohen  werden  soll.  Der 
Zwang,  auch  einen  Dormalon  Befund  duroh  einen  Strich- kenntlich 
zu  machen,  garantiert  eine  systematische  Untersuchung»  wie.  wir  sie 
bei  der  Aufnahme- Untersuchung  zum  mindesten  verlangen. 

4.  Der  Gesundheitsschein  mufs  in  Rücksicht  darauf, 
dafs  er  das  Kind  während  des  ganzen  Schullebens  begleiten 
soll,  genügend  Raum  für  Eintragungen  im  späteren  Sohul- 
leben  lassen.  In  den  meisten  der  vorliegenden  Gesundheitssidieiney 
und  zwar  auch  in  den  besten,  ist  der  Baum  so  klein  bemessen,  dafs 
es  scheinen  will,  als  ob  bei  in  ärztlicher  Kontrolle  stehenden  Kindern 
eine  mehr  als  zweimalige  Untersuchung  pro  Jahr  nicht  erwartet  wird. 
Xm  Interesse  einer  praktisch  wirksamen  schulärztlichen  Au&icht  und 
im  Interesse  ^iner  leidlich  brauchbaren.  Morbiditäts-Statistik  ist  aber 
zu  verlangen,  dab  der  Schularzt  mehrmals  im  Halbjahr  in  jeder 
Klasse  Schuluntersuohungen  vornimmt  und  somit  auch  öfters  die 
fieobachtungsschüler  zu  Gesicht  bekommt.  Das  Ideal,  von  jeder 
Änderung  der  Morbidität  einer  Klasse  Kenntnis  .zu  erhalten,  werden 
wir  zurs^eit  nicht  erreichen;  je  öfter  wir  aber  Untersuchungen  vor- 
nehmen, desto  näher  kommen  wir  auch  einer  guten  Statistik.  Halb- 
jährliche Untersuchungen  sind  gewils  nicht  wertlos;  auf  dem  Lande 
insbeeopdere  bieten  sie  schon  einen  sehr  erfreulichen  Fortschritt  gegen 
früher  dar;  für  die  Statistik  haben  sie  natürlich  nur  einen  sehr  .be- 
dingten und  nur  lokalen  Wert.  In  dem  Formular  I  ist  für  die  Ein- 
tragung im  späteren  SchuUeben  ein  grölserer  Raum  vorgesehen.  Amsh 
ist  hier  versucht  worden,  durch  einige  Vordrucke,  die  bestimmte, 
mit  „ja^*  oder  „nein**  oder  Datumsangaben  zu  beantwortende  Fragen 
enthalten,  die  Schreibarbeit  möglichst  gering  zu  gestalten« 

5.  Der  Gesundheitsschein  mufs  Angaben  betr.  ärzt- 
licher Anordnungen,  Anträge,  Vorschläge  hinsichtlich  der 
Behandlung  und  Berücksichtigung  der  Kinder  in  der  Schule 
enthalten.  Die  Erfahrung  in  Breslau  hat  gelehrt,  da&  sich  für 
die  besonderen  Bemerkungen  und  Notizen  des.  Schularztes  ein  be- 
sonderes Schema  entwerfen  läfst.  Der  Schularzt  hat  also  nur  im 
Bedarfsfalle  in  die  entsprechende  Rubrik  ein  einfaches  Schriftzeichen 
hineinzusetzen,  wodurch  die  Schreibarbeit  bedeutend  herabgesetzt  wird. 

6.  Der  Gesundheitsschein  anufs  Raum  bieten  für  be- 
sondere Bemerkungen  des  Lehrers.  In  einer  Reihe  von  Qe- 
sundheitsscheinen  wird  den  Lehrern  nahegelegt,  Auskunft  zu  geben 


102  444 

über  Schulvenftainnisse  nnd  deren  Ursachen,  über  Reinlichkeit  des 
Kindes,  psychische  Eigentümlichkeiten  desselben,  Fortschritte  in  der 
Schnle,  hflnsliche  Verhältnisse  usw.  Es  liegt  nahe,  Yom  Lehrer  ob- 
ligatorische Auskunft  zu  verlangen  über  der  Schule  gemeldete 
Infektionskrankheiten  des  betreffenden  Kindes.  Ob  das  aber  in 
nennenswertem  ümfiBinge  möglich   sein  wird,   erscheint  zweifelhaft. 

7.  Der  Gesundheitssohein  soll  überall  dort,  wo  Schul- 
kinder-Messungen und  -Wftgungen  stattfinden,  diesbezüg- 
liche Zahlenangaben  enthalten.  Diese  Forderung  bedarf  wohl 
keiner  weiteren  Begründung. 

8.  Der  Oesundheitsschein  soll  für  das  die  Schule  yer- 
lassende  Kind  ein  zusammenfassendes  urteil  des  Arztes 
über  die  gesundheitliche  Entwicklung  desselben  wfthrend 
der  Schulzeit  enthalten;  gleichzeitig  soll  damit  ein  Ratschlag  f&r 
die  Berufiswahl  verbunden  sein;  selbstverständlich  wären  diesbezüg- 
liche Bemerkungen  nur  bei  Kindern  zu  machen,  die  zu  Bean- 
standungen vielfach  Anlafs  gegeben  haben.  Es  wäre  zu  wünschen, 
dab  nach  dieser  Richtung  hin  ärztliches  Wissen  und  Können  mehr 
in  Anspruch  genommen  würde  als  bisher.  Die  Schularztinstiiution 
würde  dadurch  in  sozialer  Beziehung  an  Bedeutung  gewinnen  und 
vermutlich  auch  populärer  werden. 

Die  soeben  stipulierten  acht  Forderungen,  die  .wir  an  einen 
Gesundheitsschein  stellen  müssen»  sind  in  dem  anliegenden  Entwurf  I 
zusammengestellt,  wobei  natürlich  auf  die  äulsere  Form  gar  kein 
Gewicht  gelegt  wird.  In  inhaltlicher  und  prinzipieller  Hinsicht 
dürfte  aber  das  Formular  als  eine  Zusammenfassung  alles  dessen 
anzusehen  sein,  was  ein  Gesundheitsschein  enthalten  muls,  wenn  er 
den  von  uns  zu  stellenden  Ansprüchen  genügen  soll,  d.  h.  wenn  er 
erstens  eine  Übersicht  über  die  gesundheitliche  Entwicklung  eines 
Kindes  während  der  Schulzeit  gewähren  und  wenn  er  zweitens  eine 
Grundlage  für  eine  brauchbare  Statistik  abgeben  soll.  Eine  auf 
tausenden  von  solchen  gut  ausgefüllten  Scheinen  beruhende  Statistik 
könnte  einen  wertvollen  Beitrag  zur  Lösung  des  Problems  von  den 
sogenannten  Schulkrankheiten  geben. 

Es  fragt  sich  nun  noch,  ob  der  Entwurf  nicht  zu  kompliziert 
ist,  ob  bei  den  heutigen  Verhältnissen  anzunehmen  ist,  dals 
ein  derartiger  Entwurf  zur  allgemeinen  Einführung  gelangen 
könnte,  und  ob  er  auch  wirklich  von  den  Schulärzten  in  sach- 
gemäCser  Art  gehandhabt  werden  könnte.  Darauf  ist  zu  e^ 
widern,    dafs    der   Entwurf    nur   einen   Extrakt    aus    bereits   vor- 


445  103 

handenem  darstellt;  es  ist  in  ihm  nichts  prinzipiell  Neues  ent- 
halten; die  Arbeit,  die  er  verlangt,  wird  schon  seit  Jahren  in  einer 
mehr  oder  minder  groCsen  Zahl  von  Städten  verlangt;  es  handelte 
sich  ja  nur  darum,  prinzipiell  schon  längst  als  berechtigt  anerkann- 
ten Wünschen  eine  einheitliche  Gestaltung  zu  geben,  damit  auf 
eindeutige  Fragen  eindeutige  Antworten  erhalten  werden  können, 
und  damit  vergleichbare  und  für  die  Statistik  verwertbare  Ergebnisse 
erzielt  werden  können.  Nun  könnte  aber  jemand  und  mit  Recht 
sagen,  dafs  in  einem  grolsen  Teile  Deutschlands  das  Schularztwesen 
doch  nicht  so  weit  ausgebildet  ist,  um  den  Anforderungen  zu  ge- 
nügen, die  der  Entwurf  stellt.  Darauf  ist  zu  erwidern,  dab  solche 
schulärztliche  Organisationen,  die  etwa  dem  Typus  A.  Schubebts 
angehören,  auch  keinen  Anspruch  machen  können,  irgendeinen 
wertvollen  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Gesundheitszustandes  unserer 
Schuljugend,  d.  h.  zu  einer  allgemeinen  Morbiditäts-Statistik,  zu 
liefern.  Sollen  nun  aber  derartige  Organisationen  bei  der  all- 
gemeinen Betrachtung  ganz  ausgeschaltet  werden?  Sollen  wir  nicht 
doch  den  Versuch  machen,  auch  die  Ergebnisse,  die  unter  ungünsti- 
geren Verhältnissen  gewonnen  werden,  einheitlich  zu  verwerten? 
Der  Versuch  dürfte  zum  mindesten  nichts  schaden,  und  im  Falle 
des  Gelingens  dürften  sich  doch  Resultate  erzielen  lassen,  die  unter 
bestimmten  Voraussetzungen  und  mit  groisen  Kautelen  belehrende 
und  verwertbare  Vergleiche  zulielsen.  Dieser  Überlegung  verdanken 
die  Entwürfe  la  und  Ib  ihre  Entstehung.  Nr.  la  ist  für  solche 
Schularztorganisationen  bestimmt,  bei  denen  die  Dienstordnung  mir 
halbjährliche  oder  jährliche  Eintragungen  bei  für  krank  befundenen 
Kindern  gewährleistet.  Nr.  Ib,  das  sich  ziemlich  eng  an  das 
Meiningensche  Muster  anschliefst,  dürfte  überall  da  am  Platze  sein, 
wo  eine  möglichst  kurze  und  einfache  Fassung  der  schulärztlichen 
Eintragungen  geboten  erscheint.  Der  Unterschied  zwischen  den 
Entwürfen  I,  la,  Ib  ist  im  wesentlichen  nur  ein  quantitativer  und 
nicht  ein  qualitativer. 

Neben  dem  für  die  zukünftige  Statistik  fundamental  wichtigen 
ßesundheitsschein  verdient  der  schulärztliche  Verwaltungs- 
berioht  in  statistischer  Beziehung,  soweit  er  sich  auf  die  Morbidität 
der  Kinder  bezieht,  noch  eine  besondere  Betrachtung.  Es  ist  bereits 
mehrÜEUih  darauf  hingewiesen  worden,  dafs  über  die  Ergebnisse  der 
Lemanfängeruntersuchungen  und  über  die  Morbidität  des  übrigen 
Schülermaterials  gesondert  berichtet  werden  muls.  Es  ergibt  sich 
das  ja  schon   daraus ,   dafs   fast   überall    eine   genaue  Untersuchung 

Der  Schalarzt.   IIL  12 


104  446 

der  LernaDflänger  vorgeschrieben  ist,  während  die  Beobaohtang  des 
übrigen  Sohülermaterials  allgemein  lückenhaft  ist.  Man  kann  nan 
nicht  Besultate,  die  auf  verschiedene  Weise  gewonnen  sind,  in  einen 
Bericht  zusammenfassen.  In  denjenigen  .Städten,  die  eine  genaue 
und  durchgehende  Untersuchung  einzelner  Jahrgänge  vorschreiben, 
wird  natürlich  der  Bericht  über  diese  Untersuchungen  ganz  analog 
dem  über  die  Anfnahmeuntersuchungen  gestaltet  sein  müssen. 

Wenn  wir  also  die  Formulare  für  schulärztliche  JahreBberiobte 
besprechen  wollen,  so  haben  wir  zu  unterscheiden 

a)  Formulare  für  den  Bericht  über  die  Lemanfängenmter- 
suchungen; 

b)  Formulare  für  den  Bericht  betreffend  schulärztliche  Beob- 
achtungen des  Gesundheitszustandes  der  G-esamtschülermasse  während 
der  Schulzeit. 

Mit  Bücksicht  darauf,  dafs  in  dem  LBüBüSCHEBschen  Material 
überhaupt  verhältnismäisig  wenig  Berichtsformulare  enthalten  waren, 
und  dafs  in  den  vorhandenen  nur  sehr  selten  die  von  uns  verlangte 
Trennung  durchgeführt  war,  konnten  die  bezüglich  der  Berichte  zn 
machenden  Vorschläge  nicht  auf  einer  besonders  breiten  Grundlage 
aufgebaut  werden,  zumal  es  nicht  gelang,  auf  anderem  Wege  eine 
gröfsere  Anzahl  von  schulärztlichen  Berichten  zu  erlangen.  Gleich- 
wohl waren  für  den  zu  verlangenden  Inhalt  der  Berichte  genügend 
Anhaltspunkte  in  dem  G^undheitsschein  und  in  den  Erwägungen, 
welche  weiter  oben  über  den  Wert  und  die  Bedeutung  der  schul- 
ärztlichen Jahresberichte  angestellt  wurden,  gegeben.  Der  Bericht 
über  die  Lernanfängeruntersuohungen  war  einfach  aus  dem  Gesund- 
heitsschein  herauszulesen.  Der  Entwurf  II  entspricht  nahezu  voll- 
ständig demjenigen  Teile  des  Entwurfs  I,  der  sich  auf  die  Auf- 
nahmeuntersuchung bezieht.  Er  enthält  nahezu  alle  die  Angaben 
für  Kinder  zusammen,  die  im  Gesundheitsschein  für  jedes  Kind 
einzeln  verlangt  werden.  Die  Trennung  der  Geschlechter  im  Be- 
richte ist  wohl  selbstverständlich.  Entwurf  II  stellt  eine  kürzere 
Form  des  Berichts  dar,  die  aber  vielleicht  als  genügend  angesehen 
werden  könnte.  Eine  genauere  Erläuterung  der  Schenoata  erscheint 
überflüssig. 

Was  nun  die  Jahresberichte  über  die  Morbidität  der  Gresamt- 
schülerzahl  betrifft,  so  war  von  vornherein  klar,  dals  nur  die 
Zahl  und  die  Krankheitszustände  der  Überwachungsschüler  und 
Schulinvaliden  hier  Anhaltspunkte  über  die  Morbidität  geben  können. 
Die  Entwürfe  III,  Illa  und  Illb    enthalten    Schemata,    die  eine 


447  105 

mehr  oder  minder  vollstäDdige  Übersicht  nach  der  gewünschten 
Seite  hin  ermöglichen  sollen.  In  dem  Entwarf  III  und  Illa  sind 
alle  die  Vorsichtsmafsregeln  berücksichtigt,  die,  wie  oben  anseinander- 
gesetzt,  notwendig  sind,  nm  dem  ärztlichen  Verwaltangsbericht  einen 
gewissen  Wert  zu  verleihen.  Die  beiden  unterscheiden  sich  nur 
dadurch,  dafs  in  dem  ersteren  Eintragungen  für  jede  Klasse  vor- 
gesehen werden,  während  in  dem  letzteren  die  Klasse  erst  besonders 
▼ermerkt  werden  mufe.  Der  Entwurf  III  ist  daher  dort  am  Platze, 
wo  anzunehmen  ist,  dafs  in  jeder  Klasse  Überwachungsschüler  oder 
Schulinvaliden  vorhanden  sind,  der  Entwurf  IHa  empfiehlt  sich 
dort,  wo  das  nicht  der  Fall  ist.  Der  Entwurf  mb  verzichtet  über 
haupt  darauf,  eine  Übersicht  über  die  Verteilung  der  Krankheits- 
zustände  auf  die  einzelnen  Klassen  zu  geben;  er  teilt  nur  die  bei 
den  Überwachungsschülem  und  Schulinvaliden  beobachteten  Krank 
heiten  mit  Es  könnte  mit  Recht  auffallen,  da(s  in  den  Entwürfen 
Berichte  betreffend,  eine  Ausgliederung  nach  Klassen  und  nicht, 
wie  im  Gesundheitsschein,  nach  Schuljahren  verlangt  wird.  Es 
liegt  das  daran,  dals  der  Schularzt  in  praxi  bei  seinen  Besuchen 
die  Kinder  nach  Klassen  und  nicht  nach  Schuljahren  geordnet  zu 
Gesicht  bekommt;  dem  entsprechend  mufs  er  auch  die  kranken 
Kinder  in  seinen  Listen  nach  Klassen  geordnet  aufführen;  wollte 
er  sie  nach  den  Schuljahren  ordnen,  so  müfste  er  bei  seinen  Be- 
suchen sich  Kinder  ein  und  desselben  Jahrgangs  häufig  aus 
mehreren  Erlassen  zusammensuchen,  ein  umstand,  der  sicher  zu 
Unznträgliohkeiten  AnlalB  gäbe.  Nun  ist  es  sicherlich  sehr  leicht, 
bei  dem  einzelnen  Eande  sowohl  Schuljahr  wie  Klasse  festzustellen 
und  im  Gesundheitsschein  Eintragungen,  dem  Schuljahr  entsprechend, 
zu  machen.  Wenn  man  aber  in  einem  summarischen  Bericht  über 
eine  grölsere  Anzahl  von  Ejndem,  die  man  nur  klassenweise  zu 
Gesicht  bekommt,  eine  Ausgliederung  noch  nach  Schuljahren  vor- 
nehmen soll,  so  dürfte  ein  derartiges  Verlangen  vom  statistischen 
Standpunkte  aus  berechtigt  und  wohl  auch  durchführbar  erscheinen, 
tatsächlich  würde  aber  ein  solcher  Bericht  für  den  Schularzt  so 
▼erwickelt  und  schwierig  erscheinen,  dals  er  einfach  nicht  gemacht 
wird.  —  Nochmals  sei  betont,  daXs  Verwaltungsberichte  für  die 
Statistik  immer  nur  einen  bedingten  Wert  haben.  Einer  weiteren 
Erläuterung  bedürfen  die  Entwürfe  LEI,  Illa  und  Illb  wohl  nicht, 
da  sie  ja  nur  eine  in  bestimmte  Form  gegossene  Zusammenstellung 
von  genugsam  erläuterten  Wünschen  darstellen. 

(Fortsetsung  folgt.) 

12* 


106  448 


Hefrratt  über  tieit  erfdiieittite  fd|itlac}tltd|e  ^af^xtsbm^k. 

Wir  bitten,  nen  erschienene,  «chnlärztliche  JahreBberiohte  direkt  an 
unteren  Bearbeiter  derselben,  Herrn  Stadtarst  Dr.  Obbbbckb,  Breslau,  Nikolai- 
stadtgraben, übersenden  eu  wollen.    D.  Bed. 


Zweiter  und  dritter  Bericht  (Selinljahr  1902/1903  und  1903/1904) 
Aber  die  Tktigkeit  der  stftdtiselien  Bezirkskrzte  in  Brfinn  als  Schnl- 
krite,  erstattet  Tom  Stadtphysikus  Dr.  Igl.  (Verlag  des  Gemeinderats 
der  Stadt  Brann.) 

Diese  ausführlichen  Berichte  (ca.  60  Druckseiten)  enthalten  ein  sehr 
sorgfältig  bearbeitetes  Material.     Sie  zerfallen  in  zwei  Hauptabschnitte: 

1.  Allgemeine  schulärztliche  Untersuchungen. 

2.  Die  Augen-  und  Ohrenuntersnchungen  der  Schulkinder. 

Als  Schulärzte  tätig  sind  Stadtphysikus  Dr.  Igl  und  städtischer  Be- 
zirksarzt Dr.  BOCHNEB,  gewesener  Assistent  der  Augenklinik  in  Wien, 
welcher  letztere  die  Ohren-  und  Angenuntersuchungen  sowie  die  Kontrolle 
der  Lichtverhältnisse  in  den  Schulen  versieht. 

Von  ca.  14000  Kindern  gelangten  98  ^/o.  zur  schulärztlichen  ÜDte^ 
suchung. 

2549  schulärztliche  Atteste  an  die  Schulyerwaltung  oder  an  die  Eltern 
wurden  ausgestellt.  238  Brillen  wurden  angewiesen,  darunter  74  konkave, 
160  konvexe,  4  zylindrische. 

Im  übrigen  fand  keine  ärztliche  Behandlung  durch  die  Schulärzte  statt, 
sondern  ihre  Tätigkeit  erstreckte  sich  lediglich  auf  die  Ausübung  hygie- 
nischer Prophylaxe. 

Die  jährlichen  Messungen  und  Wägungen  werden  auch  in  Brunn  durch 
die  Lehrer  vorgenommen;  die  Resultate  werden  auf  dem  Gesundheitsscheio 
des  Schülers  von  ihnen  eingetragen  und  nachher  von  den  Schulärzten  sum- 
marisch (Klassensummarien  nach  Alter  und  Geschlecht)  zusammengestellt 
zur  weiteren  Bearbeitung  durch  das  Stadtphysikat.  Der  Bericht  hebt  die 
Wichtigkeit  dieser  schulärztlichen  Arbeit  hervor  und  bezeichnet  die  Resul- 
tate als  9 sichere  Kennzeichen  der  Entwicklung  der  Kinder^. 

In  den  Schnlklassen  wurden  allgemein  verständliche  Tabellen  über 
„Yorerscheinungen  und  Zeichen  der  ansteckenden  Krankheiten,  welche  sich 
in  Schulen  verbreiten  können^,  sowie  über  einzelne  ftkr  Schulen  wichtige 
Leiden  angebracht.  Diese  Krankheiten  sind  Croup  (häutige  Bräune), 
Diphtheritis  (brandige  Bräune),  Blattern  oder  Pocken,  Wind-  oder  Wasser- 
pocken, Scharlach,  Masern,  Keuchhusten,  Ruhr,  Cholera,  Danntyphus, 
Gesichtsrose  (Rotlauf),  Lungenschwindsucht  und  Beinfrafs,  Mumps  und 
Speicheldrüsenentzündung,  Krätze,  ägyptische  Augenentzündung,  Veitstanz, 
Epilepsie  (hinfallende  Krankheit). 

Ebenso  wurde  ein  recht  bemerkenswertes  Tuberkulosemerkblatt  zu 
gleichem  Zweck  aufgestellt,  welches  sich  durch  seine  Kürze  und  seinen 
durchaus  allgemein  verständlichen  Inhalt  vorteilhaft  von  dengenigen  unseres 


449 


107 


Reichsgesnndheitsamts  unterscheidet.  Wir  in  Breslau  mufsten  es  wenigstens 
erleben,  dais  unsere  Lehrer  und  Schuldirektoren  dasselbe  anzunehmen  ver- 
weigerten, wegen  seines  manchmal  zu  wissenschaftlichen  und  für  Kinder 
und  Laien  anstö&ig  wirkenden  Inhalts. 

Das  Brflnner  Merkblatt  lautet: 

Schutz  vor  Tuberkulose. 

1.  Die  Tuberkulose  (Lungenschwindsucht,  Auszehrung)  ist  eine  tibertrag- 
bare Krankheit  und  kann  durch  den  Auswurf  solcher  Kranken  ver- 
breitet werden. 

2.  Spucke  nie  auf  den  Boden. 

3.  Beim  Husten  halte  die  Hand  oder  ein  Taschentuch  vor  den  Mund. 

4.  Halte  dich  in  angemessener  Entfernung  von  Hustenden. 

5.  Kflsse  nie  kranke,  hustende  Personen. 

6.  Esset  kein  rohes  Fleisch  oder  ungekochte  Milch. 

7.  Übenn&Csiges  Trinken  geistiger  Oetr&nke  leisten  dieser  Krankheit  Vor- 
schub; seid  daher  mälsig. 

8.  Dunkle,  feuchte  Wohnungen  sind  gesundheitsschädlich. 

9.  Licht,  Luft  und  Reinlichkeit  smd  die  besten  Schutzmaisregeln  gegen 
diese  wie  tlberhaupt  jede  Erkrankung. 

10.  Lüftet  eure  Wohnungen  fieiCsig,   gehet  möglichst  viel  in  frische  Luft, 
reinigt  euren  Körper  oft,  besonders  die  H&nde  vor  dem  Essen. 

11.  Tuberkulose  ist  heilbar,  aber  nur  wenn  frühzeitig  Rat  bei  einem  Arzte 
geholt  wird. 

Es  schliefet  sich  diese  Fassung  dem  Erlais  des  k.  k.  Ministeriums  des 
Innern  vom  14.  Juli  1902,  Z.  29.  949,  an.  Auch  sonst  wurde  darauf 
hingearbeitet,  in  der  Schule  fllr  methodische,  vorsichtige  Abh&rtung,  nicht 
ausweichende,  hygienische  Verweichlichung  zu  sorgen. 

Die  Tabellen  dieser  Berichte  sind  dadurch  interessant,  dafs  die  Resul- 
tate für  deutsche  und  tschechische  Schulen  getrennt  gehalten  wurden,  wodurch 
manche  bemerkenswerte  Differenzen  sich  ergaben,  trotz  der  gleichen  äuDser- 
lichen  Verhältnisse. 


Ergebnissummarium  betreffs  allgemeiner  Körperbeschaffenheit. 


1902/1903 

Anzahl 
über- 
haupt 

Unter- 
sucht 

Gut 

Mittel 

Schlecht 

Zahl  der  vor- 
gefundenen 
Gebrechen 

Deutsche  Knaben . . 
„        Mädchen. 
Tscbechiach.  Knaben 
„       Mädchen 

5611 
5721 
1276 
1260 

> 

99.13 
98,43 
99,37 
99,29 

%    . 
68,97 
67,89 
75.87 
73,70 

Vo 

30,17 
31,20 
23,34 
25,50 

% 
0,86 
0,91 
0,79 
0,80 

7o 
795  =  14,29 
790  =  14,(» 
169  =  12,71 
139  =  10,96 

108 


450 


Nach  Klassen  geordnet  ergibt 

sich: 

Deutsche 

DeuUche 

Tschechische 

Tschechische 

Knaben 

Mädchen 

Knaben 

Mädchen 

SS 

o 

••* 

i 

1 
1 

SS 

o 

3 

■g 

1 

5S 

5 

i 

1 

s  a 

1 

ja 
1 

1.  Klasse    (An- 

1 
1 

Tanger) 

634 

320 

12 

861 

582 

256 

13 

242 

165 

83 

4 

268 

163 

1031  2 

4.  Klasse 

879 

633 

242 

4 

841 

590 

243 

8 

206 

161 

44 

1 

210 

161 

48'   1 

8.  Klasse 

225 

157 

66 

2 

388 

262 

126 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

- 

7.  nnd  8.  Klasse  bei  den  tschechischen  Mädchen  nicht  mehr  vorhanden 
8.       „       „      „  „  Knaben        „        „  » 

Einige  bemerkenswerte  Leiden  in  prozentneller  Zusammensetzung*. 


Art  des  Leidens 

Deutsche 
Knaben 

Vo 

Deutsche 
Mädchen 

Vo 

Tscheoh. 
Knaben 

Vo 

Tschech. 
Mädchen 

Blutleere 

4,69 

4,61 

2.60 

4,00 

Herzleiden 

0,34 

0,48 

0,39 

0,24 

Skrophulose 

0,70 

0,66 

0,79 

0,25 

Beinfrafs 

0,20 

0,12 

0,16 

0,08 

Englische  Krankheit  (Rhachitis) . . . 

2,84 

1,56 

0,95 

0,96 

Böokenyerkrümmung 

0,45 

1,90 

0,39 

0,72 

Chronische  Hüftgelenkentzündung  . 

0,16 

0,23 

0,08 

0,16 

Spreohfehler 

0,61 

0,21 

0,87 

0,08 

Stottern 

0,23 

0,02 

0,39 

— 

Im  ganzen  wurden  Leiden  vorgefunden: 
bei  14,29%  deutscher  Knaben,  14,03  7o  deutscher  M&dchen 
„    10,96%  tschechischer  „        12,71%  tschechischer  „ 
An  die  Eltern  oder  Quartiergeber  der  beanstandeten  Kinder  ergingen 
folgende  Verständigungen:  Bei  Knaben  340;  bei  M&dchen  1179. 

Wegen  Ungeziefer  1093;  Unreinlichkeit  279;  Hautausschlag  16; 
Rhachitis  1;  Sprechfehler  1;  Skrophulose  25;  Flechte  38;  Veitstanz  1; 
Augen  30;  Ohrenflufs  18;  blutarm  32. 

Das  Jahr  1903/1904  zeigt  bezüglich  dieser  Tabellen  zwischen  Alter, 
Geschlecht  und  Rasse  im  wesentlichen  die  Verhältnisse  des  Voijahres. 
Körperliche  Gebrechen  und  Fehler  wurden  vorgefunden: 
1901/1902  (1.  Bericht^ahr)  bei     9,13%  der  Schulkinder 
1902/1903  (2.  „         )    „    13,737o    „ 

1903/1904  (3.  „        )    ,    12,18Vo    „ 


451 


109 


Im  Berichtsjahre  1903  (September)  ergab  sich  bezüglich  der  Klassen 
folgendes  Ansteigen  der  Enrzsichtigkeit: 


Mädchen 

Knaben 

2.  Klasse 

(jängerer  Jahrgang). 

7,5 

6,0 

3.  Klasse 

7,9 

6,2 

4.  Klasse 

9,6 

6,5 

5.  Klasse 

11,6 

7,6 

6.  Klasse 

14,0 

7,7 

7.  Klasse 

9,5 

10,0 

8.  Klasse 

14,4 

10,0 

Also  ein  bedeutend  stärkeres  Ansteigen  bei  den  Mädchen,  welches  der 
Bericht  anf  Rechnung  der  feinen  weiblichen  Handarbeiten  stellt.  Jedenfalls 
ergibt  sich  hier  der  Satz :  Die  Knrzsichtigkeit  steigt  von  Klasse  zu  Klasse 
und  ist  den  eigentlichen  Schulschäden  zuzurechnen,  wegen  ungenügender 
Belichtung,  schlechter  Körperhaltung  bezw.  unzweekmäfsiger  Subsellien. 

Die  Gröfsen-  und  Gewichtstabellen  ergeben  folgende  interessante  Re- 
sultate (1903/1904): 

Alljährlich  im  allgemeinen  eine  Gröfsenzunahme  von  3  cm  bei  den  Knaben, 
nnr  im  14.  und  15.  Lebensjahre  4  cm ;  im  12.  und  13.  Lebensjahre  bleibt 
die  Körpergröfse  fast  ganz  gleich.  Die  Hauptzunahme  (2  cm)  fand  stets 
in  den  groDsen  Ferien  statt.  Bei  den  Mädchen  sind  bis  zum  9.  Lebens- 
jahre die  Ergebnisse  geringer,  übertreffen  die  der  Knaben  aber  vom 
10.  Lebensjahre  ab.     Die  Gewichtsverhältnisse  sind  entsprechend. 

Die  Sterblichkeit  im  schulpflichtigen  Alter  (5.  bis  15.  Lebensjahr)  ergibt 
^otz  Infektionskrankheiten  nichts  Nachteiliges  für  die  Schule. 

Im  übrigen  weist  der  Bericht  noch  hin  auf  die  grolse  Wichtigkeit 
hygienischer  Einrichtungen  der  Schule  für  die  allgemeine  Kräftigung  und 
Reinlichkeit,  so  der  Schulbrausebäder,  Pausenlüftung,  Garderobe  aufserhalb 
der  Klasse,  warmes  Schulfrühstück  usw.,  da  gerade  die  Tuberkulose  und 
sonstige  chronische  Kinderkrankheiten  auf  dem  Boden  allgemein  geschwächter 
Konstitution  am  leichtesten  zur  Ansiedlung  kommen.  In  pädagogischer 
Hinsicht  wird  auf  die  Wichtigkeit  von  Abschlufsklassen  für  die  minder  be- 
föhigten  Schüler  hingewiesen  (Mannheimer  System).  In  Brunn  findet  des- 
halb vielfach  ein  Übergang  der  Volksschüler  von  der  4.  oder  5.  Klasse  zur 
Mittelschule  statt.  Die  Schwierigkeit,  alte  Schulgebäude  an  moderne  hygie- 
nische Forderungen  zu  adoptieren,  wird  auch  noch  hervorgehoben.  Es  bleibt 
hier  meist  nur  übrig,  das  Alte  allmählich  durch  Neues  zu  ersetzen  und 
die  gefährdeten  Organe  mehr  zu  schonen  beim  Unterricht. 

Dr.  Oebbecke- Breslau. 


110  452 


ftlttttere  Ütitttilttttjett. 


Weibliche  Schulärzte.  Wie  die  r^Kons.  Praxis^  mitteilt,  werden 
in  diesem  Sommer  in  Hannover  zum  ersten  Male  vier  städtische  Sdinlärzte 
angestellt,  darunter  auch  ein  weiblicher  Arzt. 

Schularit  in  Barmen.  Diese  Stadt,  die  nebst  Hamburg  nnd  Altena 
zu  den  wenigen  Grofsstädten  Deutschlands  zählte,  die  bisher  keine  Schul- 
ärzte hatten,  hat  jetzt  seinen  Schularzt  bekommen.  Nun  fehlt  nur  noch 
Altona. 

Als  Schnlarit  in  StStteritc  wurde  der  praktische  Arzt  M.  ScBffliDT 
gewählt.     {nLeipe.  Tagebl") 

Schnlärite  in  kleinen  Stidten.  Seitens  der  Schulverwaltungen 
wird  angestrebt,  auch  in  kleinen  Städten  Schulärzte  anzustellen.  Auf  dem 
letzten  Städtetage  wurden  zwar  dagegen  Bedenken  laut.  Demgegentlber  meldet 
die  y,Märk,  Ztg.^^  dafs  in  Rhinow  die  Schularzteinrichtung  ganz  vorzflglich 
funktioniere.  Jedes  zu  Ostern  neu  eintretende  Kind  wird  im  Beisein  der 
Eltern  auf  seinen  Gesundheitszustand,  betreffend  Sinnesorgane,  Atmung 
und  Herz,  untersucht  und  erhält  einen  Gesundheitsschein,  der  mit  dem 
Kinde  von  Klasse  zu  Klasse  wandert  und  jeden  Lehrer  Aber  etwaige  Ge- 
brechen des  Kindes  unterrichtet  und  zur  Rücksichtnahme  veranlafst.  Aufser- 
dem  finden  im  Jahre  zwei-  bis  dreimal  Revisionen  statt,  bei  denen  der 
Schularzt  die  Kinder  auf  etwaige  Krankheiten  zur  Yerhtltung  von  Epide- 
mien untersucht. 

Schnlärcte  in  Bnnrian.  Die  geplante  Anstellung  zweier  Schulärzte 
auf  1.  April  1904  hat  der  Magistrat  der  Stadt  Bunzlau  fallen  lassen  mflssen, 
weil  es  wegen  der  von  ihm  protegierten  Bewerber  zu  einem  Konflikt  mit 
der  Stadtverordneten- Versammlung  gekommen  war.  Einer  dieser  Bewerber 
wohnte  damals  noch  gar  nicht  in  Bunzlau,  während  zwei  seit  Jahren  hier 
ansässige  Ärzte  bei  der  Bewerbung  einfach  übergangen  worden  waren. 
Nun  hat  der  Magistrat  die  beiden  Stellen  neuerdings,  und  zwar  mit  einem 
Jahresgehalt  von  je  250  Mk.  (!  D.  Red.),  ausgeschrieben. 

Sehnlärcte  in  Saarbrncken.  Dem  Antrage  der  Gesundheitskom- 
mission entsprechend,  sind  seit  1.  April  1905  drei  Schulärzte  für  den 
Stadtbezirk  angestellt,  und  zwar  für  die  Altstadt  zwei  gegen  eine  Ent- 
schädigung von  zusammen  1000  Mk.  und  für  den  Stadtteil  St.  Amaal 
einen  gegen  eine  Entschädigung  von  250  Mk. 

Die  Anstellung  von  Schulärzten  in  Werdan  ist  beschlossen  worden. 
Die  Ausführung  steht  bevor,  nachdem  die  langwierigen  Verhandlungen  mit 
dem  Ärztlichen  Bezirksverein  Zwickau  wegen  der  Honorarfrage  beendet 
worden  sind. 

Fftr  die  schnlärctiiche  Untersnchnng  der  nen  eininschnlendea 
Kinder  hatten  die  Schulkommissionen  in  Berlin  ein  einheitliches  Verfahren 
gewünscht.     Manche   Ärzte  untersuchen  die   Kinder    schon   vor   der  Ein- 


453  111 

schnlnng,  andere  warten  damit,  bis  die  £inschalaDg  erfolgt  ist.  Bei  dem 
letztgenannten  Verfahren  kann  die  Schnle  den  Ärzten  Fingerzeige  geben, 
doch  ist  mit  ihm  der  Übelstand  verknüpft,  dafs  Kinder  Tom  Schulanterricht 
nachträglich  ausgeschlossen  werden  müssen,  nachdem  sie  bereits  einige  Zeit 
daran  teilgenommen  haben.  Eine  Einigung  darüber,  welches  Yerfidiren  das 
beste  ist,  konnte  unter  den  Schulärzten  nicht  erreicht  werden;  nur  die 
von  vornherein  als  krank  bezeichneten  Kinder  wollen  alle  sofort  unter- 
suchen. Wie  der  „  Vorwärts^  mitteilt,  haben  daher  die  Schnlkommissionen 
auf  ihren  Wunsch,  dafs  stets  vor  der  Einschulung  untersucht  werde,  vor- 
läufig verzichten  müssen. 

Schularit  im  Nebenamte  oder  Berofsschularzt.  Über  diese 
Frage  entnehmen  wir  einem  Aufsatze  von  Dr  med.  et  phil.  Hellbach  in 
Karlsruhe  folgende   Bemerkungen  („Mannh,   0-ener,'ÄfUf.'^): 

Die  frühere,  gröfstenteils  schroff  ablehnende  Haltung  der  Lehrerschaft 
gegen  das  Schulärzteprojekt  ist  verschwunden,  und  an  ihrer  Stelle  finden 
wir  alle  Schattierungen  der  Stellungnahme,  von  dem  energischen  Verlangen 
nach  Schulärzten  bis  zu  einem  immer  noch  nicht  ganz  geschwundenen 
Mißtrauen.  Dieser  leidige  Rest  von  Mifstrauen,  so  fand  ich  in  meinem 
vielseitigen  Verkehr  mit  Lehrern  aller  Stufen,  richtet  sich  aber  erfreulicher- 
weise weniger  gegen  die  Sache  selber,  als  gegen  gewisse  Möglichkeiten 
ihrer  Ausführung.  Die  Lehrer  wünschen  ehrlich  ein  erspriefsliches  Zu- 
sammenarbeiten mit  dem  Schularzt  im  Interesse  der  Kinder,  aber  sie 
wehren  sich  (und  das  mit  gutem  Recht!)  allerdings  dagegen,  dafs  ihnen  in 
Gestalt  der  Schulärzte  eine  Art  von  bureaukratisch  gearteter  Aufsichts- 
behörde vorgesetzt  werde.  Auf  der  anderen  Seite  bemerkte  ich,  dafs 
namentlich  in  den  Kreisen  der  Direktoren  und  Schulräte  vielfach  noch  eine 
grundsätzliche  Abneigung  gegen  die  Einsetzung  von  Schulärzten  besteht,  die 
gelegentlich  dazu  geführt  hat,  die  ganze  Institution,  wo  sie  eingeführt 
wurde,  durch  einen  ruhigen,  passiven  Widerstand  lahmzulegen,  ihre  Wirksam- 
keit illusorisch  zu  machen.  Solcher  Möglichkeit  kann  nur  vorgebeugt 
werden,  wenn  der  Schularzt  mit  hinreichenden  Kompetenzen  ausgestattet 
wird-,  aber  diese  Kompetenzen  und  die  ganze  Organisation  dürfen  wieder- 
um nicht  so  sein,  dafs  die  Schule  das  ärztliche  Wirken  als  eine  lästige 
und  behindernde  Aufsicht  empfindet. 

Doch  die  Sache  kompliziert  sich  noch  mehr!  Das  Mifstrauen  gegen 
die  Schulärzte  gedeiht  nämlich  auch  noch  auf  ganz  anderer  Seite :  bei  den 
Ärzten  selber.  Ich  habe  einen  grofsen  Teil  des  Schularztkampfes  in  Berlin 
seinerzeit  miterlebt  und  dabei  die  Erfahrung  gemacht,  da(s  viele  Ärzte  durch 
die  Schulärzte  eine  empfindliche  Beeinträchtigung  ihrer  Lage,  nämlich  eine 
Art  von  Monopolisierung  der  Kinderpraxis  in  den  Händen  der  Schulärzte 
befürchten.  Nun  ist  die  Erlangung  der  Kinderpraxis  gerade  für  den 
jungen  praktischen  Arzt  von  oft  ausschlaggebender  Bedeutung  für  seine 
Existenz.  Die  Kinderpraxis  ist  vielfach,'  wenn  ich  es  einmal  so  nennen 
darf,  das  Sprungbrett,  um  in  hausärztliche  Positionen  zu  gelangen,  und  man 
wird  es  den  Ärzten  nicht  verdenken  können,  wenn  sie  den  Zugang  zu 
diesem  Sprungbrett  dem  freien  Wettbewerb  erhalten  wissen  wollen.  Alle 
die  unangenehmen  Nebenwirkungen  nun,  die  ich  bisher  skizziert  habe,  vermag 
eine  und  nur  diese  eine  Lösung  der  Schularztfrage  zu  vermeiden :  die  An- 


112  454 

stellang  von  Berufsschnlärzten.  Würde  man  anstelle  deren  mehrere  Ton 
den  in  der  Stadt  ansässigen  Ärzten  mit  schulärztlichen  Funktionen  be- 
trauen (Dr.  NEüMANN-Earlsruhe  z.  B.  schlägt  die  Bildung  eines  aus  praktischen 
Ärzten  und  Spezialärzten  gemischten  Kollegiums  vor  —  s.  ÄrßiUche 
Miliähmgen  für  Beiden,  Nr.  19),  so  ist  es  ganz  unausbleiblich,  dafs  diese 
Ärzte  einen  erheblichen  Teil  der  Kinderpraxis  an  sich  ziehen  —  auch 
ohne  dals  sie  dies  beabsichtigen.  Da  würde  eine  sehr  erhebliche  Benach- 
teiligung der  praktischen  Ärzte  durch  die  zwei  oder  drei  im  Schulärzte- 
kollegium sitzenden  Kollegen  sich  fühlbar  machen,  die  nur  durch  einen 
Verzicht  der  schulärztlich  tätigen  Ärzte  auf  alle  PriTatpraxis  beseitigt 
werden  könnte. 

Au&erdem  würde  den  ,,  Schulärzten  im  Nebenberuf^  eine  Hauptsache 
abgehen:  die  Möglichkeit,  einen  inneren  Kontakt  mit  der  Schule  zu  ge- 
winnen. Zuvörderst  schon  darum,  weil  Ärzte  mit  ausgedehnter  Praxis 
einfach  nicht  die  nötige  Zeit  hätten,  um  diesen  Kontakt  zu  suchen.  Es 
ist  aber  wahrscheinlich,  dafs  die  Schularztkollegien  sich  inuner  aus  solchen 
Ärzten  rekrutieren  würden,  denn  eben  erst  niedergelassene  Ärzte  werden 
ja  kaum  berücksichtigt  werden.  Neümann  fordert  (in  dem  zitierten  Auf- 
satz) sogar  eine  mehrjährige  Ansässigkeit  als  Vorbedingung  —  nehmen  wir 
einmal,  was  doch  sicher  nicht  zu  hoch  gegriffen  ist,  an,  eine  sechs-  bis 
achtjährige,  so  kann  es  sich  im  Durchschnitt  nur  um  YoUbeschäftigte  Ärzte 
handeln.  Und  das  ist  schon  sehr  schlimm.  Denn  dann  sind  die  KoUi- 
sionen  zwischen  der  Privatpraxis  und  den  Schularztfnnktionen  schlechter- 
dings unvermeidlich;  und  darunter  müfste,  den  gröDsten  Idealismus  der 
Schulärzte  angenommen,  doch  Lust  und  Liebe  zu  der  schulärztlichen  Be- 
rufsseite unweigerlich  getrübt  werden.  Man  kann  eben  den  Pflichtenkreis 
des  Schularztes  mit  dem  des  beamteten  Arztes  (etwa  des  Bezirks-  oder 
Kreisarztes)  nicht  ohne  weiteres  yergleichen.  Ich  bin  überzeugt,  die  be- 
amteten Ärzte  sind  in  der  Mehrzahl  mit  voller  Seele  bei  ihrem  Beruf, 
aber  —  wenn  sie  es  nicht  wären,  so  wäre  der  Schaden  ein  relativ  geringer; 
ist  doch  ihr  Pflichtenkreis  ein  wesentlich  organisatorisch-verwaltungsmäikiger. 
Der  Schularzt  jedoch  wird  mit  Einsetzung  seiner  ganzen  Persönlichkeit 
Schularzt  sein  —  oder  er  wird  es  nicht  sein.  Ärzte  mit  umfangreicher 
Privatpraxis,  die  der  Schule  gerade  so  viel  Zeit  widmen  können,  wie  ihnen 
dann  noch  bleibt  oder  wie  sie  zu  widmen  verpflichtet  sind  —  nein.  Das 
wäre  die  Stagnation,  die  Versauerung  des  ganzen  Schulärztetums,  and  lieber 
noch,  sage  ich,  gar  keine  als  blolse  Titularschulärzte! 

Suchen  wir  nun,  nach  Erledigung  der  negativen  Arbeit,  ungefähr  ein 
positives  Bild  vom  Berufsschularzt  zu  machen!  Das  wird  mit  der  Fest- 
stellung beginnen  müssen,  dafs  die  schulärztliche  Tätigkeit  eine  spezia- 
listische Vorbildung  in  dem  Sinne,  wie  der  Spezialarzt  sie  benötigt,  gar 
nicht  voraussetzt.  Die  Basis  für  den  Schularzt  ist  die  Approbation  zum 
praktischen  Arzt.  Die  weitere  Ausbildung  mufs  dann  einen  ganz  eigen- 
artigen, mit  keiner  anderen  Spezialausbildung  vergleichbaren  Charakter 
zeigen.  Gewils,  auch  der  Schularzt  muTs  einzelne  Zweige  besonders  stu- 
dieren, um  sie  besonders  zu  beherrschen.  Es  sind  dies  die  Augenheil- 
kunde, die  Ohrenheilkunde,  die  Psychiatrie,  die  Orthopädie  und  daneben 
aufs  gründlichste  —   das    Unterrichtswesen.     In  jenen  vier  medizinischen 


455  113 

soll  er  kein  Spezialist  sein;  aber  seine  Beschlagenheit  in  ihnen  muis  über 
diejenige  des  praktischen  Arztes  insofern  hinausgehen,  als  ihm  die  Sympto- 
matologie der  jugendlichen  Erkrankungen,  die  besonderen  Verhältnisse,  die 
das  Kindesalter  bei  der  Stellung  der  Diagnose  und  der  Prognose  und  der 
Abwägung  des  ärztlichen,  namentlich  des  vorbeugenden  Handelns  bietet, 
aufs  genaueste  vertraut  sein  müssen.  Allein  auch  damit  würde  der  Schul- 
arzt noch  nicht  auf  festem  Boden  stehen.  Unbedingt  mufs  er  einen  gründ- 
lichen Einblick  in  die  Theorie  und  die  Praxis  des  Unterrichtswesens  getan 
haben,  um  eben  vor  allem  das  Verhältnis  der  jeweils  ihm  begegnenden 
Gebrechen  und  Abnormitäten  zu  den  Anforderungen  der  Schule  richtig  ab- 
schätzen zu  können,  und  (was  das  noch  höhere  Ziel  bedeutet)  um  gemein- 
sam mit  der  Lehrerschaft  zur  Entfaltung  einer  zweckvollen,  der  Schule 
wie  den  Zöglingen  in  gleicher  Weise  gerecht  werdenden  Schulhygiene  zu- 
sammenwirken. Eine  Schulhygiene  des  Körpers  und  des  Geistes!  Gerade 
darin  wird  seine  eigentlichste,  freilich  auch  seine  schwerste  Aufgabe  zu 
suchen  sein,  und  mit  ihrer  Inangriffnahme  wird  sich  auch  das  Vertrauen 
der  anfangs  noch  abseits  stehenden  Teile  der  Lehrerschaft  und  der  Schul- 
behörde zu  erobern  und  es  zu  festigen  haben. 

Ich  kann  mich  natürlich  nicht  darauf  einlassen,  auszumalen,  welche 
Wege  der  Arzt,  der  sich  zum  Schularztberufe  vorbereiten  wiU,  nun  im 
einzelnen  beschreiten  mag.  Zunächst  wird  er  naturgemäfs  den  medizinischen 
Teil  absolvieren.  Ist  er  erledigt,  vielleicht  nach  einer  festzusetzenden 
Minimalfrist,  so  mag  er  als  Schularztassistent  (oder  als  Hilfsschularzt,  wie 
man  will)  zur  Aneignung  der  nötigen  praktischen  Erfahrung  und  zum 
Stadium  des  Unterrichtswesens  unter  die  Leitung  eines  ordentlichen  Schul- 
arztes treten.  Nach  wiederum  einer  Mindestfrist  erhält  er  dann  die  Quali- 
fikation zum  Schularzt  und  wird  nach  Maisgabe  der  Vakanzen  (die  ja  mit 
dem  steten  Wachstum  der  Städte  immer  noch  sich  vermehren  werden) 
angestellt.  Ich  betone  ausdrücklich,  dafs  ich  mir  eine  Prüfung  als.  gar 
nicht  nötig  oder  auch  nur  wünschenswert  vorstelle.  Will  man  sie  dennoch 
einführen  —  gut.  Mir  liegt  lediglich  daran,  zu  zeigen,  dals  es  auch  ohne 
sie  geht  und  dafs  alle  Einwände,  die  sich  gegen  diesen  Punkt  richten, 
von  vornherein  hinfällig  bleiben.  Die  Voraussetzung  aller  weiteren,  selb- 
ständigen Tätigkeit  des  angestellten  Schularztes  ist  nun  die  Erteilung  weit- 
reichender Kompetenzen.  Dabei  handelt  es  sich  um  drei  Punkte :  Massen- 
nnd  Einzeluntersuchungen,  Umfragen  an  die  Eltern,  Besuch  des  Unterrichts. 
Auf  das  Letzte  lege  ich  den  Hauptton.  Der  Schularzt  mufs  das  Recht 
haben,  den  Unterricht  jedes  Faches,  unangemeldet  jederzeit  und  beliebig 
oft  besuchen  zu  können.  Vorbereitete  „Besichtigungen^  sind  ein  barer 
Unsinn;  damit  würde  das  Schularzttum  zur  lächerlichen  Farce  werden, 
und  mit  den  Untersuchungen  und  Umfragen  allein  ist  es  auch  nicht  getan. 
Nur  im  Rahmen  des  lebendigen  Unterrichts  ist  eine  gedeihliche  schdärzt- 
liehe  Fürsorge,  ist  ein  verständnisvolles,  wechselseitiges  Einleben  von  Arzt 
und  Lehrer  möglich. 

Für  grofee  Städte  wird  ein  Schularzt  natürlich  nicht  genügen.  Man 
wird  dort  mehrere  brauchen.  Und  ob  dann  vielleicht  eine  Arbeitsteilung 
nach  Schulstufen  sich  entwickeln  wird,  derart  also,  dafs  einer  die  Volks- 
schulen,  einer  die  Mittelschulen    übernimmt,   dafs   endlich  die  Mädchen- 


114  456 

schalen  einer  Schulftrztin  unterstellt  werden  (was  bei  den  besonderen 
Schädigungen,  die  in  gewissen  Schuljahren  dem  weiblichen  Organismus 
drohen,  dringend  zu  wünschen  wäre):  das  wird  ja  die  Zeit  lehren.  Je 
freier  man  diese  Möglichkeiten  der  Entwicklung  überlälst,  je  weniger  maa 
sie  von  Yomherein  schablonenhaft  einzwängt,  desto  besser  wird  die  ganze 
Sache  gedeihen. 

Aller  Anfang  ist  schwer,  aber  er  mufs  doch  gemacht  werden.  So- 
lange wir  noch  keine  besonders  Torgebildeten  Schulärzte  haben,  wird  man 
praktische  Ärzte  anstellen  müssen;  und  sie  werden  sich  nun  Schritt  für 
Schritt  in  all'  die  schwierigen  Aufgaben  ihrer  Stellung  einzuarbeiten  haben. 
Aber  auch  sie  sollen  Schulärzte  und  nur  Schulärzte  sein!  Jede  Yer- 
quickung  des  schulärztlichen  Berufs  mit  Privatpraxis  ist  vom  Übel,  ist  ein 
Schritt  auf  die  schiefe  Ebene.  Der  Schularzt  darf  kein  Interesse  hahen, 
das  Aber  oder  auch  nur  neben  dem  Interesse  an  semem  Beruf  stände. 
Und  diese  erste  Vorbedingung  trifft  nur  auf  den  Bemfsschnlarzt  zu.  Was 
ich  hier  dargelegt  habe,  ist  so  wenig  ein  Phantasma,  dais  es  vielmehr  nur 
die  einzige  (im  Prinzip  einzige)  mögliche  Lösung  der  Schularztfrage  in 
einem  alle  Teile  befriedigenden  und  fördernden  Sinne  bedeutet.  Alle  Teile, 
das  heiüist:  die  Schule,  die  Kinder,  die  Eltern,  die  Ärzte,  den  Schularzt 
selber  —  und  nicht  zum  wenigsten  die  Städte,  die  auf  diesem  Wege  in 
die  gewifs  erfreuliche  Lage  kommen,  das  Beste  zugleich  auf  die  am 
wenigsten  kostspielige  Weise  zu  schaffen. 


Verlag  von  Leopold  Voss  in  Hamburg, 

Ästhetik 

Psychologie  des  Schönen  und  der  Kunst 

yoQ 

Tbeodor  Lipps. 

Ertter  Teil:  Gmndlegimg  der  ÄBthetlk. 


1908.     Preii  broBühiert  M.  10.—,  gebunden  M.  12.—. 

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den  Laien,  insbesondere  den  Organen  der  Selbst- 
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das  Wesen  und  die  Verbreitnn^weise  der  flbertaragfoareii 
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zn  unterrichten. 

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Fussboden  vOllig  frei  und  belichtet,  so  dass  der- 
selbe   wie    bei    keiner   anderen  Bank,     schnell, 
leicht  und  gründlich  gereinigt  werden  kann. 


Zahn's  Schulbank  besteht  aus  einzelnen,  zwei- 
•itsigen  BAnken,  welche  nach  Grösse  der  Schüler 
in  neun  verschiedenen  Stufen  angefertigt  werden, 
SU  Reihen  verbunden  und  Jede  Bank  schnell  und 
leicht  ausgewechselt  werden  kann. 


welche  von  ersten  Autoritäten,  kg^.  und 
stAdt  Behörden  des  In-  und  Auslandes  alt 
gegenwärtig  in  Jeder  Hinsicht  praktiaeliBte, 
billigste  und  danarhaf taste  Snbaalli«  aner- 
kannt und  empfohlen  wird.  Ein  Versuch 
mit  Zahn's  Schulbank  wird  die  glänzende 
Überlegenheit  derselben  bezeugen  und  zn 
grossen  Kachbestellungen  veranlassen.  Be- 
deutende Behörden,  Schulhygieniker  und 
Pädagogen,  welche  in  letzter  Zeit  umfang- 
reiche Versuche  mit  neuen  Banksystemen  — 
auch  umlegbaren  —  angestellt  haben,  geben 
Zahn's  Schulbank  den  Vorzug.  Kaum  4  Jahre 
Existenz    sind    allein    ^hm    in    Gross-Berlin 

88  OOQ  Sitze  im  Gebrauch.  ~ 
Allein  im  Jahre  1904  sind  unter  den  vielen 
hundert  Aufträgen  an  grösseren  Bestellungen 
eingegangen:  Berlin  9510  Sitze,  Triest  1800 
Sitze,  Pankow  1450  Sitze,  Strassburg  1000 
Sitze,  Homberg  980  Sitze,  Driesen  800  Sitze, 
Kiel  514  Sitze,  Köpenick  520  Sitze,  Gr.-Lichter- 
felde  500  Sitze,  Budapest  860  Sitze,  Wannsee- 
Potsdam  500  Sitze  u.  V.  a.  m. 


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XVm.  Jahrgang,  1905.  No.  8. 


9Ti%inaiah\^an%ivin^tvi. 


Ein  Beitrag  lur  WachBtnmsphysiologie  des  Meiuichen. 

Naeh  statistisolien  Erhebungen  an  der  STOTsohen  Erziehungsanstalt 

in  Jena. 

Von 

Dr.  Alexanpeb  Koch-Hesse 
in  Grofa-Liobterfelde. 

(Forisetrang  und  Schlafs.) 

Die  Vergleichung  des  so  berechneten  Horizontalwaohstums  mit 
dem  gemessenen  vertikalen  kann  von  greiser  praktischer  Bedeutung 
werden,  wenn  die  oben  Torgeschlagene  und  entwickelte  Bechnung 
nicht  nur  an  den  arithmetischen  Mitteln  ausgeführt,  sondern  Yon 
Eltern,  Pädagogen  und  Ärzten  auch  an  den  einzelnen  Messungen 
der  ihrer  Fürsorge  anvertrauten  Kinder  angestellt  wird.  Ein 
dauerndes  erhebliches  relatives  Herabsinken  der  hori- 
zontalen Zunahme  unter  das  Längenwachstum  wäre  ent- 
schieden ein  hygienisch  ungünstiges  Zeichen.  Trotz  der 
Wichtigkeit  des  Gegenstandes  herrschte  unter  sonst  sehr  umsichtigen 
Beobachtern  hier  grolse  Verwirrung.  So  schreibt  Kotelmann,  nach- 
dem er  den  Quotienten  — ^ — ^  berechnet  und  gefanden  hatte,  daüg 

derselbe  mit  den  Jahren  ständig  zunimmt,  folgendes :  ,,Es  zeigte  sich 

hiemach, dals  das  Wachstum  ...  in  der  Breite  und  Tiefe 

im  Verhältnis  zur  Höhe  mit  dem  steigenden  Alter  immer  be- 
trächtlicher wird.*' ^   Trotzdem  EoTELMANN  für  die  Richtigkeit  dieser 


*  Vgl.  oben  „Zeüschr.  d.  Kgl  Preuß.  stat  Bureaus^f  1879,  S.  7. 
Behnlgeinndheltflpfleffe.  XVIII.  26 


458 


Scblufefolgerniig  noch  Percy  Boijlton  zitiert,  ist  dieselbe  unriolitig. 
Wäre  nämlich  jener  Quotient  konstant  geblieben,  so  würde  jedes 
horizontale  Wachstum  gefehlt  haben,  hätte  er  ebenso  zugenommen 
wie  die  Grölse,  so  wäre  das  horizontale  Wachstum  immer  noch  als 
durchaus  ungenügend  zu  betrachten  gewesen,  erst  wenn  er  im  Quadrat 
Kurven  des  relativen  Jährlichen  Wachstums. 


Fig.  7. 


459 

der  Grölfle  zugenommen  hätte,  wäre  „das  Waohstum  in  die  Breite 
and  Tiefe  im  Verhältnis  znr  Höhe**  gleich,  aber  noch  immer  nicht 
»beträchtlicher^  gewesen. 

Trägt  man  nun  die  drei  relativen  Wachstnmszahlen  als  Kurven 
anf  (Fig.  7),  so  zeigt  sich  deutlich,  dafs  bei  den  untersuchten  Elnaben  in 
den  meisten  Jahren  das  vertikale  xmd  das  horizontale  ziemlich  gleich 
sind,  also  dafs  hier  ein  „ideales"  Wachstum  vorliegt.  Nur  zwei 
Ausnahmen  existieren  hiervon:  einmal  bleibt  im  13.  Jahre  die 
horizontale  Zunahme  auffallend  hinter  der  vertikalen 
zurück:  der  Knabe  dieser  Entwicklungsperiode  verbraucht 
fast  alle  seine  Kräfte,  um  sich  zu  strecken;  auch  der  14jäh- 
rige  Knabe  wird  noch  unproportionierter  schlank,  während  vom 
15.  Jahre  an  die  übrigen  Wachstumsrichtungen  das  Versäumte  nach- 
zuholen beginnen.  Die  Ausnahme  bezieht  sich  also  im  wesentlichen  auf 
die  Jahre  zwischen  dem  12.und  dem  15.  Geburtstage,  einen  Zeitraum, 
welcher  sich  mit  der  früher  gefundenen  Beschleunigungs- 
periode im  wesentlichen  deckt  Es  ist  die  der  Pubertät  unmittelbar 
vorhergehende  Zeit,  in  der  die  „hoch  aufgeschossenen^  Elnaben  in  ihrer, 
oft  komisch  wirkenden,  übermälsigen  Schlankheit  nicht  wissen,  was 
sie  mit  ihren  plötzlich  so  unheimlich  verlängerten  Gliedmaisen  an- 
fangen sollen,  und  auiserdem  gewisse  charakteristische  psychische 
Erscheinungen  darbieten.  Dieser  Symptomkomplez  pflegt  in  der 
vulgären  Pädagogik  kurzweg  als  „Flegeljahre",  „dge  des  folies'', 
njears  of  wild  oats",  „aflos  de  tunandada''  usw.  bezeichnet  zu  werden. 

Der  zweite  wesentliche  Unterschied  im  Wachstum  in  die  Höhe 
und  in  die  Breite  beginnt  mit  dem  18.  Jahre  und  zeigt  sich  im  Über- 
wiegen des  horizontalen  Wachstums,  welches  nach  dem  18.  Geburtstag 
sogar  wieder  sehr  kräftig  zu  werden  verspricht,  während  das  vertikale 
allmählich  aufhört.  Dabei  muis  zunächst  die  verlorene  Längenbreiten- 
proportion  der  Kindheit  wieder  erreicht  werden,  um  dann  in  den  „breit- 
schultrigen'', „gedrungenen''  Typus  des  Mannes  überzugehen.  Dies 
zeigt  sich,  wenn  man  jetzt  die  Zahlen  der  beiden  letzten  beobachteten 
Jahre  mit  denen  des  11.  Jahres  vergleicht. 


2ieitraam 

Relative 
Gewichta- 
znnahme 

EeUtive 
Längen- 
zunahme 

Relative 

Horizontal- 

zunähme 

xi-xvin 

104,75  Vo 

26,96  Vo 

27,00% 

XI-XTX 

119,25  Vo 

27,79  Vo 

30,99  7o 

25* 


460 

Fafst  man  also  den  Zeitraum  der  sieben  Jahre  vom 
Yollendeten  11.  bis  zum  YoUendeten  18.  Jahre  als  Ganzes 
auf,  so  haben  in  ihm  alle  drei  Dimensionen  in  demselben 
Verhältnis  zugenommen.  Bereehnet  man  noch  die  Potenz  der 
Gewichtszunahme  zur  Längenzunahme,  so  erhält  man  den  E2xponenten: 
3,0016.  Das  Gewicht  hat  also  genau  im  Kubus  der  Länge 
zugenommen,  die  Jünglinge  haben  am  Ende  des  18.  Jahres 
wieder  dieselbe,  nur  gleiohmäfsig  vergrOfserte  Figur  wie 
Yor  Beginn  der  durch  die  Vorjahre  der  Pubertät  bedingten 
ttbermäfsigen  Gröfsenzunahme.  Ein  Jahr  später  dagegen 
ist,  wie  die  kleine  Tabelle  zeigt,  der  Habitus  schon  ungleich 
„männlicher". 

Werfen  wir  noch  einen  Blick  auf  die  letzte  Kunrentafel  (Fig.  7),  so 
sieht  man,  wie  die  Eunre  der  relativen  Gkwichtszxmahme  durch  die 
beiden  Kurven  der  linearen  Zunahmen  beeinflufst  wird,  aber  natftrlidh 
durch  die  ausgezogene  (horizontales  Wachstum)  viel  stärker,  da  deren 
Ordinaten  als  Quadrate  die  Gewichtsordinaten  produzieren  helfen. 
Die  relative  Gewichtszunahme  zeigt  daher  ebenfalls  im  13.  Jahre  einen 
Bflckgang,  der  sich  übrigens  auf  der  „Kurve  des  mittleren  Körper- 
gewichts*'  als  vorübergehende  Einziehung  des  aufsteigenden  Schenkels 
markierte,  so  dafs,  ganz  streng  genommen,  man  eigentlich  nicht  vier, 
sondern  sechs  Perioden  der  Gewichtszunahme  unterscheiden  mülste. 
Diese  eingeschobene  Periode  ist  aber  zu  kurz  und  zu  wenig  aus- 
geprägt, als  dafs  sie  die  vom  11.  bis  zum  16.  Jahre  dauernde  grobe 
Periode  in  deren  übrigen  Eigenschaften  stören  könnte. 

Die   von  mir  vorgeschlagene   Berechnung  der  duroh- 

chnittlichen    relativen    Horizontalzunahme   (^^1   kann 

auch  noch  zu  anderen  wissenschaftlichen  Zwecken,  als 
hier  geschehen  ist,  benutzt  werden.  Die  Gröfse  q  ist  freilich  ein 
idealer  Horizontalhalbmesser,  der  in  Wirklichkeit  nicht  existiert 
Statt  dessen  milst  der  Anthropologe  mehrere  wirklich  vorhandene 
horizontale  Durchmesser.  So  milst  Qüetelet  das  jährliche  Wachs- 
tum der  anteroposterioren  Durchmesser  des  Kopfes,  des  Rumpfes  in 
Schlüsselbeinhöhe,  in  Brusthöhe,  femer  der  bilateralen  Durchmesser 
der  Schläfen,  der  Scheitelbeine,  des  Halses,  der  Schultern,  der 
Achseln,  der  Hüften    und   der  Trochanteren.     Für   das  Wachstam 

aller  dieser  Diameter,  welches  man  zweokmäfsig  in  der  Form     r}^t\ 


461 


2iim  Ausdruck   bringt,    kann   der   Qnotient   ^      ,    den  man  nach 

Gewichts-  und  Lfingenzunalime  berechnet,  ein  passendes  Mafs  ab- 
geben. Man  könnte  dann  unmittelbar  sehen,  in  welchen  Regionen 
die  Breiten-  resp.  Diokenzunahme  das  allgemeine  horizontale  Wachs. 
tum  des  Körpers  überflügelt  bez.  hinter  ihm  zurückbleibt.  Auch 
das  Wachstum  schräg  angelegter  Linien,  wie  die  Oonjugata  ex- 
terna der  Geburtshelfer,  kann  in  diesem  allgemeinen  Mais  gemessen 
werden,  wenn  nur  sicher  ist,  dals  der  Winkel  mit  der  Horizontalen 
derselbe  bleibt.  Da  endlich  auch  der  Umfang  eines  Kreises  und 
jeder  in  sich  zurücklaufenden  JBHgur,  wenn  das  Wachstum  gleich- 
mäisig  geschieht,  im  Verhältnis  der  BAdien  zunimmt,  so  können  auch 
die  Veränderungen  der  von  Quetblbt  u.  a.  gemessenen  Umfange 
des  Kopfes,  des  Halses,  des  Rumpfes  in  Schulter-,  Achsel-,  Brust- 
bein-, Oürtel-  und  Hüftenhöhe,  sowie  der  Extremitäten  an  verschie- 
denen Stellen  direkt  an  der  Gröüse  ^"*"*  gemessen  werden.    Nament- 

lieh  das  relative  Wachstum  des  Brustumfanges  hat  eine  groise 
praktische  Bedeutung.  Der  Brustumfang  Erwachsener  beträgt  nach 
den  Untersuchungen  von  A.  Chatelanat^  an  fast  einer  halben 
Million  Soldaten  zwar  nicht  über  die  Hälfte,  wie  sonst  vielfach  an- 
genommen wurde,   aber  doch  durchschnittlich   fast   die  Hälfte  der 


Zeitraum 

Relative  prozentuale  Zunahme 

liaterial 

der  Lange 

des  idealen 
Horizontald. 

der  Thorax- 
peripherie 

Hamburger 

XI~XV 

14,16  Vo 

14,39% 

17,76% 

GymnasiBsten,  gemeBsen 

XV-XIX 

8,22  Vo 

11,67% 

12,69  Vo 

von  Eotblmann' 

XI— XIX 

28,65% 

27,730/0 
13,84% 

32,68% 

Italienische  Waisen  des 
Isiituto    Bonafous,    ge- 
meseen   von  Paoliani' 

XI-XV 

16.00  Vo 

13,66  Vo 

XV-XIX 

4,98  Vo 

6,26% 

6,76  Vo 

vor  dem  Eintritt  in  die 
Anstalt 

XI-XTX 

21,78  <»/o 

20,96% 

21,24  Vo 

^  „Militärstatistisches  aus  Österreich.**  Zeitschr.  f.  aehmeizeriache  SiaUsUky 
Bern  1875,  S.  278-285,  293—308. 

•  Vgl.  oben.    j^Skitschr,  d,  Kgl  prmfs.  atat.  Buream",  1879,  8.  13—14. 

'  Vgl.  oben.  y^Atti  della  reale  Äcademia  delle  Scieme  di  Torino'',  XI, 
1875—76,  pag.  708. 


462 

KörperläDge,  beim  Kinde  dagegen  bedeutend  weniger,  mnfe  also  in 
den  Jahren  der  Entwicklung  im  ganzen  stärker  zunehmen  als  die 
Körpergröfse;  es  ist  interessant  und  vor  allem  praktisch  wichtig,  die 
Zeit  dieser  Herausbildung  der  Brust  genau  zu  kennen,  um  beim 
Nichteintritt  des  Phänomen  sogleich  die  notwendigen  hygienischen  Mais- 
regeln tre£Een  zu  können.  Da  an  den  Jenenser  Knaben  diese  Mes- 
sungen nicht  yorgenommen  wurden,  so  sei  hier  die  Rechnung  in  der 
oben  angegebenen  Weise  an  zwei  anderen  Materialien  (Tab.  S.  461) 
ausgeführt. 

Bei  den  Hamburger  Gymnasiasten  ist  also  die  Zunahme  der 
Thorazperipherie  gröfser  als  das  allgemeine  Horizontalwaohstum, 
dieses  gröiser  als  das  Längenwachstum;  bei  den  Turiner  Waisen  sind 
alle  drei  Zahlen  ziemlich  gleich.  Man  kann  annehmen,  dals  der 
erste  Fall  dem  gesunden,  der  zweite  Fall  dem  ungesunden  Wachstum 
entspricht. 

III.  Das  jShrliche  Wachstum  der  einzelnen  Schfiler. 

Man  kann  zwei  Hauptmethoden  unterscheiden,  die  in  der  E^ 
forsohung  des  menschlichen  Wachstums  eingeschlagen  werden,  die 
direkte  und  die  indirekte.  Die  direkte  miüst  in  Wirklichkeit  die 
Zunahme,  welche  im  Laufe  eines  bestimmten  Zeitabschnittes,  meist 
eines  Jahres,  erfolgt  ist.  Die  indirekte  miist  nur  die  Grölsen- 
differenz  yon  gleichzeitig  lebenden  Gruppen,  deren  Durchschnittsalter 
um  je  ein  Jahr  oder  um  je  einen  Monat  differiert.  Die  direkte 
mifst  also  dieselben  Individuen  zu  verschiedenen,  aber  in  regelmälsigen 
Zeitintervallen  gewählten  Terminen,  die  indirekte  mifst  zu  derselben 
Zeit  verschiedene,  aber  in  regelmäfsige  Altersintervalle  klassifizierte 
Individuen.  Erstere  pflegt  man  die  Individual-^,  letztere  die 
Kollektiv-  oder  generalisierende  Methode  zu  nennen.  Es  fragt 
sich,  ob  beide  dieselben  Resultate  geben.  Vierbodt  und  Axel  Key 
behaupten  es;  letzterer  sagt:  „Wenn  ich  durch  zehn  Jahre  nach- 
einander jährlich  1000  Individuen  prüfe,  so  komme  ich  zu  keinem 
sichereren  Resultate,  als  wenn  ich  auf  einmal  10000  Individuen 
untersuche.'*  Vielleicht;  aber  vielleicht  zu  einem  weniger  sicheren? 
Man  muls  sich  überlegen,  wodurch  überhaupt  Differenzen  zwischen 
den  Resultaten  beider  Methoden  entstehen  können.  Zwei  Möglich- 
keiten sind  hierfür  denkbar.     Die  eine  entsteht  durch  Vermischung 


^  Namentlich   von  Liharzik  an^rewandt:   „Das  Geaets   des   menschlichen 
Wachstums",  2.  Aufl.,  Wien  1862. 

'  Vergl.  oben.     „Schul hygienische  Untersuchungen",  S.  212. 


463 

mit  einer  anthropometrisoli  yersohiedenen  Bevölkerungsgruppe,  die 
beBtimmten  Jahrgängen  angehört.  Ein  paar  Beispiele  mögen  dies 
erläutern:  Die  Messungen  betreffen  die  A.grarbeyölkerung  des  deutschen 
Ostens,  welche  Sommer  für  Sommer  durch  polnische  Arbeiter  unter- 
mischt wird.  Eine  z.  B.  am  1.  Juli  angestellte  generalisierende 
Messung  würde  für  das  Alter  bis  etwa  zum  16.  Jahre  eine  wesent- 
liche deutsche,  von  da  an  eine  gemischte  deutsch-polnische  Beyölke- 
rang  messen;  die  Zunahme  des  16.  Jahres  und  auch  noch  der  fol- 
genden Jahre  würde  hier  fälschlich  zu  gering  bei  der  Bechnung 
herauskommen.  —  Oder  die  Messung  umfasse  z.  B.  die  Berliner 
G-ymnasien.  Nun  weüs  man,  dals.  hier  die  kräftigen  Knaben  meist 
im  neunten,  schwächliche  aber  erst  im  zehnten  Lebensjahre  die  Sexta 
erreichen.  Die  KoUektiymethode  wird  also  hier  den  Durchschnitt 
des  neunten  Jahrganges  wesentlich  zu  hoch  im  Verhältnis  zu  den 
anderen  und  die  Zunahme  des  zehnten  Jahres  zu  gering  angeben.  — 
Oder  es  ist  durch  einen  kürzlich  yorhergegangenen  Krieg  gerade  der 
kräftigst  entwickelte  Teil  der  Stellungspflichtigen  Jahrgänge  dezimiert 
worden.  Auch  dann  wird  die  KoUektiymethode  die  Zunahme  für 
diese  Jahre  zu  gering  angeben.  —  Oder  eine  Keuohhustenepidemie 
habe  umgekehrt  den  schwächsten  Teil  der  Kinder  weggerafft,  so  wird 
die  in  der  auf  die  empfänglichen  Kindheitsjahre  folgenden  Lebenszeit 
beobachtete  Zunahme  zu  klein  werden.  —  Das  sind  Beispiele  fbr 
Unterschiede  zwischen  den  Methoden,  welche  durch  Mischung  oder 
Auslese,  die  nicht  für  alle  Lebensjahre  die  gleiche  Bolle  spielen, 
bedingt  sind.  Li  allen  solchen  Fällen  wird  die  KoUektiymethode 
weniger  genau  als  die  Indiyidualmethode  arbeiten.  Die  andere  Haupt- 
mögUchkeit  für  Abweichungen  der  Besultate  beider  Methoden  yon- 
einander  liegt  in  dem  etwaigen  Einfluis  yerschiedener  Kalenderjahre 
auf  die  Ernährung  und  damit  die  Entwicklung  der  gesamten  Be- 
yölkerung.  Die  Statistik  zeigt  z.  B.,  wie  sowohl  die  somatischen  als 
die  moralischen  Phänomene  sich  ziemlich  genau  parallel  dem  Fallen 
und  Steigen  der  Kompreise  yerändem.  Oder  es  tritt  in  einzelnen 
Jahren  gar  eine  Hungersnot  auf!  Nähme  mau  sich  nun  nach  der 
Lidiyidualmethode  1000  Neugeborene  heraus  und  würde  dieselben 
20  Jahre  hinduroh  messend  beobachten,  so  würden  sämtliche  berech- 
nete Jahreszunahmen  nur  zum  Teil  yon  dem  Lebensalter,  zum  TeU 
dagegen  durch  den  Einflufs  des  betreffenden  Kalenderjahres  bedingt 
sein.  Die  KoUektiymethode  dagegen  würde  hier  zwar  ihre  sämtlichen 
Zahlen  etwas  zu  hoch  oder  etwas  zu  tief  angeben;  aber  dieser  Fehler 
würde  wenigstens  alle  Jahrgänge  gleiohmälsig  betreffen. 


464 

Man  tieht  also,  dafe  jede  der  beiden  Hauptmeihoden  je  nach 
dem  einzelnen  Falle  ihre  Lieht-  oder  Sdhatteneeiten  zeigt.  In  der 
Torliegenden  Arbeit  wnrde  bisher  eine  Methode  angewandt,  die  im 
wesentlichen  mit  der  Kollektivmethode  identisch  war.  Zwar  waren 
die  Messungen  nicht  auf  einmal,  sondern  durch  16  Jahre  hindurch 
angestellt;  auch  stammten  nicht  alle  986  bes.  992  Zahlen  Ton  yer- 
schiedenen  IndiTiduen,  sondern  die  meisten  Schüler  traten  in  mehreren 
Jahrgängen  auf.  Aber  sämtliche  Mittelzahlen  sind  wesentlich  durch 
die  Schüler  beeinfluTst,  die  in  dem  dem  betre£Eenden  Alter  y  orhergehenden 
Lebensjahre  in  die  Anstalt  aufgenommen  wurden«  Alle  bisherigen 
Ergebnisse  der  Torliegenden  Arbeit  sind  also  den  etwaigen  Fehler- 
quellen ausgesetzt,  welche  aus  den  oben  an  den  Berliner  Gymnasien 
beispielsweise  erörterten  Möglichkeiten  entstehen  können.  Eis  gilt 
also,  die  wichtigsten  dieser  Besultate  nunmehr  mittels  einer  indivi- 
dualisierenden Methode  zu  prüfen,  wobei  sich  freilich  jetzt  die  Fehler- 
quelle des  weit  geringeren  Materials  auftut.  Der  etwaige  Einflufs  des 
Kalenderjahres  fUlt  jedoch  hier  praktisch  fort,  da  die  einzelnen  die 
betreffenden  Lebensjahre  nicht  in  demselben  anno  domini  p.  Ohr.  n. 
erreichten. 

Es  ist  also  nunmehr  so  verfahren  worden,  dals  von  jedem  ein- 
zelnen Schüler  der  Unterschied  zwischen  zwei  aufeinander  folgenden, 
in  der  Anstalt  verlebten  Geburtstagen,  sowohl  für  die  Eörpergrölse 
als  für  das  Körpergewicht,  bestimmt  worden  ist.  Die  nur  unvoll- 
ständig in  der  Anstalt  verbrachten  Lebensjahre  vor  dem  ersten  und 
nach  dem  letzten  Geburtstage,  far  den  Messungen  zur  Berechnung 
vorhanden  sind,  mufsten  dagegen  unberücksichtigt  gelassen  werden. 
Aus  diesem,  also  beträchtlich  verkleinerten  Materiale  vnirde  die 
individuelle,  jährliche  Zunahme  berechnet.  Setzt  man  da- 
neben die  kollektive,  jährliche  Zunahme,  und  zwar  in  zwei  Formen, 
einmal  als  Differenzen  zweier  aufeinander  folgender  arithmetischer, 
einmal  als  Differenzen  der  entsprechenden  wahrscheinlichen  Mittel, 
so  erhält  man  die  auf  Seite  465  folgenden  Besulte. 

Die  in  beiden  Tabellen  berechneten  Kollektivzunahmen  zeigen 
in  Zahlenwerten  das  an,  was  wir  bereits  in  den  beiden  früheren 
Abschnitten  an  dem  stärkeren  oder  schwächeren  Ansteigen  der 
„Kurven  der  mittleren  Körpergröüse^  und  „des  mittleren  Körper- 
gewichts^ beobachtet  hatten.  Man  erkennt  hier  noch  deutlicher  die 
drei  bez.  vier  Perioden  der  abwechselnden  Verzögerung  und  Be- 
schleunigung des  Wachstums.  Auch  die  Individualzunahme  zeigt 
diese  Perioden  deutiich,  nur  die  bei  der  kollektiv  berechneten  Gewichts- 


465 


Tabellen  des  absoluten  jährlichen  Waohstnms. 
I.  Gewichtasunahme  in  Kilogrammen. 


Indiyidnalzonahme 

EoUektiyzunahme 

Zeitraum 

Ansahl 

Zunahme 

ausdemwahr- 
Bcheinl.  Mittel 

ausdemarith- 
met.  Mittel 

Anzahl  . 

vm— IX 

8 

1,89 

(4,3) 

2,82 

•Ao 

IX-X 

7 

2,37 

1,3 

2,34 

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X-XI 

16 

1,79 

2,1 

2,15 

"•/« 

xi-xn 

24 

2,77 

3,2 

3,22 

•»/»• 

XTT— XTTI 

49 

3,19 

2,3 

2,80 

»> 

XUl-XlV 

67 

4,43 

4,7 

6,26 

w/i« 

XIV— XV 

87 

6.20 

5,8 

5,67 

"Vl4« 

XV-X7I 

113 

6,14 

7,0 

5,96 

i*Vi« 

XVI-XVII 

100 

4,64 

3,7 

3,67 

»«/ll7 

xvii-xvm 

51 

4,02 

1,0 

1,79 

»w/ti 

XVIII— xrx 

30 

2,80 

3,1 

4,21 

"/•» 

XTX— XX 

11.  QrÖfBenznnahme  in  Zentimetern. 


IndiTidnalzunahme 

XoUektiyzanahme 

Zeitraum 

Anzahl 

Zunahme 

aasdemwahr- 
Bcheinl.  Mittel 

aus  dem  arith- 
met.  Mittel 

Anzahl 

vm— IX 

8 

439 

(6,2) 

6,07 

•Ao 

IX-X 

7 

4,10 

3,3 

4,34 

'Vu 

X-XI 

16 

8,71 

3,0 

3,19 

»/« 

xi-xn 

24 

3,85 

4,0 

4,37 

w/w 

XTT-XTTI 

48 

4,24 

4,0 

4,75 

-/8T 

XIM-XIV 

66 

5,63 

6,5 

7,04 

•Vui 

XIV— XV 

89 

6,44 

7,2 

5,99 

"Vi« 

XV-XVI 

111 

5,70 

6,3 

6,24 

*«A« 

xvi-xvn 

105 

3,93 

3,8 

3,27 

>«/l.7 

xvn-xvm 

54 

2,89 

0,9 

1,08 

"V'O 

xvm-xix 

31 

2,03 

1.8 

0,41 

'Vu 

vnnahme  auftretende  vierte  Periode  der  beginnenden  Beschlennigung 
ist  hier  noch  nicht  ausgeprägt.  Auch  die  erste  Periode  der  Yer- 
sOgerung   zeigt  sich    hier    weniger   deutlich.     Offenbar    ist   in   den 


466 

ersten  und  den  letzten  Jahrgängen  durch  die  oben  erwfthnte  Re- 
daktion das  Material  zu  gering  geworden.  In  den  mittleren  Jahren 
zeigt  dagegen  die  indiTidoalisierend  berechnete  jährliche  Zunahme  die 
meiste  Regelmäijsigkeit.  Man  kann  also  sagen,  dafs  bei  einiger- 
mafsen  grofsem  Material  die  Indiyidualmethode  die 
sicherste  ist  zur  Bestimmung  der  jährlichen  Veränderung 
des  Wachstums. 

Kurven  der  absoluten  Jährlielien  Gewichtsiunalime. 


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Fig.  8. 


Beim  Eintragen  in  Kuryentafeln  (EHg.  8  und  9)  wird  dies  alles 
auf  den  ersten  Blick  sichtbar.  Die  Kurven  der  Kollektiyzunahme 
zeigen  dieselben  Erscheinungen  wie  beim  Eintragen  der  mittleren 
Gröfsen  und  Gewichte.  Nur  dafs  hier  Ordinate  ist,  was  dort  Ordi- 
natenunterschied  war,  so  dafs  hier  die  Kurven  ungleich  springender 
erscheinen.  So  erscheint  die  leichte  Einsenkung  des  Gewichtes  im 
13.  Jahre,  die  später  bereits  bei  den  „Kurven  des  relativen  jähr- 
lichen Wachstums"  stark  in  die  Augen  gesprungen  war,  auch  hier 


467 


bei  den  „Kurven  der  absoluten  Zunahme'^  als  deutliche  Bemission. 
Die  Kurre  der  Individualzunahme  dagegen  lälst  nichts  von  dieser 
UnregelmftiBigkeit  merken,  und  man  kann  sich  in  diesem  Falle  wohl 
auf  sie  mehr  als  auf  die  beiden  anderen,  nach  roherer  Methode  ge- 
fundenen Kurven  verlassen. 

Schliefet  man  hieran  eine  Vergleichung  der  beiden  Kurventafeln 
als  Gtinzes,  so  findet  man  aufeer  der  vom  18.  Jahre  an  durch  die 

Kurven  der  absoluten  Jährliehen  GköÜBenzunahme. 


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Fig.». 

vierte  Gewichtsperiode  bedingten  Differenz  noch  einen  wesent- 
lichen Unterschied  zwischen  dem  Wachstum  des  Grewichts  und 
der  Länge:  Die  Körpergröfse  erreicht  in  allen  drei 
Kurven  ein  wenig  früher  ihr  stärkstes  Wachstum  als 
das  Körpergewicht.  Diese  Tatsache  ist  übrigens  von  anderen 
Beobachtern  bereits  konstatiert  worden.  Bei  den  STOYSchen  Knaben 
&llt  die  Grenze  des  stärksten  Längenwachstums,  soweit  es  auf 
der    Anstalt    erlebt    wurde,    auf    die    Mitte    des    15.   Jahres,    die 


468 

Grenae  der  stärksten  Gewiehtssnnahme  dagegen  etwa  aaf  das 
vollendete  16.  Jahr,  also  ein  halbes  Jahr  spftter.  Unter  der 
Voranssetsong  der  Konstanz  des  spezifischen  Gewichtes  mufis  also  die 
grölste  dnroh  die  Pubertät  bedingte  Horizontalznnahme  später  fallen 
als  die  gröfste  entsprechende  Längenzonahme.  In  der  Tat  scheidet 
»die  Knrye  der  relativen  Horizontalzonahme''  nach  der  Mitte  dee 
15.  Jahres  die  „der  relativen  Vertikalznnahme^,  welche  bis  dahin 
weit  oberhalb  von  ihr  stand. 

Nachdem  so  die  erste  unterscheidende  Eigenschaft  der  Waohstoms- 
perioden,  die  der  positiven  oder  negativen  Beschlennignng,  auch 
individualisierend  nachgewiesen  werden  konnte,  soll  nunmehr  auch 
die  zweite,  generalisierend  gefundene  Eigenschaft,  die  fortschreitende 
reep.  sich  verringernde  Differenzierung  individuell  geprüft  werden 
Man  mache  sich  klar,  wie  eine  Differenzierung  zustande  kommen 
kann.  Handelt  es  sich  nur  um  zwei  Individuen,  so  ist  der  Vorgang 
leicht  verständlich:  es  mufs,  um  zunächst  beim  Gewicht  zu  bleiben, 
entweder  der,  welcher  schon  schwerer  ist,  noch  mehr  zunehmen  als 
der,  welcher  bereits  leichter  ist.  Es  ist  aber  auch  möglich,  dals  der 
Leichte  mehr  zunimmt  als  der  Schwere,  dals  sie  aber  gewissermaCsen 
weiter  am  Ziele  vorbeischiefsen,  als  sie  vorher  abstanden,  d.  h.  dafs 
der,  welcher  jetzt  der  Schwerere  ist,  mehr  positiv  abweicht,  als  er 
vorher  negativ  differierte.  Den  ersteren  Fall  könnte  man  die  natür- 
liche oder  gerade,  den  letzteren  Fall  die  gekreuzte  Differen- 
zierung nennen.  Ganz  ebenso  steht  es  mit  dem  G^^nteil  der 
Differenzierung,  woftbr  ich  den  Ausdruck  Assimilierung  in  Vor- 
schlag bringe.  Ea  sind  also  im  ganzen  vier  Fälle  möglich,  welche 
durch  die  folgenden  graphischen  Beispiele  illustriert  sein  mögen. 


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Gekreuste 

Dlffereniierang. 

ÄMimilierang.            ABsimilierang. 
Fig.  10. 

Differensiening. 

Aulserdem  existiert  natürlich  noch  der  Grenzfeill,  dab  das 
Wachstum  beider  ganz  gleich  ist.  Nur  in  den  ersten  der  gezeich* 
neten    Fälle    besteht    eine    eigentliche,     individuelle    Tendenz    der 


469 

Differenzienug,  nur  hier  waohflen  sie  buohstäblioh  auseinander.  In  den 
drei  anderen  Fällen  wachsen  sie  beide  ursprünglich  einander  entgegen; 
aber  der  stärkste  Fall  dieses  Entgegenwachsens  führt  auch  wieder 
zur  Differenzierung.  Und  auch  bei  der  gekreuzten  Assimilierung  ist 
der  Effekt  nicht  so  stark,  als  es  der  ursprünglichen  Neigung  ent- 
sprechen würde.  Die  Ej^uzung  schwächt  also  in  jedem  Falle  die 
Tendenz,  sich  zu  assimilieren,  ab.  Werden  es  nun  mehr  als  zwei 
Individuen,  so  sind  natürlich  alle  möglichen  Kombinationen  zwischen 
diesen  vier  Modis  möglich.  Immerhin  kann  man  zwei  Hauptfillle 
unterscheiden:  Entweder  überwiegt  die  Tendenz  des  Entgegen  Wachsens 
oder  die  entgegengesetzte.  Im  ersteren  Falle  wird  die  Zunahme  der 
Untermittelgrölsen  durchschnittlich  grölser,  die  der  Übermittelgröfsen 
durchschnittlich  kleiner  sein  als  die  Gesamtdurchschnittszunahme,  im 
letzteren  Falle  wird  das  Gegenteil  der  Fall  sein.  Nimmt  man  nun  an, 
dafe  beide  Tendenzen  in  der  Natur  gleich  stark  vertreten  sind,  so 
werden  alle  Fälle,  in  denen  die  Auseinanderwachsungstendenz  über- 
wiegt, zur  schliefslichen  Differenzierung  führen,  die  Fälle  aber,  in 
denen  die  entgegengesetzte  Tendenz  obwaltet,  werden  nur  zum  Teil 
das  Resultat  der  schliefslichen  Assimilierung  herbeiführen;  ein  anderer, 
wenn  auch  vielleicht  nur  kleiner  Teil  führt  ebenfalls  zur  resultierenden 
Differenzierung,  und  auferdem  vernichten  sich  die  geraden  und  die 
gekreuzten  Assimilationen  zum  Teil  gegenseitig.  Ist  also  die  An- 
nahme richtig,  so  mufs  überall  sohliefslich  die  Differen- 
zierung das  Übergewicht  erhalten.  Und  in  der  Tat  lehren 
uns  alle  Wissenschaften,  dafs  dies  durchgängig  der  Fall 
ist:  Entwicklung  und  Differenzierung  gehen  überall 
Hand  in  Hand;  nur  vorübergehend  macht  Assimilierung  eine  zu 
weit  gegangene  Differenz  wieder  rückgängig.  So  wenigstens  in  der 
Anthropometrie,  phylogenetisch  wie  ontogenetisch:  die  Kulturmenschen 
sind  unendlich  viel  differenter  als  ihre  Vorfahren,  die  Erwachsenen 
ungleich  viel  differenter  wie  die  Kinder.  Das  zeigte  sich  auch  schon 
an  unseren  Zahlen.  Trotz  der  in  den  Jahren  nach  der  Pubertät 
konsequent  herrschenden  Assimilierung  war  der  den  Grad  der  indi- 
viduellen Differenz  ausdrückende  Oszillationsexponent  am  Schlüsse 
dieser  Periode  doch  noch  grö&er,  als  er  vor  Beginn  der  Pubertäts- 
entwicklung gewesen  war. 

Prüft  man  also  jetzt  die  individuelle  Neigung  der  Gewichte  der 
einzelnen,  sich  im  ganzen  anzunähern  oder  zu  entfernen,  und  be- 
rechnet man  zu  diesem  Zwecke  die  durchschnittliche  individuelle 
jährliche    absolute  Gewichtszunahme   der   leichteren   und   dann   der 


470 


schwereren  Hälfte  der  in  einem  jeden  Jahrgange  yeriretenen  Eänsel- 
werte,  so  erhält  man  folgende  Tabelle: 

Nach  der  Individnalmethode  berechnete  jährliche,  absolnte 
Gewichtszunahme 


Zeitraom 

des  Gesamt- 
durchschnitts 

der  leichteren 
Hälfte 

der  achweren 
Hälfte 

Differenz 
beider 
Hälften 

IX-X 

2,37                2,67 

2,15 

+  0,52 

X-XI 

1,79 

1,90 

1,64 

+  0,26 

xi-xn 

2,77 

3,02 

2,53 

+  0,49 

xii-xm 

8,19 

2,84 

8,M 

-0,72 

xni-xiv 

4,4S 

8,M 

ß,26 

-1,74 

XIV-XV 

6,20 

ß,»4 

8,46 

-0,62 

XV~XVI 

6,14 

6,89 

5,91 

+  0,48 

XVI— XVII 

4,64 

5,20 

3.84 

+  1,39 

xvn-xvm 

4,02                 4,64 

2,98 

+  1,66 

XVIII-XTX 

2,80 

«,71 

2,85 

-0,14 

Die  letzte  Spalte  gibt  die  Differenzen  in  der  Znnahme  der  beiden 
Hälften  nnd  hat  periodenweise  positives  resp.  negatires  Vorzeichen. 
Das  positive  Zeichen  bedeutet  Annähemngstendenz,  das  negative 
Entfemnngstendenz.  Da  nun  diese  Perioden  im  ganzen  mit  den 
vier  für  die  Gewichtszunahme  konstatierbaren  Wachstumsperioden 
gut  übereinstimmen,  so  wäre  bis  jetzt  Übereinstimmung,  zwischen 
der  kollektiv  gefundenen  tatsächlichen  Differenzierung  und  Assimi- 
liemng  und  den  individual  berechneten  Neigungen  der  Einzelwerte 
sich  anzunähern  resp.  sich  zu  entfernen,  vorhanden.  Es  fragt  sich 
aber,  ob  die  jetzt  gefundene  Neigung  auch  wirklich  ausreicht,  die 
früher  gefondenen  Resultate  in  ihrem  numerischen  Werte  zu  erklären. 
In  diesem  Falle  könnten  wir  nicht  nur  Übereinstimmung  der  Indi- 
vidual- und  EoUektivmethode,  sondern  auch  das  Fehlen  der  oben 
skizzierten  Ejeuzung  des  Individualwachstums  konstatieren.  Es 
lielse  sich  dann  die  ganze  Kurve  des  Oszillationsexponenten  kon- 
struieren, indem  man  den  einmaligen  Wert  desselben  (ich  wähle 
den  des  Jahrganges  X)  mit  den  in  der  letzteren  Tabelle  enthaltenen 
Differenzen  in  der  Gewichtszunahme  der  beiden  Hälften  Jahr  für 
Jahr   algebraisch   hinzuaddiert.     Auf  diese  Weise  erhält  man  eine 


471 

Kurre,  welohe  unter  der  obigen  Annahme  mit  der  des  OszUlations- 
exponenten  etwa  identisch  wäre  (Fig.  11).  loh  zeiohne  zum  Vergleich  die 
Knnre  des  wirklichen  Oszillationsexponenten  ^  dazn,  und  finde,  dafs 
beide  Kuryen  nicht  übereinstimmen:  Die  wirkliche  Oszillation 
ist  vielmehr  gröfser  als  die  angenommene  und  wird  es  fast 
regelmftlsig  von  Jahr  zu  Jahr  mehr.  Offenbar  kann  das  nicht  auf 
den  zufiillig  wechselnden  Unterschieden  zwischen  der  Kollektiv-  und 
Indiyidualmethode    beruhen,    sondern    mufs    einen    tieferen    Grund 


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Enrreii  der  CkwichtsoBsUlatioiien 

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Fig.  11. 

haben ;  und  der  Grund  kann  nur  der  sein,  dafs  eben  jene  Kreuzung 
im  Wachstum  der  Einzelwerte  darüber  und  darunter  in  dem  Durch* 
schnittswerte  tatsächlich  vorhanden  ist.  Durch  jede  Kreuzung 
aber  wird  Assimilierung  vermindert,  Differenzierung 
vermehrt.  So  nimmt  letztere  in  Wirklichkeit  von  Jahr  zu  Jahr 
im  Vergleich  mit  der  berechneten  Kurve  mehr  zu;   nur  im  vier- 


^  YgL  die  punktierte  Kurve  Nr.  6. 


472 

zehnten  Jahre  nicht,  wo  offenbar  die  besonders  grofse 
Abweichnngsneigung  die  Kreuzung  im  wesentlichen  ver- 
hindert. —  Während  daher  die  berechnete  Kurve  nach  Schlafs 
der  dritten  Periode  mindestens  ebenso  starke  Assimilierung  wie  vor 
Beginn  der  zweiten  Periode  anzeigt,  hat  die  Assimilierung  tatsfiohlioh 
immer  mehr  das  Feld  räumen  müssen.  An  unserem  Beispiele  zeigt 
sich  also  augenfUlig,  wie  eine  überwiegende  Differenzierung  durch 
Kreuzung  und  dadurch  bedingte  gegenseitige  Aufhebung  der  ursprüng- 
lich mindestens  ebenso  starken  Annäherungsneigung  zustande  kommt. 
—  Übrigens  ergibt  sich  die  hier  geschlossene  Kreuzung  auch  durch 
jeden  Blick  in  das  ürmaterial. 

Interessant  ist  noch  die  Beobachtung,  dals  die  Individualmethode 
hier  nach  dem  achtzehnten  Jahre  wieder  eine  Steigerung  der  ideellen 
Oszillationskurve  zeigt,  ein  Verhalten,  das  nach  allem  Bisherigen  auf 
ein  gleichzeitig  beschleunigtes  Wachstum  hinweist.  So  wird  uns 
hier  in  Umwegen  die  Existenz  der  vierten  Periode  der  Gewichts- 
zunahme verraten,  die  sich  direkt  nur  durch  die  Kollektivmethode 
hatte  zeigen  lassen. 

Es  gilt  nun,  dieselbe  Prüfung  für  das  Längenwachstum  vorzu- 
nehmen. Auch  hier  ist  jetzt  die  durchschnittliche  jährUohe  Zunahme 
individualisierend  berechnet  und  miteinander  verglichen: 


Nach  der  Individualmethode  berechnete  jährliche,  absolute 
Längen  zunähme 


Zeitnram 

des  Gesamt- 
durchschnitts 

der  längeren 
Hälfte 

der  körseren 
Hälfte 

Differenz 
beider 
Hälften 

IX-X 

4,10 

4,10 

4,10 

±0 

X-XI 

8,71 

3,91 

3,47 

+  0,44 

xi-xn 

8,86 

8.76 

8,94 

-0,18 

XTT-xm 

4,84 

4,88 

4,09 

+  0,29 

xni-xiv 

5,68 

6,61 

6,66 

-0,06 

XIV~XV 

6,44 

6,69 

6,20 

+  0,49 

XV-XVI 

6,70 

6,95 

4,50 

+  2,46 

xvi-xvn 

3,93 

5.28 

2,66 

+  2.62 

XVll-XVlll 

2,89                3.47 

2,80 

+  0,67 

xvm-xTx 

2,08 

2,41 

1,62 

+  0,79 

473 


Das  dreizehnte  Jalir  zeigt  hier  gerade  das  Gegenteil  von  dem, 
was  es  unter  der  obigen  irrealen  Annahme  zeigen  sollte.  Zeichnet 
man  auch  hier  die  entsprechenden  Kurven  (Fig.  12),  so  haben  dieselben 
einen  durchaus  yerschiedenen  Verlauf.  Die  einzige  Ähnlichkeit,  die 
sie  noch   zeigen,    ist  die,    daiCs  solange  die  Kurve  des  tatsächlichen 

Kurven  der  OröüBenosidllationen. 


*2J» 


3L  31  3Dr  3ff  JSSE  ^t 

Fig.  12. 


JSSL 


Oszillationsexponenten  ansteigt,  die  des  ideell  berechneten  wenigstens 
sich  im  ganzen  etwa  auf  gleicher  Höhe  hält,  während  nachher,  wo 
die  obere  Kurve  sanft  abfällt,  die  untere  rapide  bis  weit  unter  den 
Nullpunkt,  also  weiter  als  reell  möglich  wäre,  herabsinkt.  Man 
kann  also  wohl  annehmen,  dafs  ursprünglich  auch  in  der  individu- 
ellen Neigung   der  einzelnen  zum  Mittelwerte  die  Hauptwachstums- 

Sehnlgesimdheitopflege.  XVIIL  26 


474 

Perioden  ausgeprägt  sind,  and  zwar  so,  dals  bis  znr  Pubertät  die 
Neigung  0,  nach  derselben  die  positive  Annäherungsneigung  besteht. 
Nun  kommt  tatsächlich  die  Kreuzung  mit  ihrer  diffsrenzieienden 
Wirkung  hinzu;  so  entsteht  yor  der  Pubertät  jene  Differenzierung, 
nach  derselben  jene  abgeschwächte  Assimilierung,  wie  sie  die  tat- 
sächliche Oszillation  zeigt.  Ich  wülste  nicht,  wie  die  gefundenen 
Tatsachen  anders  zu  erklären  wären. 

Nun  aber  besteht  hier  doch  ein  Unterschied  gegenüber  dem  Ver- 
halten beim  Körpergewicht.  Dort  zeigte  die  berechnete  ideelle 
Oszillationskurre  vor  der  Pubertät  eine  deutliche  Steigung,  hier  nicht  1 
Zur  Erklärung  dieses  Unterschiedes  wage  ich  folgende  Hypothese: 
Die  Annäherungsneigung,  worunter  ich  den  Unterschied  der 
jährlichen  Zunahme  der  kräftigeren  und  der  schwächeren  Hälfte  ver- 
steheS  richtet  sich  etwa  nach  der  relativen  Zunahme  des  Granzen, 
nicht  nach  der  absoluten:  je  kleiner  die  relative  Zunahme,  desto 
positiver  (zur  Assimilation  strebender)  wird  die  Neigung;  je  grö&er 
die  Zunahme,  desto  kleinere  positive  resp.  grö&ere  negative  Werte 
nimmt  die  Annäherungsneigung  an.  Die  relativen  Zunahmen  finden 
sich  im  zweiten  Abschnitt  auf  S.  416  verzeichnet.  Die  geringste 
relative  Zunahme  zeigt  die  Länge  nach  der  Pubertät:  übermäfsige 
positive  Annäherungsneigung.  Gröfser  schon  ist  die  relative  Gewichts- 
zunahme nach  der  Pubertät,  so  im  achtzehnten  Jahre:  bedeutend 
geringere  positive  Neigung.  Noch  etwas  stärkere  relative  Zunahme 
zeigt  die  Länge  vor  der  Pubertät:  die  positive  Neigung  ist  nur  noch 
gering,  fast  gleich  0.  Die  gewaltigste  Zunahme  aber  zeigt  das 
Körpergewicht  vor  der  Pubertät:  hier  ist  die  Neigung  bereits  negativ 
geworden,  schon  die  Einzelwerte  zeigen  die  Tendenz,  sich  za  diffe- 
renzieren. Auf  eine  genaue  Übereinstimmung  in  den  Zahlenwerten 
darf  man  nicht  rechnen,  schon  weil  die  eine  GröJGse  kollektiv  an 
allen  Schülern,  die  andere  individuell  an  nur  etwa  der  Hälfte  berechnet 
wurde.  Immerhin  halte  ich  mich  für  berechtigt,  den  Parallelismus 
zwischen  beiden  Vorgängen  auszusprechen,  da  nur  er  mir  den  auf- 
fallenden Unterschied  zwischen  dem  Verhalten  des  Gewichts  und 
der  Länge  zu  erklären  scheint. 

Auf  diese,  bei  Gröfse  und  Gewicht  verschiedene  indi- 
viduelle Annäherungs-  und  Entfernungsneigung  wirkt 
nun  in  beiden  Fällen  die  Kreuzung  mit  ihrer  differenzierenden  Wirkung 
ein;   je   stärker  jedoch   die  positive  Neigung  ist,    desto  mehr  tritt 

^  Vgl.  letzte  Spalte  in  den  beiden  vorigen  Tabellen  (S.  470  u.  472). 


476 

Kreaznng  ein.  Die  Folge  ist,  daCs  in  den  Fällen,  in  denen  schon 
Ton  Tomherein  eine  Differenziemng  wegen  der  negativen  Neigung 
entstehen  würde,  diese  nur  unbedeutend  yerstftrkt  wird.  Eine  neu- 
trale Neigung  wird  negativ,  führt  also  auch  zur  Differenzierung; 
alle  positiven  Annftherungsneigungen  werden,  je  gröDser  sie  sind, 
desto  mehr  reduziert.  So  kommt  es,  dals  das  Verhalten  bei  der 
Körperlftnge  durch  die  Elreuzung  der  Körperlänge  viel  stärker,  viel 
mehr  differenzierend  beeinflulst  wird  und  am  Ende  ein  ähnliches 
Aussehen  in  den  drei  Perioden  zeigt  wie  das  Körpergewicht  in  den 
entsprechenden. 

Dafs  die  relative  jährliche  Zunahme,  welche  in  dem  einen  Falle 
etwa  die  dritte  Potenz  von  der  des  anderen  Falles  ist,  die  Oszillation 
bestimmen  hilft,  wird  auch  dadurch  bewiesen,  dals  die  auf  S.  410 
berechneten  relativen  Oszillationsindices  in  beiden  Fällen  sehr  un- 
gleich sind,  obgleich  die  absolute  jährliche  Zunahme  hier  etwa 
ebensoviel  Kilogramm  betragen  hatte  als  dort  Zentimeter.  Aber 
man  sieht  auch,  dafs  die  steigende  oder  fallende  Differenzierung 
nicht  allein  direkt  durch  die  relative  jährliche  Zunahme  bestimmt 
wird;  denn  dann  müTsten  beide  relativen  Indices  sich  ebenfalls  wie 
erste  und  dritte  Potenz  verhalten.  Tatsächlich  aber  ist  die  relative 
Oewichtsdifferenzierung  nur  etwa  das  Quadrat  der  relativen  Grölsen- 
differenzierung,  d.  h.  letztere  ist  gröDser,  als  es  der  primären  Neigung 
der  Einzelwerte  entsprochen  hatte.  Dnd  sie  ist  gröJser  geworden 
dadurch,  dals  die  stärkere  Kreuzung  Über  dem  Mittel  hier  einen 
grOliseren  Teil  der  beabsichtigten  Assimilation  aufhob  als  beim 
Gewicht. 

So  entsprechen  nur  noch  beim  Gewicht  die  tatsächlich  beob- 
achteten abwechselnden  Perioden  der  Differenzierung  und  Assi- 
milierung der  primären  Tendenz  im  Wachstum  der  Einzelwerte. 
Nur  hier  kann  deshalb  die  individualisierende  Methode  noch  weiter 
fortgesetzt  werden.  Das  Ideal  dieser  Methode  wäre,  dafs  jeder  ein- 
zelne Wert  in  beschleunigten  Wachstumsperioden  selbst  diese  Be- 
schleunigung gegenüber  dem  Vorjahre  zeigte,  und  auüserdem  weniger 
zunehme  als  sein  oberer,  mehr  als  sein  unterer  Nachbarwert.  Würde 
man  dann  für  sämtliche  Individuen  die  Oewichtskurven  zeichnen, 
so  mülsten  dieselben  in  Verzögerungsperioden  sich  nähern,  in  Be- 
schleunigungsperioden sich  voneinander  entfernen,  und  sämtlich 
mülsten  sie  die  charakteristischen  Biegungen  nach  links  und  rechts 
zeigen,  wie  sie  die  mittleren  Wachstumskurven  haben.  Selbst- 
verständlich  ist   dieses  in  Wirklichkeit  nicht  der  Fall,   sondern  es 


476 

finden  hier  fortwährend  Kreuzungen  ewisohen  den  Einzelentwieklnnga- 
knrven  statt.  Aber  trotz  dieser  nnberechenbaren  Zoftlle  im  einzelnen 
hatten  die  beiden  Hälften  aller  Werte  jene  oben  besprochene  Gfesets- 
mäfsigkeit  gezeigt.  Es  fragt  sich  nun,  wie  klein  wir  die  Omppen 
maohen  können,  ohne  das  Oesetz  auszulöschen?  Je  kleiner  die 
Gruppe,  desto  stärker  regiert  der  Zufidl;  aus  der  für  das  Gesetz 
notwendigen  Anzahl  der  in  einer  Gruppe  enthaltenen  Indiyiduen 
können  wir  auf  die  Macht  des  Zufalls  rückschlieisen. 

Wir  teilen  nunmehr  die  Gesamtzahl  aller  in  einem  Jahrgange 
enthaltenen  und  nach  dem  Gewicht  geordneten  Individuen  in  vier 
gleiche  Teile  imd  berechnen  fbr  jedes  Viertel  die  durchschnittliche 
Individualzunahme  aus  denen,  welche  das  ganze  nächste  Jahr  der 
Anstalt  treu  bleiben.  So  erhalten  wir  die  folgende  Tabelle  der  Ge- 
wichtszunahme der  vier  Viertel. 


Zeitrmnm 

I.  Viertel 
gans  Leichte 

n.  Viertel 
Leiolite 

m.  Viertel 
Schwere 

IV.  Viertel 
gaiuSohwer» 

X— XI 

1.98 

1,80 

1,80 

8.M 

xi-xn 

3,88 

(,11        8>66        t,u 

8,9« 

xn-xm 

2,4S 

M«        8,1*         »fit 

4,10 

xm— XIV 

t.oe 

4,08 

4,4» 

6,97 

XIV-XV 

6,71 

«,16 

«.«0 

6,83 

XV-XVI 

«,19 

«,61 

«,«6 

6,25 

xvi-xvn 

5,66 

4,79 

4,73 

2,71 

xvu-xvm 

4,69 

4,67 

8,20 

2,60 

xvm-xix 

3,16 

2,05 

1,88 

«,«8 

Die  Tabelle  ist  sehr  interessant;  sie  hat  nur  zwei  kleine  Un» 
regelmälsigkeiten  in  den  mittleren  Vierteln  zweier  Übergangsjahre, 
welche  daher  zu  einer  mittleren  Hälfte  zusammengefaist  sind.  Da 
die  markierten,  nach  oben  steigenden  Zahlen  negative  Neigung,  d.  h. 
individuelle  Tendenz  zur  Differenzierung,  die  nicht  markierten  aber 
eine  solche  zur  Assimilierung  kundgeben,  so  findet  im  dreizehnten 
und  vierzehnten  Jahre,  welche  wir  als  beschleunigte  Wachstumsjahre 


477 

Itennen,  auch  hier  eine  durchgängige  individaelle  Tendenz  znr 
Differenzierung,  im  siebzehnten  und  achtzehnten  Jahre,  welche  Ter« 
nngertes  Wachstum  haben,  dagegen  eine  durchgängige  Assimilations- 
neigung statt.  Soweit  ergibt  sich  also  eine  fast  frappierende  Bestäti- 
gung der  kollektiv  gefundenen  Tatsachen  durch  die  individual  beob- 
achtete Neigung  der  Einzelwerte.  Nun  aber  sieht  man  jetzt  noch 
etwas  Neues:  die  übrigen  Jahre  nämlich  zeigen  deutlich  Übergangs- 
charakter. So  beginnen  im  elften  und  zwölften  Jahre,  welche  im 
wesentlichen  Assimilationsjahre  sind,  die  Viertel  der  ganz  Schweren 
eich  zu  differenzieren.  Im  fünfzehnten  und  sechzehnten  Jahre  ist 
genau  das  Umgekehrte  der  Fall:  Assimilation  bei  den  ganz  Schweren, 
Differenzierung  der  übrigen.  Das  neunzehnte  Jahr  aber  zeigt  wieder 
den  Charakter  des  elften  und  verkündet  so  die  abermals  beginnende 
Differenzierung!  Man  kann  also  alles  an  der  Tabelle  Beobachtete 
in  den  Sätzen  zusammenfassen:  In  Perioden  der  beschleunigten 
Gewichtszunahme  zeigen  die  Einzelwerte  das  Bestreben 
der  Differenzierung,  in  Perioden  der  verzögerten  Gewichts- 
zunahme das  der  Assimilierung;  in  Übergangsjahren 
folgen  die  Schwersten  schon  dem  Typus  der  kommenden, 
die  übrigen  noch  dem  der  vorhergehenden  Periode. 

Stellt  man  hier  die  Differenzen  zwischen  der  Zunahme  des 
ersten  und  des  letzten  Viertels  fest,  so  kann  man  auch  diese  Zahlen 
benutzen,  um  aus  ihnen  mit  Hilfe  der  gegebenen  Oszillation  des 
JahrgangsX  eine  ideelle  Oszillationskurve  (Fig.  13)  zu  berechnen,  ebenso 
wie  das  oben  mit  den  Differenzen  in  der  Zxmahme  der  beiden  Hälften 
geschehen  ist.  Die  oben  berechnete  Kurve  (Fig.  11)  blieb  dauernd 
wegen  der  differenzierenden  Kreuzung  unter  der  tatsächlichen  zurück. 
Es  wäre  nun  denkbar,  dafs  die  Kreuzungen  gerade  die  Tendenzen 
der  mittelsten  beiden  Viertel,  zwischen  denen  sie  hauptsächlich 
stattfinden,  paralysierten,  und  dafs  die  Neigungen  der  beiden  äulseren 
Viertel  für  die  (j^esamtoszillation  schlieDslich  ausschlaggebend  würden. 
In  diesem  Falle  müfsten  die  tatsächliche  und  die  jetzt  berechnete 
Kurve  übereinstimmen.  In  Wirklichkeit  geschieht  dies  auch  in  den 
ersten  drei  Jahren;  dann  aber  steigt  die  berechnete  Kurve  viel  zu 
steil  an,  d.  h.  es  finden  in  diesen  Jahren  des  stark  beschlexmigten 
Waohstums  und  der  starken  Differenzierung  relativ  wenige  Ejreuzungen 
statt,  wie  es  a  priori  klar  und  überdies  an  der  oben  berechneten 
Kurve  auch  schon  beobachtet  war.  In  der  nächsten  Periode  ist  es 
umgekehrt,  die  Elreuzungen  sind  hier  wegen  der  starken  Assimi- 
lationsneigung so  zahlreich,  dais   auch   noch   ein  Teil  der  Assimi* 


478 

lationsneigong  der  äalseren  Viertel  dadurch  reduziert  wird.  Die 
berechnete  Kurve  zeigt  also  deutlich  die  bekannten  Perioden,  nur 
viel  kraseer  ausgesprochen,  als  es  der  Wirklichkeit  entspricht,  j 


Kurven  der  Qewichtsosiillationen. 


Nunmehr  soll  die  individualisierende  Methode  noch  weiter  fortr 
gesetzt  und  die  Viertel  wiederum  in  zwei  Hälften  geteilt  werden. 
Die  mittelsten  Viertel  jedoch  zeigen  zu  geringe  Differenzen,  als  dais 
sie,  ohne  dem  Zufall  zu  sehr  Baum  zu  geben,  noch  weiter  gespalten 
werden  könnten.     Sie  seien  vielmehr  umgekehrt  zu   einer  mittleren 


479 


Hälfte  Tereinigt,   welche  dann  ako  nahezu   dieselben  Einzel  werte 
mnfalst  als  der  oben  benatzte  .mittlere  Kern  "'s  ^ 


Gewichtssnnahine  nach  Achteln  gesondert 


Zeitnnm 

I.  Achtet 

extrem 
Leichte 

n.  Aohtel 

«ehr 
Leichte 

in-VI.  Aohtel 
Kern 

VU.  Achtel 

sehr 
Schwere 

VUl.  Achtel 

extrem 
Schwere 

Xm— XI7 

«,7* 

8,40 

4,26 

4,82 

7,1« 

XIV— XV 

6,68 

6,81 

6,87 

7,04 

6,75 

XV-XVI 

6,7* 

6,68 

6,68 

6,17 

4,32 

xvi-xvn 

6,0» 

4.91 

4,76 

8,61 

1,51 

Die  Tabelle  ist  so  regelmäüsig,  wie  man  sie  sich  nnr  wünschen 
kann.  Man  sieht  hier,  wie  das  fünfzehnte  und  sechzehnte 
Jahr,  welche  in  voriger  Tabelle  beide  als  gleich  erschienen,  doch 
noch  deutlich  sich  unterscheiden:  im  ersteren  Jahre  sind  es 
nur  die  Allerschwersten,  welche  sich  bereits  assimilieren 
müssen,  im  letzteren  schon  die  ganze  obere  Hälfte.  Beide 
Jahre  zeigen  als  Übergangsjahre  eine  regelmäisige  Kurve  mit  einem 
an-  und  einem  absteigenden  Schenkel,  während  das  vierzehnte  Jahr 
nur  den  aufsteigenden,  das  siebzehnte  Jahr  nur  den  absteigenden 
Schenkel  aufweisen.  Doch  damit  ist  die  Begelmälsigkeit  in  dieser 
Tabelle  (sowie  in  der  vorigen)  noch  nicht  erschöpft.  Denn  auch 
die  vertikalen  Spalten  zeigen  typischen  Verlauf.  Auch  hier  haben 
die  drei  mittelsten  Kolumnen  einen  auf-  und  einen  absteigenden 
Schenkel,  die  erste  nur  einen  auf-  die  letzte  nur  einen  absteigenden. 
Der  höchste  Punkt  liegt  in  der  ersten  Spalte  in  der  vierten  Reihe, 
rückt  dann  allmählich  vor  und  liegt  in  der  letzten  Kolumne  ganz . 
am  Anfang.  AuTserdem  ist  dieser  höchste  Punkt  in  allen  fünf 
Kolumnen  imgefähr  gleich  hoch.  Das  Oanze  macht  den  Eindruck, 
als  blicke  man  auf  fünf  nebeneinander  laufende  Wellen  von  gleicher 
Länge  und  Amplitude,  aber  verschiedener  Phase.  Dies  wird  noch 
klarer,  wenn  man  für  jede  Kolumne  eine  Kurve  (Fig.  14)  zeichnet,  wobei 
Steigen  der  Kurve  eine  beschleunigte.  Fallen  der  Kurve  eine  ver- 
zögerte Zunahme  bedeutet.     Man  sieht  jetzt  deutlich,  wie  einerseits 


»  Vgl.  S.  818  u.  408. 


480 

die  anfeteigendei),  anderseits  die  absteigenden  Schenkel  der  yier  ersten 
Karren  sich  fast  mathematisch  parallel  laufen.  Leider  umfasflen 
die  Karven  nnr  yier  Jahre. 

Es  seien,  um  auch  die  übrigen  Jahre  übersehen  zu  können, 
auch  die  für  die  Viertel  berechneten  Zahlen  der  vorhergehenden 
Tabelle  (S.  476)  in  derselben  Weise  zur  Kurvenzeichnung  herangezogen. 
Auch  diese  drei  Kurven  (Fig.  15)  zeigen  denselben  Parallelismus  und 

Kurven  der  Oewichtssunahme  (nach  Achteln  geordnet). 


1.0 

txM. 

V— 

V 

V 

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ff   ■ 

3 

B^ 

3 

a 

~3 

a." 

Fiir.  14. 


erscheinen  als  drei  nahezu  identische  Schwingungen,  die  sich  nur 
durch  Phasenabstände  von  je  ^/t  bis  1  Jahr  unterscheiden.  Dies 
Verhalten  wirft  nun  aber  ein  aufklärendes  Licht  auf  die 
gesamten  Wachstumserscheinungen  der  Pubertät.  Wir 
lernen  nämlich  jetzt  endlich  die  Gründe  für  alles  das 
kennen,  was  über  die  gegenseitige  Bedingtheit  der 
Wachstumsgeschwindigkeit  und  der  Oszillation  überall 
konstatiert  werden  konnte. 


481 


Überlegt  man  sich  ganz  im  allgemeinen  die  Verhältnisse, 
welche  das  Wachstnm  beeinflussen  können,  so  mnls  man  unter- 
scheiden:  ^änerseits  die  sozialen  und  überhaupt  alle  äufseren,  und 
anderseits  die  inneren  Bedingungen,  welche  als  latente  Kräfte  im 
Keimplasma  schlummern,  welche  je  nach  der  Zahl  der  ihrer 
Wirkung  gleiohmälsig  unterworfenen  Personen  als  allgemein  mensch- 
liche Eigenschaften,  als  Bassesonderheiten,  als  Volksoharaktere,  als 
Familienhabitus,    als    individuelle   Eigentümlichkeiten    in   die   Er- 


^ti. 

Kurven  der  Ctowichtszunahme  (nach  Vierteln  gesondert). 

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31 

Fig.  15. 

scheiQung  treten.  Wenn  man  annimmt,  dafis  gleiche  äuDsere  Be- 
dingungen die  Einzelnen  assimilieren,  ungleiche  aber  sie  di£feren* 
zieren,  so  ist  das  vorliegende  Untersuchungsmaterial  durchaus 
geeignet,  den  ersteren  Fall  zu  demonstrieren:  die  Knaben  der 
STOYschen  Erziehungsanstalt  wachsen  in  genau  der  gleichen 
Lebensweise  auf.  In  der  Tat  hatte  sich  oben  gezeigt,  dafs  hier 
ursprünglich  überall  die  positive  Assimilationsneigung  vorwaltet: 
infolge  des  gleichen  Milieus  sollen  alle   einzelnen  dem   Typus  an- 


482 

genfthert  werden;  aber  es  tritt  in  diesem  Ansgleick  entstandener  Ab- 
weichungen yielfaob  .  eine  Überkompensiernng,  welche  mathe- 
matisch als  Erenmng  der  Waohstnmsriohtnngen  erschien ,  ein,  wo- 
durch die  ursprünglich  stärkere  Assimilientngsneigung  abgeschwächt 
wird.  Die  Differenzierung  jedoch  Iftlst  sich  durch  ftulsere  Ursachen 
hier  nicht  erklären. 

Diejenigen  inneren  Ursachen,  an  welche  man  nun  zunächst 
denkt,  können  als  die  der  Konstitution  zusammengefiedst  werden. 
Hierdurch  entstehen  in  der  Tat  fortschreitende  Differenzierungen. 
Mag  man  dieselben  nun,  wie  oben  versucht,  durch  Paralysierung  der 
primär  in  gleicher  Kraft  wirkenden  indiyiduellen  Neigungen,  sich 
entgegenzuwachsen,  erklären,  oder  mag  man  sie  anderswo  her  ableiten 
—  die  Tatsache  ihres  Bestehens  unterliegt  keinem  ZweifeL  Denn  stets 
sind  die  Erwachsenen,  auch  bei  gleichem  äuiserem  Milieu,  differen- 
zierter als  die  Neugeborenen;  a  priori  würde  man  vielleicht  an- 
nehmen, daüs  von  Jahr  zu  Jahr  die  Differenzierung  gleichmäfsig  mit 
dem  Wachstum  zunehme,  so  dafs  die  „Kurven  der  mittleren  GrOfse 
usw.^  aller  Individuen  stets  nebeneinander  herliefen  und  sich  dabei 
allmählich  voneinander  entfernten.  In  Wirklichkeit  aber  ist  das 
Verhalten  ganz  anders:  Zeichnet  man  z.  B.  die  Kurven  des  mitt- 
leren Körpergewichts  für  das  unterste  und  oberste  Viertel  und  den 
mittleren  Kern  der  £inzelwerte  (Fig.  16),  so  sieht  man,  gemäls  allen 
anderen  hier  angestellten  Berechnungen,  die  übergroüse  Differenzierung 
bis  zum  sechzehnten  und  die  Assimiliernng  dann  bis  zum  achtzehnten 
Jahre.  Dieses  periodische  Abwechseln  der  grölseren  und  kleineren 
Oszillation  läfst  sich  durch  die  Annahme  der  in  der  Konstitution 
begründeten  Differenzierung  nicht  erklären. 

Und  doch  muls  eine  innere  Ursache  fär  alle  die  G^esetzmäCdg- 
keiten  vorhanden  sein,  die  sich  auf  mehrfachem  Wege  hatten  zeigen 
lassen.  Nun,  die  oben  geschilderte  primSre  Identität  imd  die  nur 
durch  den  Phasenabstand  hervorgerufene  Verschiedenheit  der  Kurven 
der  nach  Vierteln  oder  Achteln  gesonderten  Gewichtszunahme  geben 
den  Schlüssel.  Er  besteht  in  dem  Phasenabstand  der  Kurven,  d.  h. 
in  den  zeitlichen  Differenzen  im  Einsetzen,  Verlaufen  und  Sich- 
vollenden einer  jeden  Periode  des  Wachstums  bei  den  verschiedenen 
Individuen.  Selbstverständlich  gehen  aufserdem  noch  bleibende 
Differenzierungen  der  Konstitution  nebenher,  denn  die  Oszillations- 
indices  sind  am  Ende  der  dritten  Periode  grö&er  als  am  Ende  der 
ersten;  aber  diese  konstitutiven  Unterschiede  sind  verhältnis- 
mälsig  recht  gering  (r^g  =  3,92  gegen  r^^  =  2,29  beim  Gewicht  und 


483. 


rj9  =  8,79  gegen  r^^  =  B,42  bei  der  Länge),  können  jedenfalls 
gegenüber  den  grofeen  periodischen  Schwankungen  der 
zeitlichen  Verschiedenheiten  gar  nicht  aufkommen  und 
können  hier  yemachlfissigt  werden,   während  man   in  einer  anthro- 


Knnren  der  mittleren  Körpergewichte. 

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K  HL 

Fiff.  16. 

pologischen  Untersuchung,  in  der  man  gerade  sie  erforschen  wollte, 
die  Wirkungen  der  zeitlichen  Differenzen  erst  abziehen  mttfste,  was 
bisher  in  solchen  Untersuchungen  versäumt  wurde. 

Wie  aber  der  verschiedene  Eintritt   der  Pubertät  mit 
ihren  Vor-  und  Nachwirkungen  jene  periodischen  Schwankungen  der 


484 

Ossillation  erklären  könne,    das   maolie   man  sich  am  besten  an  ein 
paar  Beispielen  klar. 

Man  denke  sich  eine  Abteilung  Soldaten  auf  der  Landstrafse; 
die  Zehntelkilometersteine  zur  Seite  symbolisieren  uns  die  Kilo- 
gramme des  Körpergewichts  resp.  die  Zentimeter  der  Köiperlftnge. 
Dann  stellt  die  Entfernung  des  ersten  bis  zum  letzten  die  Oszillation 
dar.  Die  Soldaten  marschieren  gleiohmäJbig  und  legen  in  jeder 
Stunde,  die  uns  einen  Lebensabschnitt  repräsentieren  möge,  ihre 
4  oder  5  km  zurück.  Die  Soldaten  bleiben  gleichmäfsig  angeschlossen 
und  nehmen  immer  die  gleichgrofse  Strecke  der  Chaussee  (Oszillation) 
ein.  Da  wird  Laufschritt  kommandiert.  Könnten  jetzt  alle  gleich- 
zeitig mit  dem  Laufen  beginnen,  so  würde  die  Ausdehnung  des 
Zuges  auch  jetzt  noch  die  gleiche  bleiben.  Aber  es  ist  kein  Raum 
für  alle,  gleichzeitig  auszuholen:  Der  Laufschritt  beginnt  von  vom 
an»  sich  ganz  allmählich  auf  die  ganze  Abteilung  fortzusetzen.  Der 
Zug  dehnt  sich  immer  mehr  aus.  (Periode  der  Beschleunigung  und 
Differenzierung.)  Endlich  laufen  alle,  die  Ausdehnung  hat  ihr 
Maximum  erreicht,  aber  da  wird  auch  schon  „Halt*  kommandiert. 
Die  ersten  halten  sofort  an  (Aufhören  des  Längenwachstums  bei 
den  grölsten),  die  anderen  aber  ziehen  erst  ganz  dicht  heran  und 
machen  erst  dann  ruckweise  Halt.  (Periode  der  Verzögerung  und 
Assimilation.)  Das  nicht  gleichzeitige  Einsetzen  und  Auf- 
hören der  schnelleren  Bewegung  ist  also  der  wahre  G-rund 
des  gröfser  und  geringer  werdendenünterschiedes  zwischen 
der  Tdte  und  dem  Queu.  —  Das  Beispiel  hinkt  jedoch  insofern, 
als  hier  die  gröfsere  Entfernung  der  einzelnen  nicht  durch  die 
Schnelligkeit  der  Bewegung  selbst,  sondern  durch  einen  Neben- 
umstand, das  Nichtplatzhaben,  bewirkt  wird.  Man  gestatte  daher 
noch  folgendes  Beispiel:  ich  vergleiche  die  untersuchten  Schüler  mit 
einer  bestimmten  Menge  bunter  Holzkugeln,  welche  in  einen  Bach 
geworfen  sind.  Sie  schwimmen  in  einiger  Entfernung  voneinander. 
Da  naht  sich  ein  Wasserfall;  die  Kugeln  können  ihn  nicht  alle 
gleichzeitig  passieren;  die  vordersten  nahen  sich  seinem  Bande  und 
gleiten  pfeilschnell  von  den  anderen  fort.  Einen  Augenblick  später 
ist  der  ganze  Wasserfall  von  den  Kugeln  eingenommen.  Je  weiter 
nach  unten,  desto  schneller  fällt  das  Wasser,  desto  gröiser  der  Abstand 
der  Kugeln.  Da  erreichen  die  ersten  die  Talsohle,  und  nun  fällt  der 
lange  bunte  Streifen  wieder  ganz  in  sich  zusammen  und  sieht  dann 
als  schmaler  Strich  weiter  durch  das  Gelände,  bald  sich  verbreiternd, 
bald  sich  verschmälemd,  je  nachdem  das  Gefälle  zu-  oder  abnimmt. 


485 

Der  Anwendimg  dieser  Beispiele  auf  nnser  Thema  braucht  wohl 
nichts  hinzugesetzt  werden.  Die  gegebene  nnd  als  konstant  ange- 
sehene Zeitdifferenz  des  Eintretens  der  einzelnen  in  die  yersohiedenen 
Geschwindigkeitsphasen  erkl&rt  alles.  Ware  im  letzteren  Beispiele  die 
gegebene  Zeitdifferenz  der  Kngeln  gegeben,  so  könnte  für  jeden 
Abschnitt  des  Baches  ans  dem  vorhandenen  GefUle  genau  die  da- 
selbst entstehende  Differenzierung  berechnet  werden:  der  Abstand 
der  Kugeln  ist  eine  einfache  mathematische  Funktion  des  Gefälles.  So 
ist  auch  die  Oszillation  eine  Funktion  der  relativen  jähr- 
lichen Zunahme.  —  Photographierte  man  aus  der  Vogelperspektive 
jenen  sich  dehnenden  und  sich  verkürzenden  farbigen  Streifen  auf 
eine  nach  Art  des  Sphygmographen  verschiebliche,  aber  lichtempfind- 
liche Platte  in  einer  Reihe  von  gleichmäfsig  folgenden  Moment- 
anfiiahmen,  so  würde  man  ganz  dasselbe  Bild  bekommen,  welches 
wir  jetzt  für  unsere  Messungen  herstellen  wollen.  Wir  fragen  jetzt 
nämlich,  wie  sich  die  Einzelwerte  auf  die  verschiedenen  Gewichte 
tatsächlich  in  den  verschiedenen  Jahren  verteilen,  während  wir  dort 
in  unserer  Phantasie  die  Verteilung  der  einzelnen  Kugeln  auf  die 
verschiedenen  Örtlichen  Stellen  in  den  verschiedenen  zeitlichen  Auf- 
nahmen photographierten.  —  Wir  nehmen  Bubriken,  von  je  zwei 
zu  zwei  Kilogramm  steigend,  und  tragen  die  Anzahl  der  Werte, 
welche  als  innerhalb  dieser  Rubrik  liegend  gefunden  wurden,  in  die- 
selbe ein  (S.  486). 

Überschaut  man  hier  die  vertikalen  Spalten  von  links  nach 
rechts,  so  sieht  man  sofort,  wie  tatsächlich  schon  auf  diesem  höchst 
einfachen  Wege  die  zu-  und  abnehmende  DifferenzieruDg  nach* 
gewiesen  werden  kann.  Allerdings  ist  der  Versuch  wegen  des  in 
den  verschiedenen  Jahren  ungleichen  Materials  nicht  ganz  rein.  Es 
sind  deshalb  (auiser  den  mittleren  Gewichten)  die  halbseitigen  Os- 
zillationsezponenten  (vergl.  S.  314)  nach  oben  und  nach  unten  vom 
Mittel  in  G^talt  von  Pfeilen  eingezeichnet  worden. 

Obgleich  die  ganze  Erörterung  nur  an  das  Verhalten  der  Einzel- 
gewichte angeknüpft  wurde,  gilt  sie  natürlich  auch  für  die  KOrper- 
grOüie.  Man  kann  einwenden,  dals  ja  hier  nicht  die  Identität  der 
Kurven,  welche  nach  der  individuellen  Jahreszunahme  der  einzelnen 
Viertel  resp.  Achtel  gezeichnet  waren,  nachgewiesen  werden  konnte, 
man  also  annehmen  müsse,  dals  sie  sich,  zeichnete  man  sie,  durch 
mehr  als  durch  den  gleichmäfsigen  Phasenabstand  unterschieden! 
Dagegen  muiCs  betont  werden,  dals  die  Kurven  der  einzelnen  Viertel 
usw.  insofern  ein  Kunstprodukt  sind,  als  z.  B.  das  Viertel  der  ganz 


486 

leiohten,  keineswegs  immer  genaa  aus  den  gleichen  Individuen  sich 
ssnsammensetzt,  dals  man  also  keineswegs  von  dieser  künstlioh  kon- 
struierten Kurye  unbedingt  erwarten  kann,  sie  zeige  noch  die  Iden- 
tität der  wirklich  vorhandenen  Waohstumskurve  der  einzelnen.  Nur 
wegen    der   sehr    kräftigen    relativen    Gewichtszunahme   und    ihrer 


75-80 

1 

3 

70-76 
68-70 
66-68 
64-66 
62-64 

Die  Vertettung  der  Einzel- 
gewichte 
im  IfalMtabe  von  2  sa  2  kg, 
nnter  ZnfögaDg  der  hallMeitigen 
OndllaiioiuexponeDten. 

1 

2 

1 
1 
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2       5      2t   8 

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60-62 

2 

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1        1 

58-60 

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10 

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48-50 

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1 

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86-88 

— 

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1 

84-86 

1, 

1 

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1 
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80-32 
28-30 

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26-28 

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24—26 

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1 

4 

2 

22-24 

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8 

20-22 

4 

VIII 

IX 

X 

XI     XII 

XIII 

XIV 

XV 

xvixviixvinxix 

XX  XXI 

sehr  deutlichen  relativen  Schwankungen  sind  hier  die  vorhandenen, 
aber  nicht  gezeichneten  Kurven  der  Zunahme  bei  den  einzelnen  mit 
so  weiter  Amplitude  versehen,  dals  trotz  der  angefahrten,  ziemlich 
ergiebigen  Fehlerquelle  beim  Zusammensetzen  der  Einzelkurven  in 
Viertel-  oder  Achtelkurven  die  Oesetzmftbigkeit  noch  deutlich  war. 


487 

Bei  der  EOrpergrölse,  welche  relativ  viel  geringer  zunimmt,  hatten 
die  Einzelknrven  eine  so  geringe  Amplitude,  dalls  ihre  Gesetzmäfsig- 
keit  beim  Aufstellen  der  Viertelkurven  von  der  Fehlerquelle  weg- 
geschwemmt wurde.  Die  Identität  der  Viertelkurven  beweist 
die  oben  erörterten  Verhältnisse  für  das  Gewicht,  ihre 
Nichtidentität  beweist  nichts  gegen  das  Vorhandensein 
bei  der  Eörpergröfse.  Nun  zeigte  diese  aber  während  der  ganzen 
Untersuchung  ein  ganz  analoges  Verhalten  wie  das  Körpergewicht. 
Was  sich  also  nur  bei  dem  einen  Phänomene  infolge  günstiger  Neben- 
umstände nachweisen  lieis,  lälst  sich  imbedenklich  auf  das  andere, 
welches  ganz  die  gleichen  Eigenschaften,  nur  relativ  schwächer  aus- 
gebildet, zeigt,  durch  Analogieschlufs  übertragen.  Dazu  kommt,  dals 
eine  andere  Erklärung  der  Erscheinungen  kaum  möglich  sein  dürfte, 
80  dafs  man  schon  per  exdusionem  auf  diesen  Erklärungsgrund  ge- 
f&brt  wird,  der  bei  dem  einen  Phänomene  so  schön  illustriert  werden 
konnte.  Es  kann  also  angenommen  werden,  dals  auch  für  die  Körper« 
grö&e  jene  induktiv  gefundene  zeitliche  Übereinstimmung  zwischen 
der  Geschwindigkeit  des  Wachstums  und  der  Oszillation  der  Einzel- 
werte um  den  Mittelwert  darauf  beruht,  dals  die  einzelnen,  in  der 
gleichen  Lebensweise  der  Erziehungsanstalt,  ganz  dieselben  Wachs- 
tamsphasen  durchlaufen,  aber  nicht  alle  zur  gleichen  Zeit; 
diesen  Umstand  sollten  die  Pädagogen  beaohtenl  Auch 
ftir  die  Körpergrölse  ist  die  Verteilung  der  einzelnen  auf  die  von 
2  zu  2  cm  steigenden  Rubriken  dargestellt  und  die  halbseitigen 
Oszillationsexponenten  dazu  gezeichnet  (S.  488).  Das  Bild  ist  dasselbe 
wie  beim  Körpergewicht,   rechtfertigt  also  unseren  Analogieschluls. 

Diese  Verteilungstabelle  kann  auch  zu  praktischen,  schulhygie- 
nischen  Zwecken  benutzt  werden.  Da  die  Schulbank  den  Körper- 
proportionen angepafst  sein  soll,  diese  aber  ihren  kürzesten  statisti- 
schen Ausdruck  in  den  Zahlen  des  Längenwachstums  finden,  so 
müssen  die  Subsellien  je  nach  der  Körpergrölse  der  vorhandenen 
Schüler  angescha£ft  werden.  Nach  den  Angaben  von  A.  Spibss^ 
mub  für  je  10  cm  Körpergrölse  eine  neue  Banknummer  vorhanden 
sein.  Nach  unserer  Tabelle  müDsten  also  für  die  Hauptentwicklungs- 
jahre mehr  Banknummem  angeschafft  werden  als  für  das  übrige 
Lebensalter,  so  dals  die  sonst  üblichen  drei  Nummern  pro  Klasse 
hier  kaum   genügen.    —  Auch  die  Verteilungstabelle   der  Körper- 


^  ifZnr  praktischen  Losung  der  Snbsellienfrage.^     Deutsche  VierUi^ahra^ 
*^^ft  für  öffenüiche  Gesundheitapflege.    1885. 


488 


186-188 

1 

184-186 
182—184 
180-182 
178-180 
176—178 
174—176 

Die 

Varteilimf  der  «insalnan 
Kttrp«rgrOIseiL 

im  MaHntabe  Ton  2  sn  2  om, 
unter  Zufügung  der  halbseit. 

1 
1 

1 
1 

1 
3 

2 

1 
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6 
4 

1 

2       4       1             1 

6      2       1 

6      8      2      1- 

2       ^>h   n  1    - 

172-174 

1 

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168-170 

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6 

1      1 

166-168 

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164-166 

— 

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162—164 

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160—162 

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168—160 

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164-166 

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1 

186-188 

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1 

184—186 

1 

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182-184 

2 

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180-182 

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128—180 

1 

1 

8 

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126-128 

2 

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f  4 

1     — 

124-126  ' 

'   2 

— 

1 

1       1 

122-124 

— ' 

^    1 

1 

120-122 

1 

2 

118-120  > 

r- 

116-118 

8 

vm    Dt     X     XI    xn  xin  xiv  xv  xvi  xviixvinxix  xxxxi 

gewichte  könnte   eventaell    für    die   Konstruktion   Ton   Turngerät- 
sohaften  und  dergl.  von  praktischem  l^ntzen  sein. 


489 

Ans  beiden  Tabellen  kann  man  auch  nachtrftglicb  noch  sehen,  wie 
wenig  wissenschaftliohen  nnd  praktischen  Wert  der  üblichen  Methode, 
dem  Mittelwerte  nur  die  Maxima  und  Minima  hinznznfflgen,  beizu- 
legen ist.  Wie  sehr  herrscht  hier  der  Zufall  1  Wie  irreführend  sind 
£.  B.  beide  Extreme  der  Körperlftnge  des  dreizehnten  Jahrs,  wo  das 
Maximum  etwa  14  cm  über  dem  nClchsthOheren  Wert  liegt,  also 
einen  ganz  exzeptionellen  Fall  darstellt,  der  mit  der  übrigen  Ver- 
teilnng  der  Einzelwerte  nichts  zu  tun  hat.  Und  dies  gilt  mehr 
oder  weniger  für  alle  Extreme. 

So  hat  also  die  in  diesem  Abschnitte  eingeschlagene  Methode, 
ans  dem  jährlichen  Wachstum  der  einzelnen  heraus  die  Tatsachen» 
weiche  durch  Yergleichnng  der  Mittelwerte  und  der  Oszillations- 
exponenten in  den  früheren  beiden  Abschnitten  eruiert  waren,  zu 
erklftren,  durchaus  befriedigende,  bestätigende  und  erweiternde  Be- 
sultate  geliefert  Namentlich  hat  sich  der  eigentliche  Grund  des 
vorher  beobachteten  engen  Zusammenhangs  zwischen  der  relativen 
j&hrliohen  Zunahme  und  der  gleichzeitigen  Oszillation  in  dem  zeit- 
lich verschiedenen  Einsetzen  der  Pubertät  bei  den  einzelnen  (trotz 
der  gleichen  Lebensweisel)  ergeben.  Aber  noch  etwas  Drittes  stand 
laut  den  Ergebnissen  der  ersten  Abschnitte  aufs  innigste  in  Ver- 
bindung damit:  In  beschleunigten  Wachstumsperioden  wichen  die 
Übermittelkräftigen  mehr  ab,  in  verzögerten  die  üntermittelkräftigen. 
Lslst  sich  auch  dieser  Zusammenhang  aus  demselben  Grund  erklären? 
Gewüa.  Denn  um  bei  dem  obigen  Beispiele  zu  bleiben,  müssen, 
solange  noch  Kugeln  oberhalb  des  Wasserfalls  sind,  diese  enger 
zusammengedrängt,  d.  h.  weniger  oszillierend  liegen  als  die  vorderen, 
durch  die  schnelle  Bewegung  vom  Mittel  weit  Entfernten.  So  würde 
auch  die  jährliche  Verteilungskurve  der  Einzelwerte  bei  der  statisti- 
schen Untersuchung  des  Wachstums  nur  bei  gleichmäiSsigem  oder 
erloschenem  Wachstum  gleichschenklig  sein,  sonst  dagegen  nach 
oben  oder  nach  unten  auf  gröiseren  Abszissenabschnitten  fa&en,  je 
nachdem  die  Geschwindigkeit  des  Wachstums  und  die  Differenz  der 
Einzelwerte  zu-  oder  abnimmt.  Der  erste,  linke  Schenkel  weist  auf 
die  Formation  der  Kurve  in  der  Vergangenheit,  der  zweite,  rechte 
auf  die  in  der  Zukunft. 

Schlufswort. 

In  der  hiermit  abgeschlossenen  Untersuchung  wurde  das  Haupt- 
augenmerk auf  die  Weiterbildung  der  bisher  namentlich  durch 
Ihsriho  (1877),   Stieda  (1883),   Gsisslbr  und  Uhlitzsch  (1888) 

Schalcresandheitipfleire«  XVIII.  27 


490 

sowie  Erismann  (1889)  geförderten,  aber  immer  nooh  recht  mangel- 
haften und  daher  vielfach  zu  Fehlschlüssen  fahrenden  rechne- 
rischen Methodik  für  Wachstnmsphysiologie  und  Anthro- 
pometrie  gelegt.  Namentlich  sei  auf  die  auch  schulhygienisch 
wichtige  hier  gefundene  Methode  der  Bestimmung  des  jährlichen 
relativen  Horizontalwachstums  (als  Quadratwurzel  aus  dem  Quo- 
tienten der  jährlichen  relativen  Gewichtsvermehrung  durch  die  rela- 
tive jährliche  Längenzunahme)  und  femer  auf  die  methodologische 
Ergründung  des  von  Qubtblbt  gefundenen,  aber  weder  von  ihm 
noch  von  E^kapp  richtig  gedeuteten  Unterschiedes  der  Streuung  der 
Gewichtszahlen  Erwachsener  gegenüber  der  Streuung  ihrer  Längen- 
maCse  hingewiesen. 

Aber  neben  der  Weiterbildung  der  Methode  konnten  auch  schon 
Resultate  gefördert  werden.  Diese  gipfeln  in  dem  exakten  Nachweis 
mehrerer  einander  entgegengesetzter  Perioden  im  schulpfliohtlichen 
Alter  und  der  sie  trennenden  Wendepunkte. 

Der  wichtigste  Wendepunkt  (der  bei  den  STOYschen  Knaben 
durchschnittlich  mit  dem  vollendeten  fünfzehnten  Lebensjahre  ein- 
tritt) ist  allerdings  allbekannt ,  er  ist  der  Höhepunkt  des  Einsetzens 
der  geschlechtlichen  Reife,  der  Pubertätstermin,  der  bei  Knaben 
am  deutlichsten  durch  den  Stimmwechsel  markiert  ist.  Neu  ist 
dagegen,  dafs  man  für  diesen  Wendepunkt  nicht  weniger  als  fünf 
rechnerische  Indizien  aufstellen  kann,  von  denen  jedes  der 
ersten  vier  Gewichts-  und  Längenzunahme,  das  fünfte  aber  ihr  gegen- 
seitiges Verhältnis  betrifft. 

Es  sind  folgende: 

1.  Die  Kurve  des  „wahrscheinlichen  Mittels^  überholt  die  des  „arith- 
metischen Mittels". 

2.  Beide  Kurven  beginnen  flacher  zu  werden. 

3.  Positive  Abweichungen  vom  Mittelwert  sind  gleich  häufig  und 
gleich  stark,  während  in  den  Jahren  vorher  die  positiven,  in 
den  Jahren  nachher  die  negativen  Abweichungen  stärker  aus- 
geprägt sind. 

4.  Die  Gesamtstreuung  der  Einzelwerte  um  den  Mittelwert,  die  in 
den  letzten  Jahren  in  steter  Zunahme  begriffen  gewesen  war, 
nimmt  von  nun  an  wieder  ab. 

5.  Die  relative  jährliche  Zunahme  (eine  Gröfse,  die  trotz  ihrer  domi- 
nierenden Bedeutung  für  die  Wachstumsphysiologie  überhaupt 
erst  in  dieser  Arbeit  richtig  bestimmt  worden  ist)  ist  für  die 
Körperlänge  in  den  Jahren  vorher  gröDser,  in  den  Jahren  nach- 


491 

her  kleiner  als  die  dritte  Wurzel  der  relativen  j&hrlichen  Zunahme 

f&r  xias  Körpergewicht. 
Diese  detaillierte  Definition  des  waohstomsphysiologisohen  Wende- 
punktes der  Pubertät  durch  f&nf  mathematische  Indizien  erlaubt  nun 
mit  voller  Sicherheit  zu  sagen,  daüs  in  jeder  Phase  des  Wachs- 
tums, in  der  sich  die  fünf  Indizien  nachweisen  lassen, 
ein  dem  Pubertätstermin  gleichwertiger  Wendepunkt  der 
Entwicklung  stattfindet. 

Nun  zeigten  die  STOYschen  Knaben  gegen  Ende  des  zwölften 
Lebensjahres  einen  Wendepunkt,  an  dem  sich  sämtliche  fünf  Indizien, 
allerdings  sämtlich  so,  dalis  Vergangenheit  und  Zukunft  miteinander 
umgetauscht  sind.  Man  kann  ihn  im  Verhältnis  zu  jenem  als  einen 
negativen  Wendepunkt  bezeichnen.  Stellt  der  „positive^  Wende- 
punkt des  Pubertätstermins  den  Höhepunkt  eines  Wachstumsalters 
dar,  so  bezeichnet  ein  solcher  „negativer*'  Wendepunkt  den  Tief- 
punkt zwischen  zwei  sich  ablösenden  Wachstumsaltem. 

Ein  genau  gleicher  „negativer**  Wendepunkt  mit  fünf  „umge- 
tauschten*' Indizien  stellt  das  Ende  des  achtzehnten  Lebensjahrs  dar, 
aber  nur  für  das  Körpergewicht.  Vom  Längenwachstum  dagegen 
kann  man  praktisch  wohl  sagen,  dafis  es  in  irgendeiner  Zeit  auf- 
hört, aber  da  keine  neue  Wachstumsperiode  folgt,  handelt  es  sich 
dabei  um  keinen  Wendepunkt.  Streng  theoretisch  also  gehört  für 
das  Längenwachstum  die  ganze  auf  den  Pubertätstermin 
folgende  Lebenszeit  zu  einer  einzigen  Periode. 

Wohl  aber  liegen  zwischen  der  Geburt  und  dem  gegen  Ende 
des  zwölften  Lebensjahres  gefundenen  Tiefpunkt  des  Wachstums 
mehrere  Perioden.  Deutlich  weisen  die  verschiedenen  Kurven  auf 
einen  zweiten  Höhepunkt  des  Wachstums  hin,  dessen  Termin  sich 
an  den  STOTschen  Knaben  wegen  des  meist  späteren  Eintritts  in  die 
Anstalt  nicht  genau  bestimmen  läfst,  der  aber  alle  fünf  Indizien  in 
der  gleichen  Sichtung  wie  das  der  Pubertät  aufweisen  muls  und  der 
in  das  achte  Lebensjahr  fallen  dürfte.  Wegen  der  völligen  Gleich- 
heit der  statistischcD  Erscheinung  möchte  ich  ihn  kurz  als  Proto- 
pubertätstermin  bezeichnen.  Wie  der  Pubertätstermin  durch  den 
Stimmwechsel,  so  ist  er  durch  den  Zahnwechsel  markiert. 

Wenn  aber  der  Durchbruch  der  zweiten  Zähne  einen  solchen 
Höhepunkt  der  Wachstumsenergie  markiert,  so  dürfte  der  der  ersten 
Zähne,  der  mit  Sprach-  und  Gangerlernung  voll  zusammen- 
fiült,  gleichfalls  einen  solchen  darstellen.  Wir  hätten  also  im  zweiten, 
achten  und  am  Ende  des  fünfzehnten  Lebensjahres  einen  „positiven", 

27» 


492 

und  dazwiMhen,  etwa  im  fünften  und  gegen  Ende  des  zwölften, 
einen  .»negaÜTen"  Wendepunkt. 

Wenn  diese  Ergebnisse  anoh  an  anderem  Materiale  yOllig  sicher 
gestellt  sein  werden,  werden  sie  nicht  nnr  eine  natar-,  sondern  auch 
eine  knltnrwissenschaftliohe  fiedentang  erlangen.^  Wenigstens  wird 
derjenige,  der  der  Überzengnng  lebt,  dals  Körper  und  G^ist  un- 
möglich wie  zwei  disharmonierende  Uhren  nebeneinander  herpendeln 
können,  den  waohstnmsphysiologiBchen  Perioden  eine  Bedentang 
anch  für  die  pädagogische  Psychologie  und  damit  mittelbar 
fOr  die  praktischen  Erziehnngsfragen  geben.  Und  an  diesem  Punkte 
der  Überlegnng  wird  man  sich  stets  des  groüsen  von  so  yielen 
Gfeistesheroen  yon  Kant,  Hbrdbu  und  Gobthb  bis  Ooxtb,  Hboel 
und  Hbrbabt  geänlSgerten  Gedankens  vom  ParalleUsmus  der  Indi* 
yidnalentwicklung  mit  der  Knltnrentwicklnng  erinnern,  einen  G^ 
danken,  der  in  einer  Zeit,  wo  Haeckels  „biogenetisches  (Grund- 
gesetz'' zum  eisernen  Bestand  der  Naturwissenschaften  gehört,  nicht 
mehr  angezweifelt  werden  sollte.*  Dals  die  die  Bassenyei^angenheit 
rekapitulierenden  Tendenzen  des  heranwachsenden  Individuums  von 
den  Einfltkssen  der  eigenen  Zeit  lebhaft  gekreuzt  werden,  gilt  fOr 
die  geistige  Entwicklung  ebenso  wie  für  die  körperliche.  (Habcksls 
Kainogenesis  =  Neuentwicklung.) 

Aber  ein  noch  weiterer  Fingerzeig  läfst  sich  geben:  selbst  in 
der  Frage,  welche  Lebensalter,  mit  welchen  „historischen''  und  so- 
genannten „prähistorischen'^  Kulturperioden  der  europäischen  Bässen^ 
in  Parallele  zu  setzen  seien,  wird  die  yorliegende  Untersuchung  ein 
ganz  klein  wenig  mitreden  können.  Denn  wenn  im  wachsenden 
Menschen  alte  Bassenzustände  rekapituliert  werden  sollen,  so  bedeutet 
Wac^stumsbeschleunigung  Rekapitulation  von  Bassenvergröügenuig, 
Waohstumsyerzögerung  Rekapitulation  von  Rassenyerkleinerung.  Eine 
solche  abwechselnde  Yergröfserung  und  Verkleinerung  des  ftkhrenden 
Rassentypus  in  Europa  lielSge  sich  aber  yielleicht  schon  aus  den 
gegenwärtig  yorliegenden  spärlichen  Nachrichten  und  Funden  wahr* 
soheinlich  machen.    Doch  dayon  ein  anderes  MaL 


^  Vgl.  Koch-Hs88e:  „Wachstamiperioden  beim  Menschen.''  IbUtis^ 
anihrapol  Beme,  m.  Jahrg.  Nr.  11. 

'  EnergiBoh  vertreten  auch  vom  Philosophen  Vaihinobr  „Natorforschung 
und  Sohnle**.    Göln  nnd  Leipzig,  1889.    Albert  Ahn.   Daselbst  viele  Literatur. 

'  Von  einer  Verallgemeinerung  der  Perioden  auf  die  Menschheit  sei 
dringend  gewarnt.  Die  Untersuchungen  müssen  womöglich  für  jede  Nation 
besonders  gefuhrt  werden. 


493 


Uns  ^txfammiun^tn  nnb  Deretnen. 


Die  Pflege 
der  körperlichen  Übnngen  im  nachschnlpflichtigen  Alter. 

Vortrag  an  der  6.  JahreBversammlung 

der  Sohweizerisohen  Gesellschaft  für  Sohalgesundheits- 

pflege,  14.  und  15.  Mai  in  Luzern. 

Von 
JoH.  Spvhleb,  Seminarlehrer  in  Zürich. 

Es  erfüllt  den  fühlenden  Menschenfreund  mit  Befriedigung  und 
mit  Genugtuung,  wenn  er  auf  die  Menge  von  WohlfEihrtseinrichtungen 
schaut,  welche  das  19.  Jahrhundert  bereits  geschaffen  und  die  zweifel- 
los das  20.  Jahrhundert  vermehren  wird.  Es  sei  erinnert  an  die 
Yersorgungsanstalten  für  körperlich,  geistig  und  sittlich  Minder- 
entwickelte im  Kindesalter,  an  die  staatlichen  und  privaten  Heil- 
anstalten und  Sanatorien,  an  die  Besserungs-  und  Bewahranstalten 
jedweder  Art  und  an  die  Fürsorge  für  Krüppel,  Geistesschwache  und 
Verbrecher. 

Allein  die  Sache  hat  auch  eine  andere  Seite.  Worauf  weist 
das  Bedürfnis  nach  so  vielen  Wohl&hrtseinrichtungen  hin?  GewUs 
auf  eine  starke  Geffthrdung  der  Yolkskraft  und  der  Yolks- 
gesundheit.  Diese  ist  nachgewiesen  durch  die  Krankheits-  und 
Sterblichkeitsstatistik  einerseits  und  durch  die  Ergebnisse  der  sanita- 
rischen  Untersuchungen  und  der  sie  ergänzenden  phjrsischen  Leistungs- 
fthigkeitsprüfungen  anläßlich  der  Bekrutenaushebungen  andererseits. 

Überaus  betrübend  sind  diese  letzteren,  und  gewüs  hat  unsere 
Yolkskraft  schon  eine  starke  Einbulse  erlitten;  gibt  es  doch  Gegenden, 
wo  kaum  mehr  als  40%  der  Jungmannschaft  rekrutiert  werden 
können. 

Wie  viele  Tausende  kommen  jährlich  um  als  Opfer  des  Alkoho- 
lismus und  der  Geschlechtskrankheiten,  oder  füllen  die  Kranken-  und 
Irrenanstalten  I  Und  die  Lungenschwindsucht  erst,  die  verderblichste 
und  verbreitetste  Yolksseuohel  In  den  letzten  zebn  Jabren  des  ver- 
flossenen Jahrhunderts  erlagen  in  Deutschland  jährlich  87  600  Menschen 


494 

im  Alter  yon  über  16  Jahren  dieser  Krankheit  —  über  ein  Drittel 
sämtlicher  Todesf&lle  in  diesem  Alter.  Gegen  226000  Personen 
befanden  sich  nach  der  Sohtttzong  als  unproduktiv  in  Kranken- 
behandlnng.^ 

[Jnd  nun  die  Verhältnisse  der  Schweiz.  Nach  den  Angaben  des 
statistischen  Bureau  des  Departements  des  Innern,  fielen  von  den 
37  125  Todesfällen  des  Jahres  1903  in  der  Schweiz  nur  2360  (6.36%) 
auf  Alterschwäche,  dagegen  3987  (10,74  Vo)  auf  angeborene  Lebens- 
schwäche. Von  der  Lungentuberkulose  wurden  6381  Menschen(17,2Vo) 
dahingera£ft,  von  andern  tuberkulösen  Elrankheiten  2585  Menschen 
(6,97  7«).  Subtrahieren  wir  von  der  Gesamtzahl  der  Todesfelle  nur 
die  3987  aus  angeborener  Lebensschwäche  erfolgten  und  die  3812 
im  ersten  Lebensjahr  dem  Darmkatarrh  erlegenen  Kinder,  so 
macht  die  Lungentuberkulose  21,76  Vo  der  übrigen  (29  326)  Todes- 
fUle  aus,  und  zögen  wir  nur  die  Todes&lle  vom  15.  Altersjahr  an, 
da  die  Tuberkulosis  einzusetzen  beginnt,  in  Betracht,  so  würden  wir 
wohl  erkennen,  dafs  auch  bei  uns  ein  Drittel  sämtlicher  Todes&lle 
durch  die  Lungenschwindsucht  veranlafst  wird. 

Gegen  diese  Schädigung  der  Volkskraft  und  Yolksgesundheit 
gibt  es  kein  Allheilmittel;  aber  als  einer  der  wirkungsvolliiten  Ver- 
bündeten im  Kampfe  gegen  die  gesundheitliche  Verlotterung  unseres 
Volkes  ist  geregelte  Tätigkeit,  ist  hinreichende  körper- 
liche Bewegung  zu  betrachten.  In  Städten  und  Lidustriezentren, 
wo  der  Kampf  ums  Dasein  sich  hauptsächlich  mit  geistigen  Wa£fen 
abspielt,  liefert  das  Beru&leben  entweder  nicht  genügend  körperliche 
Anstrengung  oder  es  ist  diese  nur  einseitig.  Ein  ganzes  Heer  von 
Krankheiten  ist  die  Folge  dieser  körperlichen  Untätigkeit  oder  ein- 
seitigen Beschäftigung,  zum  mindesten  aber  erzeugen  die  nicht  voll- 
ständig ausgeschiedenen  Ermüdungsstoffe,  jene  als  Schlacken  im 
Körper  zurückbleibenden  Endprodukte  der  Verbrennung,  Unlust- 
gefühle  und  lassen  beim  Individuum  keine  rechte  Arbeitslust  und 
keine  richtige  Lebensfreude  aufkommen. 

Der  wichtigste  Bundesgenosse  des  Ansteckungsstoffes  für  die 
Entstehung  der  Schwindsucht  ist  Mangel  an  Bewegung.  Weit  mehr 
als  mangelhafte  Nahrung,  schlechte  Beschaffenheit  der  Wohnung, 
sogar  als  verdorbene  Luft,  schwächt,  nach  den  Untersuchungen  des 
berühmten  Arztes  Bbehmeb,  Mangel  an  Bewegung  den  Körper  so 
sehr,  dafs  er  der  Schwindsucht  anheimfällt.     Die  in  Menagerien  ge- 


^Dr.  F.  A.  SoBMiDT,  Jahrbuch  der  Volks-  und  Jugendipiele. 


495 

brachten  Tiere  der  Wildnis  verfallen  wie  die  ansschlielslich  im  Stalle 
znrückbelialtenen  Haustiere  rettungslos  der  Schwindsucht.  Unter  der 
oberschlesischen  Beyölkerung  und  in  Island  ist  trotz  kümmerlicher 
Lebensbedingungen  die  Schwindsucht  selten;  in  ganz  gut  eingerich- 
teten Ge&ngnissen  dagegen  nimmt  sie  bei  ^reichlichster  Nahrung  mit 
der  Dauer  der  Strafzeit  zu.  In  einer  kaiserlichen  Manufaktur  — 
80  erzählt  Dr.  F.  A.  Schmidt,  dem  ich  hier  großenteils  folge,  in 
den  Jahrbüchern  für  Volks-  und  Jugendspiele  —  erkrankten  9  % 
der  internen  Arbeiter  an  Tuberkulosis,  von  denen,  die  mehrere 
Meilen  zur  Fabrik  zu  gehen  hatten,  nur  2%.  In  einer  ganz  gleich 
eingerichteten  Priyatfabrik  erkrankten  40%  der  jugendlichen  Arbeiter 
an  Schwindsucht;  hier  hielten  sich  die  Arbeiter  während  der  Muüse- 
zeit  hauptsächlich  in  ihren  dumpfen  Schlafräumen  auf  und  lagerten 
träge  auf  den  Betten,  während  in  jener  Anstalt,  die  nur  9,5%  Er- 
krankungen aufwies,  die  Arbeiter  ihre  Freistunden  mit  Bewegung 
und  Spiel  im  Freien  zubrachten. 

Den  Yom  Schulleben  yerursachten  gesundheitlichen 
Schädigungen  entgegenzutreten  und  positiy  gesundheitsfördernd  zu 
wirken,  hat  der  Staat  yerschiedene  Veranstaltungen  getroffen  und 
u.  a.  auch  das  Schulturnen  eingeführt.  Vielfach  sind  die  Gemeinden 
über  das  Verlangte  hinausgegangen  und  haben  freiwillig  das  Pro- 
gramm der  körperlichen  Übungen  durch  Jugendspiele,  Schüler- 
wanderungen, Schwimmunterricht  usw.  erweitert.  Vieles  wird  getan, 
mehr  noch  könnte  getan  werden  und  wtLrde  zweifelsohne  auch  ge- 
schehen, wenn  der  Bund  auch  einmal  auf  diesem  Gebiete  Nachschau 
halten  würde.  Was  hilft  die  nach  richtigen  Grundsätzen  ausge- 
arbeitete eidgenössische  Turnschule,  wenn  nicht  alle  Lehrer  befähigt 
werden,  sie  richtig  anzuwenden  oder  wenn  die  Gemeinden  keinen 
Turnplatz  und  keine  Geräte  zur  Verfügung  stellen? 

Immerhin  wird  auf  dem  Gebiete  der  körperlichen  Erziehung  bis 
zum  14.  oder  15.  Altersjahr  Schönes  geleistet,  dann  aber  klafft  eine 
gewaltige  Lücke,  bis  der  junge  Mann  im  Wehrdienste  der  Segnungen 
tüchtiger  Leibeszucht  teilhaftig  wird  und  in  die  Behandlung  des 
«Biesendoktors^  kommt.  Allerdings  hat  ein  gewisser  Bruchteil  der 
der  Schule  entlassenen  Jugend  in  den  Mittelschulen  Gelegenheit,  das 
Turnen  fortzusetzen;  körperliche  und  geistige  Arbeit  stehen  aber 
kaum  im  Gleichgewicht,  und  mit  Besorgnis  sehen  viele  Väter  und 
Mütter  die  auf  die  Abschlufsprüfungen  hin  arbeitenden  Söhne  und 
Töchter  hinwelken  und  an  Gesundheit  und  Lebensfrische  abnehmen. 
Generaloberarzt  und  Regimentsarzt  Dr.  Heleebich  in  München  be- 


496 

richtet^  dab  die  Bilder,  die  sich  dem  MilitOrarst,  ganz  besondere 
bei  der  UnterBnobong  der  zum  Einj&hrig-Freiwilligendienet  Berech- 
tigten, bieten,  fast  durchweg  äalserst  betrübende  seien.  „Allgemeine 
Körperscbwäcbe,  ganz  ungenügende  Entwicklung  der  Brust  und  in 
dieser  meist  ein  krankhaft  erregbares  Herz  von  augenscheinlich  ge- 
ringer Leistungsfthigkeit  bei  deutlichen  Zeichen  von  Blutarmut, 
vielfach  grobe  Vernachlässigung  der  Haut,  Fehlen  jeder  jugendlichen 
Frische  bei  müdem  Wesen  und  schlechter  Haltung,  in  anderen  Fällen 
vrieder  unruhiges  Verhalten  und  Zitterbewegungen  als  Zeichen 
schwachen  Nerrensystems  lassen  in  düstern  Farben  die  schädlichen 
Wirkungen  der  yiel  zu  einseitig  den  G^ist  in  Anspruch  nehmenden 
und  zum  gro&en  Teil  in  hygienisch  zu  beanstandenden,  geschlossenen 
Bnumen  sich  abwickelnden  Schuljahre  erkennen.''  G^wiis  ein 
düsteres  Bild,  das  dadurch  nicht  heller  wird,  dafs  derselbe  Beobachter 
urteilt,  unter  den  heranwachsenden  Mädchen  finden  sich  nur  selten 
erfreuliche  Gesundheits-  und  Entwicklungsverhältnisse. 

Und  nun  die  Kinder  des  arbeitenden  Volkes,  die  Lehrlinge 
und  L  ehrtöchter?  Ihre  ununterbrochene  Inanspruchnahme  in  der 
Handwerkstube,  im  Fabriksaal,  im  Atelier,  im  Kontor  usw.  geht 
nicht  spurlos  an  dem  Körper  vorüber  und  bewirkt  eine  Verlang- 
samung und  Hemmung  in  der  körperlichen  Entwicklung.  Die  auf 
den  späten  Abend  und  auf  den  Sonntag  angesetzten  Bildungskurse 
sind  für  die  Lehrlinge  ja  sehr  gut  gemeint,  aber  ihr  Besuch  ver- 
mehrt die  gesundheitlichen  Schädigungen  noch.  Nicht  zu  vergessen 
sind  femer  die  sittlichen  G-efahren,  die  dem  Lehrlinge  bei  ungenügen- 
der Beaufsichtigung  drohen,  Verrohung  und  Verführungen  zu  allerlei 
echädlichen  Genüssen  und  Ausschweifungen. 

Jedem  Lebensalter  kommen  besondere  Lebensbedürfnisse  sn; 
fragen  wir  beim  Physiologen  nach  denjenigen  der  Reifezeit.  Er  wird 
uns  sagen,  daCs  in  dieser  Periode  das  Herz  tatsächlich  um  das 
Doppelte  grö&er  wird  und  auch  die  Lunge  ein  ungemein  starkes 
Wachstum  er&hrt,  dafs  sich  also  in  dieser  Zeit  die  für  das  ganze 
Leben  entscheidende  Ausbildung  der  genannten  Organe  vollzieht. 
Wird  versäumt,  der  Körperentwicklung  zu  Hilfe  zu  kommen,  so  ve^ 
kümmert  die  gesamte  Lebensenergie,  die  G^undheit  wird  hinfällig 
und  die  Widerstandskraft  gegen  gesundheitliche '  Schädigungen  wird 
geringer.  „Was  in  diesem  Lebensabschnitte  für  die  Entwicklung 
des  Körpers  versäumt  wird,"  sagt  Dr.  F.  A.  Schmidt,  „ist  im  spätem 


^  Jahrbuch  fSr  Volki-  und  Jugfendspiele. 


497 

Leben  nicht  mehr  einzuholen.''  Überzeugend  hat  er  dies  durch  die 
Erhebungen  über  die  Tuberkulose  im  Heere  nachgewiesen. 

Nach  den  Erhebungen  unseres  Vorsitzenden,  Herrn  Dr.  Sohmid, 
Direktor  des  Schweiz.  Gesundheitsamtes  in  Bern,  ist  die  Gefithrdnug 
des  menschlichen  Lebens  durch  Lungeuschwindsucht  am  gröfsten  im 
Alter  Ton  30 — 39  Jahren  (3,5  %o  Sterbe&lle),  am  geringsten  dagegen 
in  der  Altersstufe  von  2— 14  Jahren  (0,5  %o),  w&hrend  sie  im  Alter 
Ton  15 — 19  Jahren  schon  wieder  gröfser  wird  (2,1237oo).  In  dem 
Zeiträume  von  1882 — 1899  erkrankten  von  allen  denjenigen  Soldaten 
des  deutschen  Heeres,  welche  bereits  im  Alter  von  20  Jahren  voll 
entwickelt  waren  und  in  das  Heer  eingestellt  werden  konnten,  nicht 
mehr  als  2,4  Voo  an  Lungentuberkulose,  von  denjenigen  dagegen,  die 
wegen  ungenttgender  Entwicklung,  schwächlicher  Muskulatur  und  zu 
geringem  Brustumfang  um  zwei  Jahre  zurückgestellt  worden  waren, 
26,2  7oo,  also  elfmal  mehr.  Halten  wir  die  schweizeriM)hen  Er- 
hebungen mit  den  deutschen  zusammen,  so  ergibt  sich  daraus,  dafs 
in  denjenigen  Lebensjahren,  in  welchen  die  Energie  des 
Wachstums  eine  besonders  grofse  ist,  d.  i.  in  den  Jahren 
vor  der  beginnenden  Reife,  auch  die  grOfste  Widerstandskraft 
gegen  Lungentuberkulose  besteht  und  dafs  diese  noch 
vorhält,  wenn  sich  während  der  Reifezeit  yom  14.  —  20. 
Lebensjahr  ein  allseitiges,  kräftiges  Wachstum  des  Körpers 
noch  weiter  ohne  Verzögerung  und  ungehemmt  voll- 
ziehen  kann. 

Was  nun  von  der  Widerstandskraft  gegen  den  Tuberkelbacillus 
nachgewiesen  worden  ist,  läfst  sich  wohl  auch  auf  die  Resistenzkraft 
gegen  andere  gesundheitliche  Schädlinge  ausdehnen,  und  es  ergibt 
sich  aus  diesen  Tatsachen  die  ungemeine  sanitäre  Wichtigkeit  einer 
tflchtigen  körperlichen  Ausbildung  des  Lidividuums  während  dessen 
Entwicklungsjahren. 

Den  Jahren  der  Reifezeit  kommt  aber  noch  eine  weitere  Be- 
deutung zu,  sind  sie  doch  besonders  geeignet,  die  sichere  Beherrschung 
der  Muskulatur  durch  Entwicklung  der  (jl^chicklichkeit  zu  erzielen. 
Wer  in  diesem  Lebensalter  nicht  erlernt,  seinen  Körper  zu  beherr- 
fiohen  und  dessen  Bewegungen  zu  schmeidigen,  wird  es  später  nur 
schwer  noch  erlernen.  Und  wer  nicht  im  Reifealter  seinen  Körper 
dazu  erzieht,  den  Befehlen  des  ihn  beherrschenden  Geistes  jederzeit 
und  ungesäumt  zu  gehorchen,  der  hat  die  hierfür  geeignetste  Zeit 
seines  Lebens  versäumt. 

Berücksichtigen   wir  noch,    dals   die   Betätigung   während   der 


49  8 

Beifezeit  meist  von  entscheidender  Bedeutung  für  die  spätere  Lebens- 
haltung ist.  Wer  sich  daran  gewöhnt,  seine  MuJsezeit  in  trägem 
Hindämmern  bei  Tabaksqualm  und  Weingeist  und  seichter  Unter- 
haltung zuzubringen,  wird  diese  Gewohnheit  ins  Mannesalter  hinüber- 
nehmen, und  der  Hang  zur  Bequemlichkeit  wird  sich  nicht  nur  in 
Ausnutzung  der  MuJisezeit,  sondern  auch  in  der  Berufstätigkeit  offen- 
baren. Wen  aber  die  Freude  anf  der  sichern  Bemeisterung  seiner 
Kräfte  dazu  gebracht  hat,  seine  Erholung  vorzugsweise  im  muntern 
Elräftespiel  zu  suchen,  der  hat  für  seine  Willensbildung  ungemein 
viel  gewonnen.  Er  lernt  sich  zusammenzunehmen,  seine  Aufmerk- 
samkeit einem  zu  erreichenden  Ziele  zuzuwenden  und  sich  dafür  ein- 
zusetzen. Die  häufige  Nötigung,  blitzschnell  eiuen  Entschluüs  zu 
ÜBUSsen  und  diesen  dann  auch  ungesäumt  auszuführen,  schaffen  in  ihm 
die  Frädisposition  zu  tatkräftigem  Handeln,  bilden  überhaupt  den 
wollenden,  den  willensstarken  Menschen,  und  dieser  nur  hat  in  dem 
Konkurrenzkampf  des  Lebens  vollen  Wert. 

Von  welcher  Seite  wir  also  die  gestellte  Frage  nach  den  körper- 
lichen Übungen  des  nachschulpflichtigen  Alters  ins  Auge  fassen,  ob 
wir  uns  vom  Mediziner  oder  vom  Erzieher  beraten  lassen,  immer 
lautet  die  Antwort:  Sie  sind  fOr  dieses  Lebensalter  von  allerhöchstem 
Wert,  sie  sind  geradezu  unentbehrlich. 

Fragen  wir  nun  nach  der  Tumkost  dieses  Alters,  so  wird  sie 
so  beschaffen  sein  müssen,  dals  die  gesteckten  gesundheitlichen  und 
erzieherischen  Ziele  mit  möglichster  Vollkommenheit  erreicht  werden. 
Wenn  für  dieses  Alter  die  kommandierten  Übungen  schon  vollständig 
verworfen  worden  sind,  so  mufs  ich  dieser  Ansicht  aus  erzieherischen 
G-ründen  widersprechen,  denn  auch  die  Leibesübungen  dieser  Stufe 
haben  die  Aufgabe,  den  Zögling  daran  zu  gewöhnen,  auf  firemden 
Befehl  hin  sofort  in  energische  Tätigkeit  zu  treten,  gewisse  genau 
vorgesehene  Gefahren  zu  vermeiden,  genau  vorgeschriebene  Be- 
wegungen in  verlangter  Art  auszuführen,  kurz,  sich  dem  Willen  des 
Erziehers  unterzuordnen.  Es  sind  darum  gerade  aus  erzieherischen 
Ghründen  die  Marsch-,  Frei-,  Stab-,  Hantel-  und  Keulenübungen  von 
unschätzbarem  Werte.  Daneben  allerdings  sind  Übungen  nötig,  die 
den  Übenden  in  die  Lage  versetzen,  auf  eigenen  EntschluJs  hin  zu 
handeln,  es  ist  das  reiche  Gebiet  der  Gerätübungen  und  der  Tum- 
spiele.  Li  den  ersteren  möchte  ich  namentlich  die  Sprünge  nicht 
missen,  die  Sprünge  über  das  Seil  und  die  gemischten  Sprünge,  die 
J.  0.  LiON  mit  Recht  die  „hohe  Schule  des  Mutes"  genannt  hat. 
Und  beim  Spiel  handelt  es  sich  natürlich  nicht  mehr  um  das  Scherz- 


499 

und  Neokspiel,  sondern  um  das  Parteispiel  mit  seiner  Nötigung  zur 
Entwicklung  der  Schlagfertigkeit.  Was  ich  vor  allem  aber  verlangen 
möchte,  das  ist,  dais  die  Übungen  möglichst  in  freier  Luft  vorge- 
nommen werden.  Dafs  dies  besser  möglich  ist,  als  man  erwarten 
dürfte,  haben  die  Turnvereine  gezeigt,  die  im  Hochsommer  einen 
guten  Teil  des  Tumbetriebes  bei  den  langen  Sommerabenden  ins 
Freie  verlegen  und  das  Hallentumen  noch  dadurch  ergänzen,  dais 
sie  an  freien  Sonntagen  Wanderungen  —  Tumfahrten  genannt  — 
ausfahren.  Diese  seien  auch  für  unser  Programm  empfohlen,  nur 
dürfen  sie  nicht  zu  Bierfahrten  ausarten.  Mit  derselben  Begründung 
möchte  ich  das  Baden  und  Schwimmen,  das  Schneeball  werfen, 
Sohlitteln  und  Schlittschuhlaufen  empfehlen,  und  ich  habe  durchaus 
nichts  dagegen  einzuwenden,  wenn  unter  die  Leibesübungen  der 
hohem  Schulen  auch  das  Rudern,  Fechten,  Badfahren,  Skilaufen 
und  Bergsteigen  aufgenommen  werden,  allerdings  unter  dem  strikten 
Vorbehalte,  daGs  jedwede  sportmäfsige  Übertreibung,  überhaupt  jedes 
sportmälsige  Getue  dabei  ausgeschlossen  bleibe.  Eine  Differenzierung 
möchte  ich  eintreten  lassen  nach  den  äufsem  Lebensumständen. 
Dem  Gftrtner,  dem  Landmann  sind  Ausbildung  in  Frei-  und  Gerät- 
übungen zur  Entwicklung  von  Geschmeidigkeit,  G^chicklichkeit  und 
Willenskraft  in  erster  Linie  Bedürfnis;  den  Handwerker,  den  Arbeiter, 
den  Kaufmanp,  den  Stubenhocker  überhaupt,  müssen  wir  hinausjagen 
zu  Dauer-  und  Schnelligkeitsübungen  in  freier  Luft. 

Die  hohe  Wichtigkeit,  die  den  Leibesübungen  zukommt,  läfst 
es  als  wünschenswert  erscheinen,  die  heranwachsende  Jugend  auf 
deren  Bedeutung  aufmerksam  zu  machen.  Man  mag  es  versuchen; 
man  wird  einigen  Erfolg  haben,  aber  durchschlagend  wird  er  schon  aus 
dem  Grunde  nicht  sein  können,  weil  es  nie  gelingen  wird,  eine 
sorgenlose  Jugend  davon  zu  überzeugen,  dais  die  Gesundheit  ein  Gut 
ist,  dessen  Besitz  verteidigt  werden  muJs.  Was  mir  mehr  Erfolg 
verspricht,  das  ist,  an  den  Bewegungstrieb  zu  appellieren,  der  in 
diesem  Alter  noch  nicht  ganz  verkümmert  ist,  an  die  Freude,  die 
sich  beim  Gelingen  einstellt,  und  an  die  Befriedigung,  die  sich  durch 
Stillung  des  Geselligkeitsbedürfnisses  kundgibt.  Unser  Ziel  mufs 
sein,  es  dahin  zu  bringen,  dafs  jeder  Jüngling,  dalis  jede  Jungfrau 
^  gewisses  Mafs  von  Eörperübungen  als  persönliche  Pflicht  auf 
sich  nimmt;  und  wie  es  gute  Sitte  ist,  sich  Hände  und  Gesicht  zu 
waschen,  um  sich  sauber  zum  Tische  setzen  zu  können,  so  muls  es 
Brauch  werden,  sich  durch  regelmäisige  Pflege  der  Leibesübungen 
Bowohl  den  nötigen  Appetit  für  das  Mahl  als  auch  die  nötige  Arbeits- 


500 

freadigkeit  fdr  das  Tagewerk  zu  erwerben.  Und  wenn  wir  es  dazu 
bringen,  dais  unser  Volk  das  Bedürfnis  empfindet,  einen  Teil  seiner 
Mufsezeit  den  Leibesübungen  im  Freien  zu  widmen,  dann  erst  dürfen 
wir  der  Verkürzung  der  täglichen  Arbeitszeit  ohne  Besorgnis  ent- 
gegensehen. 

Unsohwer  l&lst  sich  nun  auch  einsehen,  dals  nicht  blots  der 
einzelne,  sondern  die  Gesamtheit,  der  Staat,  ein  Interesse  daran  hat, 
dab  seine  G-lieder  sich  regelmälsigen  körperlichen  Übungen  hingeben. 
Die  aus  den  letztem  gewonnene  Volkskraft  und  Yolksgesundhat 
kommt  ihm  direkt  zustatten,  und  nur  in  einem  gesunden,  starken, 
willenskraftigen  und  arbeitsfirohen  Volke  liegt  die  Garantie  für  unsere 
wirtschaftiiche  und  politische  Unabhängigkeit.  Darin  liegt  nun  aber 
auch  die  Pflicht  des  Staates  begründet,  der  Pflege  der  Leibesübungen 
im  nachschulpflichtigen  Alter  seine  Unterstützung  angedeihen  zu 
lassen.  Diese  muls  sowohl  eine  finanzielle  als  eine  moralische  sein. 
Sollte  er  davor  zurückschrecken?  „EinVolk,^  sagtDr.med.G-.STiCKEB, 
Universitätsprofessor  in  Gie&en,^  „das  sich  Spielplätze  und  Turn- 
hallen schafft,  braucht  seine  Krankenhäuser  und  Lrenanstalten  und 
Gefängnisse  nicht  zu  vermehren.  **  Und  es  ist  und  bleibt  wahr,  was 
Heinbich  y.  Tbeitsohke  ausgesprochen:  «Nicht  der  GManke,  sondern 
die  Tat  bestimmt  das  Geschick  der  Völker  l'' 


^  Jahrbuch  für  Volki-  und  Jagendspiele. 


Über  die  Verbreitung  der  Tuberkulose  in  der  Schule. 

Vortrag  von  Dr.  Weill-Manton  auf  dem  diesjährigen  Kongresse 
für  Schulhygiene  in  Paris. 

Der  Vortragende,  Generalsekretär  der  „Ligae  de  Pr^servation  anti- 
taberculeose*',  fährte  in  erster  Linie  ans,  dats  die  Taberkolose  in  den  über- 
vollen and  schlecht  ventfliertenElassenräomen  geradezu  als  ein  Bemfsttbel  ffir  die 
Lehrer  anzusehen  sei.  *  Hier  mflsse  die  Hygiene  besonders  beobachtet  werden. 
Vor  allem  sei  peinliche  Sauberkeit  in  sämtlichen  Räumen,  sowohl  in  den 
für  den  Unterricht  bestimmten  als  in  den  Speise-,  Schlafsälen  usw.  dringendst 
geboten.  Man  mtLsse  auch  mit  äuberster  Sorgfalt  darauf  achten,  dais  das 
Mobiliar,  Geschirr,  Bücher  usw.  reinlich  gehalten  werden.  Sobald  ein  Fall 
von  Tuberkulose  festgestellt  sei,  mü&ten  auf  der  Stelle  die  vorgeschriebenen 
Desinfizierungen  durchgeführt  werden,  auch  dann,  wenn  ein  Lehrer  oder 
Angestellter  wegen  einer  tuberkulösen  Veranlagung  krank  werde.  Trockenes 
Fegen  müsse  strengstens  untersagt  werden;  alles  müsse  auf  feuchtem  Wege 
gereinigt  werden,  besonders  seien  die  Fubböden  mindestens  einmal  wöchent- 
lich gründlich  aufzuwaschen,  das  Schulmobiliar  und  die  Wände  zweimal 


501 

monatlich.  Speien  auf  den  Boden  sei  za  verbieten  und  deshalb  mflssen 
ttberail  Spucknapfe  angebracht  werden.  In  erster  Linie  sei  stets  für  reich- 
liches Wasser  zu  Sftuberungszwecken  zu  sorgen.  Es  sei  tunlichst  zu  ver- 
meiden, die  Schulsale  ftlr  öffentliche  Versammlungen  herzugeben;  ginge  daa 
nicht  an,  so  müsse  nach  jeder  Versammlung  der  Boden  gründlich  aufge- 
waschen  werden.  Werden  Schulgebaude  für  Einquartierungen  von  Truppen 
verwendet,  so  mülsten  sie  auf  Kosten  der  Militärbehörde  nach  Abzug  der 
Soldaten  gründlich  desinfiziert  werden. 

Nach  Annahme  dieser  Vorschlage  entwickelte  Dr.  Weill-Manton  eia 
sehr  ausfahrliches  Programm  von  VorbeugungsmaCsregeln  gegen  die  Tuber- 
kulose, wie  arztliche  Untersuchung  der  Schüler  und  der  Lehrer,  Lüftung 
der  Blassen  und  SchlafsAle,  rationeDe  Heizung,  angemessene  Nahrung, 
körperliche  Sauberkeit,  richtige  Verteilung  der  Arbeits-,  EOrperübungs-  und 
Erholungsstunden,  Schaffung  von  besonderen  Schulanstalten  für  kränkliche 
oder  gebrechliche  Kinder,  hygienische  Vorlesungen,  Gesundheitshefte  usw. 
Auch  diese  Vorschlüge  wurden  sämtlich  angenommen,  femer  ein  Wunsch, 
Unterrichtsbeamten,  die  wegen  tuberkulöser  Leiden  entlassen  werden,  die 
nötigen  Mittel  für  sich  und  ihre  Familien  zu  gewähren.     (^Frankf.  Ztg.^) 


Aleitiere  M\\\tx[nix%tn. 


Die  Bef^inng  der  Schfiler  von  der  Teilnahme  am  Turn- 
nnterricht  wird,  wie  die  y^Berh  Neuest,  Nachr. '^  mitteilen,  an  den 
Berliner  Gymnasien  in  ganz  verschiedener  Weise  gehandhabt,  was  um 
so  mehr  auffÜlt,  als  sie  meist  auf  Grund  eines  ärztlichen  Zeugnisses  erfolgt. 
Beispidsweise  sei  erwähnt,  dafs  in  dem  eben  zu  Ende  gegangenen  Schul- 
jahr 1904/05  am  Eöllnischen  Gymnasium  im  Sommer  nur  7,78%,  im 
Winter  7,54%  der  Schüler  vom  Turnen  überhaupt  befreit  waren;  dazu 
kamen  im  Sonuner  noch  1,70%,  im  Winter  noch  2,26%,  die  nur  von 
einzelnen  Übungen  befreit  waren.  Dagegen  hatte  das  Friedrich  Werdersche- 
Gymnasium  im  Sommer  11,4%  und  im  Winter  sogar  20,0%  ganz  befreito 
Schüler,  aulserdem  im  Sommer  noch  4,9%  und  im  Winter  noch  2,5% 
teflweise  befreite.  Noch  höher  ist  der  Anteil  der  Befreiungen  auf  dem 
Joachimsthalschen  Gynmasium,  wo  im  Sonuner  21,46  7o  nnd  im  Winter 
23,67%  der  Schüler  vom  Turnunterricht  ganz  befreit  und  aulserdem  im 
Sommer  1,11%  und  im  Winter  gleichfaUs  1,11%  teilweise  befreit  waren. 
Solche  Gegensätze  sind  wohl  weniger  auf  Ungleichheiten  der  körperlichen 
Entwicklung  und  des  Gesundheitsznstandes  der  Schüler  zurückzuführen, 
als  auf  Unterschiede  in  der  Bereitwilligkeit,  die  erbetene  Befreiung  von 
der  Teilnahme  am  Turnunterricht  zu  gewähren. 

Mit  den  Benrlanhnngen  der  Schüler  vor  nnd  nach  den  Sommer-^ 
ferien  beschäftigt  sich  ein  greiser  Teil  der  soeben  erschienenen  Jahres- 
berichte der  höheren  Lehranstalten  in  Berlin.     Sobald  die  Sommerferien 


502 

herannahen,  pflegen  die  Schulen  meist  dnrch  viele  Urlanbsgesnohe  bennrnhigt 
zu  werden,  da  es  in  Berlin  nnd  den  Vororten  leider  Modesache  geworden 
ist,  einige  Tage  vor  Schulschluis  zn  reisen,  so  dab  der  Andrang  an  den 
Bahnhöfen  Yor  der  eigentlichen  Ferienzeit  fast  ebenso  grols  ist  wie  bei 
ihrem  Beginn.  Da  diese  willknrlichen  Yerl&ngerangen  der  Ferien  ernste 
Störongen  im  Unterrichtsbetriebe  zur  Folge  haben,  so  weisen  die  Schal- 
leiter die  Eltern  darauf  hin,  dafs,  entsprechend  den  Anordnungen  der 
Königlichen  Provinzialschulkollegien,  kfinftighin  nur  wirklich  begrflndete 
Urlaubsgesuche  Genehmigung  finden  werden,  und  dals  in  zweifelhaften 
Fftllen  das  Zeugnis  eines  Kreisarztes  eingefordert  wird. 

Zur  Ftrdemng  der  Tum-  und  Jugendapiele  in  Dfisseldorf  hat 
die  Schulverwaltung  dieser  Stadt  auch  für  das  laufende  Jahr  wieder  Ver- 
anstaltungen getroffen.  Es  sind  dies,  wie  der  „Q^n.*Ang.^  mitteilt,  zun&chst 
die  fbr  jede  Schule  monatlich  wiederkehrenden  Spielnachmittage,  Ar  welche 
die  Stadt  die  verschiedenen  öffentlichen  Plätze  zur  Verfügung  gestellt  hat. 
Die  Teilnahme  der  Schfller  an  den  Schulnachmittagen  ist  verbindlich, 
so  dafis  alle  Kinder  die  Wohltat  derselben  geniefsen.  Dafs  die  Einrichtung 
der  Spielnachmittage  nutzbringend  ist,  zeigt  der  Umstand,  dafs  die  König- 
liche Regierung  ihre  Nachahmung  anderen  Städten  empfohlen  hat.  An 
denselben,  sowie  an  dem  Spielfeste,  das  ihren  Abschluis  bildet,  nehmen 
die  zwei  oberen  Klassen  der  Volksschule  teil.  FOr  die  Sommerferien  hat 
die  Stadt  wieder  Spiele  und  Ausflüge  geplant. 

DesinfljBierende  Wandanstriche  in  Schnlrlnmen.  Schon  Prof. 
LÖFFLEB-Greifswald  hatte  es  ausgesprochen,  dafs  seiner  Ansicht  nach  die 
Wandanstriche  auf  die  Erhaltung  der  Lebensfähigkeit  von  feucht  auf  sie 
aufgebrachten  pathogenen  Bakterien  von  Einflufs  seien.  Nun  teilt  Geh. 
Oberbaurat  Dblius  in  der  „öes.-TFarfe  d,  ScÄufe"  (Nr.  6,  1906)  mit, 
dafs  diese  Anschauung  neuerdings  durch  Untersuchungen  von  Dr.  Heimes 
in  Greifswald  und  von  Dr.  Jacobitz  in  Halle  a.  S.  bestätigt,  worden  ist. 
Der  erstere  stellt  die  Zonca-Farben  (Zonca  &  Cie.  in  Kitzingen)  an  die 
Spitze  aller  deijenigen  Anstrichstoffe,  welche  für  Räume,  in  denen  kranke 
Menschen  leben,  wie  auch  für  solche,  in  welchen  Wasserdämpfe  durch  die 
Lebenstfltigkdt  von  Menschen  erzeugt  werden,  in  Betracht  kommen.  Er 
empfiehlt  sie  in  erster  Linie  fär  Krankenhäuser,  dann  aber  auch  für  Schulen, 
Bäder,  Laboratorien  u.  dgl.,  kurz  fOr  alle  Räume,  in  denen  peinlidiste 
Sauberkeit  erwünscht  ist  und  in  welchen  ein  gründliches  Abwaschen  der 
Wände  mit  desinfizierenden  Lösungen  von  Zeit  zu  2^it  vorzunehmen  ist 
Die  nach  dem  Trocknen  des  Anstrichs  aufgetragenen  Reinkulturen  patho- 
gener  Bakterien  zeigten  in  den  Versuchen  von  Heimes  auf  den  Zonca- 
Farben  kürzere  Lebensdauer  als  auf  anderen  Wandanstrichen,  nur  noch 
die  Ölfarben  verhielten  sich  in  dieser  Beziehung  ähnlich  günstig.  — 
Dr.  Jacobitz  fand  die  gröfste  desinfizierende  Wirkung  bei  den  von  ihm 
untersuchten  Ölfarben  und  bei  zwei  Porzellan-Emaillefarben;  ihnen  folgt 
erst  die  Zonca-Farbe.  Viel  ungünstigere  Resultate  ergaben  zwei  andere 
Emaillefarben  sowie  die  Leimfarbe,  die  Amphibolin-  und  die  Hyperolin- 
färben. 

Worauf  die  desinfizierende  Wirkung  der  Farben  zurückzuführen  ist, 
scheint  noch  nicht  ganz  klargestellt  zu  sein.    Eine  gewichtige  RoUe  kommt 


503 

hierbei  vermutlich  den  Bindemitteln  zu,  welche  den  Farben  beim  Anmengen 
zugesetzt  werden.  Jedenfalls  ist  die  desinfizierende  Wirkung  der  Anstrich- 
farben wesentlich  ihren  chemischen  Eigenschaften  zuzuschreiben,  nicht 
den  physikalischen,  wie  frfiher  vielfach  angenommen  wurde.  Vermutlich 
ist  das  allen  den  in  Betracht  kommenden  Farben  zugesetzte  reine  Leinöl 
mit  mehr  oder  weniger  Zusatz  von  Harz  der  keimfeindliche  Stoff.  Die  des- 
infizierenden Eigenschaften  der  oben  genannten  Wandanstriche  scheinen  sich 
bis  auf  ein  Jahr  nach  Herstellung  des  Anstrichs  zu  erhalten.  Man  ist  also 
durchaus  auf  dem  richtigen  Wege  und  handelt  im  Sinne  der  Hygiene, 
wenn  man  in  den  Schulr&umen  1,5  —  1,7  m  hohe  Wandstreifen  Aber  dem 
Fulsboden  mit  Ölfarbenanstrich  versieht.  Zonca- Farben  und  Porzellan- 
Emaillefarben  empfehlen  sich  ebenfalls,  werden  aber  in  kleinen  Städten 
und  auf  dem  Lande  vorderhand  nur  eine  beschränkte  Anwendung  finden, 
weil  die  Maler  den  Stoff  nicht  zu  behandeln  wissen,  und  dann  der  Anstrich 
zu  kostspielig  wird. 

Das  Reinigen  der  Schnllokale  durch  Schulkinder  scheint  vieler- 
orts im  Beichslande  noch  Mode  zu  sein  und  zu  zahlreichen  Klagen  von 
Seiten  der  Eltern  Veranlassung  zu  geben.  Infolgedessen  hat  vor  kurzem 
die  Lehrerschaft  des  Kantons  Neubreisach  einstimmig  beschlossen,  ein 
Gesuch  an  den  Kreisdirektor  zu  richten,  er  möge  gegenüber  den  Gemeinden 
den  Wunsch  äuTsern,  die  FuDsböden  der  Klassenzimmer  mittels  des  bereits 
allseitig  bekannten  Fuisbodenöls  staubfrei  machen  zu  lassen.  Die  y^Straß- 
hwrger  Fost^  spricht  hiezu  den  Wunsch  aus,  es  möchten  sich  auch  andere 
Kantone  diesem  Gesuche  anschliefsen ;  sie  hält  dafür,  dasselbe  würde  am 
wirksamsten  unterstützt  durch  eine  Verfügung  des  Kreisdirektors,  welche 
das  Reinigen  der  Lokale  durch  Schulkinder  nur  unter  der  Bedingung  ge- 
stattet, dafs  die  Böden  mit  dem  genannten  öle  staubfrei  gehalten  werden. 
(Also  doch!    D.  Red.) 

Die  Lage  der  Aborte  in  den  Schulen  war  in  Norddeutschland 
lange  eine  Streitfrage,  und  wird  in  der  Praxis  auch  jetzt  noch  der  Abort 
beinahe  ausschliefslich  in  ein  besonderes  Gebäude  auf  den  Hof  verwiesen, 
so  dals  die  Kinder  zur  Befriedigung  ihrer  Bedürfnisse  treppab,  treppauf 
steigen  müssen  und  sich  den  Unbilden  der  Witterung  auszusetzen  genötigt 
sind.  Auch  Wasserspülung  und  ölpissoire  haben  in  den  diesbezüglichen 
Anschauungen  noch  keine  wesentliche  Änderung  zum  besseren  zu  erzielen 
vermocht.  Immerhin  kommt  es  in  neuerer  Zeit  vor,  dals  in  neuen  Schul- 
gebäuden die  Aborte  im  Hause  selbst  angebracht  werden.  So  ist  z.  B.  diese 
Frage  in  einem  neuen  Schulpalast  in  Charlottenburg  in  befriedigender 
Weise  gelöst  worden.  Wie  die  ^BerUner  Morgenpost^  mitteilt,  sind  hier 
die  Aborte  in  zwei  Seitenflügeln  angebracht,  die  sich  dem  Hauptgebäude 
organisch  anschliefsen.  Für  jede  Etage  ist  eine  besondere  Abteilung  vor* 
banden,  so  dais  die  Kinder  während  der  rauhen  Jahreszeit  sich  nicht 
mehr  den  Unbilden  der  Witterung  auszusetzen  brauchen. 


504 


Ha^tsitfifiiftli^tB. 


Obligatorischer  Spielnachmittag  an  den  hSkeren  Schulen 
Wfirtteaibergs«  An  einer  diesbezflglichen  Besprechang,  die  nnlftngst  in 
Stuttgart  zwischen  dem  Vorstände  der  wttrtt.  Tnmlehrerbüdnngsanstalt,  dem 
Vorsitzenden  des  Tnmansschosses  der  wOrtt.  deutschen  Tnmerschaft  und 
den  mit  der  Leitnng  der  Spiele  beauftragten  Lehrern  stattfand,  wies  nach 
einer  Mitteilung  der  „Schwab,  Ckramk**  Oberstudienrat  Haubeb  darauf 
hin,  dals  die  projektierte  Einrichtung  nur  ein  Teil  eines  umfassenden  Planes 
der  SchulbehOrde  sei.  Dieselbe  sei  seit  Iftngerer  Zeit  damit  beschAftigt, 
die  Schulstunden  sowohl  wie  auch  die  Zeit  fQr  die  Hausaufgaben  neu  und 
unter  einheitlichen  Gesichtspunkten  zu  regeln.  Unsere  Jugend  mflsse  mehr 
freie  Zeit  erhalten;  diese  müsse  zweckmAlsig  yerwendet,  die  körperlichen 
Übungen  müssen  mehr  als  bisher  gepflegt  werden  durch  Bewegung  im 
Freien,  durch  wohlorganisierte,  gutgeleitete  Spiele,  die  eine  wirkliche  Er- 
holung bilden  soUen.  Der  erste  Teil  dieses  Planes,  die  genaue  Festsetzung 
des  Stundenplans  und  der  Hausaufgaben,  habe  noch  nicht  ausgeführt  werden 
können,  weil  das  verlangte  Gutachten  des  Medizinalkollegiums  erst  vor 
kurzem  eingegangen  sei.  Diese  Behörde  habe  nun  aber  ihre  volle  Über- 
einstimmung mit  den  Absichten  der  Schulbehörde  zum  Ausdruck  gebracht, 
und  es  stehe  deren  Verwirklichung  von  dieser  Seite  kein  Hindernis  n^ehr 
im  Weg;  es  müsse  aber  die  Frage  der  voUst&ndigen  und  umfassenden 
Begelung  auf  den  Beginn  des  Schuljahres  1906  verlegt  werden.  Der 
Versuch  der  Einführung  von  Tumspielen  noch  im  laufenden  Schuljahr 
müsse  dagegen  an  den  hierfür  ausgewählten  Anstalten  in  energischer  Weise 
durchgeführt  werden.  Dabei  sei  es  nicht  die  Absicht  der  Behörden,  die 
bisher  für  den  eigentlichen  Turnunterricht  festgesetzten  zwei  wöchentlichen 
Stunden  einzuschränken,  oder  den  Schülern  einen  freien  Nachmittag  zu 
nehmen.  Die  erforderliche  Zeit  soUe  vielmehr  nur  durch  Wegfiall  der 
dritten  Turnstunde  oder  einer  sonstigen  Stunde  gewonnen  werden.  Eine 
Erleichterung  für  die  zur  Probe  herangezogenen  Klassen  trete  ja  auch  ein 
durch  Nachlals  der  Hausaufgaben  für  den  betreffenden  Nachmittag.  Vom 
kommenden  Schuljahr  ab  werde  die  Einführung  grundsätzlich  auf  aUe 
Klassen  der  höheren  Knabenschulen  ausgedehnt;  die  Beteiligung  der 
Schüler  müsse  eine  allgemein  verbindliche  werden;  eine  Ausdehnung  auf 
die  höheren  Mädchenschulen  sei  ebenfalls  in  Aussicht  genommen.  Der 
jetzige  Versuch  werde  als  Grundlage  fOr  die  allgemeine  Einführung  dienen. 
Für  die  Auswahl  der  betreffenden  Anstalten  sei  malsgebend  gewesen,  da(s 
zunächst  nur  gröfsere  Anstalten  (Stuttgart-Gannstadt,  Ulm,  Heilbronn,  Eb- 
lingen,  Ludwigsburg,  Tübingen,  Reutlingen,  Gmünd,  Ehingen,  Aalen,  Geis- 
lingen, Biberach  und  Böblingen)  in  Betracht  kommen,  denen  geeignete, 
genügend  gro&e  Spielplätze  zur  Verfügung  stehen. 


506 

Oeneinsamer  Unterricht  beider  OescUechter.  Wie  wir  der 
^Komm.  Braxis^  entnehmen,  hat  der  Bürgeraasschuis  der  badischen  Stadt 
Ueberlingen  Yor  kurzem  beschlossen,  die  städtische  Töchter - 
schale  aufzuheben  und  die  Schfllerinnen  am  Unterricht  in  der  Real- 
schule teilnehmen  zu  lassen.  Zuvor  hatte  die  Ortsschulbehörde  bei  zahl- 
reichen Anstalten  Erhebungen  darüber  angestellt,  wie  sich  der  gemeinsame 
Unterricht  von  Knaben  und  M&dchen  an  höheren  Schulen  bewährt  habe. 
Die  Antwort  lautete  einstimmig  dahin,  dafs  die  Vereinigung  der  beiden 
Geschlechter  zu  gemeinsamem  Unterricht  nie  beanstandet  worden  sei.  Im 
Gegenteil  übten  die  Mädchen  überall  einen  günstigen  Ein- 
flufs  auf  Fleifs  und  Betragen  der  Knaben  aus. 

Eine  Kinder-Erholnngsstitte  ist  unlängst  in  Charlottenburg,  ver- 
anlalst  durch  eine  grö&ere  Schenkung  (10000  Mk.)  durch  den  dortigen 
Zweigverein  des  Vaterländischen  Frauenvereins,  gegründet  worden.  Wie 
wir  dem  j^Berl,  Lok^-Ang.^  entnehmen,  ist  die  Anstalt  in  einer  umzäunten 
Waldparzelle  belegen,  deren  Mittelpunkt  eine  grofse  Baracke  bildet,  die 
die  Küche  sowie  Wohn-  und  Schlafräume  für  das  Aufsichtspersonal  enthält. 
In  einem  Anbau  sind  Waschvorrichtnngen  für  Knaben  und  Mädchen  sowie 
Brause-  und  Wannenbäder  untergebracht,  letztere,  um  den  Schützlingen  der 
Erholungsstätte  ärztlich  verordnete  Bäder  zu  verabfolgen.  Eine  offene 
Halle  soll  ihnen  Zuflucht  vor  den  Unbilden  des  Wetters  gewähren,  und 
zugleich  soll  sie  als  Liegehalle  dienen.  Auf  diesem  Gelände  bleiben  die 
erholungsbedürftigen  Kinder  von  7  Uhr  früh  bis  7  Uhr  abends.  Sie  er- 
halten alle  Mahlzeiten  in  Gestalt  von  Milch  und  gesunder,  reichlicher  Kost. 
Dicht  bei  der  Erholungsstätte  befindet  sich  die  von  der  Stadt  Charlotten- 
burg errichtete  Waldschule. 

FSrdernng  dea  Badens  nnd  Schwimmens  dnrch  die  Sehnle. 
Diese  Frage  beschäftigte  u.  a.  die  Deutsche  Gesellschaft  für 
Yolksbäder  auf  ihrer  diesjährigen  Hauptversammlung  in  München.  Von 
Landrat  Dr.  HAasN-Schmalkalden  wurden  auf  die  Frage:  „Wie  erhöhen 
wir  die  Besuchsziffern  der  Schulbrausebäder?*^  folgende  Thesen  aufgestellt : 

1.  Wo  die  Verhältnisse  es  zulassen,  ist  das  Baden  obligatorisch  zu 
machen  und  in  die  Schulstunden  zu  legen.  Bezüglich  der  Befreiung 
vom  Baden  sind  besondere  Bestimmungen  zu  erlassen. 

2.  Die  Badeeinrichtungen  sind,  um  jedem  ungünstigen  Urteil  über  das 
Schulbad  vorzubeugen,  tunlichst  hygienisch  einwandsfrei  herzustellen 
und  fortgesetzt  in  gutem  Zustande  zu  erhalten. 

3.  Zu  gleichem  Zwecke  ist  die  Aufsicht  beim  Baden  von  einem  hygie- 
nisch geschulten  und  mit  den  Badeeinrichtungen  vertrauten  Lehrer  zu 
führen,  welchem  auch  die  volle  Verantwortung  für  ein  gesundheits- 
gemäises  Baden  der  Schulkinder  zuzuweisen  ist. 

4.  Es  ist  angezeigt,  dab  der  zumeist  sehr  einflulsreiche  Klassenlehrer 
das  Baden  leitet  oder  demselben  beiwohnt. 

5.  In  der  Schule  ist  dauernd  auf  die  Bedeutung  einer  guten  Hautpflege 
und  insbesondere  der  Reinlichkeit  am  Körper,  der  Wohlanständigkeit 
hinzuweisen;  den  Kindern  sind  kurze  gedruckte  Belehnmgen  über 
den  gesundheitlichen  Wert  des  Badens  zur  Abgabe  an  ihre  Ange- 
hörigen auszuhändigen. 

Sehnlgetmidlieitipflege.  XVIII.  28 


506 

6.  Im  LehrerkoUeginm  mab  die  Schalhygiene  häufig  Gegenstand  der 
Besprechung  bilden. 

7.  An  jedem  Badetag  ist  die  Zahl  der  Badenden  festzustellen.  Zeigt 
sie  einen  merklichen  Rflckgang,  so  ist  die  Ursache  desselben  zn  er- 
mitteln und  womöglich  zu  beseitigen. 

8.  Beim  Baden  ist  Yon  den  Kindern  jede  Unannehmlichkeit  und  zumal 
jedes  Unbehagen  fernzuhalten.  Sie  müssen  freundlich  und  fOr- 
sorglich  behandelt  werden.  Erkältungsgefahren  sind  mit  Umsicht  za 
beseitigen^ 

9.  Fällt  das  Baden  nicht  in  die  Schulzeit,  so  mu(s  der  das  Baden 
leitende  Lehrer  eine  ihn  für  die  vorstehend  bezeichnete  sorgliche 
Leitung  voll  entschädigende  Remuneration  erhalten. 

10.  Das  Schulbad  ist  während  des  Betriebes  von  Schulaufsichtsbeamten 
und,  wo  ein  Schularzt  vorhanden  ist,  auch  von  diesem  häufig  za 
revidieren.  Jeder  revidierende  Beamte  mufs  hygienisch  geschult  and 
mit  dem  Betriebe  des  Bades  vertraut  sein. 

11.  Die  Aufsichtsbehörden  müssen  die  jährliche  Besuchszififer  der  Sdml- 
bäder  feststellen  und  dieselbe  eventuell  einer  eingehenden  Erörterung 
unterziehen. 

Wilhelm  Pfaendeb,  städtischer  Lehrer  in  Berlin- Weilsensee,  hatte 
Leitsätze  zu  folgenden  Fragen  aufgestellt: 

1.  Wie  ist  das  Schwimmen  in  den  Schulen  zu  fördern? 

a)  Durch    Einfügung    in     den    Turnunterricht    als     Trocken- 
schwimmen. 

b)  Durch  Übungen  im  Wasser.    (Winter  und  Sommer). 

c)  Durch   Erbauung   von   Badeanstalten   in   allen    Städten   an 
stehenden  oder  fiiefsenden  Gewässern. 

d)  Durch  Erbauen  von  Schwimmhallen  durch  die  Gremeinden. 

e)  Durch  staatliche  Unterstützung. 

2.  Was  können  die  Schwimmvereine  zur  Förderung  des  Schwinununter- 
richtes  tun? 

a)  Durch  Pflege  des   Schwimmens  als  Vorbild  für  den  Unter- 
richt im  Schwimmen. 

b)  Durch  Veranstaltung  von  Wettschwimmen. 

c)  Durch  Stärkung  ihrer  Jugendabteilungen. 

d)  Durch    Übernahme    von   Schwimmschülem   auf   Kosten    der 
Gremeinden. 

e)  Durch  Gewinnen   der  staatlichen   und   städtischen  Behörden 
für  die  Förderung  des  Schwimmunterrichtes. 

Dr.  Fritz  LoEB-Mfinchen. 


507 


iiiUvatnv. 


Besprechungen. 

BuBNHAM.  A  Contribntion  to  the  Hygiene  of  Teaching.  The  Feda- 
gogkal  Seminary,  edited  by  6.  Stanley  Hall,  Ph.  D.,  LL.  D.  Vol.  11. 
No.  4,  pag.  488,  1904.     Worcester  Mass. 

Verfasser  macht  die  Hygiene  des  Unterrichtens  zom  Gegenstande 
interessanter  Darlegungen,  die  er  unter  Berücksichtigung  der  Untersuchungen 
TOD  Blöckh,  KiiATT,  Lexis,  Goldhahn,  SIEGEL  und  insbesondere  von 
Wichmann  auf  eine  in  mafsgebenden  amerikanischen  Kreisen  gehaltene 
ümfirage  aufbaut.  Nach  den  Ausführungen  Büsnham's  erscheint  das 
Unterrichten  als  eine  fttr  die  Gesundheit  nicht  ungefilhrliche  Beschäftigung. 
Hals-  und  Lungenkrankheiten  und  nervöse  Störungen  sind  bei  der  Lehrer- 
schaft vorherrschend.  Mit  Hacksicht  auf  die  letztere  sollte  bei  der  Ein- 
richtung von  Schulbauten  besondere  Sorgfalt  auf  die  Vorkehrungen  zur 
Reinhaltung  der  Gebäude,  auf  Ventilation  und  Beleuchtung  verwendet 
werden.  Diejenigen  Ursachen,  die  eine  Überanspannung  der  Nerven  im 
Gefolge  haben,  sind  auf  ein  Minimum  zu  beschränken.  Am  notwendigsten 
in  dieser  Hinsicht  erscheint  Verfasser  eine  Reduzierung  der  Schülerzahl 
der  den  einzelnen  Lehrern  zugewiesenen  Klassen.  Fflnf  Unterrichtsstunden 
täglich  ist  das  Maximum  fOr  Schfiler  und  Lehrer  (! !) ;  diese  Unterrichts- 
stunden mflssen  in  geeigneter  Weise  durch  Pausen  unterbrochen  werden. 
Der  Schlflssel  zur  Verbesserung  der  Gesundheit  der  Lehrer  ist  in  den 
Lehrerbildungsanstalten  zu  suchen.  Dort  sollen  die  Lehrer  vorbereitet 
werden,  sich  gegen  die  mit  dem  Lehrberufe  unvermeidlichen  gesund- 
heitlichen Schädigungen  zu  schätzen.  Zu  diesem  Zwecke  mflssen  die 
Seminaristen  mit  der  Hygiene  des  menschlichen  Körpers  bekannt- 
gemacht werden,  dabei  ist  die  Hygiene  der  Atmungs-  und  Sprech- 
organe und  des  Nervensystems  in  den  Vordergrund  zu  stellen. 
Aufeerdem  sind  in  jeder  Lehrerbildungsanstalt  den  Lehramtskandidaten  die 
Grundzflge  der  Schulhygiene  vorzuftLhren.  Mit  Recht  bedauert  Verfasser, 
dab  gerade  dieser  Gegenstand,  einer  der  Zweige  der  Pädagogik,  die  auf 
wissenschaftlicher  Methode  aufgebaut  sind,  gewöhnlich  in  dem  Programme 
der  LehrerbOdungsanstalten  gänzlich  fehlt  oder  nur  dflrftig  bedacht  wird. 
—  Wir  empfehlen  gerne  die  Lektflre  der  BuBNHAMschen  Abhandlung, 
die  in  jeder  Hinsicht  die  schon  vorhandenen  Arbeiten  Aber  dasselbe  Thema 
illustriert.  Oberlehrer  Kael  RoLLEB-Darmstadt. 

Pick,  Prof.  Dr.  A.  Über  einige  bedentsame  Psychonenrosen  des 
Kindesalterg.  Sammlung  zwangloser  Abhandlungen  aus  dem  Gebiete 
der  Nerven-  und  Geisteskrankheiten.  V.  Band,  Heft  1.  Halle  a.  S.  Carl 
Marhold,  1904,    28  S.    Mk.  0,80. 

28* 


508 

Der  bekannte  Prager  Psychiater  bespricht  in  der  kleinen  Schrift  einige 
psychopathische  Erscheinungen  des  Eindesalters,  welche  den  Arzt  nnd 
Pädagogen  in  hohem  Malse  interessieren  müssen:  es  sind  dies  die  Fngoes, 
Tics,  ZwangSYorstellnngen,  Skmpnlositftt  und  die  pathologische  Tr&unerei. 

Unter  Fugnes  beschrieben  die  Franzosen  zuerst  Zustände»  die  sich 
charakterisieren  durch  mehr  oder  weniger  ausgedehnte  Wanderungen,  welche 
nicht  unmittelbar  Ansflufs  überlegten  Denkens  sind,  sondern  ein  triebartiges, 
pathologisches  DaTonlaufen  darstellen.  Man  bezeichnet  diese  Erscheinung 
jetzt  auch  als  pathologischen  Wandertrieb,  als  Poriomanie  oder  Dromo- 
manie,  und  findet  sie  nicht  selten  bei  Kindern,  besonders  in  der  Form  des 
„hinter  die  Schule  Gehens  **.  Es  handelt  sich  um  ein  Schulschwänzen  und 
Vagabundieren,  das  nicht  auf  Faulheit  oder  einem  moraliachen  Defekt 
beruht  Der  pathologische  Wandertrieb  kann  auf  der  Grundlage  der 
Epilepsie  oder  Hysterie  entstehen  oder  aber  —  nnd  dies  ist  der  Fall  bei 
der  Mehrzahl  der  beobachteten  Fälle  Yon  kindlichem  Wandertrieb  — 
er  tritt  auf  bei  Individuen,  die  sich  als  vollständig  frei  von  Anfällen  irgend- 
welcher Art,  aber  als  psychasthenisch,  im  weiteren  Sinne  als  d^gener^, 
oder  besser  d6s6squilibr6s,  als  minderwertig  erweisen.  Es  fehlt  dabei 
jede  BewuistseinsstOrung,  und  die  Erinnerung  an  das  bei  der  Wanderung 
Erlebte  bleibt  erhalten.  Der  Wanderung  geht  sehr  häufig  eine  aus  äuiserem 
Anlab  entstandene  Verstimmung  oder  Mifsstimmung  (Dysphonie)  voraus,  und 
der  Wandertrieb  ist  gleichsam  der  Drang  zur  motorischen  Entladung  dieses 
Verstimmungszustandes.  Bei  dem  hysterischen  Wandertriebe  ist  das  aus- 
losende Moment  eine  bestimmte  Idee,  die  so  faszinierend  oder  suggestiv 
wirkt,  dais  ihr  widerstandslos  nachgegeben  wird.  Die  Erinnerung  an  die 
Erlebnisse  während  der  Wanderung  kann  bei  dieser  Form  qualitativ  ver- 
ändert sein.  Der  epileptische  Wandertrieb  —  bei  Kindern  selten  —  ist 
besonders  charakterisiert  durch  das  Fehlen  der  Erinnerung  und  das  mangel- 
hafte, ungeordnete  Verhalten  gegenüber  den  jeweilig  vorkommenden  Situa- 
tionen während  der  Wanderungen.  Beim  epileptischen  Wandertriebe  wird 
die  Behandlung  sich  gegen  das  Orundleiden  zu  richten  haben,  bei  dem 
hysterischen  spielt  besonders  die  Wachsuggestion  als  Heilmittel  eine  be- 
deutende Rolle;  bei  der  im  Kindesalter  häufigsten  psychasthenischen  Form 
ist  die  Hauptaufgabe  die  Verhütung  von  Verstimmungen,  die  Erzielung 
einer  gleichmäfsigen  Stimmung  in  Haus  und  Schule,  weiter  die  Erziehung 
zum  Schmerz  und  Gewöhnung  an  ünlustgeftüüe.  Prügel  helfen  nichts  und 
können  die  Anfälle  nur  vermehren,  die  Verstimmung  in  einzelnen  Fällen 
so  steigern,  dafs  es  zum  Selbstmord  kommen  kann.  Bei  schlechten  häus^ 
liehen  Verhältnissen,  wo  die  günstige  psychische  Beeinflussung  nicht  statt-" 
finden  kann,  ist  Anstaltsbehandlung  angezeigt. 

Zwangsvorstellungen  sind  nach  dem  Verfasser  im  Kindesalter  häufiger, 
als  manche  Autoren  annehmen.  Nur  entbehren  die  kindlichen  Zwangs- 
vorsteDungen  häufig  des  WsSTPHALschen  Kriteriums,  dals  sie  von  den 
Betroffenen  als  abnorm,  fremdartig  anerkannt  werden.  Kinder,  mit  ihrem 
wenig  entwickelten  Selbstbewufstsein  stehen  den  Zwangsvorstellungen  noch 
nicht  wie  der  Erwachsene  gegenüber.  Das  erste  Stadium  der  Entwicklung 
der  Zwangsvorstellungen  tritt  oft  unter  dem  Bilde  übertriebener  Pünktlich- 
keit, der  Skrupulosität  auf,  die  anscheinend  noch  nichts  von  dem  Charakter 


509 

der  ZwangSTorstellang  an  sich  trägt.  Aber  es  können  beim  Kinde  auch 
sonst  alle  die  verschiedenartigen  Formen  der  ZwangSYorstellnngen  auftreten, 
wie  bei  Erwachsenen.  Die  Zwangsvorstellnngen  sind  oft  schwer  zu  ent- 
larren,  besonders  dort,  wo  sie  nicht  zu  bestimmten,  widersinnigen  Hand- 
langen ftüiren.  Zwangsvorstellnngen  treten  sowohl  bei  belasteten,  als  bei 
ganz  ausgezeichnet  wohlgebildeten  Eindem  auf.  In  der  Behandlang  der 
Zwangsvorstellnngen  ist  es  wichtig,  den  einseitig  geistigen  Bestrebungen  der 
davon  beMenen  Kinder  geordnete  Bewegungsspiele  und  das  AosUben  der 
Handfertigkeiten  entgegenzustellen;  die  Selbständigkeit,  der  Mut  d^  Kinder 
ist  zu  heben.  Etwaige  provokatorisch  wirkende  Ursachen  sind  zu  ent- 
fernen, bezw.  soll  ihnen  durch  Ablenkung  entgegengearbeitet  werden.  Bei 
stärkeren  Affekterregungen  kann  arzneiliche  Behandlung  nötig  werden. 

Zu  den  Zwangszuständen  sind  die  Tics  zu  rechnen,  Krampfformen, 
die  bei  Kindern  häufig  als  Unarten  aufgefa&t  werden;  hierher  gehören: 
Blinzeln,  Heben  der  Brauen,  Schütteln  des  Kopfes,  Drehen  oder  Rücken 
der  Achseln,  Mundspitzen,  Einziehen  des  Mundes  nach  einer  Seite,  Schnaufen, 
Schmeckbewegungen,  Hüsteln,  Räuspern,  Lecken  oder  Bei&en  der  Lippen, 
Nägelkauen  und  ähnliches.  Die  Genese  der  Tics  ist  gewöhnlich  die,  dals 
zunächst  eine  koordinierte  Bewegung  willkürlich  ausgeführt  wurde,  um 
eine  unangenehme  Empfindung  loszuwerden,  welche  Bewegung  aber,  nachdem 
der  Zweck  längst  erledigt,  zurückbleibt  und  nun  unwillkürlich  und  auto- 
matisch wiederholt  wird;  so  kann  z.  B.  ein  Fremdkörper  im  Bindehautsack 
des  Auges  Blinzeln  verursachen,  das  beibehalten  wird,  wenn  der  Fremd- 
körper längst  entfernt  ist  usw.  Die  scheinbare  geringfägige  Bedeutung 
dieser  „Unarten^  wächst  für  den  Arzt  und  Lehrer  dadurch,  dafs  die 
psjchiafaischen  Erfahrungen  gezeigt  haben,  dals  die  Tics  auf  dem 
Boden  eines  Geisteszustandes  entstehen,  der  charakterisiert  ist  durch 
ein  mangelhaftes  seelisches  Gleichgewicht,  besonders  in  der  Willenssphäre, 
durch  Mangel  an  Ausdauer,  besonders  der  Auftnerksamkeit,  durch  eine 
gesteigerte  Erregbarkeit  und  Neigung  zu  allen  möglichen  Bizarrerien  und 
Exzentrizitäten.  Die  Behandlung  besteht  hauptsächlich  in  der  Hebung  des 
Ernährungszustandes  und  in  speziellen  methodischen  Übungen,  welche  die 
automatischen,  unwillkürlichen  Bewegungen  zu  willkürlichen,  hemmbaren 
machen  sollen.  Strafen  sind  meist  schädlich.  In  bezug  auf  Entstehungsart 
«id  Behandlung  steht  den  Tics  nahe  die  motorische  Unruhe  der  Schul- 
kinder („Zappelphilipp^).  Solche  unruhige  Individuen  entwickeln  sich  leicht 
zu  Menschen,  die  stets  den  Beruf  wechseln,  eine  Neigung  zur  Bununelei, 
Yagabondage  usw.  an  den  Tag  legen. 

Endlich  bespricht  der  Verfasser  noch  das  Wach  träumen  der  Kinder, 
das  nur  Üar  ein  gewisses  frühes  Alter  als  normal  angesehen  werden  kann, 
bei  nervös  disponierten  Kindern  aber  sich  zu  der  sogenannten  patholo- 
gischen Träumerei  entwickeln  kann.  Referent  hat  in  einer  kleinen  Ab- 
handlung „Vom  Seelenbinnenleben  der  Kinder,  1898"  früher  schon  auf  die 
Bedeutong  der  Träumerei  für  die  pädagogische  Pathologie  hingewiesen. 
Der  Verfasser  legt  dar,  wie  sich  mit  dem  Tagträumen  leicht  ein  phan- 
tastiscber  Wandertrieb  verbinden  und  es  dabei  leicht  zu  Diebstählen  und 
ähnlichem  kommen  kann.  Gefährlich  ist  die  sich  von  der  Aulsenwelt  ab- 
schlie&ende,  die  eigene  Person  betreffende  Phantasietätigkeit.    Das  Haupt- 


610 

gewicht  der  Behandlung  ist  zn  legen  anf  die  Hinlenknng  des  Interesses  za 
realen  Dingen,  Überftlhrang  des  Phantasiespiels  zu  zweckbewoister  T&tigkeit 
(besonders  auch  hier  wieder  zu  Bewegungsspielen  und  Handfertigkeiten); 
wichtig  ist  femer  Regelm&lsigkeit  der  geistigen  and  körperlichen  Be- 
schäftigung, Vermeiden  von  rein  mechanischen  Arbeiten,  die  der  Phantasie 
freien  Lauf  gestatten,  wie  Sticken,  Hfikeln,  endlich  Einschränkung  der 
zum  stundenlangen  Sitzen  nötigenden  Hausarbeiten. 

Die  kleine  Schrift  ist  eine  reiche  Fundgrube  ärztlicher  und  päda- 
gogischer Beobachtungen  und  des  schulhygienischen  Interesses  besonders  wert. 

Dr.  MosES-Mannheim. 

ScHBöEB,  H.  Methodik  dea  TnrniuitemehtB.  Ein  Hilfsbueh  für 
Tnnlehrer  und  Tnrnlehrerinnen.    Leipzig.   B.  G.  Teubner.    1904. 

An  tummethodischen  BQchem  ist  kein  Mangel;  wenn  jemand  es 
trotzdem  übernimmt,  zu  den  zahlreichen  noch  ein  neues  hinzuzufügen,  so 
ist  das  ein  Zeichen,  dals  er  die  Fähigkeit  in  sich  verspürt,  der  Öffentlich- 
keit etwas  Besonderes  zu  bieten.  Wer  diese  natürliche  Voraussetzung 
gelten  lälst,  wird  allerdings  die  ScHBÖEBsche  Arbeit  mit  bedenklichem 
Kop&chütteln  beiseite  legen. 

Mit  einer  „psychologisch-methodischen*'  Einleitung  beginnt  das  Buch. 
£s  unrd  dem  Leser  auf  Yier(!)  Seiten  „wissenschaftlich^  klar  gemacht, 
was  man  unter  Turnen  yersteht.  —  Sodann  geht's  an  die  Hauptkapitel: 
sStoff,  Betrieb,  Lehrverfahren,  geschichliche  Entwicklung.*^  Sein  päda- 
gogisches Glaubensbekenntnis  läfst  der  Verfasser  auf  Seite  6  erkennen,  wo 
man  liest:  „Wäre  den  Leibesübungen  bereits  die  Stellung  im  Lehrplan  der 
öffentlichen  Unterrichtsanstalten  eingeräumt,  der  (?!)  ihnen  zukommt,  so 
wären  sie  mit  sechs  Wochenstunden  bedacht  .  .  .  Dann  entfielen  f&r 
jeden  Schüler  wöchentlich  zwei  Stunden  auf  die  strenge  Tumschule,  zwei 
Stunden  auf  das  Tumspiel,  eine  Stunde  auf  die  Turnkür  und  eine  Stunde 
auf  die  Übungen  des  volkstümlichen  Turnens,  an  dessen  Stelle  da,  wo  die 
Verhältnisse  es  gestatten,  im  Winter  ab  und  zu  bei  gewissen  Klassen  (!?) 
das  Eislaufen,  im  Sommer  desgleichen  das  Schwimmen  oder  Rudern  treten 
könnte.  Im  Vordergrunde  sollen  deshalb  einstweilen  im  allgemeinen  (sehr 
Torsichtig!)  die  Gerätübungen  (?1)  stehen.^  „Der  Reichtum  des  deutschen 
Turnens  an  Gerüsten  verschiedenster  Art  ist  im  allgemeinen  ein  Vorzug. '^ 
(S.  76.)  —  Die  Sehnsucht  nach  täglichen  Turnstunden  wird  dann  anf  S.  40 
noch  einmal  ausgedrückt  und  zwar  unter  Beruftmg  auf  Gutachten  der  Ge- 
heimräte Y.  Ebmabch,  Helfebich  und  Qüincee  in  Kiel.  Schböeb  ist 
es  dabei  entgangen,  dals  diese  Herren  sehr  richtig  von  täglichem  Turnen 
in  des  Wortes  weitester  Bedeutung,  nicht  aber  von  täglichen  Turn- 
stunden, am  wenigsten  von  einem  Unterricht  mit  „Klassenzielen^, 
Klasseneinteilungen  (S.  10),  Leistungsmessungen  (S.  25),  „Takttumen  mit 
Musik**  (S.  15,  25)  reden,  „unterrichte  schulgemäls^  wünscht  ja  Schböeb 
(S.  15)  d.  h.  wie  in  der  Schulstube  und  fQgt  beruhigend  hinzu:  „Freund 
jugendlicher  Beweglichkeit  und  Frische,  du  brauchst  über  die  Forderung 
nicht  zu  erschrecken.  Der  rechte  Lehrer  weifs  schon,  dafs  Schulgemäfsheit 
nicht  Steifheit  und  Langeweile  bedeutet." 

Ein   Buch,    das  von   solchen  Grundanschauungen   ausgeht,  entspricht 


511 

nicht  dem,  was  man  von  einem  derartigen  Werke  erwarten  könnte.  Einzelnes 
sei  hier  noch  erwähnt:  Auf  S.  5  wird  von  den  „sogenannten  volkstüm- 
lichen Übungen^  gesprochen.  Eine  der  wichtigsten,  nämlich  das  Springen, 
fehlt.  Anf  S.  58  dagegen  liest  man:  „Zn  den  volkstümlichen  Übungen 
rechnet  man  vornehmlich  manche  Massenkämpfe  (Spiele),  das  Lanfen, 
Springen,  Werfen  usw.  (?!) 

In  dem  Kapitel  „Lehrverfahren^  liest  man:  „Mache  wenig  Worte^ 
(S.  14) ;  dann  wird  auf  S.  24  mit  Fickingeb  von  „Zurufen  an  diesen  und 
jenen*^  geredet  und  hinzugefügt:  „Der  Lehrer  verbessert  ohne  ünterlafs 
die  wahrgenommenen  Fehler,  unterbricht  durch  ein  gebieterisches  Halt  das 
allgemeine  Üben  usw.** ;  auf  S.  29  lautet  dann  wieder  die  Vorschrift:  „sei 
wortkarg**,  „keine  unnötigen  Worte^;  „höchstens:  Es  war  gut!  Neue 
Übung!« 

Ein  Beispiel  der  Tonart,  in  welchem  das  Buch  gehalten,  ist  folgendes: 
«Ein  geübter  Turnlehrer  kündigt  den  Befehl  zum  Links-  oder  Bechtsum- 
Drehen  während  des  Marsches  an  mit  langgezogenem  L  oder  R  (UUinks 
—  um!  mrechts  —  um!)  und  gibt  den  Ausführungsbefehl  („halt"!  — 
„um^ !)  ein  klein  wenig,  fast  unmerklich  vor  dem  Aufsetzen  des  rechten  (!) 
Fufees."  „Aber  ja  nicht  im  Unteroffizierston,  nicht  schnarren!**  Vom 
Schwimmen  sagt  der  Verfasser  von  sich  aus  so  gut  wie  nichts;  er 
erteilt  da  anderen  (y.  Gossleb,  Vibchow,  Schmidt)  das  Wort;  tume- 
nsche  Einzelübungen  wiederum,  wie  z.  B.  der  Gerwurf  (S.  69),  das  Ringen 
(S.  71),  das  Tiefspringen  werden  viel  zu  lange  ausgedehnt;  dabei  ist  der 
sehr  wichtige  Gerweitwurf  ganz  unberücksichtigt  gelassen,  und  der  Tief- 
spnmg  so  behandelt,  als  ob  er  sich  nur  vom  Tiefspringel,  nicht  auch  und 
vielmehr  an  den  Klettergeräten,  dem  Pferd  usw.  ausführen  liefse.  Warnen 
möchte  ich  vor  dem,  was  der  Verfasser  über  Spielbetrieb  sagt  (S.  57). 
Der  Kundige  sieht  auf  den  ersten  Blick,  dais  Schböeb  hier  nicht  zu 
Hause  ist.  Prof.  WiCKENHAGEN-Berlin. 


Bibliographie. 
Die  mit  *  bezeichneten  Werke  wurden  der  Redaktion  zugesandt. 

*Da8  Sporüufibad.  4.  Sonderheft  von  „Kraft  und  Schönheit''.  Berlin  W., 
Verl.  V.  „Kraft  und  Schönheit".  Gr.  8^  47  S.  Mit  zahlr.  Abbildgn. 
ü  0.50. 

*ElsinmBlOH,  L.,  Schuldirektor.  Der  Verein  für  Ferienkolonien  in  Leipeig 
in  seiner  fünfu/ndetccmzigjährigen  Tätigkeit  Mit  5  Bildertafeln  und 
5  Textbildem.    Leipzig  1905,  Selbstverl.  d.  Ver.  f.  Ferienkol.  8®.  70  S. 

*Habtmanw,  Mabtin,  Dr.  Die  höhere  Schule  und  die  Gesundheitspflege. 
Leipzig,  Teubner,  1905.     8^     56  S. 

*Jahrbuch  der  praktischen  Medüfin,  herausgeg.  von  Prof.  Dr.  J.  Sohwalbe. 
Jahrg.  1905.     Stuttgart,  Enke.     8^     607  S.     M   11.00. 

*Jahrhuch  für  Volks-  und  Jugend^piele,  XVI.  Bd.  In  Gemeinschaft  mit 
£.  y.  SCHBNOKENDOBF  und  Dr.  med.  F.  A.  Schmidt  herausg.  von 
Prof.  H.  WiCKENHAQEN.  Leipzig  u.  Berlin,  Teubner,  1905.  8^. 
346  S.     Kart.  M  3.00. 


612 

Schtdhyg.  Abhandlungen: 
Koch,  Eonrad.     Wohnunffsgeseüi  und  SpidplaUsfrage. 
Gbrstbnbbbo,  H.    Die  Leibtsühung  im  Dienste  der  socialen  Arbeit 

in  Hamburg. 
Rossow,  Karl.    Die  Leibesübungen  in  den  preufsischen  SenUnaren. 
Nbüfbrt,  Dr.     Die  Charlottenburger  Waldschule. 
Koch,  Konrad.     Alte  griechische  Ärete  Über  BaUspiel, 
F.  A.  Schmidt.     Spiel  und  Leibesübung  auf  der  WeltaussteUung 

in  8L  Louis  1904. 
Gluhn,  Alb.     Die  körperliche  Ereiehung  in  Japan. 
Wbtbkamp,  W.     Ein  erprobter  Plan  der  HausgymnasWc  für  Jung 

und  Alt. 
BURQASS,  Dr.     Die  Literatur  des  Spiels  und  verwandter  Übungen 

im  Jahre  1904. 
Die  körperliche  Ereiehung  in  den  Verhandlungen  des  preufsi- 
schen Landtages  1904  u.  1905. 
Bbtbr,  0.  W.     Wandern  cds  Mittel  der  Jugendbüdung. 
Bbbrwald,  K.     Der  Spaziergang  in  gesundheitlicher  Bedeutung. 
Friceb,  H.     Der  Schwimmunterricht  in  Hamburg   im  Jahre  1904. 
KOHLRAüSCH,   E.       Bericht    über    den    unentgeltiichen    Schwimm- 
unterricht an  den  Volksschulen  in  Hannover  1904. 
LoTZ,  H.     Der  Schwimmunterri^t  in  der  ElberfeHder  Volksschule. 
Klahb,  M.     Schulschwimmbetrieb  in  Dresden. 
Stibglbr,  B.     Schwimmunterricht  an  Leipeiger  Volksschulen. 
'^Internationales  Arthiv  für  Schulhygiene.     I.  Bd.,  3.  H.     Mit  7  Fig.  im 
Text.     Leipzig,  W.  Engelmann,  1905. 

H.  Gribsbach.    Weitere  Untersuchungen  über  Beziehungen  zwischen 
geistiger  Ermüdung  und  HautsensibiUtät. 
*MarcinowöKT,  J.,  Dr.  med.     Im  Kampf  um  gesunde  Nerven.    2.  um- 
gearb.  Aufl.     Berlin,  0.  Salle,  1905.     8^     148  S.     M  2.00. 

* Nervosität  und  Weltanschauung.    Berlin,  0.  Salle,  1906.    8^ 

132  S.  M  3.00. 
Marr,  G.,  Dr.  med.  Untersuchung  der  Zöglinge  der  Hamburger  Hi^ 
schulen  im  Jahrgang  1903.  Archiv  f,  soz.  Medizin  u,  Hygiene.  N.  F. 
Deutsche  Monatsschr.  f.  soz.  Medizin,  heransg.  von  Dr.  M.  FÜR8T  und 
Dr.  K.  JAFPi.  I.  Bd.,  4.  H.  Mit  12  Kurven.  Leipzig,  F.  C.  W.  Vogel, 
1905. 
*Sandow,  Eugbn.  Kraft  und  wie  man  sie  erlangt.  Mit  1  Übongstafel 
und  zahlr.  Originalphotographien.  Berlin,  G.  Möckel,  1905.  Verl.  v. 
„Kraft  und  Schönheit«.    8^    157  S.  Kart.  A  2.50,  eleg.  geb.  M.  3.00. 


§ev  ^äfnlavit 


m.  Jahrgang.  1905.  No.  8. 


<Drti)inalaiil|aitblititi)eit. 


Betrachtungen  ftber  schnlftrztliche  Statistik  und  Vorschläge 
snr  HerbeiftQimng  einer  Einheitlichkeit  in  derselben. 

Von 
Dr.  SAMOSOH-Breslau. 
(Fortsetzung  nnd  Schlals.) 

Es  erübrigt  zum  Sohlufs  noch  die  Prüfung  der  Frage,  anf 
welche  Art  nnd  Weise  der  Schularzt  in  Stand  gesetzt 
wird,  sein  Material  am  Ende  des  Jahres  in  der  ge- 
wünschten Weise  zusammenznstellen.  Was  den  Bericht 
über  die  Anfiiahmeuntersnchnngen  anlangt,  so  sollte  dieser  Bericht 
nicht  am  Ende  des  Jahres,  sondern  sofort  nach  Abschlnfe  der 
Untersuchungen  erstattet  werden.  Er  könnte  dann  einfach  aus  den 
gesammelten  Gesundheitsscheinen  herausgelesen  und  gleich  schriftlich 
fixiert  werden.  Was  die  Berichte,  betreffend  die  Morbidität  des 
übrigen  Schülermaterials,  anlangt,  so  gibt  es  zwei  Wege,  die  es 
dem  Schularzte  ermöglichen,  jederzeit  sein  Material  zur  Bericht- 
erstattung zur  Hand  zu  haben: 

1.  Er  benutzt  ein  Berichtsformular  als  Notizblatt  für  jede  Schule 
und  macht  sofort  bei  jedem  Besuch  die  entsprechenden  Notizen. 
Die  Zusammenstellung  der  auf  den  Notizblättem  eingetragenen 
Vermerke  ergibt  dann  den  Bericht.  (Dies  Verfahren  ist  nach  einer 
liebenswürdigen  brieflichen  Mitteilung  des  Herrn  Dr.  Buchbold  in 
Darmstadt  üblich.) 

2.  Es  wird  ähnlich,  wie  in  Breslau,  für  jede  Klasse  eine 
Krankenliste  angelegt,  deren  Gestaltung  aus  dem  beigelegten  Ent- 
wurf IV  deutlich  ersichtlich  ist  und  keiner  weiteren  Erläuterung 
bedarf.  Aus  den  am  Ende  des  Jahres  gesammelten  Krankenlisten 
könnten  dann  die  im  Bericht  verlangten  Angaben  mit  Leichtigkeit 
herausgezogen  werden. 

Der  Sohnlant.  HL  13 


116  514 

SelbBtreratSiidlioh  ist  es  nooli,  dab  jeder  Sohalarzt  ein  Tage- 
bach ftthren  soll,  in  dem  er  über  die  Zahl  seiner  Besuche,  die  da- 
für aufgewandte  Zeit  usw.  zu  notieren  und  auch  sonstige  in  seinen 
Dienstbereich  fallende  Einträge  zu  machen  hat.  Dieses  Tagebuch 
ist  natürlich  auch  für  den  Bericht  heranzuziehen.  Im  allgemeinen 
kann  man  wohl  sagen,  dafs  die  eben  erläuterte  Frage,  wie  es  der 
Schularzt  machen  soll,  um  die  verlangten  Berichte  abzustatten,  von 
geringerer  Bedeutung  ist  und  wohl  auch  nicht  einheitlich  geregelt 
zu  werden  braucht.  Die  Hauptsache  ist,  dafs  die  Berichte 
einheitlich  ausfallen.  Ebensowenig  ist  es  nötig,  ausfohrlicher  auf 
die  Frage  einzugehen,  ob  vor  den  Erstunteisuchungen  Fragebogen 
betreffend  die  Vorgeschichte  des  Kindes,  an  die  Eltern  abgesandt 
werden  sollen,  und  wie  ein  derartiges  Formular  beschaffen  sein  soll. 
Die  Hauptsache  ist,  dals  wir  die  Vorgeschichte  erfahren,  wie  ist 
Nebensache.  Immerhin  erscheint  es  empfehlenswert,  die  Auskunft 
schriftlich  yon  den  Eltern  einzuholen,  weil  der  ausgefüllte  Frage- 
bogen dann  dem  Gesundheitsschein  einfach  beigelegt  werden  kann 
und  zur  vielleicht  manchmal  recht  wertvollen  Ergänzung  desselben 
dienen  kann.  Empfehlenswerte  Formulare  für  einen  Fragebogen 
lagen  aus  Sachsen-Meiningen,  wo  es  die  eine  Seite  des  Oesundheits- 
scheines  einnimmt,  Friedrichshagen  und  Breslau  vor.  Die  Fragebc^en 
aus  Jena  und  Alzey  gleichen  fast  vollständig   dem  aus  Meiningen. 

Eine  Betrachtung  der  sonst  im  schulärztlichen  Dienst  gebräuch- 
lichen Formulare  entzieht  sich  dem  Rahmen  dieser  Arbeit. 

In  dem  Vorstehenden  hat  der  Verfasser  es  versucht,  Vorschläge 
zur  Herbeiführung  einer  einheitlichen  und  möglichst  brauchbaren 
schulärztlichen  Morbiditätsstatistik  auszuarbeiten,  die  vielleicht  eine 
geeignete  Grundlage  für  weitere  Beratungen  darstellen  könnten.  Es 
wird  sich  nun  darum  handeln,  einen  lebhaften  und  gründlichen 
Meinungsaustausch  über  diese  Vorschläge  herbeizuführen.  Zweck 
dieser  Arbeit  ist  es,  eine  Anregung  nach  dieser  Seite  hin  und  auch 
eine  Unterlage  für  weitere  Kommissionsberatungen  zu  geben,  damit  wir 
endlich  zu  der  allseitig  als  notwendig  anerkannten  Einheitlichkeit  im 
schulärztlichen  Dienste  —  natürlich  cum  grano  salis  au&ufassen  —  ge- 
langen. Diese  Vorbedingung  mufe,  wie  Verfasser  es  schon  öfters  betont  hat, 
erfüllt  sein,  wenn  das  Schularztwesen  uns  zu  einer  möglichst  exakten 
Kenntnis  des  Gesundheitszustandes  unserer  Schuljugend  führen  soll. 
Diese  Kenntnis  ist  aber  wieder  die  unentbehrliche  Grundlage,  auf 
der  ein  weiteres  gedeihliches  Wirken  zum  Segen  der  heranwachsen- 
den Generation  denkbar  ist. 


516 


117 


Entwurf  I  för  einen  Gesnndheitasobein. 


Vermerk  aber  larselt  bestehende  Ant- 

liehe   Kontrolle,    als  Hlnweii   fQr   den 

Lehrer,  den  Schein  dem  Ante  bei  Jedem 

Beraehe  Tonnlegen. 


Oesnndbeitsscbein 

d        Sohüler  geb. 

Soh.  El. 

Datum  der  Aufnahme-Üntenuchong 
Antrag  auf  Zorückstellnng  for  1  Jahr. 


Wahrend  der  Schulzeit  befand  sich  das  Kind  in 
arztlicher  Eontrolle  von  bis 

im  Schulj.  Seh.  El.  wegen 


Entlassen  wurde  es  aus 
derselben 


geh. 


wegen 
Schulwechsel 


Als  dauernd  kranklich  wurde  das  Eind  eingetragen: 

Nach  vorheriger  Beobachtung  am  wegen 

ohne  vorherige  Beobachtung  am  wegen 

Bemerkungen  des  Arztes  bei  Entlassung  des  Eindes  aus  der  Schule 
(Vorschläge  für  die  Berufswahl): 


Name  des  Arstes: 


(Vgl.  letite  Seite.) 
Beobachtungen  und  Bemerkungen  der  Lehrer  während  der  Schulzeit. 
(Mit  Angabe  dee  Schuljahresy  der  Klaeee  und  Sehule  und  NamenBunterschrift  in  versehen.) 
Schulversaumnisse  wegen 


Erankheiten 


118 


516 


Ergebnifl  der  Aofnahme-Üntennobniig  vom  (Dat.) 

Schulant:  Dr. 

Zensnr 

Anormal? 

In  welcher 

Weise? 

Spezielle  Diagnosen. 
(Zutreffende  su  unter- 
streichen, nicht  Torgedruckte 
Diagnosen  hinsusofllgen) 

Allgemeine  KOrperbesohaffen- 
heit»  Konetitutlon  und  Er- 
nfthrangssnatand,     I     gut, 
II  mittel,  III  BCbleebt 

Allgemeine  gelatlve  Besehaf* 
fenhelt,  I  normaL  II  sarflck- 
ireblleben,  III  defekt 

Normal 

Hahnerbrust 

Knoebenayetem  (Deforml- 
aten) 

VerkrOmmungen    der   Extre- 

miaten 
Schldelanomalien 

krankhelten 

Knochen.    /    ?*?'*'*»w*i,j 
tube?kSJose||PSi*W«<^ 

Coxitis 

Chron.  Arthritis 
Angeborene  Hilftgelenks- 
luxatlon.    Schiefhals 

HanUelden 

Eksem,  Psoriasis,  Prurigo 
Purunkulosls 

Parasiten 

Pedikulosls,  Skabies 

Drfiaenschwellangen 

Struma 

Mund,  Naae,  Rachen 

Qaumendefekt 

Ozaena 

Aden.  Vegetationen 

ZMine 

I  gut,  II  mittel,  III  aehleoht 

Spraehe 

Stottern 
Stammeln 

Znetand  der  Langen 

Asthma 
Tuberkulose 

Zustand     des    Heraena    und 
HenbeatelB 

An&miache  Geräusche 
Hersfehler 
Kongenitale  Fehler 

Organe  der  BaaehhOhle 

Chron.  Peritonaltnberkulose 

Würmer 

Sonstige  Erkrankungen 

NerTenaystem 

Chorea         L&hmungan 
Hysterie       NerTeniuekungen 
Epilepsie      Tic  couTnlsif 

Körperliche       Entwicklunga- 

Leisten-  /   «>•"»"« 

SehvermOgen 

Myopie 
Hyperopie 
Astiflrmatismus 
Amblyopie 

Behlelen 

Convergent,  divergent 
Angenmuskellfthmung 

Augenkrankheiten 

Trachom,  SchlohtsUr 
SkrqphnlOse     Erkrankungen, 

s.  B.  Phlyct&nen,  Homhaut- 

geschwflre 
Blepharitis 
Narben  und  Flecke 
Sonstige  Augenleiden 

Geh9r 

herabgeseUt,  Taubheit 

Ohrenleiden 

Ohrenflufs 
Sonstige 

Sonstige  Erkrankungen 

Bv.    Gesamtdiagnose     (Blut- 
armut,   Bkrophulose,    Rha- 
ehitis,  Lues  heredit  usw.) 

617 


119 


Arstliclia  Beobaobtnageii 
währacd  der  weiteren  Schulseii 


Anordnungen  and  ^pecielte 

Notizen  des  Scbularztei 


(Vgl.  Aufkiahme-Beftuid) 

I.  Schuljahr  Seh.  EL 

Datum  and  Befunde  bei  er.  weiteren   |  J 
üntersachnngen 


In  arsilioher  Beobachtung  von 
bii 

Aus  derselben  entlassen  als  geheilt 
wegen  Schulwechsel 

Aus  derselben  entlassen  als  ungeheilt 
Als  dauernd  kranklich  eingetragen  am 

Name  des  Schularztes  : 


Dispens 
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EL  SchuQahr  Seh.  Kl. 

Datum  und  Befunde  bei  er.  weiteren 
Untersuchungen 


In  irstlicher  Beobachtung  von 
bis 

Aus  derselben  entlassen  als  geheilt 
wegen  Schulwechsel 

Ans  derselben  entlassen  als  ungeheilt  1 
Als  dauernd  kranklich  eingetragen  am  j 

Name  des  Schularztes: 


ni.  bis  Vm.  Schu^'ahr  desgleichen. 


120 


518 


MesBongt-  und  Wignngt-Brgebniaae. 


KlMM 

Sehule 

Nr. 

eT.,  kath. 

Gewicht 
kg 

Lange 
cm 

BruBt- 

umfang 

durch  Arst 
cm 

Name  dea 

und  CT.  des 
AntM 

1.  Schuljahr 

2.  Schuljahr 

8.  Schuiyahr 

4.  Sohu^ahr 

5.  Schi4jahr 

6.  Sohi4jahr 

7.  Sohu^ahr 

8.  Schuljahr 

Infektions-Erankheiten  wahrend  der  Schulzeit 
L  Schuljahr  Kl.  Seh. 


n.  Schu^ahr 

Kl. 

Seh. 

m.  Schuljahr 

Kl. 

Seh. 

IV.  Schu^ahr 

Kl. 

Seh. 

V.  Schuljahr 

Kl. 

Seh. 

VI.  Schuljahr 

Kl. 

Seh. 

Vn.  Schuljahr 

Kl. 

Seh. 

Vm.  Schuljahr 

Kl. 

Seh. 

Ergänzung  der  ärztlichen  Beobachtungen  und  Bemerkungen. 


Ergänzung  der  Beobachtungen  und  Bemerkungen  des  Lehrers. 


519 


121 


Entwurf  la  ffir  einen  GeBnndheitssoliein. 


V«rm«rk  ab«r  inneit  bestehend«  tnt- 

Uobe   Kontrolle    als   Hinwels   Hu   den 

Lehrer,  den  Sehein  dem  Ante  bei  Jedem 

BesDcbe  Torznleffen. 


Cfesnndheitssehein. 

d        Schaler  geb. 

Seh.  El. 

Datam  der  Anfiiahmeantersnchung 
Antrag  aof  Zoraokstellung  für  ein  Jahr. 


Wahrend  der  Schulzeit  befimd  sich  das  Kind  in 
arztlicher  Eontrolle  von  bis 

im  Schn^.  Seh.  El.  wegen 


Entlassen  wurde  es  aus 
derselben 


geh. 


wogen 
Schalwechsel 


Als  daaemd  kranklich  wurde  das  Eind  eingetragen: 

Nach  Yorheriger  Beobachtung  am  wegen 

ohne  vorherige  Beobachtung  am  wegen 

Bemerkungen  des  Arztes  bei  Entlassung  des  Eindes  aus  der  Schule 
(Vorschläge  für  die  Berufswahl): 


Name  des  Arstes: 


Beobachtungen  und  Bemerkungen  der  Lehrer  wahrend  der  Schulzeit, 
(mt  Angabe  des  Schuljahres,  der  Klasse  und  Schule  und  Namensunterschrift  sn  versehen.) 


122 


520 


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Der  Schularzt.  IIL 


14 


124 


582 


Kattang«-  und  W&gangiergebniMe: 

Sehule 

KlAMe 

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Bnut- 
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Ant) 

Schulxeit: 

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Eqräniung  der  Beobaohtongen  und 
Bemerkangen  des  Lehren: 

523 


126 


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126 


524 


Entwurf  n 


Sohnlant  Dr. 


(Bericht  über  die  Aafnahme- 

üntertuchapgen).  Bericht 

fiber  die  Anfliahiiie-Uiitennichuigeii  im  Sohuljahr. 


IK». 

IL 

8a. 

•k 

Zfthl  der  LerDftnfSiKrer  ...............  ^ ...... . 

Zahl  der  ÜDtemchten 

(^AffiK  flrefnnd  witreD 

Abweichungen  Yon  der  Norm  boten  dar 

In  firztliche  Beobachtung  wardeo  gestellt 

Als  dauernd  krankhoh  wurden  eingetragen 

Zurückstellung  vom  Unterricht  auf  ein  Jahr  wurde 
beantragt  bei 

Die  Untersuchung  betr.  die  allgemeine  körperliche  und  geistige  Beschaffenheit 

ergab  folgendes: 


Knaben 

y&dohen      II 

% 

»btolat 

•/o 

»btolvi 

•h 

Allgemeine 

gnt. 

körperliche 

mittel 

heit 

schlecht.... 

AUgemeine 

normal 

geistige 
Beschaffen- 

zurück- 
geblieben . 

heit 

defekt 

Von  besonderen  schularsüichen  Anordnungen  resp.  Vorschlagen 
sind  herrorzuheben : 


Knjirben 

Mldehen 

8a. 

•/o 

abaolut 

1     V^ 

üb  sola  t 

% 

Anweisung  einet  bestimmten  Sitsplatzes 

Diapens  von  emzelnen  Fächern  . ,  ^ « . . . 

Zeitweiier  AnsschlufB  vom  Scbolbesuob 

Befiond .  Berüokflichti  gu  ng  beimU  aterri  cht 

Überweisung  an  einen  Sprachküraui  .  • 

Mitteilungen  an  die  Eltern, ....,,,.,,, 

Angaben  betr.  die  Zahl  der  eingegangenen  Fragebogen  und  die  Art  der  Aus- 
füllung durch  die  Eltern. 


Angaben,  inwieweit  von  den  Eltern  schulärztliche  Untersuchung  und  Beobadttang 
ihrer  Kinder  abgelehnt  wurde. 


535 


127 


(Vgl.  8. 1  betr.  aUgemeiM  Koneiitatioa 
M      geistige  Betchaffenkeit) 

(^*  ^)  nntenaohten  Lenumflngern  wnrden  folgende 

KrankheitszoBtände  festgestellt. 


Allgemeine 
Diagnosen 

Kn. 

M. 

Sa. 

SpesieUe  Diagnosen 

Kn. 

M. 

Sa. 

Be. 
merkangen 

über" 
besondere 

Fälle 

JLnoehentTstem 
(Defemdaten) 

Kypbose 

Skoliose 

Hflknerbrast 

Verkrfimmong  der  Extremi- 

aten 
Sck&delanomalien 

lenke-  and  Mos- 
kelkrankkeiten 

"SÄ-  { rs.- 

Angeborene  Hiftgelenfs- 

Inxatlon 
Cozitis 

Ckron.  Arthritis 
Schief  hals 

Hantleiden 

Bksem 
Psoriasis 

Furunkolosls 
Andere 

Parasiten 

Pediknlosis 
Skabies 

Drfisen- 
sebirellangen 

Nacken-  and  Kieferdrflsen 
Stroma 

"s^lr 

Oaomendefekie 

Osaena 

^t?"2"!    Veget    resp.   he- 

ZIkne  (defekt  and 
sekr  sekleekt) 

Spraeke 

Stottern 
Stammeln 

Zastaad 
der  Langen 

Asthma 

Taberkalose 

Sonstige  Erkranknngen 

Zastand 
des  Hersens 

Anämische  Ger&asche 

Hersfehler 

Kongenitale  Erkrankangen 

Organe 
Ar  Baaekkeble 

Würmer 

Sonstige  Erkrankangen 

Merrens/stem 

Epilepsie 

Hysterie 

Chorea 

Lähmungen 

Nerrensaekangen 

128 


(Kd. 


526 


M.)  nntennohteii  Lernanf&ngern  worden  folgende 

KrankheitBiQstSiide  festgeetellt 


Allgemeine 
Dlegnosen 

Kn. 

M. 

Sa. 

Bpesielle  Diagnosen 

Kn. 

M. 

Sa. 

Be- 
merknngen 

besondere 
FUle 

KSrperUehe  Bnt- 
wJcUnngsfehler 

?eÄ.  }  B'««^e 

Myopie 

Hyperopie 

Astigmatismas 

AmbVopIe 

Akkomodationsl&hmnng 

Schielen 

Konvergentes 

Divergentes 

AngenmnskellUimnng 

Angen- 
krankheiten 

Blepharitis 

Phlyktänen    und   Homhant- 

gesehwfire 
Narben  and  Fleeke 

Trachom 
Sonstige 

Oeh«r 

Taabheit 

OhrenfloTs 
Sonstige 

Sonitige 
Erkrankungen 

8a. 

Sonstige  Bemerkungen: 

Folgende  sa- 
sammenfkssende 

samtdlagnose  des* 

Oesnndheits- 

seheines)  konnten 

gestellt  werden 

Bkrophulose 

Rbaehitis 

Lues  hereditaria 

Blutarmat 

527 


129 


SDiworf  na 


(Bericht  aber  Anfnahme- 
nnterwiohangen). 


Bericht  VbtT  die  Aufiialuneiintersiichiiiigeii 

im  Schn^ahr 


Kn. 

if. 

Sa. 

•h 

Zald  der  Lernanfioger 

Zahl  der  TTnteraiiehteTi r . . . 

Als  1rra.n¥  hefDodeii  wurden -•• 

In  besondere  ärztliche  Beobachtung  wnrden  gestellt 

Als  dauernd  kränklich  (Inral.)  wnrden  eingetragen 

ZnrnckstelL  v.  Unterricht  a.  1  Jahr  wnrde  beantr.  bei 

Besnltate  der  üntersnchnngen  betr.  die  allgemeine  körperliche  nnd 
geistige  Beschaffenheit: 


fir«t 

Knaben 

Mädchen 

ahtolnt 

•/. 

ahsolnt 

•/. 

Sa. 

•/• 

Allgemeine  kOrper- 
liehe  Besehaffenheit 

mittel 

ichleeht 

normal 

Allgemeine  geistige 
Besehaffenheit 

snrfick- 

geblieben 

defekt 

180 


588 


Übersicht  über  die  bei  den  Lernanfingern  gefandenen  Kimakhettnuftiiide: 

Kn. 

IL 

Sa. 

Bemerk,  flh.  hes.  Fill« 

Blntarmat 

Berophalosift  nntTimralto 

Laet  hereditaii* 

Knooheii-,  Gelenks-  u.  MiukelkrMikheitaii 

Haatleiden 

Peraaiten 

Mnnd,  Naho»  Rachen,  x.  x     ...     .. 

Zilwe  (defekt,  sehr  sehleeht) 

Sprache 

Zustand  der  Langen 

Zustand  des  Hersens.., 

Organe  der  Bauchhöhle 

Nerrensystem 

Körperliche  Entwicklungsfehler  (Brüche) 

Schielen 

Augenk<'^>iki|f^tf>n , 

Gehör 

Sonstige  Erkrankungen 

Vorschl&ge  und  Anordnungen  des  Schnl- 
arstes: 

Bob 
dis 

sUge  Et 
Aufhah 

smerkna 
neunte] 

*suehung  betreffend: 

529 


131 


Bntwnrf  m. 
(Bericht  tiber  die  QeBamUohfllerzahl.) 

Bericht  fiber  die  bei  der  CfesamtsehttlerzaU  beobachtete  Morbiditlt 
(Miodestmiorbidität)  und  ihre  Bewegung  im  Jahre 

Oeeamtsohfllerzahl  des  Sehnlbesirks: 

üntersaohfc  worden: 

Zähl  der  schulärztlichen  äesache  behufs  event  Vornahme  ron  Schölemnter- 

suohungen: 
Dorchschnittficher  Zeitaufwand  pro  Besuch: 

Übersieht  über  die  Zahl  der  Oberwaehniicsschfiler,  ihre  YerteüiDg  atf  die 
einzelnem  Klaesem  «nd  iber  ZagSnge  «Bd  Abginge. 


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Bestand 
sa  Beginn 
des  Jiüires 

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Ungeh. 

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der  Abgang« 

Bestand 

am  Ende 

de«  Jahres 

Übersieht  iber  die  Zahl  der  segenannten  Schnlinvaliden,  ihre  VerteiliDg  anf 
die  einzelnen  Klassen  und  iber  Znginge  nnd  Abginge. 


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8.  Sa. 

Kn. 

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M. 

Kn. 

M. 

Kn. 

M. 

Kn. 

M. 

Kn. 

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Ka. 

M. 

Bestand 
SV  Anfang 
des  Jalires 

Zngftnge 

— 

Ss. 

Abgange 

- 

— 

Bestand 

am  Ende 

des  Jalires 

Berieht  iber  die  Infektienskrankheiten  im  Sehnlbezirk. 


182 


530 


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Epilepsie 
Hvsterie 
Chorea 
L&hmungen 

Nenrenincknngen  (Tri  eon- 
vulsif) 

1 

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Myopie 

Hyperopie 

Astigmatismus 

Amblyopie 

AkkommodationslS  h  m  ong 

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53S 


135 


Bntwprf  III  >. 
(Beripht  gber  die  Qesamtichnlerzshl.) 

Beriebt  fiber  die  bei  der  Oesamtscbfilenabl  beobachtete  Morbidität 
(MiiidestiBorbidität)  und  ihre  Bewe^ng  im  Jabre 

Q«8a]iit8<^alerzalil  des  Schalarztbezirks: 

Untenncht  wurden: 

Zahl   der  schtdärztliohen  Besnohe  behofr  eient  Vornahme  von  Schülenmter- 

•uchnngen : 
DnrchschnitÜioher  Zeitamfwand  pro  Besnch: 

Übervidit  ttber  die  Zahl  der  Oberwaebnncssebiler,  ihre  Yerteilnig  auf  die 
einEelaen  Klassen  nnd  über  Zii|;äoge  nid  Abgünge. 


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Geheilt 

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Behnlir. 

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Ungeh. 

Sa. 
der  Abgftnge 

Befliand 
am  Ende 
des  Jahres 

Überflieht  ttber  die  Zahl  der  sogenannten  Sehnlinvaliden,  ihre  Yerteilnng  anf 
die  einzelnen  Klassen  nnd  fiber  ZngSnge  nnd  Abgänge. 


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Sa. 

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M. 

Kn. 

M. 

Kn. 

M. 

Kn. 

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Kn. 

M. 

Kn. 

X. 

Kn. 

X. 

Bestand 
des  Jahres 

Zugänge 

— 

Sa. 

Abgänge 



Bestand 

am  Ende 

des  Jahres 

Berieht  fiber  Infektionskrankheiten  Tom  Schnlarztbezirk 


136 


534 


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138 


536 


Entwprf  mb  B6riclit 

(Bericht  ober  die  Gesamt-  llb6r  di6  Morbidität 

Bchäleraahl).  im  Schulantbeiirk 

""  im  Jahre 

Oesamtachälenahl : 

Untersucht  worden: 

Zahl  der  sohalfirstlichen  Resultate  behufi  Vornahme  von  Sohalenxntersochmigen: 

Durchschnittlicher  Zeitaufwand  pro  Besnch: 

Beobachtnngsschuler : 

Bestand  xu  Beginn  des  Jahres: 

Es  kamen  hinsu: 

Es  standen  also  in  Beobachtung  insgesamt: 

i  als  geheilt: 
Aus  Beobachtung  wurden  entlassen  i  wegen  Schulwechsel: 

l  ongeheilt: 


Summa: 
Bestand  der  Beobachtungsschnler  am  Ende  des  Jahres; 

Als  dauernd  kränklich  eingetragene  Kinder  (sogenannte  SchnlinTalideD): 

Bestand  am  Anfang: 

Es  kamen  hinzu: 

Es  gingen  ab: 

Bestand  am  Ende  des  Jahres: 


achteten  Krankheitssustände: 

Beobachtnngs-  11    Sogenannte 
sckfller        ||  BehulinTaUden 

Bemerk,  über 

Kn. 

M. 

Sa.     Kn. 

11. 

Sa. 

besond.  F&Ue 

Blntarmat 

Bcrophnlosis. 



Rhachitis 

Lnes  hereditaria 

KBoehensyitem  (Deformitäten) 

Knochen-,  Muskel-  und  Gelenkserkrank. 

Hautlelden 

Parasiten 

Drusenichwellungren 

Mnnd,  Nase,  Rachen 

Z&hne  (defekt,  sehr  sehlecht) 

Sprache 

Zustand  der  Lun^n 

Zustand  des  Herzens 

Organe  der  Bauchköhle 

Nervensystem 

Körperliche  Entwicklnngrsfehler 

Sehvermögen  (Schleien) 

Augenkrankheiten. . . .  V 

Gehör 

Ohrenleidea 

Sonstige  Erkrankungen 

Bericht  Aber  Infektions- 
krankheiten: 


Besondere  Bemerkvngen  und 

Notizen  des  Sehularstes 

(s.  B.  Dispense,  Ifitteilangen 

an  die  Eltern, 

Erfolg  derselben  nsw.): 


Kursos  ResOmee  ( Vergleleli 
snm  Vorjahre): 


537 

Entwurf  IV. 


139 


El. 


ETa]ik6]ili8to. 

Soh.: 


L  Überwach 

nngssohiil 

er. 

HAme 

Kr&nklieit 

H 
1 

VorBcW&ge  und  Anordauaspeo 
den  SchaljLrzteii 

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Diapeiue    | 

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Zn-  und 

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n.  Dauernd  kränkliche  Kinder. 


Name 

Krankheit 

1 

11 
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Vorscbl&ge  and  Anordmuigen 
des  Schularztes 

'S 

Dispense 

1 

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11 

b) 
Zu-  und 

Der  Sehalant.  IIL 


15 


140  58» 


tUiitere  JIHteilitit^eit. 


Nev6  8tidtl8eh6  SeknllrEte  ftr  Hittel8cliiil6B.  Nach  einer  Mitteilung 
Ton  Stadtarzt  Dr.  OBBBEOKS-Breslaa  sind  in  Breslau  in  der  Stadtverordneten- 
sitznng  Tom  15.  Jnni  zwei  Schnlarztstellen  fOr  die  stftdtischen  mittleren 
and  h()heren  Schulen  bewilligt  worden,  für  die  h()heren  Knabenschalen 
(Gymnasien  nsw.)  allerdings  mit  der  Bedingung,  dafs  die  Direktoren  damit 
einverstanden  sind,  worauf  jedoch  gerechnet  werden  darf.  Fflr  die  Töchter- 
schulen wird  eine  Schulärztin  angestellt  werden;  bekanntlich  funktioniert 
eine  solche  bereits  an  den  Breslauer  Volksschulen. 

Die  Besoldung  dieser  Stellen  ist  die  gleiche  wie  bei  den  Volksschulen. 
An£angsgehalt  500  Hark,  steigend  nach  je  drei  Jahren  um  150  Ifark  bia 
bis  zum  Endgehalt  Ton  800  Mark.  Die  Dienstanweisung  wird  im  wesent- 
lichen auch  die  alte  bleiben,  also  Lemanfängeruntersuchung,  Klassenbesuche, 
Sprechstunden  fftr  die  Überwachungsschttler. 

Nach  einer  Mitteilung  der  ^Bresl  Ztg.^  hatte  sich  in  der  Stadtver^ 
ordnetenyersammlung  aber  diese  Frage  eine  lebhafte  Debatte  entsponnen. 
Der  Ausschuls  empfahl,  je  eine  Schularztstelle  ftlr  die  höheren  und  mitt- 
leren Mädchenschulen  zu  bewilligen,  die  Ansschflsse  ni  und  VI  empfahlen, 
die  Magistratsvorlage  abzulehnen,  aus  der  wir  hier  nur  das  Votum  des 
Oberbflrgermeisters  Dr.  Bendeb  und  des  Stadtverordneten  Feige  mitteilen. 
Es  sei  doch  eigentlich  unbegreiflich  —  sagte  Dr.  BEin)EB  —  wie  man  sich 
gegen  eine  Sache,  die  anderweitig  erprobt  sei,  ablehnend  yerhalten  könne, 
bevor  man  selber  einen  Versuch  gemacht  habe.  Gerade  die  höheren  Schulen 
brauchten  einen  Schularzt.  Wenn  ein  solcher  EinfluA  gehabt  hätte,  wäre 
z.  B.  eine  Beschäftigung  der  Kinder  aber  fanf  Stunden  hinaus  schon  längst 
abgeschafft.  Man  sollte  also  meinen,  dafs  gerade  die  Schulmänner  Aber  die 
geplante  Einfahrung  von  Schulärzten  aufR  höchste  befriedigt  sein  mfllsten,. 
zumal  ein  Eingriff  in  die  Schulordnung  durch  den  Schularzt  gänzlich  aus- 
geschlossen sei.  Geheimrat  Flügge  habe  völlig  recht,  wenn  er  einen 
erfahrenen  Hygieniker  verlange,  und  den  hätten  wir  ja  in  Stadtarzt 
Oebbeokb  und  in  dem  Hygienischen  Amt.  Aber  ein  Schularzt,  der  die 
Beobachtungen  und  Feststellungen  mache,  könne  hierdurch  nicht  ersetzt 
werden.  Es  sei  unrichtig,  den  Schularzt  als  ein  Geschenk  an  die  Eltern 
der  VolksschOler  zu  betraditen,  es  sei  das  nur  eine  Gegenleistung  gegen  den 
Schulzwang.  Den  Übelständen  gegenaber,  die  besonders  die  höheren  Schulen 
mit  sich  bringen,  sei  der  Arzt  jetzt  die  einzige  Rettung.  Eltern  und  Lehrer 
könnten  leider  gegen  die  Übel  der  Überbardung,  der  Überanstrengung  usw. 
nichts  tun.  Es  sei  auch  nur  ein  Versuch,  der  jetzt  vorgeschlagen  werde; 
nach  zwei  bis  drei  Jahren  könne  man  sich  weiter  entscheiden,  aber  man 
darfe  nicht  von  vornherein  ablehnen. 

Stadtverordneter  Feige  führte  folgendes  aus:  Die  Vorlage  verlange 
ganze  zweimal  500  Mark  jährlich.  Wer  also  daftlr  stimme,  bOrde  der 
Stadt  keine  Lasten  auf,  und  wer  dagegen  sei,  könne  ohne  Bedenken 
doch  wenigstens  den  Versuch  wagen.     Er  wolle  weder  als  Arzt  noch  als 


539  141 

Sdrabnann,  sondern  als  einfacher  Familienvater  reden.  Er  habe  auch  einen 
Hausarzt,  aber  er  lasse  ihn  nur  mfen,  wenn  jemand  erkranke.  Er  sehe  seine 
Kinder  meist  nnr  bei  den  Mahlzeiten;  wer  könne  also  prüfen,  wie  die 
Schule  gesundheitlich  aufs  Kind  wirkt  —  doch  nur  ein  Arzt,  der  es  in 
der  Schule  beobachtet.  Wie  angenehm  wäre  es  ihm,  wenn  ein  Zettel  des- 
selben an  ihn  kfime  mit  einer  Warnung.  Er  sei  erstaunt  darüber,  dals 
Dr.  RiCHTEB  gegen  die  Vorlage  stimmen  wolle,  gesprochen  habe  er  fOr 
dieselbe.  Er  hätte  erwartet,  dafs  die  Herren  von  der  Schule  mit  Be- 
geisterung für  die  Vorlage  stimmen  würden.  Aber,  wenn  es  eben  nötig 
sei,  80  müsse  diese  Sache  auch  gegen  die  Meinung  der  Lehrerschaft  durch- 
geführt werden. 

SehlUrste  in  HamiOTer.  Neben  dem  seit  1902  an  den  Hilfsschulen 
für  schwachbefähigte  Schulkinder  angestellten  Nervenärzte  sind  seit  Beginn 
des  Schu^ahres  1905/06  noch  11  Schulärzte  und  1  Schulärztin  an  den 
Volksschulen  in  Hannover  tätig.  Die  Vergütung  für  die  Schulärzte,  deren 
Tätigkeit  sich  in  erster  Linie  auf  die  sogenannten  Lemanfänger  erstrecken 
soll,  beträgt  jährlich  500  Mark.  Die  gegenwärtig  gültige  Dienstordnung 
der  Schulärzte  (s.  S.  543  ff.)  wird  nach  Ablauf  eines  Jahres  einer  Revision 
unterzogen  werden.  Dr.  WEHBHAHN-Hannover. 

Einige  Strelfliehter  aif  sehnlliygieniaehe  YerhUtnisse  in  Eng- 
land werfen  die  beiden  folgenden  Artikel: 

1.  Medical  Inspection  in  Day  Schools,  by  J.  B.  Wilkinson 
M.  D.     riPubUe  Healfft^    1906.    Jan,  Vol.  XVü.   No.  4. 

2.  Do  Infant  Schools  improve  the  mental  and  physical 
condition  of  the  children?  by  Daniel  Jaokson  M.  D.  ^Public 
HeaUh",    1905.    Febr.  Vol.  XVIL   No.  5. 

Die  beiden  Artikel  scheinen  zu  beweisen,  dals  es  mit  der  Schul- 
hygiene in  England  noch  nicht  weit  her  ist.  Während  Jackson  die  von 
ihm  aufgeworfene  Frage  verneint  und  dafür  plädiert,  keinesfalls  vor  dem 
voUendeten  fünften  Lebensjahre  Kinder  in  Schulpfiege  zu  geben,  da  es 
nach  Aussage  der  Lehrer  erwiesen  sei,  dals  die  später  eintretenden  Kinder 
leicht,  sieher  und  dauernd  die  früh  eingezwängten  überholen,  im  übrigen 
aber  zugibt,  dals  im  allgemeinen  ärztliches  Einschreiten  noch  keinen  ge- 
setzlichen Rückhalt  habe,  gibt  Wileinson,  ohne  letzteres  zu  leugnen, 
teilweise  recht  radikale  Ratschläge.  Er  wünscht  nicht  nur  die  in 
Schulen  untergebrachten  Kinder  allgemein  und  wiederholt  unter- 
sudit  zu  sehen,  befürwortet  viehnehr  mit  Recht,  vor  Eintritt  in  die 
Schule  die  Kinder  auf  ihre  Tauglichkeit  zu  prüfen.  Besonders  hebt  er 
die  akuten  Exantheme,  Diphtherie  und  die  geistigen  Defekte  hervor,  hin- 
sichtlich derer  Unterrichts-  und  Gesundheitsgesetzgebung  dem  beamteten 
Arzte  bereits  einige  Handhaben  bieten.  Er  möchte  aber  auch  den  Kindern 
in  ihr  Elternhaus  nachgehen,  um  dort  die  Ursachen  mancher  Schäden,  für 
welche  die  Schule  mit  Unrecht  verantwortlich  gemacht  wird,  aufzudecken. 
Den  beamteten  Arzt  hält  er  für  den  berufenen  Ratgeber  der  Unterrichts- 
behürden;  ihm  müssen,  wenn  seine  Arbeitskraft  nicht  ausreicht,  aus  der 
Reihe  der  praktischen  Ärzte  ein  oder  mehrere  Hilfsärzte  zur  Seite  gestellt 
werden.  Physikus  SiEVEKiNa-Hamburg» 

15» 


142  540 


Hefertte  fiber  ites  erfditettette  fdiitlaQtliilie  StlireslitrUltt. 

Wir  bitten,  neu  erschienene,  tchularztliohe  JahreBberichte  direkt  an 
unseren  Bearbeiter  derselben,  Herrn  Stadtant  Dr.  Obbbbokb,  Breslau,  Nikolai- 
stadtgraben, übersenden  su  wollen.    D.  Bed. 


Sckvlberielit  ftr  190S/04  tob  der  l>6vtMk6n  eyingel.  Prifat- 
Yolksseknle  mit  OffBiitliekkeitsreekt  in  Prag.  8chulärztlieher  Tefl, 
erstattet  yon  Dr.  med.  E.  Veit.  Es  handelt  tdch  hier  nm  ein  kleines, 
aber  schnlftrztlich  sehr  genan  sortiertes  Schfilermaterial.  Die  Klassifikation 
der  Yorgefimdenen  Krankheitsbefonde  ist  die  folgende,  wobei  es  sich  um 
208  Schulkinder,  Knaben  und  Mädchen,  handelt  und  die  Zahl  der  Kranken 
in  Klammem  angegeben  ist.  Konstitation  gut  111,  mittel  82,  schlecht  15. 
Rhachitische  Folgeznstftnde  (12),  Skrophulose  (16),  Blutleere  (52),  ehn». 
Knochenentxflndung  (1),  nervöse  Zustände  (2),  schwerere  Anomalien  der 
Intelligenz  (1),  schlechter  Ernährungszustand  (66),  Folgezostände  nach 
spinaler  Kinderlähmung  (2),  Lungenerkrankung  (11),  Herzerfcrankong  (11), 
Bruchanlage,  Kryptorchismus  und  Hydrocele  (26),  Hautekzem  (IS),  DrOsen- 
Schwellung,  besonders  am  Hals  (7),  Neigung  zur  WirbelsäulenrerkrOmmung 
(22)y  leichte  Wirbelsäulenverkrümmung  (9),  Lidranderkrankung  (10),  Binde- 
hautkatarrh, einfacher  (53),  follikulärer  (33),  ekzematöser  (3),  Homhaut- 
flecke  (3),  Pupillendifferenz  (1),  vord.  Polarstar  (1),  Schielen  (8),  herab- 
gesetzte Sehschärfe  (14),  Kurzsichtigkeit  (9),  Weitsichtigkeit  (16),  MitTel- 
ohrentzflndung  (5),  herabgesetztes  HOrvermOgen,  einseitig  (11),  beiderseitig 
(6),  schlechtes  Gebils  (136),  vergrOfserte  Gaumenmandel  (79),  vergr5Jber(e 
Rachenmandel  (36),  Rachenkatarrh  (49),  Sprache,  stotternd  (3),  zischelnd 
(26),  nasal  (53),  heiser  (32),  chron.  Schnupfen  (3). 

Femer  wird  erwähnt:  Alkoholische  Getränke  genossen  75  (86%), 
Mitteilungen  an  die  Eltern  erfolgten  24,  Ratschläge  an  die  Schale  62, 
Dispense  vom  Turnen,  Schreiben,  Handarbeit,  vom  ganzen  Unterricht  13; 
Mumps  trat  in  diesem  Jahre  als  epidemische  Schulkrankheit  auf  and  lieb 
sich  von  einem  bestimmten  einzelnen  Falle  herleiten.  Zur  Schuldesinfektion 
wurde  angewandt  die  Formalin-Gasdesinfektion  mit  nachfolgender  Schmier- 
aeifen- Abwaschung  von  Wandölanstrichen,  Bänken,  Klosetts.  Zur  Zeit  von 
Schulepidemien  findet  täglicher  Besuch  des  Schularztes  statt. 

An  Vorträgen  wurden  gehalten  durch  den  Schularzt:  In  den  beiden 
oberen  Klassen  im  zweiten  Halbjahr  wOchentlidi  eine  Stunde  Aber  die  wich- 
tigsten Kapitel  der  praktischen  Gesundheitslehre,  in  der  Lehrerfconferenz 
tlber  erste  Hilfeleistang  bei  Unfällen  und  plötzlichen  Erkrankungen  in  den 
Schulen.  In  diesem  Jahre  wurde  für  die  Schule  ein  Verbandkasten  an- 
geschafft. Die  ungeteilte  Vormittag-Unterrichtszeit  warde  üast  vollständig 
durchgeführt.  Dr.  OEBBBCKE-Breslaa. 

Jahresberieht  Iber  die  TItigkeit  der  Schnlirste  im  Mails 
1903/04.  Das  Jahr  1903/04  bedeutet  fQr  Mainz  den  Beginn  des  schul- 
ärztlichen Dienstes.     Der  leitende  Arzt  ist  Kreisarzt  Dr.  Biü^SEB,  Heraus- 


541  14S 

geber  des  Berichts.  Der  Dienst  wird  yersehen  von  fünf  Schnlftrzten  bei 
8000  Schnlkindem.  £s  werden  regelmä&ige  Sprechstanden  fDr  die  Ober- 
wachongsschfiler  abgehalten,  yon  denen  jeder  eine  2^&hlkarte  hat,  in  welche 
die  Befände  sofort  eingetragen  werden.  Eine  gemeinsame  Krankheits- 
klassifikation wnrde  f&r  die  Schalärzte  noch  nicht  vereinbart  and  soll  erst 
nach  allseitiger  Einarbeitnng  erfolgen.  Die  Namen  der  die  Sprechstande 
besachenden  Kinder  werden  von  den  Klassenlehrern  in  ein  besonderes  Heft 
eingetragen,  am  danach  die  Schalkinder  in  die  angemeldete  Sprechstande 
überweisen  za  können,  also  eine  fthnliche,  zweckmäfsige  Einrichtang,  wie 
sie  Breslaa  in  seinen  Klassenlisten  der  ÜberwachangsschOler  and  Schol- 
inyaliden  für  jede  Klasse  hat  Zwischen  Klassenlehrer  and  Schalarzt  erfolgt 
bei  Gelegenheit  der  Sprechstande  stets  eine  Besprechang.  Wenn  Kinder 
längere  Zeit  ohne  ärztliches  Attest  die  Schale  yersäamen,  werden  die  Eltern 
mit  ihren  Kindern  in  die  Sprechstande  bestellt.  Antrag  aaf  Dispens  vom 
Unterricht  erfolgt  stets  erst  nach  Rflcksprache  des  Schalarztes  mit  dem 
Oberlehrer.  Die  Messangen  and  Wägangen  werden  nar  an  den  Kindern 
vorgenommen,  welche  das  der  Klasse  entsprechende  normale  Alter  haben. 
Zar  YertUgung  der  üngezieferplage  werden  den  Eltern  kostenlos  and  ge- 
braachsfertig  Yertilgangsmittel  nebst  Anweisang  geliefert;  der  Erfolg  wird 
vom  Schalarzt  kontrolliert.  Ärztliche  Behandlang  dnrch  den  Schalarzt 
erfolgt  nicht,  jedoch  wird  die  Einrichtang  einer  zahnärztlichen  poliklinischen 
Behandhmg  beabsichtigt.  Die  klassenweise  üntersachang  der  Angen  aaf 
Brechzastand  and  Sehschärfe  soll  nar  vom  vierten  Scholjahre  ab  vorge- 
nommen werden.  Zar  Üntersachang  stehen  den  Schalärzten  Brillenkasten 
und  GOHNQche  Hackentäfelchen  znr  YerfOgang.  Reichen  diese  Hilfsmittel 
nicht  aas,  so  wird  das  Kind  bezw.  die  Eltern  an  einen  Aagenarzt  verwiesen. 
Es  hat  sich  in  Mainz  die  Erfahrnng  heransgestellt,  dafs,  im  Gegensatz  zu 
den  höheren  Schalen,  bei  den  Yolksschnlen  die  Mäddien  häafiger  an  Knrz- 
ächtigkeit  leiden  wie  die  Knaben.  Ebenso  waren  dnrch  die  schlechte 
Haltung  bei  der  Näharbeit  aaeh  häafiger  Rflckgratsverkrflmmnngen  bei  den 
Mädchen  vorhanden.  Bei  chronischen  Ohrenleiden  wnrde  darch  die  schal«; 
ärztliche  Mitteilung  an  die  Eltern  spezialärztliche  Behandlang  veranlafst. 
Im  allgemeinen  waren  aber  die  Eltern  wenig  geneigt,  ärztliche  Behandlung 
aa&nsachen,  im  ganzen  nicht  mehr  wie  in  einem  Drittel  der  Fälle.  Die 
Eltern  wurden  deshalb  öfters  in  die  Sprechstande  bestellt  durch  den  Ober- 
lehrer, um  aof  sie  einzuwirken,  um  bestimmte  Grundsätze  fttr  die  Bestim- 
mung der  allgemeinen  Konstitution  usw.  zu  erlangen,  empfehlen  sich 
gemeinsame  Übungen  der  Schulärzte  und  des  leitenden  Arztes.  Es  stellte 
sich  heraus,  dals  der  Ernährungszustand  in  den  oberen  Klassen  sich  bessert. 
Zahlenresultate  fähre  ich  diesmal  nicht  an,  da  es  sich  hier  um  das  erste, 
noch  etwas  unsichere  Betriebsjahr  handelt.      Dr.  OEBBECKS-Breslau. 

28.  Jahresbericht  des  Unterrichtsministers  (fir  Japan  Aber  die 
Jahre  1900/01.  Wir  erfahren  aus  diesem  Bericht,  daüs  sich  die  Schul- 
hygiene im  Lande  der  aufgehenden  Sonne  eifriger  Pflege  und  schöner 
Blflte  erfreut.  Eine  besondere  Abteilung  für  Schulhygiene  ist  dem  Unter- 
richtsamt angegliedert.  Die  Hauptarbeit  des  Berichtsjahres  betraf  Durch- 
ftthrung  allgemeiner  hygienischer  Verbesserungen  an  den  Schulgebäuden 
und   ihren  Einrichtungen    (Ventilation,   Beleuchtung,  Trinkwasser,  Bänke) 


144  642 

sowie  zweckmäbige  Herrichtang  Yon  Neabanten.  7094  Schnlen  habea 
Schulärzte,  daranter  6701  Elementar-,  52  Normal-,  178  Mittel-,  42  höhere, 
2  Spezial-,  215  technische,  4  gemischte  Schnlen.  Im  ganzen  waren  3758 
Ärzte  angesteUt,  deren  Gesamtgehalt  104  225  Ten  (ca.  216  788  Mk.) 
betrog.     Körpermessungen  in  höheren  Schnlen  ergaben 

kraftige  Entwicklung  bei  48,87o  m&nnl.,  50,67o  weibL 
mitüere  „  „    48,1%       „       45,8%      « 

schwache        „  „      8,1%       „  44%      „ 

dagegen  in  öffentlichen  Volksschulen: 

kräftige  Entwicklung  bei  45,3%  männl.,  41,9%  weibl. 
mitüere  „  „    48,4%       „        49,9%      „ 

schwache        „  „      6,3%       „         8,2%      „ 

Angenuntersuchungen  zeigten  in  höheren  Schulen 

für  Knaben  beiderseits  normal  61,8%,   unter  normal  88,7% 
,    Mädchen         „  „      81,97o,      »  „       18,1% 

Die  Entwicklung  bewegt  sich  bis  zum  20.  Lebeni^ahre  aufwärts,  darüber 
hinaus  nur  ausnahmsweise.    Knaben  erreichen  bis  dahin  ein  Durchschnitts- 
mals von   161  cm  Höhe,    58  kg  Gewicht,    81  cm  Brustumfang,   dagegen 
Mädchen  141  cm     „        49  kg         „         80  cm  „         ,  letztere 

stehen  bis  zum  14.  Jahre  ersteren  nach,  erreichen  sie  dann,  um  später  wieder 
etwas  hinter  ihnen  zurückzubleiben.  —  Der  im  übrigen  fQr  em  kurzes 
Referat  nicht  geeignete  Bericht  enthält  eine  Fülle  interessanter  Mitteilungen 
über  das  anscheinend  hochentwickelte  japanische  Schulwesen. 

Physikus  Dr.  SiEVSKiNa-Hamburg. 
BeknfsErleicktemng  des  so  wiehtigen  gegenseitigen  Anstauschs 
▼on  schulärztlichen  Jahresberichten  wird  hiermit  eine  Liste  deijenigen  Städte 
zusammengestellt,  welche  bisher  einen  gedruckten  Jahresb^cht  heraus- 
gegeben haben.  Wenn  derartige  Städte  hier  nicht  genannt  sind,  bitte  ich 
um  Angabe  derselben,  um  dann  die  Liste  entsprechend  vervoUständigen 
zu  können.  Angesichts  des  bald  bevorstehenden  Erscheinens  der  neuen 
Jahresberichte  1904/05  wäre  schleunige  Mitteilung  erwünscht. 


1.  Wiesbaden, 

Verfasser: 

Dr.  Frebdb.  Cüntz,  Schularzt 

2.  Chemnitz 

n 

Stadtverwaltung 

3.  Magdeburg 

n 

Kreich  und  Stadtarzt  Dr.  Strabskeb 

4.  Darmstadt 

1» 

Dr.  BuCHHOLB,  Schularzt 

5.  Prag 

11 

Dr.  E.  Veit,  Schularzt 

6.  Leipzig 

n 

Der  Stadtbezirksarzt 

7.  Brunn 

n 

Stadtphysikus  Dr.  laL 

8.  Mülhausen  i. 

Eis.         „ 

Dr.  W.  Sachs,  Schularzt 

9.  Mainz 

n 

Kreisarzt  Dr.  Balsbb 

10.  Breslau 

n 

Stadtarzt  Dr.  Gebbeckb. 

Dr.  Gebbeckb,  Stadtarzt  in  Breslau. 


543  . 146 


Dieitflorbitititseit  für  S^nUt^it. 


Dienstordnimg  ftr  di6  Seknlirzte  der  ESnigliehen  flanpt-  und 
Residenzstadt  Hannover. 

§  1.  Die  Schulärzte  haben  in  den  ihnen  ttberwieseoen  Schulen  den 
Cresondheitszostand  der  Schulkinder  za  überwachen.  Sie  sollen  femer  der 
ScholYerwaltong  nnd  den  Lehrpersonen  in  Fragen  der  Schnlgesnndheits- 
pflege  Ansknnft  erteilen. 

Insbesondere    liegt  den  Schulärzten    folgendes  ob: 

§  2.  Die  Schularzte  haben  in  der  ersten  Woche  des  Schu^ahrs 
festzustellen,  ob  unter  den  Lemanfängem  sich  solche  befinden,  die  wegen 
mangelhafter  körperlicher  oder  geistiger  Entwicklung  oder  wegen  Krank- 
heiten und  Gebrechen  noch  ein  Jahr  yom  Schulbesuch  befreit  werden  mttssen. 
Über  jedes  zurückgestellte  Kind  hat  der  Schularzt  dem  Rektor  einen 
Zorflckstellungschein  einzuhändigen  (Anlage  1),  der  die  Gründe  der  Zurück- 
stellung enthält.   Die  Mitteilung  an  die  Eltern  geschieht  durch  den  Rektor. 

§  3.  Die  gründliche  Untersuchung  der  Lemanfänger  hat  ionerhalb 
sechs  Wochen  nach  Beginn  des  Schub'ahrs  zu  erfolgen.  Die  Untersuchung 
geschieht  in  der  Weise,  dafe  jedesmal  in  der  letzten  Unterrichtsstunde 
zwei  Drittel  der  Kinder  einer  Klasse  nach  Hause  entlassen  werden  und 
ein  Drittel  in  Gegenwart  des  Lehrers  —  bei  Mädchen  in  Gegenwart  einer 
Lehrerin  —  untersucht  wird.  Durch  die  Untersuchung  soll  festgestellt 
i^erden: 

1.  der  Gesundheitszustand  eines  jeden  Schülers, 

2.  ob  das  Kind  einer  dauernden  ärztlichen  Überwachung  bedarf, 

3«  ob  ihm  besondere  Berücksichtigung  beim  Unterrichte  (z.  B.  An- 
weisung eines  besonderen  Platzes  wegen  Gesichts-  und  Gehörfehler, 
Befreiung  von  einzelnen  Unterrichtsfächern,  wie  Schreiben,  Zeichnen, 
Handarbeit,  Turnen  und  Singen,  oder  Beschränkung  in  der  Teil- 
nahme am  Unterrichte)  zuteil  werden  muls. 
Kinder  mit  auffallenden  körperlichen  Gebrechen  sind  nicht  in  Gegen- 
wart Ton  anderen  Kindern  zu  untersuchen. 

Den  Eltern  ist  durch  die  Rektoren  die  Zeit  der  Untersuchung  früh 
genug  bekannt  zu  machen  (Anlage  8)  und  mitzuteilen,  dals  sie  dabei 
anwesend  sein  dürfen.  Sie  sind  auch  aufzufordern,  dals  sie,  wenn  sie  die 
Untersuchung  durch  den  Schularzt  nicht  wünschen,  den  erforderlichen 
arztlichen  Kachweis  durch  einen  approbierten  Arzt  nach  dem  vorgeschriebenen 
Formular,  welches  von  den  Sdiulärzten  unentgeltlich  verabfolgt  wird, 
erbringen. 

Die  Untersuchungen  werden  im  3.,  6.  und  8.  Schuljahr  wiederholt. 
Den  im  letzten  Schuljahre  stehenden  Kindern  ist  auf  ihren  Wunsch 
ärztlicher  Rat  in  bezug  auf  die  Wahl  ihres  Berufes  zu  erteilen. 

Jedem  Lemanfänger  wird  ein  »Fragebogen  an  die  Eltern**  (Anlage  3) 
mit  nach  Hanse  gegeben. 


146 

Anlage  1, 


544 


An 


den  Herrn  Rektor  der  Bürgersohule . 


hier. 


Bei  der  hentigen  üntemchung  des  jca  Oitorn  d.  J.  in  die  7.  -„^  . 

Klaaee  aufgenommenen  Kindei ~ 

hat  noh  ergeben,  daf«  es  an  


leidet  nnd  deshalb  noch  auf  ein  Jahr  vom  Schnlbesnche  za  befireien  ist. 
Hanno  Ter,  den -  190l— 

Der  Sohnlarit 


f.;) 


Anlage  2. 

GeenndheitsBohein 
d        Schaler 
geboren  am 
Schule  Nr. 
Klasse 

Tag  der  üntersnchnng 
Schnlarst  Dr. 


Klasse 

Schule 

(Hr.; 
ev.j  k.) 

Ge- 

wicht 

Lfinge 
em 

Brost- 

umfang 

(durch 

Arzt) 

em 

Name 

des  Klassenlehren 

und  event. 

des  Arstes 

1.  Schn^ahr 

2.  Schnljahr 

QSW. 

ja,  nein. 

Antrag  auf  Zurfiokstellnng  f9r  1  Jahr? 

Ja,  nein. 

C 

Satreffend 

545  147 

§  4.  Über  jeden  Lernanftnger  wird  ein  Gesnndhdtsschein  (Anlage  2) 
▼om  Schnlaizt  angelegt  «nd  wfthrend  der  Schulzeit  weiter  gefOhrt.  Bei 
ümsehnlnngen  werden  die  Gesondheitsscheine  vom  Bektor  in  geschlossenen 
ümschlftgen  an  den  Bektor.  der  künftigen  Schule  des  Kindes  geschickt. 
Die  Gesnndheitsscheine  sämtlicher  Schüler  einer  Klasse  werden  in  einer 
besonderen  Mappe  im  Klassenschranke  anfbewahrt. 

§  5.  Die  za  Anfang  eines  jeden  Halbjahres  Yorznnehmenden  K()rpeF- 
wftgnngen  und  -Messongen  werden  Tom  Schnlarzt  nnter  Aufsicht  des 
Klassenlehrers  ansgefQhrt;  die  Ergebnisse  sind  auf  1  cm  und  ^U  kg  ab- 
znnmden.  Der  Klassenlehrer  fahrt  die  in  der  besonderen  Mappe  anf- 
znbewahrende  W&gnngs-  nnd  Messnngstabelle  (Anlage  7)  und  trägt  die 
Ergebnisse  in  die  Gesnndheitsscheine  ein.  Die  Messnngen  des  Brustumfanges 
geschieht  nnr  bei  Kindern,  die  einer  Lungenerkranknng  verdächtig  sind, 
und  wird  stets  durch  den  Schularzt  vorgenommen. 

§  6.  Über  jedes  Kind,  das  dauernd  der  ärztlichen  Überwachung 
unterstellt  wird,  ist  während  der  ganzen  Schulzeit  ein  Überwachungsschein 
(Anlage  4)  zu  fahren.  Sämtliche  Überwachungsscheine  befinden  sich  in  den 
Händen  des  Schularztes,  während  der  Klassenlehrer  ein  vom  Schularzt 
aufgestelltes  Verzeichnis  der  in  seiner  Klasse  vorhandenen  Überwachungs- 
schüler (Anlage  5)  besitzt,  um  danach  die  Überwachangsschüler  dem 
Schularzte  in  seinen  dienstlichen  Sprechstunden  vorzustellen. 

Wird  ein  Kind  aus  der  ärztlichen  Überwachung  entlassen,  so  ist  dies 
in  der  Liste  der  Überwachungsschüler  vom  Schularzt  zu  vermerken  und 
der  Überwachungsschein  dem  Klassenlehrer  zur  Aufbewahrung  einzuhändigen. 

Der  Bektor  hat  dem  Schularzt  am  Ende  eines  jeden  Monats  die 
Namen  der  abgegangenen  Überwachungsschfiler  mitzuteilen. 

Der  erste  Teil  der  SprechstUDde  dient  zu  einem  Besuche  mehrerer 
Klassen  während  des  Unterrichts,  und  zwar  in  Begleitung  des  Bektors.  Der 
Unterricht  wird  während  des  Besuches  unterbrochen.  Jede  Klasse  soU 
einmal  in  jedem  Halbjahr  besucht  werden.  Bei  diesen  Besuchen  ist  auf 
den  allgemeinen  Gesundheitszustand  der  Klasse  zu  achten,  besondere  Be- 
obachtungen des  Klassenlehrers  sind  zu  besprechen  und  solche  Schüler 
auszuwählen,  die  einer  genaueren  Untersuchung  bedürftig  erscheinen  und 
vielleicht  in  die  Liste  der  Überwachungsschüler  aufzunehmen  sind. 

In  dem  zweiten  Teile  der  Sprechstunde  sind  dem  Schularzte  die  Über- 
wachungsschüler, die  in  den  besuchten  Klassen  zu  genauerer  Untersuchung 
ausgewählten  Kinder  und  in  dringlichen  Fällen  auch  kranke  Kinder  aus 
andern,  an  dem  Tage  nicht  besuchten  Klassen  vorzustellen. 

Die  ärztliche  Behandlung  erkrankter  Schulkinder  ist,  abgesehen  von 
der  ersten  Hilfeleistung  in  Notfällen,  nicht  Sache  des  Schularztes.  Wird 
die  ärztliche  Behandlung  eines  Kindes  für  notwendig  oder  wünschenswert 
gehalten,  so  sind  die  Eltern  durch  den  Bektor  mittels  eines  vorgedruckten 
Formulars  (Anlage  6),  das  vom  Schularzt  und  Bektor  zu  unterschreiben 
ist,  zu  benachrichtigen.  Die  Wahl  des  Arztes  bleibt  den  Eltern  überlassen. 
Erforderlichenfalls  ist  die  Behandlung  durch  einen  Spezialarzt  anzuraten. 

§  8.  In  der  Sprechstunde  hat  der  Schularzt  auf  Antrag  des  Bektors 
zu  begutachten: 


148 


546 


Anlmire  S. 


Städtische  SohuWerwaltuDg  in  HannoTer. 
Fragebogen  an  die  Eltern  betreffend  das  Kind 


Schule  ~ 

- Stralse  Nr. 

1. 

Name  dei  Vaters  oder  Veriretert: 

3. 

Wohoung: 

8. 

Gebarttteg: 

4. 

In  welchen  Lebenqahren  hat  das  Kind 
Krankheiten    und    welche   durch- 
gemacht? 

6. 

Wurden  dauernde  schädliche  Folgen 
davon  beobaohtet? 

6. 

Hat  das  Kind  Verletzungen  mit  dauern- 
den Folgen  durchgemacht? 

7. 

Ist  das  Kind  schwerhörig? 

8. 

Ist  das  Kind  kursaichtig  oder  schwach- 
sichtig? 

9. 

Hat  das  Kind  sonstige  Gebrechen  und 
Schwächen?    (Kämpfe  usw.) 

10. 

Wann  lernte  das  Kind  sprechen? 

Im  Intereste  des  Kinde«  bebofi  BeraekAiehUffon«  beim  Unierriebt  werden  die  Bltera 
um  genaue  Antworten  gebeten. 

Anlage  4. 


Name:  • 


Überwaohungssohein  Nr.... 


(     m;     w.O 


geboren  am: 

Schule:  

Klasse:  


Diagnose :  

In  Überwachung  genommen  am:- 


Aus  der  Überwachung  entlassen  am: 


gebellt,  wegen  Scbulwecbsel 
(unteretreicben). 

Aufnahme  in  die  Schulinvalidenliste  am: 


Unter- 

•ttcbungi- 

Ug 

Jabr 

Feststellungen, 

Anträge, 
AusHihrungen 

Ü8W» 

il 

Ss 
s 

II 

H 

X 

lIl 

rl 

Name 

dei 

Schul- 

antei 

547 


149 


Allgemeiner  Krlftesiutaiid  (Hmkalatar)  =  ^t»  mittel,  schleoht. 
ZShne  =  gat,  mittel,  sohleobt 

Allgemeine  geistige  Beschaffenheit  =  normal,  zurückgeblieben, 
angeborener  Defekt. 


Zutreffendes 

unter- 

■treiehen. 


normal 
(=1) 

anormal, 

in  welcher  Weise? 

(Chronische  Zastände 

and  Defekte.) 

1. 

Knochensystem  (Deformitäten) 

3. 

3. 

Allg.  Konstitution  und  Blutbesohaffen- 
heit  (Blutarmut,  Bleichsucht  usw.) 

4. 

ÄnXsere  Haut  (ohron.  Hautkrankheiten) 

6. 

Drusen  unter  der  äufseren  Haut 

6. 

Hund-,  Bachen-  und  Nasenschleimhaut 
(adenoide  Vegetation  usw.) 

7. 

Sehvermögen 

8. 

Zustand  des  äuiseren  Auges 

9. 

Hörvermögen 

10. 

Zustand  des  äuTseren  Gehörgangs 
(Ohrenfluft  usw.) 

11. 

Sprache 

12. 

Zustand  der  Lungen  (Spitzenkatarrh 
usw.) 

13. 

Zustand  des  Herzens  (Herzfehler  usw.) 

14. 

Organe  der  Bauchhöhle 

15. 

Zustand  des  Nervensystems  (Chorea  usw.) 

16. 

Körperliche  Entwicklungsfehler 
(Hernien  usw.) 

17. 

Parasiten 

Eventuelle  Gesamtdiagnose: 


150  548 

1.  ob  eiiie  nachgesachte  Befreiung  yon  einzelnen  ünterrichtgftfiieni 
vom  arztlichen  Standpunkte  zu  empfehlen  ist, 

2.  ob  ein  Band  wegen  Schwftohlichkeit  oder  aus  anderen  gesundheit- 
lichen Gründen  von  der  Benutzung  des  Schulbades  auszuschlielsen  ist, 

3.  ob  fftr  ein  Bond  wegen  Schwachsinns  die  Aufnahme  in  eine  Hilfs- 
schule oder  wegen  Stottems  die  Zulassui^^  zu  einem  Sprachhdl- 
kurse  in  Aussicht  zu  nehmen  ist,  oder  ob  ein  schwflchliches  Kind 
dem  Verein  fOr  Ferienkolonien  zur  Berücksichtigung  empfohlen 
werden  soll, 

4.  ob  ein  Kind  wegen  Ungeziefer  und  ansteckender  Hautkrankheit^ 
zeitweise  vom  Unterricht  auszuschliefsen  ist,  oder  wegen  Fallsndit 
dauernd, 

5.  ob  eine  Yorzeitige  Entlassung  eines  Kindes  aus  Gesundheits- 
rflcksichten  geboten  erscheint. 

§  9.  Die  ministerieUen  Anordnungen  Aber  die  Verhütung  der  Aus- 
breitung ansteckender  Krankheiten  werden  selbstverständlich  durch  diese 
Dienstordnung  nicht  berührt.  Es  darf  jedoch  erwartet  werden,  daGs  der 
Schularzt  die  Schul-  und  MedizinalbehOrden  bei  der  Ausführung  dieser 
Anordnungen  in  zweckdienlicher  Weise  unterstützt. 

§  10.  Der  Magistrat  bestellt  für  die  Dauer  von  drei  Jahren  einen 
Obmann  der  Schularzte,  der  sie  vierteljährlich  mindestens  einmal  zu  einer 
Konferenz  zusammenberufl  und  dort  den  Vorsitz  führt  Die  Konferenz  ist 
beschluüsfilhig,  wenn  zwei  Drittel  der  Schulärzte  anwesend  sind;  sie  ütA 
ihre  Beschlüsse  mit  einfacher  Stimmenmehrheit.  Bei  Stimmengleichheit  gut 
der  Antrag  als  abgelehnt. 

§  11.  Ein  Recht  unmittelbarer  Anordnung  oder  Anweisung  an 
Rektoren,  Lehrer,  Lehrerinnen  oder  Schulvögte  steht  dem  Schularzt  nicht 
zu.  Er  hat  vielmehr,  sofern  er  Mifsstände  wahrnimmt,  die  nicht  ohne 
weiteres  vom  Rektor  abgestellt  werden  können,  oder  wenn  er  sonst  in 
Beziehung  auf  die  Behandlung  der  Kinder  Mafsnahmen  für  erforderlich 
erachtet,  diese  in  der  Regel  in  der  schulärztlichen  Konferenz  zur  Spradie 
zu  bringen. 

Auf  Beschlufs  der  Konferenz  hat  der  Obmann  hierüber  schriftliehen 
Bericht  an  den  Magistrat  zu  erstatten.  In  dringlichen  Fällen  ist  es  dem 
Schularzt  gestattet,  sich  durch  den  Rektor  an  die  Stadtschulinspektion  zu 
wenden.  Er  hat  jedoch  gleichzeitig  dem  Obmann  eine  entsprechende 
Mitteilung  zu  machen. 

§  12.  Der  Schularzt  hat  fOr  jede  ihm  überwiesene  Schule  folgende 
Listen,  Formulare  usw.  zu  führen  und  aufzubewahren: 

1.  Ein  Tagebuch,   in  das  sämtliche  Ein-  und  Ausgänge  unter  fort- 
laufender Numerierung  einzutragen  sind. 

2.  Ein  Revisionsbuch,  in  welches  kurze  Niederschriften  über  die  bei 
den  Schulbesuchen  gemachten  Beobachtungen  einzutragen  sind. 

3.  Zurückstellungsscheine. 

4.  Gesundheitsscheine. 

5.  Fragebogen  an  die  Eltern. 

6.  Überwachungsscheine. 

7.  Überwachungslisten. 


649 


161 


Anlage^  5. 

KlaBsenliste 

der  ÜberwaohongsBchäler  der  Klaaae- Sohiile  Nr.. 

Schiüarzt  Dr Klassenlehrer 


er.    Knaben      (KMt 
kath.  Mädohen  dwebiar.) 


Jahr- 


Nr. 


In  die  Liste 

eiDgetragen 

am? 


Bemerknng^eii 

des  Sebularstes 

(Diai^noie, 

Anweiiang) 


Bemerkang 

des  Lehren 

am  Jahreeeehluß 


Klassenliste 
über  sonstige  zn  berücksichtigende  Schüler  der  Klasse  (Schnlinvalidität). 


Nr. 


Name 


In  die  Liste 

eingetragen 

amP 


Bemerkungen 

des  Sehularitei 

(Diagnose, 

Anweisung) 


Bemerkung 

des  Lehrers 

am  Jaliresschlnß 


Anlage  6. 


An. 


Sclmlärztliclie  Mitteilung  an  die  Eltern. 


Strafse  Nr. 


Die  von  dem  Magistrat  zu  Hannover  angeordnete  ärztliohe  Untersuchung 

des  Kindes — ~ 

Schale Straise  Nr Klasse 


hat  ergeben,  dafs  es  an 


Im  Interesse  des  Kindes  und  der  Schule  ist  deshalb  notig,  daüi  es  in  ärzt- 
liche Behandlung  tritt. 

HannoTer,  den 190    . 


Der  Rektor. 


Der  Schularzt. 


Anfragen  und  Mitteilungen  des  behandelnden  Arstes  an  den  Schularst 
werden  gern  berfioksiehtigt. 


Wenden ! 


152 


560 


Lediglieh  Zihlblatt  filr  den  Sehnlant 

Der  behandeliida  Ant  wifd  im  etelHtiMlMii  InterMW 
AufSlloBg  fiolfender  Rubriken: 

DiagBOte : 

Yerofdimiigfi - 

HennoTer,  den  


190 


Der  belumdelnde  Ant  Dr.. 


Der  Spenelersi  for 

Dr. 


Di«  EkUrn  werd«a  Im  IntorMM  fbrw  Kinde«  gebetea,  diesea  ZtiUA  sack  Aw- 
ly  dureh  den  behandelnden  Arst  dem  Herrn  Klneeenlehrer  anrOcksnliefem, 
dieeer  Ihn  dem  Sehnlnnt  flberfeben  kenn. 


Anlage  7. 


derKlMte- 


Wägunge-  und  Meeeungstabelle 
(Abrandong  enf  V«  ^  benr.  1  em) 

eT.,  keth.,^^^Schiile  Nr 


1. 


3. 


Mädchen 
Ansf&hrong  am  


.^tnJae  Nr.. 


Vorbemerkungen  für  den  Elaesenlehrer: 

Die  Wftgnngen  und  Measnngen  der  Schulkinder  nnd  lu  Anfimg  einea  jedok 

Halbjftbret  Torznnebmen. 

Die  Schulkinder  rind  im  Intereme  itatistiaoher  Berechnungen  nach  Semeeten 

der  Qeburt^ahre  (Jftnuar-Juni  und  Juli-Desember)  gruppenweiae  einzutragen.. 

Die  j fingeren  Semester  kommen  dabei  in  der  Beihenfolge  sneni. 

Dieae  Semeatergruppen  sind   in   den   beiden  letsten  Vertikalspalten  durch 

eine  Querlinie  abzugrensen   und  ist  über  diese  Linie  die  Summe  und  der 

Durchschnittswert  (Summe  dividiert  durch  Zahl  der  Schulkinder)  für  Lenge 

und  Gewicht  der  Gruppe  hinzuschreiben. 

Die  Wfigunga-  und  Kessungsresultate  sind  eufserdem  auf  dem  Au&ahme> 

Untersuchungsschein  (Kopfbogen)  jedes   Schulkindes    in   die   Torgedmckte 

Bubrik  einzutngen. 


Schuljahr 

19. 

Sommerhalbjahr       | 

Winterhalbjahr 

SB 

Zu-  und 

Geburts- 

■^ 

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Vornamen 
(naeh  Oebnrte- 

(Menat 

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■emestem 
geordnet) 

nnd 
Jahr) 

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Wieviel  Schulkinder  fehlten? 
Untereehrlft  des  Sehularstes: 


Unteraehrift  des  Klaasenlehrers: 


561  153 

Anlage  8, 

Benaohnohiigang. 

Am ,  den ^ M.,  um Uhr  findet 

eine  Untenuehung  Ihres  Kindes - . — 

durch  den  Schularzt  statt.  Erwünscht  ist  die  Gegenwart  der  Mqtter  oder  des 
Vaters. 

Die  Untersuchung  unterbleibt,  wenn  dies  yon  den  Eltern  oder  Erziehern 
unter  Beifügung  eines  bestimmten  von  dem  Hausarzte  ausgefüllten  Formulars 
beantragt  wird« 

HannoTcr,  den 190    • 

Der  Rektor: 


8.  Mitteilungen  an  die  Eltern. 

9.  W&gungs-  nnd  MessnngstabeUen. 

Diese  und  sonstige  amtlichen  Niederschriften  sind  Eigentum  der  Stadt 
und  mflssen  bei  etwaiger  Amtsniederlegnng  des  Schularztes  zurückgegeben 
werden. 

§  13.  Der  Schularzt  darf  die  in  dieser  Eigenschaft  gemachten  Be- 
obachtungen nur  mit  Genehmigung  des  Magistrats  veröffentlichen. 

§  14.  Der  Schularzt  hat  alljährlich  bis  zum  15.  Mai  über  seine  Tätig- 
keit im  yergangenen  Schutjahr  einen  Bericht  an  den  Obmann  einzureichen, 
dieser  yersieht  die  Einzelberichte  mit  einem  übersichtlichen  kurzen  Gesamt- 
bericht und  reicht  sie  bis  Ende  Mai  der  Stadtschnlinspektion  ein,  die  sie 
an  den  Magistrat  weitergibt. 

Die  Einzelberichte  sollen  enthalten: 

1.  Die    tabellarisch   zusammengestellten  Ergebnisse   der  Au£[iahme- 
Untersuchungen. 

2.  Zahl   der   abgehaltenen  Sprechstunden   bezw.  ärztlichen  Besncha 
der  Klassen. 

8.  Anzahl  und  Art  der  ErkrankungsfUle,  die  in  den  Sprechstunden 
zur  Untersuchung  gekommen  sind. 

4.  Anzahl  der  an  die  Eltern  gesandten  schriftlichen  ^^StCtteilungen**. 

5.  Anzahl  der  Überwachungsschüler. 

§  15.  Yerläljst  ein  Schularzt  aufserhalb  der  Schulferien  auf  länger  als 
eine  Woche  die  Stadt,  oder  ist  er  durch  Krankheit  oder  andere  zwingende 
Gründe  an  der  Wahrnehmung  seiner  Obliegenheiten  verhindert,  so  hat  er 
den  Obmann  und  die  Rektoren  der  ihm  überwiesenen  Schulen  rechtzeitig 
hiervon  zu  benachrichtigen  und  für  kostenlose  Vertretung  zu  sorgen. 
Hannover,  den  18.  April  1905. 

Der  Magistrat  der  Königlichen  Haupt-  und  Residenzstadt. 
(Unterschrift.) 


Verlag  von  Leopold  Voss  in  Hamburg. 

Die  Feuergefahr  im  Hause 

Allgemeinverständlich  dargestellt 

von 

Professor  Dr.  M.  Dennstedt 

Direktor  dei  Chemiachen  Staats  -  Laboratoriums  in  Hamburg 

Preis  geb.  Mk.  2.50 

In  einem  effektvollen,  dreifarbigen  Einband. 

Man  müßte  das  ganze  aus  etwa  350  Schlagworten  bestehende  alpha- 
betische Register  abdrucken,  wenn  man  dartun  wollte,  wie  der  Verfasser 
alle  Verhältnisse  des  täglichen  Lebens  in  seinem  allgemeinverständ- 
lich geschriebenen  Werkchen  berücksichtigt,  alle  Verhältnisse  in  dem  kleinsten 
wie  in  dem  elegantesten  mit  allen  modernen  Errungenschaften  ausgestatteten 
Haushalt 

Die  Öffentliche  6esuniüieltspflese 

Mit  besonderer  Berücksichtigung  der  Verhältnisse 
in  den  kleineren  Städten  und  auf  dem  Lande 

Gemeinverständlich  dargestellt  von 

Dr.  Gerloff 

Kreisarzt  In  I^aibes 
Preis  Mk.  2.50 

Dieses  kleine  Werk  über  öffentliche  Gesundheitspflege  soll  den  Laien, 
insbesondere  den  Organen  der  Selbstverwaltung,  die  Möglichkeit  gewahren, 
sich  kurz  über  das  Wesen  and  die  Verbreltongswelse  der  Obertra^aren 
Blrankhelten  und  über  gesundheitliche  Fragen  im  allgemeinen  sa  unter- 
richten. 

Der  Schwerpunkt  aller  gesundheitlichen  Maßregeln  liegt  in 
der  Verhiitung  von  Krankheiten,  Insbesondere  der  ansteckenden 

Es  ist  jedermanns  Pflicht,  dahin  mitzuwirken  und  deshalb  auch  sich 
ein  gewisses  Mafi  von  Kenntnissen  in  der  Gesundheitspflege  anzueignen. 

Solche  Kenntnisse  zu  verbreiten,  ist  das  Gerloffsche  Werk  besonders 
geeignet 


Jeitfdinft  fk  Si||itliirfKitiii|(it9||l(gr. 


XYIII.  Jabrgang. 


1905. 


No.  9. 


Von  der  Bedaktion. 


Dr.  Paul  Schubert  t- 

Am  22.  Anglist  erhielten  wir  ans  Nürnberg  die  erschütternde 
Nachricht,  dafs  nnser  tenrer  Frennd  nnd  Mitredaktenr  am  „Schul- 
arzt^, Dr.  Paul  Sohübebt,  am  21.  abends  sanft  yerschieden 
sei.  Es  war  bekannt,  dals  Sghubebts  Gesundheit  nach  dem 
I.  internationalen  Kongresse  für  Schulhygiene,  der  in  seiner 
Vaterstadt  im  Jahre  1904  stattgefunden  hatte  und  dem  er  sich 
als  Generalsekretär  mit  aller  Aufopferung  seiner  physischen 
und  geistigen  Kraft  gewidmet  hatte,  einige  Male  schwer  ge- 
fährdet war,  aber  die  Ho£fDung,  sein  krftftiger  Körper  werde 
den  Kampf  mit  der  tückischen  Krankheit  siegreich  bestehen 
und  den  teuren  Freund  allen  denen,  die  jetzt  um  ihn  trauern, 
erhalten,  hatte  uns  nie  yerlassen.  Es  sollte  nicht  sein.  Die 
Schulgeeundheitspflegehat  an  Schubert  einen  ihrer  tatkräftigsten 
Förderer,  die  Jugend  einen  liebenden  Freund,  die  Behörden 
einen  tüchtigen  Berater  verloren.  Wir  sind  ihm  alle  dankbar 
für  das,  was  er  uns  in  reicher  Fülle  gegeben,  und  wir  werden 
ihm  ein  herzliches  Andenken  bewahren.  Die  nächstfolgende 
Nummer  der  ZeUschrift  wird  einen  besonderen  Nachruf  auf 
den  Hingeschiedenen  bringen. 


Sehalgetimdlieitflpflere.  XVin. 


29 


554 


•rtfitttUklptttllttttiett. 


tfbtr 
die  Hebenbasehifticiuig  femndOT  und  kmiker  LehrerimiaL* 

Von 

Dr.  RaiiF  Wighmann 
Nenrenmnt  in  Hanbarg. 

Bei  der  Suehe  naoli  den  Ursachen,  welche  som  Entotehen  der 
Nervosität  der  Lehrerinnen  fbhren,  kam  ich  in  einer  früheren  Arbeit 
über  die  sog.  Überbürdong  der  Lehrerinnen  zn  dem  Ergebnis,  dab 
eine  allra  grolse  Belastong  dnroh  die  Sehnle  swar  als  ziemlieh  hAnfig 
vorkommend  von  den  Lehrerinnen  behauptet  wird,  keineswegs  aber 
allgemein  ist.  Li  der  Tat  ist  diese  Überbürdong  dnrchans  nicht  so 
hftnfig,  wie  man  nach  den  Angaben  der  Lehrerinnen  annehmen 
mülste.  Sie  spielt  deshalb  bei  dem  Zustandekommen  der  Nervositfit 
der  Lehrerinnen  prozentoaliter  jeden&lls  keine  sehr  wesentliche  Bolle. 

Ich  habe  sdion  in  jener  oben  erwähnten  Arbeit  „Die  Über- 
bürdung der  Lehrerinnen **,  welche  im  Verlage  von  Oarl 
Marhold  in  Halle  a.  8.  erschienen  ist,  auch  auf  die  mehr  oder 
weniger  grolse  Wichtigkeit  hingewiesen,  welche  bezüglich  des  Zu- 
standekommens einer  Nervosität  der  Lehrerin  in  dem  unzweckmäisigen 
Verhalten  dieser  letzteren  selbst  liegt.  Dieses  Verhalten  kann  sich 
ganz  besonders  in  der  Nebenbeschäftigung  zeigen,  welche  die  Lehrerin 
neben  der  Schule  pflegt.  Sollte  dieses  Moment  vielleicht  wichtiger 
sein,  als  die  behauptete  und  doch  nicht  allzu  häufige  Überbüidung 
durch  die  Schule  selbst?  In  der  vorliegenden  kleinen  Studie  suche 
ich  mich  an  der  Hand  der  mir  von  den  Lehrerinnen  gemachten  An- 
gaben über  diesen  Bunkt  ein  wenig  zu  orientieren. 

Es  ist  klar,  dab  manche  Lehrerin  ihr  Leben  auÜBerhalb  der 
Schule  nicht  gerade  zweckmäfsig  im  hygienischen  Sinne  gestaltet 
und  da(s  sie  dadurch  den  Grund  zu  einer  Nervosität  legt.  Das 
haben  mir  überdies  auch  verschiedene  Lehrerinnen  in  den  Aus- 
führungen, welche  sie  den  Antworten  auf  meine  Frage  beifügtsn, 
auseinandergesetzt.  Natflriioh  ist  in  solchen  lUlen  dann  meht  die 
Berufstätigkeit  anzuschuldigen;  höchstens  filllt  auf  den  Beruf  insofern 


565 

eine  gewisae  Sohuld,  ak  er  Gelegenheit  gibt,  die  Lebensweise  neben- 
her gerade  so  zu  gestalten,  dals  sie  als  nicht  zweckm&lsig  sn  be- 
seiohnen  ist.  Das  scheint  beispielsweise  nnd  besonders  dann  der 
Fall  zu  sein,  wenn  der  Bemf  infolge  mangelhafter  Besoldung  die 
Lehrerin  zu  gewissen  Nebenarbeiten  zwingt,  welche  ihr  dazu  dienen 
mtkBsen,  ihre  pekuniäre  Lage  zu  yerbessem.  Es  ist  schwer  zu  sagen, 
wie  oft  das  der  Fall  ist.  Es  scheint  mir  aber,  dafis  es  nicht  sehr 
häufig  Torkommt.  Im  allgemeinen  befinden  sich  die  deutschen 
Lehrerinnen  in  geordneten  Besoldungsverhältnissen  und  können  mit 
ihrem  Gehalt  ihren  Lebensunterhalt  bestreiten,  vielfach  auch  noch 
eine  Sommerreise  machen. 

Aus  den  mir  seitens  der  Lehrerinnen  gemachten  Angaben  geht 
hervor,  dafs  der  Beruf  ihnen  im  allgemeinen  noch  ziemlich  viel  Zeit 
flbrig  läiSit  zu  anderen  Beschäftigungen.  Es  scheint  mir  nun  ganz 
interessant  zu  sein,  einmal  festzustellen,  welcher  Art  diese  Neben- 
beschäftigungen der  Lehrerinnen  sind.  Daraus  kann  man  sich  als 
Arzt  dann  vielleicht  ein  Bild  machen  darüber,  ob  und  inwieweit 
sie  ätiologisch  eine  Bolle  bei  der  Neurasthenie  spielen.  Ich  benutze 
hierzu  meine  777  Fälle  von  Lehrerinnen,  eine  Zahl,  die  wohl  genügt, 
solch  ein  Bild  zu  entwerfen,  und  welche  ich  bereits  meiner  Arbeit 
,,6eistige  Leistungsfähigkeit  und  Nervosität  bei  Lehrern 
und  Lehrerinnen^,  ebenfetUs  im  Verlage  von  Carl  Marhold  in 
Halle  a.  S.  erschienen,  zugrunde  gelegt  habe. 

Hier  teile  ich  die  Lehrerinnen  nun  in  gesunde  und  kranke,  und 
halte  mich  nicht  an  die  in  der  letzterwähnten  Arbeit  ausgeführte 
Sonderung  in  wissenschaftliche,  technische  usw.  Denn  diese  Trennung 
scheint  mir  für  die  vorliegende  Frage  nicht  nötig  zu  sein.  Ich 
stelle  also  meinen  228  gesunden  Lehrerinnen  die  549  kranken 
gegenüber: 

Unter  den  228  gesunden  Lehrerinnen  haben  87  =  38,1  % 
Nebenbeschäftigung;  unter  den  549  kranken  Lehrerinnen  haben 
271  =  49,3  7o  Nebenbeschäftigung. 

Die  verschiedenen  Arten  dieser  Nebenbeschäftigung  lassen  sich 
zwanglos  in  grö&ere  G-ruppen  bringen.  So  lassen  sich  z.  B.  solche 
Gruppen  bilden  aus  Beschäftigung  mit  ,,Kunst",  „Haushalt^,  „Ver- 
einstätigkeit", ,,Schriftstellerei",  „Studium^  usw. 

1.  Beschtftignng  mit  Kuust. 

unter  allen  Arten  von  Nebenbeschäftigung  nimmt  bei  den 
Lehrerinnen  das  „Musizieren"  die  erste  Stelle  der  Häufigkeitsskala 

29* 


666 


ein.  Diese  Ansttbnng  der  Musik  ist  eine  freiwillige;  sie  ist  Lieb- 
haberei; sie  dient  niobt  zum  Broterwerb.  Unter  Mnsisieren  dürfte 
im  allgemeinen  das  Klavierspielen  verstanden  sein.  Wahrend  sieh 
überhaupt  27,6  Vo  der  Qesnnden  mit  Ennst  besohaftigen,  besohiftigon 
sich  24,1%  mit  Musik.  Die  entsprechenden  Zahlen  der  kranken 
Lehrerinnen  sind  33,7%  und  26,3%.  Hierbei  ist  eine  G^sang- 
lehrerin  mitgezählt. 

Viel  weniger  hftnfig  ist  die  NebenbeschAftignng  mit  Malerei. 
Sie  hat,  als  Liebhaberknnst  betrieben,  yor  dem  Musizieren  entschieden 
den  Vorteil,  eine  wirklieh  ablenkende,  erholende  Beschäftigung  fbr 
nervöse  und  nervös  werdende  Lehrerinnen  zu  sein,  was  man  von 
dem  Musizieren  bekanntlich  nicht  in  gleichem  Malse  sagen  kann. 

Ich  habe,  wie  nachstehende  Tabelle  zeigt,  unter  „Kunst*  auch 
noch  einige  andere  Beschäftigungen,  z.  B.  Brennen,  Schnitzen  zu- 
sammengefaGst. 

Zahl  der  Lehrerinnen: 
Art  der  Kunst gesunde  63  =  27,6%,  kranke  186  =  33,7% 


„Musizieren" 49 


Gesang 

Orgelspiel 

Konzertvorbereitang  . . 

Malerei 

Zeichnen 

Modellieren 

Photographieren 

Brennen,  Schnitzen  . . . 

„Redekunst** 

«Kunst« 


4 
1 
1 


66  =  24,27o 


7=   3,0% 


186 
4 


139  =  26,3% 


1=   0,47o 


8  = 
1  = 
1  = 

1  = 


6,8% 
1.57o 
0.2  7o 
0,2% 
0,2% 
0,2% 
0.8% 


2.  BesehUtigang  mit  Hanshalt. 

Ich  habe  manchmal  von  Frauen  sagen  hören:  „Eine  gute 
Lehrerin  ist  eine  schlechte  Hausfrau."  Es  scheint  mir  etwas  wahres 
daran  zu  sein.  Doch  möchte  ich  den  Satz  mindestens  insofern  ein- 
schränken, dals  man  sagte:  „so  lange  die  Lehrerin  ledig  ist."  Wenn 
die  Lehrerin  sich,  wie  sie  es  doch  eigentlich  alle  möchten,  wenn 
sie  es  auch  nicht  alle  zugestehen,  verheiratet,  so  kann  sie  sicherlich 
eine  ganz  vortre£fliche  Hausfrau  werden.  Die  Lehrerinnen  selbst 
sagen  in  ihren  Antworten:  Ihr  Beruf  lasse  ihnen  keine  Zeit,  den 
Haushalt  zu  führen.  Das  ist  gewifs  zum  grofsen  Teile  richtig.  Ich 
glaube   aber   auch,    die  wissenschaftliche  Arbeit,   welche  durch  die 


557 

Schule  bedingt  ist,  nimmt  ihnen  hftnfig  die  laust  daran.  Viele 
halten  sich  auch  für  zn  gut  dazu.  Viele  kommen  gar  nicht  in  die 
Lage»  den  Haushalt  ftOiren  zu  müssen,  weil  sie  bei  ihren  Angehörigen 
wohnen,  welche  ihnen  diese  Sorgen  abnehmen.  All  das  zusammen 
erklfirt  es,  dab  nur  sehr  wenig  Lehrerinnen  sich  mit  Hanshalt  be- 
schäftigen, nämlich  von  den  Gesunden  10  Vo,  von  den  E[ranken 
14,7  Vo«  Zahl  der  Lehrerinnen: 

Art  des  Haushaltes,  .gesunde  23  =  10,OVo,  kranke  81=14,77o 

„Haushalt« „        15=   6,5%       „       57  =  10,4Vo 

„Handarbeiten" „  8  =   3,57o       „       16  =   2,9% 

„Nähen,  Flicken,  Stopfen*' „         3  =   0,6 7o 

„Nähen  resp.  Listandhaltung  der  eig.  Garderobe"       „         2  =   0,3% 

„Eoehe  selbst" „         1  =   0,27o 

„Füoken- 1  =   0,2% 

„Flicken,  Stopfen,  Badein  und  Briefstellern"  .       „         1  =   0,2  7o 

3.  VereinstXtigkeit. 

Die  gesunden  Lehrerinnen  sind  zu  4,3%,  die  kranken  zu  5,2% 
in  Vereinen  „tätig"".  Darunter  ist  wohl  zu  verstehen,  daCs  sie  das 
Ämtchen  als  Vorsitzende,  Schriftfährerin  oder  Elassiererin  in  einem 
Vereine  bekleiden.  Von  Vereinen  kommen  meistens  Lehrerinnen- 
▼ereine,  Frauenvereine,  Vereine  ehemaliger  Schülerinnen  usw.  in 
Betracht.  Ich  glaube  nicht,  dals  die  zu  leistende  Arbeit  in  diesen 
Vereinen  allzuviel  Nervenkraft  verzehrt.  Dagegen  scheint  nach  den 
mir  gemachten  Angaben  das  Bewu/stsein,  solch  eine  wichtige  Ver- 
einsstellung innezuhaben,  doch  manche  Lehrerin  recht  zu  befriedigen. 
Solch  eine  Befriedigung  wirkt  günstig  auf  die  Nerven. 

Zahl  der  Lehrerinnen: 
Art  der  Vereinstätigkeit  gesunde  10  =  4,3%,  kranke  31  =  5,2 7o. 

4.  BescbSfügnng  mit  Schrifbtellerei. 

Schriftstellerei  als  Nebenbeschäftigung  der  Lehrerinnen  ist 
sicherlich  recht  zeitgemäß.  Trotzdem  beteiligen  sich  von  gesunden 
Lehrerinnen  nur  4,3  7o,  von  kranken  7,4 7o  daran.  Unter  den 
schriftsteliemden  Lehrerinnen  befinden  sich  drei,  welche  als  Neben- 
beschäftigung „dichten'' 1  Eine  verfalst  ^  Rezensionen  methodischer 
und  pädagogischer  Werke^l  Bei  sieben  Lehrerinnen  besteht  die 
Nebenbeschäftigung  —  die  ich  mit  unter  die  Schriftstellerei  rechne  — 
in  Ausübung  ihrer  „Korrespondenz'' 1  Eine  von  diesen  führt  an,  sie 
habe  „schwierigen  Briefwechsel"  als  Nebenbeschäftigung  zu  erledigen. 


&58 

Zahl  der  Lehrerinnen: 
Art  der  Sohriftstellerei  gesunde  10  =  4,3Vo,  kranke  41  =  7,4% 

„SohriftateUerei« .         10  =  4,37o       „       27  =  4,9% 

Üherseteen „         2  =  0,3®/o 

Dichten 3  =  0,6% 

Referate  anfertigen „         1  =  0,2% 

Rezensionen  anfertigen „         1=  0,2% 

Korrespondenz „         7  =  1,3% 

5.  Beschiftignng  mit  Stndinm. 

Nur  eine  verhftltnismäfsig  geringe  Ansahl  der  Lehrerinnen  be- 
schäftigt sich  mit  weiterem  „Studium*.  Die  grolse  Mehraahl  be- 
trachtet eben  den  Beruf  als  Brotstudium  und  ist  zufrieden,  wenn  sie 
ihr  Examen  gemacht  hat  und  angestellt  ist.  Das  betrifft  gesunde 
und  kranke  Lehrerinnen  in  ziemlich  gleichem  Mabe.  Von  den  ge- 
sunden betreiben  4,8%,  yon  den  kranken  6,7%  weiteres  Studium. 
Rechnet  man  yon  den  letzteren  die  sieben  Lehrerinnen,  welche 
»Lektüre"  betreiben  mit  1,2^0  ab,  so  kommen  f^  gesunde  und 
kranke  Lehrerinnen  annähernd  gleiche  Zahlen  heraus.  Hiermit  bitte 
ich  nun  die  Zahlen  zu  vergleichen,  welche  weiter  unten  bei  der 
Beantwortung  der  Frage:  »wieviel  Stunden  verwenden  Sie  täglich 
auf  Ihre  geistige  Fortbildung  ?*"  angegeben  sind.  Dort  ist  der 
Prozentsatz  der  Lehrerinnen,  welche  sich  geistig  fortbilden,  ein  weit 
grOlserer. 

Zahl  der  Lehrerinnen: 

Art  des  Studiums gesunde  11  =  4,8%,  kranke  37  =  6,7% 

»Studium- »  7  =  3,1%        n       22=4,0% 

Hören  von  Vorträgen  und 

Vorlesungen „         2  =  0,9%        »         4  =  0,7% 

»Examenvorbereitung" »         1  =  0,2% 

Studium   für  Oberlehrerin- 

ezamen »  1=0,4%        »  1  =  0,2% 

Vorbereitung  zum  Zeichnen- 

lehrerinezamen 1  s=  0,4% 

StotterheUkursus »         1  =0,2Vo 

Stenographie „         1=  0,2% 

»Lektüre- »         7  =  l,2Vo 

Unier  der  oben  erw8hnten  Beseiohnimg  „Stadinm-  nnd  folgende  nähere 
Angaben  gemeebt:  1  Lehrerin  nimmt  wöchentlich  eine  Elaviersttmde,  1  lernt 
lUlienisoh,  1  Latein,  1  Griechiach,  1  Kathemathik,  4  achreiben  «Spraoh- 
atadinm"  reap.  „Fremdapraobe*. 


559 


6.  Unterricht 

Neben  dem  Sohnlnntemoht  erteilen  manche  Lehrerinnen  noch 
anderen  Dnterrioht.  Ich  meine  nicht  den  „Privatunt^cht''  sensn 
strictioni.  Darüber  werde  ich  auch  gleich  sprechen.  Die  Tabelle 
zeigte  welche  Arten  yon  Unterricht  in  Frage  kommen.  Ob  das  nun 
mehr  der  »Kot  gehorchend,  als  dem  eigenen  Triebe*'  geschieht,  lälist 
sich  schwer  entscheiden.  Ich  nehme  an,  dab  es  der  eigene  Trieb 
ist,  der  die  Lehrerinnen  zu  dieser  Art  Unterricht  fahrt.  Dagegen 
dürfte  die  Erteiinng  des  eigentlichen  „Privatunterrichts*  wohl  mehr 
„der  Not  gehorchend^  geschehen.  Den  Unterricht  ans  „eigenem 
Triebe"  erteilen  nur  4  =  1,7%  von  den  Gesunden  und  23  =  4,1% 
von  den  Ejranken.  Den  eigentlichen  Privatunterricht  erteilen  weit 
mehr  —  das  liegt  in  der  UnvoUkommenheit  der  menschlichen  Natur 
und  der  Besoldung  genügsam  begründet. 

Zahl  der  Lehrerinnen: 

Art  des  Unterrichts gesunde  4  =  1,7%,  kranke  23  =  4,1% 

Unterricht  an  Fortbildungs- 
schulen    „         5  =  0,97o 

Pensionat „        1=0,4%        „         5  =  0.9% 

Leitung  von  Jugendspielen ,         3  =  0,5% 

Eindererziehung „  2  =  0,3% 

Vortrüge  halten  (darunter  einmal  über  .G-esund- 

heitslehre-) „         2  =  0,8% 

Eindergottesdienst gesunde  1  =  0.4  7o        »  J  =  0,27o 

Leitung  einer  Schule „        1  =:  0,4  7o 

Leitung    von    Oberlehrerin- 
kursen        „        1  =  0.5% 

Leitung  von  Gymnasialkursen  flär  Mädchen. . .         „  1  =:0,2% 

Erteilung  von  Unterrichtskursen „         1=  0,2% 

Haushaltungsunterricht „  1=  0,2% 

Unterricht  im  Einderhort „  1  =  0,2% 

Erteilung  von  Privatstunden „  1  =  0,2% 

Wie  schon  gesagt,  der  eigentliche  Privatunterricht  wird  von 
einer  grüüseren  Anzahl  von  Lehrerinnen  erteilt.  Ich  habe  unter 
meinen  antwortenden  Lehrerinnen  6  gesunde  und  82  kranke  Privat- 
lehrerinnen. Diese  müssen  von  der  Zahl  der  übrigen  bei  der  Be- 
antwortung dieser  Frage  abgezogen  werden.  Dann  erteilen  unter 
222  geeunden  59  =  26,5%  Privatunterricht;  und  unter  517  kranken 
152=:  29,4%.    Die  Zahlen  stimmen  ziemlich  überein. 


660 


Gesunde  LehrerinDen  erteilen  Privataniemolit  pro  Woehe: 
bis 


2  Stunden  23  Lehrerinnen 

=  10.4  «/• 

4        „ 

16 

» 

=    7,2  Vo 

6        . 

13 

V 

=    5.9  •/• 

8        , 

8 

n 

=    1,4  «/o 

10        „ 

1 

» 

=    0,4% 

12        „ 

1 

rt 

=    0,4% 

18        „ 

1 

n 

=    0,4% 

26        „ 

1 

n 

=    0.4  »/o 

Diese  letztere  scheint  eine  „reine  Privatlehrerin''  zu  sein. 
Kranke  Lehrerinnen  erteilen  Privatunterricht  pro  Woehe: 
bis    2  Stunden  41  Lehrerinnen  =  7,9  % 


-      4 

n 

48 

W 

=  9.2% 

,     6 

w 

32 

w 

=  6.2% 

n         8 

» 

20 

1t 

=  3,9  % 

„    10 

n 

6 

n 

=  1,2% 

,    12 

n 

2 

» 

=  0,4% 

n     14 

n 

1 

» 

=  0.2  •/• 

unbestimmt 

» 

2 

» 

=  0,4V« 

Aus  diesen  Zahlen  meiner  Statistik  scheint  hervorzugehen,  dab 
die  Lehrerinnen  mit  Privatstunden  nicht  überhäuft  sind.  Zunächst 
gibt  noch  nicht  der  dritte  Teil  der  Lehrerinnen  überhaupt  Privat- 
stunden. Darf  man  daraus  schliefsen,  dafs  —  mindestens  —  zwei 
Drittel  pekuDiftr  durch  ihren  Beruf  usw.  günstig  gestellt  sind?  Das 
mag  der  Leser  entscheiden.  Von  den  Lehrerinnen,  welche  Privat- 
stunden geben,  erteilt  nur  eine  geringe  Anzahl  mehr  als  eine  Stunde 
pro  Tag.  Nimmt  man  an,  dafs  alle,  welche  mehr  als  sechs  Privat- 
stunden wöchentlich  geben,  pekuniär  besonders  schlecht  —  von  Haus 
oder  von  der  Schule  aus  —  gestellt  seien,  und  dafs  sie  deshalb  zu 
diesen  Privatstunden  gezwungen  seien,  so  kommen  bei  den  gesunden 
Lehrerinnen  etwa  8Vo,  bei  den  kranken  etwa  6%  in  Betracht. 

7.  Soziale  Bettti^ng. 

Sehr  gering  ist  nach  meiner  Statistik  die  Betätigung  der 
Lehrerinnen  im  sozialen  Leben,  im  weiteren  Sinne,  neben  der  Schule. 
Nur  4  Gesunde  =  1,7%  und  8  Kranke  =  1,4%  beteiligen  sich 
daran,  und  zwar  in  folgender  Weise: 

Zahl  der  Lehrerinnen: 

Soziale.  Betätigung gesunde  4  =  1,7%,  kranke  8  =  1,4% 

Waisenpflege „        1  =  0,4%        „       1  =0,2% 


561 

Armenpflege kranke  1  =  0,2% 

Pfl^  einer  Freundin „  1  =  0,27o 

Tierpflege „  1  =  0,27o 

Bibliothekarin gesunde  1  =0,4Vo  „  1  =0,27o 

»Geflellschafterin«   „  1=0,2% 

.Outtemplerin" gesunde  2  =  0,97o 

, Humane  Angelegenheiten" „  1  =  0,1  % 

, Langweilige  Menschen  unterhalten" „  1  =  0,l7o 

8.  Sonstiges. 

Die  Nebenbeschäftigungen  yon  ein  paar  Lehrerinnen  lassen  sich 
nicht  gut  in  die  vorbenannten  G-ruppen  einreihen.  Das  betrifft  zwei 
Gesunde  und  drei  Kranke.  Zwei  derselben  betreiben  Sport:  „Tennis- 
spielen  und  Budem",  und  drei  beschäftigen  sich  mit  GklrtnereL 
loh  möchte  yom  ärztlichen  Standpunkte  gerade  auf  den  günstigen 
gesundheitlichen  Einfluls  der  G-artenbeschäftigung  hinweisen! 
Hoffentlich  findet  diese  Beschäftigung  recht  vielen  Anklang  bei  den 
Lehrerinnen  und  häufigere  Nacheiferung. 

Überblickt  man  das  bisher  Angeführte,  so  muls  man,  glaube 
ich,  sagen,  dafs  die  Lehrerinnen  doch  Ycrhältnismäfsig 
wenig  Nebenbeschäftigungen  haben.  Die  unterhaltende  Musik, 
welche  zum  eigenen  Vergnügen  ausgeübt  wird,  steht  der  Häufigkeit 
nach  an  der  Spitze.  An  zweiter  Stelle  folgt  dann  die  Beschäftigung 
im  Haushalt,  aber  doch  nur  mit  10  ==  14,7  %•  Die  Sorge  um  den 
eigenen  Haushalt  ist  also  bei  den  Lehrerinnen  wahrscheinlich  doch 
wohl  nicht  so  grols  wie  so  häufig  behauptet  wird.  Und  jeden&lls 
scheint  mir  diese  Beschäftigung  im  Haushalt,  welche  in  15  7o  der 
Fälle  neben  der  Schule  einhergeht,  keine  der  wichtigsten  Bollen  beim 
Zustandekommen  der  Neurasthenie  zu  spielen. 

Ernstere  wissenschaftliche  Beschäftigung  scheinen  nach  meiner 
Statistik  nur  verhältnismäfsig  wenig  Lehrerinnen  auüserhalb  ihres 
Berufes  zu  betreiben.  Ich  rechne  dahin  alles,  was  unter  der  Bubrik 
»Studium"  steht.  Dayon  werden  nur  4,8  resp.  6,7  %  der  Lehrerinnen 
betroffen.  Es  ist  vielleicht  erlaubt,  anzuzweifeln,  ob  man,  was  mit 
»Sehriftstellerei"  bezeichnet  wird,  immer  wirklich  zu  einer  ernsten 
wissenschaftlichen  Beschäftigung  rechnen  darf.  Ich  möchte  darüber 
mir  kein  Urteil  erlauben.  Aber  der  Leser  hat  die  Möglichkeit,  sich 
ein  Drteil  darüber  zu  bilden,  wenn  er  sich  die  schriftstellerischen 
Leistungen,  wie  sie  in  manchen  der  modernen  Frauenzeitschriften 
ja  jedem   zur  Verfügung  stehen,    des  näheren  ansieht.     Ich  glaube 


562 

aber,  Männer  werden  nÜberaetzen,  Dichten,  Referieren,  ResendeieD 
nnd  Korrespondenz"  wohl  ksnm  xn  den  ernsteren  wissensehafUieheA 
Stadien  rechnen. 

Anch  die  Yereinstätigkeit  der  Lehrerinnen  halt  sich  in  m&lsigen 
Grencen.  Bbenso  der  Unterricht  in  weiterem  Sinne  neben  der 
Schule  —  abgesehen  yon  dem  sog.  eigentlichen  PriTatnnterrichte. 
Von  den  übrigen  Punkten  der  sozialen  Betfttigang  und  aonstigem 
kann  man  schweigen.  Der  Sinn  fiir  soziale  Beschäftigung  scheint 
nach  den  mir  gemachten  Angaben  bei  den  Lehrerinnen  zurzeit  noch 
wenig  ausgebildet  zu  sein.  Jene  einzige  Lehrerin,  welche  die  Neben- 
besohftftigung  hat,  »langweilige  Menschen  zu  unterhalten",  ist  wohl 
des  Bedauerns  des  Lesers  sidier. 

Bs  ergab  sich  aus  meiner  Statistik,  dab  über  50  bezw.  60% 
der  gesunden  und  kranken  Lehrerinnen  keine  Nebenbesohftftigang 
haben.  Zieht  man  hiervon  selbst  noch  die  26,5  resp.  29,4%  ab, 
welche  Privatstunden«  erteilen  —  was  man  man  eigentlich  nicht  dar^ 
da  Priratstunden  und  Nebenbeschäftigung  sich  nidit  ausschlielsen  — 
so  bleiben  immer  noch  ca.  23— >307o  übrig.  Woran  liegt  es,  dab 
kein  weit  grölserer  Prozentsatz  der  Lehrerinnen  Nebenbeschäfti- 
gungen hat?  Es  könnte  gesagt  werden,  die  Lehrerinnen  haben  zu 
viel  Korrekturen  und  Schulvorbereitungen.  Diese  füllen  ihre  ganze 
übrige  freie  Zeit  aus.     Sehen  wir,  wie  es  damit  steht: 

unter  den  gesunden  Lehrerinnen  haben  205  die  Frage  nach 
der  Zeit,  welche  sie  täglich  auf  Korrekturen  und  Schulyorbereitong 
yerwenden,  beantwortet    Es  verwenden  darauf 

bis  1  Stunde    58  Lehrerinnen  «=  28,3% 
„    2  Stunden  78  „  =  38,0  7o 

n    3        „        46  „  =22,0% 

«    4        n         16  .  =    7,3% 

«    6        „  8  „  =    3,9% 

«    6        „  1  „  =    0,67o 

Dazu  ist  zu  bemerken:  Zwei  der  Lehrerinnen,  welche  bis  fllnf 
Stunden  täglich  auf  Korrekturen  und  Schulvorbereitung  yerwenden 
—  sie  geben  an  4 — 6  Stunden  — ,  sind  Schwestern. 

Unter  den  kranken  Lehrerinnen  haben  495  die  Frage  beant- 
wortet Dayon  geben  einige  ungenau  an,  z.  B.  „ganz  yersohieden'^  usw. 
Die  übrigen  481  geben  an: 

bis  0  Stunden      4  Lehrerinnen  =    0,8  % 
n    1        «        116  „  =  24,0% 

»    2        „        208  ,  =43,2% 


568 
bis  3  Standen  109  Lehrerümen  =  22,7  7o 


4        „ 

29 

» 

=    6,0  Vo 

6       „ 

9 

» 

=     1,9% 

6        „ 

5 

» 

=     1.0% 

7        , 

1 

» 

=    0,2  V» 

8-10  „ 

1 

n 

=    0,2  Vo 

Hierzu  sind  folgende  ETgänznngen  zu  machen:  Eine  Lehrerin 
aohreibt  „3 — 5  Standen**.  Eine  weitere  „da  ich  die  Anfnahme- 
klaase  habe,  so  habe  ich  wenig  mit  Schulyorbereitang  zu  tan.  Die 
Korrektoren  nehmen  jetzt  2 — 3  Standen  wöchentlich,  spftter  6 — 8 
Standen  in  Ansprach".  Eine  schreibt  „3 — 6  Standen**;  eine  „1 — 6", 
eine  andere  „2 — 6"  Standen.  Diejenige  Lehrerin,  welche  7  Standen 
angibt,  ist  eine  früher  blatarme  Seminarlehrerin,  welche  nenn  Jahre 
an  einer  Privatschnle  tätig  ist,  nicht  für  Angehörige  za  sorgen  hat, 
kernen  Privatanterrioht  erteilt,  30  Kinder  in  ihrer  Klasse  hat  and 
Yonnittags  4 — 5  Standen  onterrichtet. 

Die  Lehrerin,  welche  8 — 10  Standen  für  Korrektaren  and 
Sehalyorbereitang  anzuwenden  angibt,  wohnt  in  der  Rheingegend, 
ist  erblich  nenrös  belastet,  war  Yor  dem  Lehrerinezamen  nicht  immer 
gesand,  litt  an  Blntarmat.  Wahrend  des  Lehrerinezamens  litt  sie 
nicht  an  nervösen  Beschwerden,  sie  blieb  nach  dem  Lehrerinexamen, 
einige  TJnpftJslichkeiten  aasgenommen,  bis  jetzt  angeblich  daaemd 
gesand;  trägt  ein  Aagenglas;  hat  weitere  Examina  nicht  gemacht; 
hat  nicht  fbr  Angehörige  za  sorgen ;  nnterrichtet  seit  ca.  26  Jahren 
an  einer  Priyatschale;  erteilt  17  Standen  Schal-  and  6  Standen 
PriTatanterricht  wöchentlich;  hat  20 — 30  Kinder  in  ihrer  Klasse; 
gibt  keinen  Handarbeits-  and  Tnrnanterricht;  hat  keine  Neben- 
beschäftigang  wie  Masizieren  oder  Schriffstellerei;  yerwendet  aaf 
ihre  körperliche  Erholung  and  Pflege  1 — 2  Standen  täglich,  aaf  ihre 
geistige  Fortbildung  „soviel  Zeit  wie  die  Verhältnisse  erlauben"; 
würde  nicht  mehr  als  fünf  Standen  täglich,  ohne  selbst  daaemd  zu 
übermüden,  unterrichten  können,  beginnt  den  Unterricht  nach  den 
Ferien  nicht  immer  erfrischt;  hat  die  Ferien  nicht  verlängert,  den 
Unterricht  wegen  nervöser  Beschwerden  nicht  ausgesetzt,  leidet  nicht 
an  Angstzuständen,  Zwangsgedanken,  Kopfdruck,  Herzklopfen;  ist 
der  Ansicht,  dafs  es  „an  manchen  einklassigen  Schulen  Ober- 
bürdung  der  Lehrerinnen  gibt". 

Aus  den  vorstehenden  Zahlen  scheint  mir  hervorzugehen,  dals 
die  Lehrerinnen  mit  Korrekturen  und  Schulvorbereitung  im  allge- 
memen  nicht  überlastet  sind.     Auch  unterscheiden   sich  die  Zahlen 


564 

der  gesunden  Lehrerinnen  nicht  wesentlich  von  denen  der 
kranken.  Die  Mehrzahl,  nämlich  33,0  bezw.  43,2%,  hat  zwei 
Stunden  Korrekturen  und  Schulyorbereitung  tftglioh  nötig.  Drei 
Standen  verwenden  darauf  22,0  bezw.  22,7  %.  Man  darf  vielleielit 
sagen,  was  fiber  drei  Standen  Korrektur  und  Schulyorbereitung  tfiglioh 
ist,  sei  Tom  Übel.  Davon  würden  dann  etwa  10%  der  Lehrerinnen 
betroffen  sein.  90%  der  Lehrerinnen  haben  also  Zeit  fibrig  su 
anderen  Sachen,  die  mit  der  Schule  nicht  direkt  in  Verbindung 
stehen.  Diese  90  Ve  könnten  ihre  Zeit  zu  den  yerschiedensten 
Kebenbeschäftigungen  yerwenden.  Wir  sahen  aber,  dab  diese  Zahl 
nicht  erreicht  wurde. 

Zur  weiteren  Orientierung  habe  ich  nachgefragt  nach  der  Zeit» 
welche  die  Lehrerinnen  auf  ihre  geistige  Fortbildung  und  auf 
ihre  körperliche  Erholung  und  Pflege  yerwenden.  Diese 
Fragen  sind  freilich  schwierig  zu  beantworten  und  die  erhaltenen 
Antworten  sind  mit  einer  gewissen  Skepsis  aufzunehmen.  Immerhin 
scheint  das  Zahlenergebnis  doch  nicht  uninteressant  zu  sein. 

Auf  die  Frage,  wieviel  Zeit  yerwenden  Sie  tAglich  auf  Ihre 
geistige  Fortbildung,  haben  167  Lehrerinnen  unter  Gesunden 
geantwortet  in  folgender  Weise: 

„Unbestimmte  Zeit^  . .  21  Lehrerinnen  =  13,4  % 

„gar  keine« 2  „  =     1,3  7o 

bis  1  Stunde 63  „  =  33,7  7e 

„    2  Stunden 66  „  =  36,7  % 

.    3        „       15  ^  =    9,6% 

.    4         .        9  n  =     M% 

».6  V         —  V  ^       — 

n    6  ,         1  „  =     0,6% 

femer  gibt  eine  Lehrerin  an,  13 — 14  Stunden. 

Von  den  kranken  Lehrerinnen  antworten  407: 

„Unbestimmte  Zeit« . .     71  Lehrerinnen  =  17,6  % 

„gar  keine« 11  „  =   2,7  % 

bis  1  Stunde 120  „  »»29,6% 

„    2  Stunden 146  „  =36,6% 

n    8        „       47  „  =11,6% 

.    4        „       12  „  =   2,9% 

»5  n        —  n  =     — 

«    6        „       1  „  =   0,2% 

Bs  scheint  beachtenswert,  daJs  nur  1,3%  der  gesunden  und 
2,7  %   der  kranken  Lehrerinnen  „gar  keine«  Zeit  auf  ihre  geistige 


565 

Fortbildung  ta  rerwenden  angeben.  Möglicherweise  ist  das  der 
Prosentsate  derjenigen,  welche  doroh  die  Schale  überbürdet  sind. 
Das  wftre  ein  recht  geringer  Prozentsatz.  In  meiner  eingangs  er* 
wfthnten  Arbeit  über  die  Überbürdnng  der  Lehrerinnen  hatten  53% 
die  Behauptung  auj^g^estellt,  dab  es  OberbürduDg  gebe.  Wenn  sich 
aber  tatsächlich  nur  ein  so  geringer  Prozentsatz  von  überbürdeten 
Lehrerinnen  findet,  so  kann  eine  Oberbürdung  nicht  die  Haupt- 
Ursache  der  weit  hftufigeren  Nervosität  sein. 

Nutzen  nun  die  Lehrerinnen,  die  ihnen  zur  Yerfiigung  stehende 
freie  Zeit  wohl  hinreichend  aus  zur  körperlichen  Erholung  und 
Pflege?  Die  Antworten  der  Lehrerinnen  ergaben  darüber  fol- 
gendes  an: 

Von  den  gesunden  Lehrerinnen  haben  152  Angaben  gemacht. 
Bs  rerwenden  auf  körperliche  Erholung  und  Pflege: 

Unbestimmte  Zeit ....   13  Lehrerinnen  =    8,5  Vo 
keine  Zeit 6  „  ==    4,0  7« 

1  Stunde 43  ^  =  28,3  Vo 

2  Stunden 66  „  =  48,4  7o 

3  „       15  „            =    9,97o 

4  «       6  ,            =    4,07o 

5  ^       1  „            =    0,6% 

6  „        2  ,            =    1,80/0 

Femer  schreiben  je    eine    Lehrerin:  ,,8    Stunden    Schlaft; 

,9  Stunden,  davon  eine  auf  Spazierengehen**;  ^11  Stunden **; 
„12  Stunden«;  »13—14  Stunden«. 

Von  den  kranken  Lehrerinnen  haben  402  Angaben  gemacht. 
Sie  rerwenden  auf  körperliche  Erholung  und  Pflege: 

unbestimmte  Zeit   . .     18  Lehrerinnen  =    3,2  % 


keine  Zeit 7  „  =     1,7  7< 


0 


1  Stunde 114  „  =  28,4% 

2  Stunden 181  »  =  45,0  % 

3  ^       67  „  =  16,7  Vo 

4  „       12  .  =    3,07o 

5  „       7  ,  =    1,8% 

6  „       1  „  =    0,2% 

Femer   schreiben   zwei:    ,12  resp.    17  Stunden  einschlieDslich 

Schlaf«.  Erfreulicherweise  sehen  wir  aus  diesen  Zahlen,  dafs  auf 
die  körperliche  Erholung  und  Pflege  yon  den  meisten  Lehrerinnen 
Wert  gelegt  wird.  Es  ist  nur  ein  ganz  kleiner  Prozentsatz,  welcher 
gar  keine  Zeit  darauf  verwendet.     Mir  scheint,  das  sind  wieder  die 


666 

ÜberbOideten.  Die  Zalilen  stimmen  gans  gut  mit  den  oben  äng^ 
fdlurten  Überein.  Bb  sind  3,9  7o  der  gesunden  und  1,7%  der  krsakeii 
Lehrerinnen,  welche  ihren  Körper  nicht  so  pflegen,  wie  sie  es  mttbtsn. 
Yoranssichtlich  tun  sie  es  nicht,  weil  ihnen  die  Zeit  daen  fehlt 
Hoffentlieh  wird  dieser  geringe  Prosentsats  auch  bald  so  gCLnstig 
gestellt  sein,  wie  die  greise  Mehrzahl  der  übrigen,  dab  ihm  die 
nötige  Zeit  snr  körperlichen  Erholung  und  das  noch  fehlende  Geld 
sur  geistigen  Fortbildung  Yon  denen,  die  dasu  berufen  sind,  gewihr- 
leistet  wird. 

Es  ist  schwer,  aus  dieser  Studie  ein  sicheres  Sohlubergebnis  ni 
ziehen.  Ich  möchte  mit  der  nötigen  Beserre  etwa  folgendes  sagen. 
Ich  finde  eine  Bestätigung  meiner  schon  früher  angeführten  Be- 
hauptung, dab  eine  Überbürdung  der  Lehrerinnen  duroh  die  Schale 
selten  ist  und  sich  unter  10 Vo  der  Lehrerinnen  zu  halten  soheini 
loh  meine  femer,  dafs  die  Lehrerinnen  neben  ihrer  Schultätigkeit 
genügend  fi^ie  Zeit  zu  Nebenbeschäftigungen,  zur  körperlichen  Er- 
holung und  zur  geistigen  Fortbildung  haben;  dab  diese  Zeit  aber 
Ton  nur  TerhältniBmäTsig  einer  kleinen  Anzahl  ausgenutzt  wird. 
Eine  Überlastung  kann  ich  hierin  nicht  finden  und  ich  bin  der 
Meinung,  dafs  die  Nebenbeschäftigungen  der  Lehrerinnen 
beim  Zustandekommen  der  Neryosität  keine  sehr  wichtige 
Bolle  spielen. 


567 


Dr.  BonowzBFF  aber  die  OmppenbanlL 

Von 
Armin  v.  DoMiTRoyiOH-Berlin. 

In  seinem  im  Heft  5  (1905)  dieser  Zeitschrift  enohienenen  Auf- 
flttbe:  „Die  praktischen  Schwierigkeiten  bei  der  Befrie- 
digung der  hygienischen  Forderungen  an  die  Snbsellien'^ 
behauptet  Dr.  Bostowzbvf,  dafs  mit  dem  System  der  Gmppenbank^ 
die  Anpassung  an  die  Eörpergrölse  und  -Proportion  der  Schulkinder 
nicht  in  dem  Mause  erfüllt  werden  kann,  wie  dies  die  Hygiene  fordern 
mfisse  und  sucht  daftir  Beweise  zu  erbringen.  Bei  der  Wichtigkeit, 
welche  die  Beschaffenheit  der  Schulbank  auf  die  Gesundheitsyer- 
faältnisse  der  Eulturrölker  ausübt,  ist  es  geboten,  die  Ausführungen 
des  Aufsatzes  auf  ihre  Beweiskraft  genauer  zu  untersuchen. 

Dr.  BosTOWZBFF  glaubt  in  zwei  von  ihm  erbrachten  Tatsachen 
Beweisgründe  gefunden  zu  haben,  und  stützt  seine  Behauptungen 
auf  folgende  zwei  Schein- Argumente : 

Erstens,  dafs  in  den  von  ihm  „untersuchten  41  Schulen  (wie 
aus  dem  Au&atze  hervorgeht,  sind  es  eigentlich  nur  Klassen)  im 
Kreise  Dmitroff  in  Bufsland,  die  alle  mit  nach  den  Angaben  von 
Professor  Dr.  Ebismann  konstruierten  Schulbänken  versehen  sind^, 
die  Anzahl  der  verschiedenen  Bankgröisen  nicht  dem  Verhältnisse 
der  wirklich  vorhandenen  KindergröDsen  entspricht,  die  Dr.  BosTOW- 
ZKvr  durch  Messen  gefunden  hat. 

Zweitens,  dals  man  auch  dann  nicht  imstande  ist,  die  Verteilung 
der  Bankgröfisen  in  einem  der  Wirklichkeit  vollkommen  entsprechenden 
Verhältnisse  vorzunehmen,  wenn  man  dafür  die  von  Dr.  Bostowzbff 
aus  dem  Wirklichkeitsbefunde  aufgestellte  Proportionalteilung  (fttr 
die  Bankgröisen  Nr.  1  bis  4)  2:7:6:1  zugrunde  legt;  dals  es  also 
gewissermaisen  keine  Möglichkeit  gibt,  die  nötige  Anzahl  der  ver- 
flchiedenen  Bankgröisen  zum  voraus  durch  Berechnung  genau  fest- 
igen zu  können. 


^  Der  Anfrats  knüpft  zwar  Bpesiell  an  das  System  Brumahit  an,  es  handelt 
voll  aber  dabei  am  die  Prinsipien  des  Systems  der  Qmppenbank  im  allgemeinen. 


668 


Was  noB  das  erste  Argument  anbelangt,  so  braucht  eigenÜioh 
gar  nicht  erst  gesagt  zu  werden,  dals  man  aus  dem  Umstände,  weQ 
„die  Versorgung  der  Schulen  im  Kreise  Dmitroff  mit  Schulbftnken 
eines  normalen  Systems  im  Sinne  des  erforderlichen  Zahlen- 
Verhältnisses  der  einselnen  Subselliennummem  keine  richtige  ist^, 
noch  nicht  den  Beweis  ableiten  kann,  dals  mit  dem  System  Erismahh 
(überhaupt  mit  dem  System  der  Gruppenbank)  „den  Anforderungen 
der  Schulgesundheitspflege  besttglich  eines  richtigen  Setzens  der 
Schulkinder  nicht  Genüge  geleistet  werden  kann".  Hat  jemand  für 
seine  Familie  die  Schuhe  nicht  im  richtigen  Verhältnis  zur  Gbröfse 
der  Torhandenen  Fülse  angeschafft,  so  ist  damit  noch  nicht  der 
Beweis  erbracht,  dafa  der  betreffende  Schuster  der  Anforderung 
richtig  sitzender  Schuhe  nicht  Genüge  leisten  kann.  Wenn  man 
aber  im  Kreise  Dmitroff  durch  zehn  oder  wenigstens  f&nf  Jahre 
hinduroh  die  Körperlängen  der  Schulkinder  jährlich  zweimal  müst, 
dann  wird  man  in  der  Lage  sein,  den  Durchschnitt  der  Schwankungen 
der  Körperlängen,  die  in  den  einzelnen  Klassen  von  Jahr  zu  Jahr 
vorkommen,  zu  ermitteln,  um  auf  Grund  dieser  Ermittlung  das  er- 
forderliche  Zahlenverhältnis  der  verschiedenen  Bankgrölsen  festlegen 
zu  können. 

Was  aber  das  zweite  Argument  des  Aufi»tzes  anbelangt,  so 
mufs  zunächst  auf  einige  Fehler  oder  Unrichtigkeiten  desselben  hin- 
gewiesen werden.  Es  findet  sich  nämlich  auf  Seite  240 — ^241 
folgendes : 

„Tabelle  I. 

Allgemeine  Obersicht  über  die  Gruppierung  der  Kinder 
nach  ihrer  Körpergrölse  und  über  die  Gruppierung  der  Schul- 
bänke nach  Nummern  in  allen  untersuchten  Schulen. 


In  der  Schule  TorhAndene 

Knmmeni  dei  Syitems 
Eribmahn  (LliAy^ 

Aiiiahl  der  Schulkinder-         ^^^^        ^^^^  p,^  ^  j 

""!:•?'  nJ^'  •"*■                  "  Sehnlbtoken  der 
(nach  EBiBMAnr)  elnsetellt         «toprechenoen  Ammnem 

1 

2 

8 

4 

6 

6 

7 

l 

2 

8 
892 

4 
54 

6 

6 

7       1 

2 

-8 

8 

4 

6 

6 

7« 

HS 

8M 

898 

178 

88 

42 

- 

118 

888 

8 

7 

1     -6 

+101 

+U9 

4-Mi 

4-tll 

^1 

Baakgrdflen  Nr.  1—7. 


Die  erste  Rubrik  der  Tabelle  gibt  die  Anzahl  der  Schul- 
bänke des  Normalsystems  an,  welche  der  Gesamtzahl  der  Schulen 
KU  Verfügung  stehen. 


569 

Aafi  der  zweiten  Rubrik  der  Tabelle  I  sieht  man,  wie  die 
Schulkinder  ihrem  KOrpermafee  entsprechend  sich  in  die  ver- 
Bohiedenen  Gröfsengruppen  einteilen.  Die  Angaben  dieser  Rubrik 
kennen  selbstTcrständlich  auch  darauf  hinweisen,  wie  viele  Sub- 
sellien  der  einzelnen  Nummern  fttr  das  betreffende  Schülerkontingent 
nötig  sind.^ 

Hieraus  ergibt  sich  also,  dab  nach  der  eisten  Rubrik  der  Tabelle: 
118  +  386  +  393  +  173  +  38  +  42  =  1144  Bänke,  und  nach  der 
zweiten  Rubrik:  118  +  388  +  292  +  54  +  8  +  7  +  1  =  868  Kinder- 
paare, d.  i.  1736  Kinder  yorhanden  sind.  Dessenungeachtet  heilst 
es  aber  auf  Seite  241,  daGs  „die  Gesamtzahl  der  Kinder  in  allen 
41  Schulen  1666  ausmacht^.  Ein  Druckfehler  ist  jedoch  diese  Zahl 
nicht,  denn  es  werden  mit  ihr  auf  Seite  242  in  der  Tabelle  XU 
viele  Experimente  gemacht;  andererseits  wiederholen  sich  aber  die 
Zahlen  der  zweiten  Rubrik  der  Tabelle  I  in  der  zweiten  Rubrik 
der  Tabelle  IV  und  stehen  auch  sonst  noch  in  Verwendung,  sie 
können  demnach  auch  kein  Druckfehler  sein.  Der  Aufsatz  reitet 
also  gewissermafsen  auf  zwei  Pferden,  indem  bald  mit  der  Gesamt- 
kinderzahl  1666,  bald  mit  der  Anzahl  der  Schulkinderpaare 
868  =  1736  Kinder  der  zweiten  Rubrik  der  Tabellen  I  und  IV 
manövriert  wird. 

Dr.  RosTOWZBFF  sucht  nun  nachzuweisen,  dafs  wenn  man  auf 
Grund  der  Anzahl  der  Kinderpaare,  die  in  der  zweiten  Rubrik 
der   Tabelle  I  bezw.  IV   angegeben   ist,    einen    Berechnungsmodus 
aufrtellt  und  dann  hiernach   das  erforderliche  Zahlenverhältnis  der 
einzelnen  Snbselliennummem  bestimmt,  dieses  wieder  nicht  richtig 
ausfallen  wird.     Er  verfthrt  hierbei  folgendermalisen   (s.  Seite  245): 
„Es  ergibt  sidi,  dafs   in   41  Schulen  in   die   erste    Gbnppe 
118  Paar  Schulkinder  fiallen,  in  die  zweite  388  Paar  usw.  Lassen 
wir  die  fbnfte,   sechste  und  siebente  Gruppe  der  geringen  Zahl 
der  FftUe  wegen  weg,  so  erhalten  wir  für  die  ersten  vier  Gruppen 
folgende  Zahlenreihe  fftr  die  41  Sehnleii: 
118  :  388  :  292  :  54. 
Reduzieren    wir   diese    Zahlen,    indem  wir  die  kleinste  von 
ihnen  —  54  —  als  gemeinschaftlichen   Divisor  nehmen,   so  er- 
halten wir  folgende  Reihe: 

2,2:7,2:6,4:1. 
Der  gröfseren  Einfachheit  wegen   können  wir  ganze  Zahlen 
setsen  und  erhalten  dann: 

2:7:5:1. 

SeholgMiindlieittpflege.  XVIIL  30 


670 

Das  bedeutet,  dab  auf  6nind  der  bei  der  Einteilimg  der 
Schulkinder  in  Gröftengnippen  erhaltenen  Reenltate  die  Anzahl 
der  Kinder  in  der  ersten,  sweiten,  dritten  und  vierten  Gruppe 
sich  verhält  wie  2:7:5:1.  Wir  mttssen  also,  um  bu  er&hren, 
wieviel  Schnlbftnke  der  verschiedenen  Nummern  ftr  die  beiretffisnde 
Schule  (oder  Klasse)  erforderlich  sind,  die  Hälfte  der  Gteeamt- 
sahl  der  Schulkinder  in  G-ruppen  einteilen,  die  untereinander  in 
einem  Verhältnis  stehen,  welches  der  obigen  Zahlenreihe  ent- 
spricht." 

Man  braucht  noch  kein  Mathematiker  bu  sein,  um  sofort  su  er- 
kennen, dals  eine  so  beiläufige  Rechnungsweise  natOrlieh  keine 
genauen  Besultate  ergeben  kann,  und  es  ist  gar  nicht  verwunderlich, 
dab  „diese  Yerhältniszahlenreihe  mit  der  wirklichen  Einteilung  ier 
Schulkinder  nach  Gröisengmppen  in  den  einzelnen  Schulen  ver- 
glichen, keine  Übereinstimmung  zeigt'',  wie  der  Au&atz  treuherzig 
versichert.  Allein,  wenn  jemand  nicht  imstande  ist,  nach  der  ge- 
gebenen Anzahl  von  FuÜBpaaren  genau  zu  berechnen,  wieviele  Sohuh- 
paare  die  Familie  von  dieser  und  Jener  GrOlsennummer  erfordert, 
dann  ist  dies  noch  kein  Beweis  dafür,  dals  eine  genaue  Berechnung 
nicht  möglich  ist.  —  Man  kann  sehr  wohl  eine  vollkommene 
Übereinstimmung  mit  der  wirklichen  Einteilung  erzielen,  wenn  man 
die  Zahlen  118,  388  usw.  durch  Prozente  der  Gesamtsahl  der 
Kinderpaare  868  (siehe  Summe  der  zweiten  Rubrik  der  Tabelle  I 
bezw.  IV)  ausdrackt,  wonach  118  =  18,6%,  388  =  44,7%,  292» 
38,6%  und  54  =  6,2%  von  868  ist. 

Damit  ist  eigentlich  die  Hinfiilligkeit  des  zweiten  Argumentes, 
welches  der  AuÜBatz  vorführt,  schon  erwiesen  und  somit  die  Beweis- 
fbhrung,  dafs  sich  die  wirkliche  Einteilung  durch  Berechnung  nicht 
genau  wiedergeben  lasse,  widerlegt.  „Da  nun  aber  die  Frage  der 
richtigen  Versorgung  der  Schulen  mit  normal  konstruierten  Sehul- 
bänken  eine  sehr  ernste  ist",  wie  der  Aufsatz  richtig  bemerkt,  so 
darf  man  auch  hier  nicht  „die  Mtthe  scheuen",  den  weiteren  Irr- 
gängen des  Au&atzes  „bei  der  Versorgung  der  Schulen  in  Überein- 
stimmung mit  der  Verhältnisreihe  2:7:5:1^  zu  folgen. 
Auf  Seite  246  heifst  es: 

„Entwerfen  wir,  gleich  der  ersten,  eine  neue  Tabelle,  in 
welcher  wir  jedoch  an  Stelle  der  ersten  Rubrik  diejenige  der 
theoretischen  Einteilung  der  Schulbänke  nach  Systenmummem 
setzen,  während  die  zweite  Rubrik  unverändert  bleibt  und  die 
dritte  sich  in  Abhängigkeit  von  der  ersten  ändert 


671 


Tabelle  lY  (im  Auszug  angefahrt). 
Besnitate  der  Befriedigung  der  Forderungen  der  Schulgeeund- 
heitspflege  bei  der  Versorgang   der  Schulen  mit  Schulbänken  im 
Verhältnis  ihrer  Zahl  nach  Nummern,  wie  2:7:5:1." 


Theoretisoh 

In  Wirklichkeit 
erforderliebe  Zahl  der                 Minus  (-),  Flu  (+) 
Sehnlbänke 

1 

2 
4M 

8 
SM 

4 

7» 

5 

6 

7 

1 

2 

8 

4 

6 

6 

7       1 

2 

8 

4 

6 

6 

7« 

116 

118 

« 

S92 

64 

8 

7 

1     -2 

+16 

0 

+26 

-8 

-7 

-1 

'  BankflrrSften  Kr.  1—7. 

Die  Zahlen  der  ersten  Rubrik  dieser  Tabelle,  nämlich  116,  404, 
292  und  79,  sollen  also  im  Verhältnisse  von  2:7:6:1  stehen. 
Das  ist  aber  nicht  der  Fall,  denn  79X2  ist  nicht  116,  79X7  nicht 
404  und  79X5  nicht  292.    Die  Zahl  79  kann  aber  wieder  kein 

1 1ß  1 1  ß 

Druckfehler  sein,  denn  -^  X  7   ist   auch   nicht  404   und  -^  X  6 

auch  nicht  292.  Auch  stimmen  die  Minus  bezw.  Plus  der  dritten 
Rubrik  der  Tabelle  und  es  stimmt  auch  die  Zahl  891,  die  als  Ge- 
samtzahl der  ersten  Rubrik  angegeben  wird  (siehe  dort  Seite  247, 
erste  Zeile  oben). 

Mit  der  Zahl  891  als  Summe  der  Bankgruppen  1  bis  4  der 
ersten  Rubrik  stö&t  man  wieder  auf  einen  Fehler,  denn  sie  mttüste 
doch  gleich  der  Summe  der  gleichen  Bankgruppen  der  zweiten  Rubrik 
sein,  diese  ist  aber  118  +  388  +  292  +  54  =  852. 

Ghinz  unyerständlich  bleibt  aber  die  Sohluisfolgerung,  die  aus 
diesen  Ausführungen  mit  folgenden  Worten  gezogen  wird: 

„Lenken  wir  jetzt  unsere  Aufmerksamkeit  auf  die  Schulkinder- 
zahl, die  keine  ihren  Bedürfhissen  angepafste  Schulbank  benutzen 
würden,  falls  die  Schulen  mit  Schulbänken  nach  der  von  uns 
angenommenen  theoretischen  Berechnung  versorgt  worden  wären. 
Hierzu  zählen  wir  die  Minnsse  in  den  beiden  letzten  Spalten  der 
Tabelle  IV  (einer  yoUen  Tabelle,  die  hier  nur  im  Auszug  ange- 
führt wird)  zusammen. 

Nach  dieser  Tabelle  erhalten  wir  folgendes  Bild: 

„Tabelle  V. 
Nicht  ausreichende  Zahl  der  Schultische  bei  der  Versorgung 
der  Schulen  mit  Schultisohen  in  Übereinstimmung  mit  den  Ver- 
hältniszahlen 2  :  7  :  5  : 1  (in  41  Schulen).'' 

80» 


672 


Nommern  der  SohulUtoha. 
Ansfthl  denelben 


1 
174 


2 
104 


Iin  guuen 
97S 


Wie  kommt  man  ans  der  Tabelle  IV  2sa  den  grofsen  Fehl- 
beträgen der  Tabelle  V?  Dort  waren  es  in  der  dritten  Babrik  für 
die  Bankgröfsen  1,  6,  6  nnd  7  doch  nur  — 2-8--7  — 1  =  —18. 
Oder  sollte  etwa  die  obige  in  Klammem  stehende  Bemerkung,  dafs 
die  Tabelle  lY  „nor  im  Anssng  angeführt  wird^  wirklich  besagen 
wollen,  es  seien  noch  Minnsse,  von  deren  Existenz  der  Leser  nichts 
weiJs,  ans  zwei  ,,letzten  Spalten  der  Tabelle  IV,  die  der  Anfaats 
ebenfalls  yerborgen  hält,  hinzugekommen?  Dann  wftre  also  ein  ge- 
heimes Depot  vorhanden,  ans  dem  die  BeweisfOhrnng  ihre  erforde^ 
liehen  Fehlbeträge  zusammenstellt.  Die  Beweisführung  des  Aafisatzss 
kann  nicht  ernst  genommen  werden;  unhaltbare,  aus  der  Luft  ge- 
griffene Beweise  aber  stehen  nicht  im  Dienste  der  Wissenschaft,  und 
Konseqnenzen,  die  daraus  gezogen  werden,  sind  für  sie  wertlos. 

Da  indes  von  einzelnen  immer  wieder  die  Indiyiduali- 
sierung  der  Schulbank  (Prinzip  der  Universalbank  oder  ver- 
stellbaren  Bank)  gegen  die  G-eneralisierung  (Prinzip  der  G-ruppen- 
bank)  aufs  Tapet  gebracht  wird,  so  dürfte  es  am  Platze  sein,  hier 
über  die  Individualisierung  eingehendere  Betrachtungen  anzustellen. 
Dabei  gelangt  man  zu  folgenden  Fragen: 

L  Wodurch  wurde  die  Bestrebung  zu  individuali- 
sieren eigentlich  hervorgerufen? 

Die  alte  vielsitzige  Schulbank,  die  kaum  in  zwei  GrOisen  fibr 
eine  Schule  hergestellt  worden  war  und  in  der  acht  und  auch  mehr 
Kinder  safsen,  was  die  Notwendigkeit  eines  sehr  grofsen  Lehnen- 
abstandes zur  Folge  hatte,  da  dieser  sich  nicht  blols  fttr  das  Auf- 
stehen in  der  Bank,  sondern  auch  für  das  aneinander  Vorbeipaasieren 
der  Kinder  beim  Bin-  und  Austreten  eignen  mulste  —  diese  alte, 
aus  der  vorschulpflichtigen  Zeit  überkommene  Schulbank  war  der 
KörpergrOfse  und  -Proportion  nicht  besser  angepalst,  als  es  die  Kinde^ 
kleider  der  Biedermeier-Zeit  waren,  die  mit  Rücksicht  auf  das 
Wachstum  für  längere  Zeit  voraus  bemessen  wurden.  Denn  neben 
der  Yielsitzigkeit  hatte  namentlich  der  umstand,  dab  neben  dem 
Siebenjährigen  noch  der  Zehn-  oder  gar  Fünfzehnjährige  sitzen 
mulste,  zur  Folge,  dafa  auch  die  Schulbank  einige  Jahre  voraus, 
d.  h.  dafs  sie  mit  Bücksicht  auf  die  älteren,  also  gröfseren  Bank- 
insassen  bemessen  werden  mufste. 


673 

AIb  dann  später  mit  der  praktischen  DuroUtiliraiig  der  allge- 
omnen  Sohulpflicht  die  Kinder  gleichen  Alters  in  den  einzelnen 
Klassen  zusammengeführt  wnrden,  infolgedessen  die  GrOüsennnter- 
schiede  der  Kinder  sich  in  engeren  Grenzen  bewegten,  besonders 
aber,  als  zugleich  bei  dem  länger  andauernden  Unterricht  Schäd- 
lichkeiten an  dem  kindlichen  Körper  zutage  traten,  da  wurde 
man  auf  die  höchst  unvollkommene  AnpaCsbarkeit  der  allzu  reichlich 
bemeflsenen  alten  Schulbänke  aufmerksam.  Zuerst  Barnard,  1860 
(,i8ohool  Architecture''),  dann  der  ZOricher  Arzt  Fahrnjsr,  1863  („Das 
Kind  und  der  Schultisch^)  wiesen  in  yorzüglichen  Schriften  auf 
diese  Mangelhaftigkeit  des  Schulgestühls  hin.  Später  glaubte  dann 
die  Theorie  nunmehr  einzig  nur  in  der  dem  Individuum  ent- 
sprechenden absolut  YoUkommenen  Anpassung  das  Heil  erblicken 
zu  mfissen.  Da  haben  sich  besonders  Ärzte  mit  der  Schulbank  be- 
fsüst,  von  denen  dann  einige  die  Schulbank  wie  einen  orthopädischen 
Apparat  konstruieren  zu  sollen  glaubten.  Das  ist  in  Kürze  die 
G^esis  der  Individualisierung. 

Damit  ist  jedoch  die  Theorie  ins  Extreme  geraten,  denn  die 
Schulbank  ist  kein  orthopädischer  Apparat,  sondern  ein  Kinder- 
möbel,  bei  dem  es  sich  zunächst  darum  handelte,  es  nun  für  kleinere 
Kinder  2U  bemessen,  da  es  vordem  für  gröbere  bemessen  worden  war. 

Richtiger  war  daher  der  Weg,  den  die  Praxis  einschlug,  die 
mit  Büoksicht  auf  die  beiden  obwaltenden  Umstände  vorging,  indem 
sie:  1.»  da  infolge  der  allgemeinen  Schulpflicht  in  den  Klassen  die 
Gröisenunterschiede  der  Kinder  sich  jetzt  in  engeren  Grenzen  be- 
wegten als  ehedem,  die  Abmessungen  des  Gestühls  dementsprechend 
reduzierte,  und  2.,  da  der  Unterricht  andauernder  und  die  Schreib- 
tätigkeit der  Kinder  langwieriger  geworden  war  als  vordem,  den 
Lehnenabstand  jetzt  demgemäfs  bemafs.  Beides  ist  mit  der 
zweisitzigen  Gruppenbank  erfüllt  worden,  die  einerseits  für  je 
um  10  cm  differierende  Gröüsengruppen  (das  Intervall  kann,  wenn 
es  nötig  isti  noch  kleiner  bemessen  werden)  eine  nach  der  mittleren 
Körpergrölse  der  Gruppe  bemessene  Bankgröfse  bietet,  wobei  es  sich 
im  ungünstigsten  Falle  nur  um  einen  Gröisenunterschied  der 
Kinder  von  5  cm  handelt,  dessen  Wirkung  in  den  Abmessungen 
des  Gestühls,  da  diese  nur  Prozentsätze  der  Körpergrölse  betragen, 
noch  herabgemindert  wird;  anderseits  hat  die  Gruppenbank  den  un- 
veränderlichen, für  das  Schreibsitzen  bemessenen  Lehnen- 
abstand eingeführt.  Die  Argumentation,  die  in  den  schulhygieni- 
sehen  Handbüehem  und  vereinzelten  Schulbankschriften  vorgebracht 


574 

wird,  bei  der  schreibende  Kinder  abgebildet  werden,  die  an  der 
Kante  eines  ihnen  fast  nnter  das  Kinn  reichenden  Tisches  hftngen, 
hat  mit  der  Gruppenbank  absolut  nichts  zu  tan;  solche  Ab- 
bildungen beziehen  sich  nur  auf  die  unvollkommenen  Abmessungen 
der  alten  Schulbänke  längst  yergangener  Zeit,  und  es  ist  ganz  un- 
berechtigt, mit  solchen  Spukgebilden  aus  der  Vergangenheit,  die  mit 
den  Abmessungen  der  Gruppenbank  in  gar  keinem  Zusammenhang 
stehen,  heute  noch  auf  die  Notwendigkeit  des  Individualisierens  hin- 
zuweisen. Wer  aber  vermag  nachzuweisen,  dafr  die  nach  den  An- 
gaben von  Dr.  SPIBSS-Frankfnrt  oder  anderer  bemessene  Gruppen- 
bank Schädlichkeiten  für  die  Entwicklung  des  kindlichen  Körpers 
zur  Folge  hat?  Mit  der  Gruppenbank  ist  die  hygienisch  notwendige 
Anpassung  der  Schulbank  erfdUt,  ja  sie  ist  vollkommener  erreicht 
als  sie  mit  der  sogenannten  Individualisierung  erreicht  werden  kann, 
wie  die  Urwägung  der  nachfolgenden  zweiten  Frage  erweisen  wird. 

II.  Ermöglicht  die  Individualisierung  (Universal- 
bank) eine  genauere  Anpassung  als  die  Generalisierung 
(Gruppenbank)? 

Es  sind  zwei  Arten  der  Individualisierung  zu  unterscheiden: 
1.  Die  volle  IndividualisieruDg,  die  ermöglichen  würde,  dab  alle  Ab- 
messungen, und  zwar  unabhängig  voneinander,  angepafst  werden 
können,  also  vor  allem:  Sitzhöhe,  Differenz,  Lehnenabstand, 
Dimension  und  Form  des  Sitzbrettes  sowie  der  Lehne. 
Ein  derartiges  Gkstühl  würde  aber  eine  so  komplizierte  Konstruktion, 
so  groise  Herstellungs-  und  Unterhaltungskosten  erfordern,  dab  es  nach 
menschlichem  Ermessen  niemals  als  Schulbank  Verwendung  finden 
könnte,  selbst  wenn  es  schon  erfunden  wäre,  was  aber  noch  gar  nicht 
der  Fall  ist.  2.  Die  teilweise  Individulasierung,  bei  der,  von- 
einander nach  einer  gewissen  Gesetzmäfsigkeit  abhängig,  nur 
Sitzhöhe,  Differenz  und  Lehnenabstand  geändert  werden  können, 
während  Sitzbrett  und  Lehne  ihrer  Form  und  Abmessung  nach 
stets  gleich  bleiben.  Abgesehen  von  den  Unzuträglichkeiten,  die 
eine  aus  beweglichen  Teilen  bestehende  verstellbare  Bank  im  Gefolge 
hat,  ist  nach  dem  gegenwärtigen  Stand  unserer  sozial-wirtschaftlichen 
Verhältnisse  auch  die  Anwendung  dieses  Systems,  dessen  Kosten 
doppelt  so  hoch  als  jene  der  zweisitzigen  (festen)  Gruppen k>ank 
kommen,  ausgeschlossen.  Gegenwärtig  glaubt  man  doch  noch  nicht 
einmal  die  Mittel  für  die  zweisitzige  Gruppenbank  an  allen  Orten 
erschwingen  zu  können.  Sieht  man  aber  von  dem  Kostenpunkt  ab 
und  erwägt  nur,  wie  sich  die  Anpafsbarkeit  der  teilweise  indivi- 


576 

dualisierten  oder  Teistellbaren  Bank  su  jener  der  Gmppenbank  ver- 
hält, dann  gelangt  man  zu  naohfolgenden  Brgebniaaen: 

Als  Grondlage  fflr  die  G-esetzmäfsigkeit»  nach  welcher 
die  Ab-  und  Zunahme  der  Dimenaionen  der  reretellbaren  Bank  zu 
erfolgen  hat,  können  natürlich  nur  die  Eörperverhaltnisse  des  normal 
gewachsenen  Kindes  dienen.  Erwftgt  man  nun,  daCs  yon  den 
fiknf  Millionen  Kindern  der  deutschen  Volksschule  alles  in  allem  etwa 
100000  gemessen  worden^  also  nicht  mehr  als  2%,  daTs  sich  diese 
Messungen  aber  auch  nur  erst  auf  die  Körpergröfse  (d.  i.  Länge), 
nicht  aber  auf  die  Körperproportion*  erstrecken,  die  in  den  ein- 
zelnen Gtegenden  sehr  rerschieden  sein  wird,  so  ergibt  sich,  dab 
zurzeit  eine  Grundlage  fOr  die  Indiyidualisierung  noch  gar  nicht 
gegeben  ist.  Aber  selbst  wenn  eine  fehlerfreie  Ghrundlage  bereits 
vorhanden,  d.  h.  die  genaue  Körperproportion  des  normal  ge» 
wachsenen  Kindes  fUr  die  einzelnen  Orte  bekannt  wäre,  dann  würden 
die  danach  bestimmten  Einstellungen  des  Qestühls  allen  anormal  ge« 
wachsenen  Kindern  (worunter  nicht  etwa  Krüppel  zu  verstehen  sind) 
—  also  der  weitaus  überwiegenden  Mehrzahl  —  gar  nicht  passen. 
Während  bei  der  Gleneralisierung  durch  die  Gruppenbank,  da  die 
Abmessungen  der  letzteren  nach  dem  mittleren  Körper-Längenmafii 
der  Grölsengruppe  bemessen  werden,  ein  Spielraum  für  den  Aus- 
gleich der  durch  die  Anormalität  des  Körperwuchses  bestehenden 
Fehler  gegeben  ist,  bleibt  bei  der  Individualisierung  ein  Ausgleich 
der  Fehler  ausgeschlossen.  Nun  ist  aber  der  Fehler-Ausgleich  ein 
Grundprinzip  aller  Genauigkeits-Bestrebungen,  und  deshalb  ist  mit 
der  Gteneralisierung  eine  grö&ere  Gtenauigkeit  der  Anpassung  verbürgt 
als  mit  der  Individualisierung,  die  im  besten  Falle  nur  eine  Indivi- 
dualisierung fElr  die  nach  dem  Elanon  Gewachsenen  sein  kann,  fOr 
alle  aulserhalb  des  Kanons  Stehenden  dagegen  ein  Zwang  ist.  Allein 
nicht  einmal  die  nach  dem  Kanon  Gewachsenen  kommen  ganz  auf 
ihre  Bechnung,  weil  ja  der  Kanon  in  den  verschiedenen  Lebensaltem 
des  Entwicklungsstadiums  ein  verschiedener  ist,  und  weil  bei 
der  Universalbank  Sitzbrett  und  Lehne  der  Form  und  Abmessung 
nach  nicht  geändert  werden  können  oder  doch  nur  mit  einem  so 
komplizierten  Mechanismus,  dab  er  sich  für  die  Praxis  von  selbst  ver- 
bietet In  der  Tatsache  aber,  dab  Bmtowziff  seine  verstellbare 
Bank  in  mehreren  Gröfsen  herstellt,  also  damit  zum  Prinzip  der 
Gmppenbank  greift,  liegt  zugleich  das  Eingeständnis  der  Unvoll- 
kommenheit  der  auf  dem  Wege  des  Individualisierens  erreichbaren 
Anpassung. 


576 

m.  Ist  es  überhaupt  möglich,  stets  gleichwertig  und 
damit  auch  richtig  einsustellen? 

Man  kann  mit  voller  Sicherheit  des  Zntrefiens  behaupten,  dab 
dieser  Lehrer,  Schularzt  oder  wer  sonst  die  Einstellung  des  OestOUs 
besorgen  soll,  fftr  ein  und  dasselbe  Kind  nicht  ebenso  einstellen 
wird,  wie  jener,  ja  da(s  nicht  einmal  ein  und  dieselbe  Peisoa 
morgen  ebenso  einstellen  wird,  wie  sie  heute  oder  gestern  an- 
stellte. 

Da  nun  aber  die  Einstellung  variabel  ist  —  und  es  sind 
sogar  sehr  grolse  Schwankungen  dabei  nicht  ausgeschlossen  —  so 
kann  sie  auch  nicht  richtig  sein.  Die  Variabilität  der  Binstellungs- 
werte  ist  ein  weiterer  Fehler  in  der  Anpa&barkeit  der  Universal- 
bank.  Dazu  kommt  noch,  dafs  Wohl  und  Wehe  der  Kinder  hin- 
sichtlich der  Anpassung  in  die  Hand  eines  Menschen  gegeben  ist, 
und  man,  besonders  bei  der  Mühe  und  dem  Zeitverlust,  die  die 
Einstellung  von  nicht  wenigen  und  nicht  leicht  bestimmbaren  Ma&ea 
an  50 — 60  Sitzen  in  der  Klasse  verursachen,  vor  allem  auch  die 
Unvollkommenheit  und  Verschiedenheit  der  menschlichen  Oharakter- 
eigenschaften  in  Bechnung  ziehen  muis.  Das  praktische  Leben 
rechnet  stets  mit  diesem  Faktor,  indem  es  überall  da,  wo  es  von 
Wichtigkeit  ist,  dafs  etwas  in  absolut  richtiger  Weise  und  zur  ge- 
nauen Zeit  erfolge,  die  Zuverlässigkeit  automatisch  tätiger  Mechanismen 
in  seinen  Dienst  stellt.  Eine  gleiche  Wirkung  übt  die  G-ruppenbank 
aus,  indem  sie  für  eine  bestimmte  Körperlänge  die  Anpassung  des 
Gestühls  fix  und  fertig  bietet,  es  ist  also  nur  nötig,  ein  einziges 
Mafs,  nämlich  die  Körperlänge  des  Kindes  zu  kennen.  Wenn  wir 
es  aber  —  leider  I  —  zurzeit  noch  nicht  einmal  so  weit  gebracht 
haben,  dals  dieses  eine  Mab  an  allen  Orten  jährlich  zweimal  ge- 
messen,  gewissermaisen  die  Körperlänge  eingestellt  wird,  wie  kann 
man  da  (abgesehen  von  allem  anderen)  annehmen  wollen,  es  würden 
jährlich  zweimal  etwa  ein  halbes  Dutzend  Mause  genau  eingestellt 
werden,  die  richtig  einzustellen  noch  dazu  viel  schwieriger  ist  als 
die  eine  Körperllbige  mit  der  ganz  bestimmten  Begrenzung  durch 
die  festaufliegende  Fuissohle  des  Stehenden  und  den  festen  Knochen 
seiner  Schädeldecke?! 

Darauf  zu  dringen,  dals  tunlichst  an  allen  Orten  die  Schulkmder 
jährlich  mindestens  zweimal  gemessen  werden,  und  dabei  nach  Kräften 
mitzuwirken,  darin  sollte  gerade  der  Arzt  als  Anatom  und  Hygieniker 
seine  Hauptaufgabe  erblicken  (als  leuchtendes  Vorbild  hierfiBr  mnla 
an   die  so  ersprielsliche  Tätigkeit  von  Dr.  SPIBSS-Frankfurt  erinnert 


577 

werden^),  nicht  aber  in  der  Erfindung  solcher  orihopädifloher  Schul- 
bank-Apparate, die  für  die  Praxis  in  mehr  als  einer  Beziehung 
wertloB  sind  nnd  deren  Anwendung  sich  von  selbst  unmöglich  macht; 
denn  „die  praktischen  Schwierigkeiten  bei  der  Befriedigung  der 
hygienischen  Forderungen  an  die  Subsellien"  sind  bei  der  Universal- 
bank  nicht  nur  grOlser  als  bei  der  G-ruppenbank,  sondern  lassen  sich 
durch  die  Individualisierung  überhaupt  nicht  in  dem  Grade  über- 
windeuy  der  als  noch  annehmbar  gelten  darf. 


*  „Zur  praktischen  Lösiing  der  SabBellienfrage.^  Von  Stadtant  Dr.  Sphss- 
Fnaklart  a.  IL    Dtsche.  Vierte^ahrsrnskr.  f.  öffmtl  Gtaundhi^fl.   Bd.  17.  HeR  2. 


Berichtigung  nnd  Abwehr, 

die  Stuttgarter  Jahresversammlung  des  Deutschen  Vereins 
für  Sohulgesundheitspflege  betreffend. 

Von 

dem  Vorsitzenden. 

Wie  schon  in  vergangenen  Jahren  hat  auch  in  diesem  Jahre 
Hear  Begierungs-  und  Medizinalrat  Dr.  Abbl  Veranlassung  genommen, 
über  die  Versammlung  unseres  Vereins  in  der  Zeitschrift  fwr  Schul- 
gemudheUspflege  Nr.  7,  S.  365  ff.  zu  referieren.  Zunächst  ist  ein 
Irrtum  auf  S.  869  zu  berichtigen.  Keinerlei  Begrüüsungsansprachen 
worden  auf  besonderen  Wunsch  des  Vorsitzenden,  sondern  alle  nach 
Vereinbarung  zwischen  Vorstand  und  Ortsausschuls  bestimmt.  — 
fiebreffis  der  gegen  den  Verein  und  die  Teilnehmer  seiner  Jahres- 
versammlungen gerichteten  Äufserungen  des  Herrn  Abel  hftlt  es 
isi  »Vorstand''  für  seine  Pflidit,  auf  das  entschiedenste  und  naoh- 
drüekUchste  Einspruch  zu  erheben. 

Der  Ausspruch  des  Herrn  Abel:  „Der  Verein  hat  es  bisher 
nicht  verstanden»  die  hervorragenden  Kräfte  der  Schulgesundheits- 
pflsge  so  in  sich  zu  vereinen  und  so  zu  tätiger  Mitarbeit  anzuregeui 
dab  er  wirklich  als  Deutscher  Verein  für  Sohulgesundheitspflege 
gölten  könnte^  —  beruht  auf  einer  Verkennung  der  Tatsachen. 

Das  in  Heft  5/6  des  4.  Jahrganges  der  y^Qesimden  Jugend^  ver- 
^dbntUchte  Gesamtmitgliederverzeichnis  enthalt  aus  allen  Gegenden 


578 

DentBohlands  herrorrageiide  Mediziner,  Pftdagogen,  Verwaltongs- 
beamte  und  Techniker,  die  sich  teils  in  wissensidiafUicher,  teils  in 
praktischer  Hinsicht  auf  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  mit  Erfolg 
betätigt,  an  den  Arbeiten  des  Vereins  mit  grOlstem  Interesse  Anteil 
genommen  und  seine  Bestrebungen  energisch  gefordert  haben. 

Eis  liegt  in  der  Natnr  einer  Wanderveisammlung,  insbesondere 
aber  dann,  wenn  diese  erst  auf  ein  fünfjähriges  Bestehen  surCli^- 
blicken  kann,  dals  ihre  Tagungen  meistens  andere  Teilnehmer  und 
andere  Redner  aufweisen.  Ich  habe  bei  persönlicher  Beteiligung 
schon  allerlei  Wanderrersammlungen  kennen  gelernt,  habe  auch 
einige  derselben  mehrere  Jahre  hintereinander  besucht,  ich  habe  aber 
dieselben  Versammlungen  folgeweise  nie  homogen  gefunden  und  auch 
beim  Vergleich  der  Teilnehmerlisten  mehrerer  Jahre  hat  sich  eine 
Homogenität  nicht  entdecken  lassen.  Auch  fttr  die  Jahresrersamm- 
lungen  des  Deutschen  Vereins  für  Schulgesundheitspfiege  dürfte  eine 
solche  wohl  kaum  erreichbar  sein. 

Stets  wird  ein  grofser  Prozentsatz  der  Teilnehmer  (ein  Drittel 
und  mehr)  dem  Versammlungsorte  und  seiner  Umgebung  bezw.  der 
Provinz  oder  dem  Bundesstaate  augehören,  wo  der  Ort  gelegen  isi 
So  war  es  beispielsweise  in  Weimar  und  Bonn.  Für  den  Deutschen 
Verein  für  Schulgesundheitspflege  ist  eine  derartige  Zusammensetzung 
nicht  ohne  Vorteil;  denn  er  bezweckt  gerade  diejenige  Landschaft, 
in  welcher  der  Versammlungsort  liegt,  mit  seinen  Ideen  zu  imbibieren. 
Bei  der  Zusammenkunft  unseres  Vereins  in  Stuttgart,  die  ron  allen 
bisherigen  Tagungen  wohl  am  stärksten  besucht  war,  kommt  für  die 
erfreulich  grolse  Teilnehmerzahl  aus  dem  württembergischen  Lande 
ein  ganz  besonderer  umstand  in  Betracht,  der  nämlich,  daCs  das  Königl. 
Ministerium  des  Kirchen-  und  Schulwesens  wegen  der  ErmOgliohung  der 
Teilnahme  der  dem  Departement  angehorigen  Lehrer  die  erforderlichen 
Weisungen  an  die  beteiligten  Behörden  ergehen  liels.  Im  übrigen 
darf  man  für  die  Beteiligung  ron  auswärts  mancherlei  EViktoren 
nicht  aulser  acht  lassen.  Insbesondere  kommen  in  Frage  die  mit 
der  Länge  der  Reise  yerbundenen  Kosten  sowie  der  Verlust  an  Zeit 
und  Bequemlichkeit.  Derartige  Faktoren  sind  trotz  allen  Interessss 
und  trotz  des  Wunsches  nach  Beteiligung  fbr  manchen  nicht  selten 
ausschlaggebend.  Dals  die  Stuttgarter  Versammlung  von  auswärtigen 
Regierungen  weniger  beschickt  war  als  frühere  Versammlungen,  beruht 
auf  umständen,  die  sich  hier  der  Erörterung  entziehen.  Besonderss 
Wohlwollen  brachte  aber  die  württembeigische  Regierung  der  Ver- 
sanunlung   entgegen.     Als  Vertreter  des   Königl.  Ministeriums  des 


679 

Eiicben-  und  Sohulwesens  nahm  der  Minister  selbst,  als  Vertreter 
des  Königl.  Ministeriums  des  Innern  der  President  des  Medisinai- 
kollegfinrns  an  der  Veraammlung  teil. 

Völlig  Terfehlt  wäre  es,  wenn  man,  wie  Herr  Abbl  es  tut,  ans 
der  yerschiedenen  Zusammensetzung  der  Jahresversammlnngen 
eines  Vereins  einen  Mangel  an  Stetigkeit  innerhalb  desselben 
konstmieren  wollte. 

Die  Stetigkeit,  insbesondere  unseres  Vereines,  liegt  ganz  ander- 
wärts. Sie  liegt  in  der  Verfolgung  genau  yorgeschriebener  Wege 
und  in  dem  Erstreben  ganz  bestimmter  Ziele. 

Zunächst  handelt  es  sich  für  unseren  Verein  darum,  die  Kennt- 
nis  der  Schulhygiene  in  den  Schulen  des  Deutschen  Reiches  zu  yer- 
breiten,  sowie  auf  die  der  Gesundheit  ron  Lehrern  und  Schülern 
durch  die  Schule  drohenden  Gefahren  aufmerksam  zu  machen  und 
ihre  Beseitigung  anzustreben.  Zu  diesem  Zwecke  muis  der  Verein 
insbesondere  den  Lehrern  und  Ärzten  schulhygienische  Fragen 
unterbreiten  und  zur  Losung  derselben  die  Mitarbeit  beider  in  har- 
monischem Zusammenwirken  und  in  möglichst  umfassender  und  er- 
giebiger Weise  zu  gewinnen  suchen.  Hierzu  sollen  in  erster  Linie 
die  Jahresversammlungen,  und  ferner  die  Ortsgruppen  beitragen,  da 
andere  Mittel  und  Wege  zur  Erreichung  dieses  Zieles  zurzeit  nicht 
oder  doch  nur  sehr  spärlich  Torhanden  sind. 

Wo  sind  die  „Ersten  und  Besten"  auf  dem  Gebiete  der 
Schulhygiene  —  ron  denen  Herr  Abel  spricht  — ,  die  in  dem  ge- 
nannten Sinne  helfend  zu  wirken  vermöchten? 

Sind  etwa  schulhygienische  Lehrstühle  vorhanden,  deren  Lihaber 
der  Verein  um  ihre  Mitarbeit  ersuchen  könnte?  Schulhygieniker  von 
Beruf,  beamtete  Personen  mit  einer  ebenso  vollständigen  medizini- 
schen als  auch  pädagogischen  Vor-  und  Durchbildung,  die  aus  eigener 
Anschauung  und  Er&hrung  den  Schulbetrieb  kennen  und  zugleich 
über  schulhygienische  Arbeitsstätten  verfügen,  gibt  es  weder  in  den 
Verwaltungen  noch  an  den  Hochschulen  in  Deutschland.  Solange 
es  aber  noch  an  einem  derartigen  System  mangelt,  durch  welches 
einerseits  die  zukünftigen  Lehrer  der  Volks-  und  höheren  Schulen, 
andererseits  die  zukünftigen  Schulärzte  und  Medizinalbeamten  im 
Schulressort  theoretisch  und  praktisch  in  der  Schulhygiene  heran- 
gebildet werden,  solange  insbesondere  die  eigentliche  Unterrichts- 
hygiene  und  die  physiologische  Bxperimentalpädagogik  noch  keinen 
oder  doch  nur  geringen  Eingang  in  das  ünterrichtswesen  gefunden 
haben,  müssen  Schulmänner  und  Ärzte,  die  sich  für  einen  gesunden 


680 

Sohulbetrieb  intereeBieren  und  ihm  ihre  Krftfte  widmen,  sich  den 
richtigen  Mafeetab  hygienischer  Fürsorge  selbst  konstruieren.  Von 
diesen  Gesichtspunkten  aus  wurde  der  Deutsche  Verein  fbr  Schol- 
gesundheitspflege  gegründet,  und  er  ist  eurzeit  in  Deutschland  die 
einzige  Institution,  welche  die  Schulhygiene  nach  allen  Richtungen 
hin  fordert.  Seine  Versammlungen  haben  Ton  Jahr  zu  Jahr  deut- 
licher ein  harmonisches  Znsammenwirken  von  Ärzten  und  Lehrern 
gezeigt  und  ihre  gemeinsame  Arbeit  gekrftfdgt.  Dals  das  Zusammen- 
wirken der  „  Schulhygieneamateure "  —  wie  sich  Herr  AbbIi  aus- 
drückt —  auch  von  Erfolg  gewesen  ist,  wird  dadurch  bewiesen,  dab 
Vorschlftge,  welche  aus  dem  SchoÜBe  der  Versammlungen  heryor- 
gegangen  sind,  bei  yersehiedenen  Behörden  zur  Erwägung  und  zur 
Einführung  des  Vorgeschlagenen  führten.  Ich  erinnere  nur  an 
die  Antworten  auf  die  Weimarer  Petition  (y^Gesunde  Jugend*, 
m.  Jahrg.,  Heft  1/2,  S.48£F.,  und  IV.  Jahrg.,  Heft  S/4,  S.  128  ff.). 
Der  Erfolg  spricht  sich  auch  darin  aus,  dafs  bereits  eine  grOfsere 
Anzahl  staatlicher  und  städtischer  Behörden  dem  Verein  als  Mitglied 
beigetreten  sind.  Unter  ihnen  sind  auch  solche,  die  zu  jeder  Ver- 
sammlung der  letzten  Jahre  Vertreter  entsandten. 

Die  Behauptung  des  Herrn  Abbl,  die  Teilnehmer  unserer  Ver- 
sammlungen ständen  unter  dem  suggestiven  Einfluls  des  Vereins- 
Yorstandes,  und  der  grölste  Teil  von  ihnen  wisse  von  den  früheren 
Verhandlungen  —  dieselben  werden  bekanntlich  in  extenso  in  unseren 
Berichten  abgedruckt  —  nichts  und  von  der  Schulhygiene 
nicht  viel  mehr,  erweckt,  wie  mich  däucht,  den  Schein  einer 
aulserordentlich  grolsen  Selbstüberhebung,  indem  sie  die  Sachkundig- 
keit und  Urteilsftlhigkeit  hochangesehener,  erfahrener  und 
bewährter  Schulmänner,  Ärzte  und  Verwaltungsbeamten 
herabzusetzen  sucht. 


581 


Srwidenmg  auf  Tontehende  Bericlitiguig  und  Abwehr. 

Von 
Dr.  Abbl  in  Oppeln. 

Der  Vontand  des  DentBchen  Vereins  für  Sohulgesondheitspflege 
bestreitet  die  Richtigkeit  der  Ansfübrangen,  die  iob  am  Schlnsse 
meines  Berichts  über  die  letzte  JahresTersammlnng  des  Vereins 
{diese  ZeitsArifi,  Bd.  XVIII,  S.  365—389)  gemacht  habe.  Ich  sehe 
mich  dadaroh  genötigt,  meine  kritischen  Bemerkungen  ntther  su  be- 
grOnden,  nnd  werde  mich  dabei  yomehmlich  auf  Tatsachen  and 
Zahlen  stützen,  die  ich  den  Veröffentlichnagen  des  Vereins  in  seiner 
Zeitschrift,  der  ^Gesunden  Jugend^  (abgekürzt  j^Q.J,^),  entnehme. 
1.  Wie  der  Vereinsvorstand  zutreffend  ansftthrt,  gibt  es  bisher 
in  Deatsohland  Männer,  deren  Bernf  aasschliefslich  in  der  Pflege 
der  Schulhygiene  besteht,  noch  nicht«  Um  so  mehr  hätte  sich  der 
Verein  aber  bemühen  sollen,  die  Personen  als  Mitglieder  zu  ge- 
gewinnen, in  deren  Berufsarbeit  die  Schulhygiene  einen  wesentlichen 
Bestandteil  ausmacht.  Das  sind,  neben  den  Schulärzten,  die  Lehrer 
der  Hygiene  an  den  Hochschulen,  die  beamteten  Ärzte,  denen  die 
Forderung  der  Schulhygiene  z.  B.  in  Preufsen  als  besondere  Aufgabe 
amtlich  übertragen  ist,  die  Schulmänner  femer,  denen  der  Staat  die 
Beaufsichtigung  des  Schulwesens  anvertraut  hat. 

Nun  finden  sich  in  der  letzten  Zusammenstellung  der  Mitglieder- 
liste des  Vereins  („G.  J,^  Bd.  IV,  Heft  5/6,  Anhang)  vom  Frühjahr 
1905  als  Mi<;glieder  verzeichnet  z.  B. 

von  den  ordentlichen  Professoren  der  Hygiene  an  den 

deutschen  Hochschulen  nur 2 

von   den    auüserordentlichen  Professoren  und  Privat- 
dozenten der  Hygiene  nur 4 

von  den  rund  680  Medizinalbeamten  Prealsens  nur  18 
von  den    134   Begierungs-    und   Provinzialsohulräten 

Preulsens  nur 2 

von   den   324  hauptamtlichen    Kreisschulinspektoren 

Preulisens  nur 4 

Fügen  wir  hinzu,  dals  der  Verein  z.  B.  in  den  östlichen  Pro- 
vinzen Preulsens  (Ost-  und  Westpreufsen,  Pommern,  Posen,  Schlesien) 


682 

mit  rund  7Vt  Millionen  Einwohner  inageeamt  nur  44  ICtglieder 
zählt,  in  Hannover»  Westfalen,  Schleswig-Holstein  mit  rund  7,2 
Mill.  Einwohner  ebenfalls  nnr  42,  so  erhellt  die  Berechtigung  meiner 
Bemerkung:  «Der  Verein  hat  es  bisher  nicht  rerstanden,  die  hervor- 
ragenden Kräfte  der  Schulgesundheitspflege  so  in  sich  zu  vereinen^ 
dals  er  wirklich  als  Deutscher  Verein  fCLr  Schulgesundheitspflege 
gelten  könnte. **  Alle  ^Besten  und  Ersten^  umfafst  er  nicht  entfernt 
2.  Indessen  bestreitet  niemand,  daCi  der  Verein  eine  greise  Zahl 
auf  dem  Oebietö  der  Schulhygiene  hervorragender  Kräfte  in  sich 
birgt.  Aber  „er  hat  es  nicht  rerstanden,  sie  zu  tätiger  Mitarbeit 
anzuregen".  Zum  Beweise  dafOr  mögen  folgende  Zahlen  aus  den 
in  der  „Q.  J.*  veröffentlichten  TeilnehmerUsten  der  Jahresversamm- 
lungen, in  denen  sich  zugestandenermafsen  die  Hauptarbeit  dea 
Vereins  abspielt,  dienen. 

ESs  nahmen  Teil  an  der  Jahresversammlung  zu 

Eniammeii         davon  aus  dem  Versamm-  entfernter 

Penonen        Inngvort  and  seiner  näheren  wohnende 

ümgebang  Personen 
Wiesbaden  1901     185                          135  50 

Weimar       1902     175  124  51 

Bonn'  1903     152  103  49 

Stuttgart      1905     485  443  42 

Es  stammten  also  stets  nur  ein  Viertel  bis  ein  Drittel,  1905 
sogar  nur  ein  Zwölftel  der  Teilnehmer  nicht  aus  dem  Versamm- 
lungsorte und  seiner  näheren  Umgebung.  Die  Zahl  der  Personen, 
die  aus  Interesse  an  den  Versammlungen  weitere  Reisen  unternehmen» 
ist  von  Tagung  zu  Tagung  nicht  gestiegen,  sondern,  da  die  Mit- 
gliederzahl inzwischen  zunahm,  absolut  und  im  Verhältnis  eher  ge- 
sunken. Im  Frtthjahr  1905  zählte  der  Verein  nach  dem  bei  1.  er- 
wähnten Mitgliederverzeichnis  in  Deutschland  auiser  Württemberg 
830  Einzelmitglieder  (neben  193  Magistraten,  Vereinen  usw.).  Von 
ihnen  waren  im  ganzen  nur  40  auf  der  Versammlung  erschienen 
oder  vertreten. 

Noch  schlagender  geht  die  mangelnde  tätige  Mitarbeit  der  Ve^ 
einsmitglieder  an  den  Versammlungen  aus  einer  Berechnung  darüber 
hervor,  wieviel  Mitglieder  mehreren  Tagungen  beigewohnt  haben. 


^  Die  Liste  boII  nicht  gans  vollständig  sein,  vermntlioh  sind  es  auch  die 
anderen  nicht,  doch  kann  eine  wesentliche  Verschiebung  des  Ergebnisses^ 
dadurch  nicht  bedingt  werden. 


683 

Eb  war«n  anwesend  (1904  fand  nnr  eine  Qeschäfiasitzung  statt): 
in  Weimar  1902  nnd  zugleich  in  Bonn  1903        21  Mitglieder, 
davon  8  vom  Vorstand; 
.  in  Weimar  1902  nnd  zugleich  in  Stuttgart  1905  11  Hitglieder, 
davon  6  vom  Vorstand; 
in  Bonn  1903  und  zugleich  in  Stuttgart  1905      11  Mitglieder, 
davon  4  vom  Vorstand. 
In  3  Versammlungen  (Weimar,  Bonn,  Stuttgart)  waren  7  Mit- 
glieder, davon  4  vom  Vorstand,  zugegen. 

An  4  Tagungen  (Wiesbaden,  Weimar,  Bonn,  Stuttgart)  be- 
teiligten sich  3  Mitglieder  (der  Vorsitzende,  Gemeinderat  SrocEMAYEii- 
Stattgart,  Abbl). 

Es  geht  daraus  hervor^  dab  die  meisten  Teilnehmer  nur  je  eine 
Tagung  mitgemacht  haben,  dals  nur  10  bis  20  an  2  Versammlungen 
sieh  beteiligt  haben  und  dafs  nur  ganz  vereinzelte  Mitglieder  mehr 
als  zwei  Tagungen  besucht  haben.  „Jede  Tagung  zeigt  ein  neues 
Bild,  —  um  den  Vorstand  geschart  die  Freunde  der  Schule  aus 
dem  Versammlungsorte  und  seiner  Umgebung.^ 

3.  Die  Ausführungen  zu  2  belegen  bereits  die  Berechtigung 
der  Ansicht,  es  fehle  dem  Verein  an  „Stetigkeit^.  Der  Vorstand 
entgegnet  dem,  alle  Wanderversammlungen  von  Vereinen  seien  folge- 
weise nie  homogen«  Er  scheint  mir  dabei  aber  einen  wesentlichen 
Umstand  zu  ttbersehen.  Tagungen  mit  grofsen  Arbeitsgebieten,  wie 
die  Naturforscherversammlung  oder  die  des  Deutschen  Vereins  für 
öffnitliehe  Gesundheitspflege,  mögen  alle  Jahre  wechselnde  Zu- 
sammensetzung zeigen,  denn  jedes  Jahr  verhandeln  sie  über  andere 
Fragen,  die  mit  den  früheren  Tagesordnungen  keinen  Zusammenhang 
haben  (tatsächlich  ist  auch  bei  den  Tagungen  dieser  grofsen  Vereine  die 
«Stetigkeit**  des  Teilnehmerkreises  eine  ganz  andere,  als  bei  dem  Verein 
fbr  Schulgesundheitspflege).  Anders  liegen  die  Dinge  aber  bei  einem 
Verein,  der  ein  so  kleines  Gebiet  wie  die  Schulgesundheitspflege, 
imd  daraus  bis  jetzt  auch  nur  einzelne  Gegenstände  bearbeitet,  die 
in  kaum  veränderter  Gestalt  fast  alle  Jahre  wieder  auf  der  Tages- 
ordnung erscheinen.  Er  mufs  auch  Stetigkeit  in  den  Personen  der 
Teilnehmer  haben,  sonst  kommt  er  in  Gefahr,  wie  es  in  dieser 
Zeitschrift,  Bd.  XVI,  S.  490/491,  an  Beispielen  dargetan  worden 
ist»  von  Jahr  zu  Jahr  wechselnde  Beschlüsse  zu  fassen. 

4.  Nach  den  Ausführungen  des  Vereinsvorstandes  liegt  aber  die 
Stetigkeit  des  Vereins  in  der  Verfolgung  genau  vorgeschriebener 
Wege   und   in   dem  Erstreben    ganz  bestimmter  Ziele.     Als  solche 


684 

beieiohnet  er  Verbreitung  der  Lehren  der  SdhnUiygiene,  Gewinnung 
der  Ärzte  und  Lehrer  zur  Mitarbeit  durch  die  Jahresremmmliuigen 
und  die  Ortsgruppen.  Der  Vorstand  mnls  sieh  aber  dooh  selbst  sagen, 
dais  Versammlungen,  in  denen  erst  Propaganda  fOr  die  Sdhiulhygieiie 
gemacht,  Interesse  für  sie  erweckt,  in  denen  die  Gegend  des  Tagungs- 
ortes, wie  der  Vorstand  sagt,  mit  den  Ideen  des  Vereins  y,imbibiert* 
werden  soll,  nicht  ein  Forum  darstellen,  auf  dem  ohne  Beteiligung 
zahlreicher  schulhygienischer  Erftfte  aus  allen  deutschen  Gkuen  Be- 
sohlflsse  von  „überzeugender,  zwingender  Kraft*  gefafst  werden 
können.  Dazu  gehört  eben  doch  eine  andere  Zusammensetzung,  ab 
sie  z.  B.  die  Stuttgarter  Versammlung  zeigte  (820  württembeigis^Ae 
Volksschullehrer,  120  Lehrer  höherer  Schulen,  Ärzte  usw.  aus  Würt- 
temberg und  nur  40  Niohtwürttemberger  Deutsche).  Was  er  erstrebt, 
die  Mitarbeit  der  Lehrer  und  Ärzte  „in  möglichst  umfieusender  und 
ergiebiger  Weise  zu  gewinnen*^,  ist  dem  Verein  eben  noch  nieht 
gelungnen. 

Als  Beweis  für  die  Erfolge  der  Vereinsversammlungen  führt 
der  Vorstand  die  Antworten  auf  die  Weimarer  Petition  an.  Dieee 
Petition  bittet  fiegierung  und  Stadtverwaltungen  um  die  Eiinführung 
von  Schulärzten  in  den  Stftdten  und  auf  dem  Lande.  Wenn  man 
bedenkt,  dafs  1902,  als  diese  Petition  erfolgte,  wohl  schon  60—80 
deutsche  Stfidte  Schulärzte  hatten,  in  Sachsen-Meiningen  auch  schon 
Landschulftrzte  tätig  waren,  allerorten  die  Schularzt£rage  lebhaft  e^ 
örtert  und  gefördert  wurde,  so  kann  man  die  Petition,  auf  die 
einige  kleinere  Staaten  reagierten,  als  eine  wirklich  bemerkenswerte 
Tat  wohl  nicht  ansehen.  So  erwähnt  sie  denn  auch  Sohubbbt  in 
seinem  Buche  über  das  Schularztwesen  in  Deutschland  (Hamburg, 
Leopold  Voss,  1905)  bei  seinem  Überblick  über  die  Entwicklung  des 
Sohularztwesens  in  Deutschland  nicht. 

Dagegen  kann  man  dem  Verein  vorhalten,  dals  er  einen 
Mangel  an  Stetigkeit  bewiesen  hat,  indem  er  Arbeiten  aufnahm, 
ohne  sie  zu  Ende  zu  führen.  Was  ist  z.  B.  aus  der  1901  gebildeten 
Antiqua- Kommission  geworden,  die  1908  in  Bonn  berichten  sollts? 
(nO.  J^  Bd.  IV,  Ergänz.  Heft  S.  60.)  Was  aus  den  Weimarer  Be- 
schlüssen über  die  Ferienfrage,  nach  deren  Erfolg  schon  1903  ver- 
geblich gefragt  wurde?    [Ebenda  S.  66.) 

Ortsgruppen  hat  der  Verein  bisher  anscheinend  sechs.  Nur 
von  zweien  hat  man  bisher  Verhandlungen  im  Vereinsorgan  ge- 
lesen. In  der  Stuttgarter  Versammlung  wurde  nichts  über  sie  be- 
richtet. 


685 

5.  SohaTf  wendet  sich  der  Voratand  gegen  meine  Behauptung, 
die  Veisammlungsteilnehmer  wülsten  von  den  früheren  Yerhandlnngen 
nichts.  Der  Beweis  dafür  ist  leicht  zu  führen.  Es  genügt  ein  Ver- 
gleich der  Verhandlnngsherichte,  um  zu  sehen,  da&  stets  wieder  die 
gleichen,  längst  in  früheren  Versammlungen  erledigten  Erörterungen 
▼orgebraoht  werdmi.  Ja  selbst  dem  Vorstande  sind  die  früheren 
Verhandlungen  und  ihre  Ergebnisse  nicht  stets  gegenwartig,  sonst 
könnte  er  nicht  einander  so  widersprechende  Beschlüsse  zulassen, 
wie  ich  deren  in  dieser  Zütsdir.,  Bd.  XVI,  S.  490/491  mehrere  er- 
wähnt habe. 

Ein  richtiges  Bild  von  den  Verhandlungen  bekommt  nur,  wer 
ihnen  selbst  beigewohnt  hat,  und,  wie  gezeigt,  haben  nur  wenige 
Vereinsmitglieder  mehr  als  eine  Versammlung  besucht.  Gedruckte 
Berichte  können  nur  einen  ungefthren  Eindruck  vermitteln.  Die 
in  der  „Q-.  J.*^  veröffentlichten  Sitzungsberichte  sind  aber  nicht  einmal 
▼ollständig.  Bei  dem  Bericht  nber  die  Bonner  Versammlung  fehlt 
der  Vortrag  von  Dr.  Kastbnho^,  der  mit  der  Diskussion  die  Ver- 
sammlung mehrere  Stunden  bescG|ftigte,  als  nachträglich  vom  Bedner 
zurückgezogen,  ganz.  (Vgl.  „O.X'',  Bd.  IV,  Ergänz.  Heft  S.  9  und 
diese  Zeitsehr.  Bd.  XVI,  S.  466—471.)  In  „ö.  J.^  Bd.  V,  Ergänz.- 
Heft,  fehlt  Geschäft»-  und  Kassenbericht. 

6.  Weiter  beanstandet  der  Vorstand  meine  Bemerkung,  dals 
die  Versammlungsteilnehmer  gröistenteils  auch  von  der  Schulhygiene 
nicht  viel  mehr  wüfsten  als  von  den  Vereinsverhandlungen.  Das 
ist  natürlich  bis  zu  einem  gewissen  Grade  ein  subjektiver  Eindruck, 
loh  stütze  mich  auf  Beobachtungen,  die  ich  sowohl  während  der 
Verhandlungen  in  der  Diskussion,  im  Gespräch  mit  Teilnehmern, 
wie  nach  den  Verhandlungen  bei  der  Besichtigung  von  Schul- 
gebäuden gemacht  habe,  wo  z,  B.  die  Bettigbank  regelmälsig  als 
den  meisten  Teilnehmern  unbekannt  sich  erwies.  Übrigens  bestärkt 
mich  der  Verein  selbst  in  meiner  Ansicht.  Er  hält  bessere  Unter- 
weisung der  Lehrer  in  der  Schulhygiene  für  nötig  („G.J.^  Bd.  III, 
Eärgänz.-Heft  S.  52—71,  Beschluß  ebenda  S.  102),  er  nimmt  Klagen 
über  geringes  schulhygienisches  Interesse  der  Lehrer  an  den  höheren 
Schulen  widerspruchslos  entgegen  {ebenda  8. 105,  Bd.  V,  Ergänz.  Heft 
S.  57—58),  er  will  nach  eigener  Erklärung  des  Vorstandes  die 
regionären  Versammlungsteilnehmer  erst  mit  seinen  hygienischen 
Ideen  „imbibieren"  (ich  brauche  den  Ausdruck  „suggerieren*^  —  zu 
deutsch:  einflöÜBen,  beeinflussen  — ,  da  der  Verein  zum  Teil  seine 
besonderen  Ziele  verfolgt.    Auch  der  Verein  sieht  demnach  in  einem 

Selia1g«iiiiidlMitspflege.  XVIII.  31 


586 

weeentliobeii  Teile  Beiner  Tagnngsgenossen  nicht  perfekte  Sclial- 
hygieniker.  Nienumd  kann  ja  anoh  wohl  mit  Eleehi  annehmen,  dafs 
eine  Versammlnng  von  der  Zusammensetzung  wie  die  Stuttgarter 
zum  Beispiel  zu  mehr  als  einem  kleinen  Teile  aus  Mftnnem  besteht« 
die  wirklich  Fachleute  in  der  Schulhygiene,  die  mehr  als  ,,Preunde 
der  Schule^,  als  „Schulhygieneamateure'*  (ich  weifs  auch  jetzt  noch 
keinen  Ausdruck,  der»  ohne  yerletzen  zu  können,  ebenso  bündig  das- 
selbe sagte)  sind.  Bin  Vorwurf  fttr  i]*gend  jemand  liegt  in  meinen 
Worten  nicht  und  kann  m.  E.  auch  nicht  daraus  entnommen  werden. 
Die  Tüchtigkeit  der  Versammlungsteilnehmer  in  ihrem  Berufe  habe 
idi  nicht  angezweifelt,  ebensowenig  ihre  allgemeine  Urteils&htgkeit, 
aber  in  ihrer  Mehrzahl  kann  ich  sie  nicht  fbr  kompetente  Beurteiler 
auf  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  halten  und  glaube  auch,  dab  sie 
sich  zumeist  wohl  selbst  nicht  als  solche  betrachten.  Da  meine 
eigene  Qualifikation  in  der  Schtdgeeundheitspflege  dabei  ganz  auiser 
Betracht  bleibt,  bin  ich  mir  nicht  bewulst,  auch  nur  entfernt  „einer 
aulserordentlich  groisen  Selbstüberhebung"  mich  schuldig  gemacht 
zu  haben. 

7.  Die  Angabe,  es  seien  die  BegrüÜBungsreden  zum  Teil  auf 
besonderen  Wunsch  des  Vorsitzenden  gehalten  worden,  beruhte  auf 
mündlichen  Mitteilungen.  Es  ist  richtig,  wie  ich  mich  brieflich 
überzeugt  habe,  dab  dabei  der  Ortsausschuis  die  Vermittelung  gemacht 
hat.  Im  übrigen  lege  ich  auf  diesen  auch  in  meinem  Bericht  ganz 
nebensachlich  behandelten  Punkt  keinerlei  Wert. 

8.  In  meinen  Berichten  über  die  Vereinsversammlungen  die 
Orenzen  einer  erlaubten  Kritik  irgendwie  überschritten  zu  haben, 
muls  ich  entschieden  bestreiten.  Wo  irgend  Grund  zur  Anerkennung 
sich  bot,  habe  ich  stets  mich  lobender  Worte  bedient;  ich  verweise 
auf  meine  in  dieser  ZeUaehr.  Bd.  XV,  XVI  und  XVIII  er- 
schienenen Berichte.  Wo  jedoch  meiner  Meinung  nach  in  den 
Verhandlungen  Fehler  begangen  worden  waren,  da  habe  ich  auch 
ungescheut  meine  Ansicht  kundgetan,  nicht  aus  NOrgelsuoht,  sondern 
in  dem  aufrichtigen  Bestreben,  die  Sache  der  Schulhygiene  und 
damit  auch  die  des  Vereins  zu  fördern,  deutlich  und  ohne  Ansehen 
der  Person,  aber  auch  stets  sachlich  und  ohne  jede  Absicht,  persön- 
lich zu  verletzen.  Ich  glaube  noch  jetzt,  den  Interessen  des  Vereins 
damit  am  besten  gedient  zu  haben. 

Mit  dieser  eingehenden  Begründung  meiner  kritischen  Be- 
merkungen ist  die  Diskussion  filr  mich  geschlossen. 


587 


3lits  Derfantntlttniett  tttt]>  Dereittett. 


Der  5.  Terbandstag  der  Hilfaschnlen  Deutschlands  in  Bremen 

(25.  bis  27.  April  1905). 

Von 

A.  Henze, 
Bektor  in  Hannover. 

Vom  25.  bis  27.  April  fieuid  im  GreseUsohaftshanse  „Union**  in 
Bremen  der  5.  Verbandstag  der  Hilfsschulen  Deutschlands 
statt  Gegenüber  den  früheren  Tagungen  des  Hil£Bsohulverbandes 
hatte  auch  diese  wiederum  eine  wesentliche  Steigerung  der  Teil- 
nehmersabl  aufzuweisen.  Es  nahmen  an  den  Verhandlungen  rund 
400  Personen  teil.  Unter  diesen  waren  neben  den  Leitern  und 
Lehrern  der  Hilfsschulen  sowie  Vertretern  sonstiger  Sohulgattungen 
und  Anstalten  für  Schwachsinnige  fünf  Ministerialvertreter,  vier  Ver- 
treter königlich  preuisischer  Begierungen,  etwa  40  Stadtschulräte  und 
•Lispektoren  und  eine  gröisere  Anzahl  von  Juristen,  Ärzten  und 
Geistlichen.  Mit  dem  Verbandstage  war  eine  Ausstellung  von  Hilfs- 
sdhnlliteratur  und  Lehrmitteln  verbunden.  Von  letzteren  wurden 
mehrere  von  den  Erfindern  vorgeführt.  Am  Abend  des  25.  April 
fand  von  6  bis  UV«  Uhr  die  Vor  Versammlung  statt.  Nach  einer 
kurzen  Eröffnungsansprache  des  ersten  Vorsitzenden,  Stadtschulrat 
Dr.  WEHBHAHN-Hannover,  sprach  zunftchst  Hilfsschullehrer  Busoh- 
Magdeburg  über  die  Ausbildung  der  Hilfsschullehrer.  Nach 
einer  Darlegung  der  dem  Hilfsschullehrer  aus  der  Eigenart  seiner 
Zöglinge  erwachsenden  besonderen  Aufgaben  begründete  der  Vor- 
tragende damit  die  Notwendigkeit  einer  besonderen  wiBsenschaftliohen 
imd  praktischen  Ausbildung  der  Lehrpersonen,  die  der  Hilfsschul- 
tfttigkeit  sich  zuwenden.  Er  forderte  für  diesen  Zweck  staatlicher- 
seits  einzurichtende  Kurse  und  legte  dar,  was  etwa  in  diesen  den 
Teilnehmern  geboten  werden  müiste.  Zur  Gewährleistung  der  für 
den  HUfsschuUehrer  unerlalslichen  Kenntnisse  in  Theorie  und  Praxis 
hielt  er  eine  Prüfung  fOr  Hilfsschullehrer,  ähnlich  der  für  Taub* 
etummenlehrer,  der  eine  mindestens  zweijährige  Betätigung   in   der 

31* 


588 

Hilfsflohnle  yoran&ngehen  habe,  für  dnrohaiiB  notwendig.  —  Die 
Yersammlang  erklärte  sich  mit  der  Forderung  Ton  Ansbildangdnmen, 
die  auch  von  Städten  und  Vereinen  eingerichtet  werden  könnten, 
emyerstanden,  lehnte  aber  eine  besondere  PrOfung  fbr  Yolkasehnl- 
lehrer  ab. 

Einen  zweiten  Vortrag  hielt  Dr.  med.  WiKKLBB-Bremen,  Special- 
arzt  für  Sprachstörungen,  über  das  Thema:  Behandlung  von 
Sprachgebreohen  in  der  Hilfsschule.  Redner  beschränkte  sich 
in  seinen  Ausftthrungen  auf  die  gemeinsame  Tätigkeit  des  Schularstes 
und  Hilfsschullehrers  auf  dieeem  Gebiete.  Ausgehend  von  der  Tat- 
sache, dals  ein  hoher  Prozentsatz  der  Hilfsschulzöglinge  mit  Spiaoh- 
gebrechen  behaftet  sei,  wies  er  zunächst  nach,  dals  eine  präzise  Ein- 
teilung der  Sprachgebrechen  auf  anatomisch-pathologischer  Orundlage 
bislang  nicht  möglich  gewesen  sei.  Er  charakterisierte  alsdann  die 
einzelnen  Sprachstörungen,  indem  er  im  Anschluß  an  Rungb  sieben 
Funktionen  zum  normalen  Sprechen  als  notwendig  bezeichnete  und 
ausführte,  welche  von  diesen  bei  den  einzelnen  Sprachstörungen 
fehlen.  Er  betonte  alsdann  mit  Nachdruck,  daft  die  schwereren 
Formen  sprachlicher  Störungen  in  der  Hilfsschule  als  solche  nicht 
behandelt  werden  könnten,  z.  B.  Hörstummheit,  Aphasie,  Hotten- 
tottismus, Echolalie,  dalis  die  Hilfsschule  vielmehr  sich  auf  den 
Agrammatismus,  die  Bradyphasie,  das  Poltern  und  gewisse  Fälle  des 
Stottems  zu  beschränken  habe.  Wegen  der  aufserordentlichen  Be- 
deutung des  Gkhör-  und  Oesiohtsorgans,  speziell  auch  fär  die  sprach- 
liche Entwicklung,  hielt  der  Referent  eine  sorg&ltige  Prüfung  dieser 
Organe  durch  tüchtige  Spezialisten  für  notwendig,  mit  Hinweis  darauf, 
dafs  sonst  leicht  Schwachsinn  und  Sprachstörungen  fälschlich  an- 
genommen werden  könnten.  In  bezug  auf  Operationen  innerhalb  des 
Bereichs  des  eigentlichen  Sprachapparates  zum  Zwecke  der  Beeserung 
der  sprachlichen  Leistungen  ermahnte  Redner  zu  grolser  Voreicht 
und  warnte  davor,  zu  greise  Hoffnungen  daran  zu  knüpfen.  Er  ist 
der  Ansicht,  dals  solche  Eingriffe,  und  sei  es  auch  nur  die  Entfernung 
von  Gaumen-  und  Knochenmandeln,  stets  nur  in  der  Narkose  und 
wegen  der  starken  Einwirkung  auf  das  schwache  Zentralnervensystem 
der  Schwachsinnigen  nur  in  den  Fällen  vorzunehmen  seien,  wenn 
davon  zugleich  eine  wesentliche  Förderung  der  Gesamtentwicklnng 
oder  die  Beseitigung  lebensgefährlicher  Zustände  zu  erhoffen  sein 
würde.  —  An  den  Vortrag  schlols  sich  eine  längere  Debatte  an,  die 
viel  interessantes  Material  über  Sprachstörungen  aus  der  Praxis  zu- 
tage forderte. 


589 

Es  wurde  darauf  nooli  eiue  Beihe  von  geBohäfUidien  Angelegen- 
heiten erledigt.  Der  Vorsitzende  bat  dringend,  einem  vom  Verbände- 
Torstande  aus  zwei  Juristen,  zwei  Psychiatern  und  zwei  Pädagogen 
gebildeten  Ausschüsse  zum  Rechtssohutze  für  die  geistig  Minder^ 
wertigen  oder  dem  Vorstande  selbst  alle  Fälle  zur  Kenntnis  zu 
bringen,  wo  Art  und  Maus  von  gerichtlichen  Bestrafungen  Schwach- 
sinniger als  unrichtig  erscheinen,  femer  alle  Jahre  zeitig  genug  dem 
Zivilvorsitzenden  der  Aushebungskommissionen  und  den  Bezirks- 
kommandos die  Personalien  der  in  dem  betreffenden  Jahre  gestellungs- 
pflichtigen firüheren  Hilfsschulzöglinge  einzureichen,  um  so  einerseits 
Material  zur  Herbeiführung  einer  entsprechenden  Rücksichtnahme 
auf  die  Q^istesschwachen  im  Strafrecht  zu  beschaffen,  anderseits  sie 
▼or  feüsoher  Behandlung  beim  Militär  möglichst  zu  schützen.  Bei 
der  Vorstandswahl  wurden  Stadtschulrat  Dr.  Webbhahn  (erster  Vor- 
sitzender), Rektor  HBNZE-Hannoyer  (zweiter  Schriftführer)  und  Lehrer 
BooK-Braunschweig  (erster  Kassierer)  wiedergewählt. 

Am  26.  April  fand  von  morgens  9  Uhr  bis  nachmittags  2^/a  Uhr 
die  Hauptversammlung  statt.  In  dieser  gab  zunächst  der  Vor- 
sitzende einen  Überblick  über  die  äulsere  und  innere  Entwicklung 
des  Hilftschulwesens  in  den  seit  dem  vorigen  Verbandstage  verflossenen 
zwei  Jahren.  ESs  bestehen  zurzeit  in  über  150  deutschen  Städten 
230  Hilfsschulen  mit  660  Klassen  und  15000. Kindern.  Das  be- 
deutet abermals  eine  wesentliche  Zunahme  um  25  Schulen  und 
60  Klassen  gegenüber  den  vor  zwei  Jahren  mitgeteilten  Zahlen. 
Das  preuisische  Kultusministerium  hat  wieder  verschieden&ch  sein 
lebhaftes  Interesse  für  das  Hilfsschulwesen  und  die  Bestrebungen  des 
Verbandes  bekundet,  so  im  Sommer  1903  durch  Veranstaltung  einer 
Hil&schulstatistik,  die  für  Preufsen  in  76  Städten  143  Schulen  mit 
885  Klassen  und  8207  Kindern,  unterrichtet  von  317  Lehrern, 
81  Lehrerinnen  und  31  technischen  Lehrerinnen,  ergab,  sowie  durch 
einen  Erlais  vom  2.  Januar  1905,  der  sich  in  völliger  Überein- 
stimmung mit  den  aus  der  Hilfsschulpraxis  erwachsenen  Grundsätzen 
hält  In  England,  wo  bereits  über  150  Hilfsschulen  mit  über  7000 
Zöglingen  bestehen,  wo  femer  infolge  gesetzlicher  Regelung  die 
Kinder  bis  zum  16.  Jahre  in  den  Hilfsschulen  festgehalten  werden 
können,  ist  im  Herbst  1903  ebenfalls  ein  HilÜBSchulverband  gegründet 
worden.  Auch  sonst  gewinnt  die  HilGsschule  im  Auslande  immer 
mehr  an  Verbreitung.  Durchdrungen  von  der  Überzeugung,  daüa  die 
onterriehtliche  Tätigkeit  der  Hilfsschulen  der  Ergänzung  durch  Mab: 
iMihmen    zu   sozialer  Fürsorge   für   deren    Zöglinge   auiserhalb   der 


590 

Schale  und  nach  der  SohulenÜaaeang  dringend  bedarf,  haben  aidi 
fllr  letzteren  Zweck  in  mehreren  Städten,  z.  B.  Berlin,  Leipzig, 
Königsberg,  Breslau,  besondere  Fürsorgevereine  gebildet^  die  mit 
reichem  Segen  arbeiten.  —  Nach  einer  Beihe  von  BegrfiJBungen  der 
Versammlung  durch  einen  Vertreter  des  Bremer  Senats,  der  Ministerien, 
der  Stadt  Berlin,  mehrerer  Vereine,  sowie  des  Ortsausschusses  wurde 
von  Dr.  med.  NsüHABK-Bremen  ein  Vortrag  des  schwer  erkranktm 
Dr.  med.  SoHOLZ*Bremen  ttber  moralische  Anästhesie  yerleeen. 
Nach  einigen  geschichtlichen  Daten  über  diese  meist  als  „moral  in- 
sanity'',  moralischer  Schwachsinn  usw.  bezeichnete  Erscheinung  be- 
grtindet  Beferent  die  von  ihm  geschaffene  obige  Bezeichnung  damit» 
daüa  sie  besser  als  andere  den  Kernpunkt  der  Sache,  die  Gefühls- 
abnormität,  treffe.  Er  charakterisiert  die  Erscheinung  als  eine  an- 
geborene oder  sehr  früh  erworbene,  habituell  im  Streben  und  Handeln 
sich  kundgebende  abnorme  Veränderung  und  Herabminderung  mo- 
ralischer Gefühle,  die  mit  der  Intelligenz  zunächst  nichts  zu  tun  zu 
haben  braucht.  Es  werden  vier  Typen  unterschieden  und  erörtert: 
1.  der  des  unbewuisten  Motiys,  2.  der  des  ZwangsmäGsigen,  3.  der 
perverse  Typus  und  4.  der  vor  allem  in  Frage  kommende  Typus 
des  gesteigerten  und  yerminderten  Strebens.  Für  die  Diagnose  im 
Kindesalter  kommen  besonders  zwei  Kindestypen,  das  boshafte  und 
das  indolente  Kind,  in  Frage,  die  beide  genauer  charakterisiert 
werden.  Bei  beiden  läfet  vor  allem  der  völlige  Mangel  an  Mitleid 
auf  moralische  Anästhesie  schlieisen.  Daneben  gibt  es  verschiedene 
Stigmata,  die  zwar  allein  zur  Diagnose  nicht  ausreichen,  aber  zur 
Vorsicht  mahnen.  Dahin  zählen  vor  allem  mangelnde  Spiellust» 
ausgeprägte  Zerstörungswut,  Lüge  und  Jähzorn,  sowie  mancherlei 
Perversitäten  im  Verhalten.  Bechtzeitig  erkannt,  kann  die  moralische 
Anästhesie  in  vielen  Fällen  durch  geeignete  Erziehung  mit  Erfolg 
bekämpft  werden.  —  Von  einer  Debatte  sah  man  wegen  der  Ab- 
wesenheit des  Beferenten  ab. 

Es  sprach  sodann  Oberamtsrichter  Noltb  -  Braunschweig,  der 
schon  auf  dem  4.  Verbandstage  einen  Vortrag  über  die  Berück- 
sichtigung der  Schwachsinnigen  im  bürgerlichen  Becht  des  Deutschen 
Beiches  gehalten  hatte,  in  Fortsetzung  desselben  über  die  Berück- 
sichtigung der  Schwachsinnigen  im  Strafrecht  des  Deut- 
schen Beiches.  Bedner  ging  zunächst  auf  die  Gründe  ein,  die 
nach  dem  geltenden  Strafrecht  die  Strafe  ausschlielsen  oder  sie 
.mildem.  Zu  jenen  gehört  z.  B.  Strafnnmündigkeit,  fehlende  Ein- 
sicht  in   die  Strafbarkeit   einer   Tat    bei   Jugendlichen,    Notwehr, 


591 

kftrperlioher  od«r  psyohisolier  Zwang,  nnd  ror  allem  BewtifsÜosigkeit 
und  OeistesstönmgeD,  welche  die  freie  Willensbestimmiing  anssohliefsen; 
xa  letzteren  s.  B.  jugendliches  Alter,  schlechte  Erziehung,  erbliche 
Belastong»  Selbstanzeige,  schwache  Beanlagnng.  Zar  Zoreohnungs- 
&higkeit  im  Sinne  des  Strafrechts  gehört  SelbetbewnTstsein,  Bewnlat- 
sein  der  Aofsenwelt  und  entwickeltes  Pflichtbewufstsein.  Bei  ans- 
gesprochener  Geisteskrankheit  ist  das  alles  nnd  damit  eine  volle  freie 
Willensbestimmnng  nicht  vorhanden  nnd  daher  Strafbarkeit  aus- 
geschlossen. Daneben  gibt  es  nun  aber  viele  Falle,  wo  die  freie 
Willensbestimmung  nicht  aufgehoben,  sondern  nur  gehemmt  ist.  Das 
ist  der  Fall  bei  blolser  Trübung  des  Bewulstseins,  z.  B.  durch 
Trunkenheit  oder  Affekt,  femer  bei  Störungen  der  Geistestätigkeit 
(Beschrftoktheit,  leichtem  Schwachsinn,  krankhafter  Erregbarkeit,  ab- 
normen Zuständen  des  Nervensystems).  Für  diese  ist  der  Ausdruck 
der  „verminderten  ZurechnungsfUiigkeit'^  geschaffen.  Im  Strafgesetz- 
buch werden  sie  nicht  hesonders  berücksichtigt.  Die  Annahme  mil- 
dernder Umstände  bietet  nach  Überzeugung  der  Psychiater  und  sehr 
vieler  Juristen  für  diese  Fälle  keinen  ausreichenden  Schutz^  da  die- 
selbe auf  eine  geringere  Anzahl  von  Straftaten  beschränkt  ist.  Der 
eitte  Entwurf  eines  Strafgesetzbuches  für  den  norddeutschen  Bund 
enthielt  einen  entsprechenden  Passus,  der  aber  nachher  wieder  ge- 
strichen wurde.  Dagegen  erkennen  zahlreiche  Strafgesetze  des  Aus- 
landes die  „verminderte  Zurechnungsffthigkeit"  bereits  an.  In  neuester 
Zeit  zielen  die  Forderungen  weniger  auf  mildere  Bestrafung  als  auf 
zweckentsprechende  Behandlung  beim  Strafvollzug  und  auf  dauernden 
Schutz  der  Gesellschaft  gegen  hierhin  zählende  gemeingefährliche 
Individuen  hin.  Referent  teilt  den  Wunsch  des  Prof.  Liszt,  dals 
mit  Rücksicht  auf  die  Schwierigkeiten  der  Umarbeitung  des  ganzen 
Strafgesetzbuches  ein  Teilgesetz  für  den  Bereich  der  verminderten 
Zurechnungsftlhigkeit  schon  vorher  und  baldmöglichst  ausgearbeitet 
werden  möge. 

Den  letzten  Vortrag  hielt  Hauptlehrer  Schenk -Breslau  über 
den  gegenwärtigen  Stand  der  Fürsorge  für  die  aus  der 
Hilfsschule  entlassenen  Kinder.  Der  Vortragende  wies  ein- 
leitend darauf  hin,  dab  es  sich  bei  dieser  Frage  darum  handele,  dem 
Staate  eine  sehr  bedeutende  Anzahl  nützlicher  Glieder  zu  verschaffen, 
bei  denen  die  Gkfahr  drohe,  dals  sie  ohne  besondere  Maisnahmen 
auf  die  Bahn  des  Verbrechens  geraten  oder  der  Armenversorgung 
zur  Lost  fallen  könnten.  Er  hält  zunächst  eine  Verlängerung 
der  Schuljahre   in   der  HilCBSchule  für  wünschenswert   und  fordert 


592 

danim  eine  Überfilhning  in  die  letstere  bereits  nach  einjährigem, 
nioht,  wie  es  bialang  allgemeiner  Gebrauch  war,  erat  naoh  zwei- 
jährigem Besnohe  einer  Mormaleohnle,  da  für  eine  Verlftngemng  der 
Schulzeit  ttber  das  14.  Jahr  hinaus  die  gesetzlichen  Grundlagen  fehlen. 
FtUr  unbedingt  notwendig  halt  der  Referent  eine  obligatorische  Fort- 
bildungsschule filr  die  schulentlassenen  HiUsschulzöglioge,  wie  sie 
z.  B.  DOaseldorf  und  Breslau  bereits  besitzen.  Alz  wichtige 
Yeranztaltungen  zur  Verbesserung  der  sozialen  Verhältnisse  der  HUCb- 
schulzöglioge  empfiehlt  er  die  Gründung  besonderer  Fürsorgevereine 
nach  Muster  der  in  Berlin,  Leipzig,  Königsberg,  Breslau  uaw.  schon 
bestehenden.  Diese  würden  sich  das  leibliche  Wohl  der  Kinder 
während  der  Schulzeit  (Kleidung,  Nahrung,  Ferienkolonien,  Kinder- 
heilstätteu  usw.)  und  nach  derselben  angelegen  sein  lassen  müssen. 
Sie  würden  für  jeden  Zögling  einen  Pfleger  einzusetzen,  auf  eine 
richtige  Berufswahl  hinzuwirken^  geeignete  Dienst-  und  Lehrherren 
ausfindig  zu  machen  haben.  Es  empfiehlt  sich,  letzteren  neben  dem 
Lehrgeld  für  gute  Resultate  in  der  Ausbildung  SchwachbefUiigter 
Prämien  zuzuerkennen.  In  manchen  Fällen  wird  direkt  eine  völlige 
beruf  liehe  Ausbildung  in  besonderen  Lehrwerkstätten  zu  geben  sein. 
Diese  könnten  zugleich  zu  Arbeitskolonien  für  solche  Schwachbegabte 
ausgebildet  werden,  die  sich  nicht  selbständig  durchs  Leben  zu 
schlagen  vermögen,  dann  aber  auch  anderen  in  Zeiten  vorüber- 
gehender Arbeitslosigkeit  eine  Zuflucht  bieten.  Als  letztes  Ziel 
wüfden  endlich  Alters-  und  Inyalidenheime  für  Schwachsinnige  ins 
Auge  zu  fassen  sein.  Die  durch  den  Vortrag  hervorgerufene  Debatte 
brachte  vor  allem  viele  interessante  Einzelheiten  aus  der  Arbeit  und 
den  Resultaten  der  bereits  auf  diesem  Gebiete  tätigen  Vereine« 


Wesen  ud  Bedeutung  der  Kaabenhandarbeitssehnle 
im  Rahmen  des  Volksschalwesens  gröfserer  Städte. 

Aus  einem  Vortrage  Yon  Stadtschulrat  Dr.  SiCKiNaBB-Mannheim 

an  der  diesjährigen  Jahresyersammlung  des  Deutschen  Vereins 

für  Knabenhandarbeit  in  Görlitz. 

Die  Einrichtong  einer  Knabenhandarbeitsschule  als  eines  besonderen 
Gliedes  innerhalb  eines  gröberen  Volksschnlkörpers  beleuchtete  Bedner 
dnrch  Schilderung  der  an  der  Mannheimer  Volksschnle  bestehenden  Ein- 
richtungen für  die  Erteilung  des  Knabenhandarbeitsnnterrichts.  Da  die 
städtischen  Behörden,  die  Bürgerschaft  und  besonders  die  gewerblichen 
Kreise  Mannheims  dem  neuen  Unterrichtszweige  sehr  sympathisch  gegen- 
über stehen,  so  zeigt  die  1895  gegründete  Mannheimer  Knabenhandarbeits- 


593 

schule  eine  hoffirangsfireadige  Entwiddimg.  Trotz  des  feknltaÜTeii  Charak- 
ters des  Arbeitsunterrichts  ist  die  Zahl  der  Teilnehmer  innerhalb  der 
letzten  zehn  Jahre  Yon  80  anf  1280  gestiegen.  An  Arbdtsfächem  stehen 
den  Zöglingen  zur  Auswahl:  Schnitzen,  Pappen,  Hobeln,  Metallarbeiten, 
Modellieren«  Die  Notwendigkeit  der  Enabenhandarbeitsschole,  die  der 
städtischen  Jngend  regelm&lsige  Gelegenheit  zur  Betätigung  der  praktischen 
Anlagen  und  Kräfte  bieten  will,  begrflndete  Redner  zunächst  damit,  dais 
bei  den  yeränderten  Lebensyerhältnissen  die  städtische  Jugend  der  mannig- 
fachen praktischen  Betätigungen  im  häuslichen  Bereiche  und  der  vielfachen 
Beobachtungen  gewerblicher  Arbeit,  die  eine  wertvolle  Ergänzung  der 
schulmäfeigen  Ausbildung  darstellen,  heute  entbehren  muls.  Aufserdem 
erfordern  es  die  im  Konkurrenzkampfe  notwendige  Steigerung  der  Qualität 
der  Arbeit,  dals  die  Übung  der  Muskeln  und  Nerven,  auf  der  die  Ge- 
schicklichkeit der  Hand  und  die  Schulung  des  Auges  beruht,  schon  in  der 
Zeit  begonnen  und  intensiv  betrieben  werden,  in  der  jene  Organe  sich 
noch  bilden  und  durch  mannigfache  Betätigung  zur  vollen  Entwicklung  ge- 
bracht werden  können.  (£.  v.  SCHBNKENBOEFF-Görlitz.) 


Altintxt  Jtittetltt]t0e!i. 


ÜbfT   Überbfirdniig   in   den  Bealgymnasien   ud  Realschulen 

schreibt  der  „NeckarjBtg.''  ein  Oberreallehrer  u.  a.  folgendes:  Es  ist 
au&erordentlich  erfreulich,  dals  der  Kultminister  an  der  4.  und  5.  Gymnasial- 
klasse eine  Überbfirdung  der  Schüler  anerkennt;  der  Schluft  auf  die 
Überbfirdung  der  Lehrer  liegt  so  nahe!  Bei  genauerem  Zusehen  wird 
man  auch  leicht  finden,  dafs  dieselbe  Tatsache  bei  der  Realschule  fest- 
gestellt werden  kann  und  noch  mehr  beim  Realgymnasium.  Ist  diese 
Erkenntnis  von  zwei  Klassen  auf  die  ganze  Anstalt  und  von  der  einen 
Schulgattung  auf  die  anderen  ausgedehnt  und  setzt  sich  diese  Erkenntnis 
80  in  Taten  um,  dals  man  den  Schulwagen  leichter  belastet,  dann  lä&t  sich 
vieles  auf  einmal  erreichen.  „Weniger  wäre  mehr^  ;  wir  werden  nicht  mflde 
werden,  diese  Anschauung  immer  und  immer  zn  wiederholen.  Man  würde 
mehr  erreichen,  wenn  die  wöchentliche  Stundenzahl  beschränkt  würde  für 
Klasse  I— H  auf  24;  Klasse  IH— V  auf  25—30;  Klasse  VI-IX  auf 
30 — ^32.  Setzt  man  die  Menge  des  Lernstoffes  dadurch  herab,  dafs  man 
manches  hinauswirft,  manches  kürzt,  so  geht  das  ganz  gut,  und  der  Schul- 
mann sollte  ebensogut  wie  der  Fabrikant  es  wissen  (oder  weüs  er  es  und 
traut  sich  nicht,  es  gegen  oben  auszusprechen),  dals,  je  kürzer  die  Arbeits- 
zeit, um  so  potenzierter  die  Leistung.  Für  Klasse  I  und  U  wäre  damit 
der  Nachmittagsunterricht  ganz  weg,  für  die  übrigen  Klassen  wären  ein  bis 
swei  freie  Nachmittage  gewonnen,  die  dann  fOr  das  Spielen  eine  herrliche 
YerweDdung  finden  würden.  Die  Lehrer,  die  mit  ihren  30  Pflichtstunden 
doch  wohl  auch  überbürdet  sein  dürften  —  in  Norddeutschland  sind  es 
22,  in  Frankreich  zum  Teil  nur  15  —  würden  auch  etwas  entlastet,  was 


594 

wiederum  gflnstig  anf  die  Leitung  der  Schale  zarflckwiricea  dürfte.  Damii 
wftre  anch  die  Frage  der  Dnrcharbeitazeit  in  der  Schule,  die  Ja  in  der 
Luft  liegt,  eben&lls  leichter  zn  lösen.  Wenn  der  Knltminister  eeme 
Überzengong  Yon  der  Überbttrdang  der  Schnle  anf  einen  breiteren  Boden 
•teilt  und  die  Taten  folgen  l&fet,  dann  Heil  der  Schale  nnd  Heil  der 
deatschen  Jagend  nnd  dem  deutschen  Volkl 

Die  Havaarbeiten  an  der  Realschule  hieis  der  Titel  eines  Vortrages, 
den  Rektor  MBTBS-Gannstatt  aof  der  Jahresrersammlong  des  Vereins 
realistischer  Lehrer  Wfirttembergs  in  Stattgart  gehalten  hat.  Seine  Thesen 
lanten  folgendermaTsen: 

1.  Die  Klagen  Aber  die  Überbürdnng  der  SchOler  der  höheren 
Unterrichtsanstalten  durch  Hausaufgaben  hangen  mit  der  neueren  Entwicklung 
des  höheren  Unterrichtswesen  aufs  engste  zusammen  und  verdienen  auch 
seitens  der  Realschule  alle  Beachtung. 

2.  Die  Hausaufgaben  mflssen  grundsatzlich  beibehalten  werden,  weil 
sie  ein  Mittel  sind:  a)  die  Schaler  zur  Befestigung  des  in  der  Schule 
Gelernten  anzuhalten;  b)  sie  an  Ordnung  und  Sauberkeit  in  der  schriftlichen 
Darstellung  zu  gewöhnen;  c)  sie  zu  zweckm&fsiger  Verwendung  ihrer  freien 
Zeit  anzuleiten;  d)  sie  nach  und  nach  zu  selbständiger  geistiger  Arbeit  zu 
erziehen. 

3.  Damit  die  Hausaufgaben  ihrem  Zweck  in  der  richtigen  Weise 
dienen,  dflrfen  sie  im  Schulbetrieb  aus  der  ihnen  zukommenden,  unter- 
geordneten Rolle  nicht  heraustreten.  Dazu  gehört,  a)  sie  dflrfen  nie  als 
Ersatz  dessen  angesehen  werden,  was  der  Unterricht  zu  leisten  hat;  b)  der 
Lehrer  hat  durch  sorgfUtlge  Ausnfltzung  der  Zeit,  durch  grflndliche  Vor- 
bereitung und  durch  eine  klare  Methode  dafflr  zu  sorgen,  dais  die  Hanp^ 
arbeit  der  Schaler  in  die  Unterrichtszeit  fällt  und  dab  auch  die  Haus- 
aufgaben mittelbar  oder  unmittelbar  vorbereitet  werden;  c)  die  Hausaufgaben 
dflrfen  auch  vor  den  schriftlichen  Prflfimgen  keine  besondere  Steigerung 
erfahren;  der  Lehrer  hat  darauf  zu  verzichten,  die  Schfller  vor  diesen 
Prflfnngen  zu  flbermabigen  Wiederholungsarbeiten  zu  nötigen. 

4.  Die  Ausnfltzung  der  unterrichtsfreien  Zeit  su  gesundhdtlidien 
Zwecken  darf  durch  die  Hausaufgaben  nicht  unmöglich  gemacht  und  ein 
bestimmtes  Höchstmab  derselben  daher  nicht  Überschritten  werden.  Dieses 
Höchstmafs  ist  so  zu  berechnen,  da(s  die  Zeit  ftir  Unterricht  und  Hans- 
aufgaben zusammen  an  den  Unterklassen  nicht  flber  6 — 6,  an  den  Mittel- 
klassen nicht  flber  6—7  und  an  den  Oberklassen  nicht  flber  7 — 8  Stunden 
tagUch  betragt. 

5.  In  bezug  auf  die  Anforderungen,  welche  die  emzelnen  Fächer  aa 
den  Fleils  der  Schfller  zu  stellen  berechtigt  sind,  gilt  vor  allem  der 
Grundsatz,  dals  die  Fächer,  die  ein  Durcharbeiten  nnd  Durchdringen  des 
Gelernten  durch  die  Schfller  beanspruchen,  bei  den  Hausaufgaben  in  erster 
Linie  berflcksichtigt  werden  mflssen.  Daher  soll  a)  das  Zeichnen  und 
Sehreiben  als  solches  nie  Gegenstand  der  Hausaufgaben  sein;  b)  in  Geschichte, 
Geographie  und  in  den  Naturwissenschaften  keine  schriftlidie  Hausaufgabe 
gegeben  und  c)  die  den  Hausaufgaben  zugewiesene  Zeit  zwischen  den 
beiden  Hauptgebieten  der  Realschule,  dem  sprachlichen  und  dem  mathe- 
matischen, in  annfthemd  gleicher  Weise  verteilt  werden. 


596 

6.  um  die  richtige  Behandlang  der  Haa&anfgabeD  vor  Znftlligkeiten 
ZB  schotzen,  ist  nöUg,  daüs  a)  in  jeder  Klasse  zu  Beginn  jedes  Halbjahrs 
durch  gegenseitige  Verständigung  der  Lehrer  ein  Schema  angefertigt  wird, 
nach  der  die  Hansanfgaben  Tag  für  Tag  gegeben  werden;  b)  der  Klassen- 
lehrer dieses  Schema  durch  jeweilige  Erforschung  der  Zeit,  die  die 
Schtder  tatsächlich  auf  die  Hausaufgabe  verwenden,  richtig  stellt;  c)  jeder 
Lehrer  die  von  ihm  aufgegebenen  Hausarbeiten  sorgfältig  beaufsichtigt. 

DrHck  der  Schnlbfieber.  Wie  wir  der  y,Wockmsdyr,  f.  Therapie 
u.  Hyg.  d,  Äuges^  entnehmen,  hat  Doktor  J.  Eliasbebg  in  Yitebsk 
nach  der  Methode  Prof.  Cohns  mit  dessen  Zeilenzähler  87  russische 
HandbQcher,  wissenschaftliche  Werke  und  verschiedene  periodisch  und 
nicht  periodisch  erscheinende  Schriften,  aufserdem  noch  44  französische 
Worke  verschiedener  Gattung  untersucht.  Das  Resultat  dieser  Prüfung 
ist  kein  erfreuliches.  Unter  52  HandbQchem  und  wissenschaftlichen 
Werken,  die  an  den  Schulen  zu  Yitebsk  gebräuchlich  sind,  waren  nur 
3—5,7%  befriedigend,  6 — 11,5  Vo  sehr  schlecht  (drei  bis  vier  Zeilen  auf 
den  Quadratzentimeter),  2 — 3,2%  mehr  oder  weniger  befriedigend  (Text 
zwei  Zeilen,  Anmerkimg  drei  Zeilen),  alle  übrigen  schlecht  (drei  Zeilen 
auf  den  Quadratzentimeter).  Bemerkenswerterweise  hatte  eines  der  in 
aagenhygienischer  Hinsicht  schlechtesten  Handbücher  die  64.,  ein  anderes 
die  17.  Auflage  erlebt.  —  Von  den  35  anderen  Werken  waren  fünf 
Tagesblätter,  sechs  Wochenschriften  (zwei  medizinische),  zwei  Halbmonats- 
scbriften  (eine  medizinische),  fünf  Monatsschriften  (eine  medizinische),  eine 
erschien  alle  zwei  Monate  und  15  hatten  keine  periodische  Ausgabe. 
Von  den  Tagesblättern  war  das  verbreiteste  sehr  schlecht  gedruckt  —  fänf 
Zeilen  auf  den  Quadratzentimeter,  das  Papier  sehr  schlecht;  von  vier  anderen 
entsprach  nur  eins  den  augenhygienischen  Anforderungen  Cohns  und  zwai* 
rar  bezüglich  der  Hauptabschnitte  und  Telegramme.  Die  übrigen  Blätter 
nnd  sehr  schlecht  gedruckt,  drei  bis  vier  Zeilen  im  Quadratzentimeter.  Von 
den  Wochenschriften  ist  die  verbreiteste,  die  „Niwa',  am  schlechtesten 
gedruckt,  vier  bis  fünf  Zeilen  auf  den  Qnadiatzentimeter,  die  anderen, 
darunter  auch  die  beiden  medizinischen,  sind  auch  sehr  schlecht,  drei  bis 
vier  Zeilen  auf  den  Quadratzentimeter.  Die  beiden  Halbmonatsschriften 
ergaben  8 — ^3,5  Zeilen  im  Quadratzentimeter.  Von  den  Monatsrevuen 
entsprachen  nur  eine  politische  und  eine  medizinische  den  Anforderungen, 
die  anderen  ergaben:  drei  bis  drei,  fünf  bis  vier  Zeilen  auf  den  Quadrat- 
zentimeter. Von  den  15  nicht  periodisch  erscheinenden  Schriften  fanden 
sich  nur  zwei  als  befriedigend.  Von  den  44  verschiedenen  französischen 
Werken,  die  Verfasser  nach  der  CoHNschen  Methode  untersuchen  konnte, 
waren  nur  fünf  gut  gedruckt,  besonders  Pakas:  Trait^  de  maladies  des 
yenx  und  Le^^ns  de  dinique  ophthalmol.,  femer  Duolaux:  Pasteur,  sowie 
ViOTO&HucK) :  Notre  Dame  de  Paris;  fQnf  sind  nur  unvollständig  befriedigend, 
<la  ihre  Anmerkungen  drei  Zeilen  auf  den  Quadratzentimeter  enthalten. 
^  anderen  Werke,  darunter  alle  dem  Verfasser  zugänglichen  medizinischen 
Flitter,  sind  schlecht  gedruckt,  drei  bis  vier  Zeilen  auf  den  Quadrat- 
'^Btimetttr.  Verfasser  schliefst  mit  der  Bemerkung,  dafs  Bücher  und  Zeit- 
^rifken  in  Rufsland,  wie  diesseits  und  jenseits  der  Vogesen,  schlecht 
S^draekt  sind. 


596 

Vber  das  Tirnkleid  der  Frauen  entnehmen  wir  der  „DmistA. 
Tumerglg,^  folgende  Bemerkangen  von  Stephanie  Eapka:  Die  firllhei  eo 
Tielgeschmfthte  Pumphose  ist  glQcklicher-  and  selbstverändlicherweise  fiberaD 
in  engerer  oder  weiterer  Form  durchgedrungen.  Doch  wird  sie  oft  nodi  snim 
Schaden  der  Turnerin  und  der  Tumeroi  ganz  oder  teilweise  durch  eisen 
Bock  oder  eine  Jacke  gedeckt.  Das  Röcklein  hat  ja  als  höchst  anmutiges 
und  spezifisch  weibliches  Kleidungsstück  bei  Schauturnen  und  öffentlich 
betriebenen  Sportarten,  wie  z.  B.  beim  Radfahren,  seine  Berechtigung; 
aber  Tom  Turnplätze  bleibe  es  verbannt.  Wie  oft  bemerkt  man  doch, 
dafs  auch  ein  ziemlich  kurzer  Rock  die  Trägerin  beim  Geräteturnen  behindert: 
bei  verschiedenen  Barrensitzen,  bei  Schwüngen  am  Pferd  und  vor  allem 
beim  Hochspringen,  wo  gewöhnlich  die  Schnur  mit  dem  Bock  zu  Fall 
gebracht  oder  doch  gestreift  wird.  Also  weg  mit  dem  Rock  und  als 
Ersatz  hierfür  etwa  der  geteilte  Rock,  die  sogenannte  „Rockhose"! 

Wieviel  wird  noch  in  bezug  auf  die  „Gesundheit'^  durch  das  Tom- 
kleid  gesündigt!  Manche  Leute,  auch  Turnerinnen,  haben  wirklich  von 
Hygiene  keine  Ahnung!  Es  fehlte  nur  noch,  dab  sie  aus  „Bequemlichkeit'^ 
Hackenschuhe  und  Mieder  abzulegen  „ vergessen *',  wiewohl  ich  es  mir  nicht 
besonders  „bequem '^  denke,  in  diesen  Marterwerkzeugen  Leibesübungen  zu 
machen,  und  da  werden  allerhand  himmelschreiende  Sünden  gegen  das 
liebe  „Corpus  delicti^  begangen:  hohe,  steife  Kragen,  enge  Manschetten, 
dito  Ärmelausschnitte  und  Strumpfbänder,  steife  Gürtel  mit  harten  schwenn 
Schnallen,  die  einen  Druck  auf  den  Magen  ausüben-,  lauter  Yorrichtungea, 
die  den  Blutkreislauf  und  die  Bewegungsfreiheit  möglichst  hemmen,  die 
Turnerin  übermäßig  ermüden,  abspannen,  verdriefslich  machen  und  das 
Turnen,  das  eine  Quelle  des  Frohsinns  und  der  Gesundheit  sein  sollte, 
zur  Hölle  machen  nnd  damit  seinen  physischen  und  psychischen  Zweck 
gänzlich  verfehlen.  Folglich  lose  Taille,  bequemer  Schnitt,  freier  Hals, 
stöckellose  Turnschuhe! 

Auch  soll  das  Tumgewand  aus  nicht  zu  dichten  und  schweren  Stoffen 
gearbeitet  sein.  Im  Sommer  friert  man  bekanntlich  nidit,  und  im  Winter 
sind  die  Hallen  meist  genügend  geheizt,  und  sollte  das  letztere  auch 
nicht  der  Fall  sein,  so  „heizen^  die  fleifng  und  stramm  ausgeführten  Turn- 
übungen schon  ein.  Nichts  erschöpft  und  belästigt  beim  Turnen  so  sehr 
als  ein  zu  enges  oder  auch  zu  warmes  Turnkleid,  das  übermäßige  Schweils- 
bildung  verursacht;  aulserdem  gibt  es  leicht  zu  nachträglicher  Erkältung 
Anlats. 

Bei  UnfUIen  in  den  Schulen  sollte  es  vermieden  werde,  daCs  die 
Beschaffung  ärztlicher  Hilfe  verzögert  und  den  Eltern  überlassen  wird. 
Wo  hierbei  ärztliche  Hilfe  erforderlich  erscheint,  gehört  ihre  Beschaffong 
zu  den  Pflichten  der  Schule.  Denn  wenn  die  Eltern  gezwungen  werden 
ihre  Kinder  in  die  Schule  zu  schicken  —  schreibt  der  j^Vanaärts*'  — , 
so  hat  die  Schule  auch  die  Verpflichtung,  die  ihr  anvertrauten  Kinder 
vor  Schaden  zu  bewahren  oder  entstandenen  Schaden  wieder  gut  machen 
zu  helfen.  Eine  Schwierigkeit  liegt  aber  darin,  dafs  das  Lehrpersonal 
von  erster  Samariterhilfe  nichts  versteht  und  daher  selten  ein  znträffendes 
Urteil  über  die  Art  des  Unfalles  haben  kann.  Da  wird  dann  im  besten 
Glauben  wieder  zu  dem  alten  Mittel  gegriffen,  ein  verunglücktes  Kind  den 


697 

Ettern  zozvfilhTen.  Angeaehts  dieser  Tatsache  sollte  die  Schalverwaltimg 
eMfgiach  auf  die  Aasbildung  der  Lehrer  und  Lehrerinnen  in  Samariter- 
laUt  hinwirken. 

AbiadeniBg  der  BiaeobahnTerkehrabeatiiiiiiingen  betreiend 
fikrpreiseniiiltiigaog  bei  SehfilerfahrteB.  Nach  den  Eisenbahnverkehrs- 
bertimmnngen  Yom  1.  April  1904  werden  Schüler  Öffentlicher  Schulen  oder 
staatMch  konzessionierter  nnd  beaufsichtigter  Privatscholen  bei  gemeinschaft- 
lichen, vnter  Aufsicht  der  Lehrer  unternommenen  Ausflogen,  in  der  dritten 
Wagenklasse  bei  einfacher  oder  Hin-  und  Rückfahrt  zum  halben  Fahrpreise 
bsAMert,  wenn  die  Teilnehmerzahl  mindestens  10  betrügt.  Diese  Bestimmung 
bedeutet  für  einfache  Fahrten  gegenüber  den  vor  dem  1.  'April  1904  gel- 
Bestimmungen  eine  Erhöhung  des  Fahrpreises  um  V>  I^g*  P^^o  km, 

nach  den  firüheren  Bestimmungen  wurde  in  den  bezeichneten  Füllen 
durchweg  nur  der  MilitüriahrpreiB  erhoben. 

Die  Erhöhung  der  Fahrpreise  wird  besonders  hart  empfunden  Ton  den 
Volksschulen,  deren  Schüler  der  grolsen  Mehrzahl  nach  den  ürmeren  Volks» 
sefaiehten  angehören,  für  die  eine  Steigerung  des  Preises  um  V'  Pfg-  pro  km 
bei  weiteren  Fahrten  sehr  wohl  Veranlassung  werden  kann,  ihre  Kinder 
foi  der  TeOnäbme  an  der  Fahrt  zurückzuhalten. 

So  dankbar  die  Erleichterung  zu  begrüiSsen  ist,  die  darin  liegt,  dala 
zwei  Schüler,  die  das  zehnte  Lebensjahr  noch  nicht  überschritten  haben, 
oder  die  eine  zur  unteren  Hfilfte  der  Volksschule  gehörige  Klasse  besuchen, 
ftr  eine  Person  gerechnet  werden,  also  zusammen  nur  2  Pfg.  resp.  iVt  Pfg. 
pro  km  zu  zahlen  haben,  so  kommt  sie  doch  leider  verhftltaism&foig  nur 
weaigen  zugute ;  denn  Schülerfahrten  auf  weitere  Entfernungen  werden  fast 
iur  Yon  den  oberen  Klassen  unternommen.  Die  Schülerfahrten  würden 
eine  erfreuliche  Förderung  erfahren,  wenn  die  genannte  Beschränkung  in 
FortM  k&me,  wenn  also  durchweg  zwei  Schüler  der  Volksschulen  iür  eine 
Person  gerechnet  würden. 

Der  Deutsche  Lehrerverein  richtet  daher,  wie  die  j^Fädag.  Bef.^  mit- 
tsilt,  an  die  deutschen  Eisenbahnverwaltungen  die  Bitte: 

1.  Es  möge  im  Femverkehr  bei  Schülerfahrten  der  Militftrfahrpreis 
(IVs  Pfg-  pro  km)  bei  einfacher  wie  bei  Hin-  und  Rückfahrt  in 
der  preise  erhoben  werden,  daTs  je  zwei  Schüler  einer  Volksschule 
für  eine  Person  gerechnet  werden. 

In  der  Eingabe  wird  weiter  auf  die  besondere  Notwendigkeit  und  den 
oaennelslichen  Segen  der  Schülerfahrten  für  die  Kinder  der  Grolsstadt  hin- 
gewiesen. Es  würde  eine  Tat  von  sozialer  Bedeutung  sein,  wenn  die  Staats- 
bahnen  im  Vorortsverkehr  der  Grolsstädte  bei  Schülerfahrten  vollständig 
freie  Fahrt  gewährten.  Kann  man  sich  aus  verkehrstechnischen  Erwägungen 
dam  vorläufig  nicht  entschlielsen,  so  wünscht   der   Deutsche  Lehrerverein 

2.  es  möge  im  Vorortsverkehr  bei  Schülerfahrten  nicht  nur  den  Kindern 
unter  zehn  Jahren,  sondern  allen  Schülern  der  Volksschulen  die 
Fahrt  zum  halben  Preise  gestattet  werden. 

Kin  beaoBderer  Tarnnnterrieht  (fir  aehwieUlehe  Schvlkiider, 
BiMatlich  für  an  Engbrüstigkeit  leidende  und  unter  dem  Verdacht  erb- 
licher Tuberkulose  stehende  Volksschüler,  ist,  wie  wir  dem  „^5.  Jahresber. 
d.  k.  8.  Med.'Kbü.  über  d.  MediM,-  Wes.  im  Klhugr.  Sathdm*'  entnehmen, 


598 

in  Leipzig  eingerichtet  worden.  FOr  die  Dorchfühning  desselben  waren 
Ton  der  Konferenz  der  Schnlftrzte  folgende  OmndsAtze  TorgescfalAgen  worden: 
1.  Ein  besonderer  Turnunterricht  an  engbrüstige  und  tnberknloseverdichtige 
Kinder  soll  eingeführt  werden,  jedoch  nicht  in  besonderen  Turnstunden  tnf 
Kosten  der  Ferienzeit  der  Kinder,  sondern  in  den  Turnstunden  ihrer 
Klasse  in  einer  Nebenriege,  sofern  Oberhaupt  der  Fall  eintritt,  daft  die 
AllgemeinObung  der  Klasse  nicht  geeignet  ist,  die  betreffenden  Kinder  daran 
teilnehmen  zu  lassen.  2.  Die  Kinder  sollen  zu  häufiger  Wiederholung  der 
zweckdienlichen  Tumbewegungen  in  freier  Zeit  aufserhalb  der  Turnhalle  in 
guter  Luft  angehalten  und  Ober  tiefes  Ein-  und  Ausatmen  belehrt  werden; 
Atemgymnastik  soll  auch  in  den  Singstunden  getrieben  werden.  3.  Um 
die  besonderen  Nebenunterrichts  bedürftigen  Schulkinder  zu  ermitteln,  aollea 
die  in  die  ftnfte  Schulklasse  eintretenden  Kinder  bei  entblOfstem  Oberleibe 
▼om  Schularzte  untersucht  werden.  4.  In  den  ersten  bis  vierten  Klaasea 
werden  die  des  Nebenunterrichts  bedtkrftigen  Schulkinder  in  der  Weise  er> 
mittelt,  daCs  Klassen-  oder  Turnlehrer  dem  Schularzte  die  ihnen  als  eog- 
brflstig  oder  tnbeital(ys  erscheinenden  Kinder  zur  Untersuchung  bezetdmen. 

Die  Untersuchungen  der  Schul&rzte  ergaben  in  einzelnen  Schulen  einen 
ziemlich  bedeutenden  Prozentsatz  schwächlicher  Schfller,  so  daCs  die  Frage 
der  Bildung  einer  besonderen  Tumklasse  ins  Auge  zu  fassen  war;  in  anderen 
Schulen  war  der  Prozentsatz  so  gering  (pro  Klasse  ein  oder  zwei  Kinder), 
dafs  die  Bildung  Ton  Sonderidassen  oder  Nebenriegen  nicht  in  Frage  kommen 
konnte.  Die  betreffenden  Kinder  werden  dann  von  den  schwierigeren 
Übungen  dispensiert  und  bei  Atemübungen  besonders  berücksichtigt. 

Der  Anweisung  für  die  Turnlehrer  (genaue  Anleitung  zu  rationelleB 
Atemübungen  aus  dem  Werke  von  Dr.  F.  A.  Schmidt,  »Unser  Körper*) 
sind  noch  folgende  Grundsätze  beigegeben  worden:  1.  Die  Übungen,  die 
zum  besonderen  Nutz  und  Frommen  schwachbrüstiger  oder  skoliotlBcher 
Kinder  Torgenommen  werden,  dürfen  io  keinem  Falle  das  Turnen  der 
körperlich  normalen  irgendwie  beeinträchtigen.  2.  Es  erscheint  als  ge- 
nügend, wenn  mehr,  als  es  bisher  der  Fall  war,  in  geeigneten  Freiübungen 
ausgiebiges  Ein-  und  Ausatmen  auf  Befehl  angeordnet  wird;  bei  diesen 
Übungen  wird  Torausgesetzt,  dafs  sie  stets  mit  geschlossenem  Hunde  und 
nur  in  freier,  möglichst  reiner  Luft  Torgenommen  werden,  wie  es  ja  über- 
haupt zu  wünschen  ist,  dafs  der  Turnunterricht,  wenn  es  das  Wetter  irgend- 
wie zuläfst,  im  Freien  erteilt  wird.  3.  Im  übrigen  bleibt  es  dabei,  daft 
das  Laufspiel  und  die  LauAübungen  beim  Turnunterricht  als  die  natüilidiften 
und  ausgiebigsten  Übungen  zur  Stärkung  der  Lunge  zu  gelten  haben. 
Ordnungsübungen,  zumal  Reigen,  können  am  ehesten  zugunsten  des  Lanfeas 
zurücktreten.  4.  Für  die  skoliotiscben  Kinder  kommen  natürlich  weit  mehr 
die  Übungen  des  reinen  und  gemischten  Oanges  in  Betracht.  Bei  dem 
Werte,  den  diese  Übungen  auch  für  die  normalen  Kinder  haben,  und  bei 
der  Mannigfaltigkeit  der  Geräte,  an  denen  sie  ausführbar  sind,  können 
auch  sie  oft  genug  Ton  allen  Kindern  geübt  werden. 

Über  die  Mkeren  Beinliehkeita-  and  Hygieieiiatiide  ia  dei 
Sehnlen  sprach  auf  dem  dieejährigen  französischen  Kongreb  ftlr  Sdml- 
hygiene  in  Paris  der  Akademiker  Prof.  Layisse,  indem  er  zugleich  auf 
die  erzielten  Fortschritte  hinwies.     Er  erzählte,  daft  es  früher  fast  an- 


599 

tauglich  war,  in  den  Gymnasien  sich  zu  waschen.  Damals  galt  es  als  ein 
Verbrechen,  beim  Essen  zu  reden,  dagegen  nicht  einmal  als  ein  Vergehen, 
Behmutzig  zu  sein.  Das  Schnlregime  war  dem  Klosterregime  nachgeahmt 
tmd  später  dem  der  Kaserne.  Heute  sei  das  aber  anders  geworden.  Die 
modernen  Schulen  yerlangen  Luft,  Licht  und  Bewegung.  Die  körperliche 
Erziehung  mflsse  noch  mehr  gefördert  werden,  besonders  seitens  der  Mtem, 
die  auch  heute  noch  zuviel  darauf  halten,  die  Kinder  „büffeln"  zu  sehen, 
und  sie  allzusehr  zum  Lernen  und  Lesen  zwingen. 

An  diese  Ausführungen  schlössen  sich,  wie  wir  der  y^Frlcf,  Ztg.**  ent- 
nehmen, zahlreiche  Erörterungen,  worauf  die  Professoren  Ohabot  und 
BoüaBAT  folgende  vier  Beschlüsse  zur  Annahme  vorschlugen:  1.  Die  Er- 
siehung der  Familien  fftr  die  Schulhygiene  ist  uneii&folich,  denn  die  Hygiene 
des  Schülers  und  der  Schule  kann  ohne  Mithilfe  der  Familien  nicht  ge- 
sichert werden ;  2.  sie  ist  schwierig  zu  organisieren  wegen  der  unzureichenden 
Zeit  oder  der  nicht  genügenden  Hilfsquellen  der  Familien,  wegen  der  Un- 
wissenheit, der  Voreingenommenheit,  Erschlafifung  oder  der  Schwachen,  die 
zu  bekämpfen  sind,  wegen  der  unzureichenden  Rolle  des  Schularztes,  des 
Fehlens  einer  Organisation  der  Beziehungen  zwischen  Sohule  und  Familie; 
3.  nach  den  interessanten,  aber  beschrankten  Versuchen  der  Privatinitiative 
in  Frankreich  oder  im  Auslande  scheinen  als  Mittel  empfohlen  werden  zu 
müssen:  die  aUgemeine  Propaganda,  das  individuelle  Wirken  in  den  all- 
täglichen Beziehungen,  die  Vereinigungen  und  freiorganisierten  Gesellschaften 
von  Eltern,  Ärzten  und  Lehrern,  und  schliefsiich  ein  offiziell  organisiertes 
Zusammenwirken  der  Schulen  und  der  Familien;  4.  das  Progranun  dieser 
Erziehung,  das  von  einer  allgemeinen  p&dagogischen  Erziehung  der  Familie 
untrennbar  ist,  mülste  besonders  zu  Anfiang  auf  die  einfachsten  und  wesent- 
lichsten Prinzipien  beschrftnkt  bleiben. 

Das  Korsett  in  der  Schule.  Wie  die  „Köln.  Ztg.*"  mitteilt,  hat 
der  bulgarische  Schulgesundheitsrat  über  das  Tragen  des  Korsetts  in  den 
Töchterschulen  folgendes  Gutachten  abgegeben;  „Das  Mieder  trftgt  nicht 
znr  Verschönerung  der  weiblichen  Formen  bei,  wie  man  vielfach  zu  glauben 
scheint;  im  Gegenteil,  es  prebt  den  Körper  ein,  verursacht  Unbehagen, 
und  anstatt  die  natürliche  Entwicklung  des  Körpers  zu  fördern,  erzeugt  es 
unnatürliche  Formen.  Nicht  das  Korsett,  sondern  gjrmnastische  Übungen 
sowie  aufrechte  Haltung  und  gerader  Gang  können  der  physischen  Ent- 
wicklung förderlich  sein.  Das  Mieder  verhindert  das  freie  Atmen,  stört 
den  Blutnmlanf  und  verursacht  infolgedessen  sehr  h&ufig  Störungen  in  den 
nmeren  Organen.  Das  Korsett  ist  im  allgemeinen  als  Hanptursache  mancher 
bösen  Leiden  zu  betrachten  und  seine  Benutzung  kann  blols  in  gewissen 
pathologischen  Füllen  als  gerechtfertigt  gelten,  aber  auch  hier  nur  in  Form 
eines  orthopftdischen  Mieders.  **  Auf  Grund  dieses  fiachmünnischen  Gut- 
achtens hat  nun  der  bulgarische  Unterrichtsminister  Dr.  Schismanow  ein 
Bnndschreiben  erlassen,  wodurch  die  Schuldirektoren  angewiesen  werden, 
den  Schülerinnen  das  Tragen  des  Korsetts  unbedingt  zu  untersagen. 

Über  die  iwansigklassige  Barackensehnle  in  Berlin  (Schulstrabe) 
bringt  die  „Städtejrtg.''  folgende  Mitteilung:  Seit  geraumer  Zeit  bereits 
sehen  sich  staatliche  sowie  grobe  und  kleine  Stadtbehörden  bei  Um-  resp. 
Erweiterungsbauten  bestehender  Schulhüuser  oder  bei  unerwartet  schnellem 


600 

Anwachsen  der  Bevölkerung  in  gewissen  Stadtteilen  Tertnlalst,  zur  Unter- 
bringung von  Schnlklassen  sofort  beziehbare,  transportable  nnd  zerlegbare 
Pavillons  in  Benutzung  zu  nehmen.  Wenngleich  es  in  Fällen  dringender 
Schulnot  auch  vorerst  dabei  blieb,  nur  einzelnen  Klassen,  die  man  nidit 
in  gemietete  unhygienische  R&nme  verlegen  wollte,  in  sogenannten  Sdiul- 
pavillons  ein  vorQbergehendes  Heim  zu  geben,  so  haben  die  guten  Er- 
fahrungen, welche  man  in  gesundheitlicher  und  erzieherischer  Hinsicht  mit 
diesen  Bauten  machte,  in  letzter  Zeit  den  Entschlula  gereift,  ganze  Schulen 
und  gleich  fflr  eine  lange  Zeitdauer  in  transpjortable  Pavillonanlagen  zu 
verlegen.  Unter  diesen  ist  die  zu  An&ng  des  Jahres  von  der  Stadt  Berlin 
in  der  Schulstraüse  an  der  Nazarethkirche  in  transportabler  Art  errichtete 
Barackenschule  wohl  die  gröbte,  die  bisher  auf  dem  Kontinente  besteht. 
Diese  wurde  von  der  Firma  Christoph  A  ünmack,  Aktiengesellschaft, 
Niesky,  O.-Laus.,  in  der  kurzen  Zeit  von  ca.  70  Arbeitstagen  bezugsfthig 
hergestellt.  Eine  Beschreibung  dieser  eigenartigen  Schulanlage  dürfte  wohl 
bei  der  allgemeinen  Bedeutung  des  Gegenstandes  Interesse  bieten.  Die 
Anlage  besteht  aus  zehn  zweiklassigen,  transportablen,  zerlegbaren  DöCKSBr 
sehen  Schulpavillons  sowie  einer  transportablen,  zerlegbaren  DöcsxBscfaen 
Turnhalle  und  ist  auf  dem  städtischen  Grundstock  an  der  Nazarethldrcfae 
errichtet,  welches  von  vier  Strafsen  umzogen  wird.  Die  einzelnen  Baulich- 
keiten sind  so  gruppiert,  dals  nach  jeder  Richtung  hin  einer  guten  Be- 
lichtung und  LuftzüdfQhrung  Rechnung  getragen  ist.  Jeder  der  zehn  zwei- 
klassigen DÖGKEBschen  Schulpavillons  hat  bei  einer  SeitenwandhOhe  von 
ca.  3,40  m  und  einer  Firsthöhe  von  ca.  4,90  m  eine  Länge  von  ca.  27,12  m 
und  eine  Breite  von  ca.  6,14  m.  Seine  Inneneinteilung  ist  eine  recht 
zweckmäbige.  Aufser  zwei  je  ca.  9X6  in  messenden,  durch  sieben  grobe 
Fenster  belichteten  Klassenzimmern  befindet  sich  in  jedem  Pavillon  ein 
Lehrerzimmer  mit  vorgelagertem  Flur  von  je  ca.  6x3  m  Grundfläche  und 
zwischen  diesen  und  den  Klassenräumen  je  eine  ca.  6X2  ni  grobe  Kleider- 
ablage. Dadurch,  da(s  alle  Umfassungen  starke  ruhende  Luftechichten  ia 
den  Seitenwänden  sowie  in  der  gewölbten  Decke,  außerdem  noch  in  Ver- 
bindung mit  Korksteineinlagen  in  sich  tragen,  ist  ein  guter  Wetterschuts 
sowie  eine  leicht  durchzufahrende  und  dennoch  wenig  kostspielige  Beheizung 
gewährleistet.  Aulserdem  besitzen  diese  Schulpavillons  völlig  glatte,  leicht 
abwaschbare  und  säurebeständige  Waudflächen.  Auf  diese  Weise  wird  die 
Innenwand  der  Gebäude  vor  den  gefährlichsten  Staubfängern,  den  Holzrissen 
und  Fugen,  bewahrt,  eine  ebenso  schnelle  wie  gründliche  Beseitigung  des 
Schulstaubes  erzielt  und  bei  Schulepidemien  eine  sichere,  schadlose  Des- 
infizierung ermöglicht. 

Spielen,  Sport  md  Tnraen  wurden  in  der  Jahresversammlung  des 
„Vereins  der  Turnlehrer  in  Holland"  im  April  1906  zu  Amsterdam 
besprochen  von  y.  d.  Boom,  Turnlehrer,  und  Prof.  WBNOHBBAOH-Groningen. 
Herr  y.  b.  Book  verteidigte  den  Lehrsatz,  dais  man  beim  methodischen 
Turnunterricht  das  Gehirn  nicht  zu  sehr  anzustrengen  braucht.  Als  Beispiel 
fahrte  er  u.  a.  an  das  Gehenlemen  des  Kindes,  das  Radek,  das  Klavier- 
spielen usw.,  welche  in  gewisser  Hinsicht  als  analog  dem  Turnen  betrachtet 
werden  können.  Beim  Erlernen  dieser  Obungen  hat  man  wirklich  mit 
grober  Anstrengung  des  psychomotorischen  Zentrums  des  Gehirns  zu  tun, 


601 

aber  nachher  werden  die  Bewegungen  einfach  automatisch  und  die  geistige 
Anstrengiing  daher  anf  Nnll  reduziert  oder  wenigstens  äuTserst  gering. 
Einzelne  Schtder  der  zum  Lehrerseminar  in  Haarlem  gehörenden  Übungs- 
achule  machten  hierbei  einige  Übungen,  welche  andeuteten,  welche  Methode 
befolgt  wird,  um  das  Komplizierte  aus  dem  Einfachen  aufzubauen,  mit 
anderen  Worten,  wie  während  der  Unterrichtszeit  das  Automatische  der 
Bewegungen  allmählich  errungen  wird.  Was  die  Spiele  im  Freien  anbelangt, 
bei  denen  die  automatischen  Bewegungen  ausgeschlossen  sind,  weil  die 
Spiele  immer  Überraschungen  mit  sich  bringen,  so  sind  sie  doch  dem 
Redner  dann  wenigstens  sympathisch,  wenn  sie  nicht  in  gefährliche  Wett- 
kämpfe ausarten.  Prof.  Dr.  Wenchebagh  sprach  dann  ttber  Turnen  und 
Sport  in  Beziehung  auf  den  pädagogischen  Wert  dieser  beiden  Arten 
körperlicher  Übungen.  Seine  Anschauung  geht  daMn,  dals  sowohl  das 
Turnen  wie  auch  der  Sport  als  Mittel  der  körperlichen  Erziehung  für 
unsere  Jugend  gesund  sein  kann,  wenn  ihre  Ausübung  eine  zweckmälsige 
nnd  den  Bedingungen  des  Organismus  angepaist  ist.  Überhaupt  betrachtet 
der  Bedner  das  Turnen  als  eins  der  besten  Erziehungsmittel.  Mit  Bezug 
auf  den  Einflufe  der  beiden  auf  die  GharakterbilduDg  kann  man  sagen,  dals 
der  Sj^ort  den  persönlichen  Mut  fördert,  während  das  methodische  Turnen 
die  Kinder  Zucht  uud  Subordination  lehrt.  Zusammenfassend  sagte  der 
Redner,  dafs  die  Turnlehrer  mit  yoUstem  Recht  das  Turnen  gegen  nntlber- 
legte  Angriffe  verteidigen,  dals  aber  immerhin  diese  selben  Lehrer  sich 
etwas  zu  wenig  mit  der  Ftthrung  des  Sports  beschäftigen.  Denn  beide 
Arten  Ton  körperlichen  Übungen  sind  zusammen  eng  verwandt  und  ver- 
dienen in  gleicher  Weise  Berücksichtigung  bei  der  körperlichen  Erziehung 
der  Jugend.  Dr.  med.  J.  M.  C.  MoüxoN-Haag. 

filier  die  Yerbreitiing  der  Tnberknlose  nnter  den  Lehrern 
enthält  der  offizielle  Bericht  über  „Das  Gesundheitswesen  des  preufsi- 
schen  Staates  im  Jahre  lOOS**  aus  dem  Bezirk  Schleswig  folgende 
bemerkenswerte  Mitteilung:  Unter  rund  4000  Yolksschullehrem  sind  vom 
1.  Januar  1898  bis  31.  Dezember  1902  79  gestorben,  darunter  21  an 
Tuberkulose;  von  den  letzteren  standen  zehn  in  den  zwanziger,  fünf  in  den 
dreiüsiger  und  sechs  in  den  vierziger  Jahren. 

Ib  dem  Beriebte  fiber  die  KindererboInngsstAtten  vom  Roten 
Kreu  bei  Berlin  (Schönholz  und  Sadowa)  für  das  Betrieb^ahr  1904 
findet  sich,  wie  wir  der  „Voss,  Ztg.*^  entnehmen,  eine  interessante  Be- 
merkung über  die  gewerbliche  Beschäftigung  kranker  Schul- 
kinder. In  dem  Berichte  des  Arztes  der  Kindererholungsstätte  Schönholz 
wird  darüber  gesagt:  „Als  schädigend  hat  sich  die  gewerbliche  Beschäftigung 
einer  verhältnismäßig  beträchtlichen  Zahl  von  kranken  Kindern  erwiesen. 
Darauf  ist  die  vorzeitige  Abbrechung  der  Kur  in  vielen  Fällen  zurück- 
zutehren,  ebenso  das  Aufgeben  des  Besuches  der  Erholungsstätte  nach 
wenigen  Tagen ;  die  Eltern  oder  Pfleger  meinten,  den  Verdienst  des  Kindes 
nicht  entbehren  zu  können.  Vielfach  wurde  verlangt,  dafs  wir  die  Kinder 
schon  in  den  Nachmittagsstunden  von  2  Uhr  an  nach  Hause  schicken 
sollten,  damit  sie  dann  ihre  Austrägerstelle  versehen  könnten.  Es  zeigt 
sich,  wie  dringend  eine  ErweiteruDg  des  Kinderschntzgesetzes  durch  ein 
Verbot  ist,  dahin  gehend,   dals   die  gewerbliche  Beschäftigung  kränklicher 

SehnlgreBiuidheiUpflege.  XVIII.  32 


oder  kranker  Kinder  gmndsfttzlich  untersagt  wird.  Mehrfach  haben  Pfleg- 
linge, ehe  sie  morgens  in  die  Erholongsstfttte  kommen,  in  den  FrAhstanden 
schon  Arbeit  als  Anstrftger  getan.  ^  In  dem  Berichte  Ober  dieselbe  £r- 
holnngsstAtte  fanden  sich  noch  iwei  YorschlAge  von  praktischen  Mafanahmen 
znr  Tnberknlosebek&mpfnng :  „Es  sei  noch  anf  die  Tatsache  hingewiesen, 
dafs  Kinder  mit  Lungentuberkulose,  auch  mit  offener,  bis  unmittelbar  oder 
kurz  Yor  dem  Eintritte  in  die  Erholungsstätte  die  Schule  besucht  hatten. 
Diese  Feststellung  spricht  fftr  die  Forderung  einer  planm&isigen  Durch- 
musterung sämtlicher  Schulkinder.  Die  neuerliche  Einrichtung  der  Prftfnng 
der  Neueingeschulten  auf  Schulfähigkeit  hat  den  Nutzen  gebracht,  dab  uns 
vielfach  noch  nicht  schulfähige  kränkliche  Schulkinder  zugewiesen  wurden. 
Die  Herbeiführung  einer  festen  Beziehung  zwischen  den  Schulärzten  und 
den  Ärzten  der  Kindererholungsstätten  wäre  sehr  zweckmäfsig.  Die  Er- 
fahrung lehrt,  dafs  die  Zahl  der  Tuberkulösen  mit  dem  Eintreten  der 
Pubertät  wächst.  Unter  unseren  Pfleglingen  sind  die  Schulentlassenen  stark 
vertreten.  Die  Errichtung  der  pflichtmäfsigen  Fortbildungsschule  in  Berlin 
wflrde  die  Gelegenheit  geben,  die  Schulentlassenen  insbesondere  auf  Tube^ 
kulose  zu  durchmustern,  zum  wenigsten  die  männlichen.  Wflrde  man  die 
krank  befundenen  einem  Heilverfahren  znftkhren,  so  lieiBe  sich  der  Tuber- 
kuloseverschleppnnc?  ein  nicht  geringes  Stfick  Feld  entziehen.  Es  bietet  sidi 
hier  gerade  den  Kindererholungsstätten  eine  sehr  lohnende  Aufgabe." 


^.afittfitf^i^ni^tt. 


Schnlpansen  in  Holland.  Die  Abteilung  Rotterdam  I  der  „Nieder- 
ländischen Lehrergenossenschaft^  hat  sich  an  den  Btlrgermeister  Toa 
Rotterdam  gewandt  mit  einer  Eingabe,  in  welcher  darauf  hingewiesen  wird, 
dafs  allgemein  über  Übertreibung  des  Unterrichts  geklagt  wird.  Infolgedessen 
war  auch  in  der  ,,Abteilung''  diese  Frage  zur  Sprache  gekommen  und  man 
hatte  nach  Mitteln  gesucht,  dem  Übelstande  vorzubeugen.  Eine  ununter- 
brochene Schulzeit  von  zirka  drei  Stunden  (die  Unterrichtszeit  in  Holland 
dauert  meistens  von  9  bis  12  Uhr  und  von  2  bis  4  Uhr)  ist  fllr  Kinder 
von  6  bis  14  Jahren  sowohl  aus  hygienischen  wie  ans  pädagogischen 
Grflnden  als  zu  lang  zu  betrachten,  und  mnfs  diese  zu  lange  Schulzeit  za 
nachteiligen  Folgen  für  Unterricht,  Schüler  und  Lehrer  fbhren. 

Nach  der  Meinung  der  „Abteilung*  ist  eines  der  besten  Mittel,  um 
diesen  Nachteil  zu  vermeiden,  das  regelmäfsige,  systematische 
Unterbrechen  des  Unterrichts  durch  eine  kurze  Pause;  man 
hat  allerdings  in  Rotterdam  in  einzelnen  Schulen  diese  Pause  eingeführt, 
aber  diese  gehören  noch  zu  den  Ausnahmen. 

Daher  bittet  die  „Abteilung*',  die  Schulpausen  in  den  Stundenplan 
einzutragen.  Dem  Gesuche  sind  beigefügt  verschiedene  Urteile  von  Ärzten 
und  bekannten  Pädagogen,  welche  sich  zugunsten  der  Schnlpansen  aus- 
sprechen. 


603 

Nar  ein  Arzt  erachtete  beim  Unterricht  von  nicht  länger  als  drei 
Stunden  Pansen  als  überflfissig.  Die  übrigen  halten  Schnlpansen  fflr 
wünschenswert  oder  notwendig.  Alle  Ärzte  sind  der  Meinung,  da(s  die 
Schnlpansen  in  allen,  anch  in  den  höheren  Abteilungen  eingeführt  werden 
müssen,  besonders  weil  der  Unterrichtsstoff  in  den  oberen  Klassen  schwerer 
ZQ  bewältigen  ist,  und  wegen  der  ersten  Symptome  der  Pubertät  bei  Mädchen 
in  diesem  Alter.  Die  Pansen  müssen  soviel  wie  möglich  anfserhalb  der 
Schulzimmer  zugebracht  werden.  Die  Schüler  können  in  den  Gängen  auf 
und  ab  gehen,  spazieren  oder  marschieren,  auf  der  Straise  spielen  oder  mit 
dem  Lehrer  während  einer  Viertelstunde  spazieren  gehen,  wie  das  in  deutschen 
Städten  der  Fall  ist.  Man  hat  dann  während  der  Pause  genügend  Zeit, 
die  Schulzimmer  zu  lüften. 

Die  Meinungen  der  Ärzte  über  die  Dauer  der  Pausen  sind  ziemlich 
verschieden.  Die  dafür  angegebene  Zeit  wechselt  zwischen  fünf  Minuten 
und  einer  halben  Stunde.  Einige  wünschen  die  Dauer  der  Pausen  abhängig 
zu  machen  von  den  Verhältnissen,  von  den  Lehrfächern,  von  der  Individualität 
der  Schüler  usw.  Andere  finden,  nach  je  dreiviertel  Stunden  Unterricht 
sei  eine  Pause  notwendig.  Die  Ärzte  behaupten,  dals,  nachdem  man  drei- 
viertel Stunden  geistige  Nahrung  genossen  hat,  das  Gehirn  ermüdet  sei. 
Das  Gehirn  könne,  wie  die  Glieder,  nur  eine  bestimmte  Quantität  von  Arbeit 
verrichten.  Bei  den  meisten  Kindern  hat  das  Überschreiten  dieser  Grenze 
schädliche  Folgen.  So  behauptet  man,  daüs  allgemeine  Ermüdung,  Appetit- 
losigkeit, Kopfweh,  Verkrümmung  der  Wirbelsäule  und  Schwäche  der  Augen 
daraus  entstehen  können.  Zu  lange  Schulzeit  ohne  Pausen  ist  Hauptursache 
von  verschiedenen  Übeln,  die  sich  im  späteren  Leben  offenbaren. 

Zum  Schlüsse  können  wir  mitteilen,  dafe  die  Bittschrift  der  Nieder- 
ländischen Lehrergenossenschaft  ernen  unmittelbaren  Erfolg  erzielt  hat:  In 
allen  öffentlichen  Elementarschulen  in  Rotterdam  sind  jetzt  Schulpausen 
eingeführt. 

Der  neue  Lehrplan  bestimmt,  da&  die  Schulpause  für  die  beiden 
ersten  Schuljahre  für  jeden  Vormittag  oder  Nachmittag  der  Schulzeit  eine 
halbe  Stunde  dauern  soll,  für  die  beiden  mittleren  Schuljahre  20  Minuten 
und  für  die  beiden  ältesten  Klassen  eine  Viertelstunde. 

Während  der  Schulpaasen  müssen  die  Lokale  ventiliert  werden  und 
die  Schüler  dieselben  verlassen.     Dr.  med.  J.  M.  C.  MouTON-Haag. 

DesiDfektioD  der  Kleider  bei  Scharlach  oder  Diphtherie.  Wie 
wir  der  ^Ntyrdhäuser  Ztg^  entnehmen,  sollten  nach  den  Verfügungen  des 
Magistrats  in  Nordhausen  vom  16.  und  21.  Februar  1901  die  an  Scharlach 
oder  Diphtheritis  erkrankten  Kinder  nicht  eher  wieder  zum  Schulbesuch 
zugelassen  werden  dürfen,  bis  eine  Bescheinigung  des  Kreisarztes  über  die 
erfolgte  Desinfektion  der  Kleider  beigebracht  war.  Diese  Vorschrift  hat 
sich  aber  in  der  Praxis  als  nicht  durchführbar  erwiesen.  (Warum?  D.  Red.) 
Deshalb  sind  diese  Verfügungen  aufgehoben  worden,  und  es  genügt  für  die 
Zukunft  wieder  wie  früher  das  Zeugnis  des  die  Krankheit  behandelnden 
Arztes  für  den  Wiedereintritt  des  Kindes  in  die  Schule. 

Gewicht  der  Schnlmappei.  Weil  Schüler  und  Schülerinnen  sich 
oft  mit  Büchern  usw.  schleppen,  die  sie  in  der  Schule  nicht  benutzen,  soll, 
nach  einer  Verfügung  des  Provinzialschnlkollegiums  in  Berlin,  darauf  ge- 

82* 


604 

halten  werden,  dab  das  Höchstgewicht  der  Mappen  fOr  die  Schfller  der 
unteren  Klassen  den  Betrag  von  etwa  dem  achten  oder  nennten  Teil  des 
Körpergewichts  nicht  Oberschreite.  Die  Angehörigen  werden  ersucht,  im 
Interesse  der  Gesundheit  ihrer  Kinder  hierauf  zu  achten.  Aulserdem  werden 
sie  gebeten,  die  Kinder  statt  mit  Mappen  mit  Tornistern  auszurasten,  die 
aber  auch  nicht  schwerer  sein  dürfen.  („Nordd.  Mlg.  Ztg.*^) 

Jofreodspiele  in  MBlhauen  i.  E«  Wie  die  „S^afsh.  Fösr  mit- 
teilt, fanden  die  Mitte  Mai  in  MQlhausen  begonnenen  Jugendspiele  eine 
grofee  Beteiligung;  am  ersten  Spieltag  waren  auf  den  vier  Spielplätzen 
2161,  am  zweiten  1828  Kinder  anwesend.  Die  Kinder  Terzehrten  an 
diesen  beiden  Tagen  250  Laib  Brot,  die  die  Stadt  zur  Verfügung  stellte. 
Im  Tergangenen  Jahre  war  der  höchste  Tagesbesuch  1007  Kinder. 

Eine  Internationnle  Ansstellang  für  Sffentliehe  allf^emeioe  6e- 
SQDdkeitseinrichlnnf^en  und  Hygiene  und  sanitkre  Hilfe  bei  Tnan- 
porten  findet  1906  in  Mailand  statt,  vom  Aprü  bis  November.  Die  erste 
Abteilung  umfa&t  „Allgemeine  öffentliche  Hygiene  und  öffentliche  hygienische 
Einrichtungen**.  In  Kategorie  III  sind  insbesondere  genannt:  öffentliche 
Schulen  und  Asyle.  —  Gynwastik  und  Handarbeiten. 

F&r  die  Einfilhrnng  eines  obligatorischen  freien  Spielnacli- 
mittags  in  den  geeigneten  Schulen  hat  sich  nach  einer  Meldung  der 
„Berl  N.  Nachr. ^  der  ftrztliche  Bezirksverein  in  Leipzig  unlängst  aus- 
gesprochen. 

Den  Ferienkolonien  in  Berlin  werden  von  Vereinen,  Instituten  und 
industriellen  Unternehmungen  zahlreiche  Kinder  zur  Unterbringung  gegen 
volle  Bezahlung  abergeben:  182  Kinder  von  der  Allgemeinen  Elektrizitats- 
Gesellschaft,  100  Kinder  von  Siemens  &  Halske,  98  von  der  st&dtischen 
Waisenverwaltung,  liiO  von  der  Armendirektion,  10  vom  Kinderkranken^ 
haus,  20  von  der  Luisenstadtkirchgemeinde,  8  von  der  Friedrich- Werder- 
Gemeinde,  36  von  der  Stiftung  Töchterhort  der  Reichspost,  74  von  der 
GroCsloge  von  Hamburg,  9  vom  Böhmischen  Brauhaus,  7  Kinder  von  könig- 
lichen Militärinstituten  in  Spandau  und  72  Kinder  von  den  Eisenbahner- 
vereinen 1,  4,  6,  7,  8  und  den  Eisenbahn-Betriebsinspektionen  a  und  b. 
Auferdem  haben  eine  Anzahl  Vereine  und  Institute  die  Kosten  für  die  von 
ihnen  ausgewählten  Kinder  tibemommen.  Dennoch  bleibt  fUr  die  Ferien- 
kolonien noch  die  Beschaffung  grofser  Geldmittel  nötig,  5000  Kinder  sollen 
in  diesem  Jahre  hinansgeachickt  werden;  und  ist  auch  fttr  zirka  1000  in 
der  oben  angeführten  Weise  gesorgt,  so  bleiben  doch  immer  noch  die 
Kosten  fttr  die  4000  übrigen  Kinder  aufzubringen.  Deshalb  mub  immer 
aufs  neue  an  die  Herzen  und  die  Beutel  appelliert  werden. 

Waldschnlen,  die  den  Unterricht  im  Freien  ermöglichen,  sind  für 
grolse  Städte,  deren  Yolksschnlkinder  zu  einem  erheblichen  Teil  schlecht 
gen&hrt  und  körperlich  mangelhaft  entwickelt  sind,  ein  dringendes  Be- 
dürfnis. Wie  bekannt,  hat  Gharlottenburg  mit  der  Gründung  einer  solchen 
Schule  den  Anfang  gemacht.  Im  laufenden  Jahre  ist,  wie  wir  der  ^LeipM. 
Volksetg.*'  entnehmen,  der  Charlottenburger  Gründung  eine  zweite  in 
Dresden  gefolgt.  Ein  vermögender  Mann  hat  sein  Grundstück  zur  Ver- 
fügung gestellt,  andere  Menschenfreunde  haben  die  Mittel  geschafft,  nm 
eioe  Waldschule  zu  begründen,  die  in  gleicher  Weise  wie  die  Charlotten^ 


606 

bnrger  kränklichen  Kindern  die  grofsen  gesundheitlichen  Vorteile  des 
Aufenthalts  nnd  Unterrichts  im  Freien  zu  vermitteln  yersncht  Die  Stadt- 
gemeinde Dresden  ist  im  Gegensatz  zu  Charlottenbnrg  an  der  Gründung 
nicht  beteiligt.  Und  doch  ist  es  eine  unabweisbare  Verpflichtung  der 
st&dtischen  Behörden,  durch  derartige  segensreiche  Einrichtungen  für  das 
körperliche  Wohl  der  schulpflichtigen  Jugend  zu  sorgen.  So  wurde  z.  B. 
schon  oft  die  Notwendigkeit  betont,  aus  städtischen  Mitteln  die  heute  fast 
ausschliefslich  auf  private  Wohltätigkeit  angewiesene  Einrichtung  der 
Ferienkolonien  so  auszubauen,  dafs  möglichst  alle  erholungsbedürftigen 
Kinder  der  ärmeren  Bevölkerung,  namentlich  der  Grofsstädte,  von  ihnen 
Gewinn  haben.  Die  Waldschule  ist  eine  solche  erweiterte,  ausgebaute 
Form  der  Ferienkolonien,  und  die  Gemeinde  Charlottenburg  ist  bisher  die 
einzige  Stadtgemeinde  gewesen,  die  soziale  Einsicht  genug  besessen  hat, 
um  ihre  Pflichten  gegenüber  der  leidenden  Jugend  des  Proletariats  nach 
dieser  Richtung  hin  zu  begreifen. 

Die  Dresdener  Waldschule  (in  Blasewitz)  nimmt  vor  der  Hand  20 
Knaben  und  Mädchen  auf,  die  aus  den  Schülern  der  19.  Bezirksschule 
nach  dem  Gesichtspunkte  der  gröfeten  körperlichen  Bedflrftigkeit  ausgewählt 
werden.  Der  Betrieb  der  Schule  vollzieht  sich  so,  dafs  die  Kinder  mit 
einem  besonderen  Wagen  der  Strafsenbahn  heraus-  und  abends  herein- 
befördert werden.  Sie  erhalten  täglich  vier,  nach  ärztlicher  Vorschrift  zu- 
sammengestellte Mahlzeiten,  um  9  Uhr  beginnt  auf  dem  Wiesenplane, 
auf  dem  die  Schulbänke  anfgestellt  sind,  der  Unterricht  durch  eine  städtische 
Lehrerin.  Nach  jeder  Unterrichtsstunde  findet  eine  kürzere  Rast  (nach 
dem  Mittagessen  auf  Liegestühlen)  statt.  Nachmittags  wird  nur  noch  eine 
Stunde  vor  dem  Vesper  zu  Schularbeiten  verweudet.  Der  Rest  des  Tages 
wird  zu  Gartenarbeiten  oder  Spaziergängen  benutzt.  Aufser  der  ärztlichen 
Kontrolle  unterliegt  die  Einrichtung  der  täglichen  Überwachung  von  Frau 
PADEB8TEIN,  einer  auf  diesem  Gebiete  sacbgemäfs  waltenden  Dame.  Die 
gegenwärtige  Veranstaltung  ist  nur  eine  Probe;  wenn  sie  gut  ausfallt,  dann 
wird  wohl  die  Grundlage  dafür  gewonnen  sein,  dafs  im  nächsten  Jahre  einer 
grOfseren  Anzahl  von  Kindern  der  Segen  der  Waldschule  zugänglich  ge- 
macht werden  kann. 

Fflr  die  Bewe^ogsspiele  der  Kinder  ib  Berlin  geschieht,  wie 
der  „Vortcärts'*^  meint,  nicht  genug.  Die  Stadt  —  sagt  er  —  hat  im 
Mai  wieder  ihre  öffenüichen  Spielplätze  der  Benutzung  übergeben.  Dort 
kommen  Kinder  der  einzelnen  Schulen  an  unterrichtsfreien  Nachmittagen 
zusammen,  um  unter  Aufsicht  von  Lehrern  ein  paar  Stunden  zu  spielen. 
Die  höheren  Schulen  machen  von  dieser  Einrichtung  reichlicher  Gebrauch 
als  die  Gemeindeschulen.  Ob  das  nur  an  der  Verschiedenheit  des  „Schüler- 
materials**  liegt,  oder  ob  dabei  auch  eine  gewisse  Ungleichheit  des  Inter- 
eeses  der  Lehrenden  mitspricht?  Denn  der  Eifer,  mit  dem  die  Kinder 
sich  an  den  Spielen  betefligen,  wird  wesentlich  beeinflufst  durch  den 
stärkeren  oder  geringeren  Grad  des  mittätigen  Wohlwollens,  das  die  Schule 
diesen  Spielen  entgegenbringt. 

Man  kann  nun  freilich  nicht  erwarten,  dab  die  Lehrer  der  Volks- 
schule den  Spielen  der  ihnen  anvertrauten  Jugend  viel  Förderung  zuteil 
werden  lassen,    wenn  die  Schulverwaltung  selber  nicht  mit  gutem  Beispiel 


606 

vorangeht.  Wie  wenig  Wert  die  Sc^olverwaltong  anf  die  Pflege  der  Be- 
wegungsspiele bei  Gemeindeschulkindern  1^,  das  zeigt  schon  die 
geringe  Höhe  der  Mittel,  die  hierfür  in  den  Etat  eingestellt  werden.  In 
diesem  Jahre  sollen  ausgegeben  werden :  4470  Mark  Honorar  ftlr  die  leitenden 
Lehrer  nnd  640  Mark  für  Unterhaitang  der  Spielgeräte.  Dagegen  sind 
tXr  die  Bewegungsspiele  der  SchOler  höherer  Lehranstalten  bewilligt: 
8900  Mark  Honorar  der  leitenden  Lehrer  und  2100  Mark  für  die  Spiel- 
geräte. Dieser  Unterschied  sei  im  wesentlichen  darin  begrflndety  daCi  das 
Bedürfnis  für  systematischen  Spielübnngen  an  den  Oemeindeschulen  vid 
geringer  erscheine  als  an  den  höheren  Schulen.  Das  kann  stimmen.  Aber 
vielleicht  bleibt  dort  nur  deshalb  das  Bedürfnis  so  gering,  weil  nicht  mehr 
dazn  getan  wird,  es  zu  wecken  und  zu  steigern,  was  allerdings  ohne  Be- 
willigung grölserer  Mittel  schwer  möglich  ist. 

Für  die  Gemeindeschulkinder  sind»  wie  bekannt,  seit  mehreren  Jahren 
auch  etliche  Schulhöfe  zu  Bewegungsspielen  freigegeben  worden,  nicht  für 
den  ganzen  Sommer,  aber  wenigstens  für  die  paar  Wochen  der  groisen 
Ferien.  Es  hat  lange  gedauert,  ehe  man  den  Versuch  wagte;  und  obwohl 
er  glückte,  hat  man  nur  sehr  langsam  und  sehr  widerstrebend  sich  dazu 
bequemt,  noch  mehr  Schulhöfe  herzugeben.  Gelegentlich  wurde  offiziös 
den  Zeitungen  mitgeteilt,  es  sei  mit  diesen  Spielen  nicht  viel  los,  die  Be- 
teiligung der  Kinder  lasse  sehr  zu  wünschen  übrig.  Doch  im  Widerspruch 
hierzu  mubte  dann  in  den  Erläuterungen  des  nächsten  Stadthaushaltsetats 
zugegeben  werden,  dafs  die  Sache  sich  durchaus  bewährt  habe. 

Auch  der  die^äbrige  Etat  hat  das  wieder  bestätigen  müssen  und  hat 
deshalb  eine  Vermehrung  um  fünf  Schulhöfe  sowie  eine  Erhöhung  der 
Mittel  gefordert.  Hinzugefügt  wurde  indes,  dafs  „eine  weitere  Vermehrung 
sich  nicht  ermöglichen  lassen  dürfte  ^S  weil  nicht  alle  Höfe  geeignet  seien 
und  viele  in  den  Ferien  durch  Bauarbeiten  unbenutzbar  würden.  Soll  die 
Stadt  Berlin  hiermit  wirklich  schon  am  Ende  ihres  Könnens  angelangt 
sein?  Wieviel  Höfe  nun  für  Spiele  benutzt  werden  dürfen,  sagt  der  Etat 
nicht,  aber  es  scheint  das  Viertelhundert  noch  nicht  voll  zu  sein.  Auch 
die  Kosten  für  Beaufsichtigung  dieser  Ferienspiele  sowie  für  Spielgeräte  usw. 
belaufen  sich  jetzt  erst  auf  15000  Mark. 

Zwei  Berliner  Waldschulen  in  Sieht  Wie  der  „JSerZ.  Lokal' 
AnM.^  mitteilt,  unterhält  der  Volksheilstätten- Verein  vom  Roten  Kreuz  in 
den  Sommermonaten  in  den  Vororten  Schönholz  und  Sadowa  bei  Köpenick 
Erholungsstätten  für  Kinder,  die  fast  ausschliefslich  den  Berliner  Gemeinde- 
schnlen  entnommen  sind.  Damit  die  Kinder  durch  das  Fembleiben  vom 
Unterricht  nicht  zurückbleiben,  beabsichtigt  der  Verein  in  den  Erholungs- 
stätten nach  dem  Muster  der  Charlottenburger  Waldschule  Unterricht  er- 
teilen zu  lassen.  Da  ihm  die  Mittel  für  die  Erteilung  des  Unterrichts 
fehlen,  hat  der  Berliner  Magistrat  beschlossen,  vorbehaltlich  der  Zustimmung 
der  Stadtverordnetenversammlung  diese  zu  bewilligen.  Berlin  hat  dann 
gleich  zwei  Waldschulen. 

Über  die  Sehalversinmnisse  am  Montag  hat  die  Schuldepntation 
von  Höchst  a.  M.  folgenden  Erlais  an  die  Eltern  gerichtet:  Die  Lehrer- 
schaft unserer  Schulen  hat  vielfach  die  betrübende  Wahrnehmung  machen 
müssen,    dals  die  Zahl  der  Schulversäumnisse  am  Montag  verhältnismälsig 


607 

grob  ist,  und  daüs  manche  Schfiler  sich  an  diesem  Tage  weniger  leistongs- 
fthig  zeigen  als  an  den  übrigen  Schaltagen.  Sie  sind  abgespannt,  schläfrig 
und  onlnstig  zur  Arbeit.  Dieser  Tiefstand  der  geistigen  nnd  körperlichen 
Leistongsfilhigkeit  erklärt  sich  nnr  daraas»  da(s  der  Sonntag  ftar  viele 
Kinder  nicht  ein  Tag  wirklicher  Erholung,  sondern  ein  Tag  anstrengender 
und  geradezu  gesandheitsschädiicher  YergnOgangen  ist.  Wir  haben  fest- 
stellen können,  dab  manche  SchQler  am  Sonntag  nicht  rechtzeitig  ins  Bett 
kommen,  oder  dals  ihnen  gar  alkoholische  Getränke  verabreicht  werden, 
wenn  sie  an  den  Yergnfigangen  der  Erwachsenen  teilnehmen.  Die  von 
ans  beobachteten  and  in  Erfahrung  gebrachten  Vorgänge  verpflichten  uns 
dazu,  an  die  Eltern  unserer  SchtUer  die  herzliche  Bitte  zu  richten,  bei  den 
Sonntagsvergnttgungen  doch  alles  zu  vermeiden,  was  geeignet  ist,  die  Er- 
schlaffung der  Kinder  am  Montag  oder  überhaupt  eine  Schädigung  ihrer 
körperlichen  und  geistigen  Entwicklung  herbeizufähren. 

Die  Schuldeputation:  PaIiLESKe. 

Die  /p^ofsen  Sommerferien  in  den  Schulen  sollen  nach  einem  Be- 
schlüsse, der  auf  dem  Kongresse  für  Schulhygiene  in  Paris  im 
Juni  d.  J.  gefafst  worden  ist,  mindestens  zwei  Monate  dauern,  ohne 
dais  deshalb  die  anderen  Unterbrechungen  der  Schule  durch  Festtage  usw. 
verkürzt  werden  dürften.  Diese  grolsen  Ferien  sollen  Mitte  Juli  ihren 
Anfang  nehmen. 

,,Pflege  fBr  das  sehwachsinnige  Kind/^  unter  diesem  Namen 
bat  sich  in  s'Gravenhage  ein  Verein  gegründet,  welcher  beabsichtigt,  Schüler 
aus  den  Anstalten,  in  erster  Linie  für  Schwachsinnige  zu  s'Gravenhage, 
jährlich  in  die  Ferienkolonien  zu  schicken.  Der  Verein  kann  aber  auch 
seinen  Arbeitskreis  weiter  ausdehnen,  indem  er  für  die  Kinder  in  anderer 
Weise  sorgt,  ihnen  z.  B.  beim  Verlassen  der  Schule  behilflich  ist,  eine 
passende  Stelle  zu  finden  usw.  Der  Jahresbeitrag  beläuft  sich  für  Aktiv- 
mitglieder auf  10  Gulden,  fär  andere  Teilnehmer  auf  2  Gulden  öO  Gents. 

Dr.  med.  J.  M.  0.  MouxoN-Haag. 


3ltitilii^e  ^ttfüqnnqtu. 


Die  Abhaltung  von  Fortbildungsturnknrsen  beaw.  Wanderknrsen 
Ar  VolkasebBllebrer  und  -Lehrerinnen  in  der  Leitung  von  Volks- 

und  Jngendspielen. 

Erlafs  vom  10.  Mai  1905. 

In  den  letzten  Jahren  sind  von  einigen  Regierungen  mit  diesseitiger 
Unterstützung  Fortbildungstumkurse  ftlr  VolksschuUehrer  und  -Lehrerinnen 
bezw.  Wanderkurse  zur  Ausbildung  von  Lehrern  in  der  Leitung  von  Volks- 
nnd  Jngoidspielen  veranstaltet  worden.  Der  günstige  Ausfall  dieser  Ver- 
suche, über  welche  sich  aus  zwei  im  Auszuge  zur  Kenntnisnahme  beigefügten 


608 

Berichten  das  N&here  ergibt,  Iftbt  es  angezeigt  erscheineD,  ilmlidie  Yer- 
anstaltnngen,  dem  yorbandenen  BedOrfiÜBse  entsprechend,  auch  in  anderea 
Bezirken  ins  Leben  zn  rufen. 

Hierbei  wird  es  einerseits  daranf  ankommen,  dnrcb  geeignete  Kursus- 
leiter  praktisch  zeigen  zu  lassen,  da(s  nnd  wie  sich  auch  bei  einfachen 
Tnmeinrichtnngen  ein  anregender  nnd  wirksamer  Tnnmnterricht  erteilen 
labt.  Andererseits  ist  im  Hinblick  anf  den  von  der  UnterrichtsTerwaltong 
wiederholt  herrorgehobenen  hohen  gesundheitlichen  und  erziehlichen  Wert 
der  Jugend-  und  Volkspiele,  namentlich  der  Bewegungsspiele  im  Freien, 
Wert  darauf  zu  legen,  zu  einer  anregenden  Pflege  dieser  Spiele  gemiii 
der  Vorschrift  des  Leitfadens  fftr  den  Turnunterricht  in  den  preulsisdien 
Volksschulen  anzuleiten. 

Ich  yeranlasse  die  Königliche  Regierung,  zunächst  im  laufenden  Sdnil- 
jahre  einen  entsprechenden  Fortbildungskursus  durch  eine  hierzu  geeignete 
Persönlichkeit  abhalten  zu  lassen.  Fttr  den  Fall,  dafs  die  besonderen 
Bedürfnisse  des  dortigen  Bezirkes  die  Beschränkung  auf  nur  einen  der 
▼orbezeichneten  Zwecke  erwünscht  machen  sollten,  weise  ich  bezüglich  der 
Anleitung  zur  Pflege  der  Jugendspiele  darauf  hin,  dafs  sich  in  Wander- 
kursen mit  etwa  gleichem  Kostenaufwande  eine  erheblich  gröisere  Zahl  Yon 
Lehrern  ausbilden  labt  als  durch  solche,  welche  an  demselben  Orte  wiede^ 
kehren. 

Ich  bin  geneigt,  die  Kurse  durch  mäfsige  Beihilfen  unter  der  Voraus- 
setzung zu  unterstützen,  da(s  auch  die  in  Frage  kommenden  Gemeinden 
sich  nach  Möglichkeit  finanziell  beteiligen. 

Den  bezüglichen  Anträgen  sehe  ich  baldigst,  spätestens  binnen  drei 
Wochen  entgegen. 

Berlin,  den  10.  Mai  1905. 
Der  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinal«  Angelegenheiten. 

Im  Auftrage. 
TON  Bremen. 
An  die  Königlichen  Regierungen,  mit  Ausnahme  von  Minden,  Münster, 
Wiesbaden  und  Oppeln. 
ü  m.  B.  No.  668. 
(^Mimst-Bl.  f.  MeäM.  u,  medU.  ünterricMs-Angdegekheitm'',  Nr.  12.) 


Die  üntertiiehiiDg  der  iE  das  sehElpflichtige  Alter 

elBgetretonen  Kinder  auf  das  YorbaEdeEsein  Urperlicher 

EEd  geistiger  OebreeheB. 

Kreisschreiben   der   Erziehungsdirektion    des   Kantons   Zürich 
an  die  Schulbehörden  und  die  Lehrerschaft  der  Primarschulen. 

Die  Gemeindeschulpflegen  und  die  Lehrerschaft  der  Primarschule 
werden  neuerdings  auf  die  Bedeutung  der  Untersuchung  der  Schüler  anf 
allfällig  Yorhandene  körperliche  und  geistige  Gebrechen  aufmeitecm  ge- 
macht und  eingeladen,  den  einschlägigen  Bestimmungen  des  Tolkssdral- 
gesetzes  (vom  7.  April  1900)  alle  Aufmerksamkeit  zu  schenken.  Als 
Grundlage  für  die  Prüfung  der  Schüler   dient  die  seinerzeit  vom   eid- 


609 

genöBsischeD  Departement  des  Innern  erlassene  Anleitung;  soweit  sie  nicht 
im  Besitze  der  SchulbehOrden  and  der  Lehrer  ist,  können  Exemplare  anf 
der  Kanzlei  des  Erziehangswesens  bezogen  werden.  Diese  Anleitung  soll  den 
Lehrer  in  den  Stand  setzen,  eine  allgemeine  Prüfung  vorzunehmen.  Wenn 
immer  möglich,  sollte  indessen  die  Untersuchung  in  die  Hand  eines  Arztes 
gelegt'  werden,  in  der  Meinung,  dafs  der  Lehrer  sowohl  als  auch  die 
Eltern  zum  Zwecke  der  Auskunfterteilnng  herbeigezogen  werden.  Fflr  die 
Prftfung  der  Sehorgane  sind  im  Verlage  von  Hofer  &  Cie.  in  Zürich  Seh- 
proben Ton  Augenarzt  Dr.  med.  Stbigbb  erschienen,  die  den  Schulpflegen 
zur  Anschaffung  empfohlen  werden  (Preis  Fr.  1).  Es  empfiehlt  sich  femer, 
diese  Untersuchungen  der  Schüler  nicht  gleich  zu  Anfang  des  Schuljahres 
Torzunehmen,  sondern  dem  Lehrer  erst  einige  Wochen,  wenn  nötig,  einige 
Monate  zu  weiteren  Beobachtungen  Zeit  zu  lassen. 

Nach  den  einschlägigen  gesetzlichen  Bestimmungen  (vergleiche  §  38 
der  Verordnung  betreffend  das  Yolksschulwesen)  kommen  bei  den  Schüler- 
untersnchungen  insbesondere  in  Betracht:  allflUlige  Fehler  des  Gesiditssinnes, 
des  Gehöres  oder  überhaupt  solche  Gebrechen,  welche  einem  ersprielslichen 
unterrichte  hinderlich  sind  und  welche  die  Schnlpflegen  zu  bestimmten 
Mafsnahmen  oder  zur  Erteilung  von  geeigneten  Ratschlägen  an  die  Eltern 
veranlassen  können. 

Sodann  ist  zu  beachten: 

1.  Körperlich  oder  geistig  schwache  Kinder  können  von  der  Schul- 
pflege für  kürzere  oder  längere  Zeit  zurückgestellt  oder  besonderen  Klassen 
zugeteilt  werden. 

2.  Kindern,  welche  bei  der  ärztlichen  Untersuchung  als  kurzsichtig, 
schwerhörig  oder  kränklich  befunden  wurden,  ohne  deshalb  zurückgestellt 
oder  besonderen  Klassen  zugeteilt  worden  zu  sein,  soll  betreffend 
Fladerung  und  Behandlung  im  Unterrichte  besondere  Rücksicht  getragen 

.  werden. 

3.  Kinder,  welche  wegen  Schwachsinns  oder  körperlicher  Gebrechen 
dem  Schulunterrichte  nicht  folgen  können  oder  demselben  hinderlich  sind, 
sollen  nach  Einholung  eines  amtsärztlichen  Zeugnisses  und  unter  Voraus- 
setzung der  Genehmigung  durch  die  Bezirksschulpflege  von  der  Schule  aus- 
geschlossen werden  und  es  soll  für  sie,  soweit  möglicii,  eine  besondere 
Fflrsorge  geschaffen  werden  (§11  des  Volksschulgesetzes). 

Von  dem  Resultate  der  Untersuchungen  ist  den  Eltern  Kenntnis  zu 
geben;  ferner  sind  die  Resultate  in  die  Absenzenliste  einzutragen  und 
behn  Übertritt  in  eine  folgende  Klasse  nachzuf&hren;  im  weiteren  ist  wie 
bisher  das  vom  eidgenössischen  Departement  des  Innern  festgesetzte 
Formular  genau  auszufüllen  und  bis  spätestens  Ende  Dezember  der  Er- 
ziehungsdirektion zu  Händen  des  eidgenössischen  statistischen  Bureaus  zu- 
zusteBen.  Bei  diesen  Schüleruntersuchungen  handelt  es  sich  keineswegs 
in  erster  Linie  um  die  Sammlung  statistischen  Materials  für  wissenschaft- 
liche Zwecke;  der  Hauptzweck  besteht  vielmehr  darin,  Mittel  und  Wege 
ausfindig  zu  madien,  um  vorhandene  Gebrechen  zu  heben  oder  zu  mildem 
and  so  die  physische  und  geistige  Leistungsfähigkeit  des  Kindes  zu 
stäiken.  Die  Schulbehörden,  die  Lehrer  und  die  untersuchenden  Ärzte 
soHen  die  treuen  Berater  der  Eltern  sein;  wo  Anstaltserziehung  notwendig 


610 

encheiiit,  sollen  sie  die  Eltern  hierflber  auf  klAren  nnd  sie  zor  Einwülignng 
in  die  Yeraorgnog  veranlassai;  das  belehrende  Wort  oder  die  Besichtigimg 
einer  solchen  Anstalt  darch  die  Eltern  werden  in  den  meisten  Fallen  dem 
Zwang  flberflflssig  machen.  Im  FaUe  des  fiedOrfhisses  können  Staats- 
beitrage  an  die  Kosten  der  Versorgung  nnd  des  Unterrichts  verabreicht 
werden.  Die  Einreichong  bezflglicher  Oesache  ist  Sache  der  Schnlpflege; 
almosengenössige  Kinder  kommen  dabei  nicht  in  Betracht,  weil  sie  in  der 
Regel  in  den  Anstalten  bereits  Yergflnstigungen  genlefsen  nnd  weil  d» 
Gemeinden  an  ihre  Armenansgaben  besondere  Staatsbeitrftge  ausgerichtet 
werden. 

Bei  diesem  Anlals  wird  den  Schalpflegen  nnd  der  Lehrerschaft  die 
Fürsorge  fftr  diejenigen  Schaler  der  Yolksschnle  noch  ganz  besonders 
empfohlen,  die  in  körperlicher  oder  geistiger  Hinsicht  als  gebrechlich,  zn- 
rflckgeblieben  oder  schwach  bezeichnet  werden  müssen,  oder  denen  es  in- 
folge der  sozialen  Verhältnisse  der  Eltern  an  ausreichender  Nahrung  und 
Kleidung  gebricht.  In  manchen  Fällen  sind  die  geringwertigen  LeistongeD 
oder  der  mangelnde  Fleils  des  Schtüers  die  Folgen  ungenttgender  Er- 
nährung; wird  die  letztere  verbessert,  so  tritt  vielfach  ein  gtlnstiger  Einfluß 
auf  den  Unterricht  hervor.  An  die  Kosten  der  Fürsorge  für  bedürftige 
Schulkinder  durch  Abgabe  von  Nahrung  und  Kleidung  werden  den  Scfaul- 
gemeinden  aus  dem  Alkoholzehntel  Beiträge  verabreicht. 

Zürich,  21.  Juni  1905. 

Der  Direktor  des  Erziehungswesens:  H.  Ernst. 
Der  Sekretär:  Zollinger. 
(j^AmÜ.  Schulbl.  d.  Et  ZOrich*',  Nr.  7.) 


Die  Verwendang  transportabler  Pavillons  fflr  Sebnlsweeke. 

Erlafs  der  k.  k.  steiermärkischen  Statthalterei 
vom  28.  April  1905,  Z.  16897,  an  die  unterstehenden  Bezirks- 
hauptmannschaften. 

Das  k.  k.  Ministerium  hat  in  einem  an  den  steiermärkischen  Landes- 
schulrat  gerichteten  und  von  diesem  in  Abschrift  anher  übermittelten  Er- 
lasse vom  8.  März  1905,  Z.  19S63  ex  1904,  auf  die  Zweckmäßigkeit 
der  Verwendung  transportabler  Pavillons  für  Schulzwecke  aufmerksam  ge- 
macht und  darauf  hingewiesen,  dals  deren  weitere  Verbreitung  zur  Er- 
leichterung der  Schulbaukosten  keinem  Anstände  unterliegt,  während  die 
seinerzeit  für  Oebirgsscbulen  als  zulässig  erklärten  prorisorischen  Holz- 
bauten nur  unter  erheblichen  Einschränkungen  Verwendung  finden  können. 

In  dem  angefahrten  Erlasse  wird  des  weiteren  hervorgehoben,  dals 
sich  die  Verwendung  transportabler  Pavillons,  wie  solche  längst  in  der 
Armee,  im  Dienste  der  Sanitätspflege  u.  dgl.  Verwendung  finden,  auch  für 
Schulzwecke  mehr  und  mehr  einzuleben  beginnt,  solche  Schulpavillons  be- 
reits in  vielen  Städten  Deutsclüands  dermalen  —  wenn  auch  selbstredend 
nicht  ansschlieCBlich  —  im  Gebrauche  stehen  und  das  System  als  solches, 
wie  auch  insbesondere  die  Leistungen  der  auf  diesem  Gebiete  derzeit  be- 
sonders   hervortretenden   Firma   Christoph  &  ünmack   (mit  einer  Zweig- 


611 

niederlassüDg  in  fiunzendorf  bei  Friedland  in  Böhmen)  anf  einigen  grOliseren 
Aoastellnngen  der  letzten  Zeit,  so  auf  dem  „I.  internationalen  Kongresse 
fbr  Gesundheitspflege  in  Nürnberg"  und  anf  der  internationalen  Ausstellung 
«Die  Kinderwelt"  in  St  Petersburg  allgemeine  Anerkennung  gefunden, 
und  dafs  sich  auch  das  Departement  fftr  Hochbau  im  Ministerium  des 
Innern  sowie  der  Oberste  Sanitfttsrat  in  gleich  günstigem  Sinne  über  diese 
Einrichtung  ausgesprochen  haben. 

Bei  der  Bedeutung,  welche  dem  Gegenstände,  insbesondere  aus  dem 
Cresichtspunkte  der  tunlichsten  Entlastung  der  Gemeinden  von  Bauauslagen 
zukommt,  wird  die  k.  k.  Bezirkshauptmannschaft  auf  die  mehrerwähnte 
Einrichtung  zu  dem  Zwecke  aufmerksam  gemacht,  damit  in  vorkommenden 
Fflllen  erwogen  werde,  ob  nicht  einem  unmittelbar  auftretenden  Lokalitäten- 
bedarfe  zweckmäßig  und  mit  minderen  Kosten  auf  diesem  Wege  abgeholfen 
werden  könnte. 

Insbesondere  dürfte  diese  Eyentualität  ins  Auge  zu  fassen  sein^  wenn 
es  sich  um  die  notwendige  Angliederung  einer  Klasse  an  eine  Schule 
handelt,  die  in  einem  für  die  vorhandenen  Klassen  zulänglichen,  aber  zur 
baulichen  Erweiterung  nicht  wohl  geeigneten  Sohulhause  untergebracht  ist, 
oder  wenn  plötzliche  Notstände  (Brandunglflck  u.  dgl.)  sich  ergeben  oder 
die  Errichtung  von  Turnhallen,  Kinderhorten,  Fortbildungsschulen  u.  dgl. 
in  Frage  steht. 

Bemerkt  wird,  dals  ein  derartiger  Pavillon,  der  im  Falle  seiner 
späteren  Entbehrlichkeit  für  Schulzwecke  anderen  Gemeindezwecken  dienen 
könnte,  sich  fttr  eine  einklasdge  Volksschule  auf  zirka  7000  Kr.  inklusive 
Aufstellung  und  Montierung  stellt,  daCs  ein  solcher  binnen  wenigen  Wochen 
beschafft  und  errichtet  sein  kann,  und  dais  bei  einer  rationellen  Erhaltung 
eine  zirka  öOjährige  Gebrauchsdauer  in  Aussicht  gestellt  wird. 

Von  dem  Inhalte  voranstehenden  Erlasses  ist  der  Amtsarzt  in  die 
Kenntnis  zu  setzen.  („D.  österr.  8afntät8we8m'^ ,  Nr.  22.) 


£\tttatnx. 


Besprechangen. 

Schmidt,  Dr.  med.  F.  A.    Physiologie  der  Leibesftbugen.    Leipzig, 
R.  Voigüänder  1905.     8^    löö  S.    Mk.  3.00. 

Die  Fachliteratur  ist  nicht  arm  an  Arbeiten  über  Leibesübungen; 
aber  diese  Arbeiten  stehen  zumeist  entweder  auf  rein  theoretischer  Grundlage 
und  nehmen  auf  die  Praxis  keine  oder  nur  wenig  Rücksicht,  oder  sie  sind 
nur  für  das  praktische  Bedürfnis  geschrieben  und  glauben  die  theoretischen 
Voraussetzungen  gänzlich  ignorieren  zu  dürfen.  Schmidt  hat  in  der  an- 
gezeigten Schrift  Theorie  und  Praxis  glOcklich  vereint:  seine  höchst  be- 
achtenswerten praktischen  Vorschläge  sind  durch  physiologische  Tatsachen 


612 

und  Oberlegüiigen  gestfltzt,  der  ganze  Stoff  ist  systematisch  gegliedert  und 
die  Schlafsfolgerangeii,  zn  denen  der  Verfasser  gelangt,  sind  mit  logischer 
Schärfe  ans  den  physiologischen  Prämissen  abgeleitet;  die  Arbeit  Schmidts 
ist  den  besten  Erzengnissen  der  Weltliteratur  beizuzählen.  Damit  ist 
natOrlich  nicht  gesagt,  dafs  jedes  Detail,  das  der  Verfasser  vorbringt,  on- 
anfechtbar  ist,  und  man  wird  in  manchen  Dingen  anderer  Anschauung  sein 
können;  so  z.  B.  scheint  dem  Referenten  die  prinzipielle  Ablehnung  der 
Ordnungsflbungen  und  salbst  der  „Reigen^  ebenso  etwas  zu  weit  geganfrea, 
als  die  Behauptung,  dafs  mit  vollendetem  40.  Lebensjahre  die  leibliche 
Leistungsfähigkeit  bereits  sich  in  absteigender  Linie  befindet,  und  dais  die 
Wände  der  Schlagadern  starrer  werden  und  an  Elastizität  einbfldsen.  Ge- 
rade bei  Personen,  welche  von  Jugend'  an  Leibesübungen  pflegen,  ist  die 
Altersgrenze  von  40  Jahren  als  Beginn  der  Arteriosklerose  in  dieser  aU- 
gemeinen  Fassung  doch  zu  eng  gezogen. 

Was  bedeuten  aber  diese  kleinen  „Hyperbeln^  gegen  die  Ftllle  von 
Anregungen  und  Belehrungen,  die  wir  aus  dem  prächtigen  Buche  zu 
schöpfen  vermögen!  Was  der  Verfasser  an  verschiedenen  Stellen  seiner 
Schrift  aber  die  Gefahren  der  Atempressung  bei  Kraftübungen  sagt,  ist 
so  flberzeugend  und  so  flberaus  wichtig,  dalis  es  besonders  hervorgehoben 
zu  werden  verdient;  bezflglich  der  vielen  anderen  lehrreichen  und  inter- 
essanten Details  mufs  auf  das  Original  verwiesen  werden,  und  es  seien 
hier  nur  noch  die  Überschriften  der  einzelnen  Abschnitte  behufs  Orien- 
tierung Ober  die  Anordnung  des  Stoffes  angefahrt.  Die  „Einleitung*'  be- 
schäftigt sich  mit  einer  objektiven  Abschätzung  der  deutschen  gegenüber 
der  schwedischen  Schul gymnastik,  die  folgenden  Kapitel  besprechen: 
I.  ,,Die  physiologische  Betrachtung  der  Leibesübungen^;  II.  „Einwirkung 
der  Leibesübungen  auf  die  Knochen  und  Gelenke";  lU.  „Einwirkung  der 
Leibesübungen  auf  die  verschiedenen  Muskeln  im  örtlichen  Sinne**; 
rv.  „Die  physiologischen  Vorgänge  im  Muskelgewebe  bei  Muskelarbeit 
und  ihre  Beeinflussung  durch  Leibesflbung^;  V.  „Die  physiologische  Er- 
ziehung des  Nervensystems  bei  den  Leibesübungen **;  VI.  „Einwirkung  von 
Leibesübungen  auf  die  Atmung  und  die  LungenentwicUung** ;  VII.  „Be- 
einflussung des  Herzens  und  seiner  Tätigkeit  durch  Leibesübungen''; 
Vni.  „Einflufe  der  Leibesübungen  auf  den  Gesamtstoffwechsel  des  Körpers"; 
IX.  „Physiologischer  Übungswert  der  verschiedenen  Arten  der  Leibes- 
übungen";   X.  „Das  Übungsbedürfais  in  den  verschiedenen  Lebensaltern^. 

Dadurch,  dafs  überall  auf  die  Schulverhältnipse  besondere  Rücksicht 
genommen  ist,  ist  das  Buch  für  Schulhygieniker  und  Pädagogen,  namentlich 
aber  für  Turnlehrer,  ein  „Leitfaden  für  Körperübungen  in  der  Schule*", 
dem  man  die  weiteste  Verbreitung  und  die  gebührende  Beachtung  schon 
im  Interesse  unserer  Schuljugend  vrünschen  mufs. 

Die  überaus  empfehlenswerte  Schrift  ist  eine  Umarbeitung  von  zehn 
Vorträgen,  die  Dr.  Schmidt  vom  15.  bis  29.  August  1904  gelegentlidi 
der  Weltausstellung  in  St.  Louis  gehalten  hat.       Dr.  ALTSCHüii-Prag. 

KoTELMANK,  LüDwiG,  Dr.  med.  et  phil.  Behnlgesniidbeitepflege. 
Handbuch  der  Erziehungs-  und  ünterrichtslehre  fir  höhere  Schulen, 
herausgegeben  von  Dr.  A.  Battmeistsb.     II.  Bd.,  3.  Abt.,  2.  Hälfte. 


613 

Zweite,  nenbearbdtete  Auflage.      Manchen,  C.  H.  fieck,   1904.    8^. 

216  S.    Mit  zahlreichen  Abbildungen.     Geb.  Mk.  5. — ,  in  Leinen  geb. 

Mk.  6.—. 
Nachdem  vor  beil&nfig  zehn  Jahren  dieses  Werk  in  erster  Auflage 
encbienen  war,  tritt  nun  der  Verfasser,  der  BegrOnder  nnd  langjährige 
Redakteor  der  „ZeUschr.  f.  SchUgesundheitspfl/',  an  ans  heran  mit  einer 
sweiten  Auflage,  in  welcher  sowohl  die  von  der  Kritik  geänCserten  Be- 
merkongen  als  auch  die  von  der  Scbulgesnndheitspflege  in  diesen  zehn 
Jahren  gemachten  Fortschritte  gebührende  Berücksichtigung  gefunden 
haben.  K.  wollte  kein  Lehr-  oder  Handbuch,  nicht  einmal  einen  „Grund- 
TiSa^  der  Schulhygiene  schreiben,  sondern  nur  ausgewählte  Kapitel  der- 
selben bearbeiten,  und  zwar  diejenigen  Gebiete,  in  welchen  der  Lehrer, 
vorausgesetzt,  dafs  er  Verständnis  dafür  besitzt,  Verbesserungen  eintreten 
lassen  kann.  Der  Verfasser  hätte  mit  gutem  Gewissen  den  Kreis  der- 
jenigen, welche  aus  seiner  Arbeit  Nutzen  ziehen  können,  erweitern  dürfen, 
denn  auch  für  die  Mitglieder  der  Schulbehörden,  für  die  Eltern  und  über- 
baapt  für  alle,  denen  das  Wohl  der  Schale  am  Herzen  liegt,  enthält  die- 
selbe sehr  Yiel  Wertvolles.  Und  gerade  diesen  Kreisen  ist  das  Buch  K.s 
durch  die  glückliche  Beschränkung  auf  gewisse  Gebiete  ungemein  mund- 
gerecht gemacht  worden,  denn  der  Verfasser  hat  sich  hierdurch  den  Vor- 
teil gesichert,  da(s  er  manche  Abteilungen  der  Schulhygiene,  welche  für 
Tiele  Leser  als  schwerverdaulicher  Ballast  erscheinen,  wie  z.  B.  die  tech- 
aischen  Details  über  Bau  und  Anlagen  von  Schulhäusem,  einfach  unberück- 
sichtigt lassen  konnte. 

Das  Buch  K.s  zerfällt,  nach  einer  kurzen  Einleitung  über  die  Ge- 
schichte der  Schulgesundheitspilege  in  Deutschland,  in  zwei  Hauptabschnitte, 
von  denen  der  erste  die  Hygiene  der  Schulräume  (Orientierung  der 
Sehnlzimmer,  natürliche  und  künstliche  Beleuchtung,  Ventilation  und 
Heizung,  Reinhaltung  und  innere  Ausstattung),  der  zweite  die  Hygiene 
der  Schüler  (des  Nervensystems,  der  Sinnesorgane,  der  Stimm-  und 
Sprachoi^ane,  des  übrigen  Körpers)  behandelt  Die  Sprache  ist  eine  ein- 
fache, die  Schilderung  eine  anziehende,  sehr  objektiv  gehaltene,  die  An- 
ordnung und  Behandlung  des  Stoffes  entspricht  durchaus  dem  vom  Ver- 
fasser gewollten  Zweck  und  die  grofse  Belesenheit  K.s  tritt,  ohne  auf- 
dringlich zu  sein,  ins  richtige  Licht.  Wir  haben  alle  Ursache,  dem  Buche 
einen  möglichst  groben  Leserkreis  zu  wünschen  und  können  es  mit  gutem 
Gewissen  allen  Interessenten  lebhaft  empfehlen. 

Nun  kann  man  ja  in  guten  Treuen  über  manche  vom  Verfasser  be- 
arbeitete Fragen  verschiedener  Ansicht  sein,  und  vieles  ist  noch  nicht  so 
abgeklärt,  dafe  man  die  eine  oder  die  andere  Anschauung  als  die  allein 
nchüge  zu  halten  gezwungen  wäre.  Wir  wollen  also  über  die  Punkte,  in 
denen  wir  mit  dem  Verfasser  auseinandergehen,  nicht  mit  ihm  rechten; 
dagegen  möge  er  uns  gestatten,  ihn  auf  einiges  aufmerksam  zu  machen, 
was,  wie  wir  glauben,  bei  einer  eventuellen  Neuauflage  des  Buches  Be- 
rücksichtigung finden  dürfte. 

Bei  dem  aufmerksamen  Leser  entsteht  der  Wunsch,  es  möchten  die 
Literaturangaben  bei  einzelnen  Kapiteln  (z.  B.  Orientierung  der  Schul- 
zimmer,  natürliche   und   künstliche  Beleuchtung,  Ventilation  und  Heizung, 


614 

Reinigung,  innere  Ausstattung)  etwas  vervollständigt  werden,  was  dem 
Verfasser  bei  seiner  aasgedehnten  Literatarkenntnis  nicht  schwer  ftUen 
dflrfte.  —  Die  Frage  der  Steilschrift,  die  durchaus  in  den  von  E.  selbst 
gesteckten  Rahmen  seines  Buches  pafst,  dflrfte  ansfobrlicher  and  grand- 
s&tzlicher  behandelt  werden.  Was  darüber  auf  S.  153  and  181  gesagt 
ist,  genflgt  nicht.  Wenn  irgendwo  anf  dem  Gebiete  der  Schalhjgiene,  so 
könnte  hier  der  Lehrer  helfend  einschreiten;  statt  dessen  verhalt  sich  die 
Lehrerschaft  in  ihrer  Allgemeinheit  dieser  wichtigen  Frage  g^enflber 
dorchaas  ablehnend.  Sie  versteht  bis  jetzt  nicht,  dafs  die  flbliche  Schräg- 
schrift einen  der  wichtigsten  Faktoren  in  der  Entstehung  der  Wirbelsanle- 
verkrflmmang  and  der  Karzsichtigkeit  bei  Schalkindem  darstellt.  Dals 
sie  hierdurch  einen  unverzeihlichen  Fehler  begeht,  sollte  ihr  in  einem 
Buche  von  der  Bedeutung  des  hier  besprochenen  in  flberzeugender  Weise 
vorgefahrt  werden.  —  Im  Abschnitt  Aber  die  innere  Aunstattnng  der 
Schulzimmer  wäre  es  wflnschenswert,  dafs  den  Details  Aber  die  Konstruk- 
tion der  Schulbank  eine  allgemeine  Betrachtung  Aber  die  auf  der  Statik 
und  Dynamik  der  Sitzstellung  aufgebauten  grundsätzlichen  Forderungen 
der  Hygiene  an  die  Schulbank  vorausgeschickt  wflrde.  Diese  Forderungen 
bilden  die  Grundlage  der  hygienischen  Beurteilung  der  Schulbank;  ohne 
vorgängige  AufsteUung  und  Begrflndung  derselben  ist  es  schwer,  sich  in 
dem  Walde  von  Schulbankkonstruktionen,  die  von  allen  Seiten  empfohlen 
werden,  zurecht  zu  finden.  Und  gerade  den  Lehrern  gegenflber,  die  aus 
begreiflichen  Grflnden  geneigt  sind,  hygienisch  nebensächlichen  Dingen 
eine  vorwiegende  Bedeutung  beizumessen,  müssen  diese  grundsätzlichen 
Forderungen  der  Hygiene  immer  wieder  betont  werden  I  —  Etwas  stief<^ 
mtttteriich  ist  auch  die  Schularztfrage  behandelt;  namentlich  dflrfte  gerade 
in  diesem  Buche  das  gegenseitige  Verhältnis  von  Lehrer  und  Arzt  und 
das  Ineinandergreifen  ihrer  Tätigkeit  im  Interesse  der  Schfller  etwas  mehr 
betont  werden.  —  Zu  Mifsverständnissen  kann  folgender  Satz  auf  S.  34 
Veranlassung  geben:  .Diese  56S4  ccm  Luft,  reduziert  auf  eine  Temperatur 
von  23^  C  und  766  mm  Barometerdruck  ....*';  es  soll  natflrlich  heifeeik 
„reduziert  auf  eine  Temperatur  von  0^  C.  und  760  mm  .  .  .  ."  Wir 
hegen  die  Oberzeugung,  dafs  der  geehrte  Verfasser  diese  wenigen  kritischen 
Bemerkungen  so  aufnehmen  wird,  wie  sie  gemeint  sind  —  als  einfachen 
Ausdruck  der  Wünsche  eines  auifmerksamen  Lesers,  dem  es  am  Herzen 
liegt,  dafs  das  Werk  K.s  der  Schulhygiene  den  gewollten  Dienst  in  mög- 
lichst weitgehendem  Mabe  leiste.  F.  EBiBMAK-Zürich. 

NoLL,  F.  C.  Natnrgesehiebte  des  Menselieii.  5.  Aufl.*  Besorgt  von 
Prof.  Dr.  H.  Reichenbach.  Mit  113  Abbildungen  im  Text,  2  Tafeb 
und  1  Karte  in  Farbendruck.  Breslau,  F.  Hirt,  1906.  8<*.  120  S. 
Mk.  1.50. 

Das  Buch  ist  zu  bekannt,  als  dafs  man  es  besonders  empfehlen 
mOfste.  Alles,  was  der  Laie  von  der  Anthropologie,  Anatomie,  Physio- 
logie und  von  der  Gesundheitslehre  gewöhnlich  zu  wissen  wünscht,  wird 
er  in  der  einen  oder  anderen  Form  darin  finden.  Die  allgemeinen  Ge- 
sundheitsregeln gefallen  uns  am  besten.       Dr.  Kübt  WEHRLIN-Zttrich. 


§tv  $(t)ulitrfi 


in.  Jahrgang.  1905.  No.  9. 


<l>rt$itialabl|ati)ltttt0eti. 


Die  Sohvlantfrage  vom  Btaadpiinkt  des  Hediiinalbeamten. 

Von 
Medizinalrat  Dr.  BLBZiNOEB-Oamistait. 

Vortrag 

gehalten  in  der  4.  JahresvemmmluDg  de«  württemb.  KedizinalbeamtenTereins 

am  14.  Hai  1905  in  Stattgart 

Meiner  nahezu  seohsjährigen  Tätigkeit  als  Versaohssohnlarzt  in 
Stadt  und  Bezirk  Oannstatt  habe  ich  es  zu  danken,  dab  mir  die 
Ehre  zuteil  wurde,  heute  vor  Ihnen  über  die  Schularztfrage  rom 
Staudpunkt  des  Medizinalbeamten  zu  sprechen.  Die  Notwendigkeit 
hygienischer  Fürsorge  für  die  Schule  und  die  Schüler  hat  die  Eönigl. 
württembergische  Regierung  seit  den  yierziger  Jahren  des  vorigen 
Jahrhunderts  durch  eine  Reihe  von  Erlassen  anerkannt.  Die  Ver- 
flQgung  des  Ministers  des  Kirchen-  und  Schulwesens,  betreffend  die 
Einrichtung  der  Schulhauser  und  die  Gesundheitspflege  in  den 
Schalen,  vom  28.  Dezember  1870,  hat  auch  aulserhalb  Württembergs 
Anerkennung  und  Nachahmung  gefunden.  Bei  den  vom  Königl. 
Minister  des  Innern  durch  Erlab  vom  20.  Oktober  1876  angeordneten 
oberamtsärztlichen  Oemeinde-Medizinalvisitationen,  welche  wir  den 
Anregungen  ton  Kochs  verdanken,  hat  die  Schule  ganz  besondere 
Berücksichtigung  gefunden.  Die  beiden  höchst  zweckmäßigen  Ein- 
richtungen sind  wohl  daran  schuldig,  dals  in  Württemberg  das  Be- 
dürfnis besonderer  Schulärzte  nicht  so  früh  erwachte  als  in  anderen 
Staaten,  welche  ähnliche  Einrichtungen  nicht  besafsen.  Die  nie 
rastende  Zeit  sorgte  jedoch  dafür,  dalis  auch  bei  uns  die  Schularzt- 
frage rege  wurde.  Bei  den  gesteigerten  Ansprüchen  an  die  Schule 
konnte  es  nicht  ausbleiben,  dalis  das  Verlangen  nach  Verbesserung 
des  Schulwesens  auch  in  hygienischer  Beziehung  immer  lauter  wurde. 

Der  gehnlarst.  lO.  16 


156  616 

Wohl  hatten  die  oberamtsärEtliohenGkmeindemediEinalyisitationen 
im  Laufe  der  Zeit  manohen  Schaden  in  den  Sohnlen  aufgedeckt, 
manches  Gute  geschaiOPen.  Heute  noch  stehen  die  Schulen  an  der 
Spitze  der  öffentlichen  £mrichtungen,  auf  welche  der  Oberamtsarzt 
bei  diesen  Visitationen  hauptsächlich  sein  Augenmerk  zu  richten  hat 
Andererseits  waren  die  Erlasse  von  1870  und  1875  vielfach  auf  dem 
Papier  stehen  geblieben  oder  hatten  wenigstens  nicht  die  beabsichtigte 
Berücksichtigung  und  Würdigung  gefunden.  Wie  hätte  auch  durch 
die  nur  alle  sechs  Jahre  in  einer  Gemeinde  stattfindenden  Visitationen 
ein  grofses  Interesse  für  die  Schulgesundheitspflege  bei  dem  Visitator, 
bei  den  Ortsschulbehörden,  bei  den  Lehrern  geweckt  werden  können  1 
Der  Oberamtsarzt  war  froh,  wenn  er  jeweils  einige  Verbesserungen 
durchsetzen  konnte,  glücklich,  wenn  eine  neue  Wandtafel  oder  neue 
Subsellien  oder  dergl.  zugesagt  wurden,  und  überglücklich,  wenn  an 
Stelle  des  alten,  verlotterten,  ein  neues  Scbulbaus  für  die  nächsten 
Jahre  in  Aussicht  gestellt  wurde.  Das  Schultheilsenamt  aber  lächelte 
um  so  mehr,  je  weniger  Ausstellungen  gemacht  wurden.  Die  Lehrer 
endlich,  so  manches  sie  auf  dem  Herzen  hatten,  schwiegen,  weil  sie 
das  Verhältnis  zum  Herrn  SchultheiÜBen  nicht  trüben  wollten  oder 
auch  weil  ihnen  die  hygienische  Zutat  nicht  recht  munden  wollte. 
Und  was  geschah  mit  den  Schülern?  Die  übel  hörenden  oder  übel 
sehenden  wurden,  wenn's  gut  ging,  in  die  vordersten  Bänke  gesetzt, 
die  Körperhaltung  im  allgemeinen  gelobt  oder  getadelt.  Dabei  blieb's, 
wenn  nicht  ein  gar  zu  auffallendes  körperliches  Leiden  eines  armen 
Schülers  die  amtliche  Behandlung  geradezu  herausforderte« 

Das  ist  ganz  anders  geworden  im  Laufe  der  letzten  Jahrzehnte 
durch  die  gewaltigen  Fortschritte  der  öffentlichen  Gesundheitspflege 
sowie  namentlich  auch  der  Sozialpolitik. 

Es  liegt  mir  ferne,  vor  einer  solchen  Versammlung  eingehendere 
Mitteilungen  machen  zu  wollen  von  den  ersten  Anfängen  des  Schul- 
arztweeens  bis  zum  heutigen  Tage.  Aber  das  darf  ich  anführen,  dafs 
schon  im  Jahre  1901  auf  der  Jahresversammlung  des  Allgemeinen 
deutschen  Vereins  für  Schulgesundheitspflege,  bei  welcher  die  Mehr- 
zahl der  Erschienenen  aus  Bürgermeistern  und  Pädagogen  bestand, 
auf  Grund  der  gemachten  Erfahrungen  der  BesohluTs  gefalst  wurde, 
bei  den  Regierungen  und  Stadtverwaltungen  dahin  zu  wirken,  dab 
Schulärzte  in  allen  deutschen  Bundesstaaten,  in  den  Städten  und  auf 
dem  Lande,  angestellt  werden  sollten.  So  kann  es  nicht  wunder- 
nehmen, dafs  Schubert  -  Nürnberg  in  seinem  neuesten  Bericht  über 
das  Schularzt wesen   in  Deutschland  vom   Jahre  1905  schon  allein 


617  167 

560  ftoloher  Sehtilärzte  zfthli,  welche  das  Wiesbadener  System,  mehr 
oder  weniger  modifiziert,  sich  zun  Vorbild  genommen  haben.  Dabei 
ist  ans  Württemberg  nnr  Heilbronn  aufgeführt.  Eine  Anzahl  weiterer 
Schulärzte  in  Deutschland  ist  seit  dem  Erscheinen  des  Berichts  dazu 
gekommen.  Diese  verhaltnismälsig  grofse  Zahl  von  Schulflrzten  ist 
ein  Beweis  dafür,  daJs  die  Frage,  ob  Schulärzte  nötig  sind,  praktisch 
gelöst  erscheint,  und  was  mir  das  wichtigste  an  der  Lösung  erscheint,  ist 
das,  dafs  dabei  die  Schulkinder  in  den  Vordergrund  gestellt  sind. 
Anerkannt  ist,  dals  den  künftigen  Generationen  in  der  langen  B.eihe 
von  Jahren,  in  welchen  sie  die  Schule  zu  besuchen  haben,  und  gerade 
in  der  Zeit,  in  welcher  Leib  und  Seele  in  der  gröfsten  Entwicklung 
begriffen  und  am  leichtesten  zu  schädigen  sind,  die  Errungenschaften 
der  hygienischen  Wissenschaft  in  ausgiebigster  Weise  zuteil  werden 
^sollen".  Die  bisherigen  Erfahrungen  der  Schulärzte  lassen  keinen 
Zweifel  darüber,  dalis  regelmässige  Untersuchungen  der  Schulkinder 
notwendig  sind.  Die  Zahl  der  mit  Oebrechen  aller  Art  behafteten 
Kinder  ist  trotz  Armen-  und  Kassenarzt  viel  grölser  als  man  er- 
wartet hatte.  Das  haben  auch  unsere  Cannstatter  Dntersuchungen 
dargetan.  Nicht  selten  bilden  diese  Gebrechen  eine  Störung  und 
Behinderung  des  Unterrichts.  Die  Aufdeckung  und  wenn  irgend 
möglich  die  Beseitigung  der  Gebrechen  liegt  also  nicht  nur  im  Inter- 
esse der  Schüler,  sondern  ganz  besonders  auch  in  dem  der  Schule. 
Meines  Erachtens  gehört  zu  einem  geregelten  Schulbetrieb  ein  ärzt- 
licher Berater,  ein  Schularzt.  Dem  Lehrer  mufs  Gelegenheit  gegeben 
sein,  ohne  umständlichen  Instanzengang  ärztlichen  Rat  einzuholen  in 
hygienischen  Anständen  und  ganz  besonders  auch  hinsichtlich  des 
Befindens  der  Schüler;  ich  denke  dabei  an  die  Reinhaltung,  Heizung 
der  Schulzimmer  u.  dgl.,  an  beginnende  epidemische  Krankheiten, 
an  die  Schulversäumnisse,  Tum-  und  Baddispensationen  usw.  Nicht 
ganz  belanglos  scheint  mir  auch  der  Umstand  zu  sein,  dals  durch 
den  Schularzt  der  Sinn  und  das  Verständnis  für  Gesundheits-  und 
Körperpflege  bei  Lehrern  und  Schülern  geweckt  und  gefördert  wird. 

Endlich  aber  hat  der  Staat  das  grölste  Interesse  daran,  dafs 
durch  die  Vermittlung  des  Schularztes  die  Gebrechen  der  Schul- 
kinder wenn  möglich  beseitigt  werden,  dals  der  Nachwuchs  ein  ge- 
sunder und  kräftiger  werde.  Wie  es  in  der  Wirklichkeit  damit 
bestellt  ist,  darüber  reden  die  Aushebungsresultate,  was  den  männ- 
lichen Teil  unserer  Jugend  anlangt,  eine  laute  Sprache,  und  es  ist 
kein  Zweifel,  dafs  es  beim  weiblichen  Teil  nicht  besser  bestellt  ist. 

Mit  dem  bisher  Gesagten  glaube  ich  den  Beweis  für  die  Zweck- 

Der  Sohnlarst.  UL  17 


158  618 

mäCrigkeit,  ja  ftbr  die  Notwendigkeit  von  Sohnlärzten  erbracht  zu 
haben.  Wir  kommen  nnn  an  die  Frage,  von  wem  die  Schul- 
ärzte anzustellen  und  wem  die  schulärztlichen  Funktionen 
zu  übertragen  sind. 

Bisher  hat  der  Staat  die  schulärztliche  Frage  den  Gemeinden 
bezw.,  wie  bei  uns  in  Cannstatt,  dem  Bezirk  überlassen;  er  hatte  ja 
für  hygienische  Überwachung  der  Schule  durch  die  oben  erwähnten 
Erlasse  und  Einrichtungen  gesorgt.  Er  hatte  damit  zugleich  an- 
erkannt, dalis  er,  der  den  Schulzwang  gesetzlich  eingefllhrt  hatte, 
auch  verpflichtet  sei,  Air  gesundheitsgemäls  eingerichtete  Schulen 
sowie  für  die  Femhaltung  von  Schädigungen  der  G^undheit  der 
Schüler,  eventuell  auch  für  die  Beseitigung  etwa  vorhandener  Schäden 
zu  sorgen.  Ist  dies  aber  seit  langer  Zeit  anerkannte  Aufgabe  des 
Staates,  so  kann  er  sich  auch  nicht  der  als  notwendig  anerkannten 
erweiterten  Fürsorge  entziehen. 

Mit  der  Überwachung  der  Schule  nach  der  hygienischen  Seite 
sind  bis  jetzt  ausschlielslich  die  Oberamtsärzte  beauftragt  gewesen 
als  die  mit  der  Sorge  für  die  öffentliche  Gesundheitspflege  betrauten 
Organe  des  Staates ;  die  hygienische  Fürsorge  im  Schulbetrieb  bildete 
einen  wesentlichen  Bestandteil  ihrer  amtlichen  Obliegenheiten,  und 
ganz  mit  Recht.  Oder  ist  es  nicht  selbstverständlich,  dals  dem 
Manne,  welchem  die  Gesundheitspflege  im  Bezirk  anvertraut  ist,  auch 
der  wichtigste  Teil  derselben,  die  Fürsorge  für  die  heranwachsende 
Jugend,  anvertraut  wurde? 

Soll  nun  die  Schulgesundheitspflege  erweitert  und  insonderheit 
auf  die  körperliche  und  geistige  Beschaffenheit  der  Schüler  das 
Augenmerk  gerichtet  werden,  so  fällt  auch  diese  erweiterte  Au^be 
in  erster  Linie  dem  Oberamtsarzt  zu.  Die  allgemeine  hygienische 
Fürsorge  gehört  seit  Jahrzehnten  zu  den  amtlichen  Obliegenheiten 
des  Oberamtsarztes,  der  speziellere,  eingehendere  Teil  muis  ihm  auch 
werden.  Wer  mit  der  einen  Hälfte  betraut  ist,  muls  auch  mit  der 
anderen  betraut  werden.  Trennen  kann  man  die  Aufgabe  nicht,  da 
der  allgemein  hygienische  und  der  spezielle,  auf  die  Schüler  sich 
erstreckende  Teil  so  vielfache  Beziehungen  zueinander  haben  und  so 
innig  ineinander  übergreifen. 

Auch  nicht  darum  kann  es  sich  handeln,  wenn  dem  Oberamts- 
arzt  die  schulärztlichen  Funktionen  in  toto  übertragen  werden,  dais 
demselben  damit  ein  neues  Privilegium  geschaffen  werde.  Ich  kenne 
überhaupt  Privilegien  des  Oberamtsarztes  nicht,  au&er  das  eine,  dals 
er  in  öffentlichen  hygienischen  Dingen  gehört  wird  und  gehört  werden 


619  159 

moTs.  Also  nicht  um  ein  weiteres  Privilegium  würde  es  sich  bei 
der  Übertragung  der  schulärztlichen  Funktionen  handeln,  sondern 
darum,  dafs  dem  Oberamtsarzt  das  wird,  was  ihm  gehört. 

Der  Oberamtsarzt  hat  aber  meines  Erachtens  nicht  nur  das 
Recht  auf  die  Übertragung  der  erweiterten  schulärztlichen  Funktionen, 
sondern  auch,  wenn  er  es  mit  seiner  amtlichen  Stellung  ernst  nimmt, 
die  Pflicht,  die  vergröiserte  Aufgabe  auf  sich  zu  nehmen. 

Der  Oberamtsarzt  ist  auch  der  geeignete  Mann  dazu  vermöge 
seiner  Stellung,  seines  Alters,  seiner  Erfahrung. 

Der  Schularzt  mufs  eine  gewisse  Autorität  haben  den  Ortsschul- 
behörden und  Lehrern  gegenüber;  das  werde  ich  nicht  des  weiteren 
auszuführen  haben. 

Der  Schularzt  soll  ein  älterer  Arzt  sein,  dem  praktische  Er- 
fahrung in  der  allgemeinen  ärztlichen  Praxis  und  in  hygienischen 
Dingen  zu  Gebot  steht. 

Der  Schularzt  soll  ein  se/shafter  Mann  sein,  der  längere  Zeit 
durch  seine  Stellung  an  einen  Bezirk  gebunden  ist;  häufigerer  Wechsel 
würde  der  schulärztlichen  Sache  schaden. 

Alle  diese  Eigenschaften  kommen  in  der  Regel  dem  Oberamts- 
arzte zu.  Geborene  Schulärzte  sind  die  Oberamtsärzte  freilich  auch 
nicht;  sie  werden  aber,  das  ist  meine  Erfahrung  und  feste  Über- 
zeugung, hineinwachsen  in  die  schulärztliche  Tätigkeit;  ihr  Interesse 
für  die  Schule  und  ihren  Betrieb  wird  von  Jahr  zu  Jahr  zunehmen, 
und  je  länger,  je  mehr  werden  sie  zu  der  Einsicht  kommen,  dals 
die  schulärztliche  Aufgabe  eine  der  dankbarsten  in  ihrer  amtlichen 
Tätigkeit  ist. 

Damit,  dab  ich  dem  Oberamtsarzt  die  schulärztlichen  Funktionen 
übertragen  wissen  will,  bin  ich  weit  entfernt  davon,  zu  behaupten, 
dals  es  nicht  auch  unter  den  nichtbeamteten  Ärzten  eine  Anzahl 
solcher  geben  wird,  welche  die  für  den  Schularzt  notwendigen  Eigen- 
schaften besitzen. 

Halten  Sie  nun  dafür  —  ich  mufs  diese  Frage  auch  streifen  — , 
dab,  wenn  die  Anstellung  von  Schulärzten  den  Gemeinden  oder  den 
Bezirken  überlassen  würde,  immer  die  tüchtigen  Ärzte  zu  Schulärzten 
auserlesen  würden?  Ist  nicht  vielmehr  zu  befürchten,  dals  ungeeignete 
Männer  angestellt  würden  oder  solche,  welche  die  niedrigsten  Gehalts- 
ansprüche machen,  oder  Ärzte,  welche  die  Schularztstelle  als  Sprung- 
brett in  eine  ausgedehntere  Praxis  benutzen,  um  sie  wieder  auf- 
zugeben, sobald  die  Praxis  grofs  genug  ist?  und  was  dann,  wenn 
der  Schularzt  streikt? 

17»  ' 


KM)  620 

Auch  solche  Beflexionen  bewegen  mich,  am  Oberamtaant  als 
Schularzt  festzuhalten.  Nur  die  staatliche  Regelung  der  Sohularzt- 
einriohtung  wird  die  nötige  Begelmftlaigkeit  und  01eichm|dsigkeit 
garantieren  und  die  Möglichkeit  durchgreifender  Verbesserungen  auf 
dem  ganzen  Gebiet  der  Schulgesundheitspflege  gewähren. 

Eine  wichtige  Frage  ist  nun  freilich  die:  Ist  die  Übertragung 
der  erweiterten  schulflrztlichen  Funktionen  an  den  Oberamtsarzt  bei 
seiner  dermaligen  Stellung  auch  ausführbar  und  möglich?  Ich  bejahe 
die  Frage  für  die  kleinen  und  mittelgroisen  Bezirke,  gebe  aber  zu, 
dals  das,  was  in  Oannstatt  seit  nahezu  sechs  Jahren  ausfährbar  war, 
nicht  ohne  weiteres  verallgemeinert  werden  kann.  Die  Frage  ist  in 
erster  Linie  eine  Geldfrage.  Die  schulärztliche  Tätigkeit  erfordert 
auch  in  der  einfachen  Weise,  wie  ich  sie  betreibe,  viel  Arbeit  und 
Zeit.  Neben  ausgedehnter  Privatpraxis  kann  der  Oberamtsarzt  die 
schulärztlichen  Funktionen  nicht  oder  nur  mit  grofser  Aufopferung 
und  Selbstverleugnung  besorgen.  Der  Oberamtsarzt  muls,  wenn  er 
die  schulärztlichen  Funktionen  übernehmen  soll,  einen  Teil  seiner 
Praxis  darangeben.  Dafür  muls  er  durch  ein  nicht  zu  karg  be- 
messenes Honorar  entschädigt  werden.  Bei  der  Bestimmung  der 
Höhe  des  Honorars  wird  es  hauptsächlich  darauf  ankommen,  in 
welcher  Weise  die  Aufgabe  dem  Schularzt  gestellt  wird.  Wir  in 
Oannstatt  haben  uns  sehr  beschränkt  mit  Büoksicht  auf  die  Neuheit 
der  Sache  in  der  Überzeugung,  dals  die  schulärztlichen  Untersuchungen 
um  so  leichter  Eingang  finden  dürften,  je  einfacher  wir  zunächst  die 
Sache  anfassen  und  je  mehr  Erfolge  wir  in  kurzer  Zeit  aufweisen 
können.  Soll  der  Oberamtsarzt  in  seiner  bisherigen  Stellang  der 
Schularzt  werden,  so  muTs  eine  gewisse  Beschränkung  in  der  Auf- 
gabenstellung stattfinden.  Ganz  anders  wird  sich  die  Sache  gestalten, 
wenn  der  Oberamtsarzt  zum  vollbeschäftigten  staatlichen  Sanitäts- 
beamten  gemacht,  wenn  ihm  die  ärztliche  Praxis  mit  Ausnahme  von 
konsultativer  Erankenhauspraxis  abgenommen  würde.  Das  wird,  das 
muls  kommen,  dafür  werden  die  täglich  wachsenden  Anforderungen 
der  Hygiene  sorgen.  An  Arbeit  wird  es  dem  beamteten  Arzt  nicht 
fehlen,  wenn  ihm  der  Staat  neben  der  Stellung  als  Qerichtsarzt  die 
gesamte  öffentliche  Gesundheitspflege  in  allen  Zweigen  der  Verwaltxmg 
überträgt. 

Im  Verkehrswesen,  im  Nahrungsmittel  verkehr,  in  der  Wohnungs- 
frage, in  der  Industrie,  im  Armenwesen  usw.  muTs  die  öffentliche 
Gesundheitspflege  eine  viel  gröfsere  Bolle  spielen,  als  dies  bis  jetzt 
der  Fall  ist.    Erst  dann,  wenn  der  Sanitätsbeamte  seine  Tätigkeit 


621  161 

auf  alle  dieee  Dinge  aufiBtidebneii  die  amÜiohe  Pflicht  hat,  erst  dann 
können  die  Anforderungen  der  öfiSantlichen  Q^nndheitspflege  in  ge- 
nügender Weise  erfüllt  werden.  Erst  dann  aber  auch»  wenn  der 
OberamtsaTzty  von  der  Praxis  unabhängig,  sich  ganz  seinen  amtlichen 
Aufgaben  hingeben  kann  und  mufs,  erst  dann  wird  er  sowohl  dem 
Staat  und  der  Gemeinde  als  auch  dem  Publikum  und  den  Kollegen 
gegenüber  die  Stellung  einnehmen,  welche  zu  einer  richtigen  amt- 
lichen Tätigkeit  gehört  und  welche  dem  staatlichen  Vertreter  der 
Hygiene  gebührt. 

Nach  dieser  Abschweifung  in  die  Zukunft  komme  ich  nochmals 
kurz  auf  die  Schularztfrage  zurück.  Bei  meinen  Ausftlhrungen  habe 
ich  bisher  nur  die  kleinen  und  mittelgrolsen  Bezirke  ins  Auge  gefafst, 
weil  sie  bei  uns  in  Württemberg  hauptsächlich  vertreten  sind.  Für 
grofe  Bezirke  oder  Städte  wird  ein  anderer  Modus  zu  suchen  sein, 
sei  es,  dafs  der  Staat  in  denselben  zwei  oder  mehrere  OberamtBärzte 
mit  getrennten  Funktionen  oder  abgeteilten  Distrikten,  oder  neben 
dem  Oberamts-  und  G^richtsarzt  besondere  Schulärzte  anstellt,  unter 
allen  umständen  aber  muis  der  Staat  das  Becht  der  Oberaufsicht 
über  die  Schule  auch  nach  der  hygienischen  Seite,  sowie  das  Recht 
der  Übertragung  der  schulärztlichen  Funktionen  bezw.  der  Anstellung 
der  Schulärzte  sich  vorbehalten,  um  eine  regelmälsige  und  gleich- 
mäbige  Durchführung  der  schulärztlichen  Fürsorge  gewährleisten  zu 
können. 

Ich  bin  zu  Ende  und  fasse  das,  was  ich  ausgeführt  habe,  in 
folgende  vier  Sätze  zusammen: 

1.  Eingehendere  ärztliche  Fürsorge  für  die  Schule  mit  besonderer 
Berücksichtigung  des  körperlichen  und  geistigen  Befindens  der  Schüler 
ist  notwendig. 

2.  Die  Fürsorge  ist  Sache  des  Staates,  wie  er  das  ja  seit  Jahr- 
zehnten anerkannt  hat. 

8.  Der  Staat  hat  den  Oberamtsarzt  auch  mit  den  erweiterten 
sehulärztlichen  Funktionen  zu  beauftragen.  Der  Oberamtsarzt  hat 
als  öffentlicher  Sanitätsbeamter  nicht  nur  ein  Recht  darauf,  sondern 
auch  die  Pflicht,  sie  zu  übernehmen. 

4.  Die  zweckmälsigste  Lösung  wäre  die  Übertragung  der  schul- 
ärztUoben  Funktionen  an  den  von  der  Praxis  unabhängig  gemachten 
Oberamtsarzt. 


162  622 

Anmerknng  der  Sedaktion. 

Wir  sind  mit  den  Ansichten  des  VerfSassers  einverstanden,  soweit 
es  sich  um  die  ärztliche  Schnlanfsicht  in  Landbezirken  handelt;  da- 
gegen halten  wir  ganz  entschieden  dafür,  daJs  in  den  Städten  das 
Recht,  die  Schulärzte  zu  wählen,  den  städtischen  Verwaltungen  vor- 
behalten werden  muls;  nur  dann  werden  die  letzteren  der  Schularzt- 
institution das  nötige  Interesse  entgegen  bringen. 


ftleinere  Jttttetltitt$ev. 


Bessentellnng  der  BebnUrzte  in  Cbennifz.  ürsprongllcb  er- 
hielten sämtliche  Schulärzte  500  Mark  bei  einem  Wirkungsbereich  von  drei 
Schnleinheiten,  Nonmehr  ist  diese  Zahl  von  drei  Schalkörpern  nicht  allem 
auf  zwei  reduziert  worden,  sondern  die  Entschädigung  auf  der  gleichen 
Höhe  geblieben  und  weiterhin  festgesetzt  worden,  dals  der  „Gehalt**  eines 
Schularztes  nach  drei  Jahren  Amtierung  um  150  Mark  steigt.  Dies  wieder- 
holt sich  nach  weiteren  drei  Jahren  noch  zweimal  bis  zum  Höchstgehalt 
von  950  Mark,  welches  also  im  zehnten  Jahre  schulärztlicher  Tätigkeit 
eintreten  wfirde.  Es  scheint  dies,  da  dieser  Modus  in  Chemnitz  bereits 
Ostern  1904  in  Kraft  trat,  der  erste  Fall  in  Deutschland  zu  sein,  wo  man 
durch  Aussicht  auf  erhöhtes  Honorar  sich  eine  konstantere  Schalärzteschaft 
zu  sichern  versuchte,  und  dieser  Fortschritt  ist  entschieden  des  Dankes 
und  der  Anerkennung  wert.  In  Breslau,  wo  man  (cfr.  „Schtdaret'^ ,  1905, 
8.  94)  ebenso  wie  in  Chemnitz  diese  Steigerung  eingefährt  hat,  befindet 
sich  jedoch  die  Grenze  schon  bei  800  Mark.  Dazu  kommt  in  Chemnitz 
noch  die  Einrichtung,  dals  der  durch  Wahl  der  Schulärzte  zum  ersten 
Schularzt  bestimmte  Kollege  aulser  seinem  schulärztlichen  Gehalt  noch 
800  Mark  ftr  diese  seine  geschäftsfohrende  Tätigkeit  bezieht.  —  Seit  Be- 
stehen der  schulärztlichen  Institution  hat  bis*  jetzt  jedes  Jahr  der  Bat  den 
ersten  Schularzt  zur  Teilnahme  an  den  Tagungen  des  Deutschen  Vereins 
fl^r  Schulgesundheitspflege  abgeordnety  so  auch  Ostern  1904  zu  den  Nttni- 
berger  Tagen,  welche  uns  allen  schöne  Stunden  der  Erinnemog  geworden  sind. 

Dr.  AiilCKB-Chrämitz. 

Über  die  Tätigkeit  des  Kreissebnlarates  in  Offenbaeh  machen 
die  ^Frankf.  N.  Nachr.'*  u.  a.  folgende  Mitteilungen:  Fflr  den  Kreis 
Offen  b  ach  ist  seit  einigen  Jahren  in  dem  dortigen  Kreisassistenzarzte  ein 
Kreisschularzt  bestellt.  Sein  Bericht  fttr  das  Jahr  1904  ist  bereits  er- 
schienen und  in  der  Kreistagssitzung  vom  19.  Juni  besprochen  worden.  Er 
wirft  auf  das  Schulwesen  des  Kreises  bemerkenswerte  Streiflichtery  obwohl 
die  Tätigkeit  des  Arztes  mehr  in  die  Breite  als  in  die  Tiefe  gegangen  sdn 


623  163 

mnlB,  da  er  216  Klassen  in  33  Landgemeinden  zn  beanftichtigen  hatte. 
Mftngel  und  Mifsstände  wnrden  trotz  dieser  Riesenanfgabe  in  ausgiebiger 
Zahl  festgestellt,  nnd  das  Drängen  auf  ihre  Abänderung  und  Abstellang 
I&fst  den  Schularzt  manchem  Gemeindevertreter  bereits  als  eine  lästige  Ein- 
richtung und  den  eifrigen  Förderer  unnützer  Anschläge  erscheinen.  £s  ist 
im  hessischen  Lehrerstande  längst  bekannt,  dafe  in  den  Gemeinden  des 
Kreises  Offenbach,  die  Stadt  eingerechnet,  die  durchschnittlich  stärksten 
Klassen  Hessens  zu  finden  sind.  Die  Klassenstärke  beträgt  in  den  Land- 
gemeinden durchschnittlich  65.  In  manchen  Gemeinden  finden  sich  mehr 
als  80  Schiller  in  einer  Klasse.  Der  Schularzt  ist  der  Ansicht,  dafs  die 
Zustände,  wo  sich  mehr  als  60  Schüler  in  einer  Klasse  befinden,  kerne  befriedi- 
genden mehr  sind.  Die  durchschnittliche  Klassenstärke  you  60  Schülern 
ist  aber  nur  in  zehn  Gemeinden,  einem  Drittel  des  Kreises,  vorhanden. 
Von  2093  Kindern,  die  in  dem  Berichtsjahre  in  die  untersten  Klassen  ein- 
traten, hatten  922  schlechte  Zähne.  Die  unsauberen  Schüler  haben  ver- 
hältnismäfsig  abgenommen.  Das  Bild  ist  nicht  allzu  rosig,  das  der  Schularzt 
hier  von  den  Volksschulen  eines  Kreises  entwirft,  der  zu  den  wirtschaftlich 
am  besten  entwickelten  im  Deutschen  Reiche  gehört.  Die  Hoffnung,  es 
werde  in  den  nächsten  Jahren  wesentlich  besser  werden,  ist  jedoch  gering. 
Man  kann  das  aus  einer  Bemerkung  schliefsen,  die  ein  Mitglied  des  Kreis- 
amtes bei  der  Besprechung  des  Schularztberichtes  auf  dem  letzten  Kreistage 
einflielsen  lieis.  £r  meinte,  man  wolle  den  Gemeinden  gegenüber  keinen 
Zwang  ausüben  und  eine  Besserung  der  Verhältnisse  in  gutem  zu  erreichen 
suchen.  Wenn  die  Gemeinden  nicht  imstande  sind,  den  berechtigten  hygie- 
nischen Anforderungen  gerecht  zu  werden,  so  muls  eben  der  Staat  ein- 
springen. Die  Schulverwaltung  und  die  Kreisbehörde  dürfen  die  Anspruchs- 
losigkeit an  Staat  und  Gemeinde  nicht  so  weit  treiben,  dafe  der  Kreis 
Offenbach  seit  fast  einem  Menschenalter  in  der  Klassenstärke  die  letzte 
Stelle  im  ganzen  Grofsherzogtum  einnimmt. 

Die  Schnlarztfrage  in  Warttemberg.  Wie  das  Stuttgarter  „i^. 
Taghh'^  mitteilt,  hat  sich  kürzlich  der  Württembergische  Medizinalbeamten- 
verein mit  der  Schularztfrage  beschäftigt  und  sich  einstinunig  dahin  aus- 
gesprochen, dafs  in  der  Regel  die  Oberamtsärzte  unter  entsprechender 
Regulierung  ihrer  Gehaltsverhältnisse  mit  den  schulärztlichen  Aufgaben 
betraut  werden  sollen,  wobei  es  aber  nicht  ausgeschlossen  sei,  dab  in 
grölseren  Städten  auch  andere  Ärzte  mit  diesen  Aufgaben  betraut  werden 
könnte,  unter  Wahrung  der  staatlichen  Oberaufsicht  durch  den  Oberamtsarzt. 

Über  die  Ergebniaae  aelmlftrztlicher  Untergnchangen  in  Wilmen- 
derf  teilen  die  ^Berl.  N.Nachr^  folgendes  mit:  Seit  dem  1.  April  1904 
finden  in  Wilmersdorf  regelmäDsige  ärztliche  Untersuchungen  der  Gemeinde- 
schüler statt.  Die  Untersuchungen  werden  bald  nach  der  Einschulung  in 
Gegenwart  der  vorher  benachrichtigten  Eltern  vorgenommen.  Sie  erstrecken 
sich  auf  den  körperlichen  Allgemeinzustand,  auf  die  inneren  Organe,  Sinnes- 
organe, Sprache  und  auf  das  Nervensystem.  Im  letzten  Quartalsjahr  wurden 
575  Kinder  eingeschult.  Von  diesen  wurden  wegen  körperlicher  oder 
geistiger  Entwicklung,  oder  weil  sie  die  Folgen  schwerer  Erkrankungen 
noch  nicht  überwunden  hatten,  54  Kinder  auf  Vs  bis  1  Jahr  zurückgestellt. 
Der  Hilfsschule  überwiesen  wurden  mit  Einwilligung  der  Eltern  zwei  Kinder. 


164  624 

Oftnzlich  Tom  Scholbesach  befreit  wurde  ein  Kind.  Bei  der  Bearteflang 
der  allgemeinen  EOrperbeschaffenheit  der  Schaler  nach  den  drei  Gesnndheits- 
klassen  f^gnt**,  „mittel^,  „schlecht **,  und  zwar  in  der  Weise,  dab  das 
Prftdikat  „gnt^  nur  bei  vollkommen  tadellosem  Gesnndheitsznstande, 
«schlecht*'  bei  ansgesprochenen  Krankheitsanlagen  oder  chronischen  £r- 
kranknngen  erteilt  wurde,  konnten  als  »gut*'  bezeichnet  werden  107,  d.  h. 
18,6l7o,  als  „schlecht''  36,  d.  h.  6,26%.  Alle  übrigen  75,13%  worden 
als  •mittel*'  bezeichnet.  In  jedem  Halbjahre  wurden  sämtliche .  flbrigen 
Klassen  während  des  Unterrichts  durch  Ärzte  besucht  und  hierbei  kranken 
oder  behandlnngsbedOrftigen  Kindern  durch  geeignete  Mafsnahmen  und  ärzt- 
lichen Rat  zu  helfen  gesucht.  Schwerhörige  oder  kurzsichtige  Kinder  wurden 
veranlafst,  die  vorderen  Sitzreihen  einzunehmen,  Herz-,  Lungen-  oder  Bruch- 
leidende wurden  vom  Turnunterricht,  schwächliche  und  nervöse  Kinder  von 
einzelnen  Fächern  dispensiert  usw.  Auch  die  Untersuchung  der  Kinder  fttr 
die  Ferienkolonien  wurde  zum  ersten  Male  durch  den  Schularzt  vor- 
genommen. Es  fanden  hierbei  vor  allem  solche  Kinder  BerQcksichtignng, 
die  an  allgemeiner  Körperschwäche,  Blutarmut,  Nervosität,  skrophnloser  und 
englischer  Krankheit  litten.  Im  allgemeinen  war  der  Gesundheitszustand 
der  Kinder  ein  guter. 

Sebnllrzte  in  Treptow.  Wie  wir  dem  ^Berl.  Loh-Äns^  ent- 
nehmen, wurde  unlängst  in  einer  Sitzung  der  Gemeindevertretung  fttr  die 
Gemeindeschulen  die  Anstellung  zweier  Schulärzte  beschlossen,  und  zwsr 
wurde  fOr  die  Gremeindeschule  I  in  der  Bonch^strasse  Herr  Dr.  Schmidt 
und  ffir  die  Gemeindeschnle  n  in  der  Kiefholzstra&e  Herr  Dr.  Bilbt  als 
Schularzt  bestimmt.  Die  kg^.  Regierung  hat  die  Dienstordnung  ftlr  die  Schul- 
ärzte bestätigt. 

Sehnltrate  in  den  Dlaseldorfer  Landgeneinden.  Wie  die 
„üftem.-TPestr.  Ztg.*"  mitteilt,  referierte  in  der  9.  Generalversammlung  des 
Yereins  der  Landgemeinden,  Bflrgermeistereien  und  Bürgermeister  der 
Bürgermeister  Wibtz  -  Schiefbahn  über  die  Anstellung  von  Schulärzten 
auch  in  kleineren  Landgemeinden.  Der  Vortragende  kam  auf  Grund  seiner 
Erfahrungen  und  eines  interessanten  Materials  zur  unbedingten  Empfehlung 
der  Anstellnng  von  Schulärzten. 

Die  Aostelinng  eines  Sebniaratea  in  Nietleben  will,  wie  die 
r^HaUesche  AUg.  Z/^."  mitteilt,  die  Gesundheitskommission  bei  der  Gemeinde- 
vertretung beantragen. 

Die  drei  ScbnitrEte  in  Mlblbnnsen,  die  von  der  Stadt  auf  Grund 
eines  Stadtverordnetenbeschlusses  ernannt  wurden,  haben  seit  einiger  Zeit 
ihre  Tätigkeit  aufgenommen.  Die  in  den  untersten  Klassen  der  dortigen 
Schulen  vorgenommenen  Untersuchungen  hatten  das  Ergebnis,  dals  eine 
Anzahl  Kinder,  als  zum  Unterricht  noch  nicht  befthigt,  zurückgewiesen  und 
infolgedessen  aus  der  Schule  entlassen  werden  mnfsten. 

Die  8f  bnlarztfrage  in  Frankreieb  gibt,  ebenso  wie  in  Deutschland, 
in  ärztlichen  Kreisen  zu  lebhaften  Erörterungen  Anlafs.  Nachdem  in  der 
Deputiertenkammer  Yaillant  die  Bezahlung  der  Pariser  Schulärzte  mit 
800  Frcs.  pro  Jahr  als  eine  „lächerlich  geringe"  bezeichnet  und  auch  noch 
andere  Wünsche  der  Ärzte  bezüglich  der  ärztlichen  Schulaufsicht  vorgebracht 
hatte,   entschlols  sich  die  Verwaltung  zu  folgender  „Reorganisation^:    Die 


625  165 

Zahl  der  Schul&rzte  fbr  Paris  wird  von  126  aaf  175  erhöht,  deren  Honorar 
soll  statt  wie  hisher  800  künftig  900  Frcs.  pro  Jahr  betragen.  Je  ein 
Schularzt  (m^decin  inspectenr)  soll  im  Mittel  20 — 25  Klassen  zur  Aufsicht 
haben.  Die  Frivatschnlen  und  die  Abendkurse  (wohl  analog  unseren  Fort- 
bildungsklassen) soUen  in  die  ärztliche  Aufsicht  inbegriffen  sein,  ebenso  wie 
die  höheren  Elementar-  und  Fachschulen.  Der  Schularzt  soUte  jeden 
Schfller  einmal  im  Jahr,  und  zwar  womöglich  bei  Eintritt  in  die  Schule, 
grflndlich  untersuchen.  Er  soll  viermal  im  Monat  jede  Schule  besuchen 
und  bei  einem  dieser  Besuche  die  Schullokalitäten  während  des  Unterrichts 
inspizieren,  vorher  aber  die  Schulleitung  davon  benachrichtigen.  (Siel  Das 
erinnert  an  die  wochenlang  vorher  angekündigten  Kasemeninspektionen. 
Refer.)  Überall,  wo  es  möglich  ist,  soll  dem  Schularzte  ein  eigenes  Zimmer 
zur  Untersuchung  der  Kinder  und  speziell  zur  Ausstellung  der  Zeugnisse 
nach  überstandenen  Infektionskrankheiten  eingeräumt  werden.  Die  Kontrolle 
der  schulärztlichen  Tätigkeit  wird  dem  obersten  Sanitätsrat  (inspectenr 
g^n^ral  de  l'assainissement)  übertragen.  Diese  sog.  Reformen  unterzieht 
Gbakjux  im  y^BuOeim  mdd^  (1905,  Nr.  29)  einer  scharfen  Kritik  und 
Stent  ihnen  folgende  Forderungen  der  Ärzte  gegenüber:  1.  Alle  Elementar- 
schulen, seien  sie  öffentlich  oder  privat,  müssen  eine  ärztliche  Aufsicht 
haben,  und  zwar  je  ein  Arzt  auf  1000  Kinder.  2.  Jedes  Kind  soll  bei 
seinem  Eintritt  genau  untersucht  und  entsprechend  notiert  werden  (Sanitäts- 
liste unter  Wahrung  des  Berufsgeheimnisses).  3.  Die  schulärztlichen  Be- 
suche sollen  zweimal  im  Monat  erfolgen.  4.  Die  Ernennung  der  Schulärzte 
soll  durch  eine  Prüfung  (concours)  bei  Festsetzung  eines  Minimalalters  er- 
folgen. Zum  Schutze  gegen  die  Infektionskrankheiten  sollte  in  jeder  Schule 
ein  Isolierraum  vorhanden  sein,  der  behandelnde  Arzt  jeden  Fall  sofort 
(telephonisch)  an  die  Schule  melden,  ebenso  die  betreffende  Schule,  wo  ein 
Fall  von  Infektionskrankheit  vorgekommen  ist,  unverzüglich  der  Sanitäts- 
behörde Mitteilung  machen.  Die  Schnlgebäude,  -räume  und  -Utensilien 
müssen  nach  einem  bestimmten  Schema  revidiert  werden.  Die  Schulärzte 
sollen  wenigstens  30  Jahre  alt  sein  und  fünf  Jahre  Praxis  hinter  sich, 
Sitz  und  Stimme  in  den  oberen  Schulbehörden  haben.  Die  Schulhygiene 
soll  von  dem  Schulärzte,  welcher  dafür  je  nach  der  Stundenzahl  speziell 
honoriert  wird,  gelehrt  werden;  Schularzt  und  Schnlvorstände  sollen  regel- 
mälsige  Besprechungen  zusammen  abhalten.  Das  Honorar  für  den  Schularzt 
betrage  2500  Frcs.  für  1000  Kinder,  d.  i.  2,50  Frcs,  pro  Kind  und  Jahr. 

Die  „Manch,  med.  Wochenschr.^,  der  wir  diese  Notiz  entnehmen,  macht 
dazu  folgende  richtige  Bemerkung:  So  ideal  und  pekuniär  verlockend  diese 
Forderungen  auch  klingen,  so  dürften  dieselben  vor  allem  am  Kostenpunkte 
scheitern;  sie  lehren  jedoch  auch  das  eine,  daüs  mit  dem  Schulärzte  im 
Nebenamte  und  bei  schlechter  Bezahlung  nicht  viel  zu  erreichen  und  das 
Erstrebenswerte  Schulärzte  im  Hauptamte  sind,  mit  entsprechender  Bezahlung 
und  der  Yerpflichtung,  keine  ärztliche  Besuchspraxis  anzunehmen. 

Über  die  Tätigkeit  der  Schulärzte  in  Lichtenberg  entnehmen 
wir  dem  ^iLokalam.  f.  Driedrichsfelde'*  folgenden  Bericht:  Über  die 
Schulen  in  der  Dorfstrafse  und  in  Wilhelmsberg  wacht  Herr  Sanitäts- 
rat Dr.  Bbocemakn.  Nach  seinem  Bericht  wurden  26  Revisionen  resp. 
Sprechstunden  abgehalten,   außerdem  kamen  Kinder  hin  und  wieder  zur 


166  626 

Untersachang.  Er  ermittelte  als  schwerhörig  resp«  ohrenleidend  4  Kinder, 
als  schielend  9,  als  skrophnlös  1  Kind,  als  langenleidend  resp.  hrostfell- 
leidend  7  Schfller,  als  herzkrank  4,  2  als  nervOs,  2  als  mit  einem  Bmch 
hehaftet,  11  als  kurzsichtig.  Bei  3  Mftdchen  worden  Krämpfe  festgestellt, 
bei  einem  davon  infolge  von  Saggestion.  Rhachitis  hatten  3  Kinder,  angen- 
leidend  waren  11,  an  Inflnenza  krank  waren  3,  Schwäche  wurde  bei 
6  Kindern  festgestellt,  Sprachfehler  bei  2,  Knochenbrttche  ebenfalls  bei  2, 
bei  4  Mädchen  wurde  Magenkrampf  ermittelt.  Als  krank  wurden  somit 
93  Kinder  befunden.  Bei  1 1  mufste  Befreiung  vom  Turnen  eintreten.  Bei 
1  Kinde  wurde  wegen  Rhachitis  Umschulung  des  weiten  Weges  halber  an- 
geordnet ;  1  Kind  wurde  wegen  Krätze  untersucht,  1  Kind  fOr  die  Lungen- 
heilstätte vorgeschlagen,  3  Kindern  sind  Brillen  verordnet.  —  Die  Schule 
in  der  Kronprinzenstrafse  und  die  KfiAUSEsche  höhere  Töchter- 
schule unterstehen  der  ärztlichen  Aufsicht  des  Herrn  Dr.  Eichstardt. 
Es  wurden  ermittelt  als  schielend  5  Kinder,  als  kurzsichtig  14,  als  augen- 
krank  51,  als  schwerhörig  7  Kinder.  An  Ohreneiterung  litten  49  Kinder, 
erhebliche  Sprachfehler  besitzen  2  SchtUer,  als  schwachsinnig  sind  4  und 
als  blutarm  11  Kinder  ermittelt.  Skrophnlös  sind  13,  lungenkrank  22. 
Einen  Herzklappenfehler  besitzen  4  Kinder.  An  Neuralgie  der  Kopfnerven 
leiden  4  Schüler.  30  Kinder  mit  beginnender  Verkrümmung  der  Wirbel- 
säule wurden  in  orthopädische  Anstalten  geschickt,  einige  von  ihnen  auch 
mit  Erfolg  behandelt,  mehrere  erhielten  Geradehalter.  22  kurzsichtigen 
Kindern  wurde  das  Tragen  von  Brillen  anempfohlen,  1  schielendes  Kind 
wurde  mit  Erfolg  operiert,  während  2  Kinder  durch  Tragen  von  Brillen 
geheilt  werden  konnten.  40  Kinder  stehen  ständig  unter  ärztlicher  Kon- 
trolle. Wünschenswert,  so  setzt  in  seinem  Bericht  Herr  Dr.  Eichstaedt 
hinzu,  wäre  die  Einrichtung  von  Hilfsklassen  wegen  der  schwerhörigen  und 
Schwachbegabten  Kinder  und  das  Besteben  einer  Einrichtung,  die  ein  Ver- 
schicken der  skrophulösen,  blutarmen  und  lungenleidenden  Kinder  an  die 
See  oder  in  Erholungsstätten  ermöglicht.  —  Die  5.,  6.  und  7.  Gemeinde- 
schule in  der  Siegfried-  und  Atzpodienstrafse  unterstehen  der  ärzt- 
lichen Aufsicht  des  Herrn  Dr.  Zieoles,  der  in  ihnen  für  die  2597  Kinder 
59  mal  Sprechstunde  abgehalten  und  die  Klassen  in  jedem  Halbjahre  mehrere 
Male  besucht  hat.  Dabei  vnirden  an  wichtigeren  Erkrankungen  festgesteUt: 
Herzfehler  3,  Ohrenerkrankungen  54,  Augenerkrankungen  100,  Leisten- 
bruch 22,  Sprachfehler  31,  Verkrüppelungen  15,  Nervenschwäche  33, 
Krämpfe  4,  Skrophulose  18,  Lungenschwäche  131.  Vom  Turnunterricht 
wurden  18  Kinder,  vom  Handarbeitsunterricht  2  Mädchen  befreit  Im 
Spätherbst  1904  wurden  sämtliche  Kinder,  in  deren  Familie  ein  Mitglied 
seit  längerer  Zeit  durch  Husten  auf  Lungenkrankheit  verdächtig  war,  anf 
den  Zustand  ihrer  Lunge  untersucht.  Von  den  302  Kindern  gab  bei  131 
der  Zustand  der  Lunge  zu  Bedenken  für  die  Zukunft  Anlals,  und  lieft 
Herr  Dr.  ZiEGhLEB  den  Eltern  derselben  eine  schriftliche  Mitteilung  fol- 
genden Inhalts  zugehen:  „Bei  der  heute  durch  den  Schularzt  vorgenommenen 
Untersuchung  der  Lunge  Ihres  Kindes  ....  (Käme)  ...  hat  sich  eine 
Schwäche  derselben  ergeben.  Sie  werden  hierdurch  darauf  aufmerksam 
gemacht,  um  beizeiten  etwas  fär  die  Gesundheit  des  Kindes  tun  zu  können." 
Diese  Anregung  ist,  wie   sich  später  zeigte,   bei   einer  ganzen  Reihe  von 


627 


167 


Eltern  auf  firnchtbaren  Boden  gefallen,  so  daüs  die  doch  recht  erhebliche 
Arbeit  im  Interesse  der  Kinder  nicht  vergeblich  gewesen  ist.  unter  stän- 
diger ärztlicher  Eontrolle  standen  34  Kinder.  In  den  Schnllokalit&ten 
mofste  der  Arzt  den  umstand  bemängeln,  dafs  in  den  Klassenzimmern  stets  alle 
Bänke  gleiche  Höhe  nnd  Weite  hatten,  trozdem  der  Gröfsennnterschied  der 
einzelnen  Schiller  oft  ein  recht  erheblicher  war.  Anf  seinen  Antrag  hin 
wurde  denn  anch  umgehend  in  dankenswerter  Weise  von  der  Schulverwaltung 
dadurch  Abhilfe  geschaffen,  dafs  die  einzelnen  Klassen  Bänke  von  zwei-  bis 
dreifitch  verschiedener  Höhe  erhielten,  wodurch  fär  den  Körper  der  Kinder 
eine  gesündere  Haltung  im  Sitzen  ermöglicht  ist.  Auch  den  Heizungs-  und 
Ltlftungsanlagen  wurde  die  erforderliche  Aufmerksamkeit  geschenkt. 


Htferrttt  nbtx  neu  tx^^itntnt  f^üiat^üxA^t  3a\^xtibtxi^k. 


Jahresberieht  fiber  die  schulärztliche  Tätigkeit 
in  den  Mittel-  «nd  Stadtschulen  zn  Damstadt  1903/1904, 

erstattet  von  Dr.  Buohhold. 

Der  Bericht  erwähnt  zunächst  den  Zutritt  eines  fflnften  Schularztes. 
Gleichwie  in  Wiesbaden  ist  jetzt  auch  in  Darmstadt  die  jährliche  Unter- 
suchung der  Klassen  VIII,  VI,  lY,  I  vorgeschrieben. 

Die  Tabelle  la  gibt  die  Untersuchungsresultate  Aber  die  allgemeine 
Konstitntion  nach  Schulen  und  Geschlecht  getrennt;  TabeUe  Ib  umfafist  in 
gleicher  Weise  die  speziellen  Erkrankungsformen.  Tabelle  II  ergibt  dann 
noch  eine  summarische  Zusammenstellung  nach  £rkrankungsformen. 

Im  folgenden  sind  die  wichtigsten  TabeUenresultate  zusammengestellt, 
gleidizeitig  ist  die  Darmstädter  Klassifikation  der  speziellen  Krankheits- 
formen ersichtlich. 

untersucht  wurden  1597  Knaben  und  1684  Mädchen  (zusammen  3181). 
Allgemeine  Konstitution. 
Knaben: 


Ki«88e  ym: 

gut  2S7,  mittel  325, 

schlecht  13 

n         ^■■ 

.    171,      „      296, 

„       16 

r,         ^•• 

„    126.      ;      210, 

7 

1  = 

,      86,      „      107, 

4 

620             938 

39 

Mftdchen: 

Klasse  VIU: 

gat  184,  mittel  358, 

schlecht  36 

»         VI: 

,    148,      „      271, 

,       21 

»         IV: 

,    IM,      „      280, 

,       10 

I: 

n     73,      „      149, 

«         5 

554 


1058 


72 


168 


Die  prozentLsche  Vergleidmng  der  Gesamtschfller  ergibt: 
1901/1902:  gnt  30,59%,  mittel  66,397o,  schlecht  3,00% 
1902/1903:     „    32,67  7o,      ,      63,59«/o,       ,       3.64V» 
1903/1904:     .    36,727o,      ,      60,83«/*.       »       3,38% 

Bezflglich  der  speziellen  Erkrankongsformen  hebe  ich  folgende  Zahles 
nnd  Jahresrergleiche  (Yoijahr  io  Klammem)  hervor: 


KUsnfikation 

Knaben 

% 

Wdoben 

1.  BlatArmot 

&,8S  (6,02) 

7.18  (7,10) 

2.  Skrophalose 

0,08  (0.62) 

1,16  (0,96) 

8.  Bhaohitis 

1.92  (1,48) 

1,61  (1,11) 

4.  Wirbels&ole  and  Extremitäten .... 

0.64  (0,98) 

1,78  (0,64) 

5.  Mond.  Nise.  Hak 

7,22  (4,41) 

2,96  (1.85) 

6.  Bronchien.  Langen,  Pieora 

0,67  (0,80) 

0,67  (0,48) 

7   Hers  nnd  Henbeatel 

0,16  (0,87) 

0,88  (0,40) 

— 

— 

9.  Unterleibsbrfiohe 

0,60  (0,67) 

— 

10.  HanterkrMikaiigen 

1,16  (1,20) 

0.94  (0,86) 

11.  PwMiten 

0,38  (0,16) 

6,73  (6,75) 

12.  Aag«n 

8,08  (2,68) 

4,67  (8.66) 

18.  Ohren 

0,79  (1,14) 

1,19  (1,08) 

14.  SpraohfeUer 

0,98  (0,77) 

0,67  (0,«) 

16.  Gairtig«  Sohwioh« 

0,18  (0,81) 

0.16  (0,28) 

16.  Bpilepaie 

— 

— 

17.  Soiutige  allgemeine  Brknutkangen, 
sabjdttiye  Stomngen  osw 

0,66  (0.66) 

0,46  (0,27) 

Die  Prozente  sind  aaf  die  GesamtschOlerzahl  berechnet. 

Betreffend  die  Rabrik  „Angen''  ist  za  bemerken,  dafs  dort  auch  die 
Refiraktionsanomalien  neben  entzündlichen  Prozessen,  Defekten  nsw.  mit 
eingerechnet  sind.  Von  einer  besonderen  Rubrik  „Korzsichtigkeit''  wurde 
Abstand  genommen. 

Die  Fftlle  geistiger  Schwäche  sind  dadurch  geringer  geworden,  da6 
an  die  Hilfisschnle,  welche  jetzt  vier  Klassen  nmfabt  nnd  welche  einen  be- 
sonderen Bericht  erstattet,  mehr  Schüler  überwiesen  wurden.  Bei  den 
Fällen  von  geistiger  Schwäche  wurden  auffällig  oft  Erkrankungen  des  Ntsen- 
rachenraums  festgestellt. 

Bezflglich  der  Parasiten  bewährte  sich  bei  den  Knaben  die  Torschrift, 
das  Haar  kurz  geschnitten  zu  tragen. 


629  169 

Anch  der  Darmstftdter  Bericht  gibt  (wie  der  Breslaner)  in  den  Tabellen 
eine  zahlenm&lsige  Zosammenstellimg  der  Erkranknngsformen,  von  denen 
aber  mehrere  bei  einer  Person  vorkonunen  können.  Eine  BeifOgong  der 
Personenzahl  der  Erkrankten  dürfte  deshalb  noch  stattzufinden  haben.  Bei 
der  Personenzahl  der  sftmtlichen  üntersachten  von  3281  wurden  1650  Er- 
kranknngsformen  gefunden,  davon  auf  Klasse  YIII  =  617,  VI  =  455, 
IV  =  388,  I  =  190. 

Die  Anzahl  der 
abgehaltenen  Sprechstunden  bezw.  Schulbesuche  beträgt  245  (196  Yoxjahr), 
unter  dauernder  Überwachung  stehenden  Kinder        ^       573  (592       »     ), 
beim  Unterricht  zu  berücksichtigenden      „  „       224  (150       „     ), 

den  Eltern  gesandten  schriftlichen  Mitteilungen        „       448  (273       ^     ). 

Die  Teihiehmerzahl  an  den  Schulb&dern  war  in  der  YII.  und  YIII.  Klasse 
fast  die  gleiche  wie  in  den  höheren  Klassen. 

Bei  Entlassung  der  SchtQer  wurde  in  geeigneten  Fftllen  den  Eltern 
nach  einem  besonderen  Formular  Ratschlag  des  Schularztes  und  Lehrers 
angeboten  bezüglich  der  Berufswahl. 

Bei  Aufnahme  in  die  Hilfsschule  machte  sich  oft  Widerstand  der 
Eltern  bemerkbar. 

Hit  Zustimmung  der  Eltern  wurde  die  Schulzeit  in  der  Hil&schole 
über  das  14.  Lebensjahr  hinaus  verlängert.  Die  Schüler  werden  in  der 
Regel  erst  nach  zwe^ährigem  Unterricht  in  der  unteren  Klasse  der  Volks- 
schule in  die  Hilfsschule  aufgenommen.    Schülerzahl  91  in  rier  Klassen. 

Spezielle  Erkrankungsformen  kamen  in  der  Hilfisschule  (Dr.  LAKasDOBF) 
vor  in  Klasse  IV  =  14,  UI  =  26,  H  =  30,  I  =  14.  Die  Anzahl  der 
Sprechstunden  betrug  10,  der  Mitteilungen  an  die  Eltern  7. 

Dr.  GEBBEGKB-Breslan. 


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XVIII.  JahrgaDg.  1905. 


No.  10. 


Schulgesundheitspfles^.  XVIIL 


33 


632 


(Briginalab^nMnngeii. 


Nachruf  fttr  Hofrat  Dr.  PAüL  SOHÜBBRT 
den  Nttmberffer  Schulhygieniker. 

Vorgetragen  in  der  hygienischen  Sektion  der  schlesischea 

Gesellschaft  am  13.  September  1905 

im  Fürstensaale  des  Rathauses  zu  Breslau. 

Von 

Hermann  Cohn. 

Sehr  geehrte  Herren! 

Es  sind  jetzt  fast  30  Jahre  verflossen,  als  sich  bei  einer  VakaDZ 
in  meiner  Augenklinik  ein  Dr.  Paul  Schubert  als  Assistent  meldete. 
Bei  der  Auswahl  der  Assistenten  hat  es  der  Augenarzt  schwerer  als 
andere  Kliniker;  wir  brauchen  Männer,  die  mathematisch  und  speziell 
optisch  sehr  gut  vorgebildet  sind.  Aber  damit  ist  es  unter  der 
Studentenschaft  schlecht  bestellt.  Unter  zehn  Medizinern  im  achten 
Semester  finde  ich  immer  kaum  einen,  der  überhaupt  noch  einen 
Logarithmus  aufschlagen  kann;  die  meisten  schliefen  widerwillig 
ein  Buch,  wenn  cos.  x  ^^^^  taug,  d  vorkommt.  Fehlen  aber  mathe* 
matische  Kenntnisse,  '  so  erziehen  wir  wohl  gute  augen&rztliche 
Handwerker,  aber  Ic^ine  Ophthalmologen.  Dafs  aufserdem 
der  Assistent  eine  aufseilt  geschickte  Hand  haben  und  in  der  all- 
gemeinen Medizin  und  Bakteriologie  fest  sein  muis,  ist  selbst- 
verständlich; auch  mufs  er  natürlich  pünktlich,  penibel  sauber, 
fieifsig,  mit  den  anderen  Assistenten  verträglich  sein  und  selbst  mit 
dem  ärmsten  Patienten  liebevoll  und  human  zu  verkehren  verstehen. 

Ich  habe  bei  einigen  vierzig  Assistenten,  die  ich  herangebildet, 
meist  Glück  gehabt  und  sie  als  dankbare  Schüler  und  tüchtige 
Augenärzte  aus  meiner  Anstalt  scheiden  sehen.  Freilich  ist  mir 
aber  auch,  wie  jedem  andern  Chef,  grober  Undank  nicht  erspart 
geblieben. 


633^ 

Paul  Schubert  jedoch  war  in  jeder  Weise  ein  Mnsterassistent; 
in  allen  Gebieten  der  Medizin  wohl  bewandert;  er  hatte  eine  so 
geschickte  Hand,  dafs  ich  ihm  bald  das  Starmesser  am  Lebetiden 
übergeben  konnte;  er  war  mit  der  höheren  Mathematik  völlig  vertraut 
und  war  dabei  von  einer  Bescheidenheit  und  Liebenswürdigkeit 
gegen  Ärzte  nfad  Publikum,  dafs  ich  ihn  nach  etwa  zwei  Jahren, 
Ostern  1878,  nur  höchst  ungern  die  Klinik  verl&ssen  sah.  Es  hatte 
sich  bald  eine  wahre,  innige  Freundschaft  zwischen  Schubert  und 
mir  entwickelt,  die  uns  bis  an  sein  nur  allzu  früh  erfolgtes  Ende 
durchs  ganze  Leben  begleitete. 

Schubert'  war  am  17.  Januar  1849  in  Neilse  geboren.  Sein 
Vater  war  Landmann;  er  besuchte  anfangs  eine  Dorfschule,  spfitier 
die  städtische  Schule  in  Konstadt  in  Schlesien  und  dann  das  G-yml- 
oasium  in  Neisse,  an  welchem  er  kurz  vor  der  firanzösisohen  Kriegs- 
erklärung im  Juli  1870  das  Abiturientenexamen  glänzend  bestand. 
Seine  patriotische  Begeisterung  veranlafste  ihn,  ohne  erst  den  Ge- 
stellungsbefehl abzuwarten,  gegen  den  Willen  seiner  Eltern,  sogleich 
beim  6.  Schlesischen  Husarenregiment  als  Freiwilliger  einzutreten. 

Er  studierte  in  Breslau,  Berlin,  Wien  und  Würzburg,  wo  er 
1875  auf  Grund  einer  Dissertation  über  Physiologie  der  Ernährung 
promoviert  wurde  und  1876  das  Staatsexamen  vorzüglich  absolvierte. 

Dann  trat  er  in  meine  Klinik,  und  es  gelang  mir  zu  meiner 
Freude,  ihn  bald  für  diejenigen  Kapitel  der  Ophthalmologie  zu  ge- 
winnen, mit  denen  ich  mich  seit  langen  Jahren  speziell  beschäftigt, 
ftlr  die  Kapitel:  Kurzsichtigkeit,  Statistik  der  Augenkrankheiten, 
Beleuchtung,  Schulbänke  und  für  alle  Zweige  der  Augenhygienel 
und  er  ist  diesen  Kapiteln  treu  geblieben  sein  ganzes  Leben  lang 
und  hat  sie  in  treflf lieber  Weise  gefördert. 

Auch  in  der  Ohrenheilkunde  hat  er  sich  bei  Prof.  Politzer 
tüchtig  ausgebildet.  Dann  liefs  er  sich  im  Jahre  1879  in  Nürnberg 
als  Augen-  und  Ohrenarzt  nieder,  eröffnete  eine  eigene  Augen-  und 
Ohrenklinik,  die  bis  an  sein  Ende  blühte,  und  in  der  er  zahlreiche 
Schüler  ausbildete. 

Literarisch  war  Schubert  aufserordentlich  tätig  bis  Anfang 
dieses  Jahres,  wo  ihn  eine  höchst  schmerzhafte  Darmkrankheit  auf 
das  Kränkenlager  warf,  und  der  er  am  21.  August  d.  J.  nach 
schweren  Leiden,  die  er  mit  grofser  Geduld  ertrug,  erlag. 

Schon  •  früh  begann  Schubert  mit  der  literarischen  Arbeit. 
Unter  Zugrundelegung  der  Krankengeschichten  aus  meinen  klinischen 
Journalen  gab  er  1880  ein  lehrreiches  Buch  „Über  syphilitische 

33» 


634 

Augenkrankheiten^  (Verlag  Ton  Letto  in  Berlin)  heraus,  das  erste 
über  diese  Spezialität,  das  auch  heute  noch  wegen  seiner  Kasuistik 
und  Statistik  riel  zitiert  wird. 

Von  rein  okulistischeu  Arbeiten  verfalste  er  später  noch: 
„Beobachtungen  über  Amaurose  bei  Bleivergiftungen **  (1880),  „Über 
Retinitis  luetica''  (1881),  „Ober  Blepharospasmus''  (1884),  „Ober 
Pigmentpunkte  auf  der  vorderen  Kapsel''  (1887)  und  „Ober  Disti- 
chiasis^,  bei  der  er  die  Haarbälge  mittels  Elektrolyse  zerstörte  und 
so  sehr  genaue  Dosierungen  machen  konnte. 

Aber  seine  Hauptarbeitskraft  wandte  er,  wie  schon  oben  erwähnt, 
der  Augenhygiene  in  Schulen  zu,  in  der  er  unermüdlich 
25  Jahre  gearbeitet  und  sich  einen  unbestrittenen  Platz  unter  den 
ersten  Augenhygienikern  der  ganzen  Welt  erobert  hat.  Denn  alles, 
was  er  mitteilte  und  behauptete,  wurde,  oft  freilich  erst  nach  hartem 
Kampf,  als  reif  und  wahr  befunden.  £r  hat  nichts  von  älteren 
Behauptungen  zurückzunehmen  brauchen. 

Auch  verdient  es  Erwähnung,  dafs  er  sowohl  in  Sammelwerken 
wie  in  Beins  Handbuch  der  Pädagogik  und  in  den  Pädagogischen 
Blättern  für  Lehrerbildung,  sowie  in  seinen  Nürnberger  Vereinen 
wichtige  Kapitel,  wie  Farbenblindheit,  Augenkrankheiten,  Steil- 
schrift, Kurzsichtigkeit,  populär  dargestellt,  d.  h.  in  jener  trefflichen, 
populären  Weise,  die  keine  Hypochondrie,  aber  auch  keine 
Oberhebung  im  Wissen  erzeugt. 

Schuberts  beste  Arbeiten  sind  der  Steilschrift  gewidmet 
Schon  in  den  sechsziger  Jahren  hatten  wir  bei  einer  groüsen  Statistik 
über  die  Kurzsichiigkeit  der  Kinder  nach  allen  möglichen  Drsaehen 
gesucht  und  besonders  die  Beleuchtung  und  die  Schulbänke  zu  der 
Frage  herangezogen,  aber  die  »Schriftrichtung"  nur  flüchtig  als 
schädlich  behandelt.  Erst  die  ausgezeichneten  Arbeiten  von  Schubert 
im  Jahre  1881  über  Schriftrichtung  und  Körperhaltung 
lösten  die  wichtige  Frage  in  der  exaktesten  Weise  und  müssen  daher 
besonders  gewürdigt  werden. 

Es  gibt  bekanntlich  vier  Lagen,  in  denen  das  Heft  vor  dem 
Schreibenden  liegen  kann:  1.  in  gerader  Mittellage,  2.  in  gerader 
Rechtslage,   3.  in  schiefer  Mittellage  und  4.  in  schiefer  B.echtslage. 

Schubert  wies  nach,  dafs  bei  gerader  Mittellage  die  Augen 
den  rechts-schiefen  Schriftzügen  leicht  folgen;  doch  ist  dabei  technisch 
eine  solche  Schrift  unausführbar,  da  die  anatomiechen  Verhältnisse 
des  Handgelenks  yerhindem,  den  Federhalter  so  zu  drehen,  dafs  die 
Striche  schräg  von  oben  rechts  nach  unten  links  gerichtet  werden. 


685 

Schubert  wies  ferner  naob,  dafs  bei  gerader  Rechtslage  die 
Schiefisohrift  wohl  ansgefohrt  werden  kann;  allein  das  linke  Auge 
mnfs  beim  Verschieben  des  Heftes  nach  rechts  einen  fünfmal 
gröfseren  Bogen  beschreiben  als  das  rechte,  was  sehr  bald  nn- 
ertrftglich  wird.  Femer  macht  bei  maximaler  Bechtswendung  das 
linke  Ange  am  Anfang  der  Zeile  eine  Rechts wendung  von  25  bis 
27^,  beim  Fixieren  des  Endes  der  Zeile  eine  Wendung  von  48^. 
Es  werden  also,  selbst  wenn  man  das  Papier  nur  10  cm  nach  rechts 
rückt,  maximale  und  zum  Teil  unmögliche  Forderungen  von  den 
Rechtswendem  des  Blickpunktes  verlangt.  Diese  kann  das  Kind 
auf  die  Dauer  nicht  aushalten. 

Wollte  man  diese  Ermüdung  durch  Kopfdrehung  kompensieren, 
so  müfste  man  den  Kopf  um  S4®  drehen,  aber  auch  hierbei  würde 
bald  Ermüdung  eintreten,  da  die  maximal  mögliche  Drehung  des 
Kopfgelenks  nur  45^  beträgt.  Um  die  Ermüdung  zu  beseitigen, 
wird  also  der  Rumpf  nach  rechts  gedreht  und  so  der  Zerfall  der 
Stellung  eingeleitet  werden,  der  zur  gefürchteten  Annäherung  des 
Auges  an  die  Schrift  führt. 

Ferner  wies  Schubert  nach,  dafs  bei  der  Rechtslage  des 
Heftes  der  An&ng  der  Zeile  der  Schrift  um  2,  die  Mitte  um  3, 
das  Ende  um  4  cm  dem  rechten  Auge  näher  sein  müsse  als  dem 
linken,  was  zu  ungleichmäfsiger  Akkomodation  führen  und  durch 
Rumpfdrehung  umgangen  werden  würde. 

Bei  der  schiefen  Rechtslage  laufen  die  Zeilen  schräg  von 
links  unten  nach  rechts  oben.  Zu  den  geschilderten  Übelständen 
der  graden  Rechtslage  kommt  nun  noch  eine  neue  Schwierigkeit 
hinzu.  Die  Basallinie,  das  ist  bekanntlich  die  die  Mittelpunkte 
beider  Augen  verbindende  wagerechte  Linie,  soll  wag[erecht  stehen. 
Hier  mufs  sie  aber  durch  Raddrehung  der  Augen  den  schräg  in 
die  Höhe  laufenden  Zeilen  folgen.  Da  die  Netzhäute  nun  nicht 
mehr  symmetrisch  liegen,  müssen  im  peripherischen  Gesichtsfelde 
Zerstreuungskreise  entstehen.  Deshalb  neigt  man,  wie  Schubert 
nachwies,  den  Kopf  nach  der  linken  Schulter,  solange  die  Basal- 
linie parallel  zur  Zeilenrichtung  steht,  und  diese  gefürchtete  Stellung 
leitet  wieder  den  Zerfall  der  Körperhaltung  ein. 

Wir  sehen  die  Richtigkeit  von  Schubbrts  Behauptungen  durch 
alltägliche  Beobachtungen.  Wir  halten  jedes  Buch  und  jedes 
Zeitungsblatt  senkrecht,  um  die  Grundstriche  senkrecht  und  die 
Basallinie  wagerecht  zu  stellen.  Bei  grader  Kopfhaltung  können 
wir,    wenn  wir  das  Blatt  in  eine  schräge  Mittellage  drehen,    nicht 


.636 

lesen.     Wir   können   keine  Münze    lesen,    ohne   die  Münze 
oder  den  Kopf  zu  drehen. 

Endlich  ist  erwiesen,  dais  die  schiefe  Mittellage  die  Übelst&nde 
der  ersten  und  dritten  L^e  verbindet,  und  daher  empfahl  Schubbrt 
mit  Recht,   die   gerade  Mittellage  mit  senkrechter  Schrift. 

Auch  sei  noch  erwähnt,  dais  Schubert  durch  Tausende  von 
Beobachtungen  erwies,  da£s  gerade  das  rechte  Auge  am  häuEgsten 
das  kurzsichtigere  oder  das  stärker  brechende  war,  da(s  bei 
915  Kindern  Nürnbergs  in  34%  und  dafs  bei  21949  von  anderen 
Autoren  untersuchten  Kindern  3263  rechts  stärkere  Brechung  hatten. 

Sehr  schöne  Beobachtungen  hat  Schubert  gemacht,  indem  er 
mit  einem  eigenen  sinnreichen  Apparate  die  Haltung  des  Kopfes  der 
Kinder  von  hinten  beobachtet  hat  (Demonstration  des  Apparates). 
Bei  Tausenden  von  Messungen,  die  der  unermüdliche  machte,  konnte 
er  feststellen,  dais  die  Kopfhaltung  bei  der  schrägen  Mittellage 
schlechter  ist  als  bei  gerader  Mittellage,  und  dais  die  Schiefneigung 
des  Kopfes  abhängig  ist  von  der  Richtung  der  Zeile.  Bei  gerader 
Mittellage  betrug  bei  400  Schreibversuchen  die  Linksneigung  2,8^ 
bei  543  Versuchen  mit  schiefer  Mittellage  7,9®.  Also  kann  nur  die 
Zeilenrichtung  die  stärkere  Linksneigung  bei  schräger  HefÜage 
bedingenl 

Wir  müssen  zum  Studium  aller  feinen  Proben  von  Schubert 
auf  das  Original  verweisen,  auf  die  schöne  stereometrische  Arbeit 
Schuberts  in  Gräfes  Archiv  (Band  32,  Abteilung  I,  1884),  »Über 
die  Haltung  des  Kopfes  beim  Schreiben'*,  welche  leider,  da  es 
sich  vielfach  um  sin.  ^  und  taug,  v  handelt,  von  vielen  Hygienikem 
nicht  studiert  und  auch  wohl  schwer  verstanden  werden  wird.  Und 
doch  ist  diese  Frage  von  der  gröfsten  hygienischen  Bedeutung,  denn 
die  Erzielung  einer  guten  Haltung  ist  die  beste  Prophylaxe  der 
Schulmyopie. 

Aber  noch  eine  sehr  praktische  Seite  der  Frage  mulSs  als  ein 
Verdienst  von  Schubbrt  besonders  gerühmt  werden.  Er  zeigte,  dais 
diese  Steilschrift  eine. gute  Gelegenheit  bietet,  auch  bei  den  häus- 
lichen Arbeiten  der  Schüler  gerade  Haltung  zu  erzwingen. 
Gerade  Schrift  kann  nur  bei  gerader  Mittellage  in  gerader 
Haltung  ohne  Seitwärtskrümmung  des  Körpers  überhaupt  geschrieben 
werden;  in  einer  andei*en  Heftlage  ist  es  gar^ nicht  möglich,  sie  aus^ 
zuführen.  Daher  ist  alles  Hocken  und  Schiefsitzen  bei 
Steilschrift  ausgeschlossen,  selbst  wenn  die  Kinder  ohne 
Aufsicht  sind.    Die  Schie&chrift  kann  aber  in. allen  tadelnswerten 


v637 

Heftlagen  geschrieben  werden.  Die  Steilschrift  birgt  eben  nicht  in 
sich  selbst  wie  die  Schiefschrift  den  Keim  znm  Schiefsitzen,  Schief- 
wnchs  nnd  Knrzsiohtigkeit. 

Zehn  Jahre  später,  1895,  zeigte  Schcbbrt  durch  graphische 
Darstellung  nach  Parallelversuchen,  welche  in  München,  Nürn- 
berg, Fürth,  Würzburg  und  Zürich  bei  Steilschrift  und  Schrägschrift 
gemacht  wurden,  dafs  die  Kopfneigung  nach  links  und  die  Schulter- 
neiguDg  nach  links  viel  häufiger  bei  Schrägschrift  als  bei  Steil- 
schrift sind. 

Nach  fün^ährigen  Beobachtungen  und  nach  eingehender  rein 
sachlicher  .Diskussion  mit  B.emboli>  und  Berlin,  den  Verteidigern 
der  alten  Schrägschrift,  konnte  Schubert  seine  Arbeit  1895  mit 
folgenden  Sätzen  schliefsen: 

a)  dals  das  Schreiben  bei  gerader  Mittellage  des  Heftes  in  den 
Schulen  irgendwelchen  Schwierigkeiten  nicht  begegnet,  und 

b)  dals  durch  diese  .Heftlage  die  schiefe  Schreibhaltung  sowohl 
der  Häufigkeit  als  dem  Grade  nach  wesentlich  vermindert 
wird. 

„Die  Steilschrift  hat  also  ihre  Probe  bestanden,  schloDs  Schubert. 
Sache  der  Behörden  wird  es  nun  sein,  auf  diese  Prüfungsergebnisse 
hin  nicht  mit  einem  zaudernden  „Ja,  aber*",  sondern  mit  einem  tat- 
kräftigen „Ja,  also"  zu  antworten." 

Der  wissenschaftliche  Streit  ist  beendet,  Schubert  ist  nicht 
widerlegt  worden.  Wenn  die  Steilschrift  trotz  alledem  noch  nicht 
allgemein  eingeführt  ist,  so  trifft  Schubert  keine  Schuld;  aber  sie 
wird  so  sicher  allgemein  werden  wie  die  Einführung  von  Schulärzten^ 
gegen  die  ja  der  Kampf  auch  jahrzehntelang  gedauert  hat. 

Übrigens  wies  auch  Schubert  aus  der  Geschichte  der  Hand- 
schriften nach,  dafs  man  früher  fast  nur  Steilschrift  geschrieben 
habe;  er  veröfifentlichte  zahlreiche  Abbildungen  von  älteren  Hand- 
schriften, die  das  Germanische  Museum  in  Nürnberg  enthält,  und 
zeigte,  dafs  bis  zum  14.  Jahrhundert  die  Zeilen  der  Handschriften 
wagerecht  und  die  Grundstriche  in  alten  Briefen  und  Urkunden  senk- 
recht waren,  und  er  konnte  Hunderte  von  Handschriften  durch- 
mustern, ehe  er  eine  nach  rechts  aufsteigende  Zeile  oder  einen 
schrägen  Grundstrich  fand.  Man  hatte  ihm  erwidert,  die  alten  Hand- 
schriften bewiesen  nichts,  da  man  damals  langsamer  schrieb. 
Schubert  ist  auch  der  Ansicht,  dals  man  schräger  zu  schreiben 
begann,  um  schneller  schreiben  zu  können.  Aber  auch  in  dieser 
Beziehung   mache    man  sich  übertriebene  Vorstellungen.     Denn   es 


638 

fichrieb  z.  ß.  AoAifBBRT  im  Jahre  886  den  Kommentar  des  Hiero- 
nymus  zn  Jeremias,  welcher  182  Blatt  mit  je  S2  Zeilen  enthält, 
binnen  einem  Monat. 

ScHUBBBT  aber  hatte  ja  keineswegs  behauptet,  dals  die  senkrechte 
Schrift  sich  zur  Schnellsohrift  eigne,  sondern  er  wollte  durch  die 
Schriftproben  ans  der  alten  Zeit  nur  dartnn,  dafs  unsere  Vorfahren 
schon  in  Mittellage  geschrieben  haben,  und  dafs  also  diese  Heftlage 
nicht  eine  unphysiologische  sein  und  nicht  den  Bewegunt^sgesetzen 
der  Hand  zuwiderlaufen  könne;  denn  es  würde  absurd  sein,  anzu- 
nehmen, dafs  man  seit  Erfindung  der  Buchstabenschrift  bis  in  die 
neuere  Zeit  beim  Schreiben  eine  unbequeme  und  naturwidrige  Hand- 
bewegung vorgezogen  haben  soll,  nur  weil  man  mehr  übrige  Zeit 
gehabt  habe  als  heute. 

Wie  jeder  denkende  Arzt,  interessierte  sich  auch  Schubert  für 
die  Geschichte  der  Medizin,  und  ihm  namentlich  ist  es  zu  ver- 
danken, dafs  ein  medizinisch-geschichtliches  Kabinett  im  Germanischen 
Museum  in  Nürnberg  gegründet  wurde,  welches  von  vielen  Ärzten 
unterstützt  wird  und  höchst  interessante  Apparate  und  Bücher  enthfilt. 

Er  hat  meist  sehr  merkwürdige  historische  Details  in  seine 
Aufsätze  eingefiochten.  So  teilt  er  in  seinem  Aufsatz  über  Schiefer- 
tafeln, in  dem  er  für  weifse  Tafeln  plädierte,  von  welchen  die 
Lehrerschaft  nichts  wissen  wollte,  im  Jahre  1886  folgendes  bisher 
Unbekannte  mit :  ^Im  Jahre  1485  waren  in  Nürnbergs  Lateinschulen 
noch  Wachs  tafeln  in  Gebrauch,  wie  zur  Zeit  des  alten  B.om.  Die 
auf  schmutziggrauem  Wachs  eingeritzten  Buchstaben  konnten  natürlich 
nur  mit  relativ  grofser  Anstrengung  lesbar  sein;  dennoch,  setzt 
Schubert  treffend  sarkastisch  hinzu,  zweifle  ich  nicht,  dafs  es  auch 
damals  Lobredner  ,der  altbewährten  Wachstafeln^  gegeben  hat,  welche 
dieselben  als  bestes  und  zweckmäJsigstes  Utensil  in  der  Volksschule 
priesen." 

Aber  nicht  blofs  mit  der  Schrift,  sondern  auch  mit  dem  Druck 
hat  sich  Schubert  eingehend  beschäftigt.  Er  hat  nicht  nur  in  Ge- 
meinschaft mit  Dr.  Neubürger  in  Nürnberg  alle  bayerischen  Schul- 
bücher auf  Buchstabengröfse,  Dicke  usw.  wiederholentlich  untersucht 
und  sie  in  drei  Katogerien,  in  gute,  mittlere  und  schlechte,  eingeteilt, 
indem  er  denselben  meine  Mafse  zugrunde  legte  und  dem  Ministerium 
wiederholt  berichtete,  sondern  er  hat  auch  einen  neuen  Faktor  hinzu- 
gefügt, nämlich  die  Druckdichtigkeit.  Die  Buchstaben  mehrerer 
Zeilen  zählte  er  zusammen  und  dividierte  die  gefundene  Zahl  der 
von  diesen  Zeilen  eingenommenen  Quadratzentimeter.    In  guten  ge- 


639 

drackten  Büchern  war  sie  7  bis  8,  in  schlecht  gedruckten  16  bis  23. 
Diese  Prüfung  ist  allerdings  umständlich  und  zeitraubend,  wie 
ScHUBEBT  mir  selbst  später  zugab;  viel  einfacher  ist  sie  mit  meinem 
Zeilenzähler,  bei  welchem  nur  abgezählt  wird,  wie  viele  Zeilen 
in  einem  Quadratzentimeterloche  sichtbar  sind;  mehr  wie  zwei  sind 
schädlich. 

Auch  bezüglich  der  Vorhänge  in  den  Schulen  hat  uns  Schubert 
durch  ein  Modell  eine  Bereicherung  gegeben,  durch  ein  nach  ameri- 
kanischer Art  in  alle  Stellungen  vorzuziehendes,  oben,  unten  oder 
in  der  Mitte  festzustellendes  Rouleau.  Auch  empfahl  er  Kathedral- 
glas, das  in  mehreren  Schieberahmen  im  unteren  Fensterviertel 
hintereinander  geschaltet  ist  und  zum  Schutz  gegen  die  Sonne  wie 
bei  den  Waggonfenstem  emporgehoben  werden  und  in  jeder  Lage 
in  Ruhe  bleiben  kann.  — 

Bei  der  gro&en  Zahl  von  Fabrikarbeitern  in  Nürnberg,  die  bei 
Schubert  Hilfe  suchten,  mufste  er  natürlich  auch  der  Frage  der 
Schutzbrille  nähertreten,  und  er  erfand  eine  Schutzbrille,  welche 
den  Arbeiter  vor  dem  seitlichen  Hineinspringen  durch  Drahtgitter 
schützte,  während  das  Glas  beibehalten  werden  konnte,  welches  der 
Arbeiter  zum  Sehen  braucht.  Die  Gläser,  welche  Drahtgitter  rings 
um  das  Auge  haben,  weichen  beim  Umbinden  von  der  Stimebene  ab, 
bekommen  eine  Neigung  nach  der  Schläfe,  und  der  Fixierpunkt  wird 
von  einem  Gewirr  von  Drahtstäbchen  verdeckt.  Schuberts  Vor- 
richtung aber,  die  nur  5  g  wiegt  und  an  jedem  Brillengestell  be- 
festigt werden  kann,  beeinträchtigt  das  Gesichtsfeld  nicht.  Da  be- 
kanntlich die  Arbeiter  die  Brillen  überhaupt  nicht  lieben,  so  ist 
diese  Schutzbrille  ihnen  immer  noch  lieber  als  die  üblichen. 

Sein  Hauptinteresse  aber  wandte  Schubert  in  den  letzten  Jahren 
namentlich  der  praktischen  Frage  der  Einführung  von  Schul- 
ärzten zu;  gehört  doch  Nürnberg  zu  den  Städten,  die  zu  allererst 
in  Deutschland  Schulärzte  auf  seinen  Rat  einführte.  Freilich  wurden 
ihm  seine  Bestrebungen  in  Nürnberg  leichter  gemacht  als  mir  und 
anderen  Ärzten  in  anderen  Städten;  er  hatte  eine  Kommission  zur 
Seite,  die  immer  zur  rechten  Zeit  auf  seine  Vorschläge  einging. 

Schubert  betrachtete  es  als  seine  Aufgabe,  in  die  Redaktion 
eines  besonderen  Teils  der  ausgezeichneten  Zeüschrift  für  Schtd- 
gesundheitspflege,  der  unter  dem  Titel  j^ScJmlaris^^  seit  drei  Jahren 
erscheint,  einzutreten.  Das  Material  ist  auch  jetzt  so  kolossal  ge- 
wachsen, dals  wir  17  stattliche  Bände  der  Zeitschrift,  die  Kotblmank 
1887  begonnen  und  Erismann  eifrig  fortsetzt,  vor  uns  haben.    Die 


640 

Zeitsohrift  war  und  ist  eine  Fundgrube  ftir  die  gesamte  Sohulliygiene; 
sie  ist  samt  dem  „SchtUarzt"^  allen  Schulärzten  und  Behörden  voll- 
kommen unentbehrlich  geworden. 

In  den  Jahren  1904  und  190Ö  erschienen  viele  Aufsätze  von 
Schubert  in  seiner  Zeitschrift  über  daa  Schularzt wesen  in 
Deutschland,  die  auch  ab  Buch  bei  Vofs  in  Hamburg  in  diesem 
Jahre  herausgegeben  worden  sind,  und  die  die  Ergebnisse  einer 
Umfrage  bei  den  Magistraten  und  Kreisärzten  in  mehr  als  hundert 
deutschen  Städten  mit  550  Schulärzten  enthalten. 

Mit  gröDster  Gründlichkeit  hat  Schubsrt  hier  die  Schularzt&age, 
die  allgemeinen  Beziehungen  derselben,  die  verschiedenen  Arten  der 
Überwachung  der  Kinder,  alle  Formulare,  die  Überwachung  der  all- 
gemeinen und  individuellen  Hygiene,  die  Malsregeln  gegen  die  In- 
fektionskrankheiten usw.  dargestellt.  Wir  finden  hier  aus  114  Städten 
alles  über  die  Voruntersuchung  der  Lemanfänger,  ihre  Konstitution, 
Wägung,  Messung,  Gesundheitsbogen,  Überwachungsschüler  und  die 
Unterauchung  der  Kinder  während  der  späteren  Schulzeit,  betreff» 
der  Sprechstunde  im  Schulhause  und  beim  Arzte,  über  die  Zuziehung 
von  Spezialärzten,  über  die  Überwachung  des  Schulhauses  und  seiner 
Einrichtungen,  über  Hygiene  des  Unterrichts  und  der  Unterrichts- 
mittel, über  hygienische  Vorträge,  über  das  Honorar  der  Schulärzte, 
kurz  alles,  was  nur  einen  Schularzt  interessieren  kann,  mit  Schubert- 
scher  Gründlichkeit  dargestellt  und  beurteilt. 

Nur  wer  selbst  einmal  ein  ähnliches  Sammelwerk  angeregt  und 
durchgearbeitet  hat,  wie  ich  es  bei  der  Eixquete  über  die  Augen- 
eiterungen  bei  Neugeborenen  vor  zehn  Jahren  getan,  kann  den 
immensen  Fleifs  und  die  gute  Kritik  von  Schubert  schätzen. 

Wie  Schubert  von  allen  Fachgenossen  geehrt  wurde,  konnte 
man  am  besten  bei  dem  grofsen  internationalen  Kongrefs  für 
Schulhygiene  im  vorigen  Jahre  in  Nürnberg  sehen.  Seinen  rast- 
losen Bemühungen  war  es  gelungen,  mit  Prof.  Gbiesbach  ein  aus- 
gezeichnetes Programm  für  diesen  KongreCs  aufzustellen,  die  geeigneten 
Redner  aus  allen  Ländern  für  die  vielen  Vorträge  zu  gewinnen  und 
die  riesigen  Vorarbeiten  für  den  Kongrefs,  der  über  Erwarten  glänzend 
verlief,  als  Generalsekretär  des  Kongresses  zu  bewältigen.  Dort 
konnte  man  auch  sehen,  wie  geehrt  und  beliebt  Schubert  bei  allen 
Kollegen  des  Inlandes  und  des  Auslandes  war,  und  wie  jeder  Arzt 
nicht  nur  die  reichen  Kenntnisse  und  Leistungen,  sondern  auch  die 
liebenswürdigen  Formen  dieses  wahrhaft  vornehmen  Kollegen  zu 
schätzen  wufste. 


641 

Es  ist  einleuchtend,  dals  ein  Mann,  der  sich  nm  unser  Spezial- 
gebiet so  verdient  gemacht  hat,  von  allen  Faohgenossen  tief  betrauert 
wird.  Er  verschied  am  21.  August  d.  J.  in  Nürnberg  in  den  Armen 
seiner  zärtlich  geliebten  Frau  und  seines  hoffnungsvollen  Sohnes,  der 
bald  seine  medizinischen  Studien  beendet  haben  wird.  Das  Familien- 
leben war  ein  überaus  glückliches. 

Aber  nicht  blois  die  Wissenschaft  und  die  Familie  trauert  um 
ihn,  sondern  man  kann  sagen,  die  ganze  Stadt  Nürnberg,  was 
sich  durch  die  ungeheure  Beteiligung  der  Einwohnerschaft  aus  allen 
Kreisen  der  Stadt  bei  seiner  Beerdigung  zeigte;  denn  er  hatte  ver- 
standen, seine  bedeutenden  Geistesgaben  und  seine  vortrefflichen 
Charaktereigenschaften  auch  zum  Besten  der  Allgemeinheit  zu  be- 
nutzen. Fand  er  doch  auch  noch  Zeit,  als  liberaler  Stadtver- 
ordneter fleifsig  für  Nürnbergs  Wohl  zu  arbeiten.  Sehr  treffend 
schrieb  Dr.  Franeenbürgbr  in  der  Nürnberger  Zeitung:  „Schubert 
war  das  Ideal  eines  Arztes.  Er  war  allen,  die  ihm  vertrauten» 
nicht  nur  ein  Helfer,  sondern  ein  Freund,  und  für  jeden  seiner 
Patienten,  ob  hoch,  eb  niedrig,  hatte  er  die  gleiche  Hil&bereitschaft, 
die  gleiche  Sorgfalt,  die  gleiche  Liebenswürdigkeit.  Grerade,  offen 
und  ehrlich,  aber  von  seltener  Herzensgüte  und  herzgewinnender 
Liebenswürdigkeit,  stellte  er  sich  denen  gegenüber,  welche  ihm  als 
Freunde  nahe  treten  durften.  Es  war  ein  Genufs,  mit  ihm  vertraut 
zu  plaudern,  von  ihm  Belehrung  und  Anregung  zu  ziehen.  Dabei 
war  er  seinen  Freunden  ein  treuer,  stets  hilfi-  und  tatbereiter  Freund.*^ 

So  ist  er  geschieden,  verehrt  von  Kranken  und  von  Kollegen 
und  Freunden. 

Geehrte  Herren  1  Zum  Andenken  an  einen  Mann,  der  so  viel 
und  so  Bleibendes  für  das  Wohl  der  Schuljugend  geleistet,  ersuche 
ich  Sie,  sich  von  den  Plätzen  zu  erheben,  zur  letzten  Ehrung  für 
Paul  Schubert. 


642 


AnfsXtze  and  Schriften  von  HoCrat  Dr.  SCHUBERT. 

Zusammengestellt  von  H.  Cohn,  ergänzt  von  F.  Erismann. 

1875.  „Die  Physiologie  der  Ernährung^  (Verdanang,  Sfifteweg,  Atmnng) 
vor  der  Entdeckung  des  Blutkreislaufes.  Inaugnral-Dissertation, 
Würzburg. 

1880.  „Amaurose  bei  Bleivergiftung."    ÄrßÜ.  InteUigene-Blatij  München. 

1881.  y,Über  den  Einflufs  rechtsschiefer  Schrift  auf  das  Auge  des  Schul- 

kindes."    Ärßti.  Intelligene-Blatt,  München,  Nr.  6. 
„Über  syphilitische  Augenerkrankungen."    Berlin,  Yeriag  von  Panl 

Letto. 
„Zur  Kasuistik  der  Retinitis  luetica." 

1882.  „Über  den  Einfluls  der  Schiefschrift  auf  die  Augen  der  Kinder.* 

ÄreÜ,  Inielligene-Blatt,  München,  Nr.  21. 
„Über  die  Pflege  des  Auges  in  der  Schule."    Fränkischer  Kurier, 
Nürnberg,  16.,  17.  und  18.  Januar,  und  Beiblatt  der  Karrespon- 
äene  von  und  für  Deutschland. 

1883.  „Aspergillus  mycose."     Deutsches  ArcJnv  für  hUniscIie  Medmn. 

1884.  „Über  den  heutigen  Stand  der  Schiefschriftfrage."    Berliner  klinische 

Wochenschrift.  Referat  an  die  mittelfränkische  Ärztekammer  1883. 
„Über  die  Schiefertafel."     Tagespresse. 

1885.  „Die  Steilschriftfrage."     Berliner  klinische  Woc^ienschrift.    Berlin, 

und  Schubert  (Eine  Entgegnung  von  Prof.  Berlin  und  Hedi- 

zinalrat  Dr.  Rbmbold). 
„Antwort  auf  die  Entgegnung  von  Prof.  Berlin."  (Dieselbe  Zeitschrift.) 
„Die    BERLiNsche  Polemik    auf    dem   Ophthalmologenkongrefs   in 

Heidelberg." 
„Bericht  über  das  zweite    ohrenärztliche  Lustrum."     Archiv  für 

Ohrenheilkunde,  Band  XXX. 

1886.  „Über  die  Haltung  des  Kopfes  beim  Schreiben.     Graefes  ÄrcMv, 

32.  Jahrg. 

1887.  „Ein  Fall  von  Blepharospasmus."  Münch.  med.  Wochensdir.,  Nr.  28. 

1888.  „Arbeiterschutzbrillen. " 

1889.  „Über  Heftlage  und  Schriftrichtung.**    Zeitschrift  für  Schulgestmä- 

heitspflege,  Nr.  2. 

„Zur  Verteidigung  der  Steilschrift."     Dieselbe  Zeitschrift,   Nr.  8. 

„Fadenpilze  in  der  Nase."     Berl.  klin.   Wochenschr.,  Nr.  39. 

„Dr.  August  Kreitmbier  f"  Münch.  med.  Wochenschr.,  Ne- 
krolog bei  Enthüllung  der  Büste  Krbitmbibrs  in  der  Poliklinik 
zu  Nürnberg. 

1890.  „Über  senkrechte  Schrift  in  Schulen."     Nach  einem  am  23.  Okt. 

1890  im  Verein  für  öff.  Gesundheitspflege  zu  Nürnberg  gehaltenen 
Vortrage.     (S.  ebenfalls  Bayerische  Lehrerjgig.    Jan.  1891.) 
„Über    Steilschriftversuche    in    Schulen.**      Zeitschrift  für   Schul- 
gesundheitspflegCf  Nr.  1. 


64a 

„Stahlfeder  und  Steilschrift/    Zeiischrift  für  das  Österreich,  Volks- 

schuhoesen,  XI. 
„Bericht  über  die  10.  Yersammlung  befreundeter  süddeutscher  und 

schweizerischer  Ohren&rzte  zu  Nürnberg^  am  25.  Mai  1890  im 

Hause  Schuberts. 

1891.  „Über  senkrechte  Schrift.''     Bericht  über  die  21.   Vers,  der  OpJi- 

ihalmologischen  QeseUschafi  in  Heidelberg. 
„Über  Pigmentpnnkte  auf  der  vorderen  Kapsel.^     Daselbst. 
„Über  Steilschrift.''      Wim,  med,   Wochensehr,,  XLI. 
„Für  die  Steilschrift.''     Freie  SchtOsftg.,  XVHI.  Jahrg.,  XHI. 

1892.  „Bericht  über  die  Sitzungen  der  Steilschriftkommission  des  Vereins 

ftlr  öff.  Gesundheitspflege  zu  Nürnberg."  Zeitschrift  für  Schul- 
gemndheitspflege^  Nr.  10. 

„Über  Messungen  der  Schreibhaltung  in  den  Volksschulen  zu  Nürn- 
berg im  Schuljahr  1890/91."  Mü/ndi.  med.  Wochenschr.,  XXI, 
Beilage. 

„Steilschrift  oder  Schrägschrift?"     BlätL  f.  d,  S(^ulpraxi8,  X. 

1893.  ,,Über    die   hygienische  Bedeutung  der   senkrechten  Schulschrift. " 

Pädagog.  Blätter  für  Lehrerbildung,  Heft  I. 

1894.  „Hilfsschulen  für  schwachsinnige  Kinder."  Münch.  med.  Wochensdir,, 

XLU. 
„Über  Steilschrift."    Ck)mptes  rendns  du  VUI.  Congr.  intern.  d'Hyg. 

et  de  D^mogr.    Tome  III. 
„Eingabe  der  Kommission  für  Schulgesundheitspflege  in  Nürnberg 

an  den  dortigen  Magistrat  wegen  Einrichtung  von  Heilkursen  für 

Stotterer."     Zeitschrift  für  Schulgesundheitspflege,  Nr.  2. 
„Über  Speisung  unbemittelter  Schulkinder."    Vortrag  in  der  Sitzung 

der  Komm.  f.  Schulgesundheitspfl.  in  Nürnberg.    (Zeitschrift  für 

Schulgesundheitspflege,  1895,  Nr.  8  u.  9.) 

1895.  „Die  Steilschrilt  während  der  letzten  fünf  Jahre."    Zeitschrift  für 

Schulgesundheitspflege^  Nr.  3  u.  4. 
„Über  Steilschrift."     Neue  Bahnen,  VI. 
„Bericht  über  die  Kommission  für  Schulgesundheitspflege." 

1896.  „5.  Versammlung  der  otologischen  Gesellschaft  in  Nürnberg." 
„Znr  Schularztfrage."    Ref.,  erstattet  an  die  Komm.  f.  Schulgesund- 

heitspflege  in  Nürnberg.     Zeitschrift  für  Schulgesundheitspflege, 

Band  IX,  Nr.  t),  7  u.  8; 
1898.    „Bericht  über  die  Gesnndheitsverhältnisse  und  Gesandheitsanstalten 

in  Nürnberg."    Bericht  d.  Komm.  f.  Schulgesundheitspfl.,  1898. 
»Steilschrift."     W.  Reins  Encykl.  Handbuch  d.  Pädagogik. 
„Kurzsichtigkeit."     An  dems.  Orte. 
„Augengläser."     An  dems.  Orte. 
„Augenkrankheiten."     Au  dems.  Orte. 

„Über  Schulfenster  und  Vorhänge."  Münch,  med.  Wochenschr.,  Nr.  14. 
^Über    künstliche  Beleuchtung    vom   augenärztlichen  Standpunkt.  ** 

Hygienische  Bundschau,  Nr.  21. 
„Bemerkungen  über  die  Fibelschrift  des  Herrn  Spibser.    Zeitschrift 

für  Schulgesundheitspflege,  Nr.  8  u.  9. 


»* 


644 

1899.  „Über  Steilscbrift  und  Schrägschrift."     Festschrift    zur   24.  Ver- 

sammluDg  des  Deutschen  Vereins  far  öffentliche  Gesundheitspflege 

in  Namberg. 
„Vorschläge  zum  weiteren  Ausbau  des  Schnlarztwesens."    ZeUscknfl 

für  Sckulgesundheitapflege,  Nr.  8  u.  9. 
„Bedeutung  und  Aufgaben  des  Schularztes.'*     (Dieselbe  Zeltschrift) 

und  Bericht  über  die  24.  Versammlung  des  Deutschen  Vereins 

ftlr  öffentliche  Gesundheitspflege  zu  Nflrnberg.     (S.  auch  Diseh. 

Vieriefjährsschr.  f,  öff.  Gemnöheitspfl,,  XXXII,  1.  H. 

1900.  ,,Soll  der  Schularzt  durch  den  Lehrer  ersetzt  werden?"   Zdischrifi 

für  SehtOgesundhätspflege^  Nr.  11. 

1901.  „Die  Nürnberger  Schulbank. "^     (Dieselbe  Zeitschrift,  Nr.  2.) 
^Nochmals  die  Nürnberger  Schulbank."    (Dieselbe  Zeitschrift,  Nr.  9.) 

1902.  „Taubstummenuntersuchungen  an  den  Anstalten  von  Nürnberg,  Zell 

und  Altdorf."     Festschrift   zur  Feier  des  50jährigen  Bestehens 
des  ärztlichen  Vereins  Nürnberg,  1902. 

1904.  „Das  Schuktrztwesen  in  Deutschland.  **    Bericht  für  den  14.  inter- 

nationalen medizinischen  Kongrefs  in  Madrid,  April  1904,  Sektion 
für  Hygiene,  Sitzung  vom  25.  April.  (Auszug  aus  dem  folgenden.) 

1905.  „Das   Schularztwesen  in  Deutschland.*'     Leopold  Voss,    Hamburg. 

(S.  auch  „Der  Schularzt'',  1903/04.) 

Ohne  Angabe  der  Jahreszahl: 

„Veröffentlichungen  und  Referate"  in  der  Zeitschrift  fnr  Sdiul- 
gesundheifspflege  und  im  SchtdarzL 

„Farbenblindheit.^  W.  Rbtns  Encyklopädisches  Handbuch  der 
Pädagogik. 

„Untersuchungen  über  Rückgratsverkrümmungen  in  der  Schule.** 

„Arbeiten  über  Bücherdruck.** 

„Ausgewählte  Kapitel  der  Augenheilkunde.**  Aus:  Moderne  Heil- 
methoden. 

„Augenerkrankungeu  durch  die  Einwirkung  des  elektrischen  Licht- 
bogens."    Ärztlkhe  Sachverständigen-Zeitung. 

„Über  intrakranielle  Komplikationen  der  Otitis  und  deren  operatiTe 
Behandlung.''     Müncfi.  med.   Wochenschr. 

„Über  die  hygienische  Bedeutung  der  senkrechten  Schulschrift." 
Pädagogische  Blätter  für  Lehrerbildung. 

„Ein  Galvanokauter  für  das  Trommelfell.** 

„Der  Schwabacher  Federhalter  zur  Beseitigung  der  krummen  Haltung 
beim  Schreiben."     ÄrzÜ.  Intelligenzbl,  München. 

„Über  die  Pflege  des  Auges  in  der  Schule."     Tagespresse. 

„Über  die  Schiefertafel.**     Ebenda. 

„Bericht  über  das  zweite  ohrenftrztliche  Lustrum.**  Archiv  für 
Ohrenheilkunde,  Bd.  XXX. 

„Weltletter**,  Referat  über  Dr.  BüRQERSTEINs  gleichnamige  Ab- 
handlung, und  andere  Referate. 


645 


Von  der  Redaktion. 
Zum  Andenken  Schuberts. 

Der  vorstehende  Nachruf,  den  Hbrm.  Cohk  unserem  Freunde 
und  treuen  Mitarbeiter  Paul  Schubert  gewidmet  hat,  ist  umfassend 
und  von  warmem  Gefflhl,  wie  es  seit  beinahe  30  Jahren  den  jetzt 
noch  rüstigen  Lehrer  mit  dem  nun  dahingeschiedenen  Schüler  ver- 
bunden hat,  durchdrungen.  Er  entwirft  ein  schönes  Bild  der  wissen- 
schaftlichen Leistungen  Schuberts  und  namentlich  auch  seiner  Be- 
deutung für  die  Ausbildung  der  Schulhygiene  in  Theorie  und  Praxis. 

und  dennoch  drängt  es  uns,  auch  unsererseits  dem  Verblichenen 
noch  einige  Worte  der  Anhänglichkeit  und  der  Dankbarkeit  zu  widmen 
für  die  freundschaftliche  Gesinnung,  die  er  der  Zeitschrift  für  Schul- 
g&tundheäspflege  vom  ersten  Momente  ihres  Erscheinens  an  bewiesen 
bat,  und  für  die  treue  Mitarbeiterschaft,  deren  sie  sich  von  seiner 
Seite  bis  zum  letzten  Augenblicke  erfreut  hat.  Wes  das  Herz  voll 
ist,  des  laufb  der  Mund  über. 

Das  obige  Verzeichnis  der  von  Schubert  veröffentlichten  Arbeiten, 
«las  übrigens  trotz  der  grofsen,  auf  seine  Zusammenstellung  verwendeten 
Mühe  kaum  ganz  vollständig  sein  dürfte,  zeigt,  dafs  alle  grundlegenden 
Anschauungen  Schuberts  über  die  Steilsohrift,  die  Heftlage  und  die 
Körperhaltung  beim  Schreiben,  sowie  seine  wesentlichsten  Arbeiten 
über  die  Schularztfrage  und  ein  greiser  Teil  seiner  übrigen  Veröffent- 
lichungen auf  dem  Gebiete  der  Schulhygiene  in  der  Zeitschrift  für 
Schidgestmdheilspflege  erschienen  sind.  Unter  den  vorhandenen  17 
Bänden  der  Zeitschrift  gibt  es  sozusagen  nicht  einen,  in  welchem 
nicht  Schubert  als  Autor  von  Originalabhandlungeo,  als  Bericht- 
erstatter über  Versammlungen  oder  als  Verfasser  literarischer  Be- 
sprechungen aufträte.  Und  seine  Arbeiten  waren  immer  nach  Inhalt 
und  Form  derart,  dafs  sie  der  Zeitschrift  zu  grofser  Zierde  dienten. 
Sie  hatten  den  Keiz  der  Originalität  und  der  Selbständigkeit.  Und 
wenn  er  auch  öfters  in  immer  neuen  Publikationen  sich  den  von 
ihm  mit  besonderer  Überzeugungstreue  verfolgten  Ideen  der  Steil- 
schrift und  der  Schularzteinrichtung  zuwandte,  so  wufste  er  doch 
immer  der  Sache  wieder  eine  neue  Seite  abzugewinnen,  neues 
Beweismaterial  für  das,  was  er  als  das  Richtige  betrachtete,  bei- 
zubringen. 


646 

Unter  diesen  Umständen  war  es  begreiflich,  dals,  als  es  sich 
vor  einigen  Jahren  darum  handelte,  alles  auf  die  Schularztfrage  Be- 
zügliche in  einer  besonderen  ßeilage  zu  den  Monatsheften  der  Zeit- 
schrift —  dem  y^Schularete^  —  zu  sammeln  und  die  Redaktion  durch 
eine  zweite  Kraft  zu  verstärken,  nur  Schubert  in  Frage  kommen 
konnte.  Wir  sind  ihm  tiefen  Dank  schuldig  für  die  Bereitwilligkeit, 
mit  der  er  die  seinerzeit  in  diesem  Sinne  an  ihn  ergangene 
Eünladung  annahm,  sowie  auch  für  den  Eifer,  mit  welchem  er 
sich,  trotz  seiner  anderweitigen  grofsen  Arbeitsbelastung,  dieser  neuen 
Aufgabe  unterzog.  In  fruchtbarster  Weise  wufste  er  diese  Stellung 
unter  anderem  dadurch  auszunutzen,  dafs  er  auf  dem  Zirkularwege 
bei  den  deutschen  Städten  genaue  Erkundigungen  über  die  Schularzt- 
institution einzog  und  das  so  gewonnene  reichhaltige  Material  mit 
enormem  FleiTse  verarbeitete.  Es  entstand  auf  diese  Weise  das 
zuerst  in  zahlreichen  Nummern  des  j^SchulargV'  und  nachher  als  be- 
sonderer Band  erschienene  Werk  ^Das  Schularztwesen  in  Deutsch- 
land^, das  eine  erschöpfende  Darstellung  der  derzeitigen  Entwicklung 
der  ärztlichen  Schulaufsicht  in  Deutschland  gibt  und  das  seinem 
Verfasser  sowie  der  deutschen  Literatur  über  Schulgesundheitspäege 
zur  Zierde  gereicht.  Dasselbe  ist  eine  reiche  Fandgrube  für  jeden, 
der  sich  ernsthaft  mit  der  Frage  über  die  Organisation  des  schulärzt- 
lichen Dienstes  befassen  will. 

Neben  der  Selbständigkeit  des  Denkens,  neben  dem  umfassenden 
Wissen  und  der  grofsen  Arbeitskraft  war  es  vor  allem  auch  die  seiner 
Herzensgüte  entstammende  Liebenswürdigkeit  im  Verkehr,  welche 
Schubert  auszeichnete  und  welche  den  Umgang  mit  ihm  so  sehr 
erleichterte.  Diese  Charaktereigenschaft  Schuberts  hier  besonders 
zu  erwähnen,  ist  nötig,  weil  sie  nach  aufsen  in  ungemein  wohltuender 
Weise  in  die  Erscheinung  trat  und  weil  sie  das  liebe  Bild,  das  wir  von 
dem  Hingeschiedenen  in  unseren  Herzen  behalten,  vervollständigen 
hilft.  Diese  Eigenschaft  war  es  auch,  welche  seiner  Polemik  mit 
wissenschaftlichen  und  literarischen  Gegnern  den  Stempel  der  Vor* 
nehmheit  aufdrückte  und  ihn  vor  der  leider  heutzutage  nicht  seltenen 
persönlichen  Anfeindung  Andersdenkender  bewahrte. 

So  ist  es  begreiflich,  dafs  man  Schubert  sowohl  auf  dem  engeren 
Gebiete  seiner  praktischen  Tätigkeit  als  auch  in  weiteren  Kreisen 
ein  sozusagen  unbegrenztes  Vertrauen  entgegenbrachte,  und  dab  er 
trotz  seiner  Bescheidenheit  überall  in  den  Vordergrund  gestellt  wurde, 
wo  es  galt,  eine  tüchtige  Kraft  zu  gewinnen  oder  einen  Mann  der 
Wissenschaft  in  verdienter  Weise  auszuzeichnen. 


«47 

Beispielsweise  sei  nach  dieser  Bichtung  hin  folgendes  erwähnt: 
Im  Jahre  1889   hat  die  Nürnberger   medizinische  G-esellschaft 
ScHUBBBT  zn  ihrem  Vorsitzenden  erwählt. 

1890  wnrde  Sohubbrt  znm  Vorsitzenden  des  in  Nürnberg 
tagenden  X.  Kongresses  süddeutscher  nnd  schweizerischer  Ohrenärzte 
gewählt. 

1891  wurde  ihm  der  Vorsitz  einer  aus  Nürnberger  Schulvor- 
stehem  und  Ärzten  bestehenden  Kommission  zur  Förderung  der 
Steilschrift  übertragen. 

1892  ist  Sohubbrt  für  die  65.  Versammlung  deutscher  Natur- 
forscher und  Ärzte  zu  Nürnberg  die  Einführung  in  die  Sektion  für 
Ohrenheilkunde  übertragen  worden.  —  In  demselben  Jahre  wurde 
er  zum  Vorsitzenden  der  vom  Verein  für  ö£fentliche  Gesundheits- 
pflege in  Nürnberg  gebildeten  Sektion  für  Schulgesundheitspflege 
ernannt. 

1894  wurde  Sohubbrt  als  einer  der  Ehrenpräsidenten  der  schul- 
hygienischen Sektion  des  VIII.  internationalen  Kongresses  für  Hygiene 
und  Demographie  in  Budapest  bezeichnet. 

1895  hat  der  ungarische  Landesverein  für  Hygiene  aus  Anlafs 
des  Vni.  internationalen  Kongresses  für  Hygiene  und  Demographie 
in  Budapest  Schubert  zu  seinem  Ehrenmitgliede  ernannt. 

1896  wurde  Schubert  durch  das  Vertrauen  seiner  Mitbürger  in 
das  Kollegium  der  Stadtverordneten  berufen. 

1902  wurde  ihm  der  Titel  eines  kgl.  bayr.  Hofrates  verliehen. 

190S  wurde  ihm  das  Generalsekretariat  des  l.  internationalen 
Kongresses  für  Schulgesundheitspflege,  der  im  Jahre  1904  in  Nürn- 
berg stattfinden  sollte,  übertragen. 

1905,  wenige  Tage  vor  seinem  Tode,  wurde  Schubert  zum 
wissenschaftlichen  Direktor  der  neuerrichteten  Taubsiummenschule  in 
Nürnberg  ernannt;  es  war  ihm  leider  nicht  vergönnt,  die  Eröffnung 
dieses  Institutes  —  am  1.  September  1905  —  zu  erleben. 

Die  letzte  grofse  Leistung  Schuberts  war  die  Bewältigung  der 
ungeheuren  Arbeit,  welche  ihm  die  Übernahme  des  Generalsekretariats 
des  l.  internationalen  Kongresses  für  Schulgesundheitspflege  auferlegte 
und  der  er  sich  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  nicht  entziehen 
konnte,  denn  es  war  wohl  mit  Rücksicht  auf  seine  Persönlichkeit 
Nürnberg  als  Versammlungsort  gewählt  worden.  Hier  trat  nun 
Schubert  mit  seiner  ganzen  gewaltigen  Arbeitskraft  ein  und  erfüllte 
voll  und  ganz  die  Hoffnungen,  die  man  allerseits  auf  ihn  und  seine 
Leistungsfähigkeit  gesetzt  hatte.    Ohne  die  gewiis  grofsen  Verdienste 

SchnlgetaDdheitspfle^e.  XVIII.  34 


648 

seiner  Mitarbeiter  zu  verkennen,  darf  man  doch  sagen,  dais  der 
Erfolg  des  Kongresses  zu  einem  guten  Teile  dem  gewesenen  Greneral- 
Sekretär  zu  verdanken  ist.  Als  äufseres  Wahrzeichen  dieses  Erfolges 
dienen  die  vier  stattlichen  Bände,  in  denen  der  Bericht  über  den 
Kongrefs  niedergelegt  ist  und  deren  Redaktion  an  Schubert  noch- 
mals ungewöhnliche  Anforderungen  stellte.  War  es  zu  verwundem, 
dals  ScHUBSRT  nach  Vollendung  dieser  gewaltigen  Arbeit  sich  körper- 
lich reduziert  fühlte  und  der  Ruhe  und  Erholung  bedurfte?  So 
falsten  wir  Fernerstehenden,  die  über  die  Natur  des  Leidens,  das 
sich  seit  Anfang  dieses  Jahres  in  seinem  sonst  so  starken  Organismus 
entwickelte,  nicht  orientiert  waren,  die  Sache  auf,  als  ScHUBfifiT  sich 
im  Frühjahr  nach  dem  südlichen  Tirol  begab.  Wir  hielten  9einen 
krankhaften  Zustand  für  eine  Folge  der  vorausgegangenen,  lange 
dauernden  körperlichen  und  geistigen  Überanstrengung  und  hofften, 
ihn  bald  wieder  gesund  und  rüstig  auf  seinem  Posten  zu  finden. 
Unsere  Hoffnung  sollte  grausam  getäuscht  werden.  Einige  Wochen 
vor  seinem  Tode  schon  erhielten  wir  in  einem  Briefe  seines  Sohnes  zu- 
gleich mit  der  Mitteilung,  dafs  der  Vater  immer  noch  krank  darnieder- 
liege,  Andeutungen  über  die  verhängnisvolle  Natur  des  Leidens. 
Und  dann  am  22.  August  das  kurze  und  traurige  Telegramm:  „Papa 
gestern  abend  sanft  entschlafen.^  .... 

Die  Zeitschrifl  für  Schulgesundheüspflege  hat  einen  grolsen  Verlust 
erlitten.  Mit  allen  denen,  welchen  die  Schulhygiene  und  das  Wohl 
der  lernenden  Jugend  am  Herzen  liegt,  betrauen  wir  den  Hinscheid 
eines  treuen  Freundes.  Und  wenn  er  für  uns,  wenn  er  für  alle 
diejenigen,  mit  welchen  und  für  welche  er  arbeitete,  so  viel  bedeutete, 
um  wieviel  mehr  mag  er  denen  gewesen  sein,  die  durch  Familien- 
bande mit  ihm  verknüpft  waren!  Ihre  unermefsliche  Trauer  möge 
einen  Trost  in  dem  Bewufstsein  finden,  dafs  ihr  Gatte  und  Vater 
nicht  umsonst  gelebt  und  sich  in  den  Herzen  aller,  die  mit  ihm  in 
nähere  Berührung  kamen,  ein  schönes  Denkmal  gesetzt  hat.  Er 
wird  uns  unvergeislich  sein.  .  .  . 


649 


'Oberbfirdungspsychosen  bei  minderwertigen  Kindern. 

Von 

Dr.  phil.  Theobob  Hbllbb, 
Direktor  der  Erziehungsanstalt  Wien-Grinsing. 

Das  Überbürdnngsproblem  ist  in  letzterer  Zeit  wiederholt  von 
pädagogischen  und  ärztlichen  Autoren  bearbeitet  worden.  Die  all- 
gemeinen Ergebnisse  dieser  Untersuchungen  können  als  bekannt 
vorausgesetzt  werden,  ich  möchte  zur  Ergänzung  der  letzteren  an 
dieser  Stelle  eine  Beihe  von  Beobachtungen  anführen,  die  beweisen, 
dais  bei  abnormen  Kindern,  insbesondere  bei  den  nervösen  und 
imbecillen,  unter  der  Einwirkung  der  Überbürdung  Störungen  des 
geistigen  Gleichgewichts  entstehen  können,  die  den  Charakter  einer 
Psychose  tragen  und  einer  entsprechenden  heilpädagogischen  Be- 
handlung bedürfen.  Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  kurz  erwähnen, 
dafs  die  häufigste  Psychose  der  Pubertätsjahre,  die  Hebephrenie,  oft 
auf  dem  Boden  einer  abnormen  Veranlagung  entsteht  und  durch 
allzugrofse  unterrichtiiche  Anforderungen  als  nächste  Ursache  ver- 
anlafst  wird.  Die  folgenden  Beobachtungen  sind  jedoch  der  Hebe- 
phrenie nicht  zuzuzählen,  wie  in  jedem  einzelnen  Falle  durch  eine 
eingehende  psychiatrische  Untersuchung  nachgewiesen  werden  konnte. 

1.  Knabe,  geb.  1886.  Die  Eltern  des  Knaben  sind  gesund, 
doch  scheint  eine  erbliche  Belastung  vorhanden  zu  sein,  da  die 
Grofsmutter  mütterlicherseits  an  epileptischen  Anfällen  litt.  Der 
Knabe  wurde  in  früher  Kindheit  von  Malaria  befallen  und  blieb 
seither  in  seiner  geistigen  Entwicklung  beträchtlich  zurück.  Trotz- 
dem absolvierte  er  die  Elementarschule  ohne  erhebliche  Schwierig» 
keiten  und  bestand  die  Aufnahmsprüfung  in  ein  Gymnasium.  Hier 
fiel  dem  Jungen  die  Auffassung  des  Unterrichts  sehr  schwer.  Er 
erhielt  einen  Hauslehrer,  der  ihm  nach  den  Schulstunden  den  Unter- 
richt noch  einmal  erteilen  mufste.  Dieser  Nachhilfeunterricht  nahm 
ofl  drei  bis  vier  Stunden  in  Anspruch.  Über  freie  Zeit  verfügte 
der  Junge  nicht,  da  auch  die  Sonn-  und  Feiertage  zum  gröfsten 
Teil  zum  Unterricht  verwendet  wurden.  Der  Knabe  liels  es  an 
FleiTs  nicht  fehlen.  Trotzdem  mufste  er  am  Ende  des  ersten  Schul- 
jahres zu  einer  Nachprüfung  verhalten    werden,   wodurch  auch   die 

34* 


650 

Ferien  für  ihn  verloren  gingen.  Die  Schwierigkeiten  hftnften  sieh 
im  zweiten  Schuljahr,  in  dem  er  einen  anderen  Hanslehrer  erhielt, 
der  mit  grofiser  Strenge  vorging  und  ihn  oft  wegen  seiner  vermeint- 
lichen Nachl&Bsigkeit  scharf  zur  Bede  stellte.  Wfthrend  dieser  Zeit 
verlor  der  Junge  seine  frühere  Munterkeit;  er  wurde  verschlossen, 
sonderte  sich  ab  und  war  oft  derart  reizbar,  daCs  es  zu  unan- 
genehmen AuseinandersetzuDgen  mit  den  Eltern  kam.  Auch  sein 
Aussehen  änderte  sich  auffUlig;  er  wurde  deshalb  der  Masturbation 
verdächtigt,  doch  konnte  man  diesbezüglich  trotz  verschiedener, 
dem  Jungen  sehr  peinlicher  Nachforschungen  keine  Gewüsheit  er- 
langen. Zu  Beginn  des  dritten  Jahres  sahen  sich  die  Eltern  ver- 
anlafst,  den  nunmehr  vierzehnjährigen  Knaben  einem  Pensionat  zu 
übergeben.  Hier  hatte  er  viel  unter  der  Verspottnog  seiner  Kame- 
raden zu  leiden.  Mit  den  Aufgaben  kam  er,  obzwar  er  oft  bis  in 
die  späte  Nacht  aufblieb,  nicht  zu  Ende.  Als  er  am  Schlüsse  des 
ersten  Semesters  ein  schlechtes  Zeugnis  erhielt,  stellte  sieh  tiefe 
Depression  ein;  er  schlofs  sich  in  sein  Zimmer  ein,  wollte  nicht 
essen,  sich  nicht  zu  Bett  begeben.  Auch  äufserte  er  Selbstmord- 
gedanken und  drohte,  sich  zum  Fenster  hinauszustürzen.  Trotzdem 
gelang  es  dem  Zureden  der  Mutter,  ihn  vorübergehend  zu  be- 
schwichtigen. Er  kehrte  in  das  Pensionat  zurück,  nahm  seine 
Studien  wieder  auf,  war  aber  vollkommen  gleichgültig,  machte  trotz 
aller  Ermahnungen  keine  Aufgaben,  nahm  oft  keine  Bücher  in  die 
Schule  mit  und  schien  derart  zerstreut,  dals  die  Professoren  den 
Eltern  den  Rat  gaben,  ihn  aus  der  Schule  zu  entfernen.  Er  kehrte 
nach  Hause  zurück,  wo  er  die  Eltern  durch  sein  verstörtes  Wesen 
in  Angst  versetzte.  Tagelang  sprach  er  kein  Wort,  brütete  dumpf 
vor  sich  hin;  dann  war  er  zeitweise  sehr  reizbar,  schrie, 
schimpfte,  warf  die  Türen  zu,  beschuldigte  die  Eltern,  sie  wollten 
ihn  zugrunde  richten,  er  sei  das  Stiefkind  usw.  Bisweilen  entlief 
er,  irrte  längere  Zeit  auf  den  Strafsen  hemm  und  kam  dann  ver- 
stört und  mit  glühendem  Kopf  nach  Hause  zurück.  Die  Elteni, 
aufs  äufserste  erschreckt,  brachten  ihn  auf  Anraten  eines  hervor- 
ragenden Nervenarztes  im  Mai  1901  in  meine  Anstalt.  Hier  zeigte 
er  längere  Zeit  tiefe  Apathie,  doch  war  er  gehorsam  und  benahm 
sich  sehr  anständig.  Am  Unterricht  nahm  er  im  Anfang  nicht  teil, 
doch  zeigte  er  Interesse  für  verschiedene  Arbeiten  in  der  Schul- 
werkstätte und  im  Garten.  Der  Beschäftigungsplan  trug  dieser 
Vorliebe  des  Knaben  Bechnung.  Er  wurde  zum  Oärtner  ausgebildet 
und   fand  an   diesen  Arbeiten  aulserordentlich  viel  Freude.    Dabei 


651 

erlangte  er  immer  gröfsere  Selbständigkeit,  so  dals  er  am  Schlüsse 
des  zweiten  Jahres  die  Pflege  des  Blumengartens  vertretungsweise 
übernehmen  konnte.  Sein  Wesen  hatte  sich  vollkommen  geändert. 
Er  war  wieder  heiter  und  fröhlich  geworden,  nahm  auch  am  unter- 
richte teil,  der  sehr  malsvoll  und  nur  zu  dem  Zwecke  gegeben 
wurde,  um  ihm  die  für  das  praktische  Leben  notwendigen 
Kenntnisse  und  Fertigkeiten  zu  vermitteln.  Sein  Aussehen  war 
blühend.  Gkinz  beträchtlich  hatte  seine  Intelligenz  zugenommen, 
was  sich  namentlich  in  der  Zweckmäüsigkeit  der  auf  die  Pflege  des 
Gartens  bezüglichen  Handlungen  zeigte.  Seinem  eigenen  Wunsche 
entsprechend  kam  er  nach  zweijährigem  Anstaltsaufenthalt  in  eine 
niedere  landwirtschaftliche  Schule.  Seit  heuer  ist  er  Volontär  auf 
einem  gröfseren  Gute,  wo  er,  soviel  ich  höre,  recht  fleiüng  und  zur 
Zufriedenheit  seines  Chefs  arbeitet. 

Während  sich  im  vorstehend  beschriebenen  Fall  die  Psychose 
als  eine  depressive  Störung  manifestiert  hatte,  tritt  in  den  beiden 
folgenden  Fällen  der  ethische  Defekt  besonders  auffallend  hervor. 

2.  Mädchen  aus  einer  angesehenen  Wiener  Familie,  geboren 
1889.  Die  Geburt  verlief  sehr  schwer,  im  ersten  Lebensjahre 
stellten  sich  Konvulsionen  ein.  Das  Kind  entwickelte  sich  späterhin 
körperlich  befriedigend,  war  aber  geistig  stark  zurückgeblieben,  so 
dals  erst  im  achten  Lebensjahre  mit  dem  Schulunterrichte  begonnen 
werden  konnte.  Während  der  beiden  Jahre,  in  welchen  es  die 
öflfentliche  Schule  besuchen  durfte,  machte  das  Kind  im  Verkehr  mit 
seinen  allerdings  zumeist  um  zwei  Jahre  jüngeren  Mitschülerinnen 
einen  durchaus  normalen  Eindruck,  fiel  durch  seine  Munterkeit  und 
seine  Frische  angenehm  auf.  Die  scheinbare  Leichtigkeit,  mit 
welcher  das  Mädchen  dem  elementaren  Unterricht  folgte,  brachte 
die  Eltern  auf  den  unglücklichen  Gedanken,  das  Kind,  welches 
mittlerweile  zehn  Jahre  alt  geworden  war  und  sich  körperlich  sehr 
gekräftigt  hatte,  nunmehr  daheim  in  der  Weise  unterrichten  zu 
lassen,  dafs  das  Lehrziel  der  dritten  und  vierten  Klasse  in  einem 
Jahre  erreicht  werde.  ^  Auf  diese  Weise  hofften  sie  den  durch  den 
verspäteten  Beginn  des  Schulbesuches  bedingten  Zeitverlust  wieder 
hereinzubringen.  Es  fand  sich  auch  eine  Lehrerin,  die  bereit  war, 
dieses  abgekürzte  Lehrverfahren  nach  dem  Wunsche  der  Eltern 
durchzuführen.      Nunmehr   begann   für   das   bedauernswerte   Kind, 


^  In  Osterreich  wird  in  allen  Schalen  bei  der  Zählung  der  Klassen  mit 
der  antenten  begonnen. 


652 

welches  die  Entfemusg  aus  der  öffentlichen  Schule  sehr  schmerzlich 
empfand,  eine  Zeit  schlimmster  Üherbürdung.  Die  Lehrerin  sachte 
durch  grofse  Strenge  die  Aufmerksamkeit  des  Kindes  wfthrend  einer 
täglich  ununterbrochen  dreistündigen  Unterrichtszeit  zu  erzwingen 
und  überhäufte  das  Mädchen  überdies  noch  mit  Hausaufgaben.  Zur 
selben  Zeit  wurde  das  für  Musik  gänzlich  unbegabte  Mädchen  noch 
mit  Klavierstunden  gequält.  Die  Undurchführbarkeit  des  ein- 
geschlagenen Lehrverfahrens  zeigte  sich  bald  darin,  dafs  das  Kind 
nicht  entsprach,  die  Aufgaben  nicht  vollständig  oder  sehr  unordent- 
lich machte.  Darüber  wurde  seitens  der  Lehrerin  Klage  bei  den 
Eltern  geführt,  die,  in  der  Meinung,  es  fehle  dem  Kinde  an 
gutem  Willen,  es  sei  nur  verspielt  usw.,  mit  Strafen  und  Er- 
mahnungen nicht  sparsam  waren.  Bald  zeigte  das  vorher  aufrichtig 
gewesene  Kind  den  Hang  zum  Lügen.  Diese  Lügen  betrafen 
nicht  blofs  sein  Verhältnis  zur  Lehrerin,  um  die  Nachlässigkeit 
seiner  häuslichen  Arbeiten  zu  beschönigen.  In  diesen  Lügen  prägte 
sich  auch  deutlich  der  Hafe  gegen  die  Hausgenossen  aus,  von  denen 
sich  jeder  berufen  fühlte,  das  Kind  zu  moralisieren  und  ihm  seine 
Fehler  vorzuhalten.  Diese  Abneigung  führte  auch  bald  zu  dem 
Bestreben,  anderen  Schaden  zuzufügen.  So  wies  die  Schürze  der 
Schwester  Schnitte  auf,  das  Dienstmädchen  fand  ihre  Brosche  ver- 
bogen und  mit  herausgerissenen  Steinen,  der  Lehrerin  selbst  war 
der  Hut  durch  Auszupfen  der  Schmuckfedem  verunstaltet  u.  dgl.  m. 
Alle  diese  Übeltaten  stellte  das  Mädchen  in  Abrede,  obzwar  es 
nach  den  bestehenden  Verhältnissen  niemand  sonst  getan  haben 
konnte.  Auch  wurde  es  mitunter  in  flagranti  ertappt,  so  z.  B.  ein- 
mal, als  es  mit  voller  Absichtliohkeit  und  in  aller  Buhe  ein  Butter- 
brot wiederholt  mit  der  fetten  Seite  auf  die  stoffbezogenen  Salon- 
möbel drückte.  Während  sich  allmählich  dieser  ethische  Bückgang 
einstellte,  änderte  sich  das  Aussehen  des  Kindes;  es  wurde  bleich, 
afs  weniger,  magerte  ab  und  war  in  der  Nacht  oft  stundenlang 
wach.  Allen  Bekannten  fiel  diese  Veränderung  im  Aussehen  des 
Mädchens  auf.  Weiterhin  entwickelte  sich  als  nervöses  Symptom 
eine  auTserordentliche  Reizbarkeit,  so  dafs  es  oft  zu  häfsliohen 
Exzessen  kam.  Dabei  zeigte  es  eine  vollkommene  Gleichgültigkeit 
gegen  Strafen.  Schliefslich  war  die  Familie  durch  das  obstinate 
Betragen  der  Kleinen  so  erregt,  dafs  man  beschlois,  das  Kind  in 
ein  gut  empfohlenes  Töchterpensionat  nach  Deutschland  zu  bringen. 
Von  dort  kamen  schon  in  den  ersten  Wochen  viele  Klagen  über 
ungebührliches   Betragen,    Faulheit   und   geringes    Ehrgefühl.     Als 


653 

aber  das  Kind  anlä&lich  eines  Kirchganges  seinen  Platz  im 
Grotteshanse  verunreinigt  hatte,  wnrde  die  sofortige  Abholnng 
mit  gröfster  Dringlichkeit  verlangt.  Charakteristisch  für  den 
damaligen  sittlichen  Tiefstand  des  Kindes  ist  die  Antwort  auf  die 
Frage  der  Mutter,  warum  es  die  letzterwähnte  Schändlichkeit  be- 
gangen habe:   „Ich  habe  es  getan,  um  von  dort  wegzukommen l*' 

Im  Frühjahr  1901  wurde  das  Mädchen  von  der  Mutter  in  meine 
Anstalt  gebracht;  bei  der  Aufnahme  erzählte  die  Dame  vor  dem 
Kind  alle  Übeltaten,  die  es  in  der  letzten  Zeit  vollbracht  hatte, 
ohne  dals  dieses  Sündenregister  auf  das  Kind  irgendwelchen  Ein- 
druck gemacht  hätte.  Ich  gewann  nach  längerer  Beobachtung  die 
Überzeugung,  dafs  dem  Kinde  von  seinen  eigenen  Eltern  durch  die 
beobachtete  Methode  fortwährenden  Moralisierens  das  Bewufstsein 
seiner  eigenen  Minderwertigkeit  und  Schlechtigkeit  beigebracht 
worden,  dals  die  ursprünglich  vielleicht  auf  normale  Ursachen 
zurückzuführende  Fehlerhaftigkeit  des  Kindes  durch  die  von  der 
autoritativsten  Seite  erfolgte  beständige  Verurteilung  seiner  Hand- 
lungen zu  einem  so  hochgradigen  ethischen  Defekt  erwachsen  sei. 
Bestätigt  wurde  diese  Annahme  durch  den  ersten  Besuch  der  Mutter 
und  der  Schwester,  bei  welchem  die  letztere,  ein  Kind  von  acht 
Jahren,  sich  gleichfalls  berufen  fühlte,  seiner  Schwester  in  einer 
unangenehm  frühreifen  Art  Moral  zu  predigen.  In  der  Anstalt 
kam  man  dem  Kinde  mit  grofsem  Wohlwollen  entgegen;  auf  meine 
Veranlassung  sprach  niemand  von  seinem  früheren  ungehörigen 
Verhalten.  Da  ich  mich  mit  der  Erziehungsmethode  der  Eltern 
nicht  einverstanden  erklären  konnte,  bat  ich  die  Dame,  so  lange  ihre 
und  die  Besuche  der  Verwandten  zu  sistieren,  bis  eine  entschiedene 
Besserung  des  Zustandes  eingetreten  sei.  In  der  Anstalt  wurde  es 
wenig  durch  unterrichtliche  Anforderungen  in  Anspruch  genommen; 
vielmehr  fand  es  Anregung  und  Beschäftigung  im  Haushalt  und 
im  Garten.  Gerne  benutzte  man  jede  Gelegenheit,  das  Kind 
zu  loben,  sein  gedrücktes  Selbstbewufstsein  aufzurichten.  Es 
schien  allmälich  die  vorangegangene  böse  Zeit  zu  vergessen,^ 
niemand  konnte  sich  über  sein  Verhalten  in  irgendeiner  Weise  be- 
klagen,  es  kam  zu  keiner  Sachbeschädigung,  nie  kam  eine  Lüge 
über  seine  Lippen.  Merkwürdigerweise  sprach  das  Kind  nie  von 
seinen  häuslichen  Verhältnissen  und  äufserte  auch  nicht  den  Wunsch, 
seine  Verwandten  zu  sehen  oder  zu  sprechen.  Nach  mehreren 
Wochen  gab  ich  die  Erlaubnis  zu  einem  Wiedersehen  zwischen 
Mutter  und  Tochter.     Die    erstere    hatte    ich   zuvor  von    der   ver- 


654 

ftnderten  Sachlage  unterriohtet  und  sie  dringend  gebeten,  das  Ver- 
gangene ruhen  zu  lassen  und  die  Kleine  wohlwollend  zu  behandeln. 
Später  wurden  die  Besuche  häufiger,  auch  gestattete  ich  Spazier- 
gange in  die  nächste  Umgebung.  Das  Verhältnis  zwischen  Kind, 
den  Eltern  und  G^eschwistem  gestaltete  sich  sehr  liebevoll  und  nach 
zehnmonatlichem  Anstaltsaufenthalt  konnte  ich  die  Kleine  unbedenk- 
lich nach  Hause  entlassen.  Seither  machte  das  Kind,  das  wieder 
nach  dem  gewöhnlichen  Lehrplan  unterrichtet  wurde,  ohne  dab 
man  versuchte,  die  beiden  Jahre  des  verspäteten  Schulbesuches  ein- 
zubringen, ganz  befriedigende  Fortschritte,  wiederholte  freiwillig  die 
5.  Volksschulklasse  und  kam  dann  nach  Hause,  wo  es  unter  der 
Aufsicht  einer  wohlwollenden  Erzieherin  zu  allen  wirtschaftlichen 
Geschäften  ausgebildet  wurde.  Die  Intelligenz  des  Mädchens  ist 
unter  dem  Durchschnitt  geblieben,  doch  hat  es  ein  derart  anständiges 
Betragen  erlangt,  dals  es  überall  verkehren  kann,  ohne  irgendwie 
Anstols  zu  erregen.  In  sittlicher  Beziehung  konnte  seither  keine 
Klage  erhoben  werden. 

Ich  habe  den  zweiten  Fall  ausführlicher  beschrieben,  weil  er 
beweist,  w  i  e  der  ethische  Defekt  bei  derartigen  Kindern  zu  werten 
ist  und  dals  die  Ursache  desselben  oft  weniger  in  der  psychischen 
Beschaffenheit  der  Kinder  als  in  der  höchst  ungünstigen  Einwirkung 
der  Umgebung  gesucht  werden  mufs,  die,  wie  in  dem  oben  ge- 
schilderten Fall,  allerdings  in  der  Meinung  erfolgen  kann,  im 
Interesse  des  Kindes  zu  handeln.  Die  Eltern  sind  ganz  erfüllt  von 
dem  Gedanken,  dafs  das  Kind  schlecht  und  verderbt  sei.  Es  hört 
immer  wieder  und  von  allen  Seiten,  es  werde  nichts  aus  ihm 
werden,  es  sei  ein  boshaftes  Geschöpf,  man  halte  es  aller  schlechten 
Handlungen  für  fähig.  Diese  Vorstellungen  werden  schliefslich  zur 
Suggestion  und  das  Kind  handelt  tatsächlich  schlecht,  weil  es  in 
seinem  krankhaft  veränderten  Bewufstsein  von  den  Motiven  bestinunt 
wird,  die  ihm  von  anderer  Seite  suggeriert  worden  sind.  Ein 
solches  Kind  wird  in  den  Familien  auch  leicht  zum  Sündenbock, 
dem  man  Übeltaten  in  die  Schuhe  schiebt,  die  es  gar  nicht  be- 
gangen hat.  Die  Intelligenz  der  Kinder  ist  aber  zu  gering,  als  dals 
sie  sich  derartigen  Anschuldigungen  gegenüber  erfolgreich  verteidigen 
könnten.  Die  Abneigung  gegen  ihre  Umgebung,  die  sich  bis  zum 
Hals  steigern  kann,  hat  ihre  nächste  Ursache  in  der  übelwollenden 
Behandlung,  die  ihnen  zuteil  wird.  Unter  demselben  Gesichtspunkt 
ist  auch  die  Entfremdung  der  Kinder  ihren  Eltern  gegenüber  zu 
beurteilen.    Allen  diesen  Erscheinungen  liegt  die  Überbürdung  durch 


655 

den  Unterricht  zugrunde.  Man  verlangt  hier  von  den  geistig  zu- 
rückgebliebenen oder  selbst  m&fsig  schwachsinnigen  Individuen 
Leistungen,  denen  sie  ihrer  gesamten  psychischen  Verfassung  nach 
nicht  gewachsen  sind.  Die  Eltern  wollen  nichts  davon  wissen,  daCs 
ihr  Kind  geistig  zurückgeblieben  sei.  Sie  halten  es  für  faul, 
unaufmerksam,  störrisch  und  suchen  durch  groliae  Strenge  zu  er- 
zwingen, was  fireiwillig  nicht  vollbracht  werden  kann.  Tatsächlich 
hat  die  Anwendung  gro&er  Strenge  zur  Folge,  daCs  sich  die 
Leistungen  der  Kinder  zeitweise  bessern.  Diese  vermeintliche 
Besserung  aber  bedeutet  in  jedem  einzelnen  Falle  eine  Anspannung 
der  Krftfte  bis  zum  äufsersten  und  hat  daher  eine  Periode  der  Er- 
schlaffung zur  Folge.  Man  könnte  diesen  Vorgang  vergleichen  mit 
der  Arbeit  eines  vor  einen  überladenen  Wagen  gespannten  Pferdes, 
das  durch  die  Peitschenhiebe  des  Kutschers  veranlalst  wird,  die 
überschwere  Last  ein  kurzes  Stück  weiterzuschleppen ,  das  aber 
schlieislich  um  so  sicherer  zusammenbrechen  muDs. 

Der  folgende  Fall  mag  beweisen,  wie  ungünstig  in  derartigen 
Fällen  körperliche  Züchtigungen  wirken. 

3.  Ein  vierzehnjähriger  Knabe  hat  mit  grolser  Mühe  die  Volks- 
schule und  in  einer  Privatschule  drei  Bürgerschulklassen  ^  absolviert. 
Er  soll  hierauf  eine  Handelsschule  besuchen,  obzwar  die  Eltern 
schon  vorher  darauf  aufmerksam  gemacht  wurden,  dafs  der  sehr 
schwach  begabte  Junge  den  Anforderungen  dieser  Schule  nicht  ge- 
wachsen sein  werde.  Bald  nach  Beginn  der  Schule  werden  Klagen 
laut»  der  Junge  sei  unaufmerksam,  mache  keine  Aufgaben  und  störe 
durch  sein  läppisches  Betragen  den  Unterricht.  Der  Junge  erhielt 
nun  einen  Korrepetitor,  der  aber  gleichfalls  über  Zerstreutheit  und 
Mangel  an  Fleifs  klagte.  Der  Vat^r,  ein  Tabiker,  geriet  deshalb 
wiederholt  in  zornige  Erregung.  Er  schlug  den  Eaxaben,  und  es 
kam  bei  solchen  Gelegenheiten  zu  furchtbaren  Exzessen,  die  eine 
völlige  Entfremdung  des  Jungen  in  seiner  Familie  herbeiführten. 
Schliefslich  bekam  der  Knabe,  sobald  er  väterlicherseits  gezüchtigt 
wurde,  tobsuchtartige  Erregungszustände,  in  welchen  er  in  sinnloser 
Wut  um  sich  schlug  und  sich  sogar  an  seinem  kranken  Vater  ver- 
griff*. Auch  stieCs  er  Schimpfworte  aus,  die  sich  der  Wiedergabe 
entziehen.  Nachher  überfiel  ihn  eine  völlige  Mattigkeit,  er  konnte 
kaum  stehen,  sprach  verworren  und  machte  den  Eindruck  eines 
Kranken.     Dieser  Zustand  soll  einer  epileptischen  Attacke  ähnlich 


^  Den  fiinf  VolkischulklaBsen  folgen  in  Österreich  drei  Bürgertchalklassen. 


656' 

gesehen  haben,  doch  ist  es  nach  ärztlicher  Angabe  aasgeschlossen,  dafs 
es  sich  tatsächlich  um  epileptische  Anfälle  gehandelt  habe.  In 
meine  Anstalt  gebracht,  wurde  er  mit  Gärtnerei  und  mit  yerschie* 
denen  Werkstätten  arbeiten  beschäftigt,  auch  nahm  er  am  Unterricht 
teil.  Er  war  fleifsig  und  benahm  sich  sehr  anständig  und  gefiQlig. 
Sein  milstrauisches  Wesen,  das  er  an&nglich  an  den  Tag  legte, 
schwand  bald.  Nach  Jahresfrist  konnte  er  eine  öffentliche  Gartenbau- 
schule besuchen,  wo  er,  soviel  ich  weiCs,  keinen  Anlafs  zu  Klagen  gab. 
Ich  könnte  noch  mehrere  ähnliche  Fälle  aus  meiner  Erfahrung 
mitteilen,  habe  mich  aber  damit  begnügt,  einige  besonders  charak- 
teristische herauszuheben,  welche  be weisen,  zu  welchen  krassen 
Übelständen  die  Überbürduug  minderwertiger  Kinder  führen  kann. 
Es  ist  mir  nicht  im  mindesten  zweifelhaft,  dals  eine  groCse  Zahl 
von  schiffbrüchig  oder  selbst  kriminell  gewordenen  Individuen  der 
besseren  Stände  Schwachsinnige  sind,  die  unter  dem  Druck  allzu- 
grofser  unterriohtlicher  oder  beruflicher  Anforderungen  entarten.  Es 
wäre  eine  Pflicht  der  Ärzte  und  sachverständigen  Pädagogen,  die 
Eltern  nicht  aus  falschem  Mitgefühl  über  die  geistige  Inferiorität 
ihrer  Kinder  in  Unkenntnis  zu  lassen,  sondern  ihnen  volle  Klarheit 
darüber  zu  geben,  wo  die  Grenzen  der  Leistungsfähigkeit  ihrer 
Kinder  gelegen  sind,  und  sie  auch  auf  die  möglichen  Folgen  einer 
Überbürdung  Schwacheinniger  oder  Schwachbefähigter  aufmerksam 
zu  machen.  Durch  eine  solche  volle  Aufrichtigkeit  würden  viele 
Kinder  vor  späterem  schweren  Schaden  und  deren  Eltern  vor 
Kummer  und  grausamen  Enttäuschungen  bewahrt  bleiben;  es  würde 
auch  eine  Hauptursache  unglücklichen  Familienlebens  beseitigt 
werden.  Die  vorstehend  beschriebenen  Fälle  beweisen,  dafs  eine 
Hilfe  noch  immer  möglich  ist,  wenn  sich  unter  der  Wirkung  der 
Überbürdung  nervöse  oder  selbst  psychopathische  Symptome  bei 
abnormen  Kindern  zeigen;  diese  besteht  in  der  Beschäftigungs-  und 
Arbeitstherapie  unter  sachverständiger  Aufsicht  in  hierzu  geeigneten 
Stätten,  als  deren  beste  wohl  die  heilpädagogischen  Anitalten  zu 
betrachten  sind. 


Nachschrift. 

Nach  Vollendung  vorliegender  Arbeit  und  Übersendung  der- 
selben an  die  „Zeitschrift  fiir  Schuigesundheäspflege^  finde  ich  in 
einem  Referat  über  die  VI.  Versammlung  des  Vereins  für  Kinder- 
forschung vom  14.  bis  16.  Oktober  1904  zu  Leipzig  einen  Auszug 


657 

aus  dem  Vortrage  des  Herrn  Professor  BiNSWANGEB-Jena  über  den 
Begriff  des  moralischen  Schwachsinns.  Professor  Binswanger  führt 
hier  ans,  daTs  die  Überbürdnng  Schwachbegabter  eine  Quelle  sitt- 
licher Entartung  werden  könne,  kommt  daher  anf  Grund  seiner 
Erfahrungen  zu  dem  gleichen  Ergebnis  wie  ich  in  vorliegender 
Arbeit.  Ich  betone  nochmals,  dafs  mir  Professor  Binswanqebs 
Vortrag  zur  Zeit,  als  ich  die  Studie  über  Überbürdungspsychosen 
niederschrieb,  nicht  bekannt  war.  Hält  man  die  Fälle,  über  welche 
der  berühmte  Psychiater  berichtet,  mit  den  von  mir  ausführlich  be- 
schriebenen  zusammen,  so  wird  man  sich  der  Erkenntnis  nicht  ver- 
sohlieisen  können,  dafs  es  sich  hier  nicht  um  vereinzelte  Beobach- 
tungen handelt,  ein  Umstand,  der  dem  behandelten  Gegenstand 
sicherlich  erhöhte  Bedeutung  verleiht. 


Ergebnisse  der  im  Schuljahre  1904/1905 
an  den  Schülerinnen  der  1.  Klasse  der  allgemeinen  Mädchen- 
Volksschule  in  Wien  VI,  Eopernicusgasse  15,  vorgenommenen 
ärztlichen  Angenuntersnchungen. 

Von 
Direktor  Emanubl  BAYB-Wien. 

Über  meine  Anregung  wurde  in  der  diesjährigen  1 .  Klasse  der 
mir  unterstehenden  Anstalt  der  Sehzustand  von  72  Schülerinnen 
festgestellt. 

Nachdem  die  E^assenlehrerin,  Fräulein  Ottilie  Simpeb,  einige 
diesbezügliche  Andeutungen  in  der  Klasse  gemacht  hatte,  erschienen 
bald  mehrere  Eltern,  welche  sich  für  die  Sache  lebhaft  zu  inter- 
essieren schienen,  sich  bereit  erklärten,  ihr  Kind  einer  augenärzt- 
lichen Untersuchung  zu  unterziehen  und  sich  erkundigten,  wohin 
sie  sich  wenden  sollten.  Selbstverständlich  wurde  in  dieser  Be- 
ziehung kein  Zwang  ausgeübt  und  nur  darauf  hingewiesen,  dals 
auch  in  dem  in  der  Nähe  der  Schule  gelegenen,  Eltern  und  Kindern 
wohlbekannten  Kaiser  Franz  Joseph -Ambulatorium,  VI,  Sandwirt- 
gasse,  unentgeltlich  solche  Untersuchungen  vorgenommen  werden. 
Der  Anfang  war  gemacht.  Unaufgefordert  meldeten  sich  fast  täglich 
einige   Schülerinnen  zur  Untersuchung,   und  nach   Verlauf  weniger 


658 

Monate  war  die  Lehrerin  in  die  angenehme  Lage  versetzt,  über  das 
Sehvermögen  fast  sämtlicher  Schülerinnen  genau  informiert  zn  sein. 
JNnr  drei  die  Klasse  besuchende  Mädchen  schlössen  sich  von  der 
Untersuchung  aus.  Mit  Ausnahme  von  zwei  Schülerinnen,  welche 
sich  an  den  Hausarzt  wandten,  wurden  die  Untersuchungen  vom 
Herrn  Dozenten  Dr.  Kabl  Kuntn  im  erwähnten  Ambulatorium  vor- 
genommen. 

Aus  den  ärztlichen  Bestätigungen,  welche  den  Kindern  nach 
vollzogener  Untersuchung  zur  Abgabe  in  der  Schule  eingehändigt 
wurden,  resultiert  folgendes: 

1.  Von  den  untersuchten  72  Schülerinnen  sind  30 
normalsichtig.  Ein  Fall,  in  dem  es  sich  um  suggestive  E[iirz- 
sichtigkeit  handelt,  ist  besonders  zu  erwähnen.  Die  Schülerin  be- 
hauptet, trotzdem  auf  Grund  zweimaliger  Untersuchung  normaler 
Augenbefund  nachgewiesen  ist,  nicht  gut  zu  sehen  und  muls  in 
einer  der  vorderen  Bänke  sitzen.  Im  übrigen  soll  auf  Anraten  des 
Arztes  die  Störung  soviel  als  möglich  ignoriert  werden. 

2.  Hypermetropie  wurde  bei  25  Schülerinnen  konstatiert. 
Für  16  von  diesen  Schülerinnen  wurde  das  Tragen  von  Brillen 
verordnet;  9  derselben  schafften  sich  die  Brillen  an  und  tragen  sie 
seither  gewissenhaft.  Bei  den  übrigen  Stiels  dies  auf  Widerstand  von 
Seiten  der  Eltern,  welche  teilweise  die  Anschaffungskosten  scheuten, 
zum  Teil  aber  in  dem  Wahne  befangen  sind,  dafs  das  Brillentragen 
unter  allen  Umständen  die  Augen  schwäche. 

3.  Schwachsichtigkeit  wurde  bei  5  Schülerinnen  nach- 
gewiesen. Sie  mufsten  nach  vom  gesetzt  werden.  Eine  von  diesen 
fünf  Schülerinnen,  bei  welcher  der  Augenbefund  auf  „hochgradige 
angeborene  Schwachsichtigkeit  beider  Augen''  lautet,  trug  einige 
Monate  die  vorgeschriebenen  Gläser.  Gegenwärtig  ist  die  Brille 
überflüssig;  sie  sieht  von  ihrem  zirka  6  m  von  der  Schultafel  ent- 
fernten Platze  sehr  gut  an  dieselbe  und  zeigt  stets  die  beste  Körper- 
haltung. 

4.  Hypermetropie  und  Schwachsichtigkeit  wurde  an 
9  Schülerinnen  festgestellt.  Für  sieben  von  ihnen  wurden 
Brillen  verordnet;  vier  tragen  die  Gläser  und  weisen  seither  eine 
entschiedene  Besserung  der  Körperhaltung  auf.  Bei  einer  Schülerin 
ist  das  linke  Auge  normal.  Eine  Schülerin  leidet  überdies  an  Ein- 
wärtsschielen. Eine  andere  Schülerin  ist  mit  hochgradiger  Schwach- 
sichtigkeit des  linken  Auges  infolge  von  Homhautfiecken  behaftet, 
während  das  rechte  Auge  hypermetropisch  ist. 


659 


5.  Myopie  in  geringem  Grade  wurde  an  1  Schülerin  nach- 
gewiesen. Sie  sitzt  vorne,  trägt  aber  keine  Brillen,  weil  die 
Eltern  dagegen  sind.  Ihre  Haltung  beim  Schreiben  und  Lesen  ist 
eine  vorgebeugte,  beim  Handarbeiten  hält  sie  die  Arbeit  sehr  nahe 
an  die  Augen,  beim  Schreiben  beachtet  sie  die  Zeilen  nicht. 

6.  An  myopischem  Astigmatismus  leidet  1  Schülerin, 
welche  in  der  ersten  Bank  sitzt; 

7.  An  hypermetropischem  Astigmatismus  gleichfalls 
1  Schülerin;   dieselbe  trägt  eine  Brille  und  sitzt  in  der  ersten  Bank. 

Anschliefsend  folgt  nun  die  Übersichtstabelle: 


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Die  Bedeutung  Sffentlicher  Spiel-  und  Sportplätze 
fflr  die  Yolksgesnndheit. 

Von  der  30.  Versammlang  des  Deatscben  Vereins  für  öffentliche 
Gesundheitspflege  (Mannheim,  12.  bis  16.  Septbr.  1905). 

Der  erste  Referent,  Sanitätsrat  Dr.  SOHMIDT-Bonn,  hob  einleitend  die 
Bedeutung  der  Schulärzte  für  die  Gesundheitspflege  in  der  Schale  hervor. 
Diese  Institution  habe  in  den  letzten  sechs  bis  sieben  Jahren  einen  er- 
freulichen  Fortgang  genommen.     Vorbildlich   sei   Sachsen -Meiningen,    wo 


660 

jetzt  der  Schularzt  für   die   letzte  Dorfschale  eingefOhrt  sei.     Die  Unter- 
sachangen  mehrerer  Forscher  haben  ergeben,  dafs  30,  in  einzelnen  F&Uen 
sogar  50  %  aller  Schulkinder  mit  chronischen  Übeln  behaftet  sind.    Wenn 
die   Zahl   der   voUentwickelten   Schalkinder   kaum   die   Hälfte,    nenerdings 
oft  nnr  ein  Drittel  oder  ein  Viertel  aasmacht,    müsse  man  zageben,   dafs 
es  keine  gesunde,  frische,  arbeitsfähige  Jagend  ist,  die  in  unseren  Städten 
heranwächst.      Zum  Glück  ist  in  unserer  Zeit  das  hygienische  und  soziale 
Gewissen    zu    sehr    geschärft,    als    dafs    man    daran    vorbeigehen    könnte. 
Gewifs  spielen  auch  soziale  Miisstände,  unzweckmäfsige  Ernährung,  schlechte 
Wohnungsverhältnisse  eine  Rolle.    Waren  doch  in  Stuttgart  1903  fast  ein 
Fünftel  aller  Volksschulkinder  schlecht  ernährt  und  44,2  Vo  waren  rhachitisch. 
In   München    betrug    der   Prozentsatz    der   rhachitischen    Kinder   34.     In 
Magdeburg   waren    16,5  7o  skrophulös,    in  Bautzen  1901:  21  Vo,    1902: 
19%,  1903:  40%.   Aber  es  ist  nicht  aUein  die  soziale  Notlage  schold  an 
diesen   unerfreulichen   Gesundheitsverhältnissen,    denn   auch    in   den    schon 
von  den  besser  situierten  Ständen  besuchten  Mittelschulen   zeigen  sich  die 
Verhältnisse  wenig  günstiger.     Namentlich  die  Zahl  der  blutarmen  Kinder 
wächst   ständig.     Neben    den   sozialen   Ursachen    ist    das    unzweckmäfsige 
Schulsystem  schuld  an  diesen  Umständen,  das  mit  seinem  vielen  Stillsitzen 
der  Jugend    zu   wenig  Körperbewegung   gewährt.     Von   den   Strafsen   der 
Grofsstadt  ist  das  Lachen  des  sich  tummelnden  jungen  Volkes  längst  ver- 
schwunden, man  hört  nur  noch  das  Klingeln  und  Tüten  der  gefahrdrohenden 
Strafsenbahnen ,   Auto -Velos   und  Automobile.     Und   wie   ist   es   mit  den 
Höfen  der  Häuser  geworden?    Himmelhoch  streben  die  Mauern  der  Hinter- 
häuser an,    und   zwischen    den  Abfallswinkeln   der   grofsstädtischen  Miets- 
kasenien  ist  kein  geeigneter  Erholungsort  für  unser  Licht  und  Sonne  be- 
dürftiges  junges  Volk.     Wir   können   nicht   nach   amerikanischem   Muster 
Arbeits-  und  Geschäftsstadt  von  Wohnstadt  trennen.    Wir  sind  angewiesen 
auf  die   einmal    historisch   gegebene  Einrichtung   unserer  Städte.     Wollen 
die  Städte  nicht   eine   schlechte  Rasse   erzeugen,   die   ohne   steten  Zufluß 
von  anfsen  nicht  leben  kann,  so  müssen  sie  den  besonderen  Verhältnissen 
Rechnung  tragen.    In  den  Steinwüsten  bedürfen  wir  der  Oasen,  aber  nicht 
blol's  der  Schmuckplätze  zum  Spazierengehen,    sondern   auch  der  sonnigen 
Rasenplätze,  auf  der  sich  die  Jugend  tummeln  kann.    Diese  Plätze  müssen 
besonders    in    den    gedrängten  Vierteln,    wo    die   kleinen   Leute    wohnen, 
liegen.    Statt  in  Kleinkinderschulen  schicke  man  die  Kleinen  dann  dorthin. 
Auch  die  Schulhöfe  müssen  zweckmäfsiger  eingerichtet  werden.    Hoffentlich 
kommen  wir  bald  auch  in   Deutschland   dazu,   daüs,   wie   in   Nordamerika 
und   P^ngland,   keine    Parkanlage   ohne   weite   freie   Rasenflächen   angel^ 
wird,  zur  Erhaltung  und  Wahrung  unserer  Volkskraft  und  Volksgesundheit. 
Der  zweite  Referent,   Oberbaurat  Klbttb- Dresden,   verbreitete  sich 
im  wesentlichen  über  die  zweckmäfsige  Einrichtung  der  Spiel-  und  Sport- 
plätze.   Er  wies  darauf  hin,  dafs,  wenn  man  das  Fufsballspiel  zur  Grund- 
lage der  Berechnung   nehme   mit   Bezug   auf  die   für   eine   gröfsere  Stadt 
erforderlichen   Spielplätze,    man   zu   einem    ungeheuren,   unerschwinglichen 
Flächeninhalte  derselben  komme,    der   aber   in   der   Praxis   ohne  Schaden 
sehr  bedeutend  reduziert  werden  könne,  da  doch  nur  immer  eine  beschränkte 
Anzahl  der  Knaben  und  jungen  liCute  dem  Fufsballspiel  obliege. 


661 

Die  von  den  beiden  Referenten  aufgestellten  Leitsätze,  die  flbrigens 
nicht  zur  Abstimmnng  bestimmt  waren,  lanten  folgendermafsen  : 

1.  Reichliche  nnd  regelmäfsige  Bewegung  ist  fflr  die  Jagend  ein 
QDersetzliches  liCbensbedürfnis  znm  vollen  Wachstum  des  Körpers. 

2.  Neben  der  Ausbildung  der  Bewegungsorgane  selbst  ist  vor  allem 
die  Entwicklung  eines  kräftigen  Herzens,  einer  atemtOchtigen  und  wider- 
standsfähigen LuDge,  sowie  einer  gesunden  Blutffllle,  entsprechende  Er- 
nährung vorausgesetzt,  gebunden  an  ein  reichliches  Mafs  von  Bewegung  im 
Freien. 

3.  Die  Pflege  geeigneter  Leibesbewegung  und  Leibesübung  ist  grund- 
legend fflr  die  gesamte  spätere  Lebensffllle  und  Arbeitskraft  des  Individuums, 
und  anderswie  nicht  ersetzbar. 

4.  Eine  Jugend,  der  das  Austummeln  im  Freien,  in  frischer  Luft 
und  Sonnenschein  verwehrt  oder  verkümmert  wird,  wird  blafs,  welk,  blutarm 
und  sucht  ihrem  Erholnugstriebe  auf  unhygienischen  und  meist  bedenklichen 
Wegen  Genüge  zu  tun. 

5.  Das  ungeheuerliche  Wachstum  der  StMte,  die  Zunahme  der  Be- 
vOlkerungsdichtigkeit,  die  immer  inteusiver  sich  gestaltende  Ausnutzung 
der  bebaubaren  städtischen  Bodeufläche,  die  Beschlagnahme  der  öffentlichen 
Straüsen  und  zum  Teil  auch  der  Plätze  für  den  Strafsenbahnverkehr  — 
alles  das  bedeutet  für  die  grofsen  Massen  des  Volkes  die  Verkümmerung 
eines  ihrer  wichtigsten  Daseins-  und  Erholungsbedürfnisse,  nämlich  der 
unmittelbaren  bequemen  Gelegenheit  zur  Bewegung  im  Freien. 

6.  Es  ist  im  Sinne  der  Volksgesundheitspflege  eine  unabweisbare 
Pflicht  der  Gemeinden,  in  allen  Stadtgebieten  und  ganz  besonders  in  den 
dichter  bewohnten  Arbeiter-  und  Geschäftsvierteln  Plätze  frei  zu  halten, 
welche  der  bewegungsbedürftigen  Jugend  ungehindert  zur  Benutzung  stehen. 
Nach  dieser  Richtung  hin  mufs  namentlich  auch  der  Sucht  mancher  städtischen 
Bauverwaltung  Einhalt  geschehen,  alle  und  jede  freien  Plätze  mit  umgitterten 
Schmuckanlagen  zu  bedecken. 

7.  Neben  diesen  bescheidenen  Plätzen  für  die  Kleinsten  und  Kleineren 
sind  weiterhin,  möglichst  auf  die  Haupt-Stadtgebiete  verteilt,  gröfsere  Spiel- 
und  Sportplätze  anzulegen  für  die  gesamte  Schuljugend  sowie  fflr  die  Leibes- 
übungen und  Spiele  der  mehr  herangewachsenen  jungen  Leute. 

Am  zweckmäfsigsten  ist  es,  wenn  diese  Spielplätze  sich  inmitten  gröiserer 
städtischer  Anlagen  oder  Parks  befinden. 

8.  Da,  wo  eine  Stadtgemeinde  ein  gröfseres  Waldgebiet  als  „ Stadt- 
wald *"  u.  dergl.  eingerichtet  hat,  ist  eine  mit  Wald  umgebene  Fläche  mit 
besonders  weiten  Abmessungen  empfehlenswert,  um  gröfsere  Schul-,  Jugend- 
oder Volksfeste  im  Freien  abzuhalten. 

Es  sollten  in  solchen  gröfseren  öffentlichen  Anlagen  aber  alle  Haupt- 
rasenplätze  so  gehalten  sein,  da(s  sie  unbedenklich  einem  jeden  aus  dem 
Volke  zur  Erholung  zugängltch  sind. 

9.  Alle  Spielplätze  in  Städten  sollen  so  liegen,  so  angelegt,  ausgestattet 
und  unterhalten  sein,  dafs  sie  viel  und  gern  aufgesucht  und  benutzt  werden ; 
sie  müssen  daher,  den  Wohnungen  der  SpielbedUrftigen  nahe,  in  freier  und 
nnd  gesunder  Gegend  liegen  nnd  bequem  zugänglich  sein. 

10.  Für  noch  nicht  schulpflichtige  Kinder  sollen  Spielplätze  in  reich- 


662 

lieber  und  jedenfalls  ausreichender  Zahl  tnnlichst  in  allen  öffentlichen  An- 
lagen vorgesehen  nnd  eingerichtet  werden. 

11.  Fflr  die  schnlpflichtige  Jngend  sollen  —  wenn  nicht  anderweit 
grolse  nnd  beqnem  gelegene  Tnmmelplätze  znr  Yerfttgnng  stehen  —  die 
Schnlhöfe  fttr  geleitete  nnd  beanfsichtigte  Bewegungsspiele  zn  bestimmten 
Zeiten  geöffnet  werden. 

12.  Fflr  die  nicht  mehr  schulpflichtige  Jngend  soUen  möglichst  grofse 
Rasenflächen,  wenn  nicht  in,  so  doch  nahe  der  Stadt  angelegt  bezw.  ein- 
gerichtet werden.     Diese  sollen 

an  der  Oberfläche  frei,  eben  nnd  möglichst  horizontal  liegen  nnd  so 
gehalten  sein,  dafs  jede  Stanbentwicklnng  sowie  alle  Schlamm-  und 
Pfützenbildnng  ausgeschlossen  bleibt, 

fttr  die  Spielenden  in  unmittelbarer  Nähe  Unterkunftsränme  mit  Ge> 
legenheit  zur  Kleiderablage,  Verrichtung  der  Notdurft,  Aufbewahrung 
der  Spielgeräte  sowie  zum  Waschen  und  Trinken  und 

fflr   die   Zuschauer  freie  Übersicht,   Schatten  und  Sitzgelegenheit 
bieten. 
Plätze  für  Lawn- Tennis,  Radfahren,  Rudern  und  Schwimmen  usw.  brauchen 
nicht  mit  den  Spielplätzen  in  unmittelbarer  Verbindung  zn  stehen. 

In  der  Diskussion  fahrte  Stadtschulrat  Dr.  SiCKiNGER- Mannheim 
folgendes  aus:  In  der  vorliegenden  Frage  greift  die  Schulgesundheitspflege 
in  das  Gebiet  der  öffentlichen  Gesundheitspflege  hinttber.  Der  Tätigkeits- 
bereich der  Schule,  insbesondere  der  grofsstädtischen  Volksschule,  hat  sich 
im  Laufe  der  Zeit  bedeutend  erweitert.  Die  Schule  ist  heute  die  Summe 
deijenigen  Veranstaltungen,  die  im  Laufe  der  kulturgeschichtlichen  Ent- 
wicklung fflr  die  Ergänzung  der  Familienerziehung  unbedingt  notwendig 
geworden  sind.  In  den  gröfseren  Städten  sind  selbst  die  gutsituierten 
Eltern  nicht  in  der  Lage,  dem  Bewegungsbedflrfnis  ihrer  Kinder  durch 
Spielgelegenheit  Rechnung  zu  tragen.  Zur  Beschaffung  der  erforderlichen 
Spielplätze  mttssen  deshalb  alle  beteiligten  Faktoren  zusammenwirken:  Der 
Staat,  die  Gemeinde,  die  Schule  und  die  freie  Mithilfe  warmherziger,  gut- 
situierter Bflrger.  Dabei  sind  besonders  zwei  Momente  zu  berflcksichtigen: 
Nicht  jeder  Platz  von  irgendwelcher  Lage,  von  irgendwelcher  Beschaffenheit 
ist  fflr  den  Spielbetrieb  geeignet;  sodann  bedarf  es,  wo  es  sich  um 
Hunderte  von  gleichzeitig  spielenden  Kindern  handelt,  einer  geregelten 
Spielerlemung  und  einer  mafevollen  Spielleitung.  Auch  in  Mannheim  sind 
nunmehr  erfreuliche  Anfänge  des  Jugendspieles  zu  yerzeichnen,  dank  dem 
Entgegenkommen  des  Vereins  für  Ferienkolonien  nnd  der  städtisdien  Be- 
hörden. Dem  Deutschen  Verein  fflr  öffentliche  Gesundheitspflege  sind  wir 
Mannheimer  deshalb  zu  Dank  verpflichtet,  dafs  er  die  Erörterung  der 
Frage  der  Spielplätze  gerade  hier  behandelt  und  mit  dem  Referat  zwei 
der  berufensten  Sachverständigen  betraut  hat.  Die  gegebenen  Anregungen 
werden  der  Mannheimer  Jugend  zustatten  kommen. 

Dr.  med.  et  phil.  GKIBSSBACH-Mfllhausen  wendet  sich  gegen  die 
Überbflrdung  der  Schfller,  die  zunehme,  je  höher  der  Schfller  aufrflcke. 
Nach  der  unglflckselig  langen  Sitzzeit  in  der  Schule  kommen  die  häuslichen 
Arbeiten.  Daher  bleiben  gerade  die  fflr  die  höheren  Schulen  besteheDden 
Spielplätze  leer.     Es  fehle  ja  an  Zeit.     Bemerkenswert  sei  der  Rflckgang 


663 

der  Wehrpflichtigen  ans  den  höheren  Gesellschaftsschichten.  Die  Über- 
bttrdiing  sei,  wie  man  sehe,  keine  leere  Phrase. 

Professor  BAUMBIBTBR-Earlsrahe  möchte  an  die  Hygieniker  die  Frage 
stellen,  ob  das  bei  nns  aas  £ngland  importierte  und  von  den  Referenten 
empfohlene  Fofsballspiel  wirklich  ein  so  zweckmäJäiges  sei.  Wir  haben 
doch  sehr  schöne  einheimische  Spiele.  Fflr  diese  Spiele  sind  anch  nicht 
so  grobe  Spielplätze  nötig,  wie  sie  der  Referent  mit  Rücksicht  auf  das 
Fo&ballspiel  f&r  nötig  hielt.  Die  Gemeinden  könnten  die  Spielplätze  sodann 
mit  weit  geringeren  Kosten  einfahren,  und  es  wäre  eine  Dezentralisation 
Tiel  leichter  durchzufahren. 

Dr.  WBRNBR-Leipzig  regt  an,  die  körperlich  Minderwertigen  bei  An- 
lage der  Spielplätze  besonders  zu  berflcksichtigen. 

Oberbflrgermeister  Dr.  BBUTLBR-Dresden  gibt  die  Erklämng  ab,  er 
mflsse  etwas  Wasser  in  den  hygienischen  Wein  gieisen.  £s  sei  nicht 
richtig,  dals  die  Jugend  heute  in  den  Grofsstädten  von  den  Rasenplätzen 
Tertrieben  werde.  Das  Gegenteil  sei  der  Fall.  Bestreiten  müsse  er  auch 
den  Vorwurf  der  zu  grofsen  Wohnungsdichtigkeit  der  Grofsstädte.  Auch 
ein  Wort  zur  Ehrenrettung  der  höheren  Schulen  halte  er  sich  yerpflichtet 
zu  sagen,  da  von  ihnen  erst  das  Spielen  ausgegangen  sei.  Er  möchte 
doch  Yor  zu  weitgehenden  Forderungen  warnen.  Dahin  gehöre  die  von 
GRIB88BACH  aufgestellte  Forderung  des  freien  Nachmittags,  bei  deren 
Durchfflhrung  die  Erreichung  des  Unterrichtszieles  in  Frage  gestellt  würde. 

In  einem  kurzen  Schluiswort  nimmt  Dr.  Schmidt  das  Schulfursball- 
spiel  in  Schutz,  das  mit  dem  sportmäisigen  nicht  zu  vergleichen  sei.  Jedoch 
würde  er  dem  nationalen  Ballschlagspiel  gerne  das  Wort  reden.  Aber  die 
Yon  Professor  Baumeistbb  angezogenen  Kinderspiele  seien  nichts  für  die 
heranwachsende  Jugend. 


Altinttt  itttttetlitit0en. 


Ober  die  dentschen  Landeniehnogsheime  macht  Dr.  med.  0.  Katz- 
Mannheim  in  der  j^Münch.  med.  Wochenscihr,*^  (Nr.  28)  u.  a.  folgende  yer- 
dankenswerte  Mitteilung. 

Deutsche  Landerziehungsheime  gibt  es  seit  1898.  Damals  gründete 
Dr.  Hebmann  Libtz  das  erste  Heim  für  Knaben  auf  einem  kleinen  Gut 
bei  Ilsenborg  im  Harz,  das  alsbald  nur  den  Jüngsten  Yorbehalten  blieb. 
Die  Älteren  halfen  selbst,  die  neue  Heimat,  das  zweite  Landerziehungsheim, 
aufrichten  auf  dem  umfangreichen  Gute  Harbinda  in  Thüringen.  Seit  mehr 
als  Jahresfrist  entsteht  ein  drittes  in  Bieberstein,  die  stille  Stndienstätte 
der  Oberklassen.  Das  rasche  Emporblühen  drängte  und  drängt  nach  Neu- 
grfindnngen,  da  der  familienmäfeige  Charakter  der  »Heime*  nur  eine  be- 
sdiränkte  Zahl  Ton  „Bürgern*'  gestattet.  Die  Gliederung  nach  Altersklassen 
ermöglicht  eine  ganz  besonders  reiche  individuelle  Ausgestaltung. 

SeholgeramdlMitopflege.  XVIII.  85 


664 

Alsbald  machte  sich  auch  das  Bedflrfhis  nach  Landerziehangsheimen 
fQr  Mädchen  geltend.  Eine  Tochter  des  Wflrzbnrger  Professors  v.  Rind- 
FLBI8GH,  Fran  Prof.  v.  Petebsen,  gründete  1900  das  erste  zu  Stolpe- 
Wannsee  in  der  Mark  (jetzige  Leiterin  Fran  Bollert).  1904  folgten 
die  beiden  süddeutschen  Mädchenlanderziehnngsheime  Geienhofen  am 
Bodensee  (Fran  v.  Petersen)  nnd  Breitbrunn  am  Ammersee.  Ein  Jahr 
früher  außerdem  das  Landerziehnngsheim  Laubegast  bei  Dresden,  das 
Knaben  und  Mädchen  gemeinschaftlich  erzieht. 

Alle  diese  untereinander  und  mit  den  Schwesteranstalten  in  England, 
Frankreich  und  der  Schweiz  in  engster  Fühlung  lebenden  Landerziehungs- 
heime entstanden  in  bewulstem  Gegensatz  zu  der  Haupttendenz  unserer 
heutigen  höheren  Schulen:  der  einseitigen  Pflege  und  Heranzflchtung  des 
Intellekts  auf  Kosten  der  anderen  seelischen  Kräfte  und  der  körperlichen 
Ausbildung  und  deren  Betriebsart,  die  die  freie  praktische  Tätigkeit  unter- 
bindet und  einen  innigen  Zusammenhang  mit  der  Natur  nicht  aufkommen 
läfet.  Nicht  schematische  bestimmte  Lehrziele  also,  nicht  die  „Berechti- 
gungen", die  trotzdem  erlangt  werden,  bilden  das  Rückgrat  dieser  Anstalten, 
sondern  die  eigentliche  Erziehungsarbeit,  die  meist  von  der  Schule  dem 
Haus,  Yom  Haus  hinwiederum  der  Schule  zugeschoben  wird.  Diese  wahre 
Erziehungsarbeit  kann  nur  ein  Ziel  haben:  die  freie  harmonische  Aus- 
bildung aller  Kräfte  und  Fähigkeiten.  Das  Resultat  wäre  die  Heras- 
bildung ganzer  Menschen,  deren  Leben  restlos  auszuschöpfen  vermag, 
was  die  Natur  ihnen  mit  auf  den  Weg  gab. 

Die  freie  Lage  auf  dem  Lande,  die  Nähe  von  Wasser  und  Wald, 
sind  hervorstechende  Merkmale  der  Landerziehungsheime.  Fast  das  ganze 
Leben  spielt  sich  im  Freien  ab,  auch  der  gröfisere  Teil  des  Unterrichts, 
der  sich,  den  Anregungen  der  Umgebung  folgend,  durch  eine  scharfe 
Heranziehung  der  Sinne  zur  Mitarbeit  in  ganz  ungeahnter  Weise  lebensvoll 
gestaltet.  Die  Art,  wie  dies  geschieht,  in  immer  neuen  Variationen,  weil 
immer  nenbedingt  durch  die  Stunde,  die  Sonderart  und  AufhahmstUiigkeit 
der  Schüler,  die  Persönlichkeit  des  Lehrenden,  und  wie  zugleich  der  nun 
doch  einmal  vorgeschriebene  Lehrstoff  in  ganz  anderem  Sinne  Eigentum 
des  Lernenden  wird,  als  dies  gewöhnlich  der  Fall  ist,  ist  für  den  beob- 
achtenden Pädagogen  und  Mediziner  besonders  interessant.  Der  oberste 
Grundsatz  des  Landerziehungsheimes  ist:  Erziehung  zur  Selbständig- 
keit und  Selbsttätigkeit.  So  gewinnt  die  geistige  Arbeit  schon  beim 
Kinde  die  gleiche  Qualität  für  das  Leben,  wie  häusliche  Arbeit,  Handwerk, 
Sport  und  Spiel.  Die  zweckmäfsige  Einfügung  der  Handwerksarbeiten 
zwischen  eigentliche  Unterrichtsstunden  und  Sport  läfst  auf  keinem  Gebiete 
Ermüdung  aufkommen.  Gerudert,  geschwommen,  geradelt  wird  bei  jedem 
Wetter:   die  leichte,  einfache  Kleidung  ist  allen  Erfordernissen  angepabt. 

Eine  bis  zwei  Stunden  stehen  dem  Zögling  jeden  Tag  zu  freier  Ver- 
fflgungung.  Da  werden  vorzugsweise  die  Lieblingsbeschäftigungen  gepflegt, 
die  häufig  dem  beruflichen  Leben  später  die  Richtung  geben.  Oder  es 
wird  gelesen,  geschlafen,  gerudert  usw.  Es  fragt  niemand  nach.  Ein 
herrliches  Geschenk  für  em  heranwachsendes  Menschenkind!  Ein  gefähr- 
liches, nach  städtischen  Schulbegriffen.  Aber  nie  noch  hat  sich  ein  Be- 
dürfnis   nach    stärkerer    Bevormundung   gezeigt.     Was  anderwärts  das  so 


665 

bequeme  Aasknnftsmittel  der  Autorität  des  Erziehers  bewirken  soll, 
erreicht  hier  dessen  Yorbildliches  Leben  und  das  herzliche  Vertranen,  das 
ihm  Yon  den  Kindern  ausnahmslos  entgegengebracht  wird. 

Fflr  von  vorneherein  geistig  oder  körperlich  Minderwertige  sind  die 
Landerziehungsheime  allerdings  nicht  bestimmt.  Aber  neben  den  vielen 
glflcklichen  Kindern,  denen  ohne  besondere  gesundheitliche  Veranlassung 
einsichtige  Eltern  das  Aufwachsen  im  Landerziehungsheim  bescheren,  finden 
langsam  Entwickelte,  zur  Blutarmut  Neigende,  nervös  Veranlagte,  durch 
das  Milieu  in  ihrer  Entwicklung  Bedrohte  recht  wohl  hier  ihre  Stätte  und 
zwar  je  froher,  desto  besser.  In  verhältnismäfsig  kurzer  Zeit  wird  durch 
ausgiebigen  Genuis  von  Luft  und  Wasser,  durch  sorgsame,  allerdings  nicht 
allzu  ängstlich  abgewogene  Abhärtung  und  gewissenhafte  individualisierte 
Pflege  körperlicher  Kraft  und  Gewandtheit,  durch  die  klaren,  tüchtigen 
Verhältnisse  des  ländlichen  Lebens  ein  hohes  Mafs  von  Widerstandsfähig- 
keit gegen  äufeere  und  innere  Feinde  erreicht.  Strafen  gibt  es  nicht; 
also  auch  keine  Angst,  die  ein  wahrer  Schädling  kindlicher  Entwick- 
lung ist. 

(Zu  bedauern  ist  nur,  dafs  all  diese  Landerziehungsheime  bis  jetzt 
nur  den  Kindern  wohlhabender  Eltern  zugänglich  sind.  Es  wäre  eine 
schöne  Aufgabe  der  städtischen  Verwaltungen,  dafür  zu  sorgen,  dafs  auch 
die  Kinder  bedürftiger  Eltern,  wo  es  nötig  ist,  die  Wohltat  derartiger 
Anstalten  geniefsen  können.  Einen  bemerkenswerten  Anfang  in  dieser 
Richtung  bilden  allerdings  die  sogenannten  Waldschulen.     D.  Red.) 

Folgendes  Alkoholmerkblatt  wird  in  Mannheim  bei  der  Anmeldung 
der  Schulanfänger  an  die  Eltern  abgegeben. 

An  die  Mütter  unserer  Schüler! 

Vielfach  ist  noch  der  Glaube  verbreitet,  dafs  die  geistigen  Getränke, 
wie  Bier,  Wein,  Most,  Branntwein,  Kognak,  Malaga,  Likör  u.  a.,  Stärkungs- 
und Nahrungsmittel  seien  und  dafs  sie  daher  auch  den  Kindern  unbedenk- 
lich verabreicht  werden  können. 

Das  ist  ein  schwerer  und  verhängnisvoller  Irrtum;  denn  alle  diese 
Getränke  enthalten  ein  Gift,  dessen  Gefährlichkeit  schon  daraus  hervorgeht, 
dab  schon  geringe  Mengen  genügen,  um  Tiere  und  Pflanzen  zu  töten. 

Infolge  dieses  Giftes  sind  alle  geistigen  Getränke  auch  dem  Menschen 
verderblich.  Sic  schädigen  die  Organe,  setzen  die  natürliche  Widerstands- 
fthigkeit  des  Körpers  gegen  Krankheiten  herab  und  rufen  nicht  selten 
selbst  schwere  Erkrankungen,  wie  Leber-  und  Nierenentzündungen,  Gicht, 
Langen-  und  Herzkrankheiten,  hervor. 

Auch  von  den  Geisteskrankheiten  ist  die  Hälfte  auf  den  Genufs  von 
alkoholischen  Getränken  zurückzuführen. .  Ebenso  ist  durch  amtliche  Er- 
hebungen festgestellt,  dafs  die  Hälfte  der  Insassen  der  Anstalten  für 
Epileptische  (Fallsüchtige),  Idioten  und  Taubstumme  von  trunksüchtigen 
Eltern  abstammen. 

Für  die  Gemeingefährlichkeit  des  Alkohols  reden  folgende  Zahlen  eine 
nicht  miiszuverstehende  Sprache: 

In  Deutschland  sind  von  3200  Selbstmorden  1600  auf  den  Alkohol 
zurflckzuführen.  Von  den  Unfällen  mit  tödlichem  Ausgang  sind  durch- 
schnittlich 1800  durch  den  Alkohol  verschuldet. 

35» 


666 

13000  Personen  sterben  jährlich  an  Säuferwahnsinn.  47760  Familien 
fallen  infolge  von  Tnmksncht  jedes  Jahr  der  Annenverwaltnng  nen  zur 
Last,  nnd  150000  Personen  werden  alljährlich  in  Deutschland  von  den 
Gerichten  wegen  Roheiten  nnd  Verbrechen  bestraft,  die  nnr  unter  dem 
Einflnls  des  Alkohols  begangen  wurden. 

In  besonders  schwerer  Weise  haben  die  Kinder  unter  dem  Alkoholgift 
zu  leiden.  Es  genflgt  schon  eine  geringe  Menge  desselben,  um  sie  zu 
berauschen,  und  häufig  genug  sind  bei  Kindern  auch  Todesfälle  infolge 
eines  Rausches  beobachtet  worden. 

Alle  Sachverständigen  stimmen  darin  flberein,  dals  für  den  zarten 
Organismus  des  heranwachsenden  Menschen  die  geistigen  Getränke  von  jeder 
Art  und  jeder  Menge  schädlich  sind. 

Durch  den  Alkoholgenuls  bleiben  die  Kinder  in  ihrem  Wachstum  und 
ihrer  Entwicklung  zurflck;  ihr  Appetit  leidet  not;  Verdauung  und  Stoff- 
wechsel werden  verlangsamt;  die  Kinder  bleiben  schwächlich  und  werden 
leicht  von  allerlei  Krankheiten  befallen,  denen  sie  infolge  Ton  verringerter 
Widerstandskraft  allzuleicht  unterliegen. 

Auch  die  geistige  Entwicklung  der  Kinder  wird  durch  den  Genuls 
alkoholischer  Getränke  geschädigt;  denn  das  Alkoholgift  wirkt  verheerend 
auf  das  Gehirn  und  das  Nervensystem.  Die  Kinder  werden  denkfaul, 
lemunlustig  und  dumm.  Wie  die  täglichen  Beobachtungen  in  der  Schule 
zeigen,  gehören  die  Kinder,  die  regelmälsig  Bier,  Wein,  Most  und  dergl., 
wenn  auch  nur  in  geringen,  Mengen  genielsen,  immer  zu  den  schlechteren 
und  schlechtesten  Schülern.  „Tausende  von  Mflttem",  sagt  ein  berühmter 
Professor,  „vergiften  in  regelrechter  Weise  ihre  Lieblinge  durch  ein  Mittel, 
welches  sie  verdummt,  schlaff  und  energielos  und  unter  Umständen  zu 
körperlichen  und  geistigen  Krüppeln  macht.  ^ 

Der  Alkohol  beeinflu&t  in  unheilbringender  Weise  auch  das  Betragen, 
das  Gemüt  und  den  Willen  der  Kinder.  Sie  werden  launisch,  eigensinnig, 
reizbar,  streitsüchtig  und  unfolgsam.    Auch  ihre  Sittlichkeit  erleidet  Gefahr. 

Kinder,  die  von  Jugend  auf  an  den  Genufs  geistiger  Getränke  gewöhnt 
werden,  gehen  oftmals  in  ihrem  späteren  Leben  ihrem  körperlichen  nnd 
sittlichen  Untergang  entgegen.  Sie  verfallen  häufig  der  Trunksucht  nnd 
dem  Laster  und  endigen  nicht  selten  in  Rettungsanstalten,  Arbeits-  oder 
Zuchthäusern. 

Darum,  ihr  Mütter,  schützt  eure  Kinder  vor  dem  Alkohol!  Denn 
nur  dann,  wenn  ihr  das  beherzigt,  werden  eure  Kinder  gesunde,  arbeits- 
frohe und  glückliche  Menschen  werden,  die  mit  Liebe  und  Dankbarkeit 
der  verständigen  mütterlichen  Pflege  gedenken  werden. 

Stadtschulrat  Dr.  SiCKiNaEB-Mannheim. 

Die  Verlingernng  der  Sommerferien  durch  Vor-  oder  Naeb- 
nrlanby  den  viele  Eltern  von  der  Schule  für  ihre  Kinder  erbitten,  ist  in 
Berlin  noch  immer  recht  häufig,  trotz  der  seit  Jahren  ergangenen  und 
alljährlich  wiederholten  Verfügungen  des  Provinzial-SchulkoUegiums  gegen 
diesen  Brauch.  In  wie  grofser  Zahl  diese  Beurlaubungen  selbst  bei  der 
strengsten  Anwendung  der  Bestimmungen  noch  bewilligt  werden  müssen, 
darüber  hat  der  Direktor  der  städtischen  Viktoriaschule  in  Berlin  eine 
Statistik  für  1904  aufgestellt,  die  er  im  „Jahresbericht  füt  1904/05''  den 


667 

Eltern  mitteilt,  Dicht  zur  Nacheifernng,  sondern  znr  Warnung.  Vor  oder 
nach  den  Sommerferien  wurden  „auf  Grund  ärztlicher  Atteste  oder  wegen 
Auflösung  des  Haushalts  der  Eltern**  178  Schülerinnen  auf  zusammen 
1161  Tage  beurlaubt,  das  macht  pro  Schülerin  durchschnittlich  6 — 7  Tage. 
Vor-  oder  Nachurlaub  haben  im  Durchschnitt  der  ganzen  Schule  (mit  über- 
haupt 724  Schülerinnen  im  Sommer)  etwa  jede  vierte  Schülerin.  Die 
Direktoren  weisen  vorschriftsgemäfs  die  Eltern  darauf  hin,  wie  sehr  hier- 
durch der  Unterricht  erschwert  wird.  Bewilligt  wird  der  Urlaub  nur  noch, 
wenn  ein  ärztliches  Zeugnis  vorliegt  oder  wenn  wegen  vorzeitiger  Abreise 
der  ganzen  FamOie  die  etwa  zurückbleibenden  schulpflichtigen  Kinder  ohne 
Heim  wären. 

Auf  die  FerienwaDdernngen  fOr  die  Sehnljngend  richtet  in 
diesem  Jahre  die  Charlottenburger  Stadtverwaltung  ganz  besonders  ihr 
Augenmerk.  Schon  in  den  Etat  sind  50U  Mark  zu  Versuchen  für  solche 
Ferienwanderungen  eingestellt  worden,  die  unter  der  Leitung  eines  Lehrers 
ausgeführt  und  sich  in  der  Regel  auf  zwei  oder  drei  Tage  erstrecken 
sollen.  Neuerdings  hat,  wie  das  y^Berl.  Tagehl.^  mitteilt,  der  Magistrat 
beschlossen,  dem  Charlottenburger  Verein  für  Kinderausflüge  eine  laufende 
Beihilfe  von  jährlich  300  Mark  zu  bewilligen  und  den  Betrag  für  dieses 
Jahr  dem  Dispositionsfonds  zu  entnehmen.  Der  Verein  steht  unter  der 
Leitung  eines  Schularztes  und  bezweckt,  schwächlichen  und  bedürftigen 
Oemeindeschülern  durch  Veranstaltung  von  Nachmittagsausflügen  körperliche 
und  geistige  Erholung,  sowie  Belehrung  und  Anregung  zuteil  werden  zu 
lassen.  Die  Ausflüge  erfolgen  in  Abteilungen  von  je  zwölf  bis  fünfzehn 
Knaben  und  Mädchen  im  Alter  von  acht  bis  vierzehn  Jahren ;  die  Leitung 
liegt  in  den  Händen  freiwilliger  Hilfskräfte,  von  denen  jedesmal  zwei  bei 
einer  Abteilung  tätig  sind.  Jedes  Kind  erhält  unentgeltlich  ein  Glas  Milch 
und  ein  Butterbrot,  auch  werden  die  etwa  erforderlichen  Fahrkarten  von 
dem  Verein  bezahlt.  Im  vorigen  Jahre  waren  bereits  neun  Abteilungen 
aus  mehreren  Gcmeindeschulen  vorhanden,  von  denen  jede  28  bis  30  Aus- 
flüge gemacht  hat. 

Die  AnsstellnDg  von  Lehrmitteln  fKr  Mensehenknnde  und  Ge- 
sundheitspflege, die  vom  1.  bis  12.  Juli  dieses  Jahres  zu  Leipzig  statt- 
fand, hatte,  wie  L.  Modebsohn  in  der  „Päd.  Bef.^  (Nr.  31)  mitteilt, 
bedeutenden  Erfolg.  Sie  umfafste  500  Nummern  aufser  der  Literatur, 
die  allein  300  Nummern  bot. 

Sämtliche  ausgestellten  Gegenstände  waren  in  vier  Hauptgruppen  ein- 
geordnet: Darstellungen  der  Organe  des  menschlichen  Körpers  im  Zusammen- 
hange: Bau  und  Leben  der  einzelnen  Organe;  Schulhaus,  Schulzimmerund 
Schulutensilien;  Literatur.  Der  Schwerpunkt  der  Ausstellung  lag  nicht  in 
den  ausgestellten  Gegenständen,  die  fast  alle  bekannt  waren,  sondern  in 
der  übersichtlichen  Gruppierung.  Die  ausstellenden  Firmen  hatten  sich 
in  dankenswerter  Weise  bereit  gefunden,  trotzdem  ihre  Gegenstände  häufig 
über  alle  Abteilungen  verteilt  wurden.  Die  Art  der  Gruppierung  zeigen 
am  besten  einige  Beispiele.  Die  Abteilung  „Rückgrat  und  Brustkasten" 
umfaüste;  5  Wirbelknocheu,  die  4  ersten  Halswirbel,  Schädlichkeit  des 
Korsetts  und  Rückgratverkrümmungen  (4  Tafeln),  Querschnitt  durch  die 
Hüfte:  Folgen  des  Schnürens  (1  Tafel),  Skelett  einer  Frau,  durch  Schnüren 


668 

TeroDstaltet  und  normal,  ein  natürlicher  and  ein  durch  Schnüren  Tenm- 
stalteter  Bmstkorh,  1  Wirhelsftule  mit  Knochengewftchs,  Reform-Unter- 
kleidung f&r  Damen  und  Madchen,  Madchen-Tumkleider  (Friedrich  &  Linke, 
Leipzig),  Reform-Korsetts,  Reformkleider  (Reformhaus  „Gesundheit'',  Leipzig), 
„Sitze  gerad*,  Vorrichtung    zum    Geradehalten  des  Oberkörpers  yon  Gey. 

In  der  Abteilung  „Arm  und  Hand**  fehlte  nicht  die  Anleitung  zur 
ersten  Hilfeleistung  bei  Knocheobrachen,  ein  Entleih-Depot  fOr  Gegenstände 
zur  Krankenpflege  auf  dem  Lande  usw.  An  die  Darstellung  des  Fulses 
schlofs  sich  die  Ausstellung  gesunder  Fußbekleidung.  Sehr  umfang- 
reich war  die  Yeranschaulichung  des  Nährwertes  des  Nahrungsmittel.  Bei 
der  Atmung  sah  man  Tafeln  zur  kflnstlichen  Atmung,  das  staubbindende 
Fufebodenöl,  die  geruchlosen  chemischen  Präparate  zum  Desinfizieren  yon 
Räumen  und  KleidungsstQcken  usw.  An  die  Haut  schlois  sich  gesunde 
Unterkleidung,  Badeeinrichtung,  Seife,  Wund-Greme. 

Die  KindererholnngsstStte  in  Charlottenbürg,  vom  vateriändischen 
Frauenyerein  errichtet,  ist,  wie  wir  der  j^Deutschen  Warte*^  entnehmen, 
durch  Aufstellung  einer  weiteren  Baracke  vergröfsert  worden,  so  daCs  nun 
die  Möglichkeit  geschaffen  ist,  zehn  Kinder  auch  des  Nachts  draufsen  zu 
bebalten.  In  Betracht  kommen  in  erster  Reihe  solche  Kinder,  denen 
wegen  ihres  leidenden  Zustandes  der  tägliche  Hin-  und  Rückweg  sdiwer 
fällt,  oder  die  in  so  ungflnstigen  Verhältnissen  leben,  dafs  es  geboten  er- 
scheint, sie  auch  des  Nachts  aus  der  Häuslichkeit  zu  entfernen.  Ausge- 
schlossen yon  dem  Nachtaufenthalte  in  der  Erholungsstätte  sind,  da  nur 
ein  Schlafraum  zur  Verfügung  steht,  Kinder,  deren  Zustand  eine  Ge- 
fährdung der  anderen  Kinder  mit  sich  bringen  könnte,  insbesondere  solche 
mit  ofifenbarer  Tuberkulose.  Der  tägliche  Verpflegungssatz  für  die  Kinder, 
die  auch  nachts  draufsen  yerbleiben  sollen,  ist  auf  1  Mark  festgesetzt 

Einen  H-Vigifen  Ferienspielknrs  hat  während  der  Sommerferien 
der  Verschönerungsyerein  inUntertflrkheim  errichtet.  Derselbe  steht  unter 
der  Aufsicht  eines  Lehrers.  Wie  wir  dem  j^Schwäb.  Merkur^  entnehmen, 
können  an  diesem  Kurs  sämtliche  schulpflichtige  Knaben  (warum  nicht  auch 
die  Mädchen?  D.  Red.)  teilnehmen,  besonders  solche,  welche  in  Gärten, 
Feld  und  Weinberg  nicht  beschäftigt  werden  können. 

Über  ohrenkranke  Schulkinder  sprach  auf  der  14.  Jahresyer- 
sammlung  der  Deutschen  Ohrenräzte  zu  Homburg  Prof.  HASTMANN-Berlin. 
Aus  übereinstimmenden  Erhebungen  der  Kliniker  ergibt  sich,  dafs  unter 
je  100000  Schulkindern  über  25000  Ohrenkranke  zu  finden  sind.  Nach 
Ansicht  des  Vortragenden  ist  der  Staat  schon  aus  Gründen  der  Wehr- 
fähigkeit yerpflichtet,  für  eine  möglichste  Beseitigung  dieses  Übelstandes 
Sorge  zu  tragen.  Die  Hälfte  der  Schwachhörigkeitsfälle  ist  auf  Rachen- 
affektionen, welche  yielfach  heilbar  seien,  zurückzuführen.  —  Unter  all- 
seitiger Zustimmung  wurden  die  Forderungen  des  Redners  aufgenommen, 
dafs  yon  den  Schulärzten  dahin  zu  wirken  sei,  alle  Kinder  mit  Ohrenflufe 
und  Trommelfelldefekten  yon  den  jetzt  yielfach  in  Gebrauch  gekommenen 
Brausebädern  auszuschliefsen ;  auch  baden  dürfen  sie  nur  in  Gegenwart 
yon  Lehrern,  die  das  Schwimmen  zu  beaufsichtigen  yermögen  und  das 
Untertauchen  yerhindem.  Das  Eindringen  yon  Wasser  in  das  innere  Ohr 
könne  das  Leben  gefährden. 


669 

Die  seit  mehreren  Jahren  eingerichteten  Bewegungsspiele  far 

SehOler  und  Schttlerinnen  der  Berliner  Gemeindeschnlen  sind,  wie  der 
yfBerl.  Lokalang.^  mitteilt,  anch  in  diesen  Sommerferien  vom  10.  Juli  bis 
12.  Angnst  abgehalten  worden.  Zn  diesem  Zwecke  waren  nebst  einigen 
Spielplfttzen  30  SchnlhOfe  täglich  von  8—12  und  von  3 — 7  Uhr  geöffnet. 
Die  Kinder,  welche  während  dieser  Zeit  den  Gefahren  des  Stralsenverkehrs 
entrflckt  sind,  unterstehen  der  Leitung  und  Aufsicht  je  zweier  Lehrer  bezw. 
Lehrerinnen,  die  sie  in  diBr  Veranstaltung  von  Spielen  unterstützen,  ihre 
etwa  vorkommenden  Streitigkeiten  schlichten,  ihnen  sonst  jedoch  möglichst 
viel  Freiheit  lassen  sollen.  Wöchentlich  wird  ein  Ausflug,  meist  in  zwei 
Abteilungen,  in  die  nähere  Umgebung  Berlins  unternommen.  Es  haben 
sich  fflr  diese  Ferien  60  Lehrkräfte  in  den  Dienst  der  Sache  gestellt. 

Perienspieltage  sind  während  der  Sommerferien  auch  in  Schöne- 
berg eingerichtet  worden.  Fttr  alle  diejenigen  Kinder,  denen  es  nicht 
vergönnt  ist,  in  den  Ferien  zu  verreisen  oder  die  Wohltat  einer  Ferien- 
kolonie zu  geniefsen,  hat  die  Stadt  nach  einer  Mitteilung  der  „Deutsch,  Ztg."' 
einen  hinreichend  grofsen  Spielplatz  zur  Yerfflgung  gestellt.  Hier  sollen 
unter  Anleitung  von  Lehrern  während  der  ganzen  Ferien  am  Vormittage 
die  Mädchen  und  am  Nachmittage  die  Knaben  spielen  und  sich  erholen. 
Dieser  Versuch  wird  dann  zur  dauernden  Einrichtung  gemacht  und  später 
bedeutend  erweitert  werden.  Nehmen  die  Kinder  regelmäfsig  an  diesen 
Spielen  teil,  so  wird  zweifellos  die  Whrkung  auf  ihre  Gesundheit  zu  spttren 
sein.  Von  der  Spielleitung  wird  der  pädagogische  Grundsatz  beobachtet 
werden,  dafs  die  Kinder  möglichst  frühzeitig  zur  Selbständigkeit  erzogen 
werden.  Deshalb  soll  alles  Reglementieren  und  Befehlen  möglichst  ver- 
mieden werden.  Nur  Berater  wollen  die  Spielleiter  sein,  indem  sie  die 
Spielgmppen  arrangieren  helfen,  neue  Spiele  einüben  und  überall  da,  wo 
Störungen  und  Stockungen  eintreten,  fördernd  und  helfend  eingreifen ;  kurz, 
man  geht  von  dem  Gedanken  aus,  die  Kinder  während  der  Ferien  dem 
gefährlichen  und  gesundheitsschädlichen  Strafsenleben  zu  entziehen  und 
möglichst  ins  Freie  zu  führen.  Nach  neuesten  Nachrichten  hat  sich  diese 
Veranstaltung  in  hervorragendem  Mause  bewährt  und  die  Sympathie  der 
Kinder  wie  auch  der  Eltern  gewonnen. 

Über  das  Zfielitignngsrecht  der  Lehrer  hSherer  Unterriehts- 
ustalten  hat  das  Provinzial-SchulkoUegium  in  Berlin  folgende  Verfügung 
eriassen:  „Mehrere  Fälle  von  Oberschreitung  des  Züchtigungsrechts  durch 
Lehrer  usw.  veranlassen  uns,  die  amtlichen  Vorschriften  über  körperliche 
Züchtigung  in  Erinnerung  zu  bringen  und  folgendes  zu  bestimmen:  auch 
Schüler  der  drei  unteren  Klassen  dürfen  ohne  Wissen  des  Direktors  und 
Ordinarius  körperlich  nicht  gezüchtigt  werden.  Schläge  an  den  Kopf  sind 
unter  allen  Umständen  verboten.  Von  jeder  körperlichen  Züchtigung  sind 
die  Eltern  oder  deren  Vertreter  sofort  in  Kenntnis  zu  setzen.  Gleichzeitig 
sehen  wir  uns  veranlafst,  den  Gebrauch  von  Schimpfwörtern  im  Verkehr 
mit  den  Schülern  als  ungehörig  und  als  schädigend  für  das  Ansehen  des 
Lehrers  zu  bezeichnen  und  ferner  zu  bestimmen,  dafs  häusliche  Arbeiten 
zum  Zweck  der  Strafe  unter  keinen  Umständen  aufgegeben  werden  dürfen.*' 

Ferien-Hygiene.  Unter  diesem  Titel  hat  Dr.  WsiGL-München  in 
den   „Bl.  f.   Volksgesähtspfl,*^    einen  Aufsatz  veröffentlicht,   in  welchem  er 


670 

die  Forderungen  der  Gesondheitspflege  mit  Bezug  auf  das  Ergehen  der 
Kinder  in  den  Ferien  in  zwei  Gebote  einteilt:  Femhalten  aller  schftdlidien 
Einflösse  und  auf  der  anderen  Seite  FOrderang  aller  solcher,  durch  die 
neue  Kräftigung  an  Körper  und  Geist  erworben  wird.  Es  ist  nicht  zu 
Übersehen,  dafs  manche  Eltern  in  der  besten  Absicht  ihren  Kindern  durch 
die  Art  der  ihnen  bewilligten  Ferieuerholung  mehr  schaden  als  nützen. 
Jedenfalls  sollte  man  überall  daran  denken,  dais  den  Kindern  während  der 
Ferien  Luft  und  Licht  und  herzhaftes  Austummeln  im  Freien  während 
des  ganzen  Tages  not  tut,  und  darin  sollen  sie  auch,  wenigstens  in  ge- 
wissen Grenzen,  nach  ihrem  Belieben  handeln  können.  Die  Eltern  sollten 
die  Kinder  nicht  in  ihren  Kreis  und  ihre  Interessen  zu  zwingen  suchen, 
sondern  es  wird  für  sie  selbst  besser  sein,  wenn  sie  sich  eher  den  Nei- 
gungen der  Kinder  anzunähern  suchen.  Zur  Bekämpfung  der  angeblich 
zunehmenden  Nervosität  unserer  Jugend,  deren  Vorhandensein  Dr.  Wkioi« 
übrigens  anerkennt  und  auch  der  Überbürdung  des  Lehrstofifo  in  den 
Schulen  mit  sehr  entbehrlichen  Dingen  zuschreibt,  ist  die  Vornahme  körper- 
licher Übungen  durch  einen  vemünfügen  Sport  zu  Land  oder  zu  Wasser 
geradezu  notwendig.  Es  ist  oft  darauf  hingewiesen,  aber  kann  nicht  genug 
wiederholt  werden,  dais  namentlich  das  Schwimmen  eine  körperliche  Bewegung 
ist,  bei  der  alle  Organe  gewinnen,  ebensowohl  die  ganze  Haut,  die  Muskeln, 
die  Nerven,  wie  insbesondere  auch  die  Lungen  durch  mächtige  Anregung 
zur  tiefen  Atmung  usw.  Wenn  beim  Schwimmen  noch  besondere  Schwimm- 
spiele veranstaltet  werden  können,  wird  die  Begeisterung  der  Jugend  ftlr 
diese  Form  der  Gymnastik  noch  bedeutend  wachsen.  Femer  wird  auf  die 
Wichtigkeit  des  Schülerrudems  verwiesen.  Der  deutsche  Verein  fär  Volks- 
hygiene  hat  sich  seinerseits  die  Organisation  von  Wanderungen  angelegen 
sein  lassen,  um  die  Jugend  während  der  Ferien  in  den  ganzen  Beichtnm 
der  Natur  einzuführen.  Die  Ferienkolonien  dieses  Vereins  geben  auch 
den  ärmsten  Kindern  die  Möglichkeit,  sich  an  der  Natur  zu  erholen  und 
grölsere  Teile  des  Vaterlandes  kennen  zu  lernen,  indem  mit  Vorliebe  die 
Kinder  aus  dem  Süden  nach  dem  Mittelgebirge  oder  bis  an  die  Meeres- 
küste geführt  werden,  und  umgekehrt  die  Jugend  aus  dem  Norden  bis  an 
die  Südgrenze  mit  ihren  Schneebergen. 

Dem  Betriebe  der  Charlottenburger  Waldschule  widmet  Stadt- 
schulrat Dr.  Neüfebt  im  XIV.  Jahrgang  des  „Jahrbuch  f.  Volks-  und 
Jugendspiele*^  eine  längere  Betrachtung.  Verschiedene  seiner  Bemerkungen 
verdienen  die  Au&nerksamkeit  weiterer  Kreise.  In  den  ersten  14  Tagen 
nach  der  Eröffnung  —  so  schreibt  er  —  erfreuten  sich  die  Kinder  noch 
der  Ferien,  und  das  Leben  in  der  Waldschule  glich  etwa  dem  in  einer 
Ferienkolonie;  nur  muTiste  bei  allem  mehr  darauf  Bedacht  genommen  werden, 
daCs  man  lauter  Kinder  mit  ernsterem  Leiden  vor  sich  hatte.  So  zeigte 
sich  z.  B.  sofort,  dafs  den  Grofsstadtkindern  Gesellschaftsspiele  im  Freien 
fast  fremd  waren.  Wohl  wird  in  Gharlottenburg  seit  einigen  Jahren  das 
Jugendspiel  eifrig  gepflegt,  doch  gerade  die  kränklichen  und  schwächlichen 
Kinder  waren  teils  von  ihren  Eltern  aus  übertriebener  Ängstlichkeit  vom 
Spiel  fern  gehalten  worden,  teils  hatte  der  Arzt  es  nicht  gestattet.  Anders 
nun  hier  in  der  Waldschule,  wo  seitens  des  Schularztes  bestimmt  wurde, 
wie  weit  jedes  Kind   sich   beteiligen  durfte,  und  seitens  des  Lehrers  ge- 


671 

bohrende  Bflcksicht  daraaf  genommen  worde.  Bald  gaben  sich  olle  mit 
Lnst  dem  gemeinsamen  Spiele  im  schönen  grünen  Walde  hin,  nnd  das 
Spiel  bewährte  sich  trefflich  als  Arzt  und  als  Erzieher.  Am  15.  Angnst 
begann  wie  in  allen  anderen  Schulen  der  Unterricht,  und  nun  erst  zeigte 
«ch  das  charakteristische  Lehen  und  Treiben  in  der  Waldschule.  Der 
Lehrplan  entsprach  dem  der  entsprechenden  Klassen  der  Gemeindeschulen;  nur 
dafs  der  Lehrstoff  in  den  meisten  F&chem  auf  das  Hauptsächlichste  beschränkt 
war;  jedoch  waren  nur  6  —  nicht  wie  in  den  Gemeindeschulen  7  — 
Klassen  vertreten,  da  man  von  vornherein  davon  abgesehen  hatte,  Schüler 
der  untersten  EJasse  aufzunehmen.  Die  Gesamtdauer  des  Unterrichts  war 
für  die  unterste  Klasse  täglich  2  Stunden,  für  die  3  obersten  täglich 
2^/s  Stunden,  in  den  beiden  Klassen  V  und  IV  waren  13  bezw.  14  Stunden 
wöchentlich  angesetzt.  Da  für  diese  6  Klassen  nur  2  Schulzimmer  vor- 
handen waren,  so  machte  die  Aufstellung  des  Lektions-  und  Stundenplans 
einige  Schwierigkeiten,  obgleich  der  Unterricht  in  Naturwissenschaften, 
Turnen  und  Singen  grundsätzlich  im  Freien  zu  erteilen  war,  soweit  es  das 
Wetter  irgend  zuliels.  Der  Unterricht  wurde,  um  die  Kinder  vor  Über-^ 
müdung  zu  schützen,  in  halbstündigen  Lektionen  erteilt ;  nach  jeder  halben 
Stunde  fand  eine  Pause  von  5  Minuten  statt,  nach  jeder  ganzen  eine  solche 
von  10  Minuten.  Länger  als  zwei  Stunden  hintereinander  zu  unterrichten, 
war  überhaupt  nicht  gestattet.  Diese  Bestimmung  erwies  sich  in  den 
meisten  und  wichtigsten  Fällen  als  recht  zweckmässig.  Wenn  die  kränk- 
lichen Kinder  z.  B.  eine  halbe  Stunde  intensiv  gerechnet  hatten,  so  waren 
ihre  Kräfte  derart  verbraucht,  dafe  eine  Pause  dringend  notwendig  war. 
Wenige  Minuten  Bewegung  in  kräftiger  Waldluft  erfrischten  die  Kinder 
jedoch  hinreichend,  um  dem  Unterricht  wieder  mit  Aufmerksamkeit  folgen  zu 
können.  Immerhin  erschien  es  im  gesundheitlichen  Interesse  nicht  angängig, 
nach  der  Pause  wiederum  zu  rechnen  oder  einen  anderen  gleich  an- 
strengenden Gegenstand  vorzunehmen.  Ebenso  wie  der  Lehrplan  den  be- 
sonderen Verhältnissen  der  Kinder  angepalst  war,  so  müfste  es  auch  die 
Lehrmethode  und  insbesondere  der  Lehrton  sein.  Körperliche  Erholung 
und  Gesundung  sollten  ja  mit  Erziehung  und  Unterweisung  in  gleicher 
Weise  gepflegt  werden.  Es  durften  daher  Erziehungsmittel,  die  die  Er- 
ziehung ungünstig  beeinflussen  konnten,  nicht  angewandt  werden.  Die  Kürze 
der  Lektionen  gebot,  frisch  und  flink  vorzutragen,  von  allem  Nebensäch- 
lichen abzusehen  und  dem  einzelnen,  der  etwas  nicht  recht  verstanden 
hatte,  nicht  zu  viel  kostbare  Zeit  in  der  Stunde  zu  widmen,  ihn  vielmehr 
außerhalb  dieser  noch  einmal  vorzunehmen.  Planmäfsige,  wenn  auch  auf 
das  Hauptsächlichste  beschränkte  Wiederholungen  erwiesen  sich  wegen  der 
vielen  Lücken  als  unumgänglich  notwendig.  Nachdem  die  Besserung  und 
Kräftigung  der  Gesundheit  der  Kinder  hervorgehoben  ist,  fährt  Dr.  Neufest 
fort:  „Auch  in  pädagogischer  Beziehung  haben  wir  alle  Ursache,  mit  dem 
Erfolge  der  Waldschule  zufrieden  zu  sein.  Auf  das  Betragen  der  Kinder 
hat  der  Aufenthalt  in  der  Waldschule  günstigen  Einflufe  gehabt,  besonders 
2ur  Ordnung,  Sauberkeit  und  Pünktlichkeit,  sowie  zur  Verträglichkeit  unter 
einander  wurden  sie  erzogen.''  Aus  den  amtlichen  Berichten  über  die 
Klassenleistungen  der  ehemaligen  Waldschüler  geht  deutlich  hervor,  da(s 
das  pädagogische  Ziel,    das  der  Waldschule  bei  ihrer  Gründung  gesteckt 


672 

worden  ist,  erreichbar  und  von  dem  weitaus  gröfsten  Teil  der  Kinder  auch 
erreicht  worden  ist. 

Ober  die  Morbidititsstetistik  in  den  Schulen  nnter  Mitwirkung 
der  Lehrer  anisert  sich  Dr.  Altschul  in  der  „QeauncOieiiswarte  der 
Sckuh"^  (Nr.  6).  „Die  Morbiditätsstatistik  —  sagt  er  —  hat  natflriich 
der  Arzt  zn  führen,  die  Mitwirkung  der  Lehrer  ist  aber  unentbehrlich.** 
Sie  mnfe  n.  a.  immer  da  einsetzen,  wo  objektiye  Krankheitssymptome  fehlen, 
da  der  erfahrene  Lehrer  weiüs,  welchem  Schiller  er  bezüglich  der  gemachten 
Angaben  trauen  kann  nnd  welchem  nicht.  Sodann  wird  der  Lehrer  da- 
durch, dafs  er  seine  Beobachtungen  Aber  die  „Fehler  des  Kindes"  dem 
Schularzte  mitteilt,  die  eingehende  Untersuchung  einzelner  Schiller  durch 
den  letzteren  veranlassen.  Auch  die  von  den  Lehrern  zu  fahrende 
Statistik  über  die  Schulversaumnisse  und  über  die  Befähigung  der  ein- 
zelnen Schüler  ist  für  die  Morbiditätsverhältnisse  der  Schuljugend  von 
grofser  Bedeutung.  Energisch  tritt  A.  für  das  verständnisvolle  Zu- 
sammenwirken von  Arzt  und  Lehrer  ein,  durch  welches  die  Schul- 
hygiene grofse  praktische  und  wissenschaftliche  Erfolge  erzielen  kann. 

Ein  Schnlbransebad  in  Amsterdam  ist  im  Zentrum  von  vier  Schulen 
erstellt.  Dasselbe  ist  eine  Musteranstalt.  Der  Betrieb  steht  unter  der 
Aufsicht  der  Lehrerschaft.  Es  ist  nicht  nach  dem  Zellensystem  gebaut, 
und  die  Praxis  zeigt,  dafe  dies  zu  keineiiei  Unzukömmlichkeiten  führt 
Auch  die  Eltern,  von  denen  anfangs  Beschwerden  ausgingen,  haben  sich 
beruhigt.  In  der  Tat  braucht  man  den  Eltern  die  Einrichtung  nur  zu 
zeigen,  um  sie  zu  überzeugen,  dafs  die  üblichen  Samstagabendreinigungen 
zu  Hause  ganz  armselig  sind  im  Vergleich  zu  der  wöchentlichen  Reinigung 
im  Schulbad. 

Jedes  Kind  erhält  ein  reines  Handtuch  mit  Seife.  Das  eigentliche 
Waschen  währt  5  Minuten ;  man  braucht  zum  Aus-  und  Anziehen,  Baden, 
zum  Gehen  nach  dem  Bad  und  zurück  nicht  mehr  als  20  Minuten  für 
eine  Abteilung.  Das  Schulbad  zu  Amsterdam  gibt  erfreuliche  Resultate. 
Das  Wegschicken  der  Kinder  aus  der  Schule  wegen  Unreinlichkeit  gehört 
zu  den  grofsen  Ausnahmen.  Die  Hautkrankheiten  verschwinden  aus  der 
Reihe  der  Schulkrankheiten.  Eine  indirekte  Folge  der  Benutzung  des 
Schulbades  ist  die,  dafe  die  Mütter  besser  als  früher  für  die  Leibwäsche 
der  Kinder  sorgen.  Die  Eltern  werden  also  nicht  sorglos  und  ihre  Gefühle 
werden  in  keiner  Weise  verletzt.  Sechs  Tage  hindurch  mufs  die  Mutter 
für  Sauberkeit  ihrer  Kinder  sorgen,  am  siebenten  übernimmt  die  Schule 
diese  Aufgabe.  Das  Baden  ist  auch  eine  vortreffliche  Gesundheitsmalsregel. 
Besser  ist  es,  den  Krankheiten  vorzubeugen,  als  sie  zu  heilen. 

Dr.  med.  J.  M.  C.  MoUTON-Haag. 

Alkoholgebranch  bei  Kindern.  Soeben  ist  im  Druck  erschienen 
ein  Bericht  der  Abteilung  s'Gravenhage  des  niederländischen  Lehrer- 
Propaganda- Club  für  Bekämpfung  des  Alkoholgebrauchs*'.  Derselbe  enthält 
das  Urteil  von  mehr  als  100  Ärzten  aus  s'Gravenhage  über  Alkohol- 
gebrauch bei  Kindern.  Von  einer  Anzahl  Ärzte  wird  der  Alkohol  auch 
als  heilendes  und  stärkendes  Mittel  verurteilt,  während  andere  dem  Alkohol 
keine  stärkende  Wirkung  beimessen,  aber  doch  die  Bedeutung  des  Alkohols 
als  Arzneimittel  nicht  verneinen. 


673 

Mehr  oder  weniger  bestimmt  erklären  die  Ärzte  Wein,  Bier,  Kognak, 
Genever,  Eiergetränk  nsw.  als  in  ihrer  Wirknng  gleichbedeutend.  Nach 
ihrem  urteil  ist  kein  einziges  alkoholhaltendes  Getränk  „unschuldig^. 
Mit  wenigen  Ausnahmen  halten  alle  Ärzte  den  regelmäßigen  Älkoholgenufs 
für  sehr  schädlich.  Nur  yereinzelt  erlauben  sie  nicht  zu  kleinen  Kindern 
ab  und  zu,  ein  einzelnes  Glas  helles  Bier  oder  Wein;  aber  starke  Ge- 
tränke und  Liköre  sind  allgemein  untersagt.  Die  meisten  Ärzte  wollen 
jedoch  den  Alkohol  als  Arznei  noch  nicht  entbehren,  lassen  ihn  aber  aller- 
dings nur  bei  bestimmten  Krankheiten,  nach  Verordnung  und  unter  Auf- 
sicht eines  Arztes  zu  —  also  in  ganz  ausnahmsweisen  Fällen,  wenn  der 
praktizierende  Arzt  es  als  notwendig  betrachtet.  Doch  gibt  es  schon  viele 
Ärzte,  welche  den  Alkohol  auch  als  Arznei  abgeschafft  haben  wollen. 
Sicher  ist  es,  da&  die  Psychiater  und  die  Nervenärzte  den  Alkohol  am 
meisten  verurteilen.  Diese  Sachverständigen  haben  natürlich  noch  viel 
genauer  als  alle  anderen  untersucht,  welche  Faktoren  auf  das  Nervensystem 
und  auf  das  moralische  Leben  vernichtend  wirken.  Unter  diesen  steht 
der  Alkohol  in  erster  Linie.  Dies  mflssen  auch  alle  Eltem  in  unserer 
Nerven  zerstörenden  Zeit  wohl  gut  im  Auge  behalten,  wenn  sie  die  Kinder 
alkoholhaltige  Getränke  genieisen  lassen. 

Dr.  med.  J.  M.  C.  MoüTON-Haag. 


Sajesjefc^tc^tlic^es. 


Der  VL  dentsehe  Kongrefs  flr  Volks-  und  Jngendspiele  wurde 
in  Frankfurt  a.  M.  vom  15.  bis  18.  September  1905  abgehalten.  Es 
standen  folgende  Vorträge  auf  der  Tagesordnung: 

1.  „Über  die  Beziehungen  zwischen  Schule  und  Heer,"    Vom  General- 
arzt a.  D.  Dr.  M£I8NBR-Berlin. 

2.  „Über  die  Erziehung  zur  Selbständigkeit."    Von  Professor  Dr.  KocH- 
Braunschweig  und  Studiendirektor  Professor  RAYDT-Leipzig. 

3.  „Über  die  frühere  und  jetzige  Schwimmethode  in  FrankJfurt.*'    Vom 
Tuminspektor  W.  WsiDENBUSCH-Frankfiirt  a.  M. 

4.  „Die  körperlichen  Anlagen,  ihre  Entwicklung  und  Ausbildung. "    Von 
Professor  Dr.  Finkler,   Direktor  des  hygienischen  Instituts,   Bonn. 

5.  „Über  den  allgemeinen  obligatorischen  Spielnachmittag. "^     Von  dem 
Vorsitzenden  des  Zentralausschusses  v.  SCHENCKBNDOBFP-Görlitz. 

Aufserdem  wurden  den  Teilnehmern  an  der  Versammlung  vorgefahrt: 
Spiele  der  Schaler  und  Schülerinnen  der  städtischen  Schulen,  Schlagball- 
Wettspiele  der  höheren,  Mittel-  und  Volksschulen,  Fußballspiele  und  Fufs- 
ballwettspiele  der  höheren  Schulen,  SchOlerschwimmen  im  Main,  Spiele  der 
Frankfurter  Turnvereine,  Fufsballwettspiele  der  Spielvereine,  Vorführungen 
des  Verbandes  für  Tumsport  und  Vorführungen  im  städtischen  Schwimmbad. 

Geschäftsführer  war  Professor  RAYDT-Leipzig. 


674 

Die  Hygiene  und  Prophylaxe  der  Tnberkvlose  in  Kindesilter 

stand  anf  der  Tagesordnimg  des  internationalen  Taberkalese- 
koDgresses,  der  am  2.  bis  7.  Oktober  d.  J.  in  Paris  statt&nd.  Das 
Programm  dieser  Abteilung  war,  wie  wir  dem  ^Österr.  Samiätswesm'' 
(Nr.  28)  entnehmen,  folgendes: 

Berichte.  1.  Yorbengangsmaferegeln  in  der  Familie.  Berichterstatter, 
Frankreich:  Dr.  Masfan  (Paris);  Deutschland:  Prof.  Heübnbb  (Berlin). 

2.  Vorbengnngsmalsregeln  in  der  Schule.  Berichterstatter:  Frankreicfa: 
Dr.  Meby  (Paris);  Österreich:  Prof.  Dr.  Ganohofbb  (Prag). 

3.  Sanatorien  an  der  See.  Berichterstatter,  Frankreich:  Dr.  Abmaim- 
GAüB  (Bordeaux);  Schweiz:  Prof.  d'£spik£  (Genf). 

4.  Versicherung  der  Schulkinder;  ihre  Bedeutung  im  Kampfe  gegei 
Tuberkulose.     Berichterstatter,  Frankreich:  Ckvi  und  Sayoibb  (Paris). 

Vom  Komitee  zur  Beratung  vorgeschlagene  Fragen: 

Eingangswege  der  Tuberkulose  beim  Kinde. 

Tuberkuloseflbertragung  durch  Nahrungsmittel. 

Tuberkuloseflbertragung  durch  Einatmung. 

Tuberkuloseflbertragung  vom  Munde,  von  den  Mandeln  und  voa 
Rachen  aus. 

Häufigkeit  der  verschiedenen  Arten  der  Übertragung. 

Infektion  kleiner  Kinder  durch  bazillenhaltige  Milch. 

Hohe  Letalität  an  Tuberkulose  in  den  Familien. 

Tuberkulose  in  den  Waisenh&usem. 

Tuberkulose  in  den  Gewerbeschulen. 

Schulunterricht  Aber  Tuberkulosevorkehrungen. 

Bedeutung  der  „Gouttes  de  lait*  und  der  Überwachung  der  Säuglinge 
im  Kampfe  gegen  die  Tuberkulose. 

Erkrankung  der  tracheo- bronchialen  Lymphdrflsen,  Feststellung  der- 
selben durch  radiographische  Untersuchung. 

ülcerOse  Lungentuberkulose  der  Säuglinge. 

Tuberkulöse  Enteritis  der  Säuglinge. 

Tuberkulöse  Kachexie  der  Säuglinge.     Diagnose  derselben. 

Aufdeckung  latenter  tuberkulöser  Herde  durch  Eingriffe  an  einem 
bereits  bestehenden  Herde. 

Behandlung  der  tuberkulösen  Peritonitis  am  Meere. 

Frühzeitige  Feststellung  der  Lungentuberkulose  bei  Kindern  durch 
Auskultation. 

Tuberkulöse  Bazillämie  beim  Kinde. 

Tuberkulöser  Rheumatismus  beim  Kinde. 

Tuberkulöse  Verwachsung  des  Herzbeutels  bei  Kindern. 

Gehimtuberkulose. 

Mit  der  Frage  der  Reiniiping  der  SehiilrftaBe  befabte  sich  un- 
längst der  Gesundheitsausschufs  fflr  die  Stadt  Braunschweig.  Wie  wir 
dem  „Braunsckweiger  Angeiger^  entnehmen,  beschloß  derselbe,  das  hier- 
flber  seitens  des  Stadtmagistrats  gewünschte  Gutachten  in  der  Richtnng  za 
erstatten,  dafs  die  regehnä&igen  und  die  aniserordentlichen  Reinignagen 
häufiger  als  bisher  ausgeführt  und  durch  Beauftragte  der  städtischen  Baa- 
verwaltung  in  geeigneter  Weise  überwacht  werden  mögen.     Da  mit  der 


675 

YerwenduDg  staabbindenden  Öls  auf  den  HolzfofisbOden  gnte  Erfahnmgen 
gemacht  sind,  wurde  empfohlen,  Bich  dieses  Mittels  anch  fernerhin  zn  be- 
dienen nnd  die  schon  erwähnte  Beanfsichtigang  daranf  auszudehnen,  dafo 
die  Öhing  weder  flbertrieben  stark  noch  zn  schwach  erfolgt,  dafs  ins- 
besondere die  am  meisten  betretenen  Stellen  in  den  Schnlrftnmen  öfters 
nachgeölt  werden.  Im  wesentlichen  stimmten  die  gefafsten  Beschlüsse  mit 
denjenigen  Yorschlägen  flberein,  welche  der  Brannschweiger  Verein  für 
öffentliche  Gesundheitspflege  dem  Stadtmagistrat  in  einer  ursprünglich  Tiel 
weitergehenden,  inzwischen  aber  nach  nochmaliger  Prüfung  erheblich  ein- 
geschränkten Form  gemacht  hat.  Der  Ausschufs  sprach  sich  im  Anschlufs 
hieran  für  die  Ersetzung  der  Kokosspmngmatratzen  in  den  Turnhallen  durch 
Ledermatratzen  aus  und  hielt  es  für  zweckmäfsig,  dem  Beispiele  des  Braun- 
schweiger Männertumyereins  folgend,  in  den  städtischen  Turnhallen  einen 
Versach  mit  einer  aus  Sägespänen  bestehenden  Fufebodenbedeckung  zu 
machen,  der  em  Zusatz  von  Salz  mit  Chlormagnesium  zur  Festhaltung  der 
Feuchtigkeit  beigegeben  wird. 

Waldschulen  in  Berlin.  Wie  der  y^Berl  LoTc-Ane,"^  berichtet, 
wurde  vor  kurzem  in  einer  Sitzung  der  Stadtyerordnetenyersammlung  in 
Berlin  yom  Stadtverordneten  Heimann  der  Antrag  gestellt,  der  Magistrat 
möge  nach  dem  von  Charlottenburg  gegebenen  Beispiel  Waldschulen 
errichten,  für  deren  Zweckmäßigkeit  der  Redner  nicht  genug  Worte  der 
Anerkennung  zu  finden  vermochte. 

Der  Schnlbeginn  fflr  die  ersten  Klassen  der  Yolksschnle  in 
München  ist,  wie  die  ytAUg,  Ztg.^  mitteilt,  von  der  Lokalschulkommission 
anch  für  das  kommende  Wintersemester  bezw.  Teile  desselben  auf  9  Uhr 
vormittags  festgesetzt  worden,  nachdem  einschlägige  Versuche,  die  im 
letzten  Winter  an  einigen  Schulen  gemacht  worden  sind,  sehr  günstige  Er- 
fahrungen ergeben  haben.  Rinder,  deren  Eltern  früh  an  die  Arbeit  gehen 
und  ihre  Kinder  deshalb  mehrere  Stunden  lang  sich  selbst  überlassen 
müfsten,  werden  über  die  Wartezeit  hinüber  wieder  in  entsprechenden 
Räumen  untergebracht  und  beschäftigt  werden. 

Vermehmng  der  Turnstunden  nnd  EinfShmng  von  Spiel- 
naekmittagen  scheint  in  Nassau  bevorzustehen.  Wie  der  j^Rhein.  Courier*^ 
mitteilt,  hat  die  königl.  Regierung  zu  Wiesbaden  bei  den  Schulaufsichts- 
beamten Erkundigungen  darüber  einziehen  lassen,  ob  es  wünschenswert  und 
geboten  sei,  zur  Kräftigung  der  männlichen  und  weiblichen  Jugend  die 
Anzahl  der  Turnstunden  zu  vermehren,  namentlich  ob  neben  den  Turn- 
stunden noch  Spielnachmittage  anzusetzen  seien.  Eventuell  soll  auch  betont 
werden,  ob  im  bejahenden  Falle  andere  Stunden  in  Wegfall  kommen  sollen 
oder  nicht.  Auch  Mädchenschwimmen  soll  eingeführt  werden,  eventuell 
smd  Turnlehrer  bezw.  Tumlehrerinnen  im  Schwimmen  nachzuprüfen. 

Die  Ferienhalbkolonien  scheinen  sich  in  Berlin  gut  eingebürgert 
zu  haben.  Wie  wir  dem  „Berl  Lokal-Ane.^  entnehmen,  befördert  jeden 
Mittag  um  1  Uhr  ein  grofser  Dampfer  452  Kinder  von  der  Jannowitz- 
brücke  nach  Treptow,  wo  gegen  IV«  Uhr  am  Kaiserbad  gelandet  wird. 
Nach  dem  Genuis  von  Milch  und  Wei&brot  geht  es  zum  Baden.  Die 
Kolonien  treffen  dann  gegen  4^/t  Uhr  auf  dem  grofsen  Spielplatz  im 
Flänterwald  zusammen.    AUe  Wege,  welche  die  Kolonien  passieren,  werden 


676 

auf  Anordnung  der  städtischen  Parkdepntation  vorher  besprengt.  EIniroh- 
liebes  Singen  und  Spielen  beginnt.  Jede  Kolonie,  kenntlich  dnrch  einen 
farbigen  Stern  aof  dem  linken  Arm,  onterstebt  der  besonderen  Aufsicht 
eines  Lehrers  oder  einer  Lehrerin.  Hier  spielen  gröüsere  Knaben  Barlauf, 
Kettenreifsen,  andere  Tauziehen,  Topfschlagen;  die  Mädchen  flben  Reigen, 
spielen  Blindekuh  oder  Kreisspiele;  die  schwächlichen  und  matten  Kinder 
lagern  unter  den  grofsen  Eichbäumen.  Da  werden  Geschichten  erzählt, 
Rätsel  aufgegeben  und  Lieder  gesungen.  Gegen  67*  Uhr  kehren  die 
Kinder  in  die  Yerpflegungslokale  zurück.  Milch,  belegte  Butterbrote,  warme 
Würstchen,  Eier  warten  hier  der  hungrigen  Schar.  Um  8  Uhr  befördern 
Extrazttge  der  Siemens  &  Halskeschen  sowie  der  Grofsen  Strafsenbahn  die 
Kinder  nach  Berlin  zurück. 

Eine  Statistik  fiber  die  VerhUtnigse  der  Schäler,  an  weldiw 
die  letzteren  selbst  teilnehmen  sollen,  wird  nach  einer  Mitteilung  der  Tages- 
blätter am  L  Oktober  a.  c.  von  der  Munizipalität  in  Nizza  aufgenommen 
werden.  Zu  diesem  Behufe  sollen  am  genannten  Tage  an  6000  Kinder 
Tabellen  verteilt  werden,  in  die  sie  Eintragungen  über  ihr  Alter,  über 
Eintritt  in  die  Schule,  über  Krankheiten  und  Dauer  derselben,  über  Eltern, 
Wohnung,  Impfung,  Gewicht  und  Leibesübungen  machen  müssen.  Diese 
Statistik  der  Kinder  kann  natürlich  jeden  Augenblick  von  den  Lehrern  aof 
ihre  Richtigkeit  hin  geprüft  werden.  Eine  zweite  Kontrolle  übt  der  Schul- 
arzt, der  ein  nur  ihm  zugängliches  Journal  führt,  in  dem  die  Hauptsache 
genaue  Eintragungen  bilden  über  das  Resultat  der  eingeh^dsten  Körper- 
untersuchungen der  Schüler,  die  zweimal  in  jedem  Jahre  stattfinden.  Endlidi 
müssen  auch  Lehrer  und  Lehrerimnen  an  der  Statistik  mitarbeiten.  Sie 
haben  Fragen  zu  beantworten  über  Luft,  Licht  und  die  Gröfse  der  Klassen- 
zimmer sowie  über  die  Anzahl  der  Schüler  in  den  einzelnen  KJassen. 

Die  Nebenklassen  f&r  sehwaehbefilhigte  Kinder,  die  an  den 
Berliner  Gemeindesdinlen  bestehen,  sind  nach  einer  Mitteilung  des  „Berl. 
Lok.'Anjs.^  in  diesem  Sommerhalbjahr  auf  122  Klassen  vermehrt  worden 
und  werden  von  1848  Kindern  besucht.  Darunter  sind  1074  Knaben  und 
nur  774  Mädchen,  während  an  der  Gesamtzahl  der  Gemeindeschulkinder  die 
Mädchen  stärker  als  die  Knaben  beteiligt  sind,  jene  mit  .112805  und  diese 
nur  mit  110  482.  Von  je  10000  Gemeindeschülem  sitzen  97  in  einer 
Nebenklasse,  dagegen  von  je  10  000  Gemeindeschülerinnen  nur  69.  Dieser 
Unterschied  läfst  sich  nicht  nur  aus  dem  einen  Halbjahr  feststellen.  Er 
ist  ähnlich  auch  in  aUen  früheren  Halbjahren,  solange  es  Nebenklassen  an 
den  Berliner  Gemeindeschulen  gibt,  zu  bemerken  gewesen.  Der  Unter- 
schied ist  auffällig  genug,  um  den  Wunsch  nach  Erklärung  rege  zu  machen« 
Geht  er  nur  auf  äufserliche  Ursachen  zurück,  etwa  nur  auf  eine  gewisse 
Neigung,  schlecht  vorwärtskommende  Mädchen  nicht  so  bald  einer  Neben- 
klasse zu  überweisen  wie  schlecht  vorwärtskommende  Knaben?  Beachtung 
verdient  übrigens,  dafs  auch  die  Idiotenanstalt  Dalidorf  viel  mehr  Knaben 
als  Mädchen  in  Pflege  hat.  Z.  B.  am  1.  April  d.  J.  waren  dort  und  in 
der  dazu  gehörigen  Familienpflege  189  Knaben,  aber  nur  72  Mädchen 
untergebracht. 

Nachhilfeiinterrleht  fUr  Teilnehmer  an  Yorkolonien.  Durch  die 
Einrichtung  der  sogenannten  „Yorkolonien*'    hat  eine  gröCsere  Zahl  von 


677 

Gbarlottenburger  Gemeindeschnlkindeni  durch  Aufenthalt  in  einer  Ferien- 
kolonie im  Monat  Jnni  den  Scholnnterricht  versänmt.  Um  nach  Möglich- 
keit zn  verhindern,  dals  die  Kinder  dadurch  in  der  Schule  znrttckbleiben 
und  am  Schlüsse  des  Schuljahres  nicht  versetzt  werden,  wird,  wie  der 
„Berl.  Lok.' Asm y^  mitteilt,  auf  Beschluis  der  Schuldeputation  als  £rsatz 
filr  den  versäumten  Unterricht  in  den  die^&hrigen  Sommerferien  drei 
Wochen  hindurch  unentgeltlicher  Nachhilfeunterricht  in  Deutsch  und  Rechnen 
eingerichtet  werden,  und  zwar  für  Kinder  aus  den  zweiten,  dritten,  vierten 
und  fOnften  Gemeindeschulklassen. 

Eine  nene  Reformselmle,  vielleicht  besser  „Naturschule*'  genannt, 
soll  im  Laufe  des  Herbstes  in  einem  der  westlichen  Berliner  Vororte 
errichtet  werden.  Wie  wir  den  Tagesblättem  entnehmen,  will  sie  nach 
den  Ideen  Bbbthold  Ottos  in  Lichterfelde  und  Arthur  Schulz'  in 
Friedrichshagen  mit  der  Art  des  bisherigen  Unterrichts  brechen.  An  Stelle 
des  Lehrplanes  soll  die  Gelegenheit  treten.  Aus  der  Lemschule  soll  eine 
Arbeitsschule  gemacht  werden.  An  Stelle  des  zwangsweisen  Auswendig- 
lernens wollen  die  Begrtlnder  ein  organisches  Verstehen  setzen.  An  der 
Hand  praktischer  Aufgaben,  die  das  Spiel  ergeben,  sollen  die  Kenntnisse 
und  die  Bedttrfriisse  nach  theoretischen  Hilfsmitteln  erweitert  werden.  Die 
neue  Schule  will  die  natflrliche  Lembegier  des  Kindes  benutzen.  Selbst- 
verstftndlich  wird  den  Zöglingen  der  Schule  ein  unbedingtes  Fragerecht 
eingeräumt.  Erst  kommt  die  Praxis,  dann  die  Theorie.  Zuerst  wird 
Formlehre,  Messen  und  Rechnen,  Zeichnen  und  Farbensinn  ausgebildet. 
Der  ganze  Unterrichtsstoff  von  Jahren  soll  allmählich  zu  einem  lebendigen 
Besitztum  entwickelt  werden.  Das  Übermals  von  Eindrücken,  welche  das 
kindliche  Gehirn  nicht  aufzunehmen  und  zu  verarbeiten  vermag,  soll  be- 
schrankt werden.  An  Stelle  der  gleichförmigen  Dressur  soll  die  Erziehung 
treten.  In  abendlichen  Zusammenkünften  mit  den  Eltern  wollen  ferner  die 
Lehrer  ihre  Gedanken  über  die  Kinder  im  einzelnen  und  über  die  Aufgabe 
der  Erziehung  im  allgemeinen  besprechen,  um  so  mehr  Fühlung  zwischen 
Schule  und  Haus  zu  erreichen. 

Spielnachmittage  werden  wfthrend  der  Ferien  auch  in  Rummels- 
burg abgehalten.  Sie  dienen  dazu,  den  Eltern  die  Sorgen  um  ihre  Kinder 
während  der  freien  Tage  teilweise  abzunehmen  und  sie  mit  nützlichen 
Bewegungsspielen  zu  unterhalten. 

Die  Sommerprüfangen  an  den  hSlieren  Schulen.  Diese  Frage 
hat,  nach  einer  Mitteilung  des  y^Schwab.  Merkur^,  der  Stuttgarter 
Verein  für  Schulgesundheitspflege,  nebst  der  Frage  des  Schulanfanges 
zur  Behandlung  für  den  nächsten  Winter  in  Aussicht  genommen  und  auch 
bereits  ein  Mitglied  des  Ausschusses  mit  der  Berichterstattung  beauftragt. 

Milchknr  (&r  die  dfirftigen  Volksschfiler  in  Solingen.  Die 
„Köln.  Ztg^  teilt  mit,  dafs  die  Stadt  Solingen  beabsichtige,  den  Kindern 
der  Volksschule  während  der  Herbstferien  eine  erfreuliche  soziale  und 
gesundheitliche  Fürsorge  zuzuwenden.  Augenblicklich  sind  bei  den  Rektoren 
und  HaupÜehrem  der  Volksschulen  Nachfragen  im  Umlauf,  ob  und  wieviel 
Kinder  an  einer  von  der  Stadt  zu  veranstaltenden  Milchkur  teilnehmen 
wollen.  Der  städtische  Etat  weist  die  hierzu  erforderlichen  Mittel  auf. 
Die  Kinder  müssen  sich  dann  während  der  Milchkur  nachmittags  an  ihren 


678 

Schulen  ▼eraammeln,  wo  die  Lehrerfraaen  in  erfirenlicher  Bereitwilligkeit 
die  Verteilung  der  Milchportionen  nnd  der  dazu  gehörigen  BrOtchen  be- 
sorgen. 

Behufs  Untersuchung  und  Pflege  der  ZUne  der  Schnlkinder 
wurden  Tom  Oemeinderat  in  Meiningen  bis  auf  weiteres  jährlich  150  Mark 
aus  Gemeindemitteln  zur  Verfügung  gestellt. 

Ferienkolonie  in  Meerane.  Wie  die  „Chem,  ÄUg.  Ztg."  berichtet^ 
bewilligte  das  Meeraner  Ratskollegium  dem  Verein  „Meeraner  Fechtschule*' 
fflr  seine  diesjährige  Ferienkolonie  600  Mark.  Die  „Fechtschule''  hat  in 
diesem  Jahre  während  der  grofsen  Ferien  214  arme,  schwächliche  Schul- 
kinder den  ganzen  Tag  Aber  verpflegt. 

Sehnkahnkliniken  in  Mfilhansen.  Der  ,,Ebä$8er''  teilt  mit,  dafe 
unlängst  der  Gemeinderat  der  Stadt  Mal  hausen  die  Errichtung  von 
Schulzahnkliniken  beschlossen  habe. 

Eine  Milchkolonie  für  dttrfüge  Kinder  wurde,  wie  wir  der 
ytChemn,  ÄUg.  Zig."^  entnehmen,  diesen  Sommer  in  Aue  Tom  Verband 
der  „Sächsischen  Fechtschule*'  errichtet.  Den  Kindern  wurde  während 
der  Ferien  in  der  Langeschen  Kantine  in  Auerhammer  yier  Wochen  hin- 
durch täglich  zweimal,  frOh  und  abends,  je  ein  halbes  Liter  abgekochte 
Vollmilch  verabreicht. 

Erhebungen  ttber  den  Alkoholgennfs  der  Schulkinder  sind  vor 
kurzem  auf  eine  Verfügung  der  Regierung  zu  Königsberg  i.  Pr.  hm  in 
allen  Schulen  der  Stadt-  und  Landgemeinden  im  Bezirke  angestellt  worden. 
Infolge  der  eingegangenen  Berichte  hat  die  Regierung  nun  die  Schul- 
aufsichtsbeamten und  Lehrer  veranlafst,  der  Alkoholfrage  ihre  Aufmerksamkeit 
zuzuwenden  und  besonders  dem  Branntweingenuls  unter  den  Schulkindein 
zu  steuern.  Gleichzeitig  ist  angeordnet  worden,  dafs  der  Hüteschein  flberall 
da  zu  entziehen  ist,  wo  festgestellt  ist,  dab  die  Arbeitgeber  den  Hflte- 
kindem  Schnaps  verabreichen.  In  Fällen  gewohnheitsmäGsiger  Verabfolgung 
von  Schnaps  oder  Bier  seitens  der  £ltem  an  Schulkinder  soll  der  Antrag 
auf  Fürsorgeerziehung  gestellt  werden. 

Fflr  die  EinfDhmng  von  Spielstnnden  an  den  Volkssehnleii 
wurden  nach  der  y^Barmer  Ztg,*^  in  Barmen  die  Mittel  bewilligt. 


679 


^müxift  ^txfn^nn^tn. 


Die  Grtfse  der  Fenster  in  den  Klassenräumen  bei  Sclinlnenbanten. 

Erlafs  vom  17.  Mai  1905. 

Bei  den  Verhandlungen  des  Herrenhauses  ist  neuerdings  wiederum 
darüber  Klage  geführt  worden,  dals  bei  Schulneubauten  die  Fenster  in  den 
Klassenr&umen  vielfach  zu  grofs  angelegt  würden  und  infolgedessen  die 
gehörige  Heizung  der  Schulzimmer  erschwert  oder  gar  unmöglich  gemacht 
werde. 

Ich  nehme  deshalb  Veranlassung,  die  Vorschriften  des  Runderlasses 
vom  20.  Dezember  1902  —  ü  HI  E.  9136  —  (Zentralbl  f.  d.  ges. 
Unterrichtsverw.,  1903,  S.  224  ff.,  und  YOK  Bbbmbk,  Die  Preufsische 
Volkssckule,  Berlin  1905,  S.  494)  insbesondere  im  Absatz  4  in  Erinnerung 
zu  bringen  und  deren  genaue  Beachtung  den  Königlichen  Regierungen  zur 
Pflicht  zu  machen. 

Berlin,  den  17.  Mai  1905. 
Der  Minister  der  geistlichen,   Unterrichts-  und  Medizinal -Angelegenheiten. 

Im  Auftrage,     von  Bbbmbk. 
An  die  Königlichen  Regierungen. 
U  ffl.  E.  Nr.  6248. 

(j,Iißni8t.'BL  f.  MediMindlr  und  mediz.  Vnterrichts-AngdegenheiUn^  y 
Nr.  12,  1905.) 


Hintanhaltnng  der  Verbreitung  ansteckender  Krankheiten 
dnrch  die  Schulen. 

Verordnung  des  k.  k.  Statthalters  in  Steiermark 
vom  11,  April  1905.     L.-G.-Bl.  Nr.  62. 

Im  Einvernehmen  mit  dem  k.  k.  Landesschulrate  und  dem  steier- 
m&rkischen  Landesausschusse  v^ird  zum  Zwecke  der  Hintanhaltung  der  Ver- 
breitung ansteckender  Krankheiten  durch  die  Schulen  folgendes  angeordnet: 

§  1.  Die  Lehrpersonen  sind  verpflichtet,  den  Gesundheitszustand  der 
ihrer  Leitung  anvertrauten  SchnJiJugend  insbesondere  bezüglich  des  Auf- 
tretens ansteckender  Krankheiten  stets  auf  das  sorgfältigste  zu  überwachen. 

Für  die  Durchführung  der  nachstehenden  Vorschriften  sind  in  der 
Schule  der  Leiter,  welcher  im  Bedarfsfalle  die  Mitwirkung  der  Gemeinde- 
und  Distriktsärzte  sowie  der  staatlichen  Sanitätsorgane  in  Anspruch  zu 
nehmen  hat,  außerhalb  der  Schule  die  £ltem  und  Aufsichtspersonen  der 
Schüler  und  das  Lehrpersonal  verantwortlich. 

§  2.  Jede  Lehrperson  ist  gegen  Anzeige  an  die  Schulleitung  be- 
rechtigt, kranke  oder  einer  Erkrankung  verdächtige  Schüler  sofort  aus  dem 

Seholgesniidheitopflege.  XVIII.  3^ 


680 

Sdmlzimmer  za  entfernen,  wenn  dies  im  Interesse  des  SehQlers  selbst  oder 
wegen  der  Gefahr  einer  Krankheitsflbertragong  gerechtfertigt  erscheint. 

Jeder  SchQler,  der  an  einer  ansteckenden  Krankheit  leidet,  worunter 
am  hftnfigsten  Blattenii  Diphtherie  (Cronp),  Kenchhnsten,  Masern,  Mnmps, 
Röteln,  Rohr,  Schafblattern,  Scharlach  und  Typhus  in  Betracht  kommen, 
ist  Tom  Schnlbesnche  fernzuhalten. 

Die  Eltern  und  yerantwortlichen  Pflegepersonen  der  Schüler  sind  Ter- 
pflichtet,  jeden  in  ihrem  Haushalte  york<nnmenden  Fall  der  oben  genannten 
ansteckenden  Krankheiten  unbeschadet  der  Anzeige  an  die  Gemeinde- 
Yorstehung  und  der  bestehenden  ärztlichen  Anzeigepflicht  unverzüglich  der 
Schulleitung  mitzuteilen. 

Die  Schulleitungen  und  Gemeindevorstehungen  haben  sich  gegenseitig 
von  den  zu  ihrer  Kenntnis  gelangenden  Fällen  ansteckender  KrankheiteB 
bei  Schulkindern  oder  deren  Wohnungsgenossen  jeweils  unTerzttglich  in 
Kenntnis  zu  setzen. 

Die  Schulleitungen  haben  diese  ErkrankungsfiÜie  und  die  infolge- 
dessen yerfitgten  Schulbesuchsbeschränkungen  in  Evidenz  zu  führen. 

§  3.  a)  Gesunde  Schüler  sind  vom  Schulbesuche  unbedingt  fern- 
zuhalten, wenn  in  den  Familien  oder  Haushaltungen,  denen  sie  angehören, 
ein  Fall  von  Blattern  oder  Scharlach  vorkommt 

b)  Bei  Diphtherie,  Röteln,  Ruhr  und  Typhus  ist  der  Schulbesach 
gesunder  Wohnungsgenossen  zulässig,  wenn  der  Amtsarzt  zustimmt^  bei 
Keuchhusten  und  Masern,  wenn  die  gesunden  Wohnungsgenossen  über  zwölf 
Jahre  alt  sind  oder  den  Nachweis  erbringen,  daft  sie  die  Krankheit  bereits 
überstanden  haben. 

c)  Dagegen  bedingen  ansteckende  Augenentzündung,  Influenza,  Mumps 
und  Schafblattern  keine  Schulbesuchsbeschränkung  gesunder  Wohnungs- 
genossen. 

§  4.  Der  Wiedereintritt  der  nach  den  §§  2  und  3  vom  Schulbesuche 
ausgeschlossenen  Schüler  kann  bei  ärztlich  nicht  vollkonunen  überwachte 
Fällen  erst  erfolgen,  wenn  an  dem  Erkrankten  keine  Krankheitserschei- 
nungen mehr  wahrzunehmen  und  mindestens  seit  dem  Tage  der  Erkrankung 
bei  Blattern,  Keuchhusten  und  Ruhr  acht  Wochen,  bei  Scharlach  sechs 
Wochen,  bei  Diphtherie  und  Typhus  fünf  Wochen,  bei  Masern,  Mnmps, 
Röteln  und  Schafblattern  drei  Wochen  verflossen  sind. 

Bei  ärztlich  vollkommen  überwachten  Fällen  können  diese  Fristen  bei 
Blattern  und  Ruhr  auf  sechs  Wochen,  bei  Keuchhusten  auf  fünf  Wochen, 
bei  Scharlach  und  Typhus  auf  vier  Wochen,  bei  Diphtherie  auf  drei  Wochen, 
bei  Masern  und  Schafblattern  auf  zwei  Wochen,  bei  Mumps  und  Röteln 
auf  acht  Tage  herabgesetzt  werden,  wenn  die  Beseitigung  der  Ansteckungs- 
gefahr durch  ein .  ärztliches  Zeugnis  bestätigt  wird,  in  welchem  auch  die 
Durchführung  der  Desinfektion  und  die  Vornahme  von  Reinigungsbädem 
zu  bescheinigen  ist. 

In  zweifelhaften  Fällen  hat  die  Schulleitung  die  Beibringung  eines 
vom  zuständigen  Amtsarzte  ausgestellten  oder  bestätigten  Zeugnisses  über 
die  Zulässigkeit  des  Schulbesuches  zu  verlangen. 

Wenn  der  Erkrankte  oder  die  gesunden  Wohnungsgenossen  ans  dem 
infizierten  Haushalte  entfernt  wurden,  kann  den  nach  §  3  ausgeschlossenen 


681 

Scfafllern  der  Schnlbesach  vom  Amtsarzte  vor  Ablauf  der  oben  festgesetzten 
Kontnmazfiist  gestattet  werden. 

§  5.  Ans  Pensionaten  and  anderen  Anstalten,  in  welchem  Zöglinge 
beherbergt  werden,  dürfen  diese  während  der  Dauer  oder  unmittelbar  nach 
dem  Erlöschen  einer  im  Hause  aufgetretenen  ansteckenden  Krankheit  nur 
dann  in  die  Heimat  entlassen  werden,  wnnn  dies  nach  dem  Gutachten  des 
zuständigen  Amtsarztes  ohne  Gefahr  einer  Krankheitsflbertragung  geschehen 
kann  und  aUe  vom  Amtsärzte  angeordneten  Yorsichtsmafisregeln  beobachtet 
werden. 

§  6.  Den  Schtklem  ist  das  Betreten  von  Wohnungen,  wo  ansteckende 
Krankheiten  herrschen,  die  nach  §  3  Schulbesuchsbeschränkungen  zur  Folge 
haben,  und  der  Verkehr  mit  solchen  Kranken  sowie  die  Beteiligung  an 
Leichenbegängnissen  von  Personen,  die  an  solchen  Krankheiten  gestorben 
sind,  verboten. 

§  7.  Die  Bestimmungen  der  §§  2  bis  6  gelten  in  sinngemäüser 
Weise  auch  fftr  alle  Lehrer  und  Bediensteten  der  Schule. 

§  8.  Wenn  eine  im  Schulhause  wohnende  Person  an  einer  an- 
steckenden Krankheit  erkrankt,  hat  der  Schulleiter  sofort  fOr  ihre  Ent- 
fernung ans  dem  Schulhause,  oder  falls  dies  nicht  möglich  ist,  für  ihre 
vollkommene  Isolierung  sowie  fQr  die  Durchführung  aller  Anordnungen 
der  Sanitätsbehörde  vorzusorgen. 

Ist  bei  gefährlichen  oder  besonders  ansteckenden  Infektionskrankheiten, 
wozu  unter  anderen  Diphtherie,  Masern,  Ruhr,  Scharlach  und  Typhus  zu 
zählen  sind,  weder  die  Entfernung,  noch  die  verläfslich  vollkommene  Ab- 
sonderung des  Erkrankten  ausfahrbar  und  überhaupt  ein  sicherer  Schutz 
der  Schulbesucher  nicht  zu  erreichen,  dann  ist  der  Schulleiter  verpflichtet, 
sofort  die  vorläufige  Schliefsung  der  Schule  anzuordnen. 

Bei  Vorkommen  eines  BlattemfaUes  im  Schulhause  ist  die  Schule 
unter  allen  umständen  zu  schlieisen. 

§  9.  Die  in  den  §§  7  und  8  erwähnten  YorfUle  und  die  vom 
Schulleiter  hierfiber  getrofifenen  Verfügungen  sind  unter  gleichzeitiger  Be- 
nachrichtigung des  Ortsschulrates  unverzflglich  der  vorgesetzten  Schul- 
aufsichtsbehörde  (Bezirksschnlbehörde  oder  Landesschulrat)  anzuzeigen, 
welche  nach  Anhörung  des  zuständigen  Amtsarztes  die  Verfügungen  des 
Schulleiters  zu  bestätigen  oder  abzuändern  und  deren  Durchführung  ent- 
sprechend zu  überwachen  hat. 

§  10.  Die  Schliefsung  einzelner  Klassen  oder  einer  ganzen  Schule 
erfolgt: 

a)  durch  die  kompetente  Schulaufsichtsbehörde  aus  pädagogischen 
Gründen  über  Antrag  der  SchuUeitung,  wenn  eine  grobe  Zahl  von  Schülern 
erkrankt  ist; 

b)  durch  die  Sanitätsbehörde  aus  sanitätspolizeilichen  Gründen  über 
Antrag  oder  nach  Anhörung  des  Amtsarztes,  wenn  hierdurch  eine  Be- 
schränkung der  Ausbreitung  einer  gefährlichen  Infektionskrankheit  erwartet 
werden  kann. 

Bei  Gefahr  am  Verzuge  kann  der  zuständige  Amtsarzt  die  sofortige 
Schliefsung  einzelner  Klassen  oder  der  ganzen  Schule  gegen  nachträgliche 
Genehmigung  seiner  vorgesetzten  Behörde  verfügen. 

86* 


682 

Der  ScholleitaDg  ist  es  mit  Ausnahme  der  im  §  S  angeführten  F&Ue 
nur  ganz  ausnahmsweise  gestattet,  die  Schule  aus  sanit&tspolizeilichen  Rück- 
sichten zu  schlielsen,  wenn  die  rasche  Intervention  des  zust&ndigen  Amts- 
arztes nicht  möglich  und  die  Notwendigkeit  und  Dringlichkeit  des  Schul- 
schlusses durch  ein  anderweitiges  motiviertes  ärztliches  Gutachten  dar- 
getan ist. 

Während  eine  Schulklasse  oder  Schule  geschlossen  ist,  dürfen  die  von 
dieser  Mafsregel  getroffenen  Schüler  auch  an  anderen  gemeinsamen  Unter- 
richtskursen,   Zusammenkünften   und  religiösen  Ühungen  nicht  teilnehmen. 

§  11.  Eine  wegen  ansteckender  Krankheit  geschlossene  Klasse  oder 
Schule  darf  erst  nach  gründlicher,  den  jeweiligen  Vorschriften  entsprechender 
Reinigung  und  allfWiger  Desinfektion  wieder  eröffnet  werden. 

Der  zuständige  Amtsarzt  hat  die  Art  der  Reinigung  und  Desinfektion 
nach  den  Umständen  des  Einzelfalls  anzuordnen  und  zu  beaufsichtigen, 
wenn  hierfür  nach  seinem  Ermessen  eine  begründete  Notwendigkeit  vorliegt. 

§  12.  Sobald  dem  Schulleiter  das  Vorkommen  ansteckender  Krank- 
heiten unter  den  Schülern  oder  der  sonstigen  Bevölkerung  zur  Kenntnis 
kommt,  hat  dieser  mit  erhöhter  Sorgfalt  darüber  zu  wachen,  da&  die  je- 
weiligen Vorschriften  der  Schulhygiene  zur  Durchführung  gelangen. 

Am  wichtigsten  ist  hierbei  die  Beobachtung  sorgfältigster  Reinlichkeit 
hinsichtlich  der  Schule  selbst  und  ihrer  gesamten  Einrichtung  sowie  die 
Anhaltung  der  Schüler  zur  Reinlichkeit. 

Die  Schulzimmer  und  Gänge  sollen  täglich  gründlich  gelüftet  und 
gereinigt  werden,  wobei  Staubentwicklung  sorgfältig  zu  vermeiden  ist.  Das 
Reinigen  geschieht  zweckmäfsig  durch  feuchtes  Wischen. 

Die  Aborte  sind  gleichfaUs  täglich  zu  reinigen  und,  wenn  erforderlich» 
nach  ärztlicher  Anordnung  zu  desinfizieren. 

Beim  Auftreten  von  Krankheiten  der  Verdauungsorgane,  wie  Typhus» 
Ruhr  u.  a.  ist  in  den  Aborten  oder  deren  unmittelbaren  Nähe  eine  Wasch- 
gelegenheit mit  Seife  und  täglich  gewechseltem  Handtuch  bereitzustellen 
und  sind  die  Schüler  zu  deren  Benützung  zu  verpflichten.  Während  der 
Unterrichtspausen  ist  den  Schülern  Bewegung  im  Freien  zu  gestatten,  und 
sind  unterdessen  die  Unterrichtsräume  zu  lüften. 

§  13.  Die  Erteilung  von  Privatunterricht  an  Schüler,  die  an  einer 
ansteckenden  Krankheit  leiden,  ist  Schülern  und  Lehrpersonen  so  lange 
untersagt,  als  die  Kranken  nach  den  Bestimmungen  des  §  4  vom  Schul- 
besuche auszuschlielsen  sind. 

An  gesunde  Wohnungsgenossen  solcher  Schüler  darf  Privatunterricht 
nur  unter  jenen  Bedingungen  erteilt  werden,  unter  welchen  diesen  nach 
den  Bestimmungen  des  §  3  der  Schulbesuch  gestattet  ist.  Ausnahmen  sind 
auf  Grund  eines  amtsärztlichen  Zeugnisses  zulässig. 

§  14.  Bei  Beginn  eines  jeden  Schuljahres  und  beim  Auftreten  einer 
Epidemie  sind  die  §§  2,  3,  4,  Ö,  6,  13  und  der  Schlufssatz  des  §  10 
dieser  Verordnung  in  jeder  Schnlklasse  zu  verlesen  und  ist  ein  Abdruck 
derselben  den  Eltern  und  Haushaltnngsvorständen  der  Schüler  gegen 
Empfangsbestätigung  zu  übermitteln. 

Gleichzeitig  ist  die  ganze  Verordnung  sämtlichen  Lehrpersonen  in 
Erinnerung  zu  bringen. 


683. 

§  15.  Die  vorstehende  Verordnung  gilt  für  alle  öffentlichen,  nnd 
privaten  Volks-,  Bürger*  nnd  Mittelschulen,  Lehrerbildungsanstalten  sowie 
Handelsschulen,  gewerbliche  und  andere  Lehranstalten  nnd  findet  auch  auf 
Einderbewahranstalten,  Eindergärten  und  Krippen  sinngemäfse  Anwendung. 

§  16.  Unter  dem  Amtsarzte  ist  in  der  vorstehenden  Verordnung  der 
Amtsarzt  jener  politischen  Behörde  zu  verstehen,  in  deren  Amtsbereich  die 
betreffende  Schule  gelegen  ist. 

Die  politische  Behörde  kann  jedoch  in  Gemeinden,  in  welchen  der/ 
Sanitätsdienst  geregelt  ist  und  zuverlässig  besorgt  wird,  die  nach  der  vor- 
stehenden Verordnung  dem  Amtsarzte  zufallenden  Obliegenheiten  ganz  oder 
teilweise,  von  Fall  zu  Fall  oder  ständig  dem  Gemeinde-  oder  Distrikts- 
arzte übertragen,  welcher  in  diesen  Fällen  die  normalmäfsigen  Gebühren 
aus  dem  Staatsschatze  erhält  (§18  alinea  4  des  Gesetzes  vom  23;  Juni 
1892,  L.-G.  u.  V.-Bl.  Nr.  35).  Hiervon  sind  die  in  Betracht  kommenden 
Schulleitungen  jeweilig  in  Kenntnis  zu  setzen. 

Die  Amtsärzte  der  politischen  Behörden  some  die  Gemeinde-  und. 
Distriktsärzte  haben  sich  bei  ihren  auf  Grund  dieser  Verordnung  vorzB-. 
nehmenden  Amtshandlungen  stets  im  Rahmen  der  von  der  k.  k.  Stadt- 
halterei  hierfür  erlassenen  Instruktion  zu  halten. 

§  17.  Der  politischen  Behörde  ist  es  vorbehalten,  Ausnahmen  von 
den  Bestimmungen  der  vorstehenden  Verordnung  nach  Mafegabe  der  Ver- 
bältnisse über  amtsärztliches  Gutachten  zu  verfügen. 

§  18.  Übertretungen  dieser  Verordnung  werden,  insoweit  hierbei 
nicht  andere  Gesetzesbestimmungen  oder  Disziplinarvorschriften  in  Betracht 
kommen,  nach  Maisgabe  der  Ministerialverordnung  vom  30.  September  1857,. 
R.-G.-B1.  Nr.  198,  bestraft. 

§  19.  Die  vorstehende  Verordnung  tritt  mit  dem  Tage  ihrer  Kund- 
machung in  Wirksamkeit,  und  werden  die  Bestimmungen  der  Verordnung, 
des  k.  k.  Landesschulrates  für  Steiermark  vom  5.  August  1888,  L.-G.  u. 
V.-Bl.  Nr.  35  sowie  des  SUtthaltereierlasses  vom  10.  Mai  1888,  Z.  7593, 
mit  diesem  Zeitpunkte  aufser  Kraft  gesetzt. 

Instruktion    für   die   Mitwirkung    der   Amtsärzte    sowie    der 

Gemeinde-    und    Distriktsärzte    bei    der    Hintanhaltung    der 

Verbreitung  ansteckender  Krankheiten  durch  die  Schulen. 

Durch  die  Verordnung  des  k.  k.  Statthalters  in  Steiermark  vom 
11.  April  1905,  L.-G.  u.  V.-Bl.  Nr.  62,  wird  den  Amtsärzten  der  poli- 
tischen Behörden  sowie  den  Gemeinde-  und  Distriktsärzten  ein  Einflufs 
auf  die  Verfügungen  zur  Hintanhaltung  der  Verbreitung  ansteckender  Krank- 
heiten durch  die  Schulen  eingeräumt,  welcher  näherer  Erläuterung  bedarf.' 

Der  Übersicht  wegen  wird  diese  Erläuterung  zunächst  nach  den  ein- 
zelnen Absätzen  der  Verordnung,  sodann  aber  nach  den  wichtigsten  Krank- 
heiten vorgenommen  werden. 

I. 

ad  §  1.  Die  allgemeine  Mitwirkung  der  Amtsärzte  bei  Überwachung 
des  Gesundheitszustandes  der  Schuljugend  setzt  voraus,  dafs  sie  den  von 
den  Schulleitungen  ihres  Verwaltungsbezirkes  diesbezfkglich  an  sie  gestellten 
Anforderungen  stets  auf  das  rascheste  und  bereitmlligste  entsprechen. 


684 

Einer  Überbflrdnsg  der  AmtsArzte  durdi  aUznhflnfige  Inanspradmahme 
ist  dadordi  Yonrobengen,  da&  im  Sinne  des  §  16  der  Yerordnong  die 
Obliegenheiten  des  Amtsarztes  in  Gemeinden,  wo  der  Sanititsdienst  ge- 
regelt ist  und  zuverlässig  besorgt  wird,  von  der  politischen  Behörde  dem 
Gemeindearzte  übertragen  werden. 

ad  §  2.  Der  Gemeindearzt  hat,  sobald  die  Gemeindevorstehnng  auf 
Grand  dieser  Bestimmung  zor  Kenntnis  einer  ansteckenden  Erkranknng 
kommt,  onyerzflglich  die  znr  Yerhütong  der  Weiterverbreitang  erforder- 
lichen Yerfügongen  zu  beantragen,  wobei  er  sich  an  die  bestehenden  Ver- 
ordnungen zu  halten  hat. 

Als  Erkrankungen,  welche  die  Entfernung  des  Kranken  aus  der 
Schule  gerechtfertigt  erscheinen  lassen,  sind  aniser  den  gewöhnlichen 
Infektionskrankheiten  zu  nennen: 

Alle  akuten  Erkrankungen  der  Rachengebilde,  gonorrhoische  Er- 
krankungen, Krätze,  Herpes  tonsurans,  Pediculosis,  Impetigo,  Pemphigus, 
ausgedehnte  Furunkulose,  eiternde  Wunden,  ekelerregende  Hauterkrankungen. 
Phlegmone,  Erysipel  u.  a. 

Yon  besonderer  Wichtigkeit  wegen  der  langen  Dauer  des  Zustandes 
sind  Lues  und  Tuberkulose. 

Schaler  und  Lehrer  mit  syphilitischen  Effloreszenzen  sind  von  der 
Schule  fernzuhalten,  tuberkulöse  Schttler,  wenn  sie  reichlichen  Auswurf 
haben  und  unrein  sind,  oder  wenn  sie  an  skrophulösen  GeschwUren  der 
unbedeckten  Körperstellen  leiden. 

Bei  tuberkulösen  Erkrankungen  der  Lehrpersonen  sind  jene  Ver- 
fügungen zu  treffen,  welche  eine  Übertragung  der  Erkrankung  auf  die 
Schaler  zu  verhüten  vermögen. 

ad  §§  3 — 7.  Jene  Gesichtspunkte,  nach  welchen  sich  der  Amtsarzt 
bei  Ausstellung  oder  Bestätigung  der  hier  erwähnten  ärztlichen  Zeugnisse 
sowie  bei  der  Erstattung  von  Gutachten  zu  halten  haben  wird,  sind  bei 
der  Besprechung  der  einzelnen  Krankheiten  im  Abschnitte  II  erörtert.  Es 
wird  nur  hierzu  bemerkt,  daCs  bei  Bestätigung  der  Kontumazdauer  als  Be- 
ginn der  Erkrankung  für  die  akuten  Exantheme  der  Tag  des  Ausbruches 
des  Ausschlages,  für  die  anderen  Krankheiten  der  Tag  des  Auftretens 
charakteristischer  Krankheitserscheinungen  zu  rechnen  ist,  in  nicht  genauer 
eruierbaren  Fällen  aber  der  Tag  des  Fembleibens  von  der  Schule. 

Die  Ausstellung  oder  Bestätigung  der  Zeugnisse  durch  den  Amtsarzt 
hat  über  Anlangen  einer  Schulleitung  oder  einer  Behörde  sowie  im  Falle 
augenscheinlicher  Dürftigkeit  (erwiesene  Armut  wird  nicht  erfordert)  un- 
entgeltlich zu  erfolgen. 

Zeugnisse  in  Schnlangelegenheiten  sind  stempelfrei. 

Beim  Auftreten  von  Infektionskrankheiten  in  Pensionaten  und  ähn- 
lichen Anstalten  wird  die  Abreise  der  vorher  auf  ihren  unbedenklichen 
Gesundheitszustand  untersuchten  Zöglinge  stets  rechtzeitig  dem  Gemeinde- 
vorstande und  der  politischen  Behörde  des  Reiseziels  anzuzeigen  sein. 

ad  §  10.  Aus  sanitätspolizeilichen  Gründen  wird  eine  Schule  häufig 
zu  schliefsen  sein,  um  die  allerersten  Fälle  einer  Infektionskrankheit  un- 
schädlich zu  machen  und  den  Ausbruch  einer  Epidemie   zu  unterdrücken. 

Die  Schliefsung  wird  sich  meist  nur  auf  eine  oder  wenige  Klassen, 


685 

in  welchen  die  ersten  FftDe  yorgekommen  sind  nnd  auf  die  Daoer  einer 
Inknbationsperiode  der  betreffenden  Krankheit  beschränken. 

Wenn  diese  Malsregel,  die  einen  geringen  pädagogischen  Verlust  be- 
dingt und  deshalb  sehr  zu  empfehlen  ist,  entsprechenden  £rfolg  haben  soll, 
mflssen  sämtliche  Schaler  am  Tage  der  Wiedereröffnung  der  Klasse  oder 
Schule  ärztlich  untersucht  werden,  nnd  ist  bei  jenen,  die  an  diesem  Tage 
fehlen,  der  Grund  des  Ausbleibens  gemeindeamtlich  iiL  ihrer  Wohnung  zu 
erheben. 

Dies  setzt  eine  yerläbliche  Besorgung  des  Gemeindesanitätsdienstes 
und  tatkräftige  Unterstützung  durch  die  Gemeinde-  und  Distriktsärzte 
voraus. 

Bei  besonderer  Bösartigkeit  der  Epidemie  oder  bei  an  und  fOr  sich 
gefährlichen  Krankheiten  wird  die  Schule  aus  sanitätspolizeilichen  Gründen 
auch  dann  zu  schlielsen  sein,  wenn  auf  eine  volle  Unterdrückung  des 
Epidemieausbruches  nicht  geredmet  werden  kann,  sondern  es  nur  gilt,  die 
Ausbreitung  zu  beschränken. 

Unter  solchen  Umständen  wird  die  Schulschliefsung  in  der  Regel  auf 
längere  Dauer  in  Aussicht  zu  nehmen  sein,  bis  die  Epidemie  eine  sicht- 
liche Abnahme  zeigt  oder  gänzlich  erloschen  ist. 

Auch  in  diesen  Fällen  wird  es  sich  häufig  empfehlen,  bei  der  Wieder- 
eröffnung der  Schule  durch  ärztliche  Untersuchung  der  Schüler  alle  jene 
Personen  von  der  Schule  fernzuhalten,  welche  noch  Ansteckungsgefahr 
bedingen  und  auf  diese  Weise  den  wohltätigen  Einfluls  der  Schulschliefsung 
auf  die  Ausbreitung  der  Epidemie  vereiteln  können. 

ad  §  11.  Die  Desinfektion  hat  sich  nur  auf  jene,  aber  auch  auf 
alle  jene  Räume  des  Schulgebäudes  zu  erstrecken,  in  welchen  ein  Yor- 
handensein  der  betreffenden  Infektionskeime  vorauszusetzen  ist. 

Es  wird  daher  z.  B.  nicht  notwendig  sein,  die  Schulzimmer  zu  des- 
infizieren, wenn  eine  Schale  auf  Grund  des  §  8  geschlossen  worden  ist 
und  die  erkrankte  Person  die  Schulzimmer  nicht  betreten  hat. 

Die  Art  der  Desinfektion  hat  sich  nach  dem  jeweiligen  Stande  der 
Wissenschaft  zu  richten. 

Am  meisten  empfiehlt  sich  die  Formoldesinfektion,  welche  der  gründ- 
lichen Reinigung  vorauszugehen  hat. 

Bei  Undurchführbarkeit  dieser  Desinfektionsmethode  sind  die  des- 
infizierenden Maisnahmen  mit  der  Reinigung  zu  verbinden. 

Yor  der  Reinigung  der  Wände  und  des  Fufebodens  sind  alle  Ein- 
richtungsgegenstände aus  dem  Schulzimmer  zu  entfernen  und  im  Freien 
zu  reinigen. 

Einfach  getünchte  Wände  können  mit  frisch  bereiteter  Kalkmilch 
übertüncht  werden. 

Hierauf  sind  der  Boden  und  sämtliche  Einricbtnngsgegenstände  ein- 
schliefslich  der  Tintentiegel,  auf  welche  häufig  vergessen  wird,  mit  Soda- 
oder Schmierseifenlösung  oder  mit  2%iger  LysoUösuDg  zu  scheuern,  wobei 
auf  reichliches  Eindringen  der  Flüssigkeit  in  die  Fugen  zu  achten  ist; 
endlich  sind  die  Räume  durch  öffnen  sämtlicher  Fenster  und  Türen  durch 
mindestens  24  Stunden  zu  lüften. 

Nach  Influenza,    Keuchhusten,    Masern,    Mumps,    Röteln   und  Schaf- 


686 

blättern  kann  die  Desinfektion  je  nach  den  Umst&nden  entweder  eingeachrftnkt 
werden  oder  ganz  unterbleiben,  jedoch  hat  anch  in  allen  diesen  Fällen  eine 
gründliche  Reinigung  sämtlicher  Ränme  zn  erfolgen. 

n. 

Die  in  Europa  nicht  einbeimischen,  sondern  nur  zeitweise  auftretenden 
Infektionskrankheiten,  wie  Cholera  und  Pest,  erfordern  wegen  ihrer  Selten- 
heit und  wegen  des  Umstandes,  dafe  bei  ihrem  Auftreten  ohnedies  jeweilig 
die  schärfsten  Maßnahmen  angeordnet  werden,  keine  weitere  Besprechung, 
und  soUen  daher  im  folgenden  nur  jene  Gesichtspunkte  erörtert  werden, 
welche  bei  den  wichtigsten  einheimischen  Infektionskrankheiten  zu  berfick- 
sichtigen  sein  werden. 

Ansteckende  Augenentzündungen. 

Blennorrhoe  der  Bindehaut  bedingt  AusschlieGsung  des  Erkrankten  fftr 
die  ganze  Dauer  der  Erkrankung,  bei  Follikularkatarrh  und  Trachom  kann 
die  Ausschlielsung  eventuell  auf  die  Dauer  der  deutlichen  Eiterabsondemng 
beschränkt  werden,  wobei,  wenn  möglich,  im  Einvernehmen  mit  dem  Augen- 
ärzte vorzugehen  ist. 

Mit  diesen  Krankheiten  behaftete  Schüler  sind  jedoch,  wenn  sie  vor 
voller  Genesung  zum  Unterricht  zugelassen  werden,  abseits  von  den  anderen 
Schülern  zu  setzen  und  haben  jede  Berührung  mit  den  gesunden  Schülern 
zu  vermeiden.  , 

Wenn  in  einer  Klasse  oder  Schule  mehrere  Fälle  von  ansteckenden 
Augenentzündnngen  vorkommen,  so  ist  es  geraten,  sämtliche  Schtller,  und 
nach  Bedarf  deren  Wohnungsgenossen,  ärztlich  eventuell  periodisch  unter- 
suchen zu  lassen  und  die  einer  Erkrankung  YerdächUgen  während  des 
Unterrichtes  zu  separieren,  die  deutlich  Kranken  jedoch  vom  Schulbesuche 
gänzlich  fernzuhalten  und  einer  entsprechenden  ärztlichen  Behandlung  zu- 
zufahren. 

Die  Schliefsung  einer  Schule  wegen  ansteckender  Augenentzünduog 
wird  sehr  selten  und  dann  nur  aus  pädagogischen  Rücksichten  erforderlich 
werden,  wenn  eine  zu  groCse  Zahl  von  Schülern  vom  Schulbesuche  aus- 
geschlossen ist. 

Die  Desinfektion  hat  sich  vorwiegend  auf  die  Reinigung  der  Ein- 
richtungsgegenstände, Türen,  besonders  aber  der  Türklinken,  Abortdeckel 
und  anderer  Gegenstände,  welche  häufig  mit  den  Händen  berührt  werden, 
mittels  desinfizierender  Lösung  zu  erstrecken. 

Es  empfiehlt  sich,  diese  Reinigung  in  kürzeren  Intervallen  auch  in 
nicht  geschlossenen  Schulklassen  anzuordnen,  in  welchen  mehrere  FäUe  von 
ansteckender  Augenentzündung  vorgekommen  sind. 

Blattern. 

Blatternkranken  ist  der  Wiedereintritt  in  die  Schule  erst  zu  gestatten, 
wenn  sie  nach  Abfall  sämtlicher  Borken  und  Heilung  allfälliger  Geschwüre 
mindestens  drei  desinfizierende  Bäder  erbalten  haben  und  die  Wohnung, 
Kleider,  Wäsche  usw.  verläfslich  desinfiziert  worden  sind. 


687 

Gesunde  Wohnongsgenossen  Blatternkranker  sind  fflr  die  Daner  der 
Erkrankung  anbedingt  vom  Schulbesuche  fernzuhalten,  ebenso  auch  jene 
Hausgenossen,  welche  nicht  kürzlich  revakziniert  worden  sind. 

Wenn  der  Kranke  aus  dem  Haushalte  entfernt  wurde  oder  gestorben 
ist,  kann  der  Schulbesuch  gesunden  Wohnungsgenossen  nach  Ablauf  von 
14  Tagen,  vom  Tage  der  Desinfektion  an  gerechnet,  gestattet  werden. 

In  gleicher  Weise  ist  zu  verfahren,  wenn  die  gesunden  Wohnungs- 
genossen vor  Ablauf  der  Erkrankung  aus  dem  Hause  entfernt  und  ander- 
weitig in  Pflege  untergebracht  werden. 

Bei  jeder  Blattemerkrankung  eines  Schülers,  der  die  Schule  noch  im 
Prodromalstadium  besucht  hat,  ist  die  betreffende  Klasse  für  zwei  Wochen 
zu  schliefsen  und  ist  sofort  die  Notimpfung  und  Revakzination  sämtlicher 
Schüler  dieser  Klasse  vorzunehmen.  (Hofkanzlei-Dekret  vom  30.  Juli  1840, 
Z.  17742,  und  Erlafs  des  k.  k.  Ministeriums  des  Innern  vom  7.  September 
1885,  Z.  14291.) 

Bei  epidemischer  Ausbreitung  der  Blattern  sind  sämtliche  Schulen  des 
Epidemiebezirkes  bis  zum  Erloschen  der  Epidemie  zu  schliefsen. 

Die  Erteilung  von  Privatunterricht  ist  in  Häusern,  wo  Blattemkranke 
sind,  unter  allen  umständen  zu  verbieten. 

Diphtherie. 

Die  Kontumazdauer  bei  Diphtherie  wird  für  die  Kranken  auf  min- 
destens 14  Tage  nach  Verschwinden  der  Beläge  sowie  eines  alltfilligen 
Nasenkatarrhes  zu  erstrecken  sein,  und  ist  die  Zulassung  der  Wohnungs- 
genossen zum  Schulbesuch  von  der  erfolgten  Desinfektion  des  Kranken- 
zimmersy  der  Wäsche  und  der  Kleider  des  Erkrankten  abhängig  zu  machen. 

Den  gesunden  Wohnungsgenossen  wird  der  Schulbesuch  nur  ganz  aus- 
nahmsweise  zu  gestatten  sein,  wenn  die  Isolierung  des  Kranken  vollkommen 
verläßlich  ist,  die  gesunden  Wohnungsgenossen  über  zwölf  Jahre  alt,  mit 
Heilserum  prophylaktisch  geimpft  worden  und  seit  dieser  Impfung  nicht 
weniger  als  vier  Tage  verflossen  sind. 

Jüngere  Wohnungsgenossen  sind  nur  dann  zum  Schulbesuche  zuzulassen, 
wenn  der  Kranke  oder  die  betreffenden  gesunden  Schüler  aus  dem  infizierten 
EUtushalte  entfernt  wurden  und  seit  dieser  Entfernung  mindestens  acht,  bei 
prophylaktischer  Heilserumimpfung  mindestens  vier  Tage  verflossen  sind. 

Die  prophylaktische  Schliefsung  von  Schulen  und  insbesondere  ein- 
zelner Klassen  wird  bei  Diphtherie  aus  sanitären  Gründen  sehr  häufig  an- 
zuordnen sein. 

In  allen  Fällen  hat  dies  zu  geschehen,  wenn  in  einer  Klasse  bald 
hintereinander  zwei  oder  mehrere  Erkrankungen  an  Diphtherie  vorgekommen 
sind,  so  dafe  die  Möglichkeit  einer  Übertragung  in  der  Schule  nahe- 
gelegt wird. 

Aber  selbst  bei  einem  Diphtheriefalle  wird  die  betreffende  Klasse  zu 
schlielisen  sein,  wenn  der  Kranke  noch  nach  Ausbruch  der  ersten  Krank- 
heitserscheinungen in  der  Schule  gewesen  ist. 

In  aUen  diesen  Fällen  kann  die  geschlossene  Klasse  sofort  nach 
gründlichster  Desinfektion  wiedereröffnet  werden;  es  empfiehlt  sich  jedoch, 
bei  Wiederbeginn  des  Unterrichtes,  jedenfalls  aber,   wenn   neuerliche  Er- 


688 

krankoDgafUle  aaftreten,  sämtliche  SchtÜer  ftntlich  zu  nntersochen,  und 
jene,  bei  welchen  verdächtige  Erscheinongen  Yorgefonden  werden,  Tom  Schnl- 
besuche  anszuschlielsen  and  der  ärztlichen  Behandlung  zuzuführen. 

Auf  längere  Dauer  die  Schule  zu  scblie&en,  wird  nur  dann  notwendig 
sein,  wenn  die  Epidemie  durch  die  bisherigen  Mafor^ln  nicht  beschränkt 
werden  konnte  oder  besondere  Verhältnisse  ihre  Beschränkung  yon  yome- 
herein  in  Frage  stellen. 

Während  der  Dauer  einer  Diphtherieepidemie  empfiehlt  es  sich,  die 
Schulkinder  daräber  zu  belehren,  dafs  das  namentlich  in  Mädchensdralen 
abliebe  Kflssen,  das  Anniesen  und  Anhusten,  die  Benutzung  der  gleichen 
Taschentflcher,  derselben  Efe-  und  Trinkgeräte,  das  Abbeüsen  von  dem- 
selben Stfick  Brot  und  das  Essen  mit  ungewaschenen  Händen  mit  An- 
steckungsgefahr yerbunden  ist. 

Dieselben  Mafsnahmen  wie  bei  Diphtherie  sind  bei  Kehlkopfcroup 
durchzuführen. 

Influenza. 

An  Influenza  Erkrankte  sind  für  die  Dauer  der  ausgesprochenen  Er- 
krankung vom  Schulbesuche  fernzuhalten,  gesunde  Wohnungsgenossen  sind 
im  Schulbesuche  nicht  zu  beschränken. 

Die  Schlielsung  einer  Schule  wird  wegen  epidemischer  Influenza  meist 
nur  aus  pädagogischen  Rflcksichten  notwendig  werden,  und  kann  in  diesem 
FaUe*  von  einer  Desinfektion  der  Schulräume,  welche  nur  grOndlich  zu 
reinigen  und  zu  Iflften  sind,  abgesehen  werden. 

Keuchhusten. 

Keuchhustenkranke  Schüler  sind  noch  14  Tage  nach  Aufhören  des 
Krampfhustens,  im  ganzen  aber  mindestens  fünf  Wochen,  vom  Schulbesuche 
fernzuhalten. 

Da  eine  Isolierung  bei  Keuchhusten  in  der  Regel  nicht  zu  erreichen 
ist,  sind  die  gesunden  Wohnungsgenossen  anzuweisen,  den  Verkehr  mit  den 
Kranken  möglichst  zu  vermeiden. 

Die  Zulassung  gesander  Wohnungsgenossen  zum  Schulbesuche  kann 
gestattet  werden,  wenn  diese  den  Keuchhusten  nachweisbar  überstanden 
haben  oder  über  zwölf  Jahre  alt  sind. 

Der  Nachweis  der  überstandenen  Erkrankung  ist  nur  durch  ein  Zeugnis 
des  seinerzeit  behandelnden  Arztes  oder  durch  Feststellung  auf  Grund  amt- 
licher Vormerkungen  als  erbracht  anzusehen.  Um  diesen  Nachweis  er- 
bringen zu  können,  ist  den  Eltern  keuchhustenkranker  Kinder  zu  empfehlen, 
sich  ein  bezügliches  Zeugnis  vom  behandelnden  Arzte  gleich  nach  der 
Heilung  des  Keuchhustens  ihrer  Kinder  ausstellen  zu  lassen. 

Bei  gesicherter  ärztlicher  Überwachung  kann  gesunden  Wohnungs- 
genossen unter  zwölf  Jahren  auch  dann,  wenn  sie  den  Keuchhusten  nicht 
überstanden  haben,  der  Schulbesuch  ausnahmsweise  gestattet  werden,  in- 
solange  sie  nicht  husten. 

Es  ist  jedoch  zu  verlangen,  dafs  diese  in  der  Schule  abseits  von  den 
anderen  Schülern  gesetzt  und  auch  am  Hin-  und  Rückwege  von  jenen 
möglichst  femgehalten  werden. 


689 

Dasselbe  ist  hinsichtlich  jener  SchtQer  zu  verfftgen,  denen  14  Tage 
nach  Aufhören  des  Knunpfhüstens  der  Schnlbesnch  wieder  gestattet  wird, 
wenn  nnd  solange  sie  überhaupt  hasten. 

Die  Erteilung  von  Privatunterricht  an  Schfller,  welche  an  Keuchhusten 
erkrankt  sind,  kann  gestattet  werden. 

W&hrend  einer  Eeuchhustenepidemie  empfiehlt  es  sich,  SchOler,  welche 
auffollend  husten,  von  der  Schule  so  lange  fernzuhalten,  bis  sich  der  Husten 
als  ein  Symptom  eines  einfachen  Katarrhs  erwiesen  hat. 

Die  Schlielsnng  einer  Schule  wegen  Keuchhusten  soll  in  der  Regel 
nur  aus  pädagogischen  Rücksichten  und  nur  ganz  ausnahmsweise  bei  be- 
sonderer Bösartigkeit  der  Epidemie  aus  sanitären  Gründen  erfolgen. 

)Krätze. 

An  Krätze  erkrankte  Schulkinder  sind  von  der  Schale  fernzuhalten, 
der  ärztlichen  Behandlung  zuzuführen  und  haben  vor  dem  Wiedereintritte 
Wäsche  und  Kleider  zu  wechseln. 

Masern. 

Masemkranke  Schüler  sind  bei  Bescheinigung  des  behandelnden  Arztes 
über  völlige  Genesung  mindestens  zwei  Wochen  nach  Ausbruch  des  Aus- 
schlages, bei  mangelndem  ärztlichen  Zeugnisse  sowie  in  schweren  Fällen 
oder  im  Winter  aber  mindestens  drei  Wochen  vom  Schulbesuche  fernzuhalten. 

Reinigungsbad  hat  dem  Wiedereintritte  voranzugehen. 

Gesunde  Wohnungsgenossen  sind  zum  Schulbesuche  zuzulassen,  wenn 
sie  die  Masern  bereits  überstanden  haben,  was  auf  dieselbe  Weise  wie  bei 
Keuchhusten  nachzuweisen  ist,  oder  wenn  sie  über  zwölf  Jahre  alt  sind. 

Wenn  sie  die  Masern  noch  nicht  durchgemacht  haben,  können  gesunde 
Wohnungsgenossen  unter  zwölf  Jahren  nach  Ablauf  von  14  Tagen,  vom 
Beginne  der  Erkrankung  gerechnet,   zum  Schulbesuche  zugelassen  werden. 

Wenn  ein  Masemfall  im  Schulhause  vorkommt  und  nicht  verläislich 
isoliert  werden  kann,  ist  die  Schale  zu  schlielsen. 

An  Orten,  wo  der  Sanitätsdienst  verläislich  geregelt  und  die  ärztliche 
Überwachung  eines  jeden  Krankheitsfalles  möglich  ist,  ist  der  Versuch  zu 
machen,  einer  epidemischen  Ausbreitung  der  Masern  dadurch  vorzubeugen, 
dalfl  die  Klasse,  in  welcher  die  allerersten  FäUe  vorkommen,  vom  neunten 
Tage»  von  jenem  Tage  an  gerechnet,  an  welchem  das  ersterkrankte  Kind 
zum  letztenmal  in  der  Schule  gewesen  war,  durch  fünf  Tage  geschloesen  mrd. 

Nach  Ablauf  dieser  Zeit  kann  die  Klasse  nach  gründlicher  Reinigung 
wiedereröffnet  werden,  wobei  alle  Schüler  ärztlich  zu  untersuchen,  die  Ver- 
dächtigen vom  Schulbesuche  auszuschlieisen  und  ebenso  wie  die  mittler- 
weile Ausgebliebenen  der  ärztlichen  Behandlung  zuzuführen  sind. 

Bei  bereits  ausgebreiteter  Masernepidemie  wird  die  Schule  allenf&lls 
aus  pädagogischen  Gründen,  aus  sanitären  Rücksichten  hingegen  nur  bei 
besonderer  Bösartigkeit  der  Epidemie  zu  schliefen  sein. 

In  aUen  anderen  Fällen  ist  von  prophylaktischer  Schulschlielsung 
nichts  zu  erwarten. 

Eine  Desinfektion  der  Schulräume  ist  nicht  notwendig,  sondern  ist 
die  gründliche  Reinigung  und  Lüftung  als  ausreichend  zu  erachten. 


690 

Auch  während  einer  Masernepidemie  empfiehlt  es  sich»  heftig  hastende 
Kinder  so  lange  von  der  Schule  fernzuhalten,  bis  sich  der  Husten  als 
Symptom  eines  einfachen  Katarrhs  erwiesen  hat. 

Mumps. 

Die  Erkrankten  sind  je  nach  Intensität  der  Erkrankung  1 — 3  Wochen 
vom  Schulbesuche  fernzuhalten. 

Während  des  Vorkommens  von  Mumpserkrankungen  von  SchuUdnden 
sind  gemeinsame  Trinkbecher  vom  Schulbrunnen  oder  der  Wasserleitung  zu 
entfernen. 

Röteln. 

Die  Röteln  erfordern,  da  sie  mitunter  auch  mit  Scharlach  verwechselt 
werden  können,  eine  erhöhte  Beachtung  seitens  der  Sanitätsbeamten,  wenn 
gleichzeitig  ScharlachfiUle  in  der  betreffenden  Gegend  vorkommen. 

Dann  wird  es  sich  empfehlen,  wenn  möglich,  jeden  angezeigten  FaU 
von  Röteln  oder  Rötelverdacht  ärztlich  kontrollieren  zu  lassen  und  für  die 
Dauer  der  Epidemie  hinsichtlich  der  Erkrankungen  an  Röteln  verschärfte 
Verfügungen,  wie  sie  für  Scharlach  gelten,  zu  treffen. 

Abgesehen  von  dieser  Eventualität  sind  die  Röteln  in  der  Regel  als 
eine  harmlose  Erkrankung  anzusehen,  bei  welcher  alle  zulässigen  Erleichte- 
rungen einzutreten  haben;  es  können  daher,  wenn  die  Röteln  ärztlich 
sichergestellt  sind,  Schnlbesuchsbeschränkungeu  fär  Wohnungsgenossen  ent- 
fallen und  können  die  Genesenen,  wenn  keine  Komplikationen  eingetreten 
sind,  die  Schule  nach  einer  Woche  wieder  besuchen. 

Ruhr. 

Ruhrkranke  sind  nicht  vor  Ablauf  von  14  Tagen  nach  Aufhören  des 
dysenterischen  Charakters  der  Stuhlentleerungen  und  erst,  nachdem  sie  ein 
Reinigungsbad  genommen  haben  und  ihre  Wohnung  und  insbesondere  die 
Kleider  und  Wäsche  gründlich  desinfiziert  worden  sind,  zum  Schulb^uche 
zuzulassen. 

Gesunden  Wohnungsgenossen  ist  der  Schulbesuch  nur  ganz  ausnahms- 
weise zu  gestatten,  wenn  die  Isolierung  der  Kranken  vollkommen  veriälslich 
ist  und  der  Komfort  des  Hauses  insbesondere  eine  vollkommene  Trennung 
in  der  Verpflegung,  Beistellung  abgesonderter  Efs-  und  Trinkgefäfse  sowie 
Waschgelegenheiten,  Benutzung  abgesonderter  Aborte  zuläfst  und  überdies 
die  ärztliche  Beobachtung  der  gesunden  Schüler  gewährleistet  wird. 

Die  Schule  oder  Klasse  ist  zu  schliefsen,  wenn  ein  an  Ruhr  erkrankter 
Schüler  sie  noch  zu  einer  Zeit  besucht  hat,  in  welcher  er  bereits  an 
Diarrhöen  litt. 

Nach  gründlicher  Reinigung  und  Desinfektion,  welche  sich  besonders 
auf  den  Platz  des  Schülers  und  auf  den  Abort  zu  erstrecken  hat,  kann 
der  Unterricht  sofort  wieder  aufgenommen  werden. 

Länger  dauernde  Schulschliefsungen  können  nur  in  dem  Bestände  be- 
sonderer Verhältnisse  bedingt  sein. 

Schafblattern. 

Bei  Schafblattemerkrankungen  können,  wenn  im  Bezirke  oder  in  der 
Nachbarschaft  keine  Blattern  vorkommen  oder  kürzlich  vorgekommen  sind, 
die  weitestgehenden  Erleichterungen  zugestanden  werden. 


691 

Die  Kranken  können,  wenn  alle  Erscheinungen  yerscbwunden  sind, 
nach  Ablauf  von  14  Tagen  wieder  zum  Schulbesuche  zugebissen  werden. 
Die  gesunden  Wohnungsgenossen  können  die  Schule  besuchen. 

SchulschlieJjsungen  sind  wegen  Schafblattern  aus  sanitären  Gründen 
nur  zulässig,  wenn  eine  Verwechslung  mit  Blattern  nicht  mit  voller  Be- 
stimmtheit ausgeschlossen  werden  kann. 

Wenn  aber  im  Bezirke  oder  in  der  Nachbarschaft  Blattern  auftreten^ 
sind  hinsichtlich  der  Schafblattern  wesentlich  verschärfte  Verfügungen  zu 
treffen,  womöglich  alle  Kranken  ärztlich  zu  beobachten  und  die  gesunden 
Wohnungsgenossen  vom  Schulbesuche  fernzuhalten,  wenn  nicht  die  harmlose 
Natur  der  Erkrankung  amtsärztlich  zweifellos  sichergestellt  werden  kann. 

Scharlach. 

Die  Kontumazdauer  soll  bei  Scharlach  vom  Beginne  der  Erkrankung 
an  in  der  Regel  mit  mindestens  sechs  Wochen  bemessen  werden,  und  soll 
selbst  bei  den  leichtesten  Fällen,  bei  welchen  gar  keine  oder  nur  geringe 
Schuppung  zu  bemerken  ist,  nicht  unter  vier  Wochen  herabgegangen  werden. 

Aber  auch  der  Termin  von  sechs  Wochen  Wird  häufig  länger  aus- 
zudehnen sein,  und  sind  scharlachkranke  Schüler  jedenfalls  erst  vom  neunten 
Tage  nach  vollständig  beendeter  Schuppung  und  Ablauf  allfälliger  Kompli- 
kationen zum  Schulbesuche  zuzulassen,  wenn  sie  drei  desinfizierende  Bäder 
genommen  haben  und  ihre  Wohnung,  Kleider  und  Wäsche  usw.  verläßlich 
desinfiziert  sind. 

Stirbt  der  Kranke  oder  wird  er  aus  der  Wohnung  entfernt,  kann  der 
Schulbesuch  den  gesunden  Wohnungsgenossen,  die  den  Scharlach  nachweis- 
bar bereits  überstanden  haben,  sofort  nach  durchgeführter  Desinfektion,  den 
anderen  vom  neunten  Tage  an  gestattet  werden,  wenn  sie  keine  Hals- 
erscheinungen, keine  Schwellung  der  Drüsen  am  Halse  und  keine  Schuppung 
zeigen. 

Analog  ist  vorzugehen,  wenn  die  gesunden  Wohnungsgenossen  vor 
Beendigung  der  Krankheit  aus  dem  infizierten  Haushalte  entfernt  und  in 
anderweitiger  Pflege  untergebracht  werden. 

Wenn  in  einer  Schule  oder  Klasse  bald  hintereinander  zwei  oder 
mehrere  Erkrankungen  an  Scharlach  vorgekommen  sind,  ist  die  betreffende 
Klasse  aus  sanitären  Gründen  auf  zehn  Tage  zu  schlielsen,  und  empfiehlt 
es  sich,  sämtliche  Schüler  schon  vor  ihrer  Entlassung,  jedenfalls  aber  sofort 
bei  Wiedereröffnung  der  Schule  auf  vorhandene  Zeichen  eines  überstandenen 
Scharlach,  insbesondere  auf  etwaige  Schuppung  oder  Halsdrüsenschwellung 
ärztlich  zu  untersuchen  und  bei  den  Ausgebliebenen  den  Grund  des  Aus- 
Ueibens  amtlich  zu  erheben. 

Jene  Schüler,  bei  welchen  verdächtige  Erscheinungen  vorgefunden 
werden,  sind  vom  Schulbesuche  fernzuhalten  und  ärztlich  zu  beobachten 
oder  zu  behandeln. 

Auf  längere  Dauer  die  Schule  zu  schliefsen,  wird  nur  dann  notwendig 
sein,  wenn  die  Epidemie  durch  die  bisherigen  Mafsregeln  nicht  beschränkt 
werden  konnte  oder  besondere  Verhältnisse  ihre  Beschränkung  von  vorne- 
herein in  Frage  stellen. 


692 

Typhas  abdominalis. 

Fflr  den  Wiedereintritt  eines  vom  Typhas  Genesenen  in  die  Schule 
ist  ein  Reinignngsbad  and  womöglich  die  Desinfektion  der  Kleider  and 
Wäsche  za  verlangen. 

Gesnnde  Wohnnngsgenossen  werden  nnr  dann  vom  Schnlbesache  fein- 
znhalten  sein,  wenn  sie  entweder  im  Krankenzimmer  wohnen  oder  sonstige 
Mängel  in  den  hygienischen  Verhältnissen  des  desinfizierten  Haashaltes  eine 
KrankheitsObertragnng  darch  Schiller  möglich  erscheinen  lassen. 

Eine  Schale  oder  Klasse,  in  welcher  Erkrankangen  an  Typhas  vor- 
gekommen sind,  ist  anter  denselben  Bedingangen  wie  bei  Bohr  za  schliefen. 

Aaüserdem  kann  aber  der  Schnlschlafs  noch  erforderlich  werden,  wenn 
eine  Typhaserkrankang  oder  Epidemie  darch  sanitäre  Übelstände  im  Schol- 
haose  selbst  veranlaüst  worden  ist,  in  welchem  Falle  die  WiedererOffioong 
erst  nach  verläfslicher  Behebang  dieser  Übelstände  and  nach  festgestellter 
Abnahme  der  Epidemie  za  gestatten  ist. 


Vonekriften  nr  Hintaihaltniig  einer  YerbreitmiK  anateckeider 
Krankheiten  durch  düe  Schnlei« 

Erlafs  der  k.  k.  steiermärkischen  Statthalterei   vom    11.  April 
1905,  Z.  9398,  an  die  anterstehenden  politischen  Behörden. 

Im  Landesgesetz-  and  Verordnangsblatte  wird  gleichzeitig  im  Ein- 
vernehmen mit  dem  k.  k.  Landesschnlrate  and  dem  steiermärkischen  Landes- 
aasschasse  eine  Verordnang,  betreffend  die  Hintanhaltnng  ansteckender 
Krankheiten  darch  die  Schalen,  verlantbart,  darch  welche  die  Bestimmang^i 
der  Verordnang  des  k.  k.  Landesschalrates  vom  5.  Aagast  1888,  L.-6. «. 
V.-Bl.  Nr.  35,  sowie  des  Stetthaltereierlasses  vom  10.  Mai  1888,  Z.  7593, 
aajser  Kraft  gesetzt  werden. 

Die  Bestinunnngen  der  nenen  Verordnang  sind  für  die  SchalleitnngeD 
and  das  Lehrpersonal  sowie  für  die  Schaler  and  deren  Aaüsichtspownen 
bindend,  während  für  die  Amtshandlangen,  welche  die  Amtsärzte  der  po- 
litischen Behörden  oder  die  Gemeinde-  and  Distriktsärzte  anf  Grand  der 
Verordnang  vorznnehmen  haben,  nach  §  16  alinea  3  der  Verordnang  eine 
besondere  Instrnktion  mafsgebend  ist. 

Diese  Instrnktion  ist  Mt  die  Zwecke  des  Bachhandels  mit  einem  Ab- 
drucke der  Verordnung  in  Broschürenform  vereinigt  worden;  von  diesen 
Broschüren,  welche  bei  der  Firma  Leykam  in  Graz  za  dem  Einzelpreise 
von  12  Heller  erhältlich  sind,  wird  in  der  Anlage  eine  entsprechende  AnzaU 
von  Exemplaren  zar  Beteilang  der  in  Betracht  kommenden  Ärzte  übermittelt 

Ein  anfälliger  weiterer  Bedarf  ist  hieramts  anzusprechen. 

Die  Schnlleitangen,  für  welche  die  Kenntnis  der  Instruktion  von 
Interesse  sein  wird,  obgleich  diese  keine  für  sie  bindenden  Vorschriften 
enthält,  werden  damit  im  Wege  des  k.  k.  Landesschalrates  beteilt  werden. 

Auf  das  Erscheinen  der  Verordnung,  welche  mit  dem  Tage  ihrer 
Kundmachung  in  Wirksamkeit  tritt,  sind  einerseits  alle  Gemeindevorstehnngw 
and  Ärzte  und  andererseits  die  Leitungen  sämtlicher  in  §  15  erwähnten 


693 

Schalen  und  Anstalten  sowie  die  Vorsteher  von  Pensionaten  nnd  anderen 
Anstalten,  welche  Zöglinge  beherbergen,  in  entsprechender  Weise  animerk- 
sam  zu  machen. 

Die  ständige  Übertragung  der  Obliegenheiten  des  Amtsarztes  an  einen 
Gemeinde-  oder  Distriktsarzt  im  Sinne  des  §  16  alinea  2  sowie  die  Ver- 
fftgnng  von  Ausnahmen  auf  Grund  des  §  17  der  Verordnung  ist  unter 
entsprechender  BegrQndung  der  Statthalterei  fallweise  anzuzeigen. 

(„2>.  österr.  SanUätswesm'' ,  Nr.  23.) 


fiterattir* 


Besprechungen. 

SoHKXiDBB,  J.,  Dr.  med.  Des  Volkes  Kraft  nnd  Schanheit  Fttr 
Erzieher,  Lehrer,  Eltern,  Eflnstler  und  städtische  Verwaltungen.  Mit 
111  Abbfldungen.  Leipzig,  Th.. Thomas,  1903.  Gr.  8^,  310  S. 
Brosch.  Mk.  10.—,  eleg.  geb.  Mk.  11.50. 

In  seinem  Vorworte  erklärt  der  Verfasser  die  gewöhnlichen  statistischen 
Grundlagen,  wie  sie  durch  die  Mortalitätsziffem  und  die  Berechnung  der 
Lebensdauer  gegeben  sind,  als  ungenügend  fttr  die  Beurteilung  der  Volks- 
gesundheit. Eine  notwendige  Ergänzung  hierzu,  wenn  nicht  einen  noch 
weit  besseren  Malsstab  ffir  die  Volksgesundheit,  bilden  nach  seiner  Ansicht 
die  Kraft  und  Schönheit  des  Volkes,  seine  Widerstandsfähigkeit 
und  seine  körperliche  und  geistige  Leistungsfähigkeit.  Man 
kann  sich  hiermit  ohne  weiteres  einverstanden  erklären,  aber  man  erwartet 
nun  vom  Verfasser  in  der  Tat  eine  Beurteilung  des  öffentlichen  Gesund- 
heitszustandes auf  Grund  vergleichender  Angaben  und  Betrachtungen  Aber 
die  Kraft  und  Schönheit  des  Volkes,  Ober  seine  Widerstandsfähigkeit  und 
seine  körperliche  und  geistige  Leistungsfähigkeit.  Wir  geben  zu,  dafe 
Dr.  SOHK.  beim  Versuche,  derartiges  Material  zusammenzubringen,  auf 
mancherlei  Schwierigkeiten  gestolsen  und  dafs  die  Ausbeute  eine  nicht  sehr 
grobe  gewesen  wäre,  aber  auch  der  blofse  Versuch  hierzu  hätte  Aner- 
kennung verdient.  Sghn.  hat  diesen  Versuch  nicht  unternommen  und  statt 
dessen  eine  in  ihrer  Form  allerdings  etwas  eigenartige  populäre  Gesund- 
heitspflege geschrieben.  Von  diesem  Standpunkte  aus  ist  also  sein  Werk 
zu  beurteilen. 

Dasselbe  zerfallt  in  zwei  grofse  Hauptabschnitte,  von  denen  der  erste 
die  Gesundheitspflege  der  verschiedenen  Lebensalter  und  Geschlechter,  der 
zweite  die  öffentliche  Gesundheitspflege,  insoweit  sie  in  das  Gebiet  der 
Städtehygiene  fällt,  umfaist.  Das  1.  Kapitel  enthält  die  Gesundheitspflege 
während  der  Schwangerschaft,  der  Geburt  und  des  Wochenbettes, 
das  zweite  die  Gesundheitspflege  des  Säuglings,  das  dritte  die  Gesund- 
heitspflege  in   der   ersten    Periode  der  Kindheit,    das  vierte  die 


694 

Gesundheitspflege  im  schulpflichtigen  Alter,  das  fQnfte,  sechste  und 
siebente  die  Gesundheitspflege  des  Mannes,  der  Frau  und  des  Greises; 
das  achte  Kapitel  ist  der  St&dtehygiene  gewidmet.  Obgleich  uns  hier 
vorzugsweise  das  Kapitel  über  die  Gesundheitspflege  im  schulpflichtigen 
Alter  interessiert,  halten  wir  es  doch  für  angemessen,  einige  allgemeine 
Bemerkungen  zu  machen. 

Zunächst  scheint  uns  die  Anordnung  und  Gliederung  des  Stoffes  eine 
glückliche  zu  sein.  Hatte  der  Verfasser  sich  vorgenommen,  nicht  eine 
systematische  populäre  Gesundheitspflege  zu  schreiben,  sondern  sich  in 
seinen  Ausführungen  auf  Lebensalter  und  Geschlecht  zu  beschränken,  so 
konnte  er  den  Stoff  kaum  besser  und  fibersichtlicber  einteilen;  die  Be* 
Sonderheiten  der  verschiedenen  Altersstufen  und  der  beiden  Geschlechter 
mit  Bezug  auf  das,  was  zu  ihrer  Gesunderhaltung  und  Kräftigung  notwendig 
ist,  traten  bei  dieser  Anordnung  am  besten  hervor.  Einige  hierdurch  be- 
dingte Wiederholungen  in  der  Schilderung  der  Details  fallen  nicht  in 
Betracht.  Die  Form  der  Darstellung  ist  eine  durchaus  gefällige,  dem  Ver- 
ständnis auch  des  ohne  Fachkenntnisse  an  das  Buch  herantretenden  Lesers 
leicht  zugängliche.  Der  gro&e  Umfang  des  Stoffes  bringt  es  nun  allerdings 
mit  sich,  da(s  ein  tieferes  Eingehen  auf  die  zahlreichen  offenen  Fragen 
der  Gesundheitspflege  ausbleibt,  und  dafs  sich  der  Verfasser  meistens  auf 
allgemeine  Erörterungen  und  Ratschläge  beschränken  mufste.  Diese  Art 
der  Schilderung  hat  ihre  guten,  aber  daneben  auch  ihre  schwachen  Seiten; 
im  grolisen  und  ganzen  hat  es  der  Verfasser  verstanden,  sich  den  An- 
forderungen desjenigen  Leserkreises,  auf  den  er  reflektiert,  anzupassen. 
Dafs  da,  wo  von  einer  wissenschaftlichen  Erörterung  und  Begründung  ab- 
gesehen wird,  Unrichtigkeiten  mit  unterlaufen  und  dafs  manches  apodiktisch 
hingestellt  wird,  was  noch  als  offene  Frage  zu  betrachten  ist,  darf  nie- 
manden verwundem.  So  würden  es  unsere  Zahnärzte  schwerlich  unter- 
schreiben, wenn  der  Verfasser  auf  S.  73  sagt:  „Nicht  eine  mangelhafte 
Reinigung  der  Zähne,  nicht  das  Verschmähen  von  desinfizierenden  Mund- 
wässern und  nicht  die  unschuldigen  Bakterien  sind  die  Ursache  der 
schlechten  und  kariösen  Zähne,  sondern  einzig  und  allein  schlechtes  Blut, 
schlechte  Nahrung,  heifse  Suppen  und  Fruchteis/  Dafs  die  Schla&immer 
nie  geheizt  werden  dürfen  und  dais  in  demselben  ständig  ein  Fenster  offen 
zu  halten  sei  (S.  7ö),  möchten  wir  jedenfaUs  nicht  als  allgemeinen  Grund- 
satz aufstellen,  weil  hier  die  klimatischen  und  Witterungsverhältnisse  sehr 
in  Frage  kommen.  Dafs  „Schläge*^  als  Strafe  für  ungehorsame  Kinder 
direkt  empfohlen  werden  (S.  81),  dürfte  sich  vom  Standpunkt  einer  ge- 
sunden Pädagogik  aus  kaum  rechtfertigen  lassen.  Die  Schilderung  der 
Tätigkeit  der  Schulärzte  (S.  100)  ist  durchaus  unrichtig;  auch  entbehrt 
die  Forderung:  „Der  Nachmittagsunterricht  ist  ganz  abzuschaffen*',  so  all- 
gemein hingestellt,  jeder  Grundlage.  Die  Vorteile  der  Zentralheizung 
werden  an  verschiedenen  Stellen  vom  Verfasser  allzu  einseitig  betont,  und 
dals  vom  hygienischen  Standpunkte  aus  Kachelöfen  „sich  für  das  Klima  in 
Deutschland  nicht  eignen**  (S.  246),  ist  uns  völlig  neu.  Eine  falsche  Vor- 
stellung wird  im  Leser  erweckt,  wenn  es  auf  S.  254  heifst,  es  sei  bei 
der  Wasserheizung  das  Rohrsystem  nicht  völlig  geschlossen  „um  eine 
Explosion  zu  verhüten**,    während    in  der  Tat  die  Expansionsgefäfse  und 


695 

Ventile  angebracht  sind,  um  den  Druck  und  damit  auch  die  Temperatur 
des  Wassers  in  den  Röhren  zu  regulieren.  Teilweise  unrichtig  und  un- 
genügend ist  das  auf  S.  260  Aber  die  Beleuchtung  Gesagte;  die  Angabe 
der  10  Meterkerzen  beruht  auf  einem  Mifsverständnis. 

Im  aUgemeinen  w&re  noch  zu  erwfthnen,  dafe  der  Verfasser  im  ganzen 
ersten  Abschnitte  viel  zu  sehr  auf  die  Maüsregeln  abstellt,  die  der  einzelne 
im  Interesse  seiner  Gesundheit  oder  deijenigen  seiner  Angehörigen  zu  treffen 
hat,  und  dafis  auch  im  zweiten  Abschnitte  die  öffentliche  Gesundheitspflege, 
mit  Ausnahme  der  Städtehygiene,  keinen  Platz  gefunden  hat.  So  wird 
beispielsweise  im  ersten  Kapitel  in  ausführlicher  Weise  alles  dessen  Er- 
wähnung getan,  was  von  Seite  der  Mutter  und  des  Hauses  überhaupt  für 
die  Gesundheit  des  Säuglings  geschehen  kann;  aber  wie,  wenn  die  Eltern 
ihrer  ökonomischen  Verhältnisse  wegen  nicht  imstande  sind,  diese  Forde- 
rungen zu  erfüllen?  Was  soll  dann  eintreten?  Die  Antwort  hierauf 
bleibt  der  Verfasser  schuldig.  Von  Säuglingsheimen,  Kinderkrippen,  öffent- 
licher Fürsorge  fOr  Säuglingsmilch  usw.  hören  wir  nichts.  Und  doch  liegt 
hierin  der  Schwerpunkt,  wenn  es  sich  um  Verhinderung  der  Massen- 
sterblichkeit der  Säuglinge  handelt.  —  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  der 
Gesundheitspflege  des  Mannes.  Es  wird  wohl  der  Berufskrankheiten  kurz 
Erwähnung  getan,  aber  der  Verfasser  sagt  nichts  über  Arbeiterschutz- 
gesetzgebung, Beschränkung  der  Arbeitszeit,  MinimaUohn  usw.  —  Dinge, 
die  fär  die  Gesundheitspflege  der  arbeitenden  Männer  von  der  grölsten 
Bedeutung  sind. 

'  Was  nun  speziell  das  Kapitel  „Schulhygiene^  anbelangt,  so  enthält 
dasselbe,  wie  auch  alle  übrigen  Kapitel,  sehr  viel  Wahres,  Gutes  und  vom 
Leser,  namentlich  aber  von  Lehrern  und  Schulbehörden  zu  Beherzigendes. 
Das  meiste,  was  über  den  Unterricht  gesagt  wird,  möchten  wir  vom  Stand- 
punkte einer  gesunden,  hygienischen  Pädagogik  aus,  die  allerdings  mit  der 
herrschenden  Routine  nichts  gemein  hat,  voll  und  gauz  unterschreiben. 
Auch  die  Anschauungen  des  Verfassen  über  die  hygienischen  Nachteile 
der  übertriebenen  Pflege  der  Handarbeiter  für  Mädchen,  was  auf  Kosten 
ihrer  Gesundheit  und  ihrer  allgemeinen  Bildung  geschieht,  sind  wir  durch- 
aus einverstanden.  Weniger  können  wir  uns  mit  dem  über  das  Schulhaus 
und  seine  Einrichtung  Gesagten  befreunden.  Wenn  COHN  eine  Beleuch- 
tungsintensität der  Arbeitsplätze  von  10  Meterkerzen  als  das  zulässige 
Minimum  erklärte,  so  verstand  er  darunter  die  Helligkeit  im  roten  Licht, 
was  für  weifses  Licht  etwa  25  Meterkerzen  ausmacht;  wenn  man  also 
ohne  weiteres  immer  wieder  die  Minimalforderung  von  10  Meterkerzen 
wiederholt,  so  beruht  dies  auf  einem  sehr  fatalen  Mifsverständnis.  Dais 
in  einem  Schulhause  die  oberen  Fensterflügel  „am  besten  bogenförmig'* 
gestaltet  werden  sollen  (S.  109),  widerspricht  den  elementarsten  Grund- 
sätzen der  Schulhygiene.  Dafe  in  der  Luft  von  Wohnzimmern  durch- 
schnittlich nicht  mehr  als  höchstens  0,75  ^/oo  Kohlensäure  vorhanden  sind, 
trifft  nicht  zu ;  es  könnte  dies  nur  bei  beständiger  Lüftung  erreicht  werden. 
Matten  oder  Abputzer  vor  den  einzelnen  Schulzimmem  wären  kaum  zweck- 
mäßig, da  die  Kinder  fortwährend  darüber  stolpern  würden.  Die  (wenn 
auch  vermutlich  nicht  beabsichtigte)  Reklame  für  die  Rettigbank  in  Wort 
und  Bild  hätten  wir  in  einem  Werke,  das  sich  in  derartigen  Fragen  voll- 

Schalp^Bundheitspfle^e.  XV HI.  37 


696 

kommen  objektiv  verhalten  sollte,  lieber  Termifst;  flberiianpt  fehlt  hier 
vollkommen  die  kritische  Betrachtang.  Dafs  ^die  Wichtigkeit  recht  groCser 
Bachstaben  für  die  Schalbücher  bisher  noch  gänzlich  übersehen  worden*" 
sei  (S.  118),  ist  darchaas  anrichtig,  da  schon  seit  einiger  Zeit  über  diesen 
Oegenstand  eine  ganze  Reihe  von  Arbeiten  vorliegt. 

Im  ganzen  ist  nnser  Urteil  über  das  Bach  Sohneibebs  ein  günstiges 
and  empfehlen  wir  dasselbe  angelegentlich  denjenigen  Leserkreisen,  fftr 
welche  es  vom  Verfasser  selbst  bestimmt  wnrde.     F.  ERISMANN-Zürich. 

Bbebwald,  K.,  Dr.  med.,  and  Brauer,  Gustav,  st&dtischer  Tomlehrer. 
Das  Tarnen  im  Hanse.  Leibesfibnngen  inr  Fardernng  nnd  E^ 
haltnng  der  tiesnndheit  Ar  jan^  nnd  alt  In  fortlaufender  Reihea- 
folge  znsammengestellt.  Mit  177  Bildern  in  Holzschnitt.  Dritte 
verm.  a.  verb.  Aafl.  München  nnd  Berlin,  R.  Oldenbonrg,  1905.  8*. 
222  S.     Geb.  Mk.  2.80. 

Die  Übungen  der  vorliegenden  „Haasgymnastik"  sind  zweckentsprechend 
aasgewählt,  gat  geschrieben  nnd  darch  Zeichnangen  vorzüglich  veranschanlicht. 
Ein  „Rezept*'  gibt  an,  wie  hänfig  sie  für  jedes  Alter  and  Geschlecht  ans- 
znführen,  nnd  ein  Anhang  weist  anf  ihre  Verwendbarkeit  bei  krankhafter 
Yeranlagnng  hin  (natürlich  anter  Ärztlicher  Kontrolle). 

Nen  ist  in  der  dritten  Auflage  ein  60  Seiten  nmfassender  Abscfaintt 
von  Eenlenübangen  hinzngekommen.  Die  meisten  davon  sind  mit  Bein- 
oder Rnmpfübangen  verbanden,  wohl  om  ihnen  eine  nmfassendere  £in- 
wirkang  aaf  dem  Organismas  za  sichern.  Es  dürfte  sich  empfehlen,  bei 
einer  Nenaaflage  eine  Anzahl  flüssiger  Verbindnngen  von  Arm-  nnd  Hand- 
kreisen in  der  Grandstellnng  beizufügen,  die  geradezu  zur  fortgesetzten 
Ausführung  anspornen.  Einmal  wirken  diese  so  intensiv  auf  den  Körper 
ein,  dafs  eine  Zuordnung  von  Arm-  und  Beinübungen  entbehrt  werden 
kann,  und  dann  sind  sie  besonders  geeignet,  die  Freude  am  Oben  za 
heben,  und  dies  ist  doch  für  den  regelm&fsigen  Betrieb  der  Haasgymnastik 
kern  za  unterschätzender  Faktor.  Das  Buch  kann  nicht  nur  zur  An- 
schaffung, sondern  namentlich  zum  Gebranch  bestens  empfohlen  werden. 

J.  SPÜHLBR-Zürich. 

MiLLKR,  Edwin  L.   The  Lnnch-Boom  at  the  Englewood  High  Seheel. 
Babrows,  Anna.   The  Lnnch-Room  in  the  High  SehooL   The  School 
Review,  Chicago,  März  1905. 

Bei  den  riesigen  Entfernungen,  welche  die  Besucher  der  höheren 
Schulen  Chicagos  zurückzulegen  haben,  erwies  sich  die  Einschiebnng 
eines  Frühstücks  zwischen  die  ungeteilte  Unterrichtszeit  als  unumgänglich 
notwendig.  Der  Besuch  benachbarter  Wirtschaften  führte  zu  Üntrftgücb- 
keiten  auch  in  gesundheitlicher  Hinsicht,  die  mitgebrachten  Speisen  wurden 
unschroackhaft,  und  so  entschlofs  sich  die  Schulleitung  zur  Errichtnag  eines 
Frühstücksraums  mit  Wirtschaft,  die  im  September  1903  in  Benutzung 
genommen  wurden.  In  einem  ebenerdigen  Greb&ade  (dem  Bilde  nach 
konnte  es  auch  das  Dachgeschofs  der  Schule  sein)  befinden  sich  die  Küche 
and  der  mit  Büfett,  Tischen  und  Stühlen  für  432  Kinder  ausgestattete 
Frühstücksraum.     Der  Betrieb    wird    in    gemeinnützigem   Sinne   frei   von 


697 

Miete  durch  den  Englewood  Woman's  Club  geführt.  Die  Preise  sind 
gering,  das  Essen  ist  einfach,  aber  schmackhaft.  Die  Lehrer  freuen  sich 
Aber  die  weit  besseren  Leistungen  der  SchOler  in  den  späteren  Unterrichts- 
stunden, die  SchCder  fühlen  sich  wohler  nnd  leiden  nicht  mehr  so  wie 
froher  an  YerdannngsstOrungen,  sie  können  sich  während  des  FrOhstflcks 
imterhalten,  und  die  Versuchung  dazu  während  der  Unterrichtsstunden  fällt 
fort.  Natürlich  werden  die  benachbarten  Händler  (nnd  selbst  die  Ärzte!) 
benachteiligt,  aber  die  Schule  hat  zweifellos  auch  die  rechtlichen  Grund- 
lagen für  ihr  Vorgehen,  das  dem  Allgemeinwohl  dient.  Man  hat  auch 
Ober  die  Art  und  den  Preis  der  Speisen  genörgelt.  Kaffee  wird  fast  gar 
nicht  und  nur  sehr  schwach  verabreicht»  dagegen  reichlich  Milch,  Kakao, 
Suppe.  SüTsigkeiten  sind,  um  ihren  Verbrauch  einzuschränken,  verteuert. 
Natürlich  sähe  es  die  Schulverwaltung  noch  lieber,  wenn  sie  nicht  durch 
diesen  Betrieb  belastet  wäre,  aber  sie  fürchtet  mit  Recht  für  die  Güte 
der  Speisen,  wenn  ein  Privater  das  Unternehmen  leitete  und  keine  frei- 
willigen Kräfte  mitwirken  möchten. 

Nach  Anna  Barrows  ist  Boston  die  eigentliche  Vaterstadt  dieser 
Schulkantinen,  deren  erste  dort  1890  entstand.  Jetzt  versieht  eine  Zen- 
trale, die  New-England-Kitchen,  eine  Reihe  von  Schulen  mit  Speisen,  die 
hier  auf  Gasherden  nur  aufgewärmt  werden.  Sie  arbeitet  nur  mit  bezahlten 
Blilfskräften.  Der  Geschmack  der  Kinder  ist  sehr  konservativ,  eigenartig 
sind  einige  Moden,  die  von  einem  Lehrer  oder  älteren  Schülern  —  den 
swells!  —  diktiert  werden.  Ein  Lehrer  verabscheut  Korinthensemmeln 
(buns),  so  verbietet  er  ihren  Verkauf  in  seiner  Schule;  ein  anderer  bevor- 
zugt gebackene  Bohnen,  so  Üst  die  ganze  Schule  sie  mit  Wonne,  während 
sie  anderwärts  sehr  unbeliebt  sind.  Das  Unternehmen  hat  sich  in  jeder 
Beziehung  bewährt  und  kann  sich  selbst  finanziell  halten. 

Physikus  SlBVBKlNG-Hamburg. 


ErkMrang. 

Herr  Professor  Wickenhaqbn,  der  in  Nr.  8  der  Zeitsehr,  f,  8chui- 
gesundheUspfl,  meine  „Methodik  des  Turnunterrichts^  bespricht  und  dabei 
sich  den  Anschein  gibt,  als  hätte  er  den  Lesern  die  „Grundanschauungen  ^ 
meines  Buches  mitgeteilt,  obwohl  er  nichts  getan  hat,  als 

1.  willkürlich  auszulegen  (T.  EsHABOH,  Hblfbrioh,  Quincke  — 
„wie  in  der  Schulstube^,  5.  Zeile  unten  auf  Seite  510), 

2.  ungenau  zu  zitieren  (Zeile  4 — 6  oben  auf  Seite  611), 

8.  Falsches  zu  behaupten  (Schwimmen,  Zeile  20/21  auf  Seite  511), 

4.  Worte  und  Satzbruchstücke  aus  dem  Zusammenhange  zu  reüsen 
und  durch  tendenziöse  Nebeneinanderstellung  milsverständlich 
zu  machen  oder  zum  Unsinn  zu  stempeln, 

5.  durch  zahlreiche  Ausrufiings-  und  Fragezeichen,  die  den  Verfasser 
weder  zur  Wahrheit  noch  zur  Genauigkeit  verpflichten,  anscheinend 
einiges  zu  sagen, 

6.  selbst  einen  harmlosen  Druckfehler  (8.  Zeile  der  Besprechung)  zur 
morschen  Stütze  seines  kritischen  Gebäudes  für  gut  genug  zu  halten, 

37* 


698 


dem,  was  mein  Bach  etwa  wirklioh  Gutes  oder  Schlechtes  enthftlt, 
völlig  yerst&ndnislos  gegenüber,  wie  n.  a.  seine  Äo&enmgen  Aber  Spid 
(Torletzte  Zeile),  Lehrverlahren  (7.  Zeile),  Tonart  (14.  Zeile  auf  S.  511), 
Klasseneinteüong  und  Leistnngsmessangen  (7.  Zeile  von  nnten  S.  510)  jedem 
Kundigen  ohne  weiteres  yerraten. 

Nor  der  Achtnng  yor  dem  Herausgeber  und  den  Lesern  dieser  Zeit- 
schrift entspringt  der  Wunsch,  meine  bescheidene  Arbeit  gegen  unsachliche 
Herabsetzung  durch  den  vorstehenden  Protest  in  Schutz  zu  nehmen.  'Der- 
selben  Achtung  wftre  es,  wie  ich  meine,  Herr  W.  schuldig  gewesen,  seine 
Arbeit  sich  nicht  gar  so  leicht  zu  machen. 
Berlin,  den  19.  September  1905. 

H.  Schröer, 

Stadt.  Tumwart  und  Mitherausgeber 

der  Monatsschr.  f.  d.  Tumwesen. 


Bibliographie. 
Die  mit  *  beseichneten  Werke  wurden  der  Redaktion  zugesandt 

*Ärehiv  für  Soeiale  Medufm  und  Hygiene,  von  Dr.  M.  Fübbt  und 
Dr.  K.  jAFrt.     n.  Bd.,  2.  H.,  1906. 

^Bericht  des  Wiener  StadtphysUsates  Über  seine  ÄmtstäUgkät  und  Ober  die 
Q^sundheitsverhälinisse  der  k.  k.  Beidishaupt-  und  Besidemfstadi  Wien 
in  den  Jähren  1900—1902.     Wien,  1905.     Gr.  8<».     593  S. 

^Bericht  und  Beckwung  über  die  Ferienkolonien  und  Mikkkuren  erhoU»nga- 
bedürftiger  Schulkinder  der  Stadt  Zürich,  sowie  über  das  Erholungsheim 
Schwäbrig,  für  das  Jahr  1904,  Zürich,  1905.  16^  23  S.  Mit 
4  Abbüdgn. 

Buchhold,  San.-R.  Jahresbericht  über  aie  schulärsfüiche  Tätigkeit  in  den 
Mittel-  und  Stadtschulen  der  Haupt-  und  Besidensstadt  Darmstadt  im 
SdiU^cOtre  1904/05,     8^     84  S. 

*BUBGBRSTSIN,  Lso,  Dr.  ZuT  häuslichen  QesunäheU^fUge  der  SthOr 
Jugend.  Bemerkungen  fiOr  die  Eltern  und  Pfleger  von  KostzOglingen. 
10.  durchges.  Aufl.    Leipzig,  B.  G.  Teubner,  1905.   8^.  16  S.  JW,  0,10. 

Qesundheitsregdn  für  Schüler  und  Schülerinnen  aßer  Lehr- 
anstalten. 10.  durchges.  Aufl.  Leipzig,  B.  G.  Teubner,  1905.  8^ 
16  S.     Ä  0.10. 

*Das  meidungsheft.  5.  H.  der  Volksbibliothek  fftr  Körperkultur.  Verlag 
von  „Kraft  und  Schönheit".  Berlin,  1905.  Gr.  8^^.  48  S.  mit  Ab- 
bUdgn.     M  0.50. 

*Deuonhne  Congrhs  international  de  VSducation  physigue  de  la  jeunesse. 
Li^e,  du  28.  aoüt  au  1®  Sept.  1905.  Reglement  et  Rapports  pr^limi- 
naires.     Li^,  1905.     S^.     115  S. 

*DOMiTRoyiCH,  y.,  Armin,  Dr.  Rich.  Grbsff.  AugenärMiOie  und  hy- 
gienische Schuluniersuchungen.  Sond.-Abdr.  a.  d.  Techn.  Gemeindebl.> 
1905,  Nr.  9  u.  10. 


699 

^Enoblspbbobr,    Alf.,   Dr.,   und  Zibglbb,    Otto,    Dr.     BeHräge  but 

Kenntnis  der  physischen  und  psychischen  Natur  des  sechsjährigen  in  die 

S<^nile    eintretenden   SSndes.     I.  anthropometr.  Teil.     Die   experiment. 

Pädagogik,  heraasgegeben  von  Lat  u.  Mbumann.  I.  Bd.,  H.  S/4,  1905. 
*Fänfisehnter   Bericht   und   Bechnung    Über   das   Erholungshaus   Zürich 

(Fluntem),     1904.     Zürich,  Zürcher  &  Forrer,  1905. 
^Geschäftsbericht  der  Zentralsckulpflege  der  Stadt  Zürich  für  das  Jahr  1904, 

Zürich,  1905. 
*Qesunde  Jugend,    Verhandlungen  der   VI.  Jahresversammlung  des  AUg. 

Deutsch.  Vereins  f.  Sekulgesundheitspftege.    (V.  Jahrg.,  Ergänzongsheft.) 
Gbbbff,  Bioh.,  Dr.    AugenärgÜiche  und  hygienische  Schuluntersuchungen. 

Angestellt  und  bearbeitet  im  Auftrage  d.  k.  preofs.  Minist,  d.  geistl. 

ünterr.-  n.  Mediz.-Angelegenheiten.    Sond.-Abdr.  a.  d.  Klinischen  Jahrb., 

1904,  Bd.  13. 

"^GüBLiTT,    LüDWia.     Der   Deutsche   und   seine   Schule.     Erinnerangen, 
Beobachtungen  und  Wünsche  eines  Lehrers.   Berlin,  Wiegandt  &  Grieben, 

1905.  8«.     240  S.    M  2.00,  geb.  JH  3,00. 

*Hägmank,  J.  G.    Zur  Reform  eines  Lehrplanes  der  Volksschule.    2.  lun- 
gearb.  n.  verm.  Aufl.    St.  Gallen,  Fehr,  1904.    Kl.  8^  113  S.  M  1.00. 
Hamm,  Dr.     Zur  Sta/ubbeseiHgung  in  Schulen   und   anderen  öffentUehen 
Gebäuden.  Monatsbl.f.  6ftentl.  Gesnndheitspfl:,  28.  Jahrg.,  1905,  Nr.  7u.8. 
Hbbgbl,  Gust.,   Dr.     Winke  ewr  Erhcdtung   körperlicher  und  geistiger 
Gesundhät.     Sond. -Abdr.   a.  d.  Jahresber.  1904/05  d.  k.  k.  Franz- 
Josef-Staats-Gymn.  zu  Aussig.     Aussig,  1905.     8^.     5  S. 
"^BRMANN,  A.     Handbuch   der  Bewegungsspiele   für  Mädchen.     Kleine 
Sdiriften  des  Zentral- Ausschusses  zur  Förderung  der  Volks-  und  Jugend- 
spiele in  Deutschland.    Band  3.    Leipzig,  B.  G.  Teubner   (2.  verb.  u. 
Term.  Aufl.,  mit  69Abbüdgn.),  1905.     Kl.  8^     181  S.     ü  1.80. 
HÜBKBB,  Dr.     Die  Aufgäben  des  SchuUxretes  in  augenhygienischer  Hin- 
sicht.    Reichs-Mediz.-Anz.,  1905,  Nr.  5. 
^Iwtemationdles  Archiv   für   Schulhygiene,     l.  Band,   4.  Heft.     Leipzig, 
W.  Engelmann,  1905. 

Fbbbai,  Gablo.    Bicerche  comparative  di  Fsicologia  sperimentafe  sin 

Sardonmti  (con  12  flg.;  nel  teste). 
DOMITBOVITCH,  DB,  Armik.    Le  banc  d^eoole  en  AUemagne  et  son 

Hat  aetuel. 
Lans,  L.  J.     SoU  man  die  SteUsdirift  aus  der  Praxis  verbannen? 
ZoiiLlNaBB,  F.     VI.  Jahresversammlung   der  schweiß.  QtseUschaft 
für  Schulgesundheitspflege  in  Lugem,  14.  u.  15.  Mai  1905. 

V.  SchwM.  Konferensf  für  das  Idiotenwesen  in  St.  Gallen, 

5.  und  6.  Juni  1905. 
*IGL,  JOH.,  Dr.  med.     Vierter  Bericht  über  die  Tätigkeit  der  städtischen 
Betsirksärete  in  Brunn  als  Schulärzte  für  das  Jahr  1904.    Brunn,  1905. 
8^     55  S. 
*Kkrb,  Jambs,  Dr.  med.    MentaUy  Defective  ChUdren.    Inglesy  Lectures 

(üniyersity  of  Birmingham).     Birmingham,  1905.     8^.     42  S. 
^Kbabt,  A.,  Dr.  med.     Die  gesundheiüichen  Erfolge  der  Ferienkolonien. 
Zeitschr.  f.  Schweiz.  Statistik,  1905.     I.  Bd.,  3.  Lieferung. 


700 

*Lbu80HNBR,    Bruno,    Rektor.     Der    SchulstM   m   der  Otuppenbamk. 

D.  R.  P.  162  231.     Breslau,  Ferd.  Hirt,  1905.    S^.    12  S.    M  0.40. 
*MOHAUPT,  F.,  Direktor.    Jähresberiehi  der  Mädchm-Volks-  und  Bürger- 

schule,  des  städt.  Kindergartens  und  der  Mädchen^Foribüdung89(Me  m 

Böhm,'Leiipa  über  das  Schuf^ahr  1904/05.    1905.  8^.   34  S.  Kr.  0.20. 
MüLLBR,  Stadtscholinspektor.    Was  können  Lehrer  und  Lehreri$men  teii, 

um  die  Entwicklung  und  das  Fartschreiien  der  KurMsichUgkeU  hei  ikrm 

Schalem  eu  verhüten  und  die  Äugen  derselben  eu  schärfen?    Die  6e- 

snndheitswarte  der  Schule,  1905,  Nr.  7  n.  8. 
*MutUrschute,   ZeitschHft   eur  Beferm   der  sexuellen  EMk,     I.  Jahrg., 

1.  H.,  1905.    Frankfurt  a.  M.,  J.  D.  SaaerlAnder.   8^  48  S.   Einzelheft 

Ji  0.50. 
*Rayd  ,  H.,  Prof.     SpidnachmUtage.     Leipzig  u.  Berlin,  B.  6.  Teabner, 

♦  1905.    Gr,  8<>.     101  S.     il   1.60. 

Bkichbnbach,  H.,  Prof.  Zur  IVage  der  Tagesliehtmessung,  Abdr.  a.  d. 
Klin.  Jahrb.    XIV.  Bd.     Jena,  Fischer,  1905.     8^     12  8. 

SohrOvr,  H.  Die  Dispensaüanen  vom  Turnunterricht.  Monatsschr.  £  d. 
Tnmwesen,  1905,  H.  8. 

*8ehulberi(At  für  1903/04,  erstattet  von  der  Direktion  der  Dentsehen 
eyangel.  Privatvolksschnle  in  Prag  U.     8^.     12  S. 

SCHVLTB,  Max,  Dr.  med.  Inwiewät  bedarf  die  si^mläretUche  EinriMmg 
nodi  der  Erweiterung?  Gentralbl.  f.  allg.  Geanndheitopfl.,  XXIV.  Jahrg. 
1.  u.  2.  H.,  1905. 

Schwarz,  Rektor.  Zur  Verminderung  des  Schreibwerks  in  der  Sdude. 
Die  Jugendfürsorge,  1905. 

^Sbbbaum,  H.  Das  Mikroskop  als  Lehmnäd  im  naturkundlidwn  Unter- 
richt Vortrag,  gehalten  anf  der  Bezirksrersammlnng  in  Nienburg  am 
26.  April  1905.     8^     16  S. 

* Welches  ist  die  vornehmste  Aufgabe  der  Mitglieder  eines  Aus- 
schusses für  Schulgesundheitspflege?    Hannoyer,  1905.     8®.     14  S. 

*SlCKiNOBR,  Dr.,  Stadtschulrat.  Jahresbericht  über  den  Stand  der  dem 
Volksschulrektorat  untersteUien  städtischen  Schulen  in  Mannheim  im 
Schufiahr  1904/05.     Mannheim  1905.     4^.     60  S. 

*  Vierter  Bericht  der  Schulärzte  der  Stadt  ChemniU.     Sond.-Abdr.  a.  d. 

Verwaltungsbericht  der  Stadt  Chemnitz  a.  d.  Jahre  1904.     4^    HS. 
Wbgmakn,    H.      Lichtr    und   Schattenseiten   der   häuslichen   Ereiehung. 

Zttrich,  OreU  FOssU,  1905.     Fr.  1.50. 
*Wbhrhabn  u.  Hbnzb.      Bericht   Über   den   Fünften    Verbandstag  der 

Hilfsschulen  Deutschlands  zu  Bremen,  am  25.-27.  April  1905.  HasnoYer, 

Gebr.  Jänecke,  1905.     8^     206  S. 
Zeiischrift  für  Lehrmittelwesen  und  pädagogische  Literatur.    Heranag.  f (a 

Franz  Frisch.    Wien,  A.  Pichlers  Witwe  &  Sohn.    I.  Jahif .,  Nr.  1 

bis  7,  1905. 


§tv  ^djttliitfi 


ni.  Jahrgang.  1905.  No.  10.. 


®rt9ttialab^atiblttti$eti. 


Bericht  fiber  die  Leistungen  und  Obliegenbeiten 

der  in  Königsberg  i.  Pr.   tätigen  sehn  Schnlärzte 

in  den  Jahren  1900—1904. 

Von 

Dr.  fluGO  Laseb, 
Sohalarzt. 

Eine  Grannloseepidemie,  die  sich  durch  ihren  Umfang  nnd  die 
Schwere  der  Falle  auszeichnete,  gab  Veranlassung  dazu,  dafe  die 
Stadt  Königsberg  eine  Anzahl  sog.  Oranuloseärzte  anstellte,  denen 
die  Behandlung  der  erkrankten  Schulkinder  übertragen  wurde.  Es 
war  damit  der  Stein  ins  Bollen  gekommen  —  aus  den  Granulose- 
ftrzten  wurden  Schulärzte. 

Obgleich  die  Institution  der  Schulärzte  immer  noch  eine  provi- 
sorische ist,  so  hat  sich  doch  die  Existenzberechtigung  dieser  Insti- 
tution bewiesen,  und  wird  wohl  niemand  mehr  dafür  eintreten,  das 
einmal  Geschaffene  wieder  zu  beseitigen. 

Man  könnte  höchstens  darüber  streiten,  ob  man  nur  einen 
Schularzt  anstellen  solle,  der  gewissermafsen  städtischer  Beamter  ist 
und  keine  Praxis  ausüben  darf,  oder  ob  man  es  vorziehe,  das 
hierorts  eingeführte  System  beizubehalten,  das  sich  nicht  nur  hier, 
sondern  fast  überall,  wo  Schulärzte  tätig  sind,  bewährt  hat,  und  das 
darin  besteht,  dals  eine  gröfsere  Anzahl  praktischer  Ärzte  —  hier 
sind  es  zehn  —  angestellt  wird,  deren  jedem  einige  Schulen  über- 
wiesen werden. 

Berichterstatter  möchte  sich  für  Beibehaltung  dieses  Systems 
aussprechen  und  gleichzeitig  erwähnen,  dafs  bereits  eine  Strömung 
besteht,  die  die  Einführung  von  Schulärzten  auch  an  den  höheren 
Schulen,  Gymnasien  usw.,  befürwortet. 

Der  Sehnlarst  III.  18 


172  702 

Das  System  ist  im  wesentlichen  nach  den  Grundsätzen  ans- 
gearbeitet,  die  znm  ersten  Male  in  der  Wiesbadener  Dienstanweiaung 
fOr  Schulärzte  zum  Ausdruck  gekommen  sind.  Das  Grundprinzip 
ist,  dab  der  Schularzt  nicht  behandelnder  Arzt  ist;  seine  Tätigkeit 
ist  yielmehr  eine  hygienische  und  prophylaktische,  und  soll  später 
geschildert  werden,  in  welcher  Weise  diese  ausgeübt  wird. 

Vorweg  sei  betont,  dab  es  mit  zu  den  vomehmsten  Aufgaben 
des  Schularztes  gehört,  bei  der  Bekämpfung  von  epidemisch 
auftretenden  Infektionskrankheiten  sich  zu  betätigen. 

Hier  in  Königsberg  kamen  in  den  letzten  Jahren  besonders  drei 
Epidemien  in  Betracht: 

1.  Eine  Epidemie  von  Ziegenpeter,  die  hauptsächlich  die  Kinder 
der  unteren  Klassen  betraf,  nur  vereinzelt  Kinder  der  höheren  Xlassen. 
Als  der  Ziegenpeter  in  gehäufter  Zahl  auftrat,  haben  die  Schulärzte 
alle  Kinder  untersucht  und  jedes  der  Krankheit  auch  nur  verdächtige 
Kind  nach  Hause  geschickt.  In  kurzer  Zeit  war  die  Epidemie 
unterdrückt  und  wurden  weitere  Fälle  nicht  mehr  beobachtet. 

2.  Die  Granuloseepidemie.  Die  Granulöse  ist  so  gut  wie 
ganz  verschwunden,  dank  dem  tatkräftigen  Eintreten  der  SchuLärzts 
und  der  dauernden  Kontrolle  besonders  derjenigen  Kinder,  die  einmal 
an  dieser  Ejrankheit  gelitten  hatten.  Es  werden  nur  noch  ganz  ver- 
einzelte Fälle  beobachtet,  und  zwar  nur  noch  ganz  leichte. 

Wird  ein  Fall  von  ansteckender  Augenkrankheit  konstatiert,  so 
erhalten  die  Eltern  eine  Karte  belehrenden  Inhalts  zwecks  Verhütung 
der  Übertragung  der  Krankheit  auf  die  Familie  folgenden  Wortlauts : 

„Verhütung  ansteckender  Augenkrankheiten. 

1.  Ansteckende  Augenleiden  werden  nur  durch  Berührung,  nie  darcfa 
die  Luft  übertragen.  Niemals  berühre  oder  reibe  man  mit  den  blofses 
Händen  die  kranken  Augen,  sondern  nur  mit  einem  Tuch  (Taschentuch) 
oder  Watte. 

2.  Sind  in  einer  Wohnung  Personen,  welche  an  ansteckender  Augen- 
krankheit leiden,  so  müssen: 

a)  die  Augenkranken  ihr  eigenes  Waschgefltfs  und  eigenes  Handtadi 
haben; 

b)  kein  Gesunder  darf  mit  Augenkranken  in   einem  Bett  zusammen 
schlafen; 

c)  nähere  Berührung,   z.  B.  Küssen,  Liebkosen,    mit  Augenkranksn 
ist  zu  vermeiden; 

d)  alle  Familienmitglieder  haben   sich  möglichst  oft  die  Hände  mit 
Seife  zu  waschen. 

3.  Es  ist  dringend  erforderlich,  dafs  auch  die  Angehörigen  von  Augen- 
kranken  sich  die  Augen  untersuchen  lassen.  ** 


703  173 

3.  Die  DiphtheriebekSmpfnDg  findet  in  folgender  Weise 
statt:  Der  behandelnde  Arzt  entnimmt  dem  Bachen-  resp.  Mandel* 
belag  der  diphtherieverdäohtigen  Kinder  eine  Probe  and  sendet  die- 
selbe Eur  bakteriologischen  üntersuchnng  in  das  Königl.  hygienische 
Uniyersitätsinstitnt,  welches  alsbald  dem  Absender  das  Resnltat  der 
Untersuchung  mitteilt.  Ist  Diphtherie  nachgewiesen,  so  dürfen  die 
erkrankten  Kinder  und  deren  Geschwister  nicht  die  Schule  besuchen. 
Nach  Ablauf  der  Krankheit  genügt  nicht  mehr,  wie  früher,  eine 
einfache  Beseheinigung  des  behandelnden  Arztes,  daJs  das  Kind 
wieder  gesund  sei  und  die  Schule  besuchen  dürfe.  Nur  wenn  eine 
nochmalige  bakteriologische  Untersuchung  ergeben  hat,  dals  in  dem 
Rachen  des  Kindes  Diphtheriebazillen  nicht  mehr  vorhanden  sind, 
wird  das  Kind  zum  Schulbesuch  zugelassen.  Der  behandelnde  .Arzt 
mufs  also  eine  nochmalige  Untersuchung  im  hygienischen  Institut 
veranlassen.  Dieser  Anordnung  fügen  sich  fast  alle  hiesigen  Ärzte 
bereitwilligst;  tritt  dieses  einmal  nicht  ein,  dann  wird  der  Schularzt 
beauftragt,  die  Probe  zu  entnehmen  und  untersuchen  zu  lassen. 

Es  soll  nun  geschildert  werden,  in  welcher  Weise  der  schulärzt- 
liche Dienst  geregelt  ist. 

Zunächst  hat  der  Schularzt  die  Kinder  der  ihm  überwiesenen 
Schulen  zu  untersuchen;  auf  welche  Organe  dabei  besonders  zu 
achten  ist,  ist  aus  dem  Gesundheitsbogen  (s.  u.)  zu  ersehen.  Sobald 
er  bei  einem  Kinde  eine  Krankheit  diagnostiziert,  teilt  er  dieses  auf 
einem  von  dem  Rektor  der  betrefienden  Schule  unterschriebenen 
Formular  den  Eltern  mit.  Hierbei  wird  die  Diagnose  nicht  immer 
genau  angegeben :  es  wird  z.  B.,  wenn  ein  Kind  an  Mittelohrkatarrh 
leidet,  nur  „  Ohrkrankheit  **,  wenn  es  an  Augenbindehautkatarrh  leidet, 
nur  „Augenkrankheit*'  geschrieben.  Den  Eltern  steht  dann  die  Wahl 
eines  behandelnden  Arztes  frei. 

Der  Wortlaut  des  Formulars  ist: 

Formular  I.                 „Mitteilung  an  die  Eltern. 
An 


Unser  Schularzt  macht  Sie  darauf  aufmerksam,  dafis  Ihr  Kind 

an  leidet 


mit  behaftet  ist. 

Sie  werden  gut  tun,  das  Kind  ärztlich  behandeln  zu  lassen. 
Königsberg,  den  Der  Rektor." 

Das  Formular,   das  solchen  Kindern   mitgegeben  wird,  welche 
Ungeziefer,  besonders  Kopfläuse,  haben,  enthält  noch  folgenden  Zusatz: 


174  704 

„Zur  Reinigung  des  Kopfes  von  Ungexiefer  genügt  eine  eiamnlige 
Kopfwaschong  mit  Petroleum  nnd  Herttberbinden  eines  woDenen  Tndies 
nachtsflber.     (Vorsicht  mit  Licht!)'' 

Nach  einigen  Tagen  fina^  der  betrefiende  fiHaasenlelirer,  ob  di» 
Kinder  zn  einem  Arzt  gegangen  sind,  nnd  vermerkt  die  AntwOTt 
mit  j^ja''  oder  „nein*'  in  dem  Oeeandheitsbogen.  So  l&Cst  idoh  feafe- 
stellen,  in  wieviel  Prozent  der  Fälle  die  Mitteilung  an  die  Eätem 
Erfolg  gehabt  hat.  Handelt  es  sieh  nm  schwere  Erkrankungen,  die 
trotz  der  Mitteilung  an  die  Eltern  nicht  behandelt  werden,  dann 
wird  durch  Vermittelung  des  Magistrats  der  Vaterlftndische  Frauen- 
verein in  Anspruch  genommen.  Der  Schularzt  sendet  in  diesem  Falle 
an  den  Magistrat  eine  Karte,  worauf  derselbe  das  weitere  veranlabi. 
Das  Schema  dieser  Karte  ist: 
Forronlmr  IL 

^.Magistrat  KAnigl.  Haopt-  und  Residenzstadt 

Königsberg,  den  190. 

Mitteilung  des  Schularztes  Dr.  ^ über  einen  Fall, 

bei    welchem    die   Mitwirkung    des   Vaterländischen    FrauenvereiBS 
erwflnscht  ist. 
Vor-  und  Zunamen: 

Schfller in  SLlasse der - « Schule. 

Namen  der  Eltern :  

Stand  der  Eltern: 

Wohnung  der  Eltern:  

Nähere  Angaben: ^ * 

Bei  ganz  schweren  Fällen  von  Ungeziefer,  bei  denen  eine  Bei- 
nigung  zu  Hause  nicht  erfolgt,  wird  das  Kind  dem  Armenhause  zur 
Säuberung  durch  den  Schuldiener  zugeführt. 

Erwähnt  sei  noch,  dafs  die  Armenverwaltung  auf  Antrag  einee 
Schularztes  ganz  unbemittelten  Kindern  Brillen,  Gipskorsetts  usw. 
liefert. 

Der  Schularzt,  der  keine  direkten  Anordnungen  trifft,  bespricht 
mit  dem  Klassenlehrer: 

1.  die  Fälle,  in  denen  er  einen  besonderen  Platz  wegen  Kurz- 
sichtigkeit, Schwerhörigkeit  oder  Körpergröise  für  notwendig 
hält; 

2.  die  Fälle,  in  denen  aus  irgendeiner  Krankheitsursache  Dis- 
pensation von  einzelnen  Fächern  zeitweise  oder  dauernd  erfolgen 
soll,  so  von  Singen,  Handarbeit,  Turnen;  und 

3.  die  Fälle,  in  denen  Kinder  an  den  Schulbädem  nicht  teil- 
nehmen können  (das  trifft  selbstverständlich  nur  für  die  neueren 
Schulen  zu,  die  Schulbäder  haben). 


705  175 

Aulserdem  mnfs  der  Schularzt  teilnehmen  an  regelmäXsigen  Be- 
sichtigungen der  Schulen  durch  Beamte  der  städtischen  Bauahteilung, 
in  denen  die  Wünsche  der  Sektoren  und  Schulärzte  zur  Sprache 
kommen  betreffs  Heizung,  Beleuchtung,  Ventilation,  Anschaffung 
neuer  Schulbänke,  Reparaturen  von  Fulsböden,  Anstrich  von  Decken 
und  Wänden  usw.  So  sind  z.  B.  verschiedentlich  auf  Anregung  der 
Schulärzte  die  Fufsböden  der  Klassenzimmer,  Korridore  und  Treppen 
mit  Dustless-Fufbodenöl  gestrichen. 

Von  dem  Klassenlehrer  werden  die  Kinder  jährlich  gemessen, 
lun  jedem  Kind  einen  seiner  Gröüse  entsprechenden  Platz  anweisen 
zu  können,  und  gewogen,  was  besonders  von  Interesse  für  die  Kinder 
ist,  die  in  Ferienkolonien  geschickt  werden.  Bei  der  Auswahl  dieser 
Kinder  ist  der  Schularzt  tätig,  und  wird  der  Erfolg  des  Sommer- 
aufenthalts in  dem  Oesundheitsbogen  vermerkt. 

Bedenkt  man  femer,  dafs  viele  arme  Kinder  beköstigt  werden^ 
auch  im  Sommer,  Schwimmunterricht,  viele  Handfertigkeitsunterricht 
erhalten,  dafs  Mädchen  Koch*  und  Haushaltungsschulen  besuchen,  so 
mufs  man  wohl  anerkennen,  dafs  die  Stadt  mit  ihrer  hygienischen 
Fürsorge  für  die  Schulkinder  Grofses  leistet.  Der  Widerstand,  den 
einzelne  früher  der  Institution  der  Schulärzte  entgegenbrachten, 
existiert  wohl  heute  nicht  mehr.  Fast  durchwegs  ist  das  Verhältnis 
zwischen  den  Schulleitern  und  der  Lehrerschaft  einerseits  wie  der 
Schulärzte  anderseits  ein  gutes  gewesen  und  haben  die  Lehrer  resp. 
Lehrerinnen  gern  freiwillig  den  Schulärzten  bei  ihren  Untersuchungen 
geholfen  und  die  Befunde  derselben  in  die  Gesundheitsbogen  ein- 
getragen. Ein  solcher  wird  flir  jedes  Kind  angelegt.  Ein  Schema 
davon  befindet  sich  auf  nächster  Seite. 

Auf  zwei  Seiten  enthält  dieser  Bogen  17  Reihen,  von  denen 
jede  für  ein  Semester  bestimmt  ist.  Am  unteren  Ende  der  zweiten 
Seite  sind  noch  Spalten  frei  für  Notizen  des  statistischen  Amtes. 

Dieser  Bogen  begleitet  das  Kind  während  der  ganzen  Schulzeit 
von  Erlasse  zu  Klasse  und  wird  bei  etwaigem  Wechsel  der  Schule 
eines  Kindes  dem  Bektor  der  neuen  Schule  zugesandt. 

Zunächst  hat  der  Schularzt  alle  diejenigen  Kinder  zu  unter- 
suchen, die  neu  eintreten.  Sobald  eine  £[rankheit  konstatiert  wird, 
wird  dieses  in  den  Bogen  eingetragen;  derselbe  erhält  dann  oben 
rechts  den  Vermerk  Ä.  B.  (ärztliche  Beobachtung).  Dieser  Vermerk 
bleibt  so  lange  stehen,  bis  die  betreffende  Krankheit  behoben  ist. 

Die  Bogen  einer  jeden  Klasse  liegen  in  einer  besonderen  Mappe, 
worin  alle  Bogen  mit  Ä.  B.  alphabetisch  geordnet,  dann  alle  übrigen» 


176 


706 


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707  177 

ebenfallB  alphabetisch  geordnet,  um  ein  schnelleres  Auffinden  eines 
jeden  Bogens  zu  ermöglichen,  sobald  derselbe  einen  Vermerk  er- 
halten soU. 

Sind  die  neu  eingetretenen  Kinder  absolviert,  dann  macht  der 
Schularzt  an  bestimmten,  mit  dem  Schulleiter  verabredeteD  Tagen 
Visiten  in  der  Schule,  bei  deren  jeder  eine  oder  mehrere  Klassen 
besichtigt  werden,  so  zwar,  dalis  jede  EUasse  in  jedem  Semester  min- 
destens einmal  herankommt.  Bei  diesen  Visiten  untersucht  er  zuerst 
alle  Kinder  dieser  Klassen  mit  Ä.  B.,  dann  diejenigen,  die  ihm 
krankheitsverdftohtig  erscheinen  resp.  von  dem  Klassenlehrer,  der, 
wenn  möglich,  bei  der  Visite  anwesend  sein  soll,  als  krankheits- 
yerdächtig  vorgestellt  werden.  Bei  jeder  derartigen  Visite  werden 
dem  Schulärzte  auch  aus  allen  anderen  Erlassen  solche  Ejnder  vor- 
gestellt, die  dem  betreffenden  Klassenlehrer  untersuchungsbedürftig 
erscheinen. 

Im  Notfall  ist  der  Bektor  sogar  berechtigt,  Kinder  in  die 
Sprechstunde  des  Arztes  in  seine  Wohnung  zu  schicken. 

Über  alle  im  Laufe  des  Jahres  gemachten  Beobachtungen  macht 
der  Schularzt  jfthrlich  zu  Ostern  einen  Bericht  nach  einem  bei- 
liegenden Muster. 

Erwähnt  sei  noch,  dafs  in  bestimmten  Zeitabschnitten  Sitzungen 
der  Schulärzte  stattfinden,  die  von  einem  Magistratsmitglied  ein- 
berufen und  geleitet  werden;  denselben  wohnen  auch  die  Herren 
Stadtschulrat  und  Stadtschulinspektor  bei.  Es  findet  in  denselben 
eine  rege  Diskussion  flber  alle  wichtigen  Fragen  und  Beobachtungen 
der  einzelnen  Ärzte  statt,  und  werden  besonders  solche  Punkte  be- 
sprochen, die  im  Interesse  der  Hygiene  der  Schule  resp.  der  Schul- 
kinder liegen  und  in  der  ursprflnglichen  Dienstanweisung  der  Schul- 
ärzte nicht  enthalten  sind. 

und  nun  zum  Schlufs  sollen  als  sprechender  Beweis  für  die 
Wichtigkeit  der  Schularztinstitution  und  die  Tätigkeit  der  hiesigen 
zehn  Schulärzte  Zahlen  angeführt  werden,  die  den  Jahresberichten 
entnommen  sind  und  die  an  sich  deutlich  genug  sprechen,  um  jeden 
weiteren  Zusatz  zu  erübrigen. 

In  den  Berichtsjahren  Ostern  1901  bis  Ostern  1904,  die  zusammen- 
gefafst  werden  sollen,  wurden  in  den  Bürger-,  Volks-  und  Hilfs- 
schulen, die  in  Betracht  kommen,  71367  Kinder  untersucht,  d.h. 
durchschnittlich  17841. 

Es  kommen  also  auf  jeden  Schularzt,  da  die  Schulen  möglichst 
gleichmälsig  verteilt  sind,  pro  Jahr  1784  Kinder. 


178 


708 


Formular  IV. 


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\      Von  d^m  ScholarEt  wurden  bemerkt  belieb  nage  welie 
fortdftnemd  beobachtet  ErAnbheit«xnvtäüde  der 

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O    Laut  Krankbeitsbesoheinigung  wurden  die  folgenden       Mitteilung 
Erkrankungen  anter  den  Schülern  yerseichnet:                Eltern 

20j2l|22 

23  24|25|26|27||28 

29 

80 

31 

32 

33|34|d5|      36 

37 

38 

Akate  Infektionskrankheiten 

Krankheiten  d. 

Vcr- 

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gen 

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1 

Bemerkungen  su   1 — 88 


39 


I.  über  Schullokalitäten; 

II.  über  eyentuelle  Ursache,  Art  und  Häufigkeit,  Verlauf  und  Vorbereitongs- 
weg  der  vorgekommenen  Erkrankungen,  Vorschläge  zur  Bekämpfung  der- 
selben ; 
IIL  über   notwendig:   gewordene   Dispensationen    der  Schüler,    Anweisung  von 
besonderen  Plätzen  in  der  Klasse  usw. 


709  179 

Eis  wurden  festgestellt: 

1.  Schlechte  Eonstitation,  An&mie 2048  F&lle  =  2,9  % 

2.  Skrophulose.  Drüsen 2380     „     =  3,3  Vo 

3.  Krankheiten  der  Brost 417      „     =0,6  % 

4.  „  „    Wirbelsäule 576      ,,     =0,8     % 

6.  „  „    Extremitäten 419     „     =0,6     % 

6.  „  „Haut 824     „     =1,2     % 

7.  Ungeziefer 1105     „     =1,5     7o 

8.  Angenkrankheiten  exkl.  Grannlose 3942      „     =5,5     % 

9.  Granulöse 1383      „     =  1,9     % 

(1900/1901  =  2,2%,  1903/1904  =  1,8%) 

10.  Krankheiten  der  Ohren 776  Fälle  =  1,1     % 

11.  „  des  Mundes,  der  Zähne  .  2026  „  =  2,8  % 

12.  „           der  Nase 502  „  =0,7  7o 

13.  „           des  Rachens 768  „  =1,1  % 

14.  „             „    Kehlkopfes 70  „  =0,1  7o 

15.  „           der  Sprache 687  „  =1,0  % 

16.  Kinderlähmung 8  „  =  0,01  % 

17.  Zwergbildung 2  „  =  0.002% 

18.  Kropf 17  „  =  0,02  % 

19.  Hamträufeln 3  „  =  0,004% 

20.  Eingeweidebrücbe 90  „  =0,1     % 

21.  Ziegenpeter 38  „  =  0,05  7o 

22.  Veitstanz 26  „  =  0,04  % 

23.  Andere  Krankheiten 43  „  =  0,06  % 

Mitteilungen  an  die  Eltern,  dals  ärztliche  Behandlung  notwendig 

ist,  erhielten  3164  Kinder  =-  4,4%;  davon  ohne  Erfolg  907  Fälle 
=  28,7 7o,  oder  mit  anderen  Worten:  in  71,3%  der  Fälle  wurde 
ärztliche  Hilfe  nachgesucht. 

Besondere  Plätze  erhielten  aulser  den  mit  Oranulose  behafteten 
Kindern : 

1.  Wegen  Kurz-  resp.  Schwachsichtigkeit . .   899  Kinder  =  1,3% 

2.  „       Schwerhörigkeit 428       „      =-  0,6% 

Es  wurden  dispensiert: 

1.  Vom  Turnen 226  Kinder  =  0,3  % 

2.  Von  Handarbeit 50       „       =  0,07% 

3.  Vom  Lesen  und  Schreiben.       5       „       =  0,01% 

4.  „     Singen 5       „      =0,01% 

Endlich  sei  noch  angegeben,  wie  viele  Kinder  laut  Krankheits- 
bescheinigungen seitens  der  behandelnden  Ärzte  in  der  Beriohtszeit 
in  der  Schule  gefehlt  haben: 

A.  Akute  Infektionskrankheiten. 

1.  Wegen  Masern 2252  =  3,2     7o 

2.  „       Scharlach 412  =  0,6     % 

3.  „       Diphtherie 593  =  0,8     ^/o 


180  710 

4.  Wegen  Keachhusten 341 

ö.       „      Ziegenpeter 187 

6.  „      Inflnenza 176 

7.  „       Gehirnentzflndong 2 

8.  „       Rose i  19 

9.  „      Ruhr 6 

10.  „       Wechselfieber 1 

11.  „       Röteln 109 

12.  „       Typhus 21 

13.  „      Windpocken 291 

14.  ,,      Gelenkrhenmatismas  ...  48 

B.  Erkrankungen 

1.  der  AtmnngBorgane 1966 

2.  des  Henens 87 

3.  der  Nieren 186 

4.  des  Magens  und  Darmes 800 

5.  Eingeweidewürmer 25 

6.  des  Blntes 233 

7.  der  Blase 4 

8.  Blinddannentzflndnng 4 

9.  des  Ohres 56 

10.  der  Augen 176 

11.  „    Hant 96 

12.  des  Halses  resp.  Rachens 343 

13.  Gürtelrose 12 

14.  Skropheln 13 

15.  Krämpfe 28 

16.  Muskelrheumatismus  . '. 88 

17.  Verletzungen 489 

18.  Andere  Krankheiten,  meist  chi- 

rurgische    252  =  0.4    Vo 


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0,02 

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0.1 

% 

0,7 

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ftleittere  Jtttteilitit)eii. 


Sekilavgeiiant  in  Meideriek  am  Niederrkein.  Der  Borgei^ 
m^ister  von  Meiderich  macht  in  einem  Schreiben  an  die  Yeriagsbuch- 
handlung  dieser  Zeitschrift  darauf  aufmerksam,  daCs  diese  Stadt  bereits 
seit  1904  einen  Schulaugenarzt  angestellt  hat.  Es  sind  danach  die  An- 
gaben in  dieser  Zeitschrift,  Band  16,  Seite  807  sowie  in  der  Sonder« 
ausgäbe  „Schübbrt,  Das  Schukurztwesen  in  Deutschland'',  S.  57,  zu  er- 
gänzen. 

Nene  Seknlirate«  In  Nietleben  hat  sich  die  GemeindoTertretung 
mit  der  Anstellung  eines  Schularztes  einverstanden  erklärt,  hält  jedoch  die 


711  181 

j&hrliche  Fixierang  der  Aasgaben  fQr  geboten;  es  wurde  beschlossen,  ftr 
das  erste  Jahr  eine  bestimmte  Summe  festzusetzen.  —  Die  Stadtverordneten- 
Versammlung  in  Marburg  hat  in  einer  ihrer  letzten  Sitzungen  die  An- 
stellung eines  Schularztes  beschlossen;  für  die  Stelle  wurde  der  Kreisant 
Prof.  Dr.  HiLDBBRANDT  in  Aussicht  genommen.  —  In  Wiebeiskirchen 
hat  der  Gemeinderat  beschlossen,  den  Knappschaftsarzt  Dr.  Schnkid|;b 
als  Schularzt  anzustellen.  Jährlich  sollen  alle  Schulkinder  der  Volksschulen 
einer  firztlichen  Untersuchung  unterworfen  werden.  Die  zu  Qstern  d.  J. 
aufgenommenen  Kinder  müssen  sich  einer  eingehenden  Untersuchung  unter- 
ziehen, weshalb  für  jedes  Kind  ein  Überwachungsbogen  angelegt  wird,  auf 
welchem  GröCse,  Gewicht  und  Erkrankungen  einzutragen  sind.  —  A|s 
Schulärztin  in  Paris  ist  Frl.  Dr.  'med.  Desmoli^rbs  gewählt  worden. 
Ihre  Tätigkeit  erstreckt  sich  über  das  9.  Arrondissement.  —  Von  der 
Stadtverordnetenversammlung  in  Bheine  wurde  die  Anstellung  von  Schul- 
ärzten beschlossen.  Es  wurden  gewählt  Dr.  HSB8BL,  Ekd.  Nibmann, 
€l.  Niemann,  Bbermann,  Weingbs.  Jährlich  sollen  nur  zweimal  Unter- 
suchungen stattfinden,  da  nicht  mehr  als  1000  Mark  für  diesen  Zweck 
zur  Verfügung  stehen.  Als  Honorar  für  jede  Schulklasse  sind  15  Mark 
festgesetzt.  Da  hier  zurzeit  30  Schulklassen  bestehen,  so  würden  sich  die 
Kosten  auf  900  Mark  belaufen. 

In  Köpenick  \nirde  unlängst,  wie  der  ^Berl.  LoJc-An»,^  mitteilt, 
von  der  Stadtverordnetenversammlung  die  Anstellung  von  Schulärzten  vom 
1 .  April  1906  ab  beschlossen,  welche  die  Aufgabe  haben,  den  Gesundheits- 
zustand der  ihnen  zugewiesenen  Schüler  zu  überwachen,  die  Überweisung 
in  Pflegeanstalten  für  Epileptische,  Taubstumme  usw.  oder  in  Hilfsschulen 
herbeizuführen  und  bei  der  ärztlichen  Bevision  der  zur  Schule  gehörenden 
Räumlichkeiten  und  Einrichtungen  mitzuwirken.  Die  Schulärzte  haben  die 
neu  eintretenden  Schüler  genau  auf  ihre  Körperbeschaffenheit  und  ihren 
Gesundheitszustand  zu  untersuchen,  um  festzustellen,  ob  sie  einer  dauernden 
ärztlichen  Überwachung  oder  besonderen  Berücksichtigung  beim  Schul- 
unterricht (z.  B.  Ausschliefsung  vom  Unterricht  in  einzelnen  Fächern,  wie 
Turnen  und  Gesang,  oder  Beschränkung  in  der  Teiluahme  am  Unterricht, 
Anweisung  eines  besonderen  Sitzplatzes  wegen  Gesichts-  oder  Gehörfehler  usw.) 
bedürfen.  Über  jedes  untersuchte  Kind  ist  ein  dieses  während  seiner  ganzen 
Schulzeit  begleitender  „Gesundheitsschein"  auszufüllen.  Wägungen  und 
Messungen  werden  von  den  betreffenden  Klassenlehrern  möglichst  aufserhalb 
der  Schulzeit  vorgenommen.  Alle  vier  Wochen,  wenn  ansteckende  Krankheiten 
auftreten,  nach  Bedarf,  hält  der  Schularzt  an  einem  mit  dem  Schulleiter 
vorher  zu  verabredenden  Tage  zu  bestimmter  Stunde  in  der  Schule  Sprech- 
stunde ab.  Bei  diesen  Besuchen  werden  sämtliche  Kinder  einer  äufseren 
Revision  unterzogen.  Erscheinen  hierbei  einzelne  Kinder  einer  genaueren 
Untersuchung  bedürftig,  so  ist  diese  nachher  im  ärztlichen  Sprechzimmer 
vorzunehmen.  Gleichzeitig  dienen  diese  Besuche  auch  zur  Revision  der 
Schullokalitäten  und  ihrer  Einrichtungen  sowie  zur  Kontrolle  über  Venti- 
lation, Heizung,  körperlicher  Haltung  der  Schulkinder  usw.  Die  Schulärzte 
haben  auf  Antrag  des  Schulleiters  einzelne  Kinder  in  ihrer  Wohnung  zu 
untersuchen,  um  falls  von  den  Eltern  kein  anderweitiges  genügendes  ärzt- 
liches Zeugnis  beizubringen  ist,  festzustellen,   ob  Schulversäumnis  gerecht- 

Der  Sehularit  III.  19 


182  712 

fertigt  ist.     Die  Schnlftrzte  haben  miDdestens   einmal  im  Sommer,  sowie 
einmal  im  Winter  die  Schnllokalitfiten  nnd  deren  Einrichtungen  zu  revidieren. 

Staatliche  Or/[:aiiisatio]i  des  Schalarztwesens  in  Württfinberg» 
Wie  wir  den  Tagesblättern  entnehmen,  hat  sich  in  einer  Sitzung  des 
Medizinalkollegiums ,  in  welcher  im  Beisein  yon  KoUegialmitgiiedem  des 
Ministeriums  des  Innern,  sowie  des  Kirchen-  und  Schulwesens  Aber  die 
Schularztfrage  verhandelt  wurde,  die  Regierung  der  Ansicht  zugeneigt^ 
dals  das  Schularztwesen  staatlich  zu  organisieren  und  dafs  eine  ent- 
sprechende Instruktion  fflr  die  schulärztlichen  Untersnchungen  aufzustellen 
sei.  Dabei  entspann  sich  eine  lebhafte  Erörterung  Aber  die  Forderung^ 
dafs  sämtliche  Schaler  (auch  die  der  höheren  Lehranstalten)  beim  Eintritt 
in  die  Schulanstalt  und  ein-  bis  zweimal  wälirend  der  Schtüzeit  entkleidet 
untersucht  werden  sollen,  und  dafs  Aber  den  Befund  genaue  Aufzeichnungen 
zu  machen  seien. 

Inwieweit  bedarf  die  schnlkrztlicbe  Einrichtnng  noch  der  Er- 
weiterung? Diese  Frage  behandelte  ein  Vortrag  des  Schularztes  Dr.  med. 
Max  SCHULTE-Cöln  an  der  am  29.  Oktober  1904  in  M&nchen-Gkdbach 
stattgehabten  Generalversammlung  des  Niederrheinischen  Vereins  fflr  öffent- 
liche Gesundheitspflege.  Besonderes  Interesse  bietet  der  zweite  Abschnitt 
dieses  Vortrages,  den  wir  hier  im  Wortlaute  nach  dem  y^Cenirdlhl.  f,  aüg. 
Oesundhtspfl^  (Heft  1  und  2,  1905)  wiedergeben: 

„Der  schnlärztliche  Dienst  ist  ein  Überwachungsdienst;  irgendeine 
Form  der  Behandlung  steht  dem  Schularzte  nicht  zu.  So 
lautete  der  Grundsatz  bei  Einführung  unseres  Systems,  und  dieser  Grund- 
satz gilt  auch  heute  noch  bei  der  Mehrzahl  der  Sehn  hygieniker  als  Axiom. 
Und  dennoch  ist  derselbe  sowohl  theoretischen  Erwägungen  gegenttber  als 
zufolge  praktischer  Überschreitungen  bedenklich  ins  Wanken  geraten.  Be- 
sonders LiBBBRMANK  (Budapest)  und  Richter  (Remscheid)  waren  es, 
welche  auf  dem  ersten  Internationalen  Schulhygienekongrefs  energisch  fär 
Behandlung  erkrankter  Schüler  bezw.  Schülerinnen  eintraten,  ohne 
freilich  mit  ihren  Ansichten  besonders  Schule  gemacht  zu  haben,  yielleicht 
aus  dem  Grunde,  weil  die  Forderung  der  Schülerbehandlung  ganz  allge- 
mein, ohne  die  nötige  präzise  Abgrenzung,  gestellt  wurde.  Libbermank 
fordert  die  Behandlung,  ausgehend  von  dem  Grundsatze,  dafs  der  Staate 
der  das  Kind  in  die  Schule  zwinge,  auch  die  Pflicht  habe,  für  Abstellung 
aller  gesundheitlichen  Schädigungen  Fürsorge  zu  treffen,  welche  der  Jugend 
durch  die  Schule  erwüchsen.  Nun  ist  bekannt,  da(ä  wir  Schulärzte  schon 
seit  langem  und  mit  wahrem  Eifer  den  theoretischen  Kampf  kämpfen  gegen 
eine  Reihe  der  erbittertsten  Feinde  unserer  Schuljugend,  mit  manchem  be- 
merkenswerten Erfolge  zwar,  im  grofsen  aber,  um  mit  statistischem  Material 
die  Stadtarchive  zu  beglücken. 

Ich  greife  nur  zwei  der  nächstliegenden  Schulplagen  heraus  —  die  in  den 
Volksschulen  geradezu  bedenklich  verbreitete  Pediculosis  und  die  Zahn- 
karies. Mit  Ratschlägen,  mündlichen  und  gedruckten,  rücken  wir  diesen 
Übeln  zu  Leibe,  um  immer  wieder  das  Längst  bekannte  zu  konstatieren, 
dafs  es  eben  eine  ganze  Anzahl  von  Kindern  gibt,  welche  daran  leiden. 
Freilich,  steter  Tropfen  höhlt  den  Stein;  aber  die  schier  unglaubliche 
Gleichgültigkeit  und  Wurschtigkeit  (sit  venia  verbo]  gewisser  Volksschichten. 


713  183 

die  in  iliren  Alltagssorgen  Kopf  nnd  Zähne,  Reinlichkeit  nnd  Körperpflege 
far  Lappalien  halten,  verhindert  jeden  nachhaltigen  Erfolg.  Will  man  hier 
etwas  erreichen,  so  mnls  man  dem  Volke  die  Wohltaten  der  Hygiene  auf- 
nötigen oder  wenigstens  auf  dem  Präsentierteller  hieten.  Zürich  stellte 
denn  anch  eine  besondere  Pflegerin  für  die  mit  Pedicnlosis  behafteten  Schul- 
kinder an,  und  Darmstadt  und  Strafsburg  besitzen  bereits  ihre  Schul- 
zahnkliniken. Hier  haben  wir  also  schon  Schülerbehandlung  im  eigent- 
lichen Sinne,  offenbar  hervorgegangen  ans  der  Erfahrung,  daCs  man  ohne 
eine  solche  nichts  Wesentliches  erreicht.  Was  aber  dem  Kopf  und  den 
Zähnen  recht  ist,  dürfte  den  Augen  billig  sein.  Dafs  eine  gro&e  Anzahl 
von  Schulkindern  an  Refraktionsanomalien,  katarrhalischen  Prozessen  der 
Bindehaut,  der  Lidränder,  entzündlichen  Veränderungen  der  Hornhaut  leidet, 
ist  eine  bekannte  Tatsache.  Ebenso  ist  bekannt,  dafs  eine  Reibe  von 
Schülern,  durch  den  Schularzt  auf  ihr  Leiden  aufmerksam  gemacht,  bei 
einem  Arzte,  wenn  auch  oft  nach  langem  Zögern  und  auf  Umwegen 
mancherlei  Art  Hilfe  sucht  und  findet.  Unbekannt  darf  aber  nicht  bleiben, 
da(s  ein  grofser  Teil  mit  Erkrankungen  oft  schwerster  Art  (ich  erinnere 
nur  an  die  Mittelohreiterungen)  hilflos  bleibt,  entweder  durch  Vernach- 
lässigung oder  Leichtsinn  der  Eltern  oder  auch  infolge  absoluter  Notlage. 
Der  Weg  zum  Armenarzt  ist  nicht  immer  gangbar  und  wird  erfahrnngs- 
gemäis  von  vielen  auch  notorisch  Armen  verschmäht.  Ich  könnte  weiter 
gehen  und  an  die  vielen  Veränderungen  in  Hals,  Nase,  Rachen,  Ohr  er- 
innern, um  mit  ähnlichen  Erfahrungen  aufzuwarten. 

Man  hat  nun  diese  Lücke  in  der  hygienischen  Versorgung  der  Schul- 
kinder wohl  eingesehen,  sowohl  seitens  der  Pädagogen  als  der  Ärzte,  und 
schOchteme  Ratschläge  sind  bereits  hier  und  da  gemacht.  Pobttbr  wirft 
in  einem  längeren  Artikel  (1902,  „Zeiischr,  f.  Schulgesundheitspfl.*^)  die 
Frage  auf,  wie  der  Nichtbefolgung  ärztlicher  Ratschläge,  über  welche  er 
2ahlenmäfsig  quittiert,  in  der  Folge  zu  begegnen  sei  und  erinnert  an  die 
Polikliniken  der  Großstädte,  die  Krankenkassen,  Armenverbände,  mit  einem 
zaghaften  Appell  an  die  öffentliche  Wohltätigkeit.  —  Ich  gehe  hierüber 
hinweg,  obgleich  m.  E.  in  diesem  Hinweis  eine  Verkennung  der  angezo- 
genen Verhältnisse  liegt.  —  Indem  Pobtter  sodann  auf  die  Schwierigkeit 
der  Beschaffung  verordneter  Heilmittel  (Brillen,  Bandagen,  Medikamente) 
übergeht,  sagt  er:  „Als  weitere  Konsequenz  der  Untersuchungen  stellt 
sich  die  Notwendigkeit  heraus,  die  kränklich  befundenen  Kinder  im  Auge 
zn  behalten,  eventuell  nachzuuntersuchen,  bis  das  Übel,  soweit  möglich, 
behoben  bezw.  gebessert  ist.**  Ganz  richtig  und  zugegeben!  Aber  dennoch 
ist  mir  unverständlich,  wie  durch  Untersuchungen,  und  mögen  sie  noch 
so  oft  angestellt  werden,  eine  Besserung  oder  Heilung  zu  ermöglichen  ist. 
Nur  Behandlung  kann  hier  zum  Ziele  führen.  Diese  aber  ist  nicht  überall 
oder,  sagen  wir  besser,  nicht  einmal  in  den  meisten  Fällen,  soweit  es  sich 
um  die  Volksschule  handelt,  auf  dem  Wege  privater  Ärztefürsorge  durch- 
zuführen, und  ich  stehe  nicht  an  zu  behaupten,  dais  die  hygienischen  Be- 
strebungen zugunsten  der  Schuljugend  erst  dann  beginnen,  namhaftere 
Aulsere  Erfolge  zu  zeitigen,  wenn  die  notorisch  armen  und  verwahrlosten 
Kinder,  welche  infolge  ihrer  Wohnungs-  und  Familienverhältnisse  wohl 
auch  die  grölsten   „Infektionsträger"   darstellen  dürften,  in  Zukunft  einer 

19* 


184  714: 

frthzeitigen  Behaadlnng  entgegengefttbrt  werden.     Armenarzt  nnd  Annen— 
fttrsorge  reichen  hier  nicht  ans.     Dem  Schularzt  mnfs  vielmehr  die 
Möglichkeit  geschaffen  werden,  fflr  arme  Schulkinder  flberall 
da  behandelnd   t&tig   zn   sein,    wo   auf  anderem  Wege   eine 
Behandlung  nicht   durchzusetzen,   und   es  mflfsten  die  Mittel 
fflr  etwa   erforderliche  Verordnungen  auf  irgendeinem   We^e 
unentgeltlich  bereit  gestellt  werden.     Vor  allem  käme  hier  na- 
türlich in  Betracht:  ambulante  Behandlung  und  die  Möglichkeit  erleichterter 
oder  direkter  Überweisung  an  die  Krankenanstalten  zu  unentgeltlicher  Be- 
handlung.    Hierdurch  wflrde  manche  Infektionsquelle,  die  unter  den  der- 
zeitigen Verhältnissen  lustig  weiter  sprudelt,  versiegen  und  es  wflrde  neben 
dem  hygienischen  Zwecke  auch  fflr  die  Volksschule  das  soziale  Gut  er- 
wachsen,  dalis   dem   stets  sich  mehrenden  Fortzug  der  besseren  Elemente 
Einhült    getan   und    so    das   Niveau   der  Volksschule   möglichst  vor  den» 
Sinken   bewahrt  bliebe.     Alle   anderen  Wege   aber  ?rflrden  verfehlt  sein^ 
zumal  der  Hinweis  auf  Polikliniken  und  unentgeltliche  Spezialisten-Behand- 
lung wflrde    die   berechtigte   Kritik   namentlich    seitens    des  Ärztestandes 
herausfordern. 

Unter  diesem  Gesichtswinkel  gewinnt  auch  eine  andere  Frage,  welche 
bereits  vielfach  diskutiert  wurde,  eine  andere  Bedeutung,  ich  meine  die 
Frage  nach  der  Anstellung  besonderer  Spezialisten  insbesondere  zunächst 
der  Schul-Augen&rzte. 

Wie  H.  GoHH  z.  Z.  mit  seiner  Forderung  der  Schulärzte  immer  und 
immer  wieder  auf  dem  Plane  war,  so  fordert  er  jetzt  mit  aller  Entschieden- 
heit den  Schul-Augenarzt.  Und  mit  Recht!  schon  aus  dem  Grunde,  weil 
die  Augenerkrankungen  mit  das  gröbte  Kontingent  unter  allen  Schul- 
etkranknngen  stellen.  Das  Bedflrfhis,  fflr  die  Gesundung  der  Augen  der 
lernenden  Jugend  zu  sorgen,  ist  ein  grofses,  ebenso  grols  sind  die  Be- 
strebungen, Abhilfe  zu  schaffen.  Aber  H.  CoHN  gesteht  selbst,  dafs  trotz 
m^t  Verbesserung  der  Lichtverhältnisse  durch  Photometrie,  trotz  aller 
Verbesserungen  der  Schulbank  und  der  Druckschrift  ein  Zurflckgehen  der 
Refraktionsanomalien  nicht  stattgefunden  hat.  Das  gibt  doch  in  der  Tat 
zu  denken  und  beweist,  dafs  unsere  bisherige  Ffirsorge  fär  die  Augen  noch 
nicht  als  eine  genflgende  zu  bezeichnen  ist.  Es  ist  nun  leicht  zu  ersehen, 
dtBs  die  flblichen  Massenuntersuchungen  mittels  GoHNscher  Gabel,  Het- 
liAKNscher  Sehtafel  usw.  wesentlich  nur  auf  die  Bestimmung  der  Sehschärfe 
hinaüskufen,  ohne  Rflcksicht  auf  den  Grad  der  Kurzsichtigkeit,  Weitsichtig- 
keit oder  gar  der  komplizierteren  Verhältnisse  des  Astigmatismus;  und 
letzteres  ist  doch  das  ungleich  wichtigere.  Die  darauf  folgende  Benachrich- 
tigung der  Eltern  hat  den  Effekt,  dafs  eine  gewisse  Anzahl  den  Augenarzt 
zu  Rate  zieht.  Ich  selbst  aber  kann  bezeugen,  dafs  eine  ganze  Reihe 
nach  wiederholten  Ermahnungen  und  der  Aufforderung,  im  Falle  des  Un- 
vermögens, auf  dem  Wege  der  Armenunterstfltzung  fflr  geeignete  Abhilfe 
(durch  Gläser  usw.)  zu  sorgen,  mit  oft  schweren  Formen  von  Äugen- 
anömalien  sich  weiter  quäleti  mufs.  Also  der  Schul-Augenarzt  ist  nötig. 
Aber  auch  hier  bleibt  bestehen,  was  ich  oben  bereits  entwickelte,  es  mufs 
däfflr  gesorgt  werden,  dafs  derselbe  Erkrankungen  nicht  nur  feststeUt,  denn 
damit  sind  wir  erst  den  halben  Weg  gegangen,    sondern  auch  da,  wo  es 


715  186 

not  tut,  YerordnuDgen  trifft,  und  dafs  fQr  die  Beschaffong  der  erforder- 
lichen Heilmittel  Sorge  getragen  wird. 

Dals  natürlich  Eantelen  geschaffen  werden  müssen,  um  Mifsbr&uchen 
Torznbengen,  bedarf  nnr  der  Erwähnung,  und  es  liegt  kein  Grund  vor,  an 
der  relativen  Leichtigkeit  dieser  Aufgabe  zu  zweifeln. 

Sollen  die  schulärztlichen  Untersuchungen  und  Anordnungen  ungestört 
und  exakt  vorgenommen  werden  können,  so  rnufs  dem  Arzte  ein  hierzu 
geeigneter  Baum  zur  Verfügung  stehen.  Häusliche  Untersuchungen  sind 
zu  vermeiden,  damit  der  Schein  jeder  privatärztlichen  Tätigkeit  vermieden 
wird.  Wenn  man  aber  die  herrlichen  Schulneubauten  und  -Paläste  be- 
trachtet und  mit  innerer  Freude  sieht,  wie  dieselben  von  Jahr  zu  Jahr  an 
ftuCserer  Formschönheit  und  innerer  Vervollkommnung  fortschreiten,  so 
darf  doch  auch  wohl  die  angeborene  Bescheidenheit  des  Arztes  einmal  die 
Frage  wagen :  Sollten  denn  von  all  den  geräumigen  mächtigen  Hallen  nicht 
ein  paar  Quadratmeter  Luft  und  Raum  fftr  ein  einfach  und  zweckmälsig 
herzurichtendes  ärztliches  Sprech-  und  üntersuchungskabinett  zu  erQbrigen 
sein?  Man  sollte  meinen:  diese  Frage  stellen,  hielse,  sie  beantworten. 
Durch  Einrichtung  eines  solchen  Raumes  müfsten  die  Untersuchungen  an 
Genauigkeit  und  Schärfe  bedeutend  gewinnen,  kleinere,  nötig  erscheinende 
ärztliche  Verrichtungen  könnten  sozusagen  unter  der  Hand  ohne  Auf- 
bietung eines  grölseren  Apparates  erledigt  werden;  „der  Schulunterricht 
endlich  würde  vor  mannigfachen,  zurzeit  nicht  zu  vermeidenden  Störungen 
bewährt  sein.'' 


)leferate  uhh  ttett  nf^mtnt  fc^ttlat^tlif^e  3a^tesbtru^te. 


In  dem  soeben  erschieneüen  Verwaltungsbericht  der  Stadt  ^ülhausen 
i.  Eis.  werden  wertvolle  Mitteilungen  über  die  Tätigkeit  der  daselbst  seit 
19Ö3  eingeführten  Schulärzte  gemacht,  ^ir  entnehmen  diesem  Berichte 
folgendes: 

Käch  der  Dienstordnung  müssien  alle  neu  in  die  Schule  eintretenden 
Kinder  in  den  ersten  zwei  bis  drei  Tagen  einer  Erstuntersuchung  unter- 
zogen werden.  Dabei  wurden  im  ganzen  43  Kinder  (14  Knaben  und 
29  Mädchen)  wegen  körperlicher  und  meist  auch  geistiger  Unreife  auf  ein 
Jahr  zurückgestellt.  Es  ist  interessant,  die  Zahlen  mit  denen  anderer  Städte 
zu  vergleichen,  die  ebenfalls  eine  ErstuntersuchuDg  vornehmen.  Für  die 
Erstuntersuchten  ergab  sich  dabei  folgende  Verteilung  auf  die  Qualitäten 
in  Prozenten  aller  Kinder: 

Gut       Mittelgut     Schlecht 
FrÄhkfurt  a.  M.  (1902).  . . .  S6.Ö  57,2  5,9 

Breslau  (1902) 45,3  48,0  6,7 

Chemnitz  (1902/03) 25,4  69,1  5,5 

Brunn  (1902/03) 6Ö,6  29,5  0,9 

Äülhäusen  (1903A)4) 4S,4         30,8  25,8 


186  716 

Die  Benrteilang  ist  sicher  nicht  so  Terschieden,  da(s  die  schlechteit 
Konstitutionen  zwischen  5,9  Vo  nnd  25,8  %  schwanken.  Der  grobe  unter- 
schied Mülhansens  gegen  die  anderen  Städte  liegt  wohl  hauptsächlich  an 
der  anderen  Klassißziemng  in  kräftige,  mittelkräftige  nnd  schwächliche 
Kinder.  Unter  „schwächlich*  lassen  sich  eben  noch  viele  Konstitutionen 
unterbringen,  die  durchaus  noch  nicht  schlecht  sind. 

Die  wichtigsten  Ergebnisse  der  Untersuchungen  in  Mülhausen  sind  die 
genaueren  Untersuchungen  der  SchQler  auf  ihre  allgemeine  Körperkonstitntion. 
Es  ergab  sich,  dafs  unter  100 

kräftige       mittelkräftige     schwächliche 

Knaben 43,8  34,2  22,0 

Mädchen 32,7  44,5  22,8 

waren.  Dabei  wurden  von  den  13  Schulärzten  8440  Schulkinder,  und 
zwar  4404  Mädchen  und  4036  Knaben  untersucht.  —  Bemerkenswerte 
Unterschiede  ergaben  sich  nun,  wenn  man  die  Zahlen  nach  Jahrgängen 
ordnet.     Dann  ergibt  sich  die  folgende  kleine  Aufstellung: 


Knaben 

Mädchen 

kräftig 

mittelkr. 

scbwftchl. 

kräftig 

mittelkr. 

schw&chL 

l.  Jahrgang      46,8 

28,9 

24,8 

39,9 

32,9 

27,3 

2.       „            45.7 

30,9 

23,4 

35.2 

36,0 

28,8 

3.       „            39.9 

38,2 

21,9 

34.7 

36,9 

29,4 

4.       „            33,4 

40,0 

26,6 

29,3 

60,0 

20,7 

5.       „            39,5 

45,2 

15,3 

26,6 

59,4 

14,0 

6.       „            58,0 

25,2 

16,8 

28,9 

57,2 

13,9 

7.       „            53,9 

41,0 

5,1 

19,0 

76,1 

4,9 

Im  Laufe  der  Schulzeit  zeigt  sich  also  bei  den  Knaben  eine  leichte 
Zunahme  der  kräftigen  Konstitutionen,  während  bei  den  Mädchen  eine 
stetige  Abnahme  zn  bemerken  ist.  Die  mittelkräftigen  Konstitutionen  er- 
fahren bei  den  Knaben  nur  eine  sehr  geringfügige  Zunahme,  bei  den  Mädchen 
dagegen  eine  aufserordentlich  starke  (von  32,7  bis  auf  76,0%);  die 
schwächlichen  Konstitutionen  bleiben  sich  in  den  ersten  vier  Jahrgängen 
gleich,  in  den  letzten  drei  Jahrgängen  nehmen  sie  stetig  bis  auf  5  %  >!>• 
Dafs  die  mittelkräftigen  Konstitntionen  bei  den  Mädchen  eine  so  erhebliche 
Steigerung  erfahren,  während  die  kräftigen  in  ungefähr  demselben  Mause 
abnehmen,  dafs  diese  Verhältnisse  bei  den  Knaben  ungleich  gOnstiger  sind, 
ist  wahrscheinlich  auf  den  Umstand  zurückzufahren,  dais  die  Knaben  durch 
Turnen,  Schwimmen  und  Bewegung  in  freier  Luft  die  normale  Kräftigung 
des  jugendlichen  Körpers  erhalten,  während  bei  den  Mädchen  keine  Para- 
lysiemng  der  in  der  Schnlluft  verbrachten  Stunden  durch  die  genannten 
Momente  eintritt,  im  Gegenteil  eine  Summe  neuer  schädlicher  Faktoren 
hinzukommt  durch  Verwendung  zu  häuslichen  Arbeiten,  Handarbeit,  Beauf- 
sichtigung jüngerer  Geschwister  u.  a.  m. 

Schon  bei  den  Körpermessungen  der  Kinder  fiel  die  außerordentlich 
geringe  Bmstweite  der  Mädchen  und  die  anfserordentlich  geringe  Fähigkeit, 
durch  tiefes  Einatmen  den  Brustkorb  auszudehnen,  auf.  Aus  dieser  Kenntrüs 
wird  für  die  Schulhygiene  seitens  des  Obmannes  der  Mülhansener  Schul- 
ärzte gefordert,  dafs  die  Mädchen  zu  obligatorischem  Turn-  nnd 
Schwimmunterricht   und  zn  Jugendspielen  angehalten  werden. 


717  187 

Die  Tätigkeit  der  Schulärzte  erstreckt  sich  aach  darauf,  erkrankte 
Kinder  den  Eltern  zur  ärztlichen  Behandlung  zu  empfehlen;  die  Behandlung 
selbst  ist  nicht  Sache  des  Schularztes.  Die  Untersuchung  geschieht  in  be- 
sonderen Sprechstunden  im  Bureau  eines  Lehrers  oder  des  Schulleiters.  Um 
einen  Überblick  zu  geben,  in  welchem  Malse  im  Laufe  der  Schulzeit  die 
Erkrankungsquote  schwankt,  sei  sie  nach  einzelnen  Jahrgängen  aufgeführt. 
Zur  ärztlichen  Behandlung  wurden  empfohlen  ina 

Knaben  Mädchen 

1.  Jahrgang 27.9  %  37,3  % 

2.  »  33,9  „  36,2  „ 

3.  „  34,8  „  38,5  „ 

4.  n  65,4  „  50,0  , 

6.  n  45,7  „  45,7  „ 

6.  „       40,4  „  57,1  „ 

7.  „       28,2  „  91,8  „ 

Daraus  geht  hervor,  dals  bei  den  Mädchen  eine  allmähliche  Steigerung 
der  Erkrankungsziffer  stattfindet,  die  der  allmählichen  Abnahme  der  kräftigen 
und  der  allmählichen  Zunahme  der  mittelkrftftigen  Konstitutionen  entspricht, 
während  umgekehrt  bei  den  Knaben,  entsprechend  der  Zunahme  der  kräftigen 
Konstitationen,  gegen  das  Ende  der  Schulzeit  ein  Sinken  der  Erkrankungs- 
ziffer stattfindet.  —  Leider  werden  die  Empfehlungen  zur  ärztlichen  Be- 
handlung nur  in  geringem  Mafee  befolgt;  im  höchsten  Falle  wurde 
(I.Jahrgang)  in  38  %  der  Empfehlungen  nachgekommen.  Ursache  dieses  ist 
wohl  meist  Zeitmangel  der  Eltern.  Überhaupt  ist  interessant,  dafs  sich  die 
zu  Anfang  erwartete  Opposition  seitens  der  Eltern  gegenüber 
den  schulärztlichen  Untersuchungen  nirgends  gezeigt  hat. 
Kein  Kind  wurde  in  Molhausen  der  Untersuchung  entzogen,  während  in 
Frankfurt  a.  M.  sich  im  zweiten  Jahre  des  schulärztlichen  Dienstes  noch 
28  Kinder  der  schulärztlichen  Erstuntersuchung  entzogen  haben.  In  Fällen, 
in  denen  eine  RQcksprache  mit  den  Eltern  erforderlich  schien,  smd  die 
Htltter  meist  mit  grofser  Bereitwilligkeit  der  Aufforderung  gefolgt. 

Der  Schularzt  der  Stadt  Ems,  Dr.  Ernst,  erstattete  den  städtischen 
Behörden  jtlngst  tiber  seine  einjährige  Tätigkeit  einen  eingehenden  Bericht, 
dem  wir  folgendes  entnehmen:  Der  Schularzt  besuchte  sämtliche  Schul- 
klassen der  drei  hiesigen  Volksschulen,  18  an  der  Zahl,  im  Laufe  des 
Schuljahres  dreimal,  wobei  er  von  den  Lehrern  zuerst  auf  die  Schtller 
anfmerksam  gemacht  wurde,  bei  denen  besondere  Gebrechen  zutage 
trat^.  106  solcher  Kinder  wurden  zu  einer  besonderen  Untersuchung 
in  das  Sprechzimmer  des  Arztes  beschieden,  wobei  Blutarmut,  Skrophulose, 
Wucherungen  im  Nasenrachenraum  und  Störungen  an  Auge  und  Gehör 
festgestellt  wurden.  27  Kinder  wurden  auf  Veranlassung  des  Schularztes 
von  einem  Spezialangenarzt  untersucht,  der  6  Kindern  das  ständige  Tragen 
von  BriUen  empfahl  und  bei  6  anderen  AugenentzQndung  feststellte.  Von 
den  neu  aufgenommenen  Schtilem,  130  an  der  Zahl,  wurden  115  vom 
Schularzt,  15  von  ihrem  Hausarzt  untersucht.  5  Kinder  mnfsten  auf 
Grund  des  Befundes  der  ärztlichen  Untersuchung  auf  ein  Jahr  vom  Schul- 
besuch zurückgesteUt  werden.    Bei  72  Kindern  war  die  allgemeine  Körper- 


188  718 

konstitation  gnt,  bei  44  mittelmäTsig  and  bei  14  scUecbt.  13,84%  litten  an 
Erkrankungen  des  Mundes,  der  Nase  und  des  Halses,  13,07  %  an  Er- 
krankung der  Wirbels&nle,  10%  ^  schlecbtem  Seh-  oder  HOrrermOgen 
und  8,46%  an  Hauterkrankungen.  Im  März  wurde  mit  den  ans  der 
Schule  abgehenden  SchQlem  hinsichtlich  ihrer  Berufswahl  in  der  Klasse 
Rücksprache  genommen,  wobei  in  zwei  Fftllen  die  Eltern  veranlaist  wurden, 
noch  einmal  mit  ihrem  Hausarzte  Rflcksprache  zu  nehmen,  bevor  das  Kind 
den  gewünschten  Beruf  ergreife.  Der  Bericht  betont  ausdrücklich,  da(s 
der  Gesundheitszustand  und  die  Reinlichkeit  der  Kinder  durchaus  gat 
waren  und  die  hygienischen  Einrichtungen  ausreichend  sind.  Warm 
empfohlen  wird  das  Turnen  im  Winter  und  das  Baden  und  Schwimmen 
im  Sommer,  wenigstens  für  die  Oberidassen  der  Knaben  und  Müdeben. 


Sehulärztliehe  VerwaUungs-  und  Jahresberichte. 

IXejemgen  Herren  Sehulärzie  bezw.  Obmänner  MekulärzÜicker  Kollegien 
des  In'  und  ÄvuiandeSp  deren  VerwaUungsbehärde  einen  regeUnäengen 
gedruMen  sehulärzOiehen  VerwaUungsberieht  oder  Jahresberiehi  heraus^ 
ffibU  werden  ergebenst  gebeten^  ihre  Adressen  dem  ünierzekiineten  mit^ 
ziMlen. 

Der  UnierzeUhnete  wird  diese  Adressen  in  einer  laufendfortgefökrtem 
Uete  vereinigen  und  in  der  Zmledkrift  für  SdiulgesundheUapJlege  periodis^ 
eur  VerSffenOidiung  bringen.  Es  kann  dann  nach  dieser  liste  der  Aißs- 
iauseh  von  Berichten  tufisdien  den  einzelnen  Herausgebern  regelmässig 
erfolgen.  Bei  der  WidiiigkeU,  welche  ein  solcher  gegenseitiger  und  regd- 
massiger  Austausch  für  die  einheittidie  Entwicklung  des  sehulärzüiehen 
Dienstes  hat,  durfte  eine  recht  rege  Teilnahme  sehr  erwünsM  sein. 

Dr.  OEBBECKE, 

Stedtarxt, 
BRESLAU,  Bureau:  Nikolaistadtgraben  25. 


Jtttfillrift  fii  Si|itil(|ffxii)i||(lt0|ifle9(. 

XVIIL  Jahrgang.  1905.  No.  11. 


•ri)iiialab^iiMiiii)ett. 


Anthropometrische  UntenmchniigeiL 

an  gesunden  nnd  kranken  Kindern  mit  besonderer  Berftck- 

sichtignng  des  schnlpflichtigen  Alters. 

Von 
Dr.  Otto  RANKE-Manchen. 

Die  Arbeit,  deren  Resnltate  hier  rorliegen,  wurde  yeranlalst 
doroh  eine  von  der  Kieler  medizinischen  Faknltät  für  das  Studien- 
jahr 1902/3  aufgestellte  Preisaufgabe,  in  welcher  nach  dem  Wachstum 
des  kindlichen  Kopfes  im  Verhältnis  zum  übrigen  Körper  gefragt 
war.  Dieae  Aufgabe  bezweckte  den  Versuch,  aus  einer  möglichst 
grofsen  Anzahl  ron  Messungen  eine  Grundlage  für  Be- 
urteilung   beginnender   Hydrokephalien  zu  gewinnen. 

Der  exakteste  Weg,  diese  Frage  zu  beantworten,  wäre  un- 
zweifelhaft: durch  Jahre  hindurch  häufig  wiederholte  Messung  der 
gleichen,  möglichst  zahlreichen  Individuen  die  allmähliche  Ent- 
wicklung des  Körpers  und  speziell  des  Kopfes  zu  verfolgen,  und 
aus  den  normalen  Indiyidualkuryen  ideale  Mittelmabe  abzuleiten. 
Für  unsere  Arbeit  kam  als  alleinige  Methode  die  statistische  in 
Frage:  aus  einer  Menge  von  Einzelmessungen  an  verschiedenen 
Individuen  waren  die  Mittelzahlen  der  einzelnen  Maise  im  be- 
stimmten Alter  zu  berechnen,  aus  den  beobachteten  normalen 
maximalen  und  minimalen  Gröüsen  ihre  Schwankungsbreite  zu 
bestimmen,  diese  etwa  noch  durch  Vergleich  mit  zweifellos  patho- 
logischen Malsen  zu  illustrieren,  und  endlich  durch  Untersuchung 
mehrerer  Kinder  der  gleichen  Familien  dem  in  der  Entwicklung 
des  einzelnen  nicht  unwichtigen  familiären  Faktor,  soweit  möglich, 
Bechnung  zu  tragen. 

SeholffaiiiiidlieiUpflege.  XVIII.  38 


720 

Bei  diesem  Vorgehen  liefeen  sich  Besiütate  erwarten,  welclie 
zur  Orientiemng  über  die  gestellte  Frage  beitragen,  daneben  aber 
auch  über  manche  andere,  yomehmlioh  den  Pädiater  und  Pftdago^n 
interessierende  Pnnkte  Aufschlüsse  oder  doch  wenigstens  Andentungon 
zu  geben  vermochten. 

Vor  Mitteilung  der  eigenen  Methode  und  ihrer  Resultate  erscheint 
es  zweckmä&ig,  die  umfftngliche,  für  die  Frage  des  menschlichen 
Wachstums  in  Betracht  kommende  Literatur  kurz  zu  besprechen. 

Als  meist  genannter  Autor  auf  diesem  Gebiete,  der  sich  ebenso,  wie 
später  QuBTiELBT  in  Belgien,  nicht  —  wie  manche  frühere  Autoren  — 
auf  die  Entwicklung  der  Eörperlänge  beschränkte,  sondern  über  die  ver- 
schiedeiisten  Mafse,  speziell  auch  des  horizontalen  Kopfumfiuiges  ausführlich 
AufBchlufs  gibt,  erscheint  fraglos  der  Wiener  Lihakzik.^ 

Nicht  nur  nach  seiner  eigenen  Meinung  ist  das  yon  ihm  aul^estellte 
„Wachstümsgesetz **  überaus  wichtig  und  wertvoll,  sondern  wir  finden  die 
nach  dem  Schema  seines  Gesetzes  berechneten  Zahlen  auch  in  Baginskts 
„Lehrbuch  der  Einderkrankheiten''*,  in  Vibrordts  „TabeUen**',  in 
F.  ScHULTZBs  Monographie  über  die  Krankheiten  der  Hirnhäute  und  die 
Hydrokephalie> 

Eine  Skizziemng  des  weittragenden  LiHARZiKschen  Gesetzes,  welches 
nach  der  Meinnng  seines  Urhebers  ermüglicht,  die  menschliche  Gestalt  zu 
jeder  Zeit  ihrer  Entwicklung  mathematisch  zu  konstruieren,  dürfte  deshalb 
einige  Teilnahme  beanspruchen.  Auf  Grund  einer  grolsen  Anzahl  von 
Messungen  kommt  Liharzik  zu  folgenden  Resultaten :  Das  Wachstum  der 
sämtlichen^  Körpermafse  des  Menschen  findet  in  einer  arithmetischen  Pro- 
gression der  Zeit  derart  statt,  dails  die  nach  Ablauf  des  ersten  Sonnenmonats  post 
partum  erfolgte  Wachstumszunahme  znerst  nach  zwei,  dann  nach  drei,  ^ier, 
fftnf  und  sechs  Monaten  wieder  erreicht  wird.  Diese  ersten  sechs  Zeit- 
perioden werden  als  erste  Epoche  des  Wachstums  bezeichnet;  auf  jeder 
Stufe  dieser  ersten  Epoche  vergröfsert  sich  z.  B.  die  Kopfperipherie  um 
2,5,  die  Körperlänge  um  7,5  cm,  so  dafs  jene  mit  Ablauf  des  21.  Monats 
eine  Gesamtzunahme  von  15,  diese  von  45  cm  erfahren  hat.    Mit  Beginn 


^  Dm  Geaeti  des  menvchliohen  Waohttanu  und  der  unter  der  Norm 
curückgebliebene  Brustkorb  als  die  erste  and  wichtigste  Ursache  der  Baohitis, 
Skrofalose  and  Tuberkulose.    Wien  1858. 

«  7.  Auflage,  1902  (S.  18-20). 

'  H.  ViBBORDT,  Anatomische,  physiologische  und  physikalische  Tabellen 
tum  Gebrauche  für  Medianer.   1893. 

*  In  NoTEHAOBLs  spcsleller  Pathologie  und  Therapie,  IX,  1901. 

'  In  seinem  oben  genannten  Werke  beschrankt  Loiarkik  sich  auf  Körper^ 
Ifinge,  Kopfumfang  und  Brustumfang;  in  einer  späteren,  weit  greiseren  Arbeit 
(Das  Gesets  des  Wachstums  und  der  Bau  des  Menschen.  Die  Proportionslehre 
aller  menschlicher  Körperteile  für  jedes  Alter  und  beide  Geschlechter.  Wien 
1862)  aber  yerallgemeinert  er  sein  „Gesetz*'  bedeutend,  geht  sogar  weit  über  die 
Verhältnisse  des  menschlichen  Wachstums  hinaus. 


721 

der  debenten  Zeitperiode,  welche  sieben  Monate,  also  vom  22.  bis  zum 
28.  Lebensmonat  währt,  nimmt  eine  zweite  Epoche  ihren  Anfang,  welche 
in  gleicher  arithmetischer  Progression  der  Zeiträume,  aber  mit  kleineren 
Schritten  —  fftr  die  Kopfperipherie  beträgt  von  hier  ab  die  Znnahme  in 
jeder  Periode  nor  ^Vs«,  fflr  die  Körperlänge  5  cm  —  das  Wachstum  zum 
Ende  fährt.  Der  Abschluls  der  Körperentwicklnng  wird  nach  Liharzik 
am  SchluDs  der  23.  Periode,  also  nach  276  Monaten  erreicht. 

Die  durchaus  willkOrliche,  dem  „Gesetz^  zu  liebe  angenommene 
Wachstomsbeendignng  nach  276  Monaten  Yeranlafst  den  spekulaÜTen  Autor, 
schon  im  ersten  Werk  sein  Gesetz  in  einer  bestimmten  Richtung  zu  er- 
weitem. Er  schreibt:  „.  .  Jeder  Schwangerschaftskalender  gibt  die  Dauer 
der  menschlichen  Inkubationsperiode  auf  beiläufig  40  Wochen  oder  280  Tage 
an,  wobei  stets  bemerkt  ist,  dals  zu  dieser  wahrscheinlichen  Frist  einige 
Tage  hinzukommen  oder  auch  fehlen  können,  kurz,  dafs  die  Dauer  bis 
jetzt  nidit  genau  auf  einen  Tag  bestimmbar  sei.  Es  lag  daher  sehr 
nahe,  in  der  Zahl  276  ebenso  viele  Tage  des  Wachstums  am  Foetus  zu 
erblicken,  als  dasselbe  in  Monaten  nach  der  Geburt  beträgt;  und  sohin 
ma&te  auch  die  Idee  gegeben  sein,  ob  nicht  hier  dasselbe  Gesetz  nach 
gleicher  Progression  in  Tagen  verläuft,  das  nach  der  Geburt  in  gleich 
viel  Monaten  seiner  Entwicklung  zueilf 

Die  Richtigkeit  dieser  Überlegung  findet  Liharzik  denn  auch  durch 
einige  Messungen  an  Frühgeburten  und  abortierten  Eiern  mit  größer 
Wahrscheinlichkeit,  und  zwar  werden  die  23  Perioden  der  fötalen  Wachstums- 
seit  wieder  in  zwei  Epochen  geteilt,  von  denen  die  erste  17  (vom  1.  bis 
153.  Tag),  die  zweite  aber  nur  6  Perioden  (154.  bis  276.  Tag)  um&lst, 
diese  mit  einem  periodenweisen  Wachstum  von  5  cm  fflr  die  Kopfperipherie, 
während  fflr  jene  die  Zunahme  in  jeder  Periode  so  gefunden  wird,  da& 
man  die  mit  Abschluls  der  17.  Periode  erreichte  berechnete  Zahl  durch 
17  dividiert 

•Mit  vortrefflicher  Konsequenz  wird  uns  nach  diesen  Bemerkungen  in 
der  „Tabelle  F*'  (S.  118)  mitgeteilt,  dab  die  Kopfperipherie  des  Neu- 
geborenen von  34  cm  am  ersten  Tage  nach  der  Konzeption  Vn 
die  des  Neugeborenen  von  37  cm  dagegen  Vn  cm  betragen  habe  usw.! 

In  seinem  zweiten  Werke  treibt  die  Gesetzesfreude  des  Dr.  Liharzik 
noch  buntere  Blüten.  Es  wird  hier  das  seit  seiner  ersten  Veröffentlichung 
ein  wenig  umgeänderte  Gesetz  auf  das  Wachstum  fast  jedes  einzelnen 
menschlichen  KOrpergliedes  angewandt;  es  vrird  fttr  mathematische  Kon- 
strnktion  der  menschlichen  Gestalt  zu  jeder  Zeit  ihrer  Entwicklung  benutzt; 
in  einem  die  Quintessenz  des  recht  unhandlichen  Werkes  enthaltenden 
„Prospectus"^  wird  kurz  seine  gewaltige,  allumfassende  Bedeutung 
folgendermafsen  charakterisiert  ^:  „• . .  Das  Gesetz  des  menschlichen  Wachs- 
tums erhält  (aber)  noch  eine  bei  weitem  grODsere  Tragweite,  wenn  man 
weUs,  dails  alles  Wachstum,  ja,  die  Entstehung  alle  Dinge,  diesem  einen 
Gesetze  untergeordnet  sind.  So  haben,  um  nur  ein  Beispiel  anzuführen, 
12000  binnen  zwei  Jahren  an  verschiedenen  Obstgattungen,  und  zwar  von 


*•  Dum  Geseii  des  Wachstums  und  der  Bau  des  Menschen.    Prospectat. 
Wien,  1862  (S.  5  o.  6). 

38* 


722 

der  Blfltezeit  bis   znr  vollen  Reife,   fortgesetzte  Messungen  nswiderl^^iiGi» 
bewiesen,  dafs  bei  der  Aprikose  die  Daner  ibrer  ersten  Wachstamsepoehe 
nacb  abge&llenem  Kelche  sechs  Stunden  betrftgt,  mitbin  ihre  ganze  Wads- 
tmnsdaner  6X300^=1800  Stunden  oder  75  Tage  nmfttlst.     Bei  der 
Pfirsiche  beträgt  die  erste  Epoche  nenn  Stunden  nnd  beim  s(^.  Winter- 
obst,  wie  z.  B.  bei  der  Isenbartbime,  13  Stunden.  —  Ebenso  haben  die 
dnrcb   zwei  Jahre   an   beiläufig   20   neugeworfenen  Kälbern  fortgesetztoi 
wöchentlichen  Messungen  unbestreitbar  dargetan,   da(s  das  Wachstum  des 
Rindes  demselben  Gesetze  folge,  nur  mit  dem  unterschiede,  dafe  bd  ihsa 
die  erste  Wachstumsepoche  vier  Tage  beträgt,  dafs  es  daher  4  X  300  = 
1200  Tage  =  S  Jahre  15  Wochen  zu  seinem  vollen  Wachstum  brandit^ 
Und  noch    nicht  genug:    „.  .  .  Dieses  wahrhaft  universale  Gesetz  erlangt 
endlich  dadurch  eine  unabsehbare  Bedeutung,  dafe  in  ihm  der  Urquell  aDer 
menschlichen  Erkenntnis,  unseres  gesamten  Wissens  zu  suchen  ist.**    Aus 
einem  Werke  J.  G.  Rohdbs  über  die  religiöse  Bildung,   Mythologie  und 
Philosophie  der  Hindus  labt  sich  nämlich  „unwiderleglich"  nachweisen,  ,dals 
das  in  Rede  stehende  Gesetz,  und  zwar  in  seiner   gegenwärtigen  Fom, 
bereits  vor  mehr  als  3000  Jahren  bekannt  gewesen  sein  mufste.**    Ihm  ver- 
danken wir  unsere  ganze  Zeitrechnung:    Jahres-   und  Tageseinteilung,  di& 
Teilung  des  Tierkreises  in  seine  zwölf  Zeichen,  die  Fonfzahl  der  Planeten 
und  noch  manches  andere! 

Es  wäre  sehr  verlockend,  ein  wenig  auf  die  Kritik  und  historisdie 
Würdigung  dieser  fast  zügellos  erscheinenden  Phantasien  einzugehen,  um 
so  mehr,  als  uns  ans  neuester  Zeit  ein  umfängliches  Werk*  vorliegt,  das 
an  Oberschätzung,  ja  völliger  Yerkennnng  der  Zahl  und  ihrer  Bedeutung 
den  LlHARZiKschen  Ausführungen  durchaus  ebenbürtig  zur  Seite  steht; 
doch  liegt  eine  solche  Abschweifung  allzu  sehr  abseits  der  in  den  folgenden 
Mitteilungen  gesteckten  Ziele. 

Es  mag  daher  genügen,  hier  nachdrücklich  darauf  hinzuweisen,  da& 
Vär  dem  LlHARZiKschen  ^Wachstumsgesetze*',  dem  sein  Erfinder  (resp. 
^fWiederentdecker*")  eine  so  überaus  grofse  Bedeutung  zumafs,  jede  Fähig- 
keit absprechen  müssen  für  die  Lösung  seiner  eigentlichen  Aufgabe :  Über 
die  Entwicklung  des  menschlichen  Körpers  einigermaßen  exakten  Aufschluß 
zu  geben,  —  dies  um  so  mehr,  da  uns  bei  Lihabzik  schlie(slich  über- 
haupt keine  gemessenen,  sondern  nur  noch  nach  dem  „Gesetze"  be- 
rechnete Zahlen  begegnen,  dieselben,  welche  wir  in  den  oben  angeführten 
neueren  medizinischen  Werken  wiederfinden. 

Die  Frage  des  menschlichen  Wachstums  fand  in  neuerer  Zeit  toa 
medizinischer  und  anthropologischer  Seite  mehrfach  und  an  verschiedenen 
Orten  eingehende  Bearbeitung. 


t  Ein  Unterschied  des  hier  auigeföhrten  von  dem  1858  mitgeteilten  Geeetae 
ist  der  Abschlaft  des  Wachstums  nach  24  (anstatt  nach  23)  Perioden,  fSr  den 
Menschen  also  nach  300  Monaten.  Ob  uns  damit  die  Anwex^dong  des  Geaetses 
auf  die  Bmbryonalentwicklnng,  z.  B.  anf  den  Kopfnmfimg  des  einen  Tag  alten 
Eies,  verloren  geht,  ist  nicht  gesagt. 

*  Vergl.  K.  WrincBv:  Der  Anfbaa  der  Form  beim  natürlichen  Werden 
nnd  künstlerischen  Schafien.    Dresden  1904. 


723 

Fflr  die  Körperlänge  kommen  vornehmlich  in  Betracht:  die  Unter- 
«nchongen  yon  Eotblmann  in  HamburgS  von  Sohmid-Monnard  in 
Halle  a.  S.',  von  Ebismann  in  Moskau',  von  Sack  in  Moskau^  sowie  die 
ansfflhrliche  Arbeit  von  E.  SoHlflDT-Leipäg,^  deren  an  einem  Material  von 
4nrchscbnittlich  je  1173  Kindern  vom  7.  bis  zum  15.  Lebensjahre  ge^ 
wonnene  Resultate  mit  denen  deutscher  und  auswärtiger  Untersucher  in 
Freibeig  (Geisslbr  und  Uhlits^oh),  Gohlis  (£.  Hasse),  Posen  (Lands- 
BBBeER),  Breslau  (CarstAdt),  Boston  (Bowditch),  England  (Ch.  Roberts), 
Skandinavien  (A.  Hertbl)  und  Turin  (Pagliani)  verglichen  sind.  Endlich 
wäre  der  Aufsatz  von  E.  RiBTZ  über  das  Wachstum  Berliner  Kinder  während 
4er  Scbu^ahre*  zu  nennen,  auf  den  im  folgenden  noch  gelegentlich  kurz 
2urQckgekommen  werden  soll. 

Über  das  Wachstum  des  kindlichen  Kopfes  liegen  aufser  den  kranio- 
logischen  Mitteilungen  von  Weloeer^  und  F.  Birkner®  ein  paar  ein- 
gehende Arbeiten  von  JoH.  LüOAE*  und  F.  Reüter^®  vor;  erstere  von 
besonderem  Interesse,  da  sie  über  jährlich  (durch  fttnf  Jahre)  angesteHte 
Messungen  an  den  Köpfen  von  560  Kindern  (Knaben)  berichtet,  letztere 
gleich  ausführlich  die  verschiedenen  Malse  des  Körpers  und  des  Kopfes  be- 
rücksichtigend. Femer  finden  sich  eine  Menge  interessanter  Mitteilungen 
in  der  anthropologischen  Studie  von  F.  Daffner  über  das  Wachstum  des 
Menschen  ^\  von  speziellem  Interesse  für  die  hier  gestellte  Frage,  weil  sie 
Tergleichende  Mitteilungen  über  Körpergröfse  und  Kopfumfang  nebst  Dis- 
kussion der  beobachteten  Maxima  und  Minima  bringt.  Endlich  ist  die 
Dissertation  von  J.  BonnifaT:  Du  d^veloppement  de  la  t^te  au  point  de 
vne  de  la  c6phalom6trie  depuis  la  naissance  jusqu'ä  Tage  adulte^*  zu  nennen, 
welche  an  der  Hand  eines  nicht  unbedeutenden  Materials  besonders  ein- 
gehend die  Wachstumsverhaltnisse  von  Kopf  und  Körper  während  der 
ersten  Lebensjahre  behandelt.*' 


^  ZetiKhrift  des  kgl  preufs,  Statist  Bureaus,  1879. 
'  Korrespondenzhlatt  der  Deutschen   anthropologischen    Gesellschaft^    1900 
in  und  12). 

'  Arch.  f.  soziale  Gesetegehung  u.  Statistik,  1889. 
«  Diese  Zeitschrift,  1893,  Nr.  12. 

*  Archiv  für  Anthropologie,  XXI,  12  (1892,  1893). 

*  Archiv  für  Anthropologie,  Bd.  I  (Neue  Folge),  Heft  1  (1903). 

^  Untersuchungen  über  Wachstum  und  Bau  des  menschlichen  Schädels. 
I.  Teil.    Leipzig  1862. 

*  Über  die  sogenannten  Azteken.   Arehm  für  Anthropologie,  Bd.  25  (1895). 

*  Bin  Beitrag  zum  Wachsen  des  Kinderkopfes  vom  8.-14.  Leben^ahre. 
In  der  Festschrift  cur  13.  Jahresversammlang  der  Deutschen  anthropologischen 

-Oesellsohafi  zu  Frankfurt  a.  M.,  1882. 

'«  Archiv  für  Anthropologie,  Bd.  28  (1902). 

^^  Leipdg  1902  (zweite  Auflage). 

"  'mse  de  Lyon,  1897. 

''  Vergl,  L.  d'Astbos:  Les  hydrocephalies.    Paris  1898. 


724 

Meine  eigeiien,  im  folgenden  mitgeteilten  Resultate  beruhen  vd 
HeBsnngen,  welche  im  Sommer  und  Herbst  1902  an  2509  gesnnden 
und  298  kranken  £andem  ausgeführt  worden  sind.  Elrstere  habe  ich 
gemessen:  in  der  geburtshilflichen  Ellinik  zu  Kiel,  in  Krippen  and 
Warteschulen  Kiels  und  Lübecks,  in  der  Schule  des  Dorfes  Wik 
hei  Kiel  (Knaben  und  Mädchen),  sowie  in  je  zwei  Volkaschnlen 
Kiels  undLübecks.  Letztere  wurden  untersucht  in  den  Hilfsschulen 
iKiels  und  Lübecks  (imbezille,  in  letzterer  daneben  auch  Taub- 
stumme), in  den  Alsterdorfer  Idiotenanstalten  bei  Hamburg, 
und  einzelne  jugendliche  Patienten  der  medizinischen,  eUrurgisehen 
und  psychiatrischen  Klinik  zu  Kiel. 

Bei  der  Au&tellung  eines  Messungsschemas  leitete  mich  folgende 
Überlegung:  Mit  alleiniger  Untersuchung  der  ganzen  Körperlfinge 
und  des  horizontalen  Kopfumfanges,  welche  beiden  Mabe  offimbsr 
die  grOüste  Bedeutung  für  die  gestellte  Frage  beaniipniehen,  lasna 
sich  Resultate  von  einiger  Tragweite  nicht  erwarten ;  yielmehr  müsi^ 
diese  beiden  komplizierten  Gröfsen  in  ihre  Faktoren  zerlegt  werdeo. 
Als  solche  ergaben  sich  nach  den  bei  den  Anthropologen  gebr&ndi- 
liehen  Bezeichnungen :  ^ 
für  die  Körperlftnge: 

1.  die  Kopfhalslflnge  (rom  Scheitel  bis  zum  siebenten  Hals- 
wirbel), 

2.  die  Rumpf  länge  (rom  siebenten  Halswirbel  bis  zu  den  Tubeia 
ischiad.) 

3.  die  Beinlänge; 

für  den  horizontalen  Kopf  umfang:^ 

1.  der  sagittale  Umfang  (vom  Tuber  occipitale  zur  Glabella), 

2.  der  transyersale  Umfang  (von  der  stärksten  Srhebung  der 
Linea  temporalis  der  einen  zur  gleichen  Stelle  dar  anderea 
Seite), 

3.  der  grölste  sagittale  Durchmesser, 

4.  der  grölste  transversale  Durchmesser. 

Zur  Yervollständigung  wurde  neben  dem  Alter  und  G^aohlecht 
der  Kinder  der  Geburtsort  sowie  die  Farbe  der  Haare  und  Augea 
vermerkt,  auch  wurde,  soweit  es  möglich  und  von  Luterefiee  war» 
angegeben : 

^  Becüglich  der  bei  diesen  üntenaohungen  angewandten  Technik  veifL 
meinen  Aufsatz :  Beiträge  zur  Frage  des  kindlichen  Wachstums,  im  Afth»  fir 
Änihropoloffie,  Nene  Folge,  Bd.  III,  Heft  3  (1905). 

'  Als  Ganzes  gemessen  vom  Taber  ocdpitale  zn  den  Tabera  firontaha. 


726 

Die  Herknnft  der  beiden  Eltern, 

Frohere  Krankheiten  nnd  Intelligenzznstand  des  Kindes, 
Beginn  des  G-ehens  nnd  Sprechens, 

G-esohlecht  nnd  Sohnlklasse  der  eventuellen  Gresohwister  in  der 
gleichen  Anstalt,   der  entsprechenden  Parallelsohnle  oder  der 
Hilfsschule  am  gleichen  Orte. 
Endlich  wnrde  ans  den  gemessenen  Zahlen  berechnet: 
Bei  jedem  Kinde: 
Der  Lftngenbreitenindez  des  Kopfes  (Kopfbreite  br  in  %   der 

Kopflänge  1  ansgedrückt,  z ), 

das  prozentuale  Verhältnis  des  horizontalen  Kopfnmfanges  zur  ganzen 

das  gleiche  Verhältnis  des  Horizontalnm£Btnges  zur  Rumpflänge 
(s  „Bumpfkopfindez^); 

aus  den  für  die  einzelnen  Jahre  berechneten  Mitttelzahlen 
Yon  Körperlänge  und  Bumpf  länge  das  prozentuale  Verhältnis  yon 
dieser  zu  jener  („Bumpfindez"), 

ebenso  das  prozentuale  Verhältnis  der  Beinlänge  zur  Körperlänge 
(„Beinindex''). 

Aus  den  nach  diesem  Schema  an  gesunden  und  kranken  Blindem 
gemessenen  Zahlen  und  aus  den  yerschiedenen  angegebenen  Indizes 
lassen  sich  einige  nicht  ganz  uninteressante  Besultate  ableiten,  die 
wir  kurz  betrachten  müssen,  ehe  wir  uns  ein  wenig  eingehender  mit 
der  Frage  des  Hydrokephalus  beschäftigen. 

Bezüglich  des  Wachstums  unserer  £ander  können  wir  bei  fast 
allen  Mafsen  mehrere  Perioden  —  wenn  auch  nicht  im  Sinne  des 
LlHARZiKschen  Gesetzes  I  —  deutlich  unterscheiden. 

Bei  beiden  Geschlechtem  folgt  auf  die  enorme  Zunahme  während 
der  ersten  Jahre  nach  der  Geburt,  welche  z.  B.  fär  die  Körperlänge 
im  zweiten  Jahre  beinahe  30%  der  durchschnittlichen  Grölse  des 
Neugeborenen  beträgt  (rergl.  unten  S.  734  u.  736,  Tabelle  I  u.  II,  Lk),  ein 
starker  Ab£EtlI,der  bei  denKopftnalsen sidii  stets  im  dritten,  bei  deuKörper- 
malsen  der  Knaben  im  vierten,  der  Mädchen  im  dritten  bis  fünften 
Jahre  einstellt.  Nach  einigen  Jahren  geringer  Zunahme  finden  wir 
dannim  sechsten  Lebensjahre  (für  alle  MaÜ9e  des  Körpers  und  Kopfes) 
bei  den  Mädchen  einen  neuen,  energischen  Antrieb.  Bei  den  Knaben 
ist  er  nicht  annähernd  so  deutlich,  tritt  etwa  zwei  Jahre  später  ein 
und  scheint  sich   auf  zwei   bis  drei  Jahre  zu  verteilen.     Ofifenbar 


726 

haben  wir  es  hier  mit  der  Ersoheinang  zu  tun,  welche  Stbatx^  als 
„erste  Streckung''  nach  der  „Zeit  der  ersten  Falle"  beaeichiLet. 
Sonst  fand  ich  sie  in  der  anthropologischen  Literatur  nicht  erwähnt, 
entnahm  nur  aus  den  Tabellen  yon  Bibtz  (1.  c.»  S.  33),  dab  die 
Berliner  Kinder  das  gleiche  Verhalten  —  wenn  auch  viel  weniger 
ausgesprochen  —  zeigen.  Die  » zweite  Streckung^  zur  Pubertfttszeit, 
für  welche  ein  früheres  Eintreten  bei  den  Mildchen  bekannt  ist,  liefe 
sich  aus  meinem  Material  nicht  deutlich  entnehmen;  doch  zeigt  sich 
wenigstens  zwischen  Knaben  und  Mädchen  in  den  betreffenden  Jahren 
(11. — 13.)  eine  besonders  starke  Differenz  zugunsten  letzterer  für  die 
Körper-  und  Rumpflänge. 

Während  die  eben  erwähnten  Verhältnisse  dazu  führen,  dafis  die 
Rumpf-  und  ganze  Körperlänge  der  Mädchen  die  der  Knaben  vom 
6. — 14.  Jahre  erheblich  übertrifft,  finden  wir  für  alle  Kopfmafse 
stets  grölsere  Durchschnittszahlen  bei  den  Knaben  als  bei  den 
Mädchen.  Hierdurch  kommt  es,  dals  die  Zahl,  welche  uns  das  Ver- 
hältnis zwischen  horizontalem  Kopfnmfang  und  Körper-  resp.  Rumpf- 
länge angibt  (Körperkopf-  und  Rumpf  kopf-Index),  und  deren  stän- 
diges Absinken  mit  zunehmendem  Alter  die  Zahlen  der  Tabelle  unter 
Ikk  und  Ikr  yeranschaulichen,  bei  den  Mädchen  stets  kleiner  ist  als 
bei  den  Knaben. 

Über  den  Längenbreitenindez  mögen  hier  wenige  Worte 
genügen:  Unsere  Eünder  zeigen  sich  als  durchschnittlich  fast  durch- 
aus brachykefal*,  die  Mädchen  bieten  ein  wenig  niedrigere  Mittel- 
werte als  die  Knaben.  Eine  gesetzmäfsige  Änderung  des  Längen- 
breitenindex  mit  zunehmendem  Alter  macht  sich  nicht  bemerkbar. 

Weit  interessanter  ist  die  Betrachtung  der  normalen  Schwan- 
kungsbreite für  die  einzelnen  Zahlen  und  Indices,  wie  sie  unten 
aus  der  Tabelle  hervorgeht.'  Sie  zeigt  die  enorme  Variabilität, 
unter  welcher  sich  die  individuelle  Entwicklung  vollzieht,  und  ihre 
Betrachtung  gibt  uns  einen  Hinweis  darauf,  wie  vorsichtig  man 
sein  muls,  aus  absoluten  Gröüsen  irgendwelche  Schlüsse  zu  ziehen. 


^  Der  Körper  des  Kindes.    Stuttgart  1908. 

'  Als  Bnchykefalie  am  Lebenden  nach  dem  Vorgange  Bbocai  sJle  Indioee 
über  82,0  gerechnet  —  vergl.  data  meinen  Aufsats  im  Archiv  für  Anthropoid 
Bd.  III,  Heft  3. 

'  Übersichtlicher  dargestellt  in  der  tabellarischen  Übersieht  der  prosen- 
tnalen  Sohwankungsbreiten  vom  6.  bis  15.  Jahre  auf  Seite  176  meines  erwähnten 
An&atses. 


727 

Emige  Beiq^iele  mögen  genügen:  Die  normalen  Minima  fUr  die 
Körperlänge  fallen  bei  den  Knaben  bis  ins  elfte,  bei  den 
M&dehen  bis  ins  zehnte  Jahr  innerhalb  der  Sohwankungs- 
breite  vierjähriger  Kinder.  Nooh  merkwürdiger  sind  die  Ver- 
hältnisse der  Kopfmalse:  Die  Minima  des  horiaontalen  Kopf- 
nmfanges  sind  bis  znm  Ende  unserer  Beobachtungszeit 
(15.  Jahr)  bei  den  Knaben  weitaus,  bei  den  Mädchen  niin- 
destens  ein  wenig  kleiner  als  die  entsprechenden  Mazima 
einjähriger  Kinder;  ein  gleiches  finden  wir  für  die  Länge 
und  Breite  des  Kopfes. 

Die  oben  im  Aufiiahmeschema  angegebenen  anamnestischen 
Erhebungen  über  jedes  der  gemessenen  Kinder  erlauben  up^,  der 
Frage  nach  den  Ursachen  maximaler  und  minimaler  Q-röfsen 
innerhalb  der  einzelnen  Altersklassen  ein  wenig  näher  zu  treten.  Wie 
ee  zu  erwarten  war,  finden  wir  in  den  ersten  Lebensjahren  fOr  die 
meisten  Mafse  minimale  Gröfsen  bei  zu  früh  geborenen  oder 
den  jüngsten  Kindern  innerhalb  ihrer  Gruppen,  umgekehrt  die 
Maxima  bei  den  ältesten  Kindern.  Mit  zunehmendem  Alter  aber 
lassen  sich  neben  diesen  Momenten  yerschiedene  Einflüsse  bemerken, 
welche  schädigend  auf  die  Entwicklung  einwirken. 

Wir  hören  bei  den  minimalen  Gröfsen  für  Körper-,  Rumpf- 
und  Beinlänge  anamneetisch  von  überstandenen  schweren  Krank- 
heiten, besonders  von  Rachitis  der  frühen  Kindheit,  auch  von  be- 
stehender Skrofulöse.  Während  für  die  genannten  drei  Körper- 
mafse  auch  in  d^  späteren  Jahren  noch  ein  Einfluls  des  Alters 
innerhalb  der  Gruppe  sich  recht  häufig  nachweisen  läüst,  macht  sich 
dieser  bei  den  Grenzwerten  der  Kopf  mafse  weit  seltener,  in  den  letzten 
berücksichtigten  Jahren  kaum  mehr  geltend ;  umgekehrt  ist  bei  diesen 
ein  hereditärer  Faktor  nicht  selten  bemerkbar,  der  bei  jenen  nur 
kaum  andeutungsweise  einmal  in  Betracht  kommt.  Auf  die  Bedeutung 
solcher  familiärer  Verhältnisse,  die  unten  bei  der  Mitteilung  des 
Materials  häufig  Erwähnung  finden,  wurde  an  anderem  Orte  ausführ« 
licher  hingewiesen.  An  diese«:  Stelle  genüge  die  Notiz,  dals  für  eine 
genaue  Beurteilung  maximaler  und  minimaler  Kopfmalse  im  all- 
gemeinen, besonders  aber  des  Längenbreitenindex,  die  Untersuchung 
der  Geschwister  eines  zu  beurteilenden  Kindes  nie  yemachläsaigt 
werden  darf,  womöglich  auch  die  betreffenden  Eltern  zu  untersuchen 
wären. 

Besonders  interessante  Resultate  ergaben  sich  aus  der  Betrachtung 
der  beobachteten  Minima  für  die  Schädelmafse  unserer  Kinder 


728 

ans  denVolkssohulen.  In  sehr  yielen  Fftllen  findet  sich  bei  ihnen  dm 
Angabeanfhllend  geringer  geistiger  Fälligkeiten,  ohnedabind^ 
Jngend  irgendwelche  nachweisbaren  Gehirnkrankheiten  YoranagegangcKii 
zn  sein  brauchten.  Es  ist  dies  ein  sehr  aa£fallender  Befand,  d^ 
sich  einstweilen  weit  besser  mit  gewissen  im  Publikum  Terbreitetex 
Meinungen  als  mit  den  Anschauungen  wissenschaftlicher  Forsohazi^ 
in  Einklang  bringen  labt.  Fast  hat  es  den  Eindruck,  als  ob  die 
Grenzen  zwischen  dem  kleinen  Kopf  eines  normalen,  sierlichen  IndiW- 
duums  und  der  „Mikrokephalie''  —  wenn  dieser  Ausdruck  als  Sammel- 
begriff filr  abnorm  kleine,  mit  Intelligenzdefekt  einhergehende  Kopf^ 
maise  gestattet  ist  —  gleitende  seien.  Es  genflge  einstweilen,  hier 
und  unten  bei  der  Mitteilung  des  Materials  auf  diese  Beobachtung' 
hingewiesen  zu  haben;  sicheren  Aubchluis  über  diese  Frage  können 
erst  künftige,  eingehendere  Untwsuchungen  bringen. 

Sehr  häufig  fanden  sich  abnorm  kleine  Kopfinaise  bei  den  ge* 
messenen  idiotischen  und  imbezillen  Kindern;  sie  sollen  im 
einzelnen  unten  als  Illustration  der  normalen  Verhältnisse  mitgeteilt 
werden. 

Was  sagen  uns  endlich  die  beobachteten  maximalen  Kopf- 
maise?  Auch  bei  ihnen  macht  sich  der  erwfthnte  familiäre  Faktor 
bemerklich,  insofern  verschiedene  Kinder  «groisköpfiger  Familien'' 
in  ihren  Altersgruppen  maximale  Werte  aufweisen.  —  Erwfthnenswert 
ist  die  unten  auf  S.  744  naher  mitgeteilte  Beobachtung,  dab  gelegent- 
lich von  zwei  Angehörigen  solcher  Familien  der  eine  besondere 
Lftngen-,  der  andere  besondere  Hohenentwicklung  des  Kopfes 
darbietet. 

Auch  die  von  verschiedenen  Autoren  behauptete  Disposition 
grofsköpfiger  Individuen  fttr  eine  besondere  Entwicklung 
der  geistigen  Eigenschaften  labt  sich  gel^ntlich  konstatieren. 

Unter  den  anamnestischen  Angaben  pathologischer  Faktoren 
tftt  eine  maximale  Entwicklung  des  Kopfes  spielt  die  Rachitis^ 
eine  besondere  Bolle.  Fflr  diese  ist  es  bekannt,  dab  sie  oft  eine 
Verbreiterung  des  Kopfes  in  seinem  hinteren  Teile  herbeiführt,  eine 
Erscheinung,  die  eich  wohl  meist  auf  rein  mechanische  Momente 
zurttckftthren  lafst.  Es  kommt  so  einerseits  zu  einer  VerlsgeniDg 
der  gröfsten  Kopfbreite  nach  hinten,  andererseits  nicht  selten  zu 
einer    geringen  Entwicklung  des  Tuber  occipitale,   welche   eine  be- 


*  Vergl.  diasbezfiglioh  beBonden  F.  Rbgkault:  Des  alt6ratioDi  ortniennea 
dzm  le  racbitiime.     Ih^e  inaugurak,    Parii,  Stoinheil,  1888. 


729 

sonders  niedrige  Gtröbe  des  Lftngsdurchmessers  bedingen  kann.  Anoh 
ein  auffallend  hoher  Lftngenbreitenindex^  lAlst  sieh  auf  diese  Weise 
gelegenÜieh  erkl&ren.  In  anderen  Fällen  findet  sich  bei  Rachitis 
eine  starke  Vorwölbnng  der  Stirn  mit  besonderer  E!ntwicklnng  der 
Tnbera  frontalia  —  ein  Umstand,  der  hie  und  da  zu  auffallend 
grolser  Kopflänge  f&hrt. 

In  manchen  Fällen  der  Maxima  fbr  den  horisontalen  Kopf- 
um&ng,  die  Kopf  breite  und  den  Längenbreitenindex  fimden  sich 
anamnestisoh  «Krämpfe^  der  ersten  Lebensjahre  notiert,  ohne  dab 
eine  gleichseitig  bestehende  Rachitis  angegeben  werden  konnte.  Es 
mag  dies  als  Tatsache  hier  einstweilen  registriert  werden;  eine  ge- 
nauere Beurteilung  der  ursächlichen  Yerhältnisse  entsieht  sich  einst- 
weilen  meiner  Beurteilung. 

Auch  ein  in  der  Jugend  überstandener  Hydrokephalus  findet 
sich  gelegentlich  als  Ursache  abnorm  grolser  Kopfmaise  vermerkt  — 
eine  Tatsache,  die  wohl  niemanden  verwundert.  Wichtiger  aber  und 
weit  interessanter  ist  die  Beobachtung,  dab  einige  Kinder,  welche 
an  Hydrokephalie  gelitten  hatten  und  dem  Beobachter  sofort  durch 
ihre  abnormale  Kopfform  auffielen,  der  von  uns  gewählten  messenden 
Untersuchung  keinerlei  Anhaltspunkte  für  die  Beurteilung 
darboten.  Einige  solche  Fälle  sind  weiter  unten  mitgeteilt  Bei 
ihnen  Mit  jedes  einzelne  genommene  Mals  des  Kopfes  in  die 
Variationsbreite  ihres  Alters;  ebenso  ist  auch  das  im  KOrperkopf- 
und  Rumpfkopfindex  zum  Ausdruck  kommende  Verhältnis  zwischen 
Kopfnmfang  und  Körpermafaen  ein  durchaus  normales. 

Dieser  Befund  fährt  uns  zu  der  eingangs  gestellten  Frage  zurück: 
Läfst  sich  aus  einem  Vergleich  der  Entwicklung  des 
kindlichen  Körpers  mit  dem  Wachstum  des  Kopfes  ein 
Anhaltspunkt  für  die  Beurteilung  beginnender  Hydroke- 
phalien  gewinnen?  —  Und  allgemeiner:  Inwieweit  lassen 
sich  überhaupt  gegebenenfalls  Ergebnisse  anthropolo- 
gischer Kopf-  und  Körpermessungen  für  die  Beurteilung 
pathologischer  Zustände  bei  Kindern  verwerten? 

Bei  der  Beantwortung  dieser  Frage  mufs  ofienbar  zwischen 
auffallend  hohen  und  auffallend  niederen  Werten  unter- 
schieden werden.  Bezüglich  letzterer  ergaben  schon  unsere  auf 
wenige  MaTse  sich  beschränkenden  Untersuchungen  eine  ganze  Anzahl 
eindeutiger  Befunde,  welche  die  Angaben  anderer  Autoren  über  ab- 


^  Siehe  Bbokault,  L  c,  S. 


730 

norm  kleine  Kopfmalse  bei  ausgesprochen  idiotischen  und  imbenllen 
Kindern  ^  dahin  erweitem,  dals  auch  unter  den  Besuchern  der  Volks- 
schulen sich  manche  Individuen  finden,  welche  bei  geringer  In- 
telligenz mit  ihrer  Kopfentwicklung  beträchtlich  unter  der  normalen 
Variationsbreite  stehen,  ohne  dalis  sich  irgendwelche  das  wachsende 
Kopfskelett  oder  Gehirn  schädigende  Krankheiten  fär  diesen  Befund 
verantwortlich  machen  lie&en.  Eine  genauere  Untersuchung  der  hier 
in  Betracht  kommenden  Verhältnisse,  speziell  die  Berücksichtigung 
prämaturer  Synostosen,  der  ViBOHOWschen  „Schädelenge^  und  des  von 
Sbgqbl  kürzlich  in  die  Anthropologie  eingeführten  Mafses,  von  dem 
sogleich  ausführlicher  die  Bede  sein  soll,  dürfte  nach  mancher  Rich- 
tung hin,  so  auch  für  die  Frage  der  „psychopathischen  Disposition", 
interessante  Elrgebnisse  zutage  fördern. 

Weit  grtflsere  Schwierigkeiten  scheint  die  Beurteilung  eines 
pathologisch  vergröfserten  Schädels  darzubieten.  Wie  wir 
gesehen  haben,  lassen  uns  die  Verhältniszahlen  der  Kopf-  und 
KOrperlänge  ebenso  wie  die  absoluten  Mafse  in  ausgesprochen 
pathologischen  Fällen  im  Stiche,  ein  Umstand|  welcher  in  der 
groÜBen  Variabilität  des  Normalen  seine  Erklärung  findet.  In  seltenen 
Fällen  mag  messende  Untersuchung  der  Geschwister,  eventuell 
auch  der  Eltern  eines  zu  beurteilenden  Kindes  den  etwa  durch  anam- 
nestische Angaben  geweckten  Verdacht  einer  Störung  bestärken,  — 
zur  Gtewifsheit  erheben  kann  sie  ihn  nie.  — 

Des  weiteren  kämen  wiederholte  ausführliche  Messungen 
am  gleichen  Individuum  in  Betracht,  durch  welche  auffallende 
Veränderungen  (z.  B.  eine  akute  hochgradige  HydrokephaUe)  ohne 
weiteres  sich  ermitteln  liefsen;  zum  Zwecke  feinerer  Bestimmungen 
wären  etwa  —  wie  es  in  der  Literatur  über  Hydrokefalus  häufig  an- 
gegeben ist  —  die  normalen  Wachstumszunahmen  im  frag- 
lichen Alter  heranzuziehen.  Doch  auch  hierbei  begegnen  wir  gerade 
in  den  für  die  in  Betracht  kommenden  Fragen  wichtigsten  ersten 
Lebenqahren  einer  so  grolsen  Breite  des  Gesunden,  dals  wir  bei 
eventuellen  Schlüssen  gröfste  Vorsicht  müssen  walten  lassen. 


^  Vergl.  diasbeEÜglich  die  Arbeit  dei  Antwerpeners  Lbt  (Brüasel,  Leb^ae, 
1904}  and  den  Auitats  Dr.  Kellners  (AUterdorf):  Über  KopfmaÜBe  bei  Idioten. 
AUgem,  Zeitschrift  für  Psychiatrie  und  gerichtliche  Mediein.  Bd.  58  (1901);  vor 
allem  ancb  die  AnfiätEe  in  der  Annie  psychohgique,  Bd.  VI  und  VII,  Ton  Simok 
(Beobercbes  antbropomötriquet  bot  223  gargont  anormaux  «g6i  de  8  ä  28  ens) 
und  BnnT. 


731 

Noch  geringere  Auasioht  aaf  Sicherheit  bietet  wohl  das  gelegent- 
lich in  der  Literainr  erwähnte  Absinken  des  Lftngenbreiten- 
index  am  normalen  wachsenden  kindlichen  Kopfe.  Auf  dieses 
nahm  Rbonault^  Bezng,  wenn  er  angab,  dafs  durch  das  rnngekehrte 
Verhalten,  eine  Zunahme  des  Kopfindex  während  des  kindlichen 
Wachstoms,  der  Verdacht  einer  beginnenden  Hydrokephalie  gestützt 
werden  könne.  Nun  aber  labt  sich,  wie  unsere  Tabelle  zeigt,  ein 
gesetsmäfeiges  Absinken  des  Kopfindex  während  der  Entwicklung 
aus  Mittelzahlen  durchaus  nicht  ableiten;  zu  ähnlichen  Resultaten 
kamen  Lrcoubtois',  welcher  auf  Orund  seiner  Untersuchungen  den 
bei  der  Geburt  bestehenden  Index  als  konstant  bleibend  erklärte,  und 
J.  BoN1lrIFAY^  der  in  seiner  Dissertation  eher  ein  leichtes  Ansteigen 
des  Index  mit  zunehmendem  Alter  verzeichnete.  Schwerer  noch  wiegen 
die  Beobachtungen  J.  Lucaes.  Bei  den  von  diesem  Forscher  jährlich 
ausgeführten  Messungen  an  20  Knaben  macht  sich  16  mal  ein  Ab- 
sinken  des  Index  tou  durchschnittlich  1,7  Einheiten  innerhalb 
fünf  Jahren  bemerklich;  in  einem  Falle  bleibt  der  Index  vom 
sechsten  bis  zum  zehnten  Jahre  gleich;  in  dreien  zeigt  er  ein  mäbiges 
Ansteigen.  Wenn  sich  also  nach  Lucas  auch  häufig  ein  Sinken  des 
Kopfindex  während  der  normalen  individuellen  Entwicklung  nach- 
weisen lä&t,  so  ist  es  doch  so  gering,  dafs  es  für  Beobachtungen 
während  kürzerer  Zeit  nicht  in  Betracht  kommt;  ja:  auch  ein  im 
Verlauf  längerer  Zeit  zu  konstatierendes  leichtes  Ansteigen  fiillt  in 
die  Breite  des  Normalen.  Gröbere  Störungen  des  Kopfwachstums 
aber,  die  sich  in  eindeutig  pathologischer  Zunahme  des  Längenbreiten- 
index  dokumentieren,  dürften  sich  auch  ohne  Tasterzirkel  und  Mefs- 
band  erkennen  lassen. 

Wir  kommen  demnach  auf  Grund  des  Gesagten  zu  dem  Resul- 
tate, dalis  die  Frage  einer  leichten,  beginnenden  Hydrokephalie  mit  den 
bisher  zur  Anwendung  gekommenen  Methoden  nicht  exakt  zu  lösen 
ist,  und  es  wäre  zu  fragen,  ob  sich  nicht  andere  Wege  auffinden 
lassen,  um  einen  diesbezüglichen  Verdacht  durch  messende  Unter- 
suchung zu  bestätigen. 

Über  andere  für  die  Frühdiagnose  einer  Hydrokephalie  etwa  in 
Betracht  kommende  Mause  ist  in  Kürze  folgendes  mitzuteilen:    Wie 


^  Forme  du  crane  dam  THydrocephalie.    Revue  meneueUe  des  nutkidiee  de 
Venfanee.  1894. 

*  Bulletin  de  la  Societi  d' Anthropologie.  1869,  S.  720. 
•1.  c,  S.  76  f. 


732 

wir  schon  an  anderem  Orte^  heryorgehoben  haben,  ergibt  die  von 
nns  Yorgenommene  Meesang  des  Längen-  und  Breitennmfanges 
dee  Kopfes  —  besonders  bei  den  Madehen  —  wenig  sichere  BcboI- 
täte; .  man  kann  ganz  anf  sie  versichten,  wenn  man  neben  dem 
Horisontalnmfang  nnd  den  Durchmessern  (grölster  Llnge  und 
Breite)  nur  auch  dnrch  Messung  der  Ohrhöhe  der  Entwicklung  des 
SchAdels  in  vertikaler  Richtung  Rechnung  trftgt  Leider  wurde  ich 
auf  die  Bedeutung  dieses  MaÜMS  erst  gegen  Ende  meiner  Arbmt 
durch  Literaturstudien'  und  Beobachtungen  an  geistesschwachen 
Kindern  aufinerksam  gemacht,  so  dab  ich  su  vorläufiger  Orientierung 
mich  in  den  unten  folgenden  Tabellen  auf  die  Mitteilung  der  Resul- 
tate RnuTBBs*  beschränken  mulste. 

Gerade  für  die  firahflcitige  Erkennung  von  Hydrokephalien  ist 
uns  aber  wohl  auch  damit  noch  nicht  viel  gedient  Vielmehr  bedarf 
es  zu  diesem  Zwecke  einiger  Malse,  welche  uns  die  charakteristische 
Schädelveränderung  bei  dieser  Krankheit,  die  ttbermäfsige  Yer- 
gröTserung  in  den  ganzen  Seitenpartien  des  Kopfes  bei  normaler 
Entwicklung  der  Schädelbasis  zififemmälsig  zum  Ausdruck  bringen. 
Versuche  derart  sind  —  soviel  ich  aus  der  Literatur  weils  —  bisher 
noch  kaum  oder  doch  wenigstens  nicht  systematisch  gemacht  worden, 
und  doch  scheinen  sie  mir  die  einzigen  zu  sein,  welche  bei  dem  — 
soeben  gezeigten  —  Versagen  der  übrigen  Messungsmethoden  mit 
einiger  Wahrscheinlichkeit  auf  Erfolg  hoffen  lassen. 

Zu    messender    Beurteilung    der    Schädelbasis    am    Lebenden 
dürften  in  Betracht  kommen: 

Der  Abstand  der  Processus  mastoidei, 
die  sog.  nL&nge  Bbrthillons", 
die  kleinste  Stimbreite, 
die  „Omndlinie"  oder  Pupillardistanz. 
Über  die  drei  zuerst  genannten  Malse  labt  sich  einstweilen  wenig 
mitteilen,  da  sie  nur  selten  am  erwachsenen  Lebenden«   niemals  — 
soweit  mir  bekannt  —  am  kindlichen  Kopfe  untersucht  worden  sind.* 
Die  Mastoidealbreite  liebe  sich  am  besten  wohl  derart  bestimmen, 
dab   man   die   Spitzen    des  VntOHOWschen  Schiebezirkels   oder   des 


>  Arehio  /Ar  AnOwapologie,  Bd.  m,  Heft  8. 

*  KmcHHOFF,  Die  Höhenme«ang  das  Kopfast  betenden  die  Ohrkohe.  AUg, 
ZeUmshnft  fikr  F^ychiairie  md  geriehü,  AMism.  Bd.  59  (1902),  und  Kzllhib, 
Über  KopfinaÜM  der  Idioten,  l.  o. 

*  A.  a.  0. 

*  Über  die  kleinste  Stirnbreite  vergl.  saoh  Rbovaült,  1.  c,  S.  18. 


733 

BAüDBLOOQUBschen  Beokenmessers  auf  den  innersten  erreichbaren 
Punkt  der  Processus  mastoidei  aufsetzte»  um  so  von  der  —  nicht 
interessierenden  —  Entwicklung  der  Cellulae  mastoideae  und  der 
dadurch  bedingten  Breitenausdehnung  der  Warzenfortsätze  abstrahieren 
zu  können. 

BBRTHiUiOirs  Schädellänge  hat  als  Endpunkte  die  Nasenwurzel 
vorne,  die  tiefste  Stelle  unterhalb  der  Protuberantia  ocoipitalis  ex- 
terna (am  Planum  nuchale)  hinten,  und  gibt  ein  Äquivalent  der 
Längenentwicklung  der  Schädelbasis. 

Die  kleinste  Stirnbreite  läfst  sich  am  Lebenden  mit  dem 
Instrumente  YiRCHOWs  oder  Baudelooqübs  leicht  bestimmen;  ihre 
Durchsohnittsmalse  für  den  Erwachsenen  sind  von  kraniologischer 
Seite  bereits  mehrfach  festgestellt  worden. 

Betre£k  der  Pupillardistanz  endlich,  welche  uns  ein  direktes 
Urteil  über  die  Entwicklung  der  vorderen  Partie  der  Schädelbasis, 
und  zwar  im  besonderen  der  vorderen  Schädelgmben  erlaubt,  liegt 
für  den  wachsenden  kindlichen  Kopf  (vom  neunten  Jahre  an)  bereits 
eine  eingehende  ^Untersuchung  der  normalen  Mittelwerte  sowie  der 
bei  gröüseren  Gruppen  gleichaltriger  Kinder  beobachteten  Maxima  und 
Minima  vor.  Sbggel,  der  dieses  Maus  kürzlich  in  die  anthropologische 
Literatur  eingeführt  hat^,  machte  in  seiner  Arbeit  als  erster  darauf 
aufmerksam,  dals  diese  am  Lebenden  leicht  bestimmbare  OrOlse  in 
pathologischen  Fällen  sowohl  auf  die  Entwicklung  des  Gehirns  als 
auf  Anomalien  in  der  Schädelbildung  interessante  Schlüsse  zu  ziehen 
gestatten  dürfte.' 

Die  Technik  der  Messung  ist  die  denkbar  einfachste:  Die  zu 
untersuchende  Person  ist  zu  veranlassen,  in  die  Feme  zu  schauen; 
sobald  die  Augen  ruhig  stehen,  wird  die  Entfernung  der  beiden 
Pupillenmitten  voneinander  an  einem  festen  Maisstab  mit  Millimeter- 
einteilung (am  besten  einem  sog.  „Zollstock'')  abgelesen.  Schwierig- 
keiten, die  sich  durch  Geduld  aber  wohl  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  überwinden  lassen,  dürften  sich  nur  bei  Messung  kleinerer 
Kinder  ergeben.    Schielende  sind  natürlich  auszuschlielsen. 

Durch'  die  vergleichende  Beurteilung  der  genannten  Basismaüse 
und  der  gewöhnlich  am  Kopfe  untersuchten  Grö&en   (im  speziellen 


^  Über  das  Verhältnis  von  Schädel-  and  Qehirnentwicklang  zum  Langen- 
Wachstum  des  Körpers.  Archiv  für  Anihrqpoloffie,  Nene  Folge,  Bd.  I,  Heft  1 
(1905). 

*  Ober  die  zu  erwartende  Bedeotang  dieses  MafiMS  bei  Hjdrokephalie  rergl. 
SxooBL,  S.  25. 


734 


Tabelle  l. 


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13081499  397602582  38.4  404  806 

1621  483523|596|38.6|546|642 

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1354 

1397 1537|434  5S5  596|38.3jf>22 
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412470|3a9  362 


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467.496  523  49.f 
479142.4479504  536  46,7:50  6|56,1 
51 8H3,3  486  608  536  42.9  48.0 
7  4765091548  40.445.6 
6  47951255^39.6^3.8 
7482616548  38.1 
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Tabelle  II, 


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13. 
14. 
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159 
159 
159 
159 
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160 
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76.882.292, 


76,382.491. 

T5.4p.4  92. 

75.ffl80.891, 
160  73.9,81.090. 
158  73.382.594, 

75,081.6(93. 

75.182.192, 


75.781.389 
75.582.288 


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107 


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114 
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115 
115 


123 
124 
121 

I24i48.0|54.42 
12849.0i54  54 
5J123  49 


SehnlgresnndheiUpflege.  XVIIL 


55.78 
131 150    56  34163 
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—  51.557.6865.0    15, 
39 


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61.5 
63 


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2. 

3. 

4. 

5. 

6. 

7. 

8. 

9. 
10. 
11. 
12. 
13, 
14, 


736 

der  BBBTHiLLONSohen  Länge  mit  der  „gröCsten  Schädellänge^,  der 
Mastoideal-  und  Frontalbreite  sowie  der  Pupillardistanz  mit  der 
„gröfsten  Breite",  eventuell  auch  der  noch  wenig  beachteten  n^^°^' 
poralbreite*")  liefse  sich  wohl  am  ehesten  die  bisher  noch  nicht  ge- 
lungene anthropometrische  Diagnose  sich  entwickelnder  Hydrokephalien 
ermöglichen;  daneben  aber  ist  zu  hoffen,  dafs  uns  eine  genaue 
Kenntnis  der  normalen  Mittelzahlen  und  der  individuellen  Variations- 
breite der  genannten  Mafse  in  der  exakten  Beurteilung  und  Ab- 
grenzung der  verschiedenen,  noch  so  wenig  gekannten  pathologischen 
Entwicklungszustände  des  menschlichen  Schädels,  sowie  in  der 
Kenntnis  ihrer  Bedeutung  für  Idiotie,  Imbezillität  und  „psycho- 
pathische Disposition^  um  einen  wesentlichen  Schritt  vorwärts 
bringen  wird. 


Die  Zahl  der  von  mir  untersuchten  Schulkinder  belief  sich  auf 
2509;  davon  waren  1468  Knaben,  1041  Mädchen.  Auf  die  ver- 
schiedenen Altersklassen  verteilten  sie  sich  folgendermaCsen : 


Neugeborene 
(bii  cum 
21.  Tag 
inklusive) 

Altersjahre 

1.   2.   3. 

4. 

ö.t  6. 

7. 

8. 

9. 

10. 

11. 

12. 

13. 

14.115. 

Knaben 
Mädchen 

11 
9 

2    10  21 

7     6  11 
1 
1      1 

15 
19 

35 
22 

47 

43 

185 
81 

189 
108 

164 
114 

178 
HO 

156 
125 

131 
127 

131 
126 

117 
105 

76 

28 

In  den  Tabellen  S.  734  u.  735  gebe  ich  neben  den  oben  (S.  724  und 
725)  mitgeteilten  selbstgenommenen  Mafsen  und  berechneten  Indices 
auch  die  von  Rbutbr  gefundenen  Gröüsen  der  Ohrhöhe^  für  6 — 14- 
jährige,  sowie  Seoqels Mafse  der  Grundlinie  für  9 — 14jährige  Kinder. 

Erklärung  der  in  den  Tabellen  und  den  folgenden 
Einzelmitteilungen  aus  dem  Material  vorkommenden 
abkürzenden  Benennungen  der  Mafse. 
Lk  as  Körper-         \ 


Lr  =  Rumpf-  ^ 

IA>  =  Bein-  I 

Uh  =  horizontaler  \ 
Ü8  =  isgittaler  > 
Ut  =  temporaler     ) 


länge. 

Kopf- 
umfong. 


L  =  Kopflänge. 
B  =  Kopfbreite. 
Oh=  Ohrhöhe. 
Gl=  Grundlinie. 


Ir   =s  Eumpf- 
Ib  =  Bein- 
Ikk=^  Kopfkörper- 
Ikr  =  Kopfrumpf- 
I     =  Längenbreiten- 


0 


^  Gemessen  „vom  vorderen,  oberen  Rand  der  rechten  Traguswursel  bis 
SU  dem  senkrecht  dber  der  Mitte  der  Verbindungslinien  beider  Traguswurseln 
gelegenen  Punkt  der  Scheitelkurve". 


737 

Mit  möglichster  Beschränkung  sollen  im  folgenden  einige  An- 
gaben Ober  die  einzelnen  Kinder  gegeben  werden,  welche  die  nor- 
malen Minima  und  Maxima  in  ihren  Altersgruppen  darboten, 
sowie  über  die  kleinen  Insassen  von  Kliniken,  Idiotenanstalten 
und  Hilfsschulen,  deren  Mafszahlen  von  diesen  beobachteten  Grenz« 
werten  noch  nach  unten  resp.  oben  abwichen. 

Wie  schon  oben  bemerkt  wurde,  gehörten  die  Minima  der 
Körper-  und  Kopfmafse  in  den  ersten  Altersgruppen  (bis  zum 
vierten  Jahre  einschliefslich)  gröfstenteils  Frühgeburten,  Zwil- 
lingen sowie  den  jüngsten  Kindern  innerhalb  ihrer  Gruppe,  um- 
gekehrt die  Maxima  den  Ältesten  Kindern  an. 

Ein  familiärer  Faktor  spielte  in  diesem  Alter  nur  selten 
eine  Rolle.     Zu  erwähnen  wären  nach  dieser  Richtung  hin: 

1.  £iD  Mädchen  vom  Alter  IL  3.,  welches  in  der  Gruppe  der  Zwei- 
jährigen die  Maxima  aller  Kopfmafse  (aufser  der  Breite)  darbot;  bei  einem 
Bmder  dieses  Kindes  (Alter :  IV.  3.)  fanden  sich  ebenfalls  die  Maxima  des 
horizontalen  Kopfümfanges  und  der  Schädellänge  für  seine  Gmppe. 

2.  Das  beträchtliche  Minimum  der  Körperlänge  unter  den  dre^ährigen 
Mädchen  (767  mm),  welches  fast  das  der  zweijährigen  erreicht,  fand  sich 
bei  einem  durchaus  gesunden  Kinde  vom  Alter  III.  9.  Es  bot  aufserdem 
das  angegebene  Minimum  der  Beinlänge  sowie  die  zweitkleinste  beobachtete 
Gröfse  für  die  Rumpflfinge  (330),  daneben  das  Maximum  für  Ikk,  das 
zweite  Maximum  (151,2)  fär  Ikr  dar.  Der  horizontale  Kopfumfang  bei 
diesem  Kinde  betrug  499  mm,  stand  an  dritter  Stelle  der  Maxima.  Die 
vieijährige  Schwester  dieses  Kindes,  Älteste  in  ihrer  Gruppe,  zeigte  gleich- 
falls die  (in  der  Tabelle  angegebenen)  Minima  der  Bein-  und  ganzen  Körper- 
länge ;  ihr  Horizontalumfang,  kleiner  als  bei  der  jüngeren  Schwester,  betrug 
484.  Das  Verhältnis  zwischen  Körperlänge  und  Kopfumfang  (Ikk)  war 
ebenfalls  minimal  für  die  Jahresklasse. 

3.  Das  Minimum  des  transversalen  Kopfümfanges  bei  den  dreijährigen 
Mädchen  bot  ein  Kind  dar,  bei  welchem  sich  gleichzeitig  die  zweiten 
Minima  der  Kopf  breite  (130)  und  des  Längenbreitenindex  (76,5)  fanden. 
Eine  siebei^ährige  Schwester  dieses  Kindes  zeichnete  sich  in  ihrer  Jahres- 
klasse ebenfalls  durch  eine  sehr  niedrige  Kopf  breite  (135)  sowie  durch 
einen  noch  kleineren  Längenbreitenindex  (75,4)  aus. 

Von  pathologischen  Beobachtungen  in  diesen  ersten  Jahren 
sind  nur  wenige  zu  erwähnen: 

1.  Die  minimale  Beinlänge  (231  mm)  unter  den  Knaben  des  zweiten 
Lebenijahres  wurde  von  einem  als  schwächlich  bezeichneten  rachitischen 
Kinde  geliefert,  dessen  ganze  Körperlänge  sehr  gering  war  (760  nrni),  das 
daneben  aber  sehr  grofse  Kopfioaaüse  darbot  (die  Maxima  der  Breite  und 
des  TransYcrsalumfanges;  der  Horizontalum&ng  betrag  503,  der  sagittale 
302  mm). 

39* 


738 

2.  Ferner  fand  ich  unter  den  Knaben  des  dritten  Jahres  einen  offen- 
bar pathologisch  yergrölserten  Kopfumfang  von  533  mm,  welcher  dem  toh 
mir  beobachteten  normalen  Maximum  unter  den  Knaben  des  fOnften  Jahres 
etwa  entspricht,  bei  einem  in  die  Kieler  medizinische  Klinik  gebrachten 
2^/sjährigen  Jungen,  dessen  sagittaler  Kopfumfang  322,  der  tnuis?ersale 
312  nmi  betrug.  Er  litt  seit  frühester  Jugend  an  Krämpfen,  konnte  noch 
nicht  gehen  und  sprechen;  seine  Thyreoidea  war  nicht  fahlbar.  £s  liels 
sich  ein  leichter  Hydrokephalus  bei  ihm  als  nicht  unwahrscfaeüüich  an- 
nehmen. Von  den  anderen  Mafsen  des  Knaben  ist  nur  die  Körperlänge 
zu  940  mm  (von  Herrn  Dr.  Grogs,  dem  ersten  Assistenten  der  Klinik) 
bestimmt  worden;  sein  Ikk  betrug  demnach  56,7. 

3.  Ein  2V2Jähriges  Mädchen,  das  mit  allen  seinen  Mafsen,  besonders 
aber  mit  denen  des  Kopfes,  beträchtlich  unter  dem  sonst  gefondenea 
Minimum  seines  Alters  stand,  hatte  ich  kürzlich  in  München  zu  messen 
Gelegenheit.  Es  war  das  Kind  nervöser  Eltern,  angeblich  rechtzeitig  ge- 
boren, hatte  sich  auch  bis  zum  Ende  des  ersten  Jahres  gut  entwickelt. 
Dann  aber  blieb  es,  ohne  dafs  eine  ersichtliche  Krankheit  eingesetzt  hätte, 
körperlich  und  geistig  zurück ;  es  machte  bisher  keine  Versuche,  zu  laufen 
und  zu  sprechen.  Eine  neurologische  Untersuchung  des  Kindes  ergab  nnr  . 
einseitigen  (?  von  Geburt  an  bestehenden)  Strabismus  convergens  und  leichte 
Spasmen  in  den  unteren  Extremitäten  (Reflexsteigerung,  Spitzfnisstellnng); 
eingehendere  Beobachtungen  auf  den  Geisteszustand  lielsen  eine  Idiotie 
mäCsigen  Grades  annehmen.  In  diesem  FaUe  waren  die  Mafse:  Lk:  750, 
Lr:  282,  Lb:  326,  Uh:  415,  Ikk:  55,3,  Ikr:  147,2,  üs:  255,  üt:  248, 
L:  141,  B:  126,  I:  89,4,  Oh:  101.  Trotz  der  beträchtlichen  Kleinhdt 
des  Schädels  standen  also  bei  den  sehr  reduzierten  Körpermafsen  die  Kopf- 
körper- und  Kopfrnmpfindizes  noch  über  dem  normalen  Durchschnitt 

In  den  höheren  Altersklassen  (vom  fünften  Jahre  an)  machte 
sieb  der  EinSufs  des  Alters  als  Begründung  minimaler  oder  maxi- 
maler Gröfsen  nicht  mehr  allzu  häufig  bemerkbar,  kam  hauptsächlich 
noch  für  die  Körper  mafse  —  weit  häufiger  als  für  Kopfmafse  — 
in  Betracht. 

Die  betreffenden  Beobachtungen  waren: 

Minimale  Körpermafse  gehörten  dem  jüngsten  Kinde  (oder 
einem  der  jüngsten)  an: 

1.  Lk  (940)  und  Lr  (360)  bei. den  fün^ährigen  Mädchen.  Bei  einem 
Kopfumfang  von  495  waren  Ikk  (52,7)  und  Ikr  (137,5)  für  die  Alters- 
klasse maximal,  die  Beinlänge  von  423  mm  stand  dem  Minimum  nahe. 

2.  Lk  (980)  und  Lb  (417)  bei  den  sechsjährigen  Mädchen.  Bei 
einem  Horizontalumfang  von  494  war  Ikk  maximal  (50,4). 

3.  Lr  (385)  in  der  gleichen  Altersgruppe.  Lk  betrag  992,  Dh 
496,  —  so  war  das  Verhältnis  Ikr  maximal  (128,8). 

4.  Lk  (1019)  und  Lr  (371)  bei  den  siebei^ährigen  Knaben.  M 
einem  Horizontalumfang  von  532  waren  Ikk  (52,2)  und  Ikr  " 
maximal. 


739 

5.  Lk  (1065)  üDd  Lr  (409)  bei  den  achtj&hrigen  Knaben.  Maxima 
von  Ikk  (49,6)  und  Ikr  (129,1)  —  üh:  528. 

6.  Lk  (1137)  und  Lr  (437)  bei  den  nennjährigen  Mädchen;  bei 
demselben  Kinde  wurden  die  Minima  für  Uh,  L  nnd  B  beobachtet;  es 
war  also  in  allen  seinen  Mafeen  besonders  zierlich  entwickelt. 

7.  Lr  (456)  bei  den  Mädchen  des  13.  Jahres;  es  zeigte  bei  einem 
Uh  von  513  das  Maximum  von  Ikr. 

8.  Lr  bei  den  13jährigen  Mädchen;  auch  bei  diesem  Kinde  war  Ikr 
maximal  (104,3)  bei  einem  Uh  von  509. 

9.  Einen  Körperkopfindex  von  40,0  (Maximum:  40,5)  bot  einer  der 
jüngsten  unter  den  14jähngen  Knaben,  bei  welchem  das  zweite  Maximum 
von  Us  (323),  das  dritte  von  üb  (560)  gemessen  wurde;  die  Körperlänge 
betrug  1400. 

Wie  die  obigen  Beispiele  zeigen,  finden  sich  bei  den  jüngsten 
Kindern  einer  Gruppe,  welche  minimale  KörpermaCse  besitzen,  meist 
auch  die  Maxima  der  Indices,  welche  das  Verhältnis  des  Kopfes  zam 
Körper  andeuten,  wie  ja  überhaupt  dieses  Verhältnis  mit  zunehmendem 
Alter  absinkt.^  Weit  seltener  waren  Beobachtungen  derart,  dafs  die 
jüngsten  Kinder  einer  Altersklasse  mit  ihrer  Kopfentwicklung  voraus- 
geeilt waren,  also  minimale  Körperkopf-  resp.  Körperrumpfindioes 
darboten. 

1.  In  der  Gruppe  der  vierjährigen  Knaben  fand  sich  das  Minimum 
von  Ikk  (46,7)  bei  einem  der  jüngsten  Individuen,  gleichzeitig  das  Maximum 
von  Lb  (473). 

2.  Desgleichen  bei  den  fünQährigen  Knaben  das  Minimum  von  Ikr 
{108,5),  bei  maximaler  Grölse  von  Lr  (470)  und  einem  üh  von  510. 

3.  Bei  den  zehnjährigen  Mädchen  besafs  eines  der  jüngsten  das 
Maximum  von  Lr  (576),  dementsprechend  bei  einem  Kopfumfang  von  506 
das  Minimum  von  Ikr  (87,8). 

4.  Einer  der  jüngsten  14jährigen  Knaben  besafs  das  (zweimal  be- 
obachtete) Minimum  fär  Ikk  (32,1),  das  zweite  Minimum  für  Ikr  (81,0); 
Lk  betrug  bei  ihm  1638,  Lr:  626,  Uh:  526. 

5.  Das  jüngste  unter  den  14jährigen  Mädchen  bot  mir  das  Minimum 
von  Ikk  (32,7)  bei  maximaler  Körperlänge  (1637).    Uh  betrug  bei  ihm  536. 

Kleinste  Kopfmafse  bei  den  jüngsten  Kindern  waren  nicht 
häufig: 

1.  Das  Minimum  des  Horizontalumfanges  unter  den  siebenjährigen 
Knaben.  Bei  demselben  Kinde  finde  ich  das  Minimum  für  Ut  (240)  notiert; 
letzteres  Ma(s  dürfte  falsch  genommen  sein,  da  es  noch  unter  dem  Minimum 
«injähriger  Knaben  steht. 


^  AU  besonders  auffallendes  Beispiel  dieser  Art  ist  noch  zu  erwähnen,  dafs 
unter  den  achtjährigen  Knaben  der  jüngste  den  grofsten  Kopfunifang  besafs 
<548);  seine  Körperlänge  betrug  1228,  die  Rumpf  länge  439,  Ikr  (124,8)  stand 
dem  Maximum  nahe. 


740 

2.  Einer  der  jüngsten  achtjährigen  Knaben  bot  das  Minimom  für  Uh 
(482)  in  seiner  Altersklasse  dar;  daneben  bestanden  Minima  fttr  üt  (256) 
und  B  (136).     Lk  betrqg  in  diesem  Falle  1190,  Lr:  450. 

S.  Die  minimale  Kopflänge  von  169  mm  nnter  den  achtjährigen 
Mädchen  fand  sich  ebenlalls  bei  dem  jüngsten  dieser  Gmppe. 

4.  Bei  den  14jährigen  Mädchen  gehörten  die  Minima  von  Uh  und  L 
einem  der  jüngsten  an.  B  (138)  stand  dem  beobachteten  Minimum  sehr 
nahe.     Bei  einer  Lr  von  600  war  auch  Ikr  minimal. 

Daia  nun  umgekehrt  die  Ältesten  ihrer  Gmppe  die  grOfsten 
Körpermafse  besaisen,  war  ebenfalls  nicht  selten. 

1.  Die  zweitgrößte  Körper-  (1017)  und  Bumpflänge  (399)  bei  den 
Tierjährigen  Mädchen  besafs  eines  der  ältesten.  Sein  Kopfnmfang  (475) 
befand  sich  weit  nnter  dem  Mittel  der  Klasse,  —  so  war  das  Verhältnis 
Ikr  minimal  (119,0). 

2.  Lk  (1180)  bei  den  fünQährigen  Knaben.  Lr  (457)  nnd  Lb  (517) 
standen  dem  Maximum  nahe.  Uh  (506)  war  ein  wenig  nnter  dem  Mittel 
der  Klasse,  die  Kopflänge  (170)  beinahe  minimal.  Entsprechend  diesen 
Verhältnissen  fand  sich  das  Minimum  von  Ikk  (42,9). 

3.  Die  zweitgröfsten  Zahlen  fär  Lr  (500)  und  Lb  (582),  eine  Lk 
Yon  1260,  und  bei  einem  Uh  von  509  die  angegebenen  Minima  für  Ikk 
und  Ikr  fanden  sich  bei  einem  der  ältesten  sechsjährigen  Knaben. 

4.  Lk  (1302)  unter  den  siebenjährigen  Knaben  bei  einem  in  allen 
Mafsen  auffallend  grofsen  Indiriduum.  Lr:  500,  Lb:  607,  Uh:  552 
(zweites  Maximum),  Us  334. 

5.  Ein  ähnliches  Verhalten  zeigte  eines  der  gröfsten  (und  ältesten) 
unter  den  siebenjährigen  Mädchen:  Lk  (1313)  und  Lr  (532).  desgleichen 
B  (160)  waren  maximal,  Uh  (533)  und  Ut  (314)  erhoben  sich  weit  über 
das  Mittel. 

6.  Auch  das  zweite  Maximum  ihr  Lk  (1280)  in  dieser  Gruppe  gehörte 
einem  der  ältesten  Kinder  an.  Seine  Lr  betrug  508,  Uh:  484;  soer  gaben 
sich  für  Ikk  und  Ikr  die  in  der  Tabelle  angegebenen  minimalen  Gröfsen. 

7.  Lk  bei  den  achtjährigen  Knaben.  Lr  betrug  526  (zweites  Maximum), 
Uh:  532. 

8.  Die  gröfete  Rumpflänge  (554)  und  die  zweitgröfste  Körperlänge 
(1366)  bei  den  achtjährigen  Mädchen  fand  sich  bei  einem  der  ältesten 
Kinder.  Uh  betrug  519;  so  standen  Ikk  mit  38,0  und  Ikr  mit  93,7 
den  gefundenen  Minimalgröfsen  nahe. 

9.  Das  gleiche  gilt  fär  die  gröfste  Beinlänge  (669)  in  derselben 
Gmppe.     Uh  betrug  516. 

10.  Lr  (565)  bei  den  neunjährigen  Knaben.     Uh:  534. 

11.  Die  gröfste  Beinlänge  (675)  bei  den  neuigährigen  Mädchen. 

12.  Das  Maximum  fQr  Lk  (1481)  und  Lb(711)  bei  den  zehpjährigen 
Mädchen.  Dasselbe  Kiod  hatte  die  zweitgröfste  Rumpflänge  (57:^).  Uh 
betrug  528. 

13.  Zahlen,  welche  den  beobachteten  Minimis  für  Ikk  und  Ikr  nahe 
standen,  fanden  sich  bei  einem  der  ältesten  elfjährigen  Mädchen;  sie  be- 
trugen 34,2  resp.  85,5.     Lk.  mafs  1450,  Lr:  580,  Uh:  496. 


741 

14.  Alle  Körpermafse  (Lk,  Lr,  Lb)  waren  maximal  bei  dem  Zweit- 
ältesten unter  den  13 jährigen  Knaben.  Uh  betmg  533;  so  waren 
Ikk  (31,5)  und  Ikr  (82,5)  minimal. 

15.  Auch  das  zweite  Minimum  für  Ikk  (33,0)  in  derselben  Gruppe 
fand  sich  bei  einem  der  ältesten  Kinder.  Lk  (1603)  und  Lr  (612) 
standen  dem  Maximum  nahe;  Uh  betrug  529 

16.  Gröfste  Körper-  (1730)  und  Rumpf  länge  (666),  zweitgröfste  Bein- 
läage  (845)  bot  der  Zweitälteste  unter  den  14jährigen  Knaben  dar. 
Sein  Uh  betmg  556;  so  resultierte  für  Ikr  sowohl  wie  fär  Ikk  das  in  der 
Tabelle  angegebene  Minimum  (letzteres  zweimal  beobachtet). 

Maximale  Kopfmafse  fanden  sich,  wie  schon  bemerkt  wurde, 
weit  seltener  bei  ältesten  Kindern  ihrer  Altersklassen  als  die  gtöfsten 
Körpermaüse.     Die  betreffenden  Beobachtungen  waren: 

1.  Uh  bei  den  fünigährigen  Knaben.  L  (187)  stand  dem  Maximum 
nahe,  Lk  betrug  1146. 

2.  L  (185)  bei  den  ftlnf jährigen  Mädchen.  Sonst  bot  das  betreffende 
Kind  nichts  Bemerkenswertes. 

3.  Uh  (548)  bei  den  sechsjährigen  Knaben. 

4.  Uh  (537)  bei  den  zehnjährigen  Mädchen.  Us  (332)  und  L  (191) 
standen  den  in  der  Tabelle  angegebenen  Maximis  nahe. 

5.  In  der  gleichen  Gruppe  wurde  dieselbe  Gröise  des  Kopfumfanges 
noch  einmal  ebenfalls  bei  einem  der  ältesten  Kinder  beobachtet,  das  sonst 
nichts  Bemerkenswertes  zeigte. 

6.  Uh  (551)  und  L  (194)  bei  den  elfjährigen  Mädchen.  Lk  betrug 
1371,    Lr  518. 

Entsprechend  dem  auf  Seite  739  für  die  jüngsten  Kinder  ihrer 
Gruppen  angegebenen  Verhalten  finden  wir  bei  den  ältesten,  welche 
maximale  Körpermafse  aufweisen,  oft  auch  die  Minima  des  Körper- 
kopf- oder  Rumpfkopf- Index.  Das  umgekehrte  Verhalten,  dais 
älteste  Kinder  ihrer  Altersklasse  mit  maximalem  Kopfumfang,  auch 
maximale  Indizes  geboten  hätten,  wurde  nicht  beobachtet.^  Im 
allgemeinen  zeigt  sich  also,  dafs  das  an  den  Mittelzahlen  beobachtete 
Verhalten  dieser  Indizes  auch  für  normale  Grenzwerte  in  den  ver- 
schiedenen Altersklassen  seine  Geltung  hat,  soweit  diese  durch 
Grenzwerte  des  Alters  ihre  Erklärung  finden. 

Anhangsweise  mögen  noch  einige  Fälle  mitgeteilt  werden,  bei 
denen  eine  minimale  resp.  maximale  Entwicklung  nicht  die  Körper- 
oder Kopfmafse  allein  betraf,  sondern  bei  denen  eine  allgemeine 
Zierlichkeit  oder  Gröfse  beobachtet  wurde.  In  diesen  Fällen  ent- 
fernten sich  die  Indexzahlen  (Ikk  und  Ikr)  meist  wenig  tou  dem 
Mittel  der  betreffenden  Altersklassen. 


Vergl.  dazu  den  weiter  unten  angegebenen  Fall. 


742 

Allgemein  zierliche  IndiTiduen: 

1.  Ein  7  ^/s  jähriges  Mädchen  stand  mit  den  Körpermafsen  beträchtlich 
unter  dem  Mittel  (Lk:  1076,  Lr:  409,  Lb:  485);  von  den  KopfmaTsea 
war  L  minimal  (158),  Uh  betrag  486,  Us:  290,  Ut:  281.  So  ergab 
Ikk:  45,2,  Ikr:  118,8.  Nur  B  (146)  erhob  »ch  Ober  die  berechnete 
Mittelzahl,  so  dafs  der  Längenbreitenindex  den  maximalen  Wert  von  92,4 
darbot. 

2.  Die  Minima  für  Lk  und  Lb  bei  den  achtjährigen  Mädchen  fanden 
sich  bei  einem  Kinde,  dessen  Kopfmafse  gleichfalls  erheblich  nnter  dem 
Jahresmittel  standen.  Uh  betrag  495,  Us:  292,  Ut:  286,  L:  167.  Anch 
hier  war  nnr  die  Kopf  breite  über  dem  Mittel,  betrag  145  and  ergab  einen 
Längenbreitenindex  von  86,8. 

3.  Bei  den  elfjährigen  Mädchen  fand  sich  das  Minimam  fflr  Uh  (478) 
bei  einem  Kinde,  das  gleichzeitig  die  zweitkleinste  6rö(se  ftlr  Lb  (558) 
darbot.  Lk  betrag  1268,  Lr:  503;  die  übrigen  KophnaTse  waren: 
Us:  296,  Ut:  273,  L:  165,  B:  138.  Ikk  (37,7)  war  dem  berechneten 
Mittel  völlig,  Ikr  (95,0)  beinahe  gleich. 

4.  Die  Minima  von  Lk  (1261),  Lb  (591),  Uh  (476)  and  L  (170) 
bei  den  13  jährigen  Knaben  gehörten  alle  dem  gleichen  Individnnm  an 
(Alter  XIII,  7).  Lr  betrag  477,  Us:  302,  Ut:  281,  B:  142.  So 
ergab  Ikk:  37,8,  Ikr:  99,8. 

5.  Das  Minimam  für  B  (139)  in  der  gleichen  Grappe  bot  ein  Jnnge 
dar,  welcher  den  zweitkleinsten  Kopfamfang  (491)  besafs.  Die  übrigen 
Kopfinafse  waren:  Us:  303,  Ut:  264,  L:  172;  die  KörpermaTse:  Lk: 
1368,  Lr:  500,  Lb:  666.     Es  resnltierte  für  Ikk:  35,9,  für  Ikr:  98,2. 

Allgemein  grofse  Kinder: 

1.  Die  Maxima  für  Uh  (554),  Ut  (326)  and  B  (160)  bei  den  nenn- 
jährigen  Mädchen  besafs  ein  aach  in  den  Körpermaßen  weit  über  dem 
Mittel  stehendes  Kind.  Lk  betrag  1387,  Lr:  522,  Lb:  637.  Die  übrigen 
Kopfmafse  waren:  Us:  326,  L:  189,  Oh:  125;  die  Indizes:  Ikk:  39,9, 
Ikr:  106,1. 

2.  Aach  bei  den  12jährigen  Mädchen  fand  sich  der  gröfste  Horizontal- 
amfang  von  563  mm  bei  einem  allgemein  grofs  entwickelten  Kinde.  Die 
Körpermafse  waren:  Lk:  1538,  Lr:  633,  Lb:  696;  die  übrigen  Kopf- 
mafse Us:  320,  Ut:  314,  L:  193  (Maximal),  B  162.  Ikk  betrag  36,6, 
Ikr:  88,9. 

Der  Einflufs  von  Zwillingsgeburten,  welcher  bei  minimalen 
Gröfsen  der  ersten  Lebensjahre  sich  sehr  häufig  bemerkbar  machte, 
kam  in  den  späteren  Altersklassen  nur  ganz  vereinzelt  noch  zum 
Ausdruck.     Es  wurde  diesbezüglich  notiert: 

1.  Den  kleinsten  Horizontalnmfang  (486)  anter  den  fünQährigen 
Knaben  hatte'  ein '  Zwillingskind  von  reichlich  5Vs  Jahren.  Die  übrigen 
Kopfmafse  waren:  Us:  294,  Ut:  262,  L:  175,  B:  136;  die  Körperma&e: 
Lk:  996,  Lr:  397,  Lb:  415;  die  Indizes  Ikk:  48,8,  Ikr:  124,9.  Der 
etwas  gröfsere,  doch  ebenfalls  beträchtlich  anter  dem  Mittel  seiner  Alters- 
klasse  stehende   Zwillingsbrnder   hatte    die   MaCse:    Lk:  1007,    Lr:  398, 


743 

Lb:  427;  üh:  489,  üs:  295,    Ut:  251   (Minimum),    L:  175,    B:  135; 
Ikk  48,6,  Ikr  122,9. 

2.  Ebenfalls  standen  stark  anter  dem  Mittelmafs  ihrer  Altersklasse 
zwei  6V4Jttbrige  Zwillingsbrüder,  von  denen  der  eine  das  Minimum  fftr 
Lr  (368)  besafs.  Seine  übrigen  Mafse  waren:  Lk:  1056,  Lb:  472, 
üh:  491,  üs:  301,  üt:  275.  L:  168,  B:  140,  Ikk:  46,5,  Ikr:  133,4. 
Am  anderen  Zwilling  wurde  gemessen:  Lk:  1063,  Lr:  377,  Lb:  482, 
üh:  494,  üs:  291,  üt:  272,  L:  169,  B:  141,  Ikk:  46,6,  Ikr:  131,0. 

3.  Bei  den  neui^äbrigen  Knaben  fanden  sich  die  Minima  für  üh  (479) 
und  L  (164)  bei  einem  Zwillingskinde.  Die  anderen  Eopfmafse  waren: 
üs:  283,  üt:  288,  B:  140;  als  Körpermafse  wurden  ermittelt:  Lk:  1152, 
Lr:  473,  Lb:  490;  endlich,  die  Indizes:  Ikk:  41,6,  Ikr:  101,3.  Bei 
dem  im  allgemeinen  etwas  gröfseren  Bruder  fand  sich  für  Lk:  1206, 
Lr:  451,  Lb:  554,  üh:  498,  üs:  297,  üt:  282,  L:  172,  B:  146, 
Ikk:  41,3,  Ikr:  110,4. 

4.  Auch  bei  den  neunjährigen  Mädchen  fanden  sich  Zwillinge  (9^/4  Jahre 
alt),  welche  beide  mit  mehreren  Mafsen  den  in  der  Tabelle  angegebenen 
Minimalzahlen  nahe  kamen.  Die  Mafse  der  kleineren  waren:  Lk:  1200, 
Lr:  438,  Lb:  581;  üh:  485,  üs:  280,  üt:  265,  L:  167,  B:  138, 
Ikk:  44,2,  Ikr:  110,7.  Die  Mafse  der  Zwillingsschwester:  Lk:  1236, 
Lr:  470,  Lb:  580,  üh:  494,  üs:  286,  üt:  264  (Minimum),  L:  174, 
B:  139,  Ikk:  40,0,  Ikr:  105,0. 

Weit  interessanter  als  diese  Tatsache,  dafs  Zwillingsgeburten^ 
gelegentlich  noch  in  späteren  Kinderjahren  durch  niedrige  Körper- 
and  Kopfmaüae  gekennzeichnet  sind,  ist  eine  andere,  welche  bisher 
wohl  mehr  in  Laienkreisen  als  feststehend  angenommen  wurde,  als 
dafs  sie  durch  Messungen  auf  einen  exakten  Boden  gestellt  worden 
ist.  loh  meine  den  EinfluTs  eines  familiären  Faktors  auf  die 
individuelle  Entwicklung.  Wie  oben  in  der  Übersicht  schon  ange- 
deutet wurde,  war  unser  Material  für  eine  Untersuchung  nach  dieser 
Richtung  hin  sehr  geeignet;  im  besonderen  konnte  nachgewiesen 
werden,  dafs  dieser  familiäre  Faktor  weit  häufiger  in  der  Entwicklung 
des  Kopfes  als  in  der  des  Körpers  zum  Ausdrucke  kommt.  Die 
einschlägigen  Beobachtungen  an  den  Körpermafsen  waren  folgende: 

1.  Die  in  der  Tabelle  angegebenen  Minima  der  Körper-  und  Rumpf- 
länge bei  den  siebenjährigen  Mädchen  fanden  sich  bei  einem  Kinde  von 
7'/«  Jahren;  Lb  betrug  465.  Seine  Kopfmafse  entsprachen  etwa  dem 
Mittel  der  Jahresklasse  (üh:  496,  üs:  301,  üt:  290,  L:  171,  B:  145); 
60  resultierten  für  Ikk  (47.4)  und  Ikr  (125,2)  beinahe  maximale  Gröfsen. 
Ähnlich  verhielt  sich  ein  einähriger  Bruder  dieses  Mädchens:  Lk  (1225), 
Lr  (453)  und  Lb  (567)    standen    den    Minimis,    die   Indizes  (Ikk:  43,3, 


'  Besonders  betont  mag  werden,  dafs  es  sich  in  den  oben  angefahrten 
Fällen  stets  um  gleichgeschlechtige,  möglicherweise  also  eineiige  Zwillinge 
gehandelt  hat. 


744 

Ikr:  107,2)    den   Maximis   seiaer  Gruppe    nahe;    die   KopünuLfse    waren: 
üh:  631,  Us:  317,  üt:  291,  L:  188,  B:  153. 

2.  Ein  anderes  Verhalten  zeigten  zwei  Brüder  von  acht  und  vierzehn 
Jahren.  Bei  ihnen  erhohen  sich  die  Körpermalse  heträchtlich  flher,  standen 
die  Kopfinafse  nnter  dem  Mittel,  und  es  ergaben  sich  für  Ikk  und  Ikr 
beinahe  minimale  Zahlen.  Die  betreffenden  Mafse  waren  beim  jüngeren: 
Lk:  1328,  Lr:  606,  Lb:  632,  üh:  506,  üs:  292,  Ut:  280,  L:  171, 
B:  145,  Ikk:  38,1  (Minimom),  Ikr:  100,2.  Beim  älteren:  Lk:  1564, 
Lr:  683,  Lb:  777,  üb:  622,  üs;  311,  üt:  282,  L:  179,  B:  151, 
Ikk:  33,4  (zweites  Minimum),  Ikr:  89,5. 

3.  Zwei  in  allen  Körper-  und  Kopfmafsen  sehr  grofse  Mädchen  zeigten 
in  ihren  Altersklassen  die  maximale  Rnmpflänge.  Die  Mafse  waren:  Bei 
der  einährigen  Schwester:  Lk:  1498,  Lr:  606,  Lb:  699,  üb:  534, 
Us:  32Ö,  Ut:  312,  L:  186,  B:  151.  Bei  der  dreizehnjährigen:  Lk:  1549, 
Lr:  635,  Lb:  715,  üh:  540,  Us:  326,  üt:  317,  L:  187,  B:  153. 

Die  wichtigsten  Notizen  bezüglich  der  Kopfmafse  waren: 

1.  Die  kleinste  Kopf  breite  unter  den  sechsjährigen  Knaben  (133), 
sowie  ein  Horizontalnmfang  von  477  (zweites  Minimnm)  fand  sich  bei 
einem  der  ältesten  Kinder  dieser  Jahresklasse.  Ein  neuigähriger  Bmder 
dieses  Kindes  zeigte  gleichfalls  die  Minima  für  üh  und  B  nnter  seinen 
Altersgenossen. 

2.  Die  Maxima  f&r  üs  (343)  und  L  (196)  bei  den  siebenjährigen 
Knaben,  die  dritten  Maxima  fQr  üh  (539)  und  L  (190)  bei  den  neun- 
jährigen Mädchen,  die  zweiten  Maxima  für  Us  (338)  und  L  (193)  bei  den 
elfjährigen  Mädchen  besafsen  drei  Geschwister. 

3.  Zwei  Mädchen  von  zehn  und  elf  Jahren  ergaben  in  ihren  Gruppen 
die  Minima  der  Kopflänge  mit  159  mm,  B  betrug  bei  beiden  149,  so 
dafs  gleich-maximale  Längenbreitenindizes  von  93,7  resultierten.  Voo 
Rachitis  als  Ursache  des  hohen  Index  liefs  sich  nichts  bemerken.  Drei 
andere  Geschwister  dieser  Mädchen  zeichneten  sich  nicht  durch  einzelne 
Kopfmafse,  wohl  aber  dadurch  aus,  dafs  auch  bei  ihnen  die  Längenbreiten- 
indizes bis  auf  wenige  Zehntel  übereinstimmten.  Sie  betrugen  85,1 
(cf,  sechsjährig),  85,6  (6,  achtjährig),  86,2  (9,  zwölQährig). 

4.  Drei  Schwestern  im  Alter  von  10,  11  und  13  Jahren  zeichneten 
sich  durch  kleine  Kopfmafse,  besonders  durch  niedrige  Horizontalumfiänge  ans. 
Die  Älteste  besafs  in  ihrer  Altersklasse  und  unter  den  Geschwistern  den 
kleinsten  üh  (479);  der  Kopfumfang  der  beiden  anderen  betrug  488  (bei 
der  zehnjährigen,  Mittel:  511)  und  502  (bei  der  elfjährigen,  Mittel:  516). 

5.  Die  Maxima  für  üs  (381)  S  üt  (348)  und  L  (200),  das  zweite 
Maximum  von  üh  (572)  bei  den  zehi^ährigen  Knaben  fanden  sich  bei 
dem  Kinde  einer  auffallend  „grofsköpfigen*  Familie.  Von  dem  Träger 
dieser  für  sein  Alter  enormen  Kopfmafse  ¥rufste  die  Mutter  zu  be- 
richten,    dafs     er    schon     bei     der    —    erst    gegen    £nde    des   elften 


*  Ein  Sagittalumfang  von  381  mm  wurde  nur  ein  einziges  Mal  wieder  bei 
einem  14jährigen  hydrokephalischen  Idioten  in  A Uterdorf  beobachtet,  denen 
üh  620  mm  betrag. 


745 

SchwaDgerschaftsmonats  erfolgten  —  Geburt  durch  seine  allgemeine  Gröfse^, 
besonders  aber  durch  die  Mafse  des  Kopfes  aufgefallen  sei.  (»Das 
Kind  machte  neugeboren  den  Eindruck  eines  einjährigen  Jungen.  *')  Ein 
siebenjähriger  Bmder  dieses  Knaben  zeichnete  sich  nur  dnrch  den  maxi- 
malen Transversalumfang  (326)  in  seiner  Gruppe  aus;  Uh  betrug  521 
(Mittel:  512).  Auffallend  war  nun,  dafs  die  Obrhöhe  dieses  jüngeren 
Bruders  mit  133  mm  nicht  nur  die  des  älteren  (124)  weit  tiberragte, 
sondern  weitaus  die  gröfste  war,  welche  ich  überhaupt  in  den  von  mir 
berücksichtigten  Jahren  jemals  gemessen  habe.  Da  irgendwelche  Ein- 
wirkungen auf  den  Kopf  während  der  Geburt  oder  in  den  ersten  Lebens- 
jahren sich  durch  eingehende  Anamnese  nicht  ermittehi  lielsen,  so  möchte 
ich  diesen  Befund  dahin  deuten,  dals  aus  uns  unbekannten  Gründen  die 
familiäre  Disposition  zu  besonders  starker  Kopfentwicklung  (einhergehend 
mit  familiärer  und  auch  an  den  beiden  Knaben  schon  bemerkbarer,  über 
das  Mittelmafs  sich  beträchtlich  erhebender  Intelligenz)  bei  dem  einen 
Kinde  zu  einer  hauptsächlichen  Ausdehnung  des  Schädels  in  vertikaler, 
bei  dem  anderen  in  saglttaler  Richtung  geführt  hatte. 

Über  das  Verhalten  des  Längenbreitenindex,  in  welchem  eine 
familiäre  Eigentümlichkeit  am  deutlichsten  zum  Ausdruck  kommen 
dürfte,  ifit  an  anderem  Orte  schon  so  viel  mitgeteilt  worden,  dafs 
hier  nur  noch  wenige  Worte  erübrigen.  Hervorhebenswert  scheinen 
mir  vor  allem  die  Fälle,  in  welchen  Kinder,  die  im  Alter  beträcht- 
lich voneinander  abstehen,  gleiche  oder  doch  sehr  ähnliche  Indizes 
besitzen.     Es  wären  z.  B.  za  nennen: 

Ein  sechsjähriger  Knabe  mit  75,0; 

seine  13jährige  Schwester  mit  75,7; 

ein  siebenjähriger  Knabe  mit  76,9; 

seine  13jährige  Schwester  mit  77,2; 

zwei  Schwestern  von  sechs  und  zehn  Jahren  mit  79,6; 

zwei  Schwestern  von  fünf  und  zehn  Jahren  mit  79,7; 

drei  Geschwister  mit  sieben,   zehn  und   dreizehn  Jahren  mit  86,9, 
86,9,  87,2. 

Es  scheint  mir  darans  hervorzugehen,  dafs  mit  einem  relativ 
frühen  Alter  (im  siebenten,  vielleicht  schon  im  sechsten  Jahre)  in 
vielen  Fällen- die  definitive  Kopfform  erreicht  ist  Über  die 
interessanteste  Fi-age  nach  dem  Verhalten  der  ersten  Lebensjahre 
gibt  mein  Material  mir  leider  keinen  Anfschlufs;  doch  möchte  ich 
glauben,  daJB  auch  über  die  Entwicklung  des  kindlichen  Kopfes  während 
dieser  ersten  Zeit  nicht  allein  regelmäfsig  fortgesetzte  Messungen  am 
Individuum,  sondern  auch  die  Untersuchung  von  Familien  bemerkens- 
werte Resultate  ergeben  würde.  (Fortsetzung  folgt.) 


^  Die  Körpermafse  des  Jungen  entsprachen  zurzeit  meiner  Messung  unge- 
fähr dem  Mittel  der  Altersklasse  (Lk:  1320,  Lr:  509,  Lb:  594). 


746 


Über  Versuche  mit  indirekter  Gasbeleuchtung  in  einigen 
Hamburger  Volksschulen. 

Von 

Physikus  E.  Pfeiffer  in  Hamburg. 

Mit  einer  Abbildung  im  Text. 

Im  Jahre  1904  wurden  in  einigen  Klassen  von  Volksschnlen 
in  Hamburg  ausgedehnte  Beleaobtungsversuohe  und  Lichtmessungea 
vorgenommen,  um  den  Baubehörden  generelle  Vorschläge  machen  zu 
können.  Es  handelte  sich  hierbei  nicht  in  erster  Linie  darum,  ob 
Gas  oder  elektrisches  Licht  in  Anwendung  kommen  sollte,  sondern 
um  die  Frage,  ob  es  möglich  sei,  vermittels  der  Gasbeleuchtung  einen 
guten  Beleuchtungseffekt  zu  erzielen,  unter  geringerer  Lampenzahl 
und  unter  Hintenanhaltung  von  Schädlichkeiten  für  Lehrer  und 
Sander. 

Die  Zeitschrift  für  Schulgesundheitspflege  bringt  eine  Reihe 
vorzüglicher  Arbeiten  aus  diesem  Gebiete;  ich  erinnere  nur  an  die- 
jenigen von  Erismann,  Batr,  Praussnitz  und  vieler  anderer.  In 
neuerer  Zeit  sind  noch  zwei  lehrreiche  Veröffentlichungen^  erschienen. 
Speziell  unter  Hinweis  auf  erstere  Arbeit,  seien  die  in  Hamburg 
gesammelten  Erfahrungen  mitgeteilt,  da  sie  sich  mit  den  darin  nieder- 
gelegten Beobachtungen  decken  und  manchen  Interessenten  auch 
eine  grö&ere  Auswahl  unter  den  Lampensystemen  gestatten. 

Die  Messungen  wurden  ausgeführt  mit  dem  von  Dr.  Krüss 
angegebenen  Apparat  zur  Messung  der  Fläohenhelligkeit  {Joum.  f. 
Gasbeleuchtung  u.   Wasserversorgung,  1902,  45,  739.) 

Man  kann  mit  diesem  Photometer  die  Helligkeit  in  Rot,  Grün 
und  Weüjs   messen.     Zur   schnellen  Berechnung   ist  demselben  eine 


^  Indirekte  Beleuchtung  von  Schul-  und  Zeichensälen  mit  Gas-  und  elek- 
triichem  Bogenlicht.  Bericht  über  die  Versuche  in  München,  erstattet  von  der 
auf  Veranlassung  des  deutschen  Vereins  von  Gas-  und  Wasserfachmännern 
gebildeten  Kommission.  München  und  Berlin.  R.  Oldenbourg.  1905.  —  Prof 
Stelz,  Über  die  Beleuchtung  von  Schulräumen.  Elektrotechnische  Zeitschrift 
1905.  H.  7. 


747 

Tabelle  beigegeben;  es  wird  der  Bruch  Grün  durch  Rot  bestimmt 
und  sodann  die  zu  diesem  Bruch  gehörige  Kerzenzahl  direkt  aus 
der  Tabelle  abgelesen  und  mit  Rot  multipliziert. 

Zum  Beispiel:  Es  ergibt  eine  Messung  mit  Grün  die  Zahl  29, 

in  Rot  17,5,  so  ist  der  Bruch  ^5—    —^  =  1,6,  die  dazu  gehörige 

Meterkerzenzahl  der  Tabelle  ist  1,40,  diese  multipliziert  mit  der 
erhaltenen  Messung  in  Rot  =  17,5X1,40  =  24,50  Meterkerzen. 

Bei  einiger  Übung  gelingen  die  Messungen  sehr  schnell,  die 
Methode  ist  scharf,  der  Apparat  arbeitet  sehr  empfindlich,  aber  auch 
80  deutlich,  dafs  gröbere  Differenzen  durch  verschiedene  Beobachter 
ausgeschlossen  sind. 

Bei  Beginn  der  Vei'suche  standen  zwei  Arten  von  Beleuchtungen 
zur  Verfügung: 

1.  Eine  grofse  Lampe,  inmitten  der  Klasse  an  der  Decke 
hängend  angebracht,  mit  drei  Auerstarkbrennern,  jeder  Starklicht- 
brenner zu  400  Normalkerzen  bestimmt.  Unter  diesen  Brennern  be- 
fand sieh  ein  weifs  emaillierter  Schirm,  um  die  direkten  Strahlen 
nach  unten  auszuschalten  und  zu  verhindern,  dafs  Lehrer  und 
Schüler  unmittelbar  in  die  lichtgebenden  Strümpfe  sehen  müfsten. 

2.  Das  gleiche  System,  aber  etwas  kleiner,  nur  mit  zwei  Stark- 
lichtbrennern, dafür  aber  inmitten  der  beiden  Bauksäulen  ebenso  wie 
1.  ca.  1  m  von  der  Decke  entfernt,  aufgehängt. 

Der  Decken-  und  Wandanstrich  bestand  in  der  einen  Klasse 
bereits  ein  Jahr,  in  der  anderen  Klasse  war  die  Decke  &isch  ge- 
weifst worden. 

Die  Messungsergebnisse  in  der  verwöhnteren  Klasse  im  Ver- 
hältnis  zu  der  partiell  renovierten  boten  auffallende  Unterschiede 
nach  der  schlechteren  Seite  hin  dar,  so  dafs  erst  einmal  eine 
Klasse  einen  neuen  Anstrich  erhalten  mufste. 

Es  erwies  sich  als  am  zweckmäfsigsten,  nicht  nur  einfach 
Messungen  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  in  den  Klassen  vor- 
zunehmen, sondern  unter  bestimmten  Voraussetzungen  und  Versuchs- 
anordnungen die  beste  Beleuchtung  für  eine  Normalklasse  ausfindig 
zu  machen. 

Die  Mafse  für  die  Abstände  der  lichtgebenden  Quelle  nach  den 
verschiedenen  Richtungen  hin  sind  im  wesentlichen  immer  die 
gleichen  geblieben.  Da  nicht  jeder  Versuch  ausführlich  beschrieben 
wird,  um  durch  die  Unmenge  der  Zahlen  den  Leser  nicht  zu  er- 
müden, so  seien  auch  nur  die  Mittelzahlen  angegeben. 


748 

Die  grofse  Lampe  war  aufgehängt 

in  3,ö5  m  von  der  Katheterwand, 
„   3,75  „     „      „     Rückwand, 
„  3,20  r     n      n     Fensterwand, 
„   8,05  „     „      rf     Korridor  wand. 

NB.  Quermitte  des  Zimmers. 

Das  Zimmer  war  3,60  m  hoch. 

Die  Auerstrumpfunterkante  war  0,80  m  entfernt  von  der  Decke. 

Die  Messungen  grachahen  auf  den  Pulten  der  Bänke  Nr.  2,  mit 
Tafelhöhe  60  und  Sitzhöhe  35  cm,  die  Entfernung  dee  unteren 
Reflektors  von  der  Tafelhöhe  betrug  2,10  m. 

Der  Anstrich  der  Decke  war  weils,  die  Wand  war  in  1 ,60  m  vom 
Fufsboden  bis  zur  Decke  gelblich weifs  gestrichen,  bis  zu  1,50  m 
vom  Boden  an  gemessen  war  die  Wand  mit  brauner  Ölfarbe  getönt. 

Versuch  I,  gänzlich  renovierte  Klasse. 

Ein  groIiBe  Lampe  mit  drei  StarklichtbreunerD.  Befestigang  der 
Lampe  in  der  Mitte  der  Klasse,  90  cm  vou  der  D^cke  entfernt  die 
Lichtquelle,  in  der  Mitte  des  Ganges,  welcher  die  zwölf  vierait^igen 
Bänke  in  zwei  Klassenhälften  teilt.  Die  Meterkerzenzahleo  wuen 
für  die  inneren  Plätze  am  Mittelgang  über  20  Meterkerzen^  nwek 
der  Innenwand  annähernd  die  gleichen,  nach  der  Feustersaite  bis 
zu  vier  Meterkerzen  geringer,  desgleichen  nach  den  vorderäteo  Bätikeii 
und  dem  Katheter  hin  abnehmend. 

Die  Fensterplätze  wurden  wieder  eio  bis  zwei  Meterkerzen 
günstiger,  sobald  die  Vorhänge  zugezogen  ^^rden,  iodem  für  dleie 
Plätze  etwas  Reflexion  gewonnen  wurde. 

Der  Versuch  mit  dieser  Lampe  befriedigte  nicht,  es  wurde  für 
den  Versuch  II  die  Mannheimer  Lampe  angeschafft  Diese  besteht 
in  einem  Deckenreflektor  aus  Emailleblech,  weifs,  und  einem  Boden- 
reflektor aus  Milchglas,  welcher  gleichzeitig'  hnlbz^rstreut^s  Licht 
lieferte.     Die  Lampe  war  eingerichtet  für  zwei  Starklichtbrenner. 

Die  Lichtmengen  waren  offensichtlich  etwas  höher,  aber  auch 
ungleichmäfsiger,  da  der  Unterschied  zwischen  halb  und  ganz  zer- 
streutem Lichte  stärker  zutage  trat.  Femer  litt  diese  Versuchs- 
lampe noch  an  dem  Fehler,  welcher  immerhin  leicht  zu  beseitigen 
ist,  dals  die  am  entferntesten  sitzenden  Kinder  sowie  der  Lehrer 
noch  ein  Stück  der  direkten  Lichtquelle  mit  den  Augen  streifen 
mufsten. 

Von  Messung  zu  Messung  wurden  die  Versuche  immer  mehr 
nach    der   yoUständig  indirekten  Beleuchtung   hingeleitet.    Da  die 


749 


Rück-  und  InDenwände  der  Klasse  sich  als  recht  gute  Liohtreflek- 
toren  erwiesen,  so  wurden  zwei  Lampenhehälter  konstruiert,  ähnlich 
wie  Bühnenreflektoren  am  Rand  der  Bühnen,  welche  ihr  Licht  auf 
die  Bühne  werfen,  ohne  das  Auge  des  Beschauers  zu  stören. 

Jeder  Behälter  war  für  eine  Lampe  gedacht,  er  sollte  in  dem 
Zwischenraum  der  Fenster  aufgehängt  werden,  das  Licht  zur  Decke 
•and  der  gegenüberliegenden  Wand  werfen  und  es  von  da  aus  erst 
den  Plätzen  vermitteln. 

Man  kann  sich  ungefähr  ein  Bild  davon  machen,  wenn  man 
sich  die  Gestalt  einer  Pferdekrippe  vorstellt,  bei  welcher  die  Rück- 
wand über  doppelt  so  hoch  ist  als  die  Vorderwand.  Die  Yorder- 
wand  war  beweglich,  um  durch  ihre  Stellung  dem  Licht  den  Weg 
zu  geben,  welchen  der  Versuch  für  nötig  halten  würden. 


Die  drei  ersten  Lampen  dieser  Art  waren  aus  Weifsblech  an- 
gefertigt, sie  reflektierten  recht  gut  bis  zu  den  Plätzen  der  gegen- 
überliegenden Wand.  Nach  wenigen  Tagen  war  das  Blech  ange- 
laufen und  erbrachte  den  Beweis,  dafs  Theorie  und  Praxis  nicht 
übereinstimmten.  Denn  wenn  der  Schuldiener  alle  vier  bis  fünf 
Tage  diese  Lampen  putzen  muls,  so  geht  das  auf  Kosten  der  Halt- 
barkeit der  Strümpfe. 

Es  wurde  daher  an  Stelle   des  Weilsbleches    als    reflektierende 


750 

Wand  ein  weifser  Kachelbelag  gewählt.  Diese  Kacheln  waren. nieliC 
gleichmäfsig  in  der  Farbe  geliefert  worden,  die  Reflexion  war  un— 
gleichmäfsig  und  auch  geringwertiger.  Die  Bankreihen  am  Fenstox- 
bekamen  im  Durchschnitt  10  Meterkerzen  mehr  als  diejenigen  cli3 
der  inneren  Klassenwand. 

Alle  Messungen  führten  dazu,  diesen  Versuch  als  milsglüokt  zu 
verlassen  und  dazu  überzugehen,  die  ursprüngliche  grofse  Lamp^ 
wieder  zu  benutzen,  aber  als  Reflektor  an  der  Decke  den  der  Mann- 
heimer Lampe  zu  nehmen.  Der  Bodenreflektor  wurde  einmal  vei-— 
nickelt,  das  andere  Mal  mit  Spiegelglas  belegt. 

Die  Erfolge  der  Reflexion  durch  den  Bodenrefiektor  waren  so 
geringe,  dals  eine  Bewertung  in  der  Praxis  ausgeschaltet  werden 
konnte.  Die  Beleuchtung  der  Plätze  inmitten  der  Klasse  bewegte 
sich  in  den  Grenzen  von  25 — 29  Meterkerzen  annähernd  gleich* 
mälsig,  wurde  aber  merklich  geringer  an  den  Bankenden;  es  wurde 
offenbar  der  Hauptmasse  des  Lichtes  eine  bestimmte  Richtung 
gegeben. 

£s  war  daher  das  gegebene,  den  Deckenreflektor  zu  vergröfsero. 
Hierdurch  wurde  der  Winkel  des  reflektierten  Lichtkegels  ein 
gröfserer,  die  Gleichmäfsigkeit  wurde  besser,  aber  durch  die  Gröfse 
des  Deckenschirmes  entstand  ein  dunkler  Schlagschatten  zwischen 
Schirmrand  und  Decke,  welcher  wieder  den  Erfolg  um  zwei  bis 
drei  Meterkerzen  verringerte. 

Um  dieses  zu  vermeiden,  wurde  der  groise  Deckenreflektor  um- 
gedreht, mit  der  konkaven  Seite  nach  oben,  wie  umstehendes 
Bild  zeigt. 

Die  Messungen  ergaben  bei  zwei  Starklichtbrennern: 

An  der  Fensterseite  19»71  bis  21,9  Meterkerzen. 

An  der  Innenseite  18  bis  26.8  Meterkerzen,  Katheter  18,0 
Meterkerzen. 

An  der  Wandseite  19,75  bis  21,90  Meterkerzen. 

Bei  drei  Stark lichtbrennem: 

An  der  Fensterseite  20,7  bis  25,55  Meterkerzen. 

An  der  Innenseite  18,75  bis  32,89  Meterkerzen ,  Katheter 
20,735  Meterkerzen. 

Die  Lichtverteilung  im  Raum  ist  gleichmälsig,  wohltuend  für 
das  Auge  und  an  jedem  Platz  so  beschaffen,  dafs  man  von  Seiten 
der  Schulhygiene  damit  zufrieden  sein  kann.  Bedingung  ist,  der 
Schirm  mufs  gut  und  schön  weifs  emailliert  sein ;  er  mufs  von  Zeit 
zu  Zeit  vom  Schuldiener  mit  einem  feuchten  Tuch  an  einer  Stange 


761 

abgewieoht  werden,  damit  die  BeflezionsfUiigkeit  nicdit  verringert 
wird.  Duroh  den  Sohirm  wird  auch  das  sicli  öfter  notwendig 
machende  Streichen  der  Decke  über  den  Lampen  überflüssig. 

Es  waren  folgende  Bedenken  geäofsert  worden :  die  drei  Stark- 
liehtbrenner  würden  das  vollbesetzte  Klassenzimmer  zn  sehr  erwärmen 
und  zu  viele  Verbrennnngsprodnkte  liefern,  welche  Lehrer  nnd 
Kinder  sehfidigen  oder  deren  Arbeitsf rieche  beeinträchtigen  könnten. 

Diese  Bedenken  erschienen  bei  guter  Ventilation  des  Baumes 
hin&Uig,  und  freue  ich  mich,  dab  die  Kommission  in  dem  eingangs 
erwähnten  Bericht  auch  wiederholt  ausdrücklich  betont,  und  z.  B. 
in  §  4,  S.  57  der  Zusammenfassung  nochmals  ausspricht :  „Dagegen 
haben  die  Versuche  gelehrt,  dafs  die  Konkurrenzfähigkeit  des  Ghis- 
glühlichtes  gegenüber  dem  elektrischen  Bogenlichte  in  ganz  uner- 
wartetem Malse  schon  durch  höchst  primitive  Lüftungsvorrichtungen 
(Absugsöffiüungen   knapp  unter  der  Decke)   gesteigert  werden  kann. 

Bei  mit  Menschen  besetztem  Saale  und  geöfiheter  Abzugsklappe 
waren  die  Unterschiede  in  den  Temperaturzunahmen  bei  beiden 
Beleuchtungsarten  so  gering,  dafs  sie  hygienisch  als  bedeutungslos 
beseichnet  werden  dürfen.  Die  Bndkohlensäuregehalte  waren  sogar 
bei  der  Gasbeleuchtung  ein  wenig  kleiner,  was  durch  die  ventilierende 
Wirkung  der  durch  die  Gasbeleuchtung  erzeugten  grölseren  Wärme 
menge  zu  erklären  ist. 

Ein  hygienisches  Bedenken  gegen  die  Verwendung  von  Oüb- 
glühlicht  zur  Litensivbeleuchtung  von  Zeichensälen  u.  dgl.  Bäumen 
auf  indirektem  Wege  liegt  durchaus  nicht  vor,  falls  die  Beleuchtungs- 
körper nahe  der  Decke  angebracht  sind  und  für  zweckmäßigen 
Abzug  der  Verbrennungsprodukte  gesorgt  wird.*' 

Die  Abzugsvorrichtungen  an  der  Decke  sind  in  unseren  Schul- 
häusem  vorhanden,  und  die  Beleuchtungskörper  können  nahe  der 
Decke  angebracht  werden,  so  dais  die  Bedingungen  der  Kommission 
erfüllt  werden  können. 

Wer  die  Wahl  hat  zwischen  elektrischem  Licht  und  Gaslicht, 
wird  zweifellos  ersterem  den  Vorzug  geben.  Ejs  ist  leichter  zu  be- 
dienen, in  der  Handhabung  bequemer,  es  wärmt  weniger,  liefert  fast 
keine  Verbrennungsprodukte  und  ist  unter  Umständen  gefahrloser 
Ar  ein  Schulhaus. 

Soll  elektrisches  Licht  gewählt  werden,  dann  kann  hauptsächlich 
nur  die  indirekte  Beleuchtung  in  Frage  kommen  oder  matte  Birnen 
in  nicht  zu  geringer  Anzahl  in  groüsier  Deckennähe.  Das  Bogen- 
licht  brennt  für  den  Unterrichtsbetrieb  nicht  ruhig  genug,  und  macht 

Schulfl^tnodheittpfleflre.  XVIII.  40 


762 

«ieh  bei  eiDem  grölseren  Baum  die  Beeohaffong  von  mehreren  Bogea- 
lampen  nötige  so  kann  das  Einstellen  der  Kohlen  den  Unterricht; 
wesentlich  stören. 

Wird  eine  gleichmftbige,  ausreichende  Liohtmenge  gewünaohi» 
so  dftrfte  es  nnr  folgende  Wege  geben:  Entweder  eine  Gasbelenchtong- 
ähnlich  der  eingangs  beschriebenen  oder  eine  indirekte  Beleuchtong- 
dnroh  eine  mehr  oder  weniger  greise  Anzahl  von  Glühlampen  (die 
Anzahl  hängt  ab  ron  der  OrOlse  des  Banmes  und  von  der  Kersen- 
zahl  der  Birnen),  oder  eine  direkte  Deokenbelenchtnng,  wobei  die 
Belenchtnngskörper  möglichst  an  der  Decke  zn  befestigen  sind.  Diese 
letzte  Art  ist  aber  nnr  ron  Fall  zn  Fall  zn  wählen,  denn  beim 
Unterricht  wirken  hellere  Punkte  in  der  sonst  gleichmäCugen  Um- 
gebung als  Ermüdungskoeffizienten  für  das  Ange. 

Die  Beleuchtung,  wie  wir  sie  aus  Schreibstuben  kennen,  mit 
grünem  Schirm  und  Pendelhalter  über  dem  Platze  bietet  für  den,  welcher 
darunter  sitzt,  eine  recht  gute  Lichtmenge,  aber  unter  Umständen 
für  dessen  Nachbar  das  direkte  Gegenteil.  Eine  mit  sieben  solcher 
Lampen  ausgerüstete  Klasse  zeigte  recht  verworrene  Lichtverteilungs- 
verhältnisse. Durohgehends  wurden  pro  Bank  andere  Meterkerzen- 
zahlen gewonnen,  schwankend  zwischen  7,5  und  48  Meterkerzen. 
Bei  der  Belichtung  von  Klassen  durch  Tageslicht  müssen  wir  ja 
leider  manchmal  mit  ähnlichen  Zahlen  auszukommen  suchen,  bei 
der  künstlichen  Belichtung  haben  wir  aber  die  Begulierung  in  der 
Hand,  daher  sollten  diese  Lampen  verschwinden. 

Zum  Schlüsse  sei  es  gestattet  noch  einige  Kostenberechnungen 
anzuführen,  welche  ich  durch  die  Liebenswürdigkeit  von  Herrn  Bau- 
meister Pfefferkorn  erhalten  habe. 

Zugrunde  gelegt  sind  die  fiUimburger  Preise: 
0,18  Mark  kostet  1  cbm  Leuchtgas. 
0,60      „  n       1  Kilowattstunde. 

Der  Stromverbrauch  stellt  sich  für  eine 

16  Kerzen  Kohlenfadenglühlampe  50  Watt  auf  Mk.      0,03 

'2b       „  „  76      ,        ,      ,        0,045 

25        „       Osmiumlampe  40      „        „      ,        0,024 

8  Ampere  Bogenlampe  900      n        »»      »        0,53. 

(800  Kerzen  ohne  und  600  Kerzen  mit  Glocke.) 

Kohlenstäbe  für  Bogenlampe  stündlich «        0,01 

Anschaffungskosten  für  eine 

16  oder  25  Kerzen  Kohlenfadenglühlampe „        0,50 

25  Kerzen  Osmiumlampe „        5,50 


753 

Mk.  0,75  zurück  für  alte  Lampen. 
8  Ampere  Bogenlampe  mit  Schalter  und  Wider- 
stand       „    100,— 

Einfaches  Deokenpendel  für  Glühlampen ^        8, — . 

Der  Gasyerbranch  stellt  sich  stündlich  für  einen  gewöhnlichen 

Anerbrenner von  100  Kerzen  anf  0,125  cbm  =  Mk.  0,0225. 

Starklichtbrenner     „     400       „  „0,3         «    =    ,     0,054. 

Anschaffdngskoeten  für  einen  gewöhnlichen 

Anerbrenner  yollständig Mk.     2,50 

Starklichtbrenner „       4,50 

Lampe  mit  drei  Brennern  und  emailliertem  Schirm ...     „     80, — 

Die  Entscheidung  der  Wahl  für  das  eine  oder  andere  System 
hängt  für  jede  Gemeinde  von  speziellen  GMchtspnnkten  ab,  und  diese 
Freiheit  mnJs  gewahrt  bleiben  auch  bei  hygienischen  Fordeningen, 
solange  die  Güte  beider  Beleuchtongsarten  sich  noch  die  Wage  hält, 
wie  es  tatsächlich  heute  noch  der  Fall  ist. 


Zur  Hygiene  der  Schulbank 
in  den  Hilfsschulen  für  SchwachbefUiifte. 

Von 
Dr.  J.  MosBB- Mannheim. 

„Wer  an  den  Weg  baut,  hat  viele  Meister'';  wer  gar  in  der 
kelÜBumstrittenen  Schulbankfrage  an  die  Öffentlichkeit  tritt,  muls 
einer  ausgiebigen  Kritik  gewärtig  sein.  Meinem  in  Nr.  12,  Jahr- 
gang J  904  dieser  Zeüschrift  veröffentlichten  Aufsatze  „Die  Schulbank 
in  den  Hil&klassen  für  Schwachbefähigte*  lag  gerade  die  Absicht 
zugrunde,  kritische  Urteile  erfahrener  Sachverständiger  in  der  bisher 
literarisch  kaum  behandelten  Frage  nach  der  zweckmälsigsten  Bank- 
ansstattung  der  Hilfsschule  herauszufordern.  Den  Herren  Otto 
Schmitt,  F.  Wbiol  und  E.  Basbdow,  die  in  Nr.  1  bezw.  2/3,  Jahr- 
gang 1905  dieser  Zeitschrift  zu  dem  von  mir  angeschnittenen  Thema 
das  Wort  nahmen  (um  zu  einer  meist  ablehnenden  Kritik  meinee 
Standpunktes  zu  gelangen),  kann  ich  deshalb  nur  Dank  wissen.  Wenn 
ich,  angeregt  durch  ihre  Mitteilungen,  mich  hier  noch  einmal  zu  der 
Frage  äuligere,  so  könnte  ich  auf  die  gemachten  Einwendungen  viel- 
fach  in  keiner  anderen  Form  erwidern,    als   indem   ich  meine  da- 

40* 


764 

maligen  Ansfühningen  noch  eiDnal  hierhenetten  würde.  lob  kattv» 
dies  selbetrenttndlieh  ebeneowenig  ton,  wSb  ioh  gewillt  bin*  dasm 
Herren  Sohmitt  und  WneL  darin  su  folgen,  dab  iob  für  mein«- 
Anschannngen  in  diesem  oder  jenem  Punkte  Autoren  ins  Feld  ftthre. 

Bei  der  ins  üngemessene  angewacbsenen  Sohnlbankliteratiir  iaft 
ee  ein  leiobtss,  jede  Ansiebt  mit  Zitaten  su  belegen;  so  könnte  max» 
z.  B.  rar  Widerlegung  der  von  den  Herren  gegen  die  Rime-Bank 
erbobenen  Einwendungen  ein£sob  su  dem  nidhstliegenden  greifen, 
und  auf  die  LeitsAtie  der  beiden  o£Bsiellen  Referenten  über  dae- 
Sebulgebäude  auf  dem  Nflmberger  KongreHs  verweisen,  die  als  bwvor- 
ragende  Sacbverstindige  auf  diesem  Gebiete  sieh  fb  die  Bime-BaDk: 
ausgesproeben  baben. 

lob  will  versueben,  von  den  Punkten,  die  Gegenstand  eineir 
Kontroverse  swisoben  den  genannten  Autoren  und  mir  bilden,  einige» 
die  mir  von  besonderer  bygienisober  Bedeutung  su  sein  scheinen^ 
bier  noob  einmal  einer  erneuten  Bespreobung  su  untenieben. 

Meine  Herren  Kritiker  mögen  snvörderst   beaobten,    dals  iob 
mieb  in  meinem  ersten  Aufsatse  gar  niebt  auf  ein  bestimmtes  Bank- 
system festgelegt,  sondern  nur  gesagt  batte,  dab  „keine  der  von  mir 
bis  jetst  in  HiUsklassen  in  Anwendung  gefundenen  Konstruktionen 
den  Ansprttoben,   die  wir  unter  den  besonderen,   oben  gekennaeiob- 
neten   Verbältnissen   der   HilGBSobule   erbeben   muftten,    so   allseit» 
genfigt,  ab  die  Rimesebe  Sobulbank"*.    Es  bat  für  die  praktisobe 
Entwicklung  der  gansen  Frage  bedeutende  Vorteile,  wenn  man  sieb 
niebt  auf  ein  bestimmtes  System  von  vomberein  einsobwOrt,  sondern,, 
wie  iob  es  versucht  habe,  die  Ansprflobe  formuliert,  die  man  unter 
den  spesiellen  Verhältnissen  an  eine  Bank  stellen  mufs.    Die  iHbrige 
Sobulbankindustrie  mag  siob  dann  anstrengen,  um  durob  stetige  teoh- 
nisebe  Verbesserungen  jenen  hygienisohen  Anforderungen  gereoht  su 
werden.   Die  Richtigkeit  der  von  mir  eingeschlagenen  Methode  wird 
dureb  folgendes  Beispiel  bewiesen:   Ich  hatte  in  meinem  Aufntse 
darauf  hingewiesen,  dais  bei  den  unruhigen  Insassen  der  Hilftklasnen 
durch  das  Bewegen  der  Ffilse  auf  dem  Fuisbrette  ein  sehr  unange- 
nehmes Gkräusch   verursacht   werden   kann.     Der  Vertreter   einer 
Rime-Scbulbank&brik  unterbreitete  mir  alsbald  einen  Verbeasemngs* 
Vorschlag,  der  durch  eine  einfache  technische  Vorrichtung,  die  den 
hygienischen  Wert  der  Bank  nicht  beeinflubt,  jenes  Geräusch  fast 
auszuschlielsen  verspricht. 

Ich  habe  jetst  nach  den  paar  Aufsätsen   ttber  die  Frage  den 
Eindruck,    als  ob  es  nicht  ausgeschlossen  sei,   dals  die  Diskussion 


756 

Mldieiislioh  dahin  fahren  könnte,  einen  besonderen  Sohulbanktypns 
fbr  die  zahlreichen,  in  ständigem  Waohstum  begrififenen  Hilfsklassen 
za  finden.  Die  Besonderheit  der  Verhältnisse  verleitet  entschieden 
4a8n;  anf  die  physische  nnd  psychische  Eigenart  des  SchOlermaierials 
habe  ich  nachdracklich  genng  anfmerksam  gemacht,  auch  daranf, 
4als  die  Spezialmethoden  dee  Unterrichtes  eine  besondere  Konstmktion 
•der  Bank  erheischen.  Es  treten  noch  als  weitere  Momente  hinzu: 
-einmal  die  geringe  Elassenfreqnenc;  wenn  die  übliche  Beeetenng  der 
Normalklassen  die  Schnlbanktechnik  anspannen  mnlste,  die  Snbsellien 
«o  sn  gestalten,  dals  sie  möglichst  wenig  Baum  beanspruchen,  so  ist 
in  der  Hilfsschule  die  Technik  weit  weniger  von  den  räumlichen 
Verhältnissen  abhängig;  zweitens  die  von  WmoL  mit  Becht  hervor- 
^hobene  Tatsache,  dals  in  den  Hilfsklassen  eine  bedeutendere  Ver- 
achiedenheit  der  Bankgröfsen  w^gen  der  unter  sich  weit  mehr  als 
in  Normalklassen  differierenden  Körperlänge  der  Schaler  notwendig 
ist.    Auf  diesen  Punkt  komme  ich  weiter  unten  zurück. 

Aber  wie  sich  auch  schlieislich  die  technische  Erledigung  der 
wichtigen  Schulbankfirage  in  den  EUlfsklassen  gestalten  wird,  gewisse 
hygienische  Grundforderungen  stehen  heute  genügend  fest.  Zu  diesen 
rechne  ich  die  Freilegung  des  Fufsbodens  behufs  gründlicher 
Steinigung  desselben.  Ich  habe  in  meinem  früheren  Aufsätze  die 
Notwendigkeit  einer  solchen  in  den  Hilfsschulen  genügend  begründet. 
Zurzeit  erfüllt  diese  Forderung,  wenn  man  von  den  in  der  Praxis 
noch  nicht  genügend  geprüften  Vorrichtungen  zur  Hochhebung  des 
gesamten  Schulgestühls  absieht»  keine  Methode  beeser  als  das  Um- 
kippen der  Schulbank.  AufEallenderweise  hat  die  umlegbare  Bank 
nicht  den  Beifall  meiner  Kritiker  gefunden;  sie  wissen  allerdings  an 
deren  Stelle  nichts  Besseres  zu  setzen.  Herr  Schmitt  halt  die  üm- 
legbarkeit  der  Bank  für  nicht  unbedingt  notwendig;  sie  könne  bei 
«iner  genügenden  Anzahl  von  Hilfskräften  fär  die  Schubeinigung 
aehr  gut  vermüst  werden.  Herr  Wbiol  glaubt,  dab  durch  auf- 
klappbare Tische  und  bewegliche  Sitze  sich  die  Reinigung  so  günstig 
gestalten  läfst,  als  man  nur  wünschen  kann.  Herr  Bassdow  berichtet, 
dab  man  in  Bremen  die  BsTno-Bank  von  den  Schienen  gelöst  habe, 
weil  auf  den  Schienen  und  Scharnieren  Schmutz  liegen  bleibe.  Dem 
allem  gegenüber  kann  der  Hygieniker  nur  immer  und  immer  wieder 
betonen,  dals  die  Freilegung  des  Fufsbodens  die  fundamentalste 
Vorbedingung  fär  eine  so  gründliche  Reinigung  darstellt,  wie  man 
me  für  die  Schule  und  erst  recht  für  die  Hilfsschule  fordern  mufs. 
Es   ist   mir  als  Arzt  schlechterdings  unverständlich,    wie  man  alle 


766 

möglioheii  Systeme  befürworten  kann,  bei  denen  es  nnr  dnroh  allerlei 
Kanstgriflfe  und  -kniffe  möglioh  iet,  den  Foisboden  cn  reinigen.    In 
der  Hygiene  gilt  unbedingt  der  Ghrundsatz,  dab  dae  Bessere  der  Feind 
des  Ghiten  ist.  Nach  dem  heutigen  Stand  der  Technik  ist  die 
Omkippbarkeit  der  Bank  die  beste  Methode,  den  Boden  für 
die  Reinigung  freizulegen.     Nur  auf  einem  freigelegten  Boden 
laist  sich  frei  und  ungehindert  mit  Besen  und  Beinigungswerkzeugen 
hantieren,  und  jede  Hausfrau,  die  auf  grflndliche  Reinigung  ihrer  Wob* 
nung  hält,  wftre  wahrscheinlich  glflcklioh,  wenn  man  ihre  Möbel  ebenao 
umklappen   könnte  wie  die  BffrriGsche  Schulbank.    Beachtenswert 
sind  die  Mitteilungen  dee  Herrn  Baskdow.    Ich  hatte  bis  jetzt  nicht 
gehört  oder  gesehen,  daCs  die  Schienen  und  Gelenkfdlse  der  Rnmo- 
Bänke   fbr   die  Reinigung  Schwierigkeiten  ergeben   hätten.     Wenn 
Herr  Basbdow  beim  Besuche  fremder  Schulen  solche  Slohmutzablage* 
rungen  so  leicht  sehen  konnte,  dann  lag  ein  yollstftndiges  Versagen 
der  Eontrolle  der  Reinigung  vor,   der  dies  doch  auch  nicht  hätte 
entgehen  dürfen.    Eine  Kontrolle  der  Reinigung  ist  aber  gerade  bei 
der  umkippbaren  Schulbank  au&erordentlich  erleichtert. 

Auf  eine  weitere  von  mir  erhobene  Forderung  kann  ich  als 
Arst  trotz  der  Einwände  des  Herrn  Schmitt  (Herr  Wbigl  geht  auf 
diesen  Punkt  nicht  ein,  Herr  Basbdow  stimmt  mir  zu)  nicht  ver- 
zichten: auf  das  Fufsbrett.  Herr  Schmitt  wird  mit  seinem  Rufe: 
„Fort  mit  dem  Fuisrost,  der  nicht  direkt  auf  dem  Boden  aufli^* 
unter  den  Hjgienikem  sicher  keine  Anhänger  finden,  aber  auch 
kaum  unter  den  Pädagogen,  die  neben  den  gesundheitlichen  VorteileD 
des  Fulsbrettes  auch  den  Wert  erkannt  haben,  den  dasselbe'  im 
Unterrichte  durch  Ermögliohung  eines  höheren  Sitzens  der  Kinder 
dem  Lehrer  bietet.  Im  übrigen  habe  ich  betrefis  dee  Fulsbrettes  in 
meinem  ersten  Artikel  alles  Nötige  gesagt.  Herr  Schmitt  hat  von 
den  dort  gemachten  Ausführungen  die  Äulserung  angegriffen,  dab 
das  Fulsbrett  eine  gute  Stütze  beim  Sitzen  abgebe.  Elr  sagt,  dafs 
„dasselbe  keine  Stütze  des  Körpers  bieten,  sondern  vielmehr  dem 
Unterschenkel  als  Ruhelage  dienen  und  dadurch  die  Oberschenkel 
entlasten  soll''.  Dieser  Satz  ist  mir  unyerständlich.  Wenn  man  den 
Unterschenkeln  eine  Ruhelage  gibt  und  die  Oberschenkel  entlastet, 
so  stützt  man  doch  wohl  damit  den  Körper  beim  Sitzen. 

Herr  Schmitt  wendet  gegen  das  Fulsbrett  weiter  ein,  dals  der 
unter  demselben  liegende  Staub  und  Schmutz  nicht  genügend  berück- 
sichtigt wird.  „Denn  auch  der  eifrigste  Schuldiener  wird  einmal 
Gelegenheit  finden,  den  Schulsaal  ohne  Umlegen  der  Subsellien  zu 


757 

reinigen.^  Ich  meine,  ein  Sohuldiener»  der  die  selbst  von  einer 
Kinderhand  zu  bewerkstelligende  Umkippimg  der  Bank  nnterlftbt, 
wird  siob  erst  recht  manche  der  schwierigen  Manipulationen  schenken, 
die  bei  der  nicht  umlegbaren  Bank  zur  Reinigung  nötig  sind.  DaDs,  wie 
Schmitt  weiter  annimmt,  Speisereste  unter  dem  FuJbroste  verborgen 
liegen  bleiben  und  in  Fäulnis  übergehen  können,  ist  nicht  allzu  hoch 
anzuschlagen.  Eine  zweimalige  Reinigung  in  der  Woche  wird  man 
ja  wohl  verlangen  müssen,  und  in  ^n  kurzen  Zwischenzeiten  ent* 
steht  wohl  kaum  eine  Fäulnis,  die  iq;endwelohen  gesundheitlichen 
Schaden  stiften  kann.  Ein  solcher  Schaden  stünde  weit  zurück 
hinter  dem,  der  ohne  Fuisbrett  das  Aufscharren  und  Aufwirbeln  des 
Schmutzes  und  Staubes  verursacht,  Denn  nicht  in  ein  paar  ruhig 
liegen  gebliebenen  Speiseresten  haben  wir  den  ge&hrlichsten  Feind 
dee  Kindes  in  der  Schule  zu  erblicken,  sondern  in  dem  Schulstaub. 
Das  ist  eine  so  elementare  hygienische  Erkenntnis,  dafs  man  ihr 
nicht  irgendeinem  Banksystem  zuleide  oder  zuliebe  Gewalt  antun 
sollte. 

Ich  komme  nun  zu  einer  weiteren  von  mir  erhobenen  Forderung, 
um  derentwillen  ich  besonders  das  Müsfallen  des  Herrn  Weigl  ge- 
funden habe.  Unter  Hervorhebung  der  physischen  und  psychischen 
Schwäche  des  in  Frage  kommenden  Schülermaterials  hatte  ich  ver- 
langt, dafs  man  bei  diesen  Kindern  sich  nicht  darauf  verlassen  solle, 
dafs  ihre  Aufinerksamkeit,  Zucht  und  Selbstbeherrschung  das  Ein- 
nehmen und  Einhalten  einer  richtigen  Sitzhaltung  ermöglicht,  sondern 
bestrebt  sein  solle,  die  Sitzkonstruktion  der  Bank  so  zu  gestalten, 
dab  eine  gesundheitsmälsige  Haltung  gleichsam  erzwungen  wird. 
Das  Wort  „erzwungen"  hat  Herrn  Wxigl  veranlagt,  eine  Stelle  aus 
EüLBNBiBChBACH  gegen  mich  zu  zitieren,  die  mich  gar  nicht  trifft. 
Dort  ist  von  dem  Erzwingen  einer  aufrechten  Haltung  die  Rede, 
das  den  hygienischen  Grundsätzen  widerspricht,  nach  denen  den 
Schülern  stets  soviel  Raum  zu  gewähren  ist,  dab  sie  keine  ein* 
gezwängte,  sondern  eine  völlig  ungezwungene  Sitzlage  haben.  Ich 
habe  aber  nicht  das  „Erzwingen^  einer  aufrechten  Haitang  (etwa 
durch  eine  steile  Lehne  oder  eine  Zwangseinrichtung)  verlangt, 
sondern  ausdrücklich  einer  „gesundheitsmäfsigen*^  Haltung;  diese 
gesundheitsmälsige  Haltung,  bei  der,  wie  ich  sagte,  jeder  belästigenden 
Einengung  vorgebeugt  werden  mufs,  wird  in  der  Hilfsschule  nicht 
leicht  durch  Energie  und  Aufmerksamkeit  des  Schülers  erreicht, 
sondern  die  Konstruktion  der  Bank  soll  derart  sein,  dafig  der  Schüler 
gut  sitzen  mufs.     Man  weiis,   dab  es  Bänke  gibt,  in  welchen  der 


758 

Sohfller  sohleoht  aitsen  muh,  dab  es  aber  woU  keine  Bank  gibt, 
in  welcher  der  Sohfller  nioht  aohleokt  sitsen  kann.     Die  EifUlang 
der  Ton  mir  erhobenen  Ansprache  an  die  Schulbank  der  Hilfeklaasen, 
die  sich  auf  GhröÜBenanpasBnng,  Fnüibrett,  Lehnenform  nnd  Ldinen-* 
abstand»  Sitsbrett  nsw.  besogen»  soll  bedingen,  dafs  der  Schale  bei 
einiger  Anfisierksamkeit  des  Lehrers  nicht  gnt  anders  denn  ,,gesand- 
heitsgemals'^   sich  halten    kann.    Das  war   der  Sinn  meber  Au»- 
ftthmngen.     Von  einem  Eins w&n gen  war  dabei  nur  insofern  die 
Bede»  als  ich  jedes  Binswangen  Tenirteilte.    Herr  SoHinn  erkannt 
dies  an  nnd  sitiert  meine  Worte:    «Dabei  mnls  jeder  belAstigendeii 
Einengung  yorgebengt  werden.  **     Er  ftlgt  hinsn:    „Und   trotidem 
empfiehlt  er  die  einengende  RBTTIO-Bankl     Wie  reimt  sich  das  su- 
sammenf*     Es   ist   klar»   dafs  ich»  wenn   ich  irgendwie  die  Über- 
sengnng  hatte  gewinnen  können,  da(s  die  Bsnra-Bank  die  yon  mir 
verurteilte  belästigende  Einengung  mit  sich  bringt,  nicht  su  dem 
Endergebnis  bezflglich  der  Rnme-Bank  gekommen  wäre,  das  idi  in 
meinem  ersten  Aufsatse  verö£fentlichte.  Herr  Schmitt  sieht  offenbar  die 
einengende  Wirkung  der  BiTTi«*Bank  darin»  dab»  wie  er  sich  aus- 
drückt,  «der  Brtistkasten  infolge  der  steilen  Lehne  an  die  yordoe 
Pulikante  angedrückt  wird*^.    Zahlreiche  Messungen  hab«i  erwiesen» 
dab  bei  richtiger  Anpassung  der  Bimo-Bank  an  die  EörpergröiM 
zwischen  Bmstwand  und  hinterer  Pultkante  eine  Distans  von  10  cm 
vorhanden  ist.    Herr  Schmitt,  der  die  BarTia-Bank  auf  der  einen 
Seite  beschuldigt,  dab  in   ihr  «der  Brustkasten  infolge  der  steilen 
Lehne  an  die  vordere  Pultkante  angedrttckt  wird*»  wendet  anderer- 
seits meine  Worte,  die   ich   in  besug  auf  das  unbeaufsichtigte 
Sitien  der  Hilbsohüler  in  unsweckm&fsigen  Bänken  gebraudit 
habe,   auf  die  BiTTiQ-Bank  an:    „Die  Eörperstellung  ist  miserabel» 
der  Bumpf  liegt  vorgebeugt  und  susammengedrückt»   der  gedrehte 
Kopf  fast  auf  dem  Pulte  auf."    Da  muTs  ich  nun  Herrn  Schmitt 
mit  seinen  eigenen  Worten  fragen:  „Wie  reimt  sich  das  Eusammen?* 
Seine  awei  Behauptungen  in  besug  auf  die  BsTTie-Bank  lassen  sich 
schwer  vereinen.     Entweder   ist  der  Bumpf  festgezwängt  swisohcD 
steiler  Lehne  und  Pultkante»  dann  kann  der  dermaben  eingeswängte 
Bumpf  nicht   zusammengeknickt  und  -gebengt   auf  dem  Pulte  auf- 
liegen, oder  der  Bumpf  liegt  wirklich  dermaben  auf  dem  Pulte  auf» 
dann  kann  er  nicht  eingezwängt  sein. 

Herr  WiieL  hat  in  verdienstvoller  Weise  darauf  hii^wieseD, 
dab  die  Verschiedenheit  der  notwendigen  Bankgröfsen  in  den  HiUi- 
klassen   bedeutender   ist   als   in   den   Normalklassen.    Ich   war   in 


759 

meinem  ersten  An&atze  aof  diesen  Punkt  deshalb  nicht  eingegangen, 
weil  hier  beträchtliche  lokale  Difierenzen  bestehen  und  ich  mehr 
bestrebt  war»  die  für  alle  Fälle  geltenden  einheitlichen  Forderungen 
zu  formulieren.  ISs  ist  klar,  dafs  die  Verschiedenheit  der  notwendigen 
Bankgröfsen  dort  bedeutender  ist,  wo  mehrere  Jahrgänge  in  einer 
Klasse  yereint  sind,  als  dort,  wo  eine  gröbere  Abstufung  der  Hilfs- 
klassen besteht.    Die  Frage  ist  aber  auf  alle  Fälle  sehr  wichtig. 

Nur  bestreite  ich,  dafs  sie  lediglich  durch  Verwendung  einer 
▼erstellbaren  Schulbank  su  lösen  ist.  Denn  sonst  würde  auch  die 
Schulbankhygiene  einer  mehrklassigen  Landschule  mit  der  Yeistell* 
baren  Bank  stehen  und  fiedlen.  Ohne  damit  die  Verwendbarkeit 
eines  anderen  Subselliums  in  der  Hilfsschule  auszuschliefsen,  will 
ich  in  folgendem  kuns  den  Nachweis  versuchen,  dafe  man  mit  der 
▼on  dem  genannten  Autor  angegriffenen  BBTTIG-Bank  der  Ver- 
mhiedenheit  der  BankgrOfsen  in  den  Hilfisklassen  yollständig  gerecht 
werden  kann.  Die  WBKftLschen  Zahlen  sind  allerdings  zu  diesem 
Nachweise  um  dessentwillen  nicht  gut  brauchbar,  weil  die  OrOlsen- 
gruppeneinteilung  nicht  der  bei  der  BicTTiG-Bank  üblichen  entspricht. 
Ich  setze  deshalb  die  genauen  Gh-öfsenzahlen  aus  drei  anderen  Hilfis- 
klassen hierher: 

Klasse  I  mit  17  Schülern  weist  folgende  Gröüsen'auf  bei  einer 
Differenzierung  des  Alters  Ton  7  Jahren  bis  zu  10  Jahren  1  Monat : 

107  cm 2  Schüler      116  cm 1  Schüler 

108  „ 3        ,  117    „ 1        „ 

109  „ 2       ,.  122    „ 1        „ 

110 1        „  128    „ 1        „ 

112    „ 1        „  129    „ 2        „ 

114 1        .  130    „ 1        „ 

Klasse  II  mit  18  Schülern  weist  folgende  Orölsen  auf  (das 
Alter  differiert  Ton  8  Jahren  9  Monaten  bis  zu  13  Jahren  4  Monaten) : 

110  cm 1  Schüler      130  cm 1  Schüler 

"6    „ In  131  n 2  , 

120    ^ 2        „  132  3  „ 

123  „ 1        „  133  „    1  „ 

124  „ 1        ^  134  „ 1  , 

125  „ 1        „  138  „ 1  „ 

129    „ 1        „  148  , 1  „ 


760 


KlasBe  III  mit  16  Sohttlern  weist  folgende  KOrpergrOisen   auf 
(Alter  10  Jahre  bie  18  Jahre  5  Monate): 

Schüler       134  cm 3  Schüler 


118  om 

121    ,  . . . . 

123    ..... 

126    ,  . . . . 

127    „.... 

130    ,  .... 

183    ,  .... 

135 
187 
140 
141 
144 
145 


1 
1 
1 
1 
1 
1 


Die  Venohiedenhät  der  KörperUüage  innerhalb  einer  Hil/itHmiiw 
ist,  wie  man  aus  den  angeführten  Zahlen  enieht»  konfonn  den  be- 
trftohtlichen  Altersnntersohieden  eine  sehr  giofiM,  aber  in  Veigleieh 
zu  NormalUaasen  gesetst  keine  ongewChnliohe.  Der  jflngst  in  dieser 
ZeUaehrifl  (Jahrgang  1905,  fleft  3/4)  verOffnitUehten  statistisehen 
Arbeit  von  Dr.  EjODAbo  Quntsnu)  ist  m  entnehmen,  dafr  innojialb 
desselben  Jahrganges  bei  Kindern  im  Alter  von  6 — 10  Jahren 
GrOÜMnnntersohiede  Ton  28 — 89  om  die  Begel  bilden.  Die  Ton  den 
Bimasohen  Sohnlbankfabriken  herausgegebenen  Normalaofstellongen 
sehen  für  jedes  Sohnljahr  deshalb  drei  BankgrOJsen  vor.  Eine  tabel- 
larisohe  Zusammenstellung  unseres  Hil&sohfllermaterials  ergibt,  dab 
in  den  Hilfiklassen  bis  zu  fünf  filme -BankgröDsen  nötig  werden 
können. 


Zahl  der  Sohnler  mit  OrSläe 

KlMM 

I 
unter  116 

OlD 

II 

116-124 

om 

in 

124-132 
om 

IV 

182-141 

cm 

V 

141— löO 

om 

Summe 

I 

10 

3 

4 

— 

— 

17 

n 

2 

4 

8 

3 

1 

18 

m 

— 

3 

8 

7 

3 

16 

12 

10 

15 

10 

4 

61 

Die  51  Sitse  würden,  wenn  die  Schüler  alle  in  einer  Klasse  yer- 
einigt  wflren,  in  yerteilen  sein  auf  6  Bftnke  der  Grüüse  I,  5  Bftnke 
der  Gröfse  U,  8  Bänke  der  Ghrölse  III,  5  B&nke  der  OrOise  lY, 
2  Bänke  der  GbOlse  V.  Infolge  der  Verteilnng  aher  der  Schüler 
anf  drei  Klassen  würden  statt  26  Bftnke  nngefilhr  29  nötig  sein. 
Die  Zahl  der  ftLr  eine  GrOlse  nötigen  Sitze  ist  natürlich  nicht  immer 


761 

dnreli  2  teilbar,  es  köonen  1,  2  oder  3  Sitee  unbenutzt  bleiben,  nnd 
bei  solob  kleinen  Klassen  kann  die  Anzahl  der  Sitze  etwas  grODser 
sein  als  die  Zahl  der  Schüler.  Übrigens  lassen  sich  die  Grenzen 
der  für  die  einzelnen  Banknnmmem  festgesetzten  Schülergröfeen  ohne 
das  geringste  hygienische  Bedenken  nach  oben  oder  nnten  nm  etwas 
verschieben;  ein  Kind  von  131  cm  Körperlänge  kann  auch  Nr.  IV, 
ein  Kind  von  133  cm  Körperlftnge  auch  Nr.  HE  benutzen.  Selbst 
wenn  man  die  Grenze  der  Benutzbai^eit  einer  Rime-Banknummer 
um  4  cm  über  das  exakte  Gruppenmafe  nach  oben  und  unten  aus- 
dehnt» wodurch  man  allen  jemals  vorkommenden  Schwankungen  ent- 
gegenkommen könnte,  würde  das  E^ind  nicht  geschädigt  werden. 
Eine  Abweichung  von  4  cm  in  der  Körpergröfse  ergibt  bei  der 
SsTTiG-Bank  auf  die  Sitzhöhe  nur  1,1  cm,  auf  die  ,,Differenz^  nur 
0,8  cm.  Die  konkrete  Erfüllung  der  Forderung,  dafe  jedes  Kind 
genau  die  seiner  Gröfse  entsprechende  Bank  hat,  begegnet  hier  also 
keinesfalls  den  Schwierigkeiten,  welche  Weiql  annimmt.  Auch  bei 
strengster  Einhaltung  der  RsTTiGschen  Normalgröfsen  wären  für  die 
drei  als  Beispiel  aufgeführten  Hilfsklassen  29  RsTTie-Bänke  nötig. 
In  einem  gro&en  Schulkörper  —  und,  wo  Hilfakassen  bestehen,  hat 
man  es  immer  mit  einem  mehr  oder  minder  grofsen  Volksschnl- 
organismus  zu  tun  —  ist  es  erst  recht  leicht,  aus  dem  Bestand  an 
RsTTlG-Bänken  die  nötigen  Nummern  bereit  zu  stellen.  Die  Ver- 
schiedenheit der  notwendigen  Bankgröisen  in  den  Hilfsklassen  bedingt 
also  keineswegs,  ein  System  der  Schulbank  mit  fixen  Teilen,  das 
sonst  hygienische  Vorteile  bietet,  zu  verlassen  zugunsten  einer  in 
Sitz,  Pult  und  Lehne  verstellbaren  Bank.  Gegen  letztere  habe  ich, 
wenn  sie  auch  sonst  die  von  mir  heute  wieder  aufgestellten  hygieni- 
schen Grundforderungen  erfQllen  sollte,  ein  Bedenken.  Die  Bank- 
einstellung ist  abhängig  von  dem  subjektiven  Augenma&e  der  ein- 
stellenden Person.  Die  Einstellung  ist  keineswegs  so  sicher  und 
ein&ch,  und  auch  bei  gröfster  Sorgfalt  der  Person,  welche  die  Ein- 
stellung vornimmt,  dürften  umfangreichere  Abweichungen,  als  sie 
die  oben  angeführten  gröisten  Schwankungen  bei  der  RsTTlG-Bank 
von  1,1  bezw.  0,8  cm  darstellen,  nicht  zu  vermeiden  sein.  Eine  präzis 
und  exakt  auf  ein  bestimmtes  Körpermals  gearbeitete  Gruppenbank 
bietet  zum  mindesten  dieselben  Garantien  für  eine  gesundheitsgemäfse 
Anpassung  als  die  einstellbare  Bank.  Dabei  gebe  ich  zu,  was  ich 
auch  schon  in  meinem  ersten  Au&atze  angedeutet  habe,  dals  in  ein- 
zelnen ganz  besonderen  Fällen  die  Aufstellung  eines  individuell 
angepafsten  Subselliums  nötig  werden  kann. 


762 

Im  übrigen  spielen  in  die  jetit  begonnene  Diakuadon  übei  di» 
Sohnlbankfirage  in  der  Hilfinohnle  alle  strittigen  Probleme  der  all- 
gemeinen Schnlbankürage  hinein,  über  die  eben  eine  Einigung  nieht 
80  raaoh  sioh  Yollziehen  wird,  als  es  wünsohenswert  wäre.  YieUeioht 
bewährt  sioh  aber  auch  in  der  Sohnlbankfrage  eme  Er&knmg,  die 
man  in  der  Medisin  und  der  Pädagogik  schon  oft  machen  konnte» 
dafs  das  Stndinm  der  Verhältnisse  am  Anormalen  (hier  an  dem  körper- 
schwachen  Schülermaterial  der  Hilbklassen)  Licht  wirft  in  nn* 
gddärte  Probleme  des  Normalen. 


iXttf  Herfattttlitttgett  tttt)  Heretttett. 


Die  Bedeutiing  öflisntUeher  Spiel-  und  BportpUtM 
Ar  die  Volkigerandheit. 

Vortrag,  gehalten  an  der  80.  Versammlung  des  Deutschen 
Vereins  für  öffentliche  Oesnndheitspflege  in  Mannheim, 
September  1905»  Ton  Dr.  F.  A.  Sohmibt  in  Bonn  (Autoreferat). 

Wohl  selten  hat  eine  hygienische  Malsnahme  in  Deutschland 
eine  sc  schnelle  Verbreitung  gefunden  als  die  Anstellung  Yon 
Schulärzten.  Seit  Erlab  der  Dienstordnung  für  die  städtischen 
Schulärste  in  Wiesbaden  1896  haben  über  100  Städte,  mehr  oder 
weniger  dem  gegebenen  Muster  sich  anschliebend,  ihre  Volks-  und 
zum  Teil  auch  Mittelschulen  einer  hygienischen  Au&icht  durch 
Schulärzte  unterstellt.  Für  die  höheren  Schulen  steht  allerdings 
diese  Einrichtung  noch  so  gut  wie  gänslich  aus.  Diese  schnelle 
Entwicklung  in  noch  nicht  zehn  Jahren  ist  wesentlich  der  Erkenntnis 
zu  danken  y  dab  ein  überraschend  grober  Bruchteil  der  heran- 
wachsenden Schuljugend  körperlich  minderwertig  sei.  Fast  in  keiner 
Stadt  zeigte  sich  auch  nur  die  Hälfte  der  Schulkinder  voll  entwickelt 
und  Ton  guter  Konstitution.  In  manchen  Orten  waren  es  weit 
geringere  Bruchteile,  die  als  von  guter  EörperbeschafiFenheit  be- 
zeichnet werden  konnten.  So  in  Chemnitz  (1902/03)  7,9%,  in 
Charlottenburg  (1900)  11,5%,  Offenbach  (1897)  20%,  Daimstadt 
(1898)  26,3%  usw.  In  Wiesbaden  waren  1896  2b^/o  kränklich, 
in  Leipzig  1900  41,06%  ärztlicher  Behandlung  bedürftig,  in  Schöne- 
berg (1900)  62%,   in  Stuttgart  (1904)  67%  schadhaft.     Das  aUes 


763 

sind  Ergebnisse  einer  nur  einmaligen  Untersnchnng.  Sie  wären 
noeh  trauriger,  wenn  nach  der  yon  Hbbtrl  in  Kopenhagen  und  Kat 
in  Stookholm  seinerzeit  befolgten  Methode  auch  fiber  diejenigen 
Sohwächezustftnde,  welche  wfthrend  des  Schuljahres  sich  zeigten 
(Eop&chmerzen,  Nasenbluten,  Appetitlosigkeit,  Schlaffheit  usw.)^ 
Angaben  seitens  der  Lehrer  und  Eltern  Yorlfigen  und  hinzugerechnet 
würden.  Es  wuchst  also  zurzeit  eine  körperlich  sehr  minderwertige 
Jugend  in  unseren  Schulen  heran. 

Kein  Zweifel,  dab  soziale  Milsstftnde  bei  den  ärmeren  Volks- 
sohichten  einen  greisen  Teil  der  Schuld  daran  tragen.  Es  sind  vor 
allem  schlechte  oder  fehlerhafte  Emfthrung  (ein  Fünftel  der  Volks- 
schaler  zeigte  sich  1903  als  mangelhaft  ernährt),  weiter  ungesunde 
Wohnungen  u.  dergl.,  welche  die  hohe  Kränklichkeit  der  Schul- 
jugend mit  verursachen.  Hierhin  sind  besonders  zu  zählen  die 
Skrophulose  (in  Magdeburg  waren  |1903  16,5  Vo,  bei  den  Schul- 
rekruten der  Stadt  Bautzen  1901  21%,  1902  19%,  1904  40% 
skrophulOsl),  sowie  die  Bhachitis  (Stuttgart  1903  44%,  München 
1900  34%).  Es  muls  aber  betont  werden,  dals  auch  bei  den 
Kindern  der  besser  gestellten  Volksschichten  (z.  B.  in  den  Mittel- 
schulen) die  Kränklichkeitsziffem  noch  reichlich  hohe  sind.  Während 
femer  sich  Bhachitis  und  Skrophulose  während  der  Schulzeit  natur- 
gemäb  rermindem,  nebmen  währenddessen  Blutarmut  und  Bleich- 
sucht, nenrOse  Schwäche  u.  dergL  zu.  So  stieg  z.  B.  die  Zahl  der 
an  Blutarmut  Leidenden  während  der  Schulzeit  in  Darmstadt  Ton 
6  auf  13%,  in  Schöneberg  von  14  auf  17  7o.  Daraus  schon  ergibt 
sich,  dals  neben  fehlerhsiter  Ernährung,  ungesunden  Wohnungs« 
yerhältnissen  usw.  noch  andere  im  Schulleben  begründete  Ursachen  fftr 
die  Schwächezustände  bei  den  Schulkindern  Yorhanden  sein  müssen. 

AxBL  Kbt  stellt  an  die  Spitze  seiner  schulhygienischen  Unter- 
suchungen den  Satz,  dab  die  Schädigungen,  welche  das  Schulleben 
auf  die  Gesundheit  der  Kinder  ausübt,  vor  allem  beruhen  auf  dem 
▼ielen  Stillesitzen  und  der  Unzulänglichkeit  der  Körper- 
bewegungen. 

In  der  Tat  ist  der  Bewegungstrieb  dem  Kinde  eingepflanzt  als 
ein  Lebensbedürfnis,  ebenso  mächtig  wie  das  Verlangen  nach  Speise 
und  Trank.  Beiohliche,  regelmälsige  Bewegung  zählt  zu  den  „nor- 
malen Lebensreizen''  (Buchnbr),  d.  h.  ist  ein  unersetzliches  Er- 
fordernis zum  vollen  gesunden  Wachstum  des  Körpers,  und  kann 
ohne  Schädigung  der  körperlichen  Entwicklung  nicht  remachlässigt 
oder   eingeschränkt   werden.      Regelmäßige    Bewegung   kräftigt  in 


764 

eroter  Linie  das  die  Hälfte  der  gesamten  Körpermasse  ansmaohende 
Muskelgewebe  selbst  und  belebt  damit  wirksam  den  Gesamt- 
stoffwechsel  des  Körpers.  Ebenso  erbält  das  Knoehengerüst  robifl 
Festigkeit  und  typische  Ausgestaltung  wesentlieh  durch  die  Tätigkeit 
der  an  ihm  wirkenden  Muskeln.  Vor  allem  aber  sind  es  die  natfir- 
liehen  Schnelligkeitsübungen  im  Freien  —  beim  Kinde  in  allererster 
Linie  das  Laufen,  dem  sich  später  als  ähnlich  wirksam  das  Ha^ 
schieren  und  Bergsteigen,  das  Schwimmen  und  Rudern  beigesellea  — 
ein  anderswie  nicht  ersetzbares  Mittel  zur  Entwicklung  einer  atem- 
tüchtigen  und  widerstandsfähigen  Lunge,  eines  kräftigen  Hersens, 
sowie  einer  gesunden  Blutfülle.  Die  Jugend  ist  aber  wegen  ilusr 
besonderen  Kreislaufyerhältnisse  —  verhältnismälsig  kleines  Herz 
bei  weiten  Schlagadern,  während  beim  Erwachsenen  die  Verhältniase 
geradezu  umgekehrt  liegen  —  ganz  besonders  geeignet  zu  heftigeren 
Laufbewegungen,  yerträgt  solche  weit  leichter  als  der  voll  E^ 
wachsene.  Die  Form  aber,  in  der  der  Lauf  am  zuträglichsten  geäbt 
wird,  ist  das  Jugend  spiel.  Beim  Kinde  unter  zehn  Jahren  tragen 
die  Spiele  mehr  den  Charakter  harmlosen  fröhlichen  Tummebs  und 
bedeuten  durch  die  hiermit  verbundenen  Lustgefühle  eine  wahre 
Kervenstärkung.  Beim  mehr  herangewachsenen  Knaben  erhält  das 
Spiel,  soll  es  stets  fesselnd  sein,  einen  reichen  Inhalt  und  wird  zum 
fein  ausgebildeten  wechselvollen  Kampfispiel.  Hier  werden  die 
wichtigen  Eigenschaften  der  Schlagfertigkeit  und  Geistesgegenwart 
ausgebildet,   entwickeln  sich   Selbständigkeit   und  frische  Liitiati?e. 

Wo  aber  kann  sich  unsere  Jugend  solcher  Bewegung  im  Freien 
hingeben?  In  unseren  heutigen  Grols-  und  Mittelstädten  dienen  die 
Stralsen  lediglich  dem  immer  mehr  entwickelten,  für  die  dahin- 
wandelnden  Kinder  zu  einer  beängstigenden  Gefahr  gewordenen 
Verkehr;  die  Platzflächen  der  Städte  werden  in  zunehmendem  Malae 
mit  umgitterten  Schmuckanlagen  bedeckt  und  so  der  spielenden 
Jugend  verleidet;  die  Grundstücke  im  dichtbebauten  Kern  der  Stadt 
weisen  längst  keine  gröfseren  Hinterhöfe,  geschweige  denn  Haas- 
gärten auf,  sondern  nur  noch  enge  sonnenarme  Luftschachte  zwischen 
hohen  Hintergebäuden.  Die  zum  gesunden  Gedeihen  unerläMiche 
Bewegung  in  guter  Luft  und  Sonnenschein  ist  dem  heranwachsenden 
Geschlecht  in  den  Städten  immer  mehr  verwehrt.  Kein  Wunder, 
dals  es  eine  blutarme,  schwächliche  und  schlaffe  Jugend  ist,  welche 
unsere  Stadtschulen  bevölkert. 

Diese  besonderen  Verhältnisse  erfordern  auch  besondere  Mab- 
nahmen  zur  Gesunderhaltung  des  Volkes.     Darum  bedürfen  wir  in 


765 

dem  HäQsergewirr  der  Städte  Gelegenheiten  znr  erholenden  Be- 
wegung im  Freien;  nicht  nnr  Sohmnckanlagen  als  Schanstüeke  für 
müJGaige  Spaziergänger,  sondern  sonnige,  allgemein  zugängliche 
Tummelplätze  für  gesunde  kräftige  Bewegung. 

Nur  geringen  Raum  beanspruchen  die  Kinderspielplätze 
für  die  S^leinsten,  für  die  noch  nicht  schulpflichtige  Jugend.  Es 
bestehen  solche  wohl  in  den  meisten  Städten,  ihre  Zahl  ist  aber 
überall  eine  zu  geringe.  Insbesondere  fehlen  sie  meist  da,  wo  sie 
am  nötigsten  wären,  nämlich  mitten  in  den  gedrängten  Wohnvierteln 
der  Kleinbürger  und  Arbeiter. 

Was  femer  die  Schulhöfe  betrifft,  so  sollen  sie  eine  reich- 
liche Gröise  haben  —  das  übliche  Mats  von  2,25  m  für  jedes  Kind 
ist  nicht  genügend,  vielfach  nicht  einmal  erreicht.  Sie  sollen  durch- 
lässigen trockenen  Boden  besitzen,  bei  Staubentmcklung  regelmäßig 
besprengt  werden,  und  nur  im  Umkreis  mit  Bäumen  bepflanzt  sein, 
da  der  Spiel-  und  Tumbetrieb  nicht  möglich  ist  ohne  eine  genügende 
ununterbrochen  freie  Fläche. 

Für  die  mehr  herangewachsenen  Schüler,  über  das  zehnte  Lebens- 
jahr hinaus,  genügt  aber  nicht  der  Schulhof.  Hier  bedürfen  wir 
weit  gröfserer  Flächen  als  Spielplätze,  die  auf  die  einzelnen 
Stadteile  planmäisig  verteilt  herzustellen  sind.  Seilen  diese  Spiel- 
plätze aber  ihren  hygienischen  Zweck  wirklich  erfüllen,  so  müssen 
sie  auch  zu  geordnetem  Spielen  von  der  gesamten  Schuljugend  benutzt 
werden,  d.  h.  es  sind  an  den  Schulen  regelmäfsige  für  alle  ver- 
bindliche Spielnachmittage  einzuführen.  Mit  freier  Beteiligung 
kommen  wir  nicht  weiter;  es  bleiben  dann  erfahrungsgemäfs  die 
echlafien  Schüler  und  die  verzärtelten  Muttersöhnchen  zuerst  vom 
Spielplatze  weg,  obschon  gerade  diesen  frische  Bewegung  im  Spiel 
mit  den  Altersgenossen  am  meisten  not  täte. 

Nach  dieser  Bichtung  hin  sollten  wir  uns  mehr  die  englischen 
Verhältnisse  zum  Muster  nehmen.  Besonders  sollten  wir  auch  von 
den  Engländern  und  Nordamerikanem  das  übernehmen,  dafs  weite 
Basenflächen,  für  jeden  aus  dem  Volke  zu  Spiel  und  sportlicher 
Übung  ungehemmt  zugänglich,  einen  selbstverständlichen  Bestandteil 
einer  jeden  gröüseren  öffentlichen  Parkanlage  zu  bilden  haben. 

Gesunde  Form  der  Erholung  müssen  wir  aber  auch  den  Lehr- 
lingen aus  dem  Kaufmanns-,  Handwerker-  und  Arbeiterstand  er- 
möglichen. Spiele  im  Freien,  Wanderungen  und  regelmäfeige  Leibes- 
übung sind  da  nicht  nur  ein  wirksamer  Bundesgenosse  zur  Bekämpfung 
frühzeitigen  Alkoholmifsbrauchs,    sondern   auch    notwendig    zur  Er- 


766 

haltoBg  und  Meknmg  körp«rlidher  Erisohe  nnd  ArbeitstftohtiglDait. 
Sohon  gleioh  naeh  Vollendnng  d«e  14.  LebenajahreB,  noch  mittan  in 
der  Waehrtnmsperiode«  werden  diese  jungen  Leate  yon  frah  bis 
spät  in  die  Luft  des  Eontors,  der  Werkstabe,  des  FabrikssAleB 
gebannt  Nicht  nur  das.  Spät  in  den  Feierabendatiinden  sollea  sie 
sich  auch  aum  Fortbildnngsnnterricht  auf  die  Schulbank  seteeoi. 
Hier  wird  mithin  ein  schlimmer  Mibbranch  warn  Schaden  der 
körperlichen  Entwicklung  getrieben.  Mehr  als  dies  bei  unsereD 
Gymnasiasten  der  Fall  ist»  kann  man  da  von  einer  ÜberbürdniKg^ 
reden.  — 

Es  ist  endlich  dringend  su  wünschen,  daJs  auch  dem  BeetrebeQ 
mehr  Rechnung  getragen  werde,  unsere  Volksfeste  su  veredeln 
und  aus  der  Luft  der  Wirtssäle  wieder  mehr  hinaus  ins  Freie  sa 
yerlegen.  Dazu  dient  die  Herstellung  yon  gr^^iseren  freien  Wald- 
plätsen  in  bevorsugter  Lage.  Solche  Plätse  können  dann  aueh 
far  Ferienspiele  oder  Halbkolonien  der  Schuljugmd  des  Ortes 
hygienisch  nutsbar  gemacht  werden 


0ie  Aufgabe  der  Schule  im  Kampfe  gegen  dei  Alkehelismu. 

Ans  einem  Vortrage  des  Lehrers  R.  ZWBIVBL-Olarns  an  der 

Frtthlingskonferenz  der  glarneriscben  Lehrerschaft 

am  24.  Mai  1905. 

Der  Referent  stellte,  seinen  Vortrag  resttmiersad,  folgende  Thesen  auf: 

1.  Der  Alkoholismns  hemmt  die  physische  mid  geistige  Entwicklung 
des  Kindes  nnd  geiUirdet  die  Charakterbildung. 

2.  Die  Schale  hat  die  Pflicht,  dem  schädlichen  Einflufe  des  Alkoholismus 
entgegenzutreten. 

3.  Fflr  alle  Schulstnfen  des  Unterrichtes  besitzt  sie  als  Mittel  die 
gelegeatlichen  Belehrongen,  welche  sich  durch  die  Behandlang  der  einzdnea 
UnterrichtsOcher  ergeben. 

4.  Aof  den  höheren  Scholstafea  (Sekandar-,  Gewerbe-  and  Fort- 
bildangsschnle  inbegriffen)  soll  im  Anschlag  an  die  Anatomie  des  mensch- 
lichen Körpers  aach  der  schädliche  Einflals  des  Alkohols  aaf  Körper  und 
Geist  mit  Nachdruck  betont  werden. 

6.  Bei  der  Revision  der  Lese-  nnd  Lehrbücher,  besonders  der  nator- 
kondlichen  Teile  derselbeo,  sind  die  Teralteten  Anschsnnngen  über  Wesen 
and  Wert  des  Alkohols  durch  die  Ergebnisse  der  neuesten,  exakte» 
Forschung  zu  ersetzen.  In  jedes  Lesebuch  der  oberen  Schulstofe  sind  je 
zwei  einschlagige  Lesestficke  aufzunehmen. 

t>.  Bei  festlichen  Anlassen  jeglicher  Art  (Schukusflflge  und  Schalfeste 
inb^ffen)  soll  die  Jugend  alkoholfrei  verpflegt  werden. 


767 

7.  Um  in  der  Schale  im  angedeuteten  Sinne  mit  Erfolg  zn  wirken, 
ist  schon  in  den  Seminarien  die  Wichtigkeit  der  Alkobolfrage  vom  physio- 
logisch-psychologischen Standpnnkte  ans  mit  Nachdruck  heryorznheben. 

8.  In  die  Lehrerbibliothek  nnseres  Kantons  sind  die  wichtigsten  Werke 
über  die  Alkoholfrage  aufzunehmen. 

These  1  und  2  wurden  von  der  Versammlung  gutgeheißen.  Thesen  3, 
4  und  6  wurden  nach  Antrag  von  Herrn  Schnlinspektor  Dr.  Haftbr 
ersetzt  durch  folgende  Sätze: 

1.  Der  Jugend  soll  von  den  Erwachsenen  das  Vorbild  der  Mäfsigkeit 
gegeben  werden. 

2.  Aus  den  Schulbüchern  sollen  alle  Stellen  ausgeschieden  werden,  die 
den  Alkoholgebrauch  begflnstigen. 

S.  In  der  Schule  soll  durch  gelegentliche  Belehrung  die  Jugend  aber 
die  Abelen  Folgen  des  Alkoholmißbrauchs  unterrichtet  werden. 

4.  Die  Schulbehörden  sollen  die  Eltern  auf  die  Schädlichkeit,  die 
der  Alkohol   auf  den  kindlichen  Organismus  ausflbt,   aufmerksam  machen. 

These  6  rief  verschiedene  Abänderungsanträge,  ebenso  einen  Antrag 
auf  Streichung  hervor.  Diese  beliebte  nicht;  dagegen  wurde  der  Passus 
„soll  die  Jugend  alkoholfrei  verpflegt  werden',  abgeändert,  und  es  heifst 
nun:    „soll  die  Jugend    soviel   wie  möglich  alkoholfrei  verpflegt  werden**. 

These  7  wird  nicht  angefochten,  These  8  gestrichen  und  hierfür  der 
Wunsch  ausgedrückt,  es  möge  durch  die  Erziehungsdirektion  eine  Broschüre, 
die  der  Referent  vorwies,  an  die  Lehrer  zur  Versendung  kommen. 

Im  weiteren  wurde  beschlossen,  es  solle  der  glamerischen  gemein- 
nützigen Gesellschaft  von  den  Verhandlungen  und  Beschlüssen  Kenntnis 
gegeben  werden.  In  der  Diskussion  betonte  Schulpräsident  Jrnnt-Stüdbr, 
dals  die  Schule  in  der  Alkoholfrage  mit  grofser  Vorsicht  vorgehen  müsse, 
um  Konflikte  einerseits  zwischen  Eltern  und  Lehrern  und  andererseits 
zwischen  Eltern  und  Kindern  zu  vermeiden. 

(„Schweig.  Lehrergig,'',  Nr.  24.) 


Altxnttt  Jtittftlttitseit. 


über  die  Uigezieferplage  ii  dei  Fraikftirter  Sehvlei  äulsert 
fläch  der  letzte  ^Jdhresher.  iiber  d.  VenvalU  d,  Medigmahoesens  d.  Stadt 
Frankfurt  a.  M."  Vereinzelt  kamen  FÜle  von  Krätze  vor,  deren  Be- 
seitigung weiter  keine  Schwierigkeiten  machte.  Weit  häufiger  wurden 
K<^äuse  beobachtet,  teils  lebend,  meist  Nisse,  und  zwar  einmal  in  einer 
Kaabenschnle,  sonst  in  fast  sämtlichen  Mädchenschulen  (natürlich  kommen 
BOT  die  Schulen  in  Betracht,  in  denen  Sdiulärzte  ihres  Amtes  walten)  in 
einer  Klasse  bis  zu  36%  der  Schülerinnen.  Es  wird  jedoch  hervor- 
gehoben, dafe  die  Plage  im  Berichtsjahre  in  geringerem  Mafse  auftrat  als 
früher.     Im   allgemeinen  hatten   die  dagegen  getroffenen  Maisregeln   den 

Seholgesaiidheitiipflege.  XVIIL  41 


768 

gewtknschton  Erfolg;  sie  bestanden  einmal  in  der  Anshftiidigiuig  der  ^e^ 
druckten  Belehrung  zur  Beseitigung  des  Ungeziefers  an  die  Mütter,  sodann 
in  der  strengsten  Kontrolle  dnrch  die  Ärzte,  welche  sich  die  Kinder  so  lan^^ 
vorführen  lieben,  bis  „reine  Bahnen"*  gemacht  waren.  Natürlich  gab  es 
auch  Mfltter,  die  mit  Entrüstung  Protest  gegen  die  «Beschuldigung''  ex-- 
hoben,  ihr  Kind  sei  mit  Ungeziefer  behaftet.  Leider  gab  es  auch  eine 
Anzahl  Kinder,  bei  denen  alle  Mahnungen  wegen  des  grenzenlosen  Schmutzes 
im  Hause  vergeblich  waren,  so  da£s  einige  Male  die  Hilfe  der  Polizei  in 
Anspruch  genommen  werden  muiste,  welche  die  zwangsweise  Reinigung  des 
Kopfes  im  st&dtischen  Krankenhause  veranlafste.  Allein  selbst  diese  ftu&erste 
Mafsregel  vermochte  nicht  immer  eine  dauernde  Beseitigung  des  Ungeziefers 
herbeizuführen,  weil  bei  der  Rückkehr  in  die  alte  Wohnung  eine  erneaCe 
Infektion  nicht  verhindert  werden  konnte. 

Über  die  Volkaseliiilerguisatioi  laeli  der  Leiatugsftliigkeit 
der  Schfiler  sprach  auf  der  24.  Hauptversammlung  des  „Deutschen  Vereins 
für  Knabenhandarbeit"  in  Görlitz  Stadtschulrat  Dr.  SlOEmeER-Mannheim. 
Nach  AnhOren  des  interessanten  Vortrages,  der  die  bekannte  Dreigliederang 
der  Volksschule  in  Hauptklassen,  Förderklassen  und  Hilfsklassen  zafn 
Gegenstande  hatte,  wurde  von  der  Versammlung  einstimmig  folg^ide 
Resolution  angenommen: 

„Eine  am  3.  Juli  1906  in  Görlitz  stattgefundene  öffentliche  Versamm- 
lung von  Schulmännern,  Verwaltungsbeamten  und  Freunden  der  Jugend- 
bildung  nimmt  mit  grofsem  Interesse  Kenntnis  von  dem  Vortrage  des 
Herrn  Stadtschulrates  Dr.  SiCKiveiR  über  den  rationellen  Ausbau  größerer 
Volksschulkörper  mit  besonderer  Berflcksichtignng  der  Mannheimer  Schid- 
reform;  sie  anerkennt  im  Prinzip  die  Zweckm&bigkeit  der  Einrichtung  voq 
Förderklassen  zugunsten  einer  erhöhten  Individualisierung  des  Massenunter- 
richtes  und  spricht  den  Wunsch  aus,  dafs  auch  an  anderen  Orten  Versuche 
mit  der  neuen  Klassenorganisation  unter  Anpassung  an  die  lokalen  Schal- 
Verhältnisse  gemacht  weiden.'' 

Über  Waachgelegenkeit  in  den  Seknlei.  Die  im  Mai  beziehentlich 
Juli  1906  in  München  abgehaltenen  Hauptversammlungen  der  „Deutschen 
Gesellschaft  für  Volksbäder''  wie  des  «Deutschen  Vereins  für  VolkshygfeDe" 
beschäftigten  sich  unter  anderem  auch  mit  einer  Anregung  des  Arztes 
Dr.  HOPF-Dresden:  Wie  steht  es  mit  der  Gelegenheit,  sich  die 
Hände  zu  waschen,  in  Deutschland?  Dr.  Hopf  stellte  folgende 
Thesen  auf,  welche  sich  zum  Teil  auch  mit  der  Waschgelegenheit  in  den 
Schulen  beschäftigen: 

1.  Ein  häufiges  Waschen  der  Hände  ist  nicht  allein  am  ästhetischen 
Gründen  zu  befürworten,  sondern  auch  hauptsächlich  aus  gesundheitlichen 
Rücksichten,  da  gerade  die  Hand  den  Hauptttberträger  der  anstedEenden 
Krankheiten  des  Menschen  bildet.  Durch  Verbreitung  der  Gelegen- 
heit zum  Händewaschen  wird  das  grofse  Publikum  unmerklich, 
aber  sicher  hygienisch  erzogen,  zumal  wenn  entsprechende 
Aufklärung  in  Schule  und  Presse  mitwirkend  einsetzt.  Eine 
günstige  Rückwirkung  auf  das  allgemeine  Badebedürfois  wird  4ie  unmittel- 
bare Folge  sein. 

2.  Die  Behörden  sind   zu  ersuchen,  in  allen  behördlichen 


769 

Neubaaten  fflr  aasreichende  Waschgelegenheit  besorgt  za 
bleiben  nnd  jedenfalls  keine  Abortanlage  einzurichten  ohne 
die  entsprechende  Gelegenheit  znm  Händewaschen  unter 
fliefsendem  Wasser  (mit  Seife  und  Handtuch).  Auch  werden 
die  Behörden  gebeten,  auf  dem  Wege  baupolizeilicher  Handhabung  im 
obigen  Sinne  bei  der  Baugenehmigung  fttr  Privathäuser  zu  verfahren.  Das 
^t  besonders  für  Lokale,  in  denen  viele  Menschen  verkehren,  wie  Gast- 
bfinser,  Hotels  u.  a. 

3.  In  der  Schule  ist  seitens  der  Lehrer  oder  Schul&rzte 
die  Wichtigkeit  des  Badens  sowohl  wie  der  h&ufigen  H&nde- 
reinigung  systematisch   zu  betonen. 

Dr.  med.  F.  E.  Hopp-Dresden. 

Über  nenzeitliclie  Anfordenugen  an  TurnpUtze  sprach,  wie 
-wir  der  j^Monatsschr.  f,  d.  Tumwesm"  (H.  7)  entnehmen,  Turnlehrer 
H.  HüBNBR  an  der  19.  Jahresversammlung  des  Schlesischen  Turnlehrer- 
Vereins.  Er  vertrat  hierbei  u.  a.  die  Ansicht,  es  soDten  die  Tumpl&tze 
4&hnlich  denen  in  Dresden  und  Chemnitz  mit  hohen,  geschlossenen  Z&unen 
umgeben  werden,  so  dafs  die  Turnenden  den  Blicken  der  Vorübergehenden 
entzogen  sind.  Dagegen  hfilt  er  es  für  wenig  vorteilhaft,  die  Plätze  mit 
B&umen  zu  bepflanzen,  weil  einerseits  die  B&ume  gegen  den  Wind  nur 
wenig  Schutz  gew&hren  und  sie  andererseits  immer  nur  einigen  Schülern 
Schatten  bieten,  w&hrend  die  Mehrzahl  doch  den  Sonnenstrahlen  ausgesetzt 
ist;  sodann  aber  könne  der  Umstand,  dals  die  Schüler  auf  baumlosen 
Plätzen  unter  der  Sonnenhitze  zu  leiden  haben,  durchaus  nicht  als  Übel 
angesehen  werden,  da  durch  NiSLS  FiNSBN,  den  Begründer  der  Licht- 
therapie, nachgewiesen  sei,  dafs  die  Sonnenstrahlen  das  Wachstum  der 
Bakterien  hemmen  und  bei  genügend  langer  Einwirkung  dieselben  sogar 
vernichten.  (Gegen  diese  Anschauungen  und  den  MiTsbrauch,  der  dabei 
mit  den  Bakterien  getrieben  wird,  mufs  man  sich  vom  schulhygienischen 
und  ästhetischen  Standpunkt  aus  entschieden  auflehnen.  Niemand  wird 
wohl  die  schönen,  baumbeschatteten  Turnplätze,  die  man  bisher  für  etwas 
.Reizendes  und  Ideales  hielt,  preisgeben  für  kahle,  mit  hohen  Wänden 
umzäunte  „Zirkusplätze".     D.  Red.) 

l^M  städtische  SchnlturnweseD  hat  sich  in  Berlin  gewaltig  aus- 
i;edehnt  und  ist  zurzeit,  nach  der  Ansicht  der  „D.  Warte^j  in  den  höheren 
Schulen  musterhaft  entwickelt.  Die  Fürsorge  für  die  Leibeszucht  der 
Berliner  Schuljugend  liegt  jetzt  einerseits  der  Deputation  für  das  Tum- 
und  Badewesen,  die  das  Turnen  der  Yollanstalten  unter  den  höheren 
Schulen  und  die  städtischen  Spielplätze,  Badeanstalten  und  Eisbahnen  zu 
verwalten  hat,  nnd  andererseits  der  städtischen  Schuldeputation  ob,  welche 
für  die  Realschulen,  höheren  Mädchenschulen,  Gemeindeschnlen,  die  städtische 
Taubstummenschule,  die  städtische  Blindenanstalt  usw.  zu  sorgen  hat.  An 
YoUanstalten  besitzt  die  Stadt  Berlin  11  Gymnasien,  7  Realgymnasien, 
2  Oberrealschulen  mit  zusammen  14  Turnhallen,  von  denen  die  gröüste, 
die  Halle  in  der  PrinzenstraTse,  46 Vi  m  lang,  22  m  breit  und  16  m 
hoch  ist.  Zu  den  6  höheren  Mädchenschulen  gehören  5  Turnhallen,  zu 
den  Realschulen  13  und  die  277  Gemeindeschulen  weisen  135  Hallen 
auf.   £:inige  Hallen  befinden  sich  noch  im  Bau.   Als  Turnplätze  dienen  in 

41» 


770 

der  guten  Jahreszeit  die  Schalhöfe,   die  für  gröfsere  Spiele  in  der  Regel 
nicht  ausreichen.     Als   Spielplätze    fQr    die   freien   Nachmittagsspiele   sizidl 
deshalb  andere  Plätze  znr  VerfQgnng  gestellt  worden,   nnd  zwar:    1.  ]>ie^ 
groben    Plätze    am    ürban,    in    der   Wiesen-    und    Pankstrafse    (2  lia) 
nnd  in  der  Bremerstrafse;   2.  drei  grofse  Rasenflächen  im  Friedrichshaiiiy 
Hamboldtahain   und   im  Treptower  Park  (4Vt  ha);    3.  die  vier  Exerzier- 
plätze: Tempelhofer  Feld  (451  ha),  in  Moabit  (20  ha],  an  der  Schwedter 
StraCse  (20  ha)   nnd    Tor    dem    Schlesischen   Tore    die  Schfitzenwiese     in. 
Schonholz   (äVs  ha).      In   den  königlichen  Schalen  Berlins  (5  Gymnasieo» 
1  Realgymnasium,  1  höhere  Mädchenschale)  ist  das  Tomen  ähnlich   orga^ 
nisiert.     Die   Anstalten   besitzen   sämtlich  Turnhallen  nnd  gröfsere  Tom— 
platze.   Darunter  die  sehr  schönen  in  der  Hasenheide.    Selbst  die  höheren 
Priyatschulen,    unter    denen   die  Mädchenschulen   sehr    stark    überwiegen, 
weisen  fast  alle,   wenn   auch   kleine  Tumräume  auf,  jedoch  sind  die  Be- 
wegungsspiele nur  bei  wenigen  durchgeführt. 

Die  Pflege  der  kSrperliehen  Entwiekloiig  der  Jugend  erfreat 
sich  gegenwärtig   in   besonderem  Mafse  der  Fürsorge  der  Regierungen  in 
Deutschland.     So   werden    beispielsweise   auf  Veranlassung   der  Regierun^^ 
in  Essen  a.  Ruhr  durch  die  Schulvorstände  bezw.  Schulleiter  Erhebungen 
darüber  angestellt,   was   f)lr   die   körperliche  Entwicklung   der  männlichen 
und  weiblichen  Jugend  bisher  geschehen  ist  und  ob  die  getroffenen  Ver- 
anstaltungen genügen  oder  ob  die  daftlr  angesetzte  wöchentliche  Stundenzahl 
zu  erweitem  ist.   Insbesondere  wünscht  die  k.  Regierung  zu  wissen,  ob  auch 
Spielnachmittage  eingerichtet  sind,    wie    der  Besuch   derselben   sich   stellt 
und  ob   es   sich  empfiehlt,  solche  Spielnachmittage  allgemein  einzufthren, 
ob  die  Beteiligung  walilfrei  oder  verbindlich  sein  soll  oder  ob  die  SchOler 
nur  für   einen   bestimmten  Teil   des  Nachmittags  zum  Besuche  des  Spiel- 
platzes verpflichtet  sein  sollen.   Auch  soll  mitgeteilt  werden,  welche  Unter- 
richtsfilcher  bei  Einführung  besonderer  Spielstunden  ohne  Nachteil  gekflrzt 
werden  dürften,  um  so  ohne  Überbürdung  für  die  SchuQugend  Zeit  zu  Be- 
wegungsspielen zu  gewinnen. 

Über  Einderarbeit  schreibt  Bezirksarzt  Dr.  Hbisslbr  in  der 
y,Münch.  med.  Wochenschr,*'  (Nr.  23).  Nach  einer  treffenden  Schilderong 
der  Schattenseiten  der  Lohnarbeit  der  Schulkinder  —  namentlich  des 
Viehhütens  —  in  körperlicher  und  moralischer  Beziehung,  zählt  er  die 
Umstände  auf,  unter  welchen  während  der  besseren  Jahreszeit,  wo  der 
Unterricht  auf  zwei,  höchstens  drei  Vormittagsstunden  beschränkt  ist,  eine 
Beschäftigung  gesunder  Kinder,  zur  Vermeidung  des  Müssigganges,  nicht  nur 
geduldet,  sondern  sogar  befürwortet  werden  kann.     Diese  Umstände  sind: 

1.  Ein  bestimmtes  Alter,  nicht  unter  11,  besser  12  Jahren. 

2.  Die  Arbeit  mufs  von  kurzer,  genau  umschriebener  Dauer  sein,  der 
Körperkraft  angepafst  nnd  ohne  jede  geistige  Schädigung. 

3.  Die  Arbeit  hat  unter  Aufsicht  erwachsener  Angehöriger  vor  sich 
zu  gehen. 

4.  Die  Kinder  müssen  unter  allen  Umständen  bef&higt  bleiben,  den 
Anforderungen  der  Schule  zu  genügen. 

5.  Darum  ist  jede  Kinderarbeit  vor  dem  vormittägigen  Unterricht  zu 
verbieten. 


771 

6.  Unbedingt  za  verwerfen  und  daram  za  verbieten  ist  das  Verdingen 
der  Kinder  nuter  14  Jahren  gegen  Lohn,  wenn  damit  die  Slinder  ans 
dem  Familienverbande  gerissen  werden  und  in  das  Gesinde  des  Arbeit- 
gebers eintreten  sollten. 

7.  Eine  die  Arbeit  solcher  Kinder  beschränkende,  festgesetzte  Abend- 
stunde soll  nur  ausnahmsweise  und  in  beschränktem  MaCsstabe  überschritten 
werden  dürfen. 

8.  Mit  dieser  Stunde  haben  die  Kinder  in  die  Familien  zurflckzu- 
kehren. 

9.  Zu  verbieten  ist  das  Yiehhüteu  für  Kinder  unter  14  Jahren. 
Über  die  gemeinsame  Erziehnng  der  GescUechter  hat  Dr.  M. 

i'RlBDRiGHS  in  der  „Ällg.  D,  ümversitätsetg,^  beachtenswerte  Ansichten 
ausgesprochen.  Der  durch  die  getrennte  Erziehung,  bei  welcher  die  Frau 
Tiel  weniger  erhält  als  der  Mann,  bedingte  Unterschied  in  der  Bildung 
führt  zu  gegenseitiger  geistiger  Entfremdung;  der  gröfste  Teil  der  Ge- 
dankenwelt und  der  geistigen  Interessen  des  Mannes  bleibt  der  Frau 
fremd,  so  dals  nur  die  praktischen  Lebensverhältnisse  und  elementare  sinn- 
liche Genüsse  die  beiden  vereinigen.  Dieser  Obelstand  kann  nur  beseitigt 
werden  durch  gleiche  und  gemeinschaftliche  Erziehung. 

Seltsam  ist  es,  wenn  man  bei  der  gemischten  Schule  sofort  an  das 
Schreckgespenst  der  gefiLhrdeten  Moral  denkt.  Und  so  sprechen  dieselben 
Väter  und  Mütter,  die  durchaus  keine  schlimmen  Befürchtungen  hegen, 
wenn  Knaben  und  Mädchen  zusammen  tanzen  oder  sich  sonstwie  ver- 
gnügen. Auch  etwa  vorkommende  Yergelien  würden  unter  anderen  Ver- 
hältnissen ebenfalls  eingetreten  sein,  das  System  der  Koedukation  als 
solches  hat  keine  Schuld  daran.  Eine  Menge  törichter  Vorurteile,  falscher 
Sittlichkeitsbegriffe  usw.  würde  bei  gememschaftlicher  Erziehung  fortfallen, 
und  im  Verkehr  beider  Geschlechter  würde  sich  notwendig  eine  viel  gröfeere 
Unbefangenheit  ausbilden,  um  so  mehr  als  jedes  Geschlecht  sich  bei  dem 
anderen  der  gleichen  Hochachtung  und  Wertschätzung  erfreuen  würde. 

Die  Speisnng,  Kleidnng  und  ärztliche  Bebandlnng  der  Schul- 
kinder in  ßrfissel«  Einen  interessanten  Bericht  der  y,Lancet^  hierüber 
entnehmen  wir  folgendes:  Belgien  hat  keinen  allgemeinen  Schulzwang.  Es 
gibt  in  Brüssel  freie  Schulen,  die  von  Klerikern  geleitet  werden,  und  öffent- 
liche kommunale  Schulen.  Nur  über  letztere  ist  Auskunft  zu  erlangen. 
Sie  werden  zurzeit  von  rund  14000  Kindern  besucht.  Eigentümlicherweise 
erstreckt  sich  die  Schulwohltätigkeit  Brüssels  neben  Speisung  Bedürftiger 
vor  allem  auf  deren  Kleidung.  Während  etwa  jedes  fünfte  Kind  gespeist 
wird,  erhält  jedes  zweite  Kind  Kleider,  die  zum  Teil  aus  gelieferten  Roh- 
stoffen in  den  Schulen  selbst  hergestellt  werden.  Vielleicht  läCst  sich  dies 
aus  dem  Charakter  der  Bevölkerung  erklären,  welche  mehr  Wert  auf 
Speisen  als  auf  Kleider  legt,  und  daraus,  dafs  die  Frauen  verhältnismäfsig 
bessere  Köchinnen  als  Schneiderinnen  sind.  Femer  besteht  in  Brüssel  für 
die  genannten  Schulen  ärztliche  Aufsicht  durch  sechs  beamtete  Ärzte.  Alle 
Krippen,  Kindergärten  und  Vorschulen  werden  zweimal,  die  übrigen  Klassen 
einmal  monatlich  besichtigt,  und  dabei  wird  auf  den  Gesundheitszustand 
der  Kinder  geachtet.  Im  Sinne  vorbeugender  Gesundheitspflege  kann  z.B. 
Lebertran  aus  öffentlichen  Mittein  verschrieben  werden.    Auch  müssen  die 


772 

Ärzte  in  den  oberen  Klassen  Unterricht  in  Hygiene  erteilen.  Die  Prophy- 
laxe der  Infektionskrankheiten  wird  deshalb  besonders  gepflegt,  weil  io 
Belgien  kein  Impfzwang  besteht.  Seehospize  nnd  Ferienkolonien  werdex^ 
mit  Ärztlich  ansgewAhlten  Kindern  beschickt.  Auch  den  häuslichen  Ter- 
hftltnissen  schenkt  man  Beachtung.  So  berichtete  Dr.  Gastok  Dantbi:» 
im  Februar  1897,  daCs  von  14000  Schulkindern  684  kein  Bett  hatteo 
und  2474  schlecht  genfthrt  waren.  Ähnlich  arbeiten  auch  benacJibarte 
Städte.  So  gibt  —  ganz  nach  amerikanischer  Art  —  die  Stadt  Anderleeli^ 
im  Schulhause  Mahlzeiten  zu  billigstem  Preise  an  alle  SchQler  ohne  Unter- 
schied ab.  Physikus  SlBVBKnvG-Hambnrg. 

Tnrneil  and  Jngendapiel.  In  der  Zeitschrift  y^Körper  und  Qeist^ 
(Xin.  Nr.  13)  bespricht  Dr.  med.  F.  A.  Schmidt  die  körperliche  Er- 
ziehung der  Schu^ugend  durch  Turnen  und  Jugendspiel.  Vorerst  weist  er 
hin  auf  den  Unterschied  zwischen  dem  deutschen  und  schwedischen 
Turnen.  Das  deutsche  Turnen  gehe  aus  Ton  der  Idee,  dab  jede  Obun^, 
die  möglich  sei,  auch  Berechtigung  habe  und  dafs  mit  der  BefiLhigung  znr 
Ausführung  von  Übungen  mit  dem  Verständnis  für  dieselbe  Hand  in  Haad 
gehe  auch  die  gesamte  körperliche  Entwicklung.  Es  sei  eine  Muskel-  und 
Nervengymnastik,  die  den  Willen  und  Mut  stärke,  aber  die  so  notwendige 
Entwicklung  auf  die  Tegetativen  Organtätigkeiten  (Atmung,  Kreislauf)  nicht 
berücksichtige. 

Das  schwedische  Turnen  stelle  ab  auf  den  Zweck  und  Erfolg^ 
der  Übung;  für  den  schwedischen  Turner  handle  es  sich  darum,  dieses 
oder  jenes  Muskelgebiet  zu  üben,  und  danach  richte  sich  auch  die  Auswahl 
der  Übungen.     Der  Bewegungszweck  sei  maßgebend. 

Das  deutsche  Turnen  fördere  die  Sicherheit  der  Koordination  der 
Bewegungen,  das  schwedische  Turnen  eine  schlanke  ebenmäfsige  Entwickhing 
des  Körpers  und  schöne  gerade  Haltung  mit  freier  Entwicklung  des 
Brustkorbs. 

Beide  Turnarten  aber  nehmen  nicht  Rücksicht  auf  die  Entwicklung 
wichtiger  Lebensorgane  bei  den  Kindern  und  auf  die  besonderen  Ein- 
wirkungen des  Schuldaseins.  Sie  müssen  deshalb  durch  eine  weitere  Form 
der  Schulgymnastik  ergänzt  werden,  welche  in  der  ersten  Zeit  des  Schul- 
lebens den  weitaus  wichtigsten  Teil  der  Gymnastik  bilde.  Diese  Ergänzung 
bestehe  in  den  natürlichen  Bewegungsarten  des  Gehens,  Laufens,  Hüpfens, 
Springens,  insbesondere  in  denen  des  fröhlichen  Jugendspiels.  Das 
wachsende  Kind  erfahre  durch  das  Schulleben,  insbesondere  den  stunden- 
langen Sitzzwang,  nicht  unerhebliche  Beeinträchtigungen  seiner  wichtigsten 
Organtätigkeiten,  nämlich  der  Atmung,  des  Kreislaufs  und  damit  des  gesamten 
Stoffwechsels.  Die  Atmung  werde  beim  Sitzen  oberflächlich,  es  fehlen  die 
Anregungen  fdx  den  Blutumlauf,  welche  Tiefatmen  sowie  Muskeltätigkeit 
als  Hilfskräfte  der  Herzarbeit  gewähren. 

Diesen  Verhältnissen  müsse  in  den  ersten  Lebensjahren  durch  reich- 
liche Bewegung  in  frischer  Luft  entgegengewirkt  werden.  Das  Laufen 
steigere  die  Tätigkeit  der  Lungen  und  des  Herzens.  Bewegung  sei  über- 
haupt dem  natürlichen  Triebleben  des  Kindes  angemessen,  und  die  physio- 
logischen wie  anatomischen  Yeriiältnisse  verschafiten  dem  Kinde  eine  be- 
deutend leichtere  Beweglichkeit  als  Erwachsenen.    Die  Eignung  zu  bestimmten 


773 

Bewegungsarten  in  den  verschiedenen  Altersstufen  sei  ans  physiologischen 
Gründen  gemftfe  den  Gesetzen  des  Wachstums  eine  verschiedene. 

Fflr  die  ersten  Schuljahre  eignen  sich  die  Laufspiele,  dann  weiter  die 
Auge  und  Hand  fibenden  Ballspiele.  Der  Verfasser  weist  hin  auf  die 
hygienische  Bedeutung  der  Ferienspiele  in  verschiedenen  deutschen  Städten. 

In  der  ersten  Schulzeit  sei  den  gesundheitswidrigen  Körperhaltungen 
ein  reges  Augenmerk  zu  schenken.  Die  Ursache  derselben  liege  in  Schwäche 
der  Rfickenmuskulatur.  Die  Rumpfmuskulatur  sei  zu  kräftigen,  die  an- 
haltende Spannung  der  Muskulatur,  wie  sie  beim  Sitzen  nötig  ist,  die  sehr 
ermfldend  wirke,  mfisse  durch  Rumpfübungen  ersetzt  werden,  bei  denen 
ein  angemessener  Wechsel  zwischen  Ruhe  und  Erschlaffung  der  Muskulatur 
eintrete.  Bei  gerader  Haltung  der  Wirbelsäule  entwickle  sich  auch  der 
Brustkorb,  so  dafs  ein  tiefes,  ausgiebiges  Atmen  erleichtert  werde.  Das  sei 
von  hygienischer  Bedeutung.  Aber  auch  ein  ästhetisches  Bedürfnis  werde 
befriedigt,  weil  eine  gerade  Haltung  der  Wirbelsäule  und  eine  richtige 
Entwicklung  des  Brustkorbs  zur  Förderung  der  Schönheit  der  Menschen- 
gestalt beitrage. 

Hand  in  Hand  mit  einer  gesunden  körperlichen  Entwicklung  gehe 
aber  auch,  wie  die  Erfahrung  zeigt,  die  Entwicklung  der  geistigen  Leistungs- 
fähigkeit, und  indem  die  geistige  Tüchtigkeit  gefördert  werde,  verhüte  man 
die  Möglichkeit  einer  Überbürdung!  Dr.  KftAFT-Zttrich. 

Sivnlatioii  epileptiseher  AnfUle.  In  der  „Münch.  med.  Wochen- 
scknfV  (7.  März  1905.  Nr.  10)  berichtet  Dr.  ARONHBIM-Gevelsberg  i.  W. 
über  einen  Fall  von  Vortäuschung  epileptischer  Krämpfe  durch  einen 
Schüler.  Es  hatte  sich  bei  demselben  ein  Reflexkrampf  eingestellt,  da  er 
mit  einem  Bandwurm  behaftet  war.  Nach  glücklich  beendigter  Bandwurm- 
kur setzten  die  Krämpfe  nicht  aus;  Anzeichen  (stigmata),  dafs  etwa 
Hysterie  im  Spiele  sein  müsse,  wie  Hemianästhesien,  Lähmungen  und 
Kontrakturen,  waren  nie  nachweisbar.  Schliefslich  gelang  es  Abonhbim 
fiestzustellen,  da(s  Simulation  vorliege.  Auf  seine  ernstlichen  Vorstellungen 
hin  und  nach  exemplarischer  Bestrafung  durch  die  Eltern  hörten  die 
KrampfanfUle  dauernd  auf,  und  der  Knabe  besuchte  gesund  und  munter 
die  Schule.  Er  hatte  die  Rücksicht  der  Eltern,  die  durch  den  ersten 
Anfall  erschreckt  und  ängstlich  waren,  mifsbraucht  und  aus  Dummheit 
Krämpfe  vorgetäuscht,  damit  er  die  Schule  nicht  besuchen  müsse.  Aronhbim 
weist  darauf  hin,  dafs  Epilepsie  häufig  vorgetäuscht  wird,  und  führt 
Stbmpbl  an,  der  jedenfalls  ganz  richtig  betont,  dafs  Epilepsie  nur  auf 
Grund  genauer  ärztlicher  Beobachtungen  hin  diagnostiziert  werden  dürfe. 
Allerdings  muis  auch  davor  gewarnt  werden,  Simulation  anzunehmen,  wo 
Krankheit  vorliegt.  Dr.  KRAFT-Zürich. 

ÜbertraguD);  von  Infektionskrankheiten  durch  Trinkbecher  in 
den  Sehalen.  Im  „Centralbl  f,  allg.  GesundheUspflege''  (XXIV.  3.  und 
4.  H.)  weist  Dr.  HüQO  Lasbr,  Schularzt  in  Königsberg  i.  Pr.,  darauf  hin, 
dab  eine  Quelle  der  Verbreitung  von  Infektionskrankheiten  die  gemeinsame 
Benutzung  der  Trinkbecher  in  Schulen  sein  dürfte.  Er  glaubte,  dafs  es 
möglich  sei,  dieser  Gefahr  vorzubeugen,  dadurch,  dafs  man  jedem  Kinde 
einen  ans  wasserdichtem  Papierstoff  verfertigten  Trinkbecher  zur  Verfügung 
steDe.     Versuche    ergaben,    dafs    solche  Becher  durchschnittlich  60  Tage 


774 

gebrauchsfiüiig  siod  und  daCs  mit  je  10 — 15  Pfenaig  j&hrliche  Kosten  jedes 
Kind  mit  der  nötigen  Zahl  von  Trinkbechern  ausgerüstet  werden  könnte. 
In  einer  Versammlung  der  Königsberger  SchnlArzte  wurde  aber  daraof 
hingewiesen,  dab  die  Kinder  mit  den  Bechern  nicht  soi^fUtig  umgehen 
würden,  und  dafs  deshalb  die  Becher  bald  beschmutzt  und  zerrissen  seia 
möchten.  Ein  Anregung  ging  dahin,  es  sollten  die  Becher  in  der  Schule 
aufbewahrt  werden.  Zu  diesem  Zwecke  würden  sie  in  ein  mit  dem  Namen 
des  Kindes  versehenes  Kuvert  gelegt  und  im  Bedürfnisfalle  vom  Lehrer 
oder  einem  beauftragten  Kinde  abgegeben.  (Dieser  Modus  würde  allerdin^ 
in  der  Praxis  auch  grofsen  Schwierigkeiten  begegnen!  Ref.)  So  sehr  die 
Möglichkeit  anerkannt  wurde,  dafs  Trinkbecher  zur  Verbreitung  infektiöser 
Krankheiten  beitragen  könnten,  fand  man  doch  eine  befriedigende,  in  der 
Praxis  anwendbare  Lösung  zur  Beseitigung  des  Übelstandes  noch  nicht. 

Dr.  KBAPT-Zürich. 

Kontrolle  der  Platibelenehtniig  in  ArbeitsrSnmen.   In  Jahi^gang 
1904,    Nr.  1    des  ,,Qesundheits-Ingmieur'*  hatte  Baurat  A.  WiNOSN  die 
Forderung  einer  behördlichen  Kontrolle  der  Platzbeleuchtung  behandelt.     In 
Nr.  12  der  nämlichen  ZeUsckrift  brachte  Prof.  H.  Chr.  NUSSBAUM   eine 
Entgegnung,   in   der  er  geltend   machte,    eine    solche  Prttfung    stofse    auf 
grolso  Schwierigkeiten.     So  habe  er  seinerzeit  die  Einwirkung  leicht  zer- 
streuender Verglasungen    und  Anstriche    auf   die    Helle    der  Arbeitsplätze 
geprüft   und   es  habe  sich  eine  solche  Prüfung  als  Unding  erwiesen.     An 
einem  bestimmten  Platze  schwanke  die  Helligkeit    um   die   Mittagsstundea 
an  wolkenlosen  Tagen    und  je  nach  der  Beschaffenheit  der  Luft  zwischen 
30  Meterkerzen  und  nahezu  300  Meterkerzen  bei  bewölktem  Himmel,  und 
bei  einer  amtlichen,  nicht  streng  wissenschaftlichen  Untersuchung  mOfsten  sich 
noch    weit   gröbere    Unsicherheiten    der    Prfifnng   ergeben.     Er  fragt,  in 
welcher  Zeitstunde  denn  eine  solche  Prüfung  stattfinden  müsse  und  erinnert 
an    die   Differenzen    in    der    Himmelshelligkeit   in   norddeutschen  Küsten* 
gebieten  und  im  süddeutschen  Alpengebiete,  innerhalb  der  Grofsstädte  und 
Indutrieorte    und    auf   dem    freien   Lande    oder  der   See.     Er  bezweifelt 
schlieüslich,  dals  es  auch  nur  eine  sichere  Handhabe  für  die  Prüfung  der 
Tageshelle  auf  Arbeitsplätzen  gebe,  sonst  hätte  man  sie  schon  längst  durch- 
geführt. 

Dieser  Kritik  gegenüber  macht  WiNGKN  geltend,  dafs  es  sich  nicht 
darum  handle,  die  Variationen  oberhalb  eines  Minimums,  sondern 
das  Minimum  der  Platzhelligkeit  im  Wechsel  der  Erscheinungen  festzustellen, 
und  dafs  auch  nicht  eine  Vergleichung  der  Himmelshelligkeit  an  verschiedenen 
Orten  Deutschlands  in  Frage  stehe.  Der  Bestimmung  des  Beleuchtungs- 
minimums  aber  stehen  unüberwindliche  Schwierigkeiten  nicht  entgegen.  Die 
schlechtest  beleuchteten  Plätze  finde  ein  geübtes  Auge  rasch  herauf  und 
zur  Ermittelung  der  Plätze,  die  an  der  Grenze  der  Zulässigkeit  liegen, 
mülsten  eben  verschiedene  KontroUmessungen  zu  verschiedenen  Tagesstunden, 
namentlich  in  der  Winterszeit,  vorgenommen  werden.  Als  Mindesthelligkeit 
wären  10  Meterkerzen  aneunehmen  (in  Rot  gemessen). 

Selbstredend  könnte  die  Kontrolle  nur  von  geeigneten,  wissenschaftlich 
vorgebildeten  Personen  (Bau-,  Medizinalbeamten  usw.)  vorgenommen 
werden. 


775 

Eine  brauchbare  Handhabe  zur  Durchführung  der  betreffenden  Messungen 
sei  auch  bereits  vorhanden.  Winqbn  erinnert  an  den  von  ihm  konstruierten 
Helligkeitsprüfer  (Ausführungsfonn  Krüss)  und  weist  darauf  hin, 
dafe  Prof.  Dr.  Lbonhard  WBBSR-Riel  sich  dahin  ausspreche,  daCs  zur 
EnnitUung  der  Frage,  ob  die  Grenzen  des  zulässigen  Minimums  erreicht 
oder  überschritten  sei,  einfachere  Apparate,  wie  z.  B.  der  von  Wikqbn 
konstruierte,  durchaus  genügen,  um  in  wohl  definierter  Weise  leicht  zu 
ermitteln,  ob  ein  gegebener  Platz  bei  gegebener,  d.  h.  momentan  vorhandener 
Beleuchtung  ausreichend  beleuchtet  sei.  In  ähnlich  günstigem  Sinne  sprechen 
sich  auch  Dr.  WOLFF- Stralsund  in  der  nZätschr.  f.  Meäiemaiheamte*' 
(1902,  Nr.  21)  und  Dr.  Hbinrigh  WOLPBBT-BerUn  („£^.  Jahrbwih'' 
1904,  12.  Bd.)  aus.  Letzterer  führt  aus:  «In  erster  Linie  dürfte  somit 
dort,  wo  es  sich  um  eine  schnelle  und  sichere  Bestimmung  der  Helligkeit 
von  zweifelhaft  beleuchteten  Arbeitsplätzen  handelt,  zurzeit  der  WiKQBNsche 
HeUigkeitsprüfer  in  der  ERüssschen  Ausführungsfonn  als  der  Apparat  der 
Praxis  in  Betracht  kommen.^  Dr.  KRAFT-Zürich. 


9a0es0ef(^i(^tlid|eB. 


Anleitung  der  Jagend  znm  Sehneeschnhlanf.  Der  Thüringer 
Wintersportverband  zu  Oberhof  hat  folgende  Leitsätze,  betreffend  die 
Einführung  des  Schneeschuhlaufeus  bei  der  Jugend,  beschlossen: 

I.  Zur  körperlichen  Erziehung  und  gesundheitlichen  Erfrischung  unserer 
Jugend  bedarf  es  in  Hinblick  auf  die  hohen  Anforderungen,  welche  die 
Neuzeit  an  die  Gesundheit  und  zumal  an  die  Nerventätigkeit  stellt,  einer 
immer  weiteren  Ausbildung  auch  der  winterlichen  Leibesübungen,  und  bei 
uns  im  Gebirge  insbesondere  der  Pflege  des  Schneeschuhlaufens.  Es  genügt 
nicht,  da(s  in  den  Sommermonaten  geturnt,  gespielt,  gerudert  und  ge- 
schwommen wird,  der  jugendliche  Körper  mufs  auch  im  Winter  durch 
Leibesübungen  im  Freien  gestärkt  und  gestählt  werden.  Hierzu  eignet 
sich  in  hervorragender  Weise  das  Schneeschuhlaufen.  Es  bietet  Gelegenheit 
zu  weiten  Wanderungen  in  die  winterliche  Pracht  unserer  herrlichen 
Wälder,  erhebt  das  Gemüt,  schult  die  leiblichen  und  geistigen  Kräfte  und 
lä&t  den  Körper  den  gesundheitlichen  Wert  der  frischen,  Haut-  und 
Nerventätigkeit  anregenden  Winterlnft  wohltuend  empfinden.  Das  Schnee- 
scbnhlaufen  ist  bei  verständiger  Anleitung  und  richtiger  Übung  mit  keinen 
Gefahren  für  die  Gesundheit  verbunden. 

n.  Es  ist  daher  dringend  erwünscht,  dals  seitens  des  Thüringer 
Wintersportverbandes  die  thüringische  und  die  Thüringen  benachbarte 
Jugend,  und  zwar  sowohl  die  Schuljugend  als  die  schulentlassene  Jugend, 
zum  Schneescbuhlaufen  angeregt  wird. 

Hierzu  sind  geeignet: 

1.  Die  Aufforderung  in  den  Tagesblättem  und  Zeitschriften  und  speziell 
an  die  Schulbehörden,    die  Schulleiter,    sowie  an  die  Turn-,   Sport-  und 


776 

SpielTereiDigungen,  die  VorstAnde  der  Vereine  zur  Pflege  der  Jugendfltarsorge- 
bestrebnngen  usw.,  das  Schneeechahlanfen,  soweit  irgend  tanlich,  in  die 
Reihe  der  im  Interesse  der  körperlichen  Erziehung  der  Jugend  und  bd 
der  sehnlenUassenen  Jngend  auch  im  Interesse  einer  rechten  nnd  echten 
Ansffillnng  ihrer  Mnfsestnnden  zu  pflegenden  Leibesflbnngen  anfennehmen 
bezw.  zu  empfehlen. 

2.  Die  Bezeichnung  der  Stellen,  welche  Auskunft  erteilen  Aber  alle 
Fragen  des  Schneeschnhlaufens,  insbesondere  Aber  die  Bezugsquellen  fBr 
billige  und  zweckmäfsige  Schneeschuhe. 

8.  Die  Ausarbeitung  einer  kurzen  Anleitung  betreff^end  die  Anforde- 
rungen, welche  an  einen  guten  Schneeschuh  je  nach  Zweck  und  Gelände 
zu  stellen  sind,  sowie  die  Erlernung  des  Schneeschuhlaufens,  und  dne 
Massenverteilung  dieser  Anleitung. 

4.  Die  Entsendung  geeigneter  Mitglieder  des  Verbandes  oder  der  von 
diesem  angenommenen  Lehrmeister  nach  Bedarf  behufs  Belebung  des 
Schneeachuhlanfena  durch  persönliche  Einwirkung. 

5.  Die  Angliederung  von  beitragsfreien  Jugendabteilungen  an  die 
Ortsgruppen  des  Verbandes. 

6.  Die  Veranstaltung  kleinerer  lokaler  Winterfeste  mit  Schneeschuh- 
laufen für  die  Jugend. 

7.  Die  Zulassung  der  Jugend  zu  Preislanfen  bei  dem  Wintersportfeste 
des  Verbandes  unter  sachgemäfter  Erleichterung  der  Anforderungen. 

8.  Die  Wahl  von  dauerhaften  und  zweckm&fsigen  Schneeschuhen  bei 
Aussetzung  von  Prämien  bezw.  Preisen  bei  Schulfeiern  und  Turn-  und 
Spielfesten  der  Jugend.  Dr.  HAOBN-Schmalkalden. 

Eine  Spielplatxstadt.  Wie  die  TagesbläUer  melden,  hat  man  einen 
interessanten  Versuch  in  New  York  gemacht,  indem  man  einen  der  dortigen 
Parks  feierlich  der  Verwaltung  von  Knaben  unterstellt  hat,  die  ihren 
„Bürgermeister"  und  eine  „beratende  Körperschaft^  gewählt  haben.  Der 
Park  heilst  von  jetzt  an  offlziell  „Playground  City^  (Spielplatzstadt).  In  der 
Verwaltung  gibt  es  Abteilungen  für  Polizei,  Stralsenreinigung,  Finanz,  Athletik, 
Turnen  und  Spiele.  Die  Knaben  werden  eine  fast  absolute  Herrschaft 
über  den  Park  ausQben;  sie  müssen  fftr  Aufrechterhaltung  der  Ordnung, 
für  Reinlichkeit  der  Wege  und  gute  Pflege  des  öifentlichen  Eigentums 
sorgen.  Der  Hamilton  Fish-Park,  der  den  Kindern  übergeben  ist,  liegt 
im  Osten  der  Stadt  und  ist  schon  lange  fQr  die  Behörden  eine  Qudle  des 
Ärgers  gewesen;  denn  da  viele  arme  Kinder  ganz  und  gar  in  dem  Park 
lebten,  war  es  ohne  die  Anstellung  sehr  vieler  Parkwächter  unmöglich, 
die  Ordnung  aufrecht  zu  erhalten.  Da  man  nun  den  Park  nicht 
ganz  schliefen  wollte,  verfiel  man  auf  dieses  eigenartige  Experiment. 
Man  knüpft  daran  die  Hoffiiung,  daiä  den  Jungen  die  Schulung  in  der 
Verwaltung  des  Parks  später  gut  zu  statten  kommen  wird,  wenn  sie  als 
Erwachsene  die  Bürgerpflichten  ihrer  Stadt  gegenüber  erfüllen  sollen. 
Knaben  aus  allen  Ständen  und  jeden  Alters  sind  mit  grofser  Begeistening 
für  die  Sache  erfüllt.  Eifrig  treten  sie  als  Kandidaten  für  die  ver- 
schiedenen Ämter  auf,  und  in  zahlreichen  Versammlungen  sprachen  die 
jugendlichen  Redner  für  diesen  und  jenen  Bewerber;  ein  Versuch,  die 
Politik    ganz   von    den    Kämpfen    auszuschließen,    gelang    nur    teilweise. 


777 

Mädchen  sind  in  der  Playgronnd  City  zwar  willkommen,  aber  bei  der 
die^äbrigen  Wahl  waren  sie  nicht  stimmberechtigt.  Die  Abstimmong  war 
geheim.  Am  Wahltage  merkte  man  keinerlei  Unordnang.  Trotz  des 
beifeen  Wahlkampfes,  der  eine  Woche  danerte,  and  trotz  der  rücksichts- 
losen Anklagen  wegen  persönlicher  Bestechlichkeit,  die  einzelne  Partei- 
gänger vorbrachten,  schflttelten  sich  nachher  Sieger  und  Besiegte  die 
H&nde  nnd  gelobten,  gemeinsam  fftr  das  allgemeine  Wohl  zn  wirken.  In 
der  Regel  war  Tüchtigkeit  in  einem  besonderen  Zweige  des  Sports  mehr 
entscheidend  für  die  Wahl  als  gute  Rede  Der  „Mayor**  ist  ein  sehr 
khiger  Jnnge  von  15  Jahren  nnd  wahrscheinlich  der  tüchtigste  Athlet  der 
ganzen  Gemeinschaft.  Er  wird  seine  Unterbeamten  selber  ernennen  und 
absolute  Herrschaft  über  den  Park  ausüben;  der  Mayor  von  New  York 
bat  sich  nnr  das  Vetorecht  vorbehalten. 

Zum  Besuch  einer  Milehsfation  in  Saarbrfleken  haben  sich,  wie 
die  „Saarbr.  Ztg,^  mitteilt,  59  Knaben  nnd  147  Mfldchen  gemeldet, 
darunter  20,  die  selbst  zahlen.  Bei  guter  Wittemng  wird  die  Milch  im 
Waldhans,  bei  ungünstiger  in  der  Volksküche  verabreicht. 

Verbot  der  kSrperliehen  Züchtigung  in  den  Saterreichiachen 
Yolksachnlen.  Nach  dem  r»Prag.  Tagebl^  hat  der  Leiter  des  Knltns- 
ministerinms,  Freiherr  Y.  Bibkbrth,  einer  Abordnung  der  österreichischen 
Lehrerschaft,  die  ihm  die  Wünsche  der  letzteren  betreffs  der  neuen  Schul- 
und  Unterrichtsordnung  unterbreiten  sollte,  mitgeteilt,  dafs  dieselbe  in 
kürzester  Zeit  erscheinen  werde.  Eine  Änderung  des  fertig  vorliegenden 
Entwurfes  sei  nicht  in  Aussicht  genommen,  doch  mufete  im  §  82,  welcher 
bekanntlich  von  dem  Strafrechte  der  Lehrer  handelt,  das  Verbot  der 
körperlichen  Züchtigung  besonders  h'ervorgehoben  werden.  Es  sei  dies 
schon  mit  Rücksicht  auf  die  Lehrerschaft  dringend  notwendig,  da  ohne 
ausdrückliche  Betonung  dieses  Verbotes  besonders  bei  der  jüngeren  Lehrer- 
schaft die  Meinung  vorherrschen  könnte,  aus  dem  Verbot  sei  ein  Recht 
geworden.  Auch  im  Hinblicke  auf  die  Bestrebungen  anderer  Lehrer, 
welche  die  KOrperzüchtigung  in  der  Schule  wieder  einzuführen  trachten, 
sei  diese  Stellungnahme  in  der  Osterreichischen  ünterrichtsverwaltung  Gebot. 
Speianng  von  Schulkindern  in  SchSneberg.  Wie  die  „i\>5^ 
mitteilt,  hat  der  Magistrat  von  SchOneberg  beschlossen,  dem  Volksküchen- 
verein zur  Speisung  von  Schulkindern  für  das  laufende  Winterhalbjahr 
eine  audserordenüiche  Beihilfe  von  1000  Mark  zu  bewilligen.  Die  Auswahl 
der  Kinder  soll  durch  die  Rektoren  und  Schulärzte  in  engster  Fühlung 
mit  der  städtischen  Armendirektion  erfolgen. 

Die  Schüierherber|;en  in  Silberberg  und  in  der  Eulenbaude  sind, 
wie  der  Vorsitzende  des  Eulengebirgsvereins  der  y^Breslauer  Ztg^  mitteilt, 
auch  in  den  Herbstferien  geöffnet,  da  das  Eulengebirge  in  dieser  Zeit  ganz 
besondere  Reize  gewährt. 

Die  Vorachriften  inr  Verhfltnng  der  Weitcrverbreitung  von 
ansteckenden  Krankheiten  nnter  den  Yolksachülern  Münchens  hat, 
wie  der  „Jf.  Stadt- Ans ^  mitteilt,  der  königl.  Bezirksarzt  Dr.  Henkbl 
einer  Revision  unterzogen  und  die  revidierten  Vorschriften  zusammengefafst. 
Diese  haben  bereits  die  Zustimmung  der  Lokalschulkommission  gefunden. 
Auch   präzise    Erläuterungen    betreffend   Vorkehrungen   bei   ansteckenden 


778 

Krankheiten  hat  Dr.  Henkbl  hinzugefagt.  Diese  Erlftatenmgen  solla 
nnn  vervielfältigt  nnd  an  die  Lehrerschaft  verteilt  werden.  Der  Yer- 
waltangssenat  gab  hierzu  seine  Einwilligang. 

OrthopSdischer  TarDaDterricht  soll,  wie  die  Tagesblätter  melden, 
auf  Anregung  der  Schulärzte  in  den  Schöneberger  Gremeindesdndea 
nach  einem  Beschlüsse  der  Schuldepatation  und  des  Magistrats  eingefllhit 
werden.  Es  sollen  namentlich  Kinder  mit  RückgratsverkrflnunuBgen  heran- 
gezogen werden,  deren  Leiden  sich  noch  im  Anfangsstadium  befindet,  so 
dafs  eine  Heilung  zu  erwarten  steht.  Der  Kultusminister  hat  der  Ein- 
führung des  orthopädischen  Turnunterrichts  im  Prinzip  zugestimmt  und 
genehmigt,  dafs  nach  Bedarf  einige  andere  technische  Unterrichtsftcher 
gekürzt  werden  dürfen.  Um  den  Unterricht,  der  bereits  mit  dem  1.  April 
nächsten  Jahres  aufgenommen  werden  soll,  erteilen  zu  können,  werden 
zwei  Lehrer  und  eine  Lehrerin  bei  Professor  Dr.  Joachimsthal, 
dem  Dozenten  für  orthopädische  Chirurgie  an  der  Universität,  ausgebildet 
werden. 

Schalhygiene  für  Lehramtskandidaten.  Der  österreichische  Unter- 
richtsminister hat  an  die  Direktoren  der  wissenschaftlichen  Prüfungs- 
kommission für  das  Lehramt  an  Gymnasien  und  Realschulen  einen  Eria& 
gerichtet,  betreffend  die  Unterweisung  der  Lehramtskandidaten  für  Mittel- 
schulen in  der  Schulhygiene,  indem  auf  die  grofsen  Fortschritte  der 
Schulhygiene  als  Wissenschaft  hingewiesen  und  die  Direktionen  der  Prüfungs- 
kommissionen verhalten  werden,  diesem  Gegenstand  erhöhte  Aufmerksam- 
keit zuzuweisen.  Der  Erlais  entnält  eine  Reihe  von  Bestimmungen  über 
den  Besuch  der  Vorlesungen  über  Schulhygiene  und  bezeichnet  die  Ein- 
führung von  Kursen  über  dieses  Thema  im  Rahmen  der  Ferialfortbildongs- 
kurse  als  sehr  wünschenswert.  Scblicfslich  erklärt  sich  das  Unterrichts- 
ministerium bereit,  einzelnen  Lehrpersonen  zum  Zwecke  des  Besuches  von 
hygienischen  Kongressen  Unterstützungen  nach  Mafsgabe  der  vorhandenen 
Mittel  zu  gewähren. 

Schfilerwandernnf;en  in  Berlin.  Der  Bund  für  Jugendwandenugen 
„Alt-Wandervogel"  hat,  wie  wir  dem  ^Berl  Lok.'Änz.^  entnehmen,  auch 
in  diesen  Herbstferien  wiederum  15  verschiedene  mehrtägige  Wanderangen 
in  die  schönsten  Teile  Deutschlands  veranstaltet,  und  zwar  gestützt  aof 
die  lebhafte  Beteiligung,  welche  die  in  den  Sommer-,  Pfingst-  und  Oster- 
ferien  veranstalteten  Fahrten  aufwiesen  und  die  hoffen  liefs,  da(s  aach  in 
der  besonders  zum  Wandern  geeigneten  Herbstzeit  recht  viele  Eltern  ihren 
Söhnen  dieses  harrolos -jugendliche  Vergnügen  gestatten  werden.  Die  Teil- 
nahme war  jedem  Schüler  einer  höheren  Lehranstalt  gestattet.  Ausfbfar- 
liche  Programme  wurden  kostenlos  versandt  von  cand.  phil.  E.  Anklak, 
Berlin  N.  20,  Stettiner  Strafse  52.  Von  dort  werden  auch  Zettel  far  die 
allsonntäglich  stattfindenden  Halbtags-  und  Tageswanderungen  versandt. 

Eine  Winterkolonie  in  Hambnr|>:,  errichtet  vom  „Wohltätigen 
Schulverein,  ist  Anfang  Oktober  mit  27  Kindern,  Knaben  und  Mädchen, 
eröffnet  worden.  Es  sind  teils  Kinder  mit  Krankheits-  und  Schwäche- 
erscheinungen,  teils  solche,  die  während  des  Sommers  eine  vierwöchige 
Solbadkur  genossen  und  einer  Nachkur  dringend  bedürfen,  teils  in  Ge- 
nesung nach  schwerer  Krankheit  befindliche,  die  zu  Hause  nicht  genügende 


779 

Pflege  haben  können,  endlich  noch  einige  Selbstzahler,  deren  Eltern 
wünschen,  dafs  ihre  appetitlosen  Kinder  „essen  lernen  sollen **.  Unterricht 
erbalten  die  Ferienkolonisten  nicht. 

Ein  Srztlieber  Beigeordneter  ist  in  der  Stadtverwaltung  COlns 
angestellt.  Unter  Nr.  1  der  ihm  übertragenen  13  Funktionen  ist  anf- 
geftlhrt:  „Hygienische  Anregung  auf  allen  Gebieten  der  städtischen  Ver- 
waltung**;  unter  Nr.  4:  „Schulgesundheitspfiege,  ansteckende  Krankheiten 
unter  den  Schulkindern,  und  bei  den  Lehrpersonen  —  Schulärzte;  unter  Nr.  7: 
„Begutachtung  von  Schul-,  Krankenhaus-  und  sonstigen  geeigneten  Bauten 
in  hy^enischer  Beziehung^,  unter  Nr.  9:   ^ Beisitz  in  der  Schuldeputation^. 

Über  die  ünterernShmng  der  Sehalkinder  in  England  ent- 
nehmen wir  der  „Lancei*^  folgendes:  Die  Frage  der  SchuUdnderspeisung 
steht  augenblicklich  im  Brennpunkt  des  Interesses  von  Schulldtem  und 
Philanthropen  in  England.  Man  meint,  die  vielen  verhungert  drein- 
schauenden Geschöpfe  litten  an  Nahrungsmangel  und  man  mflsse  sie  in 
den  Schulen  speisen.  Das  ist  aber  ein  oberfläcJiliches  Urteil,  denn  bei 
vielen  wird  nicht  Mangel,  sondern  verkehrte  Auswahl  und  Zubereitung  der 
Speisen  oder  Krankheit  die  Ursache  der  Hinfälligkeit  sein.  Sehr  dankens- 
veert  sind  deshalb  die  Feststellungen  des  Amtsarztes  Dr.  A.  Greenwood 
in  Blackbum  (132000  Einwohner).  Von  22952  Volksschulkindem  waren 
ihm  540  seitens  der  Lehrer  als  an  schlechter  Ernährung  krankend'  auf- 
gegeben. Durch  Hausbesuche  stellte  er  fest,  dafs  nur  bei  318  davon,  in 
95  selbständigen  Familien  (1,3%  sämtlicher  Schulkinder)  diese  Annahme 
zutraf.  Er  meint  danach,  die  Frage  der  Unterernährung  sei  keine  sehr 
dringende  und  behördliches  Einschreiten  nicht  erforderlich.  Die  Haupt- 
Ursachen  lägen  im  Alkoholismus,  Trägheit,  Gleichgflltigkeit  der  Eltern. 
Aus  mangelnder  Kenntnis  des  Nährwerts  vieler  Nahrungsmittel  werde 
viel  verschwendet.  Unverhältnismälsig  viel  Geld  werde  fär  Sterbekosten 
imd  andere  Versicherungen  ausgegeben.  „Pennies  are  saved  but  health 
is  spent.** 

Gewifs  lassen  sich  diese  Feststellungen  nicht  ohne  weiteres  ver- 
allgemeinem, doch  geben  sie  zu  denken.  Die  Speisung  der  Schulkinder 
ist  kein  Allheilmittel  gegen  die  Ursachen  ihrer  Entwieklungsstörungen. 
Diese  liegen  tiefer  und  ihnen  entgegen  zu  arbeiten  ist  auf  weiten  Gebieten 
der  Volkswirtschaft  nötig.  Physikus  SIBVEKING- Hamburg. 


tiUxatnt. 


Besprechungen. 

Gaüpp,  R.,  Dr.,   Über  den  Selbstmord.    Manchen  1905.    Verlag  der 
„ÄrßÜichm  Bundschau''  (Otto  Gmelin).     8^,  29  Seiten. 
Die  grofse  Zahl  der  Schttlerselbstmorde,  die  Eülbnburg  fflr  Deutsch- 
land  in  der  Zeitperiode   von   1883 — 1900  auf  950  beziffert,  lenkt  das 
Interesse   derer,  welchen   das  körperliche   und  geistige  Wohl   der  Jugend 


780 

aiiTertrant  ist,  auf  die  wissenschaftliche  Lehre  voin  Selbstmorde.  In  der 
vorliegenden  kleinen  Schrift,  welche  die  Wiedergabe  eines  gemeinverstfaid- 
liehen,  im  uMOnchener  Volksbildongsvereine^  gehaltenen  Vortrages  darstellt, 
findet  man  alle  einschUgigen  Probleme  präzis  nnd  klar  erörtol.  I>er 
Vortrag  gliedert  sich  in  zwei  Teile:  im  ersten  Teile  werden  die  grund- 
legenden statistischen  Tatsachen  mitgeteilt,  der  zweite  ist  der  Untersachnng 
der  Ursachen  nnd  Motive  des  Selbstmordes  gewidmet. 

Was  den  Selbstmord  bei  jugendlichen  Personen  betrifft,  so  sind  fol- 
gende Angaben  ans  der  Schrift  hervorzoheben :  In  Preulsen  war  die  Zahl 
der  jugendlichen  Selbstmörder  von  1869 — 1898  folgende:  im  Alter  unter 
zehn  Jahren  73  Knaben,  20  M&dchen,  im  Alter  von  10 — 15  Jahren 
1273  Knaben,  342  Mfldchen.  Auf  vier  Knaben  ungefiUur  trifft  ein  Mädchen, 
das  ist  das  Verhältnis  der  Geschlechter  beim  Selbstmord  ttberhaupt.  Nach 
dem  15.  Leben^ahre  aber,  also  mit  dem  Einsetzen  der  Pubertät,  w&chst 
die  Zahl  der  weiblichen  Selbstmorde  relativ  viel  rascher  als  die  der  männ- 
lichen (1:2),  um  nach  dem  20.  Jahre  auf  das  Verhältnis  1:4  zurftck- 
zukehren.  Der  Selbstmord  bei  Kindern  entspringt  fast  immer  einer  krank- 
haften Reaktion  eines  erregbaren  Seelenzustandes  auf  ein  an  sich  gleichgültiges 
oder  wenigstens  nicht  wesentliches  Erlebnis.  Bei  Kindern  und  Halb- 
erwachsenen in  der  Pubertätszeit  ist  nicht  selten  die  Nachahmung  die 
auslosende  Ursache  des  Selbstmordes. 

Das  Studium  der  verschiedenen  Ursachen  und  Motive  des  Selbstmordes 
bei  Erwachsenen,  das  durch  die  klare,  zusammenfassende  DarsteUung 
Gaupps  sehr  erleichtert  und  bequem  gemacht  wird,  ist  geeignet,  dem  Arzte 
und  Pädagogen  wertvolle  Hinweise  zur  Prophylaxe  des  Selbstmordes  zu 
bieten.     Die  Schrift  wird  deshalb  diesen  Kreisen  hiermit  warm  empfohlen. 

Dr.  MosBS-Mannheim. 
Bbubo  Lbuschnkr,   Der  SchnlatnU  in  der  Orappenbank.    Breslau, 
Ferd.  Hirt,  J906.     8^  11  S.     Mk.  0,40. 

In  einer  Broschüre  von  11  Seiten  übergibt  der  Verfasser  seine  Er- 
findung einer  neuen  Schulbank  der  Öffentlichkeit.  Solange  die  Schulbank- 
frage nicht  als  endgültig  gelöst  und  allgemein  durchgeführt  bezeichnet 
werden  kann,  bietet  jede  Neuerung,  auch  die  bescheidenste,  einen  will- 
kommenen Anhifs,  das  Dargebotene  zu  prüfen  und  die  Lösung  der  Frage 
einen  Schritt  weiter  zu  bringen.  —  Lbuschnsb  stellt  in  seiner  Schrift  an 
eine  Schulbank  recht  weitgehende  Anforderungen,  und  man  darf  ihn  eu 
seiner  Erfindung  beglückwünschen,  sofern  diese,  wie  er  zwar  versichert, 
allen  von  ihm  aufgestellten  Bedmgungen  entspricht.     Er  verlangt: 

1.  Jeder  Schüler,  selbst  der  nicht  normal  gewachsene,  soll  in  der 
Klasse,  je  nachdem  Unterricht,  Zucht  oder  besondere  Umstände  es  erfordern, 
an  jeden  beliebigen  Platz  gewiesen  werden  können. 

2.  Die  Bank  soll  dem  Schüler  selbst  bei  geringem  Lehnenabstand 
Freiheit  in  der  Bewegung  und  Bequemlichkeit  verschaffen. 

3.  Sie  soll  zu  jeder  Zeit  und  ohne  Umstände  die  Verwendung  des 
Tisches  als  Stehpult  ermöglichen. 

d.  Sie  soll  in  niederen  und  höheren  Schulen,  auch  an  gewerblichen 
Fortbildungsschulen,  im  gesamten  Unterricht,  also  auch  Ült  Handarbeit, 
Singen  und  Zeichnen  verwendbar  sein. 


781 

5.  Sie  soll  am  Fafsboden  befestigt  sein  und  doch  schnelle,  sichere 
and  Tollstftodige  BeiDignng  des  FuDsbodens  ermöglichen. 

6.  Sie  soll  allerorten  von  jedem  tüchtigen  Schreiner  zu  mä&igem 
Preise  herstellbar  sein. 

Der  Erfinder  hat  sich  also  die  Aufgabe  nicht  leicht  gemacht,  nnd  doch 
glanbt  er,  dais  seine  Bank  allen  diesen  Anforderungen  vollkommen  genüge. 
Und  wie  einfach! 

Rektor  Leusohnbrs  Schulbank  ist  eine  in  sieben  vorschiedenen 
Grölsennummern  hergestellte  Oruppenbank  mit  besonderen,  sehr  leicht  aus- 
wechselbaren und  in  verschiedener  Distanz  einstellbaren  £inzelBitzeu  in 
Stuhlfonn.  Die  Stühle  haben  verschiedene  Sitzhöhe,  Breite  und  Tiefe  nnd 
eine  Kreuzlehne.  Der  Tisch  ruht  auf  einem  am  Boden  befestigten  Längs- 
kasten, auf  dem  die  Füise  der  Schüler  ruhen.  An  diesen  Kasten  sind  die 
Fndstritte  und  daran  drehbar  und  auswechselbar  die  Stühle  befestigt. 
Mehrere  Lochpaare  im  Fuistritt  ermöglichen  die  Herstellung  verschiedener 
Distanz  durch  einen  Drücker.  Die  Tische  werden  als  Ein- und  Zweisitzer 
konstruiert,  können  aber  durch  Auseinanderschrauben  beliebig  zu  Mehr- 
sitzern verwendet  werden.  Die  Stühle  können  ganz  auf  die  FuÜBkasten  und 
unter  die  Tische  gestellt  werden. 

Schulbänke  mit  festen  Tischen  und  beweglichen  Stühlen  sind  namentlich 
in  Italien  und  Amerika  längst  bekannt  und  sollen  dort  allgemein  befriedigen. 
Als  neu  kann  also  bei  der  LBUSCHNBBschen  Bank  wohl  nur  die  Art  der 
Einstellung  und  Drehbarkeit  der  Stühle  betrachtet  werden.  Leider  hat  der 
Verfasser  genaue  Beschreibung  aller  Teile  mit  Ma&angaben  und  Zeichnungen 
nur  in  der  Broschüre  für  die  Lizenzerteilung  niedergelegt.  Ohne  ganz 
genaue  Einsicht  in  die  technische  Ausführung,  namentlich  der  Stuhlbewegung, 
ist  ein  Urteil  über  die  Brauchbarkeit  dieser  Schulbank  unmöglich.  Die 
aufklarende  Broschüre  wird  jedoch  nur  an  die  Lizenzinhaber  (Gebühr  30  Mark 
pro  Jahr  und  pro  Sitz  1,50  Mark)  abgegeben.  Wenn  aber  auch  die  Bank 
alle  die  19  whrtschaftlichen,  16  hygienischen  und  17  pädagogischen  Vorteile, 
die  der  Erfinder  aufzählt,  bieten  sollte,  darf,  bessere  Belehrung  vorbehalten, 
doch  bezweifelt  werden,  ob  diese  Stuhlauswechslung  und  -Vertanschung  den 
Unterrichtsgang  nicht  wesentlich  störe.  Immerhin  ist  die  Neuerung  einer 
allseitigen  Prüfung  durch  die  Schulbebörden  wert.  WiPF-Zürich. 

G.  Gattikbk,  Znr  Frage  der  Sehulau&icht.  Zürich,  Schulthess,  1905. 
Kl.  8^  69  S.     Fr.  0,85. 

Der  Verfasser  berührt  eine  Frage,  welche  speziell  für  die  Stadt  Zürich 
von  aktueller  Bedeutung  ist.  In  Zürich  trägt  man  sich  mit  dem  Gedanken, 
die  Laienaufeicht,  der  wesentliche  Mängel  anhaften,  durch  das  Fachinspek- 
torat  bis  zu  einem  gewissen  Grade  zu  ergänzen.  Gegen  diese  Fachaufsicht 
wendet  sich  nun  die  Lehrerschaft,  und  Gattiker  macht  sich  in  seiner 
Schrift  zum  Wortführer  der  Opposition.  Er  beruft  sich  dabei  auch  auf 
deutsche  Verhältnisse  und  macht  geltend,  dab  deutsche  Schulmänner  und 
Lehrerkreise  der  durch  Direktoren,  Rektoren  und  Hauptiehrer  ausgeübten 
Schulaufsicht  kein  günstiges  Zeugnis  ausstellen.  Sie  arte  ans  in  Pedanterie, 
Schablone  und  kleinliche  Kritik  der  Lehrerschaft,  während  ein  grofser  Zug 
fehle  und  jedenfalls  das  Unterrichtswesen   nicht  in  dem  Mabe  positiv  be- 


782 

fruchtet  und  gefördert  werde,  wie  man  es  von  der  Fachanfsicbt  erwarte. 
Nun  ist  sicher,  dafs  die  Fachanfsicht  nnr  erspriefslich  sein  kann,  wenn  sie 
mit  vollendetem  Takt,  weitem  Blick,  mit  Wohlwollen  und  Liehe  ansgettbt; 
wird.  Das  persönliche  Element  spielt  natürlich  eine  grofee  RoUe,  nnd  es 
mols  zogegeben  werden,  dafs  die  Individualität  der  einen  oder  anderei» 
Person  Air  die  Ausfihung  der  Fachaufsicht  nicht  tanglich  sein  kann.  Dock 
scheint  uns  Gattiksr  die  persönliche  Seite  der  Frage  zu  flbertreihen  und 
allzusehr  in  den  Vordergrund  zu  rücken.  Die  durch  Fachleute  ausgeübte 
Schulaufsicht  hat  doch  auch  ihre  groflien  Vorteile,  und  es  scheint  uns,  der 
gute  Lehrer  sollte  gröfseren  Wert  darauf  legen,  von  fachmännisch  geschulten 
Leuten  beurteilt  zu  werden,  als  von  einem  Kollegium  von  Persönlichkeiten» 
denen  die  Befähigung  nicht  abgeht,  sich  im  Schulleben  zurechtzufinden,  die 
aber  nicht  über  die  nötige  Zeit  dazu  verfügen,  weil  sie  anderweitig  be- 
ruflich tätig  sind,  und  die  eben  doch  der  fachmännischen  Schulung  ent- 
behren, welche  den  Blick  schärft  und  ans  der  Erfahrung,  kombiniert  mit 
geschulter  Kritik,  neue  Anregungen  schafft.  Wir  meinen  somit,  die  Fadi- 
aufisicht  sei  vorzuziehen.  Daneben  kann  ja  wohl  das  Laienelement  ergänzend 
mitwirken. 

Die  letzte  Delegiertenversammlung  des  schweizerischen  Lehrervereins 
in  Zürich  hat  sich  ebenfalls  mit  69  gegen  31  Stimmen  für  die  Fachanfsicht 
ausgesprochen.  Es  gibt  also  jedenfalls  innerhalb  der  schweizerischen  Lehrer- 
schaft eine  starke  Strömung,  welche  der  Fachaufsicht  günstig  gesinnt  ist, 
so  dafs  die  Ansicht  Gattikbrs  nicht  als  allgemein  gültig  betrachtet  werden 
darf.  Ohne  Wert  ist  deshalb  Gattikbrs  Schriit  keineswegs.  Wenn  auch 
die  ganze  Frage  der  Fachanfsicbt  in  allzu  trübem  Lichte  erblickt  wird, 
gewinnen  wir  doch  einen  Einblick  in  die  Gefahren  derselben,  und  indem 
Gattikbr  die  wunden  Seiten  aufdeckt,  erwirbt  er  sich  ein  Verdienst. 
Allerdings  finden  sich  aber  Wege,  um  den  Gefahren,  die  nicht  geleugnet 
werden  können,  vorzubeugen.  Eiue  sorgfältige  Wahl  der  Person  und  Um- 
schreibung der  Kompetenzen  wird  in  dieser  Richtung  von  Gutem  sem.  Wir 
empfehlen  die  Schrift  Gattikbrs  jedem  zum  Studium,  der  sich  mit  der 
Frage  der  Schulaufsicht  befalst.  Schularzt  Dr.  KRAFT-Zürich. 

Dr.  SCHMiB-MoNN ARD-Halle  und  Prof.  Dr.  A.  Hartmakn- Berlin,  Soziale 
Fürsorge  fBr  Kinder  im  aebiüpfliehtigeii  Alter.  Handbuch  der 
Hygienie  von  Wbtl.     IV.  Supplementband.     1904. 

Die  Schrift  befafst  sich  mit  den  verschiedensten  Fürsorgeeinrichtnngen 
für  Kinder:  Knabenhandarbeit,  Haushaltungsunterricht  in  den  Mftdchen- 
schulen,  Fürsorge  für  Stotterer,  Hilfsschulen  für  Schwachbegabte,  Schul- 
bftder,  Jugendspiele,  Speisung  nnd  Kleidung  armer  Kinder,  Ferienkolonien  usw. 
Wir  erhalten  einen  hübschen  summarischen  Überblick  über  die  Bestrebungen 
auf  diesem  Gebiet  und  empfehlen  den  Abschiedsgruls  des  leider  zu  früh 
verstorbenen  Autors  allen  zur  Beachtung,  welche  sich  auf  dem  so  schönen 
Gebiete  sozialer  Kinderfttrsorge  betätigen! 

Schularzt  Dr.  KRAR-Zfliich. 


fet  $it)uliirfi 


m.  Jahrgang.  1905.  No.  11. 


(l^ri|itiaUb^attbl]ttt|eti. 


SchnlärstUche  Statistik. 

Von 

Dr.  Theodor  ALTscHUL-Prag. 

In  den  Heften  6,  7  und  8  (1906)  der  j^Zdtschrift  für  ScM- 
gesundheäspflege**^  bezw.  in  der  Beilage  derselben,  „J^er  Scholar zV^^ 
ist  [unter  dem  Titel:  „Betrachtungen  über  schnlftrztliohe  Statistik 
2aT  HerbeifQhmng  einer  Einheitlichkeit  in  derselben ''^  eine  Artikel- 
reihe von  Dr.  Samosoh*  Breslau  erschienen,  welche  laut  einer  FuJs* 
note  auf  Seite  852  dieser  Zeitschrift  bezw.  Seite  84  des  ^Schularat*^ 
«nur  eine  Unterlage  für  weitere  Kommissionsberatung*'  (der  vom 
Schulhygienischen  Kongresse  in  Nürnberg  1904  eingesetzten  Kom- 
mission) bilden  soll. 

Nachdem  ich  die  Ehre  hatte,  auf  dem  Ncimberger  Kongresse 
das  offizielle  Referat  über  die  Morbiditätsstatistik  in  Schulen  vom 
ftrztUchen  Standpunkte  zu  erstatten,  und  nachdem  ich  seit  vielen 
Jahren  in  verschiedenen  Schriften,  so  u.  a.  in  meinen  Arbeiten 
^Kritische  Bemerkungen  zur  medizinischen  Statistik**,  Wien  1894, 
{j^Elinische  Zeit-  und  Sireitfragen*',  VIII.  Bd.,  8.  Heft,  HOldbb)  und 
1899  «Eine  Beform  der  Medizinalstatistik^  (Prager  med.  Wo(hei^- 
sdirifl'',  XXiy.  Bd.,  Nr.  20—22)  für  eine  Reform  der  Medizinal- 
statistik  eingetreten  bin,  wird  man  es  wohl  nicht  für  unbescheiden 
halten,  wenn  ich  als  einer  der  Ersten  auf  den  Plan  trete,  um  einige 
Einwände  gegen  die  Vorschläge  von  S^mosch  vorzubringen. 

Bei  aller  Anerkennung  der  Gründlichkeit,  mit  der  Samosoh  an 
seine,  keineswegs  leichte  Arbeit  heranging,  vermag  ich  in  der 
fleüsigen  Arbeit  von  Samosoh  keine  glückliche  und  zweckentsprechende 
Lösung  der  Frage  einer  verläfslichen  und  vergleichbaren  schul- 
ärztlichen Statistik  zu  erblicken,  wenn  ich  auch  gerne  zugestehen 
will,   dafs  einzelne  Detailvorschläge  des  Verfassers   (die  später 

Der  SehnUrtt.  III.  20 


190  784 

Dooh  hervorgehoben  werden  eollen)  sehr  beachtenswert  sind  and  daa 
Richtige  treffen. 

Bei  der  Krankheitsstatistik  in  Schalen  mnls  man  zwei  Dinge 
streng  anseinauderhalten:  1.  die  Statistik  des  Schalarstes  nnd  2.  die 
Bchnlftrztliche  Statistik.  Die  erstere  mnls  den  praktischen  Bedürf- 
nissen jedes  einzelnen  Schularztes  angepabt  sein  nnd  hftn^ 
von  lokalen  SonderverhAltniasen  ab;  eine  einheitliche  Regelong 
ist  hier  weder  notwendig,  noch  auch  durchführbar.  Die  schul- 
ärztliche Statistik  hingegen  ist  für  die  Veröffentlichung  gedacht 
und  soll  die  Lösung  wichtiger  schulhygienischer  Fragen  ermöglichen, 
sie  muls  daher  einheitlich  durchgeführt  werden,  um  vergleichbar 
zu  sein.  Mit  Recht  legt  Samosch  auf  die  einheitliche  Anlage 
dieser  Art  von  Statistik  das  Hauptgewicht,  wie  ich  auch  in  beiden 
obcDgenannten  Arbeiten  mit  Nachdruck  betont  habe,  dab  jede 
Medizinalstatistik,  wenn  sie  zu  wissenschaftlichen  SchluTsfolgerungen 
verwendet  werden  soll,  die  nur  auf  Grund  grolser  und  untereinander 
vergleichbarer  ürzahlen  möglich  sind,  nach  —  womöglich  inter- 
national vereinbarten  —  gleichen  Grundsätzen  und  auf  gleich- 
lautenden Formularen  geführt  sein  muis. 

Es  kommt  für  den  An&ng  gar  nicht  darauf  an,  daCs  die  ge- 
wählten Formulare  allen  wissenschaftlichen  Anforderungen  ent- 
sprechen und  der  Kritik  nicht  den  geringsten  Anstols  geben,  etwa 
mögliche  und  vielleicht  wissenschaftlich  zweckmäfsige  Änderungen 
vorzuschlagen,  und  es  ist  gewifs  in  unserem  speziellen  Falle  auch 
nichts  dagegen  einzuwenden,  wenn  man  sich  vorläufig  auf  die 
einheitliche  Regelung  der  schulärztlichen  Statistik  in  Deutschland 
beschränkt  nnd  die  internationale  Regelung  der  Angelegenheit,  so 
erstrebenswert  sie  ist,  der  Zukunft  überlälst:  man  beschleunigt  da- 
durch die  Lösung  —  und  das  ist  ein  nicht  gering  zu  bewertender  Vor- 
teil. Aber  die  wichtigste  Vorbedingung  für  eine  einheitliche  und 
vergleichbare  Statistik  ist  es,  dafs  die  ürzahlen  nach  den  gleichen 
Grundsätzen  gewonnen  werden  und  dafs  die  vereinbarten  Rubriken 
nicht  nur  nach  denselben  Prinzipien  ausgefüllt  werden  können, 
sondern  ausgefüllt  werden  müssen.  Zweifel  darüber,  in  welche 
Kolonne  irgendein  zu  vergleichender  statistischer  Faktor  zu  setzen 
ist,  müssen  völlig  ausgeschlossen  sein;  nicht  der  subjektiven  Auf- 
fassung und  dem  Belieben  jedes  einzelnen  darf  die  Ausfüllung  der 
verschiedenen  Rubriken  überlassen  werden,  sondern  eine  feste  und 
unzweifelhafte  Vereinbarung  mufs  die  gleiche  Bewertung  der  einzelnen 
statistischen  Faktoren  sichern. 


785  191 

Darin  hat  man  bisher  in  der  Medizinalstatistik  gefehlt,  und  des- 
halb ist  anch  heute  bei  der  Sterbliohkeitsstatistik  eine  sichere 
Vergleichbarkeit  nicht  möglich,  trotsdem  schon  im  Jahre  1868  (l) 
der  statistische  Kongreis  in  Brüssel  den  BeschluTs  gefa&t  hat,  eine 
einheitliche  Bezeichnung  der  Todesursachen  festzustellen;  weder 
das  lange  Zeit  fast  allgemein  angenommene  VniOHOWsche  Schema^ 
noch  das  der  Neuzeit  (1899)  entstammende  BERTiLLONsche  Schema, 
nach  welchem  gegenwärtig  die  meisten  Statistiker  arbeiten,  hat 
hierin  Wandel  zu  schaffen  vermocht.  An  diesem  E[ardinalfehler 
leidet  auch  das  für  die  Krankheitsstatistik  in  Schulen  yorgeschlagene 
Schema  von  Samosch. 

Wollen  wir  eine  brauchbare  Krankheitsstatistik  für  das 
Schulalter  gewinnen,  dann  müssen  wir  uns  vor  allem  darüber  klar 
«ein,  was  als  Krankheit  zu  gelten  hat;  deshalb  habe  ich  in 
meinem  Beferat  in  Nürnberg  in  These  V  die  Forderung  aufgestellt, 
dals  eine  einheitliche  Auffassung  bezüglich  der  Grenze  zwischen 
Gesundheit  und  Krankheit  erzielt  werden  muJs,  und  in  These  VI 
habe  ich  eine  Art  der  DurchAihrung  dieser  Forderung  angedeutet, 
indem  ich  yorschlug,  ein  Übereinkommen  darüber  zu  treffen,  welche 
Verftnderungen  bei  Schüleruntersuchungen  noch  als  physiologisch 
und  welche  schon  als  pathologisch  anzusehen  sind.  Samosch  hat  in 
seinen  „Betrachtungen''  den  an  sich  gewifs  zutreffenden  Satz  auf- 
gestellt (S.  366  bezw.  88):  „Es  gibt  eine  grofse  Anzahl  von  Eandem, 
die,  ohne  eigentlich  krank  zu  sein,  gewisse  Eigentümlichkeiten 
haben,  die  wert  sind,  notiert  und  weiter  yerfolgt  zu  werden.  Diese 
Kinder  würden  wahrscheinlich  au£»er  Betracht  bleiben,  wenn  nur 
für  ausgesprochen  kranke  Kinder  ein  Gesundheitsschein  verlangt 
wird.^  Darin  mufs  man  Samosch  unbedingt  zustimmen,  es  muis  in 
der  Tat  für  jedes  Schulkind  ein  Q^sundheitsschein  angelegt  werden, 
darüber  kann  kein  Zweifel  bestehen;  eine  andere  Frage  aber  ist  es, 
ob  das  betreffende  Schulkind,  ^welches  gewisse  Eigentümlichkeiten 
hat,  die  wert  sind,  notiert  und  weiter  verfolgt  zu  werden '',  in  der 
zur  Vergleichung  dienenden  allgemeinen  Krankheitsstatistik  den 
kranken  Kindern  beizuzählen  ist  —  oder  eigentlich,  es  ist  gar 
keine  Frage,  dafs  dies  nicht  angeht;  sagt  doch  Samosch  selbst, 
dals  diese  Kinder  nicht  „eigentlich  krank**  sind.  Welches  sind 
aber  jene  ,, Eigentümlichkeiten",  die  keine  Elrankheit  sind,  aber 
doch  notiert  zu  werden  verdienen,  und  wie  soll  man  diese  „Eigen* 
tümlichkeiten^  statistisch  von  den  „eigentlichen  Krankheiten^ 
trennen?    Auf  eine  sichere  Differenzierung  dieser  beiden  Gruppen 

20* 


192  786 

kommt  aber  alles  an.  Eb  ist  fOr  die  Statistik  als  solehe  ^gentlich 
nicht  80  wichtig,  wo  wissenschaftlich  die  „eigenÜiche  Krankheit* 
beginnt  und  die  „Eigentümlichkeit^*  aafhört,  nnr  darf  der  eine 
nicht  das  „Krankheit^  nennen,  was  der  andere  noch  ^»Eigent&m- 
lichkeit"  nennt,  and  amgekehrt.  Wenn  es  in  der  schnlftrstliohMi 
Statistik  heibt:  So  nnd  so  Tiele  der  Untersuchten  waren  kranke 
so  mufs  dies  in  allen  Fällen  dieselben  krankhaften  Veränderungen 
bedeuten,  es  darf  nicht  Torkommen,  wie  z.  B.  in  der  Dresdener 
Statistik  Ton  O.  Sohanu  {^Gesimde  Jugend'',  HL  Jahrg.,  Heft  1/2),. 
dab  die  Zahl  der  Krankbefundenen  im  Jahre  1899  =  40,2  %  und 
im  Jahre  1902  =  79,01  %  der  Schüler  betrftgt.  Dab  solch  ein» 
Statistik  nicht  richtig  sein  kann,  liegt  für  jeden  Er&hrenen  auf 
der  Hand;  gar  so  krank  ist  die  deutsche  Schuljugend  doch  nicht; 
solche  Zahlen  kann  man  nur  erhalten,  wenn  man  j  ede  Abnormitftt 
als  Krankheit  bezeichnet  und  das  geht  gerade  bei  der  Sohülerststistik 
durchaus  nicht  an. 

Nehmen  wir  an,  es  wäre  vereinbart,  alle  Abnormitäten  in  die 
Bubrik  „Krankheiten"  einzuzwängen,  und  wir  würden  erfahren,  dab 
in  der  Schule  A  und  in  der  Schule  B  60  %  der  Schüler  krank 
befunden  wurden;  ist  das  in  beiden  Fällen  wirklich  der  Ausdruck 
ftLr  eine  gleichartige  Morbidität?  Oewib  nicht;  wir  wissen  nicht, 
wieviel  von  wirklichen  Krankheiten  und  wieviel  »Eigentümlich- 
keiten",  um  bei  der  Nomenklatur  von  Samosoh  zu  bleiben,  in  diesen 
Zahlen  enthalten  sind.  Nun  wird  man  sagen:  Da  braucht  man 
eben  nur  in  der  Detailstatistik  nachzusehen  und  kann  sich  dann  di» 
Zahl  selbst  berechnen.  Aber  auch  das  würde  nicht  zum  Ziele 
führen,  weil  z.  B.  die  Rubrik  „Nervosität**  und  „Skoliose^  —  um 
nur  zwei  Beispiele  anzuführen  —  je  nach  der  Aufbssung  dee 
imtersuchenden  Arztes  einmal  zu  grobe  Zahlen  und  ein  andermal 
zu  kleine  Zahlen  enthalten  kann.  Man  sollte  einmal  den  Versuch 
machen,  dasselbe  Schülermaterial  von  zwei  verschiedenen  Ärzten 
untersuchen  zu  lassen,  die  vorher  nichts  miteinander  vereinbaren 
•dürfen  und  nur  das  von  Samosch  vorgeschlagene  Schema  auszufallen 
haben;  ich  bin  überzeugt,  dab  da  die  kolossalsten  Differenzen  auf- 
treten würden  —  das  mub  aber  unmöglich  gemacht  werden,  und 
dies  kann  nur  dadurch  geschehen,  dab  man,  wie  ich  es  in  These  VI 
meines  Beferats  verlangt  habe,  einheitlich  festsetzt,  was  als  „Skoliose', 
was  als  „Nervosität^  u.  dgl.  m.  zu  gelten  hat.  Ich  mübte  eigent- 
lich hier  mein  ganzes  Beferat  wiederholen,  um  sicher  zu  sein,  nicht 
mibverstanden   zu  werden;    ich   will  aber  nur  als  den  wichtigsten 


787  193 

Punkt  heryorheben ,  was  ich  in  These  YII  zum  Ansdraok  gebracht 
liabe:  „Die  G-renze  des  Physiologischen  ist  möglichst  weit  zu  ziehen; 
'der  Fehler,  leichtere  Erkrankungen  eventuell  nicht  mitzuzählen,  ist 
statistisch  und  praktisch  weit  unerheblicher  als  die  Zuzählung  aller 
nur  „Verdächtigen*'  in  der  Rubrik  der  „Kranken^.  Wenn  z.  B. 
4SAM0SCH  wirklich  so  zählt,  wie  er  (auf  Seite  357  bezw.  89)  in 
seinem  Referate  auf  Grund  der  „Erfahrungen"  von  vier  Jahren 
andeutet,  dafs  er  nämlich  eine  „Mindestmorbidität^  feststellt,  so 
mag  das  für  seine  praktischen  Bedürfnisse  genügen,  aber  wenn  er 
meint,  data  „die  Individualität  des  Arztes  in  der  Beurteilung  von 
Oeeundheit  und  Krankheit''  ausgeschaltet  wird,  wenn  die  Berichte 
•einer  greisen  Anzahl  von  Ärzten  verglichen  werden,  so  ist  das  bei 
der  Dehnbarkeit  der  „individuellen  Auffassung'',  z.  B.  bei  „Skoliose", 
bei  „Blutarmut"  oder  bei  „IMervosität"  gewils  unrichtig.  Die  mög- 
lichen Fehler  gleichen  sich  hier  nicht  aus,  weil  nicht  etwa  eine 
kleine  Oruppe  von  Schulärzten  in  ihrer  Statistik  denselben  Fehler 
macht,  der  durch  die  richtige  Statistik  der  Majorität  ausgeglichen 
wird;  sondern  &st  jeder  Statistik  liegen  dann  andere  Auffassungen 
und  andere  Fehler  zugrunde,  welch  letztere  sich  nicht  das  Gegen- 
gewicht halten,  sondern  sich  summieren;  die  Vergleichbarkeit 
<ier  einzelnen  Berichte  ist  eben  nicht  vorhanden. 

Ebensowenig  kann  man  Samosoh  zustimmen,  wenn  er  behauptet, 
dafs,  „sobald  z.  B.  festgesetzt  wird,  daüs  pro  100  untersuchter  Schul- 
kinder, zu  deren  Untersuchung  sich  so  und  so  viele  schulärztliche 
Besudle  mit  einem  Zeitaufwande  von  so  und  so  viel  Stunden  als 
nötig  erwiesen,  so  und  so  viel  Kranke  herausgefunden  wurden,  .  .  . 
Zusammenstellungen  zustande  kommen,  die  Rückschlüsse  auf  eine 
Mindestmorbidität  zulieisen  und  die  untereinander  vergleichbar 
wären".  Ich  vermag  nicht  einzusehen,  wodurch  hier  die  Vergleich- 
barkeit verbürgt  ist.  Wenn  z.  B.  ein  Arzt  pro  100  untersuchter 
Schulkinder  fünf  Besuche  zu  zwei  Stunden  verwendet  und  30  „Kranke" 
gefunden  hat,  und  ein  anderer  wieder,  minder  gründlicher  oder  aber 
weit  geübterer  nur  drei  Besuche  zu  IVg  Stunden  für  die  Dnter- 
euchung  von  100  Schülern  braucht  und  40  Kranke  findet,  welche 
„Rückschlüsse"  vermag  man  da  zu  machen  und  wie  kann  man 
diese  Znsammenstellungen  untereinander  vergleichen? 

Und  ein  anderes  Beispiel,  das  ich  absichtlich  etwas  übertreiben 
will:  Arzt  X  untersucht  100  Kinder  in  fünf  Besuchen  zu  zwei 
Stunden  und  findet  40  Kranke,  davon  sind  20  Myopen,  10  nervüs 
und  10  blutleer;    Arzt  Y   untersucht  genau  in  derselben  Zeit  100 


194  78» 

Kinder  nnd  findet  eben&Ils  40  Kranke,  davon  sind  20  tnberknlös, 
10  haben  einen  Herzfehler  und  10  sind  rbaohitisoh  —  was  Termag^ 
man  darana  besOglich  der  ,,Minde6tmorbidit&t''  zu  eraohlielaen?" 

leb  habe  die  Empfindung,  data  Samo6CH  etwas  anderes  sageo 
wollte  nnd  daÜB  ich  ihn  m iisverstanden  habe;  aber  ans  der  Fassung' 
des  oben  wörtlich  sitierten  Satzes  kann  man  nichts  anderes  ableiten. 
Nnn  wird  man  mir  mit  Recht  einwenden,  dab  die  ErfüUnng  meiner 
Fordemng»  dafs  eine  Vereinbarung  darüber»  welche  Veränderungen 
bei  Schflleruntersuchungen  noch  als  physiologisch  und  welche  schon 
als  pathologisch  anzuaeben  sind,  nicht  so  leicht  ist  imd  vor  allem 
die  Einsetzung  von  Fachkommissionen,  wie  ich  dies  in  meinem 
Nttmberger  Beferate  selbst  verlangt  habe,  notwendig  macht»  so  dab 
viel  Zeit  verloren  wird,  wfthrend  die  rasche  Lösung  der  „brennendea 
Angelegenheit^  nottut.  Das  gebe  ich  ohne  weiteres  zu,  das  ftndert 
aber  nichts  an  der  Tatsache,  dab  wir  zu  einer  wissenschaftlich  und 
praktisch  brauchbaren  und  dadurch  vergleichbaren  schulärztlichen  Sta- 
tistik nicht  gelangen  werden,  bevor  man  Ober  die  zu  i-^gistrierenden 
Krankheitstypen  einig  ist;  es  darf  z.  B.  nicht  vorkommen,  dals  ein 
Bericht  jede  Abweichung  der  Wirbelsäule  von  der  Senkrechten  schon 
als  , Skoliose"  bezeichnet,  wfthrend  ein  anderer  nur  bedeutende 
Verkrümmungen,  die  schon  mit  dem  freien  Auge  sichtbar  sind, 
notiert  und  die  Anfangsstadien  vemachlftssigt 

Hier  gibt  es  vorlaufig  nur  einen  Ausweg:  die  einheitlichen 
Krankheitsschemata  so  einfach  wie  möglich  zu  gestalten 
und  vorlaufig  auf  die  wichtigsten  Scbulkrankheiten  zu  be- 
schränken, und  zwar  hauptsächlich  auf  solche,  wo  die  individuell» 
Auffassung  des  einzelnen  nicht  allzu  different  sein  kann. 

Die  sehr  detaillierten  Tabellen,  die  Samosoh  vorschlägt,  eignen 
sich  für  die  Statistik  des  Schularztes  ganz  gut,  aber  fOr  eine 
schulärztliche  Statistik,  die  vergleichbar  sein  soll,  weit  weniger, 
weil  sie  eben  der  individuellen  AuffiuBsung  einen  zu  weiten  Spielraum 
lassen,  aber  auch  weil  sie  „medizinisch"  nicht  in  allen  Punkten 
eindeutig  sind. 

Aus  all  den  aDgegebenen  Überlegungen  habe  ich  in  meinem 
Nürnberger  Referate  voigeschlagen,  vor  allem  die  „Konstitution*^  nicht 
wie  bisher  als  jigut",  „mittel**  und  .schlecht*^  zu  bezeichnen,  weil,  wie 
schon  der  vortreffliche,  leider  uns  seither  durch  einen  allzufrahen  Tod 
entrissene  Sghubbbt  in  seiner  Arbeit:  „Das  Schularztwesen  in  Deutsch- 
land^ betont  hat,  „die  Grenzen  .  .  .  allzu  sehr  von  dem  Ermessen 
des  untersuchenden  Arztes  abhängen'';    ich  habe  anstatt  dieser  un- 


7b9  195 

verl&fsliohenGesandheitazensuren  die  Kolonnen:  ^vollkommen  gesund^, 
„notorisch  krank^  und  «»yerdäohtig^  gesetzt.  Ich  kann  nicht  be- 
greifen, daiB  Samosoh  meinen  Vorschlag  als  „nicht  recht  klar ^  be- 
seichnet  Es  ist  ans  meinem  Referate  doch  vollkommen  „klar^,  dafs 
ich  nnr  die  sog.  Konstitution  in  die  drei  vorgeschlagenen  Kolonnen 
untergebracht  wünsche.  Wenn  —  um  bei  dem  Beispiele  zu  bleiben, 
das  Samosch  anführt  —  „ein  von  Gesundheit  strotzendes  Kind  mit 
einem  leichten  Sprachfehler  oder  einer  mftlsigen  flyperopie  oder 
Ifyopie^  behaftet  ist,  so  ist  es  in  seiner  Körperkonstitution 
zweifellos  vollkommen  gesund.  Wenn  wir  die  wirklich  „unklaren*^ 
Bezeichnungen  »gut**,  „mittel^,  „schlecht^  beibehalten,  wie  es  Samobch 
vorschlfigt,  ist  dann  vielleicht  die  Eintragung  eines  Kindes,  das  mit 
einem  Sprachfehler  behaftet  ist  oder  eine  Myopie  besitzt,  dabei  aber 
^von  Gesundheit  strotzt^,  leichter?  Ist  dieses  Kind  rtg^t**,  „mittel** 
oder  „schlecht*'?  Auch  diese  alte,  von  Samosch  beibehaltene  Ein- 
teilung kann  sich  doch  nur  auf  die  Konstitution  beziehen. 

Wir  müssen  in  dieser  vergleichbaren  schulärztlichen  Statistik 
berücksichtigen  1.  die  Konstitution  und  2.  die  Schulkrank- 
heiten —  das  Wort  im  weitesten  Sinne  genommen  — ,  das  sind 
zwei  grundverschiedene  Dinge,  die  nebeneinander  angeführt  werden 
müssen.  Die  Aufschrift  der  Kolonnen  bei  der  Beurteilung  der 
Konstitution  ist  nicht  unabänderlich;  es  kommt  nur  darauf  an,  dafs 
jeder  Schularzt  in  die  einzelnen  Kolonnen  die  gleichen  Veränderungen 
einträgt;  man  könnte  z.  B.  auch  unterscheiden:  I.  „kräftig*', 
IL  „schwächlich**,  III.  „krank^^  Samobch  hat,  wie  er  angibt,  in 
seinem  Entwürfe  I  meinen  Vorschlag  „in  gewissem  Sinne*'  berück- 
sichtigt, indem  er  das  Vorhandensein  der  „Norm**  und  die  „Ab- 
weichungen von  der  Norm*'  einträgt  und  in  zweifelhaften  Fällen  ein 
Fragezeichen  hinzufügt.  Für  den  geistigen  Zustand  ist  diese  Ein- 
teilung ausreichend  und  zutreffend,  bei  körperlichen  Erkrankungen 
aber  ist  das  Wort  „normal**  und  „abnormal**  zu  vieldeutig,  und  bei  der 
Konstitution  ist  es  als  Einteilungsprinzip  überhaupt  nicht  zu  ver- 
wenden. Es  wäre  sehr  zu  bedauern,  wenn  bei  einer  Beform  der 
schulärztlichen  Statistik  die  nichtssagenden  Kolonnen  „gut^,  „mittel**, 
„schlecht**  beibehalten  würden. 

Ich  gehe  nun  zu  den  Entwürfen  über,  die  Samosch  für  die 
Gesundheitsscheine  ausgearbeitet   hat.     Samosch   gesteht  selbst  zu, 


^  Wie  ich  schon  im  Jahre  1890  vorgeschlagen  habe  (»Zur  Schalantfrage" 
vergl.  nnten). 


196  790 

dalB  die  Zosammenstellang  „auf  roher  Empirie"  beraht  und  doioh- 
ans  nicht  den  Anepruoh  erhebt,   „als  wisaensohaftlich  bereditigt  an- 
gesehen  zu  werden** ;   es  dürfte,  meint  Samosgb,  „für  den  Sohularzt 
besser  sein,  ein  praktisch  handliches  Schema  zu.  besitssen,    als    ein 
dem  Stande   der  Wissenschaft   entsprechendes,    mit   dem   er  nichts 
Rechtes  anzufangen  weifs^.    Ist  es  aber,  mufe  man  fragen,  wirklieh 
unmöglich,  ein  dem  Stande  der  Wissenschaft  entsprechendes  Schema 
zu  entwerfen,   das  dabei  auch  praktisch  handlich  ist  und  mit   dem 
der  Schularzt  auch  etwas  Rechtes  anzufangen  weils?   Ich  glaube,  dab 
ich  in  meinem  Referate  in  dem  Entwürfe  für  die  „lokale  Statistik* 
ein  derartiges  Schema  angegeben  habe,  das  —  wie  ich  ausdrücklich 
hervorhob    —   nicht   als  unabänderlich  gedacht  war,    das  aber  die 
Einteilung    der    auch     von    Samosch     registrierten    Erkrankungen 
in  einer  Form  enthält,   welche  meines  Erachtens  einer  wissenschaft- 
lichen Kritik   ziemlich  standzuhalten  vermag.     Mit  geringen  Ände- 
rungen könnte  in  diesem  Schema   alles  untergebracht  werden,   was 
Samosch  vermerkt  wissen  will. 

Die  Entwürfe  von  Samoscb  leiden  an  manchen  Stellen  in  der 
Tat  an  einer  wissenschaftlichen  Ungenauigkeit,  die  auch  praktisch 
Verwirrung  hervorzurufen  geeignet  ist. 

Ich  will,  um  nicht  zu  weitläufig  zu  werden,  nur  einiges  hervor- 
heben.    So  ist  z.  B.  die  Rubrik   ^Enochensystem^  sowohl  wissen- 
schaftlich  wie    praktisch    nicht   gerade  glücklich   zusammengestellt. 
Man  darf  vor  allem  nicht  übersehen,  dals  man  bei  der  Beschreibung 
einer  vergleichenden  Statistik  auf  Grund  von  „tausenden  derartiger 
gut  ausgefüllter  Scheine"    (Samosch,    S.  444  bezw.  102)   nicht   auf 
jede  Einzeldiagnose  Rücksicht  nehmen  kann,  sondern  nur  die  Krank- 
heitsgruppen in  Betracht  zu  ziehen  vermag.   Nun  sind  bei  Samosch 
unter  den  „Deformitäten"   angsführt:    Kyphoskoliose,   Hühnerbrust, 
Verkrümmungen  der  Extremitäten,    Schädelanomalien.     Setzen  wir 
den  Fall,  dafe  zwei  einem  späteren  Bearbeiter  vorliegende  summarisohe 
Ausweise  nach  dem  Schema  von  Samoboh  an  Knochendeformitäten 
die  Zahl  20  enthalten;  in  dem  einen  sind  darin  vermerkt  zehn  Fälle 
von  Skoliose  und  je  fünf  Fälle  von  Hühnerbrust  und  Schädelanomalieo, 
in  dem  anderen  ein  Fall  von  Skoliose,  zehn  Fälle  von  Hühnerbrust, 
fünf  Fälle  von  Verkrümmungen  der  Extremitäten  und  vier  Fälle  von 
Schädelanomalien  —  sind  das  Gruppen,  die  praktisch  miteinander 
vergleichbar  sind?    Die  Skoliose  ist  eine  wichtige  „Sohulkrankheit", 
deren  kausaler  Zusammenhang  mit  dem  Schulbetriebe  wohl  mit  Recht 
vermutet  wird,  aber  nicht  für  alle  Fälle  bewiesen  ist;  gerade  eine 


791  197 

Auf  grolse  und  naoh  einheitlichen  Prinzipien  bearbeitete  Statistik 
vermag  hier  vielleioht  die  Entscheidung  zu  bringen  —  es  muls  des- 
lialb  die  Skoliose  unbedingt  eine  eigene  Kolonne  haben.  Die 
^flOhnerbrust^  hat  als  solche  hingegen  für  die  Schulhygiene  hst 
keine  Bedeutung,  sie  ist  übrigens  nur  ein  Symptom  der  Ehachitis 
und  muls,  wenn  sie  überhaupt  notiert  werden  soll,  in  die  Kolonne 
Xthaohitis  kommen.  Ähnliches  gilt  von  den  ,, Verkrümmungen  der 
Sixtremitäien^.  Die  „Schädelanomalien ^  mögen  in  einer  lokalen 
Statistik,  wenn  der  betreffende  Schularzt  sich  für  diese  Streitfrage 
interessiert,  Baum  finden,  Mls  sie  nicht  als  rhaohitische  Verände- 
rungen in  die  Kolonne  „Rhaohitis"  gehören;  für  eine  vergleichende 
Statistik  haben  derartige  minutiöse  Details  keinen  besonderen  Wert 
lud  können  mit  anderen  „Deformitäten^  in  eine  gemeinschaftliche 
Kolonne  kommen  (in  meinem  Schema  z.  B.  in  Rubrik  16:  y,Mi£9- 
bildungen^,  die  vorteilhafter  vielleicht  die  Aufschrift  „Deformitäten'' 
führen  könnte). 

Ebenso  ist  es  wissenschaftlich  und  praktisch  unstatthaft,  die 
„Knochentuberkulose"  mit  der  Arthritis  und  Ooxitis  und  sogar  der 
angeborenen  Hüftgelenksluxation  und  dem  Schiefhals  in  einer 
fiubrik  zu  vereinigen;  die  tuberkulösen  EIrkrankungen  gehören  alle 
zusammen;  Wissenschaft  imd  Praxis  haben  ein  gleich  groDses  Inter^ 
esse,  sicherzustellen,  in  welcher  Ausdehnung  tuberkulöse  Erkran- 
kungen in  den  Schulen  vorkommen.  Dafe  die  „Spina  bifida '^  der 
Knochentuberkulose  zugezählt  ist,  ist  wohl  nur  ein  Druckfehler 
(vielleicht  ist  die  „Spina  ventosa''  gemeint),  die  Spina  bifida  ist 
eine  „Djrformität",  die  mit  Tuberkulose  nichts  zu  schafien  hat. 

2.  Nach  den  „ Hautleiden **  sind  „Parasiten''  angeführt,  es  fehlt 
der  Zusatz  der  flaut;  hier  müssen  aber  die  parasitären  EJrkran- 
kungen  (Herpes  tonsurans  u.  dgl.)  ausdrücklich  ausgenommen  seiui 
die  Bezeichnung  „Parasiten^  kann  sonst  verschieden  gedeutet  werden; 
es  wäre  vorteilhafter,  „Pediculosis  und  Skabies"  statt  „Parasitaria^ 
anzusetzen. 

3.  Bei  den  „Zähnen^  wäre  die  Gruppierung  I,  II,  III  auszulassen 
und  statt  dessen  „Oaries  der  Zähne**  zu  setzen  —  oder  wenigstens 
beide  nebeneinander;  auch  die  Ahachitis  und  die  Skrophulose  kann 
das  Gebiüs  als  „schlecht^  erscheinen  lassen,  wichtig  aber  ist  doch 
nur  die  Oaries  der  Zähne. 

4.  Bei  der  Kolonne  „Zustand  der  Lungen^  ist  das  „Asthma" 
absolut:  nicht  am  richtigen  Platze.  Asthma  ist  überhaupt  keine 
Krankheit  für  sich,    sondern   ein  Symptom  verschiedener  Krank* 


198  792 

heiten.  Wenn  z.  B.  ein  Kind  einen  Hersfehler  und  ein  andern 
adenoide  Vegetationen  bat,  können  beide  „Astbma^  haben  (sehrhinfig 
ist  das  Asthma  im  Kindeealter  überhaupt  nicht).  Daia  die  Tnber 
kulose  in  eine  gesonderte  Rubrik  gehört,  habe  ich  bereits  enrthnt 
(Kolonne  14  meines  Entwurfes  lautet:  Tuberkulose  a)  der  Lungen, 
b)  der  Knochen  und  anderer  Organe). 

5.  In  der  Kolonne  „Zustand  des  Herzens**  sind  die  ,,aiiftmiaolMi 
Geräusche^  nicht  einzureihen.  Sind  die  Geräusche  wirklich  & 
Folge  von  Anämie,  dann  ist  das  Herz  nicht  krank,  d.  h.  dann  ist 
das  Kind  anämisch  und  nicht  herzkrank. 

6.  In  der  Rubrik  „Organe  der  Bauchhöhle''  ist  die  chroniaoiie 
Peritonaltuberkulose  mit  den  „Würmern*'  in  einer  Kolonne,  die 
Tuberkulose  des  Bauchfells  ist  aber  eine  Tuberkulose  und  gehört  in 
diese  Abteilung. 

7.  Bei  der  Kolonne  y^Augenkrankbeiten*'  hält  Samoboh  an  der 
vagen  Bezeichnung  „Skrophulöse  Erkrankungen*'  fest,  trotzdem  ieh 
in  meinem  Referate  die  TJnhaltbarkeit  dieser  Bezeichnung,  wie  ich 
glaube,  einwandfrei  nachgewiesen  habe.  Die  Skrophulöse  ist  eine 
Erkrankung  für  sich  imd  mufs  eine  gesonderte  Kolonne  erhalten. 

Ich  mufs  den  Entwürfen  von  Samosch  gegenüber  meinen  Ent- 
wurf als  wissenschaftlich  und  praktisch  verläfslicher  Terteidigen 
und  aufirechthalten  —  ich  führe  aus  meinen  Entwürfen  im  Anhange 
nur  die  Tabelle  III  an.  Ergänzt  könnte  mein  Entwurf  immerhin 
noch  werden,  und  halte  ich  z.  B.  den  Vorschlag  von  Samosch  be- 
züglich der  allgemeinen  geistigen  Beschaffenheit  (normal,  zurück- 
geblieben,  defekt)  für  eine  derartige  zweckmälsige  Ergänzung. 

Die  von  Samosch  vorgeschlagene  Form  der  Beriohteistattnng 
ist  aber  sehr  empfehlenswert,  ebenso  die  Anregung,  die  definiti?e 
genaue  Untersuchung  der  Lemanftnger  auf  den  dritten  oder  sechsten 
Monat  nach  Schuleintritt  zu  verschieben.  Auch  muüs  man,  wie 
erwähnt,  Samosch  darin  zustimmen,  dab  ftir  jedes  in  die  Sdinle 
eintretende  Kind  ein  Untersuchungsbogen  angelegt  werden  mois. 
Mustergültig  sind  auch  die  Formulare,  welche  die  „Anordnungen 
und  spezielle  Notizen  des  Schularztes'  enthalten. 

Ebenso  einverstanden  mufs  man  mit  dem  Vorschlage  von  Samosgb 
sein,  dafs  die  Lehrer  obligatorisch  verpflichtet  sein  müssen,  die  In- 
fektionskrankheiten dem  Schularzte  anzuzeigen;  man  kann  hinzoftgtn 
—  die  Schulversäumnisse  überhaupt  und  deren  Ursache. 

Sehr  wichtig  scheint  es  mir  aber  noch,  dafs  vereinbart  wird,  wie 
man  jene  Fälle  zu  registrieren  hat,  wo  ein  und  dasselbe  Kind  meh^ 


793  199 

fache  Oesnndbeitsstörungen  ud<1  Anomalien  aufzuweisen  hat  Man 
kann  hierbei  verschiedene  Wege  wählen,  aber  es  muls  ein  einheit- 
licher Vorgang  in  all  diesen  Fällen  gesichert  sein,  damit  keine  Ver- 
wirrung entsteht. 

ESs  wäre  sehr  empfehlenswert,  dals  die  „Kommission"  auch 
einen  Fragebogen  für  die  Lehrer  ausarbeiten  würde;  ich  habe  ein 
Schema  für  einen  derartigen  Fragebogen  schon  im  Jahre  1890  in 
meiner  Arbeit:  ,,Zur  Schularztfrage**  (Pf&g>  Fr.  Ehrlichs Bachhandlung, 
Bernhard  Knauer)  entworfen;  etwas  modernisiert,  könnte  dasselbe 
auch  heute  noch  empfohlen  werden  und  würde  die  Eubrik  „Beob- 
achtungen und  Bemerkungen  der  Lehrer  während  der  Schulzeit^  im 
Entwürfe  la  von  SAMOSch  zu  einer  noch  wertvolleren  und  einheit- 
licheren gestalten. 

Von  den  Fragen,  die  ich  damals  für  den  Lehrer  vorgeschlagen 
habe,  wären  hervorzuheben:  „1.  Ist  der  Schüler  besonders  begabt» 
von  durchschnittlicher  (mittlerer)  Begabung,  zerstreut  (unaufmerksam), 
schwachsinnig?  2.  Hat  der  Schüler  eine  besondere  Be&higung  oder 
Un&higkeit  für  besondere  Lehrfächer  und  für  welche?  3.  Wie  ist 
die  Haltung  des  Schülers  beim  Schreiben :  gerade,  gekrümmt?  nähert 
er  den  Kopf  in  auffallender  Weise  dem  Schreibhefiie,  neigt  er  ihn 
zur  Seite,  auf  welche?  4.  Sonstige  Bemerkungen,  die  für  die  Be- 
urteilung des  geistigen  oder  körperlichen  Zustandes  des  Schülers  von 
Wichtigkeit  scheinen.  5.  Falls  der  Lehrer  Geschwister  des  be- 
treffenden Schülers  unterrichtet  hat,  ist  es  von  Wert,  zu  erfahren, 
ob  diese  Geschwister  Ähnlichkeiten  oder  Verschiedenheiten  in  den 
früher  erwähnten  Punkten  darboten.^ 

Der  Schularzt  kann  und  wird  selbstverständlich  im  Gespräche 
mit  dem  Lehrer  die  meisten  der  angeführten  Fragen  wohl  unwill- 
kürlich stellen,  aber  für  die  Statistik  wäre  es  höchst  erwünscht,  die 
Beobachtungen  der  Lehrer  unter  der  vollen  Verantwortung  der  letz- 
teren schwarz  auf  weiis  zu  besitzen. 

Meine  zahlreichen  Einwendungen  sollen  durchaus  nicht  das 
Verdienst  von  Samosoh  schmälern;  Samosob  selbst  hat  aber  eine 
lebhafte  Diskussion  gewünscht,  meine  Bemerkungen  sollen  mithelfen, 
eine  solche  einzuleiten.  Rom  wurde  bekanntlich  nicht  an  einem 
Tage  erbaut,  und  ein  Krankheitsschema  für  die  schulärztliche  Sta- 
tistik, das  allen  recht  ist,  wird  nicht  auf  den  ersten  Wurf  geboren 
werden. 


200 


794 


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202  796 


tletitete  M\tttUtn%tn. 


Der  Sehnlant  flr  hthere  LehruMtaltei, 
eile  letweidige  ErgiAiug  userer  SehvlerguisitiM. 

Von  K.  A.  Martik-Habtmann. 

Leits&tze: 

L  Die  ScholarzteinrichtnDgy  die  sich  Ar  Volksschulen  als  heilsam  er- 
wiesen hat,  so  sehr  sie  anch  noch  weiter  rerrollkommnet  werden  mnls,  ist 
anch  ftr  höhere  Lehranstalten  als  ein  Bedflrfnis  anzuerkennen. 

n.  Die  Schfller  der  höheren  Lehranstalten,  die  Iftnger  nnd  stflrker  in 
Anspruch  genommen  werden  mflssen  als  die  Volksschfller,  flberdies  aber 
zum  grofsen  Teile  in  dem  so  kritischen  Lebensalter  der  Pubert&tsentwick- 
lung  stehen,  sind  nicht  minder  schwerwiegenden,  wenn  auch  oft  anders 
gearteten  Störungen  der  Gesundheit  ausgesetzt  aLs  die  Volksschfller,  und 
genieben  durchaus  nicht  regelmftfsig  Torbeugende  ärztliche  Oberwachung. 

m.  Eltern  sowohl  als  Lehrer  haben  ein  grofsfs  Interesse  an  der  Ein- 
gliederung des  Schularztes  in  den  Organismus  der  höheren  Lehranstalt,  als 
an  einer  Reform,  die  nicht  nur  dazu  dient,  die  Gesundheit  unserer  Jogoid 
zu  wahren  und  zu  fördern,  sondern  die  auch  die  Arbeit  der  Lehrer  über- 
aus wirksam  unterstfltzen  würde  und  schließlich  nicht  ohne  Einflub  auf 
die  Hebnng  der  allgemeinen  Lage  des  höheren  Lehrerstandes  bleiben  könnte. 

IV.  Die  Stellung  des  Schularztes  an  der  höheren  Lehranstalt  ist  auf- 
zufassen als  die  eines  unter  der  Autorität  der  Schulleitung  wirkenden  sach- 
verständigen Beraters  in  allen  mit  der  Hygiene  zusammenhängenden  Fragen 
des  Schullebens. 

V.  Die  allgemeine  Aufgabe  des  Schularztes  an  der  höheren  Lehranstalt 
besteht  nicht  in  der  ärztlichen  Behandlung  der  Schfller,  die  nach  wie  vor 
Sache  des  Hans-  oder  des  Spezialarztes  bleibt,  sondern  in  der  hygienisches 
Förderung  der  gesamten  Schulgemeinschaft. 

Seine  Tätigkeit  erstreckt  sich  besonders  auf  folgende  Punkte: 

a)  die  hygienische  Überwachung  des  Schulgebäudes  und  seiner  Ein- 
richtungen, 

b)  die  Überwachung  des  Gesundheitszustandes  der  Schfller,  unbeschadet 
der  dem  Bezirks-  oder  Kreisarzte  zustehenden  Befugnisse, 

c)  die  Begutachtung  von  Gesuchen  um  Dispens  Ton  einzelnen  Unter- 
richtsftchem  und  Ton  Gesuchen  um  Ferienverlängerung,  sowie  in  zweifel- 
haften Fällen  die  Begutachtung  von  Gesuchen  um  Zulassung  zum  fakulta- 
tiven Unterricht. 

Als  wünschenswert  und  flberall  da  berfleksichtigenswert,  wo  die  Ans- 
fflhmng  möglich  ist,  erscheint  eine  Tätigkeit  des  Schularztes  auch  nach 
folgenden  Seiten: 

d)  die  hygienische  Belehrung  der  Schfller,  namentlich  der  älteren,  in 
allen  für  ihre  Entwicklung  bedeutsamen  Fragen, 


797  203 

e)  die  hygienische  Anregang  und  Avfkl&rnng  der  Eraiehongspflichtigen, 
luif  deren  tätige  Mitwirkong  and  Unterstützung  nicht  verzichtet  werden  kann. 

Über  seine  Amtslfihmng  erstattet  der  Schularzt  aUjährlich  einen  Bericht. 

VI.  So  wie  die  Verhältnisse  zurzeit  liegen,  ist  nicht  zu  wflnschen, 
da&  die  Schularzteinrichtung  mit  einem  Male  für  alle  höheren  Lehranstalten 
«Ines  grölaeren  Bezirkes  ins  Leben  tritt,  vielmehr  sollten  zunächst  einzelne 
Anstalten,  bei  denen  gflnstige  Bedingungen  fUr  den  Erfolg  gegeben  sind, 
gleichsam  als  Pioniere  vorangehen,  und  erst  auf  Grund  ihrer  Erfahrungen 
würde  später  eine  allgemeine  Organisation  zu  schaffen  sein.  Für  den  Anfang 
ist  es  vor  allem  wichtig,  daßi  einerseits  die  Einrichtung  zuerst  an  solchen 
Schulen  zur  Einführung  kommt,  wo  das  Lehrerkollegium  sich  freundlich 
dazu  stellt  und  geneigt  ist,  sie  nach  Kräften  zu  fördern,  und  dafs  anderer- 
seits die  Persönlichkeit  des  Schularztes  alle  wünschenswerten  Bürgschaften 
für  ein  gedeihliches  Zusammenwirken  mit  der  Lehrerschaft  bietet.  Je  har- 
nionischer Schularzt  und  Lehrer  zum  Wohle  der  Jugend  zusammenarbeiten, 
um  so  wertvoUere  Dienste  wird  die  Einrichtung  leisten. 

Vn.  Die  EinfOhrung  des  Schularztes  an  höheren  Lehranstalten  bedeutet 
nicht  nur  fär  diese  selbst,  sondern  für  das  Volkswohl  überhaupt  einen 
wichtigen  Fortschritt,  insofern  sie  ein  Mittel  ist,  die  auf  diesen  Schulen 
vorgebildeten  Kreise  von  vornherein  für  die  Sache  der  Gesundheitspflege 
zu  interessieren  und  durch  sie  wiederum  auf  weitere  Volksschiditen  hygie- 
nisch einzuwirken, 

(Sonderabdr.  a.  d.  „F&dagog.  WodhmhL  f.  d.  akademisch  gebüdetm 
Lehrersiand  DeutsOdds.'' ,  XIV.  Jahrg.,  Nr.  47.) 

SelmlarEtfrage.  Die  Vereinigung  fOr  Schulgesundheitspflege  in  Ham- 
burg befaCste  sich,  wie  im  j^Arckiv  für  sogiaU  Medufin  und  Hygime"^ 
(Bd.  I,  Heft  3,  1905)  berichtet  wird,  in  ihrer  Sitzung  vom  14.  November 
1904  auch  mit  der  Sc  hularztf  r  age.  Die  Notwendigkeit  der  schulhygienischen 
Aufsicht  wurde  von  allen  Rednern  anerkannt;  Dr.  Marr  allein  wendete 
sich  gegen  die  Anstellung  besonderer  Schulärzte,  weil  deren  Funktionen 
in  Hamburg  bereits  durch  andere  Organe  privater  und  öffentlicher  Natur 
in  genügender  Weise  besorgt  würden.    Angenommen  wurden  folgende  Thesen: 

I.  Die  Schulhygiene  ist  ein  Teil  der  öffentlichen  Hygiene  (Honbbrinker). 

U.  Aus  vielen  Untersuchungen  von  Schulkindern  geht  hervor,  da(s  bei 
denselben  bis  zu  50%  und  je  nach  Individualität  des  untersuchenden 
Arztes  bis  zu  70%  körperliche  Schäden  gefunden  werden. 

Im  Interesse  einer  richtigen  pädagogisch -hygienischen  Behandlung 
erscheint  es  wünschenswert,  dafs  die  Lehrer  von  solchen  Schäden  Kenntnis 
erhalten,  ehe  sie  mit  den  Anforderungen  der  Schule  an  die  Kinder  heran- 
treten (Dr.  Marr). 

HI.  Die  Einfahrung  von  Schulärzten  erscheint  sowohl  für  Volksschulen 
Als  auch  für  höhere  und  Privatschulen  als  eine  Notwendigkeit, 

1.  weil  mit  Hilfe  des  Schularztes  unhygienische  EiArichtungen  des 
Schulgebäudes,  die  geeignet  sind,  die  Kinder  an  ihrer  Gresundheit 
zu  schädigen  und  die  Erfolge  des  Unterrichts  zu  vermindern,  be- 
seitigt werden  können, 

2.  weil  durch  die  prophylaktische  Tätigkeit  des  Schularztes  die 
Möglichkeit  gegeben  ist,   Krankheiten  der  Schüler    zu  verhindern 


204  798 

oder  in  einem  frohen  Stadium  za  erkennen,  za  heilen  und  dadordi 
die  Leistnngsfilhigkeit  der  Schtüer  im  Unterricht  zu  steigeni, 
3.  weil  die  Einrichtung   der  Schnlftrzte  geeignet  ist,  Interesse  und 
Sinn  fOr  hygienische  Dinge  bei  Lehrern  und  Lehrerinnen  zu  be* 
leben  (Risohawt). 
IV.  Die  Eänfnhrung  der  Schulftrzte  erscheint,   nachdem  eine  grobe 
Reihe  Yon  Stftdten  mit  gutem  Erfolg  darin  vorgegangen  ist,  im  Interesse 
der  heranwachsenden  Jugend  auch  fftr  Hamburg  geboten  (JaffA). 

Dr.  KKAPT-Zttrich. 
Seklllnte  flr  die  MittelBCkvlei  sind  in  Czernowitz  (Bukowina) 
angestellt  worden.  Die  Wochenschrift  ^Das  Ösierr.  Samtätswesm*^  (1904, 
XVI,  Nr.  41)  berichtet,  dafs  im  Jahre  1902/03  versuchsweise  ein  Ant 
flir  sftmtliche  Mittelschulen  angesteUt  wurde.  Er  war  aber  nicht  in  der 
Lage,  die  ihm  abertragene  Arbeitskst  zu  bewAtdgen,  welshalb  nun  ftkr  die 
drei  am  Platze  befindlichen  Mittelschulen  je  ein  Arzt  vom  Landessdinint 
mit  der  schulArztlichen  Funktion  betraut  wurde. 

Der  Schularzt  soll,  laut  Instruktion,  als  Berater  der  Direktion  in 
schulhygienischen  Fragen  fungieren  und  seine  Wahrnehmungen  und  Bat- 
schlage  in  einer  eigens  zu  diesem  Zwecke  einzuberufenden  Konferenz  zum 
Ausdruck  bringen.     Insbesondere  hat  er  folgende  Aufgaben  zu  erfWen: 

1.  Er  wird  die  hygienischen  Zustände  des  Schulgeb&ndes  und  der 
Klassenzimmer  prOfen. 

2.  Er  wird  SchtUer  untersuchen,  die  mit  einem  Gebrechen  behaftet  sind, 
das  den  Studiengang  erschwert,  und  Vorschläge  zur  Verhütung 
der  Schäden,  denen  solche  Schtüer  beim  Unterrichte  ausgesetzt 
sind,  anbringen. 

3.  Der  Schularzt  wird  im  Sinne  des  Erlasses  des  Ministeriums  des 
Innern  vom  10.  März  1908,  Z.  38731  (Öaterr,  SanUäiaweiem, 
1908,  Nr.  13),  auf  die  Förderung  der  Zahnpflege  bei  den 
Schfllem  Bedacht  nehmen. 

4.  Er  untersucht  Schiller,  welche  in  hygienischer  Beziehung  eine 
Gefahr  für  ihre  MitschtUer  bilden. 

5.  Bei  epidemischen  Krankheiten  trifft  er  die  nötigen  Voii:ehmngeD 
zur  Verhütung  der  Übertragung  dieser  Krankheiten. 

6.  Bei  Anschaffung  von  Schulgeräten  (Bänken,  Tafeln),  steht  er  dem 
Direktor  beratend  zur  Seite. 

7.  Alle  Untersuchungen  sind  unentgeltlich. 

Empfohlen  wird  mindestens  eine  wöchentliche  Sprechstunde  im  Amts- 
gebäode  zur  Besprechung  von  Fällen,  die  im  Laufe  der  Woche  auftauchen 
und  nicht  dringlich  sind.  Dr.  KRAFT-Zflrich. 

Ober  die  Tätigkeit  der  Sehnltrite  in  New  Yerk  berichtet  Dr. 
L.  WIOHMANN  in  der  „Monatsschrift  für  Kmderh&Okimde*'  (1904,  Bd.  m 
Nr.  6).  Im  Jahre  1897  wurden  zum  Zwecke  der  wirksamen  DurchfDhmng 
prophylaktischer  Mafsnahmen  gegen  ansteckende  Krankheiten  auch  Schul* 
ärzte  angestellt,  deren  Tätigkeit  sich  im  Verlaufe  der  Zeit  in  vortrefflicher 
Weise  ausgebildet  hat. 

Jedem  Schularzte  werden  ungefähr  fünf  Schulen  zugewiesen,  wo  täg- 
lich revidiert  wird.     Alle  den  Lehrern   verdächtigen  Fälle  werden  unter- 


799  206 

sucht.  Dabei  erstreckt  sich  die  UntersnchiiDg  auch  auf  infektiöse  und 
parasitäre  Krankheiten,  z.  B.  Pediknlose,  Favus,  Trichophytose,  Skabies. 
Dem  krank  gefundenen  Kinde  wird  eine  Karte  mit  Answeisnngsorsache 
gefertigt  and  der  Fall  an  das  Gesundheitsamt  gemeldet.  Die  Schulärzte 
sowie  die  Schulbehörde  bekommen  täglich  eine  Liste  von  allen  berichteten 
Fällen,  denn  alle  Kinder  aus  Familien  mit  Fällen  von  hoch  kontagiösen 
Krankheiten  werden  von  der  Schule  ausgeschlossen,  und  ohne  schriftliche 
Erlaubnis  seitens  des  Gesundheitsamtes  darf  der  Schulbesuch  nicht  wieder 
anfangen. 

Einmal  wöchentlich  werden  alle  Schulkinder  untersucht;  es  ist  dabei 
-namentlich  auf  chronische,  von  den  Lehrern  nicht  bemerkte  Krankheiten 
abgesehen,  z.  B.  Trachom  und  Tuberkulose.  Die  Kinder  gehen  der  Reihe 
nach  am  Arzte  vorbei,  der,  von  einer  geschulten  Wärterin  unterstfltzt, 
Bachen,  Augenlider,  Kopfhaut  und  allgemeines  Aussehen  schnell  (I)  durch* 
mustert.  Dabei  sind  antiseptische  Kautelen  nicht  vernachlässigt,  ein  sepa- 
rater hölzerner  Zungenspatel  wird  für  jedes  Kind  benutzt,  und  die  Augen- 
lider werden  nie  direkt  berührt,  sondern  nur  mittels  Wattetapfen.  Bei 
dieser  Untersuchung  werden  eine  Masse  Kinder  wegen  Pediculosis  capitis, 
Trachom  und  Trichophytose  ausgeschlossen.  Dr.  KRAFT-Zürich. 

Anssehlnfs  tuberknlSser  Kinder  ans  der  Selmle.  Auf  dem 
Kongrefs  fQr  Kinderschutz  in  Lottich  wurde  ein  Antrag  angenommen, 
die  Schulbehörden  und  die  zuständigen  Regierungen  zu  ersuchen,  häufiger 
in  den  Schulen  eine  ärztliche  Untersuchung  der  Schulkinder  zu  veranlassen, 
nm  tuberkulöse  Kinder  vom  Schulbesuch  auszuschliefsen. 

Nene  Schulärzte.  In  Stettin  haben  die  Schulärzte  nach  langen 
Yerhandlungnn  zwischen  Magistrat,  Stadtverordneten  und  Staatsbehörden 
ihre  Tätigkeit  begonnen.  —  In  Fauns dorf  hat  der  Schulvorstand  die 
Anstellung  eines  Schularztes  beschlossen  und  als  solchen  Herrn  Dr.  med. 
Hbikzb  bestimmt.  —  In  Lichtenberg  wurde  das  Amt  eines  Schularztes 
fOr  die  8./9.  Gemeindeschule,  welche  demnächst  in  der  Pfarrstralse  er- 
öftnei  werden  soll,  dem  praktischen  Arzt  Dr.  Jaeobsohn  übertragen.  — 
In  Köpenick  hat  die  Stadtverordnetenversammlung  beschlossen,  vom 
1.  April  1906  ab  ingesamt  sechs  Schulärzte  anzustellen.  —  In  Treptow- 
Baumschulenweg  haben  die  Schulärzte  ihre  Tätigkeit  am  Anfange  de» 
Sommers  begonnen  und  die  an  Ostern  eingeschulten  Kinder  untersucht. 
Ob  weitere  Untersuchungen  und  Beaufsichtigungen  folgen  werden,  weifs- 
man  nicht.  Haben  doch  selbst  die  Gemeindeverordneten  bis  jetzt  noch 
keine  Kenntnis  Aber  die  den  Ärzten  gesteUten  Aufgaben.  Als  Entschädigung 
für  zwei  Schulärzte  sind  400  Mark  ausgeworfen  worden.  Bei  der  gering- 
fügigen Bezahlung  kann  man  eine  umfangreiche  Tätigkeit  freilich  nicht 
erwarten.  —  In  einer  Gemeinderatssitzung  der  Stadt  Marburg  (Steiermark) 
wurde  unlängst  von  Dr.  Rak  der  Antrag  gestellt,  den  Stadtrat  zu  er- 
suchen, bei  Gemeinden  mit  eigenem  Statut,  bei  denen  bereits  Schulärzte 
angestellt  sind,  anzufragen,  wie  daselbst  die  Tätigkeit  der  Schulärzte 
geregelt  ist.     Der  Antrag  wurde  angenommen. 


Der  SchnUrzt.   IIL  21 


206  800 


Hefertte  aber  nett  erfd^iettene  fc^nlirjtltdie  3tffxtthtn^it. 


OeiierallMricht  über  dai  erste  Jahr  des  sebiUntlielieA  Dieistes 
in  Mfilhausen  i.  Eis.  Tsm  1.  AprU  1903  bis  3h  Mkn  1904. 

Erstattet  Ton  Dr.  med.  W.  Sachs, 
ObmaDD  der  Sohullrtte. 

Die  Organisation  des  schol&rzUichen  Dioistes  in  Mülhaosen  i.  EU. 
ist  die  jetzt  am  meisten  verbreitete,  wonach  der  Dienst  zerfällt  in  Anf- 
nahmeontersachnngen  der  Lemanfftnger  and  Sprechscnnden  für  Überwachungs- 
schfller,  welchen  Klassenbesnche  voraosgehen.  Die  Anfnahmeontersochnng 
geschieht  znnlchst  in  den  ersten  Tagen  nach  Schillanfang  in  Form  einw 
adserlichen  Besichtigung,  am  sofort  Yom  Schnlbesuch  aaszoschlielseade 
Kinder  aasfindig  zu  machen.  Die  genaueren  Einzeluntersochnngen  folgen 
spftter.  Alle  zwei  Jahre  wird  eine  solche  allgemeine  Klassenantersuchung 
aoch  an  allen  abrigen  Klassen  vorgenommen.  Die  ScholArzte  halten  sowohl 
unter  sich  Konferenzen  ab  wie  einmal  im  Jahre  eine  gemeinschaftliche 
Sitzung  mit  der  Schulkommission  des  Oemeinderats.  Jeder  Schularzt  hat 
aber  seine  amtliche  T&tigkeit  einen  Jahresbericht  auszuarbeiten.  Der  Vor- 
sitzende, welcher  jAhrlich  von  den  SchuUrzten  gew&hlt  wird,  hat  daraus 
eine  Gesamtflbersicht  anzufertigen.  Bei  der  Aufstellung  der  Berichte  sind 
folgende  sieben  Punkte  zu  berflcksichtigen: 

1.  Tabellarische  zifFermSTsige  Znsammenstellung  der  bei  den  Unter- 
suchungen der  Aufoahmeklassen  gewonnenen  Ergebnisse,  sowie  auf  beson-^ 
deren  Formularen  diejenigen  jedes  sp&teren  Jahrgangs. 

2.  Zahl  der  abgehaltenen  Sprechstunden  und  Arztlichen  Besuche  der 
Klassen. 

3.  Anzahl  und  Art  der  wichtigeren  ErkraakungsfiUle,  die  in  den 
Sprechstunden  zur  Untersuchung  gekonunen  sind. 

4.  Etwa  erfolgte  besondere  Ärztliche  Anordnungen  (BeschrAnkung  der 
Unterrichtsstunden  usw.). 

5.  Anzahl  der  an  die  Eltern  gesandten  schriftlichen  Mitteilungen  und 
deren  Erfolg. 

6.  Anzahl  der  unter  «Arztlicher  Kontrolle^  stehenden  Schulldader 
(Überwachungsschaler). 

7.  Summarische  Angabe  ttber  die  in  das  Hygienebnch  eingetragenen 
Beanstandungen  bezOglich  der  SchulrAume  usw. 

Auf  den  Arzt  entfallen  700 — 800  Schfller,  d.  h.  Aür  je  ein  Schul- 
gebAude  ein  Arzt. 

Im  ersten  Dienstjahr  waren  tAtig  13  SchnlArzte  bei  10409  Schul- 
kindern. 8440  kamen  davon  zur  Untersuchung,  und  zwar  4036  Knaben 
und  4404  MAdchen  aus  sAmtlichen  sieben  Klassen. 

Die  Tabelle  Aber  allgemeine  Konstitution  zeigt  folgendes: 


801 


207 


Knaben 

Mädchen 

Vo 

Vo 

krafUg 

mittel- 
krSrtig 

28,9 

sohwILch- 
lich 

kräftig 

mittel- 
kräftig 

schwäch- 
lich 

1.  Jahrgang 

46,7 

24,3 

39.9 

32,7 

27,2 

2.         „ 

45,6 

30,9 

28,4 

85,2 

36,0 

28,8 

3.         . 

39,9 

88.1 

21,9 

84,7 

35,9 

29,3 

4.         „ 

33,3 

40.0 

26,6 

29.3 

50,0 

20,7 

6.         . 

39,5 

45.1 

15,3 

26,6 

59,3 

14,0 

6.         „ 

58,0 

25,2 

16,7 

28,9 

57,2 

13,9 

7.            n 

53,8 

41,0 

6,1 

19.0 

76,0 

4,9 

£8  ergibt  sich  hierans  eine  leichte  Znnahme  der  kräftigen  KonstitQtion 
bei  den  Knaben  und  eine  leichte  Abnahme  bei  den  Mfldchen  während  der 
Schulzeit,  und  eine  stärkere  Znnahme  der  mittelkräftigen  Konstitution  bei 
den  Mädchen.  Bezüglich  der  schwächlichen  Konstitation  zeigen  erst  die 
drei  letzten  Jahrgänge  eine  Abnahme.  Wie  sehr  bei  Bestimmung  der 
Konstitution  das  Urteil  eine  subjektives  ist,  zeigt  folgende  Yergleichstabelle : 


Frankfurt  a.  M.  (1902) 
Breslau  (1902) 
Chemnitz  (1902—1903) 
Brunn  (1902—1903) 
Mülhausen  i.  Eis.  (1903-1904) 

Einen  Yergleichswert  haben  daher  wohl  nur  die  Resultate,  welche 
in  aufeinander  folgenden  Jahren  in  demselben  Orte  und  von  denselben 
Schulärzten  festgestellt  werden.  Die  Tabelle,  welche  die  einzelnen  Er- 
krankungsformen brmgt,  ergibt  folgendes: 


HSdoben 

•/• 

•/♦ 

4,6 

7fi 

2,9 

8,3 

9,2 

7,8 

8.1 

1,6 

13,8 

12,1 

2,4 

8.0 

1.7 

8,9 

1,1 

0,2 

Allgemeine  Erkrankungen 

Erkrankungen  des  Rückens  und  der  Extremitäten. 

„  der  Augen 

„  „    Ohren 

„  von  Hals,  Nase,  Mund 

„  der  Haut 

Ungeziefer 

Bruche. . • 

In  dieser  Tabelle,  welche  eine  etwas  sehr  aUgemein  gehaltene  ana- 
tomische Einteilung  hat,  ist  also  wesentlich  die  Differenz  zwischen  Knaben 
und  Mädchen  bemerkenswert.  Zum  Vergleich  der  Klassen  dient  noch 
folgende  Tabelle. 

21» 


208 


802 


Empfohlen  zor  ftrztlicheB  Bebandlnng: 


KIUM 

KnatMn 

MSdohen 

V« 

•/. 

1.  Jahrgmog 

27,9 

87,8 

2.         „ 

38,9 

86,2 

8.         , 

S4,8 

88,6 

*.         - 

66,4 

60,0 

6.         , 

46,7 

46,7 

fi.         , 

40,4 

67,1 

7.         , 

28,3 

91,8 

Nach  dieser  Tabelle  steigt  bei  den  Knaben  die  Erkrankungsziffer  bis 
znr  Mitte  der  Schulzeit  und  fiült  dann  wieder.  Bei  den  Mädchen  steigt 
sie  ziemlich  bedeutend  bis  zum  Ende  der  Schulzeit.  Auf  Grand  des 
schulftrztlichen  Rates  wurde  ärztliche  Behandlung  aufgesucht  bei  dem  ersten, 
zweiten  und  dritten  Jahrgang  der  Mädchen  in  ungefähr  36%.  Andere 
Schulen  zeigen  bessere  Resultate.  Genaueres  liefe  sich  bisher  nicht  fest- 
stellen. 

Von  dem  sonstigen  Inhalt  dieses  ersten  Jahresberichts  erwähne  ich, 
dalis  eine  Opposition  der  Eltern  gegen  schulärztliche  Untersuchungen  nicht 
stattfand. 

Das  Verhältnis  zwischen  Schulärzten  und  Lehrern  war  ein  freund- 
liches. Ein  „Elternabend*^,  wo  Lehrer  oder  Schulärzte  Vorträge  halten^ 
wurde  einmal  angesetzt  und  gut  besucht.  Gegen  die  Erteilung  hygienischen 
Unterrichts  durch  Schulärzte  fttr  den  ältesten  Schflleijahrgang  machte  sich 
zunächst  sowohl  Opposition  der  Schulärzte  wie  der  Lehrer  geltend.  Be- 
züglich der  genaueren  Untersuchung  der  SchulkiBder  durch  Spezialäizte 
herrscht  auch  in  MtUhausen  der  Grundsatz,  dafs  dies  in  das  Gebiet  des 
behandelnden  Arztes  gehört.  Da  in  dem  Mfllhausener  schulärztlichen 
Kollegium  aber  auch  Spezialärzte  mit  den  allgemeinen  Funktionen  des 
Schularztes  vertreten  sind,  so  konnten  diese  in  geeigneten  Fällen  zu  Rate- 
gezogen werden. 

Bezüglich  der  Krankheitsstatistik  erklärt  sich  auch  Dr.  Sachs  daAlr^ 
dafs  neben  der  Zusammenstellung  der  Krankheitstypen,  deren  mehrere  bei 
einem  Individuum  vorkommen  können,  auch  noch  die  Zahl  der  kranken 
Personen  anzugeben  ist. 

Bezflglich  der  Untersuchung  der  Lemanfänger  wurde  auch  in  Mfll- 
hausen  festgestellt,  dafs  die  Hör-  und  Sehschärfe  erst  einigermalsen  sicher 
bestimmt  werden  kann,  wenn  die  Kinder  mindestens  ein  halbes  Jahr  die^ 
Schule  besuchen. 

Auch  dieser  Bericht  gibt  uns  demnach  wertvolle  Anhaltspunkte,  iü 
welcher  Richtung  sich  gemeinsame  Dienstformen  und  schulärztliche  Statistik 
zu  entwickeln  haben  werden.  Dr.  OBBBROEB-Breslaa. 


l'k<\ 


Jcftfilinft  fk  Si||iil|rfiiili|ieit)i|ifl(gt 

XVIIL  Jahrgang.  1905.  No.  12. 


<Drt$tttalab^tt)ltttt$ett. 


Die  80g.  „Eitenbahn^^-Schftler. 

Von 

Dr.  Adolf  Jüba, 
Mitglied  des  ünterrichtsrates,  Schalant  in  Budapest 

Die  Entwicklung  der  Verkehrsmittel  hat  anah  die  ortsfremden 
Schüler  der  Mittel-  und  Gelehrtenschalen  beeinfinist.  Ehedem  waren 
die  ortsfremden  Eltern  gezwungen,  ihre  Eander  in  Internaten  oder 
Kosthänsem  unterzubringen,  und  nur  ab  und  zu  traf  sich  ein  Schüler 
der  oberen  Klassen,  der  aus  dem  benachbarten  Dorfe  täglich  zu  FuTs 
zur  Schule  kam.  Nunmehr  ist  die  Zahl  derjenigen  Kinder  keine 
unbedeutende,  welche  die  Eisenbahn  oder  die  Elektrische  benutzen 
und  manchmal  von  sehr  weit  her  zur  Schule  kommen.  Es  empfiehlt 
sich  deshalb,  einmal  die  Lebensweise  dieser  Schüler  Tom  Standpunkte 
der  Schulhygiene  zu  betrachten. 

In  den  zwei  Staatsgymnasien  des  VII.  Bezirkes  in  Budapest  war 
die  Anzahl  der  ortsfremden  Schüler  im  Schuljahre  1903/1904  die 
folgende: 

BarcsaystraTse    Damjanichstralse      Summe 
In  Internaten  untergebracht....       42  29  71 

Bei  Verwandten         ^  40  29  69 

«     Fremden  „  27  7  34 

Eisenbahn  fahrende 16  55  71 


125  120  245 

In  diesem  Ausweise  figurieren  nur  solche  Schüler,  welche  das 

ganze  Jahr  hindurch   die  Schule  besuchten,    und   als  „  Eisenbahn  "- 

Schüler   nur   diejenigen,    welche   das   ganze   Jahr   hinduroh    dieses 

Verkehrsmittel  benutzt  hatten.    Schüler,  deren  Eltern  am  Frühlings- 

Beholgesandheitflpfleg«.  XVIIL  42 


804 

«n&Dg  in  die  Sommerfnaohe  logsn  und  dort  bis  Spfttherbst  yerblieben, 
wurden  nicht  mitgesihlt. 

In  die  Liste  der  nBiaenbalin'' -Schüler  nehme  ich  noch  diejenigen 
suf,  welche  die  elektrische  oder  die  Visinalbahn  benutzten  oder  gar 
SU  Fuls  kamen,  obwohl  sie  irgendeine  Bahn  benutzen  konnten.  Die 
Ansahl  der  ersteren  betrug  sechs,  der  letzteren  zwei.  Der  eine  von 
diesen  (aus  Erzsöbelfolya)  lernte  genflgend,  hatte  eine  gute  Note  im 
Betragen  und  Tersftumte  nur  neun  Stunden  im  ganzen  Schuljahre. 
Der  andere  (aus  ElAposstismegyer)  ging  jeweilen  Ton  Hause  weg  firOh 
'/s6  Uhr  und  kam  um  7  in  der  Schule  an;  trotz  seiner  ITuiisschmersen 
und  trotzdem  er  als  kränklich  galt,  hatte  er  keine  einzige  Stunde 
Tersftumt  und  war  sein  Betragen  tadellos,  aber  die  Fortschritte  im 
Lernen  nur  gentlgend;  wöchentlich  einmal  ging  er  eist  abends  nach 
Hause,  das  Mittagessen  erhielt  er  dann  in  der  Marien-Kongregation. 

„Eisenbahn'^ -Schüler  kommen  nun  überall  vor.  In  Westfalen 
belief  sich  die  Anzahl  der  Gymnasiasten  nach  Aussage  eines  Redners 
auf  dem  Schulhygienischen  Kongreis  in  Nürnberg  auf  3000.  In 
meinem  Vaterlande  kommen  noch  solche  vor  in  Zseged,  Temesvir, 
üjridäk  usw.  Die  Untersuchung  der  Lebensverhftltnisse  und  Lem- 
bedingungen  dieser  Schüler  hat  also  einen  allgemeinen,  sozusagen 
internationalen  Wert,  und  trotzdem  hat  sich  noch  niemand  mit  dieser 
Frage  be&bt. 

Die  Ermüdung  des  jugendlichen,  in  der  Entwicklung  befindlichen 
Körpers  ist  nicht  gering  einzuschätzen.  Am  grölsten  ist  sie  wohl  bei 
denjenigen  Schülern,  die  gar  nicht  am  Orte  der  Eisenbahnstation, 
sondern  in  einem  Nachbarorte  wohnen ;  solche  hatten  wir  zum  Olück 
nur  zwei.  Der  eine  hatte  mit  Wagen  eine  halbstündige  Fahrt  zurück- 
zulegen, um  mit  dem  6  Uhr-Frühzug  nach  7  Uhr  in  die  Hauptstadt 
zu  gelangen.  Zur  Rückkehr  benutzte  er  den  Zug  um  2  Uhr  30  Minuten, 
langte  gegen  4  Dhr  an  seiner  Eisenbahnstation  an  und  kam  um  5  Uhr 
nach  Hause.  Er  war  also  von  morgens  6  bis  abends  5  Uhr  —  mit 
Ausnahme  der  im  Gasthause  zugebrachten  Mittagszeit  —  ununter- 
brochen körperlich  und  geistig  angestrengt  Die  Zahl  der  Tcrsäumten 
Schulstunden  betrug  27^  sein  Betragen  war  ein  gutes,  aber  der 
Fortschritt  nur  ein  genügender.  Der  andere  Schüler  dieser  Kategorie 
mulste  nach  einem  Fulsmarsch  den  Vizinalbahnzug  um  7i7  Uhr 
benutzen,  damit  er  pünktlich  zur  Schule  komme;  die  Zeit  bis  zur 
Büokfahrt  brachte  er  im  Wartesaale  zu,  denn  er  speiste  zu  Hause. 
Trotzdem  er  nur  fünf  Stunden  Schulversftumnis  hatte,  also  genttgenden 
Fleils  entwickelte,  ist  er  dennoch  durchgefallen. 


805 

Aber  auch  abgesehen  Ton  diesen  AnsnahmefäUen,  können  wir 
getrost  behaupten,  dafs  die  meisten  dieser  Schüler  —  aniser  der  Eisen- 
bahnfahrt —  einen  l&ngeren  Fu&marsch  Ton  und  zur  Schule  haben  als 
die  Stftdtekinder,  denn  die  Entfernung  ron  den  Bahnhöfen  za  der 
Schule  ist  schon  eine  beträchtliche;  aufserdem  haben  sie  noch  den 
Weg  Tom  Eltemhause  bis  zur  Station  zurückzulegen,  welche  selten 
in  der  unmittelbaren  N&he  des  Ortes  zu  treffen  ist.  Einige  Schüler, 
deren  V&ter  Eisenbahnangestellte  sind,  wohnen  im  Stationsgeb&ude 
selbst. 

Die  Ankunftszeit  der  Morgenzüge  ist  im  allgemeinen  ziemlich 
entsprechend.  Die  Abfeihrtszeit  von  der  Heimatsstatioo  entspricht  am 
besten  bei  den  elektrischen  und  Visinalbahnen,  welche  sich  im  all- 
gemeinen den  Bedürfiiissen  des  Publikums  akkommodieren.  Auch 
fbr  die  Rückreise  gilt  dasselbe.  Die  mit  der  Eisenbahn  fahrenden 
Schüler  mubten  jedoch  teilweise  vom  Schulschlufs  (1  Uhr)  bis  2  Uhr 
20  Minuten,  selbst  bis  2  Uhr  40  Minuten  auf  ihren  Zug  warten.  Sie 
kamen  auch  vor  4 — 5  Uhr  nicht  am  Bestimmungsorte  an. 

Obwohl  der  Unterricht  ein  durchgängiger  ist  und  von  8—1  Uhr 
tftglich  dauert  (in  den  unteren  vier  Klassen  zweimal  bis  12  Uhr), 
so  ist  trotzdem  ein  guter  Teil  der  Schüler  auch  nachmittags  beschäftigt, 
teils  mit  fakultativen  G^gcDSt&nden,  teils  mit  dem  obligaten  Spiel- 
naehmittage,  wöchentlich  einmal.  Die  Schüler  der  zwei  protestanti- 
schen Konfessionen  haben  ihren  B^ligionsunterricht  zumeist  am  Nach- 
mittag. Die  „Eisenbahn'' -Schüler  nahmen  an  keinerlei  fakultativem 
Unterricht  teil,  von  der  Teilnahme  an  den  Spielnachmittagen  wurden 
sie  samtlich  befreit,  aber  nicht  von  der  Religionsstunde.  Die  Religions* 
lehrer  befreiten  sechs  von  dem  Besuche  der  Beligionsstunde,  jedoch 
mit  der  Verpflichtung  der  Privatprüfung,  die  vier  anderen  konnten 
erst  die  Zöge  von  5  Uhr  20  Minuten  bis  6  Uhr  25  Minuten  abends 
benutzen;  einer  dieser  Schüler,  der  regelrnftbig  um  6  Uhr  abreiste, 
kam  an  diesen  zwei  Tagen  um  7  Uhr  20  Minuten  abends  nach  Hanse- 
Wichtig  ist  die  Beantwortung  der  Frage:  Was  tun  diese  Schüler 
in  ihrer  schulfreien  Zeit?  Sehr  oft  sieht  man  Schüler  in  dunklen 
Warteraumen,  da  sie  gewilz  vom  Spazierengehen  bereits  ermüdet  sind. 
Zwei  Schüler,  die  80  Minuten  Zwischenzeit  hatten,  gaben  an,  dab 
aie  im  Stadtwald  spazierten;  der  eine  speiste  zeitweilig  bei  seiner 
Tante.  Die  grölste  Zahl  deijenigen,  die  auch  nachmittags  beschäftigt 
waren,  fimden  bei  Verwandten  einen  Mittagstisch.  Von  den  »Bisen- 
bahn''•Schülern  war  nur  ein  einsiger  den  Winter  hindurch  in  einem 
Kosthause  untergebracht 

42* 


806 


Auf  Ornnd  sweier  Umstinde,  d«r  übergrofsen  Ermfldmig  nnd 
d«6  Mangels  an  entsprechender  Aufsicht,  war  a  priori  saerwartent, 
dafe  das  sittliche  Betragen  der  nEiBenbahn''-Schfller  nicht  das 
beste  sein  kann.  Mit  ermüdetem  Körper  ist  nicht  leicht  anfinerksann 
ZQ  sein ;  das  Anstehen  frtthmoigens,  die  nnregelm&rsige  Lebensweia» 
zieht  2ierstrentheit,  Unaufmerksamkeit  nach  sich.  Da  diese  Sehttlor 
lange  Stunden  ohne  jegliche  Aufsicht  sind,  ist  es  nicht  zu  yerwundem, 
wenn  sie  sittlich  weniger  entwickelt  sind.  Om  einen  Einblick  za 
bekommen,  verglich  ich  ihre  Noten  im  Betragen  mit  denjenigen  der 
übrigen  ortsfremden  Schüler,  indem  ich  mir  wohl  bewuist  war,  daTs 
der  zahlenmaisige  Ausdruck  für  das  Betragen  ein  ziemlich  schwieriger 
ist.  Da  die  Resultate  in  beiden  Gymnasien  gleichlautende  waren^ 
gebe  ich  hier  nur  die  Qesamtresultate  an. 

Betragen  im  Schuljahre  1903/1904. 


Schfiler 

Note  1 

Note  2 

Note  8 

Summe 

Internisten 

Bei  Verwandten 

9    Fremden 

„Eisenbahn^-Schüler  . . 

66 
47 
27 
40 

5 
21 

6 
29 

1 
1 
2 

71 
69 
34 
71 

Summe 

180 

61 

4 

246 

Die  besten  Noten  im  Betragen  weisen  demnach  die  Internisten 
auf,  hierauf  folgen  die  bei  Fremden  und  Verwandten  untergebrachten, 
in  letzter  Reihe  die  „Eisenbahn "-Schüler. 

Studienerfolge  im  Schuljahre  1903/1904. 


Schüler 

1 
vonüglich 

2 

gut 

8 
genügend 

4 

un- 
genügend 

Summe 

Internisten 

Bei  Verwandten 

„     Fremden 

„Ei8enbahn«-Schfller 

4 
3 
8 

14 

10 

2 

6 

42 
45 
19 
86 

11 
11 
10 
29 

71 
69 
34 
71 

Summe 

10 

82 

142 

61 

245 

Werfen  wir  nun  einen  Blick  auf  die  Studienerfolge.  Die 
Grundlage  bildete  die  Klassifikation  am  Jahresschlufs;  die  Einreihung 
in  einzelne  Kategorien  erfolgte  nach  dem  allgemeinen  Usus.  Als 
vorzügliche  Schüler  (1)  wurden  nur  solche  betrachtet,    in  deren 


807 

Zeugnis  kein  gut  (2)  Torkommt;  das  Zeiolineii  wurde  allerdings  nicht 
in  Betracht  gezogen.  Hier  haben  wir  natürlich  mit  der  Un Voll- 
kommenheit des  menschlichen  Wissens  zu  rechnen.  Viele  glauben 
wohl  nicht  an  die  Unfehlbarkeit  der  Lehrer  in  Beurteilung  der 
Schüler.  Ich  meinerseits  hege  grofses  Vertrauen  in  ihre  Urteilskraft, 
obwohl  ich  aus  eigener  Erfahrung  (aus  dem  Hygieneunterricht)  weils, 
wie  oft  es  schwer  fallt,  ein  endgültiges  urteil  abzugeben» 

Das  Zurückbleiben  der  ^jEisenbahn^-Schüler  ist  zum  mindesten 
sehr  auffallend.  Wahrend  die  Zahl  der  yorzüglichen  (10)  und  guten 
(32)  Schüler  beiläufig  ein  Sechstel  der  ganzen  Schülerzahl  (245)  aus- 
macht, welchem  Durchschnitt  die  bei  Verwandten  und  Fremden 
untergebrachten  Eostschüler  entsprechen,  während  ihn  die  Internisten 
sogar  übertreffen,  beträgt  die  Zihl  der  „Eisenbahn'' -Schüler  mit  vor- 
züglichen und  guten  Noten  nicht  mehr  als  ein  Zwölftel  ihrer  Gresamt- 
summe.  Die  Durchgefallenen  bilden  ein  Viertel  der  Gesamtzahl 
(61 :  245),  wozu  die  Internisten  und  die  bei  Verwandten  untergebrachten 
in  einem  geringeren  Maise  beitrugen;  von  den  „Eisenbahn^-Schülem 
konnten  aber  40  7o  den  Anforderungen  an  die  Schule  nicht  entsprechen. 
Dieser  ungenügende  Erfolg  kann  ebensowenig  überraschen  wie  ihr 
minderwertiges  sittliches  Betragen.  Vielen  der  „Eisenbahn'' -Schüler 
gebricht  es  ja  an  der  nötigen  Zeit  zum  Lernen;  von  frühmorgens 
auf  den  Beinen,  langt  dieser  Schüler  beiläufig  um  4 — 5  Uhr  hungrig 
und  müde  zu  Hause  an.  Es  ist  kein  Wunder,  wenn  er  zuerst  zu  essen 
verlangt,  nachher  rastet,  schliefslich  sich  schlafen  legt,  um  morgens 
seitig  wieder  aufistehen  zu  können.  Mancher  lernt  in  den  finsteren 
Wartesälen;  im  Zuge  kommt  er  nicht  dazu,  denn  in  der  Frühe 
stören  die  mitfahrenden  Schüler,  mittags  ist  er  müde. 

Dafs  der  gute  Wille  bei  diesen  Schülern  vorhanden  ist,  kann 
man  aus  der  Statistik  der  Schulversäumnisse  folgern. 

Aus  dieser  Zahlenreihe  ist  zu  ersehen,  dafs  beinahe  sämtliche 
^Eisenbahn" -Schüler  dem  Unterricht  wenigstens  einmal  nicht  bei- 
gewohnt haben,  ganz  so  wie  die  Internisten.  Wohingegen  die  Schul- 
Torsäumnisse  der  letzteren  oftmals  die  Folge  einer  Erkrankung  eines 
Internisten  an  einer  ansteckenden  Ej'ankheit  und  des  zeitweiligen 
Ausschlusses  sämtlicher  übrigen  Internisten  vom  Unterrichte  war, 
müssen  wir  die  Häufigkeit  der  Schulversäumnisse  der  „Eisenbahn"- 
Sehüler  in  ihrer  eigenen  Erkrankung  suchen.  Der  Ausschlufs  vom 
Unterrichte  verursachte  bei  den  Internisten  die  grolse  Zahl  der  ver- 
säumten Schulstunden,  wozu  noch  die  trotz  gröfster  Aufsicht  nicht 
gänzlich  ausrottbare  Simulation  in  Betracht  zu  ziehen  ist;  bei  im 


808 


Sehfllern  des  kroatifloh-slaTOiiiMhen  InternatM  sind  «  die  saUreibben 
Feiertage  der  grieohiaoh  nicht  Unierten.  Die  SohnlTereäamniaBe  waren 
bei  den  ,|Ei0enbahn''-Sohalem  geringer  als  von  Seiten  der  bei  Fremden 
untergebrachten  Kostsohüler,  wenn  auch  grdlser  als  Ton  Seiten  der  bei 
Verwandten  untergebrachten,  was  beweist»  dals  die  £Ii«rn  fOr  den 
regelmäßigen  Soholbesnch  ihrer  Kinder  —  auch  ans  der  Feme  — 
Sorge  yerwenden.  Diesen  Umstand  möchte  ich  gehörig  betonen,  denn 
beim  Entscheid  über  das,  was  geschehen  soll,  fUlt  er  sehr 
Gewicht. 


Sohfiler 

Inter- 
nieten 

Untergeb 

Vei^ 
wandten 

rächt  bei 
Fremden 

„Eiien- 
bahn-. 
Sohfiler 

Summe 

Zahl,.. 

71 

69 

84 

71 

245 

Zahl  der  Schfilar 

mit  Ven&amoiiaen .... 

70» 

66 

29 

70 

225 

ohne  Ven&umnine. . . . 

1 

18 

5 

1 

20 

Vertfiamte  Sohulstanden  . 

687& 

1440 

1466 

2614 

12089 

VenäniDiiis  pro  Schüler. 

Ö2V. 

21 

48 

867« 

49Vi 

Yertäamnis   pro  Sohfiler, 

die  Ten&omtea 

94 

86 

fiO 

87 

58 

Nicht    rektifiEierte    Ver- 

•aamDine 

— 

9 

ö 

5 

12 

Ans  den  Protokollen  ist  nicht  £n  ersehen,  wie  diese  SchnlTcr 
Säumnisse  entstanden  sind,  ob  infolge  von  Krankheit,  Femhalten  Ton 
der  Schnle  wegen  ansteckender  Krankheit,  infolge  von  Feiertagen  oder 
einfiAchem  Schwänsen.  Es  war  sogar  nnmöglioh,  su  erfishien,  ob 
ansteckende  Krankheiten  in  den  Familien  der  „Eisenbahn"  •  Sohfiler 
vorkamen.  Tatsache  ist,  dals  bisher  kein  einziger  Schüler  der  Um- 
gebung wegen  ansteckender  Krankheit  seiner  Person  oder  eines  Fa- 
milienmitgliedes von  der  Schale  amtlich  femgehalten  wurde.  Dals 
keine  ansteckende  Krankheit  vorgekommen  sei,  ist  allerdings  kaum 
denkbar,  wenn  auch  möglich.  Diesem  Milsstande  sollte  abgeholfen 
werden,  und  es  wflrde  sich  empfehlen,  mit  besag  auf  die  Schul- 
versäumnisse an  den  staatlichen  Lehranstalten  dieselben  VerfQgungen 
SU  treffen,  welche  die  Hauptstadt  durchgeführt  hat  Als  im  vorigen 
Schuljahre  in  einem  gröberen  Nachbarorte  (Qödöllö)  eine  Scharlach- 
epidemie  herrschte,  erkundigte  sich  Herr  Direktor  Tnfin,  dem  ich. 


1  Die  Zahl  aollte  wohl  71   betragen,  da  wegen  antteckender  Kran   kh 
•amtliche  Internisten  vom  Unterricht  femgehalten  worden. 


809 

sowie  auch  Herrn  Oberdirektor  Chbbybn,  für  die  frenndlioke  Einsicht- 
nabme  in  die  Protokolle  zu  groüsem  Dank  verpfliohet  bin^  bei  den 
S  ehttlem  ans  dem  besagten  Orte,  ob  in  ihrer  Familie  kein  Krank- 
heitsfall vorgekommen  sei,  nnd  appellierte  an  ihre  Einsieht,  dals  sie 
in  diesem  falle  sn  flanse  bleiben  möchten.  Von  dieser  Erlaubnis 
machte  keiner  Oebranoh,  nicht  einmal  zum  Schwänzen. 

SchlieMich  möchte  ich  noch  darauf  hinweisen,  dab  die  im 
ganzen  seltenen  nicht  entschuldigten  StundeuTersaumnisse  am  häufigsten 
bei  den  in  fremden  Kosthäusem  untergebrachten  Schülern  Torkamen, 
in  zweiter  Linie  bei  den  „Eisenbahn^-Schülem.  Alles  in  Betracht 
gezogen,  können  wir  behaupten,  dafs  die  Noten  im  Betragen 
und  die  Studienerfolge  der  ,,Ei8enbahn^-Schüler  die 
letzte  Stelle  einnehmen,  die  Anzahl  der  Versäumenden  eine 
gleiche  war  wie  bei  den  Internisten,  also  ebenfalls  ungünstig,  jedoch 
aus  anderer  UrsachCi  dab  hingegen  in  bezug  auf  die  Zahl  der  ver- 
säumten Schulstunden  die  „Eidenbahn ''-Schüler  den  zweiten 
Platz  einnehmen,  was  für  die  geringe  Schwere  und  Dauer  ihrer 
Krankheiten  sprechen  würde. 

Obwohl  diese  Schluisfolgerungen  a  priori  zu  erwarten  waren, 
halte  ich  es  dennoch  für  nötig,  in  Zukunft  zu  prüfen,  ob  die  Er- 
gebnisse überall  und  immer  dieselben  sind.  Am  leichtesten  kann 
dies  in  den  Kittel-  und  höheren  Schulen  geschehen,  in  deren  Jahres- 
berichte die  Ergebnisse  dieser  Untersuchung  publiziert  werden  können. 
Selbstverständlich  hätten  die  übrigen  Schulen,  so  auch  die  Handels- 
mittel- und  Bürgerschulen,  dieser  Frage  ebenfalls  Aufmerksamkeit 
zu  schenken. 

In  bezug  auf  die  Zukunft  fallen  die  lokalen  Verhältnisse 
ins  Gewicht;  im  übrigen  möchte  ich  mich  nur  den  hauptstädtÜBchen 
Verhältnissen  zuwenden.  Bei  der  höchst  bedauerlichen  Überfüllung 
der  hauptstädtischen  Schulen  wäre  es  am  einfachsten,  das  Fahren 
der  Schüler  der  Umgebung  in  die  Hauptstadt  zu  verbieten:  sie 
mögen  entweder  irgendwo  in  Kost  gehen,  oder  aber  eine  Mittel- 
schule in  der  Nähe  der  Hauptstadt  besuchcD,  deren  drei  vorhanden 
sind.  Abgesehen  von  der  Schwierigkeit  der  Kontrolle,  ob  der 
Schüler  tatsächlich  am  angegebenen  Orte  in  Kost  gegeben,  und  ab- 
gesehen von  dem  bisher  nicht  im  mindesten  beschränkten  Rechte 
der  Eltern,  ihre  Kinder  in  die  Schule  ihrer  Wahl  und  ihres 
Vertrauens  zu  geben,  könnte  man  es  für  eine  G-ewaltätigkeit  be- 
trachten, dieselben  in  eine  Schule  der  Umgebung  zu  zwingen  und 
die  Eisenbahnfahrt  dorthin  zu  erlauben,   hingegen  die  Beise  in  die 


810 

Hauptstadt  ra  Terbieten,  wo  riele  tod  ihnen  Verwandte  haben  und 
wohin  die  Eltern  oft  in  G-eechiften  kommen  mflBsen.  Die  gegen- 
wärtigen Fahrtgelegenheiten  machen  ein  aolohes  Bestreben  von  vom- 
herein  unmöglioh.  Jeglicher  Zugsverkehr  tendiert  nach  der  Haupt* 
Stadt,  und  der  Tom  CeglMer  Gymnasialdirektor  in  seinem  Jahres- 
berichte ausgedrückte  Wunsch,  dafs  die  „Eisenbahn'' -Schüler  seine 
Schule  besuchen  möchten,  wird,  trotzdem  dieselbe  in  der  Nfthe  des 
Bahnhofes  liegt,  noch  lange  unerfüllt  bleiben  müssen. 

Ebenso  ist  eu  befürchten,  dals  an  dem  jetiigen  Zugverkehr  von 
und  nach  Budapest  in  absehbarer  Zeit  wenig  geändert  wird,  wenigstens 
wurde  bis  jetst  das  Ersuchen  des  Herrn  Studienoberdirektors  ErOdi 
bezüglich  eines  Zuges  von  der  Eisenbahndirektion  nicht  berücksichtigt 
Eigene  Schülerzüge  waren  nötig,  wie  in  Westfalen  und  anderswo,  was 
natürlich  von  der  Anzahl  der  Schüler  an  den  einzelnen  Linien  ab- 
hftngt,  welche  sich  den  Bedürfnissen  der  Schüler  völlig  akkommodieren 
und  namentlich  schneller  fahren.  Wenn  es  in  Berlin  möglich  war, 
Lokalzüge  mit  60  km  6es<diwindigkeit  pro  Stunde  einzustellen, 
sollte  man  das  auch  bei  uns  können;  das  häufige  Halten  der  Züge 
bildete  dort  kein  Hindernis,  wohl  auch  bei  uns  nicht.  Das  zu  er- 
strebende Ziel  wäre,  dals  Schüler  aus  GödöUö,  auch  wenn  sie  erst 
um  6  Uhr  früh  au&tehen,  dennoch  um  8  Uhr  pünktlich  zum  Unter- 
richt erscheinen  könnten,  wodurch  sie  eine  Stunde  Schlafzeit  ge- 
winnen würden.  Wo  eine  geringere  Zahl  von  Schülern  in  Betracht 
kommt,  könnten  Motorwagen  zur  Hin*  und  Rückbeförderung  ein- 
gestellt werden. 

Ebenso  sollte  man  mit  den  die  Schüler  nach  Hause  befördernden 
Zügen  vorgehen.  Und  hier  haben  wir  uns  mit  der  Frage  zu  be- 
fassen, ob  der  jetzige  Zustand  aufrechterhalten  und  vielleicht  sogar 
weiter  entwickelt  werden  dürfte,  nämlich,  dafs  die  in  Frage  stehenden 
Schüler  von  jedwelcher  Nachmittagsbesohafikigung  möglichst  befreit 
werden,  oder  ob  man  danach  trachten  sollte,  dais  sie  an  allen 
Arbeiten  der  Schule  teilnehmen,  gleich  den  übrigen  Schülern.  Gegen- 
wftrtig  —  wie  oben  gesagt  —  nehmen  sie  nicht  Teil  an  den  Spiel- 
nachmittagen und  lernen  keine  fakultativen  G^egenstftnde ;  auch  werden 
viele  Protestanten  von  ihren  Beligionslehrem  vom  Religionsunterricht 
nthoben.  Es  liegen  also  jetzt  die  Dinge  so,  dals  sämtliche  „Eisenbahn*- 
Schüler  vom  Nachmittagsunterrichte  ein  für  allemal  befreit  sind,  und 
dais  sie  aus  der  Religion  zeitweise  oder  am  Jahresschlnis  eine  private 
Prüfung  ablegen  können. 

Unter  diesen  Umständen  sollte  man  für  die  «Eisenbahn'' -Schüler 


811 

entweder  in  ihrer  Solmle  oder  aber  in  der  unmittelbaren  Nähe  der 
Bahnhöfe  ein  Tagesheim  errichten,  wo  sie  ihre  freie  Zeit  su- 
Inringen,  ihre  Bücher  und  Utensilien  unterbringen»  und  das  mit  sich 
gebrachte  Essen  —  denn  sie  kommen,  wie  wir  sahen,  spät  nach 
Hause  —  aufwärmen  und  verzehren  könnten.  Auf  den  ausgezeich- 
neten Stra&en  Schwedens  ist  das  Bicycle  auch  unter  den  Schülern 
sehr  verbreitet,  und  im  hohen  Souterrain  des  Nord-Obergymnasiums 
in  Stockholm  sind  zwei  Speisesäle  für  die  entfernt  wohnenden 
Schüler  eingerichtet,  wo  sie  das  mitgebrachte  Frühstück  verzehren, 
eventuell  Milch  and  Butterbrot  kaufen  können.  Meinerseits  würde 
ich  das  Befolgen  dieses  Beispiels  bei  Errichten  neuer  Schulgebäude 
für  sehr  empfehlenswert  halten.  —  Aus  dem  nun  zur  Verfügung 
stehenden  Material  entnehme  ich,  dafs  die  am  Ostbahnhofe  an- 
langenden Gymnasialschüler  von  dem  Grymnasium  in  der  Barcsay- 
strafse  sich  immer  mehr  dem  näheren,  unlängst  errichteten  Gym- 
nasium in  der  Damjanichstralse  zuwenden.  Für  die  mit  der  Westbahn 
kommenden  wäre  das  neue  (zu  errichtende)  Gymnasialgebäude  im 
VI.  Bezirk  am  günstigsten  gelegen,  insbesondere  wenn  der  Bahnhof 
an  die  Hungariastraüse  verlegt  wird.  Das  Errichten  der  Tagesheime 
in  den  Schulen  selbst  ist  sowohl  wegen  der  pädagogischen 
als  auch  der  ärztlichen  Au&icht  wegen  vorzuziehen.  Für  unbedingt 
notwendig  und  in  Hinsicht  auf  die  ansteckenden  Krankheiten  für 
durchführbar  erachte  ich  das  Übermitteln  der  Schülerverzeichnisse 
an  die  Amtsärzte  der  betreffenden  Ortschaften. 

Die  Lösung  der  ganzen  Angelegenheit  derart,  dats  die  „Eisen- 
bahn^'-SchüIer  von  allen  Nachmittagsbeschäftigungen  befreit  werden 
sollen,  kann  ich  aber  nicht  als  das  Entsprechendste  anerkennen. 
Die  Rückfahrt  geht  bei  Tageshelle,  bester  Studienzeit,  vor  sich,  mit 
ermüdetem  Körper  langen  die  Schüler  zu  Hause  an  und  sind  dann 
un&hig  zum  Lernen  oder  können  es  nur  mit  der  grölsten  An- 
strengung  tun.  Weiterhin,  wer  haftet  dafür,  dals  sie  tatsächlich  mit 
dem  ersten  benutzbaren  Zuge  nach  Hause  fahren  und  sich  nicht 
noch  einige  Zeit  in  der  Stadt  herumtreiben?  Schli eislich  ist  es  vom 
Standpunkte  der  Gesundheit  als  schädlich  zu  betrachten,  wenn  sie 
nicht  zur  gewohnten  Essenszeit  entsprechend  zubereitetes  Essen  in 
der  nötigen  Menge  zu  sich  nehmen  können. 

Ein  Schulbesuch,  bei  welchem  der  Schüler  nur  an  den  unbe- 
dingten Pflichtstunden  teilnimmt,  entspricht  durchaus  nicht  der 
Richtung  der  modernen  Mittelschule,  welche  mit  den  verschiedenen 
fakultativen    Gegenständen    und  weiteren  Einrichtungen   (Ausflüge, 


812 

Spiebaohmitbige  usir.)  ein  weites  Feld  der  BetätigiiDg  darbietet  ISb 
derartiger  Soholbeenoh  Alinelt  dem  Leben,  welches  der  aDgenehmea 
Seiten  entbehrt,  der  Speise,  welche  nicht  genügend  gewürzt  wnrde, 
nnd  ich  mnfr  Herrn  Direktor  Auzahder  CsRKte  (Sseged)  redit 
geben,  wenn  er  den  gegenwärtigen  Stndiengang  der  .Eisenbahn*- 
Schüler  nicht  flir  sweckm&lsig  hält,  obwohl  er  sich  anch  ror  ixm 
Zwang  der  VerhältDisse  bengen  mnis. 

Der  „Eisenbahn'-Schüler  wird  nnr  dann  ein  richtiger  Gymnasiast 
werden,  wenn  er  an  allen  Beschäftigungen  seiner  Mitschüler  teilnimmt, 
wenn  ihm  keine  (scheinbaren)  Begünstigungen  zn  teil  werden,  wenn  er, 
statt  Befreiungen  Ton  verschiedenen  Eächem  zu  erhalten,  in  einem 
Tagesinternat  entsprechend  versorgt  wird.  Würden  diese 
Schüler  weder  von  den  Spielnachmittagen  noch  von  dem  Reli- 
gionsunterrichte befreit,  so  müisten  sie  wöchentlich  ein-  bis  dreimsl 
unbedingt  über  Mittag  bis  abends  in  der  Hauptstadt  bleiben.  Und 
wenn  nun  entweder  im  Rahmen  der  Schule  oder  in  Verbindung  mit 
ihr  für  das  Mittagessen,  für  Beaufeichtigung,  selbst  fbr  gewisse  Seiten 
des  Studiums,  was  aus  diesem  Zwange  unbedingt  folgen  würde,  gesorgt 
wird,  so  macht  die  Organisation  des  Tagesinternates  für  sftmtlidis 
Wochentage  schon  keine  groise  Arbeit  mehr.  Die  Vorteile  wären:  ein 
gutes  Mittagessen  zur  gewohnten  Zeit,  das  Erlernen  der  Au^ben, 
so  dafs  keinerlei  Hausarbeit  übrig  bleibt,  Zerstreuung  in  bestimmten 
Pausen,  das  Vermeiden  des  Herumlungems,  die  geringere  Anzahl 
an  Erkrankungen,  um  so  mehr,  als  eine  ständige  ärztliche  Aufriebt 
unentbehrlich  wäre,  und  als  pädagogischer  Gewinn  —  die  Teilnahme 
dieser  Schüler  an  sämtlichen  Arbeiten  der  Schule.  Diese  groüsen 
Vorzüge,  welche  die  körperliche,  geistige  und  sittliche  Entwicklung 
der  y,Eisenbahn^-Schüler  zu  gewährleisten  imstande  sind,  würden 
viele  Eltern  zum  Hineingeben  ihrer  Kinder  in  das  Tagesintemat 
bewegen,  auch  in  solchen  Fällen,  wo  die  Eaoder  bei  Verwandten 
essen  könnten.  Die  Ausgaben  können  keine  grofse  sein,  da  in  allen 
Schulgebäuden  entsprechende  Lokalitäten  für  die  Küche  und  den 
Speisesaal  zur  Verfügung  stehen,  noch  viel  mehr  könnte  hierfür 
gesorgt  werden  in  neu  zu  errichtenden  Qebäuden;  aufserdem  ist 
nötig:  ein  Schülerzimmer  (entsprechend  der  Zahl  der  Schüler),  was 
auch  überall  vorhanden  ist,  für  die  wegen  dem  Religionsunterrichte 
aus  den  Klassensälen  verdrängten  Schüler  anderer  Konfessionen,  und 
endlich  der  Tumsaal  als  Erholungsstätte  im  Falle  schlechter  Witterung. 
Sollte  noch  ein  Saal  dem  Slöjd  gewidmet  werden  können,  so  würde 
dieses  Tagesintemat  allen  Wünschen  entsprechen. 


813 

Das  Essen  wäre  Gegenstand  spezieller  Anordnung.  Meinerseits 
wfirde  loh  es  für  wünschenswert  erachten,  dafs  die  Schüler  noch  ein 
Frühstück  erhalten,  auch  in  dem  Falle,  wenn  sie  im  EUtemhanse 
diesbezüglich  versorgt  wurden.  Dafür  würe  das  Mittagessen  durch 
Weglassen  der  Suppe  und  des  Kochens  des  Suppenfleisches  zu  ver- 
billigen ;  die  Eltern  mögen  den  Schülern  die  Mittagssuppe  für  abends 
aufheben.  Alles  hängt  davon  ab,  welche  Mittel  die  Eltern  erschwingen 
können.  Die  Bezahung  der  Aufsichtspersonen,  sowie  die  Kosten  für 
die  erste  Einrichtung  würden  dem  Staate  zur  Last  fallen.  Auf  diese 
Weise  wäre  das  Grieichgewicht  zwischen  den  Stadt-  und  Land- 
Bchülem  hergestellt.  Die  Kosten  des  Schulbesuches  der  ersteren  sind 
bedeutend  geringere.  Die  Befürchtung,  dalis  die  Zahl  der  „Eisen- 
bahn^'-Schüler  sich  durch  solche  Maisnahmen  vermehren  würde,  teile 
ich  nicht,  höchstens  würde  ein  Teil  derjenigen,  die  in  Kost  gegeben 
wurden,  nun  die  Eisenbahn  benutzen;  dagegen  werde  mit  dem  Wachsen 
der  Ausgaben,  infolge  WegfaUens  jedwelcher  Begünstigungen  und 
Befreiungen  manche  Schüler  wegbleiben  müssen,  die  unter  den  jetzigen 
Yerhältnissen  halbwegs  mitmachen  können. 

Ähnliche  Tagesintemate  sollten  und  könnten  in  vielen  Provinz- 
städten errichtet  werden;  von  miteinander  wetteifernden  Nachbarstädten 
wird  diejenige  eine  grölsere  Anzahl  Schüler  zum  Besuche  ihrer 
Schule  bewegen,  welche,  nach  dem  Muster  der  österreichischen  Städte, 
wo  dieser  Wettstreit  ans  nationalen  Motiven  sehr  zugespitzt  wurde, 
für  die  „Eisenbahn^-Schüler  zuerst  ein  entsprechendes  Heim  er- 
richten, in  welchem  ihnen  die  die  Schule  ergänzende  Leitung  und 
Beaufsichtigung  zuteil  wird. 

Bekanntlich  befindet  sich  die  höhere  Töchterschule,  die  sog. 
Elisabethschule,  welche  von  Töchtern  der  besten  Familien  der  ganzen 
Stadt  besucht  wird,  am  anderen  Ende  des  Stadtwäldchens,  so  dab 
sowohl  der  Hin-  als  auch  der  Bückweg  eine  Stunde  in  Anspruch 
nimmt.  Die  Mädchen  bleiben  infolgedessen  den  ganzen  Tag 
hindurch  im  Internat  und  können  erst  abends  6  Uhr  abgeholt 
werden.  Die  Eltern  sind  aufserdem  gezwungen,  für  die  Kosten 
und  Gelegenheit  der  Begleitung  Sorge  zu  tragen,  und  trotz- 
dem wird  jeder  freiwerdende  Platz  sogleich  wieder  belegt. 
Durch  Errichten  entsprechender  Tagesintemate  für  die  „Eisen- 
bahn^-Gymnasialschüler  wäre  ein  ähnlicher  Erfolg  zu  erzielen, 
um  so  mehr,  weil  ein  Blick  in  das  Kursbuch  überzeugt,  dafs 
abends  5 — 6  Uhr  Züge  in  jeder  flichtung  für  die  Heimfahrt  zur 
Verfügung  stehen. 


814 

Glellnge  «  mir,  mit  diesen  2ieilen  die  Angelegenheit  der  „EiseD- 
bahn" -Schüler  nnr  etwas  zu  fördern,  so  wftre  ich  genügend  belohnt» 
aber  im  Vertrauen  auf  die  edle  Opferwilligkeit  unserer  leitenden 
Kreise  im  Interesse  der  Qymnasialschüler,  insbesondere  des  ver- 
dienstToUen  Leiters  der  Mittelschnlsektion  Ministerialrat  Edmund 
VON  BoHCZ,  erhoffe  ich  noch  mehr. 


Ente  üntersnchnng  der  Sehkraft  der  Augen  bei  den 
neneingeschnlten  Kindern. 

Von 
Schul]  nspektor  A.  Oppbrmamk- Braunschweig. 

Zu  den  wichtigsten  Obliegenheiten  eines  Schularztes  gehört  ohne 
Zweifel  die  Feststellung  der  Sehschärfe  bei  den  Schulkindern,  denn 
Ton  der  Sehkraft  der  Augen  hangt  der  Erfolg  des  gesamten  Volks- 
schulunterrichts,  der  doch  gans  und  gar  auf  dem  Prinzip  der  An- 
schauung beruht,  ab.  In  allen  Dienstordnungen  für  Schulfirzte,  die 
mir  zu  Gesicht  gekommen  sind,  ist  deshalb  auch  die  Forderung  ent- 
halten, schon  in  den  ersten  Wochen  des  Schuljahres  die  Sehschüift 
der  ABC-Schützen  möglichst  sorgftltig  festzustellen.  Von  allen  Unter- 
suchungen und  Feststellungen  der  körperlichen  und  geistigen  Ge- 
brechen Torursacht  gerade  die  Untersuchung  der  Augen  dem  Schul- 
ärzte die  meiste  Mühe  und  führt  trotsaUedem  doch  oft  zu  keinem 
oder,  was  noch  schlimmer  ist,  zu  einem  falschen  Resultate.  Hat  doch 
neulich  ein  mir  bekannter  Schularzt  behauptet,  dab  er  bei  seinen 
Neulingen  65%  mit  herabgesetzter  Sehschärfe  gefunden  habe.  Worin 
liegt  denn  nun  die  Schwierigkeit  bei  der  Messung  der  Augenkraftf 
Verschiedene  Ärzte  haben  zu  diesem  Zwecke  Tafeln  hergestellt,  von 
denen  wohl  die  SNBLLBKschen  und  die  GoHNschen  Tafeln  die  be- 
kanntesten sind  und  am  meisten  gebraucht  werden.  Nach  meiner  Meinung 
sind  diese  Tabellen  fbr  grölsere  Kinder  und  erwachsene  Leute  sehr 
brauchbar,  aber  für  unsere  Kleinsten  der  Kleinen^  die  weder  Zahlen 
noch  eine  Anzahl  tou  Strichen  und  Fingern,  noch  Handstellungen 
kennen  oder  noch  weniger  unterscheiden  können,  die  viel  zu  unbehoUen 
sind,  um  mit  einer  Gabel  in  der  Hand  bildliche  Darstellnngen  nach- 


815 

zozeigen,  zamal  wenn  sie  zum  „ersten  Male  yom  Doktor  untersuoht 
werden  sollen^  nnd  schon  bei  diesem  Gredanken  zu  henlen  anfangen, 
untanglich.  loh  habe  deshalb,  da  ioh  bei  unseren  Untersuchungen 
die  Unzulänglichkeit  der  SNBLLBNsohen  Tabellen  kennen  lernte,  eine, 
neue  Tabelle  nach  den  SNBLLBNschen  Gröisenverhältnissen,  nur  mit 
anderen  Figuren  hergestellt.  In  den  ersten  Schulwochen  erzählt 
der  Lehrer  seinen  Kleinen  vom  Briefe,  Kasten,  Tafel,  Binge,  Rade, 
Kreuze,  yon  der  Fahne  usw.,  malt  bei  den  Erzählungen  diese  Dinge  mit 
einfachen  Strichen  auf  die  Wandtafel,  und  die  Kinder  malen  sie  nach; 
diese  Dinge  lernen  sie  durch  Wort  und  Zeichnung  kennen,  an  ihnen 
mulis  man  deshalb  die  Sehschärfe  festsellen.  Ich  habe  aus  diesem 
Grunde  mit  Tusche  in  der  Gröise  der  SNBLLKNschen  Buchstaben 
folgende  Figuren 

D  +  iza.  si  o  e  r  u  n 

auf  gutes  Zeichenpapier  gezeichnet  und  zu  meiner  und  des  Schul- 
arztes Freude  gesehen,  dafs  die  Sache  tadellos  funktionierte.  Basch 
und  sicher  konnten  die  Kinder  mit  normaler  Sehschärfe  und  normaler 
geistiger  Beschaffenheit  die  vom  Arzte  gezeigten  Sachen  nennen 
während  wir  bei  den  schwach-  und  kurzsichtigen  auch  ziemlich 
schnell  den  Grad  ihres  Fehlers  feststellen  konnten.  Nur  bei  den 
geistig  minderwertigen  fällt  es  trotz  dieses  einfachen  Mittels  noch 
oft  schwer,  zum  Ziele  zu  gelangen ;  doch  auch  das  ist  kein  Nachteil, 
denn  dadurch  erhielten  wir  auch  gleich  ein  Bild  von  der  geistigen 
Aufnahmefähigkeit  des  Kindes. 

Ich  bin  der  festen  Überzeugung,  dals  es  uns  gelungen  ist,  in 
ziemlich  kurzer  Zeit  auf  diese  Weise  sämtliche  Kurzsichtige  —  un- 
ge&hr  5  bis  67o  —  von  den  Ostern  1905  in  die  Schule  getretenen 
Kindern  herauszufinden,  zugleich  aber  auch  die  geistige  Beschaffen- 
heit derselben  festzustellen.  Gerade  die  möglichst  frühe  Fest- 
stellung der  Sehkraft  bei  den  Kindern  ist  yon  besonders  greisem 
Werte;  denn  kann  das  kleine  Elind,  dem  alles  in  natura  oder  im 
Bilde  vor  die  Augen  geführt  wird,  die  zu  behandelnden  Gegenstände 
nicht  deutlich  erkennen,  so  wird  es  schüchtern,  yerliert  das  ohnehin 
schon  schwache  Vertrauen,  die  anfangs  so  greise  Lust  und  Freude 
an  der  Schule  und  am  Lernen  schwindet,  das  Kind  bleibt  gleich 
anfangs  zurück,  wird  vom  Lehrer  falsch  beurteilt,  gilt  als  unauf- 
merksam, dumm,  träge  usw.,  es  nimmt  Schaden  an  seiner  Erziehung, 
der  vielleicht  während  der  ganzen  Schulzeit  nicht  wieder  gut  gemacht 
werden   kann.     Ich   richte  deshalb    an    die  Herren  Schulärzte  und 


816 

Sohalmanner  die  Bitte,  sich  Tabellen  nach  obiger  Weise  anzufertigen 
und  es  damit  zuTersnohen;  sie  werden  erstaunt  sein,  wie  leicht  nnd 
rasoh  nnd  doch  wieder  sicher  die  Untersuchungen  vor  sich  gehen 
werden,  zumal  wenn  der  betreffende  Lehrer  schon  in  der  Klasse  dis 
kleinen  Sätze:  Das  ist  ein  Kasten,  Kreuz,  eine  Tafel,  ein  BrisC 
ein  Ring  usw.  öfter  hat  sprechen  lassen. 


Anthropometrische  Untersuchungen 

an  geannden  und  kranken  Kindern  mit  besonderer  Berftek- 

sichtignng  des  schulpflichtigen  Alters. 

Von 

Dr.  Otto  RANKB-Manchen. 

(FortsetEUDg  und  Sohlols.) 

unter  den  pathologischen  Faktoren,  welche  die  Körper- 
entwicklung des  Kindes  beeinflussen,  mögen  die  akuten  Infek- 
tionskrankheiten nur  mit  wenigen  Worten  summarisch  erwfthnt 
werden. 

Es  ist  b«'kannt,  wie  häufig  auf  eine  überstandene  länger  dauernde 
Pneumonie,  auf  einen  Typhus  usw.  während  und  nach  der  Bekon- 
▼aleszenz  eine  Periode  besonders  starken  Wachstums  für  den  kind- 
lichen Organismus  einsetzt.  Meist  wird  dieser  „Antrieb"  in  spätersn 
Jahren  wieder  ausgeglichen;  gelegentlich  hat  es  den  Anschein,  ab 
habe  nach  überstandener  Krankheit  ein  dauerndes  stärkeres  Wachs- 
tum begonnen,  welches  das  krank  gewesene  Kind  die  entsprechende 
Altersgröf»e  seiner  Geschwister  stets  b<»trächtlich  überragen  lilsi 
Natürlich  sind  derartige  Angaben  von  Kindern  und  Müttern  mit 
grölster  Resenre  aufzunehmen;  eine  Auf/äblung  der  vereinzelten 
Fälle  von  besonders  grofsen  KörpermafHen,  bei  welchen  eine  der- 
artige Anamnene  vorlag,  glaube  ich  mir  ersparen  zu  dürfen. 

Desgleichen  mögen  die  Fälle  von  besonders  zierlichen  Körpern, 
bei  denen  von  zahlreichen  „Kinderkrankheiten''  berichtet  wurde, 
mit  dieser  Erwähnung  abgetan  sein 

Dagegen  sind  einige  chronische  Allgemeinerkrankungen 
des  kindlichen  Organismus  etwas  ausführlicher  zu  behandeln.  Ab 
wichtigst«  kamen  bei  meinem  Material  in  Betracht  die  Skrofulöse 
und  die  Rachitis. 


817 

Niedrige  Mause  bei  Eandern  mit  Zeichen  bestehender  oder 
tiberstandener  Skrofulöse: 

1.  Das  Minimum  von  Lk  (909),  die  zweiten  Minima  fttr  Lr  (362) 
und  Lb  (360),  sowie  bei  einem  Db  von  610  (Mittel:  604)  die  angegebenen 
Maxima  von  Ikk  und  Ikr  unter  den  vieijährigen  Knaben  fanden  sich  bei 
einem  Kinde  mit  bestehender  Skrophulose. 

2.  Bei  den  vieijährigen  Mädchen  wurde  das  Minimum  Ton  Lr,  das 
zweite  Minimum  von  Lk  (892)  und  bei  einem  Uh  von  481  das  Maximum 
^on  Der  (146,8),  das  zweite  Maximum  von  Ikk  (63,9)  von  einem  skrofu- 
lösen Kinde  dargeboten. 

3.  Das  Minimum  des  L&ngenbreitenmdex  (76,0)  bei  den  achtjährigen 
Madchen  gehörte  einem  skrofalösen  Kinde  an.     L:  184,  B:  138. 

4.  Die  Minima  für  Lk,  Lr  und  Lb  bei  den  zehigährigen  Mädchen 
fanden  sich  bei  einem  Kinde,  das  in  den  ersten  Lebensjahren  Tiel  krank 
gewesen  war,  an  Schailach,  Lungenentzündung  und  im  Anschlüsse  an  den 
Scharhich  an  einer  schweren  Skrofulöse  gelitten  hatte.  Beginn  des 
Gehens  mit  2V*  Jahren,  üb  betmg  603;  so  waren  Ikk  (46,9)  und  Ikr 
(113,4)  für  die  Altersklasse  maximal. 

6.  Das  Minimum  Yon  üb  (486)  bei  den  zwölQährigen  Mädchen  fand 
sich  bei  einem  der  ältesten  Kinder  aus  der  Gruppe,  welches  frflher  an 
Skrofulöse  gelitten  hatte.  Auch  die  KOrpermalse  standen  beträchtlich 
anter  dem  Mittel:  Lk:  1266,  Lr:  487,  Lb  664. 

6.  Das  Minimum  von  Lk,  sowie  sehr  niedere  Matse  fär  Lr  (611) 
und  Lb  (600),  bei  einem  Oh  von  621  das  zweite  Maximum  f&r  Ikk  (39,2) 
&nd  sich  bei  einem  skrofulösen  13jährigen  Mädchen. 

7.  In  der  gleichen  Gruppe  fiel  noch  ein  zweites  Kind,  das  an 
fflcrophulose  gelitten  hatte,  durch  niedrige  KOrpermalse  auf.  Bei  ihm  be- 
trug Lk:  1346,  Lr:  609  (zweites  Minimum),  Lb:  632  (drittes  Minimum), 
XTh:  606,  L:  169,  B:  161,  I:  89,3  (Maximum). 

8.  Eine  sehr  niedrige  Körper-  (1349)  und  Rumpflänge  (625)  maft 
ich  bei  einem  an  Skrofulöse  leidenden  14jährigen  Knaben. 

9.  Endlich  fand  sich  ein  14V*jähriges  Mädchen  mit  Skrofulöse, 
welches  das  Minimum  von  Lk,  zweite  Minima  fflr  Lr  (632)  und  Lb  (622) 
und  bei  einem  Uh  Ton  606  das  Maximum  von  Ikk  (38,3)  darbot. 

In  seltenen  Fällen  fand  sich  bei  maximalen  Grrölsen  anam- 
nestiseh  Skrofulöse  vermerkt: 

1.  Die  zweitgrößte  Körper-  (1464)  und  Beinlänge  (716)  bei  den 
xehigährigen  Knaben  bot  ein  Kind  dar,  das  bis  zum  dritten  Jahre  an 
schwerer  Skrofulöse  gelitten  hatte.  Besonders  auffallend  an  ihm  war, 
dafs  sowohl  der  Occipital-  als  auch  die  beiden  Frontalhöcker  sehr  stark 
prominierten;  es  mnCste  daher  ausnahmsweise  noch  bei  diesem  älteren 
Kinde  die  gröbte  Kopflänge  (184  mm)  Ober  einem  Tuber  frontale  (statt 
Ober  der  Glabella)  gemessen  werden,     üb  betrug  660. 

2.  Das  zweite  Maximum  fflr  Uh  (647)  bei  den  einährigen  Mädchen 
hesals  ein  skrofdlöses  Kind,  das  sonst  nichts  Auffallendes  darbot. 

3.  Die  Maxima  fttr  üb  (666)  und  B  (164)  bei  den  13jährigeB 
Knaben.    Auch  bei  diesem  Sande  fiel  eine  starke  Prominenz  der  Tubera 


818 

frontaliA  «nf,  welche  die  gröfiite  Kopflänge  (193)  seitlich  Yenchob.     Uc 
betrag  1510:  Lr:  566. 

Nach  dieeen  Beobaehtangen  Iftist  sich  bei  der  Skrofulöse 
Yor  allem  eine  Sohadigang  des  Körperwaohstnms  naehweifien, 
welche  sieb  sowobl  in  minimalen  EOrpermalben  als  anch  in  Maximal- 
zahlen  f&r  das  Verhältnis  zwischen  Eopfnmpfang  nnd  Körper  (Ikk, 
Ikr)  ausdrückt.  Ob  die  Abnormitäten  des  Kopfes,  welche  gelten!- 
lieh  bei  anamnestisob  nachgewiesener  Skrofulöse  gefunden  wurden, 
auf  diese  zurückzufttbren  sind,  muiis  dahingestellt  bleiben;  ein  dureh 
die  Schädelbildung  geweckter  Verdacht,  dais  es  sich  in  den  beiden 
eben  mitgeteilten  Fällen  um  rachitische  Veränderungen  neben 
früherer  Skrophulose  gehandelt  haben  möchte,  darf  jedenüsdls  nicht 
▼erschwi^en  werden. 

Für  die  interessante  Frage:  Inwieweit  tuberkulöse  Ascen* 
denz  resp.  ^ Disposition"  schädigend  auf  das  kindliche  Wachstum 
einwirkt,  lieferten  meine  Untersuchungen  leider  kein  einwandfreies 
Material. 

Ein  Fall  von  vorgeschrittener  Darmtuberkulose  bei  einem 
6^/tjährigen  Knaben,  welche  seit  dem  Ende  des  ersten  Lebensjahres 
bestand,  mag  kurz  erwähnt  werden.  Die  Messung  ergab  bei  diesem 
in  der  Kieler  medizinischen  Klinik  untersuchten  Kinde  vor  allem 
eine  Schädigung  der  Körperentwicklung.  Zw^  standen  auch  die 
KopfmaTse  zum  Teil  unter  den  beobachteten  „Normalmimmis', 
waren  aber  relativ  doch  so  groüs,  dafs  Ikk  und  Ikr  beinahe  maximale 
Werte  ergaben. 

Die  Mafse  waren:  Lk:  878,  Lr:  328,  Lb:  399,  üb:  457,  Us:  274, 
Ut:  263,  L:  165  (stark  entwickeltes  Tuber  occipitalel),  B;  128,  Oh:  110. 
Ikk:  52,1,  Ikr:  139.9. 

Noch  ausgesprochener  zeigte  sich  eine  auf  die  Körperma&e  be- 
schränkte Entwicklungshemmung  bei  einem  Falle  von  Atyreose 
(mangelnder  Glandula  tyreoidea),  welchen  ich  ebenfalls  in  der 
Kieler  medizinischen  Klinik  zu  messen  Gelegenheit  hatte  ^.  Es 
handelte  sich  um  ein  fast  zwöl^ähriges  Mädchen,  bei  dem  sich 
aufser  dem  Zurückbleiben  in  der  körperlichen  Entwicklung  ein  beider- 
seitiger kongenitaler  Klavikulardefekt  konstatieren  liels. 

Die  Mafee  waren:  Lk:  1180,  Lr:  450,  Lb:  540,  üb:  507,  L:  174, 
B:  147  (gut  fingerbreit  hinter  dem  Ohrenansatz  gemessen,  ohne  dals  sich 
Rachiüs  nachweisen  lieis),  Oh:  104,  Ikk:  43,0,  Ikr:  112,7. 


^  Über  diesen  Fall  wurde  aosfährliob  berichtet  doroh  Herrn  Dr.  Gboos 
in  der  JCtüicA.  med,  Wodtmnhr.,  1903,  Nr.  27. 


819 

Weit  weniger  ansgesproclien  waren  die  Veränderungen  in  einem 
zweiten  Fall  von  mangelnder  Tyreoidea  bei  einem  fast  neunjährigen 
Knaben  (ebenfalls  in  der  Kieler  medizinischen  Klinik  untersucht), 
bei  dem  sieb  auch  ein  auffallend  niedriger  üb  fand. 

Lk  betrag  bei  ihm  1067,  Lr:  404  (NormalmiDimam:  409),  Lb:  480, 
Uh:  471  (Minimum:  482),  Us:  294,  Ut:  261,  L:  167,  B:  136,  Oh:  107, 
Ikk:  45,1,  Ikr:  116,6. 

Anschliefsend  an  diese  Fälle  mag  hier  noch  eine  Beobachtung 
Ton  ausgesprochenem  Zwergwuchs  (ohne  Zeichen  von  Bachitis) 
£rwähnung  finden.  Es  bandelte  sich  um  ein  dreizehnjähriges  Mädchen 
der  Volksschule  Wik  bei  Kiel,  welches  bei  mittleren  Kopfmalsen 
eine  zwerghafte  Körperentwicklung  zeigte. 

Die  Mafse  waren:  Lk:  964,  Lr:  374,  Lb:  414,  üh:  519,  üs:  291, 
Ut:  289,  L:  178,  B:  152,  Ikk:  53,8,  Ikr:  138,8. 

Die  Gröfse  der  Körpermalse  stand  demnach  zwischen  den 
normalen  Minimis  fttnf*  und  sechsjähriger  Mädchen;  Körperkopf- 
nnd  Bumpf kopfindez  würden  etwa  dem  normalen  Maximum  zwischen 
dem  fünften  bis  sechsten  Jahre  entsprechen.  Eine  zehnjährige 
Schwester  des  Mädchens  zeigte  durchweg  Mafse,  welche  das  Mittel 
ibres  Alters  nicht  unerheblich  überragten. 

Über  die  verschiedenartige  Einwirkung  der  Bachitis  auf  die 
körperliche  Entwicklung,  speziell  auf  die  Schädelbildung,  welche 
sich  bei  den  von  mir  untersuchten  Kindern  nachweisen  lieDs,  ist 
oben  (S.  728)  schon  zusammenfassend  berichtet  worden.  Eis  erübrigt 
liier  also  nur  eine  kurze  Mitteilung  des  Materials. 

Minimale  Körpermafse  bei  rachitischen  Kindern: 

1.  Die  angegebenen  Minima  von  Lk,  Lr  und  Lb  unter  den  zehn- 
jährigen Knaben;  bei  einem  Uh  von  505  die  Maxima  für  Ikk  (51,2)  und 
Ikr  (127,2). 

2.  Minimum  von  Lr  (483)  bei  den  elQfihrigen  Knaben  — ,  ohne 
sonstige  Besonderheiten. 

3.  Minimum  von  Lb  (522)  bei  den  zwölfjährigen  Knaben;  Lr  (590) 
war  im  Gegenteile  beinahe  maximal. 

4.  Ein  rachitisches,  zwölfjähriges  Mädchen  in  der  Kieler  Hilfsschule, 
das  bis  zum  siebenten  Jahre  „beständig  krank  gewesen*'  sein  soll,  zeigte 
folgende  Malse:  Lk:  1192  („Normahninimum":  1242),  Lr:  46t>,  Lb:  519, 
XTh:  485  (dem  Minimum  unter  den  Yolksschulkindem  gleich),  Us:  29 1, 
üt:  284,  L:  168,  B:  140. 

5.  Die  kleinste  Beinlänge  unter  den  13jährigen  Mädchen  fand  sich 
bei  einem  rachitischen  Kinde,  das  erst  mit  2^/i  Jahren  sprechen,  mit 
3  Jahren  lanten  gelernt  hatte.  Lk  betrug  1310  (zweites  Minimum), 
Uh:  521;  so  resultierte  fQr  Ikk  das  Maximum  von  39,8. 

8ehalg«siuidheitspfleg«.  XVIIL  43 


820 

6.  Ein  ISjihriges  Mfidchen  der  Lflbecker  Hilfsschule,  das  dch  als 
geistig  YöUig  nonnal  erwies,  bot  folgende  Mafse:  Lk:  1204  (Minimum 
bei  den  Yolksschnlkindern:  1302),  Lr:  480  (Minimum:  488),  Lb:  535 
(Minimnm:  599),  Üb:  530;  also  Ikk:  44,0  (Maximum:  39,8),  Ikr:  110,4 
(Maximum:  104,3). 

Minimale  Kopfmafse,  maximale  Körpermafse  wnrden 
bei  raobitisohen  Kindern  nicht  beobachtet.  Dagegen  spielte  die 
Baohitis  nnter  den  Maximis  der  Kopfmafse,  besonders  der 
Kopfbreite  und  demzufolge  des  Längenbreitenindex  eine  nicht 
unerhebliche  Bolle. 

1.  Das  Maximum  von  I  (93,5)  bei  den  siebenjährigen  Knaben  fiuid 
sich  bei  einem  (sehr  begabten)  rachitischen  Jungen.  L  betrug  169,  B:  158 
(zweites  Maximum);  Uh  stand  unter  dem  Mittel  (498).^ 

2.  Das  Maximum  von  L  (193)  und  Us  (331)  bei  den  achtjAhrigen 
Mädchen.  Uh  betrug  538;  die  Körpermafse  entsprachen  etwa  dem  Jahres- 
mittel. Die  grobe  Kopflänge  wurde  bedingt  durch  starke  Prominenz  der 
Tubera  firontalia;  daher  mu&te  L  seitlich  von  der  Mittellinie  gemessen 
werden. 

3.  Auch  das  Maximum  Ton  Uh  (543)  in  der  gleichen  Gruppe  fand 
sich  bei  einem  rachitischen  Kinde.  Bei  diesem  standen  die  Körpermaß 
unter  dem  Mittel  (Lk:  1137,  Lr:  450,  Lb:  516),  so  dafe  Ikk  (47,8)  und 
Ikr  (120,7)  die  maximalen  Werte  ergaben. 

4.  Ebenfalls  die  grOfete  Kopflänge  fand  sich  bei  einem  rachitischen 
Kinde  unter  den  zebi^ährigen  Mädchen,  durch  die  gleiche  Ursache  wie 
oben  hervorgerufen.    Die  Kopf  breite  betrug  143,  der  Kopfindex  daher  74,5. 

5.  Einen  allgemein  grofsen  Kopf  bot  einer  der  jflngsten  einährigen 
Knaben  dar,  welcher  bereits  mit  auffallend  greisem  Kopfe  auf  die  Welt 
gekommen  sein  soll.  Uh  (560)  und  Us  (341)  waren  fttr  die  Altersklasse 
maximal.  Die  gröfste  Breite  (159)  fand  sich  —  wie  bei  yielen  rachitischen 
Kindern  —  gut  fingerbreit  hinter  dem  Ohransatz.  L  war  mit  194  beinahe 
maximal.  Lk  betrug  1223,  Lr:  457;  so  ergaben  Jkk  und  Ikr  die  in 
der  TabeUe  erwähnten  MaxinuJzahlen. 

6.  Unter  den  einährigen  Mädchen  fand  sich  die  grOfste  Kopfbreite 
von  157  mm  bei  einem  rachitischen  Kinde.  Uh  betrug  509;  die  KOrper- 
mafse  entsprachen  dem  Durchschnitt  der  Klasse. 

7.  Die  zweitgrOfsten  Mafse  fär  Uh  (560)  und  L  (197)  bei  den 
zwOlQährigen  Knaben  bot  ein  rachitischer  Junge.  Auch  hier  waren  die 
Tubera  frontalla  auffallend  prominent,  daneben  auch  das  Occipitale  stark 
entwickelt. 

8.  Endlich  fand  sich  der  grObte  Lb-Index  (88,6)  unter  den  yierzehn- 
fihrigen  Mädchen  bei  einem  rachitischen  Kinde,  das  in  frnher  Jugend  an 


*  In  den  AlaterdorfSsr  Idioienanstalten  bei  Hamburg  hatte  ich  Gelegenheit, 
einen  siebenjährigen  rachitischen  Idioten  sa  meeten,  deeeen  Korper-  und 
KopfmaTae  im  allgemeinen  dem  Dnrohiohnitt  leinee  Altert  entspraohen.  dessen 
Lb-Index  aber  93,6  betrag  (L:  173,  B:  161). 


821 

Krftmpfen    gelitten   hatte.      L  betrug  175,    B:  165   (zweites  Maximnm), 
Uh:  526;  die  Eörpermaise  entsprachen  etwa  dem  Mittel. 

Besonders  interessant  sind  die  Beobachtungen  an  einigen  Kindern 
ans  Familien,  in  welchen  die  raohitisohe  Erkrankung  mehrere  Glieder 
betroifen  hatte.     Die  betreffenden  Fälle  sind  folgende: 

1.  Der  grOfste  Lb-Index  (94,4)  bei  den  sechsjährigen  Knaben  fand 
sich  bei  einem  rachitischen  Jangen,  dessen  Kopflänge  161  (Minimum), 
B:  152  betrag.  Ein  achtjähriger  Bruder  besafs  einen  Kopfindex  yon 
90,6  (Maximum  der  Klasse),  das  Minimum  fOr  L  (159)  und  Uh  (482). 
Ein  yierzehnjähriger  Bruder  hatte  einen  Index  von  87,3;  bei  ihm  waren 
ebenfalls  L  (166)  und  üh  (489)  minimal.  Bei  allen  drei  Knaben  wurde 
notiert,  dals  die  Ocdpitalgegend  auffallend  abgeflacht  war.  Die  beiden 
zuletzt  genannten  galten  als  wenig  intelligent;  von  dem  ältesten  hieb  es 
aufserdem,  dais  der  Beginn  seines  Sprechens  erst  in  das  vierte  Jahr  ge- 
fallen sei. 

2.  Die  Maxima  für  Uh  und  B  bei  den  sieben-  und  zwOligährigen 
Knaben  boten  zwei  rachitische  Kinder.  Von  dem  jüngeren  hieOs  es,  dab 
er  früher  an  Krämpfen  gelitten,  erst  spät  (mit  zwei  Jahren)  zu  sprechen 
begonnen  habe.  Das  gleiche  (Krämpfe  und  spätes  Sprechen)  wurde  von 
einem  zehigährigen  Bruder  angegeben,  dessen  Kopfma&e,  wenn  auch 
nicht  maximal  waren,  so  doch  erheblich  über  dem  Mittel  standen.  Bei 
letzterem  betrug  Uh:  560,  B:  159. 

3.  Indizes  von  90,6  (Maximum)  und  88,1  zeigten  zwei  rachitische 
Mädchen  von  neun  resp.  zehn  Jahren.  Yon  dem  ersteren  hiels  es,  dafs 
es  früher  an  Krämpfen  gelitten  habe.^ 

Wie  schon  in  der  Übersicht  (Seite  729)  bemerkt  wurde,  fanden 
sich  eine  ganze  Anzahl  maximaler  Kopfinaise,  besonders  aber  Längen- 
breitenindizes,  bei  deren  Trägem  kindliche  Krämpfe  notiert 
waren.  Wie  die  obigen,  speziell  die  letzten  Beispiele  zeigten,  sind 
derartige  £[rämpfe  in  der  Anamnese  solcher  Kinder,  welche  deut- 
liche rachitische  Veränderungen  am  Schädel  aufweisen,  nichts  Seltenes. 
Bei  den  jetzt  folgenden  Beobachtungen  konnte  der  Nachweis  der 
Rachitis  aber  weder  durch  die  Anamnese,  noch  auch  durch  den 
Schädelbefund  mit  Sicherheit  erbracht  werden ;  über  die  Frage :  Wie 
weit  diese  Fälle  trotzdem  zum  „Rachitisme  c^halique''  gehören, 
möchte  ich  mich  einstweilen  eines  Urteils  enthalten. 

Die  Beobachtungen  waren: 

1.  Die  gröfete  Kopfbreite  (158)  unter  den  fünfjährigen  Knaben  fand 
sich  bei  einem  Kinde,  das  in  früher  Jugend  an  Krämpfen  gelitten  hatte. 


^  Nachrfiglich  erwähnt  mag  werden,  dafs  unter  den  oben  mitgeteilten 
Fällen  minimaler  Körpermarie  bei  rachitischen  Kindern  sich  keiner  fand,  bei 
dem  der  LSngenbreitenindex  des  Kopfes  das  lüttelmaTs  erheblich  abertroffen 
hätte. 

43* 


822 

Bei  ihm  standen  anch  die  anderen  Kopfmabe  —  die  meiste  betriditiidt 
—  Aber  dem  Jahresmittel  (Uh:  529,  üs:  311,  üt;  290,  L:  180; 
I:  87,8). 

2.  Das  Haximimi  des  Lb-Index  in  derselben  Omppe  bot  ein  Knabe 
-dar,  von  welchem  es  hieb:  „hatte  im  zweiten  Leben^ahre  Krftmpfe,  dnrdi 
die  er  das  Laufen  verlernte;  neoes  Beginnen  des  Laufens  za  Ende  des 
dritten  Jahres."  Die  Kopfbreite  (155)  war  in  diesem  Falle  beinahe 
maximal,  die  Lftnge  betmg  173,  der  horizontale  Umfang  510  mm. 

3.  Der  maximale  Horizontalnmfang  von  539  mm  anter  den  sedis- 
jAhrigen  M&dchen  fand  sich  bei  einem  Kinde,  das  in  der  Jagend  aa 
Krämpfen  gelitten  hatte.  Aach  die  beiden  anderen  Kopfumfänge  standen 
betrachtlich  Aber  dem  Mittel.  (Üs:  314,  Ut:  296);  L  betrag  171,  B: 
144,  —  also  I:  84,2.  Ein  zehigahriger  Bruder  des  Madebens  zeidmete 
sich  in  seiner  Gruppe  durch  kleine  Kopfmafse  aus,  bot  die  zweites 
Minima  ftr  üb  (487)  und  L  (168),  das  dritte  Minimum  für  Us  (283)  in 
seiner  Altersklasse  dar;  üt  betrug  276,  6:  141;  I:  83,9.  Auch  bei 
einer  ach^ahrigen  Schwester  standen  die  meisten  Kopfinafse  unter  dem 
Mittel  ihres  Alters,  (üb:  500,  üs:  302,  üt:  293,  L:  174,  B:  142, 
I:  81,6.)  Es  dnrfte  hier  also  die  Giöfse  des  Kopfes  auf  individueDe 
Ursachen  (die  Krankheit,  weldie  die  Krämpfe  auftreten  lieb?),  nicht 
aber  auf  eine  fi&miliare  Disposition  zurückzufahren  sein.  Rachitis  lieb 
sich  nicht  nachweisen. 

4.  Wieder  den  maximalen  Lb-Index  yon  94,3  bei  den  zehnjährigen 
Knaben  hatte  ein  Kind,  bei  dem  frühere  Krämpfe  angegeben  waren.  Die 
KopfiBiabe  betrugen  in  diesem  Falle:  Uh:  532,  Us:  311,  Ut:  306,  L  174, 
B  164.  Die  grObte  Breite  war  ein  wenig  nach  hinten  zu  verlagert,  die 
Parietalhöcker  sprangen  ziemlich  stark  vor  —  so  war  wenigstens  ein 
Verdacht  auf  Rhachitis  gegeben,  wenngleich  die  Anamnese  im  Stiche  liels. 

5.  Eklamptische  Krämpfe  in  früher  Jugend  waren  bei  dem  Kinde 
angegeben,  welches  unter  den  zwölfjährigen  M&dchen  maximale  Werte  für 
B  (163)  und  I  (92,6)  besab.  Uh  betrog  526,  Us:  310,  Ut:  317  (dem 
Maximum  nahe!),  Oh:  176. 

6.  Erst  im  fünften  Jahre  sollen  sich  bald  wieder  verschwindende 
„Kr&mpfe^  bei  einem  14j&hrigen  Knaben  eingestellt  haben,  welcher  einen 
allgemein  grofsen,  besonders  aber  in  der  Transversalrichtung  stark  ent- 
wickelten Kopf  besab.  üb:  555,  Us:  339  (2.  Maximum).  Ut:  320 
(Maximum),  L:  192,  B:  163  (zweites  Maximum),  I:  79,7.  Ein  Verdacht 
auf  Rachitis  lag  nicht  vor. 

In  Ansohlnb  an  diese  Omppe  mag  die  liydrokephalische 
Veränderung  des  Schädels  an  der  Hand  einiger  Beispiele  erlantert 
werden.  Bei  diesen  baben  wir  xwei  Formen  zu  unterscheiden,  Vielehe 
wohl  am  besten  als  einfaoh-bydrokephalisohe  und  als  rachitisch- 
hydrokepbaliscbe  Form  zu  charakterisieren  sind.  Erstere  ist  aus- 
gezeichnet durch  die  ballonartige  Emporwölbung  des  Oehimachadeb 
über  seine  Basis;  der  in  der  Ebene  der  Augen  und  der  Schlftfen- 
enge  gelegene  Umfang  erscheint  wie  eine  Einziehung  unier  der  mftoh- 


828 

tigeu  genindeten  Stirn  und  der  gewölbten  Parietalgegend.  Der 
raohitieehe  Hydrokephalns  dagegen  seigt  sich  in  weniger  obarakte- 
risüscher  mannigfaoHerer  Art,  ist  am  ehesten  von  den  oben  schon 
genannten  Formen  des  einfach  rachitischen  Schädels  ans  zu  ver- 
stellen. Bald  ist  das  Hinterhaupt  abgeflacht,  die  Stime  mächtig 
verbreitert  und  vorgeschoben  (hierher  die  ,,Scaphoc6phalie"  Boubnb- 
TiLiiSs  und  der  „BVont  olympien*  der  Franzosen),  bald  zeigt  sich 
eine  besonders  mächtige  Breitenentwicklung  der  hinteren  Parietal- 
und  vorderen  Occipitalregion ;  auch  gelegentlich  vorkommende  be- 
sonders starke  flöhenentwicklung  des  allgemein  vergröliserten  Schädels 
dürfte  mitunter  hierher  zu  rechnen  sein.  Immer  bleibt  für  die 
rachitische  Form  des  hydrokephalischen  Schädels  charakteristisch,  daüs 
die  Basis  an  der  (meist  mehr  oder  minder  partiellen)  Vergröiserung 
des  fiimschädels  mitbeteiligt  ist,  dais  dementsprechend  die  für  den 
einfach  hydrokefalischen  Schädel  so  charakteristische  Einziehung  in 
der  ganzen  Basispartie  fehlt.  Dals  freilich  in  der  Natur  die  Scheidung 
dieser  zwei  Formen  nicht  immer  so  einfach  ist  wie  in  diesem  kurzen 
Schema,  ja,  dais  eine  exakte  Diagnose  gelegentlich  überhaupt  un- 
möglich wird,  das  bedarf  für  den  Erfahrenen  kaum  der  Erwähnung. 

Leider  erwies  sich  für  die  beiden  genannten  („kraniometrischen'') 
Formen  der  Hydrokephalie  —  wie  oben  schon  ausführlich  mitgeteilt 
wurde  —  unsere  üntersuchungsmethode  gelegentlich  als  nicht  aus- 
reichend. Ich  ziehe  daher  vor,  das  Material  so  einzuteilen,  dals  ich 
zuerst  über  die  an  Yolksschulkindem  beobachteten,  dann  über  die 
bei  Idioten  gefundenen  Hydrokefalien  referiere. 

An  Volksschulkindern  fand  sich  zweimal  eine  ausgesprochene 
Hydrokefalie,  und  zwar  beide  Male  zu  der  oben  genannten  einfachen 
Form  des  Hydrokephalus  gehörig. 

1.  Ein  siebeqj&hriges  Schnlmädchen  in  Lübeck,  das  mir  von  der 
Lehrerin  als  beste  Schülerin  ihrer  Klasse  bezeichnet  wurde, 
zeigte  die  deutlichen  Sparen  recht  hochgradiger  Hydrokephalie.^  Nach  Mit- 
teilung der  Mutter  war  das  Kind  rechtzeitig  geboren;  im  Alter  von  drei 
Monaten  hatte  der  Kopf  zu  wachsen  begonnen,  ohne  dals  sich  irgendwelche 
sonstigen  Krankheitssymptome  eingestellt  hätten.  Da  vor  allem  keine  Krämpfe 
aufgetreten  waren,  hatte  der  behandelnde  Arzt  mit  Entschiedenheit  verneint, 
dals  es  sich  um  einen  „Wasserkopf*'  handele.  Beginn  des  Sprechens  mit 
IVs)  des  Gehens  mit  drei  Jahren.  Die  Malse  waren:  Lk:  1039  (unter 
dem  Normalminimam),  Lr:  402  (zweites  Minimum),  Lb:  454  (zweites  Mini- 


*  Ober  andere  Beobachtungen  betreffend  die  geistige  Entwicklung  hydro- 
kephaliaoher  Kinder  berichtet  der  Anfmtz  von  Dr.  Bbrkhak  in  der  Zeitsohriit 
nBU  KmderfMer".    Jahrg.  VH,  Heft  2.  1902. 


824 

mam);  Uh:  573  (Mazimnm:  543),  Us:  340,  üt:  834,  L:  180  (Maximum: 
188),  B:  169  (Maximom  160),  Oh:  108,  I:  93,9,  Ikk:  55,1  (Maziiniim: 
49,2),  Ikr:  142,5  (MazüniiiD:  127,1). 

2.  Ein  Lttbecker  Schalknabe  von  acht  Jahren.  Anch  in  diesem  Falle 
soll  es  sich  am  einen  erworbenen  Hydrokephalos  gehandelt  haben.  Kach 
Angabe  der  Matter  war  das  Kind  bis  ins  fllnfte  Jahr  hinein  gesund;  litt 
dann  an  einer  schweren  Hirnhaatentzündnng,  in  deren  Gefolge  sich  langsam 
der  Wasserkopf  entwickelte.  Die  hydrokephalische  Bildung  des  Schftdels 
war  nicht  weniger  ausgesprochen  als  im  vorigen  Falle,  doch  hielten  sich 
alle  Mafse  innerhalb  der  normalen  Schwankungsbreite  acht- 
jähriger Knaben,  vor  allem  hielt  sich  auch  der  Lb-Indez  in  den 
Grenzen  der  Mesokefalie.  Die  Ma(se  wareu:  Lk:  1317,  Lr:  492,  Lb: 
556;  üb:  537,  (Maximum  548),  Us:  326,  üt:  311,  L:  191,  B:  151; 
I:  78,5  (!),  Ikk:  40,8,  Ikr:  109,2. 

Verscbiedene Formen  raohitisoher  Hydrokephalie,  bei  denen 
keines  der  Eopfmafse  sich  über  das  normale  Maximum  des  Altera 
erhob,  fanden  sich  bei  einigen  Insassen  der  Alsterdorfer  Idioten- 
anstalten. 

Die  betre£fenden  Beobaobtnngen  waren: 

1.  Ein  Fall  von  Idiotie  mäbigen  Grades  bei  einem  sech^ahrigen  Knaben. 
Der  Schftdel  war,  besonders  in  seinem  hinteren  Teile,  entschieden  hydro- 
kefalisch  gebildet;  die  Kopfinafte  standen  aber  —  aulser  dem  Transversal- 
umfange —  unter  dem  Mittel  der  Alterskhisse.  An  dem  Kinde  wurde 
gemessen:  Lk:  1025,  Lr:  377,  Lb:  440,  üb:  491,  üs:  292,  üt:  303, 
L:  165,  B:  143,  Oh:  117;  I:  87,3,  Ikk:  47,9,  Der:  130,2. 

2.  Einen  rachitisch-hydrokephalischen  Langsch&del  mit  einem  Lb- 
Index  von  75,2  bot  ein  einähriger  Idiot  Alsterdorb,  bei  welchem  der 
Wasserkopf  sich  allmählich  in  den  ersten  Lebenqahren  unter  Lähmungs- 
erscheinungen entwickelt  haben  sollte.  Die  Körpermalse  standen  in  diesem 
Falle  wenig  unter,  die  Kopfmabe  auber  der  Schädelbreite  beträchtlich  aber 
dem  Jahresmittel.  Lk:  1332,  Lr:  504,  Lb:  540;  üb:  540,  Us:  331, 
Ut:  295,  L:  193,  B:  147,  Oh:  117;  Ikk:  40,5,  Ikr:  107,L 

3.  Noch  auffallender  waren  die  Verhältnisse  bei  einem  infantilai, 
eben  15jährigen  Insassen  der  Alsterdorfer  Anstalten.  Hier  entsprachen 
die  Körpermabe  etwa  dem  Mittel  eines  fÜnQährigen  Kindes;  von  d»  Kopf- 
maben  waren  Horizontalumfang  und  Sagittalmabe  durch  eine  sehr  stark 
vorgewölbte  Stirn  auffallend  grob,  die  Kopf  breite  stand  unter  dem  Mittel- 
mafs  der  14jährigen  Knaben,  so  daüs  sich  ein  Lb-Index  von  74,5  ergab. 
Natflrlich  erhoben  sich  der  KopfkOrper-  und  Kopfrumpfindex  hoch  über 
das  Maximum  14jähriger  Kinder,  entsprachen  etwa  dem  Mittel  drei-  bis  vier- 
jähriger Knaben.  Die  Maise  waren  im  einzelnen:  Lk:  1054,  Lr:  488, 
Lb466;  üb:  546,  üs:  324,  üt:  293,  L:  196,  B:  146,  Oh:  112; 
I:  74,5,  Ikk:  51,8,  Ikr:  136,5. 

Auch  einen  Fall  von  ausgesprochener  „einfaober''  Hydrokepbalie, 
bei  dem  sich  keines  der  Malse  ans  der  normalen  Yariationsbieite 
entfernte,   hatte  ich  in  Alsterdorf  zu  ontersuohen  Gelegenheit.     Es 


825 

liandelte  sich  um  einen  plumpen,  schwerbUigen  Bnisohen  yon 
13  Jahren,  bald  nacli  der  Gkbnrt  am  „Wasserkopf^  erkrankt,  welcher 
ganz  geläufig  sprach  und  am  AnstaltBanteiricht  teilnehmen  konnte. 

Hier  waren  die  Mafse:  Lk:  1418,  Lr:  560,  Lb:  624;  Uh:  540, 
Tis:  326,  Ut:  291,  L:  189,  B:  153;  I:  81,0 (!).  Ikk:  38,1,  Ikr:  96,5. 

Hydrokephalische  Idioten,  welche  mindestens  mit  einem  ihrer 
ElopfmaTse  das  Normalmaximam  ihres  Alters  überragten,  wnrdeu  in 
ALsterdorf  gemessen: 

1.  Ein  racbitiscber  Jmige  von  sechs  Jahren,  bei  dem  sich  eine  besondere 
liftagenentwicklnng  des  Sch&dels  fand,  so  da&  der  Sagittalnmfang  342  mm 
betrog.  Die  Körperentwicklong  war  hinter  dem  Normalminimum  der  Alters- 
klasse zurückgeblieben.  Die  übrigen  Kopfmafee  waren:  Uh:  540,  üt:  318, 
L:  185,  B:  156;  die  Körpermalse:  Lk:  952,  Lr:  405,  Lb:  332;  die 
Indizes:  I:  84,3,  Ikk:  56,7  (Maximnm:  55,1),  Ikr:  133,3. 

2.  Eine  hydrokephalische  Übertreibung  des  gewöhnlichen  rachitischen 
Schädels  mit  yerbreitertem,  abgeflachtem  Hinterkopf  zeigte  ein  sieben- 
jähriger, hochgradig  idiotischer  Junge,  welcher  anch  sonstige  Anzeichen 
für  Rachitis,  daneben  Strabismus  and  Kryptorchismus  aufwies.  Körper- 
und  Beinlftnge  waren  wegen  starker  Kontrakturen  nicht  mefsbar;  Lr 
betrag  375  mm.  Die  Kopfmafse  waren:  üb:  580,  üs:  353,  Ut:  354(1), 
L:  192,  B:  162  (gat  drei  Querfinger  hinter  dem  Ohransatz  gelegen),  Oh: 
127,  I:  84,4. 

3.  Eine  einfache,  nicht  rachitische  Hydrokephalie  fand  sich  bei  einem 
sprachlosen,  völlig  idiotischen  13j&hrigen  Knaben,  dessen  Leiden  sich  im 
zweiten  Lebensmonate  ziemlich  schnell  anter  Krämpfen  ausgebildet  hatte. 
Hier  waren  die  Mafse:  Lk:  1415,  Lr:  596,  Lb:  637;  üh:  565,  üs: 
345,  Ut:  822,  L:  195,  B:  156,  Oh:  122;  I:  80,0(1),  Ikk:  39,9, 
Ikr:  95,0. 

4.  Die  grOlsten  Kopfmabe,  welche  ich  überhaupt  zu  messen  Gelegen- 
heit hatte,  fanden  sich  bei  einem  14jäbrigen  Inwohner  der  Alsterdorfer 
Anstalt,  einem  epileptischen,  rachitischen  Hydrokephalen  mit  mäfsig  ent- 
wickelter Idiotie.  Sie  waren:  Uh:  620,  Us:  381,  Ut:  343,  L:  205, 
B:  178(0,  ^^'  1^;  die  Körpermalse  betragen:  Lk:  1200,  Lr:  379, 
Lb:  621;  die  Indizes:  I:  88,4,  Ikk:  51,7,  Ikr:  163,6. 

5.  Endlich  fand  sich  aach  ein  hydrokephalisches  14 jähriges  Mädchen 
in  Alsterdorf,  das  nach  seinen  psydiischen  Leistungen  als  in  geringem 
Orade  bildougsfähig  bezeichnet  wurde.  Seine  Malse  waren:  Lk:  1383, 
Lr:  565,  Lb:  618;  üh:  581,  Us:  331,  Ut:  338,  L:  194,  B:  168, 
Oh:  136;  I:  86,6,  Ikk:  42,0,  Der:  102,8. 

Einen  schwachsinnigen  13  jährigen  Knaben  mit  einem  allseitig  ver- 
gröfserten,  doch  nicht  hydrokephalischen  Kopfe  (wohl  als  Fall  von  „Makro- 
kephalie^ zu  bezeichnen)  untersuchte  ich  in  der  Lttbecker  Hil&schule. 
Der  Junge  war  von  Gebart  in  allen  psychischen  Leistangen  minderwertig, 
ohne  eine  besondere  nach  aulsen  hervortretende  Krankheit  durchgemacht 
zu  haben.     Seine  Körpermabe  waren:  Lk:  1562,  Lr:  607,  Lb:  753;  die 


826 

Kopfina&e  betragen:  üb:  676  (Normalmaximnm:  566),  üs:  337,Ut:300, 
L:  197,  B:  163,  Oh:  119;  die  Indices:  I:  77,7,  Ikk:  36,8,  Ikr:  94,9.^ 

Eine  den  yon  uns  gewfthlten  anthropometrisohen  Untennehim- 
gen  noch  weniger  zugftngliohe  Fonn  unter  den  Idioten,  welche 
ieli  in  einigen  charakteristieclien  Fällen  zu  beobachten  Grelegenlflü 
hatte,  ist  der  sogenannte  Mongolen-  oder  Kalmüokentypui 
Diese  besonders  in  England  beobachtete  (dort  zuerst  yob  Abthui 
Mitchell  beschriebene)  Form  der  Idiotie  soll  nach  Angabe  der 
Autoren  vor  allem  durch  schrftggestellte  Augenlidspalten,  eine  stampfe, 
breite  Nase,  straffes  dunkles  Haar  und  zierliche,  breite  Schftdel- 
fbrm  charakterisiert  sein.  Hände  und  FüCse  sind  meist  kurz,  die 
Finger  plump,  die  „Schwimmhäute"  an  den  Händen  oft  sehr  statdc 
entwickelt.  Nicht  selten  ist  die  Zunge  breit  und  kurz,  durch  quer- 
stehende  Falten  und  hypertrophische  Papillae  circumvallatae  ausge- 
zeichnet 

In  geistiger  Beziehung  bleiben  diese  Kinder  meist  hinter  ihren 
Altersgenossen  zurück;  sie  gelten  als  sanft  und  lenksam,  besonders 
zum  Nachäffen  geneigt.  Englische  Autoren  rechnen  zu  diesem  Typus 
etwa  5%  aller  imbezillen  und  idiotischen  Kinder;  nach  Shuttle- 
WOBTH  ist  es  auffiedlend,  dafs  etwa  die  Hälfte  dieser  »Mongolen*  die 
Letztgeborenen  grölserer  Familien  sind.  Nach  vereinzelten  SektioDS- 
befunden  soll  ihr  Gehirn  sehr  einfach  entwickelt,  die  Windmig«i 
breit  und  plump  sein. 

Unter  meinem  Material  von  gegen  300  geistesschwachen  und 
idiotischen  Kindern  fanden  sich  vier  Fälle  von  ausgesprochenem  Mon- 
golismus; diese  waren: 

1.  Ein  5'/4  Jahre  alter  Idiot  in  den  Alsterdorfer  Anstalten.  Bei 
ihm  lag  Verdacht  anf  hereditäre  Syphilis  vor  (Matter  hatte  viermal  Abortus). 


^  An  dieeer  Stelle  mag  bemerkt  werden,  dal«  der  grö&te,  unter  den  Yolb- 
schnlkindem  überhaupt  gemessene  Horisontalam&Dg  von  576  (bei  den  lehii- 
jährigen  Knaben)  und  der  groiste  gefdndene  Lb-Index  von  94,5  bei  einem 
zehigährigen  Mädchen  Kindern  angehörte,  aber  welche  irgendwelche  sntm- 
nestisohe  Angaben  von  Interesse  nicht  gemacht  werden  konnten.  Der  entere 
gehörte  einem  Jangen  von  lOVt  Jahren  an,  welcher  schon  mit  aoffikUesd 
greisem  Kopfe  sur  Welt  gekommen  sein  soll,  sich  dann  dorchans  normal  ent- 
wickelt hatte  and  in  den  Schalleistangen  dem  Darohschnitt  seiner  Klsoe 
entsprach.  Die  abrigen  KopfmaTse  in  diesem  Falle  waren:  Us:  339,  üt.  331, 
L:  195,  B:  164.  Die  Körperlänge  betrag  1383  mm,  die  BampfUnge  =>  479. 
Die  Kopfmalse  bei  dem  Mädchen  waren:  Uh:  498,  üs:  281  (Minimom),  Ut: 
277,  L:  163  (2.  Minimam),  B:  154;  die  Körpermabe  entsprachen  ongefihr  dem 
Darchsohnitt  des  Alters. 


827 

Durch  die  schrSggestellteii  Angeiiy  die  plumpe  Nase,  einen  breiten  Mond, 
var  er  als  „Mongoloid^  genügend  charakterisiert  Die  Zange  war  se)ir 
schmal  nnd  spitz,  ohne  Qaerfnrchen.  Sehr  auffallend  war  an  ihm  ein  bei 
sonst  recht  tieistehender  Intelligenz  sehr  aasgebildeter  Nachahmongstrieb. 
fahrend  ich  mich  mit  Messungen  in  dem  Saale,  in  welchem  er  sich  auf- 
hielt, beschäftigte,  sah  ich,  wie  er  sich  mit  den  Köpfen  seiner  kleineren 
Kameraden,  die  zam  Teil  hilflos  salsen  oder  lagen,  mit  groisem  Ernst 
und  in  ähnlicher  Weise  zu  schaffen  machte,  wie  er  es  von  mir  gesehen 
hatte;  noch  in  den  nächsten  Tagen  betrieb  er,  wie  ich  durch  seinen  Pfleger 
erfuhr,  Kopfimessungen  in  seiner  Weise. 

Seine  Körper-  und  KopfmaOse  waren:  Lk:  1014,  Lr:  396,  Lb:  453; 
Uh:  472  (Normalminimum  486),  Us:  293,  Ut:  267,  L:  160  (Normal- 
minimum  168),  B:  139,  Oh:  107;  die  Indizes:  1:  86,9,  Ikk:  46,5, 
Ikr:  119,2. 

2.  Ein  sechsjähriges  Mädchen  in  Alsterdorf  mit  typischem  Mongolen- 
gesicht und  quergefalteter  Zunge  (4  ältere  Geschwister  desselben  sollen  sehr 
frühzeitig  gestorben  sein).  Das  Kind  war  fast  sprachlos,  nicht  bildungs- 
fiLhig;  es  fiel  aber  dadurch  auf,  dals  es  den  Messungen  eine  besondere 
Anfinerksamkeit  zuwandte,  die  anderen  Kinder  beim  Messen  festhielt,  auch 
sich  selber  immer  wieder  Yordrängte,  wie  um  noch  einmal  untersucht  zu 
werden  — ;  hier  waren  die  Malse  im  allgemeinen  zierlich,  zum  Teil  unter 
den  Normalminimis  stehend.  Sie  betrugen:  Lk:  900,  Lr:  390,  Lb:  351; 
Uh:  473,  Us:  268,  Ut:  272;  L:  159,  B:  143,  Oh:  109;  I:  89,9, 
Ikk:  52,6,  Ikr:  121,3. 

3.  Eine  ebenfalls  in  ihrer  Gesichtsbildung  „mongoloide*'  Idiotin  von 
acht  Jahren,  die  mir  als  „eigensinnig  und  ungezogen'^  bezeichnet  wurde,  sah 
ich  in  Alsterdorf.  Zunge  und  Finger  zeigten  nichts  Auffallendes ;  ein  ge- 
wisser Nachahmungstrieb  wurde  von  der  Pflegerin  hervorgehoben,  trat  mir 
aber  nicht  entgegen.  Auch  hier  waren  Kopf-  und  KörpermaCse  im  allge- 
meinen zierlich,  senkten  sich  aber  nicht  unter  die  Minima  der  entsprechenden 
normalen  Kinder.  Lk:  1140,  Lr:  490,  Lb:  483;  Uh:  477,  Us:  280, 
Ut:  273,  L:  161,  B:  139,  Oh:  104;   I:  86,3,   Ikk:  41,8,  Ikr:  97,3. 

4.  Den  ausgesprochensten  Fall  von  mongoloidem  Typus  fand  ich  bei 
einem  neuigährigen  Besucher  der  Lübecker  Hilfsschule,  dem  jüngsten,  spät 
nachgeborenen  Kinde  unter  drei  Geschwistern.  Augen,  Nase  und  Mund 
zeigten  die  charakteristische  Bildung.  Die  Ohren  waren  groDs,  weit  ab- 
stehend; der  Schädel  zierlich,  seine  Ansicht  von  oben  viereckig.  Die  Zunge 
war  schmal,  zeigte  die  erwähnten  Querfurchen  in  sehr  schöner  Ausbildung. 
An  der  linken  Hand  fand  sich  eine  sehr  stark  entwickelte  „  Schwimmhaut  ** 
zwischen  dem  vierten  und  fünften  Finger.  Der  Junge  fiel  auf  durch  ein 
lebhaftes  Mienenspiel;  von  selten  des  Lehrers  wurde  ihm  ein  starker  Nach- 
ahmungstrieb nachgesagt.  In  diesem  Falle  wurde  notiert:  Lk:  1195,  Lr: 
467,  Lb:  562;  Uh:  496,  Us:  283,  Ut:  282,  L:  171,  B:  146,  Oh: 
106;  I:  85,4,  Ikk:  41,5,  Ikr:  106,2. 

Anhangsweise  mag  hier  kurz  erwähnt  sein,  dals  ich  kürzlich 
durch  die  Güte  meines  Onkels  Hbinbioh  y.  Rankb,  Direktors  der 
Münohener  Einderklinik,    Gelegenheit   hatte,    das  Gehirn   eines    in 


828 

seinem  Spital  an  Diphtherie  gestorbenen  zweijährigen  Mongoloid- 
idioten,  dessen  Mafse  ich  leider  nicht  habe  aufnehmen  können,  zu 
untersnchen.  Das  Ergebnis  eines  eingehenden  makroskopischen  und 
mikroskopischen  Studiums  war  völlig  negativ.  Weder  fand  sich 
eine  Verein£Achung  des  Windungstjpus  noch  auch  ein  besonderes 
Abweichen  in  demselben  von  der  Variationsbreite  des  Normalen, 
noch  auch  lielsen  sich  mit  den  neueren  histologischen  Methoden  auf- 
fallende oder  als  sicher  pathologisch  deutbare  Veränderungen  in  der 
mikroskopischen  Struktur  des  Rindenschichtenbaues  und  der  nervösen 
und  gliösen  Elemente  nachweisen. 

Aus  dem  reichen  Material  subnormaler  Minimalzahlen  bei 
Idioten,  Imbezillen  und  schwachbefähigten  Schulkindern, 
das  ich  zu  messen  Gelegenheit  hatte,  mag  fOr  detailliertere  Angaben 
eine  kleine  Auswahl  genttgen,  welche  geeignet  ist,  die  auf  S.  728 
mitgeteilten  Anschauungen  zu  illustrieren. 

Über  die  eigentliche  ^Mikrokephalie^  bei  idiotischen  Eündem  läfat 
sich  an  der  Hand  meines  Materials  nicht  eben  viel  sagen,  da  die 
beschränkte  Anzahl  der  von  mir  genommenen  Maise  für  die  feinere 
Unterscheidung  der  porenkephalischen,  der  luetischen,  der  partiellen 
Mikrokephalien  (Stenokrotafie,  basilare  Impression)  usw.  durchaus 
unzureichend  war. 

Nach  Ausscheidung  aller  der  Formen  von  „Mikrokephalie",  bei 
welchen  starke  Asymmetrien  des  Schädels  oder  auch  anamnestische 
Angaben  mit  einiger  Sicherheit  auf  schwerere  organische  flim Ver- 
änderungen als  Ursache  der  Idiotie  schlieJsen  lielsen,  fielen  dem 
(kraniologischen)  Beobachter  vor  allem  zwei  Formen  mikrokefalischer 
Schädel  als  grundverschieden  ins  Auge :  die  einen  entsprachen  durch- 
aus  dem  Bilde,  welches  zur  Zeit  Karl  Voots  zuerst  die  allgemeine 
Aufmerksamkeit  auf  die  mikrokephalen  „A£fen-  oder  Vogelmenschen*' 
lenkte,  wie  es  in  weiteren  Kreisen  durch  die  Abbildungen  Hbleni 
Bbokbiis\  der  „Azteken**,  des  MAROHANDSchen  mikrokephalen 
Idioten  Koch*  usw.  bekannt  geworden  ist.  Bei  dieser  —  weit 
selteneren  —  Form  ist  das  auffallendste  Merkmal  das  Fehlen  einer 
Stimwölbung :  in  einer  geraden,  schrägen  Linie  flieht  die  Stimpartie 
von  der  Nasenwurzel  nach  rttckwärts ;  die  Verlängerung  dieser  Linie 


^  Z.B.  in  Job.  Rjlnki:  Der  Mensch,  Bd.  11,  8.  864. 

*  F.  BiBKiniB:  Ober  die  togenannten  Asteken.  ArcMt  ßr  AMUnrcpakgie, 
Bd.  XXV. 

'  Mahchahd:  Mikrokephalie  und  Hikroenkephalie.  Beaimcjftiopädie  de 
gesamUn  Heähmde, 


829 

nach  vorne  wird  von  der  meist  grolsen,  spitzen,  wenig  modellierten 
Nase  gebildet.  Es  kommt  so  ein  Bild  zustande,  das  allerdings  den 
Vergleicli  mit  einem  stimlosen,  geschnäbelten  Vogel  gewissermafsen 
aufdrängt.  Soweit  bisher  bekannt,  handelt  es  sich  in  diesen  Fällen 
stets  nm  eine  „wahre  Mikrokephalie^  im  Sinne  Gtacomikis  und 
Marchäkds,  d.  h.  um  eine  als  „Entwicklungshemmung^  zu  bezeich- 
nende Störung,  welche  gleichzeitig  das  Wachstum  des  Gehirns  und 
des  Schädels  betro£fen  hat.  Meist  besteht  klinisch  eine  hochgradige 
Idiotie;  doch  wird  auch  ein  Fall  leichten  Schwachsinns  mitgeteilt 
werden,  welcher  nach  seiner  Schädelbildung  entschieden  hierher 
gehört. 

Weit  häufiger  findet  man  bei  idiotischen  und  geistesschwachen 
Kindern  (soweit  sie  nicht  der  oben  ausgeschalteten  Gruppe  mit 
schwereren  organischen  flimstörungen  angehören)  eine  Schädelform, 
welche  sich  in  ihrer  Gesamtbildung  wenig  von  der  normalen  Kopf- 
form entfernt  und  nur  durch  überaus  kleine  Malse  auffallt.  Eine 
Zusammenstellung  der  Fälle  dieser  Art  aus  meinem  Material  liefe 
einige  Beziehungen  zwischen  Kleinheit  der  Malise  und  Höhe  der 
psychischen  Leistungen  erkennen.  Es  fanden  sich  nämlich  im  all- 
gemeinen die  am  weitesten  von  den  Normalminimis  entfernten  Malse 
bei  tiefstehenden  Idioten,  geringere  Abweichungen  bei  bildungsfhhigen 
schwachsinnigen  Insassen  der  Hilfsschulen,  endlich  wurden  die  so- 
genannten „Normalminima",  d.  h.  die  an  Yolksscbulkindem  beob- 
achteten Minima  der  Kopfmatse  grofsenteils  selber  von  Kindern  ge- 
boten, welche  durch  geringe  Leistungen  und  mancherlei  Eigentümlich- 
keiten im  Verhalten  ihren  Lehrern  auffielen. 

Von  der  erstgenannten  Form  der  „Vogelkopf "-Mikrokephalie 
hatte  ich  zwei  Fälle  zu  untersuchen  Gelegenheit. 

1.  Der  erste  betraf  ein  völlig  idiotisches  13  jähriges  Mädchen,  das 
die  Lübecker  Hilfsachnle  besnchte.  Es  war  das  Kind  wohlhabender,  fein- 
gebildeter, gesunder  Eltern,  welche  neben  diesem  Mädchen  vier  völlig  nor- 
male Kinder  besafsen.  Anamnestisch  lag  nichts  vor,  an&er  dem  von 
LoMBROSO  in  der  Ätiologie  der  Mikrokefalie  mehrfach  erwähnten  Moment 
eines  starken  psychischen  Insultes  der  Matter  während  der  Schwanger- 
schaft. (Wie  mir  die  Matter  erzählte,  besachte  sie  ganz  zu  Anfang  der 
Gravidität  [etwa  am  Ende  des  ersten  Monats]  mit  ihrem  Manne  eine  neu 
eingerichtete  Idiotenanstalt  und  empfing  dort  einen  sie  lang  und  innerlich 
beschäftigenden  und  stark  erregenden  Eindrack.)  Die  Ma(se  bei  diesem 
Kinde  waren:  Lk:  1378,  Lr:  500,  Lb:  686.  üh:  416,  üs:  216,  üt: 
224,  L:  136,  B:  115,  Oh:  84,  I:  84,6.  Ikk:  30,2,  Ikr:  80,3. 

2.  Ein  zweites,  offenbar  hierher  gehöriges  Kind  fand  ich  in  einer  der 
Lflbedcer  Yolksschnlen.    Es  war  ein  13 jähriger  Junge,  welcher  mit  seinen 


830 

KörpermaboB  die  dnrdncfanittliche  ChrOCse  seineB  Alten  bat  errachte,  in 
den  Kopfdimensionen  aber  betrftchüich  hinter  derselben  znrOckblieb.  Er 
wurde  mir  yon  seinem  Lehrer  als  sehen,  widerspenstig,  boshaft  nnd  so  got 
wie  Yöüig  nnerziehbar  bezeichnet.  Anfiier  dnrch  die  beschriebene  Eigen- 
tflmlichkeit  seines  Gerichts  fiel  er  mir  dnrch  seine  hastigen,  ungelenken 
Bewegungen  auf.  Bei  diesem  Knaben  betrugen  die  Halse:  Lk:  1364, 
Lr:  523,  Lb:  663,  Uh:  471,  üs:  268,  üt:  260.  L:  160,  B:  134, 
I:  83,1,  Ikk:  34,5,  Ikr:  904- 

Ana  der  Zahl  der  anr  sweitgenannten  Gmppe  gehörigen  Falle 
wähle  ich  folgende  ans: 

1.  Unter  den  fQnQahrigen  Knaben  fand  ich  einen  belasteten  Idioten 
(Mutterschwester  geisteskrank)  schwersten  Grades  in  Alsterdorf  mit  Hasen- 
scharte, Wolfsrachen,  Kryptorchismus.  Seine  Körpermalse  erreichten  die 
Normalminima  nicht  ganz  (Lk:  878,  Lr:  350,  Lb:  358);  die  Kopfmafee 
standen  tief  unter  denselben,  üb  betrug  469,  Us:  282,  üt:  270,  L:  163, 
B:  134,  I:  76,6,  Ikk:  53,2,  Ikr:  183,4. 

Entschieden  weniger  minimale  Kopfmafee  besats  ein  fün^&hriger,  nur 
mafsig  imbeziller  Insasse  Alsterdor£s,  bei  dem  ebenfalls  keine  besondere 
yErkrankung**  eingesetzt  hatte,  der  aber  offenbar  »belastet**  war  (Vater: 
schweres  Potatorinm,  Schwester:  Epilepsie).  Hier  betrugen  die  Mafse: 
Lk:  927,  Lr:  882,  Lb:  384,  Uh:  480,  üs:  286,  üt:  295,  L:  160, 
B:  139,  I:  86,9,  Dck:  51,8,  Ikr:  125,7. 

2.  Körpermaße,  welche  fast  dem  Mittel  der  Jahresklasse  entspradien, 
dabei  aber  einen  im  Wachstum  stark  zurflckgebliebenen  Schädel  bot  ein 
fflniSahriges  M&dchen  dar,  bei  welchem  sich  schon  im  ersten  Leben^ahre 
ein  Schwachsinn  entwickelt  haben  soll,  nnd  das  ich  als  hochgradige  Idiotin 
in  Alsterdorf  fand.  Über  die  Eltern  wurde  nur  angegeben,  dais  sie  Ge- 
schwisterkinder seien.  An  ihm  wurde  notiert:  Lk:  1054,  Lr:  400,  Lb: 
475,  Uh:  459,  üs:  300,  Ut:264,  L:  157,  B:  136,  I:  86,6,  Ikk:  47,0, 
Der:  114.75. 

In  derselben  Jahresklasse  fanden  sich  die  „normalen**  Minima  fOr 
üb  (480)  und  üt  (258),  die  zweiten  Minima  fQr  üs  (273)  und  B  (137) 
bei  einem  SchnUdude,  das  vor  seinen  Kameradinnen  dnrch  völlig  mangel- 
hafte Leistungen  auffiel.  Irgendwelche  Krankheiten  oder  hereditäre  Ver* 
haltnisse  wurden  mir  nicht  mitgeteilt.  Die  flbrigen  Mafse  dieses  Kindes 
waren:  Lk:  1062,  Lr:  443,  Lb:  437,  L:  167,  I:  82,0,  Ikk:  45,2, 
Ikr:  108,3. 

3.  Eine  „lebensschwach*'  zur  Welt  gekommene,  sprachlose,  unreine 
Alsterdorfer  Idiotin  von  sechs  Jahren,  welche  gefttttert  werden  mnlste  und 
bezaglich  deren  Familie  angegeben  wurde,  dafs  eine  Mutterschwester  geistes- 
krank sei,  hatte  folgende  —  etwas  Aber  den  Normalmimmis  stehende  — 
Körpermafse:  Lk:  992,  Lr:  371,  Lb:  451.  Die  Kopfmaise  dagegen  be- 
trugen; üb:  455  (Normalminiminm:  467),  Us:  271,  Dt:  269,  L:  158, 
B:  147;  die  Indizes:  I:  93,0,  Ikk:  45,9,  Da*:  122,6. 

In  dieser  einzigen  Altersklasse  fand  sich  ein  Schulmftdchen,  dessen 
Kopfmaise  noch  unter  den  eben  genannten  der  Idiotin  standen.  Es  war 
ein  beinahe  siebeiyahriges  Kind  gesunder  Eltern,  jflngstes  unter  secfaa  Oe- 


831 

Bchwistern.  Es  wurde  Ton  seinen  Lehrern  als  stampf,  ,,direkt  geistes- 
schwach*^ bezeichnet,  stand  weit  nnter  dem  Leistnngsminimnm  seiner  Schnl- 
Uasse.  Beztkglich  flberstandener  Krankheiten  wurden  Lungenentzündung, 
Scharlach  und  Typhus  angegeben;  eine  besondere,  die  Intelligenzentwicklung 
hemmende  Ursache  konnte  (aufser  den  Schädelmafsen)  nicht  ermittelt  werden. 
Die  Malse  betrugen:  Lk:  1140,  Lr:  480,  Lb:  490,  Uh:  457,  üs:  252, 
Ut:  246,  L:  156,  B:  131,  I:  84,0,  Ikk:  40,1,  Ikr:  95,2  (Normal- 
minimum: 101,0).' 

4.  Ein  sehr  tiefstehender,  rachitischer  Alsterdorfer  Idiot  (siebenjährig) 
stand  inden  Körper-  und  den  meisten  Kopfioiafsen  weit  hinter  dem  Durch- 
schnitt seines  Alters  zurück.  Eine  besondere,  zur  Idiotie  führende  Krankheit 
liefs  sich  bei  ihm  nicht  ermitteln.  Seine  Mafse  betrugen:  Lk:  840, 
Lr:  358,  Lb:  322,  üb:  451,  Us:  292,  Ut:  262,  L:  168,  B:  129, 
I:  81,6,  Ikk:  53,7,  Ikr:  12ö,0. 

Unter  den  Yolksschulkindem  der  gleichen  Altersklasse  fanden  sich 
die  Minima  für  Us  (276)  und  Oh  (100),  das  zweite  Minimum  von  Uh 
(482)  bei  einem  fast  achtjährigen  Kinde  taubstummer  Eltern,  dessen 
Klassenleistungen  mir  als  gering  bezeichnet  wurden.  Die  KörpermaCse  be- 
trugen: Lk:  1196,  Lr:  437,  Lb:  568;  die  übrigen  Kopfmafee:  Ut:  271, 
L:  164,  B:  140;  die  Indizes:  I:  85,3,  Ikk:  40,3,  Dar:  110,3. 

5.  Aus  der  Gruppe  der  achtjährigen  Mädchen  waren  die  fünf  Fälle 
der  kleinsten  Kopfimafse  folgende: 

Die  kleinsten  Kopfmafse  besafs  eine  tiefstehende  Idiotin  in  Alsterdorf, 
welche  innerhalb  der  ersten  Lebenswochen  mit  Krämpfen  erkrankt  war  und 
weder  gehen  noch  sprechen,  noch  auch  sich  rein  zu  halten  gelernt  hatte. 
Hier  waren  die  Kopfinafee:  Uh:  438,  Us:  247,  Ut:  226,  L:  154,  B:  125, 
I:  81,2.  Von  den  Körpermaisen  konnte  (wegen  hochgradiger  Kontraktur) 
nur  Lr  zu  etwa  375  (Normalminimum:  428)  bestimmt  werden. 

Bei  einem  ebenfalls  idiotischen,  doch  psychisch  weit  höher  stehenden 
(als  „vermutlich  bildungsfähig*'  bezeichneten),  möglicherweise  hereditär- 
luetischen Mädchen  derselben  Altersklasse  mafs  ich  in  Alsterdorf:  Uh: 
460S  Us:  288,  Ut:  257,  L:  161,  B:  127,  Oh:  95.  Die  Körpermabe 
standen  etwa  zwischen  Mittel  und  Normalminimum  (Lk:  1129,  Lr:  460, 
Lb:  491), 

Noch  mehr  näherte  sich  den  normalen  Mittelzahlen  ein  schwachsinniges 
Mädchen  in  Alsterdorf,  das  in  der  Jugend  an  Keuchhusten  und  Masern 
gelitten  hatte ;  —  sonst  wurde  nichts  Anamnestisches  Yon  Belang  mitgeteilt. 
Die  Mafse  waren:  Lk:  1120,  Lr:  482,  Lb:  462,  Uh:  465,  Us:  277, 
Ut:  263,  L:  160,  B:  137,  Oh:   114,  I:  85,6,  Ikk:  41,5,  Ikr:  96,5. 

In  der  Kieler  Schule  für  Schwachbefähigte  fand  sich  ein  Kind,  welches 
als  „imbezill,  sprachlich  besonders  zurückgeblieben^  bezeichnet  wurde  und 
das  mit  seinen  Transversalmafsen  dem  Normalminimum  seiner  Altersklasse 
nachstand.  Es  wurde  an  ihm  gemessen:  Lk:  1160,  Lr:  487,  Lb:  489, 
Uh:  472,  Us:  274,  Ut:  261,  L:  163,  B:  184,  I:  82,2,  Ikk:  40,7, 
Ikr:  96,9. 


Die  anter  den  normalen  Minimis  stehenden  Zahlen  sind  fett  gedraoht. 


832 

Endlich  fand  ich  auch  in  der  Lübecker  Hil&schnle  ein  leicht  schwach- 
sinniges ach^fthriges  Mftdchen,  das  sich  nur  durch  seine  kleine  Kopf  breite 
(135)  auszeichnete.  Die  anderen  Kopfinabe  waren:  Uh:  478,  Us:  284, 
Ut:  273,  L:  167,  Oh:  112;  die  KOrpermafse:  Lk:  1160,  Lr:  448, 
Lb:  523. 

6.  Unter  den  neui^&hrigen  Knaben  fand  ich  in  Alsterdorf  einen 
schweren  Fall  von  Idiotie,  Aber  den  mir  keine  besonderen  Angaben  gemacht 
werden  konnten,  mit  folgenden  sehr  niedrigen  Kopfmalsen:  Uh:  447,  Us: 
269,  Ut:  857,  L:  160,  B:  134.  Die  Körpermalse  waren:  Lk:  1080, 
Lr:  443,  Lb:  492. 

7.  Ein  imbeziller  zehnjähriger  Junge  der  Lflbecker  Hilfsschule  bot  bei 
einer  dem  Durchschnitt  etwa  entsprechenden  Körpergröfe  folgende  Kopf- 
mafse  dar:  Uh:  491,  Us:  285,  Ut:  275,  L:  164,  B:  147. 

Das  „normale''  Minimum  der  Kopflänge  (166)  in  dieser  Gruppe  ge- 
hörte einem  Knaben  an,  dessen  Intelligenz  mir  als  gering  yom  Lehrer  be- 
zeichnet wurde.  Die  Qbrigen  Kopfmafse  des  Knaben  waren :  Uh :  492, 
Us:  285,  Ut:  274,  B:  142.  Die  Körpermafse  standen  Aber  dem  Mittel; 
so  ergab  sich  bei  einer  Lk  von  1390  das  Minimum  für  Ikk  (35,4). 

7.  Unter  den  zehigährigen  Mädchen  in  Alsterdorf  fand  ich  folgende 
zwei  Fälle:  Eine  an  Krämpfen  leidende,  sprachlose  Mikrokefalin,  welche 
weder  Eltern  noch  Geschwister  kannte:  ihre  Kopfmafse  waren:  Uh:  420, 
Us:  260,  Ut:  253,  L:  148,  B:  133,  I:  89,9. 

Und  ein  zutrauliches,  bildungsfähiges  Mädchen,  das  ein  wenig  lesen 
und  schreiben  konnte.  Im  letzteren  Falle  waren  die  Kopfmalse:  Uh:  453, 
Us:  300,  Ut:  261,  L:  164,  B:  124,  I:  75,6.  Die  Körpermafse  sUnden 
mäfsig  unter  dem  Mittel  der  Jahresklasse. 

8.  Horizontalumfänge,  welche  ein  wenig  unter  dem  Normalminimom 
ihrer  Altersklasse  (478)  standen,  fand  ich  bei  drei  elfjährigen  Besucherinnen 
der  Lübecker  und  Kieler  Hilfeschulen,  welche  alle  drei  als  leicht  schwach- 
sinnig zu  bezeichnen  waren.  Die  Kopfinafse  waren  bei  der  ersten:  Uh: 
473,  Us:  275,  Ut:  271,  L:  161,  B:  144;  bei  der  zweiten:  Uh:  476, 
Us:  286,  Ut:  274,  L:  170,  B:  137;  bei  der  dritten:  Uh:  476,  Us: 
280,  Ut:  272,  L:  167,  B:  136. 

9.  Sehr  interessante  Verhältnisse  bot  ein  sprachloser,  sehr  tiefistehender 
zwölfjähriger  Idiot  der  Alsterdorfer  Anstalt.  Er  war  das  uneheliche  Kind 
eines  unbekannten  Vaters  mit  einer  gesunden,  normalen  Hamburgerin.  Es 
fand  sich  bei  ihm  doppelseitiger  Kryptorchismus  und  Prolapsus  recü.  Der 
Körper  war  klein,  die  Beine  auffallend  kurz;  von  den  Kopfanaüsen  waren 
die  transversalen  besonders  niedrig,  so  dafs  sich  ein  Lb-Index  von  73,0 
ergab  —  eine  Zahl,  die  ich  bei  keinem  gesunden  Kinde  gefunden  habe.^ 
Die  einzelnen  Malse  waren:  Lk:  1200  (Normalminimum  1256),  Lr:  457 
(Minimum  434),  Lb:  307  (Minimum  522),  Uh:  440,  Us:  270,  Ut:  230, 
L:  163,  B:  119,  Ikk:  47,9  (Maximum  42,6),  Ikr.  96,3. 

NB.   Der  Körperrumpfindex   war  die  einzige  Zahl,  welche  über  das 


^  VeräDderungen,   welche   etwm  an   Synostose   der  Sagittalnaht  oder  an 
ViBCHOwt  „Sfenokepbalie''  denken  Itefaen,  waren  nicht  dentlioh. 


833 

normale  Mittel  (98,2)  hinansgiDg.  Fflr  seine  Verhältnisse  war  dieser  Zwerg 
als  eino  „Sitzriese*' ! 

Ein  leicht  imbeziller  zwölfjähriger  Junge  in  der  Lttkecker  Hilfsschule 
fiel  bei  sonstigen  Kop&natsen,  die  etwa  in  der  Mitte  zwischen  dem  Alters- 
dnrchschnitt  xmd  dem  Normalminimnm  standen,  dnrch  seine  besonders 
geringe  Kopfbreite  auf,  welche  ebenfalls  einen  sehr  hohen  Grad  von 
Dolichokefalie  bedingte.  Über  seine  Familie  erfahr  ich,  dais  die  £ltern 
des  Vaters  nahe  verwandt  gewesen,  der  Vater  periodischer  Trinker  und 
ein  Bmder  des  Jungen  Epileptiker  sei.  Unter  den  Eörpenna(sen  war  hier 
die  Beinlänge  besonders  gering  (521),  so  ebenfalls  die  Eörperlänge 
nur  1200.  Lr  betrag  498,  die  Kop&nalse  waren:  üh:  500,  üs:  298, 
Dt:  263,  L:  178,  B:  133,  I:  74,7.  Ikk:  41,7,  Ikr:  100,4. 

Endlich  ist  in  dieser  Gruppe  auch  der  Träger  der  „Normalminima" 
fär  Uh  und  Us  von  Interesse.  Er  war  ein  uneheliches  Kind,  hatte  erst 
mit  zwei  Jahren  zu  laufen  begonnen.  Da  seine  Körperma&e  dem  Durch- 
schnitt entsprachen,  bot  er  auch  die  in  der  Tabelle  angegebenen  Minima 
fttr  Ikk  und  Ikr.  Seine  MaTse  waren  im  speziellen:  Lk:  1394,  Lr:  552, 
Lb:  683,  Uh:  484,  Us:  286,  Ut:  261,  L:  169,  B:  142,  I:  84,0,  Ikk: 
34,7,  Ikr:  87,7. 

10.  Unter  deu  zwöliQährigen  Mädchen  ist  eine  idiotische  Zwergin  be- 
sonders erwähnenswert.  Sie  gehörte  zu  den  tiefststehenden  Insassen  der 
Alsterdorfer  Anstalten,  war  unreia,  sprachlos,  konnte  nicht  gehen,  mufste 
gefättert  werden.  Ihre  Mafee  betrugen:  Lk:  1050,  Lr:  378,  Lb:  510, 
Uh:  426,  Us:  255,  Ut:  288,  L:  144,  B:  125,  Oh:  109,  I:  86,8,  Ikk: 
40,6,  Ikr:  88,9.  Körperkopf-  und  Bumpfkopfmdex  standen  tief  unter  dem 
Mittel;  es  war  also  die  Kopfentwickluug  noch  beträchtlich  hinter  der  mini- 
malen Körperentwicklung  zurflckgeblieben. 

Auch  eine  andere  zwölfjährige  Alsterdorferin  will  ich  hier  anführen. 
Bei  ihr  bestand  ein  viel  leichterer  Grad  von  Idiotie.  Sie  wurde  als  lebhaft 
und  folgsam  bezeichnet,  beschäftigte  sich,  spielte  gem.  Ihre  Körpermaise 
standen  wenig  unter  dem  Mittel:  Lk:  1380,  Lr:  550,  Lb:  622.  Von 
den  Kopfmafsen  war  die  Länge  besonders  niedrig;  sie  betrugen:  Uh:  461, 
Us:  281,  Ut:  267,  L:  164,  B:  135,  Oh:  114,  I:  87,7,  Ikk:  33,4, 
Ikr:  83,8. 

11.  Eine  recht  bemerkenswerte  Beobachtung  machte  ich  unter  den 
13jährigen  Volksschfilem.  Einer  ^on  ihnen  bot  fClr  Uh  (468),  Us  (260), 
L(158)  und  B  (186)  Malse,  welche  beträchtlich  unter  den  sonst  beobachteten 
normalen  Minimis  standen,  ja,  die  Kopflänge  war  kleiner  als  die  bei  den 
zweijährigen  Kuaben  beobachtete  Minimalzahl  (159).  Bei  oberflächlicher 
Betrachtung  fiel  der  Junge  nicht  besonders  auf.  Als  ich  während  der 
Messung  den  Lehrer  fragte :  der  betreffende  Schfiler  könne  doch  kaum  den 
LeistuDgen  der  Klasse  entsprechen?  —  war  dieser  erstaunt,  dafs  sich  aus 
der  einfachen  Untersuchung  so  bequem  ein  Anhaltspunkt  fflr  Beurteilung 
der  Intelligenz  eines  Kindes  ergebe;  denn  allerdings  sei  der  Junge  weitaus 
der  dflmmste  in  seiner  Klasse,  und  nichts  lasse  sich  von  ihm  erreichen, 
weder  im  Guten  noch  im  Bösen.  Seine  Körpermafse  entsprachen  etwa  dem 
Mittel  des  Alters:  Lk:  1422,  Lr:  538,  Lb:  720.  Der  Transversalumfang 
betrug  255,  die  Ohrhöhe  97  mm;  die  Indices  waren:  I:  86,1,  Ikk:  32,9, 


834 

Ikr:  87,0.  Eingebeiide  Anamnese  bei  den  Eltern  des  Knaben  ergab  niditB 
▼on  Belang;  der  Jonge  solle  stets  |,ein  wenig  scbwadi  im  KopP  ge- 
wesen sein. 

12.  In  der  Omppe  der  14jftbrigen  Knaben  endlicb  fand  leb  einen 
qiileptiscben  Alsterdorfer  Idioten  (leicbteren  Grades)  mit  etwa  dem  Dorcb- 
scbnitt  entsprecbenden  KOrpermaben  (Lk:  1468,  Lr:  540,  Lb:  725),  bei 
dem  aber  die  Kopfmabe  groisenteils  nnter  den  bei  den  Yolksscbfliern  be- 
obachteten Grenzen  standen.  Die  letzteren  betrugen:  üb:  482,  Us:  288, 
üt:  260,  L:  168,  B:  181;  die  Indices  waren:  I:  78,0,  Utk:  32,5, 
Ikr:  89,3. 

unter  den  VolksschOlem  selbst  fanden  sich  die  in  der  TabeUe  mit- 
geteilten Minimalzablen  fQr  üh|  Us,  üt  and  L  bei  dem  schlechtesten 
SchOler  seiner  Klasse,  dessen  Intelligenz  als  „mangelhaft'  Tom  Lehrer  be- 
zeicbnet  wnrde.  Nach  Angabe  der  Eltern  hatte  dieser  Jonge  erst  mit  vier 
Jahren  zn  gehen  begonnen.  Seine  KOrpermalse  standen  nnter  dem  Mittel 
des  Alters  nnd  betrügen  für  Lk:  1349,  Lr:  580,  Lb:  639.  Die  Kopf- 
breite mais  145  mm;  der  Lb-Index  war  also  87,3,  die  anderen  Indizes: 
Ikk:  36.2,  Ikr:  92,3. 

Anch  das  zweite  Minimum  des  Horizontalnmfanges  in  dieser  Alters- 
gmppe  (501)  nnd  das  Minimum  der  Kopfbreite  (136)  gehörte  einem  „ab- 
normen **  Jungen  an.  Es  wurde  bemerkt,  dafs  er  herumstreife,  die  Scbule 
gelegentlich  schwänze;  sein  Vater  sei  im  Irrenhaus  gestorben.  Hier  waren 
die  flbrigen  Mafse:  Lk:  1442,  Lr:  548,  Lb:  710,  üs:  296,  Ut:  271, 
L:  179,  I:  76,0,  Ikk:  34,7,  Ikr:  91,4. 

Ein  noch  niedrigerer  Lb-Index  als  bei  Torigem,  der  niedrigste  unter 
den  14 Jahrigen  Knaben  beobachtete  (7S,'i),  gehörte  ebenfalls  einem  Jungen 
mit  „mangelhafter**  Intelligenz  an.^  Sonst  liefs  sich  Aber  diesen  SchOler 
nichts  erfahren.  Seine  Maise  waren:  Lk:  1572,  Lr:  604,  Lb:  757,  Uh: 
541,  üs:  380,  Ut:  283,  L:  198,  B:  146,  Ikk:  34,4,  Ikr:  89,6. 

Des  weiteren  mögen  hier  noch  einige  wenige  Beobaohtnngen  an 
Volkssohnlkindern  mitgeteilt  werden,  bei  welchen  auffallend 
geringe  Schul leistungen  angegeben  waren. 

Von  Interesse  scheint  mir  z.  B.  das  siebenjährige  M&dchen  zu  sein, 
welches  in  seiner  Altersklasse  die  Mazimalzahlen  für  Ikk  (49,2)  und  Der 
(127,1)  darbot.  Es  war  dies  nftmlich  —  entgegen  dem  auf  S.  741  Ge- 
sagten —  eines  der  Ältesten  in  seiner  Omppe,  besafs  eine  Lk  von  1060, 
eine  Lr  von  454,  Uh  betrug  521.  Die  übrigen  Kopfinafse  waren:  üs: 
301,  üt:  305,  L:  178,  B:  152.  Seine  Intelligenz  wurde  als  niedrig 
bezeichnet. 

Ein  ähnliches  Yerhalten  zeigte  ein  leicht  imbezilles  Mädchen  Ton 
13^/t  Jahren,  welches  ich  in  der  Lübecker  Hüfeschule  untersuchte. 
Es    hieb    Ton    ihm,     dafii     es  sich    geistig    langsam    entwickdt    habe. 


^  Nachtriiglich  mair  hier  bemerkt  werd«*n,  daft  auch  der  niedrigste  Lb- 
Index  unter  den  rierjährigen  Knaben  (742)  einem  Jungen  mit  auffallend  ge- 
ringer Intelligeni  angehörte.  Bei  ihm  stand  die  Kopflänge  (186)  dem  Mazimam, 
die  Breite  (186)  dem  liinimum  des  betreffenden  Altersstufe  nahe. 


835 

Bei  ihm  standen  die  EOrpermaiBe  unter  dem  normalen  Minimnm  des 
Alters  (Lk:  1204,  Lr:  400,  Lb:  535);  die  Eopfinafise  entsprachen  etwa 
dem  Mittel  (üh:  530,  Us:  314,  Ut:  283,  L:  181,  B:  145).  Körper- 
kopf- nnd  Rnmpf kopfindex  waren  demnach  nüt  44,0  und  114,2  beträcht- 
lich übermaximal. 

Umgekehrt  fanden  sich  bei  zwei  schwach  begabten  Volksschnlkindem 
minimale  GrOCsen  für  die  das  Yerhfiltnis  zwischen  Kopf  and  Körper  aus- 
drückenden Zahlen.  Das  eine  war  ein  neoigfthriger  Knabe,  welcher  erst 
mit  3Vs  Jahren  zu  sprechen  begonnen  hatte.  Seine  MaCse  waren:  Lk: 
1345,  Lr:  540,  Lb:  594,  Uh:  492  (Minimum:  479),  üs:  282  (MinimumI), 
üt:  279,  L:  169,  B:  142,  I  84,0,  Ikk:  36,6,  Ikr:  91,1. 

Das  andere  war  ein  Mädchen  von  13  Jahren.  Bei  diesem  standen 
die  Kopfmafse  wenig  unter  dem  Altersmittel  (Uh:  514,  Us:  292,  Ut: 
281,  L:  179,  B:  147);  von  den  Körpermaiken  war:  Lb  (811)  maximal, 
Lk  betrug  1592,  Lr:  588.  Ikk  (32,5)  war  für  das  Alter  minimal,  Ikr 
betrug  87,8  (Minimum  83,2). 

Zum  Schlüsse  sei  mir  noch  eine  kurze  Bemerkung  über  die  sa 
oft  —  von  berufener  und  unberufener  Seite  —  erhobene  Frage  ge- 
stattet: Wie  weit  darf  man  in  einer  besonders  vorgeschrittenen 
Entwicklung  des  Kopfes  eine  günstige  Disposition  oder  gar  ein 
Kennzeichen  für  hohe  Intelligenzleistungen  erblicken?  Be- 
kanntlich hat  diese  Frage  schon  Galen  —  im  Anschlüsse  an 
Aristotelbs  —  beschäftigt.  Er  betonte  vor  allem  die  grofse 
Variabilität  der  Kopfma&e.  Der  Durchschnitt  gebe  die 
günstigste  Disposition  für  bedeutende  Leistungen  —  was  nach 
oben  oder  unten  vom  Mittelmafse  abweiche,  sei  verdächtig.  Diese 
im  Grunde  durchaus  richtige  Anschauung  wurde  in  späterer  Zeit 
ndt  zunehmender  Kenntnis  des  Gehirns  und  seiner  speziellen 
Funktionen  abgewiesen.  Bekannt  sind  die  Anschauungen  Galls 
und  Spurzhbims,  bekannt  auch  —  wenigstens  in  den  Eesultaten  — 
die  Ansichten  ihrer  Schüler  unter  den  älteren,  ihrer  Apostel  unter 
den  neueren  und  neuesten  Autoren.  Fast  allgemein  gilt  als  dogma- 
tisch festgelegt,  data  der  groüse  Kopf  eine  hohe  Litelligenz  anzeigt, 
ja,  dals  unter  verschiedenen  Kassen  die  gröJserköpfige  auch  die 
leistungsfähigere  sei.  Gegen  die  letztere  Anschauung  äufserte  sich 
schon  in  den  70er  Jahren  A.  Weisbach*  an  der  Hand  eines 
gröiseren,  vergleichenden  Materials,  indem  er  zeigte,  dafs  siclii  das 
Verhältnis  zwischen  horizontalem  Kopfumfang  und  Körperlänge 
durchaus  nicht  einwandsfrei  zugunsten  höherer  psychischer  Entwick- 
lung  der  Kultumationen  verwerten  lasse.     Über  die   andere  Frage 


^  Ergebnisse  der  Novara-Ezpedition,   S.  271  (i.  d.  Zeüaehr.  f.  Ethnoiosfie, 
Band  IX,  sappl.). 

8ehiilg«sandheit«pfl«ffe.  XVIII.  44 


836 

aber,  inwieweit  innerhalb  einer  Nation  die  g^roGsköpfigen  Indiyidnen 
anoh  die  intelligenteren  seien,  wnrden  erst  in  den  letzten  Jahren 
Erhebungen  angestellt,  welche  sich  über  die  früheren  dilettantischen 
Untersuchungen  mittels  des  lyKonformatenrs"  (2.  B.  durch  den 
Leipziger  Neurologen  P.  Mobius)  erhoben.  Durch  Binst^  vor  allem 
konnte  gezeigt  werden,  da(s  intelligente  Schulkinder  von  gleichaltrigen 
Schwaohbefthigten  in  nichts  unterschieden  sind.  Erst  wenn  man 
die  Eopfmafse  von  „Elite -Schülern"  mit  stark  zurückgebliebenen 
vergleicht,  ergibt  sich  (an  einem  kleinen  Material)  eine  nennenswerte 
Differenz  zugunsten  der  ersteren.* 

Bemerkt  mag  werden,  dafs  Binbt  diese  Differenz  vor  allem  in 
den  Breitenmafsen  des  Kopfes  (dem  „diam.  transversale  maz.' 
und  „diam.  biauriculaire^)  nachzuweisen  vermochte. 

Aus  meinem  eigenen  Material  lälst  sich  entnehmen,  dab 
die  Kinder,  welche  mir  als  „besonders  intelligent",  als  erste 
ihrer  Klasse  usw.  von  den  Lehrern  bezeichnet  wurden,  im  allge- 
meinen mit  dem  Kopfmafse  sowohl  wie  mit  den  Indizes,  welche 
die  Beziehung  zwischen  Horizontalumfang  und  Körpermaisen  aus* 
drücken,  durchaus  dem  Durchschnitt  ihres  Alters  entsprachen. 
Eine  kleine  Anzahl  bot  für  einzelne  Kopfma&e  Mazimalzahlen 
innerhalb  ihrer  Oruppe.  Bei  diesen  liefs  sich  meist  eine  besonders 
starke  Längenentwicklung  des  Schädels  konstatieren  (Mazima  für 
L  und  Us);  bemerkenswert  ist,  dafs  bei  diesen  Personen  auch  der 
Körperkopf-  und  Rumpfkopf-Indez  meist  wenig  von  den  betreffenden 
Mittelzahlen  abwich. 

Äuüser  den  beiden  schon  auf  Seite  744  angeführten  Brüdern, 
welche  aus  einer  groÜBköpfigen,  schon  seit  Generationen  dem  Qe- 
lehrtenstande  angehörigen  Familie  stammten,  sind  noch  folgende 
Beobachtungen  im  einzelnen  mitzuteilen: 

1.  Schon  unter  den  sechsjährigen  Knaben  fand  sich  das  zweite 
Maximum  des  Horizontalumfangs  von  544  mm  und  die  gröüste  Kopflänge 
(194)  bei  einem  als  hervorragend  begabt  bezeichneten  Jnngen.  Er 
zeichnete  sich  durch  eine  besonders  gewölbte  Stime  aus;  auch  das  Tuber 
occipitale  war  stark  entwickelt  Seine  übrigen  Kopfmafse  waren:  Us:  333, 
üt:  292,  B:  151,  der  Lb- Index  also  77,8.  Das  Yerh&ltnis  zwischen 
Kopf  und  Körper  betrug:  Ikk:  49,8,  Ikr:  126,5. 


^  Yergl.  besondert  seine  Arbeiten  im  7.  Band  der  Ännie  psyehologique 
(1901). 

'  Ähnliche  Besaltate  teilen  Btebibh  und  Löwbkfild  mit  in  ihrer  Arbeit: 
Über  die  Beriehnngen  des  Kopfamfangfes  sor  Körperl&nge  und  aar  geistigen 
Entwicklang.    Wiesbaden,  J.  F.  Bergmanns  Verlag,  1905. 


837 

2.  Die  in  der  Tabelle  angegebenen  Maxima  fQr  Uh,  üs  nnd  Ut 
unter  den  siebeigfthrigen  Mädchen  bot  ein  besonders  gnt  begabtes  Kind 
dar.  Bei  diesem  waren  die  übrigen  Eopfmaüse:  L:  182  (Maximum:  188), 
B:  U9;  die  Indices:  I:  81,3,  Ikk:  46,9,  Ikr:  115,5. 

3.  Folgende  Eopfmafse  hatte  ein  hervorragend  intelligenter  neunjähriger 
Jnnge:  Uh:  554  (zweites  Maximum),  Us:  343  (Maximum),  üt:  303,  L:  194 
(drittes  Maximum),  B:  160;  die  Indizes  waren  in  diesem  Falle:  I:  82,5, 
Ikk:  40,9,  ürr:  113,5. 

4.  Ebenfalls  sehr  groCse  Eopfmaise,  und  zwar  wieder  die  stärkste 
Entwicklung  in  der  Sagittalen,  fanden  sich  bei  einem  der  jfingsten  zehn- 
jährigen Knaben,  welcher  den  ersten  Platz  in  seiner  Klasse  einnahm.  Die 
MaTse  waren:  üb:  556,  Us:  348  (zweites  Maximum),  Ut:  311,  L:  197, 
B:  156,  der  Lb-Index:  79,2.     Ikk  betrug  40,8,  Ikr:  108,8. 

5.  Ebenfalls  der  erste  Schüler  in  seiner  Klasse  war  ein  12Vsjähriger 
Junge,  welcher  das  Maximum  für  L  (200)  in  seiner  Gruppe  besafs.  Sein 
Uh  stand  mit  558  mm  an  dritter  Stelle  der  Maxima.  Die  übrigen  Kopf- 
mafse  waren:  Us:  323,  Ut:  283,  B:  153;  die  Indices:  I:  76,5,  Ikk: 
37,7,  Ikr:  101,5. 

6.  Auch  bei  den  14jährigen  Knaben  wurde  die  maximale  Kopf- 
länge (202),  sowie  der  grO&te  Horizontalumfang  (574)  von  einem  als  be- 
sonders begabt  bezeichneten  Jungen  geliefert.  Bei  diesem  betrugen  die 
anderen  Kopfmaise:  Us:  331,  Ut:  307,  B:  158,  Oh:  125;  die  Indices: 
I:  78,2,  Ikk:  33,7,  Ikr:  88,3. 

7.  Zum  Schlüsse  mag  noch  ein  sehr  begabtes  14jähriges  Mädchen 
genannt  werden,  welches  den  zweitgröfsten  Horizontalumfang  (543),  sowie 
die  drittgröfsten  Zahlen  für  Us  (323),  Ut  (317),  L  (187)  und  B  (154) 
in  ihrer  Altersgruppe  besaCs.  Die  Indices  waren:  I:  82,4,  Ikk:  36,4, 
Ikr:  94,3. 


44* 


838 


iXtts  Derfattttlttniett  tt»)  Dereitte». 


EndeliiiBg  lud  Schule  im  Kampfe  gegen  den  AlkoIioUsmiis. 

Beriobt  ober  den  X.  Iniernfttionalen  Kongrelii  in  Bodapeet  —  September  1906. 
Aatorreferat  über  einen  Vortrag,  gehalten  im  Grofs- 
ratssaale  in  Bern. 

Von 

WiLHBLM  Wbibb,  Sek.-Lehrer, 
Zfirioh. 

Die  Sorge  für  die  Schwachsinnigen  wird  mit  Recht  als  eine 
der  schönsten  Ermngenschaften  der  modernen  Pädagogik  betrachtet. 
Allein  der  Erzieher  wird  sich  nicht  damit  begnügen,  mit  den  Tat- 
sachen als  solchen  sich  abzufinden  nnd  diese  Ärmsten  der  Armen 
zu  be&higen,  ihr  Plätzchen  in  der  menschlichen  Gresellschaft  so  gut 
als  möglich  auszufüllen,  sondern  er  wird  in  die  Tiefe  graben  und 
auch  den  Ursachen  einer  solch  anormalen  körperlichen  und  geistigen 
Entwicklung  nachzuspüren  suchen. 

Ond  da  stellt  es  sich  heraus,  dafs  neben  schlechter  Ernährung, 
neben  unleidlichen  Wohnräumen  mit  ihrem  Mangel  an  Luft  und  Licht, 
überhaupt  neben  ungünstigen,  sozialen  Verhältnissen  der  Alkoholismus 
unbestritten  eine  wichtige  Bolle  spielt. 

Es  darf  daher  nicht  verwundern,  wenn  auf  den  Kongressen 
gegen  den  Alkoholismus  jeweilen  auch  das  Thema  ,, Erziehung 
und  Schule  im  Kampfe  gegen  den  Alkoholismus"  gründlich 
zur  Sprache  kommt.  Diese  Debatten  bildeten  an  den  drei  letzten 
Kongressen  zu  Wien,  Bremen  und  Budapest  eigentliche  Glanzpunkte 
der  Verhandlungen. 

In  Budapest  wurde  der  ganze  Vormittag  des  offiziellen  Haupt- 
tages dieser  neuen  Kulturaufgabe  der  Schule  gewidmet.  Das  Ehren- 
präsidium des  Kongresses  war  dem  Kultus-  und  Unterrichtsminister 
Ungarns  übertragen  worden,  der  die  Eröfihung  mit  einer  bemerkens- 
werten Ansprache  einleitete.  Damit  ist  deutlich  ausgedrückt,  da£9  die 
Basis,  auf  welcher  die  moderne  Anti- Alkoholbewegimg  ruht,  eine 
ethische  ist,  mit  welcher  sich  die  finanziellen  Literessen  eines  Staates 
auseinanderzusetzen  haben. 


8ä9 

Diese  AnfSassung  teilte  auch  das  genannte  Ministerium,  indem 
es  eine  Beihe  von  Verordnungen  erlieis,  welche  die  Bekämpfung  des 
Alkoholismus  durch  die  Schule  bezweckten  und  welche  hier  in  aller 
Kürze  angeführt  werden  sollen. 

In  Ungarn  reicht  die  obligatorische  Volksschule  bis  zum  15.  Alters- 
jahre. An  sie  schlielsen  sich  sogenannte  „Jugend -Vereinigungen^, 
eine  Art  fakultativer  Fortbildungsschule,  die  unter  anderem  auch 
den  Zweck  verfolgen,  die  nicht  mehr  schulpflichtige  Jugend  vor  den 
Gefahren  des  Wirtshauses  zu  bewahren.  Hier  setzt  das  ministerielle 
Bundschreiben  ein,  indem  es  Wegleitung  erteilt,  wie  in  den  Zu- 
sammenkünften dieser  Gesellschaften,  deren  es  schon  über  500  gibt, 
der  Kampf  gegen  den  Alkohol  aufgenommen  werden  kann.  Vier 
Kampfesmittel  werden  erwähnt:  die  Aufklärung,  die  Gewöh- 
nung an  alkoholfreie  Geselligkeit,  der  Sinn  für  Hygiene 
und  das  persönliche  Beispiel  des  Unterrichtenden.  Die 
Primarschulinspektoren  sind  gehalten,  dem  Ministerium  die  Namen 
derjenigen  Lehrer  mitzuteilen,  welche  in  dieser  Beziehung  am  meisten 
arbeiten. 

Ein  weiterer  Erlais  ist  gerichtet  an  die  Inspektoren  der  Sekundar- 
and höheren  Töchterschulen,  der  Handels-  und  Industrieschulen,  in 
welchen  Anstalten  die  Hygiene  in  ganz  Ungarn  ein  selbständiges 
Unterrichtsfach  bildet.  Kein  Lesebuch,  kein  Lehrmittel  der  Anthro- 
pologie, der  Chemie  und  der  Hygiene  erhält  die  behördliche  Ge- 
nehmigung, wenn  es  nicht  Lesestücke  aufweist,  welche  den  Kampf 
gegen  den  Alkohol  unterstützen.  Die  Lehrer  werden  aufgefordert, 
Anti -Alkoholvereine  zu  gründen,  und  die  Schulinspektoren  sollen 
hierüber  nach  jedem  Schuljahre  Bericht  einsenden.  Den  Schul- 
bibliotheken wird  die  Anscha£Pang  des  Buches  von  Ministerialrat 
IsiBOB  VON  MlDAT  „Neue  Untersuchungen  über  die  Alkoholfirage, 
speziell  in  Ungarn",  sowie  das  Abonnement  auf  die  Zeitschrift  „Am 
Älkoholunnus"  empfohlen. 

Weil  das  Unterrichtsgesetz  den  Schülern  nicht  gestattet,  einem 
Verein  au&erhalb  der  Schule  anzugehören,  so  ist  die  Gründung  von 
abstinenten  Schülerverbindungen  an^Mittelschulen,  wie  sie  in  Deutsch- 
land und  in  der  Schweiz  bestehen,  verunmöglicht.  Damit  jedoch  an 
den  höheren  Schulen  das  Interesse  für  die  Alkoholfrage  geweckt  werde, 
gibt  das  Ministerium  den  Abstinenzvereinen  Erlaubnis,  den  Schülern 
Vorträge  halten  zu  lassen,  zu  welchen  diese  in  Begleitung  ihrer 
Lehrer  erscheinen.  Bis  zu  Anfang  des  laufenden  Jahres  wurden  207 
solcher  Ansprachen  gehalten,  an  denen  18475  Hörer   teilnahmen. 


840 

Die  Abstinenzorganisationen  sollen  anoh  bei  der  Auswahl  der  Lese- 
Stücke»  welche  in  die  Lehrmittel  Ao&ahme  finden,  ein  Wort  mitzu- 
reden haben.  In  den  Lehrer-  und  Lehrerinnenseminarien  werden 
auch  obligatorische  Vorträge  über  die  Tuberkulose  gehalten,  die  ja 
sehr  häufig  mit  dem  Alkoholismus  im  engsten  Zusammenhang  steht 

Man  wird  kaum  fehlgehen,  diese  ministeriellen  Erlasse  als 
unmittelbare  Wirkungen  der  Kongrelsrorbereitungen  zu  betrachten. 
Datieren  doch  die  wichtigsten  derselben  aus  diesem  Jahre.  Die 
Zukunft  muTs  zeigen,  ob  das  allen  Impulsen  leicht  zugängliche 
ungarische  Naturell  in  dieser  Sache  auch  die  nötige  Ausdauer  an 
den  Tag  legt  Jedenfalls  ist  die  Regierung  auf  dem  richtigen  Wege, 
wenn  sie  die  Aufklärung  der  Jugend  und  das  persönliche  Beispiel 
des  Lehrers  als  die  wichtigsten  Faktoren  einer  Umgestaltung  der 
Ansichten  in  bezug  auf  die  Wertschätzung  der  geistigen  Getränke 
in  den  Vordergrund  stellt.  Eine  solche  Wandlung  in  den  An- 
schauungen nützt  mehr  als  alle  Verbote,  wie  sie  Ungarn  auch  besitzt 
So  untersagt  eine  Verfügung  vom  Jahre  1903  allen  Kindern  unter 
15  Jahren  den  Besuch  von  Wirtschaften  und  öffentlichen  Vergnügungs- 
lokalitäten, in  denen  Alkohol  ausgeschenkt  wird.  Wer  dagegen  fehlt, 
hat  eine  Buise  bis  auf  100  Ejronen  zu  gewärtigen. 

So  war  schon  in  der  Erö&ungssitzung  durch  die  Person  des 
Ministers  (von  LuKiso)  das  pädagogische  Moment  sehr  stark  henror- 
getreten.  Dasselbe  war  in  der  gleichen  Sitzung  noch  einmal  der  Fall, 
als  Professor  Dr.  Grübbr  aus  München  den  Festvortrag  über  y,Die 
Hygiene  des  Ich"  hielt,  der  gegen  den  Schlufs  hin  eine  geradeza 
weihevolle  Stimmung  erzeugte. 

In  den  flauptverhandlungen  über  das  Thema  „Erziehung  und 
Schule  im  Kampfe  gegen  den  Alkoholismus "  waren  die  Lehrkörper 
fast  aller  Mittelschulen  der  Stadt  vertreten.  Femer  nahmen  die 
ältesten  Zöglinge  der  Budapester  Lehrerinnenpräparaudien  teil  an  der 
Versammlung.  Als  erste  Bednerin  sprach  Mrs.  Eliot  Yorks  aus 
England,  welche  ausführte,  dafs  die  Unwissenheit  der  grölste  und 
stärkste  Pfeiler  sei,  auf  welchem  die  UnmäTsigkeit  ruht 

Franziskus  HIunbl,  Lehrer  am  Technikum  in  Bremen,  ver- 
stand es,  die  Gesichtspunkte  zu  vertiefen.  Beim  Aufräumen  alter 
Notizbücher  fiel  ihm  das  Schülerverzeichnis  einer  längst  ausgetretenen 
Klasse  in  die  Hände,  und  da  ihm  am  gleichen  Tage  einer  dieser 
früheren  Schüler  begegnete  und  ihm  sein  Leid  klagte,  kam  ihm  der 
Gedanke,  einmal  zu  untersuchen,  welche  Bedeutung  eine  alkoholfreie 
Jugenderziehung  in  Schule  und  Haus  habe.     Zunächst  suchte  er 


841 

mit  diskreter  ünterfitütznng  von  Lehrern,  Eltern  nnd  Ärzten  festzu- 
stellen, welchen  EinfluDg  die  Trinksitten  auf  die  Lebensschioksale 
seiner  ehemaligen  Zöglinge  ausühten.  Die  Untersuchung  erstreckte 
sich  auf  57  Schüler  von  der  Untertertia  bis  zur  Quinta.  Aus  der 
Oruppe  derjenigen  Schüler,  deren  Schicksal  sich  anders  gestaltet  hätte, 
wenn  nicht  der  Alkohol  und  die  Trinkanschauungen  als  wesentliche 
Faktoren  in  ihr  Leben  eingegriffen  hätten,  führte  der  Redner  Lebens- 
bilder vor,  welche  deutlich  bewiesen,  wie  der  Alkoholgenuls  der 
Jugend  aller  Volkskreise  die  Erziehung  in  augenfälliger  Weise  hindert« 
indem  yerminderte  Leistungsfähigkeit,  frühzeitige  Nervosität  und  0ha- 
rakterverschlechterung  seine  hauptsächlichsten,  unmittelbaren  Folgen 
sind.  Der  Lebensgang  zahlreicher  Menschen  würde  sich  freundlicher 
und  für  die  Menschheit  mehr  Werte  schaffend  gestaltet  haben,  wenn 
ihre  Erziehung  und  ihre  Lebensweise  nicht  durch  den  Trunk  beein- 
fluist  worden  wären. 

Wenn  auch  die  vorgebrachten  Beispiele  ihrer  geringen  Zahl 
wegen  den  Statistiker  nicht  befriedigt  haben  mögen,  so  waren  sie 
doch  geeignet,  die  anwesenden  Lehrer  anzuregen,  auch  ihrerseits  solche 
Beobachtungen  zu  verfolgen  und  das  statistische  Material  zu  ergänzen. 

Ein  dritter  Referent,  Schulinspektor  ObttOs  aus  Szolnok,  stellte 
die  Frage:  ^Was  können  wir  im  Schulleben  gegen  den  Alko- 
holismus tun?*^  Seine  Antwort  lautete  kurz  und  bündig:  »Wir 
müssen  die  Kinder  zur  Abstinenz  erziehen."  In  jeder  Gemeinde 
sollte,  womöglich  unter  der  Leitung  des  Lehrers,  ein  Nüchtemheits- 
klub  gegründet  werden.  Wo  Anstalts-  und  Schulärzte  angestellt  sind, 
sollten  diese  die  Aufklärungsarbeit  besorgen;  wo  sie  fehlen,  sind  für 
die  YolksschuUehrer  besondere  Kurse  einzurichten. 

Primararzt  Dr.  Fischer  aus  Prefsburg  stellte  ähnliche  Forderungen 
auf  und  betonte  vor  allem  das  persönliche  Beispiel  des  Erziehers,  der 
zeigen  soll,  data  man  auch  ohne  Alkohol  existieren  kann,  ja,  dafs 
der  Abstinent  die  Freuden  des  Lebens  besser  geniefsen,  die  Sorgen 
besser  niederzwingen  kann  als  jene,  welche  im  schweren  Kampfe 
ums  Dasein  noch  durch  den  Streit  ihres  eigenen  Organismus  gegen 
die  schädlichen  Wirkungen  des  Alkohols  gehemmt  werden. 

Als  letzter  Referent  sprach  Dr.  Laozö  aus  Budapest,  der  aus- 
führte, dafs  der  Alkoholismus  die  Gresellschaft  in  dreierlei  Formen 
verwüstet :  als  Krankheit,  als  Mode  und  als  Verlockung,  welcher  vor 
allem  die  Jugend  zum  Opfer  fUlt.  Die  Lehrer  der  Religion  und 
Sitte  sollten  dahin  streben,  dafs  die  Jugend  im  Kampfe  gegen  den 
Alkohol  eine  moralische  Pflicht  erblickt. 


842 

An  diese  fQnf  Vortrftge  aohlola  doh  unter  dem  YoisitEe  Ton 
Professor  Dr.  Orubbr  eine  Diskussion,  wie  sie  bei  keinem  anderen 
Thema  des  Kongresses  zn  yerzeiohnen  war.  Nicht  weniger  als  24 
Bedner  hatten  sich  snm  Worte  gemeldet  Gleich  der  zweite  stellte 
die  Forderong  anf ,  da(s  am  nächsten  Kongreis  in  Stockholm  dieser 
wichtigen  Frage  noch  viel  mehr  Zeit  gewidmet  werde  und  dals  man 
hierbei  insbesondere  darauf  eingehen  möchte,  wie  man  die  Jugend  in 
Schule  und  Haus  vor  den  Gefahren  des  Alkohols  bewahre.  Dieses 
yyWie*^  wurde  sofort  durch  Frau  Professor  Alli  TRTQO-HBUornjs 
aus  Hekingfors  praktisch  demonstriert.  Rasch  hatte  sie  eine  Schar 
Mädchen  zusammengetrommelt  und  erteilte  ihnen  eine  Lektion  über 
die  geistigen  Getränke.  Zu  begeistern  —  ja,  das  verstand  die  tem- 
peramentvolle Dame.  Sie  nahm  unter  anderem  ein  Mädchen  vor  und 
führte  mit  Hilfe  der  Kinder  aus,  dafs  dieses  Menschenkind  ein  kost- 
bareres Gut  darstelle  als  die  schönste  Kirche  in  ganz  Budapest  und 
dais  niemand  ein  Becht  dazu  habe,  diesen  Tempel  Gottes  durch 
Alkohol  zu  entweihen. 

Der  improvisierten  Lektion  folgte  am  nächsten  Morgen  vor  der 
eigentlichen  Kongreissitzung  eioe  Spezialkonferenz,  einberufen  durch 
dieselbe  Dame.  Sie  teilte  mit,  dais  fttr  die  Bekämpfung  des  Alkoholismus 
durch  die  Schule  demnächst  ein  neues  Buch  in  den  deutschen  Budi- 
handel  komme,  welches  den  Stoflf  nach  Lektionen  geordnet  enthält 

Aus  allen  Mitteilungen  merkte  man  heraus,  dafis  es  keine  blolse 
Phrase  war,  wenn  Frau  Professor  Hklekius  in  der  Diskussion  er* 
klärt  hatte:  „Wir  warten  nicht  auf  die  Minister,  nicht  auf  die 
Ärzte,  nicht  auf  die  Lehrer,  sondern  wir  fangen  heute  schon  an;  demi 
die  Kioder  können  auch  nicht  warten.  Wir  dürfen  es  nicht  darauf  an- 
kommen lassen,  dals  uns  die  jungen  Leute,  deren  Lebensglüok  in  der 
Alkoholfiut  untergegangen  ist,  vorwurftvoll  entgegenhalten:  „Warum 
hat  mir  niemand  gesagt,   dab  das  erste  Glas  der  Verführer  ist?^** 

Professor  Dr.  Szalkat  aus  Budapest  war  nicht  der  einzige 
Bedner,  der  es  beklagte,  dab  die  Lehrerschaft  ttber  die  Alkoholfrage 
nicht  informiert  ist.  In  seinen  Vorträgen  waren  Eltern  und  Kinder 
da,  aber  die  Lehrer  fehlten,  bis  sie  als  Klassenvorsteher  kommen 
mulsten.  Dies  hatte  insoweit  gewirkt,  da(s  heute  mehrere  dieser 
Herren  am  Kongreis  teilnahmen.  „Mit  den  Schuldirektoren  der  ver- 
schiedenen Anstalten*^,  sagte  er,  „verhält  es  sich  wie  mit  den  Bedak- 
tionen  der  politischen  Tagesblätter.  Die  günstige  Au&ahme  der  Be- 
strebungen gegen  den  Alkohol  wächst  mit  dem  Bildungsgrade  der 
leitenden  Persönlichkeiten." 


843 

Der  Referent  Franziskus  Hähnbl  ans  Bremen  erklärte  in  seinem 
Sohluisworte,  daJs  man  aaoh  in  Dentscbland  mit  dem  Verlangen  an 
die  Seminarien  gelangen  werde,  die  Kandidaten  bei  der  Abgangs- 
prüfung über  die  wissenschaftlichen  Grrnndlagen  der  Alkoholfrage  zu 
examinieren,  wie  es  in  den  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  seit 
Jahren  geschieht. 

Mit  dem  Kongreis  war  anch  diesmal  wieder  eine  Ausstellung 
Terbunden,  an  welcher  die  graphischen  Tabellen  zweier  Schweizer, 
WiLLBinBGGER- Zürich  und  BBEGENZEB-St.  Gallen,  besonderes  Interesse 
erweckten.  Die  Arbeiten  des  ersteren  veranschaulichten  die  Be- 
ziehungen des  Alkoholismus  zum  Verbrechen,  zur  Gresundheit,  zu 
geistiger  Arbeit  und  zu  den  Greisteskrankheiten,  diejenigen  des  letz- 
teren umfaCsten  Nahrungsmittelanalysen  nach  Professor  Dr.  König, 
sowie  eine  Ausgabenyerteilung  von  drei  Familien  bei  einem  monat- 
lichen Einkommen  von  125  Francs,  je  nachdem  gar  keine  oder  mäCäg 
oder  unmäisig  geistige  Getränke  genossen  werden.  Diese  Tabellen 
könnten  in  jeder  Sekundär-  oder  höheren  Schule  dem  Hygiene-  und 
Chemieunterricht  gute  Dienste  leisten.  Die  übrigen  Bilder,  mit 
Ausnahme  der  bekannten  „Dresdener  Bilder  gegen  den  Alkohol", 
krankten  an  dem  Übel,  dals  sie  häusliche  Szenen  aus  dem  Leben  der 
Trunkenbolde  zur  Darstellung  brachten.  Dem  Kinde  gegenüber  soll 
man  auch  hier  nur  das  Schöne  und  Gute  bejahen.  Andere  Kartons 
und  Präparate  demonstrierten  die  anatomischen  Veränderungen,  welche 
der  Alkohol  an  den  verschiedenen  Organen  des  menschlichen  Körpers 
hervorruft. 

Der  Kampf  gegen  den  Alkohol  hat  in  Ungarn  erst  begonnen. 
Aber  in  einer  Beziehung  steht  dieses  Land  an  der  Spitze  der  euro- 
päischen Staaten,  nämlich  darin,  dals  es  ausgezeichnete  Vorschriften 
besitzt,  durch  welche  die  Jugend  auf  die  Gefahren  des  Alkohols 
aufmerksam  gemacht,  ja  direkt  zur  Abstinenz  erzogen  werden  soll. 
Die  jetzige  Generation  fühlt  sich  in  der  Lage  jenes  amerikanischen 
Zugführers,  der  schwerverwundet  in  den  Trümmern  seines  entgleisten 
Zuges  lag  und  bat,  an  den  Schnellzug  zu  denken,  welcher  in  einer 
Stunde  hier  durchfahren  müsse.  „Zeigt  ihm  die  rote  Laterne  l'^ 
waren  seine  letzten  Worte.  Wir  Erwachsenen  sind  in  diesem  ersten 
Zuge  und  hinter  uns  kommt  die  Jugend  herangebraust.  Sie  eilt 
jauchzend  dem  Leben  entgegen.  Sollen  wir  sie  ins  Verderben  stürzen 
lassen?  Nein!  und  abermals  neini  Schwingen  auch  wir  durch  Nacht 
und  Nebel  —  die  rote  Laterne  1 


844 


Vom  Deutschen  Kenrrefs  Ar  Vollu-  ud  Jv^nikpiele 
in  FrankAirt  a.  H. 

(15.— 17.  September  1905). 

Einem  uns  zagegangeneo  Berichte  von  E.  ▼.  SOBBNCKBKDOBnr-Gdiütz 
entnehmen  wir  folgendes: 

Erster  Tag. 

Zuerst  sprach  Generalarzt  z.  D.  Dr.  MsiSNBR-Berlin  Aber  die  Be- 
ziehungen zwischen  Schule  und  Heer. 

Ref.  gibt  an  der  Hand  von  statistischen  Unterlagen  zun&chst  eine 
Übersicht  Aber  den  Ausfall  an  Tauglichen  in  den  einzelnen  Berufsschichten, 
an  dem  die  Schiller  der  höheren  Schulen  in  grolsem  Habe  beteiligt  sind. 
Als  Abhilfe  empfiehlt  er  u.  a.  für  die  Bekämpfung  der  Fehler  der  Augea, 
besonders  der  Kurzsichtigkeit,  die  Entfernung  der  Kleindrücke  und  Her- 
richtung gttnstiger  Beleuchtung  bei  den  Arbeiten  aufserhalb  der  Schule 
sowie  Üben  des  Auges  im  Femsehen ;  für  die  der  Lungen  und  des  Herzens 
Entlastung  aller  äuDserlich  angebrachter  Hindemisse.  Die  beste  Vor- 
bereitung fiir  den  Heeresdienst  aber  ist  die  Verlegung  der  körperlichen 
Übungen  ins  Freie  und  Spiel  und  Wanderung,  bei  denen  das  im  eigent- 
lichen Turnen  Erlerate  im  freien  Gelände  zur  praktischen  Verwertung 
kommt.  Dieser  Art  von  Übungen  sollte  darum  wöchentlich  ein  Nachmittag 
gehören,  an  dem  die  Schüler  pflichtmäfeig  teilzunehmen  haben. 

Sodann  sprachen  Prof.  Dr.  KOOH-Braunschweig  und  Studiendirektor 
RiTDT-Leipzig  über  die  Erziehung  zur  Selbständigkeit.  Der 
erste  Redner  ftlhrte  etwa  folgendes  aus: 

Das  Verlangen  nach  Erziehung  zur  Selbständigkeit,  das  jetzt  tod 
vielen  Seiten  geäulsert  wird,  erscheint  voll  berechtigt  im  Hinblick  auf  die 
grofsen  Aufgaben,  denen  sich  das  deutsche  Volk  gegenüber  sieht  Die 
Leibesübungen  erscheinen  besonders  geeignet,  die  Erziehung  zur  Selb- 
ständigkeit zu  fördem;  wenn  die  Schule  sie  in  ihren  Erziehungsplan  auf- 
nimmt, so  wird  sie  nicht  mehr  die  Verstandskräfte  allein  ausbilden,  Bonden 
auch  die  sittlichen  Kräfte  entwickeln.  Von  den  Leibesübungen  sind  vor 
allem  diejenigen  zu  betreiben,  die  Selbständigkeit  entwickeln,  so  die  Kriegs- 
spiele und  längere  Übungsmärsche.  lYeie  Schfllervereine,  besonders  die 
Rudervereine,  haben  sich  schon  trefflich  bewährt.  Auch  die  Spidnach- 
mittage,  die  der  ZentralausschuCs  an  allen  Schulen  einrichten  will,  forden 
die  Selbständigkeit  in  hohem  Grade,  wenn  sie  zweckentsprechend  ein- 
gerichtet werden. 

Studiendirektor  Professor  RATDT-Leipzig  besprach  im  einzelnen  die 
folgenden  von  den  beiden  Referenten  gemeinsam  aufgestellten,  und  von  der 
Versammlung  angenommenen  Leitsätze  und  belegte  sie  mit  vielen  Beispielen 
aus  seiner  Erfahrung. 

1.  Leibesübungen  sind  besonders  geeignet,  die  Jugend  zur  Selb- 
ständigkeit zu  erziehen. 

2.  Der  Betrieb  der  Leibesübungen  ist  so  zu  gestalten,  daüs  der  Jugend 
möglichst  viel  Selbständigkeit  gelassen  wird. 


845 

3.  Diejenigen  Übungen  sind  besonders  zn  berflcksichtigen,  die  möglichst 
selbständige  Leistungen  erfordern. 

4.  Es  ist  darauf  Bedacht  zu  nehmen,  dafs  die  Jugend  gelegentlich 
in  solche  Lagen  versetzt  wird,  wo  sie  Selbständigkeit  und  Initiative 
bewähren  kann. 

5.  Von  der  Schule  sind  längere  Übungsmärsche  und  E^riegsspiele 
regelmäfsig  und  möglichst  oft  zu  veranstalten. 

6.  Spielnachmittage  sind  an  allen  Schulen  allgemein  verbindlich  ein- 
zurichten. 

7.  Selbständige  Vereine  von  Schülern  einer  Anstalt,  die  sich  gemein- 
samen Leibesübungen  widmen,  sind  unter  Oberaufsicht  der  Schule 
zu  gestatten  und  tunlichst  zu  fördern. 

Sodann  sprach  Tuminspektor  WsiDENBUSCH-Frankfurt  a.  M.  über 
die  frühere  und  jetzige  Schwimmethode  in  Frankfurt  a.  M.  In 
kurzen  Zügen  wies  er  auf  die  Entwicklungsgeschichte  des  Schwimmens  in 
Frankfurt  a.  M.  hin  und  zeigte,  dafs  die  Stadt  schon  seit  dem  Jahre  1842 
diese  überaus  wichtige  Körperübung  in  ihren  Schulen  eingeführt  hat.  Heute 
werden  von  45  Schulen  die  vier  obersten  Jahrgänge  unterrichtet.  Die 
Schülerzahl  ist  auf  8100,  Knaben  und  Mädchen,  gestiegen.  Die  ver- 
ursachten Kosten  betragen  37  000  Mark.  Mit  der  Zunahme  der  Schüler- 
zahl hat  sich  gleichmäfsig  die  Methode  weiterentwickelt.  Der  Einzel- 
unterricht räumte  dem  Massenunterricht  das  Feld.  Das  Schwimmen  selbst 
wird  durch  das  Trockenschwimmen  vorbereitet  und  so  das  gesteckte  Ziel 
schneller  und  leichter  erreichbar  gemacht. 

Zum  Schlufs  stellte  der  Redner  als  Leitsatz  unter  dem  zustimmenden 
Beifall  der  Versammlung  folgendes  hin: 

Das  Schwimmen  ist  nicht  nur  wegen  seiner  gesundheitfördemden  Ein- 
wirkungen auf  den  Körper,  sondern  auch  wegen  der  Herrschaft  über  das 
Wasser  in  Lebensgefahr  von  allergröfster  Wichtigkeit  fürs  Leben  und  sollte 
deshalb  überall  da,  wo  die  Möglichkeit  vorhanden  ist,  in  den  Knaben-  und 
Mädchenschulen  gefördert  werden. 

Der  Nachmittag  war  ganz  den  Jugendspielen  selbst  gewidmet  Auf 
dem  grolsen  Exerzierplatz  bei  Griesheim  a.  M.  fanden  bei  prächtigstem 
Wetter  die  verschiedenartigsten  körperlichen  Spiele  von  Schülern  und 
Schtilerinnen  aller  Schulen  Frankfurts  (mehr  als  4000  Knaben  und  Mädchen) 
statt.     Es  war  ein  herzerfreuender  Anblick. 

Zweiter  Tag. 

Universitätsprofessor  Dr.  Fineleb  -  Bonn,  Direktor  des  dortigen 
hygienischen  Instituts,  hielt  einen  Vortrag  über  „Die  körperlichen 
Anlagen,  ihre  Entwicklung  und  Ausbildung". 

Der  Redner  ninmit  Gelegenheit,  die  Prinzipien  hervorzuheben,  welche 
an  den  Funktionen  der  Organe  des  Körpers  gelegen  sind;  wie  diese  Tätig- 
keiten untereinander  in  Systemen  bestehen,  wie  sie  mit  der  Zeugung  und 
dem  Wachstum  der  Organe  sich  ausbilden.  Das  ganze  komplizierte  Ge- 
triebe der  Körperteile  folgt  gewissen  Gesetzen,  welche  insbesondere  alle 
dem  Prinzip  der  höchsten  Zweckmäßigkeit  dienen.  Diese  Zweckmäfisigkeit 
erstreckt  sich  auf  die  Erhaltung  der  Art  und  die  des  Individuums. 


846 

Eine  Aasbildong  aller  Tätigkeit^  and  der  dalllr  Torhandenen  Organe 
ist  gewährleistet  dnrcb  die  Gesetze  der  Vererbung  und  der  Zähigkeit  des 
Artcharakters  sowie  dnrcb  das  Bestreben  des  Körpers  zur  natorgemafeen 
Veryollkommnong.  Sie  ist  zn  fördern  dorch  Übnng  and  Anforderongen  an 
den  Körper  and  seine  Teile.  Die  Zellen  des  menschlichen  Körpers  arbeiten 
und  yerbraucben  Kraft  und  Stoffe,  auf  Grund  der  ihnen  innewohnenden 
Eigenschaften  des  lebendigen  Eiweiises.  Die  verbrauchten  Stoffe  werden 
wieder  ersetzt,  und  zwar  mit  der  Neigung,  mehr  zu  ersetzen,  als  verlorai 
ging:  Verbrauch  —  Wiederersatz  —  Stärkung  resp.  Vergröfserung  und 
Wachstum.  Speziell  das  Muskelsjrstem  erreicht  in  der  Übung  hier  viele 
Erfolge,  nicht  nur  in  der  Verstärkung  der  Muskeln  und  der  morpholo- 
gischen Grundlage,  sondern  auch  in  der  Erhöhung  des  Nutzeffiektes,  Ver- 
minderung der  Mitbewegungen,  Ersparung  von  Kraft. 

Die  Übung  erhöht  die  Spannung  der  Muskeln,  verbessert  damit  die 
Haltung,  die  Schlagfertigkeit,  die  Selbständigkeit,  sie  wirkt  auch  auf  die 
Zentralorgane  des  Nervensystems,  erhöht  deren  Gebrauchsfähigkeit  und 
geht  deshalb  auch  mit  einer  kräftigenden  Einwirkung  auf  Gehirn  und 
Psyche  einher. 

Gefahren  der  Übung  auf  das  Herz  sind  vermeidbar  durch  richtige 
Beurteilung  der  Ermüdung  und  individualisierende  Beobachtung  der  Kinder. 
Der  Turnlehrer  muls  deshalb  der  Beobachter  des  gesamten  Befindens  der 
Kinder  sein. 

Eine  Übertragung  der  durch  Übung  erreichten  Vorteile  durch  Ver- 
erbung ist  nicht  so  einfach  zu  erwarten;  aber  die  Erziehung  gesunder  und 
kraftvoller  Individuen  muCs  im  gOnstigsten  Sinne  auf  spätere  Generationen 
einwirken,  schon  durch  Vermeidung  der  Krankheiten,  Erhöhung  der  Wider- 
standskraft. Die  neue  Generation  mu(s  selbst  arbeiten  und  sich  erwerben, 
was  sie  als  gut  und  der  Vervollkommnung  fähig  ererbt  hat. 

E.  VON  SCHBNOEBNDORFF  sprach  dann  Aber  den  gegenwärtigen 
Stand  der  Frage  des  allgemeinen  obligatorischen  Spiel- 
nachmittags. 

Referent  bezeichnete  seinen  Vortrag  als  unmittelbare  Folge  eines  Be- 
schlusses der  im  vorigen  Jahre  vom  Zentralausschufs  und  dem  Verein 
deutscher  Turnlehrer  in  Quedlinburg  einberufenen  öffentlichen  Versanmünng, 
durch  welchen  der  Zentralausschufs  für  Volks-  und  Jugendspiele  beauftragt 
wurde,  fflr  die  Durchfahrung  eines  allgemein  verbindlichen  Spielnachmittags 
in  allen  deutschen  Schulen  einzutreten.  Dennoch  sei  heute  das  Ziel  der 
verbindlichen  Spielanstalten,  daCs  1.  jedem  Schulkinde,  ob  Knabe,  ob 
Mädchen,  ob  sechsjährig  oder  zwanzigjährig,  in  jeder  Woche,  neben  dem 
Turnunterricht,  ein  Nachmittag  fUr  sc^ulseitig  eingerichtete  Leibesabungea 
freigemacht  werde;  dab  2.  dieser  Nachmittag  völlig  firei  auch  von  häns- 
lichen  Schularbeiten  sei,  und  da(s  3.  die  an  diesen  Nachmittagen  aus- 
fallenden Unterrichts-  und  Arbeitsstunden  nicht  an  anderen  Stellen  vrieder 
eingesetzt  würden.  Er  machte  auf  die  Beschlösse  der  vom  Kaiser  nadi 
Berlin  im  Jahre  1890  einberufenen  Schulkonferenz  aufinerksam,  die  ia 
Sachen  d«  besseren  leiblichen  Erziehung  der  Jugend  Beschlüsse  £aikte,  die 
bislang  nur  in  der  dritten  Turnstunde  in  Preu(sen  Verwirklichung  gefunden 
haben. 


847 


ftletitete  Ütiiieiliiitieit. 


Ober  die  geistige  Minderwertigkeit  im  schulpflichtigeii  Alter 

sprach  Prof.  Dr.  WETQANDT-Wflrzbiirg  in  der  ü.  LandesYersammloBg  des 
Bayerischen  Medizinalbeamtenvereins  zn  Würzbnrg  am  2.  and  3.  Jimi  1906. 
Wie  wir  dem  Berichte  aber  diese  Yersammlong  entnehmen,  behandelte  W. 
B.  a.  anch  die  Untersnchnngsmethoden  bei  geistiger  Minder- 
vrertigkeit  schnlpflichtiger  Kinder  nnd  änfserte  sich  Aber  den 
Wert  der  obligatorischen  Lehrpl&ne  bei  Prttfang  dieser  Kinder  folgender- 
mafsen:  „Bei  der  Untersnchnng  von  psychisch  snspekten  Schulkindern  ist 
nie  zu  übersehen,  daüs  diese  Schulplansangaben  gewissermaisen  das  End- 
ziel einer  Altersstufe  darstellen.  Wieviel  davon  in  den  sicheren  Besitz 
des  Kindes  übergeht,  h&ngt  von  zahlreichen  Faktoren  ab,  von  dem  Ge- 
dächtnis nicht  allein,  sondern  anch  von  der  geistigen  Frische  nnd  Auf- 
merksamkeit, mit  der  es  die  neugewonnenen  Kenntnisse  jeweils  verwertet, 
Tor  allem  aber  auch  natürlich  von  der  Qualit&t  des  Unterrichtes  selbst. 
Dafs  in  dieser  Hinsicht  enorme  Verschiedenheiten  vorkonmien,  ist  nicht  zu 
leugnen,  gehen  doch  selbst  über  grundlegende  Fragen  die  Ansichten  der 
Pädagogen  oft  noch  weit  auseinander.  Wohl  wird  heutzutage  viel- 
fach gewarnt  vor  der  Übermittlung  eines  blofsen  Gedächtnis- 
materiales,  aber  doch  bleibt  in  dieser  Hinsicht  noch  manches 
zu  wünschen  übrig Man  soll  also  bei  der  Prüfung  eines  Schul- 
kindes wohl  die  Höchstleistungen  der  betreffenden  Altersstufe  im  Auge 
behalten,  zweckmälsigerweise  aber  wird  man  sich  auch  mit  weit  geringeren 
Anforderungen  begnügen.  Vor  allem  kommt  es  mehr  darauf  an,  zu  er- 
kennen, wie  das  Kind  seine  Sache  weifs,  als  auf  das  „was^  seines  Wissens- 
besitzes. Mit  anderen  Worten,  es  gilt  jeweils,  nicht  nur  die  Intelligenz 
und  das  Gedächtnis,  sondern  auch  die  übrigen  psychischen  Fähigkeiten  zu 
berücksichtigen:  die  Reaktion  auf  Reize,  die  Auffassung  von  Eindrücken, 
die  Verarbeitung  im  Gedächtnis,  das  Neueinprägen,  die  Gemütslage,  das 
motorische  Verhalten." 

Über  die  Nervenkrankheiten  der  Schalkinder  macht  Sanitätsrat 
Dr.  P.  Mbtbr,  Schularzt  in  Berlin,  auf  Grund  eigener  Untersuchungen, 
interessante  Mitteilungen  in  der  ^^Berl  Min,  Wochenschr,^  (1905,  Nr.  17), 
denen  wir  folgendes  entnehmen:  Unter  1857  Kindern,  die  Verfasser  von 
November  1900  bis  Mai  1904  untersucht  hat,  litten  an  nervösen  Affek- 
tionen 130  Kinder  (7  Vo),  und  zwar  Mädchen  und  Knaben  fast  zu  gleichen 
Teilen.  Schwachsinn  wurde  bei  22,  Epilepsie  bei  22,  Nervosität  bei  22, 
Kopfschmerz  bei  16,  Migräne  bei  13,  Veitstanz  bei  12  Kindern  beob- 
achtet. M.  betont  die  Wichtigkeit,  dafs  gleich  bei  der  Einschulung  seitens 
des  Schularztes  Epilepsie  festgestellt  und  durch  einen  Überwachungsschein 
den  Lehrkräften  zur  Kenntnis  gebracht  wird,  da(s  bei  schweren  und 
häufigen  Anftllen  die  Kinder  gar  nicht  eingeschult  werden.     Bei    den   an 


848 

Nervodtftt  leidenden  Kindern  kann  der  Schularzt  ebenfalls  gftnstig  ein- 
wirken.  In  Betracht  kommen  a.  a.  Ferienkolonien,  Erholongsstfttten,  Hand- 
fertigkeitsnnterricht,  Ffirsorge  fttr  die  notwendige  Ernährong  nnd  Nacht- 
ruhe, Vermeidung  der  Kinderarbeit  in  der  Industrie,  richtige  Festsetzung 
des  schulpflichtigen  Alters  mit  genauer  Individualisierung.  Beim  Kopf- 
schmerz ist  aufser  der  nery(y8en  Disposition  auch  die  geistige  Anstrengung 
beim  Unterricht  in  Betracht  zu  ziehen,  wie  der  Einflufs  der  Schule  auf 
das  Nervensystem  der  Kinder  auch  durch  die  Beobachtung  erhellt,  dafs  bd 
1068  Kindern,  die  behufs  Einschulung  untersucht  wurden,  nur  28  (2,6%), 
von  770  Schfllem  und  Schfllerinnen  der  verschiedensten  Altersstufen  da- 
gegen 122  (16%)  nervenleidend  gefunden  wurden. 

Kindenehnte  in  Meinilgen.  Wie  der  „Sog.  Praxis*'  aus  Meiningen 
mitgeteilt  wird,  hat  das  herzogl.  Ministerium,  Abteilung  für  Kirchen-  und 
Schulsacheu,  an  die  Kreis-  und  Stadtschulämter  folgendes,  sehr  beachtens- 
werte Anschreiben  erlassen: 

„Die  erziehlichen  Aufgaben  der  Schule  legen  der  Lehrerschaft  die 
unabweisliche  Pflicht  auf,  mit  darauf  zu  sehen,  dafs  die  Kinder  vor  un- 
angemessener, die  Gesundheit  und  Schulinteressen  schädigender  Beschäftigung 
audserhalb  der  Schule  bewahrt  bleiben.  Es  wird  deshalb  der  Lehrer  bezw. 
Schulleiter,  wenn  im  Unterricht  an  einem  Kinde  eine  krankhafte  oder  sonst 
auffällige  Erscheinung  zutage  tritt,  alsbald  durch  ftkrsorgliche  Rücksprache 
mit  den  Eltern  die  Ursache  zu  ermitteln  suchen  und  in  ernst-freundlicher, 
aber  bestimmter  Weise  Abstellung  verlangen,  nötigenfalls  aber  die  Mithilfe 
des  Schnlvorstandes  in  Anspruch  nehmen.  Hierüber  ist  im  Schülerverzeichnis 
der  Schulversäumnistabelle  unter  der  Spalte  „  Bemerkungen **  ein  kurzer 
Eintrag  zu  bewirken  und  solcher  dem  herzogl.  Kreisschulinspektor  bei  der 
nächsten  Schulvisitation,  sowie  dem  Schularzt  bei  dessen  nächster  An- 
wesenheit vorzulegen.  Bleibt  die  Rücksprache  mit  den  Eltern  und  die 
Vorstellung  des  Schulvorstandes  erfolglos,  so  wolle  der  Lehrer  dem  herzogl. 
Schulamt  ungesäumt  Mitteilung  zugehen  lassen,  worauf  dieses  das  Weitere 
wahrzunehmen  und  von  Zeit  zu  Zeit  nachzufragen  haben  wird.  Wir  be- 
merken, dafs  sich  diese  Mafsnahmen  nicht  blofs  auf  eine  wirksamere  Durch- 
führung des  Kinderschutzgesetzes  (Reichsgesetz  vom  30.  März  1903)  be- 
ziehen, sondern  auch  in  allen  übrigen  Fällen  zur  Anwendung  zu  bringen 
sind,  wo  Beobachtungen  in  der  Schule  darauf  schliefsen  lassen,  dafs  Kinder 
in  unangemessener  oder  übermäTsiger  Weise  zum  Nachteil  ihrer  Gesundheit 
oder  zum  Schaden  der  Schularbeit,  etwa  auch  in  Haus-  und  Feldwirtschaft, 
beschäftigt  werden.  Wir  versehen  uns  zu  der  Lehrerschaft  des  Landes, 
dafs  hierbei  alles  vermieden  wird,  was  etwa  das  Vertrauensverhältnis 
zwischen  Schule  und  Elternhaus  beeinträchtigen  könnte.  Keinesfalls  aber 
darf  bei  Beobachtungen  oben  bezeichneter  Art  ein  Vorgehen  des  Lehrers 
und  Schulvorstandes  unterbleiben.^ 

Den  Kreisschnlinspektoren  wird  empfohlen,  auf  ihren  nächsten  amt- 
lichen Lehrerkonferenzen  vorstehenden  Erlafs  bekannt  zu  geben  und  dort 
die  Angelegenheit  zu  besprechen. 

Kinderarbeit  in  gewerblichen  Betrieben.  Der  Bundesrat  dürfte 
sich  wahrscheinlich  noch  vor  Ablauf  des  Jahres  1905  mit  einer  Ausftlhrungs- 
vorschrift  zum  Gesetz  über  die  Kinderarbeit  in  gewerblichen  Betrieben  zu 


849 

befassen  haben.  Diesem  Gesetze  znfolge  war  der  Bundesrat  befugt,  fQr  die  ersten 
zwei  Jahre  nach  dem  Inkrafttreten  Ausnahmen  von  dem  Verbot  der  Beschäfti- 
gung eigener  Kinder  zuzulassen.  Solche  Ausnahmebestimmungen  waren 
auch  Tom  Bundesrat  getroffen,  jedoch,  wie  das  Gesetz  es  Yorschrieb,  nur  für 
zwei  Jahre.  Nun  läuft  diese  Frist  mit  dem  31.  Dezember  1905  ab.  Es 
würden  also  f&r  die  Kinderarbeit  in  den  gewerblichen  Betrieben  mit  dem 
Beginn  des  Jahres  1906  schon  sämtliche  dauernde  gesetzliche  Bestim- 
mungen in  Kraft  treten,  wenn  die  Übergangszeit  nicht  durch  den  Bundesrat 
verlängert  würde.  Gelegenheit  dazu  ist  ihm  gegeben,  da  er  im  Gesetze 
ermächtigt  ist,  auch  weiterhin  Ausnahmen,  allerdings  nur  unter  der  Bedingung 
zuzulassen,  dafs  die  Kinder  nicht  an  den  durch  Triebkraft  bewegten  Ma- 
schinen beschäftigt  werden.  Auch  kann  er  weitere  Ausnahmen  von  dem 
Verbot  der  Beschäftigung  eigener  Kinder  unter  10  Jahren  zulassen,  sofern 
die  Kinder  mit  leichten  und  ihrem  Alter  angemessenen  Arbeiten  beschäftigt 
werden.  Die  Ausnahmen  können  allgemein  oder  ftlr  einzelne  Bezirke  er- 
lassen werden.  Nun  wird  es  sich  darum  handeln,  ob  die  Frage  der 
Zweckmäßigkeit  und  gegebenenfalls  Notwendigkeit  der  Verlängerung  der 
Übergangsfrist  bejaht  werden  wird.  Von  den  zuständigen  behördlichen 
Stellen  sind  bei  den  Provinzialinstanzen  Erhebungen  in  dieser  Richtung 
veranstaltet.  Man  nimmt  an,  dafis,  da  das  Gesetz  über  die  Kinderarbeit 
in  den  gewerblichen  Betrieben  mit  seinen  dauernden  Bestimmungen  ziemlich 
einschneidend  wirkt,  in  den  angegebenen  Richtungen  noch  für  einige  Zeit 
die  dem  Bundesrat  anheimgestellten  Übergangsvorschriften  tatsächlich  er- 
lassen werden  sollen.  Dann  würde  sich  der  Bundesrat  im  nächsten  Herbst 
mit  einer  entsprechenden  Vorlage  zu  befassen  haben. 

„Leider,  bemerkt  hierzu  die  y^Fädag,  Ref.*^,  werden  wir  es  also  er- 
leben, dafs  das  so  schon  recht  lendenlahme  Kinderschutzgesetz  noch  weiter- 
bin und  vielleicht  gar  f&r  unabsehbare  Zeit  „gemildert**,  d.  h.  zugunsten 
ausbeuterischer  Interessen  durchlöchert  werden  wird.  Hoffentlich  wird 
wenigstens  die  deutsche  Volksschullehrerschaft  dagegen  ihre  Stimme  er- 
beben.'' 

Über  physiologisehe  und  pathologische  Beobachtungen  in  der 
Dorfschule  berichtet  KLOHNS-Düsseldorf  in  der  „ÄrzÜ.  Sachverst.-Ztg.*' 
Es  werden  die  Ergebnisse  der  Untersuchung  von  540  Dorfschulkindem 
mitgeteilt  Untersucht  wurde  der  äufsere  Körperstatus,  der  allgemeine 
Gesundheitszustand,  Lungen,  Herz,  Pulsbeschaffenheit,  Sinnesorgane,  Nerren- 
^stem,  Geisteszustand.  Interessant  ist  das  Resultat,  da(s  Gesichtsasym- 
metrien sich  besonders  häufig  bei  minderbegabten  und  bei  geistig  und 
moralisch  degenerierten  Individuen  fanden.  Bei  Schwachsinnigen  betrugen 
sie  100  7o. 

Die  Übergangsprfifniig  aus  der  Elementarsehnle  in  die  Beal- 
sehnle  und  Oberrealschule  ist  in  s'Gravenhage  (Holland)  insofern 
als  fakultativ  erklärt  worden,  als  von  nun  an  die  Vorsteher  und  Vorstehe- 
rinnen der  Real-  und  Oberrealschulen  auf  Grund  der  von  den  Vorstehern 
der  Elementarschulen  ausgestellten  Zeugnisse  darüber  entscheiden  können, 
welchen  Schülern  die  Übergangsprüfung  zu  erlassen  sei  und  welche  sie  zu 
bestehen  haben.  Dadurch  wird  erreicht,  dafs  die  Schüler  in  erster  Linie 
von  deigenigen  Lehrern  beurteilt  werden,    welche  sie  bereits  kennen,    so- 


8Ö0 

dann  dab  die  PrOfuigen  yereintacht  werden  und  endlich,  dmb  deai  üite- 
rieht  weniger  Zeit  zogonsten  der  PrQfnngen  en.zogeB  wird. 

Dr.  med.  J.  M.  C.  MouTOH-Haag. 

Sil  hygieiiseher  Fertsebritt  in  der  BehilbaikfinM^  Die  mätak 
Schwierigkeiten  bei  der  LOsong  der  Schnlbenkfrage  bereitet  die  Notwendi^dl, 
die  TOtt  Seiten  des  Pädagogen,  des  Hygienikers,  des  Bantecfanikers  und  te 
Bankkonstrakteurs  erhobenen  Anfordemngen  in  Einklang  zu  biingoif  «ti 
diese  oft  stark  divergieren.  Solche  6^ens&tze  entstehen  z.  B.  in  da 
Verlangen,  dab  der  Fnlsboden  zwecks  Reinigung  mOglidist  zagin^ich  sei 
müsse,  und  dem  anderen,  dab  die  Anbringung  eines  Fnlsbr^tes  nftiz&ch 
sei;  ferner  in  der  Sicherung  geordneter  Baakau&teUung  g^enflber  dsr 
leichten  Answechselbarkeit  der  Schulbänke. 

Wie  in  dem  ersteren  Falle  der  Bankkonstrukteor  zu  emer  reck 
glflcklichen  L^ysnng  kommen  kann,  zeigt  die  überraschende  Yerbreitmig  der 
seitlich  umlegbaren  RsTrieschen  Schulbank,  die  mit  breitem  Fnisbrett  ver- 
sehen ist  und  trotzdem  den  Fubboden  in  seiner  ganzen  Auadefanmig  — 
also  auch  unter  den  Banken  —  ftkr  den  kehrenden  Besen  freil^.  Weniger 
gut  war  die  Ausgleichung  der  an  zweiter  Stelle  genannten  Gegensätze  ge- 
glückt :  die  durchlaufende  Schiene,  an  welcher  die  B&nke  angeklemmt  wnrdea, 
sicherte  zwar  deren  geordnete  Bewegung  und  Aufstellung,  bereit^e  aber 
doch  dem  leichten  Austauschen  der  Bftnke  gegen  andere  einige  Sdiwierig- 
keiten.  Denn  die  Schiene,  deren  L&nge  der  ursprünglichen  GesamttiÄ 
der  hintereinander  stehenden  Bänke  entsprach,  behielt  diesen  Mab  bei 
und  bildete  damit  ein  lastiges  Hindernis,  sobald  auf  ihr  Bünke  von  gmngenr 
Tiefe  angeordnet  oder  gar  einzelne  Schulbänke  ganz  fortgenommen  wurden. 
Technisch  kam  noch  hinzu,  dab  bei  dem  häufig  angewandten  massir^ 
Fufsboden  die  Befestigung  der  Schiene  am  Boden  immer  mit  einer  ge- 
wissen Materialschadigung  verbunden  war. 

Eine  neue  Erfindung  hat  nun  aber  auch  hier  alle  Gegensätze  aas- 
geglichen. Es  ist  die  der  „freiliegenden  Wechselschiene",  die  von  jeder 
Befestigung  am  Fufsboden  absieht.  Sie  ist  keine  durchlaufende  Schiene 
mehr,  sondern  besteht  ans  einzelnen  Winkelschienenstflcken,  von  doppelter 
Länge  der  Banktiefe,  die  paarweis  —  also  als  Doppelschiene  —  mit  ihren 
schmalen  Schenkelflächen  aneinander  gelegt  werden,  und  zwar  so,  dab 
zwischen  zwei  Bänken  stets  nur  ein  Schienenstob  vorhanden  ist.  Für 
die  erste  und  letzte  Bank  einer  jeden  Reihe  ist  als  Abschlub  ein 
kürzeres  Schienenstück  erforderlich,  das  nur  gleich  der  einfachen  Banktiefe 
lang  ist. 

Wenn  nunmehr  die  Bänke  aufgesetzt  und  die  Klemmfübe  angezogen 
werden,  so  entsteht  ein  starres  Schienensystem,  das  die  geordnete  Bewegung 
und  Aufstellung  der  Bänke  genau  so  sichert  wie  die  durchlaufende  Schiene. 
Macht  sich  aber  ein  Bankaustausch  notwendig,  so  ist  dieser  nunmehr  auf 
die  leichteste  Weise  durchzuführen,  weil  mit  der  Bank  gleichzeitig  die 
dazu  gehörigen  Schienenstücke  entfernt  werden  und  das  neue  Subsell  eben- 
falls mit  seinen  passenden  Schienenteilen  angefügt  wird.  Es  wird  dadurch 
weiter  erreicht,  dab  die  Schiene  genau  so  lang  ist  als  die  betreffende 
Bankreihe,  also  stets  mit  der  vordersten  Kante  der  ersten  bezw.  der  hin- 
teren Kante  der  letzten  Bank  abschneidet. 


851 

Bei  absolut  gesicherter  Bankordnang  bietet  also  die  „freiliegende 
Wechselschiene*'  die  Möglichkeit,  durch  Bankaostansch  fOr  jeden  Schüler 
an  jeder  Stelle  des  Klassenranmes  eine  seiner  Körpergröfse  entsprechende 
Sitzgelegenheit  zu  schaffen;  sie  bedeutet  also  eine  wichtige  Förderung  der 
Hygiene  der  Schulbank.  Joh.  Müller  &  Go.-Charlottenbnrg. 

Der  Verein  zur  Vereinfaehnnf;  und  Verbessening  yon  Examen 
Ud  Unterricht  in  Holland,  der  seine  4.  Jahresversammlnng  im  April 
1905  zu  'sGravenhage  abhielt,  beschlofs,  die  Verwirklichung  folgender 
Forderungen  anzustreben: 

1.  Verminderung  der  Anzahl  der  SchtQer  in  einer  Abteilung; 

2.  bessere  Einrichtung  der  Spielpl&tze,  so  dafs  das  Spiel  mehr  im 
Freien  ausgeübt  werden  kann; 

3.  zweckmäßige  Einrichtung  der  Schulgebäude,  so  dafs  Licht  und 
Luft  hinlänglichen  Zutritt  haben  und  dafs  ruhestörende  Einflösse  von  aulsen 
femgehalten  werden  können; 

4.  Einführung  von  Schulspaziergängen  wie  auch,  wenn  möglich,  yon 
Schulausflügen,  welche  jedoch  nicht  obligatorisch  sein  sollen; 

5.  Kürzung  der  Unterrichtsstunden,  ohne  dafs  jedoch  die  Schulzeit 
im  allgemeinen  eingeschränkt  würde;  die  Kürzung  der  Unterrichtsstunden  gibt 
die  Möglichkeit  zu  längeren  Pausen  und  Spielzeiten.  Das  Unterrichtsmaterial 
braucht  hierbei  nicht  eingeschränkt  zu  werden.  In  den  unteren  Klassen 
soll  die  Abkürzung  der  Daner  der  Unterrichtsstunde  zunächst  eintreten ; 

6.  allgemeine  Ausübung  des  Spieles  im  Freien; 

7.  Aufhebung  der  Hausarbeit  in  den  unteren  und  bedeutende  Be- 
schränkung derselben  in  den  höheren  Schulabteilungen  zugunsten  einer  aus- 
gedehnteren Beschäftigung  in  der  Schule  selbst. 

Dr.  med.  J.  M.  C.  MouTON-Haag. 
Ffirsor^estellen  fBr  die  Schuljugend.  Dr.  Marb- Hamburg,  ein 
Gegner  des  Wiesbadener  Schularztsystems,  wendet  sich,  wie  wir  dem  „Äreh. 
f.  soe.  Med.  u.Hyg.^^  1905,  Bd.  1,  Heft  3  entnehmen,  gegen  Fürsorge- 
stellen für  die  Schuljugend,  weil  damit  blofs  die  ärztliche  Behandlung 
durch  die  Schulärzte  durch  ein  Hintertürchen  eingeführt  werden  wolle. 
Die  Tätigkeit  der  Schulärzte  habe  allerdings  trotz  der  aufgewendeten  Mühe 
und  Sorgfalt  nicht  den  entsprechenden  Erfolg  gehabt,  da  die  Behandlung 
und  Heilung  der  krank  befundenen  Schüler  an  dem  passiven  Widerstände 
der  Eltern  und  ihrer  Indolenz  gescheitert  sei;  doch  sei  es  ein  Grundgesetz 
der  Einrichtung,  das  die  Schulärzte  nicht  übernehmen  sollen.  Auch  würde 
die  Einrichtung  solcher  Fürsorgestellen  den  Eltern  wichtige  Pflichten  ent- 
ziehen und  den  Ärzten  einen  wichtigen  Teil  ihres  Erwerbsgebietes  rauben. 
Man  wünscht  vielmehr,  man  solle  die  Eltern  anhalten,  ihre  Kinder  von 
Zeit  zu  Zeit,  und  zwar  besonders  beim  Eintritt  in  die  Schule,  durch  Ärzte 
untersuchen  zu  lassen,  die  mit  dem  wirtschaftlichen  und  intellektuellen 
Niveau  der  Familie  durchaus  bekannt  seien  und  die,  wie  die  Armenärzte 
in  der  Armenklientel,  gleichzeitig  in  der  Lage  seien,  für  die  gefundenen 
Schäden  die  notwendigen  Hilfismittel  zu  beschaffen.  Wenn  die  Schulärzte 
nicht  behandeln  sollen  —  und  das  sei  a  limine  abzuweisen  — ,  erübrige 
sich  für  sie  nur  die  hygienische  Überwachung  der  Schulgebäude  und  Schul- 
einrichtungen. 

Sehalflresandheitspfleffe.  XVIIL  45 


862 

Die  Grflnde  Marrb  erscheinen  nns  nach  keiner  Richtong  durchschlagend. 
Die  60te,  ZweckmATsigkeit  and  Notwendigkeit  einer  öffentlichen  Einrichtimg 
bemüst  sich  selbstrerstAndlich  nicht  danach,  ob  etwa  den  Eltern  gewisse 
Pflichten  nnd  bestimmten  Berufen  ein  Erwerbsgebiet  entzogen  werden. 
Letztere  Rficksicht  kann  am  wenigsten  in  Betracht  fiallen,  nnd  die  Not- 
wendigkeit, ans  sozialen  GrOnden  gewisse  Eltempflichten  dem  Staate  zn 
flberbflrden,  hat  sich  schon  langst  geltend  gemacht.  Wenn  tatsächlich 
nnbegreif  lieber  passiver  Widerstand  und  Indolenz  der  Eltern  der  Behand- 
lung nnd  Heilung  der  Kinder  im  Wege  stehen  wflrden,  dann  wäre  gewi& 
der  Erfolg  noch  viel  geringer,  wenn  wir  uns  darauf  beschränken  wollten, 
die  Eltern  blols  „anzuhalten",  etwas  zu  tun;  doch  ist  die  Ansicht  Dr. 
Marrs  jedenfalls  durchaus  irrig.  Wenn  wir  den  Eltern  Gelegenheiten 
schaffen,  ihre  Kinder  richtig  behandeln  und  heilen  zu  lassen,  dann  werden 
sie  in  der  Regel  diese  Gelegenheiten  auch  gerne  benutzen,  aber  allerdings 
dürfen  diese  Gelegenheiten  mit  Rficksicht  darauf,  daTs  vorwiegend  Kinder 
weniger  Bemittelter  in  Betracht  fallen,  weder  als  ArmenfOrsorge  geboten 
werden,  noch  aber  mit  groCsen  Kosten  fflr  die  Eltern  verbunden  sein.  Ans 
diesen  Grfinden  rechtfeitigen  sich  besondere  Ftlrsorgesteüen  im  Anschlüsse 
an  die  schulärztliche  Institution  durchaus,  weil  die  Einrichtung  weder 
den  demfltigenden  Charakter  der  Armenffirsorge  in  sich  trSgt,  noch  mit 
Kosten  fftr  die  Eltern  verbunden  ist.  Einen  Einblick  aber  in  das  wirt- 
schaftliche und  intellektuelle  Niveau  der  Familie  verschafft  sich  der  Schul- 
arzt mindestens  so  gut  wie  der  private  Arzt,  vorausgesetzt,  da&  er  sidi 
nicht  bureaukratisch  von  seinem  Wirkungsgebiete  abschliefst,  was  a  limine 
auber  Betracht  fällt.     (D.  Ref.)  Schularzt  Dr.  KRAFT-Zttrich. 

Die  Srctliche  Aufsieht  fiber  die  Primlrschnlen  in  Frankreich. 
Zwar  ist  schon  durch  Gesetz  vom  SO.  Oktober  1886  angeordnet  worden, 
dafs  die  Gemeinden  oder  Departements  Schnlinspeküons&rzte  anzustellen 
haben.  Allein  die  Behörden  haben,  wie  die  „^esse  mSfUcale*'  mitteilt, 
diese  Verordnungen  zum  groben  Teil  vernachlässigt.  Strafen  gab  es  nicht, 
sie  zur  Erfflllung  obiger  Pflichten  zu  zwingen.  So  hat  z.  B.  Marseille 
noch  keinerlei  ärztliche  Beaufsichtigung  der  Schulen.  Wo  sie  besteht, 
beschäftigt  sie  sich  nur  mit  der  Prophylaxe  der  Infektionskrankheiten  nnd 
der  Besichtigung  der  Schnlräume.  Aber  auch  dies  besteht  nur  auf  dem 
Papier.  Der  Arzt  braucht  nur  zu  kommen,  wenn  er  gerufen  wird.  Und 
viele  Schulleiter  bemfihen  ihn  möglichst  wenig  oder  gar  nicht  Am 
17.  November  1904  sind  4iiese  traurigen  Verhältnisse  in  der  Deputierten- 
kammer zur  Sprache  gekommen,  und  zwar  durch  den  Abgeordneten  Vaillant. 
Es  steht  zu  hoffen,  dafs  nunmehr  Wandlung  geschehen  wird. 

Dr.  HOPF-Dresden. 

Das  aehweiceriaehe  Sehnlatnatorinm  ^^Friderkiannm^'  in  Davoa, 
das  schon  mehr  als  ein  Vierte^ahrhundert  existiert,  betont  in  seinem  Jahres- 
bericht, dads  es  sich  zur  Aufgabe  setze,  die  Zöglinge  körperlich  und  geistig 
so  auszubilden,  dais  sie  den  Anforderungen  des  Lebens  wirklich  gewachsen 
sind.  Im  allgemeinen  bestätigte  sich  im  Schu^ahre  1903/04  wieder  die 
Erfahrung  des  Instituts,  dals  ein  der  körperlidien  Leistungsfähigkeit  an- 
gepafstes  MaTs  geistiger  Tätigkeit  die  Kräftigung  des  Körpers  nicht  hindert, 
sondern  im  Gegenteil  den  GenesungsprozeCs   beschleunigt.     Viele,  die  sich 


85S 

anderwärts  krank  und  arbeitsnnf&hig  fühlen,  müssen  im  Klima  von  Dayos 
nicht  als  Patienten  behandelt  werden.  Asthmatiker  yerlieren  ihre  Anfülle, 
sie  sind,   wie  Rekonvaleszenten  nnd  Prophylaktiker,  rasch  leistungsfähig. 

Unterweianng  der  Sckftler  in  erster  Hilfeleistung.  Unter  Be- 
ziehung aof  die  Notiz  in  dieser  Zeitschrift  (1905,  Nr.  7,  S.  429)  teilt  nns 
Professor  Dr.  Kohlmann -Quedlinburg  mit,  dafs  eine  Unterweisung  der 
Schüler  der  oberen  Blassen  in  der  ersten  Hilfeleistung  bei  Unglücksfüllen 
am  dortigen  Gymnasium  bereits  seit  zwei  Jahren  stattfindet,  und  durch 
Herrn  Direktor  Dr.  Rittbb  am  Gymnasium  zu  Budolstadt,  welches  er 
früher  leitete,  bereits  vor  acht  Jahren  eingeführt  wurde. 

Die  Ferienyersorgnng  der  Stadt  Bern  wurde  im  Jahre  1876  von 
Oberst  von  Bübbn  (f  1888)  ins  Leben  gerufen  und  war  von  anfang  an, 
wie  zum  Teil  heute  noch,  das  Werk  privater  Gemeinnützigkeit.  Seit  1891 
leistet  die  Gemeinde  einen  offiziellen  jährlichen  Beitrag  von  1200  Francs. 

Der  eigentliche  Träger  der  Institution  ist  der  stadtbemische  Hilfs- 
verein, eine  Vereinigung  wohltätiger  Personen  zur  Unterstützung  dürftiger 
Mitbürger.  Finanziell  gekräftigt  wurde  die  Ferienversorgung  durch  Legate 
und  Schenkungen,  so  dafe  zurzeit  ein  Fonds  von  ca.  10000  Francs  vor- 
handen ist.  Die  jährlichen  Sammlungen  samt  den  Zinsen  des  Fonds  und 
dem  Gemeindebeitrag  betragen  8 — 9000  Francs.  Dazu  kommen  noch 
Naturalgaben  aller  Art  (Kleider,  Spezereien,  Lebensmittel). 

Im  Jahre  1904  wurden  in  acht  Kolonien  454  Kinder  (184  Knaben 
und  270  Mädchen)  verpflegt.  Die  Verpflegung  und  Logierung  wird  in 
Begie  betrieben.  Die  Kolonien  liegen  alle,  mit  Ausnahme  der  Grasburg, 
am  Südabhange  der  Bütschelegg  in  sonniger,  staubfreier  Lage.  Als  Unter- 
kunftsort dienen  unbewohnte  Häuser,  die  dann  zweckmäfsig  eingeteilt  werden. 
In  jeder  Kolonie,  die  von  vier  Lehrern  und  Lehrerinnen  geleitet  wird, 
werden  ca.  60  Kinder  für  die  Dauer  von  20  Tagen  während  der  Sommer- 
ferien verpflegt.  Die  Auswahl  der  Kinder  wird  in  den  einzelnea  Schul- 
kreisen auf  Vorschlag  der  Lehrerschaft  von  den  Schulärzten  getroffen. 
Kranke  Kinder  werden  nicht  aufgenommen.  Als  Bekonveleszentenheim  dient 
das  Chalet  Grasburg,  das  die  Stadt  eigens  zu  diesem  Zwecke  bauen  liefe 
und  wofür  sie  eine  jährliche  Summe  von  5000  Francs  ausgibt.  Nur 
während  des  Monats  Juli  wird  das  Chalet  der  städtischen  Ferienversorgung 
zur  Verfügung  gestellt.  Die  Unterhaltskosten  einer  Kolonie  betragen  per  Jahr 
ungefähr  1000  Frcs.,  die  Kosten  pro  Tag  und  Kind  durchschnittlich  1,05 
Francs.  Der  Erfolg  der  Kur  ist  sehr  befriedigend.  Die  Verpflegung  ist  ein- 
fach aber  rationell.  Sie  besteht  vorwiegend  aus  Vollmilch.  Neben  dieser 
Ernährung  tragen  die  kräftige,  gesunde  Luft  und  der  herrliche  Sonnenschein 
wohl  am  meisten  zum  Erfolge  bei.  Das  Aussehen  der  Kinder  wird  in  der 
Begel  besser;  Kraft,  Mut,  Lebenslust  und  Heiterkeit  steigern  sich. 
Wägungen  ergaben  eine  durchschnittliche  Gewichtszunahme  von  1 — IV«  kg, 
ja  sogar  bis  zu  3  kg  und  mehr.  Neben  der  körperlichen  Kräftigung  sind 
die  erzieherischen  Erfolge  nicht  von  untergeordneter  Bedeutung. 

Da  leider  immer  ein  erheblicher  Prozentsatz  von  Kindern,  die  eine 
Erholung  dringend  nötig  hätten,  zurückgewiesen  werden  mufs,  hat  man 
Halbkolonien  geschaffen,  die  den  Zweck  verfolgen,  dürftigen  Kindern 
zu  einer  besseren  Ernährung  zu  verhelfen,   indem  sie  während  der  Dauer 

46* 


«54  I 

I 

der  Ferienkolonien  in  ihren  Schnlhänsem  morgens  nnd  abends  mit  Mik& 
ond  Brot  gespeist  werden.    Die  Kosten  der  Speisnng  übernimmt  der  EDfe-      { 
verein.  Schalarzt  Dr.  KRAFT-Zarich. 

Der  Verein  für  schwer  sprechende  und  sehwaehsinnige  Kinder 
n  Amsterdam  hielt  am  4.  April  1905  seine  JahresTersammlnng  ab.  D« 
Yom  Sekretär  Dr.  W.  Posthumub  Mbtbr  vorgelegten  Jahresbericht  eot- 
nehmen  wir  folgendes: 

Der  Verein  besitzt  jetzt  in  Amsterdam  zwei  Schalen.  Der  Scholbesodi 
war  gnt,  gleichfalls  die  Erfolge  des  Unterrichts,  welche  man  wesentHdi 
den  guten  Lehrkräften  verdankt.  In  den  Jahren  1903  nnd  1904  wnrdai 
73  Kinder  aufgenommen.  Im  ganzen  wurde  f&r  140  Kinder  die  Anfnahme 
gewünscht  Alle  angenommenen  Kinder  kamen  beinahe  ohne  Ausnahme 
als  Geschöpfe  in  die  Schule,  von  deren  Zukunft  man  nach  menschlicher 
Voraussicht  beinahe  nichts  erwarten  konnte.  Alle  hatten  schon  einige  Jahre 
ohne  nennenswerte  Erfolge  die  Elementarschule  besucht,  den  Unterricht 
fttr  ihre  Mitschüler  störend  und  als  schwere  Last  für  die  Lehrer.  Daza 
kommt  die  unglückliche  Lage  des  schwachsinnigen  Kindes  in  der  Familie. 
Verspottet  wegen  seiner  Dummheit,  bestraft  und  oft  miüshandelt  wegen  der 
Äulserungen  seines  mangelhaften  Gemütslebens,  die  man  als  lauter  Uning 
betrachtet;  geneckt  und  gequält  von  beinahe  jedem,  der  mit  ihm  verkehrt; 
oft  der  Liebe  entbehrend,  welche  seine  Geschwister  genielsen,  muis  ein 
solches  Kind  sich  innerlich  gegen  die  Menschheit  empören.  Viele  zeichnea 
sich  denn  auch  durch  Widerspenstigkeit,  Faulheit,  Eigensinn,  Zuchüosig- 
keit  usw.  aus;  beinahe  alle  waren  Lügner,  oft  Betrüger;  auch  Diebstahl 
gehörte  nicht  zu  den  Seltenheiten.  Eine  groise  Anzahl  Kinder  suchte  sich 
der  Schule  zu  entziehen;  viele  kamen  oft  zu  spüt.  Manche  trieben  Strabeo- 
unfug  —  Glasscheibeneinwerfen,  Feuermachen,  alles  zerstören,  Tiere 
quälen  usw.  Einige  zeichneten  sich  durch  groise  Furcht  und  durch  Maagd 
an  Initiative  sowohl  zum  Guten  als  zum  Bösen  aus.  Ausnahmsweise  wurden 
altruistische  Äulserungen  bemerkt,  meistens  aber  waren  die  Kinder  selhst- 
süchtig,  einige  zeichneten  sich  sogar  durch  grob  tierischen  Sensualismos 
aus.  Intellektuell  waren  diese  Kinder  auch  mit  viel  jüngeren,  normaloi 
Kindern  nicht  zu  vergleichen.  Viele  besaisen  sehr  wenige  und  meistens 
unrichtige  Vorstellungen  nnd  Begriffe  über  ihre  nächste  Umgebung.  Auch 
von  allföllig  richtigen  Begriffen  machten  sie  meist  einen  sehr  unvollkom* 
menen  Gebrauch.  Der  Zusammenhang  zwischen  Ursache  und  Folge  war 
ihnen  gewöhnlich  unklar.  Beim  Klassennnterricht  bot  die  durchaus  not- 
wendige individuelle  Behandlung  dieser  Kinder  oft  groise  Schwierigkeiten, 
wenn  das  Lehrpersonal  sich  dem  Yorstellnngsvermögen  der  einzelnen  an- 
passen mufste.  Die  impulsiven,  spontanen  Äufserungen  der  Kinder  als 
Folge  einer  Assoziation,  zu  welcher  oft  ein  einzelnes  Wort  oder  ein  Ton, 
oft  eine  Bewegung  Anlafs  gaben,  wirkten  beim  Unterricht  sehr  störend. 

Dieser  Schwierigkeiten  ungeachtet  waren,  vrie  oben  schon  erwShnt, 
die  Erfolge  im  allgemeinen  gute.  Mancher  Schüler  konnte  als  nützlidies 
Individuum  wieder  in  die  Gesellschaft  zurückkehren.  Man  darf  hoffen, 
dafs  die  grofse  Mehrzahl  der  Kinder,  welche  in  den  Spezialschulen  erzogen 
werden,  in  der  Zukunft  für  sich  selbst  sorgen  können. 

Dr.  med.  J.  M.  G.  MOUTOK-Haag. 


8ÖÖ 


SaiitsiitfdiiditHdits* 


Preisavssehreibvng  betreffend  Kiiidenchvtz.  Yeranla&t  durch 
eine  »Neiyahrsbetrachtung''  des  schweizerischen  Schriftstellers  Mbinrab 
LilNBBT  über  die  Leiden  der  mifshandelten  Kinder  haben  zwei  Menschen- 
freunde Preise  gestiftet  fOr  beste  Arbeiten  über  eioen  ¥mrksamen  Einder- 
schntz,  nnd  die  weitere  Ausführung  ihrer  schönen  Absicht  der  unterzeich- 
neten Fakultät  übertragen. 

Es  werden  demnach  zwei  Preisaufgaben  gestellt: 

I.  Die  körperliche  Milshandlung  von  Kindern  durch  Personen,  welchen 
die  Fürsorgepflicht  für  dieselben  obliegt. 

Die  hauptsächlichsten  Erscheinungsformen  der  Milshandlung,  ihre  indi- 
viduellen und  sozialen  Ursachen.  Welche  vorbeugenden  Maisnahmen  sind 
möglich?  Wie  könnten  die  Einzelfälle  leichter  und  in  umfassenderer  Weise 
zur  Kenntnis  der  Behörden  gebracht  werden  ?  Welche  Repressivmaüsregein 
sind  die  zweekmälsigsten?  Schonendes  Vorgehen  bei  ihrer  Anwendung, 
Art  und  Dauer  derselben,  Fürsorgeerziehung  in  Anstalten  oder  Familien? 

n.  Die  Überanstrengung  von  Kindern  durch  Personen,  welchen  die 
Fürsorgepflicht  für  dieselben  obliegt,  oder  durch  Personen,  welchen  die 
Kinder  zu  Arbeitsleistungen  überlassen  worden  sind. 

Die  hauptsächlichsten  Erscheinungsformen:  Überanstrengung  im  Haus- 
halt, in  der  Hausindustrie,  ihre  Ursachen,  die  möglichen  Vorbeugungsmittel. 
Wie  könnten  Einzelfälle  leichter  und  in  umfassender  Weise  zur  Kenntnis 
der  Behörden  gebracht  werden  (Inspektion  der  Hausindustrie)?  Welche 
Bepressivmalsregeln  sind  die  zwecJonälsigsten?  Ihre  Art,  ihre  Dauer,  die 
schonende  Berücksichtigung  der  Familienbeziehung. 

Für  beide  Arbeiten  wird  gewünscht,  daüs  die  aus  den  AusfOhrungen 
sich  ergebenden  Postulate  an  die  Gesetzgebung  übersichtlich  zusammengefaCst 
und  auf  die  Verhältnisse  eines  bestimmten  Landes,  vorzugsweise  der  Schweiz, 
bezogen  werden.  Es  ist  auch  das  organische  Zusammenwirken  behördlicher 
Tätigkeit  mit  der  freien  privaten  Liebestätigkeit  zu  berücksichtigen. 

*  ♦ 

Dei  Fakultät  ist  fär  die  Prämiierung  der  besten  Lösungen  beider 
Preisaufgaben  ein  Betrag  von  4000  Fr.  im  ganzen  zur  Verfügung  gestellt. 
Es  bleibt  dem  von  der  Fakultät  zu  bestellenden  Preisgerichte  vorbehalten, 
für  jede  der  beiden  Aufgaben  nur  einen  Preis  von  2000  Fr.  zuzusprechen 
oder  diesen  Betrag  in  höchstens  drei  Preise  zu  teilen. 

Jedermann  ist  eingeladen,  sich  an  diesem  Wettbewerb  zu  beteiligen, 
vor  allem  werden  Arbeiten  aus  den  Kreisen  der  Lehrer  und  Erzieher,  der 
Volkswirtschafüer,  der  Männer  der  Gemeinnützigkeit,  der  Mediziner  und 
der  Juristen  erwartet. 

Die  Arbeiten  sollen  den  Umfang  von  etwa  zehn  Druckbogen  nicht 
flberschreiten.  Sie  können  in  deutscher,  französischer,  italienischer  oder 
englischer  Sprache  abge&fst  werden.    Sie  sind  bis  spätestens  den  1.  Juli 


856 

1906  der  Fakultät  einzareichen.  Die  Arbeit  hat  ein  Motto  za  tragen; 
mit  demselben  Motto  ist  das  verschlossene  KüTert  zn  versehen,  das  den 
Namen  des  Verfassers  enthält. 

Die  prämiierten  Arbeiten  gehen  in  das  Eigentum  und  das  Yerlagsrecht 
der  Fakultät  Ober;  nicht  prämiierte  Arbeiten  können  während  eines  Jahres 
von  den  Verfassern  zurückgenommen  werden. 
Zflrich,  den  6.  März  1905. 
Die  staatswissenschaftliche  Fakultät  der  Universität  Zflrich. 

(„Scktaeig,  Lekreretg,'',  Nr.  22,  1905.) 
Der  xweite  internationale  Kongrers  Ar  Schnlhygiene  soll  in 
London  am  5.— 10.  August  1907  stattfinden,  und  zwar  in  Parkes  Museum, 
Margaret  Street,  W.     Präsident  des  Organisationskomitees  ist  Sir  Laüdeb 
Brunton,  Quästor  R.  Biddulph  Martin.    Die  Bedingungen  zur  Teil- 
nahme am  Eongrefs  sind  dieselben,  wie  sie  ftbr  den   ersten  Kongreüs  in 
NOmberg  aufgestellt  waren.     Es  wird  zur  Bildung  von  Lokalkomitees   in 
allen  Ländern  aufgefordert.     £s  sind  folgende  Sektionen  vorgesehen: 
I.  Schulbau  und  -Einrichtung. 
U.  Hygiene  der  Bflrgerschulen. 
III   Methoden  der  hygienischen  Schuluntersuchung. 
lY.  Die  Physiologie  und  Psychologie  der  Erziehungsmethoden. 
V.  Hygieneunterricht  für  Lehrer  und  Schüler. 

VI.  Physische  Erziehung  und  Ausbildung  in  persönlicher  Gesundheitspflege. 
Vn.  Infektionskrankheiten,  Gesundheitsstörungen  und  ungünstige  Bedingungen 

für  ihre  Bekämpfung. 
Yin.  Spezialschulen  mit  Einschlnfs  deijenigen  für  Schwachsinnige,  Blinde, 
Taube,  Stumme,  Krüppel,  Invalide  und  abnorme  Kinder. 
IX.  Ferienkolonien  und  -Schulen.   Beziehungen  zwischen  Haus  und  Schule. 
X.  Die  Hygiene  des  Lehrpersonals. 
Yereinigniig  Ar  Kinderforschnng  in  Mannheim.    Infolge  der 
erfreulichen  Entwicklung  der  Fürsorge  für  die  gesamte  Jugend  sowie  des 
wachsenden  Verständnisses  für  die  Aufgaben  und  Ziele  der  Kinderforschung 
hat   sich  auch  in  Mannheim  das  Bedürfois  nach  einem  Zusammenschlufa 
aller  derer  geltend  gemacht,  die  für  das  Kind  und  dessen  Entwicklung  in 
gesunden  und  kranken  Tagen  ein  tiefergehendes  Interesse  haben.    Im  Ok- 
tober vorigen  Jahres  sind  auch  bereits  Mannheimer  Ärzte  und  Pädagogen 
zu  einer  Vereinigung  für  Kinderforschung  zusammengetreten. 

Die  Vereinigung  hat  den  Zweck,  bei  allen  mit  der  Sorge  für  die 
Jugend  Betrauten  Verständnis  und  Teilnahme  für  deren  Wohl  und  Wehe 
zu  erwecken,  zur  richtigen  Beobachtung  des  Kindes  und  seiner  Entwicklung 
anzuleiten  und  zur  wissenschaftlichen  Erforschung  des  kindlichen  Wesens 
in  seiner  normalen  und  abnormen  Eigenart  nach  Kräften  mit  beizutragen. 
Diesen  Zweck  sucht  die  Vereinigung  durch  Veranstaltung  von  Vorträgen 
und  daran  sich  anschliefsenden  eingehenden  Diskussionen  zu  erreichen.  Im 
vergangenen  Verein^ahr  wurden  folgende  Themen  behandelt:  1.  Einige 
Fälle  von  Nervenkrankheiten  im  Kindesalter  (Dr.  Mahn),  2.  Zur  Theorie 
der  Aufrnerksamkeit  (HaupUehrer  Endhrlin),  8.  Die  sexuelle  Aufklärung 
der  Jugend  (Dr.  MofiBs),  4.  Über  Ermüdung  und  Ermüdungamessungen 
(Dr.  Stbphaki),  5.  Taubheit  und  Taubstummheit  (Hanptlehrer  Tritsohlbr). 


857 

Fflr  das  kommende  Yerein^ahr  sind  n.  a.  Vorträge  nnd  Besprechungen 
in  Aussicht  genommen  über  die  Abartungen  der  Phantasie  im  Kindesalter, 
ttber  das  einzige  Kind,  über  Kinderpsychologisches  in  Gottfribd  Kbllbbs 
Schriften,  über  die  Methoden  des  fremdsprachlichen  Unterrichts,  über  plasti- 
sches Gestalten  und  Darstellen  im  Kindesalter,  Ober  Entwicklung  der  In- 
telligenz, über  Schwerhörigkeit  und  deren  Behandlung,  Aber  Jugendspiel- 
bewegung u.  a.  m.  Zum  Beitritt  in  die  Vereinigung  ladet  ein  der  Vorstand, 
bestehend  aus  den  Herrn  Dr.  med.  Moses,  Prof.  Dr.  Popp  und  Hauptlehrer 
Enderlin. 

Schnlhygienische  Bibliothek  in  Berlin.  Der  Berliner  Verein  für 
Schulgesundheitspflege  beabsichtigt  die  Gründung  einer  schulhygienischen 
BibDothek.  Derselbe  bittet  daher  alle  Autoren,  die  über  schulhygienische 
oder  verwandte  (pädagogische,  psychologische,  hygienische  usw.)  Fragen 
Arbeiten  veröffentlicht  haben,  diese  dem  Verein  einzusenden  resp.  ein  Ver- 
zeichnis ihrer  Arbeiten  zu  geben  zur  eventuellen  Anschaffung. 

Auch  werden  die  Herren  Verleger  gebeten,  ein  Verzeichnis  der  in 
ihrem  Verlage  erschienenen  einschlägigen  Werke  einzusenden. 

Sendungen  sind  zu  richten  an  R.  SOHüLZ,  Bibliothekskustos  des  Vereins 
f&r  iimere  Medizin,  Schönebergerufer  11. 

Klagen  einer  Mutter  Aber  die  Schalbfleher  sind  dem  y^Berl, 
LohaJrAne,*^  zugegangen.  Ein  kleiner  schwächlicher  Bube  von  sechs  Jahren 
—  schreibt  die  Mutter  —  muis  6 — 7  Pfund  Bücher  tragen.  Darum  tut 
Abhilfe  bezüglich  der  Bücher  besonders  not.  Ihre  Schrift  ist  so  fein,  da(s 
die  Kinder  schon  im  frühesten  Alter  augenleidend  werden  müssen.  Warum 
macht  man  nicht  kleine,  dünne  Bücher  mit  grolser  Schrift,  und  aus  einem 
Lehrbuch,  das  zwei  Jahre  und  länger  währen  soll,  zwei  bis  drei  Teile? 

Die  Errichtung  von  Waldschulen  in  Berlin  beantragen  die  sozial- 
demokratischen Stadtverordneten.  Sie  ersuchen  den  Magistrat,  die  Errichtung 
von  Waldschulen  ftbr  schwächliche  Kinder  in  Erwägung  zu  ziehen. 

Znr  Förderung  der  Jngendspiele  wird,  wie  der  y^Berl,  Lokal- Anz^ 
berichtet,  während  der  nächsten  Osterferien  auf  Anregung  der  Regierung 
zn  Potsdam  ein  Kursus  zur  Ausbildung  von  Lehrerinnen  in  Jngendspielen 
abgehalten  werden,  an  dem  sich  die  Gemeinden  Wilmersdorf,  Schmargen- 
dorf,  Grunewald  und  Dahlem  beteiligen  werden. 

Ein  neues  Kinderheim  in  ZeUendorf  ist  dank  privater  Opfer- 
willigkeit errichtet  worden.  Dasselbe  ist  bereits  im  Rohbau  vollendet  und 
soll  am  1.  April  1906  eröffiiet  werden.  Zum  Direktor  dieser  neuen  Wohl- 
fahrtsanstalt ist  der  Lehrer  und  Schriftsteller  Conrad  AeAHD -Rixdorf 
erwählt,  der,  wie  bekannt,  seit  Jahren  mit  Freimut  und  Tatkraft  auf  dem 
Gebiete  der  Kinderschutz-  und  Jugendfürsorgebestrebungen  als  Vorkämpfer 
tätig  gewesen  ist. 

Der  holländische  „Verein  von  Lehrern  und  Ärzten,  welche  für 
Einrichtungen  fBr  achwachsinuige  und  nervenschwache  Kinder  ar- 
beiteu'S  hat  in  seiner  vierten  allgemeinen  Zusammenkunft  zu  Rotterdam 
im  April  d.  J.  folgende  Beschlüsse  gefaCst: 

1.  Zur  Untersuchung  betreffs  Aufnahme  in  eine  Schule  für  schwach- 
sinnige Kinder  werden  in  der  Regel  Schüler  zngeUssen,  welche  mindestens 
ein  Jahr  die  gewöhnliche  Elementarschule  besucht  haben. 


868 

2.  Der  Lehrer  der  betreflEiendeii  Elemeiitarsdiiile  gibt  eine  schriftliche 
Erkl&mng  ab,  «os  welcher  herrorgeht,  weshalb  er  das  Kind  als  schirach- 
flinnig  betrachtet. 

3.  Die  medizinisch-pftdaoggische  Untersnchnng  dehnt  sich  ans  Aber  die 
Vorgeschichte  nnd  über  den  körperlichen  and  geistigen  Zustand  des  Kindes. 
Eines  der  Eltern  oder  beide  geben  bei  der  Untersnchnng  die  nötigen  £r- 
Uftmngen  ab. 

4.  In  der  Regel  findet  eine  provisorische  Anfiiahme  der  Schaler  statt. 
Nach  einem  Aufenthalt  von  mindestens  drei  Monaten  in  der  Klasse  für 
Schwachsisnige  wird  Ober  die  definitive  An&ahme  entschieden. 

Dr.  med.  J.  M.  C.  MouTOH-Haag. 

Ober  Walderholu^sstltten  ud  Waldaekvlen  sprach  Dr.  HOtqbb- 
Göln  auf  der  ordentücheo  Hanptyersammlnng  des  Niederrheinischen  Vereins 
fflr  öffentliche  Gesundheitspflege  am  28.  Oktober. 

Eine  inteniationale  pldago/dsche  AasstelliiBg  in  Bareeleia 
sollte  vom  Mai  bis  Oktober  dieses  Jahres  stattfinden  (s.  diese  ZeUschrifi^ 
1905,  S.  201).  Wie  der  Sekretär  Herr  Dr.  med.  Kaupp  mitteüt,  ist  die 
Ausstellung  auf  das  nächste  Frtüuahr  verschoben,  mit  Rflcksicht  auf  ver- 
schiedene Stsaten,  die  infolge  der  Kflrze  der  Zeit  in  diesem  Jahre  nicht 
hatten  teilnehmen  können,  und  wird  vom  1.  April  bis  30.  September 
1906  sUttfinden. 

Verbot  des  Tragens  Yen  Korsetts.  Wie  die  Tagesblätter  melden, 
hat  unlängst  der  Leiter  der  höheren  Töchterschule  zu  Saarbrücken  an 
die  Regierung  in  Trier  die  Anfrage  gerichtet,  ob  er  ein  Verbot  für  die 
SchtUerinnen  seiner  Anstalt  erlassen  dfirfe,  das  das  Tragen  des  Korsetts 
während  des  Turnens  untersagt.  Darauf  ist  von  der  Regierung  folgende 
Verfügung  eingelaufen,  die  allgemeine  Beachtung  verdient:  „Aul  Grund  des 
von  Ihnen  angefahrten  Erlasses  vom  20.  März  dieses  Jahres  ist  es  all^- 
dings  gestattet,  das  Tragen  von  Korsetts  beim  Turnen  ohne  weiteres  zu 
verbieten.  W^ir  beauftragen  Sie  daher,  dieses  Verbot  in  unserem  Namen 
ergehen  zu  lassen,  und  zwar  so,  daCs  dem  Verbot  unter  allen  Umständen 
Folge  geleistet  werden  muls.''  Dieses  Vorgehen  verdient  bei  allen  Schul- 
leitern und  Schulleiterinnen  Nachahmung  trotz  etwaigen  Widerspruchs  arg 
gepanzerter  Mfltter! 

Die  Zäkno  der  Seknlkinder  in  Wiatorthnr  (Schweiz)  scheinen 
nicht  besser  zu  sein  als  anderswo.  Wenigstens  hat  Zahnarzt  Hblbing, 
Mitglied  der  Schulpflege,  auf  Grund  eigener  Untersuchungen  in  den  Schulen 
der  genannten  Stadt  einen  Bericht  veröffentlicht,  in  welchen  er  einen  be- 
denklichen Zustand  des  Grebisses  der  Schulkinder  konstatiert.  98%  der 
Kinder  leiden  an  schlechten  Zähnen.  70%  kennen  keine,  20%  nur  eine 
ungenügende  Zahnpflege;  nur  10%  reinigen  ihre  Gebisse.  Hblbino  regt 
nnn  bei  der  Schulpflege  regelmälsige  Zahnuntersuchungen,  Belehrungen  über 
die  Notwendigkeit  der  Zahnpflege,  ferner  unentgeltliche  Verabreichung  von 
Zahnbürsten  und  von  Zahnpulver  an  Unbemittelte,  unentgeltliche  Entfernung 
schlechter  Zähne  und  in  zweiter  Lmie  auch  unentgeltliche  Plombage  kranker 
Zähne  an. 

Drei  MU  Jngoidkorta  sind  im  V.  Kreis  der  Stadt  Zürich  diesen 
Herbst   gegründet  worden.    Dieselben   sind   in  zw«  Schnlhäusem  unter-f 


859 

gebracht.  Jede  Familie  zfthlt  30  schulpflichtige  Kinder  yom  7. — 14.  Alters- 
jahre nnd  ist  in  der  glflcklichen  Lage,  eine  möglichst  einheitliche  Leitmig 
SEQ  besitzen.  Der  Mftdchenhort  ist  einer  Dame  anvertraut,  während  die 
Führung  der  beiden  Enabenhorte  in  die  Hände  yon  zwei  jungen  Lehrern 
gelegt  werden  konnte. 

In  einem  Anfsatis  fiber  die  Rflckständigkeiten  im  sehweize- 
rischeB  BlindeBweaen  und  die  notwendigen  Hafsregeln  zu  ihrer  Be- 
seitigung {„N.  Zürch,  Zig."")  stellt  Direktor  G.  Eull  folgendes  Postulat 
auf:  In  einer  von  den  Vorständen  des  schweizerischen  Blinden-,  Taub- 
stummen-  und  Schwachsinnigenwesens  gemeinschaftlich  einzureichenden  Ein- 
gabe sind  die  Erziehungsdirektionen  aller  Kantone  einzuladen:  a)  zur 
konsequenten  Durchführung  der  Forderung  der  „Anzeigepflicht*'  auch  sämt- 
licher anormalen  Kinder  bei  ihrem  Eintritt  ins  schulpflichtige  Alter  (zurück- 
gelegtes sechstes  Lebensjahr);  b)  zur  Einführung  und  Durchführung  der 
gesetzlichen  Schulpflicht  fQr  alle  noch  bildungsfthigen  anormalen  (blinden, 
taubstummen,  epileptischen,  hörenden  schwachsinnigen)  Kinder;  c)  die  Bil- 
dungskosten resp.  Verpflegungsgelder  fär  solche  schulpflichtige  anormale 
Kinder  bedürftiger  Eltern  als  direkte  „allgemeine  öffentliche  SchuUasten^ 
zu  erklären,  den  Ortsschulbehörden  zu  übertragen  und  damit  die  Ortsarmen- 
pflegen für  die  Zeit  der  schulpflichtigen  Jahre  solcher  anormaler  Kinder 
auszuschalten. 

Eine  Dozentur  Ar  Schulhygiene  für  Lehrer  in  Kopenhagen. 
In  Dänemark  haben  die  Volksschullehrer  und  -Lehrerinnen  seit  mehreren 
Jahren  in  den  Seminarien  Unterricht  in  Gesundheitslehre  und  in  Pädagogik 
erhalten.  Künftig  wird  dies  auch  für  die  Lehrer  und  Lehrerinnen  der 
höheren  Schulen  der  Fall  sein,  und  in  diesem  Jahre  ist  eine  spezielle 
Dozentur  für  Schulhygiene  für  alle  Lehrer,  die  Anstellung  an  den 
höheren  Schulen  suchen,  errichtet  worden.  Der  Dozent  soll  Vorlesungen 
ftT  die  Lehrer  halten,  und  am  Ende  des  Semesters  müssen  sie  sich  einer 
mündlichen  Probe  in  Gesundheitslehre  unterwerfen.  Der  Verein  zur  För- 
derung der  Schulhygiene  hat  das  Verdienst,  die  Initiative  hierzu  ergriffen 
und  in  einem  Antrage  an  das  Ministerium  eindringend  für  die  Anstellung 
eines  speziellen  Dozenten  in  Schulhygiene  das  Wort  genommen  zu  haben. 
In  der  letzten  Beichstagssession  wurden  1200  Kronen  jährlich  für  diese 
Dozentur  bewilligt.  DaTs  Kenntnis  der  Gesundheitslehre  für  alle  Lehrer 
notwendig  ist,  hat  so  eine  offizielle  Anerkennung  erhalten. 

Prof.  Axel  HERTBL-Kopenhagen. 

Die  Winterkolonie  des  Hamburger  Wohltltigen  SchnlToreinSy 
Tannenhof,  ist,  wie  wir  der  „Päd,  Bef^  (Nr.  40)  entnehmen,  am  7.  Ok- 
tober mit  27  Kindern,  Knaben  und  Mädchen,  eröffnet  worden.  Es  sind 
felis  Kinder  mit  Krankheits-  und  Schwächeerscheinungen,  teils  solche,  die 
tür  Rechnung  der  Ferienkommission  während  des  Sommers  eine  rierwOchige 
Solbadkur  im  Pflegeheim  Oldesloe  genossen  und  noch  einer  Nachkur  dringend 
bedürfen,  teils  in  Genesung  nach  schwerer  Krankheit  befindliche,  deren 
Gesundung  unter  der  Ungunst  ihrer  häuslichen  Verhältnisse  verzögert  wird, 
bezw.  bei  denen  die  Entwicklung  eines  ernsten  Leidens  zu  befürchten  ist, 
endlich  noch  einige  Selbstzahler,  deren  Eltern  wünschen,  dais  ihre  appetit- 
lose Kinder    »essen   lernen   sollen^.     Die  Auswahl   geschah   durch    den 


860 

YertraoeiiBarzt  der  FerienkominissioD,  Herrn  Dr.  Zaddaoh.  Die  ftrztliclie 
Behandlung  in  der  Kolonie  liegt  in  den  Hftnden  des  Herrn  Dr.  Wdesb  in 
Fnhlsbüttel,  nach  dessen  Anordnungen  sich  die  Daner  des  Anfenthahs  od 
die  medizinische  Behandlung  der  Kinder  richtet  Pflegerin  der  Winter- 
kolonie  ist  wie  im  Voijahre  Franlein  W.  Matthak.  —  Es  ist  anch  die 
Frage  erörtert  worden,  ob  die  Ferienkolonisten  wfthrend  ihres  znm  Teil 
monatelangen  Aufenthalts  täglich  einige  Stunden  Unterricht  genielsen  sollen. 
Die  eingeforderten  ärztlichen  und  pädagogischen  Gutachten  lauten  jedoch 
weitaus  fiberwiegend  dahin,  dab  Ton  jeglicher  geistigen  Beschäftigung,  mit 
alleiniger  Ausnahme  der  LektOre  an  den  Abenden,  abzusehen  ist.  Es  sind 
ja  auch  fast  sämtliche  Kinder  bereits  seit  Wochen  vom  Schulunterridite 
dispensiert! 

Erlars  betr.  die  Unterweisuis  der  bayerischen  Lehramfakisdi- 
daten  in  der  Schulhygiene.  Nachdem  sich  herausgestellt  hat,  dab  die 
gröbere  Zahl  der  Lehramtskandidaten  die  seit  dem  Jahre  1896  unentgeltlich 
abgehaltenen  und  von  der  Unterrichtsverwaltung  wiederholt  anempfohlenes 
Vorlesungen  und  Kolloquien  über  Schulhygiene,  zum  Teil  unter  Hinweis 
auf  die  starke  Inanspruchnahme  mit  PflichtTorlesungen,  unbeachtet  gelassen 
hat,  wird  durch  Ministerialerlab  yom  5.  September  d.  J.  angeordnet,  dab 
kflnitig  jeder  Lehramtskandidat  bei  der  Meldung  zur  Prfifnng  sich  Aber 
den  Besuch  von  Vorlesungen  oder  Kolloquien  fiber  Schulhygiene  anszuweiseQ 
hat.  Unter  einem  ergeht  an  die  Dekanate  der  philosophischen  Fakultäteo 
das  Ersuchen,  die  betreffenden  Vorlesungen  nach  Angabe  der  Dozenten 
gesondert  in  geeigneter  Weise  anzulcfindigen.  Femer  sollen  im  Inter^se 
der  bereits  im  praktischen  Lehramt  wirkenden  Lehrer  die  genannten  Vor- 
lesungen tunlichst  in  den  FerialfortbOdungskursen  berficksichtigt  und  ein- 
zelnen Lehrpersonen  zur  Teilnahme  an  hygienischen  Kongressen  und  zn 
Studien  hygienischer  Schuleinrichtungen  im  Auslande  Untersttttzungen  gewährt 
werden.  {„Mün^iener  Hoc^ischulnaehrkhtm.^) 


^Xtittlidit  Dtrf«t)stiti)tst. 


Die  Able^nng  der  Prlfling  als  Sehwimmlehrerin. 

Erlafs  vom  2.  Juni  1905. 

Zur  Verbreitung  des  Mädchenschwimmens,  welches  zwecks  gesundheitr 
lieber  Kräftigung  der  weiblichen  Jugend  tunlichst  zu  fördern  ist,  erscheint 
es  erwünscht,  den  Tumlehrerinnen  in  ähnlicher  Weise  wie  den  Tumlehrem 
Gelegenheit  zu  geben,  die  Befähigung  zur  Erteilung  Ton  Schwimmunter- 
richt nachzuweisen.  Ich  will  daher  zunächst  die  Prafnngskommission  zur 
Prüfung  von  Tumlehrerinnen  in  Beriin,  Königsberg,  Breslau  und  Magde- 
burg hierdurch  ermächtigen,  solche  Bewerberinnen,  welche  im  Anschlüsse 
an  die  Prfifnng  als  Tumlehrerin   auch  eine  solche  als  Sehwimmlehrerin 


861 

abzulegen  wünschen  nnd  nachweisen,  dals  sie  hierzu  durch  geordneten 
Unterricht  vorbereitet  sind,  zu  einer  entsprechenden  Prüfung  zuzulassen. 
Ew.  Exzellenz  ersuche  ich  ergebenst,  mir  zur  Ergänzung  bezw.  anderweiten 
Zusammensetzung  der  dortigen  Kommission  gefälligst  geeignete  Vorschläge 
zu  machen.  Dabei  wird  zu*berücksichtigen  sein,  dafs  die  praktische  Prüfung 
der  Bewerberinnen  im  Schwimmen  und  in  den  dazugehörigen  Fertigkeiten 
nur  von  weiblichen  Kommissionsmitgliedem  vorzunehmen  ist.  Die  Zahl 
der  letzteren  wird  demgemäüs  für  diesen  Zweck  mindestens  zwei  zu  betragen 
haben,  welche  beide  des  Schwimmens  kundig  sein  müssen,  und  von  denen 
mindestens  eine  später  stets  eine  geprüfte  Schwimmlehrerin  sein  mufs.  Ob 
und  wie  fQr  den  Anfang  die  Befähigung  der  betreffenden  weiblichen  Mit- 
glieder der  Prüfungskommission  besonders  festzustellen  sein  wird,  überlasse 
ich  der  gefälligen  Erwägung  Ew.  Exzellenz. 

Die  Prüfung  selbst  ist  im  wesentlichen  nach  Mafsgabe  der  Anlage  b 
zu  der  Prüfungsordnung  vom  15.  Mai  1894  —  ü.  m.  B.  1477.  I.  — 
vorzunehmen. 

Insonderheit  sind  in  der  praktischen  Prüfung  bezüglich  derjenigen 
Fertigkeiten  und  Eigenschaften,  welche  für  das  Retten  im  Wasser  Ver- 
unglückter und  ihre  Behandlung  bis  zur  Ankunft  eines  Arztes  notwendig 
Bind,  an  die  Schwimmlehrerinnen  nicht  weniger  strenge  Anforderungen  zu 
stellen  als  an  die  Schwimmlehrer.  Wegen  der  bei  Beurteilung  der  Leistungen 
anzuwendenden  Prädikate  verweise  ich  auf  meinen  Erlaßt  vom  16.  Mai  d.  J. 
—  U.  m.  B.  1442  — . 

Ew.  Exzellenz  ersuche  ich  hiemach  ergebenst,  das  weitere  gefälligst 
zu  veranlassen,  auch  das  dortige  Provinzial- Schulkollegium  auf  dessen  an 
mich  gerichteten  Bericht  vom  11.  Februar  d.  J.  —  1373  —  entsprechend 
zu  benachrichtigen. 

Berlin,  den  2.  Juni  1905. 
Der  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinal-Angelegenheiten. 

In  Vertretung, 
gez.  Wkvrr. 
An  die  Herren  Ober-Präsidenten. 

U.  m.  B.  1383.     U.  m.  D.     M. 

(„MMsi.'BL  f.  MedM.  u.  media.  Unterrichts-Angdegenh.'' ^  Nr.  13). 


Unterweisung  der  Lehramtskandidaten  Ar  Mittelsckulen 
in  Schulhygiene. 

Erlafs  des  k.  k.  österreichischen  Ministeriums  für  Kultus  und 
Unterricht  vom  5.  Oktober  1905. 

Die  raschen  und  vielfachen  Fortschritte  auf  dem  Gebiete  der  Schul- 
hygiene als  Wissenschaft,  und  die  günstigen  Erfahrungen  in  der  praktischen 
DurchfOhrung  ihrer  als  richtig  erkannten  Grundsätze  erheischen,  dafis  diesem 
bisher  zu  wenig  beachteten  Schulfaktor  eine  erhöhte  Aufmerksamkeit  zu- 
gewendet werde.  Die  Unterrichtsverwaltung  hat  schon  in  mehreren  Erlassen 
die  Lehrerschaft  auf  die  Wichtigkeit  dieses  Gegenstandes  aufmerksam  ge- 


862 

macht,  einzelne  Fordenmgen  der  theoretiflchen  Schnlhygiene  snr  praktiflcfaea 
Dnrchflihiiing  gebracht,  und  auch  auf  die  Unterweisung  der  Lehrer  in  diesff 
Disziplin  Bedacht  genommen.  So  hat  sie  bereits  im  Jahre  1896  aa- 
geordnet,  daTs  an  den  medizinischen  Fakultäten  Vortrage  Aber  Scholgesirad- 
heitspflege  fBr  Lehramtskandidaten,  nnd  zwar  jedes  zweite  Jahr  entweder 
in  Jedem  Wintersemester  im  Ausmalse  Ton  zwei  Stnnden,  oder  in  jedem 
Sommersemester  im  AusmaGBe  von  drei  Stnnden  in  der  Woche,  nnentgeltlidi 
abgehalten  werden,  nnd  hat  behnfs  CYentneller  Anschaffung  des  für  diesen 
demonstratiTen  Unterricht  erforderlichen  Materials  (an  Modeilen,  Wandtafehi 
n.  dergl.)  besondere  Subventionen  in  Aussicht  gestellt 

Die  eingeholten  Berichte  Ober  die  mit  diesen  Yortr&gen  gemachtes 
Erfahrungen  lassen  zwar  erkennen,  dafs  einzelne  Lehramtskandidaten  ia 
richtiger  Erkenntnis  der  Wichtigkeit  dieses  Gegenstandes  f&r  ihre  berufliche 
Ausbildung  mit  Fleils  und  Eifer  diese  Vorlesungen  besuchen,  an  den  Ex- 
kursionen teilnehmen  und  sich  auch  Kolloquien  aus  diesem  (jegenstande 
unterziehen.  Allein  die  grOfsere  Zahl  der  Studierenden  liefe  die  Yoriesungen 
zum  Teile  unter  Hinweis  auf  die  starke  Inanspruchnahme  mit  Pflichtvor- 
lesungen unbeachtet.  Um  nun  den  Besuch  dieser  Vorlesungen,  ftkr  deren 
Obligaterklämng  bereits  Stimmen  laut  geworden  sind,  zu  steigern,  wird  bis 
auf  weiteres  im  Rahmen  der  bestehenden  Prafungsvonchrift  und  sonstiger 
Normen  angeordnet: 

1.  Jeder  Lehramtskandidat  hat  bei  seiner  Meldung  zur  Prüfung  im 
Sinne  des  Artikels  11  der  PrttfuDgsvorschrift  vom  30.  August  1897  in 
seinem  Gesudie  auch  anzugeben,  ob  er  Yoriesungen  über  Schulhygiene  be- 
sucht hat,  und  dies  eventuell  durch  Vorlage  von  Kolloquienzeugnissen  zu 
erweisen.  Es  ist  wünschenswert,  dafs  von  diesem  Nachweise  auch  in  dem 
PrOfiingszeugnisse  Erwähnung  geschehe,  daher  werden  die  Direktionen 
der  wissenschaftlichen  Prüfungskommissionen  ermächtigt,  im  Sinne  des 
Artikels  XXm  der  erwähnten  PrOfnngsvorschrift  bei  Abfassung  des  Lehr- 
befthigungszeugnisses  auf  den  genannten  Nachweis  ausdrücklicJi  Rücksicht 
zu  nehmen.  Gleichzeitig  werden  die  k.  k.  Landesschulbehörden  angewiesen, 
bei  Erstattung  von  Vorschlägen  fQr  die  Besetzung  erledigter  Lehrstellen  an 
Mittelschulen  in  der  Qualifikationstabelle  der  Bewerber  oder  im  Vorlage- 
berichte selbst  ausdrücklich  hervorzuheben,  ob  ein  Kandidat  Vorlesungen 
über  Schulhygiene  besucht  und  Kolloquienzeugnisse  erworben  habe. 

2.  Damit  die  Studierenden  (Lehramtskandidaten)  auf  die  Yoriesungen 
über  Schulhygiene  besonders  aufmerksam  gemacht  werden,  ergeht  unter 
einem  an  die  Dekanate  der  philosophischen  Fakultäten  das  Ersuchen,  die 
genannten  Vorlesungen  über  Schulhygiene  in  den  festgesetzten  Semestern 
nach  Angabe  der  Dozenten  gesondert  in  der  ihnen  geeignet  erscheinenden 
Weise  anzukündigen. 

3.  Um  aber  die  bereits  im  praktischen  Lehramte  wirkenden  Lehrer 
von  den  Fortschritten  in  der  Schulhygiene  fortgesetzt  in  Kenntnis  zu  er- 
halten, ist  es  sehr  wünschenswert,  daCs  in  die  Programme  der  mit  dem 
Ministerialerlasse  vom  8.  Januar  1905  angeordneten  Ferialfortbildungskurse 
für  Mittelschullehrer,  wenn  nicht  regelmäßig,  so  doch  mlVglichst  oft  Vorträge 
über  Schulhygiene,  in  Verbindung  der  Besichtigung  modemer  Schnlbanten, 
aufgenommen  werden. 


4.  Endlich  ist  das  Ministeriiim  bereit,  nach  Mabgabe  der  verfügbaren 
Mittel  einzelnen  Lehrpersonen  über  besonderes  Ansuchen  Unterstfttznngen 
nr  Teilnahme  an  hygienischen  Kongressen  und  zu  Studien  hygienischer 
Schuleinrichtungen  im  Auslande  zu  gewähren. 

(„Wien.  Ztg.""  v.  7.  Oktbr.  1905.) 


£ittratnx. 


Besprechungen. 

Stoll,  Hans,  Dr.  Alkohol  und  Kaffee  in  ihrer  Wirkung  anf  Herz- 
leiden und  nervSse  StSrnngen.  2.  Aufl.  Leipzig,  B.  Konegen,  1905. 
8^  29  S.  Mk.  0,50. 
Der  Einflnls  des  Alkohols  auf  das  menschliche  GefUssystem  ist  schon 
seit  längerer  Zeit  bekannt;  in  Bestätigung  früherer  aUgemeinerer  Er- 
fahrungen hat  die  Schule  der  modernen  „Herz^- Spezialisten,  zu  denen 
auch  der  Verfasser  dieser  Schrift  gehört,  konstatiert,  dafe  Alkohol  einen 
erweiternden  (diktierenden),  und  somit  die  Herzkraft  schwächenden  £in- 
flufs  auf  das  Herz  hat,  welcher  schon  nach  einmaligem  Genüsse  einer 
grOlseren  Dosis  nachweisbar  ist,  bei  chronischem  Gebrauche  aber  stabil 
wird.  Der  Kaffee  dagegen  hat  eine  in  gewissem  Sinne  gegenteilige 
Wirkung:  ^Wenn  der  Alkohol  durch  Erweiterung  des  Herzens  und  Gefäß- 
systems den  Blutdruck  herabsetzt,  so  steigert  das  Koffein  (die  wirksame 
Substanz  im  Kaffee  und  Tee)  durch  Zusammenziehung  beider  den  Blut- 
druck im  Körper.  In  der  Zusammenstellung  der  Wirkungen  beider  Stoffe 
liegt  die  Hauptbedeutung  dieser  Schrift.  Es  ist,  so  folgert  der  Verfasser 
logisch,  plausibel,  dafe  der  'Mensch  eine  Vorliebe  dafQr  hat,  die  un- 
angenehmen Wirkungen  des  Alkohols  nach  der  Mahlzeit  durch  den 
„schwarzen  Kaffee*'  zu  dämpfen,  aber  die  Schädigung  f&r  das  Herz  ist 
unter  diesen  Umständen  eine  besonders  grolse.  Zuerst  schwächen  wir  mit 
Alkohol  das  Herz,  indem  wir  es  erweitern,  dann  zwingen  wir  mit  Kaffee 
durch  die  Steigerung  des  Blutdruckes  (das  Koffein  ist  dazu  noch  speziell 
ein  auf  die  Herzmuskelfasem  sehr  stark  wirkendes  Gift)  das  Yorher  ge- 
schwächte Herz  zu  vermehrter  Arbeitsleistung.^  Wir  können  dem  Ver- 
fasser dankbar  sein,  dafs  er  uns  diese  Erklärungen,  anstatt  sie  in  irgend- 
einer klinischen  Schrift  für  das  Laienpublikum  zu  begraben,  in  populärer 
Form  in  einer  jedermann  zugänglichen  Broschttre  mitgeteilt  hat.  Die 
Arbeit  ist  fär  jeden  lesenswert,  insbesondere  ist  es  zu  wünschen,  daCs  der 
Lehrer  mit  ihr  sein  naturwissenschaftliches  Lehrmaterial  bereichert. 

Dr.   KUKT   WEHBLIN-Zürich. 

Ludwig  Gurlitt.  Der  Dentsehe  und  die  Schule.  Erinnerungen, 
'Beobachtungen  und  Wünsche  eines  Lehrers.  Berlin  1905.  Wiegandt 
A  Grieben.     240  S.     Preis  broch.  Mk.  2. — ,  geb.  Mk.  3.—. 


864 

Als  Dr.  GUBLITT  nnl&ngst  am  Hamburger  Philologentag  einen  Vortrag 
Aber  „Pflege  und  Entwicklung  der  Persönlichkeit*'  hielt,  sollte  er  mit  seinea 
Auffassungen  auf  starken  Widerstand  stolsen.  Und  doch  zeigt  sein  Buch, 
gleich  seinem  früheren  „Der  Deutsche  und  sein  Vaterland",  auf  jeder  Seite, 
was  ein  Charakter  und  eine  Persönlichkeit  ist. 

Dafs  ein  Mensch,  dem  Verfasser  gleich,  unter  gflnstigen  Verhältnissen 
geboren  und  aufgewachsen  sei  und  durch  Gesellschaft  und  Studien  tausend- 
fache Gelegenheiten  erhalten  habe,  etwas  werden  zu  können,  ruft  nock 
keine  Persönlichkeit  herror.  Er  mufs  wohl  beanlagt,  Herz  und  Sinoe 
mttssen  den  besten  Einflüssen  offen  sein,  er  mufs  sich  durchkämpfen  a 
eigenen  Anschauungen,  er  muDs  sein  eigenes  Selbst,  zuweilen  auf  die  Geislir 
hin  einseitig  zu  sein,  charakterfest  behaupten,  dann  hat  er  Anspruch  daranf, 
eine  Persönlichkeit  zu  heilsen. 

Gerade  dieses  so  geartete  Persönliche  ist  das  Beste  in  Gublttts  Buch. 

Da  sind  aus  dem  Schulleben  besonders  der  Gymnasien,  Erinnenrngen 
aufgefrischt,  die  das  Herz  erwärmen  und  wohl  auch  den  Gegnern  des 
Autors  unbequem  werden  dürften  (z.  B.  S.  -84  f.).  Da  werden  Gedanken 
und  Beobachtungen  geltend  gemacht,  die  wahre  Lebensweisheit  ausstreuen; 
da  sind  Hoffnungen  hinsichtlich  der  Zukunft  der  Schulen  ausgesprochen, 
die  eine  reformfreudige  Richtung  mit  Begeisterung  erfüllen,  das  reaktionire 
Blut  aber  mit  Galle  vermengen  werden.  Wer  eben  im  Schulleben  dem 
alten  System  huldigt,  wird  GüRLiTTs  Buch  zu  lesen  schwerlich  yertragea. 
Wer  dagegen  dafOr  halt,  dafs  das  Schulleben  einen  unentwegten  Lftutenmgs- 
prozefs  und  Befreiungskampf  bedeute,  einen  Gesundnngsrorgang  an  der 
Gesellschaft  Yorstelle,  der  fühlt  sich  von  der  Lektüre  erfrischt  und  Ter- 
jüngt.  Der  Verfasser  hat  eben  das  Herz  am  redhten  Fleck.  Mflfsten  wir 
dem  Buch  ein  Motto  mitgeben,  das  dessen  Wert  kurz  und  prägnant  wieder- 
zugeben hätte,  wir  schrieben  darüber:  Gedankenreich  und  gmndlauter! 

Prof.  Dr.  HAOMANN-St.  Gallen. 

MnttersehntZy  Zeitschrift  cur  Reform  der  sexuellen  Ethik.  Henns- 
gegeben  von  Dr.  phil.  Hblbne  StOcesr.  Verlag  yon  S&uerländer- 
Frankfurt  a.  M.     1.  Jahrgg.     1.  H.     1905. 

Auf  keinem  Gebiet  sind  die  Anschauungen  schwankender  als  auf  dem- 
jenigen der  sexueUen  Moral.  Wir  alle  ftlhlen  schon,  dafis  Dinge,  welche 
unseren  Eltern  noch  heilig  schienen,  für  uns  keinen  Wert  mehr  haben, 
aber  wer  ist  sich  klar  über  die  Foiderungen,  die  auch  für  uns  zu  den 
unumstöMchen  gehören?  —  Die  Zweifel  zur  Sprache  zu  bringen,  klare  Be- 
griffe zu  schaffen,  ist  sicher  ein  verdienstliches  Unternehmen  und  dfirfte 
weiteste  Kreise  interessieren.  Vor  allem  sind  diese  Dinge  für  die  Jugend 
von  Bedeutung,  da  in  hohem  Mafse  der  Kinder  Zukunft  von  den  Begriffen 
der  Sitte  der  geschlechtlichen  Beziehungen  abhängen  kann.  Es  ist  daher 
Pflicht  von  Eltern  und  Erziehern,  nicht  gleichgültig  an  diesen  Fragen  vor- 
über zu  gehen. 

Das  Programm,  das  Dr.  Hblbnb  Stöckbr  in  dem  ersten  Artikel  der 
Zeitschrift  aufirollt,  ist  sehr  yielyersprechend,  es  kann  jedermann  nur  grolse 
Befriedigung  gewähren,  dafs  von  dem  ursprünglich  geplanten  engen  Rahmen 
des  „Mutterschutzes*^   abgesehen    wurde,    die  Heransgeberin    die  Grenzen 


865 

recht  weit  steckt.  Diesem  Programm  bleiben  auch  die  beiden  weiteren 
Beiträge  des  uns  vorliegenden  ersten  Heftes  treu,  die  Artikel  von  Prof. 
Bruno  Mxtir,  Dr.  Iwan  Bloch,  welche  jeder  von  einer  anderen  Seite 
die  Frage  der  Geschlechtsmoral  aofrollen  und  beleuchten,  sowohl  in 
Würdigung  des  historischen  Entstehens  der  heutigen  Begriffe  als  in  ihrer 
Kritik.  Dr.  med.  iDA  HiLFiKER-Zllrich. 


Bibliographie. 
Die  mit  ^  bezeichneten  Werke  wurden  der  Redaktion  zugesandt. 

*AfmaU   d'iffiene   spermmiale   (Prof.  Angblo  Cblli).      Vol.  XY  n.  S., 

Fase.  IV.     Anno  1905. 
^Ausstellung  für  Schulgesundhätspflege  in  den  Turnhallen  am  Cleveriar  eu 

Hannover,  am  3.  bis  8.  Okt,  1905.    Veranst.  v.  Lehrerverein  HannoYer- 

Linden.     8^     74  S. 
^Bekariukoff,   D.  D.,   Dr.  med.     ChrundgUge  der   Schulhygiene  (russ.). 

Moskau,  1905.     8^     511  8.    Ruh.  2.00. 
*Bbnda,  Thbodor,   Dr.  med.     BesonderheUen  in  Anlage  und  Ereiehung 

der  modernen  Jugend.     Berlin,  Herrn.  Walther,  1905.     8^.     29  S. 
^iRCHER-BsNNflR,   Dr.  med.      Orundgüge   der  Ernährungstherapie   auf 

Grund  der  Energiespannung  der  Nahrung.    2.  umgearb.  Aufl.    Berlin, 

0.  Seile,  1906.     8«.     223  8.     JK  3.00. 
Büttner,  Gborg.     Beohachiungen  Ober  lOrperUche  Rückständigkeii  bei 

geistiger  Schwäche.     Die  Gesundheitswarte  der  Schule,    1905,    Nr.  10. 
*COHN,  Hbrm.,  Prof.    Nachruf  für  Hofrat  Dr.  Paul  Schubert,  den  Nam- 

berger  Schulhygiemker.     Vortr.   in  d.  Hyg.  Sekt.   d.  Schles.  Gesellsch. 

für  ?aterl&nd.  Kultur.     Sep.-Abdr.  a.  d.  Allg.  med.  Centr.-Ztg.,  1905, 

Nr.  39/40. 
*Dbnnig,  A.,  Prof.    Hygiene  des  Stoffwechsels  im  gesunden  und  kranken 

Zustande.     Bibliothek   d.   Gesundheitspfl.     Stuttgart,   Ernst  H.  Moritz, 

1905.     El.  8^     88  8.     Mit  AbbUdgn.     Brosch.  Jk  1.20,   eleg.  geb. 

Jk  1.50. 
*DlBTZ,  LUDWIO,  Ing.    Über  Heirnng  und  Lüftung  der  SchtUräume.    Mit 

7  Abbildgn.    Sond.-Abdr.  a.  d.  Ztschr.  „Das  SchuMmmer'',  1905,  H.  4. 

Charlottenburg,  J.  Müller  &  Co.     8^     28  S.     Ji.  0.50. 
*Fr1nkbl,  C,  Prof.    Das  Wesen  und  die  Bekämp/kjing  der  Tuberkulose. 

Herausgeg.   y.   Deutsch.   Zentralkomitee  zur  Errichtung  von  Heilstätten 

fttr  Lungenkranke.     BerUn,  1905.     Kl.  8^.     24  S. 
'''Fribdrioh,    Hans,   Dr.     SonfessioneU  -  gemischte   Schule  IVankenthal. 
.   Jahresbericht  Aber  das  Schuljahr  1904/05.     Frankenthal,  L.  Göhring, 

1905.     8^    46  S. 
*Gallb,  R.,  Dr.     Konrad  Bitschins  Pädagogik.    Das  4.  Buch  des  enzy- 
klopädischen Werkes:    „De  rita  coigugali."'   Gotha,    E.  F.  Thiemann, 

1905.     8^     216  S.    A  6.00. 


866 

6A8TPAR,  J.,  Stadtant.  Oiäaehim  Mer  die  SdkOargtfirage  tu  SimUgart, 
Mugleieh  Benehi  über  die  informatorieche  ühiemudmng  der  Sdmlkmder 
im  Jahre  1904,  erstattet  im  Auffräße  des  Oemeinderais  Stuttgart 
Stuttgart,  Kotebammer,  1905.     8^     82  8.     M   1.00. 

*Oebrader  Sulzbr.  Heimng  und  Ventffatiou  van  SduüMusem  und  Tum- 
hauen.  8ep.-Abdr.  a.  d.  Jahrb.  d.  Schweiz.  Gesellsch.  f.  Schnlgesond- 
heitspfl.,  VI.  Jahrg.,  1905.  I.  Teil.  Zttrich,  Zttrcher  &  Furrer,  1905. 
8<>.     22  S.     Mit  AbbUdgn. 

^Obromillbb,  Rud.  Das  Kne^ppsche  Wasserheilverfahren  in  Verbindung 
mit  einer  rationeilen  Rräuterkur.    Mit  über  100  Abbildgn.    Wörishofen, 

1904.  Kl.  8^     184  S.    M  1.50,  geb.  iL  2.00. 

^Gesunde  Jugend^  V.  Jahrg.,   H.  3  n.  4.     Leipzig  und  Berlin,    Teubner, 

1906. 
Hamm,  Dr.  über  künstliche  Beleuchtung  von  SehuUimmem,  Fäbriksälen  usw. 

GasgUMickt  oder  dMrisches  Licht?    MonaUbl.  f.  öff.  Gesandheitspfl., 

1905.  Nr.  9. 

*Hartmann,   Artbur,    Prof.     Beneht  Ober   die  TäUgkeU   der  Berliner 

Schuiärßte  im  Jahre  1904/05.     Berlin,  1905.     4^     13  S. 
*H£88,  Eduard.  Zum  fünfzigjährigen  BesM^en  der  Kahlbaumschen  Nerven- 
heilanstalt SU  a&rlitg,     Sond.-Abdr.    a.  d.  Centralbl.  f.  Nerrenheilkde. 

n.  Psychiatrie,  1.  Okt.  1905. 
JABR80HKT,  PAUL,  Dr.  med.     K&rperpflege  durch  Oymnasük,  Licht  und 

Luft,     Mit  42  Abbildgn.     Bibliothek  der  Gesundheitspflege,  17.  Band. 

Stuttgart,    £.   H.   Moritz,    1905.     Kl.   8^     138   S.     Jk   1.00,    geb. 

Ä  2.00. 
*JB88EN,  Motz,  Dominicus.     Die  Zahnpflege  m  der  Schule.    Stralsburg, 

L.  Beust,  1905.     Gr.  8^     67  S.     Mit  Abbildgn.     Geb.  JM   2.00. 
^Kalender  für  Lehrer   und  Lehrerinnen  an  Schulen  und  AnstcUten  für 

geistig  Schwache.     Erster  Jahrg.  1905 — 06.     Leipzig,  Scheffer,  1905. 

I.  u.  IL  Teil.     Kl.  8^     Brosch.  M   2.60. 
*Kraspblin,  Emil,  Prof.    Die  akademische  Jugend  und  die  Alkoholfrage. 

Verl.   d.  Schriftstelle   d.  Alkoholgegnerbandes,   Basel.     Kl.  8^.     16  S. 

JM  0.10. 
*Ll80HNEW8KA,  Maria.    Die  geschlechüü^  Belehrung  der  Kinder.   Vortr., 

geh.   zu  Berlin   im    „Bond  für  Motterschatz**.     Sep.-Abdr.  a.  »Matter- 

schatz**,  I.  Jahrg.,  H.  4/5.     Frankfurt  a.  M.,  SauerlÄnder,  1905.     8*. 

36  S. 
*LiVBMANN,  Alb.,  Dr.  med.    Vorlesungen  über  Sprachstörungen.   6.  Heft: 

Kinder  die  schwer  lesen,  schreiben  and  rechnen  lernen.  Beriin,  0.  Coblenz, 

1906.  Gr.  8«.     132  S.     Jk  2.40. 

LoTZ,  Hbinrigh,  Rektor.  Notwendigkeit  und  Möglichkeit  des  pfliehi- 
mäßigen  Schwimmunterrichts  tf»  der  Volksschule,  vornehmlich  der  In- 
dtistrie-  und  Orofsstädte.    Elberfeld,  Deotsche  Schwimmerschaft,  1905. 

Mabnbtbl,  B.  Vom  HilfsschtUwesen,  Ans  Nator-  und  Geisteswelt.  73.  Bd. 
Leipzig-Berlin,  B.  G.  Teabner,   1905.     Kl.  8^     140  S.     M   1.25. 

^Mahouvrikz,  A.,  Dr.  Mines  de  houiUe  rendues  rifractaires  ä  fankg- 
lostome  par  deseaux  soUes  de  filtraüon,  Paris,  T.  Roasset,  1905.  8^ 
25  S. 


867 

Mbtbk,  P.,  Dr.  med.    Die  Nervenkrankheiten  der  Schulkinder.    Berl.  klin. 

Wochenscbr.,  1906,  Nr.  17. 
Pbop^,   Alice,   Dr.  med.     Die  körperliche  Ergiehung  unserer  Mädchen. 

Körper  und  Geist,  1905,  Nr.  9/10. 
*Ratdt,   H.,   Prof.     Yerhändhmgen   des    YJl,  deutsshen  Kongresses  für 

Volks-  und  Jugendspiele  m  Frankfurt  a.  M.  vom  15, — 48,  8^t.  1905. 

Leipzig  u.  Berlin,  Teubner,  1905.     Gr.  8®.     106  S. 

Meisnbb,  Berlin.     Über  die  Besiehungen  zwischen  Schule  und  Heer. 
EOOH,  Dr.,  Prof.    J^ber  die  Ersiehung  zur  Selbständigkeit. 
Weidbnbusch.     Über  die  frühere  tmd  die  jeUsige  Schwimmefhode 

m  IrankfurL 
FiNELER,  Dr.,  Prof.     Die  körperlichen  Anlagen,  ihre  Entwicklung 

und  Ausbildung. 
V.  SOHENEENDORFF.     Über  den  allgemeinen  obligatorischen  Spiel- 
nachmittag. 
*Reich,    Carl,    Dr.  med.     Über   die  seitens  der  städtischen  (Breslauer) 

Behörden  beschlossene  Einführung  von  Schulärzten  in  unseren  höheren 

Schulen.    Vortr.  in  d.  Hyg.  Sekt.  d.  Schles.  GeseUsch.  f.  yaterl.  Ealtar. 

Sep.-Abdr.  a.  d.  Allg.  med.  Centr.-Ztg.,  1905,  Nr.  39/40. 
*Beinfblder,  D.    Der  Artikulationsunterricht  in  Hilfsschulen,    Sep.-Abdr. 

a.  d.  Deatscb.  Schulzeitung.  1905.     Berlin,  Oehmigke,  1905.    El.  8^. 

12  S.     A  O.HO. 
*SOB WARZ,  Alois.  Dritter  Jahresbericht  des  Mädchen-Lyzeums  in  Mährisch- 

Ostrau  über  das  SchuliaJir  1904—1905.     Mahrisch-Ostrau,  1905.     8^. 

52  S. 
Stbttbr,  Eonrad.     Die  Schulbank.     Nach  einem  Vortrage,  geh.  in  der 

Ortsgruppe  Stuttgart  d.  Allg.  D.  Yer.  f.  Schulgesundheitspfl. 
♦Stockbr,  Friedr.,   Dr.  med.     Die  Schularztfrage  auf  Grund  bisheriger 

Erfahrungen.    Sep.-Abdr.  a.  d.  Jahrb.  d.  Schweiz.  Geselisch.  f.  Schul- 
gesundheitspfl., VI.  Jahrg.,  1905.    I.  Teil.     Zürich,  Zürcher  &  Furrer, 

1905.     8^     68  S. 
*Thirthieth  Annuäl  Beport  of  ihe  Minister  of  State  for  Education  for  the 

TfUrty-fifth  Statistical  year  of  Mejji  (1902—3).    Tokyo,  Japan,  1905. 

8^.     159  S.  mit  vielen  stat.  Tabellen  und  graph.  Darstellungen. 
^Ullrich,  A.,  Dr.,  Rektor.  Über  Koeducaüon.    Sond.-Abdr.  a.  d.  „Frauen- 

bUdung«,  IV.  Jahrg.,  9.  H.,   1905. 
^Vierter  Jahresbericht  des  Deutschen  Vereins  zur  Pflege  von  Jugendspielen 

in  Präg  (1904—1905).     Prag,   1905.     8^     13  S. 
Weber,    Ernst.     Ea^erimentier  -  Pädagogik,     Der  Säemann,    I.  Jahrg., 

1905,  1.  H. 
♦WetöANDT,  Dr.,  Prof.    Die  geistige  Minderwertigkeit  im  schulpflichtigen 

Alter.     Offiz.  Bericht  über  d.   II.  Landesvers.  d.  Bayer.  Med.-Beamt.- 

Ver.  zu  Würzburg  am  2.  u.  ö.  Juni  1905. 
*Weigl,  J.,  Dr.  med.    Jugenderziehung  und  Qenufsgifte.    4.  Aufl.    P&dag. 

Zeitfragen  v.  Franz  Weigl,  München.     München,  1905.     8®.     29  S. 

JMp  0.40. 
WiCKBNHAGEN,  H.,  Prof.     Wassersport  und  Schule.     Körper  und  Geist, 

1905,  Nr.  5/6. 

Schulsresandheitepflege.  XVIIL  46 


868 

^ILLMANK,  Otto,  Prof.    1.   DidakÜk  und  Logik  m  ihrer  Wecksd- 

bejHehing.    2.  Über  die  Amomäimg  der  B9fßdk)logie  €mf  die  FädoffOffik. 

Zwei  YoriesQBgeiL     PAdag.    Zeitfiragen  ▼.   Fbanz  WsieL,    Manchen. 

Mönchen,  1905.     8^    26  8.     M  0.40. 
^ZOLUNexR,   Fb.,   Dr.     Bericht  Über  die    VI.  Jakresvereammhmg  der 

schweiM.    QeeeUsdiaft  fUr   SahUlgeeimdheUgpflege.     Zflrich,    Zllrcber  & 

Forrer,  1905.    Sep.-Abdr.  a.  d.  Jahrb.  d.  OeseUsch.,  YI.  Jahrg.,  1905. 

I.  Teü.     8«.     51  8. 
* MiUeihmgeH  Über  das  UnterriMeweeen  tfi  der  SdmeiB  im 

Jähre  1904.     Sep.-Abdr.  a.  d.  Schweiz.  Zeitschr.  f.  Oemeinafttzigkeity 

1905,  H.  10.    Kl.  8^    54  S. 
^ZiMmMigeier  Jahresbericht   (pro  1904)   der   ZUrdierieAem   HeOsiäUe   bä 

Ägeri  ßr  skrophiaose  und  rhachäische  Kinder.   Zflrich,  1905.  8^  31  S. 


fev  $d^itlfirfi 


IIL  Jahrgang.  1905.  No.  12. 


<bri^inaiab\^aviUnn%tn. 


über  den  gegenwirtigen  Stand  der  Schnlarrtfrage 
in  Württemberg. 

Yortrag,  gehalten  in  der  BezirkssohxLllehreryersammlang 
vom  14.  Juli  1905  in  Esslingen. 

Von 
Medizinalrat  Dr.  SPABXH-Esslingen. 

Die  Frage,  ob  eine  gesundheitliche  Überwachung  der  Schule 
notwendig  ist,  um  drohende  Gefahren  zu  verhüten  und  vorhandene 
zu  bekämpfen,  ist  in  allen  Kulturstaaten  rückhaltlos  in  bejahendem 
Sinne  entschieden  worden.  Die  Notwendigkeit  der  Schulgesundheits- 
pflege ist  heutzutage  kein  Gregenstand  des  Streites  mehr.  Es  ist  ja 
auch  ganz  natürlich,  dais  die  öffentliche  G-esundheitspflege,  die  in 
so  viele  Gebiete  des  Handels  und  Wandels  eingreift,  um  die  sani- 
tären Lebensbedingungen  der  Allgemeinheit  wie  des  einzelnen  zu 
überwachen,  die  Aufgabe  nicht  vernachlässigen  kann,  sich  mit  den 
Verhältnissen  zu  beschäftigen,  denen  gerade  die  Jugend  der  Nation 
allgemein  und  dauernd  durch  den  Schulzwang  unterworfen  ist. 

Auch  über  die  andere  Frage:  „Ist  zur  gesundheitlichen 
Überwachung  der  Schule  die  Mitwirkung  von  Ärzten  not- 
wendig oder  kann  auf  eine  solche  verzichtet  werden?^ 
ist  heute  kein  Meinungszwiespalt  mehr  vorhanden.  Die  statistischen 
Ergebnisse,  welche  die  Schüleruntersuchungen  in  einer  greisen  Zahl 
von  Städten  geliefert  haben,  reden  nur  eine  zu  deutliche  Sprache. 
So  waren  in  der  Schweiz  bei  einer  Untersuchung  von  107968 
Schülern  durch  Schulärzte  in  den  Jahren  1899—1900  15596  Kinder 
=  14,4%  nicht  ganz  normal.  Davon  hatten  2578  geistige,  12906 
körperliche  Gebrechen.     Durch  die  neuesten  schulärztlichen  Unter- 

Der  Sehularit.  IIL  22 


210  870 

flaohongen  in  Berlin  wurde  nachgewiesen,  daCs  nur  44%  der  sämt- 
lichen untersuchten  Kinder  völlig  gesund  waren,  18%  litten  an 
Skrofulöse,  Blutarmut,  englische  Krankheit,  14%  an  Wucherungen 
im  Nasenrachenraum,  5,5%  an  Augen-  und  4,5%  an  Ohrenkrank- 
heiten. Noch  schlimmer  sind  die  Ergebnisse  derSchüleruntersuohungen, 
welche  von  März  bis  Oktober  1904  an  10100  Kindern  der  Stuttgarter 
Volksschulen  durch  den  Stadtanst  Dr.  Oastpar  vorgenommen  wurden 
und  welche  nur  15,7%  vollständig  intakte  Kinder  ergaben. 

Es  ist  klar,  dafs  schon  zur  Feststellung  dieser  Tatsachen  allein 
die  Mithilfe  der  Ärzte  unbedingt  notwendig  ist,  und  wir  sind 
durch  die  Resultate  dieser  Untersuchungen  gezwungen,  die  Augen 
gegenüber  so  tief  einschneidenden  Schäden  nicht  mehr  zu  schlieisen, 
sondern  die  Einrichtungen,  durch  die  sie  uns  offenbart  werden,  bei- 
zubehalten und  auszubauen,  auch  wenn  wir  zugeben,  dals  angesichts 
der  groben  Differenzen,  die  sich  im  Prozentsatz  der  gesunden  und 
kranken  Kinder  an  einzelnen  Orten  ergeben  haben,  die  gefundenen 
Zahlen  für  die  Beurteilung  des  Schülermateriales  keine  ganz  sichere 
Grundlage  abgeben.  Ebensowenig  darf  aus  ihnen  der  Schluls  ge- 
zogen werden,  dals  gerade  das  schulpflichtige  Alter,  und  zwar  gerade 
durch  die  Einwirkung  der  Schule,  gegenüber  anderen  Alterskiaasen  so 
ungewöhnlich  stark  belastet  werde.  Ein  solcher  SchluCs  würde  sofort 
wenigstens  durch  die  allgemeine  Mortalitätsstatistik  leicht  als  un- 
richtig widerlegt  werden  können,  bei  welcher  sich  für  die  Schuljugend 
ein  gerade  umgekehrtes  Verhältnis  gegenüber  der  ungewöhnlich 
grofsen  Sterblichkeit  frühere  Altersstufen  ergibt.  Sehen  wir  uns  femer 
zur  statistischen  Vergleichung  die  Hauptergebnisse  des  Heeres- 
ergänzungsgeschäfts im  Bezirke  des  13.  Armeekorps  im  Durchschnitt 
der  Jahre  1894 — 1903  an  mit  48,5  7o  untauglichen  resp.  dem 
Landsturm  und  der  Ersatzreserve  überwiesenen  (in  sämtlichen 
Armeekorpsbezirken  des  Deutschen  Reiches  50,1  %),  so  verlieren 
jedenfalls  die  Stuttgarter  Schüleruntersuchungsziffem  viel  aiv  ihrer 
pessimistischen  Bedeutung.  Jede  Altersklasse  hat  eine  bestimmte 
Zahl  von  Minderwertigen.  Diese  Zahl  steigert  sich  naturgemäfs 
da,  wo  peinlich  auf  diese  Minderwertigkeit  untersucht  wird.  Ebenso 
klar  ist  es  auch,  dafs  die  Grenzen  sich  verschieben  müssen,  je  nach 
der  subjektiven  Auffassung  von  dem  Bilde  der  idealen  G^esundheit, 
welches  dem  einzelnen  Untersucher  vorschwebt. 

In  demselben  Sinne  hat  auch  der  Herr  Kultusminister  in  der 
Sitzung  vom  18.  Mai  1904,  in  welcher  die  Petition  des  allgemeinen 
deutschen  Vereins  für  Schulgesundheitspflege  betre£Pend  die  Anstellung 


871  211 

▼on  Schulärzten  im  Deutschen  fieich  vom  1.  Dezember  1902  zur 
Beratung  stand,  darauf  hingewiesen,  dafs  solche  Statifitiken  mit 
Beserve  aufzunehmen  sind,  und  daüs  es  schwer  ist,  ohne  weiteres 
aus  ihnen  allgemein  weitreichende  ungünstige  Schlüsse  zu  ziehen. 
Ich  möchte  besonders  davor  warnen,  aus  diesen  Zahlen  zu  folgern, 
dab  die  Qesundheitsverhältnisse  in  den  Volksschulen  wesentlich 
schlechtere  seien  als  in  den  Mittel-  und  höheren  Schulen.  Aus 
Heilbronn,  wo  gleichfallfi  Schüleruntersuchungen  stattgefunden  haben 
wird  berichtet,  dals  ein  wesentlicher  unterschied  zwischen  Mittel- 
und  Volksschule  sich  nicht  herausgestellt  habe,  vielmehr  für  alle 
Kinder  gleichmäfsig  der  allgemeine  Eörperzustand  als  ein  recht  guter 
bezeichnet  werden  dürfe,  was  namentlich  dadurch  zum  Ausdruck 
komme,  dals  die  Bezeichnung  „schwächlich '^  nur  für  1,5  7o  aller 
Kinder  verwendet  werde. 

Schon  lange  vor  diesen  Massenuntersuchungen  der  Schüler,  etwa 
um  die  Mitte  der  60  er  Jahre,  ist  von  einzelnen  ärztlichen 
Forschem,  die  sich  mit  der  Schule  und  ihren  gesundheitlichen  Ge- 
fahren für  die  Jugend  beschäftigt  haben,  auf  den  ursächlichen  Zu- 
sammenhang von  zwei  ganz  bestimmten  körperlichen  Schäden  mit 
dem  Schulbetrieb  hingewiesen  worden.  Man  hat  für  die  mit  der 
Steigerung  der  Anforderungen  zunehmende  Kurzsichtigkeit  die  Nah- 
arbeit in  der  Schule,  für  die  durch  zahlreiche  Untersuchungen  nach- 
gewiesenen Defformitäten  der  Wirbelsäule  die  schlechte  Haltung  der 
Kinder  beim  Schreiben,  fehlerhafte  Heftlage,  schlechte  Beleuchtung 
und  vor  allem  schlecht  konstruierte  Schulbänke  verantwortlich  ge- 
macht. Auch  heute  noch  gelten  Kurzsichtigkeit  und  Schiefwuchs 
als  eigentliche  Schulkrankheiten,  obwohl  man  weiis,  dafs  weder  die 
eine  noch  die  andere  Anomalie  sich  ohne  vorhandene  Disposition 
entwickelt,  und  dals  die  nach  dieser  Richtung  der  Schule  gemachten 
Vorwürfe  nur  insofern  eine  gerechte  Greltung  haben,  als  sie  bei  vor- 
handener Anlage  die  Entstehung  und  Weiterentwicklung  der  beiden 
Störungen  begünstigt  und  fördert.  Im  wesentlichen  ist  es  nun  aber 
doch  der  Hinweis  auf  die  Kurzsichtigkeit  und  den  Schiefwuchs 
durch  Ärzte  gewesen,  welcher  bei  dem  vorliegenden  schlagenden 
Beweismaterial  auch  die  Schulmänner  veranlafst  hat,  diesen  Dingen 
mehr  Beachtung  zu  schenken  und  —  wir  dürfen  es  zur  Ehre  unseres 
engeren  Vaterlandes  aussprechen  — ,  die  württembergischen  Behörden, 
und  zwar  die  Vertreter  der  Schul-  und  der  ärztlichen  Wissenschaft, 
in  friedlichem  Zusammenarbeiten  dazu  geführt  hat,  durch  einen 
Erlaüs  im  Jahre  1868  über  die  Konstruktion  der  Schulbänke,  sowie 


212  872 

dnrch  die  bald  als  mufitergültig  anerkannten  Verftlgung  des  Ministers 
des  Eirohen-  und  Schulwesens  betre£Pend  die  Einriohtang  der  Sohnl- 
hanser  und  die  Gksnndlieitspflege  in  den  Sohnlen  yom  28.  Dezember 
1870  die  wesentlichen  Grundlagen  für  die  Schulgesundheitspflege  zu 
legen  in  einer  Zeit,  da  von  einer  wissenschaftlichen  Behandlung  der 
Schulgesundheitspflege  im  ganzen  Deutschen  Beiche  und  au&erhalb 
derselben  noch  gar  wenig  die  Bede  war.  Eine  weitere  segensreiche 
Einrichtung,  mit  welcher  gleichfalls  die  württembergische  Begierung 
Yorgegangen,  ist  die  durch  den  Erlafs  des  Ministers  des  Innern  vom 
20.  Oktober  1875  angeordnete,  im  Ansohluis  an  die  Buggerichte  aus- 
zuführende periodische  Schulvisitation  hinsichtlich  der  gesundheit- 
lichen Anforderungen  durch  die  Oberamtsärzte,  endlich  der  auf  An- 
regung des  Medizinalkollegiums  yom  Kultusministerium  ausgegebene 
Erlab  vom  22.  Mai  1889,  nach  welchem  den  Zöglingen  der  Schul- 
lehrerseminarien  durch  die  Seminarärzte  Vorlesungen  über  die  Schul- 
gesundheitspflege zu  halten  sind. 

Wir  sehen,  das  Interesse  für  die  Gesundheitsyerhältnisse  in  den 
Schulen  hat,  nachdem  es  einmal  geweckt  war,  sich  immer  aufs  neue 
betätigt.  Auch  die  Abgeordnetenkammer  hat  in  Württemberg  in 
scharfen  und  manchmal  unmotivierten  Kritiken  des  bereits  Greleisteten 
die  Begierung  immer  wieder  vorwärts  gedrängt.  Man  sieht  es  den 
von  einzelnen  Abgeordneten  (Östbrlen  und  Wichtbr)  in  den  Jahren 
1875  und  1876  gehaltenen  Beden  an,  dals  sie  die  Verfügung  vom 
Jahre  1870  genau  studiert  haben.  Der  letztere  ist  besonders  ängstlich 
besorgt  um  die  Gesundheit' der  Schuljugend  und  glaubt,  dafis  mit 
der  Verfügung  von  1875  den  Oberamtsärzten  eine  Aufgabe  zuge- 
wachsen sei,  welche  nach  ihrer  G-röbe  und  Wichtigkeit  weit  über  die 
Leistungsfthigkeit  des  Personals  hinausgehe.  —  „Eis  wird  deshalb 
nötig  sein,  dab  man  entweder  ein  Gesundheitsamt  f&r  diese  Zwecke 
etabliert  oder  eigene  Sachverständige  für  das  ganze  Land  au&tellt, 
die  nach  gleichmäßigen  Normen  die  Angelegenheit  regeln."  Diese 
Idee  hat  bekanntlich  ein  württembergischer  Arzt,  Dr.  Lbvt-Bllikqsb 
auch  in  einer  Broschüre  (1877):  „Der  ärztliche  Landesschulinspektor 
ein  Sachwalter  unserer  mißhandelten  Schuljugend^  vertreten.  Mit 
Becht  konnte  der  damalige  Minister  SiOK  auf  alle  diese  Anregungen 
damit  antworten,  dals  man  erst  die  Wirkung  der  durch  die  Ver- 
fügung von  1875  angeordneten  oberamtsärzilichen  Schulvisitationen 
abwarten  solle.  Und  in  der  Tat,  diese  Wirkungen  sind  hinter  den 
Erwartungen  keineswegs  zurückgeblieben.  Wohl  sind  die  Zwischen- 
räume, in  denen  diese  Visitationen  stattzufinden  haben,  zu  grofs,  und 


873  •  213 

es  ist  ein  bereohtigtes  Y^langen,   dals  die  Sohulen  nicht  blob  alle 
sechs,  sondern  mindestens  alle  Jahre  einer  gründlichen  Untersuchung 
durch  den  Oberamtsarzt  unterzogen  werden  sollen,    auch  wenn  man 
gerne  die  Tatsache  zugeben  mufs,    dals  da,    wo  die  Schulinspektion 
im  Hauptamt   versehen   wird,   schon  durch  diese  Behörde  mit  viel 
mehr  Energie  und  Sachverständnis,  als  dies  früher  der  Fall  war,  auf 
echulhygienischem  Gebiet  dem  ärztlichen  Visitator  vorgearbeitet  wird. 
Nicht   blois   die  vielen  stattlichen  und  schönen  neuen  Schulhäuser, 
die  in  den  letzten  Jahrzehnten  überall  in  Württemberg  erbaut  worden 
sind,    auch  die  seitens  der  Gemeinde  oft  mit  schweren  und  greisen 
Opfern  übernommenen  Verbesserungen  der  inneren  Einrichtungen  der 
Volksschulen  erweisen  sich  als  die  erfreulichen  Früchte  der  langsamen 
und   stetigen   hygienischen  Arbeit   und  der  durch   sie  geschafiPenen 
Aufklärung,   und  immer  seltener  werden  die  Gremeinden,    die  unter 
Berufung  auf  die  schwache  finanzielle  Leistungs&higkeit,    z.  B.  der 
Neuanscha£Fung  gesundheitsgemälser  Schulbänke  entgegentreten.    In 
dem  Bewulistsein   der   grofsen  Verantwortung  auf  dem  G-ebiete  der 
öffentlichen  Fürsorge  für  die  G^undheit  der  heranwachsenden  Jugend 
verläist  man  sich  mehr  und  mehr  auf  den  wohlmeinenden  Bat  der 
Sachverständigen  und  wirft  alle  Vorurteile  über  Bord.    Im  Zusammen- 
hang  damit   haben  aber  auch  die  Anschauungen  über  die  von  der 
Schule   ausgehenden  Gefahren   für  die  Gesundheit  der  Schüler  im 
Laufe   der  letzten  Jahre  eine  ganz  wesentliche  Änderung  erfahren. 
Die   im  Anfang  der  Bewegung  oft  nur  zu  berechtigten  Vorwürfe, 
dafe  die  Schule  einen  grofs^i  Teil  der  bei  den  Schulen  vorgefundenen 
Schäden  verschulde,  beginnen  in  den  Hintergrund  zu  treten,  seitdem 
man  den  Ursachen,  der  Überftillung,  der  Überbürdung  usw.  mit  Erfolg 
zu  Leib  gerückt  ist.    Man  hat  sich  davon  überzeugt,  dafs  die  Schule 
allein  auch  mit  den  besten  und  idealsten  Einrichtungen  nicht  im- 
stande ist,  Gesundheitsschäden  zu  reparieren,   welche  eben  nicht  in 
der  Schule,    sondern  in  den  sozialen  Notständen  unserer  Zeit  ihren 
Grund  haben.     Wenn  Kinder  armer  Eltern,    die  ums  tägliche  Brot 
zu  kämpfen  haben,  bleich  und  mangelhaft  ernährt  zur  Schule  kommen, 
oder  wenn  ihre  Widerstandskraft   und  Nervenenergie  von  Haus  aus 
notleidet,  weil  der  Erzeuger  dem  Fluch  des  Alkohols  verfallen  war, 
wenn   der  Kegeljunge   nach  Vertilgung   der  von  den  Gilsten  übrig 
gebliebenen  Bierreste,  oder  der  Bauemjunge,  der  morgens  um  4  Uhr 
einen  Wagen  Klee  holen   muls,    in   der  Schule  abfallt  und  |,wegen 
Überbürdung^  dem  Unterricht  nicht  folgen  kann,   so  sind  das  alles 
Schäden,  an  denen  die  Schule  unschuldig  ist.   Aber  die  Schule  hat 


214  874 

das  grOfste  Interesse  daran,  dafe  alle  die  Sohftden  geheilt  weiden, 
welche  sich  der  körperlichen  und  geistigen  gedeihlichen  Entwicklung 
in  den  Weg  stellen,  ans  dem  höchst  ein^Mhen  Gmnde,  weil  sie  mit 
gesnnden  Ejlndem  mehr  erreicht  als  mit  kranken,  nnd  weil  jedes 
einzelne  kranke  Kind  die  Mühe  des  Lehrers  anf  Kosten  der  gesunden 
in  negativer  Weise  belastet.  Man  hat  sich  femer  namentlich  anch 
bei  den  periodischen  Schnlvisitationen  davon  tiberzengt,  wie  vielfach 
gerade  die  Kinder  unserer  Volksschulen  Schaden  und  Gebrochen 
des  Körpers  und  G-eistes  in  die  Schule  mitbringen  und  die  Schul- 
jahre hindurch  weiter  schleppen,  ohne  dais  ein  ernstlicher  Yersuoh 
gemacht  worden  wäre,  zur  rechten  Zeit  helfend  und  heilend  einzu- 
greifen. Nun  stellt  aber  die  Schule  denjenigen  geschlossenen 
Komplex  dar,  der  am  ehesten  den  Ein-  und  Oberblick  über  solche 
soziale  Milsstände  und  ihre  Ausdehnung  gewfthrt.  Deshalb  haben 
auch  die  statistischen  Erhebungen  über  Gesundheitsstörungen  in  der 
Schule  einen  unbestreitbar  hohen  informatorischen  Wert,  und  alle 
die  Städte,  welche  durch  Anstellung  von  Schulärzten  die  Erkenntnis 
all  dieser  Schäden  gefördert  haben,  haben  sich  nicht  blois  um  die 
Schulgesundheitspflege,  sondern  auch  um  die  Sozialhygiene  groüse 
Verdienste  erworben. 

Aber  es  darf  bei  dieser  informatorischen  Tätigkeit  der 
Schulärzte  nicht  sein  Bewenden  haben.  Die  Zeit  der  Schule 
wird  immer  kostbarer,  man  muüs  deshalb  alles  vermeiden,  was  ohne 
direkten  praktischen  Nutzen  für  die  Schule  nur  und  ausschliefslich 
statistisch  wissenschaftlichem  Interesse  dient.  Die  Zeit  der  Schule 
darf  nicht  in  Anspruch  genommen  werden  für  anthropologische 
Messungen  und  Wägungen  und  dergleichen.  Es  muls  bei  der 
Tätigkeit  des  Schularztes  für  die  Schule  selbst  ein  praktischer  Nutzen 
herauskommen.  An  diesem  Problem  haben  sich  in  den  letzten  zehn 
Jahren  Lehrer  und  Ärzte  vielfach  vergeblich  abgemüht.  Seine  Lösung 
ist  dem  Oberamtsarzt  Medizinalrat  Dr.  Blkzinobb  in  Canstatt  in 
vorbildlicher  Weise  gelungen.  Wer  seinen  Mitteilungen  über  seine 
schulärztliche  Tätigkeit  in  den  Jahren  1900—1904  in  dieser  Zeit- 
Schrift  (1905,  Nr.  9)  liest,  wird  mit  wirklichem  (Jenuis  dem  erfahrenen 
Praktiker  und  Menschenfreund  auf  den  Wegen  folgen,  auf  denen  er 
den  minderwertigen  Schülern  ein  treuer  Berater  und  der  Schule  ein 
unentbehrlicher  Bundesgenosse  geworden  ist  Die  Hauptsache  bei 
dem  Cannstatter  System  ist  die  Tatsache,  dafs  der  schulärzt- 
lichen Untersuchung  die  Behandlung  der  gefundenen 
Krankheiten  und  Schäden  in  weitaus  den  meisten  Fällen, 


875  216 

und  zwar  mit  gntem  Erfolg,  sich  angeschlossen  hat,  sei 
es  durch  Überweisung  der  kranken  Kinder  an  den  Hansarzt  oder  an 
einen  Spezialarzt  oder  durch  die  Ermöglichung  einer  Solbadekur  usw. 
Der  Oannstatter  Schularzt  hat  seine  Stellung  lediglich  als  die 
eines  Beraters  und  Vertrauensmannes  aufgefafst  und  hat  es  stets 
vermieden,  als  Aufsichtsbeamter  den  Lehrern  und  der  Schule 
gegenüberzutreten.  Die  Schule  sollte  auch  nicht  um  ihre  Zeit 
gebracht  und  dem  Lehrer  keine  Arbeit  durch  den  Schularzt  auf- 
erlegt werden.  Nur  der  Listenführung  sollte  seitens  des  Lehrers 
einige  Aufmerksamkeit  zugewendet  und  nach  Bedarf  die  Kinder, 
vielleicht  auch  die  Eltern,  an  die  Befolgung  der  schulärztlichen  Rat- 
schläge erinnert  werden.  Die  einzige  geringe  Schreibarbeit  bei 
Fertigung  oder  Ergänzung  der  Liste  wird  in  Gegenwart  des  Schul- 
arztes besorgt,  der  Lehrer  hat  nur  beim  Klassenwechsel  die  Listen 
weiterzugeben  resp.  die  der  neuen  Schüler  in  Empfang  zu  nehmen. 
Wenn  so  der  Schularzt  der  Schule  sicherlich  keine  Störung  gebracht 
hat,  so  lälst  sich  sogar  im  Gregenteil  zeigen,  wie  der  Schulbetrieb 
durch  den  Schularzt  direkte  Förderung  und  Belebung  erfahren  durfte. 
So  ist  es  doch  für  die  Schule  selbst  von  Wert,  dafs  der  Lehrer 
durch  die  Besuche  des  Schularztes  zu  selbständiger  Beobachtung 
seiner  Schüler  das  ganze  Jahr  hindurch  angeregt  wird.  Treffend 
sagt  der  Schularzt,  bei  jeder  neuen  Runde  habe  er  die  Wahrnehmung 
gemacht,  wie  das  Interesse  der  Lehrer  an  dem  körperlichen  Wohl- 
befinden ihrer  Schüler  gestiegen,  ihr  Blick  für  vorhandene  Gebrechen 
geschärft  und  ihr  Verständnis  für  den  Einflufs  der  körperlichen 
Schäden  auf  die  geistigen  Leistungen  vertieft  worden  sei.  Immer 
häufiger  seien  die  Fälle  geworden,  dafs  die  Lehrer  bei  der  Nach- 
schau der  im  Vorjahr  schadhaft  Befundenen,  solche  Kinder  vor- 
stellten, welche  seit  der  Behandlung  durch  den  Spezialarzt  lebhafter 
und  aufmerksamer,  welche  durch  den  Gebrauch  einer  Solbadekur 
körperlich  kräftiger,  aber  auch  geistig  frischer  und  arbeitslustiger 
geworden  seien. 

Ich  kann  in  der  mir  zugemessenen  Zeit  nicht  auf  die  Einzel- 
heiten der  bewährten  Cannstatter  Organisation  des  schulärztlichen 
Dienstes  eingehen,  die  erzielten  Erfolge  sind  ja  sicher  nicht  dieser 
allein  zuzuschreiben  —  eine  grofse  Rolle  spielt  auch  der  natürliche 
Takt  und  die  praktische  Geschicklichkeit  des  Arztes  im  Umgang 
mit  den  Kindern;  sehr  wichtig  ist  femer,  dafs  nicht  blols  Lehrer 
und  Arzt,  sondern  auch  der  Bezirksvorstand  und  der  Bezirksschul- 
inspektor  der   schulärztlichen  Arbeit  die  nötige  Unterstützung  und 


216  876 

EigänxoDg  angedeihen  laaaen,  und  in  dieeem  harmonisohen  Zusammen- 
wirken ist  Caxmstatt  besonders  glttoklioh  gewesen.  Jedenfalls  werden 
bei  einer  endgültigen  Regelung  der  Sobnlarstfrage  die  ErCeihrangen 
der  Cannstatter  Behörden  in  grundlegender  Weise  verwertet  weiden. 

Wie  diese  endgültige  Regelung  sich  gestalten  wird,  das  wird 
sich,  wie  es  scheint,  in  sehr  kurser  Zeit  entscheiden.  In  jener 
Kammerverhandlung  vom  18.  Mai  1904  über  die  Sohularztfirage  sind 
noch  erhebliche  Differenzen  zutage  getreten  über  verschiedene  organi- 
satorische Fragen.  Sollen  die  schulärztlichen  Funktionen  losgelöst 
werden  von  den  schon  jetzt  den  Oberamtsürzten  obliegenden  Ver- 
pflichtungen betreffend  die  Überwachung  der  Schule  und  des  Schul- 
betriebes?  Ist  es  Sache  der  Gemeinden  oder  des  Staats,  die  nötigen 
Mittel  aufzubringen,  oder  sollen  dieselben  durch  einen  Appell  an  die 
Opferbereitschaft  und  den  G^meinsinn  der  Bürger  durch  Stiftungen 
und  Sammlungen  beschafft  werden.  Soll  dem  Staat  das  AufsiohtB- 
recht  über  den  Schularzt  vorbehalten  bleiben,  auch  dann,  wenn  die 
Gemeinden  den  Schularzt  anstellen  und  besolden.  Sollen  Sohulftrzte 
zunächst  nur  in  den  Stfidten  und  noch  nicht  auf  dem  Lande  ange- 
stellt werden?  Alle  diese  Fragen  sind  ihrer  Lösung  wesentlich  nfiher 
gerückt.  Die  württembergische  Regierung  vertritt  nunmehr,  nach 
einer  wohl  offiziösen  Bekanntmachung  im  Abendblatt  der  Nr.  312 
des  rt Schwab,  Merkur*^,  in  welcher  über  eine  Sitzung  des  Medizinal- 
Kollegiums  im  Beisein  von  EoUegialmitgliedem  des  Ministeriums  des 
Innern  sowie  des  Kirchen*  und  Schulwesens  berichtet  wird,  den  Stand- 
punkt, dais  die  Schularztfrage  als  ein  Teil  der  öffent- 
lichen Gesundheitspflege  von  dieser  nicht  zu  trennen, 
dafs  deshalb  das  Schularztwesen  staatlich  zu  organi- 
sieren und  dafs  eine  entsprechende  Instruktion  für  den 
schulärztlichen  Dienst  aufzustellen  sei.  Ein  Unterschied  in 
der  Behandlung  der  Volksschüler  und  der  Schüler  der  höheren 
Schulen  sollte  nicht  gemacht  werden. 

Das  ist  eine  ungemein  wichtige  prinzipielle  Stellungnahme.  Ich 
habe  hier  nicht  zu  untersuchen,  ob  und  in  welchem  Grade  bei 
diesem  EntschluJs  die  Königl.  württembergische  Regierung  beeinflubt 
worden  ist  durch  die  Rücksichtnahme  auf  die  mehr  und  mehr  un- 
haltbar gewordene  Stellung  der  Oberamtsärzte  und  durch  den  Wunsch, 
diesen  Staatsbeamten  allmählich  eine  aussohlielsliche  Beamtenstellung 
zu  verschaffen,  welche  ihnen  erlaubt,  auf  die  Konkurrens  der  ärzt- 
lichen Praxis  zu  verzichten.  So  viel  scheint  sicher,  dais  in  Württem- 
berg —  zunächst  noch  im  Gegensatz  zu  allen  anderen  Bundesstaaten, 


877  217 

welche  bis  jetzt  noch  die  Lasten  für  den  Schularzt  den  Gemeinden 
überlassen  haben  —  mit  derVersehnng  des  schulärztlichen  Dienstes 
der  bisherige  staatliche  Gesundheitsbeamte  beauftragt  werden  wird, 
welchem  jedenfalls  auch  in  denjenigen  grofsen  Gemeinden,  welche 
eigene  Schulärzte  auf  eigene  £osten  anstellen,  das  Aufsichtsrecht 
über  diese  vorbehalten  bleibt. 

Es  ist  klar,  dals  mit  der  Anstellung  und  Besoldung  des  Schul- 
arztes durch  den  Staat  das  Institut  selbst  eine  wesentliche  Förderung 
erfUirt:  die  Einheitlichkeit  der  üntersuchungsmethoden  yerbtirgt  zu- 
Terlässigere  und  yerwertbarere  Resultate,  als  wenn  jede  einzelne  Ge- 
meinde ihr  eigenes  Schema  aufstellt;  sodann  sollen  sich  die  Unter- 
suchungen nicht  auf  die  Volksschule  allein  beschränken,  sondern 
auch  auf  die  Mittel-  und  Gelehrtenschulen  ausgedehnt  werden. 
Die  bisher  dem  freien  Willen  der  Eltern  aberlassene  Beteiligung 
wird  durch  staatliche  Verfügung  obligatorisch,  das  ganze  Geschäft 
ruht  auf  stabilerer  Grundlage.  Die  Durchführung  der  angeordneten 
Malsregeln  wird,  auch  ohne  dafs  man  denselben  den  Zwangs- 
charakter gibt,  durch  die  staatliche  Autorität  besser  gewährleistet. 
Den  Gemeinden  und  Korporationsyerbänden,  sowie  dem  Gemeinsinn 
bleibt  dann  immer  noch  genug  zu  tun  übrig,  und  der  Bewilligung 
der  zur  Beseitigung  der  gefundenen  Schäden  notwendigen  Mittel 
wird  sicher  der  staatliche  Charakter  der  Einrichtung  kein  Hindernis 
bereiten. 

Hoffen  wir,  dals  diese  Einrichtung,  mit  welcher  Württemberg 
wiederum  bahnbrechend  yorangeht,  sich  bewähren,  dafs  alle  Arbeit, 
welche  nunmehr  der  staatliche  Schularzt  in  der  Schule,  durch  die 
Schule  und  für  die  Schule  zu  yerrichten  haben  wird,  der  heran- 
wachsenden Jugend  und  der  Schule  Segen  bringen,  und  dals  die 
Prophezeiung  jenes  SchuWorstandes  {„Schwab.  Merkur^ ^  16.  Februar 
1899),  nach  welcher  man  wieder  eine  jener  Mühlen  in  Bewegung 
sehen  wird,  die  in  unserer  nenrösen,  auf  alle  Modesachen  sich  be- 
gierig sttLrzenden  Zeit  so  beliebt  sind,  Mühlen,  die  tüchtig  klappern, 
aber  kein  £om  mahlen,  nicht  in  Erfüllung  gehen  möge. 


218  878 


lUtnere  Jtitteilitttjjett. 


Die  Sebnlaritfirage.  In  der  ^Münch.  med.  Wochensckr^  (1904, 
Nr.  44)  macht  Oberarzt  Dr.  A.  Schott  -  Weinsberg  einige  beachtenswerte 
Bemerkungen  znr  Schnlarztfrage.  Er  findet,  da&  dem  Schularzt 
eigentlich  bisher  mehr  die  Aufgabe  zugewiesen  worden  sei,  hygienischer 
Mafsnahmen  von  allgemeiner  Bedeutung  zum  Durchbruch  zu  Terhelfen. 
Er  möchte  die  Tätigkeit  des  Schularztes  erweitem  und  vertiefen,  und  wünscht 
deshalb,  dafs  der  Schularzt  dem  individuellen  Leben  der  SchOler  näher 
trete.  Mit  liebevollem  Verständnis  soll  er  seinen  erziehlichen  Scharfsinn 
dazu  benutzen,  in  die  physiologisch  und  psychologische  Persönlichkeit  des 
Rindes  einzudringen,  und  erforschen,  auf  welchen  sozialen  und  biologischen 
Grundlagen  der  Körper  und  das  Geistesieben  der  einzelnen  Individualität  sich 
entwickelt  habe.  Aus  dem  Schatze  seiner  Erfahrungen  soll  er  der  Jugend- 
erziehung in  Schule  und  Haus,  sowie  der  Wissenschaft  neue  Bahnen  er- 
öffnen. Nun  ist  zu  sagen,  dals  die  Hygiene  des  Schulkindes  in 
vielen  Orten  sich  im  Sinne  des  Verfassers  entwickelt,  aber  trotzdem  ver- 
lieren seine  Ausführungen  keineswegs  an  Bedeutung. 

Er  erinnert  an  die  krankhaften  Erscheinungen  auf  nervösem  und 
psychischem  Gebiete,  an  die  hysterischen  Erscheinungen  mit  ihrer  psychischen 
Infektionsgefahr,  an  neurasthenische  und  epileptische  Zustände,  welche  so 
oft  zu  verkehrten  pädagogischen  Mafsnahmen  Anlais  geben,  die  das  Übel 
verschlimmem.  Er  weist  hin  auf  den  gefährlichen  Einflufs  von  Kindern, 
die  infolge  ererbter  alkoholischer  Belastung  sichtlich  degeneriert  sind. 

Er  zeigt,  wie  das  Jugendirresein  (dementia  praecox)  zu  schweren 
Täuschungen  Anlafs  gibt.  Es  äufsert  sich  in  Abnahme  der  geistigen 
Elastizität,  Arbeitsunlust  und  Interesselosigkeit.  Disziplinarmafsregeln,  Nach- 
hilfestunden sollen  der  schwindenden  Intelligenz  auf  die  Beine  helfen.  Das 
Kind  wird  oft  lange  gequält,  bis  man  erkennt,  dafs  man  es  mit  einem 
geistig  schwer  kranken  Menschen  zu  tun  hat. 

Der  Schularzt  soll  das  Recht  erhalten  bei  minderwertigen,  geistig  mehr 
oder  weniger  zurOckgebliebenen  Kindern  auf  Reduktion  der  Schulfordemngea 
und  auf  Verzicht  gegenüber  zu  hoch  gespannten  Plänen  von  selten  der 
Eltem  und  Lehrer  zu  dringen. 

Bei  Festsetzung  der  Ferienkolonien,  Dauer  und  Festlegung  der  Schul- 
ferien, Disziplinierung  defekter  Schulkinder,  Einteilung  der  Unterrichts- 
stunden, Anforderangen  des  Turnunterrichts,  Einrichtung  der  Tumspiele 
und  Tummärsche  ist  er  als  Berater  herbeizuziehen.  Die  Beurteilung 
sexueller  Verfehlungen  soll  seine  Aufgabe  sein. 

Mit  der  Aufklärang  der  Jugend  und  der  Eltern  über  die  Schädi- 
gungen durch  Alkohol,  Nikotin,  Geschlechtskrankheiten,  körperliche  und 
geistige  Überanstrengung  würde  er  sich  ein  Verdienst  erwerben.  An  den 
oberen  Klassen  sollte  er  gemeinverständliche  Vorträge  über  Anatomie  und 
Physiologie  des  Menschen  abhalten,  weil  die  Erkenntnis  in  diesen  Dingen 


879  219 

die  jungen  Lente  am  ehesten   Yor  Schaden  bewahrt.     Mit    den    Familien 
der  Schüler  soll  er  in  Beziehung  treten. 

In  wissenschaftlicher  Hinsicht  kann  er  anf  dem  Gebiete  der  Nenro- 
pathologie,  der  Psychiatrie  wertvolle  Aufschlösse  erteilen,  aber  auch  die 
interne  Medizin  wird  er  durch  seine  Untersuchungen  zu  fördern  imstande 
sein.  Er  kann  Licht  verbreiten  mit  Bezug  auf  Infektionskrankheiten, 
konstitutionelle  Krankheiten  (Skrofulöse,  Anämie  usw.).  Anthropologische 
Studien,  insbesondere  anthropometrische  Messungen  dürften  über  die  Frage 
der  Vererbung,  der  Kriminalpsychologie,  wie  moral  insanity  usw.  weitere 
Aufkl&rung  bringen. 

Damit  der  Schularzt  in  dieser  Richtung  seine  Tätigkeit  vertiefen  kann, 
mufe  er  finanziell  unabhängig,  d.  h.  nicht  auf  der  Privatpraxis  angewiesen, 
sondern  mit  einem  ausreichenden  festen  Gehalt  dotiert  sein! 

Dr.  Schott  erweitert  die  Aufgaben  des  Schularztes  in  weitgehendem 
Mafse.  Dafs  er  allseitiger  Zustimmung  sicher  sei,  ist  zu  bezweifeln,  denn  je 
mehr  wir  die  Tätigkeit  des  Schularztes  erweitem,  je  gröfser  wird  die 
Gefahr  der  Zersplitterung  der  Kräfte.  Immerhin  verdient  Schotts  Auf- 
fassung ernsthafte  Würdigung,  indem  sie  geeignet  ist,  die  Hygiene  des 
Schulkindes  in  ein  anderes  als  das  gewohnte  Licht  zu  rücken! 

Dr.  KRAFT-Zürich. 

Mit  der  schulärztlichen  Tätigkeit  beschäftigte  sich  vor  kurzem, 
vne  die  yySchles.  Ztg.*^  mitteilt,  eine  Vorlage  des  Magistrats  in  Görlitz. 
Sie  spricht  sich  dahin  aus,  dafs  die  Einführung  der  Schulärzte  von  Segen 
gewesen  ist,  dafe  die  Angliederung  der  Schularztstellen  an  die  fünf  armenärzt- 
lichen Bezirksstellen  sich  als  zweckmäfsig  erwiesen  hat.  Die  Gesamtergeb- 
nisse zwingen  zu  weiterem  Ausbau  des  schulärztlichen  Fürsorgedienstes  und 
fordern  die  Entbindung  des  Stadtarztes  von  dem  Amte  eines  Schularztes 
infolge  seiner  sonstigen  vermehrten  Tätigkeit.  Es  wurde  beschlossen,  das 
Amt  eines  Schularztes  einem  anderen  Arzt  zu  übertragen. 

Über  die  Neuregelung  der  Srztlichen  Kontrolle  der  Schulkinder 
hat  die  städtische  Verwaltung  in  Solingen  nach  einer  Mitteilung  der 
j,8olmg,  Ztg.^  eine  Vorlage  ausgearbeitet.  Es  ist  nach  derselben  beab- 
sichtigt, die  Schularztfrage  in  der  Weise  zu  regeln,  dafs  bei  der  Aufnahme 
der  Schüler  zu  Ostern  alle  diejenigen  Kinder,  welche  dem  Lehrer  von  den 
Eltern  als  krank  bezeichnet  werden,  oder  die  der  Lehrer  nach  einigen 
Tagen  selbst  als  krank  befindet,  von  einem  Schularzt  genau  untersucht 
werden  sollen.  Der  Befund  und  das  Urteil  des  Arztes  soll  dann  für  die 
Behandlung  des  Kindes  im  Unterricht  mit  entscheidend  sein.  Mit  der 
Untersuchung  der  aufzunehmenden  Kinder  soll  eine  öffentliche  Sprechstunde 
verbunden  sein,  d.  h.  es  können  dem  Schularzt  seitens  der  Eltern  oder 
der  Lehrer  auch  Schüler  anderer  Klassen,  also  ältere  Schüler,  zur  Unter- 
suchung vorgeführt  werden.  Derartige  Sprechstunden  sollen  im  Laufe  des 
Jahres  auch  stattfinden  gelegentlich  der  zweimaligen  amtlichen  Revision  der 
Schulen.  Die  vermehrte  ärztliche  Kontrolle,  die  wahrscheinlich  den  Armen- 
ärzten übertragen  wird,  verursacht  auch  eine  Erhöhung  der  bisherigen 
Kosten  der  Schulkinderuntersuchung. 

Über  die  Anstellnng  städtischer  SchnUrzte  und  die  damit  ge- 
machten   Erfahrungen   sprachen    Medizinalrat  Dr.  Strassnbr   und  Stadt- 


220  880 

Bcholrat  Dr.  Frahkb,  beide  ans  Magdeburg,  am  letzten  Städtetag  der 
Proyinz  Sacbsen  nnd  Anhalt  in  Naombnrg. 

Neie  Sehnlirite.  Von  der  Schaldepntation  in  Hildesheim  ist 
die  Einftihnmg  Ton  SchnlArzten  in  den  Volksschulen  beantragt  worden. 
Zunftchst  sollen  vier  Schulärzte  angestellt  werden,  zwei  ftbr  die  Intherisdie 
und  zwei  fllr  die  katholische  Volksschule.  Der  Antrag  wurde  mit  grofeer 
Mehrheit  angenommen.  —  In  Chemnitz- Hilbersdorf  wurde  fftr  die 
17.  Bezirksschule  ab  1.  Januar  1906  eine  ständige  Schularztstelle  gegründet 
und  die  Mittel  in  Höhe  von  500  Mark  in  den  Haushaltungsplan  Air  1906 
eingestellt.  —  Die  Stadtverordneten  von  Elberfeld  beschlossen,  in  ihrer 
Sitzung  Tom  24.  Oktober,  zur  Erzielung  besserer  ärztlicher  Bean&ichtigung 
der  Schulkinder  ?om  1.  August  1906  ab  anber  den  bisherigen  neun  Ärzten 
weitere  neun  Ärzte,  und  femer  fQr  die  eingehendere  Untersuchung  von 
Augen-,  Nasen-  und  Ohrenkrankheiten  drei  Augenärzte  und  drei  Spezial- 
ärzte  für  Nasen  und  Ohren  in  Anspruch  zu  nehmen.  Die  Ausgaben  werden 
5300  Mark  betragen.  —  Von  der  städtischen  Verwaltung  in  Bummels- 
dorf wird  zur  öffentlichen  Kenntnis  gebracht,  dafe  seit  Oktober  d.  J.  zum 
besseren  Schutze  der  Gesundheit,  der  die  öffentlichen  Volksschulen  hier 
besuchenden  Kinder,  Schulärzte  angestellt  worden  sind,  welche  die  Pflicht 
haben  sollen,  die  Kinder  nach  ihrem  Eintritt  in  die  Schule  ärztlich  zu 
untersuchen  und  ihren  Gesundheitszustand,  solange  sie  die  Schule  besuchen, 
regelmäfsig  zu  überwachen.  Eltern,  welche  wflnschen,  dafs  ihre  Kinder 
nicht  durch  die  Schulärzte  untersucht  werden  (die  ärztliche  Behandlung 
gehört  nicht  zu  den  Dienstobliegenheiten  der  Schulärzte),  müssen  den  er- 
forderlichen gesundheitlichen  Nachweis  durch  Zeugnisse  ihres  Hausarztes 
oder  eines  sonstigen  Arztes  erbringen.  Formulare  für  diese  ärztlichen 
Zeugnisse  geben  die  Herren  Rektoren  der  Volksschulen  auf  Verlangen  ab. 
Als  Schulärzte  sind  bestellt  worden:  Dr.  med.  Bbrnstbin  für  die  2.  und 
6.  Gemeindeschule  und  Dr.  med.  Wbrnbb  für  die  1.,  für  die  Hälfte  der 
4.  und  für  die  5.  Gemeindeschule,  Dr.  med.  Wagneb  für  die  3.  Gemeinde- 
schule mit  Hilfsschule  und  für  die  Hälfte  der  4.  Gemeindeschule. 

Eine  neie  Dienstordnung  fflr  Schnlirzte  ist  vor  kurzem  yon  der 
StadtverordneteuTersammlung  in  Spandau  angenommen  worden.  Das 
Honorar  für  die  Mühewaltung  des  Schularztes  soll  pro  Kopf  und  Jahr 
SO  Pfennig  betragen. 

Eine  BrhShnng  der  Zahl  der  Sehnlirste  in  Berlin  um  acht  hat 
Tor  kurzem,  wie  wir  dem  „Berl.  Loh-Ang.*^  entnehmen,  die  Schuldeputation 
beschlossen. 

Ober  die  Stellang  der  Kinderheilkude  Eur  Sehnlhygieiie  sprachen 
auf  der  die^ährigen  Versammlung  deutscher  Naturforscher  und  Ärzte  in 
Meran  Dr.  SSLTBR-Solingen  und  GOPPBBT-Kattovdtz.  Der  erste  Referent 
kam  zu  dem  Schlüsse,  dafs  sowohl  für  die  Einschulung  und  die  spätere 
Überwachung,  als  auch  für  die  hygienische  Gestaltung  des  Unterrichts  und 
die  Verbesserung  v^ssenschaftlicher  Grundlagen  das  bisherige  Schnlarzt- 
system  (Wiesbadener  Muster)  nicht  genüge,  wenn  auch  überall  die  Not- 
wendigkeit schulärztlicher  Kontrolle  festzustellen  sei.  Der  zweite  Referent 
stellte  als  Art  und  Ziel  der  Tätigkeit  des  Schulkinderarztes  bestimmte 
Forderungen  bezüglich  der  Schul&higkeit,  Überwachung,  UnterrichtsgestaltuDg, 


881  221 

YolksernAhnrng  fest.  Beide  Referenten  erklärten  sich  am  Schlüsse  tther- 
einstimmend  dahin,  dals  nnr  durch  Bestallung  pädiatrisch  und  pädagogisch 
gut  gebildeter  Ärzte  im  Hanptamte,  nnd  deren  organische  Anhörigkeit  zu 
Lehrkörper  wie  Aufsichtsbehörden,  das  notwendige  Ziel  erreicht  werden 
könne. 

Die  EinfBhning  tob  SehnlirEten  an  den  hSheren  Sehnlen 
in  Breslau  wurde  unlängst  von  den  städtischen  Behörden  beschlossen. 
Leider  vollzog  sich  diese  Neuerung  ohne  Zustimmung,  ja  sogar  gegen  den 
Willen  der  M^orität  der  Lehrer  und  Leiter  der  höheren  städtischen 
Schulen,  in  deren  Namen,  wie  erinnerlich  sein  wird,  der  Stadtverordnete 
Herr  Direktor  Professor  Richter  dieVorhige  entschieden  bekämpfte.  Die 
Einwendungen,  die  Bedenken,  die  Befflrchtungen,  die  gegen  die  Einfdhrung 
von  Schulärzten  an  höheren  Lehranstalten  von  Herrn  Professor  RiohtSR 
erhoben  wurden,  auf  dem  neutralen  Boden  der  Gesellschaft  für  vater- 
ländische Kultur  zu  besprechen  und  zu  widerlegen,  um  womöglich  zu  einer 
Verständigung,  zu  ehrlichem  Frieden  und  zu  gemeinschaftlicher  Arbeit  zu 
gelangen,  gaben  Dr.  Rbioh  Veranlassung,  dieses  Thema  noch  einmal  zu 
erörtern. 

Professor  Riohter  —  fährte  Dr.  Reich  aus  —  leitet  seine  Gegnerschaft 
gegen  die  Einftihrung  von  Schulärzten  in  höheren  Schulen  zunächst  davon 
her,  dais  er  das  BedürMs  dazu  aufs  entschiedenste  bestreitet.  In  den 
Gesellschaftskreisen,  aus  denen  sich  die  Schttler  der  höheren  Schulen  zu- 
meist rekrutieren,  werde  die  Gesundheit  derselben  im  Hause  genügend 
überwacht.  Er  fährt  das  Ergebnis  von  Umfragen  an,  die  einer  der  Direk- 
toren einer  hiesigen  höheren  Lehranstalt  angestellt  hat,  wonach  die  meisten 
Eltern  einen  eigenen  Arzt,  viele  sogar  „Einderärzte"  haben,  die  sich  um 
die  Gesundheitsverhältnisse  ihrer  Kinder  kflmmem.  Es  wäre  also  ein  Schul- 
arzt in  höheren  Schulen  nicht  erforderlich. 

Darauf  erwidert  Dr.  Reich:  Zugegeben  zunächst,  dals  es  sich  mit 
der  häuslichen  gesundheitlichen  Überwachung  so  verhält,  so  trifft  das  den 
Kern  der  Sache  doch  durchaus  nicht.  Der  Schularzt  soll  ja  den  Hausarzt 
nicht  ersetzen.  Es  ist  ihm  ja  sogar  nach  der  Dienstordnung  der  Schulärzte 
selbst  ftkr  die  Volksschulen  nicht  gestattet,  die  Behandlung  der  kranken 
Schulkinder  zu  flbemehmen.  Seine  Tätigkeit  liegt  auf  einem  ganz  anderen 
Gebiete,  auf  das  ihm  der  Hausarzt  gar  nicht  folgen  kann.  Er  soll  zu- 
nächst als  Schularzt  die  äuCsere  Handhabung  des  Schulbetriebes,  soweit  sie 
sich  auf  hygienische  Verhältnisse  bezieht,  überwachen:  die  Schulgebäude- 
Einrichtung,  die  Schulbänke,  die  Beleuchtung  der  Schulräume,  die  natür- 
liche wie  die  künstliche,  die  Ventilation,  die  Beheizung,  die  Reinlichkeit 
der  Schulzimmer  und  der  Korridore,  die  Beschaffenheit  der  Klosetts.  Er 
soll  femer  als  Schülerarzt  die  Lemanfänger  untersuchen,  die  Unbrauchbaren, 
die  Schwächlichen,  mit  schwereren  Leiden  Behafteten  zurückstellen,  die  mit 
leichteren  chronischen  Krankheiten  Belasteten  dauernd  im  Auge  behalten, 
sie  den  Lehrern  zuweisen,  damit  diese  die  Eltern  auf  ihre  kranken  Kinder 
aufmerksam  machen  und  sie  veranlassen,  ihnen  ärztliche  Hilfe  angedeihen 
zu  lassen. 

Es  ist  sehr  befremdend,  wenn  behauptet  wird,  das  alles  sei  wohl  für 
die  Schüler  der  Volksschule  notwendig,  nicht  aber  für  die  der  höheren 


222  882 

Lehranstalten.  Gerade  ?on  den  hygienischen  Übelst&nden  in  den  höheren 
Schalen  ist  ja  der  Kampf  zur  Beseitigung  derselben  aasgegangen.  Die 
Schaden  im  äalseren  Schalbetriebe,  die  Mängel  der  Scholgebftade  und  aller 
der  vorhin  erwähnten  Einrichtungen  sind  ja  gerade  an  den  höheren  Schola 
entdeckt  und  fort  und  fort  gerügt  worden.  Und  wie  H.  GOHN  gerade  an 
den  Schalem  höherer  Schalen  die  gröCste  Zahl  and  die  höchsten  Grade 
von  Knrzsichtigkeit  festgestellt  hat,  so  sind  bei  ihnen  aach  alle  die  Krank- 
heiten gefanden  worden,  die  man  mit  dem  Namen  „Schnlkrankheiten^  zu- 
sammengefafst  and  zn  einem  Teile  aaf  Mängel  des  äalseren  Schalbetriebes, 
zam  anderen  Teile  aaf  die  „Überbürdang"  der  Schüler  zarückgeführt  hat 

Nan  wird  vielfach  Klage  darüber  geführt,  and  es  als  ein  schwerer 
Mangel  bezeichnet»  dafs  wir  angeblich  noch  keine  Statistik  der  Krankheitea 
der  Schüler  höherer  Lehranstalten  haben.  Wir  besitzen  indessen  wohl  schon 
statistische  Erhebangen  in  grofsem  Umfange,  so  z.  B.  die  geradezu  gnmd- 
legenden  Untersachangen  von  AXSL  Kbt,  dem  leider  frühzeitig  verstorbenes 
Schnlhygieniker  in  Stockholm.  Von  AXBL  Kbt  wnrden  15000  Knab» 
and  3000  Mädchen  ontersncht.  Diese  Untersachangen  machen  Ansprüche 
aaf  möglichste  Genauigkeit,  da  ihnen  genaueste  Angaben  seitens  der  Eltern, 
gewissenbafteste  Kontrolle  und  Untersuchung  seitens  der  Ärzte  zugrunde 
liegen.  Und  diese  Untersuchungen  ergeben  nun  bezüglich  der  Knaben  die 
betrübende  Tatsache,  dafs  mehr  als  ein  Drittel,  ja  nahezu  40%  krank 
oder  mit  chronischen  Übeln  behaftet  waren.  In  erster  Reihe  stand  wiedenim 
die  Kurzsichtigkeit,  die  von  Klasse  zu  Klasse  sich  steigerte  und  schnell  in 
die  Höhe  ging,  gerade  wie  H.  Cohn  es  gefunden,  dann  folgten  habituelles 
Kopfweh,  Bleichsucht,  Rückgratsverkrümmungen,  in  geringerem  Mafse  Langen- 
and  Herzkrankheiten.  Bei  den  Mädchen,  die  alle  den  wohlhabenden  Klassen 
angehörten,  war  die  Kränklichkeit  eine  geradezu  erschreckende.  Nicht 
weniger  als  61  Vo  waren  krank.  Hier  traten  in  den  Vordergrund:  Bleidi- 
sucht,  Kopfweh,  Rückgratsverkrümmungen,  Skrophulose. 

Professor  Richter  wendet  sich  dagegen,  da&  man  etwa  alle  sogen. 
Schulkrankheiten  der  Scbule  zur  Last  lege.  Sie  hätten,  wie  er  meinte, 
ihre  Ursachen  ganz  wo  anders.  Zweifelsohne  mufs  man  ihm  hierin  bis  za 
einem  gewissen  Grade  recht  geben.  Kein  ruhiger  und  vorurteilsfreier  Arzt 
wird  die  Schule  für  alle  diese  Krankheiten  verantwortlich  machen  oder  sie 
allein  anschuldigen.  Beschuldigt  man  bei  den  Krankheiten  der  Yolksschfller 
die  ungünstigen  Wohnungsverhältnisse,  die  ungenügende  Ernährung,  die 
Heranziehung  zu  ungesunden  häuslichen  und  hausindnstriellen  Beschäftigungen, 
so  treten  bei  den  wohlhabenden  Klassen  als  schädliche  Momente  in  den 
Vordergrund:  Verweichlichung  in  der  Erziehung,  frühzeitige  Anteilnahme 
an  den  Zerstreuungen  und  Vergnügungen  aller  Art  in  und  aufser  dem 
Hause,  vorzeitiger  Theaterbesuch,  schlüpfrige  Lektüre,  frühzeitiger  Alkohol- 
genufs,  übertriebene  sportliche  Übungen  im  zarten  Kindesalter.  Gerade 
um  die  Scbule  vor  schweren,  ungerechten  Anschuldigungen  zu  schützen, 
dazu  dienen  ja  die  Untersuchungen  der  Lernanfänger,  wobei  die  Krankheiten 
festgestellt  werden,  die  sie  vom  Hanse  in  die  Schule  mitbringen. 

Es  bleiben  aber  noch  genug  Krankheiten  übrig,  die  nach  überein- 
stimmender Ansicht  und  den  sorgfältigsten  Untersuchungen  der  Forscho' 
aufs  Schuldkonto  der  Schule,   ihrer  Schädlichkeiten,  auf  die  Oberbürdung 


883  223 

durch  übergro&e  Zahl  der  Schulstonden,  Übermafis  der  Lehrfächer,  der 
häuslichen  Arbeiten,  sowie  des  schädlichen  psychischen  Einflusses  der  Examina 
zu  setzen  sind.  Hier  sollen  nun  die  Schulärzte  in  Verbindung  mit  den 
Lehrern  einsetzen,  dafür  sorgen,  dab  durch  Abstellung  aller  Schädlich- 
keiten, soweit  es  möglich  ist,  den  Krankheiten  Einhalt  getan  wird,  dafo 
von  der  Schule  alle  hygienischen  MÜsstände  ferngehalten  werden,  sei  es^ 
im  äulseren,  sei  es  im  inneren  Schulbetriebe.  Es  decken  sich  die  Auf- 
gaben der  Schulärzte  der  höheren  Schulen  mit  denen  der  Volksschule,  wie- 
ich  sie  yorhin  schon  kurz  skizziert  habe.  Sie  werden  aber  noch  erweitert 
dadurch,  dafis  man  von  ihnen  Belehrung,  besonders  der  Schaler  der  höheren 
Klassen,  sei  es  dem  einzelnen  gegenüber,  sei  es  durch  Vorträge,  verlangen 
wird  über  das  Vfesen  und  die  Bekämpfung  der  Tuberkulose,  die  Gefahren 
des  Alkoholismus,  Aufklärung  über  sexuelle  Fragen,  über  die  Gefahren  de^ 
übertriebenen  Sports,  besonders  des  übertriebenen  Radfahrens  auf  Lunge 
und  Herz. 

Ich  möchte  aber  auch  nicht  unerwähnt  lassen,  dab  die  hausärztliche 
Überwachung  der  Kinder  bei  wohlhabenden  Familien  oft  vieles  zu  wünschen 
übrig  läfst.  Gerade  seitens  der  Lehrer  der  höheren  Anstalten  wird  häufig 
Klage  darüber  geführt,  da£s  die  Eltern  es  mit  der  Zuziehung  des  Arztes 
durchaus  nicht  inmier  eilig  haben  und  ihre  Kinder  oft  wochenlang  mit  an- 
steckenden Krankheiten,  wie  Keuchhusten,  Hautausschlägen,  Augenkrankheiten, 
die  Schule  weiter  besuchen  lassen  und  so  die  Gesundheit  der  Mitschüler 
gefährden.  Per  Lehrer  ist  dagegen  machtlos.  Hier  soll  nun  der  Schulleiter 
mit  Hilfe  des  Schularztes  einschreiten  und  die  Schüler  solange  vom  Schul- 
besuche fernhalten,  bis  nach  Ansicht  des  Schularztes  keine  Gefahr  der  An- 
steckung mehr  vorhanden  Ist. 

Professor  Richter  betrachtet  femer  die  Tätigkeit  der  Schulärzte  als 
einen  Eingriff  in  die  Rechte  der  Eltern  und  wendet  sich  mit  allem  Nach- 
druck gegen  die  Zumutung  an  die  Familien,  ihre  Kinder  von  einem  fremden 
Arzte  untersuchen  zu  lassen,  dem  sie  nicht  ihr  Vertrauen  schenken  können. 
Es  kann  nicht  oft  und  nicht  nachdrücklich  genug  darauf  hingewiesen  werden, 
dafs  keinerlei  Zwang  zur  Untersuchung  der  Schüler  durch  den  Schularzt 
besteht.  W^eisen  die  Eltern  die  Untersuchung  zurück,  so  dürfen  sie  nur 
ein  entsprechendes  Gesundheitsattest  des .  eigenen  Arztes  beibringen.  Das 
gilt  allgemein  in  den  Volksschulen,  das  wird  selbstverständlich  in  den  höheren 
Schulen  auch  nicht  anders  gebandhabt  werden.  Darin  liegt  aber  der  grolse 
Gewinn  der  neuen  Einrichtung,  dafs  jedes  Kind  einen  Gesundheitsschein 
mitbringen  mufs. 

Nun  wäre  es  aber  ein  Irrtum,  anzunehmen,  dais  sich  Herr  Professor 
Richter  gegen  jede  Art  von  ärztlicher  Beaufsichtigung  in  den  höheren 
Schulen  wendet.  Er  erklärt  zugleich  im  Namen  der  Majorität  seiner  Be- 
rufsgenossen, dafs  er  die  vielen  Schädlichkeiten,  die  die  Schule  in  ihrem 
ftufseren  und  inneren  Betriebe  für  die  Schüler  mit  sich  bringe,  wohl  an- 
erkenne. Er  beklagt  es  lebhaft,  dafs  er  in  seiner  langen  Tätigkeit  als 
Schulmann  und  Schulleiter  noch  nie  einen  Arzt  in  den  Schulräumen  ge- 
sehen habe,  der  sich  von  den  mannigfachen  hygienischen  Mifsständen  der 
Schule  überzeugt  hätte.  Herr  Dr.  Riohtbr  verlangt  für  den  schulärztlichen 
Dienst  einen  ausgebildeten  Hygieniker.   Das  seien  die  Schulärzte  nicht;  sie 

Der  Schalarst.  III.  9ft 


224  884 

w&ren  auf  der  UniTersit&t  nicht  genflgend  vorgebildet,  wie  die  £xamiiiA 
erweisen.  Demgegenüber  konstatiert  Herr  Dr.  Reich,  dafs  die  widitigen 
Probleme  der  Schulhygiene,  soweit  sie  den  ganzen  änfseren  Betrieb  be- 
treffen, schon  gründlich  durchstudiert  und  so  festgelegt  sind,  dafs  sie  der 
Beurteilung  der  einzelnen  Ärzte  nicht  mehr  unterliegen.  Der  Arzt  bat  nur 
die  Aufgabe  der  Eontrolle,  der  Prüfung,  ob  die  Handhabung  eine  richtige 
ist.  Für  den  Schülerarzt  aber,  der  die  Schulkinder  auf  ihren  Gesundheits- 
zustand zu  untersuchen  habe,  würde  der  Hygieniker  nicht  die  geeignete 
Person  sein,  da  er  dem  praktischen  ärztlichen  Dienste  entrückt  ist. 

Nun  wurde  noch  ein  letztes  Bedenken  laut  gegen  den  Schularzt.  Er 
würde  sich  yielleicht  in  den  inneren  Betrieb  der  Schule  einmischen  und 
nach  einer  Art  Oberaufsicht  und  Bevormundung  der  Lehrer  trachten.  Aber 
auch  dagegen  sind  die  Lehrer  durch  die  Dienstordnung  der  Schulärzte 
schon  bei  den  Volksschulen,  geschweige  denn  bei  den  höheren  Lehranstalten, 
ganz  und  gar  gesichert.  Der  Schularzt  hat  keinerlei  Anordnungen  in  der 
Schule  zu  treffen,  keinen  Verkehr  mit  den  Eltern  der  Schulkinder  zu  unter- 
halten, keinen  Verkehr  mit  dem  Magistrat.  Er  hat  den  Lehrern  keinerlei 
Anweisungen  zu  erteilen,  selbst  nicht  einmal  dem  Schuldiener.  Er  hat  nur 
seine  W^ünsche  dem  Lehrer  und  dem  Anstaltsleiter  zu  übermitteln,  seine 
Beobachtungen  dem  Stadtarzte  mitzuteilen,  der  seine  Anregungen  prüft  und 
dem  Magistrat  weitergibt,  von  dem  das  weitere  veranlafst  wird. 

In  der  Diskussion  gab  Professor  Richter  im  eigenen  Namen  und  in 
dem  seiner  Kollegen  als  Stadtverordneter  die  Erklärung  ab,  dals  sie,  wenn 
die  neue  Einrichtung  kommen  werde,  sich  auf  den  Boden  der  neuen  Sach- 
lage stellen  und,  obwohl  bisher  Gegner,  fQr  ein  möglichst  gutes  Zusammen- 
arbeiten zwischen  der  Schule  und  den  Ärzten  sorgen  werden.  Aber  wenn 
auch  gar  nichts  anderes  bei  dem  Pflichtgefühl  und  der  Gewissenhaftigkeit 
unseres  Lehrerstandes  zu  erwarten  sei,  so  habe  doch  der  Magistrat  mit 
anerkennenswertem  Takte  beschlossen,  die  beiden  Schulärzte  an  denjenigen 
Schulen  anzustellen,  deren  Leiter  der  neuen  Einrichtung  freundlich  gegen- 
überstehen. 


Referate  ftber  neu  erfc^iettene  fc^nlar^tlic^e  Ja^resberii^te. 


Schnlärztlicher  Jahresberieht  der  Stadt  Leipzig 
für  das  Schuljahr  1903/1904. 

(Aus  dem  Berichte  des  Stadtbezirksarztes.) 

Den  bereits  Heft  2,  S.  35  (115)  dieses  Jahrganges  veröffentlichten 
Mitteilungen  sei  noch  folgendes  hinzugefügt: 

Die  technische  Behörde  für  das  Schulwesen  ist  in  Leipzig  der  gemischte 
Schulausschufs,  an  dessen  Sitzungen,  so  oft  schulhygienische  Fragen  be- 
handelt werden,  der  Bezirksarzt  teilnimmt. 


886  225 

Im  Berichtsjahre  waren  in  Leipzig  tätig  19  Schulärzte.  Ihre  Tätigkeit 
erstreckte  sich  auf: 

1.  Meldung  der  ansteckenden  Krankheiten.  Zwölf  Klassen  wurden 
deshalb  kurze  Zeit  geschlossen. 

2.  Die  monatlichen  Schulbesuche.  Es  wurden  die  von  den  Direktoren 
und  Lehrern  überwiesenen  Kinder  untersucht.  Zahlreiche  Fälle  von  Herz- 
fehlem, GehOrstOrungen,  Hautkrankheiten,  Epilepsie,  Hysterie  usw.  wurden 
festgestellt  und  entsprechende  Anträge  bei  der  Schulverwaltung  und  bei  den 
Eltern  gestellt.  Ein  Schularzt  hatte  Gelegenheit,  eine  kleine  Epidemie  von 
Krampfanfällen  in  einer  Mädchenschule  zu  beobachten. 

3.  Die  Untersuchung  der  neu  eintretenden  Schulkinder  (vergl.  Tabelle 
am  Schlufs).  Diese  Untersuchungen  werden  als  der  wichtigste  Teil  der 
schulärztlichen  Tätigkeit  bezeichnet.  Es  ergab  sich  im  allgemeinen,  da(s 
die  geistigen  und  körperlichen  Gesundheitsverhältnisse  bei  den  Bürger- 
schulen weniger  ungünstig  waren  wie  bei  den  Bezirks-  (Volks-)  Schulen. 

In  Leipzig  legt  man  hohen  Wert  darauf,  dafs  bei  den  ärztlichen  Unter- 
suchungen die  Eltern  bezw.  Mütter  zugegen  sind.  Trotz  dringlicher  Ein- 
ladung war  aber  die  Beteiligung  der  Eltern  eine  sehr  geringe. 

4.  Die  Prüfung  der  baulichen  Mängel  der  Schulgebäude.  Hier  be- 
schränkte sich  die  Tätigkeit  auf  kleinere  Verbesserungen  (Weifsen  verschmutzter 
Wände,  Anschaffung  besserer  Öfen  usw.).  Gröfsere  Umänderungen  an  alten 
Gebäuden  sind  ja  meist  nicht  durchführbar;  das  Neue  mufs  hier  allmählich 
das  Alte  ausschalten.  Die  Prinzipien  für  den  Neubau  von  Schulgebäuden 
in  grofsen  Städten  werden  jetzt  mehr  und  mehr  bei  den  städtischen  Bau- 
ämtem  modernen  hygienischen  Forderungen  genügend  angepafst,  sowie  unter 
hinreichender  Zuziehung  hygienischer  Sachverständiger  von  Zeit  zu  Zeit 
festgestellt  und  kontrolliert. 

Übereinstimmend  wurde  Verminderung  der  Staubentwicklung  bei  An- 
wendung von  staubbindendem  Fnfsbodenöl  gemeldet.  Allerdings  kamen 
auch  Klagen  vor,  dafs  die  Kleidersäume  der  Lehrerinnen,  sowie  herab- 
fallendes Schreibpapier  durch  den  öligen  Boden  beschmutzt  wurden. 

Was  sonstige  Verordnungen  anbetrifft,  so  wurde  bezüglich  der  Pausen 
festgesetzt,  dafs  zwischen  der  ersten  und  zweiten,  sowie  der  dritten  und 
Tierten  Unterrichtsstunde  zehn  statt  fünf  Minuten  Pause  einzutreten  haben. 
Für  engbrüstige  und  tuberkuloseverdächtige  Schüler  wurden  besondere  Tum- 
knrse  gebildet.  Es  wird  hierbei  mehr  das  orthopädische  Turnen  gepflegt, 
und  zwar  durch  zweckdienliche  Tumbewegungen  aufserhalb  der  Turnhalle 
in  freier  Luft,  namentlich  mit  Beziehung  auf  tiefes  Ein-  und  Ausatmen. 
Bei  skoliotischen  Kindern  werden  die  Übungen  des  reinen  und  gemischten 
Hangs  bevorzugt.  Laufspiel  und  Laufübungen  treten  gegen  Ordnungsübungen 
auf  der  Stelle  (Reigen)  in  den  Vordergrund.  Auch  in  den  Singstunden 
wird  Atemgymnastik  getrieben.  Mit  dem  einfachen  Dispensieren  vom 
Turnen,  wie  es  bei  solchen  körperlich  anormalen  Kindern 
anderwärts  oft  geschieht,  ist  diesen  allerdings  wenig  geholfen. 
Man  soll  ihnen  in  passender  Weise  einen  Ersatz  bieten  und  sie  in  ähn- 
licher Weise  von  den  normalen  Kindern  trennen,  wie  es  in  geistiger  Be- 
ziehung durch  die  Hilfsklassen  für  Schwachbefähigte  geschieht.  Hier  öffnet 
sich   ein  Gebiet  individualisierender  Behandlung,   bei  welchem   die  Schul- 


226 


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'887  227 

Terwaltong  in  besonderem  Mafse  auf  die  Mithilfe  ftrztlichen  Denkens  an- 
gewiesen ist.  Wir  müssen  deshalb  die  Bestrebungen  in  Leipzig  dieserhalb 
;  als  hochbeachtenswert  bezeichnen. 

In  der  Hilfsschule  füi  Schwachbefähigte  wurden  104  Knaben  und 
83  Mädchen  unterrichtet.  Der  Rest,  welcher  auch  hier  nicht  brauchbar, 
wurde  nach  vorheriger  Untersuchung  durch  den  Bezirksarzt  an  besondere 
Erziehungsanstalten  fdr  Kinder  mit  schweren,  geistigen  und  körperlichen 
Gebrechen  flberwiesen.  Also  auch  hier  wieder  beachtungswerte  induviduali- 
sierende  Gruppierungen,  so  dafe  also  fär  die  Erziehung  sämtlicher  anormaler 
Kinder  in  irgendeiner  Weise  Sorge  getragen  wird. 

759  Kinder  wurden  yon  den  Schulärzten  fär  die  Ferienkolonien  aus- 
gesucht und  teilweise  in  Gebirgskolonien,  teilweise  in  Solbädern  oder  See- 
bädern untergebracht. 

Die  zahlenmäfsigen  Resultate  bei  der  Untersuchung  der  neu  eingetretenen 
Schulkinder  fQr  das  Schuljahr  1903/1904  zeigt  folgende  Tabelle;  aus  dieser 
Tabelle  ergibt  sich  auch  die  Leipziger  Klassifikation  der  Schulkrankheiten. 

Dr.  GüBBEGKE-Breslau. 


Sebnlirctlieher  Gesamtberieht  fllber  die  f&nf  Volksaelmleii  der 
Stftdt  Erftirt  für  das  Sehuljahr  1902/1903. 

Von  Dr.  LoTH,  Sanitätsrat. 

Dieser  in  Form  einer  Tabelle  eingesandte,  geschriebene  Bericht  ergibt 
folgende  Gesamtzahlen  nebst  Prozenten  aus  der  Gesamtschülerzahl  bei 
Nr.  8—23: 

1.  Gesamtschfllerzahl 7343 

2.  Zahl  der  Klassen 122 

3.  „       „    Neuaufgenommenen 990 

^*     ft      n    wegen   Krankheitsverdacht    untersuchten    Kinder    im 

Berichtqahr 993 

d.  h.  13,5  ^/o  der  Gesamtschttlerzahl. 

5.  Allgemeine  körperliche  Beschaffenheit  der  Neuaufgenommenen: 

a)  gut 431  (43,5%) 

b)  mittel 542  (54,7% 

c)  schlecht 17  (  l,77o 

6.  Geistige  Beschaffenheit  der  Neuaufgenommenen: 

a)  gut 969  (96,8% 

b)  zurückgeblieben 29  (  2,9% 

c)  blödsinnig 2  f  0,2%| 

7.  Vorschlag  auf  Zurückstellung  neuer  Schüler  auf  ein  Jahr     19  (  1,9%) 

8.  Sehstörungen  (Kurzsichtigkeit,  Übersichtigkeit,  Schwach- 
sichtigkeit)      163  (  2,27o) 

9.  Gehörstörungen  (Schweiliörigkeit,  Taubheit) 120  (  1,6%) 

10.  Äulsere  Augenkrankheiten  (Bindehautentzündung  usw.).  164  (  2,2%) 

11.  Sonstige  Erkrankungen  der  Augen   35  (  0,4%) 

12.  Ohreneiterungen 82  (  1,1  %) 

13.  Sonstige  Erkrankungen  der  Ohren 41  (  0,5%) 


228  888 

14.  Parasiten  und  Hautkrankheiten 90  (  1,2%) 

15.  Wachemngen  im  Nasen-  and  Bachenranm 60  (  0,8%) 

16.  Erkrankungen  der  Brustorgane  (Herz,  Lunge) 78  (  1,0  ^/o) 

17.  ünterleibsbrüche 41  (  0,5%) 

18.  Mckgratsverkrttmmungen 61  (  0,8%) 

19.  Nervenkrankheiten   (Veitstanz,    Epilepsie,   Schwachsinn, 
Lähmungen) 17  (  0,2%) 

20.  Sprachfehler,  Stottern 56  (  0,7%) 

21.  Blutarmut,  allgemeine  Ernährungsstörungen,  Skrophulose, 

Rhachitis 136  (  l,87o) 

22.  Infektionskrankheiten   (Masern,    Keuchhusten,    Halsent- 
zündungen, Tuberkulose 7  (0,09%) 

23.  Sonstige  Krankheiten 55  (  0,7%) 

Femer  ergeben  sich  noch  folgende  allgemeine  Zahlenresultate: 

1.  Im  Berichtsjahr  wurden  unter  ärztliche 

Kontrolle  gestellt 769  (10,4%  der  Gesamtheit) 

2.  Am   Ende    des  Berichtsjahres    standen 

noch  unter  ärztlicher  Kontrolle 568  (  7,7  7o    „  „       ) 

3a.  Mitteüungen  an  die  Eltern  sind  erfolgt  264  (  3,5%    „  „       ) 

3b.  Die  Mitteilungen  haben  bei  den  Eltern 

Beachtung  gefunden 197  (74,6%) 

4.  Gebessert  resp.  geheilt  wurden  424  (42,5%  der  untersuchten  Kinder) 

5.  Bei  Verdacht  auf  Simulation  ist  ärztliche  Untersuchung  in  Anspruch 
genommen  bei  5. 

Im  übrigen  ist  noch  zu  erwähnen,  dafs  erhebliche  Einwendungen  von 
keiner  Seite  gemacht  wurden. 

Die  Konfirmanden  wurden  sämtlich  auf  den  zu  wählenden  Beruf  unter- 
sucht und  ihnen  entsprechende  Ratschläge  erteilt;  von  dem  gewählten 
Berufe  hat  in  keinem  Falle  abgeraten  zu  werden  brauchen. 

Dr.  OEBBBCKE-Breslau. 


Diett|l0r^tttttt$ett  für  Sd^ulax^tt. 


Ordnung, 

betreffend  die  Annahme  und  die  Tätigkeit  von  Sehnlärcten 

an  den  Oemeindeschnlen  der  Stadt  Spandan. 

Titel  I.     Annahme. 

§  1.  Die  Annahme  der  Schulärzte  geschieht  auf  Grund  eines  Vertrags 
nach  Anhörung  der  Schuldeputation  durch  den  Magistrat. 

Die  Schulärzte  erhalten  dadurch  weder  einen  Anspruch  auf  Ruhegehalt 
noch  auf  Witwen-  und  Waisengelder.  Ihre  Tätigkeit  wird  als  Nebenamt 
im  Sinne  des  §  2  Absatz  2  des  Gesetzes  vom  30.  Juli  1899,  betreffend 
die  Anstellung  und  Versorgung  der  Kommunalbeamten,  angesehen. 


889  229 

§  2.  Die  Annahme  erfolgt  fttr  die  Daner  eines  Schnlhalbjahres  and 
gilt  für  ein  Schulbalbjahr  verlängert,  wenn  der  Vertrag  nicht  ein  Viertel- 
jahr vor  Ablanf  desselben  gekündigt  ist. 

§  3.  Jeder  Schalarzt  erhält  fflr  seine  Mühewaltung  ein  vierteljährlich 
nach  Ablanf  des  Yierte^ahrs  zahlbares  Honorar  von  30  Pf.  pro  Kopf  und 
Jahr.  Der  Berechnung  des  Honorars  ist  die  Kopfzahl  vom  ersten  Tage 
des  zweiten  Monats  des  Vierteljahrs  zugrunde  zu  legen. 

§  4.  Die  Schulärzte  haben  bezüglich  ihrer  Tätigkeit  als  solche  die 
Anweisungen  des  Magistrats  beziehentlich  der  Schuldeputation,  welcher  sie 
unmittelbar  unterstellt  sind,  insbesondere  die  hier  nachfolgende  Dienst- 
ordnung (§  8  u.  ff.)  genau  zu  befolgen. 

§  5.  Im  Falle  der  Behinderung  hat  der  Schularzt  einen  der  Schul- 
deputation genehmen  Arzt  als  seinen  Vertreter  zu  stellen. 

Die  Schuldeputation  und  die  betreffenden  Schulleiter  sind  von  der 
Behinderung  und  Vertretung  zu  benachrichtigen. 

Titel  n.     Die  Pflichten  der  Schulärzte. 
§  6.     Die  Schulärzte  haben  die  Aufgabe: 

a)  die  neueintretenden  Kinder  auf  ihre  Schulfähigkeit,  auf  ihre 
körperliche  und  geistige  Beschaffenheit  und  auf  ihren  allgemeinen 
Gesundheitszustand  zu  untersuchen,  sowie  den  Gesundheitszustand 
aller  Kinder  dauernd  zu  überwachen; 

b)  die  gesundheitlichen  Verhältnisse  der  Schulräume  dauernd  zu 
überwachen. 

§  7.     Die  Schulärzte  unterwerfen  sich  folgender  Dienstordnung: 
A.  Pflichten  des  Schularztes  bezüglich  der  Untersuchung  der  Kinder. 

§  8.  Der  Schularzt  hat  jedes  Kind  in  den  ersten  vier  Wochen  nach 
dem  Eintritt  in  die  Schule  zu  untersuchen. 

Nach  etwa  halbjährigem  Schulbesuch  findet  eine  genaue  Untersuchung 
der  Kinder   auf  ihren  körperlichen  und  geistigen  Gesundheitszustand  statt. 

§  9.  Der  Schularzt  hat  mindestens  alle  vier  Wochen  —  wenn  an- 
steckende Krankheiten  auftreten,  häufiger  —  die  ihm  zugeteilten  Schulen 
an  einem  mit  dem  Schulleiter  vorher  vereinbarten  Tage  zu  besuchen. 

Der  Besuch  gilt  gewöhnlich  drei  oder  vier  Klassen  während  des 
Unterrichts.  Jede  Klasse  soll  mindestens  einmal  während  des  Halbjahrs 
besucht  werden. 

Die  Namen  derjenigen  Kinder,  welche  der  anfänglichen  Untersuchung 
unterlegen  haben,  sind  in  fortlaufende  Listen  einzutragen,  welche  der  Arzt 
mit  den  betreffenden  Bemerkungen  zu  versehen  hat. 

Bei  diesen  Besuchen  werden  die  Kinder  in  bezug  auf  ihre  körperliche 
Haltung  und  ihren  Allgemeinzustand  beobachtet  und  zunächst  einer  äufseren 
Prüfung  unterzogen.  Erscheinen  einzelne  Kinder  einer  genaueren  Unter- 
suchung bedürftig,  oder  wünscht  der  Klassenlehrer  eine  solche,  so  ist  diese 
nach  Zustimmung  der  Eltern  durch  Vermittelnng  des  betreffenden  Rektors 
im  Sprechzimmer  der  Schule  vorzunehmen. 

Kinder  aus  anderen,  an  dem  Tage  nicht  besuchten  Klassen  sind  dem 
Arzt  nur  in  dringenden  Fällen  zuzuführen,  jedoch  stets  beim  Verdacht  auf 
ansteckende  Krankheiten. 


230  89» 

§  10.  Die  ärztliche  Behandliug  erkrankter  Schulkinder,  sowie  die 
Aosstellung  von  Attesten  auf  Ersuchen  der  £ltem  ist  nicht  Ohliegenheit 
des  Schularztes. 

Solche  Kinder  sind  yiehnehr  durch  den  zuständigen  Rektor  an  den 
Arzt  der  Eltern  oder  den  betreffenden  Armenarzt  zu  ?erwräen. 

Besuche  in  der  Familie  hat  der  Schularzt  als  solcher  nicht  ans* 
zufahren. 

§  11.  Gesuche  der  Eltern  um  zeitweise  Zurttckstdlung  ihrer  Kinder 
vom  Schulunterricht  sind  dem  Schularzt  zur  Begutachtung  vorzulegen. 

§  12.  Der  Schularzt  hat  auf  Verlangen  der  Schuldeputation  sein 
Gutachten  abzugeben: 

1.  bei  Prüfung  der  Gesuche  um  Ausschliefsung  vom  Unterricht  im 
Turnen,  Gesang,  Zeichnen; 

2.  zur  Feststellung  von  körperlichen  Mängeln,  insbesondore  Fehlem 
an  den  Sinnesorganen«  von  BlOdsinn  oder  ekelerregender  Krai^eit, 
welche  Ausschliefsung  von  der  Schule  oder  Unterbringung  in  einer 
Landesanstalt  bedingen; 

3.  zur  Feststellung  ob  eine  Schulversäumnis  gerechtfertigt  ist; 

4.  bei  Auswahl  der  Kinder  für  Ferienkolonien  und  dergleichen. 
Dagegen    ist    es   nicht  Sache   des  Schularztes,    derartige  Atteste  auf 

Wunsch  der  Eltern  abzugeben. 

§  13.  Der  Schularzt  hat  zur  Verhütung  der  Verbreitung  ansteckender 
Krankheiten  durch  die  Schule  für  Benachrichtigung  des  Kreisarztes  und 
der  Schuldcputation  zu  sorgen  und  im  Notfall  seinerseits  sofort  geeignete 
Mafsregeln  zu  ergreifen. 

B.  Pflichten  des  Schularztes  bezüglich  der  Überwachung 
sämtlicher  Schulräume. 

§  14.  Bei  den  im  §  9  vorgesehenen  Besuchen  des  Schularztes  sind 
gleichzeitig  auch  die  Schulräume  einer  Prüfung  zu  unterziehen. 

Der  Schularzt  hat  jedoch  auTserdem  mindestens  einmal  im  Sommer 
und  einmal  im  Winter  sämtliche  Klassen-  und  Nebenräume  des  Schulhauses 
zu  besichtigen.  Insbesondere  hat  er  hierbei  seine  Aufmerksamkeit  auf 
Reinlichkeit,  Lüftung,  Beleuchtung  und  Heizung  der  Unterrichtsr&nme, 
sowie  auf  die  Beschaffenheit  der  Aborte  zu  richten. 

Die  Besichtigung  erfolgt  nach  vorheriger  Anmeldung  bei  dem  Rektor. 

C.  Allgemeines. 

§  15.  Der  Schularzt  hat  seine  Beobachtungen  und  Wünsche  der 
Scbuldeputation  zu  unterbreiten. 

Die  Schulärzte  dürfen  die  in  amtlicher  Eigenschaft  gemachten  Beob- 
achtungen nur  nach  vorher  eingeholter  Genehmigung  der  Schuldeputation 
veröffentlichen. 

§  16.  Ein  Recht  zu  Anweisungen  an  die  Leiter  der  Schulen,  an 
die  Lehrer  und  Schuldiener  steht  den  Schulärzten  nicht  zu. 

§  17.  Die  Schulärzte  können  zu  Beratungen  berufen  werden,  die 
vom  Vorsitzenden  der  Schuldeputation  oder  einem  von  demselben  besüflomten 
Mitgliede  geleitet  werden. 


891  231 

Sofern  diese  Beratungen  sich  aof  die  Einzelbeobachtnngen  des  Schul- 
arztes beziehen,  kann  der  betreffende  Rektor  bezw.  Lehrer  za  den 
Beratungen  hinzugezogen  werden. 

§  18.  Die  Schulärzte  haben  bis  spätestens  zum  15.  Mai  jeden 
Jahres  Aber  ihre  Tätigkeit  in  dem  abgelaufenen  Schu^ahre  an  die  Schul- 
deputation schriftlichen  Bericht  einzureichen. 

Bei  der  Ausstellung  der  Berichte  sind  folgende  Punkte  zu  beräck- 
sichtigen: 

1.  Ziffemmftfsige  Zusammenstdlung  der  Ergebnisse  der  Aufiiahme- 
üntersuchungen. 

2.  Zahl  der  unter  ärztlicher  Kontrolle  stehenden  Kinder. 

3.  Zahl  und  Art  der  wichtigeren  ErkrankungsfUle,  die  zur  Unter- 
suchung gekommen  sind. 

4.  Zahl  der  von  ihm  beantragten  Mitteilungen  an  die  Eltern. 

5.  Zahl  der  Besuche  der  Klassen. 

t).  Zahl   und   Art   der   gestellten    Anträge    auf   Schliefsung    bezw. 
Desinfektion  einzelner  Blassen. 

7.  Angabe   der  Beobachtungen  bezüglich  der  gesundheitlichen  Ver- 
hältnisse der  Schulräume. 
§  19.    Die  jederzeitige  Abänderung  dieser  Ordnung  bleibt  vorbehalten. 

Spandau,  den 

Der  Magistrat. 


Schutärztliehe  VerwältungS'  und  Jahresberiekle. 

Diejemgen  Herren  Sehulänte  bezw.  Obmänner  sehulärztUeher  KoUegm 
d$t  In^  und  Audandee,  deren  VerwaUungeMiörde  einen  regebnäsagoi 
gedrudäen  schidärzOiehen  VerwaUungsberieU  oder  Jäkretherichi  heraus- 
gibt, werden  ergebend  gebeten^  ihre  Adressen  dem  Unterzeichneten  mä- 
zuieHen. 

Der  Unterzm^mete  wird  diese  Adressen  in  einer  laufendfortgeföhrten 
Liste  vereinigen  und  in  der  Zeitschrift  fiir  8ehulgesimdheUq>fiege  periodisdi 
jmr  VerSffentUehimg  bringen.  Es  kann  dann  naeh  dieser  liste  der  Am- 
tauseh  von  Berichten  zwisdien  den  einzelnen  Herausgebern  regelmässig 
erfolgen.  Bei  der  Wichtigkeii,  welche  ein  solcher  gegenseitiger  und  regA- 
mässiger  Austausch  für  die  einheüUdie  BntwiMung  des  sduUärzHidieH 
Dienstes  hat,  dürfte  eine  recht  rege  Teilnahme  sehr  erwünscht  sein. 

Dr.  OEBBECKE, 

Stadtarzt, 
BRESLAU,  Bureau:  Nikolaistadtgraben  25. 


ffir 

Aborte  and  Pissoirs 
beitoi 


Dr.  H.  Noerdlinger 

Chemische  Fabrik 

Flörsheim  am  Main. 


hm 


'lbsetSot.\Mtesers|Hibing 


gosetfabrilc  rGenth^Krefeld 


Grundzüge  der  Physiologie 

Von 
H.  Thomas  Huxloy- 

Ifit  Bewilli^ng  des  Verfassers  heraa8gegel»ea 

von  Dr.  J.  Rosenthal, 

Professor  an  der  Unlversitftt  sn  Erlangen. 

Dritte,    verbesserte   und   erweiterte  ▲nflsg«- 

Mit  118  Abbildnn8:en.    Mk.  9.-. 

YerlAg  Ton  Leopold  Tose  in  Hunborf. 


Zeitsehrift  fOr  Sehvlgesandheitspflege. 

Sachregister. 


Abnorme  Kinder,  Fürsorge   far   187. 

Aborte,  Lt^ge  im  Schalgebäude  503. 

AborteinrichtuDgen  in  Berliner  Schulen 
428. 

Abstinente   Scbülerverbindungen   199. 

Abstinenter  Lehrer^erein  in  Bern  838. 

Abwehr,  betreffend  die  Stuttgarter 
Jahresversammlung  des  Deutschen 
Vereins  für  Schulgesundheitspflege 
577. 

Erwiderung  581. 

Albuminurie  bei  Schulkindern  in  Lon- 
don 86. 

Alkohol,  Herzleiden  und  nervöse  Stö- 
rungen 863. 

—  und  Nervensystem  214. 

—  und  Volksschule  31. 
Alkoholfrage  und  höhere  Schulen   31. 

99. 

—  im  Kindesalter  88. 
Alkoholgebrauch  bei  Kindern  72. 
Alkoholgenufs  und  Schule  84. 

—  schulpflichtiger  Kinder  in  und  bei 
Ulm  24. 

—  der  Schulkinder  in  Königsberg  678. 

—  im  schulpflichtigen  Alter  199. 
Alkoholismus  215. 

—  Aufgaben  der  Schule  im  Kampf 
gegen  766. 

—  Kongrefs,  X.  internationaler  in 
Budapest,  September  1905,  gegen 
204. 

—  und  Schule  838. 

—  unter  Schulern  in  Ostpreufsen  205. 
Alkoholmerkblatt,  Mannheimer  665. 

—  für  Schulen  337. 
Alkoholmifsbrauch,  Bekämpfung  durch 

die  Schule  32. 

Sehalg^esondheiUpflege.  XVIII. 


Allgemeiner  Deutscher  Verein  für 
Schulgesundheitspflege.  VI.  Jahres- 
versammlung, Stuttgart  1905  365. 

Amtliche  Verordnung,  betreffend  Bur- 
gerstein, Prof.  Dr.  Leo,  Broschüren 
über  Gesundheitspflege  273. 

V.  Weismayr,  Dr.  A.  Ritter, 

Lungenschwindsucht,  Verhütung,  Be- 
handlung, Heilung  273. 

Anästhesie,  moralische  590. 

Ansteckende  Krankheiten,  Maisregeln 
in  München  777. 

Anthropometrische  Untersuchungen  an 
gesunden  und  kranken  Kindern,  be- 
sonders des  schulpflichtigen  Alters 
719.  816. 

Arbeit  und  Erholung  der  Schuljugend 

..  83. 

Arztliche  Aufsicht  über  die  Primär- 
schulen in  Frankreich  852. 

—  Behandlung  der  Schulkinder  in 
Brüssel  771. 

—  Beigeordneter  der  Stadtverwaltung 
„  Cöln  und  die  Schulhygiene  779. 
Arztliche    Hilfe    bei    Unfällen    in    der 

Schule  596. 

—  Untersuchung  schulpflichtig  werden- 
der Kinder,  Amtliche  Verfügung  608. 

von  Schulrekruten  in  der  Schweiz 

91. 

der  Volksschulkinder  in  Stutt- 
gart 94. 

Atemgymnastik,  Bemerkungen  zur  80. 

Auffassungsvermögen  bei  Schulkindern, 
s.  Entwicklung  des  Kindes. 

Aufwand,  übertriebener,  bei  Scbüler- 
festUchkeiten,  Vermeidung  435. 

Auge  und  Schule  24. 

47 


894 


Aa^enant  an  Taabstammenanstalten 

20. 
A  Offenen  tz  and  angen,    ansteckende,    s. 

Krankheiten,  ansteckende. 
Aaf^nuntersucbnngen,    Ergebnisse  im 

SchaUahr  1904/1905  bei  den  Schule- 

rinnen   der  1.  Klasse  einer  Wiener 

Yolkssohnle  657. 

—  bei  neueingeschulten  Kindern  814. 

—  nnd  schulärztliche  Tätigkeit  438. 
Ausbildung  körperlicher  Anlagen  durch 

das  Spiel  845. 

Ausflöge  der  Schulkinder  in  Berlin  268. 

Ausstellung  von  Lehrmitteln  für 
Menschenkunde  und  Gesundheits- 
lehre in  Leipzig  269. 

—  Ton  Lehrmitteln  für  Menschenkunde 
und  Gesundheitspflege  667. 

—  iutemationale,  hygienische  in  Mai- 
land 1906  604. 

pädagogische  in  fiarzelona  201. 

858. 

—  für  Schulgesundheitspflege  in  Han- 
nover 431. 


Bsd    s.    Brausebad,    Schulbraasebad, 

Solbad. 
Baden  s.  auch  Schwimmen. 

—  und  Schwimmen,  Förderung  durch 
die  Schule  605. 

Bäder,    Brausebäder    in     Nürnberger 

Schulhäusern  334. 
Bakteriologie  in  der  Schule  6. 
Bank,  Gruppen  bau  k  567. 

—  s.  auch  Schulbank,  Schulstuhl,  Sub- 
sellien. 

Barackenschule,  swanzigklassige ,  in 
Berlin  599. 

Bayr,  Bürgerrechtsverleihung  der  Stadt 
Wien  206. 

Bau  des  menschlichen  Körpers  36. 

Befähigte,  Sonderschulen  für  hervor- 
ragend 190.  436. 

Behandlung,  ärztliche,  der  Schulkinder 
in  Brüssel  771. 

Bekleidung  s.  Turnkleid. 

Belastung,  erbliche,  s.  Krampfkrank- 
heiten. 

Beleuchtung  s.  Gasbeleuchtung. 

—  der  Schulzimmer  344. 
Beleuchtuuffskontrolle   der    Platze    in 

Arbeitsräumen  774. 
Bericht  über  den  internationalen  Kon- 

grefs  für  Schulhygiene  in  Nürnberg, 

Amtliche  Verfügung  208. 
Berichtigung,  betreffend  die  Stuttgarter 

Jahresversammlung    des    DeutHchen 

Vereins  f.  Schuigesundheitspflege577. 

—  —  Erwiderung  581. 


Beschäftigung  gewerbliche,  kranker 
Schulkinder  601. 

—  von  Schulkindern  in  München  in 
Haushalt  nnd  Landwirtschaft  390. 

Besichtigung  der  den  Provinzialschiil- 
kollegien  unterstellten  höheren  Lehr- 
anstalten durch  die  Kreisärzte  272. 

Besoldung  der  Schulärzte  s.  Schularxt- 
frage  in  Hamburg. 

Bewegung,  körperliche  s.  Übung,  kör- 
perliche. 

Bewegungsspiele  der  Kinder  in  Berlin 
605. 

—  Berliner  Volksschüler  in  den  Ferien 
669. 

Bibliothek,  Schnlhygienische  in  Berlin 
857. 

Blattern  s.  Krankheiten,   ansteckende. 

Blinde,  der,  und  seine  Welt  346. 

Bl luden wesen,  schweizerisches,  Ruck- 
ständigkeit  und  notwendige  Förde- 
rung 859. 

Brausebad  s.  Baden,  Schwimmen,  Schul 
brausebad. 

—  unentgeltliches,  der  Gemeinde  Grune- 
wald 269. 

Brustumfang  der  Schulkinder  s.  Ent- 
wicklung des  Kindes. 


Cantinet  scolaires  in  Paris  26. 
Chorea  s.  Krampfkrankheiten. 


Dach,  flaches,  in  Schulen  200. 

Desinfektion  der  Kleider  bei  ScharUck 
und  Diphtherie  603. 

Desinfizierende  Wandanstriohe  in  Schol- 
räumen  502. 

Deutsche,  Der,  und  die  Schule  863. 

Diensttauglichkeit  der  Einjährig -frei- 
willigen s.  Militärtaugliohkeit 

Diphtherie  s.  Desinfektion,  Krankheiten, 
ansteckende. 

—  in  den  Schulen  Londons  28. 

—  Morbidität  an,  und  Schulschlafs 
63. 

Dispositionsschwankungen  bei  normalen 
und   schwachsinnigen  Kindern  276. 

Dorfschule,  physiologische  und  patho- 
logische Beobachtungen  in  der  849. 

Druck  von  Jugendschriften,  hygienische 
Anforderungen  daran  333. 

—  der  Schulbacher  595. 


Einjährig  -  freiwillige  Militärtauglich- 
keit und  Schulbesuch  207. 

Eisbahnen,  Vermehrung  der  in  Berlin 
257. 


895 


Eisenbahn  and  Schalanfang  198. 

Eisenbahnsohäler,  sog.  803. 

Eisenbahnverkehrsbestimmungen,  ab- 
geänderte, betreffend  Preisermäfsi- 
gang  bei  Schülerfahrten  597. 

Eklampsie  s.  Erampfkrankheiten. 

Elternhaus,  Gesundheitspflege  der  Schul- 
kinder im  36. 

Entartungsproblem  und  soziale  Hygiene 
101. 

Entwicklung  körperlicher  Anlagen 
durch  das  Spiel  845. 

—  physische  und  geistige  des  Kindes 
während  der  ersten  Schuljahre  129. 

Epilepsie  s.  Krampfkrankheiten. 
Epileptische  Anfälle,    Simulation   773. 
Erbliche  Belastung   s.   Elrampfkrank- 

heiten. 
Erholung  und  Arbeit  der  Schuljugend 

83. 

—  körperliche,  der  Lehrerinnen  s. 
Nebenbeschäftigung. 

Erholungsstätten  s.  Kindererholungs- 
stätten. 

—  für  Kinder  250. 

in  Charlottenburg  505. 

Erklärung  Schröer  gegen  Wickenhagen 

697. 
Ermüdungsmessungen  bei  Schülern  345. 
Ernährung  s.  Speisung,  Unterernährung. 

—  der  Schulkinder  255. 

—  mangelhafte,  Ton  Volksschulkindern 
30. 

Erwerbstätigkeit  der   Schulkinder  84. 
Erziehung  und  Alkoholismns  838. 

—  gemeinsame,  beider  Geschlechter  s. 
Koedukation. 

—  körperliche,  der  Mädchen  198. 

—  zur  Selbständigkeit  durch  das  Spiel 
844. 


enstergröfse     bei     Schulneubauten, 

Amtliche  Verfügung  679. 
Fensterreinigung  s.  Eeinigung. 
Ferien,  zweckroäfsige  Einteilung  257. 

—  Hygiene  669. 

—  s.  auch  Sommerferien. 
Ferienaufenthalt  s.  Landaufenthalt  201. 
Ferienhalbkolonien  in  Berlin  675. 
Ferienkolonie,   aus   dem   Leben   einer 

Hamburger  35. 

—  in  Charlotten  bürg,  Beschickung  32. 
Ferienkolonien  in  Berlin  604. 

—  in  Stettin  430. 

—  Verstaatlichung  in   Charlottenburg 
259. 

Ferienkolonie  s.  Winterkolonie. 
Ferienspiele   s.   Bewegungsspiele  Ber- 
liner Volksschüler. 


Ferienkurse  in  Jena,  August  1905, 
Schalhygienisches  203. 

Ferienspielkurs,  14tägiger,  in  Unter- 
türkheim 668. 

Ferienspielnaohmittagein  Rummelsburg 
677. 

Ferienspieltage  669. 

Ferienversorgung  der  Stadt  Bern  853. 

Ferienwanderung  der  Volksschüler  429. 

Ferienwanderungen  für  die  Schuljugend 
667. 

Formulare,  schulärztliche  200. 

Fortbildung,  geistige,  der  Lehrerinnen 
s.  Nebenbeschäftigung. 

Fortbildungskurse  an  frühen  Abend- 
stunden 199. 

Fragebogen,  sanitäre,  der  Bürgerschulen 
in  Hannover  430. 

Frauenkleidung  fürs  Turnen  596. 

Frauenschule,  erste  soziale,  in  Zehlen- 
dorf-Berlin 207. 

Freiluftschule  211. 

Fremdsprachlicher  Unterricht,  Anfang 
und  Anordnung  369. 

Fugues  s.  Psychoneurosen  507. 

Fürsorge  für  Schwachsinnige  s.  Hilft- 
schule. 

Fürsorgestellen  für  die  Schu^ugend 
851. 

Fürsorgeverein  für  Schulkinder  in 
Amsterdam  92. 

Fufsballspiel  an  den  Heidelbex^er 
Schulen  430. 

Fufskleidung  der  Schüler  in  der  Schule 
208. 


Gartenarbeit  s.  Nebenbeschäftigung 
der  Lehrerinnen. 

Gasbeleuchtung,  indirekte,  in  Ham- 
burger Volksschulen  746. 

Gebrechen  bei  Schulkindern  s.  Ent- 
wicklung des  Kindes. 

Gedächtnis  der  Schulkinder  s.  Entwick- 
lung des  Kindes. 

Gehimarbeit  und  Lebensalter  259. 

Geistige  Minderwertigkeit  im  schul- 
pflichtigen Alter  847. 

Gemeinsame  Erziehung  beider  Ge- 
schlechter s.  auch  Koedukation. 

Gemeinschaftliche  Erziehung  beider 
Geschlechter  196.  332. 

Gemeinsamer  Unterricht  von  Knaben 
und  Mädchen  in  Frankfurt  a.  M.  337. 

Generalschulinspektor,  weiblicher,  in 
England  205. 

Genickstarre,  epidemische,  Mafsnahmen 

gegen    die   Verbreitung   durch   die 
chule  266. 

47* 


896 


Geschlechter,   gemeinsame   ErsiehanK 

beider,  s.  Koedakation. 
Geschlechtskrankheiten,  Auf  kl&mng  an 

den  höheren  Lehranstalten  429. 
Gesellschaft,  sohweiseriBche,  für  Schnl- 

gesundheitspflege ,     VI.    JahresTcr- 

sammlang  in  Lnzem,  Mai  1905  264. 
Gesnndheitslehre,    Unterweisung    von 

Schulkindern  in  England  29. 
Gesundheitspflege,    Broschflren    über, 

▼on  Prof.  Dr.  Leo  Burgerstein  278. 

—  cur  h&usliohen,  der  Schuljugend 
274. 

—  der  Schulkinder  im  Eltemhause  86. 
Gesundheitsregeln    filr    Schüler    und 

Schülerinnen  aller  Lehranstalten  274. 
Gesundheitssch&digung  in  Mittelschulen 

88. 
Gewicht  s.  Körpergewicht 

—  der  Schulmappen  603. 

Grö(se  s.  Körpergröfse. 

Gruppenbank,  übsr  die  567. 

Gruppenbank,  Schulstuhl  in  der  780. 

Gruppierung  derVolksschÜler  im  Unter- 
richt nach  ihrer  seelischen  Verschie- 
denheit 826. 

Gymnasium,  seine  Zweckm&fsigkeit  487. 

Handarbeitsschule  s.  Knabenhand- 
arbeitsschule. 

Handarbeits-  und  Turnunterricht  der 
Mädchen  484. 

Handbuch,  encyklopädisches,  der  Schul- 
hygiene 212. 

—  der   Schwachsinnigenfürsorge   275. 
H&nde,  gleichmäfsige  Ausbildung  beider, 

in  der  Schule  206. 
Hausarbeiten   an   der  Realschule  594. 
Hansaufgaben  in  Bern  194. 

—  an  Mittelschulen  189. 

—  als  Strafe  verboten  669. 

—  in  Volks-  und  Mittelschulen,  Amt- 
liche Verfügung  im  Kanton  Bern  96. 

Hausdach  s.  Dach. 
Haushaltsbeschfiftigungder  Lehrerinnen 

s.  Nebenbeschänigung. 
Hauswaldt- Stiftung  zur  Unterstützung 

armer  Kinder  269. 
Heer  und  Schule  844. 
Heftlage  261. 
Heilkurse,  städtische,   für  Stotterer  in 

Hannover  95. 
Heilpädagogik,  Grundrifs  100. 
HeizTorrichtungen,      mangelhafte,     in 

einer  Berliner  Schule  und  Vergiftung 

durch  Kohlendunst  830. 
Hilfe,    ärztliche,    bei  Unfällen    in   der 

Schule  596. 
Hilfeleistung,   erste,    Schülerunterwei- 

sung  858. 


Hil&sohulen  Deutschlands,  s.  Kongrefs 
in  Bremen,  April  1905  206. 

8.  Verbandstag  in  Bremen,  April 

1905  587. 

Hilfsschule,  Fürsorge  für  die  Entlasse- 
nen 591. 

Hilfsschulen  für  Schwachbefahigte, 
Schulbankfrage  753. 

Hil6schullehrer,  Ausbildung  587. 

Hirnerkrankungen  s.  Krampfkrank- 
heiten. 

Höfe  der  Schulen  in  Budapest  als  Spiel- 
plätze 480. 

Höhere  Lehranstalten  in  Prenfsen, 
Hygienische  Untersuchung  durch 
Kreisärzte  881. 

—  Schule  und  Alkoholfrage  99. 
Hydrocephalus    s.    Anthropometrische 

Untersuchungen  725. 
Hygiene  s.  auch  Schulhygiene. 

—  des  kranken  Schulkindes  37. 

—  der  Ferien  669. 

—  des  Klassenzimmers  12. 

—  als  obligatorischer  Lehrgegenstand  5. 

—  öffentliche,  und  Schulärzte  189. 

—  und  Pädagogik  211. 

--  und  Propnylaze  der  Tuberkulose 
im  Kindesalter  674. 

—  der  Schulbank  in  den  Hilfrschnlen 
für  Schwachbefahigte  753. 

—  der  Schulhäuser  in  den  Vereinigten 
Staaten  384. 

—  des  Schulhauses  s.  Schularztfrage 
in  Hamburg. 

—  des  Schulkindes  255. 

—  Soziale  und  Entartungsproblem  101. 

—  im  Dienst  der  Taubstummenbildung 
19. 

—  of  Teaching,  a  contribution  to  the 
507. 

—  des  Unterrichts  s.  Schularztfrage  in 
Hamburg. 

—  des  Unterrichts  (Bumham)  507. 
Hygienezustände  an  französischen  Schu- 
len 598. 

Hygienische  Anforderungen  an  den 
Druck  von  Jugendsdiriften  833. 

—  Untersuchung  der  höheren  Lehr 
anstalten  durch  Kreisärzte  in  Preufsen 
331. 

Hygienischer  Unterricht  durch  die 
Lehrer  7. 

als  besonderes  Lehrfach  5. 

und  Schülerbelastung  6. 

in  der  Schule  1.  29. 

Hysterie  s.  Krampf krankheiten. 

Jahrbuch  der  Schweizerischen  Gesell- 
schaft für  Schulgesundheitspflege, 
V.  Jahrgang,  11.  Teil  343. 


897 


JahresYenammlang,  Sechste,  des  all- 
gemeinen deatschen  Vereins  für 
Schnlgesundheitspflege ,       Stattgart 

Idiotenwesen,  V.  Scbweizerisohe  Kon- 
ferenz, 1905,  in  St.  Gallen  326. 

Indirekte  Gksbelenchtong  in  Hamburger 
Volkssoholen  746. 

Infektion,  Kenntnis  des  Wesens  der  2. 

Infektionskrankheiten  und  Schale  425. 

—  Obertragang  darch  Trinkbecher  773. 
Inflaenza  s.  Krankheiten,  ansteckende. 
Jagendhorte,  nene,  in  Zürich  859. 
Jugendspiel,    zweckmäfsiges,   för    die 

Körperentwicklang  773. 
Jagendspiele  s.  Kongreis. 

—  s.  Yolksspiele. 

—  Forderung  in  Düsseldorf  502. 
in  Wilmersdorf,  Schmargendorf, 

Ornnewald,  Dahlem  857. 

—  zu  Mühlbaasen  836. 

—  Vemachlassigang  dorch  altere  Mäd- 
chen 388. 

9^ Jungs  —  heraus''.  Aus  dem  Leben 
einer  Hamburger  Ferienkolonie   35. 


Kaffee,  Herzleiden  und  nervöse  Stö- 
rungen 863. 

Keuchhusten  siehe  Krankheiten,  an- 
steckende. 

Kinderarbeit  in  gewerblichen  Betrieben 
848. 

—  in  der  Hansindustrie  in  Appenzell 
200. 

—  nützliche  und  schädliche  770. 
Kinderausflüge  in  Berlin  268. 
Kindererholungsstätten  250. 

—  des  Boten  Kreuz  bei  Berlin  601. 

—  in  Charlottenburg  505.  668. 
Kinderforschung,  Vereinigung  dafür  in 

Mannheim  856. 
Kinderfürsorge,   Kommunale,   in  Eng- 
land 86. 

—  soziale  782. 

Kinderheim  in  Zehlendorf  857. 
Kinderkrankheiten  s.  Krankheiten. 
Kinderschutz  in  Meiningen  848. 

—  Preisausschreiben  855. 

Kinderschntzgesets,  angestrebte,  Durch- 
brechung von  der  sächsischen  Bäcker- 
innung  337. 

Kinderschutzheim  gegen  Ausnutzung 
und  Mifshandlung  332. 

Klassenzimmer,  Hygiene  und  Ausstat- 
tung in  HilCBschulen  12. 

Klassenzimmerreinigung  s.  Beinigung. 

Klassifizierung  an  den  Mittelschulen 
193. 


Kleid  s.  Tumkleid. 

Kleiderdesinfektion  bei  Scharlach  und 
Diphtherie  603. 

Kleidung  der  Schulkinder  266. 

in  Brüssel  771. 

Klosetteinrichtungen  s.  Aborteinrich- 
tungen. 

Kinderschutsstationen  249. 

Kinderselbstmorde  85. 

Kindertagesheimstätten  249. 

Kinderspielplatz  am  Köhlbrand  in 
Hamburg  90. 

Knabenhandarbeitsschule,  Wesen  und 
Bedeutung  im  Bahmen  des  Volks- 
sohulwesens  gröfserer  Städte  592. 

Koedukation  332. 

—  in  'der  Bealsohule  zu  Überlingen 
505. 

—  an  Taubstummenanstalten  20. 

—  fälsche  Vorurteile  und  wirklicher 
Nutzen  771. 

—  in  Berlin  263. 

—  in  Frankfurt  a.  M.  337. 

—  im  Gymnasium  zu  Langenschwal- 
bach  263. 

—  in  Ulm  263. 

Kreisärzte,  Besichtigung  der  den  Pro- 
vinzialschalkoUegien  unterstellten 
höheren  Lehranstalten,  durch  272. 

—  Untersuchung  der  höheren  Lehr- 
anstalten Preufsens,   durch  die  331. 

Kongrefs,  K.  internationaler,  gegen  den 
Alkoholismas  in  Budapest,  September 
1905  204. 

—  V.,  der  Hilfsschulen  Deutschlands 
in  Bremen,  April  1905  81.  203. 

—  deutscher,  für  Volks-  und  Jugend- 
spiele,  Frankfurt  a.  M.,  September 
1905  844. 

—  VI.,  für  Volks-  und  Jugendspiele, 
Frankfurt  a.  M.,  September  1905 
678. 

—  des  Boyal  Institute  of  Public  Health 
London,  Juli  1905  431. 

—  zweiter  internationaler,  für  Schul- 
hygiene, London  1907  856. 

—  internationaler,  für  Schalhygiene  in 
Nürnberg,  Amtliche  Verfügung  be- 
treffend den  Bericht  208. 

Körperbau,  menschlicher  36. 

—  und  Schulhygiene  255. 
Körpergewicht,    Lebensalter,    Körper- 

grÖfse  der  Schüler  400. 

—  der  Schulkinder  s.  Entwicklung  des 
Kindes. 

Körpergröfse,  Körpergewicht  und 
Lebensalter  der  Schüler  400. 

Körperlänge  der  Schulkinder  s.  Ent- 
wicklung des  Kindes. 

—  und  Lebensalter  296. 


898 


Körperliche  Anlaffen,  Entwicklang  und 
Auabildnng  845. 

—  Bntwicklang  der  Jagend,  Pflege  770. 
und  ZahuTerderbnis  437. 

—  Übungen  der  Kinder,  Wert  der  29. 
im    nacbschulpflichtigen   Alter 

498. 

—  Zächtigung,  Verbot,  in  österreichi- 
schen Volksschulen  774. 

Körperverletzung,     Bestrafung     eines 

Lehrers  wegen  426. 
Korrekturendauer   bei  Lehrerinnen  s. 

Nebenbeschäftigung  &62. 
Korsett,  keins  mehr  für  SchulmSdchen 

268. 

—  in  der  Schule  599. 

—  Verbot  beim  Turnen  in  Saarbrücken 
858. 

Krampf  krankheiten  im  schulpflichtigen 

Alter  252. 
Krankheiten,    ansteckende,    Amtliche 

Verfugung  in  Lusern  210. 

Belehrung  der  Schüler  über  198. 

Mafsreffeln  in  München  777. 

Hintanhaltung  der  Verbreitung 

durch  die  Schule  679.  692. 
Wesen,  Verbreitung,  Verhütung, 

Bekämpfung  durch  die  Schule  1. 

—  interkurrierende,  bei  Schulkindern 
8.  Entwicklung  des  Kindes. 

Kr&tze  689. 

Kubom ,    50jahriges    Doktoijubilaum 

887. 
Kunstbescbaftigung    der    Lehrerinnen 

s.  Nebenbeschäftigung. 
Kurssichtigkeit  der  Kinder  191. 

—  snnehmende»  der  Schüler  höherer 
Lehranstalten,  Folgen  für  die  Landes- 
▼erteidigung  258. 


Ijandaufenthalt,   unentgeltlicher,  Ver- 

mittelung  201. 
Landeniehungsheime  668. 
Lebensalter  und  Gehimarbeit  259. 

—  Körpergröfse,    Körpergewicht    der 
Schüler  400. 

—  und  Körperlänge  296. 

Lehrer,  hygienischer  Unterricht  durch 
die  7. 

—  und  Lehrerinnen,  geistige  Leistungs- 
fthigkeit  und  Nervosität  846. 

— •  Tuberkulose  unter  den  601. 
Lehrerinnen,    gesunde     und    kranke, 

Nebenbeschäftigung  554. 
besonders  ermüdende  und 

unangenehme  Unterrichtsfacher  für 

78. 
Leibesübungen  s.  körperliche  Übungen 

499. 


Leibesübungen  sur  Förderung  und  Rr- 
haltung  der  Gesundheit  für  Jung 
und  Alt  696. 

—  Physiologie  der  611. 

Leistungsfähigkeit,  geistige,  und  Ner- 
vosität der  Lehrer  und  Lehrerinnen 
846. 

Leistungen,  Trennung  der  Schüler 
nach  98. 

Leistungsfähigkeit  und  Volksschal- 
organisation 768. 

Luft,  freie,  s.  körperliche  Übungen. 

Lunch-Room  at  the  Engelwood  High 
School  696. 

—  in  the  High-School  696. 
Lungen-Drüsen-Tuberkulose  in  Pariser 

Schulen  91. 

Lungenkapasität,  Vitale,  der  Schul- 
kinder,  s.  Entwicklung  des  Kindes. 

Lungenschwindsucht,  Verhütung,  Be- 
handlung und  Heilung,  von  Dr.  A. 
Ritter  von  Weismayr  273. 

Lungenspitzentuberkulose  und  Zahn- 
affektionen 263. 


Mädchenerziehung,    körperliche    198. 
Mädchentumen   in  Städten  und  stadt- 

ähnlichen  Ortschaften  431. 
Mahlzeiten    in    Kinderschutsstationen 

249. 
Masern  s.  Krankheiten,  ansteckende. 

—  Morbidität  an,  und  Schulschlafs 
63. 

Menschen,  Naturgeschichte  des  614. 

Methodik  des  Turnunterrichts  (Schroer) 
510. 

Mikulicz,  V.,  Erinnerungen  an  gemein- 
same schulhygienische  Untersuchang- 
en  889. 

Milch,  gefälschte,  geliefert  zur  Speisung 
bedürftiger  Schulkinder  804. 

—  an  Schulen  verabfolgte,  Kontrolle 
832. 

Milchkolonie  für  dürftige  Kinder  in 
Aue  678. 

Milchkur  für  dürftige  Volksschüler  in 
Solingen  677. 

Milchkuren  für  dürftige  Schulkinder 
197. 

Milchstation  in  Saarbrücken  777. 

Militärtauglichkeit  der  Einjährig-Frei- 
willigen und  Schulbesuch  207. 

>-  und  Schule  844. 

Minderbefähigte  s.  Schwaöhbef&higte 
und  Hilfsschulen. 

—  Schul einrichtungen  für  840. 
Minderwertigkeit,   geistige,   im    schol- 

Pflichtigen  Alter  847. 
Montags-Schulversäumnis  606. 


899 


Uoralischer  Schwachsinn  590. 

Jforhiditat  an  Masern,  Scharlach  und 
Diphtherie,  Schalschlars  63. 

Morbiditätsstatistik  in  den  Schulen 
unter   Mitwirkung:   der  Lehrer  672. 

Morgenstunden,  als  Unterrichtsstunden 
am  Gymnasium  zu  Schiedam  267. 

Mumps  8.  Krankheiten,  ansteckende. 

Mundpflege  s.  auch  Zahnpflege. 

—  bei  Kindern  87. 

Muskulatur  und  Ernährung  der  Schul- 
kinder  8.  Entwicklung  des  Kindes. 

Mutterschutz  864. 

Myopie,  Vortäuschung  von,  bei  Schul- 
kindern 22. 


Nachhilfeunterricht  für  Teilnehmer  an 

Vorkolonien  in  Charlottenburg  676. 
Naturwissenschaftlicher  Unterricht  und 

die  Behandlung  der  sexuellen  Frage 

266. 
Nebenbeschäftigung      gesunder      und 

kranker  Lehrerinnen  564. 
Nebenklassen  für  Schwachbefahigte  an 

den  Berliner  Gemeindeschulen  676. 
Nervenkrankheit  der  Schulkinder  847. 
Nervensystem  und  Alkohol  214. 

—  Bau  und  Bedeutung  für  Leib  und 
Seele  im  gesunden  und  kranken  Zu- 
sUnd  100. 

Nervosität  unter  Kindern  197. 

—  und  geistige  Leistungsfähigkeit  der 
Lehrer  und  Lehrerinnen  346. 

—  bei  Schülern  höherer  Lehranstalten 
87. 


Ohrenkranke  Schulkinder  668. 

Ohrenleiden  bei  Schulkindern  s.  Ent- 
wicklung des  Kindes. 

Ohrennntersuohung  in  der  Schule,  Leit- 
sätze 262. 

Organisation  der  Volksschule  nach  der 
Leistungsfähigkeit  768. 

Orthopädie  und  Schule  261. 

Orthopjädischer  Turnunterricht  778. 

Otologische  Gesellschaft,  Deutsche, 
14.  Versammlung  in  Homburg  204. 


Pädagogik  und  Hygiene  211. 
Pathologische   Beobachtungen   in   der 

Dorfschule  849. 
Pausen  s.  auch  Schulpausen. 
—  an  den  Schulen  in  Holland  602. 
Pavillona  s.  Schnlpavillon. 
Pfl<>ge,  körperliche,  der  Lehrerinnen  s. 

Nebenbeschäjftigung. 


Physiologische  Beobachtungen  in  der 
Dorfschule  849. 

Preisausschreiben  betreffend  Kinder- 
schutz 855. 

Preisermäfsigung  bei  Schölerfahrten 
auf  der  Eisenbahn  597. 

Privatunterricht  der  Lehrerinnen  s. 
Nebenbeschäftigung. 

Prophylaxe  bei  ansteckenden  Krank- 
heiten auf  dem  Lande  3. 

Prüfungen,  vereinfachte,  in  Holland 
849. 

Prüfnngswesen   an  Mittelschulen    189. 

Psychoneurosen,  bedeutsame,  desKindes- 
alters  507. 

Psychosen  s.  Überbürdungspsychosen. 

Pubertät  s.  Wachstumsphysiologie  488. 


Reformschule,  eine  neue,  in  Berlin 
677. 

Reinigung  der  Klassenzimmer  durch 
Schulkinder,  Abschaffung  in  Schles- 
wig 206. 

—  und  Beinhaltung  der  Schulräume, 
Bestrebungen  in  Braunschweig  674. 

—  der  Schulfenster  in  den  Volks-  und 
Bürgerschulen  Wiens,  Amtliche  Ver- 
fügung 209. 

—  der  Schullokale  durch  Schulkinder, 
Abschaffung  im  Beichslande  603. 

Reinlichkeitszustände  an  französischen 
Schulen  598. 

Reise-Schulsparkassen  in  Budapest  205. 

Rostowzeff  über  die  Gruppenbank  567. 

Röteln  S.Krankheiten,  ansteckende. 

Rotes  Kreuz,  Kindererholungsstätten 
601. 

Royal  Institute  of  Public  Health,  Kon- 
greis, Juli  1905,  London  431. 

Rudersport  an  den  Heidelberger  Schulen 
430. 

Ruhr  S.Krankheiten,  ansteckende. 


S^anatorium  s.  Schulsanatorium. 

Sanitäre  Fragebogen  der  Bürgerschulen 
in  Hannover  430. 

Satzungen  des  Deutschen  Vereins  für 
Schulgesundheitspflege  386. 

Schafblattern  siehe  Krankheiten,  an- 
steckende. 

Scharlach  s.  Desinfektion,  Krankheiten, 
ansteckende. 

—  Morbidität  an,  und  Schulsohlufs 
63. 

Schilddrüsenvergröfserung  bei  Schul- 
kindern s.  Entwicklung  des  Schul- 
kindes. 


900 


Schimpfwörter  den  Lehrern  verboten 

669. 
Schlaf  der  Kinder,   notwendige  Daner 

225. 
Sohneeschnhlanf,  Anregung  775. 
Sohreibfrage  845. 
Schriftlage  261. 
Sohriftttellerische    Betoh&ftignng    der 

Lehrerinnen  s.  Nebenbeschäftigung. 
Schubert,    Dr.    Paul,    Au&ätie     und 

Schriften  642. 

Nachruf  682. 

Porträt  681. 

Zum   Andenken.     Von  der 

Redaktion  645. 
Schulanfang  und  Eisenbahn  198. 
Schularzt,  Aufgaben  des,  s.  Schulant- 

frage  in  Hamburg. 

—  Notwendigkeit  dei,  s.  Schularat- 
frage  in  Hamburg. 

Schulärzte  und  ärztliche  Behandlung 
851. 

—  Betoldang  der,  s.  Schularztfrage  in 
Hamburg. 

—  und  öffentliche  Hygiene  189. 

^  Recht  der  Klaasenschliefsung  64. 

—  Stellung  der,  zu  den  Schul-  und 
Medizinalbehörden  «.  Schularztfrage 
in  Hamburg. 

Schularzteinrichtung,  pädagogische  Be- 
deotuDg  29. 

Schulärztliche  Tätigkeit  und  Augen- 
untersuchung 438. 

Schularztfrage  auf  Grund  bisheriger 
Erfahrungen  416. 

—  in  Hamburg  319. 
Schulaufsicht,  zur  Frage  der  781. 
Schulbank   s.  auch   Bank,   Schulstuhl, 

Subsellien. 

—  mit  beweglichen  Teilen  10.  14. 

—  Einsitzige  9.  12. 

—  mit  Fufsrost  10. 

—  und    Handfertigkeitsunterricht   11. 

—  in  Hilfsklassen  für  Schwachbefähigte 
9.  12.  185. 

—  System  Euntze  11. 

—  von  Lickroth  &  Cie.,  Frankenthal 
11.  14. 

—  Rettigbank  9.  15. 

—  Rückenlehne  oder  Lendenlehne  11. 

—  umlegbare  10.  13. 
Schulbänke  zu  Vlissingen  195. 
Schulbankfrage  845. 

—  hygienischer  Fortschritt  850. 
Schulbankhygiene   in  Hilfaschulen   für 

Schwachbefähigte  753. 

Schul brausebad  in  Amsterdam  672. 

Schulbransebäder  s.  Baden  und  Schwim- 
men 505. 


Schulbeginn,  zu  früher,  in  Art^hofen 

426. 
~  für  die  erste  Klasse  der  Volkaschiileii 

in  München  675. 

—  am  Morgen  in  den  Züricher  Schulen 
80. 

Schulbücher,  gebrauchte,  Wamong  dt- 
Tor  427. 

—  Klagen  über  857. 
Schuldach  s.  Dach. 

Schule  und  Alkoholismus  888. 

—  Der  Deutsche  und  die  863. 
->  und  Heer  844. 

Infektionskrankheiten  425. 

Militärtauglichkeit  der  Einjährig- 
freiwilligen  207. 

Schwimmunterricht  95. 

Schuleinrichtungen   für   nicht  nonnsl 

begabte  Kinder,  Obersicht  über  dso 

Stand  1903  104. 
Schülerherbergen  777. 
Schüler,  ortsfremde,  s.  Eisenbahnschüler 

808. 
Schülerfahrten,  abgeänderte  Eisenbshn- 

yerkehrsbestimmungen  f>97. 
Schülerüberbürdung    s.    Überbürdung 

196. 
Schüleruntersaohungen  874. 
Schülervorstellungen,     SicherheitsTor- 

kehrnngen  bei,  Amtliche  Verfogoiig 

270. 
Schälerwanderungen  in  Berlin  778. 
Schülerzahl,  Herabsetzung  der,  in  den 

Volksschulen  32. 
Schulföcher,  besonders  ermüdende  und 

unangenehme  für  Lehrerinnen  73. 
Schulfeuster  s.  Reinigung  der. 
Schulferien  s.  Sommerferien. 
Schulgesundheitspilege  612. 

—  Vorträge  über,  in  Dresden  29. 
Schulhausbrausebäder  s.  Bäder. 
Schulhäuser,   Beschaffenheit   und  Ein- 
richtung 339. 

—  Hygiene  der,  in  den  Vereinigten 
Staaten  334. 

Schulhygienische  Bibliothek   in  Berlin 

857. 
Schulhygiene,  über  die  Bedeutung  der 

83. 

—  Dozentur  für  Lehrer  in  Kopenhsgen 
859. 

—  enzyklopädisches  Handbuch  212. 

—  französischer  Kongrefs,  Paris  1905 
336. 

—  in  Charlottenburg,  Ferienkolonien, 
Verstaatlichung,  Waldschule  259. 

—  in  Cöln  unter  einem  ärztlichen 
Beigeordneten  der  Stadtrerwaltnng 
779. 

—  für  Lehramtskandidaten  778. 


901 


Schulhygiene,  Unterweisung  der  baye- 
rischen Lehramtskandidaten  860. 

—  Unterweisung  Österreichisoher  Lehr- 
amtskandidaten 861. 

Schuiinspektor,  weiblicher,  s.  Oeneral- 

schulinspektor. 
Schuljugend,  Fursorgestellen  für  851. 
Schulkinder,  dürftige,   Milchkuren  für 

197. 

—  Reinigung  der  Elasseniimmerdnroh, 
Abschaffung  in  Schleswig  206. 

Sohullokale  durch,  ^Abschaf- 

fung  603. 

Schulmappen,  Gewicht  603. 

Schulpflichtig  werdende  Kinder,  ärzt- 
liche Untersuchung,  amtliche  Ver- 
fügung 608. 

Schulpausen  in  Holland  205.  602. 

Schulpavillons,  transportable,  amtliche 
YeHugung  610. 

Schulrekruten  in  der  Schweiz,  ärzt- 
liche Untersuchung  91. 

Schulsanatorium,  schweizerisches,  Fri- 
dericianum  in  Davos  852. 

SchulschluTs  und  Morbidität  an  Masern, 
Scharlach  und  Diphtherie  63. 

Schulsparkassen  s.  Sparkassen. 

Schulspielplatz  im  Grunewald  94. 

Schulstuhl   in   der  Gruppenbank   780. 

Schultumwesen,  städtisches,  in  Berlin 
769. 

Sohulversäumnis  am  Montag  606. 

Schulvorbereitung ,  Dauer  der,  bei 
Lehrerinnen  s.  Nebenbeschäftigung 
563. 

Schul  Wärmezimmer  31. 

Schulzahnarzt  in  Wiesbaden  430. 

Schulzahnkliniken  in  Mnlhausen   678. 

Schulzimmer  über  einem  Stall  in  Weil- 
bach 338. 

Schulzimmerreinigung  s.  Reinigung. 

Schutzstationen  für  Kinder  250. 

Schwachbefahigte  s.  auch  Hilfsschulen, 
Minderbefahigte,  Nebenklassen,  Über- 
bürdnngspsychosen. 

—  Kinder,  Hilfsschule  für  81. 

—  Schulbank  in  Hilfsklassen  für  9.  12. 

—  Schüler  an  höheren  Schulen  in 
Beriin  26. 

Schwächliche  Schulkinder,  besonderer 
Schulunterricht  597. 

Schwachsinn,  jugendlicher,  und  Seh- 
organ 89. 

Schwachsinnige  Kinder,  Dispositions- 
schwankungen  bei  276. 

Pflegeverein   für,   in  s'Graven- 

hage  607. 

Verein  für,  in  Amsterdam  864. 

—  und  nervenkranke  Schulkinder  in 
Holland,  Fürsorge  für  27. 


Schwachsinnige,  nervöse  und  krankhafte 
Schulkinder,  pädagogisches  Institut 
für,  bei  Brüssel  28. 

-—  Schüler  und  ihre  Behandlung  275. 

Schwachsinnigenfürsorge,  Handbuch 
der  275. 

—  s.  Hil&schule. 
Schwimmen  s.  auch  Baden  505. 

—  Fürsorge  für  das,  der  Berliner  Schul- 
kinder 207. 

Schwimmlehrerin,  Prüfung  860. 
Schwimmmethode  in  Frankfurt   a.  M. 

845. 
Schwimmunterricht  und  Schule  96. 328. 

—  obligatorischer,  an  der  Volksschule 
94.  260. 

—  unentgeltlicher,  in  Gera  338. 
Sehkraft,   s.  auch  Augenuntersuchung 

bei   neueingeschulten   Kindern  814. 

—  taubstummer  Schüler  19. 
Sehorgan   und  jugendlicher  Schwach- 
sinn 89. 

Sehschärfe  der  Schulkinder  s.  Ent- 
wicklung des  Kindes. 

Selbstmord  von  Schülern  779. 

Selbstmorde  von  Kindern  85. 

Selbständigkeit,  Erziehung  dazu  durch 
das  Spiel  844. 

Sexuelle  Aufklärung  s.  a.  Geschlechts- 
krankheiten 429. 

—  Frage,  Behandlung  im  naturwissen- 
schaftlichen Unterricht  256. 

Sioherheitsvorkehrungen  bei  Schüler- 
vorstellungen, Amtliche  Verfügung 
270. 

Simulation   epileptischer  AnföUe  773. 

Skoliosen  der  Schulkinder  s.  Entwick- 
lung des  Kindes. 

Solbad  für  arme  Kinder  in  Bheinfelden 
94. 

Sommerferien,  Beurlaubung  vor  und 
nach,  in  Berlin  501. 

—  grofse,  Dauer  607. 

—  Verlängerung  durch  Vor-  und  Naoh- 
mittagsurlaub  666. 

Sonderschulen  für  hervorragend  Be- 
fähigte 190.  436. 

Soziale  Fürsorge  für  Kinder  im  schul- 
pflichtigen Alter  782. 

—  Betätigung  der  Lehrerinnen  s.  Neben- 
beschäftigung. 

—  Hygiene  und  Entartungsproblem 
101. 

Sparkassen  für  Schälerreisen  205. 
Speisung  von  Schulkindern  in  Brüssel 
771. 

—  der  Pariser  Volksschulkinder  26. 

—  von  Schulkindern  in  Sohöneberg 
777. 

—  armer  Schulkinder  in  Stettin  428. 


902 


Spiel  s.  auch  Bewegangsipiel,  Ferien- 
spielkan,  Ferienspiel  tage,  Jugend- 
spielkongrefs,  körperliche  Übung, 
Nebenbeechaftignng  kranker  Lehre- 
rinnen. 

—  Sport  und  Turnen  auf  der  Jahres- 
versammlung des  Vereins  der  Turn- 
lehrer in  Holland,   April  1905   600. 

Spiele,   Förderung   in  Düsseldorf  602. 

—  der  Kinder,  Untersuchung  über  die 
gesundheitliche  Wirkung  81. 

Spielknrs««  s.  Volksspiele. 

—  für  Lehrer  und  Lehrerinnen  265. 
336. 

Spielnaohmittage  in  Essen  770. 

—  Einführung  in  Nassau  675. 

—  während  der  Ferien  in  Bummels- 
burg 677. 

—  obligatorische  846. 

an  höheren  Schulen  Württem- 
bergs 504. 

Spielnaohmittag,  obligatorischer  freier 
267. 

Einfuhrung  604. 

Spielplatz  s.  auch  Kinderspielplatz, 
Schulspielplatz. 

Spielplätze,  städtische,   in  Berlin  204. 

—  Höfe  der  Schulen  in  Budapest  als 
4S0. 

Spiel platzverwaltung  durch  Knaben  in 
New  York  776. 

Spiel-  und  Sportplätze,  öffentliche,  Be- 
deutung für  die  Volksgesundheit  659. 
762. 

—  und  Turnplätze  in  Berlin  und 
München  259. 

Spielstunden  an  Barmer  Volksschulen, 

Einführung  678. 
Sport  s.  Spiel. 
Sprachgebrechen,   Behandlung  in   der 

Hilfaschnle  588. 
Sprachstörungen ,    soziale    Bedeutung 

196. 
Statistik   s.    auch  Morbiditätsstatistik 

—  über  die  Verhältnisse  der  Schüler 
in  Nizza  676. 

—  schulärztliche  189.  783. 
Staubfreie  Fufsbodenöle  in   Cottbuser 

Schulen  94. 
Steilschrift  345. 

—  Geschichtliches  über  391. 
Stotterer,  Heilkurse  für,    in  Hannover 

95. 

Stottererkurse  für  Schulkinder  in  Stutt- 
gart 89. 

Stotternde  Volksschüler,  unentgeltlicher 
Unterricht  für,  in  Göppingen  82 

Stoysche  Erziehungsanst^t  s.  Wachs- 
tumsphysiologie 293. 

Strafaufgaben,  häusliche,  verboten  669. 


Studium  der  Lehrerinnen  s.  Neben- 
beschäftigung. 

Subsellien  s;  auch  Bank,  Schulhank. 

~  praktische  Schwierigkeiten  bei  der 
Befriedigung  hygienischer  Forde- 
rungen an  die  239. 

Suppeuanstalt  für  Kinder  in  Frank- 
furt a.  M.  269. 


Tabakgenufs  und  Schule  84. 

Tagesheimstätten  für  Kinder  249. 

Taubstumme,  Fürsorge  für  elternlose 
21. 

schulentlassene  21. 

Taubstummenbildung  und  Hygiene  19. 

Tauglichkeit  der  Einji&hrig-Frei willigen 
zum  Militärdienst  s.  Militärtauglich 
keit 

Tics  s.  Psychoneurosen. 

Tic  gönöral  s.  Krampfkrankbeiten. 

Transportable  Schulpavillons,  Amtliche 
Verfügung  610. 

Trennung  der  Schüler  nach  Leistungen 
93. 

Trinkbecher  und  Übertragung  von  In- 
fektionskrankheiten 773. 

Tuberkulose  s.  auch  Lungen-,  Drüsen- 
Tuberkulose. 

~-  Mafsnahmen  gegen  die  Verbreitung 
4. 

Tuberkulose-Prophylaxe  im  Kindesalter 
674. 

Tuberkuloseverbreitnng  unter  den  Leh- 
rern 601. 

—  durch  die  Schule  500. 

Turnen  s.  auch  körperliche  Übung, 
Spiel  und  Sport. 

—  im  Hause  696. 

—  der  Mädchen  in  Städten  und  stadt- 
ähnlichen Ortschaften  431. 

—  zwei  Minuten  während  des  Unter- 
richts 206. 

—  zweckmäfsiger  für  die  Körperent- 
wicklun^  773. 

Tnrngeschichte,  Leitfaden  für  den  Un- 
terricht in  der  215. 

Turnhalle  im  Daohgeschofe  30. 

Tumkleid  der  Frauen  896. 

Tumkurse  s.  Volksspiele. 

Turnplätze,  neuzeitliche  Anforderungen 
769. 

Tum-  und  Spielplätze  in  Berlin  und 
München  259. 

Turnräume,  Anzahl  und  Lage  in  stark 
besuchten  Schulen  22. 

Tumsaal  in  eigenem  Gebäude  22. 

Turn-  und  Jugendspiele,  Förderung  in 
Düsseldorf  502. 


903 


Tamstunden,  Vermehrung  in  Nassau 
675. 

Turnunterricht,  zu  bereitwillige  Be- 
freiung der  Schüler  in  Berlin  501. 

—  falscher   und   richtiger  Betrieb  28. 

—  Methodik  (Schroer)  510. 

—  orthopädischer  778. 

—  besonderer  für  schwächliche  Schul- 
kinder 697. 

Tnmwesen  s.  Sohultnmwesen. 
Typhus    abdominalis    s.   Krankheiten, 
ansteckende. 


"Cberburdung  in  Eealgymnasien  und 
Bealschulen  593. 

—  der   Schüler   und  Verkürzung   der 
,  Unterrichtsstunden  196. 

Überbürdungspsycbosen  bei  minder- 
wertigen Kindern  649. 

Überfüllung  preufsisoher  Volksschulen 
426. 

Übergangsprtifung  s.  Prüfungen,  ver- 
einfachte 849. 

Übungen,  körperliche,  im  nachschul- 
pflichtigen Alter  493. 

Unfälle  in  der  Schule  und  ärztliche 
Hilfe  596. 

Ungeteilter  Unterricht  378. 

Ungezieferplage  in  Frankfurter  Schulen 
767. 

Unterernährung  vieler  Schulkinder  in 
England  329.  779. 

Unterricht,  fremdsprachlicher,  Anfang 
und  Anordnung  369. 

—  gemeinsamer,  für  beide  Geschlechter 
s.  Koedukation. 

—  aulscrhalb  der  Schule  von  Lehre- 
rinnen, s.  Nebenbeschäftigung. 

—  ungeteilter  378. 
Unterrichtsplan    am    Gymnasium    zu 

Schiedam  267.' 

Unterrichtsstunden,  Verkürzte  196. 

Unterstützung  armer  Kinder,  fiaus- 
waldt-Stiftung  269. 

Untersuchung,  ärztliche,  schulpflichtig 
werdender  Kinder,  Amtliche  Ver- 
fügung 608. 

beim  Ein-  und  Austritt  an  Taub- 
stummenanstalten 19.  21. 

Untersuchungen,  anthropometrisohe,  an 
gesunden  und  kranken  Kindern,  be- 
sonders des  schulpflichtigen  Alters 
719.  816. 

—  ärztliche,  der  Schüler  374. 
Urlaub   s.    Sommerferien,    Vor-    und 

Nachmittagsurlaub. 


"Veitstanz  s.  Krampfkrankheiten. 

Verbandstag,  fünfter,  der  Hilfsschulen 
Deutschlands  in  Bremen  587. 

Verbrecher,  jugendliche,  Bestrafung 
429. 

Verein,  allgemeiner  deutscher,  für 
Schulgesundheitspflege,  VI.  Jahres- 
versammlung, Stuttgart,  Juni  1905 
265. 

—  „Kinderschutzstationen^,  vierter 
Rechenschaftsbericht  249. 

—  Deutscher,  für  Schulgesundheits- 
pflege, Satzungen  386. 

—  für  Schul-  und  Gesundheitspflege 
in  Bizdorf,  Gründung  207. 

—  für  schwer  sprechende  und  schwach- 
sinnige Kinder  in  Amsterdam  854. 

Vereinigung  für  Kinderforsohung  in 
Mannheim  856. 

Vereinstätigkeit  der  Lehrerinnen  s. 
Nebenbeschäftigung. 

Vergiftung  durch  Kohlendunst  wegen 
mangelhafter  Heizvorrichtungen  in 
einer   Berliner   Mädchenschule  830. 

Versäumnis  s.  Schulversäumnis. 

Verwaltung  eines  New  Yorker  Spiel- 
platzes durch  Knaben  776. 

Volk,   seine  Kraft  und  Schönheit  693. 

Volksgesundheit  s.  Spiel-  und  Sport- 
plätze 659. 

Volksschulen,  öfientliche,  Errichtung, 
Erhaltung,  Besuch  339. 

—  preufsische,  Überfüllung  426. 
Volksspiele  s.  Kongrefs. 

—  Kurse  zur  Ausbildung  von  Lehrern, 
Amtliche  Verfügung  607. 

Vorbereitung  für  die  Schule  s.  Schul- 
vorbereitung. 


Wachstum  s.  anthropometrisohe  Unter- 
suchungen. 

—  jährliches,   einzelner   Schüler   462. 
Wachstumspbysiologie   des  Menschen, 

ein  Beitrag  zur,  nach  statistischen 
Erhebungen  an  der  Stoyschen  Er- 
zieh ungsansUlt  293.  365.  457. 

Wachträumen  der  Kinder  s.  Psycho- 
neurosen  509. 

Walderholungsstätten  und  Waldschulen 
858. 

Waldschule  in  Charlottenburg  259. 
837.  604. 

Betrieb  670. 

eine  zweite  32. 

in  Dresden  604. 

Waldschulen  in  Berlin  675.  857. 

—  zwei  zukünftige,  in  Berlin  606. 
Wandanntriche,     desinfizierende,      in 

Schulräumen  502. 


904 


Wandertrieb,  kindlicher,  s.  Pfjoho- 
neurosen. 

Wanderungen  s.  Sohalerwandemngen. 

Warmesimmer  in  Schalen  81. 

Waachgelegenheiten  in  der  Schule  426. 
768. 

Weiblicher  Genendschulinepektor  in 
England  205. 

Winterkolonie  Tannenhof  (Hamburg) 
778.  859. 

Wirbel8äale,yerkrfimmungen  bei  Schul- 
kindern 8.  Entwicklung  des  Kindes. 

Zahnaffektionen  und  Lungenapitien- 
tuberkuloee  268. 

Zahnarst  s.  SchulBahnartt. 

Zähne,  Fürsorge  für  die,  der  Schul- 
kinder in  Darmstadt  98. 

—  der  Schulkinder  in  Winterthur  858. 

~-  Untersuchung  und  Pflege  der  Schul- 
kinder in  Meiningen  67o. 


Zahnpflege  und  Schule  344. 

—  Förderung  der,   bei   SchaUandertt 
83. 

—  der  Schulkinder  in  Langenthai  97. 
Zahnkliniken  s.  Schuliahnldiniken. 
Zahnverderbnis   und  körperliche  Ent- 
wicklung 427. 

Zahnrerhältnisse  der  SchuUduder  im 

Kreise  Worms  427. 
Zahnuntersuchung     der     Schulkinder 

in  Erfurt  200. 
Zentralverein  für  Kinderheilunga-  uod 

Ferienkolonien  in  den  Niederlanden 

27. 
Zwangsvorstellungen  im  Kindeealter  s. 

Psychoneurosen. 
Züchtigung,  körperliche,  s.  auch  Korper- 

verletsung. 
Verbot  in  österreichischen  Völki- 

schulen  774. 
Züchtigungsrecht  der  Lehrer  an  höhe- 
ren Lehranstalten  669. 


Namenregister. 


Abel  865.  577.  581. 

▲gahd  857. 

Altscbol    212.    216.   846. 

612. 
Armaingand  674. 
Anerbaoh  95. 
Axmann  347. 


Bacb  10.  15. 
Baginsky  88.  257.  720. 
Baker  216. 
Baldrian  19.  847. 
Barat  848. 
Bardenheuer  261. 
Barreveld-Bute  28. 
Barrows  696. 
Basedow  95.  185.  753. 
Bass  379.  881. 
Bauer  866. 
Baameisier  663. 
Banr  87.  347. 
Bayr   190.  206.  249.  273. 

392.  657.  746. 
Beckers  828. 
Beerwald-Brauer  347. 
Beerwald  512.  696. 
Bekarinkoff  865. 
Benda  257.  865. 
Bergmann  398. 
Berlin  891. 
Bernhardt  258. 
Beminger  211. 
Bertram  417. 
Beatler  663. 
Bentter  373. 
Beyer  612. 
Bezold  262. 
Bienertb,  r.  777. 
Biorwass  39. 
Binet  836. 
Binswanger  657. 


Biroher-Benner  865. 

Birkner  723. 

Bleuler  102.  346. 

Bloch  865. 

Blöckh  507. 

Bock  589. 

Bocqnillon  217. 

Boddaers  92. 

BoUert  664. 

Bondi  24. 

Bonnifay  723. 

Boom,  V.  600. 

Bösbauer  275. 

BoDgrat  599. 

Boalton  410.  411.  458. 

BoumeyilleB  832. 

Bowditoh  723. 

Brandeis  216. 

Brauer  696. 

Bregenzer  848. 

Bremen,  v.  82.  608. 

Bridon  348. 

Bruns  398. 

Bruntou  856. 

Buchhold  698. 

Buchner  763. 

Buhler  266. 

Büren,  v.  853. 

Bnrgass  512. 

Burgerstein  14.  216.  218. 

273.    274.    417.    438. 

698. 
Bnrmeister  348. 
Bumham  216.  506. 
Busch  82.  208. 
BüsiDg  15. 
Büttner  865. 


Camerer  jr.  566. 
Carstädt  297.  723. 
Cave  674. 


Celli  38.  347.  865. 
Chabot  599. 
Chatelanat  461. 
Codirilla  216. 
Cohn  20.  39.  63.  275.  389. 

417.  682.  695.  865. 
Gombe  261. 
Cotta  215. 
Gramm  331. 


Daffner  723. 

Debove  336. 

Delius  347.  367.  368. 

Dennig  865. 

Dettweiler  418. 

Dietz  865. 

Dominicus  348. 

Domitrovich,  v.   39.  216. 

217.  567.  698.  699. 
Dörnberger  89. 
Dressler  190. 
Dreyfuss  347. 
Dakey  259. 
Duncan  258. 
DüriDg  264. 


Egelhaaf  878. 
Eisenreioh  511. 
Eliasberg  595. 
Emmert  844. 
Enderlin  856. 
Engelsperger  699. 
Ensmann    40.    289.    344. 

345.  420.  490.  567.  614. 

696.  723.  746. 
Ernst  426.  610. 
Esmarcb,  t.  697. 
Espine,  d'  674. 
Eulenberg  10.  15. 
Eysert  189. 


»06 


Fab  818. 

FeUchenfeld  22.  89. 
FeiTai  699. 
FeUcherin  40.  344. 
Feucht  878. 
Fiebig  203. 
Fiedler  36. 
FiDkh  347. 
Finkler  673.  867. 
Finaler  194. 
Finsen  769. 
Fischer  265.  266.  841. 
Flachs  80. 
Flatt  265. 
Fonrier  807. 
Fränkel  865. 
Frauchiifer  88. 
Frenzel  275. 
Frioke  328.  512. 
Friedrich  865. 
Friedrich»  771. 
Frisch  700. 
Fachs  276. 
Fürst  38.  326.  698. 


«aleaasi  216. 

Gall  835. 

Galle  865. 

Oanghofer  674. 

Gärtner  293. 

Gastpar  265. 366. 374.  866. 

Gattiker  39.  781. 

Gaupp  347.  779. 

Geilsler810.317.489.  723. 

Gelpke  89. 

Gerken  326. 

Geromiller  866. 

Gerstenberg  512. 

Giacomini  829. 

Girard  40.  345. 

Goldhahn  507. 

Gofsler,  v.  259. 

Götz  28.  29.  86.  87.  189. 

196.  262.  426. 
Grancher  91.  217.  336. 
Granpner  29   388. 
Graziani  348. 
Greeff  698.  699. 
Greenwood  779. 
Griesbach   217.  367.  368. 

512.  577.  581.  662. 
Groob  40.  345. 
Groos  788. 

Grotjahn  89.  101.  215. 
Gruber  840. 
Gruhn  512. 
Gugler  271.  273.  274. 
Guillaume  417. 
Gurlitt  699.  863. 


Guttmann  141.  142. 
Gutimann  204. 


Haass,  De  28. 

Hafter  767. 
Hagen  605.  776. 
Hsgmann  699.  864. 
Habnel  840. 
Hammar  699.  866. 
Hanchoz  345. 
Hansel  93. 
HarUl,  T.  206. 
Hartmann  32.  39.  99.  102. 

204.  367.  878.  611.  668. 

782.  866. 
Hasse  723. 
Hauber  504. 
Haunstrup  348. 
HauswalJt  265. 
Heilsler  770. 
Helbing  858. 
Helenias  842. 
Helferich  495.  697. 
Heller  39.  100.  649. 
Hellpach   265.   348.  879. 

382. 
Henchoz  40. 
Henkel  777. 
Henze  587.  589.  700. 
Hergel  348.  699. 
Hermann  266.  699. 
Hertel  723.  763.  859. 
Hess  866. 
Heubner  674. 
HiesUnd  326. 
Hiifiker  865. 
Hiüenberg  1. 
Uinterberger  217.  437. 
Hinträger  89.  34a 
Hintzmann  265.  872.  878. 

380.  385. 
Hirsch  255. 
Hirschmann  22. 
Hölemann  36. 
Hopf  768.  852. 
Hörn  373.  378. 
Hrabal  194. 
Hühner  699.  769. 


JTafifö  38.  698. 

Jäger  40.   265.  367.  371. 

378. 
James  206. 
Januschke  190. 
Jaquet  83. 
Jaerschky  866. 
Javal  346. 
JennyStuder  767. 


Jerusalem  189. 
Jessen  348.  849.  866. 
Igl  40.  699. 
Ihering,  t.  307.  489. 
lugersler  217. 
Johannessen  217. 
Juba  808. 


Kapp  189.  190. 

Kassowits  31. 

Kanpp  203.  858. 

Keller  857. 

Kern  81. 

Kerr  699. 

Key  167.  301.  462.  763. 

Klahr  512. 

Klatt  507. 

Klette  660. 

Kirstein  40. 

Knapp  308.  400  490. 

Koch  512.  673.  844. 

Koch-Hesse  293.  361.  457. 

Kocksch  217. 

Köhler  28. 

Kohlmann  853. 

Kohlrausch  268.  512. 

Koldewey  265. 

König  843. 

Königshöfer  366. 

Kopczynski  40. 

Köpke  259. 

Kosroann  367.  368. 

Kotelmann  305.  410. 468. 

612.  723. 
Köttgen  40. 
Krafft-Ebing  89. 
Kraft  36.   37.   699.    77S. 

782.  852.  854. 
Kräpelin  437. 
Kraepelin  866. 
Krell  85. 
Kriege  377. 
Krug  261. 
Kruker  36.  87. 
Krüfs  746. 
Rücbenmfister  95. 
KukuBch  190. 
KttU  859. 
Kümmel  217. 
Kunze  195. 
Küster  417. 


liaozö  841. 
Lahmann  217. 
Lamberts  28. 
Landmann  203. 
Landouzy  336. 
Landsberger  723. 


907 


Landsrath  338. 

Lange  259. 

Laos  699. 

Laplaoe  807. 

Laser  773. 

Lavisse  598. 

Lawrence  205. 

Lay  217.  699. 

Le  Qendre  419.  422. 

Le  Mang  19L 

Leubuseber  377.  378.  425. 

Lenschner  700.  780. 

Lexis  309.  607. 

Liebermann  419. 

Liebmann  866. 

Lienert  855. 

Liepe  40.  275. 

Lietz  663. 

Lihavzik  298.  720. 

Lion  498. 

Lischnewska  866. 

Liszt  591. 

Lobedank  36. 

Lobsien  348. 

Loeb  506. 

Lotz  260.  512.  866. 

Lowinsky  40. 

Lübben  306. 

Lucae  723.  731. 

Lukasc,  V.  840. 

Lutz  217. 


lEacnamara  30.  329. 
Maday,  y.  839. 
llaglesen  348. 
Maennel  866. 
Manac^ine,  v.  349. 
Mann  856. 
Manourriez  866. 
Marohand  828. 
Marcinowsky  512. 
Marfan  674. 
Marr  347.  512.  851. 
Martin  856. 
MaHinak  193. 
Matagne  28. 
Mathien  217.  848. 
Matthaei  860. 
Matthias  259. 
May,  T.  349. 
Mayr  297. 
Meder  40.  336.  349. 
Meisner  349. 673. 844. 867. 
Mendelssohn,  y.  332. 
Mery  419.  422.  674. 
Meumann  699. 
Meyer,  Bruno  865. 
Meyer  P.  847.  867. 
Meyer,  W.  P.  854. 


Meylan  196. 

Miklos  275. 

Miller  696. 

Mishima  418. 

Möbius  836. 

Modersohn  667. 

Mohaupt  700. 

Molenaar  196. 

Möller  265. 

Mombert  40. 

Moritz  217. 

Moses  9.  12.  40.  185.  217. 

437.  510.  753.  866. 
Motz  349. 
Mouton  27.   28.   93.    196. 

205.  267.  601.  608.  673. 

850.  861.  854.  858. 
Müller,  E.  344. 
Müller-Kassel  367. 
Müller-Stuttgart  373. 
Müller- Wiesbaden  377. 
Müller-Zürich  420. 
Münzer  336. 
Mürset  40. 
Myller  40.  265.  700. 


JTaunyn  398. 
Netolitzky  14. 
Neuendorff  265. 
Neufer  259. 
Neufert  512.  670. 
Neumann  217. 
Neumark  590. 
Noll  349.  614. 
Nolte  82.  203.  590. 
Nowack  29. 
Nufsbaum  774. 


Obermeyer,  v.  102. 
Oetvös  841. 
Oppermann  349.  814. 
Ostmann  189.  257. 


Paderstein  605. 
Pagliani  311.  723. 
Palleske  607. 
Paulsen  191. 
Petersen,  v.  664. 
Petzold  486. 
Petzoldt  190.  217. 
Pfaender  506. 
Pfeiffer  746. 
Pfuhl,  V.  95. 
Philippe  348. 
Philippi  30.  86. 
Pick  507. 
Pimmer  218. 


Pinard  336. 
Prietzel  29. 
Pollasohek  189. 
Popp  857. 
Praufsnitz  746. 
Preufsner  336. 
Prof6  198.  867. 
Proskauer  254. 


Ouetelet   305.   307.   308. 

400.  408.  410.  411.  460. 

461.  490.  720. 
Quincke  697. 
Quirsfeld  127. 


Radziejewski  217.  488. 
Bänke  89.  349.  719.  816. 

827. 
Raydt  268.  386.  349.  384. 

673.  700.  844.  867. 
Regnault  731. 
Reich  867. 

Reichenbach  349. 614. 700. 
Reichert  373.  377. 
Reihlen  366. 
Reinders  263. 
Reinfelder  867. 
Reinhard  265. 
Reinmüller  384. 
Rettich  368. 
Reuter  723.  732. 
Rietz  723.  726. 
Rindfleisch,  y.  664. 
Ritter  853. 
Roberts  723. 
Reeder  189. 
Röhn  337. 
Roller  348.  507. 
Rossow  512. 
Rostowzeff  239.  243. 
Roth  40.  265.  344. 
Roux  297. 
Rubner  218. 
Rudnik  348. 


S^ack  723. 

Salzmann  367. 

Samosch  425. 

Sandow  512. 

Savoire  674. 

Schanze  29. 

Scharf  392. 

Schenk  82.  203.  591. 

Schenckendorf,    y.     511. 

692.  673.  867.  844. 
Scheu  24. 
Schilling  349. 


908 


Sohiner  275. 
SchipfMr  189. 
Schlesinger  349. 
Schleich  217. 
Schmale  266. 
Schmid  497. 
Schmid-Monnard  102.  723. 

782. 
Schmehl  377. 
Schmidt,  E.  301.  310.  410. 

723. 
Schmidt,  F.  ii.   265.  266. 

349.  367.  495.  611.  512. 

611.  659.  762. 
Schmitt  9.  753. 
Schmoll  386. 
Schneider  698. 
Schulder  261. 
ScholE  82.  203.  590. 
Schoenfelder  102. 
Schott  218. 
Schrender  28. 
Sohröer  510.  698.  700. 
Schubert   218.    391.    419. 

422.  553. 
Schölte  700. 
SohnlUe  720. 
Schattleworth  826. 
Sohayten  102. 
Schwalbe  511. 
Schwan  700.  867. 
Seebaam  700. 
Seiti  89. 
Sickinger   102.    188.  203. 

218.  326.  436.  662.  666. 

700.  768. 
Siebert  350. 
Siegel  507. 
Sieveking    27.   697.    772. 

779. 
Sigmund,  ▼.  256. 
Simon  332. 
Simper  657. 
Smidowitoch  102. 
Spatr  89. 
Speidel  217. 
Sperling  218. 
Spicfs  487.  576. 
Spitsner  203. 
Spokes  87. 
Spnhler  265.  493. 
Sporzheim  835. 
Steiger  347.  438. 
Steiner  367. 
Stelz  218. 
Stephani  856. 
Stctter  867. 


Steuer  836. 
Sticker  500. 
Stieda  309.  489. 
Stiegler  512. 
Stocker  265.  416.  867. 
Stöcker  864. 
Stockhausen  35. 
Stockmajer  367. 
Stell  218.  350.  863. 
Stötzner  81. 
Stoy  77.  293. 
Stradal  335. 
StraTsmann  88. 
Stratz  726. 
Studt  343.  434.  435. 
Suck  16. 
Sttlzer  348.  866. 
Szalkay  842. 

Thierich  102. 
Thoma  188. 
Thomas  28.  348. 
Thumfer  189.    190.    198. 

257. 
Trechsel  265. 
Treitschke,  y.  500. 
Treutlein  373. 
Tritochler  856. 
Trump  89. 
Triiper  203.  832. 
Turm  266. 


Vhlitzsch   310.  317.  i 

723. 
Ulbricht  93. 
Ullmann  257. 
Ullrich  867. 
Ulrich  101. 
Ungewitter  102. 

Taillant  852. 
Vannod  40.  345. 
Vargas  201. 
Veit  11. 
Velz  265. 
Vierordt  411.  462. 
Vietor  265.  369.  373. 
Volkmann  898. 
Voormann  348. 


l¥abl  261. 
Walter  24. 

Wassermann  350.  425. 
Weber  350.  775.  867. 


Wegmann  700. 
Wehmer  15.  212. 
Wehrhahn  82.    367.  384. 

587.  589.  700. 
Wehrlin  263. 
Weidenbusch     265.    266. 

673.  845.  867. 
Weigl   12.  669.  753.  867. 
Weill-Manton  500. 
Weinberg  258. 
Weisbach  835. 
Weismayr,  v.  273. 
Weils  100.  838. 
Weizsäcker,  y.  368. 
Welcker  723. 
Wenchebach  600. 
Werner  663. 
Wetekamp  512. 
WeUitz  336. 
Weyer  271.  863. 
Weygand    99.    187.    350. 

847.  867. 
Weyl  782. 
Weyrauch,  y.  368. 
Wichmann   73.   100.  218. 

846.  348.  507.  554. 
Wickenhagen     511.    697. 

867. 
Wiese  860. 
Wildermuth  218. 
Wilbarm  265. 
Willenegger  843. 
Willmann  868. 
Winckler  82.  203. 
Wingen  102.  774. 
Winkler  80.  588. 
Wipf  16.  40.  346. 
Wolff  775. 
Wolfring,  y.  350. 
Wolpert,  A.  218. 
Wolpert,  H.  218.  775. 

Tasusaburo  (Sakaki)  217. 
Yorke  840. 

Zaddach  860. 

Zahn  366. 

Zander  100. 

Ziehen  102.  214.  252. 

Ziegler,  y.  258. 

Ziegler  699. 

Zimmer  207. 

Zinsli  200. 

Zollinger   102.   218.  610. 

699.  868. 
Zweiffei  766. 


Der  Schularzt. 

Sachregister. 


Orttnamen  8.  a.:  Dienstordnung  für  Schularzte;   Jakreeberiohte,  BchalärEtli<Ae; 
Sohnlarzt  in;  Schulärzte,  neue. 


Abgelehnte  Schulärzte  in  Lüdenscheid 
93/361. 

—  in  SchmöUn  93/361. 

—  in  Colberg  93/361. 

—  in  Breslau  94/361. 

Anstellung  von  Schulärzten  in  Breslau 
76/386. 

—  in  Hamburg  78/288. 
Ansteckung  s.  Erankheiten,anBteckende. 
Ärztliche    Eontrolle    der   Schulkinder 
..  in  Solingen  219/879. 

Arztliche  Schulatteste  76/286. 
Ärztliche  Untersuchung  bei  Aufnahme 

in  die  Schule  74/284. 
Aufgaben,   allgemeine   der  Schulärzte 

in  Darmstadt  78/288. 
Aufnahme  in  die  Schule  und  ärztliche 

Untersuchung  74/284. 
Aufsicht,  medizinische,  in  den  Schulen 

in  Holland  73/283. 
Aufsicht,  schulärztliche  74/284. 
Augenarzt  s.  Schulaugenarzt. 
Austausch  schulärztlicher  Jahresberichte 

144/542. 

Behandlung  durch  den  Schularzt 
182/712. 

Bericht,  28.,   des  Unterrichtsministers 
für  Japan  1900-1901  142/541. 

Berichte,    schulärztliche,     s.     Jahres- 
berichte. 

Berufsschularzt  87/117.  111/453. 

Besserstellung  der  Schulärzte  in 
Chemnitz  162/622. 

Bestimmung    der    Konstitution    der 
Schüler  47/219. 

Sctanlgreenndtaeitspflege.  XVIIL 


Dienstordnung     för     Schulärzte     in 
Bremen  71/281. 

—  in  Ohristiania  (Volksschulen)  2/42. 

—  in  Darmstadt  (Mittelschulen)  78/288. 

—  in  Drontheim  10/50. 

—  in  Frankfurt  a.  0.  63/236. 

—  in  Hamar  (Volksschulen)  7/47. 

—  in  Hannover  145/543. 

—  in  Königsberg  i.  Pr.  61/238. 

—  in  Mülhausen  i.  Eis.  20/60. 

—  in   Norwegen    (höhere    allgemeine 
Schulen)  9/49. 

—  in  Prag  95/363. 

—  in  Spandau  220/880.  227/887. 

—  in  St  Johann  a.  d.  Saar  41/122. 
Drüsen  s.  Konstitution  der  Schüler. 


Sinheitlichkeit  der  schulärztlichen 
Statistik,  Vorschläge  88/351. 

Eltern,  Beteiligung  der,  bei  der  schul- 
hygienischen Aufsicht  75/285. 

Ergebnisse  schulärztlicher  Untersuch- 
ungen in  Wilmersdorf  168/623. 

Erweiterung  der  schulärztlichen  Tätig- 
keit 18/58. 


Fettpolster  s.  Konstitution  der  Schüler. 
Flegeleien  gegen    einen   Schularzt   in 

Schöneberg  18/58. 
Formulare,   schulärztliche  einheitliche 

s.  Statistik,  schulärztliche. 
Fragebogen     für     die    Untersuchung 

kranker  und  geistig  minderwertiger 

Volksschüler  in  Norwegen  6/46. 

48 


910 


Ckisteileben  der  Sohiiler  und  Schal- 

«nt  57/929. 
OetohlfUfölmiDg    der    SohalXnte    in 

DarmtUdt  81/291. 
Oeeiohtefarbe   eiehe   KoiutitntioB   der 

Sohfiler. 
OetchleohÜiohe  Verimmgeii  der  SohiQer 

und  Sehalant 
Gerandheitliohe     Oberwaehaoff      des 

Schnlhaaees  and  seiner  BinricntangeB 

in  Dannstadt  daroh  die  Schaltete 

81/291.  ^ 

Gesandheitliche     Überwachang      der 

Schalkinder  in  Darmstadt  78/888. 
Gesandheitsaofrioht    in    Yolkssohalen 

Norwegens,  Bestimmangen  fOr  die 

4/44. 
Gewicht  bei  Sohalkindem  s.  Konstita- 

tion  der  Schüler. 
Grandbachblatt,     scholSntliches,     in 

Norwegen  14/54. 


Haat  s.  Konstitation  der  Sohfiler. 
Hers  s.  Konstitation  der  Schfller. 
HilfiMchale  für  SchwachbeflUiigte,  Aaf- 
gabe  des  Schalarstes  an  der  75/285. 


Jahresbericht,  schalärstlicher,  iweiter 
and  dritter,  über  die  Tätigkeit  der 
stlidtischen  Besirks&rste  in  Brunn 
106/448. 

—  in  ChemniU  1908-1904  88/118. 

—  in  Darmstadt  1908—1904  167/627. 

—  in  Ems  187/718. 

—  der  Brfarter  Volsscholen  1902  bis 
1908  227/887. 

—  in  Leipsig  1908-1904  224/884. 

—  in  Magdebarg  1908-1904  40/120. 

—  in  Mains  1908-1904  142/540. 

—  in  Mülhaasen  i.  Sls.  1908—1904 
185/715.  206/800. 

—  in  Prag,  evangelische  Privatvolks- 
schale  1908-1904  142/540. 

—  in  Wiesbaden  18/58. 

—  in  Worms,  Hilfsklassen  der  stidti- 
sohen  Volksschalen  1908  bis  1904 
60/282. 

Jahresberichte,  soholftrstliche,  Br> 
leiohterang  des  Aastansohes  144/542. 

Infektionskrankheiten  s.  Krankheiten, 
ansteckende. 

Instraktion  für  Schol&nte  s.  Dienst- 
ordnang. 


Keochhosten     s.     Konstitation     der 
Schüler. 


Kinderheilkande     and     Schalhygiene 

220/880. 
Knochen  s.  Konstitation  der  Schüler. 
Konstitation  der  Schüler,  Bestimmang 

der  47/219. 
Krankheiten    siehe    Konstitation    der 

Schüler. 
Krankheiten,  ansteckende,  Vorschriften 

sar  Verhütang  der  Obertragang  and 

dadaroh     gebotene      schmSrstliche 

Tätigkeit  28/108. 
Kreisfirste      and      Schalbesichtigang 

77/287. 
Kreisschalarstes,     Titigkeit    des,     in 

Offenbach  162/682. 
Krisis,  eine  schnlSntliche,  in  Thüringen 

56/228. 


Lehrer  and  medisinische  Aafsicht  in 

den  Schalen  78/288. 
Lange  s.  Konstitation  der  Schüler. 
Langenentsündang  s.  Konstitation  der 

Schüler. 


Magdebarger  schalüntliche  Verhalt- 
nisse 94^. 

Masern  s.  Konstitation  der  Schüler. 

Medizinalbeamter  and  Schalarstfrsge 
155/615. 

Minderbegabte  and  kranke  Scholkindar 
in  Norwegen,  Fragebogen  für  die 
Untersachang  6/46. 

Moralische  Defekte  der  Schüler  and 
Schalarst  57/229. 

Maskeln  s.  Konstitntion  der  Schüler. 


Hebenamt,  Schalarst  als  111/458. 
Nerrenleben  der  Schüler  and  Schal- 
arst 57/229. 
Neae  Schalfirzte  s.  SchalSnte,  neae. 


Organisation^staatliche,  des  Schalant- 
wesens  in  Wfirttembeiv  182/712. 


I,  deatsche  and  tschechische, 
Gesnndheitsverhaltnisse  bei  Schal- 
kindera  107/449. 

Referate  über  schalfirztliche  Jahres- 
berichte s.  Jahresberichte. 

Bückgratsverkrfimmangen,  die,  des 
sohalpflichtigen  Alters  86/116. 


911 


fi(oharlach  b.  KonBtmktion  der  Schüler. 
Schularzt,  Behandlung  duroh  182/712. 

—  an  Hil&sohulen  fSr  Schwaohbe- 
fahigte,  seine  Aufgaben  76/285. 

—  an  höheren  Lehranstalten,  not- 
wendige Ehvänzung  der  Sohnlorgani- 
sation  202/796. 

—  im  Nebenamt  oder  Bernfssohalarst 
111/463. 

—  als  Nebenbeschäftigung  in  Nor- 
wegen 13/58. 

Schulärzte,  abgelehnte,  s.  abgelehnte 
Schulärzte. 

—  in  Barmen  110/452. 

—  Vermehrung  in  Berlin  220/880. 

—  in  Bergen  4/44. 

—  Anstellung  in  Bremen  70/280. 

—  Einführung  an  den  höheren  Schulen 
Breslaus  221/881. 

—  für  Mittelschulen  in  Czemowitz 
204/798. 

—  in  Bunzlan  110/452. 

—  in  Darmstadt  58/230. 

—  in  Drontheim  9/49. 

—  in  den  Düsseldorfer  Landgemeinden 
164/624. 

—  in  Elmshorn  58/280. 

—  in  OjoYik  12/52. 

—  in  Hannover. 

^  in  Helsingfors  58/230. 

—  in  kleinen  Städten  110/452. 

—  in  Königsberg,  Leistungen  und  Ob- 
liegenheiten 1900-1904  171/701. 

—  in  EongsYinger  12/52. 

—  in  Lillehammer  11/51. 

—  in  Mühlhausen  164/624. 

—  Tätigkeit  in  New  York  204/798. 

—  beantragte  Anstellung  in  Nietleben 
164/624. 

—  in  Landdistrikten  in  Norwegen 
13/58. 

—  in  Saarbrücken  110/452. 

—  städtische  in  der  Provinz  Sachsen 
220/880. 

->  in  Stotteritz  110/452. 

—  in  Treptow  164/624. 

—  in  Tromso  11/51. 

—  in  Werdau,  Anstellung  110/452. 

—  für  Wien  58/230. 

—  in  Zaandam  73/282. 
Schulärzte,  neue,  in  Bayreuth  16/56. 

—  in  Berlin  93^1. 

—  in  Bemburg  57/229. 

—  in  Bismarckhütte  56/228. 

—  in  Bochum  92/360. 

—  in  Bremen  92/360. 

—  städtischs  für  Mittelschulen  in 
Breslau  140/538. 

—  in  GhemniU-Hilbersdorf  220/880. 

—  in  Darmstadt  16/56. 


Schulärzte  neue,  in  Elberfeld  220/880. 

—  in  Hainichen  34/114. 

—  in  Hamburg  93/361. 

—  in  Hanau  56/228. 

—  in  Hannover  92/360. 

—  in  Heidelberg  56/228. 

—  in  Hildesbeim  220/880. 

—  in  Karlsruhe  17/57.  93/361. 

—  und  deren  Obliegenheiten   in   Kö- 
penick 56/228.  181/711. 

—  in  Lauterbach  57/229. 

—  in  Lichtenberg  205/799. 

—  in  Marburg  181/711. 

—  in  Marburg,  Steiermark  205/799. 

—  in  Markirch  17/67. 

—  in  Maxgrün  57/229. 

—  in  Neustädtel  16/56. 

—  in  Nietleben  181/711. 

—  in  Paunsdorf  205/799. 

—  in  Prag  15/55.  34/114. 

—  in  Badeberg  56/228. 

—  in  Baschau  57/229. 

—  in  Bheine 

—  in  Bummelsdorf  220/880. 

—  in  Spandau  56/228. 

—  in  Stettin  92/360.  206/799. 

—  in  StötteriU  92/360. 

—  in  Treptow  —  Baumsohulenweg 
205/799. 

--  in  Voigtsberg  57/229. 

—  Wiebelskirohen  181/711. 

—  in  Wiesbaden  92/360. 
Schulärzte,  weibliche  110/452. 
Schulärztin  in  Paris  181/711. 
Schulärztliche  Einrichtung,  notwendige 

Erweiterungen  182/712. 

—  Jahresberichte  s.  Jahresberichte. 

—  Tätigkeit  in  Görlitz  219/879. 

—  Untersuchung  in  Wilmersdorf,  Er- 
gebnisse 163/623. 

—  Verhältnisse  in  Magdeburg  94/362. 
Schulärztliches  aus  Holland  73/283. 

—  Omndbuchblatt  in  Norwegen 
14/54. 

Schularztfrage,  neue  Oesichtspankte 
218/219. 

—  vom  Standpunkte  des  Medizinal- 
beamten 155/615. 

—  zur,  Nerven-  und  Geistesleben  der 
Sohnler,  moralische  Defekte,  sexuelle 
Verfehlungen  67/229. 

—  in  Christianssand  3/43. 

—  in  Hamburg  58/230.  203/797. 

—  in  Frankreich  164/624. 

—  in  Osterreich  59/231.  67/277. 

—  in  Stettin  55/227. 

—  in  Stuttgart  62/224. 

—  in  Württembenr  37/117.  168/623. 
209/869. 

Schulantinstitution  in  Norwegen  1/41. 

48» 


912 


SohalantweMii,  heutiger  Stand  an  den 

tsoheohisohen    Schalen   in    Böhmen 

und  Mfthren  34/111. 
—  staatliche  Organisation  in  Württem- 
berg 182/712. 
Schulaagenarzt  184/714. 
->  in  Heiderich  a.  Rh.  180/710. 
Schulaagenante,    Notwendigkeit    der 

Anstellung  72/282. 
Schul  besieh  tigung  durch  die  Kreis&nte 

77/287. 
Sohulfresundheitspflege,  eine  staatliche 

Pflicht  78/283. 
Schulhygiene     und     Kinderheilkunde 

220/880. 
Schulhygienische  Verh&ltniase  in  Bng- 

land  141/539. 
Schwach  befähigte  s.  HilfSMohule. 
Spesialschulänte  184/714. 
Statistik,    scbuläntliohe,     Vorechl&ge 

sur      einheitlichen       Durchführung 

83/361.  97/439.  116/618. 
Stellung,  verbesserte,    der    Sohulinte 

in  ChemniU  162/622. 


Titigkeit  der  SchnlSnte,  Umfang  der 

18/68. 
--  in  Berlin  17/57.  57/229. 

—  in  Leipiig  35/116. 

^  in  Liohtonberg  165/625. 

—  des  Kreisschularstes   in    Offenbach 


Tuberkulöse  Kinder,  AnseohlafB  aoB 
der  Schule  205/799. 

Untersuchung  kranker  und  geistig 
minderirertiger  Volksscbüler  in 
Norwegen,  Fragebogen  für  die  6/46. 

—  schulärztliche,  der  neueinzuschulen- 
den  Kinder  in  Berlin  nach  einheit- 
lichem Verfahren  110/452. 

—  —  in  Wilmersdorf,  Ergebnisse 
163/623. 

l¥eibliche  Schulärzte  110/452. 
Wirbelsäuleyerkrümmung    bei    Schul- 
kindern, Behandlang  57/229. 
Wortblindheit,  angebwene  35/115. 


Namenregister. 


Altsohul  59/231.  67/277. 

83/351.  189/783. 
Axmanii  56/228. 


Baiser   H2/540.  144/542. 
Beermann  181/711. 
Behrend  93/361. 
Bender   77/287.    140/538. 
Bernhardt  84/352. 
Bernstein  220/880. 
Bieralski  36/116. 
Bildt  164/624. 
Bleckwenn  92/360. 
Biezinger  155/615.214/874. 
Breul  92/360. 
Brookmann  165/625. 
Bruinsma  74/284. 
Buohhold  59/231.  115/513. 

144/542.  167/627. 
Buechel  83/851. 
Burgerstein  1/41. 


Cappes  92/360. 
Cohn,  N.  184/714. 
CunU  84/852.  144/542. 


Dillner  56/228. 


EichsUedt  166/626. 
Engelhom  37/117. 
Ernst  187/717. 
Eeleben  57/229. 


Feige  140/538. 
Feser  75/285. 
Flaohs  75/285. 
Flagge  140/538. 


Franke  220/880. 
Frölich  16/56. 
Fromm  82/112. 


Gastpar  55/227.  210/870. 
Gebeschus  56/228. 
Goppert  220/880. 
Göring  59/231. 
Götz  58/230.  75/285. 
Granjuz  165/625 
Gntenberg  59/231. 


H&konson-Hansen  1/41. 
Hamburger  87/355. 
Hartmann  36/116.  37/117. 
Heesel  181/711. 
Hildebrandt  181/711. 
Honebrinker  203/797. 
Höpfifner  17/57. 


Jaff6e  58/230.  204/798. 
Jakobsohn  205/799. 
Igl  59/231. 70/280.144/542. 
Jörgensen  6/46. 


Key  222/882. 
Koppe  47/219. 
Kraft    204/798.    205/799. 

219/879. 
Kratz  92/360. 
Kränze  6/46. 
Kreipe  92/360. 
Kusy,  V.  68/278. 


Ijandgraf  16/56. 
Langsdorf  69/231. 
Laser  171/701. 


Leimbach  92/860. 
Levy-Ellinger  212/872. 
Leubuscher  83/851. 84/352. 
Leydhecker  59/281. 
Liebermann  182/712. 
Loo,  V.  d.  73/283. 
Lüttioh  92/360. 


Marr  208/797. 
Martin-Hartmann  202/796. 
Momewej  82/292. 
Mouton  73/283.  74/284. 


Hiemann,  C.  181/711. 
Niemann  E.  181/711. 
Nolte  92/360. 


Oebbeoke  20/60.  77/287. 

93/361.  109/451.  140  n. 

528.    142/540.    143/541. 

144/542.  208/802. 
Oker-Blom  58/230. 
Oosterbaan  73/283. 


Paulsen  92/360. 
Pavel  67/277. 
Poetter  188/718. 
Pfundtner  76/286. 


qnirsfeld  70/280. 


Bad,  Y.  61/233. 
Rak  205/799. 
Reich  76/286.  221/881. 
Richter  (Breslau)   76/286. 
141/539.  221/881. 


914 


Uiohter  (Magdebanr;  94  a. 

362. 
Biohter  (Bemtoheid)   182 

n.  712. 
Bisohawj  204/798. 


Sachs  144/542.  206/800. 
SamoBch    88/851.   97/439. 

115/518.  189/788. 
Sandmann  94/362. 
Schang  86/116. 
Sohattenfroh  59/281.  67  a. 

277. 
Schmidt  164/624. 
Schneider  181/711. 
Schott  57/229.  218/878. 
Schrakamp  18/58. 
Schreiber  94/362. 
Schreve  74/284. 


Schübel  16/56. 
Schobert  60/232.  68/278. 

84/852. 
Schalt«  182/712. 
Seggel  72/282. 
Seiter  220/880. 
Sejdel  35/115. 
Sieveking  144/542. 
Simon  77/287. 
Spaeth  209/869. 
Steiner  93/361. 
StraTsner  94/362.  144/542. 

219/879. 
Snrmont  74/284. 

HTjaden  92/860. 
Tietse  77/287. 
Tach  92/860. 


TaiUant  164/624. 
Veit  144/542. 


Wacker  17/57. 
Wagner  220/880. 
Wahrendorff  92/860. 
Waamut  92/360. 
Wehmer  28/103.   24/104. 

25/105. 
Wehrhahn  141/539. 
Weingea  181/711. 
Werner  220/880. 
Wichmann  204/798. 
Wirts  164/624. 
Wolfram  59/231. 


2eman  84/114. 
Ziegler  166/626. 


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